BGB [13. neu bearbeitete Auflage] 9783504382179

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German Pages 6983 [7022] Year 2011

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BGB [13. neu bearbeitete Auflage]
 9783504382179

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Erman Bürgerliches Gesetzbuch

Erman Bürgerliches Gesetzbuch Handkommentar mit AGG, EGBGB (Auszug), ErbbauRG, LPartG, ProdHaftG, UKlaG, VBVG, VersAusglG und WEG herausgegeben von

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Harm Peter Westermann Prof. Dr. Barbara Grunewald Rechtsanwalt Dr. Dr. h.c. Georg Maier-Reimer

I 13., neu bearbeitete Auflage

2011

Bearbeitet von Prof. Dr. Lutz Aderhold

Dr. Arndt Lorenz

Prof. Dr. Christian Armbrüster

Dr. Klaus Lützenkirchen

Prof. Dr. Arnd Arnold

Dr. Dr. h.c. Georg Maier-Reimer

Prof. Dr. Detlev W. Belling

Prof. Dr. Lutz Michalski

Prof. Dr. Klaus Peter Berger

Prof. Dr. Hans-Friedrich Müller

Klaus-Peter Blank

Dr. Johannes Norpoth

Dr. Lars Böttcher

Dr. Dr. h.c. Heinz Palm

Prof. Dr. Petra Buck-Heeb

Prof. Dr. Anne Röthel

Dr. Christine Budzikiewicz

Dr. Stefanie Roloff

Dr. Marc Dickersbach

Prof. Dr. Andreas Roth

Dr. Yves Döll

Prof. Dr. Stefan Christian Saar

Dr. Tim W. Dornis

Prof. Dr. Ingo Saenger

Dr. Frank Ebbing

Prof. Dr. Stefan Schaub

Prof. Dr. Ina Ebert

Prof. Dr. Gottfried Schiemann

Prof. Dr. Stefan Edenfeld

Prof. Dr. Dr. h.c. Wilfried Schlüter

Dr. Hans-Ulrich Graba

Prof. Dr. Roland Schmid

Prof. Dr. Barbara Grunewald

Michael Schmidt

Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz

Prof. Dr. Jürgen Schmidt-Räntsch

Prof. Dr. Johannes Hager

Hans Christian Schwenker

Eckart Hammermann

Dr. Eberhard Wagner

Prof. Dr. Jan Hecker

Dr. Frank Wenzel

Dr. Jörn Heinemann

Prof. Dr. Olaf Werner

Prof. Dr. Elke Herrmann

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Harm Peter Westermann

Prof. Dr. Gerhard Hohloch Prof. Dr. Dagmar Kaiser Prof. Dr. Johann Kindl Prof. Dr. Nadine Klass Dr. habil. Kathrin Kroll-Ludwigs

Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen Prof. Dr. Rüdiger Wilhelmi

Zitierempfehlung: Erman/Bearbeiter, BGB, 13. Auf!., § ", Rn. ",

Bibliogcafische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Natiorullbibliothek verzeichnet diese Publikatioo in der Deutschen Natianalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:ffduh.d-nb.de ahrufhar.

Verlag Dr. Otto Scbntidt KG Gust:av-Heinelill!ni1-Ufer 58, 50968 Köln TeL 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-sclmridt.de !SKN 978-3-504-47101-9

©2011 by Verlag Dr. Ottc Sclmridt KG, Köln

Das Werk einscbließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesooderc för Vcrviclfältigungen, llearbcitcngen, Übersetzungen, Mikroverlilmungen und die Einspeicherung und Verarbeiteng in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoflcn hergestellt, bnlz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: )an P. Lichtenford, Mettlillml1 Satz: WMTP, Birkerum Druck und Verarbeitung: Kösel, Krug;rell Printed in Germauy

Vorwort zur 13. Auflage Das BGB, dessen Erläuterung den Kern des hiermit vorgelegten Werks ausmacht, hat in den über 100 Jahren seiner Existenz, vor allem aber in den fast 60 Jahren seit der ersten Auflage dieses Kommentars, so viele grundlegende Umstrukturierungen und Wandlungen in Einzelnormen erlebt, dass sich die Frage aufdrängt, ob es noch geistige Zusammenhänge und Anforderungen der Praxis gibt, die es sinnvoll erscheinen lassen, ein Werk wie das vorliegende als „BGB-Kommentar“ zu verfassen und zu veröffentlichen. Damit sind Gegenwart und Zukunft eines Buches dieser Größenordnung angesprochen. Zur Kennzeichnung der 13. Auflage kann als erstes gesagt werden, dass der Verlag und der bisher alleinige Herausgeber sich darüber freuen, den Herausgeberkreis um eine für den Kommentar schon bisher als Autorin prägende Hochschullehrerin und einen angesehenen, auch wissenschaftlich ausgewiesenen Rechtsanwalt erweitert zu haben. Sodann haben sich die nunmehr drei Herausgeber in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Programmbereich des Verlages – auch und gerade in der Gewinnung von Autoren und in der Beratung über die von ihnen zu verfolgenden inhaltlichen Konzeptionen – der Aufgabe gestellt, die schon im Vorwort zur Vorauflage betonten tiefgreifenden und geradezu systemverändernden Einflüsse der europäischen Rechtsakte und der Rechtsprechung des EuGH in die Erläuterung des „klassischen“ BGB mit dem Ziel einzubeziehen, zu einer auch für die heutige Zeit zuverlässigen und nachvollziehbaren Darstellung des in Deutschland geltenden Privatrechts zu gelangen. Das ist kein geringer Anspruch, dem nur ein Bearbeiterkreis gerecht werden kann, in dem jeder sowohl Spezialist für den von ihm übernommenen Abschnitt als auch mit den Methoden und Praktiken des gesamten Privatrechts vertraut ist. Einige Verfasser, besonders die mit dem Verbraucherschutz im weitesten Sinne befassten, mussten ihre Beiträge teilweise stark ausweiten; dies gilt insbesondere für Herrn Prof. Dr. Ingo Saenger und Herrn Rechtsanwalt Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen, die umfassende Neuerungen des Verbraucherschutzrechts (u.a. das neue Sondervertragsrecht des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, das neue Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen und die modernisierten Regelungen über Teilzeit-Wohnrechteverträge) zu bearbeiten hatten. Wir sind ihnen sehr verpflichtet, dass dies alles in dem engen zeitlichen Rahmen, der sich aus dem Streben nach Aktualität ergab, geleistet worden ist. Darüber hinaus zwingt die geschilderte Situation um eine „alte“, aber nach wie vor praktisch höchst wirksame und in ihrer ursprünglichen Präzision und Konsistenz immer noch vorbildliche Kodifikation alle Beteiligten zu einer beständig kritischen Auseinandersetzung mit anerkannten Meinungen einschließlich ihrer eigenen, möglicherweise schon früher vertretenen Ansicht; in nicht wenigen Fällen waren weitgehende Neubearbeitungen der Texte angebracht. Einzelne Autoren waren aufgrund starker anderweitiger beruflicher Beanspruchung oder wegen gesundheitlicher Probleme gezwungen, neu übernommene Beiträge diesmal nur zu aktualisieren oder Ko-Autoren hinzuziehen; das wird durch die „Firmierung“ dieser Teile angezeigt. Im Übrigen tragen die neuen Autoren zwar die Verantwortung für die unter ihrem Namen erscheinende Kommentierung, nehmen aber nicht für sich in Anspruch, den Text Wort für Wort neu geschrieben zu haben. Gut eingeführte, namentlich in die juristische Praxis eingegangene Teile der Kommentierung brauchten deshalb auch unter neuer Autorenschaft nur behutsam weiterentwickelt zu werden, während stark individuell geprägte Darstellungen in größerem Umfang durch vollständige Neubearbeitungen unter neuen Namen ersetzt wurden. Die Vollendung einer mehrjährigen gemeinschaftlichen Arbeit gibt Anlass, in mehrfacher Hinsicht Dank auszusprechen. Besonders danken Herausgeber und Verlag allen, die mit Vollendung der Vorauflage aus dem Bearbeiterkreis ausgeschieden sind. Dieser Dank gilt namentlich Herrn Prof. Dr. Horst Ehmann, Frau Rechtsanwältin Dr. Katharina Gamillscheg, Herrn Vors. Richter am OLG a.D. Paul Jendrek, Herrn Richter am OLG Dr. Winfried Maier, Herrn Präsidenten des OLG a.D. Dr. Dr. h.c. Heinz Palm, Herrn Prof. Dr. Hans Hermann Seiler, Herrn Rechtsanwalt Dr. Matthias Terlau und Frau Prof. Dr. Marina Wellenhofer, deren Beiträge das Gesicht des Kommentars z.T. durch viele Auflagen geprägt haben. Zugleich sollen die zahlreichen, Wissenschaft und Praxis repräsentierenden neu hinzugekommenen Autorinnen und Autoren mit dem Ausdruck der Freude über die gute Zusammenarbeit im Bearbeiterkreis begrüßt werden. Unser Willkommen gilt den Herren Prof. Dr. Arnd Arnold, Prof. Dr. Klaus Peter Berger, Richter am OLG Klaus-Peter Blank, Rechtsanwalt Dr. Lars Böttcher, Frau Akad. Rätin Dr. Christine Budzikiewicz, den Herren Rechtsanwalt Dr. Marc Dickersbach, Richter Dr. Yves Döll, Richter Dr. Tim Dornis, Notar Dr. Jörn Heinemann, Frau Prof. Dr. Nadine Klass, Frau Dr. habil. Kathrin Kroll-Ludwigs sowie den Herren Rechtsanwalt Dr. Klaus Lützenkirchen, Prof. Dr. Hans-Friedrich Müller, Richter am OLG Dr. Johannes Norpoth und Rechtsanwalt Prof. Dr. Ronald Schmid. Nicht zu vergessen ist schließlich die wie gewohnt gründliche, kenntnisreiche und umsichtige Betreuung durch das Verlagslektorat unter Leitung von Herrn Peter Marqua. So konnte erreicht werden, dass die Bearbeitung den Gesetzesstand per 1. Juli 2011, Wissenschaft und Rechtsprechung im Wesentlichen bis zum 15. Juni 2011 erfasst. Köln und Tübingen, im August 2011 Barbara Grunewald

Georg Maier-Reimer

Harm Peter Westermann VII

Vorwort zur 1. Auflage Im September 1948 brachten die drei Mitarbeiter an dem hier vorgelegten Kommentar, Landgerichtsdirektor Dr. Böhle-Stamschräder, Rechtsanwalt Groepper und Professor Dr. Westermann, als Band I von „Aschendorffs Juristische Handbücherei“ einen Kommentar des Allgemeinen Teils des Bürgerlichen Gesetzbuches heraus, dem Anfang 1949 noch eine Teillieferung des Rechts der Schuldverhältnisse (§§ 241–247, bearbeitet von Dr. Böhle-Stammschräder) folgte. Das Werk sollte, aufgeteilt auf die drei Herausgeber, in fünf Einzelbände die fünf Bücher des BGB umfassen. Die günstige Entwicklung der allgemeinen Verhältnisse machte es dann jedoch möglich, die Herstellung eines umfangreicheren, das BGB und seine wichtigsten Nebengesetze umfassenden Kommentars in einem allen technischen Anforderungen entsprechenden starken Dünndruckbande in Angriff zu nehmen. Das ließ es den Herausgebern und dem Verlag angebracht erscheinen, den Kreis der Mitarbeiter wesentlich zu erweitern. Nur dann konnte der Kommentar auch in der neuen Gestalt sein Ziel erreichen, dem lernenden und dem fertigen Juristen, dem Manne der Wissenschaft und dem Manne der Praxis wirklich zu dienen. Als neue Mitarbeiter wurden nur Juristen herangezogen, die wie die bisherigen Herausgeber mitten im Rechtsleben standen und daher wie sie besonders befähigt erschienen, das lebendige Recht darzustellen. Die starke anderweitige Belastung aller Mitarbeiter verbot es, die Anteile zu groß zu bemessen. Die Verteilung der Arbeitslast auf viele Schultern ermöglichte es zugleich, für besondere Gebiete bewährte Spezialisten als Mitarbeiter zu gewinnen. Diese Änderung des ursprünglichen Planes ließ eine einheitliche Leitung des Gesamtwerkes beim Aufbau des Mitarbeiterkreises und der Erstellung des Kommentars wünschenswert erscheinen, und so wandten sich Herausgeber und Verlag an mich mit der Bitte, als lehrender, forschender und im Richteramt praktisch tätiger und daher den verschiedenen Zielrichtungen des Kommentars verbundener Jurist diese Aufgabe zu übernehmen. Wir einigten uns auf folgende Richtlinien: Jeder Mitarbeiter liefert seinen Anteil unter eigener Verantwortung. Er stellt die Ergebnisse von Rechtsprechung und Rechtslehre dar und legt dabei besonderen Wert auf Zuverlässigkeit im Zitieren unter Beschränkung auf wirklich ergiebige, grundlegende oder zusammenfassende Belegstellen. Wo er Eigenes zu bieten hat, nimmt er ausführlicher Stellung. Dabei werden Widersprüche in den Auffassungen mehrerer Mitarbeiter entweder ausgeglichen oder offen vertreten. Zu den einzelnen Abschnitten und Unterabschnitten und zu wesentlicheren Vorschriften werden in Vorbemerkungen oder in den ersten Anmerkungen die Grundgedanken in besonders auch für den jungen Juristen gut faßlicher Form dargestellt, sodann erst werden die Einzelfragen behandelt, die sich im Rahmen oder im Randbereich der Vorschriften entwickelt haben. Zum Umfang des Kommentars stand fest: Er sollte möglichst inhaltsreich sein, jedoch den „einen Band“ nicht sprengen. Das führte zu zwei Folgerungen: Zur Verwendung von Abkürzungen und, unbeschadet ausgiebiger Kommentierung in allen Teilen, zur Bildung von Schwerpunkten in ausgesprochenen Kernmaterien, wie beispielsweise dem Recht der unerlaubten Handlungen. Besonders am Herzen lag dem Verlag und mir auch eine eindringende Darstellung der dem Dienstvertrag nahegelegenen Teile des Arbeitsrechts gerade im Rahmen eines Kommentars zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Mit dem Fortschreiten der Zeit ergab sich die Frage: Soll das Werk noch vor der zu erwartenden Familienrechtsnovelle (Art. 3 Abs. 2 und Art. 117 Grundgesetz) herausgebracht werden? Das war zu bejahen. Nicht nur ist ungewiß, ob es dem Gesetzgeber möglich sein wird, die Frist des Art. 117 (31. März 1953) einzuhalten, sondern selbst wenn das gelingt, wird noch für einen beträchtlichen Zeitraum das jetzt geltende Recht theoretisch und praktisch Bedeutung behalten. Die Kommentierung des neuen Rechts kann für die erste Auflage des Kommentars einem Nachtrage vorbehalten bleiben, dessen schnelle Erstellung in die Wege geleitet ist. Ursprünglich hatte ich vor, mich an der Kommentierung selbst zu beteiligen. Sehr bald mußte ich jedoch einsehen, daß die Leitung des Gesamtwerkes mir neben meinen anderen Belastungen hierzu keine Zeit ließ. So ist es denn dazu gekommen, daß ich nur „multa“ zur Erstellung des Kommentars beizusteuern hatte, womit ich hoffe, zu meinem Teil den Mitarbeitern die Konzentration auf das „multum“ ermöglicht zu haben. Und die auf mich entfallende Arbeit hätte ich wiederum nicht ohne die dauernde wertvolle Mitwirkung des Mitherausgebers erledigen können. Seiner Arbeit ist auch das alphabetische Inhaltsverzeichnis zu verdanken. Ist es ohnehin Sitte, die Leserschaft eines juristischen Werkes um kritische Hinweise zu bitten, so rechtfertigt sich diese Bitte hier in besonderem Maße: denn bei allem Streben nach einheitlicher Linie ist es naturgemäß bei dem Neben- und Nacheinander-Entstehen des Werkes nicht möglich, gleich in der ersten Auflage alle Abweichungen zu beheben oder zur offenen Behandlung zu bringen, geschweige denn die wünschenswerte Verzahnung lückenlos herzustellen. Ist das auch bei einem Kommentar kein Verhängnis, so soll doch dieses Ziel eines völlig in sich geschlossenen Werkes auch über die erste Auflage hinaus weiter angestrebt werden. Köln, im November 1952

VIII

Prof. Dr. Walter Erman

Bearbeiterverzeichnis Dr. Lutz Aderhold Rechtsanwalt und Notar, Dortmund Honorarprofessor an der Universität Münster

§§ 741–758, 1008–1011 BGB

Dr. Christian Armbrüster o. Professor, FU Berlin, Richter am KG

§§ 145–163 BGB; §§ 1, 2 Abs. 1 Nr 8, 3–5, 19–23, 31–33 AGG

Dr. Arnd Arnold Dipl.-Volksw., o. Professor, Universität Kiel

§§ 116–133 BGB; § 134 BGB (mit Dr. Palm); §§ 135–137 BGB; § 138 BGB (mit Dr. Palm); §§ 139–144 BGB

Dr. Detlev W. Belling, M.C.L. o. Professor, Universität Potsdam

§§ 614–630 BGB; §§ 2 Abs. 1 Nr 1–7, Abs. 2–4, 6–18, 24 AGG

Dr. Klaus Peter Berger, LL.M. o. Professor, Universität zu Köln

§§ 657–675 BGB

Klaus-Peter Blank Richter am OLG, Köln

§§ 1564–1568b BGB

Dr. Lars Böttcher Rechtsanwalt, Düsseldorf

§§ 420–432 BGB

Dr. Petra Buck-Heeb o. Professorin, Universität Hannover

§§ 362–386; 812–822 BGB

Dr. Christine Budzikiewicz Akad. Rätin, Universität zu Köln

§§ 1363–1390 BGB

Dr. Marc Dickersbach Rechtsanwalt, Köln

Anh. zu § 535 BGB (Leasing), §§ 557–560, 581–597 BGB

Dr. Yves Döll Richter, Hof

§§ 1616–1698b BGB (mit Prof. Dr. Michalski)

Dr. Tim W. Dornis, JSM (Stanford) Richter, Stuttgart

§§ 677–687 BGB

Dr. Frank Ebbing, LL.M. Rechtsanwalt, Erlangen

§§ 937–1007 BGB

Dr. Ina Ebert apl. Professorin, Universität Kiel, Consultant, München

§§ 249–274 BGB

Dr. Stefan Edenfeld apl. Professor, Universität Münster

§§ 611–613a BGB

Dr. Hans-Ulrich Graba Vorsitzender Richter am OLG a.D., Neusäß/Augsburg

§§ 1569–1586b BGB

Dr. Barbara Grunewald o. Professorin, Universität zu Köln

§§ 433–480 BGB

Dr. Dr. Herbert Grziwotz Notar, Regen, Honorarprofessor an der Universität Regensburg

§§ 311b, 311c, 1018–1029, 1090–1112 BGB; ErbbauRG; WEG

Dr. Johannes Hager o. Professor, Universität München

§§ 286–304, 315–319 BGB

Eckart Hammermann Vorsitzender Richter am OLG, Hamm

§§ 1589–1615n BGB

Prof. Dr. Jan Hecker, LL.M. (Cambridge) Ministerialrat im Bundesministerium des Innern, Berlin

§§ 89, 839, 839a BGB

IX

Bearbeiterverzeichnis Dr. Jörn Heinemann, LL.M. Notar, Neumarkt/Opf.

§§ 1408–1563 BGB

Dr. Elke Herrmann o. Professorin, Universität Siegen

§§ 516–534, 688–700, 765–778 BGB

Dr. Gerhard Hohloch o. Professor, Universität Freiburg, Richter am OLG i.R.

§§ 242, 313, 314 BGB; Art 3–46 EGBGB mit UnthProt, KSÜ, ESÜ, HKÜ, VO Rom I, VO Rom II, VO Rom III; Art 220, 236 EGBGB

Dr. Dagmar Kaiser o. Professorin, Universität Mainz

LPartG

Dr. Johann Kindl o. Professor, Universität Münster

§§ 311, 311a BGB

Dr. Nadine Klass, LL.M. (Wellington), o. Professorin, Universität Siegen

Allg. Persönlichkeitsrecht (Anh. § 12 BGB)

Dr. habil. Kathrin Kroll-Ludwigs Universität Bonn

Einl § 1297, §§ 1297–1302, 1353–1362 BGB

Dr. Arndt Lorenz Stellv. Direktor des AG, Brühl

§§ 854–902, 907–928 BGB

Dr. Klaus Lützenkirchen Rechtsanwalt, Köln

§§ 535–556b, 561–580a BGB

Dr. Dr. h.c. Georg Maier-Reimer, LL.M. Rechtsanwalt, Köln

§§ 164–193 BGB

Dr. Lutz Michalski o. Professor, Universität Bayreuth

§§ 90–103, 929–936, 1030–1089, 1204–1296; 1616–1698b BGB (mit Dr. Döll)

Dr. Hans-Friedrich Müller, LL.M. o. Professor, Universität Erfurt

§§ 104–113, 759–763, 779 BGB

Dr. Johannes Norpoth Richter am OLG, Hamm

§ 1587 BGB; VersAusglG

Dr. Dr. h.c. Heinz Palm Präsident des OLG a.D., Dortmund

§§ 134, 138 (mit Prof. Dr. Arnold)

Dr. Anne Röthel o. Professorin, Bucerius Law School, Hamburg

§§ 346–354, 414–418 BGB

Dr. Stefanie Roloff, LL.M. (Univ. Cambridge) Richterin am LG, Berlin

§§ 305–310 BGB; UKlaG

Dr. Andreas Roth o. Professor, Universität Mainz

§§ 1303–1320, 1712–1717, 1896–1921 BGB

Dr. Stefan Chr. Saar o. Professor, Universität Potsdam

§§ 1741–1895 BGB, VBVG

Dr. Ingo Saenger o. Professor, Universität Münster

§§ 1–14, 241a, 312–312i, 355–360, 481–512, 607–609, 655a–655e BGB

Prof. Dr. Stefan Schaub, LL.M. Rechtsanwalt, Düsseldorf

§§ 244–248, 336–345 BGB

Dr. Gottfried Schiemann em. o. Professor, Universität Tübingen

§§ 823–838, 840–853 BGB; ProdHaftG

Dr. Dr. h.c. Wilfried Schlüter em. o. Professor, Universität Münster

§§ 1922–2063, 2303–2385 BGB

Prof. Dr. Ronald Schmid Rechtsanwalt, Frankfurt a.M.

§§ 651a–651m BGB

X

Bearbeiterverzeichnis Michael Schmidt Rechtsanwalt, Berlin

§§ 2064–2302 BGB

Dr. Jürgen Schmidt-Räntsch Richter am BGH; Honorarprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin

§§ 194–218, 232–240 BGB; Art. 229 §§ 6, 12, 23 EGBGB

Hans Christian Schwenker Rechtsanwalt, Hannover

§§ 631–651 BGB

Dr. Eberhard Wagner Rechtsanwalt, Karlsruhe

§§ 226–231, 387–397 BGB

Dr. Frank Wenzel Rechtsanwalt, Frankfurt a.M.

§§ 1113–1203 BGB

Dr. Olaf Werner em. o. Professor, Universität Jena

§§ 80–88, 652–655, 656 BGB

Dr. Dr. h.c. mult. Harm Peter Westermann em. o. Professor, Universität Tübingen

§§ 21–79, 241, 243, 275–285, 320–335, 398–413, 705–740 BGB

Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen Rechtsanwalt, Köln

§§ 598–606, 675a–676c, 701–704 BGB

Dr. Rüdiger Wilhelmi o. Professor, Universität Konstanz

§§ 780–811, 903–906 BGB

XI

Inhaltsverzeichnis Band I Seite

Vorwort zur 13. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Vorwort zur 1. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VIII

Bearbeiterverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Kommentare zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Auswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXI

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIII

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Buch 1. Allgemeiner Teil (§§ 1–240)

......................................................

1

Abschnitt 1. Personen (§§ 1–89) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 1. Natürliche Personen, Verbraucher, Unternehmer (§§ 1–20) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu § 12: Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 2. Juristische Personen (§§ 21–89) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Vereine (§§ 21–79) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 21–54) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 2. Eingetragene Vereine (§§ 55–79) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Stiftungen (§§ 80–88) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Juristische Personen des öffentlichen Rechts (§ 89) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2 3 19 115 115 115 169 179 201

Abschnitt 2. Sachen und Tiere (§§ 90–103) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

204

Abschnitt 3. Rechtsgeschäfte (§§ 104–185) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 1. Geschäftsfähigkeit (§§ 104–115) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 2. Willenserklärung (§§ 116–144) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 3. Vertrag (§§ 145–157) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 4. Bedingung und Zeitbestimmung (§§ 158–163) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 5. Vertretung und Vollmacht (§§ 164–181) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 6. Einwilligung und Genehmigung (§§ 182–185) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

224 230 248 428 478 491 549

Abschnitt 4. Fristen, Termine (§§ 186–193) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

565

Abschnitt 5. Verjährung (§§ 194–225) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zur Vorbemerkung §§ 194–218: Art 229 § 6, 12, 23 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 1. Gegenstand und Dauer der Verjährung (§§ 194–202) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 2. Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn der Verjährung (§§ 203–213) . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 3. Rechtsfolgen der Verjährung (§§ 214–225) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

571 575 581 617 653

Abschnitt 6. Ausübung der Rechte, Selbstverteidigung, Selbsthilfe (§§ 226–231) . . . . . . . . . . . . . . . . .

661

Abschnitt 7. Sicherheitsleistung (§§ 232–240) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

680

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

687

Buch 2. Recht der Schuldverhältnisse (§§ 241–853)

................................

761

Anhang zur Einleitung §§ 241ff: Art 229 §§ 5, 7 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

770

Abschnitt 1. Inhalt der Schuldverhältnisse (§§ 241–304) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 775 Titel 1. Verpflichtung zur Leistung (§§ 241–292) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 775 Titel 2. Verzug des Gläubigers (§§ 293–304) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1094 Abschnitt 2. Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305–310) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1108 Abschnitt 3. Schuldverhältnisse aus Verträgen (§§ 311–361) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1293 Titel 1. Begründung, Inhalt und Beendigung (§§ 311–319) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1293 Untertitel 1. Begründung (§§ 311–311c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1293 XIII

Inhaltsverzeichnis Seite

Untertitel 2. Besondere Vertriebsformen (§§ 312–312i) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu § 312c: Art 246 §§ 1, 2 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu § 312g: Art 246 § 3 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Anpassung und Beendigung von Verträgen (§§ 313–314) . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 4. Einseitige Leistungsbestimmungsrechte (§§ 315–319) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 2. Gegenseitiger Vertrag (§§ 320–327) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 3. Versprechen der Leistung an einen Dritten (§§ 328–335) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 4. Draufgabe, Vertragsstrafe (§§ 336–345) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 5. Rücktritt; Widerrufs- und Rückgaberecht bei Verbraucherverträgen (§§ 346–361) . . . . . . . Untertitel 1. Rücktritt (§§ 346–354) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Widerrufs- und Rückgaberecht bei Verbraucherverträgen (§§ 355–361) . . Anhang zu § 360: Anlagen zu Art 246 § 2 III S 1 EGBGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1361 1409 1426 1430 1458 1477 1512 1537 1552 1552 1570 1600

Abschnitt 4. Erlöschen der Schuldverhältnisse (§§ 362–397) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 1. Erfüllung (§§ 362–371) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 2. Hinterlegung (§§ 372–386) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 3. Aufrechnung (§§ 387–396) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 4. Erlass (§ 397) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1603 1604 1621 1628 1675

Abschnitt 5. Übertragung einer Forderung (§§ 398–413) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1681 Abschnitt 6. Schuldübernahme (§§ 414–419) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1718 Abschnitt 7. Mehrheit von Schuldnern und Gläubigern (§§ 420–432) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1731 Abschnitt 8. Einzelne Schuldverhältnisse (§§ 433–853) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 1. Kauf, Tausch (§§ 433–480) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 433–453) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Besondere Arten des Kaufs (§§ 454–473) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 1. Kauf auf Probe (§§ 454–455) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 2. Wiederkauf (§§ 456–462) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 3. Vorkauf (§§ 463–473) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Verbrauchsgüterkauf (§§ 474–479) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 4. Tausch (§ 480) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 2. Teilzeit-Wohnrechteverträge, Verträge über langfristige Urlaubsprodukte, Vermittlungsverträge und Tauschsystemverträge (§§ 481–487) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 3. Darlehensvertrag; Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (§§ 488–515) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Darlehensvertrag (§§ 488–505) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 488–490) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 2. Besondere Vorschriften für Verbraucherdarlehensverträge (§§ 491–505) Anhang I zu § 491a: Anlagen zu Art 247 § 2 I, II S 1, S 2 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang II zu § 491a: Werbung für Kreditverträge (§§ 6a, 6b PAngV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu § 495: Anlage zu Art 247 § 6 II, § 12 I EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Finanzierungshilfen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (§§ 506–509) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Ratenlieferungsverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (§§ 510) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 4. Unabdingbarkeit, Anwendung auf Existenzgründer (§§ 511–515) . . . . . . . . Titel 4. Schenkung (§§ 516–534) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 5. Mietvertrag, Pachtvertrag (§§ 535–597) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zur Vorbemerkung § 535: Art. 229 § 3 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Allgemeine Vorschriften für Mietverhältnisse (§§ 535–548) . . . . . . . . . . . . . . . Anhang I zu § 535: Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang II zu § 535: § 5 WiStG – Mietpreisüberhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Mietverhältnisse über Wohnraum (§§ 549–577a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 549–555) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 2. Die Miete (§§ 556–561) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 1. Vereinbarungen über die Miete (§§ 556–556c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 2. Regelungen über die Miethöhe (§§ 557–561) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 3. Pfandrecht des Vermieters (§§ 562–562d) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 4. Wechsel der Vertragsparteien (§§ 563–567b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 5. Beendigung des Mietverhältnisses (§§ 568–576b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 568–572) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 2. Mietverhältnisse auf unbestimmte Zeit (§§ 573–574c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV

1793 1793 1799 1895 1895 1897 1902 1915 1928 1929 1957 1957 1957 1992 2010 2018 2035 2068 2093 2098 2101 2127 2136 2138 2165 2178 2245 2245 2270 2270 2310 2342 2342 2361 2361 2368

Inhaltsverzeichnis Seite

Unterkapitel 3. Mietverhältnisse auf bestimmte Zeit (§§ 575–575a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 4. Werkwohnungen (§§ 576–576b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 6. Besonderheiten bei der Bildung von Wohnungseigentum an vermieteten Wohnungen (§§ 577–577a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Mietverhältnisse über andere Sachen (§§ 578–580a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 4. Pachtvertrag (§§ 581–584b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 5. Landpachtvertrag (§§ 585–597) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leihe (§§ 598–606) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachdarlehensvertrag (§§ 607–610) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dienstvertrag (§§ 611–630) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werkvertrag und ähnliche Verträge (§§ 631–651m) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Werkvertrag (§§ 631–651) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu § 651: Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Reisevertrag (§§ 651a–651m) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mäklervertrag (§§ 652–656) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Allgemeine Vorschriften (§§652–655) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Vermittlung von Verbraucherdarlehensverträgen (§§ 655a–655e) . . . . . . . Untertitel 3. Ehevermittlung (§ 656) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auslobung (§§ 657–661a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auftrag, Geschäftsbesorgungsvertrag und Zahlungsdienste (§§ 662–676c) . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Auftrag (§§ 662–674) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 675–675b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Zahlungsdienste (§§ 675c–676c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 675c–675e) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 2. Zahlungsdienstevertrag (§§ 675f–675i) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 3. Erbringung und Nutzung von Zahlungsdiensten (§§ 675j–676c) . . . . . . . . Unterkapitel 1. Autorisierung von Zahlungsvorgängen; Zahlungsauthentifizierungsinstrumente (§§ 675j–675m) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 2. Ausführung von Zahlungsvorgängen (§§ 675n–675t) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 3. Haftung (§§ 675u–676c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677–687) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwahrung (§§ 688–700) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einbringung von Sachen bei Gastwirten (§§ 701–704) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesellschaft (§§ 705–740) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemeinschaft (§§ 741–758) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3080 3094 3113 3146 3184 3195 3205 3357

Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen (UKlaG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3377

Titel 6. Titel 7. Titel 8. Titel 9.

Titel 10.

Titel 11. Titel 12.

Titel 13. Titel 14. Titel 15. Titel 16. Titel 17.

2389 2393 2396 2400 2404 2418 2439 2449 2451 2731 2731 2817 2825 2895 2895 2932 2938 2940 2949 2949 2987 3025 3025 3032 3080

Band II Titel 18. Titel 19. Titel 20. Titel 21. Titel 22. Titel 23. Titel 24. Titel 25. Titel 26. Titel 27.

Leibrente (§§ 759–761) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unvollkommene Verbindlichkeiten (§§ 762–764) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bürgschaft (§§ 765–778) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleich (§ 779) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schuldversprechen, Schuldanerkenntnis (§§ 780–782) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anweisung (§§ 783–792) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schuldverschreibung auf den Inhaber (§§ 793–808) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorlegung von Sachen (§§ 809–811) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 812–822) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unerlaubte Handlungen (§§ 823–853) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3401 3404 3410 3440 3447 3457 3466 3480 3485 3576

Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte (ProdHaftG) . . . . . . . . . . . . . .

3719

Buch 3. Sachenrecht (§§ 854–1296)

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3733

Abschnitt 1. Besitz (§§ 854–872) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3737 Abschnitt 2. Allgemeine Vorschriften über Rechte an Grundstücken (§§ 873–902) . . . . . . . . . . . . . . . 3761 XV

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Abschnitt 3. Eigentum (§§ 903–1017) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 1. Inhalt des Eigentums (§§ 903–924) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 2. Erwerb und Verlust des Eigentums an Grundstücken (§§ 925–928) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 3. Erwerb und Verlust des Eigentums an beweglichen Sachen (§§ 929–984) . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Übertragung (§§ 929–936) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu §§ 929–931: Sicherungsübereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Ersitzung (§§ 937–945) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Verbindung, Vermischung, Verarbeitung (§§ 946–952) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 4. Erwerb von Erzeugnissen und sonstigen Bestandteilen einer Sache (§§ 953–957) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 5. Aneignung (§§ 958–964) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 6. Fund (§§ 965–984) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 4. Ansprüche aus dem Eigentum (§§ 985–1007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 5. Miteigentum (§§ 1008–1017) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3933 3939 3943 3953 4015

Gesetz über das Erbbaurecht (ErbbauRG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4021

Abschnitt 4. Dienstbarkeiten (§§ 1018–1093) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 1. Grunddienstbarkeiten (§§ 1018–1029) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 2. Nießbrauch (§§ 1030–1089) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Nießbrauch an Sachen (§§ 1030–1067) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Nießbrauch an Rechten (§§ 1068–1084) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Nießbrauch an einem Vermögen (§§ 1085–1089) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 3. Beschränkte persönliche Dienstbarkeiten (§§ 1090–1093) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4056 4057 4074 4074 4093 4100 4104

3819 3819 3871 3888 3888 3896 3908 3915

Abschnitt 5. Vorkaufsrecht (§§ 1094–1104) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4113 Abschnitt 6. Reallasten (§§ 1105–1112) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4122 Abschnitt 7. Hypothek, Grundschuld, Rentenschuld (§§ 1113–1203) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 1. Hypothek (§§ 1113–1190) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 2. Grundschuld, Rentenschuld (§§ 1191–1203) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Grundschuld (§§ 1191–1198) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Rentenschuld (§§ 1199–1203) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4129 4132 4207 4207 4239

Abschnitt 8. Pfandrecht an beweglichen Sachen und an Rechten (§§ 1204–1296) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4241 Titel 1. Pfandrecht an beweglichen Sachen (§§ 1204–1272) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4243 Titel 2. Pfandrecht an Rechten (§§ 1273–1296) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4278

Buch 4. Familienrecht (§§ 1297–1921)

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4299

Abschnitt 1. Bürgerliche Ehe (§§ 1297–1588) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 1. Verlöbnis (§§ 1297–1302) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 2. Eingehung der Ehe (§§ 1303–1312) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Ehefähigkeit (§§ 1303–1305) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Eheverbote (§§ 1306–1308) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Ehefähigkeitszeugnis (§ 1309) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 4. Eheschließung (§§ 1310–1312) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 3. Aufhebung der Ehe (§§ 1313–1318) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 4. Wiederverheiratung nach Todeserklärung (§§ 1319–1352) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 5. Wirkungen der Ehe im Allgemeinen (§§1353–1362) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 6. Eheliches Güterrecht (§§ 1363–1563) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Gesetzliches Güterrecht (§§ 1363–1407) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Vertragliches Güterrecht (§§ 1408–1557) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 1408–1413) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 2. Gütertrennung (§ 1414) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 3. Gütergemeinschaft (§§ 1415–1557) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 1415–1421) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 2. Verwaltung des Gesamtguts durch den Mann oder die Frau (§§ 1422–1449) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 3. Gemeinschaftliche Verwaltung des Gesamtguts durch die Ehegatten (§§ 1450–1470) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVI

4306 4306 4313 4314 4317 4320 4324 4330 4342 4344 4415 4416 4509 4509 4518 4521 4521 4527 4543

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Unterkapitel 4. Auseinandersetzung des Gesamtguts (§§ 1471–1482) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkapitel 5. Fortgesetzte Gütergemeinschaft (§§ 1483–1557) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 4. Wahl-Zugewinngemeinschaft (§ 1519) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu § 1519: Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Güterrechtsregister (§§ 1558–1563) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 7. Scheidung der Ehe (§§ 1564–1587) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Scheidungsgründe (§§ 1564–1568) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1a. Behandlung der Ehewohnung und der Haushaltsgegenstände anlässlich der Scheidung (§§ 1568a–1568b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Unterhalt des geschiedenen Ehegatten (§§ 1569–1586b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 1. Grundsatz (§ 1569) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 2. Unterhaltsberechtigung (§§ 1570–1580) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 3. Leistungsfähgigkeit und Rangfolge (§§ 1581–1584) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 4. Gestaltung des Unterhaltsanspruchs (§§ 1585–1585c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 5. Ende des Unterhaltsanspruchs (§§ 1586–1586b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Versorgungsausgleich (§ 1587) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Gesetz über den Versorgungsausgleich (VersAusglG)

4553 4561 4576

4577 4586 4590 4593 4608 4630 4640 4641 4699 4707 4717 4722

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4731

Titel 8. Kirchliche Verpflichtungen (§ 1588) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4862 Abschnitt 2. Verwandtschaft (§§ 1589–1772) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 1589–1590) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 2. Abstammung (§§ 1591–1600e) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 3. Unterhaltspflicht (§§ 1601–1615o) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 1601–1615) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Besondere Vorschriften für das Kind und seine nicht miteinander verheirateten Eltern (§§ 1615a–1615o) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 4. Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und dem Kind im Allgemeinen (§§ 1616–1625) . . . . Titel 5. Elterliche Sorge (§§ 1626–1711) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 6. Beistandschaft (§§ 1712–1740) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 7. Annahme als Kind (§§ 1741–1772) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Annahme Minderjähriger (§§ 1741–1766) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Annahme Volljähriger (§§ 1767–1772) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5022 5031 5063 5190 5198 5203 5254

Abschnitt 3. Vormundschaft, Rechtliche Betreuung, Pflegschaft (§§ 1773–1921) . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 1. Vormundschaft (§§ 1773–1895) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Begründung der Vormundschaft (§§ 1773–1792) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Führung der Vormundschaft (§§ 1793–1836e) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu § 1836: Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu § 1836c: SGB XII (Auszug) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Fürsorge und Aufsicht des Familiengerichts (§§ 1837–1848) . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 4. Mitwirkung des Jugendamts (§§ 1849–1851) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 5. Befreite Vormundschaft (§§ 1852–1881) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 6. Beendigung der Vormundschaft (§§ 1882–1895) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 2. Rechtliche Betreuung (§§ 1896–1908k) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 3. Pflegschaft (§§ 1909–1921) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5264 5264 5267 5287 5364 5378 5387 5398 5398 5401 5412 5518

Buch 5. Erbrecht (§§ 1922–2385)

4862 4863 4864 4919 4922

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5537

Abschnitt 1. Erbfolge (§§ 1922–1941) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5549 Abschnitt 2. Rechtliche Stellung des Erben (§§ 1942–2063) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 1. Annahme und Ausschlagung der Erbschaft, Fürsorge des Nachlassgerichts (§§ 1942–1966) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 2. Haftung des Erben für die Nachlassverbindlichkeiten (§§ 1967–2017) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Nachlassverbindlichkeiten (§§ 1967–1969) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Aufgebot der Nachlassgläubiger (§§ 1970–1974) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 3. Beschränkung der Haftung des Erben (§§ 1975–1992) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5584 5585 5611 5614 5622 5627

XVII

Inhaltsverzeichnis Seite

Untertitel 4. Inventarerrichtung, unbeschränkte Haftung des Erben (§§ 1993–2013) . . Untertitel 5. Aufschiebende Einreden (§§ 2014–2017) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 3. Erbschaftsanspruch (§§ 2018–2031) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 4. Mehrheit von Erben (§§ 2032–2063) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 1. Rechtsverhältnis der Erben untereinander (§§ 2032–2057a) . . . . . . . . . . . . . . Untertitel 2. Rechtsverhältnis zwischen den Erben und den Nachlassgläubigern (§§ 2058–2063) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5648 5659 5662 5674 5676

Abschnitt 3. Testament (§§ 2064–2273) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 1. Allgemeine Vorschriften (§§ 2064–2086) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 2. Erbeinsetzung (§§ 2087–2099) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 3. Einsetzung eines Nacherben (§§ 2100–2146) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 4. Vermächtnis (§§ 2147–2191) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 5. Auflage (§§ 2192–2196) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 6. Testamentsvollstrecker (§§ 2197–2228) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 7. Errichtung und Aufhebung eines Testaments (§§ 2229–2264) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu § 2233: Beurkundungsgesetz (Auszug) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel 8. Gemeinschaftliches Testament (§§ 2265–2273) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5719 5719 5758 5765 5806 5835 5839 5894 5903 5930

5712

Abschnitt 4. Erbvertrag (§§ 2274–2302) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5949 Abschnitt 5. Pflichtteil (§§ 2303–2338) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5982 Abschnitt 6. Erbunwürdigkeit (§§ 2339–2345) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6032 Abschnitt 7. Erbverzicht (§§ 2346–2352) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6035 Abschnitt 8. Erbschein (§§ 2353–2370) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6044 Abschnitt 9. Erbschaftskauf (§§ 2371–2385) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6066

Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft (LPartG)

. . . . . . . . . . . . . . . . . 6073

Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (WEG) . . . .

6117

I. Teil. Wohnungseigentum (§§ 1–30) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abschnitt. Begründung des Wohnungseigentums (§§ 2–9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abschnitt. Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (§§ 10–19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abschnitt. Verwaltung (§§ 20–29) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abschnitt. Wohnungserbbaurecht (§ 30) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Teil. Dauerwohnrecht (§§ 31–42) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Teil. Verfahrensvorschriften (§§ 43–50) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Teil. Ergänzende Bestimmungen (§§ 61–64) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6117 6120 6136 6167 6202 6203 6210 6222

Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) 1. Teil.

XVIII

Allgemeine Vorschriften (Art 1–47) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kapitel. Inkrafttreten. Vorbehalt für Landesrecht. Gesetzesbegriff (Art. 1–2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitel. Internationales Privatrecht (Art 3–42) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abschnitt. Allgemeine Vorschriften (Art 3–6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abschnitt. Recht der natürlichen Personen und der Rechtsgeschäfte (Art 7–12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang I zu Art 12: Vollmachtstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang II zu Art 12: Statut der juristischen Personen und Gesellschaften (Internationales Gesellschaftsrecht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abschnitt. Familienrecht (Art 13–24) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu Art 17: „Rom III“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu Art 18 aF: HUntVÜ 1973; HUhÜbk 1956 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu Art 24: Staatsverträge und EU-Verordnungsrecht (Internationales Kindschaftsrecht und Verfahrensrecht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abschnitt. Erbrecht (Art 25–26) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang I zu Art 26: HTestfÜbk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang II zu Art 26: „Rom I“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6225 6225 6225 6248 6300 6336 6339 6352 6438 6497 6530 6578 6612 6614

Inhaltsverzeichnis Seite

5. Abschnitt. Anhang zu Art. 42: 6. Abschnitt. Anhang zu Art. 46: 7. Abschnitt. 1. Unterabschnitt. 2. Unterabschnitt. 3. Kapitel.

Außervertragliche Schuldverhältnisse (Art 38–42) . . . . . . . . . . . . . . . . „Rom II“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachenrecht (Art 43–46) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internationales Enteignungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besondere Vorschriften zur Durchführung von Regelungen der Europäischen Gemeinschaft nach Artikel 3 Nr. 1 (Art 46a–46c) . . Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 (Art 46a) . . . . . . Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (Art 46b, 46c) . Angleichung (Art 47) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6713 6742 6805 6819 6820 6820 6820 6827

2. bis 4. Teil: nicht kommentiert 5. Teil.

Übergangsvorschriften aus Anlass jüngerer Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs und dieses Einführungsgesetzes (nur Art 220 kommentiert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6829

6. Teil.

Inkrafttreten und Übergangsrecht aus Anlass der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und dieses Einführungsgesetzes in dem in Art 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (nur Art 236 kommentiert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6833

7. Teil:

nicht kommentiert

Stichwortverzeichnis

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6837

XIX

Kommentare zum Bürgerlichen Gesetzbuch Auswahl Spezialliteratur zu einzelnen Normen- oder Themenkomplexen findet sich in Schrifttumsverzeichnissen bei den jeweiligen Kommentierungen.

AnwaltKommentar

AnwaltKommentar BGB, hrsg. von Barbara Dauner-Lieb, Thomas Heidel, Gerhard Ring, Bd. 1 und 2 2004–2005 (zit.: AnwK/Bearbeiter); Bd. 3–5 nunmehr NomosKommentar BGB (s.u.)

Bamberger/Roth

Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, hrsg. von Heinz Georg Bamberger und Herbert Roth, in drei Bänden, 2. Aufl. 2007 (zit.: BaRo/ Bearbeiter)

Handkommentar

BGB, Bürgerliches Gesetzbuch, Handkommentar, von Heinrich Doerner, Ina Ebert, Jörn Eckert, Thomas Hoeren, Rainer Kemper, Ingo Saenger, Hans Schulte-Nölke und Ansgar Staudinger, 5. Aufl. 2006 (zit.: Hk/Bearbeiter)

Jauernig

Bürgerliches Gesetzbuch mit Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, hrsg. von Othmar Jauernig, bearbeitet von Christian Berger, Othmar Jauernig, Heinz-Peter Mansel, Astrid Stadler, Rolf Stürner, Arndt Teichmann, 13. Aufl. 2009 (zit.: Jauernig/ Bearbeiter)

juris PraxisKommentar BGB juris PraxisKommentar BGB, hrsg. von Maximilian Herberger, Michael Martinek, Helmut Rüßmann und Stephan Weth, Bd. 1–3, 5. Aufl. 2010–2011, Bd. 4–6, 4. Aufl. 2009 Münchener Kommentar

Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, hrsg. von Kurt Rebmann, Roland Rixecker und Franz Jürgen Säcker, in zwölf Bänden und einem Loseblatt-Ergänzungsband, 5. Aufl. 2006ff. (zit.: MüKo/Bearbeiter)

NomosKommentar BGB

Bürgerliches Gesetzbuch Gesamtsausgabe, hrsg. von Barbara DaunerLieb, Thomas Heidel, Gerhard Ring, Bd. 3 2. Aufl. 2008, Bd. 4 2. Aufl. 2010, Bd. 5 3. Aufl. 2010 (zit.: NK-BGB/Bearbeiter)

Palandt

Bürgerliches Gesetzbuch mit Nebengesetzen, bearbeitet von Peter Bassenge, Gerd Brudermüller, Uwe Diederichsen, Jürgen Ellenberger, Christian Grüneberg, Hartwig Sprau, Karsten Thorn, Walter Weidenkaff und Dietmar Weidlich, 70. Aufl. 2011 (zit.: Pal/Bearbeiter)

Planck

Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch nebst Einführungsgesetz, in fünf Bänden, 3.-5. Aufl. 1905ff. (zit.: Planck/Bearbeiter)

Prütting/Wegen/Weinreich

BGB Kommentar, hrsg. von Hanns Prütting, Gerhard Wegen und Gerd Weinreich, 6. Aufl. 2011 (zit.: PWW/Bearbeiter)

RGRK

Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes, Kommentar, hrsg. von Mitgliedern des Bundesgerichtshofes, in sieben Bänden, 12. Aufl. 1974ff. (zit.: RGRK/Bearbeiter)

Soergel

Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Kommentar, begr. von Theodor Soergel, neu hrsg. von Wolfgang Siebert, in 27 Bänden, 13. Aufl. 1999ff. (zit.: Soergel/Bearbeiter)

Staudinger

J. v. Staudinger’s Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, begr. von Julius von Staudinger, 12. Aufl. 1978ff.; 13. Aufl. 1993ff., danach in bandweiser Neubearbeitung (zit.: Staud/Bearbeiter)

XXI

Abkürzungsverzeichnis A. Gesetze, Verordnungen; Gerichte/Gerichtsbezeichnungen; Zeitschriften; Lehrbücher und sonstige Werke (außer Kommentare zum BGB – s. dazu S. XIX); Entscheidungssammlungen; Orts-, Landes-, Behörden- und Institutsnamen/-bezeichnungen AA AAV AbfallR ABG ABGB AbgG AbzG AcP AdAnpG AdoptG ADSp AdÜbAG AdÜbk AdVermiÄndG AdVermiG AdWirkG AEG AEntG AEntRL AEUV AFBG AFG AfkKR AfP AFRG AFWoG AGBG AGBGB AGJ AGJ-Mitt AGJusG AgrarR AGZVG AHB AHKABl AiB AIZ AK AKB AkfDR AKG AkJb AktG AktO AkZ ALG AllGO ALR AltEinkG AltZertG

Arbeitsrecht aktiv (ZS) Arbeitsaufenthalteverordung Zeitschrift für das Recht der Abfallwirtschaft Allgemeines Berggesetz für die preußischen Staaten Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch für Österreich Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz) Gesetz betreffend die Abzahlungsgeschäfte Archiv für die civilistische Praxis (Band, Seite) Gesetz zur Anpassung rechtlicher Vorschriften an das Adoptionsgesetz Gesetz über die Annahme als Kind und zur Änderung anderer Vorschriften (Adoptionsgesetz) Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen Adoptionsübereinkommens-Ausführungsgesetz Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption Gesetz zur Änderung des AdVermiG Gesetz über die Vermittlung der Annahme als Kind (Adoptionsvermittlungsgesetz) Gesetz über Wirkungen der Annahme als Kind nach ausländischem Recht (Adoptionswirkungsgesetz) Allgemeines Eisenbahngesetz; auch: Anerbengericht Arbeitnehmerentsendegesetz Arbeitnehmerentsenderichtlinie Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Gesetz zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung (Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz) Arbeitsförderungsgesetz, jetzt SGB III Archiv für katholisches Kirchenrecht (ZS) Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht (bis 25.1994: Archiv für Presserecht) Arbeitsförderungsreformgesetz Gesetz über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Ausführungsgesetz zum BGB Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft der Jugendämter Gesetz zur Ausführung bundesrechtlicher Justizgesetze Zeitschrift für das Recht der Landwirtschaft, der Agrarmärkte und des ländlichen Raumes (Jahr, Seite) ZVG-Ausführungsgesetz Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung Amtsblatt der Alliierten Hohen Kommission in Deutschland Arbeitsrecht im Betrieb (Jahr, Seite) Allgemeine Immobilienzeitung (Jahr, Seite) Alternativkommentar Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung Akademie für Deutsches Recht Gesetz zur allgemeinen Regelung durch den Krieg und den Zusammenbruch des Deutschen Reiches entstandener Schäden (Allgemeines Kriegsfolgengesetz) Jahrbuch der Akademie für Deutsches Recht (Jahr, Seite) Aktiengesetz Aktenordnung Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht (Jahr, Seite) Gesetz zur Alterssicherung der Landwirte Allgemeine Gebührenordnung für die wirtschaftsprüfenden sowie wirtschaftsund steuerberatenden Berufe Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten von 1794 Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz) Gesetz über die Zertifizierung von Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen XXIII

Abkürzungsverzeichnis AMbG AMG ANBA AnfG AnSVG AnVNG AnwBl AnwGH AnwZert MietR AO AöR AP ApG APS ArbEG (auch: ArbnErfG) ArbG ArbGG AR-Blattei ArbnErfG ArbR ArbRB ArbstättV ArbPlSchG ArbRSamml (auch: BenshS) ArbRspr ArbSchG ArbuR ArbuSozPol ArbZG ArchBürgR ArchPF ArGV ARSP ARST ArztR ASRG AsylVfG AtG ATVK AufenthG AÜG AuR AusfG AuslG AusR AVAG AVAVG AVB AVB FernwärmeVO AVB WasserVO AVBELtV AVG AVmEG AVmG AWD AWG

XXIV

Allgemeines Magnetschwebebahngesetz Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (ArzneimittelG) Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit Gesetz betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens (Anfechtungsgesetz) Anlegerschutzverbesserungsgesetz Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten (Angestellten-Versicherungs-Neuregelungsgesetz) Anwaltsblatt (Jahr, Seite) Anwaltsgerichtshof AnwaltZertifikat Mietrecht (Online-Informationsdienst) Abgabenordnung Archiv für öffentliches Recht (Band, Seite) Arbeitsrechtliche Praxis, Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts (Jahr, Nummer) Gesetz über das Apothekenwesen Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 3. Aufl. 2007 Gesetz über Arbeitnehmererfindungen Arbeitsgericht; auch: Arbeitgeber Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsrecht-Blattei Gesetz über Arbeitnehmererfindungen Arbeitsrecht Aktuell (ZS) Arbeits-Rechts-Berater (ZS) Arbeitsstättenverordnung Arbeitsplatzschutzgesetz Arbeitsrechtssammlung: Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts, der Landesarbeitsgerichte und Arbeitsgerichte, früher verlegt bei Bensheimer (Band, Seite) Rechtsprechung in Arbeitssachen (Band, Seite) Arbeitsschutzgesetz s. AuR Arbeits- und Sozialpolitik (Jahr, Seite) Arbeitszeitgesetz Archiv für bürgerliches Recht (Band, Seite) Archiv für das Post- und Fernmeldewesen (Jahr, Seite) Arbeitsgenehmigungsverordnung Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie (Jahr, Seite) Arbeitsrecht in Stichworten (Band, Seite) Arztrecht, Zeitschrift für Rechts- und Vermögensfragen (Jahr, Seite) Gesetz zur Reform der agrarsozialen Sicherung Asylverfahrensgesetz Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) Tarifvertrag über die zusätzliche Altersvorsorge der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes – Altersvorsorge-TV-Kommunal Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) Arbeit und Recht, früher ArbuR (Jahr, Seite) Ausführungsgesetz Ausländergesetz Der Arzt und sein Recht Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung Allgemeine Versicherungsbedingungen Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden Angestelltenversicherungsgesetz Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensergänzungsgesetz) Altersvermögensgesetz Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters (Jahr, Seite) Außenwirtschaftsgesetz

Abkürzungsverzeichnis BadRPrax BaFin BAföG BAG BAGLJÄ BAGRp BAKred BankA BAnz BäO BArbBl BarwertV BAT BauFdgG BauGB BauNVO Baur BauR BauRB BausparkG BayBO BayBS BayBSErgB BayBSFN BayBSVI BayBSVJu BayEG Bayer Bgm BayNotV BayObLG BayObLGRp BayObLGSt BayStrWG BayVBl BayVGH BayZ BB BBankG BBauBl BBergG BBesG BBG BBiG BDO BDSG BeamtStG BeamtVG BeckOK BeckRS BEEG BEG BeistandschaftG BenshS BerDGesVöR BereitstellungsVO BErzGG BeschFG

Badische Rechtspraxis (Jahr, Seite) Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundes-Ausbildungsförderungsgesetz) Bundesarbeitsgericht; auch: Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (Band, Seite) Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter BAGReport (Jahr, Seite) Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen Bankarchiv, Zeitschrift für Bank- und Börsenwesen (Jahr, Seite) Bundesanzeiger Bundesärzteordnung Bundesarbeitsblatt Barwertverordnung Bundesangestelltentarifvertrag Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen Baugesetzbuch Baunutzungsverordnung Baur/Stürner, Lehrbuch des Sachenrechts, 18. Aufl. 2009 Baurecht, Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht (Jahr, Seite) Der Bau-Rechts-Berater (Jahr, Seite) Gesetz über Bausparkassen Bayerische Bauordnung Bereinigte Sammlung des bayerischen Landesrechts Bereinigte Sammlung des bayerischen Landesrechts, Ergänzungsband Fortführungsnachweis der BayBS Bereinigte Sammlung der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern Bereinigte Sammlung der bayerischen Justizverwaltungsvorschriften Bayerisches Gesetz über die entschädigungspflichtige Enteignung Der Bayerische Bürgermeister (Jahr, Seite) s. MittBayNot Bayerisches Oberstes Landesgericht; auch: Entscheidungssammlung in Zivilsachen (Jahr, Seite) OLGReport BayObLG (bis Juni 2006; Jahr, Seite) Entscheidungssammlung in Strafsachen des BayObLG (Jahr, Seite) Bayerisches Straßen- und Wegegesetz Bayerische Verwaltungsblätter (Jahr, Seite) Bayerischer Verwaltungsgerichtshof; auch: Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (Band, Seite) Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern (Jahr, Seite) Der Betriebsberater (Jahr, Seite) Gesetz über die Deutsche Bundesbank Bundesbaublatt (Jahr, Seite) Bundesberggesetz Bundesbesoldungsgesetz Bundesbeamtengesetz Berufsbildungsgesetz Bundesdisziplinarordnung Gesetz zum Schutz vor Mißbrauch personenbezogener Daten bei der Datenverarbeitung (Bundesdatenschutzgesetz) Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern Gesetz über die Versorgung der Beamten, Richter in Bund und Ländern (Beamtenversorgungsgesetz) Beck'scher Online-Kommentar Beck-Rechtsprechung Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (Bundesentschädigungsgesetz) Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Amtspflegschaft und Neuordnung des Rechts der Beistandschaft s. ArbRSamml Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht (Band, Seite) Verordnung über die Bereitstellung von genossenschaftlich genutzten Bodenflächen zur Errichtung von Eigenheimen auf dem Lande (Gesetz der DDR) Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (Bundeserziehungsgeldgesetz) Beschäftigungsförderungsgesetz

XXV

Abkürzungsverzeichnis BeschSchG

Gesetz zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz BetrAV Betriebliche Altersvorsorge (Jahr, Seite) BetrAVG Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung BetrG Betreuungsgericht BetrKostUV Verordnung über die Umlage von Betriebskosten auf den Mieter BetrPrämDurchfG Betriebsprämiendurchführungsgesetz BetrR Der Betriebsrat (Jahr, Seite) BetrSichVO Betriebssicherheitsverordnung BetrVG Betriebsverfassungsgesetz BeurkG Beurkundungsgesetz BewG Bewertungsgesetz BezG Bezirksgericht BEZNG Gesetz zur Zusammenführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen (Bundeseisenbahnneugliederungsgesetz) BfA Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (seit 1.10.2005 Deutsche Rentenversicherung Bund) BFG Gesetz über die Beweissicherung und Feststellung von Vermögensschäden in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und im Sowjetsektor von Berlin (Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz) BFH Bundesfinanzhof; auch: Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Bundesfinanzhofs (Band, Seite) BFH/NV Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH BGA Bundesgesundheitsamt BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGB-InfoV Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht BGB-KE (auch: KE) Konsolidierte Fassung des Diskussionsentwurfs des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts BGBl Bundesgesetzblatt BGE Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts BGesBl Bundesgesundheitsblatt (Jahr, Seite) BGG Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen BGH Bundesgerichtshof; auch: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Band, Seite) BGH LM Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, hrsg. von Lindenmaier, Möhring ua BGHR BGH-Rechtsprechung, hrsg. von den Richtern des Bundesgerichtshofs BGHRp BGHReport (Jahr, Seite) BGHSt Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (Band, Seite) BhV Allgemeine Verwaltungsvorschriften über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften) BinSchPRG Gesetz betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschifffahrt BJagdG Bundesjagdgesetz BK, BonnKomm Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, hrsg. von Starck BKartA Bundeskartellamt BKGG Bundeskindergeldgesetz BKR Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht (Jahr, Seite) BLG Bundesleistungsgesetz BlGBW Blätter für Grundstücks-, Bau- und Wohnungsrecht (Jahr, Seite) BlmSchG Bundes-Immissionsschutzgesetz BlStSozArbR Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht (Jahr, Seite) BMA (auch: BMAS) Bundesminister(ium) für Arbeit und Soziales BMBau Bundesminister(ium) für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau BMG Gesetz(e) über Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts BMI Bundesminister(ium) des Innern BMJ Bundesminister(ium) der Justiz BMJBBG Gesetz über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz BNatSchG Bundesnaturschutzgesetz BNotO Bundesnotarordnung BNichtrSchG Bundesnichtraucherschutzgesetz BNV Bundesnebentätigkeitsverordnung BodSchG Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz) BonnKomm s. BK BörsG Börsengesetz BPatG Bundespatentgericht; auch: Entscheidungen des Bundespatentgerichts (Band, Seite) BPersVG Bundespersonalvertretungsgesetz BPflV Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze XXVI

Abkürzungsverzeichnis BR BRAO BR-Drucks BReg Brox – Allg SchuldR – AT – Bes SchuldR – ErbR – HandelsR Brox/Walker ZwVR BRRG BRVO BSchuWG BSchuWV BSG BSHG BStBl BT BtÄndG BtBG BT-Drucks BtE BtG BTPrax BTR BuB BUrlG Büro, JB BuW BUZ BVBl BVerfG BVerfGG BVersG BVersTG BVerwG BVFG BVG BVormVG BVS BWGZ – Die Gemeinde BWNotZ BWpVerwG BZollBl BZRG

CC CIC CIM CISG CMR Conrad

Bundesrat Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesratsdrucksache Bundesregierung Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, 35. Aufl. 2011 Brox/Walker, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 34. Aufl. 2010 Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, 35. Aufl. 2011 Brox/Walker, Erbrecht, 24. Aufl. 2010 Brox/Henssler, Handelsrecht, 20. Aufl. 2009 Zwangsvollstreckungsrecht Rahmengesetz zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts (BeamtenrechtsRahmengesetz) Bundesratsverordnung Gesetz zur Regelung des Schuldenwesens des Bundes (Bundesschuldenwesengesetz) Verordnung zur Übertragung von Aufgaben nach dem Bundesschuldenwesengesetz (Bundesschuldenwesenverordnung) Bundessozialgericht; auch: Entscheidungen des Bundessozialgerichts (Band, Seite) Bundessozialhilfegesetz Bundessteuerblatt Bundestag; auch: Besonderer Teil Betreuungsrechtsänderungsgesetz Gesetz über die Wahrnehmung behördlicher Aufgaben bei der Betreuung Volljähriger (Betreuungsbehördengesetz) Bundestagsdrucksache Betreuungsrechtliche Entscheidungen, hrsg. von Seitz-v. Gaessler, (Jahr, Seite) Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige (Betreuungsgesetz) Betreuungsrechtliche Praxis (Jahr, Seite) Der Bauträger Bankrecht und Bankpraxis (Loseblattwerk) Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) s. JurBüro Betrieb und Wirtschaft (Jahr, Seite) Berufsunfähigkeitszusatzversicherung Bundesversorgungsblatt, Entscheidungssammlung (Band, Seite) Bundesverfassungsgericht; auch: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Band, Seite) Gesetz über das Bundesverfassungsgericht Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz) Gesetz über die interne Teilung beamtenversorgungsrechtlicher Ansprüche von Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten im Versorgungsausgleich (Bundesversorgungsteilungsgesetz) Bundesverwaltungsgericht; auch: Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Band, Seite) Bundesgesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz) s. BVersG Berufsvormündervergütungsgesetz Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (früher: Treuhandanstalt) Verbandszeitschrift des Gemeindestags BW Baden-Württembergische Notarzeitung (Jahr, Seite) Gesetz über das Personal der Bundeswertpapierverwaltung Bundeszollblatt (Jahr, Seite) Bundeszentralregistergesetz

Code Civil Codex Iuris Canonici CIM Management (Jahr, Seite) Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr Deutsche Rechtsgeschichte, 1954–1966 XXVII

Abkürzungsverzeichnis CR CRTD CuR

D. DA DAG Damrau DAngVers DanzJZ DAR DArb DArbR Dauner-Lieb/Heidel/ Lepa/Ring DAVorm DAWR DB DBGrG DCFR DDevR DEMV Denkschr DepotG DErbRK DEuFamR DFG DFGT DGB DGVZ DGWR DJ DJT DJugHilfe DJZ DMR DNotI-Report DNotZ Dodegge/Roth DöD DOG DOK DONot DöV DPA DR DRiG DrittelbG DRiZ DRpfl DRspr DRV DRWiss DRZ DSS DStR DStRE DStZ Dt Schied WE-Sachen DIJuf DtZ DuD DüG DuR DV XXVIII

Computer und Recht (Jahr, Seite) Convention on Civil Liability for Damage Cause during Carriage of Dangerous Goods by Road, Rail and Inland Navigation Vessels Contracting und Recht (Vierteljahresschrift für das gesamte Recht des Energie-Contracting)

Digesten Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden Deutsche Angestelltengewerkschaft Praxiskommentar Erbrecht, 2. Aufl. 2011 Die Angestelltenversicherung (Jahr, Seite) Danziger Juristenzeitung (Jahr, Seite) Deutsches Autorecht (Jahr, Seite) Die Arbeit, Berlin (Ost), (Jahr, Seite) Deutsches Arbeitsrecht (Jahr, Seite) Das neue Schuldrecht 2002 Der Amtsvormund (Jahr, Seite) Deutsche Außenwirtschafts-Rundschau (Jahr, Seite) Der Betrieb (Jahr, Seite) Gesetz über die Gründung einer Deutsche Bahn Aktiengesellschaft Draft Common Frame of Reference Deutsche Devisenrundschau (Jahr, Seite) Deutscher Einheits-Mietvertrag Denkschrift zum BGB Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren (Depotgesetz) Deutscher Erbrechtskommentar, 2. Aufl. 2010 Deutsches und Europäisches Familienrecht (Zeitschrift; eingestellt) Deutsche Freiwillige Gerichtsbarkeit (Jahr, Seite) Deutscher Familiengerichtstag Deutscher Gewerkschaftsbund Deutsche Gerichtsvollzieher-Zeitung (Jahr, Seite) Deutsches Gemein- und Wirtschaftsrecht (Jahr, Seite) Deutsche Justiz (Jahr, Seite) Deutscher Juristentag Deutsche Jugendhilfe (Jahr, Seite) Deutsche Juristenzeitung (Jahr, Seite) Deutsches Mietrecht (Jahr, Seite) Informationsdienst des Deutschen Notarinstituts Deutsche Notarzeitschrift (Jahr, Seite) Systematischer Praxiskommentar Betreuungsrecht, 3. Aufl. 2010 Der öffentliche Dienst, Ausgabe A (Jahr, Seite) Deutsches Obergericht für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet Die Ortskrankenkasse (Jahr, Seite) Dienstordnung für Notare Die öffentliche Verwaltung (Jahr, Seite) Deutsches Patentamt Deutsches Recht Wochenausgabe, ab 1. 4. 1939 vereinigt mit JW (Jahr, Seite) Deutsches Richtergesetz Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (Drittelbeteiligungsgesetz) Deutsche Richterzeitung (Jahr, Seite) Deutsche Rechtspflege (Jahr, Seite) Deutsche Rechtsprechung (Leitzahl, Blatt) Deutsche Rentenversicherung Deutsche Rechtswissenschaft (Jahr, Seite) Deutsche Rechtszeitschrift (1946 bis 1950), (Jahr, Seite) Deutsches Ständiges Schiedsgericht, Leipzig Deutsches Steuerrecht (Jahr, Seite) Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst Deutsche Steuer-Zeitung (Jahr, Seite) Deutsches Ständiges Schiedsgericht für Wohnungseigentumssachen Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht Deutsch-deutsche Rechts-Zeitschrift (Jahr, Seite) Datenschutz und Datensicherheit (Jahr, Seite) Diskontsatz-Überleitungsgesetz Demokratie und Recht (Jahr, Seite) Deutsche Verwaltung, ab 4/1950 DVBl (Jahr, Seite)

Abkürzungsverzeichnis DVBl DVR DVStB DWE DWohnArch DWW DZWir

EAEG EALG EAS EBE/BGH EEG EEK EEV EFG EFZG EG EGBGB EGGVG EGMR EGStGB EGV EGZGB EGZPO EGZVG EhemißbrG EheNändG EheRG, 1. EheschlRG EheVO I

EheVO II

EhfG EHRV EHVfO EIBV EigenheimVO EinigungsV EJIL EKG EMRK EMV Enn/Nipperdey Enn/Lehmann EntgFG EnWG ErbbauR ErbbauRG ErbGleichG ErbR ErbRÄndG ErbStB ErbStG

Deutsches Verwaltungsblatt (Jahr, Seite) Datenverarbeitung im Recht (Jahr, Seite) Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften Der Wohnungseigentümer (Jahr, Seite) Deutsches Wohnungs-Archiv (Jahr, Seite) Zeitschrift für deutsche Wohnungswirtschaft (Deutsche Wohnungswirtschaft), (Jahr, Seite) Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Jahr, Seite)

Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz Oetker/Preis (Hrsg.), Europäisches Arbeits- und Sozialrecht Eildienst Bundesgerichtliche Entscheidungen (Jahr, Seite) Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz) Entscheidungssammlung zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle, früher: Entscheidungssammlung zur Entgeltfortzahlung an Arbeiter und Angestellte bei Krankheit, Kur- und Mutterschutz elektronisches Einzugsverfahren Entscheidungen der Finanzgerichte (Jahr, Seite); auch: Eigentumsfristengesetz Entgeltfortzahlungsgesetz (s. EntgFG) Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Band, Seite) Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung Einführungsgesetz zu dem Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung Gesetz gegen Mißbräuche bei der Eheschließung und der Annahme an Kindes Statt Gesetz über Änderung des Ehenamens (Ehenamensänderungsgesetz) Erstes Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechts VO (EG) Nr. 1347/2000 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkenung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten vom 29.5.2000, Abl EG 2000 Nr. L 160, 19 - „Brüssel II“ VO (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkenung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 vom 27.11.2003, Abl EG 2003 Nr. L 338, 1 - „Brüssel IIa“ Entwicklungshelfergesetz Erbhofrechtsverordnung Erbhofverfahrensordnung Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung Eigenheimverordnung (DDR-Gesetz) Einigungsvertrag European Journal of International Law (Jahr, Seite) Einheitliches Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten Einheitsmietvertrag für Baugeräte Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 15 Aufl. 1959/1960 Recht der Schuldverhältnisse, 15. Aufl. 1958 Entgeltfortzahlungsgesetz Energiewirtschaftsgesetz Erbbaurecht Gesetz über das Erbbaurecht Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts Der Erbschaft-Steuer-Berater (Jahr, Seite) Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz XXIX

Abkürzungsverzeichnis ErfK ERJuKoG ERVGBG ESchG E-SchuldModG ESG ESJ Esser/Schmidt Esser/Schmidt/ Weyers Esser/Weyers EStB EStG ESÜ ESÜAG ESZB EU EÜG EuGH EuGHMR EuGRZ EuGVO EuGVÜ EuLF EuR EuroEG EuroVO I EuroVO II EuSorgÜ

EuUnthVO EUV EuVTVO EuZW EVO EVÜ EWiR EWR EzA EZB EzFamR

FA-FamR FAErbR FAG FAKomm-ErbR FAKomm-FamR

XXX

Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Gesetz über elektronische Register und Justizkosten für Telekommunikation Gesetz zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte im Grundbuchverfahren sowie zur Änderung weiterer grundbuch-, register- und kostenrechtlicher Vorschriften Embryonenschutzgesetz Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts Gesetz über die Sicherstellung der Versorgung von Erzeugnissen der Ernährungs- und Landwirtschaft sowie der Forst- und Holzwirtschaft (Ernährungssicherstellungsgesetz) Entscheidungssammlung für junge Juristen Schuldrecht, Allgemeiner Teil, 8. Aufl. 2000 Schuldrecht, Band II, Besonderer Teil, Teilband 1 – Verträge, 8. Aufl. 1998 Schuldrecht, Besonderer Teil, 8. Aufl. 2000 Der Ertrag-Steuer-Berater (Jahr, Seite) Einkommensteuergesetz Haager Übereinkommnen über den internationalen Schutz von Erwachsenen (Erwachsenenschutzübereinkommen) vom 13.1.2000, BGBl 2007 II, 324 Ausführungsgesetz zum ESÜ Europäisches System der Zentralbanken Europäische Union Gesetz über den Einfluss von Einigungsübungen der Streitkräfte auf Vertragsverhältnisse der Arbeitnehmer und Handelsvertreter sowie auf Beamtenverhältnisse Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften s. EGMR Europäische Grundrechte-Zeitschrift (Jahr, Seite) VO (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000, Abl EG 2011 L 12, 1 Europäisches Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen The European Legal Forum (ZS) Europarecht (Jahr, Seite) Gesetz zur Einführung des Euro Verordnung (EG) Nr. 1103/97 des Rates vom 17. Juni 1997 über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro, ABl EG Nr. L 162 vom 19.6.1997, S. 1ff. Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro, ABl. EG Nr. L 139 vom 11.5.1998, S. 1ff. Europäisches Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses vom 20.5.1980, BGBl 1990 II 220 (Europäisches Sorgerechtsübereinkommen) VO (EG) Nr. 4/2000 des Rates über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen v 18.12.2008, Abl EU 2009 Nr. L 7, 1 Vertrag über die Europäische Union VO (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen vom 21.4.2004, Abl EG Nr. L 143, 15 Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Jahr, Seite) Eisenbahn-Verkehrsordnung Europäisches Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.6.1980 Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäischer Wirtschaftsraum Arbeitsrechtliche Sofortinformation, Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht Europäische Zentralbank Entscheidungssammlung zum Familienrecht

Gerhardt/v. Heintschel-Heinegg/Klein, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 8. Aufl. 2011 Der Fachanwalt für Erbrecht – Beilage zur ZERB Gesetz über Fernmeldeanlagen Frieser, Fachanwaltskommentar Erbrecht, 3. Aufl. 2011 Weinreich/Klein, Fachanwalts-Kommentar für Familienrecht, 4. Aufl. 2011

Abkürzungsverzeichnis FamFG FamFR FamG FamGB FamNamÄndG FamNamRG FamRÄndG FamRB FamRBint FamRefK FamRZ FernAbsG FernUSG FEVS FF FG fG FGB FGG FGG-RG FGO FGPrax FideiKommG Fikentscher/ Heinemann FLF FluglärmG FlüHG Flume FlurbG FPR FR FreizügG/EU FRG FRUG FStrG FuR FVE FZulV

G 131 GA GasGVV GBA GBAVO GBBerG GBMaßnG GBO GBV/GBVfg GE (auch: GrundE) GebrMG GEMA GenDG GenG

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Familienrecht und Familienverfahrensrecht (ZS) Familiengericht Familiengesetzbuch (DDR) Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen Gesetz zur Neuordnung des Familiennamensrechts Gesetz zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften (Familienrechtsänderungsgesetz) Der Familien-Rechts-Berater (Jahr, Seite) Familien-Rechts-Berater international (Jahr, Seite) Familienrechtsreformkommentar, hrsg. von Bäumel ua Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (Jahr, Seite) Fernabsatzgesetz Gesetz zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht (Fernunterrichtsschutzgesetz) Fürsorgerechtliche Entscheidungen der Verwaltungs- und Sozialgerichte (Band, Seite) Forum Familien- und Erbrecht (Jahr, Seite) Finanzgericht freiwillige Gerichtsbarkeit s. FamGB Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzgerichtsordnung Praxis der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Jahr, Seite) Gesetz über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen (Fideikommissgesetz) Schuldrecht (Lehrbuch), 10. Aufl. 2006 Finanzierung, Leasing, Factoring (Jahr, Seite) Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm Flüchtlingshilfegesetz Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, erster und zweiter Band, 4. Aufl. 1992 Flurbereinigungsgesetz Familie, Partnerschaft, Recht (vereinigt mit NJWE-RR), (Jahr, Seite) Finanzrundschau (Jahr, Seite) Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern Fremdrentengesetz Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz) Bundesfernstraßengesetz Familie und Recht, Zeitschrift für die anwaltliche und gerichtliche Praxis (Jahr, Seite) Sammlung Fremdenverkehrsrechtlicher Entscheidungen (Band, Nummer) Verordnung über die Zulassung von Fernmeldeeinrichtungen (Fernmeldezulassungsverordnung)

Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen Goltdammer’s Archiv für Strafrecht (Jahr, Seite) Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz (Gasgrundversorgungsverordnung) Grundbuchamt Verordnung zur Ausführung der Grundbuchordnung Grundbuchbereinigungsgesetz Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete des Grundbuchwesens Grundbuchordnung Allgemeine Verfügung über die Errichtung und Führung des Grundbuchs (Grundbuchverfügung) Das Grundeigentum (Jahr, Seite) Gebrauchsmustergesetz Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte Gendiagnostikgesetz Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften XXXI

Abkürzungsverzeichnis GenTG Gernhuber/ Coester-Waltjen GeschmMG GesR GewA GewerkMh GewO GewSchG GG GI GK GKAR GK-BetrVG GKG GleichberG GlüStV GmbHG GmbHR GMBl GO GOA GOÄ GoltdA GPR GrdstVG GrEStG Gruch (auch: Gruchot) GrundE GrundMV GRUR GRUR-RR GSiG GStB GüKG GuR Gursky GuT GVBl GVG GVGA GVL GVVO GW GWB GwG

HA HaagEheschlAbk HaagVormAbk Habscheid HAG HAGändG HambGE HambVO HannRpfl HansGZ HansJVBl HansRZ HausbauV

XXXII

Gentechnikgesetz Lehrbuch des Familienrechts, 6. Aufl. 2010 Gesetz betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen Gesellschaftsrecht; auch: GesundheitsRecht (Jahr, Seite) Gewerbearchiv (Jahr, Seite) Gewerkschaftliche Monatshefte (Jahr, Seite) Gewerbeordnung Gewaltschutzgesetz Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gerling Informationsbriefe (Jahr, Seite) Gemeinschaftskommentar Gesetz über das Kassenarztrecht Gemeinschaftkommentar zum Betriebsverfassungsgesetz Gerichtskostengesetz Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts (Gleichberechtigungsgesetz) Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Jahr, Seite) Gemeinsames Ministerialblatt Gemeinschaftsordnung Gebührenordnung für Architekten Gebührenordnung für Ärzte Archiv für Strafrecht und Strafprozeßrecht, begründet von Goltdammer (Band, Seite) Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht (Jahr, Seite) Grundstücksverkehrsgesetz Grunderwerbsteuergesetz Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, begründet von Gruchot (Band, Seite) s. GE Verordnung über die Erhöhung der Grundmiete Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Jahr, Seite) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Rechtsprechungs-Report Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Gestaltende Steuerberatung (Jahr, Seite) Güterkraftverkehrsgesetz Gesetz und Recht, Sammlung in Deutschland nach dem 8.5.1945 erlassener Rechtssätze mit Erläuterungen (Heft, Seite) Schuldrecht, Besonderer Teil, 5. Aufl. 2005 Gewerbemiete und Teileigentum Gesetz- und Verordnungsblatt (Jahr, Seite) Gerichtsverfassungsgesetz Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher Gesellschaft für die Verwertung von Leistungsschutzrechten Verordnung über den Verkehr mit Grundstücken Gemeinnütziges Wohnungswesen (Jahr, Seite) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz)

Hauptausschuss des Parlamentarischen Rates Haager Abkommen zur Regelung des Geltungsbereichs der Gesetze auf dem Gebiete der Eheschließung Haager Abkommen zur Regelung der Vormundschaft über Minderjährige Freiwillige Gerichtsbarkeit, 7. Aufl. 1983 Heimarbeitergesetz Gesetz zur Änderung des Heimarbeitsgesetzes und arbeitsrechtlicher Vorschriften (Heimarbeitsänderungsgesetz) Hamburgisches Grundeigentum (Jahr, Seite) Hamburger Verordnungsblatt (Jahr, Seite) Hannover’sche Rechtspflege (bis 1. 7. 1947), dann Niedersächsische Rechtspflege (Jahr, Seite) Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitung (Jahr, Seite) Hanseatisches Justizverwaltungsblatt (Jahr, Seite) s. HansGZ Hausbauverordnung

Abkürzungsverzeichnis HausratsV (auch: HV) HausTWG HdBStR HeidKomm HeimG HeizkostenV HEZ HFR HGB HintG HintO Hk-AGG Hk-BetrR Hk-BGB Hk-BUR Hk-ErbR Hk-TzBfG HKiEnfÜ HKK Hk-LPartR Hk-VertriebsR HKÜ HLKO HMR HMR Rsp HOAI HöfeO Holdheim HpflG HRG HRP HRR HRRS HStruktG HTestFA HTestfÜbk Huber Hübner HUhPflÜbk HUntProt HUntVÜ 1973 HuW HV HWK HwO HypBG HzA HZvG

IBR IFLA

Verordnung über die Behandlung der Ehewohnung und des Hausrats Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deuschland, hrsg. von Isensee/Kirchhof Heidelberger Kommentar Familienrecht Gesetz über Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime für Volljährige Verordnung über die verbrauchsabhängige Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten Höchstrichterliche Entscheidungen, Sammlung von Entscheidungen der Oberlandesgerichte und der obersten Gerichte in Zivilsachen (Band, Seite) Humboldt Forum Recht (Internetzeitschrift v. Humboldt, Berlin) Handelsgesetzbuch Hinterlegungsgesetz Hinterlegungsordnung Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Handkommentar, Herausgegeben von Prof. Dr. Wolfgang Däubler und Martin Bertzbach, 2. Aufl. 2008 Jurgeleit (Hrsg.), Handkommentar Betreuungsrecht, 2. Aufl. 2010 s. S. XIX Heidelberger Kommentar zum Betreuungs- und Unterbringungsrecht (Loseblattwerk) Damrau (Hrsg.), Handkommentar Erbrecht, 2004 (s. auch Damrau) Teilzeit- und Befristungsgesetz Handkommentar, 2007 s. HKÜ Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, hrsg. von Mathias Schmoekel, Joachim Rückert und Reinhard Zimmermann Bruns/Kemper (Hrsg.), Handkommentar Lebenspartnerschaftsrecht, 2. Aufl. 2005 Micklitz/Tonner (Hrsg.), Handkommentar Vertriebsrecht – Haustür-, Fernabsatzgeschäfte und elektronischer Rechtsverkehr, 2002 Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 (BGBl 1990 II, 207) Haager Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs Handbuch des gesamten Miet- und Raumrechts Rechtsprechungsbeilage zum Handbuch des gesamten Miet- und Raumrechts (Jahr, Seite) Honorarordnung für Architekten und Ingenieure Höfeordnung Monatszeitschrift für Handelsrecht und Bankwesen, begr. von Holdheim (Jahr, Seite) Haftpflichtgesetz Hochschulrahmengesetz Handbuch der Rechtspraxis Höchstrichterliche Rechtsprechung (Jahr, Nummer) Online-Zeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur Haager Testamentsformabkommen Haager Übereinkommen vom 5.10.1961 über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht (Haager Testamentsformübereinkommen), BGBL 1965 II, 1144 Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung. Einführung in das neue Recht, 2002 Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches, 2. Aufl. 1996 Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.1973 (BGBl 1986 II 837) s. UnthProt Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973, BGBl 1986 II 826 Haus und Wohnung (Jahr, Seite) s. HausratsV Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 4. Aufl. 2010 Handwerksordnung Hypothekenbankgesetz Leinemann (Hrsg.), Handbuch zum Arbeitsrecht Gesetz zur Neuregelung der Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung im Saarland

Immobilien- und Baurecht (Jahr, Seite) Informationsdienst für Lastenausgleich, BVFG und anderes Kriegsfolgenrecht, Vermögensrückgabe und Entschädigung nach dem Einigungsvertrag XXXIII

Abkürzungsverzeichnis IfSG IHK IHR ILR IMR InsO IntFamRVG InvG (auch: InvestmentG) InVo IPRax IPRspr IRO IStR ITRB IZRspr

JA JAmt JArbSchG JB (auch: Büro) JbArbR JBeitrO JbIntR JbJZivRWiss JBl JFG JG JGG JherJb JhJb JO JOR JPrivIntL JR Jürgens Jura JurA JurBüro (auch: Büro) jurisPK jurisPR jurisPR BKR jurisPR MietR JuS JuSchG Just, Justiz JuV JVEG JW JWG JZ

KR KAG KAGG KartVO KBG (EKD) KE Keidel KG KGaA KGBl KGJ XXXIV

Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz) Industrie- und Handelskammer Internationales Handelsrecht (International Commercial Law), (Jahr, Seite) Interlokales Recht Immobilien- und Mietrecht (ZS) Insolvenzordnung Gesetz zur Aus- und Durchführung bestimmter Rechtsinstrumente auf dem Gebiet des internationalen Familienrechts Investmentgesetz v. 15.12.2005 Insolvenz und Vollstreckung (Jahr, Seite) Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Jahr, Seite) Die Deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des IPR (Jahr, Seite) International Refugee Organization Internationales Steuerrecht (ZS) Der IT-Rechtsberater (Jahr, Seite) Sammlung der deutschen Entscheidungen zum interzonalen Privatrecht

Jugendamt; auch: Juristische Arbeitsblätter (Jahr, Seite) Das Jugendamt (Jahr, Seite) Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz) s. JurBüro Jahrbuch des Arbeitsrechts Justizbeitreibungsordnung Jahrbuch für internationales und ausländisches öffentliches Recht (ab 3.1954 nur: für internationales Recht) Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler Justizblatt Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts (Band, Seite) Jugendgericht Jugendgerichtsgesetz Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Band, Seite) Jahrbuch für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts Journal Officiel (Jahr, Seite) Jahrbuch für Ostrecht (Jahr, Seite) Journal of Private International Law Juristische Rundschau (Jahr, Seite) Betreuungsrecht, 4. Aufl. 2010 Juristische Ausbildung (Jahr, Seite) Juristische Analysen (Jahr, Seite) Das juristische Büro, früher: Das Büro (Jahr, Seite) Praxiskommentar zum BGB juris Praxisreport juris Praxisreport Bank- und Kapitalmarktrecht juris Praxisreport Mietrecht Juristische Schulung (Jahr, Seite) Jugendschutzgesetz Die Justiz, Amtsblatt des Justizministeriums Baden-Württemberg Justiz und Verwaltung (Jahr, Seite) Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz Juristische Wochenschrift (Jahr, Seite) Jugendwohlfahrtsgesetz Juristenzeitung (Jahr, Seite)

Kommunikation und Recht, Betriebsberater für Medien (Jahr, Seite) Kommunalabgabengesetz Gesetz über die Kapitalanlagegesellschaften Verordnung gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Machtstellungen Kirchenbeamtengesetz (Evangelische Kirche in Deutschland) s. BGB-KE FamFG-Kommentar, 16. Aufl. 2009 Kammergericht; auch: Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Blätter für Rechtspflege im Bezirk des Kammergerichts (Jahr, Seite) Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts (Band, Seite)

Abkürzungsverzeichnis KGRp KHA KHEntG Kind-Prax KindRG KindRVerbG KindUG kJ KJHG KK-AktG KK-ErbR KK-FamR KKZ KO Köhler KommJur KÖSOI KonsG KostO KR KRG KrW-/AbfG KSchG KStG KStZ KSÜ

KTS KUG KuR KVBW KVO KWG KWVO

LAG LAGE LAGRp Larenz Larenz Larenz/Canaris Larenz/Wolf LBesG LBG Leenen LFZG LG LGVÜ LHintG LJVerw LK-StGB LKV LM LMK LNR Looschelders Lorenz/Riehm LPachtG

KGReport (Jahr, Seite) Der Krankenhausarzt (Jahr, Seite) Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen Kindschaftsrechtliche Praxis (Jahr, Seite) Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts Gesetz zur weiteren Verbesserung von Kinderrechten Gesetz zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts kritische Justiz (Jahr, Seite) Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts Kölner Kommentar zum Aktiengesetz Frieser (Hrsg.), Kompaktkommentar Erbrecht, 2007 (s. FAKomm-ErbR) Weinreich/Klein (Hrsg.), Kompaktkommentar Familienrecht, 2005 (s. FAKomm-FamR) Kommunal-Kassen-Zeitschrift (Jahr, Seite) Konkursordnung BGB, Allgemeiner Teil, 34. Aufl. 2010 Kommunaljurist (ZS) Kölner Steuerdialog (Jahr, Seite) Gesetz über die Konsularbeamten, ihre Aufgaben und Befugnisse Verordnung über die Kosten in Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen (Kostenordnung) Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften Kontrollratsgesetz Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz) Kündigungsschutzgesetz Körperschaftsteuergesetz Kommunale Steuerzeitschrift (Jahr, Seite) Haager Übereinkommen vom 19.10.1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern (Haager Kinderschutzübereinkommen), BGBl II 2009, 602 Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen (Jahr, Seite) Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (Kunsturhebergesetz) Kirche und Recht (Jahr, Seite) Kommunaler Versorgungsverband Baden-Württemberg Kraftverkehrsordnung für den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen (Beförderungsbedingungen) Gesetz über das Kreditwesen Kriegswirtschaftsverordnung

Landesarbeitsgericht; auch: Gesetz über den Lastenausgleich (Lastenausgleichsgesetz) Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte (Band, Seite) LAGReport Lehrbuch des Schuldrechts, Band I: Allgemeiner Teil, 14. Aufl. 1987 Lehrbuch des Schuldrechts, Band II: Besonderer Teil, 13. Aufl. 1986 Das neue Schuldrecht, 13. Aufl. 1994 Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2003 Landesbesoldungsgesetz Landesbeamtengesetz BGB Allgemeiner Teil: Rechtsgeschäftslehre, 2011 Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) Landgericht (s. EuGVÜ) Landeshinterlegungsgesetz Landesjustizverwaltung Leipziger Kommentar, Strafgesetzbuch Landes- und Kommunalverwaltung (Jahr, Seite) Lindenmaier/Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lindenmaier-Möhring LexisNexis Recht Schuldrecht, AT (2010); BT (2011) Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, 2002 Gesetz über das landwirtschaftliche Pachtwesen (Landpachtgesetz)

XXXV

Abkürzungsverzeichnis LPachtVG LPartG LPartÜG LPG LPGG LSG LStDV LStrG Lützenkirchen LuftfzRG LuftVG LwAnpG LWTG LwVG LZ

MABl MaBV MÄG MarkenG MB/KK MBliV MBO MD MDR MEA MecklZ Medicus – AT – BürgR (oder BR) – SchuldR I – SchuldR II MedR MHBeG MHG, MHRG MHRG Mietgericht MietRB MilReg MindNamÄndG MittBankdL MittBayNot (auch: BayNotV) MittLVARheinpr MittRhNotK MM MMR ModEnG MoMiG Mot MRG MRRG MRVerbG MRVO MSA MüG MüHdbArbR MündelPfandBrVO

XXXVI

Gesetz über die Anzeige und Beanstandung von Landpachtverträgen (Landpachtverkehrsgesetz) Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz) Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft(en) Gesetz über die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften Landessozialgericht Lohnsteuer-Durchführungsverordnung Landesstraßengesetz Anwaltshandbuch Mietrecht, 4. Aufl. 2010 Gesetz über Rechte an Luftfahrzeugen Luftverkehrsgesetz Landwirtschaftsanpassungsgesetz Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen Leipziger Zeitschrift (Jahr, Spalte)

Ministerialamtsblatt Verordnung über die Pflichten der Makler, Darlehens- und Anlagenvermittler, Bauträger und Baubetreuer (Makler- und Bauträgerverordnung) Gesetz zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (Markengesetz) Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung Ministerialblatt für die innere Verwaltung (Jahr, Seite) Musterbauordnung Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar Monatsschrift für Deutsches Recht (Jahr, Seite) Miteigentumsanteil(e) Mecklenburgische Zeitschrift für die Rechtspflege und Rechtswissenschaft (Band, Seite) Allgemeiner Teil des BGB, 10. Aufl. 2010 Bürgerliches Recht, 22. Aufl. 2009 Schuldrecht I: Allgemeiner Teil, 19. Aufl. 2010 Schuldrecht II: Besonderer Teil, 15. Aufl. 2010 Medizinrecht (Jahr, Seite) Gesetz zur Beschränkung der Haftung Minderjähriger Gesetz zur Regelung der Miethöhe s. MHG Das Mietgericht (Jahr, Seite) Der Miet-Rechts-Berater (Jahr, Seite) Militärregierung Gesetz zur Ausführung des Artikels 11 Abs. 1 des Rahmenübereinkommens des Europarats vom 1. Februar 1995 zum Schutz nationaler Minderheiten Mitteilungen der Bank deutscher Länder Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer (Jahr, Seite) Mitteilungen der LVA Rheinprovinz Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer (Jahr, Seite) Mieter-Magazin (Jahr, Seite) MultiMedia und Recht (Jahr, Seite) Modernisierungs- und Energieeinsparungsgesetz Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Motive zum Entwurf eines BGB Militärregierungsgesetz Gesetz zur Neugliederung, Vereinfachung und Reform des Mietrechts (Mietrechtsreformgesetz) Mietrechtsverbessungsgesetz Militärregierungsverordnung Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5.10.1961 (BGBl II 219) (Haager Minderjährigenschutzabkommen) Mietrechtsüberleitungsgesetz Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht Verordnung über die Mündelsicherheit der Pfandbriefe und verwandten Schuldverschreibungen

Abkürzungsverzeichnis MuSchG MuW

Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz) Markenschutz und Wettbewerb (Jahr, Seite)

NachweisG

Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen Verordnung über Allgemeine Bedingungen für den Netzanschluss und dessen Nutzung für die Elektrizitätsversorgung in Niederspannung (Niederspannungsanschlussverordnung) Verordnung über Allgemeine Bedingungen für den Netzanschluss und dessen Nutzung für die Gasversorgung in Niederdruck (Niederdruckanschlussverordnung) Neue Deutsche Beamtenzeitung (Jahr, Seite) Niedersächsische Rechtspflege (Jahr, Seite) Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge (Jahr, Seite) Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder Niemeyers Zeitschrift (Jahr, Seite) Nipperdey, Arbeitsrecht (Gesetzessammlung) Neue Justiz (Jahr, Seite) Neue Juristische Online-Zeitschrift (Jahr, Seite) Neue Juristische Wochenschrift (Jahr, Seite) NJW-Entscheidungsdienst Familien- und Erbrecht (Jahr, Seite) NJW-Entscheidungsdienst Miet- und Wohnungsrecht (Jahr, Seite) NJW-Entscheidungsdienst Versicherungs- und Haftungsrecht (Jahr, Seite) NJW-Entscheidungsdienst Wettbewerbsrecht (Jahr, Seite) NJW-Rechtsprechungs-Report (Jahr, Seite) Neue Landwirtschaft – Briefe zum Agrarrecht (Jahr, Seite) Verordnung über die Ermittlung der zulässigen Miete für preisgebundene Wohnungen (Neubaumietenverordnung), (Jahr, Seite) Zeitschrift für Öffentliches Recht in Norddeutschland (Jahr, Seite) Notverordnung, auch: Verordnung über die Tätigkeit von Notaren in eigener Praxis (DDR), (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Strafrecht (Jahr, Seite) Nachschlagewerk Natur und Recht (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Versicherung und Recht (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungsreport (Jahr, Seite) Rettungsgesetz Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht – Rechtsprechungsreport (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Mietrecht (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Sozialrecht (Jahr, Seite) Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (Jahr, Seite)

NamÄndG, NÄG NAV NDAV NDBZ NdsRpfl NDV NEhelG NiemeyersZ Nipp(GS) NJ NJOZ NJW NJWE-FER NJWE-MietR NJWE-VHR NJWE-WettbR NJW-RR NL-BzAR NMV NordÖR NotVO NStZ NSW NuR NVersZ NVwZ NVwZ-RR NWRettG NWVBl NZA NZA-RR NZBau NZG NZI NZM NZS NZV

Odersky ÖBA Oechsler OEEC OEG Oetker/Maultzsch OGH OGH Wien OGHSt OGHZ OHG (auch: oHG) ÖJZ OLG

Nichtehelichengesetz, 4. Aufl. 1978 Österreichisches Bank-Archiv (Jahr, Seite) Schuldrecht, Besonderer Teil. Vertragsrecht, 2003 Organization for European Economic Cooperation Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz) Vertragliche Schuldverhältnisse, 3. Aufl. 2007 Oberster Gerichtshof für die Britische Zone Oberster Gerichtshof in Wien Amtliche Sammlung der Entscheidungen des OGH in Strafsachen Amtliche Sammlung der Entscheidungen des OGH in Zivilsachen Offene Handelsgesellschaft Österreichische Juristenzeitung (Jahr, Seite) Oberlandesgericht; auch (mit Ortsnamen und Fundstelle): Entscheidungssammlungen – Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiet des Zivilrechts; Band 1-46, erschienen 1900-1928 (zitiert nach Band [1-46], Seite) – Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen 1965-1994 (zitiert nach Jahrgang [vierstellig], Seite) XXXVII

Abkürzungsverzeichnis OLG-NL OLGRp OR OVGE

OLG-Rechtsprechung neue Länder (Jahr, Seite) OLGReport (Jahr, Seite) Schweizerisches Obligationenrecht Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte (Band, Seite)

PachtKG PAngKlauselG PAngV PaPkG PartGG

Pachtkreditgesetz Preisangaben- und Preisklauselgesetz Verordnung zur Regelung der Preisangaben s. PAngKlauselG Gesetz über Partnergesellschaften Angehöriger Freier Berufe (Partnerschaftsgesellschaftsgesetz) Allgemeiner Teil des BGB, 7. Aufl. 2003 Personenbeförderungsgesetz Der Personalrat (Jahr, Seite) Personalrat Die Personalvertretung (Jahr, Seite) Pfandbriefgesetz Praxis Freiberufler-Beratung (Jahr, Seite) Pfarrergesetz (Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschland) Gesetz über die Pflegezeit (Pflegezeitgesetz) PflegeRecht (Jahr, Seite) Pflichtversicherungsgesetz Produktionsgenossenschaft(en) des Handwerks Fachzeitschrift für das gesamte Arzneimittelrecht Partner im Gespräch, Schriftenreihe, hrsg. vom evangelischen Siedlungswerk in Deutschland e.V. Bürgerliches Gesetzbuch, Berlin 1898-1902 Postgesetz Postgebührenordnung Gesetz zur Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens und der Deutschen Bundespost (Poststrukturgesetz) Gesetz zur Umwandlung der Unternehmen der Deutschen Bundespost in die Rechtsform der Aktiengesellschaft Preisklauselgesetz

Pawlowski PBefG PersR PersRat PersV PfandBG PFB PfG (VELKD) PflegeZG PflR PflVersG PGH PharmR PiG Planck PostG PostGebO PostStruktG PostUmwG PreisklG (auch: PrKG) Preuß OVG PrGS NW PrKV ProdHaftG Prölss/Martin ProstG Prot Prütting Prütting/Helms PStG PStRG PStV

r+s RabelsZ RABl RAG RAG-DDR RAnwG RAnz Rauscher RBBl RBerG RBHaftG RdA RdbfJugH RdE

XXXVIII

Preußisches Oberverwaltungsgericht; auch: amtliche Entscheidungssammlung (Band, Seite) Sammlung des in Nordrhein-Westfalen geltenden preußischen Rechts (1806–1945) Preisklauselverordnung Produkthaftungsgesetz Versicherungsvertragsgesetz, 28. Aufl. 2010 Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten Protokolle der Kommission für die II. Lesung des Entwurfs des BGB Sachenrecht, 34. Aufl. 2010 FamFG-Kommentar, 2009 Personenstandsgesetz Gesetz zur Reform des Personenstandsrechts (Personenstandsrechtsreformgesetz) Personenstandsgesetzverordnung

Recht und Schaden (Jahr, Seite) Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Band, Seite) Reichsarbeitsblatt (Jahr, Teil, Seite) Reichsarbeitsgericht; auch Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts (Band, Seite) Rechtsanwendungsgesetz der DDR Rechtsanwendungsgesetz DDR Deutscher Reichs-Anzeiger (Jahr, Seite) Familienrecht, 2. Aufl. 2008 Reichsbesoldungsblatt (Jahr, Seite) Rechtsberatungsgesetz Reichsbeamtenhaftungsgesetz Recht der Arbeit (Jahr, Seite) Rundbrief des Archivs deutscher Berufsvormünder, jetzt: Rundbrief des deutschen Jugendarchivs (Jahr, Spalte) Recht der Energiewirtschaft, früher: Recht der Elektrizitätswirtschaft (Jahr, Seite)

Abkürzungsverzeichnis RDG RdK RdL RdLH RDV RE REBG RechKredV Recht REG RegBedVO RegUnterhVO ReichsSiedlG REinhG RelKEG RenoR RepG RErbhG Rev crit RFBl RFH RG RGBl RGGSSt RGGZ RGSt RheinZ RiA RIW RJA RJM RJWG RKEG RKG RLG RMBl RMBliV RNotZ ROHG Rolland Rosenberg/Schwab ROW Rpfleger RpflG RpflStud RPM RRa RRG RSiedlG Rspr RStBl RÜG Rüthers/Stadler rv RVA RVerwBl RVG Rvgl Hdwb RVI RVkBl

Rechtsdienstleistungsgesetz Das Recht des Kraftfahrers (jetzt DAR), (Jahr, Seite) Recht der Landwirtschaft (Jahr, Seite) Rechtsdienst der Lebenshilfe Recht der Datenverarbeitung (Jahr, Seite) Rechtsentscheid in Wohnraummietsachen Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz Kreditinstituts-Rechnungslegungsverordnung Das Recht (Jahr und Nummer der Entscheidung) Rückerstattungsgesetz Regelbedarf-Verordnung Verordnung zur Berechnung des Regelunterhalts (Regelunterhalt-Verordnung) Reichssiedlungsgesetz Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts Gesetz über die religiöse Kindererziehung Reno-Report, Zeitschrift für Mitarbeiter der juristischen Berufe (Jahr, Seite) Reparationsschädengesetz Reichserbhofgesetz Revue critique de droit international privé (Jahr, Seite) Amtsblatt der Reichsfinanzverwaltung (Jahr, Seite) Reichsfinanzhof Reichsgericht; auch (mit Fundstelle): amtliche Sammlung der RG-Rechtsprechung in Zivilsachen (Band, Seite) Reichsgesetzblatt Reichsgericht, Großer Senat in Strafsachen Reichsgericht, Großer Senat in Zivilsachen Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (Band, Seite) Rheinische Zeitschrift für Zivil- und Prozessrecht Das Recht im Amt (Jahr, Seite) Recht der internationalen Wirtschaft (Jahr, Seite) Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts, zusammengestellt im Reichsjustizamt (1900–1923), (Band, Seite) Reichsminister der Justiz Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt s. RelKEG Reichsknappschaftsgesetz Gesetz über Sachleistungen für Reichsaufgaben (Reichsleistungsgesetz) Reichsministerialblatt, Zentralblatt für das Deutsche Reich (Jahr, Seite) Reichsministerialblatt für die innere Verwaltung Rheinische Notarzeitschrift (Jahr, Seite) Reichsoberhandelsgericht; auch (mit Fundstelle): amtliche Entscheidungssammlung (Band, Seite) Kommentar zum 1. Eherechtsreformgesetz Zivilprozeßrecht, 16. Aufl. 2004 Recht in Ost und West, Zeitschrift für Rechtsvergleichung und interzonale Rechtsprobleme (Jahr, Seite) Der Deutsche Rechtspfleger (Jahr, Seite) Rechtspflegergesetz Rechtspfleger Studienheft Reichspostminister Reiserecht aktuell (Jahr, Seite) Rentenreformgesetz s. ReichsSiedlG Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts (aufgegangen in: Höchstrichterliche Rechtsprechung) Reichssteuerblatt (Jahr, Seite) Gesetz zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Rentenüberleitungsgesetz) Allgemeiner Teil des BGB, 16. Aufl. 2009 Die Rentenversicherung (Jahr, Seite) Reichsversicherungsamt Reichsverwaltungsblatt (Jahr, Seite) Rechtsanwaltsvergütungsgesetz Rechtsvergleichendes Handwörterbuch Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR Reichsverkehrsblatt (Jahr, Seite) XXXIX

Abkürzungsverzeichnis RVO RzU RzW

Reichsversicherungsordnung Rechtsprechung zum Urheberrecht Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht, Beilage zur NJW

SachenRändG SachenRBerG SächsArch SächsOVG Jb

Gesetz zur Änderung sachenrechtlicher Bestimmungen im Beitrittsgebiet Sachenrechtsbereinigungsgesetz (= Art 1 SachenRÄndG) Sächsisches Archiv für Rechtspflege (Band, Seite) Jahrbuch der Entscheidungen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (Band, Seite) Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen (Jahr, Seite) Sammelblatt für Gesetze und Verordnungen des Bundes und der Länder (Jahr, Seite) BGB – Allgemeiner Teil BGB, 12. Aufl. 2008 (ZS) Arbeitsrechts-Handbuch, 13. Aufl. 2009 Scheckgesetz Schiedsgericht Schuldrecht, Allgemeiner Teil, 6. Aufl. 2005 Schuldrecht, Besonderer Teil, 6. Aufl. 2008 Schlegelberger, Kommentar zum HGB Erläuterungswerk zum BGB, hrsg. von Schlegelberger, Vogels Schleswig-Holsteinische Anzeigen (Jahr, Seite) Verordnung über das Verfahren der Schlichtungsstellen für Überweisungen (Schlichtungsstellenverfahrensverordnung) Mietrecht, 10. Aufl. 2011

SAE SBl Schack Schadenpraxis Schaub ScheckG SchiedsG Schlechtriem Schleg Schleg/Vogels SchlHA SchlichtVerfVO Schmidt-Futterer/ Blank Schmidt-Räntsch SchRegO SchRG SchuldBG SchuldRModG SchuldRÄndG SchuldRAnpG Schulze Schwab (Herausgeber) SchwbG SeemG Serick SeuffA SeuffBl SG SGb SGB I, III–XII

SGG SGleiG SHG SicherungsVO SigG SigV SJZ SK-StGB SMBl NW SoldatenG SoldGG SorgeRG SozSich SP SparkG XL

Das neue Schuldrecht, 2002 Schiffsregisterordnung Gesetz über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken (Schiffsrechtegesetz) Schuldbuchgesetz Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts Gesetz zur Änderung schuldrechtlicher Bestimmungen im Beitrittsgebiet (Schuldrechtsänderungsgesetz) Schuldrechtsanpassungsgesetz Rechtsprechung zum Urheberrecht (Entscheidungssammlung) Handbuch des Scheidungsrechts, 6. Aufl. 2010 Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (Schwerbehindertengesetz) Seemannsgesetz Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung, 6 Bände Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten (Band, Seite) Seufferts Blätter für Rechtsanwendung (Band, Seite) Sozialgericht Die Sozialgerichtsbarkeit (Jahr, Seite) Sozialgesetzbuch – I Allgemeiner Teil, III Arbeitsförderung, IV Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung, V Gesetzliche Krankenversicherung, VI Gesetzliche Rentenversicherung, VII Gesetzliche Unfallversicherung, VIII Kinder- und Jugendhilfe, X Verwaltungsverfahren, XI Soziale Pflegeversicherung, XII Sozialhilfe Sozialgerichtsgesetz Gesetz zur Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr Gesetz zur Milderung dringender sozialer Notstände (Soforthilfegesetz) Verordnung über die Sicherung des Volkseigentums bei Baumaßnahmen von Betrieben auf vertraglich genutzten, nicht volkseigenen Grundstücken (DDR) Gesetz zur digitalen Signatur (Signaturgesetz) Verordnung zur digitalen Signatur (Signaturverordnung) Süddeutsche Juristenzeitung (Jahr, Seite; 1947 bis 1950: Spalte); auch: Schweizerische Juristen-Zeitung Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch Sammlung des bereinigten Ministerialblattes für das Land Nordrhein-Westfalen Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten Gesetz über die Gleichbehandlung von Soldatinnen und Soldaten Gesetz zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge Soziale Sicherheit, Zeitschrift für Sozialpolitik (Jahr, Seite) Schaden-Praxis (Jahr, Seite) Sparkassengesetz

Abkürzungsverzeichnis SprAnG SpruchG SpuRt StAG StAngRegG StAnz StAZ StB StBerG Stbg StBGebV StGB StGH StPO StrEG STREIT StrFO StromEsG StromGVV StUG StV StVG StVollzG StVZO SVertO SVG SZRA

TDG TKG TKV TMG TPG TSG TVG TVöD TzBfG TZW TzWrG

UÄndG UFITA UmweltHG UN (auch: UNO) UN-KRK UNRWA UntändG UnterhVG UnthProt UrhG UStG UVG UVNG

Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten Gesetz über das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren (Spruchverfahrensgesetz) Sport und Recht (Jahr, Seite) Staatsangehörigkeitsgesetz Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit Staatsanzeiger Das Standesamt (früher: Zeitschrift für Standesamtswesen), (Jahr, Seite) Der Steuerberater (Jahr, Seite) Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten (Steuerberatungsgesetz) Die Steuerberatung (Jahr, Seite) Steuerberatergebührenverordnung Strafgesetzbuch Staatsgerichtshof Strafprozeßordnung Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen Feministische Rechtszeitschrift Strafverteidiger-Forum (Jahr, Seite) Gesetz über die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz (Stromeinspeisungsgesetz) Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz (Stromgrundversorgungsverordnung) Stasi-Unterlagen-Gesetz Der Strafverteidiger (Jahr, Seite) Straßenverkehrsgesetz Strafvollzugsgesetz Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung Schifffahrtsrechtliche Verteilungsordnung Gesetz über die Versorgung für die ehemaligen Soldaten der Bundeswehr und ihrer Hinterbliebenen (Soldatenversorgungsgesetz) Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte

Teledienstgesetz Telekommunikationsgesetz Telekommunikations-Kundenschutzverordnung Telemediengesetz Transplantationsgesetz Transsexuellengesetz Tarifvertragsgesetz Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz) Die Teilzahlungswirtschaft (Jahr, Seite) Gesetz über die Veräußerung von Teilzeitnutzungsrechten an Wohngebäuden (Teilzeit-Wohnrechtegesetz)

Gesetz zur Änderung unterhaltsrechtlicher, verfahrensrechtlicher und anderer Vorschriften Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht (Band, Seite) Umwelthaftungsgesetz United Nations (Vereinte Nationen) UN-Kinderrechtekonvention United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palestina-Flüchtlinge im Nahen Osten) Gesetz zur vereinfachten Abänderung von Unterhaltsrenten Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfalleistungen (Unterhaltsvorschußgesetz) Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (Haager Unterhaltsprotokoll) vom 23.7.2007 Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) Umsatzsteuergesetz Unterhaltsvorschussgesetz Gesetz zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz) XLI

Abkürzungsverzeichnis UVR UWG

Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht (Jahr, Seite) Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

VAErstV

Verordnung über die Erstattung von Aufwendungen der Träger der Rentenversicherung im Rahmen des Versorgungsausgleichs Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz) Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs Gesetz zur Klärung der Vaterschaft Gesetz zur Überleitung des Versorgungsausgleichs auf das Beitrittsgebiet (Versorgungsausgleichs-Überleitungsgesetz) Gesetz über weitere Maßnahmen auf dem Gebiet des Versorgungsausgleichs Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Satzung der VBL Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz Veröffentlichungen des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungs- und Bausparwesen Verbraucherkreditgesetz Gesetz zur Vereinfachung und Beschleunigung gerichtlicher Verfahren (Vereinfachungsnovelle) Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts Gesetz zur Erleichterung elektronischer Anmeldungen zum Vereinsregister und anderer vereinsrechtlicher Änderungen Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) Vergleichsordnung Verkehrsblatt (Jahr, Seite) Gesetz zur Bereinigung der Rechtsverhältnisse an Verkehrsflächen und anderen öffentlich genutzten privaten Grundstücken (Verkehrsflächenbereinigungsgesetz) Verkehrsrechtliche Mitteilungen (Jahr, Seite) Verkaufsprospektgesetz Gesetz über die Verleihung von Nutzungsrechten an volkseigenen Grundstücken (DDR) Gesetz über das Verlagsrecht Fünftes Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer (Fünftes Vermögensbildungsgesetz) Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz) Gesetz über den Versorgungsausgleich (Versorgungsausgleichsgesetz) Gesetz über die Versorgungsausgleichskasse Versorgungsausgleichsmaßnahmengesetz Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Verschollenheitsrechtes Verschollenheitsgesetz Versicherungskapitalanlagen-Bewertungsgesetz Der Versicherungsnehmer, Zeitschrift für die versicherungsnehmende Wirtschaft und den Straßenverkehr (Jahr, Seite) Versicherungsrecht (Jahr, Seite) s. VVG Vertragsgesetz (DDR) Verwaltungsarchiv (Jahr, Seite) Verwaltungsblatt (Jahr, Seite) Verwaltungsrechtsprechung (Band, Seite) Verfassungsgerichtshof Verwaltungsgerichtshof Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung) Zeitschrift vhw Forum Wohnen und Stadtentwicklung Sachenrecht, 4. Aufl. 2009 Zeitschrift für Vermögens- und Investitionsrecht (Jahr, Seite) Ministerialblatt des Bundesministers für Verteidigung Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20.12.2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts, ABl EU 2010 L 343, 10 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht

VAG VAHRG VAStrRefG VaterKlG VAÜG VAwMG VBL VBlBW VBLS VBVG VerBAV VerbrKrG VereinfNov VereinhG VereinRÄndG VereinsG VerglO VerkBl VerkFlBerG VerkMitt VerkProspG VerleihungsG VerlG VermBG, 5. VermG VersAusglG VersAusglKassG VersAusglMaßnG VerschÄndG VerschG VersKapAG VersN VersR VersVG VertragsG VerwArch VerwBl VerwRspr VfGH VGH VgV vhw FWS Vieweg/Werner VIZ VMBl VO 1259/2010

VO Rom I

XLII

Abkürzungsverzeichnis VO Rom II VOB von Tuhr VormG VR VRR VRS VRV VSSR VStG VtrHiG VuR VVaG VVDStRL VVG VvRG VW VWG VwGO VwVfG VZOG

WA WährG WahrnG Warneyer WarnJb WarnRsp WBVG Weber WEG WehrmPStVO Wendl/Staudigl WertpBG WertVO Westermann WEZ WF WG WGV WHG WHO WiB Wieacker, Präz WiGBl WiKG, 1. WiRO WirtschZ WissZeitG WiStG wistra WiTrh WiVerw WKSchG, 2. WM WoBauÄndG WobauG II WoBindG WoFG WoFlV WoGeldG (auch: WoGG) WoGenVermG

Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Verdingungsordnung für Bauleistungen Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, 1918 Vormundschaftsgericht Verkehrsrechtliche Rundschau (Jahr, Seite) VerkehrsRechtsReport (ZS) Verkehrsrechtssammlung (Band, Seite) Vereinsregisterverordnung Vierteljahresschrift für Sozialrecht (Jahr, Seite) Vermögenssteuergesetz Gesetz über die richterliche Vertragshilfe (Vertragshilfegesetz) Verbraucher und Recht (Jahr, Seite) Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer (Band, Seite) Gesetz über den Versicherungsvertrag Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts Versicherungswirtschaft (Jahr, Seite) Vereinigtes Wirtschaftsgebiet Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Vermögenszuordnungsgesetz

Westdeutsche Arbeitsrechtsprechung (Jahr, Seite) Erstes Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Währungsgesetz) Urheberrechtswahrnehmungsgesetz Kommentar zum BGB, 1930 Jahrbuch der Entscheidungen (Jahr, Seite) Die Rechtsprechung des RG (Jahr und Nummer der Entscheidung) Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz Kreditsicherungsrecht, 8. Aufl., 2006 Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht Personenstandsverordnung für die Wehrmacht Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl. 2008 Wertpapierbereinigungsgesetz Wertermittlungsverordnung BGB-Sachenrecht, 11. Aufl. 2005 Zeitschrift für Wohnungseigentumsrecht (Jahr, Seite) Wertermittlungsforum (Jahr, Seite) Wechselgesetz Verordnung über die Anlegung und Führung der Wohnungs- und Teileigentumsgrundbücher (Wohnungsgrundbuchverfügung) Wasserhaushaltsgesetz World Health Organisation (Weltgesundheitsorganisation) Wirtschaftsrechtliche Beratung (Jahr, Seite) Wieacker, Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242, 1956 Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Erstes Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität Wirtschaft und Recht in Osteuropa (Jahr, Seite) Wirtschaftszeitung (Jahr, Nummer) Wissenschaftszeitvertragsgesetz Wirtschaftsstrafgesetz Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht (Jahr, Seite) Der Wirtschaftstreuhänder (Jahr, Seite) Gewerbearchiv Zeitschrift für Wirtschaftsverwaltungsrecht Zweites Gesetz über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum (Zweites Wohnraumkündigungsschutzgesetz) Wertpapiermitteilungen (Jahr, Seite) Gesetz zur Änderung des Wohnungsbindungsgesetzes und des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (Wohnungsbauänderungsgesetz) 2. Wohnungsbaugesetz (Wohnungsbau- und Familienheimgesetz) Gesetz zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen (Wohnungsbindungsgesetz) Gesetz über die soziale Wohnraumförderung (Wohnraumförderungsgesetz) Wohnflächenverordnung Wohnungsgeldgesetz Wohnungsgenossenschaftsvermögensgesetz XLIII

Abkürzungsverzeichnis WoGV WohnRBewG Wolf WoModG WoVermRG WpDVerOV WPO WpPG WRP WRV WStG WuB WuM WürttJb WürttNotV WürttZ WuW WuW/E WZG

ZAG ZaöRV ZAR ZBB ZBergR ZBlFG ZBlJR ZBlJugR ZBR ZDJustAmtm ZdRL ZdWBay ZErB ZEuP ZEuS ZEV ZfA ZfBR ZFE ZfF ZfgG ZfIR ZfJ ZfRV ZfS ZfS (auch: ZfSch) ZG ZGB ZGR ZgS ZGS ZHR ZIAS ZInsO ZIP ZJBlBZ ZJS ZKJ ZKredW ZLW ZMR ZNER ZNotP XLIV

Wohngeldverordnung Wohnraumbewirtschaftungsgesetz Sachenrecht, 20. Aufl. 2004 Gesetz zur Förderung der Modernisierung von Wohnungen (Wohnungsmodernisierungsgesetz), jetzt: Modernisierungs- und Energieeinsparungsgesetz Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung Wertpapierdienstleistungs-, Verhaltens- und Organisationsverordnung Wirtschaftsprüferordnung Wertpapierprospektgesetz Wettbewerb in Recht und Praxis (Jahr, Seite) Weimarer Rechtsverfassung Wehrstrafgesetz Wirtschafts- und Bankrecht (Jahr, Seite) Wohnungswirtschaft und Mietrecht (Jahr, Seite) Jahrbücher der württembergischen Rechtspflege (Jahr, Seite) Zeitschrift des Württembergischen Notarvereins (jetzt BWNotZ), (Jahr, Seite) Württembergische Zeitschrift für Rechtspflege und Verwaltung (Jahr, Seite) Wirtschaft und Wettbewerb (Jahr, Seite) Wirtschaft und Wettbewerb (Entscheidungssammlung zum Kartellrecht) Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der französischen Republik über den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft vom 4.2.2010

Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (Band, Seite) Zeitschrift für Ausländerrecht und Außenpolitik Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft (Jahr, Seite) Zeitschrift für Bergrecht (Jahr, Seite) Zentralblatt für die freiwillige Gerichtsbarkeit (Jahr, Seite) s. ZfJ s. ZfJ Zeitschrift für Beamtenrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift des Bundes Deutscher Justizamtmänner (1920–1931; Jahr, Seite) dann: Der Deutsche Rechtspfleger (Jahr, Seite) Zahlungsdienst(e)richtlinie Zeitung der Wohnungswirtschaft Bayern Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis Zeitschrift für Europäisches Privatrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Europarechtliche Studien (Jahr, Seite) Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge (Jahr, Seite) Zeitschrift für Arbeitsrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Deutsches und Internationales Bau- und Vergaberecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Familien- und Erbrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Familienforschung (Jahr, Seite) Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen (Band, Seite) Zeitschrift für Immobilienrecht (Jahr, Seite) Zentralblatt für Jugendrecht, früher: Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt (Jahr, Seite) Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht (Jahr, Seite) Zentralblatt für Sozialversicherung, Sozialhilfe und Versorgung (Jahr, Seite) Zeitschrift für Schadensrecht (Jahr, Seite) Zollgesetz Zivilgesetzbuch der DDR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft (Jahr, Seite) Zeitschrift für Vertragsgestaltung, Schuld- und Haftungsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für internationales und ausländisches Arbeits- und Sozialrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Jahr, Seite) Zentraljustizblatt für die Britische Zone (Jahr, Seite) Zeitschrift für das Juristische Studium Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen (Jahr, Seite) Zeitschrift für Luftrecht und Weltraumrechtsfragen (Jahr, Seite) Zeitschrift für Miet- und Raumrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Neues Energierecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für die Notarpraxis (Jahr, Seite)

Abkürzungsverzeichnis ZNR ZOV ZPO ZPÜ ZRP ZSEG ZSR ZSt ZStV ZStW ZTR ZUM ZUM-RD ZustErgG ZVersWiss ZVG ZVglRWiss ZVK ZVOBl ZWE ZZP

Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte (Jahr, Seite) Zeitschrift für offene Vermögensfragen (Jahr, Seite) Zivilprozessordnung Zentralstelle für private Überspielungsrechte Zeitschrift für Rechtspolitik (Jahr, Seite) Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen Zeitschrift für Schweizerisches Recht (Jahr, Seite) Zeitschrift zum Stiftungswesen (Jahr, Seite) Zeitschrift für Stiftungs- und Vereinswesen Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (Band, Seite) Zeitschrift für Tarifrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (Jahr, Seite) Rechtsprechungsdienst der Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (Jahr, Seite) Gesetz zur Ergänzung von Zuständigkeiten auf den Gebieten des Bürgerlichen Rechts, des Handelsrechts und des Strafrechts Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft (Jahr, Seite) Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft Zusatzversorgungskasse Zentralverordnungsblatt der DDR Zeitschrift für Wohnungseigentum (Jahr, Seite) Zeitschrift für Zivilprozess (Band, Seite)

B. Allgemeine Abkürzungen, Fachbegriffe aA Abk abl ABl (auch: AmtsBl) ABM Abs abw abz aE aF AG

AVO Az

anderer Ansicht Abkommen ablehnend(e/er) Amtsblatt Arbeitsbeschaffungsmaßnahme Absatz abweichend(e/er) abzüglich am Ende alte Fassung Arbeitgeber; auch: Amtsgericht (in Verbindung mit Städtenamen); auch: Aktiengesellschaft (Jahr, Seite) Allgemeine Geschäftsbedingungen Alleineigentum allgemein allgemeine Ansicht allgemeine Meinung Alternative amtlich Amtliche Begründung Arbeitnehmer Änderungsgesetz(e) Anlage Allgemeines Persönlichkeitsrecht Arbeitnehmer Arbeitsgemeinschaft Argument(e) argumentum e(x) Artikel Allgemeiner Teil ausdrücklich ausführlich ausländisch(e/er) Allgemeine Verfügung; auch: Arbeitsvermittlung; auch: Arbeitslosenversicherung Ausführungsverordnung Aktenzeichen

Begr Beil Bek ber Beschl

Begründung Beilage Bekanntmachung(en) berichtigt Beschluss

AGB AlleinE allg allg A allg M Alt amtl Amtl Begr AN (auch: ArbN) ÄndG Anl APR ArbN Arge Arg arg e Art AT ausdr ausf ausl AV

XLV

Abkürzungsverzeichnis BesGR bestr Bl BruchteilsE Bsp bspw BV

Besoldungsgruppe bestritten Blatt Bruchteilseigentum Beispiel beispielsweise Betriebsvereinbarung

cic

culpa in contrahendo

dgl dh DiskTE Diss DiszH DNR Drucks dt DVO DWR

dergleichen, desgleichen das heißt Diskussions-Teilentwurf Dissertation Disziplinarhof Dauernutzungsrecht Drucksache deutsch Durchführungsverordnung Dauerwohnrecht

E eA Einf Einl einl einschl einstw einstw Verfg entspr erg Erl eV EV

Entwurf (zum BGB); auch: Entscheidung(en) Einstweilige Anordnung Einführung Einleitung einleitend einschließlich einstweilig(e/er) einstweilige Verfügung entsprechend(e/er/es) ergänzend(e/er/es) Erläuterung(en) eingetragener Verein Eigentumsvorbehalt; auch: Eventualvater, Einwilligungsvorbehalt

FamG FG FS

Familiengericht Finanzgericht Festschrift

G (auch: Ges) GB GBl GbR gem GemE GemS GemSen ggf ggü GoA GRaiS grds GrS (auch: GS) GrSZ GS GSoGB

Gesetz Grundbuch Gesetzblatt Gesellschaft Bürgerlichen Rechts gemäß Gemeinschaftseigentum, Gemeinschaftseigentümer Gemeinsamer Senat Gemeinsamer Senat gegebenenfalls gegenüber Geschäftsführung ohne Auftrag Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung grundsätzlich Großer Senat Großer Senat in Zivilsachen Gedächtnisschrift; auch: Preußische Gesetzsammlung (Jahr, Seite); auch: Großer Senat Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes

hA Hdb (auch: …hdb) Hg (auch: Hrsg) hins Hinw hL hM Hs

herrschende Ansicht Handbuch Herausgeber hinsichtlich Hinweis herrschende Lehre herrschende Meinung Halbsatz

i Erg idF idR

im Ergebnis in der Fassung in der Regel

XLVI

Abkürzungsverzeichnis ieS iGgs iHd iHv im Allg im Bes im Einz inl insb intern IPR iSd iSv iÜ iVm iwS

im engen Sinne, im engeren Sinne im Gegensatz in Höhe der, in Höhe des in Höhe von im Allgemeinen im Besonderen im Einzelnen inländisch(e/er) insbesondere international(e/er) Internationales Privatrecht im Sinne der, des, dieser, dieses im Sinne von im Übrigen in Verbindung mit im weiteren Sinne

Jb jew JMBl jur Pers

Jahrbuch jeweils; jeweilig(e/er) Justizministerialblatt juristische Person(en)

Kap Komm KrG krit KrN

Kapitel Kommentar Kreditgeber kritisch Kreditnehmer

LS

Leitsatz

m Anm MBl (auch: MinBl) MitE MitEer MittBl MMV mN mwN mWv

mit Anmerkung Ministerialblatt Miteigentum Miteigentümer Mitteilungsblatt Mustermietvertrag, hrsg. vom Bundesministerium für Justiz mit Nachweisen mit weiteren Nachweisen mit Wirkung vom

Nachw nat Pers ne LG nF

Nachweis(e) natürliche Person(en) nichteheliche Lebensgemeinschaft neuer Fassung

oÄ OHG

oder Ähnliches offene Handelsgesellschaft

PdZ pFV Pr, pr pVV

Persönlichkeit der Zeitgeschichte positive Forderungsverletzung Preußen, preußisch positive Vertragsverletzung

RA RaeB RaeW RaGewB RaiB RdErl RefE RegBl RegE RL (auch: Richtl) RM Rpfleger Rspr Rz

Rechtsanwalt Recht am eigenen Bild Recht am eigenen Wort Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Recht auf informationelle Selbstbestimmung Runderlass Referentenentwurf Regierungsblatt Regierungsentwurf Richtlinie(n) Reichsminister(ium) Rechtspfleger Rechtsprechung Randziffer

s sa

siehe siehe auch XLVII

Abkürzungsverzeichnis Sen sog SonderE SondernutzR SPZ st Rspr stillschw StM str

Senat sogenannt(e/r) Sondereigentum, Sondereigentümer Sondernutzungsrecht Schwerpunktzins ständige Rechtsprechung stillschweigend Staatsminister(ium) streitig, strittig

TeilE TeilEer teilw TV Tz

Teileigentum Teileigentümer teilweise Tarifvertrag Textziffer/-zahl

ua uÄ Übk umstr unstr unzutr Urt uU

unter Anderem und Ähnliches Übereinkommen umstritten unstreitig, unstrittig unzutreffend Urteil unter Umständen

v (mit Datum) vcrfp VergGr VersA VerwVermögen vgl VO VOBl

vom (jeweils mit Datum) venire contra factum proprium Vergütungsgruppe Versorgungsausgleich Verwaltungsvermögen vergleiche Verordnung Verordnungsblatt

WE WEer WP ZAuftrag

Wohnungseigentum; auch: Wohnungseigentum (Jahr, Seite) Wohnungseigentümer Wirtschaftsprüfer Zahlungsauftrag

zB ZBetrag ZdLeister ZdNutzer ZdVertrag ZdRahmenvertrag ZEmpfänger ZInstrument ZKonto ZS zT zust zutr ZVorgang zw

zum Beispiel Zahlungsbetrag Zahlungsdienst(e)leister Zahlungsdienst(e)nutzer Zahlungsdienst(e)vertrag Zahlungsdiensterahmenvertrag Zahlungsempfänger Zahlungsinstrument Zahlungskonto Zivilsenat zum Teil zustimmend zutreffend Zahlungsvorgang zwischen

XLVIII

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)* vom 18.8.1896 (RGBl., 195), in der Fassung der Bek vom 2.1.2002 (BGBl I, 42, 2909 und BGBl I 2003, 738), zuletzt geändert durch Art 1 des Gesetzes vom 29.6.2011 (BGBl I, 1306)

Buch 1 Allgemeiner Teil 1. Der Allg Teil beschäftigt sich nicht mit der inhaltlichen Regelung einzelner Rechtsgeschäfte. Er 1 stellt vielmehr Regeln auf, welche für alle oder bestimmte Gruppen von Rechtsverhältnissen Bedeutung haben. Die drei wichtigsten Abschnitte des Allg Teils behandeln die Personen als Subjekte des Rechtslebens, die Sachen als Objekte des Rechtsverkehrs und das Rechtsgeschäft. In den §§ 13 und 14, die durch das Gesetz über Fernabsatzverträge aufgenommen wurden, begründet der Allg Teil ferner die früher nicht als generelles Institut bekannte Teilung der normativen Regelungen in solche, bei denen ein „Verbraucher“ einem „Unternehmer“, zumeist in der sozialen Rolle als Käufer, Besteller und Kreditnehmer, gegenübersteht, weshalb hier „Verbraucherschutz“ betrieben wird, und solche, die für den sonstigen, aber immer noch „allg“ Rechtsverkehr zw Unternehmen oder Privaten untereinander sowie dann gelten, wenn ein „Verbraucher“ als Verkäufer, Unternehmer oder Kreditgeber auftritt. Diese Aufteilung des Privatrechts ist teilw, aber nicht allein durch RL der EG verursacht. 2. Die Bestimmungen des Allg Teils gelten für das gesamte bürgerliche Recht sowie für das Han- 2 delsrecht, soweit nicht anderes ausdr bestimmt ist (Art 2 EGHGB). Einzelne Bestimmungen des Allg Teils haben als Rechtsgrundsätze Bedeutung über das Privatrecht hinaus, zB im Verfahrensrecht sowie im Verwaltungs- und im Steuerrecht.

* Amtl Hinw: Dieses Gesetz dient der Umsetzung folgender RL: 1. RL 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hins des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. EG Nr L 39 S. 40), 2. RL 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl. EG Nr L 61 S. 26), 3. RL 85/577/EWG des Rates vom 20.12.1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (ABl. EG Nr L 372 S. 31), 4. RL 87/102/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit (ABl. EG Nr L 42 S. 48), zuletzt geändert durch die RL 98/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.2.1998 zur Änderung der RL 87/102/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit (ABl. EG Nr L 101 S. 17), 5. RL 90/314/EWG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.6.1990 über Pauschalreisen (ABl. EG Nr L 158 S. 59), 6. RL 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. EG Nr L 95 S. 29), 7. RL 94/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.1994 zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien (ABl. EG Nr L 280 S. 82), 8. der RL 97/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.1.1997 über grenzüberschreitende Überweisungen (ABl. EG Nr L 43 S. 25), 9. RL 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. EG Nr L 144 S. 19), 10. Art 3–5 der RL 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- und Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen vom 19.5.1998 (ABl. EG Nr L 166 S. 45), 11. RL 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.5.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. EG Nr L 171 S. 12), 12. Art 10, 11 und 18 der RL 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insb des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („RL über den elektronischen Geschäftsverkehr“, ABl. EG Nr L 178 S. 1). 13. RL 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.6.2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. EG Nr L 200 S. 35).

I. Saenger

1

Vor § 1

Allgemeiner Teil

Personen

Abschnitt 1 Personen Vorbemerkung 1

1. Personen sind Rechtssubjekte, dh sie sind rechtsfähig. Rechtsfähigkeit ist die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein (so die hM, aM Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963 S 31ff, 43ff, wonach zu Unrecht die Rechtsfähigkeit als Fähigkeit rechtserheblichen Verhaltens bestimmt werden soll; dagegen auch Larenz/Wolf AT § 5 I Rn 2; Medicus AT Rn 1040; MüKo/Schmitt § 1 Rn 6). Ein Teilabschnitt der Rechtsfähigkeit ist die Parteifähigkeit des Verfahrensrechts; sie bedeutet die Fähigkeit, Träger prozessualer Rechte und Pflichten sein zu können. Es gibt natürliche und jur Pers. Bei Begriffsgleichheit der Rechtsfähigkeit der natürlichen und der jur Pers besteht zw diesen doch ein wesentlicher Unterschied. Die Rechtsfähigkeit der nat Pers ist dem Gesetzgeber vorgegeben, sie ist Folge der Würde des Menschen (Art 1 GG). Darin drückt sich konkret aus, dass die Person einer der höchsten Werte der Rechtsordnung ist (vgl dazu H. Westermann, Person und Persönlichkeit als Wert im Zivilrecht, 1957). Dementsprechend ist die Rechtsfähigkeit der nat Pers unverzichtbar und weder durch Gesetz noch durch Richterspruch oder Verwaltungsakt entziehbar. Die Rechtsfähigkeit der jur Pers ist Ergebnis einer freien Entscheidung des Gesetzgebers, der sich dabei vor allem von Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten leiten lässt. Die jur Pers ist danach „Zweckschöpfung des Gesetzgebers“ (näher Vor § 21 Rn 2), deren Rechtsnatur ihre Beendigung durch Entziehung usw zulässt. Zu unterscheiden ist auch im Hinblick auf die Personenverbände zw Rechtsfähigkeit und eigener juristischer Persönlichkeit des Verbandes, deutlich bei der GbR (dazu Vor § 705 Rn 18).

2

2. Von der allg Rechtsfähigkeit zu unterscheiden ist die Fähigkeit, Träger bestimmter Rechte und bestimmter Pflichten zu sein. Wer rechtsfähig ist, hat deswegen noch nicht die Fähigkeit zur Ausübung jeder Art von Rechten, auch nicht innerhalb des Privatrechts. So hat die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte den Verlust und die Unfähigkeit zur Bekleidung bestimmter Ämter zur Folge, § 45 StGB. Die Rechtsfähigkeit als solche wird dadurch nicht berührt. Ganz allg ist das Alter des Menschen in vielen Beziehungen rechtlich bedeutsam, ua für die Geschäfts- und die Deliktsfähigkeit, §§ 104ff, 828 (s Staud/Weick § 2 Rn 3–5). Bestimmte Unterschiede sind durch das Geschlecht bedingt (zur historischen Entwicklung Wacke, FS Rebmann 1989 S 681). Zwitter sind zum weiblichen oder männlichen Geschlecht zuzuordnen, je nachdem, welche Geschlechtsmerkmale überwiegen (KG NJW 1965, 1084; BGH FamRZ 1972, 82; Naumburg FGPrax 2001, 239); dabei ist auch die psychische Komponente zu berücksichtigen (Eberle NJW 1971, 220; zust Naumburg aaO). Erweist sich die Geschlechtseintragung später als (von Anfang an) unrichtig, hat gem § 47 I PStG eine Berichtigung stattzufinden. Dagegen richten sich die Geschlechtsänderung und ihre Folgen nach dem Transsexuellengesetz (v 10.9.1980, BGBl I 1654). Es enthält als sog „kleine Lösung“ in §§ 1–7 eine Regelung der Vornamensänderung und als „große Lösung“ (§§ 8–12) die Voraussetzungen der Feststellung einer neuen Geschlechtszugehörigkeit. Gemeinsames Erfordernis ist, dass die betreffende Person sich seit mindestens drei Jahren wegen ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem Geschlecht zugehörig fühlt, dem sie der Geburtseintrag zuordnet (§§ 1 I, 8 I TSG). Weiter muss der Antragsteller unverheiratet und dauernd fortpflanzungsunfähig sein (zur Bedeutung früherer Ehen und des Vorhandenseins leiblicher Kinder Naumburg aaO). Das Gesetz verlangt sodann eine die äußeren Geschlechtsmerkmale verändernde Operation, durch die eine deutliche Annäherung des Patienten an das äußere Erscheinungsbild des von ihm erstrebten Geschlechts erreicht worden ist. Die in diesem Zusammenhang anerkannten Verfahren sind bei den Mann-zu-Frau-Transsexuellen offenbar (näher Wille/Krön/Eichler FamRZ 1981, 418) zu einem weitergehenden Konsens bzgl der anzustrebenden körperlichen Annäherung entwickelt als für den umgekehrten Fall (dazu Zweibrücken NJW 1992, 760). Unklar sind das Ausmaß notwendiger und zulässiger hormoneller Behandlung und der Grad an Sicherheit, dass keine „Refertilisierung“ stattfindet (zum ganzen auch Sigusch NJW 1980, 2740). Das Gesetz enthält ferner Vorschriften über die vom Gericht heranzuziehenden medizinischen Gutachten. Soweit der Antragsteller nur eine Vornamensänderung will, ist eine geschlechtsumwandelnde Operation nicht erforderlich, die Zugehörigkeit zu dem im Geburtseintrag genannten Geschlecht bleibt unberührt. Die Regelung des § 1 TSG, Transsexuellen unter 25 Jahren eine Vornamensänderung zu versagen, sie aber älteren Personen zu gewähren, ist verfassungswidrig (BVerfG NJW 1993, 1517), nicht dagegen die sonstigen Voraussetzungen für eine Änderung des Geburtseintrags zur Geschlechtszugehörigkeit (Düsseldorf NJW 1996, 793). Eine Geschlechtsumwandlung ändert an der Identität des Menschen nichts; dem zur Frau gewordenen Vater kann das Sorgerecht für ein Kind aus der Ehe mit der geschiedenen Frau zugesprochen werden (Schleswig FamRZ 1990, 433). § 7 I Nr 3 TSG ist bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Regelung, die homosexuell orientierten Transsexuellen ohne Geschlechtsumwandlung das Eingehen einer rechtlich gesicherten Partnerschaft ohne Vornamensverlust ermöglicht, aufgrund der Unvereinbarkeit mit Art 2 I GG iVm Art 1 GG nicht anwendbar (BVerfG BGBl 2006, 276; hierzu Grünberger JZ 2006, 516; Windel JR 2006, 265). Weitere Entscheidungen des BVerfG haben den Gesetzgeber zur Änderung von § 1 I TSG (BVerfG NJW 2007, 900 – Anwendbarkeit auf Ausländer) und zur Aufhebung von § 8 I Nr 2 TSG (BVerfG NJW 2008, 3117 – bestehende Ehe steht Antrag nicht entgegen) veranlasst.

3

3. Die Person wird mit Bezug auf gewisse Ausstrahlungen durch konkrete Einzelvorschriften geschützt, so in Bezug auf den Namen in § 12. Adelsprädikat ist Teil des Namens (§ 12 Rn 9). Vor der Anerkennung eines allg Persönlichkeitsrechts durch BGH 13, 337, die verfassungsrechtlich geboten 2

I. Saenger

Natürliche Personen, Verbraucher, Unternehmer

§1

war, hatte die Rspr bereits für verschiedene spezielle Persönlichkeitsgüter einen Schutz über §§ 826, 1004 entwickelt, der sich heute, soweit nicht durch Sondergesetze geregelt, mehr auf Sondertatbestände des allg Persönlichkeitsschutzes stützt (näher im Anh § 12; insb zu den Wirkungen des Persönlichkeitsrechts über den Tod hinaus dort Rn 301ff). Persönlichkeitsrechtliche Elemente bestehen bei den Rechtsverhältnissen des Leichnams (auch bei grds Anerkennung seiner Sachqualität, § 90 Rn 6). Es handelt sich um ein Grenzgebiet von Recht, Sittlichkeit und Sitte, bestimmt nach den Vorstellungen der herkömmlichen Ordnung, ohne dass Rückführung auf eindeutige gesetzliche Bestimmungen möglich oder erforderlich wäre. Für Art und Ort der Bestattung ist der ausdr kundgegebene oder aus den Umständen zu entnehmende Wille des Verstorbenen in erster Linie maßgebend (BGH FamRZ 1992, 657; KG ZEV 1998, 260). Beim Fehlen eines erkennbaren Willens entscheiden die nächsten Familienangehörigen; nicht diejenigen, welche die Kosten der Beerdigung zu tragen haben. Der Wille des überlebenden Ehegatten geht dem Willen der übrigen Angehörigen vor (RG 154, 273; HRR 1937, 1070). Die in einer Urnenhalle oder einem Urnenhain beigesetzten Aschenreste eines Verstorbenen genießen gleichen Anspruch auf pietätvolle Behandlung und Wahrung der Totenruhe wie ein in der Erde bestatteter Leichnam. Zur Frage der Obduktion Becker JR 1951, 328. Ob der Inhaber des Totensorgerechts die Leiche der Anatomie überlassen darf, ist str (vgl dazu Bieler JR 1976, 226; ausf u mit Übersicht über die Literatur und Rspr Zimmermann, Gesellschaft, Tod und medizinische Erkenntnis, NJW 1979, 569ff; Strätz, Zivilrechtliche Aspekte der Rechtsstellung des Toten unter besonderer Berücksichtigung der Transplantationen, 1971; dazu H. P. Westermann FamRZ 1973, 614ff).

Titel 1 Natürliche Personen, Verbraucher, Unternehmer

1

Beginn der Rechtsfähigkeit Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt.

1. Die Rechtsfähigkeit des Menschen und damit das Menschsein iSd Privatrechts beginnt mit der 1 Vollendung der Geburt (anders im Strafrecht, wo der Beginn der Geburt entscheidet). Vollendet ist sie mit der Trennung des Kindes vom Mutterleib; Abnabelung nicht erforderlich (Mot I 20). Wesentlich ist, dass das Kind nach der Trennung gelebt hat; Lebensfähigkeit ist nicht erforderlich (LSG Niedersachsen NJW 1987, 2328). Den Lebensbegriff definiert das Gesetz nicht. § 29 AVO zum PStG gibt Hinw, ist aber keine verbindliche Definition. Der Begriff des Lebens ist den medizinischen Erkenntnissen zu entnehmen. Kennzeichen ist die Herz- und Atmungstätigkeit, der Fluss der Gehirnströme (vgl dazu Wolf/Naujoks, Beginn und Ende der Rechtsfähigkeit des Menschen, 1955 S 18ff; Becker FamRZ 1968, 409 m Nachw). – Die Eintragung der Geburt in das Standesamtsregister beweist die Tatsache der lebenden Geburt, § 60 PStG; Gegenbeweis ist zulässig. 2. Die ungeborene Leibesfrucht ist als solche nicht rechtsfähig (vgl BSG FamRZ 1963, 232 m Anm 2 Fabricius), für den Fall der Geburt aber durch Sonderbestimmungen geschützt, §§ 844 II, 1777 II, 1923 II, 2043, 2108 I, 2178. Auch können ihr durch Vertrag zugunsten Dritter Rechte zugewandt werden, § 331 II; zur Wahrung ihrer späteren Rechte kann insoweit nach § 1912 ein Pfleger bestellt werden; Schleswig NJW 2000, 1271 nimmt für eine Klage auf Vaterschaftsfeststellung und Unterhalt durch einen vorgeburtlichen Beistand (§§ 1712, 1713) Rechts- und Parteifähigkeit eines nasciturus an. Verbreitet ist daher von einer beschränkten Rechtsfähigkeit des nasciturus die Rede (MüKo/ Schmitt Rn 29; Staud/Weick Rn 15). Darüber hinaus ist die Bestellung eines Pflegers etwa zur Wahrung eines künftigen Unterhaltsanspruchs unzulässig (KGJ 22, 30). Auch gibt es keine Klage gegen die Leibesfrucht (Dresden DJZ 1903, 227). Dass die Leibesfrucht Schutzobjekt ist, so dass wegen schädigender Handlungen dem krank geborenen Kind Schadensersatzansprüche zustehen können, ist danach nicht zu bestreiten, näher § 823 Rn 22. Der Schutz setzt mit der Verschmelzung der Keimzellen ein. Dem steht nicht entgegen, dass nach § 218 StGB der Schwangerschaftsabbruch für die ganze Dauer der Schwangerschaft grds als Unrecht angesehen wird, das auch unter Strafe gestellt werden kann (BVerfG 39, 1, 44 = NJW 1975, 573, 576; NJW 1993, 1751). Zur Frage, ob das Dasein eines Kindes für seine Eltern eine Schadensquelle sein kann, sowie zu den Ansprüchen des geschädigt geborenen Kindes („wrongful life“) s Anh § 12 Rn 223; § 249 Rn 58ff; Rechtsprechungsübersicht bei Rehborn MDR 2001, 1001ff. 3. Der nicht erzeugten Nachkommenschaft können ebenfalls für den Fall der Geburt durch Vertrag 3 zugunsten Dritter, § 331 II, durch Einsetzung als Nacherbe, §§ 2101, 2106 II, 2109 I 1, oder durch Vermächtnis, §§ 2162, 2178, Rechte zugewendet werden. Die Eintragung einer Hypothek für sie ist möglich (RG 61, 355; 65, 279; dazu Staud/Weick Rn 25). Die Rechte nimmt ein nach § 1913 bestellter Pfleger wahr. In § 1 konnte der Gesetzgeber zw der Erzeugung und der Vollendung der Geburt als maßgeblichem Zeitpunkt für den Beginn der Rechtsfähigkeit wählen. Die Entscheidung in § 1 ist in Praktikabilitätserwägungen (Beweisermöglichung) begründet; sie beruht nicht etwa darauf, dass der Gesetzgeber die Leibesfrucht schutzlos lassen wollte. 4. Die Rechtsfähigkeit des Menschen endet mit dem Tode. Sein Vermögen geht als Ganzes auf den 4 oder die Erben über (§ 1922). Der Tod eines Menschen kann jedoch auch – unabhängig vom Erbrecht – das Entstehen selbständiger Forderungsrechte Dritter auslösen (§§ 844ff). Nach RG 167, 89 finden diese Vorschriften in gewissem Umfang beim Auftrag und bei der Geschäftsführung ohne Auftrag I. Saenger

3

§1

Allgemeiner Teil

Personen

entspr Anwendung. Vom Ende der Rechtsfähigkeit mit dem Tode gibt es keine Ausnahme; alle bestehenden Rechte und Pflichten gehen auf den Erben über (daher zwingend überall im Erbrecht die Rückwirkung auf den Erbfall, um die Subjektlosigkeit von Rechten und Pflichten zu vermeiden). Neue Rechte und Pflichten können für den Verstorbenen nicht mehr entstehen; wird in seinem Namen gehandelt oder weist der Entstehungstatbestand sonst auf einen Verstorbenen hin, können uU die Rechtsverhältnisse in der Person des Erben entstehen (vgl zB für die nach dem Erbfall auf den Namen des Erblassers eingetragene Hypothek RG JW 1926, 1955). Wegen des Zugehens von Willenserklärungen nach dem Tod des Erklärenden s § 130 II, wegen Vertragsentstehung vgl § 153. Zum postmortalen Persönlichkeitsschutz Anh § 12 Rn 69ff. 5

5. Eine dem § 1 entspr gesetzliche Bestimmung des Todeszeitpunktes gibt es nicht. Der BGB-Gesetzgeber hielt den Todesbegriff und auch den Todeszeitpunkt für einen feststehenden medizinischbiologischen Tatbestand, der unbesehen aus der medizinischen Wissenschaft in die Jurisprudenz übernommen werden könne. Die Fortschritte der Medizin haben dazu geführt, dass die Grenze zw Leben und Tod fließend geworden ist (sog Reanimation, Aufrechterhaltung des Blutkreislaufs und der Lungentätigkeit durch die Herz-Lungen-Maschine usw). Ohne einen feststellbaren Zeitpunkt des Todes ist aber in der Rechtspraxis nicht auszukommen: Der Todeszeitpunkt kann maßgebend sein für die Erbfolge (zB Unfalltod von Mann und Frau, der – wenn auch nur um Sekunden – überlebende Ehegatte beerbt den Vorverstorbenen, dann Anfall gem der Erbfolge nach dem zuletzt Verstorbenen). Bedeutsamer noch ist der Zeitpunkt des Todes, wenn es um die rechtliche Notwendigkeit oder Erlaubnis zum ärztlichen Handeln geht. So ist zB die Organentnahme zu Transplantationszwecken erst nach dem Tode des Spenders erlaubt; ferner endet die ärztliche Pflicht zur Lebenserhaltung auf jeden Fall mit dem Tod des Patienten. Nach dem TransplantationsG v 5.11.1997 (BGBl I 2631) muss vor Organentnahme der endgültige, irreversible Ausfall der Gehirnfunktionen des Spenders festgestellt sein, was nach dem jeweils letzten Stand der medizinischen Erkenntnis durch zwei unabhängige Ärzte erklärt worden sein muss, §§ 3 II Nr 2, 5 I S 1 und 2 des Gesetzes. Wenn der endgültige irreversible Stillstand von Herz und Kreislauf vor mehr als drei Stunden eingetreten ist, genügt die Feststellung durch einen Arzt. Außerhalb der Frage nach der Organentnahme wurde früher von der hM ausschließlich auf den Eintritt des Gehirntodes abgestellt (Geilen FamRZ 1968, 121ff; ders JZ 1968, 145, 149; ders. JZ 1971, 41ff; Lang ZRP 1995, 547; Heun JZ 1996, 213ff; zu den Zweifeln hieran aber Wagner/Brocker ZRP 1996, 226; abl Rixen ZRP 1995, 461); inzwischen können auch insoweit die Maßstäbe des TransplantationsG übernommen werden (MüKo/Schmitt Rn 22; AnwK/ Ring Rn 24f; s auch bereits Medicus AT Rn 1052; Schreiber JZ 1983, 593), was auch für die Feststellung des Todeszeitpunkts aus erbrechtlicher Sicht, die jedenfalls auf einer ärztlichen Feststellung beruht, herangezogen werden kann.

6

6. Die Todeserklärung hat auf die Rechtsfähigkeit keinen Einfluss. Sie begründet lediglich die Todesvermutung; Gegenbeweis ist zulässig, § 9 VerschG.

2

Eintritt der Volljährigkeit Die Volljährigkeit tritt mit der Vollendung des 18. Lebensjahres ein.

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1. § 2 ist durch Gesetz v 31.7.1974 (in Kraft getreten am 1.1.1975) geändert worden. Die Vorverlegung des Volljährigkeitsalters vom 21. auf das 18. Lebensjahr wurde als problematisch empfunden (s etwa Beitzke AcP 172, 240; Schwab AcP 172, 266). Da die Regelung wie alle diesbezüglichen Normen schematisch wirkt, muss mangelnder Erfahrung jugendlicher Rechtsinhaber im Umgang mit großen oder schwierig zu verwaltenden Vermögensgütern außerhalb der Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens durch vorsorgende Maßnahmen Rechnung getragen werden (zB lebzeitige Zuwendungen unter Befristung, Testamentsvollstreckung bei Zuwendungen von Todes wegen). Gefährliche oder lebenslang belastende Verträge, die sehr unerfahrene, aber volljährige Personen abgeschlossen haben, vor allem Bürgschaften, können im Einzelfall einer schweren wirtschaftlichen Überforderung als sittenwidrig angesehen werden, eingehend § 138 Rn 180.

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2. Das Alter eines Menschen ist im Privatrecht wichtig, ua für die Geschäftsfähigkeit (§§ 104ff), für die Deliktsfähigkeit (§ 828), für die Ehemündigkeit (§ 1303) und für die Testierfähigkeit (§ 2229 I).

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3. Die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit tritt grds mit der Volljährigkeit ein (§ 106). Volljährig wird der Mensch mit der Vollendung des 18. Lebensjahres. Das Lebensalter wird nach § 187 II berechnet; der Geburtstag wird mitgerechnet (§ 187 II S 2). Eine Verlängerung wie eine Verkürzung des Zustandes der Minderjährigkeit ist nicht zulässig.

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4. Die Volljährigkeit hat außer der unbeschränkten Geschäftsfähigkeit die Ehefähigkeit nach § 1303, die Beendigung der elterlichen Sorge nach § 1626 und der Vormundschaft nach §§ 1882, 1773 sowie die Fähigkeit zur Führung einer Vormundschaft (§ 1781 Nr 1) zur Folge. Der Volljährige, nicht auch der Minderjährige, kann ein Testament in ordentlicher Form durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten (§ 2247 I, IV). Zur Testierfähigkeit s aber auch § 2229 III.

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(weggefallen)

I. Saenger

Natürliche Personen, Verbraucher, Unternehmer

§7

7

Wohnsitz; Begründung und Aufhebung (1) Wer sich an einem Orte ständig niederlässt, begründet an diesem Orte seinen Wohnsitz. (2) Der Wohnsitz kann gleichzeitig an mehreren Orten bestehen. (3) Der Wohnsitz wird aufgehoben, wenn die Niederlassung mit dem Willen aufgehoben wird, sie aufzugeben. 1. Wohnsitz ist ein Zustandsverhältnis, welches durch die Verknüpfung der Lenkung und Leitung 1 der Angelegenheiten einer Person mit einem Ort hergestellt wird (RG 67, 193). Vielfach bezeichnet man im Anschluss an die in dieser Entscheidung gegebene Definition den Wohnsitz als „Mittelpunkt des gesamten Lebens einer Person“. Diese Begriffsbestimmung dürfte nicht zutreffen, weil sie begrifflich den nach § 7 II zugelassenen doppelten Wohnsitz ausschließt. Sie verkennt auch, dass ein Wohnsitz noch dann vorliegen kann, wenn aus dem Gesamtkreis der Lebensbeziehungen ein bestimmt begrenzter, wesentlicher Teil ausgesondert wird und seine laufende Erledigung an einem anderen Ort findet (s den Fall Hamm FamRZ 1989, 1331). Näher liegt es daher, den Wohnsitz als den „räumlichen Schwerpunkt der Lebensverhältnisse einer Person“ zu kennzeichnen (so Soergel/Fahse Rn 2; MüKo/ Schmitt Rn 9; vgl auch BVerwG 28, 193 = NJW 1968, 1059; Staud/Weick Vorbem zu § 7 Rn 7). Der Wohnsitzbegriff des bürgerlichen Rechts (§ 7) ist maßgebend auch für § 7 BVG (BSG NJW 1957, 2 728), für § 11 LAG (BVerwG NJW 1955, 1044) und für §§ 1, 2 BVFG (BVerwG NJW 1957, 1488; erg vgl BVerwG NJW 1960, 835; 1960, 1922; MDR 1960, 346), ferner für § 2 III BKGG (BSG NJW 1968, 719). Der im Wehrpflichtgesetz an verschiedenen Stellen mit einheitlichem Sinngehalt verwendete Begriff des ständigen Aufenthalts entspricht weitgehend dem Wohnsitzbegriff des § 7 (BVerwG NJW 1968, 859, 1059; vgl auch BayObLG NJW 1968, 513, 515; Celle NJW 1967, 1670). Der ständige Aufenthalt muss sich jedoch nicht unbedingt in einer politischen Gemeinde befinden (MüKo/Schmitt Rn 15); er ist auch nicht mit dem dienstlichen Wohnsitz des Soldaten zu verwechseln (vgl zu diesem VG Stuttgart NJW 1969, 858, aber auch VG Arnsberg NJW 1969, 1317 sowie § 9). Zum Wohnsitzbegriff des Steuerrechts vgl § 8 AO. Der Begriff baut auf der bisherigen Rspr auf, folglich ist das tatsächliche Innehaben der den Wohnsitz bestimmenden Wohnung entscheidend. 2. Die Wohnsitzbegründung kann auf dem Willen einer Person (gewillkürter Wohnsitz, §§ 7, 8) oder 3 auf gesetzlichen Vorschriften (gesetzlicher Wohnsitz, §§ 9, 11) beruhen. Der gewillkürte Wohnsitz wird nach § 7 durch ständige Niederlassung begründet, die mit dem Wil- 4 len geschieht, den gewählten Ort zum Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen. Begründung ist kein Rechtsgeschäft, weil nicht der Rechtserfolg des Wohnsitzes gewollt sein muss, sondern geschäftsähnliche Handlung (BGH 7, 104; Larenz/Wolf AT § 7 II Rn 14ff; für Realakt mit verselbständigtem Willensmoment Flume AT § 9, 2a). Jedenfalls sind die für Rechtsgeschäfte geltenden Vorschriften entspr anwendbar (MüKo/Schmitt Rn 18), so dass Wohnsitzbegründung und -aufgabe durch Stellvertreter (etwa BVerwG NJW 1959, 1053; BGH NJW-RR 1988, 387) oder durch vorläufigen Vormund (BayObLG NJW 1984, 886) erfolgen kann, nicht aber durch Pfleger, zu dessen Aufgabenkreis die Aufenthaltsbestimmung gehört (BayObLG FamRZ 1990, 647). Zur Frage, inwieweit Wohnsitz und Aufenthaltsbestimmung von der Personensorge nach dem Betreuungsgesetz umfasst sind, s Klüsener/Rausch NJW 1993, 617, s auch § 8 Rn 2. 3. Niederlassung iSd § 7 ist der tatsächliche Aufenthalt an einem bestimmten, frei gewählten Ort 5 mit dem Willen (auch konkludent zum Ausdruck gebracht, BGH NJW 2006, 1808), diesen zum Mittelpunkt (Schwerpunkt) der persönlichen Existenz zu machen; Strafhaft reicht daher nicht aus (BGH NJW-RR 1996, 1217). Nicht erforderlich ist, dass der Ort zum Mittelpunkt der gesamten Lebensverhältnisse gemacht wird, doch ist Verweilen für längere Zeit erforderlich (BGH NJW 1983, 2771), nicht notwendig Festlegung für immer (Köln NJW 1972, 394). Es kommt nicht darauf an, ob eine eigene Wohnung benutzt wird; Unterkunft zusammen mit anderen reicht aus (BGH NJW 1984, 971; BVerwG FamRZ 1963, 441; NJW 1986, 674). Verlässt eine Frau unter Abmeldung ihre Ehewohnung und zieht sie, ohne dies von vornherein auf einen überschaubaren Zeitpunkt zu beschränken, in ein Frauenhaus, so begründet sie regelmäßig einen Wohnsitz (Karlsruhe NJW-RR 1995, 1220; Nürnberg NJWRR 1997, 514), nicht so bei einem unter drei Wochen liegenden Aufenthalt (BGH NJW 1994, 1224); zum Wohnsitz von Kindern in diesen Fällen § 11 Rn 4. Das der Benutzung zugrunde liegende Rechtsverhältnis ist ohne Bedeutung (Celle NdsRpfl 1949, 213). Die Wohnsitzbegründung durch Beziehen eines Hotelzimmers (für ausreichend gehalten durch BVerwG RzW 1959, 94; zust MüKo/Schmitt Rn 20) ist unter heutigen Umständen regelmäßig abzulehnen. Auch Hausangestellte oder Kellner begründen an ihrem Tätigkeitsort regelmäßig keinen Wohnsitz (Köln JMBl NW 1960, 188f). Bei Studenten kommt es auf die Intensität bestehen bleibender Bindung an den Heimatort an, ferner auf Lebensalter und berufliche Perspektiven; danach kann nicht regelmäßig Wohnsitzbegründung am Studienort verneint werden (im Grundsatz gegen Wohnsitz am Studienort BVerfG NJW 1990, 2193, 2194; BVerwG JR 1961, 113; Hamm FamRZ 1989, 1331; MüKo/Schmitt Rn 27; Ausnahmen sind aber möglich, wenn der Hochschulort für längere Zeit zum Mittelpunkt aller Lebensverhältnisse gemacht wird). Der einen Wohnsitz Begründende muss (abgesehen vom Fall der Vertretung) hinfort persönlich anwesend sein wollen (BVerwG FamRZ 1963, 441). Wer an einem Ort nur seine Familie unterbringt, selbst aber fernbleibt, begründet dort keinen Wohnsitz; ebenso wenig derjenige, der einen Ort nur zum Mittelpunkt seiner beruflichen Beziehungen macht. Die Weiterführung eines Betriebes reicht aus. 4. Maßgeblich ist die ständige Niederlassung. Ständig ist nicht gleichbedeutend mit endgültig oder 6 unabänderlich. Ausgeschaltet wird dadurch zunächst der von vornherein auf kurze Zeit bemessene Aufenthalt. Studienaufenthalt, vorübergehender Aufenthalt in einer Heil- und Pflegeanstalt, BezieI. Saenger

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§7

Allgemeiner Teil

Personen

hen eines Wochenendhauses zu nur vorübergehendem Freizeitaufenthalt sind idR nicht als ständige Niederlassung am Aufenthaltsort anzusehen (RG 152, 60). So ist zB der Aufenthalt in einem Erziehungsheim im Rahmen der Fürsorgeerziehung seiner Natur nach vorübergehend (Düsseldorf NJWRR 1991, 1419, LG Duisburg FamRZ 1968, 85 – zeitbedingte Umstände können eine besondere Beurteilung rechtfertigen); zur Strafhaft Rn 5. 7

Die polizeiliche Anmeldung, das Fehlen einer solchen oder die Unterlassung einer Abmeldung können Rückschlüsse auf den Wohnsitz zulassen, sind aber nicht entscheidend (vgl BVerfG NJW 1990, 2193, 2194; BGH NJW-RR 1990, 506; NJW 1983, 2771; BayObLG FamRZ 1989, 526; NJW 1984, 291; Karlsruhe Rpfleger 1957, 308, 309). Zur Fortdauer des Wohnsitzes bedarf es nicht – wie zu seiner Begründung – des Zusammentreffens einer tatsächlichen Niederlassung mit dem Wohnsitzwillen (Karlsruhe Rpfleger 1957, 308 mw Hinw). Ist der Aufenthaltswechsel bereits vollzogen, genügt für die Aufhebung des Wohnsitzes ein darauf gerichteter Wille (BayObLG FamRZ 1984, 886).

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5. Die Aufhebung des Wohnsitzes erfordert die beabsichtigte Aufgabe der tatsächlichen Niederlassung, die allerdings anhand des gesamten Verhaltens für einen mit den Umständen vertrauten Beobachter erkennbar sein muss (BGH NJW 1988, 713f). Vorübergehende (auch längere) Abwesenheit hebt allein den Wohnsitz nicht auf (BayObLG OLG 12, 238f). Wer das Staatsgebiet in der Annahme verlassen hat, er tue dies nur vorübergehend, dem fehlt im Zweifel der Wille, den Wohnsitz aufzugeben (BVerwG MDR 1969, 872). Wer sich an einen anderen Ort begibt, um von dort aus auszuwandern, will idR den bisherigen Wohnsitz nicht aufgeben, sondern ihn – jedenfalls bis zum tatsächlichen Antritt der Reise – beibehalten (BayObLG 1964, 109). Antritt dauernder Strafhaft bedeutet nicht schon Aufgabe des bisherigen Wohnsitzes (BayObLG 1901, 762, anders Karlsruhe Rpfleger 1970, 202). Mit der Wohnsitzaufgabe braucht nicht die Begründung eines neuen Wohnsitzes verbunden zu sein. Andererseits setzt die Begründung eines neuen Wohnsitzes die Aufgabe des bisherigen nicht voraus, § 7 II.

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6. Mehrfacher Wohnsitz ist gesetzlich zulässig (Abs II) und gegeben, wenn die Wohnsitzvoraussetzungen für mehrere Orte gleichzeitig zutreffen (vgl BGH MDR 1962, 380). So ist doppelter Wohnsitz bei jemandem anzunehmen, der sich im Sommer auf seinem Landgut und im Winter in der Stadt aufhält und an beiden Orten ständige Wohnungen hat; ebenso bei einem Arzt, welcher im Sommer in einem Badeort und im Winter in einer Stadt wohnt und praktiziert. In diesen Fällen sind stets gleichzeitig beide Orte und nicht etwa abwechselnd der eine oder der andere Wohnsitz. Grds ist jedoch davon auszugehen, dass eine Person nur einen Wohnsitz hat, zum Doppelwohnsitz eines Kindes nach Trennung der Eltern § 11 Rn 4. Doppelter Wohnsitz liegt idR nicht vor, wenn die Niederlassung an dem einen Ort lediglich einen bestimmten abgesonderten Bereich der Lebensverhältnisse betrifft (BGH aaO); besonders dann nicht, wenn die Niederlassung an diesem einen Ort ausschließlich gewerblichen oder dienstlichen Zwecken dient, ohne dass damit eine eingerichtete Wohnung verbunden ist (RG 30, 349; Karlsruhe OLG 13, 307; s auch BAG DB 1985, 2693 für Montagearbeiter [im Zusammenhang mit dem arbeitsrechtlichen Begriff der „Wohnung“] sowie BVerwG NJW 1986, 674 zu dreimonatiger beruflicher Tätigkeit). „Pendler“, die an einem längerfristigen Arbeitsort für die Wochentage eine Wohnung unterhalten, können also einen doppelten Wohnsitz haben. Soll mehrfacher Wohnsitz mit der Wirkung angenommen werden, dass die Person an beiden Orten als Angehöriger der Gemeinde zur Zahlung bestimmter Steuern herangezogen werden kann, müssen die Voraussetzungen für diese Fälle als Ausnahmefälle mit aller Deutlichkeit erwiesen werden (Celle NdsRpfl 1949, 213). Bei einem Wohnsitzwechsel, der sich allmählich – in Teilabschnitten – vollzieht und über einen längeren Zeitraum erstreckt (dazu BVerwG DÖV 1962, 870 und FamRZ 1963, 441), kann für eine gewisse Zeit ein doppelter Wohnsitz bestehen.

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7. Das Recht, den Wohnsitz frei zu bestimmen, ist verfassungsrechtlich gesichert (Art 11 I GG) und somit unverzichtbar. Vertragliche Beschränkungen sind grds nichtig. Doch ist die Verpflichtung, einen bestimmten Wohnsitz aufzugeben, uU zulässig (Staud/Weick Rn 2), etwa im Rahmen eines gültigen Rückkehrverbots nach Praxistausch (MüKo/Schmitt Rn 34).

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8. Zu unterscheiden vom Wohnsitz des § 7 sind der bloße Aufenthalt (dazu BayObLG 57, 313), der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt des § 606 ZPO, der steuerliche und devisenrechtliche Wohnsitz (dazu Staud/Weick Vorbem zu § 7 Rn 10; BayObLG 58, 103 – auch zu § 11), der dienstliche Wohnsitz iSd Besoldungsrechts bei Beamten (BayObLG 57, 193) und die gewerbliche Niederlassung.

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9. Ort iSd § 7 ist nicht der Platz der Wohnung, sondern die kleinste örtliche, dh räumliche Verwaltungseinheit, zu der dieser Platz gehört; bei Teilung einer solchen in mehrere Gerichtsbezirke der Gerichtsbezirk (RG 67, 195). Hat jemand innerhalb dieses Bezirks mehrere selbständige Wohnungen, hat er nur einen Wohnsitz.

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10. Der Wohnsitz ist in vielfacher Hinsicht rechtlich bedeutsam. Er bestimmt ua den allg Gerichtsstand (§ 13 ZPO), die Zuständigkeit für Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), die Zuständigkeit für das Aufgebotsverfahren nach § 15 VerschG (dazu KG NJW 1958, 104), die Zuständigkeit des Standesamts für die Eheschließung (§ 12 PStG); zur Zuständigkeit für Insolvenzverfahren s § 2 InsO. Zum Erfüllungsort für Verpflichtungen s § 269. Nach Änderung des § 25 I StAG hat ein inländischer Wohnsitz keinen Einfluss mehr auf den Verlust der deutschen nach Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit. Im öffentlichen Recht hat der Wohnsitz Bedeutung ua für das Wahlrecht (dazu BVerfG NJW 1956, 905f) und die Gemeindeangehörigkeit; im Verkehrsrecht für die Erteilung der Fahrerlaubnis nach § 68 II StVZO (dazu OVG Münster NJW 1958, 1605).

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I. Saenger

Natürliche Personen, Verbraucher, Unternehmer

§9

11. Die §§ 7ff beziehen sich nur auf nat Pers. Dem Wohnsitz der nat Pers entspricht der Sitz der jur 14 Pers, das ist der Ort, an welchem die Verwaltung geführt wird, § 24.

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Wohnsitz nicht voll Geschäftsfähiger (1) Wer geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, kann ohne den Willen seines gesetzlichen Vertreters einen Wohnsitz weder begründen noch aufheben. (2) Ein Minderjähriger, der verheiratet ist oder war, kann selbständig einen Wohnsitz begründen und aufheben. 1. Abs I folgt aus der Rechtsnatur der Wohnsitzbegründung und Aufhebung als einer geschäftsähn- 1 lichen Handlung (vgl § 7 Rn 4). Allerdings muss die Parallele zw geschäftsähnlicher und rechtsgeschäftlicher Handlung hier insofern eingeschränkt werden, als die Wohnsitzbegründung durch einen Geschäftsunfähigen, wenn er den tatsächlichen Willen zeigt und durchführt, sich an einem bestimmten Ort ständig niederzulassen, nicht schlechthin nichtig und genehmigungspflichtig ist. Vielmehr kann der Geschäftsunfähige, wenn der gesetzliche Vertreter zustimmt, insoweit voll wirksam handeln. Wenn der gesetzliche Vertreter handelt, müssen die tatsächlichen Voraussetzungen in der Person des Vertretenen erfüllt sein; auf den Willen des Vertretenen kommt es nicht an. Gegen die Regelung des Abs I unter rechtspolitischen Gesichtspunkten Jürgens ZRP 1993, 129. Auf einen Betreuten ist die Regelung nur anwendbar, wenn er geschäftsunfähig ist, zu den Rechten des Betreuers Rn 2. § 8 gilt entspr für die Aufgabe eines Wohnsitzes (MüKo/Schmitt Rn 10). 2. Die gesetzliche Vertretung bestimmt sich nach Maßgabe der familienrechtlichen Vorschriften. 2 Der Wohnsitz des Geschäftsunfähigen braucht nicht identisch zu sein mit dem Ort, an dem sein Vermögen verwaltet wird. Auch kann für ein minderjähriges Kind ein vom Wohnsitz des gesetzlichen Vertreters verschiedener Wohnsitz begründet werden (KG DR 1939, 247; Näheres zu § 11). Beim Wohnsitzwechsel gilt dasselbe; die Zustimmung eines später bestellten Pflegers wirkt nach § 184 I auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Ortsveränderung zurück (BayObLG FamRZ 1959, 372; 81, 400f; aM Schwoerer NJW 1962, 2038, 2040). Ein Betreuer mit dem Wirkungskreis „Aufenthaltsbestimmung“ kann den Betreuten auch bei Aufhebung und Begründung eines Wohnsitzes vertreten (BayObLG NJW-RR 1993, 460). Ist der Betreute geschäftsfähig, entscheidet er selbst, Zustimmung des Betreuers nur im Falle des § 1903 (MüKo/Schmitt Rn 2). 3. Der Begründungswille des Vertreters bedarf keiner ausdr Erklärung, sondern kann aus den Um- 3 ständen folgen (BGH 7, 104 betreffend Wohnsitzänderung eines Kindes); vgl erg die Anmerkungen zu § 11. Endgültige Unterbringung eines Geisteskranken in eine Heil- und Pflegeanstalt lässt idR auf den Willen schließen, den Ort der Anstalt zum Wohnsitz des Kranken zu machen (Karlsruhe Rpfleger 1970, 202). Im Verfahren über die Zuständigkeit im Entmündigungsverfahren war selbst bei Zweifeln die Geschäftsfähigkeit bei der (Begründung oder) Aufgabe des Wohnsitzes zu unterstellen (BGH NJW-RR 1988, 387); ebenso für die Bestimmung des zuständigen Nachlassgerichts BayObLG FamRZ 1990, 301 (LS). 4. § 8 schließt doppelten Wohnsitz nicht aus (Rostock OLG 32, 329); doch müssen beide Wohnsitze 4 auf dem Willen des gesetzlichen Vertreters beruhen. 5. Abs II hat angesichts der Vorverlegung der Volljährigkeit und der Ehefähigkeit auf das 18. Le- 5 bensjahr nur Bedeutung für den Fall, dass nach § 1303 II einem der Verlobten, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, die Befreiung vom Alterserfordernis erteilt wird. Der minderjährige Ehegatte ist in der Wohnsitzwahl und Änderung dem Volljährigen völlig gleichgestellt; er kann auch einen anderen Wohnsitz als der volljährige Ehegatte begründen.

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Wohnsitz eines Soldaten (1) Ein Soldat hat seinen Wohnsitz am Standort. Als Wohnsitz eines Soldaten, der im Inland keinen Standort hat, gilt der letzte inländische Standort. (2) Diese Vorschriften finden keine Anwendung auf Soldaten, die nur aufgrund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten oder die nicht selbständig einen Wohnsitz begründen können. 1. Die jetzige Fassung hat § 9 durch § 68 des Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Sol- 1 datenG) v 19.3.1956 (BGBl I 114) erhalten. 2. Nach § 9 haben Soldaten unter bestimmten Voraussetzungen einen gesetzlichen Wohnsitz. Unter Berücksichtigung der Begriffsbestimmung des Soldaten in § 1 I S 1 SoldatenG bezieht sich § 9 auf Personen, die aufgrund freiwilliger Verpflichtung in einem Wehrdienstverhältnis stehen und selbständig einen Wohnsitz begründen können. Wehrmachtsärzte, Wehrmachtsbeamte, Reservisten mit Dienstgrad iSd § 1 II SoldatenG sowie Zivilangestellte der Wehrmacht sind keine Soldaten iSd SoldatenG, so dass auf sie § 9 nicht anwendbar ist. 3. Gesetzlicher Wohnsitz iSd § 9 ist der Standort des Soldaten. Das ist grds der Ort, wo der Wehr- 2 dienst von ihm im Allg geleistet wird; idR also der Garnisonsort des Truppenteils, dem der Soldat angehört. Bei Teilnahme an kurzfristigen Übungen außerhalb des Garnisonsorts des Truppenteils erfolgt kein Wechsel des gesetzlichen Wohnsitzes. Im Falle eines langfristigen Kommandos hat der Soldat seinen gesetzlichen Wohnsitz idR am Ort des Kommandos (Dresden SeuffA 69 Nr 209; RG JW 1938, 234); anders bei vorübergehender Abkommandierung (MüKo/Schmitt Rn 8). Soldaten, die keinem Truppenteil angehören, haben unter den Voraussetzungen des § 9 ihren gesetzlichen Wohnsitz grds an dem Ort, wo sich ihre militärische Dienststelle befindet. Hat der Soldat im Inland keinen

I. Saenger

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§9

Allgemeiner Teil

Personen

Standort, so bestimmt sich der gesetzliche Wohnsitz des § 9 nach dem letzten inländischen Standort des Soldaten (Abs I S 2). 3

4. Die Regelung des § 9 ist zwingend; doch kann der Soldat neben dem gesetzlichen Wohnsitz des § 9 einen weiteren gewillkürten Wohnsitz haben (RG 126, 8; LVG Oldenburg MDR 1958, 875; BVerwG MDR 1960, 1041 [auch zu § 1 I S 2, 3 BVFG]); für die Besoldung s § 15 II BBesG.

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Wohnsitz des Kindes Ein minderjähriges Kind teilt den Wohnsitz der Eltern; es teilt nicht den Wohnsitz eines Elternteils, dem das Recht fehlt, für die Person des Kindes zu sorgen. Steht keinem Elternteil das Recht zu, für die Person des Kindes zu sorgen, so teilt das Kind den Wohnsitz desjenigen, dem dieses Recht zusteht. Das Kind behält den Wohnsitz, bis es ihn rechtsgültig aufhebt.

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1. § 11 gilt einheitlich für eheliche und nichteheliche Kinder. Der Text ist insofern irreführend, als er zunächst einseitig auf den Wohnsitz der Eltern abzustellen scheint, während in Wirklichkeit Wohnsitz und Personensorge zusammen den Wohnsitz des Kindes bestimmen. Diese Regelung beruht im Wesentlichen darauf, dass das Recht, den Wohnsitz des Kindes zu bestimmen, Ausfluss des Rechts zur Personensorge ist. IÜ ist davon auszugehen, dass in aller Regel das Recht zur Personensorge beiden Eltern, und zwar zu gleichem Recht zusteht.

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2. Der Wohnsitz des ehelichen Kindes ist automatisch durch den gemeinsamen Wohnsitz der Eltern, denen die Personensorge zusteht, bestimmt; auf den tatsächlichen Aufenthalt des Kindes kommt es nicht an (vgl aber unten Rn 5). Die automatische Wohnsitzbegründung ist aufgrund des Satzes 2 Folge des Rechts der Personensorge, die mindestens einem der Elternteile zustehen muss. Bei doppeltem Wohnsitz der Eltern hat das Kind ebenfalls doppelten Wohnsitz. Hat nur einer der Elternteile doppelten Wohnsitz, ist anzunehmen, dass auch das Kind doppelten Wohnsitz hat (ebenso MüKo/Schmitt Rn 5). Lebt nur noch ein Elternteil, ist dessen Wohnsitz maßgebend. Geben beide Elternteile den Wohnsitz auf, ohne einen neuen zu begründen, wird auch das Kind wohnsitzlos (aA BGH 48, 228, 236f; BaRo/Bamberger Rn 6, wonach das Kind den bisherigen Wohnsitz der Eltern behält).

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3. Bei unterschiedlichem Wohnsitz der Eltern trifft § 11 eine Regelung nur für den Fall, dass nur einem Elternteil die Personensorge zusteht, was für den Fall des Getrenntlebens zutrifft. Das Kind teilt in diesem Fall den Wohnsitz des zur Personensorge berechtigten Elternteils, wiederum ohne Rücksicht auf seinen tatsächlichen Aufenthalt. Aus welchem Grunde der andere Elternteil das Recht der Personensorge verloren hat (Entziehung, Entscheidung nach der Scheidung), ist gleichgültig. Maßgebend ist das Recht zur Personensorge, die tatsächliche Ausübung ist gleichgültig.

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4. Für den Fall des verschiedenen Wohnsitzes von (auch getrennt lebenden) Eltern, denen beiden das Recht zur Personensorge zusteht, trifft § 11 keine Regelung. Entspr den zum früheren Rechtszustand entwickelten Grundsätzen hat das Kind am Wohnsitz jedes Elternteils einen Wohnsitz (für Doppelwohnsitz des Kindes getrennt lebender Eltern BGH NJW-RR 1992, 258; 1993, 130; Naumburg JMBl ST 1999, 115; für ein Kind einer während des Getrenntlebens in einem Frauenhaus wohnenden Ehefrau ebenso BGH NJW-RR 1993, 4; so auch für Begründung eines neuen Wohnsitzes allein durch einen Elternteil Karlsruhe FamRZ 2009, 1768, FamRZ 1969, 657, Köln MDR 1971, 581; s auch Staud/ Weick Rn 6f und zur vormundschaftsgerichtlichen Zuständigkeit BayObLG FamRZ 1989, 526; zu Haupt- und Nebenwohnsitz nach Einwohnermelderegister OVG Sachsen NJW 2006, 1306). Haben sich allerdings die Eltern bei der Trennung ausdr oder stillschw geeinigt, dass das Kind auf Dauer bei einem von ihnen bleiben soll, hat es nur dort seinen Wohnsitz (BGH NJW-RR 1992, 578; Koblenz NJW 1983, 201; Düsseldorf FamRZ 1978, 621; KG KGRp 1999, 131). Ein bestehender Wohnsitz des Kindes wird durch den Tod eines Elternteils nicht automatisch aufgehoben (Hamm OLG 1971, 243). Es behält ihn nach Satz 3. Demgegenüber setzt § 11 S 1 Hs 2 das Vorhandensein eines nicht (mehr) personensorgeberechtigten Elternteils voraus. Ein nach der Trennung der Eltern geborenes Kind hat demgemäß idR vom Zeitpunkt der Geburt an einen von beiden Eltern abgeleiteten Doppelwohnsitz (KG NJW 1964, 1577; Karlsruhe NJW 1963, 1252; Nürnberg FamRZ 1961, 450).

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5. Da § 11 jedoch nicht zwingend ist, können die Eltern oder der Elternteil, dem das Recht zusteht, für die Person des Kindes zu sorgen, gem §§ 7, 8 für das Kind einen Wohnsitz begründen und aufheben oder einer vom Kinde vorgenommenen Wohnsitzbegründung (Wohnsitzaufhebung) zustimmen, ohne dass damit notwendig eine Aufgabe des bisherigen Wohnsitzes verbunden ist (BayObLG FamRZ 1989, 526, 527). Begründung und Zustimmung bedürfen auch insoweit keiner ausdr Erklärung, können sich vielmehr aus den Umständen ergeben (BGH 7, 104, 109ff; BGH FamRZ 1958, 179; Köln NJW 1972, 590; Koblenz FamRZ 1983, 201). Allerdings ändert sich, wenn Eltern getrennt leben, nicht allein dadurch, dass sich das Kind (zeitweilig) bei einem Elternteil mit Duldung des anderen Elternteils aufhält, etwas an dem von beiden Eltern abgeleiteten Wohnsitz des Kindes. Es bedarf in diesen Fällen eines über die Duldung hinausgehenden Anhalts (Karlsruhe NJW 1961, 271; aA Brandenburg FamRZ 2009, 768, welches einen Duldungszeitraum von zwei Jahren ausreichen lässt). Ein solcher weiterer Anhalt wird aber möglicherweise als gegeben angesehen werden können, wenn der Vater, der die Unterbringung des Kindes bei der Mutter duldet, die Ehelichkeit des Kindes bestreitet

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I. Saenger

Natürliche Personen, Verbraucher, Unternehmer

§ 12

und die Sorge für das Kind vollständig der Mutter überlässt (so Stuttgart HEZ 3, 1, wo darauf hingewiesen wird, dass sich daraus uU die Unzuständigkeit des Gerichts am Wohnsitz des Vaters für dessen Ehelichkeitsanfechtungsklage ergibt). Begründet eine Witwe aus Anlass ihrer Wiederverheiratung einen neuen Wohnsitz, lässt sie aber 6 ihr Kind am bisherigen Wohnsitz zurück, ohne sich weiter darum zu kümmern, so dass dieses eigenmächtig Entschließungen fasst, so ist uU anzunehmen, dass das Kind mit Willen der Mutter einen von deren Wohnsitz unabhängigen eigenen Wohnsitz hat (Düsseldorf MDR 1957, 607). 6. Nach Satz 2 teilt das Kind, wenn keinem Elternteil die Personensorge zusteht, den Wohnsitz 7 desjenigen, dem dieses Recht zusteht (Vormund oder Pfleger), auch wenn es tatsächlich bei den Eltern wohnt. Haben die beiden nicht personensorgeberechtigten Eltern nicht denselben Wohnsitz, behält das Kind nach Satz 3 den Wohnsitz, den es hatte, bevor auch der zweite Elternteil das Recht, für die Person des Kindes zu sorgen, verlor, und zwar so lange, bis der Vormund oder Pfleger (§ 8) oder, nach erreichter Volljährigkeit, das Kind selbst diesen Wohnsitz rechtsgültig aufhebt (vgl Maßfeller DNotZ 1957, 363). 7. Das Recht, für die Person eines Kindes, dessen Eltern nicht verheiratet sind, zu sorgen, steht der 8 Mutter zu, wenn die Eltern keine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben haben (§ 1626a II). Dementsprechend teilt das nichteheliche Kind den Wohnsitz der Mutter. Für nichteheliche Kinder kann in gleicher Weise wie für eheliche Kinder in Anwendung der §§ 7, 8 ein von der gesetzlichen Regelung des § 11 abw Wohnsitz bestimmt werden. Zur Rechtslage in Fällen, in denen der Wohnsitz der Mutter für den maßgeblichen Zeitpunkt nicht festzustellen ist, vgl Köln JMBl NW 1960, 188ff. 8. Ein an Kindes statt angenommenes Kind erlangt ebenfalls die rechtliche Stellung eines ehe- 9 lichen Kindes des Annehmenden (§ 1754); es teilt daher den Wohnsitz des Annehmenden. Auch hier sind abw Regelungen nach §§ 7, 8 zulässig. Bei Findelkindern bestimmt der gem §§ 1773 II, 1774 zu benennende Vormund den Wohnsitz (vgl § 1800). Wird später der wirkliche Familienstand ermittelt, tritt ohne Rückwirkung der gesetzliche Wohnsitz des § 11 ein (Staud/Weick Rn 4). Das Kind behält in allen Fällen des § 11 – auch nach erreichter Volljährigkeit – den abgeleiteten Wohnsitz des § 11, bis es ihn rechtsgültig aufgibt, Satz 3. Das gilt auch für den willkürlich vom gesetzlichen Vertreter begründeten Wohnsitz. Begründet das Kind keinen eigenen Wohnsitz, nimmt es nach wie vor an dem Wohnsitzwechsel der Person teil, von der es seinen Wohnsitz ableitet (Karlsruhe JZ 1955, 341). Doch ist zu beachten, dass die eigene Wohnsitzbegründung durch das Kind nicht ausdr erklärt zu werden braucht. Selbst durch Beibehaltung des bisherigen Wohnsitzes kann stillschw ein eigener Wohnsitz begründet werden (RGRK/Krüger-Nieland Rn 10).

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Namensrecht Wird das Recht zum Gebrauch eines Namens dem Berechtigten von einem anderen bestritten oder wird das Interesse des Berechtigten dadurch verletzt, dass ein anderer unbefugt den gleichen Namen gebraucht, so kann der Berechtigte von dem anderen Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann er auf Unterlassung klagen. Schrifttum: Bücking, Namens- und Kennzeichenrecht im Internet (Domain-Recht); 1998; Klippel, Der zivilrechtliche Schutz des Namens, 1985 (dazu Luig FamRZ 1989, 1148); Koos, Der Name als Immaterialgut, GRUR 2004, 808; Nägele, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Internet-Domains, WRP 2002, 138.

I. Name 1. Der Name ist ein sprachliches Merkmal zur ständigen Bezeichnung einer Person oder eines Un- 1 ternehmens zwecks Unterscheidung von anderen Personen und Unternehmen (RG 91, 352; 137, 215). Er dient darüber hinaus als individualisierende Kennzeichnung des Namensträgers (vgl Siebert NJW 1958, 1370; Hefermehl FS Hueck, 520f; BVerfG NJW 2004, 1155; JZ 1982, 798; BGH 25, 163, 168; NJW 1959, 525). Der Name hilft bereits dem Kind, seine Identität zu entwickeln und ggü anderen zum Ausdruck zu bringen (BVerfG NJW 2004, 1155; zum Familiennamen als Identitätsmerkmal aus psychologischer Sicht Salzgeber/Stadler/Eisenhauer FPR 2002, 133). Das Recht am Namen ist – soweit es das Privatsphären- und Identitätsinteresse von Einzelper- 2 sonen schützt – ein dem Privatrecht angehörendes absolutes Persönlichkeitsrecht (BGH 8, 318, 319, 322; 24, 78; 32, 103, 119; NJW 2000, 2195, BVerfG 97, 391, 399; StAZ 2001, 207; NJW 2004, 1155; Staud/ Habermann Rn 19) und als solches durch Art 1 I, 2 I GG garantiert. Es ist jedoch, soweit es sich um die Bezeichnung (Benennung) eines Unternehmens handelt und dessen Identitätsinteresse im Wettbewerb schützt, immaterielles Güterrecht (Staud/Habermann Rn 19; dort auch zum Wesen des Namensrechts einer jur Pers, bei der es sich nicht um ein Unternehmen handelt). § 12 regelt den Schutz des Namens. Erwerb, Änderung und Verlust des Namens sind in anderen Vorschriften insb des Familienrechts geregelt. Zu Begriff und Schutz des Namens im internationalen Privatrecht vgl J.F. Baur AcP 167, 535. Zur Bildung von Vereinsnamen § 57 Rn 2. 2. Für den Erwerb des Namens gilt Folgendes: das Kind erlangt mit der Geburt den Familien- 3 namen der Eltern (§ 1616). Führen die Eltern keinen Ehenamen und steht ihnen die Sorge für das Kind gemeinsam zu, so bestimmen sie gem § 1617 I den zu diesem Zeitpunkt vom Vater oder der Mutter geführten Namen zum Geburtsnamen des Kindes. Steht ihnen die Sorge nicht gemeinsam zu, sondern nur einem der Eltern, erhält das Kind als Geburtsnamen dessen Namen (§ 1617a I), doch kann der sorgeberechtigte Elternteil dem Kind den Namen des anderen Elternteils erteilen (§ 1617a II). Zur Neubestimmung des Namens bei nachträglicher gemeinsamer Sorge unter NamensI. Saenger

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Personen

änderung der Eltern s § 1617c. Änderung auch möglich durch Einbenennung gem § 1618. Der Ausschluss des Doppelnamens für ein Kind ist verfassungsgemäß (BVerfG NJW 2002, 1256). Durch Adoption erhält das Kind den Namen des Adoptierenden (näher § 1757 I). Vor- und Zuname eines Findelkindes bestimmt nach § 24 II PStG die Verwaltungsbehörde. Zum Ehenamen vgl § 1355. 4

3. Ist der Familienname zweifelhaft, so kann nach § 8 G v 8.1.1938 (RGBl I 10) der Name von Amts wegen festgestellt werden (zu den dabei anzuwendenden Kriterien BVerwG NJW 1982, 299).

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4. Den Vornamen eines Kindes bestimmt der personensorgeberechtigte gesetzliche Vertreter oder nach §§ 24, 25 PStG die Behörde. Das Wahlrecht des Personensorgeberechtigten ist dabei nur dadurch beschränkt, dass das Kindeswohl nicht verletzt werden darf (BVerfG NJW 2005, 1414) und willkürliche, ganz ungewöhnliche und zur Kennzeichnung ungeeignete Bezeichnungen ausgeschlossen sind (BGH 29, 256, 259). Eine Kindeswohlgefährdung wird nicht bereits dadurch begründet, dass das Kind, welches den Familiennamen eines Elternteils trägt, den Nachnamen des anderen Elternteils als weiteren Vornamen erhält („Lütke“, BGH NJW 2008, 2500). Jungen dürfen mit Ausnahme des Beivornamens Maria keine weiblichen Vornamen erhalten (BGH 30, 132). Ausländische Vornamen, die das Geschlecht nicht erkennen lassen, hat BGH 73, 239 zugelassen, wenn der Junge einen weiteren eindeutig männlichen Vornamen erhält. Darüber hinaus hat KG MDR 1991, 54 einen im Heimatland der Eltern bekannten (weiblichen) Namen, der in Deutschland das Geschlecht des Kindes nicht erkennen lässt, bei Vorliegen sachlicher Gründe anerkannt, ohne dieses Erfordernis ebenso Frankfurt MDR 1995, 606. So mag sich auch der abstrus begründete Name „Bastian Samandu“ (BayObLG NJW 1984, 1362 m Anm Gernhuber), kaum aber noch die Stigmatisierung durch den Namen „Philipp Pumuckl“ (Zweibrücken NJW 1984, 1360) rechtfertigen lassen (zu der Großzügigkeit der Gerichte in der Zulassung ungewöhnlicher Namen Dörner StAZ 1980, 170ff). In diesem Bereich muss das Interesse des Kindes stärker berücksichtigt werden (zweifelhaft daher die Annahme von Bremen NJW-RR 1996, 1029f, ein in Südafrika rechtmäßig erworbener Vorname „Frieden mit Gott allein durch Jesus Christus“ müsse ins deutsche Personenstandsbuch eingetragen werden). Die Eintragung in das Geburtsregister (§§ 21, 22 PStG) hat zur Folge, dass die Berechtigten die von ihnen gewählten Vornamen des Kindes nicht mehr ändern können.

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Die Frage, ob bei mehreren Vornamen einer von ihnen (durch Unterstreichung im Geburtsbuch) als Rufname gekennzeichnet werden darf (dazu BGH 30, 136; KG FamRZ 1964, 516; Kraft NJW 1963, 237), ist für § 12 ohne Bedeutung, weil der Rufname iÜ jedenfalls rechtlich keine Sonderbehandlung vor den anderen Vornamen erfährt (BGH 30, 136). Auch wenn bei der Vornamensgebung ein Vorname als Rufname bezeichnet wird, ist dadurch nicht ausgeschlossen, dass der Namensträger später einen anderen ihm rechtmäßig zukommenden Vornamen als Rufnamen gebraucht (BGH 30, 137). Die unzulässige Namensgebung wird durch die Eintragung in das Geburtsregister nicht wirksam (BGH 29, 257, die Entscheidung betrifft den Fall, dass entspr einem Landesbrauch einem Kind der Zuname eines Vorfahren als Vorname gegeben wird).

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5. Änderungen des Vor- und Zunamens, auch ihr Widerruf, erfolgen nach den Bestimmungen des Namensänderungsgesetzes v 5.1.1938 (RGBl I 9) idF des Art III Nr 4 des 2. Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des PStG v 18.5.1957 (BGBl I 518), ergänzt durch Gesetz v 29.8.1961 (BGBl I 1621); dazu DVO v 7.1.1938 (RGBl I 12), ferner allg Verwaltungsvorschrift zum NamensänderungsG v 25.4.1986 Beil BAnZ 78 v 18.4.1986; vgl dazu Staud/Habermann Rn 215ff. Eine bei der Einbürgerung vorgenommene Eindeutschung des Familiennamens kann im Einzelfall eine Namensänderung sein (BayObLG NJW-RR 1987, 965). Ändert die Verwaltungsbehörde einen Namen unter Abweichung von den zwingenden gesetzlichen Vorschriften, verletzt sie die Rechtsposition eines legitimen Namensträgers, der sich privatrechtlich gegen die unbefugte Namensführung durch einen anderen wehren könnte; dagegen ist Klage im Verwaltungsstreitverfahren möglich (HessVGH DÖV 1957, 222). Zur Klagebefugnis anderer Namensträger vgl BVerfG MDR 1960, 250; von Familienangehörigen OVG Münster, MDR 1970, 174; nach Scheidung Klage bzgl des Namens des Kindes (vgl VGH Mannheim NJW 1970, 1205). Im Verfahren zur Änderung des Vornamens eines minderjährigen Kindes muss im Namen des Kindes geklagt werden (BVerwG NJW 1988, 2400).

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Nach § 3 I NamÄndG setzt eine Namensänderung das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus (weil die Führung des überkommenen Namens die grds verbindliche Regel ist; vgl OVG Lüneburg FamRZ 1958, 418). Anzunehmen ist ein wichtiger Grund nur, wenn auch ein schutzwürdiges Interesse an der Namensänderung besteht. In den Scheidungshalbwaisen- und Stiefkinderfällen kommen als wichtiger Grund das Vorhandensein von Halb- und Stiefgeschwistern in der neuen Familie oder das dringliche Bedürfnis des Stiefkindes nach Namensgleichheit in Betracht (BVerwG 100, 148 = NJW 2002, 2406; VGH BadWürtt FamRZ 2001, 365). Allg liegt bei fehlender Einwilligung des anderen Elternteils ein wichtiger Grund nicht schon vor, wenn die Namensänderung für das Wohl des Kindes förderlich ist, sondern nur, wenn sie für das Kindswohl erforderlich ist (BVerwG 100, 148 = NJW 2002, 2406 m Anm Wittinger NJW 2002, 2371: s OVG Münster, NJW 2001, 2565; OVG Lüneburg NJW 2000, 3151; zur Änderung der Rspr des BVerwG vgl insb BVerwG 95, 21 = NJW 1994, 1425; 97, 207). Das Interesse des Kindes an Namenskontinuität mit dem damit verbundenen Perönlichkeitsprozess wird durch die verschärfte Rspr gestärkt (Wittinger NJW 2002, 2371, 2373).

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6. Das frühere Adelsprädikat gilt als Teil des Namens (Art 109 III WRV); eine Adelsbezeichnung darf danach nicht mehr verliehen werden. Vor dem 14.8.1919 erworbene Adelsprädikate bleiben als Namensbestandteile bestehen (RG 103, 190), doch gilt dies nicht, wenn die Adelsbezeichnung bis zum Inkrafttreten der WRV etwa zwei Generationen im Rechtsverkehr nicht mehr geführt worden war (KG StAZ 1999, 38; Düsseldorf FamRZ 1997, 1479; Hamm FGPrax 2007, 120, einheitliche Hand-

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I. Saenger

Natürliche Personen, Verbraucher, Unternehmer

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habung über mindestens eine Generation). Eine Adelsbezeichnung, die beim Inkrafttreten der WRV nur einem vor den anderen Familienangehörigen bevorrechtigten Mitglied einer Adelsfamilie zustand (Primogenituradel), ist mit dessen Tod erloschen (OVG Münster DÖV 1963, 345, BVerwG 23, 344f). Adelsbezeichnungen, die zum Ehenamen der Eltern gehören, gehören auch zum Geburtsnamen des Kindes, bei weiblichen Personen in weiblicher Form („Edle“ nach „Ritter und Edler“), Düsseldorf FamRZ 1994, 1554. Transsexuelle führen die Adelsbezeichnung nach einer Vornamensänderung in einer dem neuen Vornamen entspr Form (BayObLG NJW-RR 2003, 289). Zum Übergang des Adelsprädikats auf Adoptivkinder RG 114, 389; OVG Lüneburg NJW 1956, 1172; zu Missbräuchen hierbei BGH NJW 1997, 47. Für eine Änderung des Namens durch Hinzufügung des Adelsprädikats sind die Vorschriften des NamÄndG maßgebend (BVerwG MDR 1959, 693 betr Adelsverleihung durch einen auswärtigen Souverän); zurückhaltend nach Aberkennung eines Adelsprädikats im früheren Heimatstaat (auch eines Vorfahren) OVG Münster NWVBl 2001, 33; Bayer VGH München VGHE 42, 7; bei seit Generationen nicht mehr geführten Adelsnamen ebenso BVerwG NJW 1997, 1594; Festhaltung OVG Hamburg DVBl 2006, 720. II. Schutzbereich 1. § 12 schützt nach seinem Wortlaut nur den Namen (Vor- und Zunamen) einer nat Pers. Das An- 10 wendungsgebiet der Vorschrift reicht aber schon bei nat Pers weiter. Bei Änderung des Geburtsnamens durch Eheschließung bleibt der Geburtsname geschützt (RG JW 25, 363). Die Vorschrift erfasst darüber hinaus Namen und Bezeichnungen, welche innerhalb des Verkehrs, für den sie bestimmt sind, dieselbe Funktion ausüben wie der nach öffentlichem Recht zu führende Name für den allg bürgerlichen Verkehr. Ein Pseudonym (vom bürgerlichen Namen verschiedener Wahlname, der der Kennzeichnung innerhalb des Verkehrs dient, für den er bestimmt ist – etwa bei Künstlern, Schriftstellern, Sportlern) genießt wie ein bürgerlicher Name den Schutz aus § 12, wobei lediglich str ist, ob dies mit der Erlangung von Verkehrsgeltung (BGH NJW 2003, 2978; i Erg zust Heyers JR 2006, 94; BGH 30, 7, 9; MüKo/Schwerdtner Rn 47) oder schon vorher gilt (Fabricius JR 1975, 16). Im Gegensatz zum Pseudonym liegt der Sinn eines Inkognito gerade darin, die handelnde Person zu verschleiern (Soergel/Heinrich Rn 123), so dass ein Schutz nicht in Betracht kommt. § 12 schützt auch den Vornamen als Teil eines Künstlernamens (BGH 30, 9; München NJW 1960, 869), den gekürzten Namen (KG JW 1921, 348), nicht dagegen eine bloße Berufsbezeichnung oder einen Titel. Ein Spitzname, wenn er vom Namensträger gebraucht wird, kann durch eine unbefugte markenmäßige Verwertung beeinträchtigt werden (Hamburg GRUR-RR 2001, 308). § 12 und das APR können daher einen Anspruch auf Unterlassung des Vertriebs von mit dem Namen versehenen Gegenständen begründen (BGH 81, 75; NJW 1990, 1106 – „Boris Becker“), was für einen Vornamen auch in Alleinstellung ohne den Familiennamen gelten kann, wenn schon sein alleiniger Gebrauch beim Publikum die Erinnerung an einen bestimmten Träger weckt (BGH NJW 1983, 1184 – „Uwe“). Zum „Gebrauchmachen“ in solchen Fällen s Rn 22ff, zu Internet-Adressen Rn 15. 2. Das Recht eines Ausländers auf seinen Namen ist in Deutschland in gleicher Weise nach § 12 ge- 11 schützt wie das Recht des Inländers (BGH 8, 319f = JZ 1958, 728 mw Hinw; BGH 39, 233f; NJW 1968, 349; MDR 1969, 549); ebenso für den Firmenschutz ausländischer Unternehmen bei dauernder Geschäftstätigkeit in Deutschland (BGH NJW 1980, 522). Zu den besonderen Problemen, die sich aus dem Zusammentreffen von Firmenbezeichnungen aus den früher getrennten deutschen Staaten nach der Wiedervereinigung ergeben, s BGH DZWIR 1996, 23, „Altenburger Spielkarten“ m Anm Michalski, 69; s auch Stuttgart BB 1993, 382. Grds beanspruchen die vor der Wiedervereinigung bestehenden Kennzeichen- und Firmenrechte heute Geltung im gesamten Bundesgebiet (BGH WRP 1997, 751). 3. § 12 bezieht sich außer auf nat Pers auch auf jur Pers, die als einheitliche Rechtssubjekte im 12 Rechtsleben anerkannt sind (RG 74, 115; 100, 182; BGH 14, 155, 120, 103), desgl auf die unter einem bestimmten Namen zusammengefassten und im Rechtsleben auftretenden Personenvereinigungen, welche das Gesetz den jur Pers ganz oder teilw gleichstellt. Das sind die OHG (KG JW 1928, 367; RG 114, 93), die KG und der nicht rechtsfähige Verein (RG 78, 102; LG Hamburg NJW 1959, 1927); diese Praxis muss nach der sonstigen Entwicklung (Vor § 705 Rn 18ff) wohl auch auf den Namen der GbR ausgedehnt werden (ebenso MüKo/Schwerdtner Rn 34; Staud/Habermann Rn 76). Namensschutz genießen auch eine politische Partei als solche (BGH 79, 265; Frankfurt NJW 1972, 793 m Anm Lent; LG Hannover NJW 1994, 1356 für die „Statt“-Partei, wobei Grundlage eines Schutzes auch §§ 2, 4 PartG sein können) sowie eine Gewerkschaft (BGH 43, 245 = JZ 1965, 524 m Anm v Münch; vgl Rn 19). Die Persönlichkeitsrechte des Gründers einer jur Pers, die seinen Namen trägt, leben in der jur Pers aber nicht in der Weise fort, dass sie aus dem Recht des Gründers die Beeinträchtigung seines Namens hindern könnte (Koblenz HEZ 1, 260 = DRZ 1948, 175 m Anm Nipperdey); umgekehrt steht das postmortale Persönlichkeitsrecht der Verwendung des Namens einer verstorbenen Person der Zeitgeschichte für die Bezeichnung einer neutralen, nicht kommerziellen Einrichtung nicht entgegen (Hamm NJW 2002, 609). Bedenken hins namensmäßig wirkender Unternehmensbezeichnungen bei Tilmann GRUR 1981, 621. Namensschutz genießen auch jur Pers des öffentlichen Rechts (BGH NJW 1963, 2267; BGH 119, 237; BVerwGE 44, 353) ebenso die katholische Kirche für die Bezeichnung ihr zugehöriger Einrichtungen als „römisch-katholisch“ und „katholisch“ (BGH 124, 173 = NJW 1994, 245); dies ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG NJW 1994, 2346). Werden jedoch dem allg Sprachgebrauch dienende Wörter wie „katholisch“ als Sachaussage zur näheren Beschreibung eigener Tätigkeiten und Erzeugnisse verwendet, gewährt das Namensrecht hiergegen keine Ansprüche (BGH NJW 2005, 978 m Anm Renck 1470).

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Da jede Firma gleichzeitig ein Unternehmen benennt, genießt auch jede Firma, sofern sie unterscheidungskräftig ist und der Inhaber sich ihrer befugterweise bedient, den Schutz des § 12 (BGH NJW 1954, 1681; LM 16 zu § 12); das gilt auch für durch Gesellschaftsvertrag gegründete, aber noch nicht eingetragene GmbH (BGH NJW 1993, 459 m Kurzkomm Demhardter EWiR § 12 BGB 2/93). Bei jur Pers des Handelsrechts sowie GmbH & Co KG bedeutet dies allerdings nicht, dass ein Gesellschafter, dessen Name Bestandteil der Firma ist, beim Übergang des Handelsgeschäfts der Mitübertragung der Firma zustimmen müsste (BGH 85, 223; Düsseldorf NJW 1980, 1284; Riegger BB 1983, 786); anders bei Familien-Personengesellschaft bzgl des ausscheidenden vollhaftenden Gesellschafters, der denselben Namen wie der Gründer trägt, sofern in der Gesellschaft kein anderer Träger des Familiennamens als persönlich Haftender verbleibt (Hamm ZIP 1983, 1199; BGH 92, 79 in Anwendung des § 24 II HGB). Wenn jedoch ein den Familiennamen tragender Erbe, der in die Fortführung der Firma eingewilligt hat, später aus der Gesellschaft ausscheidet, kann er nicht erneut über die Berechtigung der Gesellschaft zur Firmenfortführung entscheiden (BGH ZIP 1987, 778). Eine Erklärung des aus einer KG ausscheidenden Gesellschafters gem § 24 II HGB deckt nicht ohne Weiteres die Gründung einer GmbH, deren Firma den Namen des Ausgeschiedenen benutzt, durch die KG (Hamm BB 1991, 86). Nicht unbedenklich unter diesen Umständen die von der Rspr (Hamm ZIP 1981, 1356; Frankfurt ZIP 1982, 334; BGH ZIP 1983, 193) zugelassene Befugnis des Insolvenzverwalters zur Veräußerung einer GmbH & Co KG sowie Komplementär-GmbH mit der den Familiennamen eines Gesellschafters enthaltenden Firma.

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4. Auch Namensteile, Firmenbestandteile, aus einem Namen abgeleitete Kürzungen sowie besondere Geschäftsbezeichnungen können Namensschutz nach § 12 genießen, wenn sie Unterscheidungskraft (individualisierende Wirkung) haben und nicht nur die gattungsmäßige Zugehörigkeit des Unternehmens kennzeichnen (RG 171, 30, 32f; 171, 147, 154; BGH 4, 169; 11, 215; 43, 245; 21, 69; 21, 89; NJW 1970, 12; LM 16 zu § 12; NJW 1959, 2209 – Verwendung eines frei gewählten, nicht eingetragenen Firmenbestandteils als Firmenschlagwort beim Einzelkaufmann; dazu Harmsen MDR 1960, 281). Dabei schützt die Rspr Bezeichnungen wie „Commerzbank“ wegen ihrer hohen Verkehrsgeltung auch bei nur mittelbarer Branchennähe des Verletzers (BGH WM 1988, 429f; 1989, 1584; Hamburg WM 1991, 648; Frankfurt WM 1991, 651; anders aber München WM 1993, 38 zum Verhältnis zur Baubranche); ähnlich zur Verletzung des Namensrechts einer GmbH durch Benutzung eines Firmenbestandteils als Warenzeichen BGH MDR 1969, 449. Branchennähe des Verletzers ist auch ggü einer berühmten Marke nicht gegeben, wenn sich der Verletzer auf einem entlegenen oder eng begrenzten Marktsegment betätigt (Frankfurt WM 1994, 1259 – „Boss“; München MDR 1995, 817 – „fast food und T-Shirts“). Zur Verwechslungsgefahr zw einem Firmenkennwort und einem Warenzeichen Hamm ZIP 1981, 1320 „Volksbank“; Frankfurt GRUR 1989, 288 – „help“ bei übereinstimmenden Familiennamen in der Firma; BGH NJW 1993, 2236 bei Unterscheidung lediglich durch Vornamen; Frankfurt DZWIR 1993, 166 – „Ferrari“. Zu den Anforderungen für die Behandlung bloßer Buchstabenzusammenstellungen als Name s BGH 43, 245, 252; NJW-RR 2009, 327 – „HM & A“ lässt bei Artikulierbarkeit und Akzeptanz im Geschäftsverkehr namensrechtlichen Schutz gem §§ 17, 18 HGB zu; Frankfurt OLG 1989, 108 – „DBB“. Gleiches gilt für Firmenschlagworte und besondere Geschäftsbezeichnungen, die weder gleichzeitig Bestandteil des ungekürzten Firmennamens sind noch eigentümlichen und unterscheidenden Charakter haben, wenn sie Verkehrsgeltung in dem Sinne erworben haben, dass jedenfalls ein nicht unbeträchtlicher Teil des Verkehrs sie als Hinw auf ein bestimmtes Unternehmen und damit als dessen Namen (nicht nur als Kennzeichnung der Herkunft bestimmter Waren) ansieht (BGH 15, 107, 109f = JZ 1955, 332 m Anm Bußmann; 21, 89; LM 22 zu § 12; 43, 245, 252); allerdings muss die Bezeichnung einen ausreichenden Grad an individualisierender Gestaltung aufweisen (Bremen WRP 1999, 215), so dass ein bloß produktbeschreibender Firmenbestandteil ohne Verkehrsgeltung nicht genügt (BGH NJW 2005, 1503 – „Literaturhaus“; GRUR 2009, 317 „Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e.V.“; München CR 1999, 595); zurückhaltend für den Fall, dass ein gattungsmäßig bezeichnetes Produkt nur von einem einzigen Unternehmen am Ort geführt wird, BGH NJW-RR 1990, 1192. Betriebsteile sind schutzwürdig iSd § 12, wenn sie abgrenzbar und abgegrenzt sind (KG NJW 1988, 2892, 2893). Auch Gebäudenamen können im Einzelfall schutzwürdig sein (BGH NJW 1988, 2892, 2893 – Hotel „Esplanade“). Zum Schutz eines Namensteiles eines Vereins vgl BGH NJW 1970, 1270 sowie Bremen MDR 1984, 842 – Gattungsbezeichnung „Graue Panther“ im Vereinsnamen kann durch Verkehrsgeltung eine den Benutzer individualisierende Namensfunktion erlangen.

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5. Ein Namensschutz nach § 12 ist auch für die Domainadresse im Internet möglich (BGH NJW 2002, 2031 – „shell.de“; NJW 2002, 2096 – „vossius.de“; NJW 2003, 2978 = GRUR 2003, 897 – „maxem.de“, bestätigt durch BVerfG NJW 2007, 671; BGH NJW 2005, 1196 = GRUR 2005, 430 – „mho.de“; NJW 2007, 682 – „solingen.info“). Für diese kann auch wettbewerbsrechtlicher Schutz unter den Gesichtspunkten des § 4 UWG und der §§ 5, 15 MarkenG in Anspruch genommen werden (dazu BGH NJW 2002, 2031 – „shell.de“). Freilich kann die Verwendung einer Domainadresse auch ihrerseits als wettbewerbswidrige Handlung angegriffen werden, allerdings nicht generell, sondern nur, wenn darin eine irreführende Alleinstellungsbehauptung liegt (BGH 148, 1 – „Mitwohnzentrale“; dazu auch Renck WRP 2000, 264; Jäger-Lenz CR 2001, 780; BGH NJW 2003, 504f – „www.presserecht.de“; hierzu Hansen ZGS 2003, 213ff). Auch kann die Verwendung einer Internet-Domain, die nicht lediglich beschreibender Natur ist (dazu LG München MMR 2001, 545), sondern einen fremden Namen benutzt, hierdurch gegen § 12 verstoßen (LG Berlin MMR 2001, 630 – TOTAL FINA 11 Deutschland; s auch LG Hannover NJW-RR 2001, 1620 für die Nutzung der Internet-Adresse „verteidigungsministerium.de“ für Anleitungen zur Wehrdienstverweigerung); zum Schutz einer Unternehmens-Domain Ullrich 2001, 1129. Allerdings geht der kennzeichenrechtliche Schutz in seinem Anwendungsbereich dem Namens12

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§ 12

schutz aus § 12 vor (BGH NJW 2002, 2031 – „shell.de“; NJW 2002, 2096 – „vossius.de“; NJW 2005, 1196 – „mho.de“). Immerhin bedeutet dies, dass auch die private Verwendung einer Internet-Domain Namensrechte verletzen kann, weil aufgrund der Einmaligkeit jeder second level-domain unter einer top-level-Domain (zu diesem Verhältnis bereits Köln NJW-RR 1999, 622) dem Namensträger die Möglichkeit genommen wird, Internet-Nutzer auf einfache Weise über sein Unternehmen zu informieren. Dabei weist ein Unternehmen mit regionalem Wirkungskreis mit seinem Internetauftritt nicht notwendig darauf hin, dass es nunmehr bundesweit agieren möchte (BGH NJW 2005, 1198 – „soco.de“). Im geschäftlichen Verkehr kann der Verletzer durch eine Unterwerfungserklärung, die die Wiederholungsgefahr beseitigt, eine weitere Inanspruchnahme abwenden (BGH WRP 1996, 199). Gegen die Verwendung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs greift der Namensschutz allerdings nur insoweit, als davon geschäftliche Beeinträchtigungen zu besorgen sind, wie es bei der Nutzung, und zwar schon durch die Registrierung (für die markenrechtliche Lage anders Karlsruhe MMR 2002, 118) des geschützten Namens als Domain-Name geschieht (BGH NJW 2002, 2031 – „shell.de“; NJW 2003, 2978 – „maxem.de“). Dies gilt jedoch nicht, wenn das Namensrecht des Berechtigten erst nach der Registrierung durch den Nichtberechtigten ensteht (BGH NJW 2008, 3716 = GRUR 2008, 1099 – „afilias.de“), ferner nicht, wenn der Berechtigte infolge einer eigenen Registrierung nicht schutzwürdig ist (Köln GRUR-RR 2010, 477 „dsds-news.de“ m Anm Gründig-Schnelle GRUR-Prax 2010, 220). Wenn auch grds unter Gleichnamigen vom Prioritätsprinzip (hierzu BGH NJW 2005, 1196 – „mho.de“) auszugehen ist, muss bei überragender Bekanntheit eines der Namen uU eine Person gleichen Namens trotz früherer Registrierung weichen. Ein besonders kennzeichungskräftiger Vorname kann jedoch einem Nachnamen vorgehen (BGH NJW 2009, 1756 – „raule.de“). Zur Wahrung der Priorität genügt die Domainregistrierung durch einen Treuhänder in eigenem Namen, wenn Gleichnamige einfach und zuverlässig überprüfen können, dass die Registrierung im Auftrag eines anderen erfolgt ist (BGH NJW 2007, 2633 – „grundke.de“). Ähnlich kann ein inländisches Unternehmen beanspruchen, in dem Deutschland zugeordneten Teil des Internet mit einer seinem Kennzeichen entspr Domain aufzutreten und muss sich nicht auf andere, nicht allein Deutschland zugeordnete Domains verweisen lassen (Düsseldorf WRP 1999, 343). Wenn die Domain-Adresse namensmäßig zusammengesetzt ist, kommt ihr nicht nur Registrierungs-, sondern auch Kennzeichnungsfunktion zu, so dass gegen eine Namensanmaßung wie gegen eine Namensleugnung aus § 12 vorgegangen werden kann (München GRUR 2000, 519 – „rollsroyce“.de; s auch Düsseldorf aaO; Hamburg AfP 2001, 219), ohne dass sich der Verletzer auf § 23 MarkenG berufen kann (zu den Zusammenhängen Nägele WRP 2002, 238ff). Auch bei Gleichnamigkeit hat der die Kennzeichnungskraft einer fremden Marke für seinen Auftritt im Internet Nutzende das Erforderliche und Zumutbare zu tun, um Verwechslungen zu vermeiden (Hamburg aaO). Die für die Namensfunktion erforderliche Individualisierungskraft kann auch einer Gattungsbezeichnung zukommen (BGH 148, 1 – „Mitwohnzentrale“; Übersicht über die Rspr bei Ernst MMR 2001, 368), jedoch nicht der Bezeichnung eines Vereins als „Literaturhaus“ (BGH NJW 2005, 1503; aA München NJW 2002, 611); anders für die Verwendung eines Pseudonyms LG Düsseldorf ITRB 2002, 4; weitergehend für die Bezeichnung „Herstellerkatalog“ LG Stuttgart MMR 2001, 768, wobei die Verwendung in der Domain Namens- und Kennzeichnungsschutz begründet (so auch die Verwendung einer bekannten Biermarke in der Domain einer Textilfabrik, Hamm MMR 2001, 749; anders für ein englischsprachiges Firmenschlagwort Köln MMR 2002, 125). In der Registrierung eines Gattungsbegriffs als Domainnamen liegt idR keine sittenwidrige Schädigung nach § 826. Dies gilt auch, wenn es naheliegt, dass ein Unternehmen diesen Domainnamen für seinen Internetauftritt verwenden könnte (BGH NJW 2005, 2315 – „weltonline.de“). Die Bezeichnung „Deutschland“ in einer Domain genügt, um die Bundesrepublik zu kennzeichnen (LG Berlin MMR 2001, 57). Geschützt ist auch das Namensrecht von Gebietskörperschaften vor unberechtigter Benutzung als Domain (BGH NJW 2006, 146 – „segnitz.de“; NJW 2007, 682 – „solingen.info“). Zur Benutzung von Gebietsbezeichnungen in Domain-Adressen vgl auch Schmittmann K & R 1999, 510; Jäger K & R 2000, 304; München CR 2002, 56 m Anm Hoeren EWiR 2001, 847. Auch bei der Nutzung und dem Schutz von Internet-Adressen müssen die Voraussetzungen der Rechtswidrigkeit vorliegen (Rn 26) und bei der Bestimmung der Rechtsfolgen stellen sich besondere Fragen hins der Störer-Eigenschaft (Rn 34). Zur Übertragung von Domain-Namensrechten Schließ ZVM 1999, 307; zur Übertragbarkeit und Pfändbarkeit BGH NJW 2005, 3353; LG Düsseldorf CR 2001, 468; Lwowski-Dahm WM 2001, 1135; weitergehend zur Drittschuldnereigenschaft der DENIC Stadler MMR 2007, 71. 6. Warenbezeichnungen (zur Unterscheidung eigener von fremder Ware) genießen als solche kei- 16 nen Namensschutz, somit auch nicht der Titel einer Sendefolge eines Senders (BGM MDR 1995, 1962; krit zum verbreitet bejahten Titelschutz für Softwareprodukte Zahrnt BB 1996, 1570). Anderes gilt jedoch für eine Bezeichnung, die zunächst nur als Warenkennzeichnung diente, vom Verkehr aber nach gewisser Zeit als Bezeichnung des Unternehmens selbst gewertet und von dem Unternehmen als besondere Geschäftsbezeichnung übernommen wird (dazu BGH NJW 1956, 1713; s auch BGH NJW 1983, 1184 – „Uwe“). Zahlen haben regelmäßig keine Namensfunktion (BGH 8, 389 betreffend eine Telefonnummer). Doch kann in besonders gelagerten Fällen auch eine Zahl als Unternehmensbezeichnung mit überragender Verkehrsgeltung namensrechtlich nach § 12 geschützt sein (etwa „4711“; dazu Hefermehl FS Hueck, 526). Bildzeichen und bloße Farbkombinationen haben ebenfalls grds keine Namensfunktion. Anderes gilt möglicherweise für Bildzeichen, die auch durch Worte ausgedrückt werden können (RG 171, 147 – Salamander; BGH GRUR 1957, 281 – Karo-As; GRUR 1957, 287 – Zwillingszeichen eines unter diesem Zeichen bekannten Unternehmens der Schneidwarenindustrie; GRUR 1958, 393 – Ankerzeichen; weitergehend erkennt BGH NJW 1994, 2820 für das Deutsche Rote Kreuz das Wahrzeichen in entspr Anwendung des § 12 als schutzfähig an). Wer einen Namen aus beschreibenden Bestandteilen gebildet hat, die einer besonderen Kennzeichnungskraft I. Saenger

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§ 12

Allgemeiner Teil

Personen

ermangeln, kann Ansprüche aus § 12 nur geltend machen, wenn sein Name Unterscheidungskraft gewonnen hat und nach allg Verkehrsauffassung für ihn gleichsam zum Begriff geworden ist (BGH LM 3 zu § 12). 17

7. Als Bezeichnungen von Körperschaften des öffentlichen Rechts sind auch Orts-, Kreis- und Ländernamen nach § 12 geschützt (BGH NJW 1963, 2267; zum Schutz geographischer Zeichenbestandteile von Rundfunkanstalten Karlsruhe NJW-RR 1989, 167; 1993, 620 – „Südwestfunk“). Führt eine Gebietskörperschaft, die die Eigenschaft einer „Stadt“ hat oder „Landeshauptstadt“ ist, neben der rein geographischen Bezeichnung den Zusatz „Stadt“ bzw „Landeshauptstadt“, gilt iSd § 12 die Gesamtbezeichnung (geographische Bezeichnung und Zusatz) als Name der Stadt (vgl Düsseldorf DB 1963, 1391); Gleiches gilt für „Universitätsstadt“. Selbständigen Namensschutz genießt regelmäßig aber als Teil des Namens auch die rein geographische Bezeichnung ohne den Zusatz, sofern sie nur für sich allein geeignet ist, auf die konkrete Gebietskörperschaft als jur Pers des öffentlichen Rechts hinzuweisen und sie von anderen Personen gleicher Art deutlich zu unterscheiden (BGH NJW 1963, 2267). Geschützt sind ggf auch Bezeichnungen wie Stadttheater, Stadtapotheke, Kreisblatt, so dass einem Privatmann für seinen Betrieb der Gebrauch dieser Bezeichnungen untersagt werden kann (RG 101, 169ff; JW 1927, 117). Nicht hierher gehören Bezeichnungen, bei denen jede Beziehung zur politischen Körperschaft fehlt, wie Stadtkeller, Ratskeller, Stadtkapelle, eventuell auch Stadtküchen (RG 101, 171). Namensschutz genießen Gebietskörperschaften auch im Verhältnis zu anderen Trägern hoheitlicher Gewalt oder Körperschaften, die nach Verwaltungsgrundsätzen öffentlichen Aufgaben dienen. Dabei findet ein öffentlich-rechtl Namensschutz analog § 12 statt, wenn der Name unbefugt bestr wird (so zum Anspruch einer Gemeinde, bei der Bahnhofsbezeichnung nicht einen unrichtigen Gemeindenamen zu verwenden (BVerwG NJW 1974, 1207; OVG Lüneburg DVBl 1971, 515; Pappermann JuS 1976, 305, 307). Wenn der das Namensrecht Bestreitende hoheitlich handelt, ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben, in dessen Rahmen dann anstelle des § 12 der allg Ordnungsgrundsatz der Richtigkeit, Bestimmtheit und Klarheit des Verwaltungshandelns tritt (BVerwG aaO). Zur Behandlung der Namen von Gebietskörperschaften in Internet-Domains Rn 15.

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8. Als neben dem Namensrecht bestehendes selbständiges Persönlichkeitsrecht ist kraft Gewohnheit das Recht auf den Gebrauch eines Wappens anerkannt; es gelten die zu § 12 entwickelten Grundsätze entspr (vgl AnwK/Koos Rn 118ff; Soergel/Heinrich Rn 154, 155). Auch das Wappen einer Gemeinde ist durch § 12 geschützt (BGH NJW-RR 2002, 1401f; Schleswig SchlHA 1972, 168). Ebenso genießt das Signum einer politischen Partei den Schutz des § 12; wird es auf einem zur Propaganda gegen sie bestimmten Plakat in einer Weise verwandt, die das Plakat im ersten Anschein als eines dieser Partei erscheinen lässt, kann die Partei aufgrund ihres Namensrechts dagegen vorgehen (Karlsruhe NJW 1972, 1810).

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9. In zeitlicher Hinsicht endet das Namensrecht mit dem Tod seines Trägers (BGH NJW 2007, 648; aA Schack JZ 1990, 41; näher dazu Sack WRP 1982, 615), genießt aber gem § 823 I bei Eingriffen in das APR postmortalen Schutz. In der Verwendung des Familiennamens eines Verstorbenen unter Hinzufügung seines Vornamens kann aber ein Gebrauch des Namens der Witwe (oder anderer naher Angehöriger) liegen (BGH 8, 318; Stuttgart NJW-RR 1997, 603). Angehörige eines im Kriege Vermissten können jedoch weder aus dem Gesichtspunkt des § 12 noch unter Berufung auf ein allg Persönlichkeitsrecht verhindern, dass der Name des Vermissten in eine von dessen Heimatgemeinde öffentlich aufzustellende Ehrengedenktafel aufgenommen wird und die Familienangehörigen anderer, vom gleichen Schicksal betroffener Soldaten sich Nachbildungen dieser Tafel anfertigen lassen (BGH NJW 1959, 525, s aber auch Rn 12); ebenso im Grundsatz auch, wenn der Betrieb aufgelöst wird und der Name zum Gebäudenamen geworden ist (BGH NJW 1988, 2892 – Hotel „Esplanade“). III. Verletzungshandlung

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1. Für ein Bestreiten genügt die Vornahme von Handlungen, die zu dem Namensrecht im Widerspruch stehen, zB Beilegung eines anderen Namens. Nicht erforderlich ist ein Bestreiten ggü dem Berechtigten selbst; ausreichend ist das Bestreiten ggü einem Dritten oder einer Behörde. Das Bestreiten muss, da die Klage aus § 12 auf Beseitigung der Beeinträchtigung geht, derart sein, dass sie zu einer Beeinträchtigung führt, Staud/Habermann Rn 263.

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2. Unbefugter Namensgebrauch durch einen anderen liegt vor, wenn der Name des berechtigten Namensträgers (ganz, teilw oder mit geringen Abweichungen oder Ergänzungen; vgl RG JW 1938, 858; BGH 8, 320; LM 21 zu § 12) von einem anderen, dem der Name nicht zukommt, als sein (Unterscheidungs-)Merkmal benutzt (RG 91, 350, 352) und hierdurch das Interesse des Berechtigten verletzt wird.

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a) Ein Namensgebrauch liegt nicht schon bei der Verwendung eines Firmenaufklebers auf einem Kfz vor (Hamm NJW-RR 1988, 1384), auch nicht bei Einkleidung mit einer veränderten Markenware seitens einer Privatperson (BGH NJW 1998, 2045). Allg geht es dabei nicht um Verhalten im geschäftlichen Wettbewerb. Da § 12 den Namen auch als individualisierende Kennzeichnung versteht (vgl Rn 1), kann eine Verletzung des Namensrechts vorliegen, wenn der berechtigte Namensträger dadurch, dass ein anderer seinen Namen gebraucht, in Beziehung zu bestimmten Einrichtungen, Gütern oder Erzeugnissen gebracht wird, mit denen er nichts zu tun hat (BGH NJW 1963, 2267; 1980, 280). Entspr gilt bei Benutztung des Namens einer Gebietskörperschaft in Anzeigen, wenn der falsche Eindruck einer erteilten Verwendungserlaubnis entsteht (BGH GRUR 2006, 957 – „Stadt Geldern“). Die Voraussetzungen des § 12 können also gegeben sein, wenn jemand unbefugt den Namen eines anderen zur Bezeichnung seines Geschäfts (BGH LM 22 zu § 12 – Etablissementbezeichnung),

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I. Saenger

Natürliche Personen, Verbraucher, Unternehmer

§ 12

zur Kennzeichnung seiner Waren oder als Warenzeichen (RG 74, 308, 311 – „Zeppelin“; RG 100, 186 – „Gervais“; BGH LM 21 zu § 12 – „Lego“; BGH BB 1969, 1410) oder auf Schildern (RG 108, 232) verwendet. Es genügt möglicherweise auch, dass in schriftstellerischen Erzeugnissen einer vom Schriftsteller frei erfundenen Person der Name einer anderen Person (ganz oder gekürzt) beigelegt und der Eindruck erweckt wird, die dargestellte Person sei mit dem Träger dieses Namens identisch (RG HRR 38, 1583; Staud/Habermann Rn 281). Auch die Registrierung einer Domain ist Namensgebrauch (BGH NJW 2002, 2031 – „shell.de“). § 12 ist jedoch nicht anwendbar, wenn es sich nicht um eine fingierte Person handelt und ohne Er- 23 weckung eines Identitätsirrtums von dem berechtigten Namensträger oder über ihn etwas Unrichtiges ausgesagt wird (Staud/Habermann Rn 281, 346; Hubmann JZ 1957, 521, 525; BGH NJW 1959, 525). Auch kommt eine unbefugte Benutzung nur in Betracht, wenn der Name selbst genannt wird, wobei der Eindruck genügt, als habe der Namensträger die Benutzung gestattet (BGH MDR 1995, 170). Dagegen gewährt LG München NJW-RR 2002, 617 Namensschutz auch, wenn die betreffende Person, ohne dass ihr Name ausdr genannt wird, von einem Teil des Adressatenkreises aus den Umständen identifiziert werden kann. Keinen unbefugten Gebrauch eines fremden Namens macht der Kunsthändler, der ein gefälschtes Kunstwerk mit dem Namen eines berühmten Künstlers anbietet; gegen § 12 verstößt der Fälscher (BGH NJW 1988, 339, 340). Auch genügt für § 12 nicht, dass im Zusammenhang mit einer Werbung der Name eines anderen genannt wird, wenn die Art des Hinw auf die Person die Annahme ausschließt, die angepriesenen Leistungen oder Erzeugnisse seien dem Genannten zuzurechnen oder sollten unter seinem Namen in Erscheinung treten (BGH 30, 7; NJW 1983, 1185 – „Uwe“). Der Verkehr muss außerhalb der bloßen Namensgleichheit Anlass haben, eine Beziehung zw dem Gebrauchenden und dem wahren Namensträger herzustellen. Der Schutz des § 12 wird nicht bereits dadurch ausgeschlossen, dass ein verwenderter Nachname häufig vorkommt, auch wenn die Häufigkeit ein Kriterium für den Schutzumfang der Namensbezeichnung darstellt (BGH NJW 2008, 2923 – „Hansen-Bau“). Zum unbefugten Namensgebrauch durch einen Namensdoppelgänger s Pietzko AfP 1988, 209, 212f, zur Doppelgängerwerbung in satirischer Form LG Düsseldorf AfP 2002, 64. Das Unbefugte eines konkreten Gebrauchs ist nicht so leicht festzustellen wie die Verwechslungsgefahr bei Gebrauch fremder Kennzeichen im wirtschaftlichen Wettbewerb. So kann Namensschutz bei Gefahr einer Identitätsverwirrung durch den Namensgebrauch eingreifen, doch wird bei „unernstem“ Gebrauch gelegentlich (so bei Scherzartikel mit dem Wort „Lusthansa“ Frankfurt NJW 1982, 648; anders bei T-Shirts Karlsruhe NJW-RR 1986, 585) eine Namensanmaßung verneint, auch ist uU das Grundrecht der Meinungsfreiheit zu beachten (s BGH 143, 199 m Anm Kübler JZ 2000, 622; BVerfG NJW 1998, 1386; BGH ZIP 1993, 1801). Neben dem Verstoß gegen § 12 kann es sich stets auch um einen Eingriff ins Persönlichkeitsrecht handeln. Der Schutz des mit dem Namen verbundenen Identitätsinteresses wird in diesem Zusammenhang häufig zu weit zurückgedrängt, indem die Wirkung satirisch verfremdeter Verwendungen unterschätzt oder mit Rücksicht auf falsch verstandene Äußerungsfreiheit vernachlässigt wird (BGH NJW 1984, 1956 – Marlboro – Mordoro; zust aber Hubmann JZ 1984, 942). Str, ob es für Verstoß gegen § 12 genügt, wenn einer Person oder Sache der Name eines anderen beigelegt wird, um diesen lächerlich zu machen oder als Konkurrenten auszuschalten (dafür RG HRR 1939, 566; anders Staud/Habermann Rn 284ff). Stets hat eine Interessenabwägung stattzufinden; zu den dabei berücksichtigungsfähigen Belangen Rn 27. Zum Entfallen des Schutzes bei Gestattung des Namensgebrauchs s auch Rn 32. Der durch die Gestattung Berechtigte erwirbt zwar nicht die Priorität der Kennzeichnung seines Vertragspartners, kann sich aber (in entspr Anwendung des § 986 I S 2) gegen den Angriff eines Dritten auf diese berufen (BGH MDR 1993, 1071; Stuttgart ZIP 1994, 1553). Eine Gewerkschaft, deren Namensabkürzung Verkehrsgeltung erlangt hat, kann in ihrem Interesse 24 dadurch verletzt werden, dass sie durch den Gebrauch derselben Namensabkürzung seitens einer politischen Partei zu dieser in Beziehung gebracht wird. Eine politische Partei genießt namensrechtlich zumindest dann keine Vorzugsstellung, wenn sie bereits im Gründungsstadium wegen der Wahl der Namensabkürzung verwarnt worden ist (BGH 43, 245 = JZ 1965, 524 m Anm v Münch). Darüber hinaus will LG Bremen NJW 1989, 1864 allein dem Adjektiv „republikanisch“ im Namen einer politischen Partei ebenso wie dem Begriff „demokratisch“ keine Unterscheidungskraft zubilligen. Unbefugter Namensgebrauch kann auch vorliegen bei der Bezeichnung eines anderen mit dem 25 Namen eines Dritten; so wenn eine Mutter, die mit dem Erzeuger des Kindes nicht verheiratet ist oder war, das Kind unter dem Namen des Erzeugers auftreten lässt und damit den Schein der Zugehörigkeit zu dessen Familie erweckt (RG 108, 233); wenn ein Ehemann seine Freundin allg als seine Ehefrau bezeichnet oder mit dem Namen seiner Ehefrau in das Fremdenbuch eines Hotels einträgt (Soergel/Heinrich Rn 174; aA RG 108, 233). b) Der Begriff „unbefugt“ in § 12 besagt dasselbe wie das Wort „widerrechtlich“ in § 229. Wider- 26 rechtlich ist die Reservierung und Nutzung in Behinderungsabsicht (Domain-Grabbing, OGH Wien K & R 2002, 52; Karlsruhe MMR 2002, 118), desgl die Reservierung einer Domain in der Absicht, von dem Namensträger ein Entgelt für die Freigabe zu verlangen (Frankfurt MMR 2001, 696; Hamburg WRP 2010, 298; ebenso BGH NJW 2009, 2388 = MMR 2009, 234 – „ahd.de“, freilich nur bei Behinderungsabsicht). Der Gebrauch eines fremden Namens kann nach Art 5 GG gerechtfertigt sein (so BGH NJW 1980, 280 für die Wiedergabe eines namensrechtlich geschützten Emblems einer Zeitung am Kopf eines Artikels in einer anderen Zeitung, der sich mit einem Aufsatz in der das Emblem führenden Zeitung auseinandersetzt). Unbefugt kann der Gebrauch des Namens eines anderen auch dann sein, wenn rein namensrechtlich keine Bedenken bestehen würden, der Name aber im geschäftlichen Verkehr benutzt wird und Verwechslungen mit einem Gleichnamigen zu besorgen sind (dazu I. Saenger

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§ 12

Allgemeiner Teil

Personen

Siebert BB 1959, 643f, vgl auch BGH NJW 1968, 349, s aber auch BGH NJW 1983, 1184 – „Uwe“; ferner zum Wirkungsbereich eines Domaininhabers BGH NJW 2005, 1198 – „soco.de“); dies gilt auch bei Rufausbeutung des Namens eines berühmten Herstellers (selbst bei Unterschiedlichkeit der Vornamen) in einer ganz anderen Branche (Frankfurt DZWir 1993, 166 – „Ferrari“). Bei Gleichnamigen muss uU derjenige, der den Namen später erworben hat, seinem Firmennamen einen unterscheidungskräftigen Zusatz anfügen (vgl Siebert aaO); zur Rechtslage bei Domain-Adressen Rn 15. Möglicherweise ist aber auch dem älteren Benutzer des Namens zumutbar, seinerseits zur Eindämmung der Verwechslungsgefahr beizutragen (vgl Hefermehl FS Hueck S 532); jedenfalls kann nicht immer von einer Nachrangigkeit der zeitlich später aufgekommenen Bezeichnung ausgegangen werden (Köln NJW 1984, 1358 – „Farina“; BGH ZIP 1991, 465 für langjährige Duldung der Bezeichnung „Johanniter“ für ein alkoholisches Getränk). Bei frei gewählten Buchstabenabkürzungen als „Namen“ kommt es darauf an, ob die Verkehrsgeltung bereits bestand, als der Gegner eine verwechslungsfähige Bezeichnung wählte (BGH 43, 245, 255). Die Verhältnisse können auch so liegen, dass sämtliche Gleichnamigen die Pflicht zur Abgrenzung durch Zusätze haben (BGH NJW 1954, 1681; BGH 14, 155, 159; GRUR 1960, 33, 36; DB 1985, 1935). Vielfach lässt sich jedoch bei Gleichnamigen auch durch Zusätze die Verwechslungsgefahr nicht ganz beseitigen; ein gewisser Rest wird daher uU in Kauf genommen werden müssen (RG 170, 270; BGH 4, 105; Siebert aaO; Hefermehl aaO). Auch außerhalb des geschäftlichen Verkehrs kann sich in ganz besonders gelagerten Fällen aus § 12 mit Rücksicht auf eine Verwechslungsgefahr die Pflicht zur Zurückhaltung bei dem Gebrauch des eigenen vollen Namens ergeben (BGH 29, 256, 263f). Neue Unternehmen müssen bei der Wahl des Firmennamens auch auf bestehende abgekürzte Bezeichnungen und Firmenschlagworte, soweit diese den Schutz des § 12 genießen (vgl Rn 14, 15), Rücksicht nehmen, und selbst dann, wenn es sich um ein dem gewöhnlichen Sprachschatz entnommenes alltägliches Wort handelt, Abstand wahren, um eine Verwechslungsgefahr auszuschalten (BGH NJW-RR 1988, 95). Kein Namensmissbrauch liegt beim Gebrauch eines ursprünglichen Familiennamens vor, der zur Beschaffenheitsangabe geworden ist (RG 69, 310; 100, 187), sowie beim Gebrauch eines Namens zur Bezeichnung einer typischen Figur ohne Beziehung zu einem bestimmten Menschen (KG JW 1921, 1551). 27

c) Als Interesse des Berechtigten genügt idR jedes verständliche persönliche und vermögensrechtliche Interesse, auch das ideelle und das Affektionsinteresse (RG 74, 311; 114, 93; BGH 8, 322f; 43, 245, 255; NJW 1965, 861; WM 1985, 95; Sack WRP 1984, 521; Hefermehl FS Hueck, 553). Bei der Frage der Verletzung eines Interesses ist danach nicht nur auf die im Gebiet des Wettbewerbsrechts maßgebliche Verwechslungsgefahr abzustellen. Es reicht aus, dass der berechtigte Namensträger durch den unbefugten Gebrauch des Namens (oder der Abkürzung) seitens des anderen mit diesem anderen in irgendeine Beziehung gebracht wird, etwa falscher Schein einer Familienzugehörigkeit, der allerdings nicht entsteht, wenn bei den angesprochenen Verkehrskreisen Assoziationen an einen anderen Träger des nur mit normaler Kennzeichnungskraft ausgestatteten Namens nicht geweckt werden (München MDR 1996, 1033 – v Frankenberg). Auch kommt der Schutz nicht allen Familienangehörigen dieses Namens zugute (BGH 43, 245, 254). Die Schutzwürdigkeit kann richtig nur beurteilt werden, wenn auch entgegen gesetzte Belange Berücksichtigung finden und beim Widerstreit abgewogen wird, welches Interesse größere Beachtung verdient und daher vorgehen muss (RG JW 1939, 153, 154; BGH LM 21 zu § 12). Düsseldorf NJW-RR 1990, 293, hat eine Verletzung des Namensrechts und des allg Persönlichkeitsrechts verneint, wenn bei der Lieferung von Waren auf den Frachtbriefen wahrheitswidrig der Firmenname eines Dritten als Absender angegeben wird, um aus Furcht vor dem Boykott arabischer Länder Lieferungen nach Israel nicht in Erscheinung treten zu lassen – kaum analogiefähige Ausnahmesituation. Für die Frage, ob berechtigte Interessen eines Namensträgers dadurch verletzt sind, dass ein anderer unbefugt den gleichen Namen gebraucht, ist die Priorität von entscheidender Bedeutung (vgl BGH NJW-RR 1988, 95, wonach der „Jüngere“ alles ihm mögliche gegen die Verwechselungsgefahr tun muss); zur längeren Nichtbeanstandung s Rn 35. Ist der Tätigkeitsbereich des Unternehmens, um dessen Namensschutz es sich handelt, auf einen bestimmten Wirtschaftsraum beschränkt und daher auch die Kennzeichnungskraft seiner Bezeichnung raumgebunden, geht die Schutzwirkung des § 12 nicht über diesen Raum hinaus (BGH LM 16, 17 zu § 12 – Gaststättenbezeichnung). Anderes gilt jedoch, wenn das Unternehmen darauf angelegt ist, nach Art eines Filialbetriebes Gaststätten in den verschiedensten, über das gesamte Bundesgebiet verstreut liegenden Plätzen zu betreiben, und den Umständen nach mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass es diese Absicht verwirklichen wird (BGH LM 16 zu § 12 – „Tabu“ – Wirtschaftsbetriebe; einschränkend BGH DZWIR 1994, 243).

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Auf § 12 wird seit BGH 28, 328 auch der Rechtsschutz berühmter Marken (mit Namensfunktion) gegen Verwässerungsgefahr gestützt. Es handelt sich dabei um den Schutz eines über die Abnehmerkreise hinaus allg bekannten Kennzeichens (mit Namensfunktion) gegen Beeinträchtigung der auf der Einmaligkeit beruhenden starken Werbewirkung. Schutzwürdigkeit wird in solchen Fällen auch angenommen, wenn wegen völliger Branchenverschiedenheit die Gefahr einer Täuschung des Publikums an und für sich ausscheidet, durch die Benutzung gleicher oder ähnlicher Zeichen aber in die Alleinstellung des bekannten Kennzeichens eingebrochen wird (BGH 19, 23, 27; vgl auch 15, 107 = JZ 1955, 332 m Anm Bußmann = JR 1955, 219 m Anm Reimer; NJW 1956, 1713 – Meisterbrand; NJW 1966, 343 – Kupferberg; Hamburg WRP 1986, 409 – Underberg; BGH WM 1988, 429; 1989, 1584; Hamburg WM 1991, 648; Frankfurt WM 1991, 651 – Commerzbank; zu „shell“ und „rollsroyce“ als Domain-Adresse vgl Rn 15). Zu berücksichtigen ist auch ob das die Unternehmenskennzeichnung tragende Unternehmen im Bereich des anderen Unternehmens mit der neuen, ähnlichen Bezeichnung tätig werden könnte (BGH WM 1988, 429, 431). Voraussetzung ist, dass im Publikum mit dem Markenzeichen eine allg Wertschätzung und Verkehrsgeltung verbunden ist, dies trifft nach Hamburg DB 1973, 326 zu, 16

I. Saenger

Natürliche Personen, Verbraucher, Unternehmer

§ 12

wenn ein Name ca 70–80 % der Bevölkerung als Kennzeichen der bestimmten Ware bekannt ist. Dieser Sonderschutz kann einer Marke jedoch nicht schon zugebilligt werden, wenn sie „auf dem Wege“ zur Berühmtheit ist (BGH 19, 23, 27f; LM 20 zu § 12). Er darf nur mit großer Vorsicht und nur in besonders gelagerten Ausnahmetatbeständen gewährt werden (BGH 28, 328; BGH MDR 1960, 901). Die Veränderung des Aussehens eines warenzeichenrechtlich geschützten Gegenstandes durch einen privaten Eigentümer ist zeichen- und namensrechtlich frei (Köln NJW 1995, 1759 – „Rolex“). Einem geschiedenen Ehegatten steht gegen die Führung des Namens durch den früheren Partner 29 die Klage nach § 12 wegen § 1355 V nicht mehr zu. Beide Ehegatten können den Ehenamen weiterführen und haben jeder für sich die Rechte aus § 12 bei unerlaubter Führung des Namens. Dass der Geburtsname weiterhin geschützt ist, ergibt sich aus dem unter Rn 10 Gesagten. Da die Ausübung des Wahlrechts nach § 1355 IV, die zum Verlust des Ehenamens für den Wählenden führt, einen freien Entschluss des Betroffenen darstellt, ist anzunehmen, dass der frühere Ehegatte auch für den früheren Ehenamen keine Schutzrechte mehr hat. In ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen, in denen der frühere Ehegatte trotz der Wahlausübung nach außen noch durch den früheren Ehenamen gekennzeichnet ist, lässt sich eine Fortwirkung des Namensschutzes als Ausfluss des allg Persönlichkeitsrechts vertreten. Der Träger eines weit verbreiteten Namens hat idR kein schutzwürdiges Interesse, einem anderen 30 den Gebrauch dieses Namens zu untersagen (RG 100, 187). Doch kann ein solches vorliegen, wenn durch das unbefugte Benutzen des Namens aufgrund bestimmter Umstände der Eindruck erweckt wird, der andere gehöre zur Familie eines bestimmten berechtigten Namensträgers. Personen, welche im öffentlichen Leben stehen oder in Kunst und Wissenschaft ein allg Interesse 31 wachrufen (Personen der Zeitgeschichte), müssen sich eine gewisse Einschränkung des Namensrechts gefallen lassen. Entspr den natürlichen Bedingungen sozialen und geschichtlichen Lebens ist ein gewisses Anrecht der Allgemeinheit an der freien Darstellung und Abbildung solcher Personen einzuräumen (dazu RG 74, 311f). IV. Dispositionsmöglichkeiten Das Namensrecht ist nicht übertragbar (krit Forkel GRUR 1988, 491). Zulässig ist jedoch die ver- 32 tragliche Einräumung der Befugnis zur Benutzung des Namens (RG JW 1927, 117; Karlsruhe BB 1991, 92 – „Universität Heidelberg“), ferner auch der Verzicht auf das Recht aus § 12 (RG 74, 312). Es darf aber keine Täuschung der Allgemeinheit die Folge sein; zur gleichen Rechtslage beim Warenzeichen vgl BGH 1, 241, 246; auch § 37 HGB kann ein Hindernis bilden. Zur Übertragbarkeit und Pfändbarkeit der Rechte aus einer Domain-Adresse s Rn 15. Es ist auch möglich, dass nach Ausscheiden eines Mitglieds einer (Anwalts-)Sozietät diese seinen Namen im Briefkopf weiterführt, dies auch dann, wenn der Ausgeschiedene in einer anderen Sozietät seine Tätigkeit fortsetzt (München NJW-RR 93, 621 mit Kurzkomm Ring EWiR § 12 BGB 3/93; ebenso BGH NJW 2002, 2093ff). Bei entgeltlicher Veräußerung eines Erwerbsgeschäfts sind eine solche Gestattung und ein weitgehender Verzicht idR anzunehmen, wenn das Geschäft im Ganzen übernommen wird, s dazu die Nachw in Rn 13. Zur Vereinbarung der Benutzung einer Firmenbezeichnung s BGH 60, 208; GRUR 1970, 531; DB 1985, 1934, wo besonders hervorgehoben wird, dass der Rechtsgedanke des § 25 HGB nicht entgegensteht; einschränkend beim Kauf eines Geschäftsbetriebs aber BGH NJW 1996, 1672. Der Benutzungsberechtigte erlangt durch die Befugnis kein eigenes Recht, die Führung des Namens zu untersagen. Doch kann er berechtigt sein, selbständig als Prozesspartei aufzutreten und in den im Vertrag bestimmten Grenzen die Rechte aus dem Namen, wenn auch nicht als eigene, geltend zu machen (RG 87, 150; Frankfurt NJW 1952, 793 m Anm Lent). Auch kann derjenige, der aufgrund Lizenz des Namensträgers dessen Namen in Gebrauch nimmt und dafür Verkehrsgeltung erlangt, ggü einem späteren Lizenznehmer das frühere Recht durchsetzen (Zweibrücken OLG 1980, 31; s auch Forkel NJW 1983, 1764). Der durch eine Gestattung Berechtigte erwirbt zwar nicht die Priorität der Kennzeichnung seines Vertragspartners, kann sich aber (in entspr Anwendung des § 986 I S 2) gegen den Angriff eines Dritten auf diese berufen (BGH MDR 1993, 1071; Stuttgart ZIP 1994, 1553). Innerhalb eines Konzerns kann die Registrierung von Domainnamen für die Konzernunternehmen zentral durch eine Holding oder eine Verwaltungsgesellschaft erfolgen; die Holdinggesellschaft, die die Unternehmenskennzeichnung einer Tochtergesellschaft mit deren Zustimmung als Domainname registrieren lässt, ist im Streit um den Domainnamen als Berechtigte anzusehen (BGH NJW 2006, 146, 147 – „segnitz.de“). Zum Sonderfall der gestatteten Verwendung eines Namensaufdrucks auf Waren ohne Herkunftsbeweisfunktion BGH NJW 1993, 918 m Anm Schricker EWiR § 12 BGB 1/93. V. Rechtsfolgen der Verletzung 1. Der Anspruch aus § 12 geht nach Satz 1 auf Beseitigung der Beeinträchtigung, also etwa auf Ent- 33 fernung des Namens auf dem Ladenschild, auf Löschung des Warenzeichens (RG 117, 221), auf öffentlichen Widerruf oder Berichtigung in öffentlichen Anzeigen usw. Handelt es sich (etwa bei Gleichnamigen) um Beseitigung der Verwechslungsgefahr, muss grds demjenigen, gegen den sich der Beseitigungsanspruch richtet, überlassen bleiben, darüber zu entscheiden, durch welche Namensgestaltung er der Verwechslungsgefahr begegnen will (BGH LM 19 zu § 12). Bei Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen gibt Satz 2 einen Anspruch auf Unterlassung künftiger Namensanmaßung. Dies wird idR anzunehmen sein, wenn die Namensanmaßung bereits eine Beeinträchtigung zur Folge gehabt hat und dennoch fortgesetzt wird (Staud/Habermann Rn 352). Zur Unterlassungsklage gegen einen Gewerbetreibenden, der Erzeugnisse eines Dritten unter einer als rechtlich unzulässig beanstandeten Herstellerfirma in den Verkehr bringt (BGH LM 15 zu § 12). Bei unbefugter Verwendung I. Saenger

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§ 12

Allgemeiner Teil

Personen

des Namens als Domain-Adresse steht dem berechtigten ggü dem nichtberechtigten Inhaber ein Anspruch auf Löschung, aber nicht auf Überschreibung zu (BGH NJW 2002, 2031 – „shell.de“; krit zum Löschungsanspruch Boecker GRUR 2007, 370). 34

Der in Anspruch Genommene muss nach allg, auch zu § 1004 anerkannten Regeln Störer sein. Dies ist in Bezug auf die für die Registrierung von Domain-Namen zuständige DENIC zu verneinen, da diese nicht zur Prüfung verpflichtet ist, ob der angewendete Domain-Name Rechte Dritter verletzt (BGH 148, 13 = NJW 2001, 3265 – „ambiente.de“; BGH NJW 2004, 1793 – „kurt-biedenkopf.de“; anders für Internet-Provider LG Köln CR 2001, 622 wegen des Kausalbeitrags des Vermittlers; für die Störereigenschaft des Admin-C ohne generellen Ausschluss einer Prüfungsverpflichtung Koblenz MMR 2009, 549; aA Köln GRUR-RR 2009, 27; Düsseldorf MMR 2009, 336). Auch auf eindeutige Verstöße braucht die DENIC in der Phase der Erstregistrierung nicht zu achten (BGH NJW 2004, 1793 – „kurtbiedenkopf.de“; krit Schieferdecker, Die Haftung der Domainvergabestelle, 2003, 209f; aA LG Hamburg MMR 2009, 708, das bei Top Level Domains eine Störerhaftung der DENIC annimmt, wenn der Verstoß offenkundig und für den Sachberarbeiter ohne weitere Nachforschungen erkennbar war). BGH 148, 13 = NJW 2001, 3265 – „ambiente.de“ erwägt eine Ausnahme für den Fall, dass ein Dritter die DENIC auf eine offenkundige und für die DENIC ohne Weiteres feststellbare Rechtsverletzung aufmerksam gemacht hat. Hingegen besteht eine Prüfungspflicht für die Entgegennahme von Anzeigenaufträgen in Telekommunikationsteilnehmerverzeichnissen; wegen des Gebots der raschen Entscheidung beschränkt sich die Prüfungspflicht auf grobe und unschwer erkennbare Rechtsverstöße (BGH GRUR 2006, 429 Tz 13 = WRP 2006, 584 – „Schlank – Kapseln“; MMR 2006, 672 – „Stadt Geldern“). Zur Störerhaftung von eBay bei Verletzung von Namensrechten durch registrierte Benutzer vgl BGH NJW 2008, 3714.

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2. Der Anspruch aus § 12 kann durch längeres Nichtgeltendmachen verwirkt werden, doch muss in der verspäteten Geltendmachung ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegen. Der bloße Zeitablauf ist insoweit aber nicht ausreichend. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben kann aber anzunehmen sein, wenn der unbefugte Namensträger mit einer Duldung des Namensgebrauchs rechnen konnte und sich während der langen Untätigkeit des berechtigten Namensträgers einen wertvollen Besitzstand geschaffen hat, welcher nunmehr zerstört werden würde (vgl dazu RG 167, 190; BGH 21, 78ff; NJW 1966, 343, 346; GRUR 1975, 69; GRUR 1981, 60 m Anm Schulze zur Wiesche; BGH ZIP 1991, 465). Der Verwirkungseinwand kann versagen, wenn der ältere berechtigte Namensträger rechtzeitig widersprochen hat (BGH BB 1957, 727) oder wenn der Verletzer durch zusätzliche wettbewerbliche Maßnahmen die ursprünglich beschränkte Wirkung des Verstoßes fortlaufend verstärkt hat (BGH LM 19 zu § 12). VI. Verhältnis zu anderen Ansprüchen

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1. Das Namensrecht wird als „sonstiges Recht“ von der Bestimmung des § 823 I erfasst. Schuldhafte Verletzung verpflichtet demnach zum Schadensersatz. Hierzu und zum Persönlichkeitsrecht § 823 Rn 40, 48; zur Erstattung des Verletzergewinns auf der Grundlage eines Bereicherungsanspruchs § 818 Rn 18, 19, Anh § 12 Rn 321.

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2. Zum Namensrecht des § 12 im Verhältnis zum Firmen- und Warenzeichenrecht (insb also zu § 37 II HGB; § 14 UWG; §§ 15, 16, 24, 25, 31 WZG aF, 16 UWG aF, heute §§ 5, 15 MarkenG) vgl Siebert BB 1959, 641ff; Hefermehl FS Hueck, 519ff; MüKo/Bayreuther Rn 6ff; Nägele GRUR 2007, 1007. Die Annahme (Naumburg ZIP 1995, 2110), die Führung der Firma einer anderen GmbH führe zur Rechtsscheinshaftung in deren Insolvenz, erscheint bedenklich. Der zeichenrechtliche Schutz der §§ 5, 15 MarkenG geht in seinem Anwendungsbereich grds dem Namensschutz des § 12 vor (BGH NJW 2002, 2031, 2033 – „shell.de“; NJW 2002, 2096 – „vossius.de“; NJW 2005, 1996 – „mho.de“; aA AnwK/Koos Rn 16). VII. Prozessuales

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1. Neben § 12 ist für eine Feststellungsklage, welche das Namensrecht zum Gegenstand hat, kein Raum (Staud/Habermann/Weick Rn 266). Das Recht zur Führung eines bestimmten Familiennamens kann jedoch unter den Voraussetzungen und nach Maßgabe des § 8 Namensänderungsgesetz (vgl Rn 7f) auf Antrag (oder von Amts wegen) im Verwaltungswege festgestellt werden.

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2. Zur vorbeugenden Unterlassungsklage und der Klage auf Wiederherstellung (Widerrufsklage) bei Verletzung immaterieller Rechtsgüter, insb bei Ehrverletzung, welche in Verfolgung der den §§ 12, 823, 862, 1004 zugrunde liegenden Rechtsgedanken entwickelt worden sind, vgl Anh § 12 Rn 279ff, 292ff; § 249 Rn 10–12; dazu BGH NJW 1954, 1931; LG Frankenthal NJW 1955, 263 (mitwirkendes Verschulden des Verletzten). Zur Abgrenzung der sich unmittelbar aus § 12 ergebenden Ansprüche (Rn 33) ggü dem Herstellungsanspruch Rötelmann NJW 1954, 1222.

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I. Saenger

Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

Anh § 12

Anhang zu § 12 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht A. Begriff und verfassungsrechtliche Verankerung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (APR) I. Begriff des APR . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Zivilrechtliches APR und die Verfassung . . . 1. Die durch Schutzpflichten vermittelte Drittwirkung des verfassungsrechtlichen APR . . . 2. Das Verhältnis zw zivilrechtlichem und verfassungsrechtlichem APR . . . . . . . . . . 3. Maßgebliche Abwägungsgrundsätze . . . . . . 4. Grundrechtsschutz und Verfassungsbeschwerde: Die Intensität der verfassungsgerichtlichen Überprüfung a) Grundregel: Die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts . . . . . . . . . . . b) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2

4. Der Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit, Art 10 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kasuistik zum Spannungsverhältnis zw Art 8 und Art 10 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Entscheidung Caroline v Hannover gegen Deutschland a) Verstoß gegen Art 8 EMRK . . . . . . . . . . b) Die Urteilsgründe im Einzelnen aa) Kritik an der Figur der absoluten Person der Zeitgeschichte . . . . . . . . bb) Das Kriterium der „örtlichen Abgeschiedenheit“ . . . . . . . . . . . . cc) Informationsinteresse vs Befriedigung der Neugier . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Permanente Belästigung . . . . . . . . c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Auswirkungen auf die deutsche Rechtsprechungspraxis aa) Die Urteilsserie des BGH v 6.3.2007 . . . bb) Das Urt des BVerfG v 26.2.2008 . . . . . cc) Der BGH als Diener zweier Herren . . . dd) Aktuelle Kasuistik . . . . . . . . . . . . e) Wortveröffentlichungen und das Herstellen von Bildnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Aktuell anhängige Beschwerdeverfahren . .

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B. Entstehungsgeschichte und Entwicklung des APR I. Der Persönlichkeitsschutz im BGB . . . . . . .

8

II. Die Anerkennung eines APR in der LeserbriefEntscheidung und seine Weiterentwicklung . .

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C. Struktur und dogmatische Herleitung des APR I. Die Legitimation des APR . . . . . . . . . . . .

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II. Der Rechtscharakter des APR . . . . . . . . . .

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E. Die Träger des APR I. Natürliche Personen 1. Die Grundregel . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonderproblem: Kollektivbezeichnungen a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kasuistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Schutz von Personenvereinigungen d) Abgeleitete Betroffenheit . . . . . . . . .

D. Inhalt und Schutzbereiche des APR I. Das APR und die besonderen Persönlichkeitsrechte 1. Das Verhältnis zw APR und besonderen Persönlichkeitsrechten . . . . . . . . . . . . 2. Die besonderen Persönlichkeitsrechte a) Das Recht am eigenen Bild . . . . . . . . b) Das Namensrecht . . . . . . . . . . . . . c) Das Urheberpersönlichkeitsrecht (UPR)

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II. Die ideellen und kommerziellen Bestandteile des APR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Systematisierungsversuche der Rechtsprechung 1. Die Sphärentheorie a) Schutzbereiche der Sphären . . . . . . . . b) Bedeutung der Sphärenbildung . . . . . . 2. Fallgruppenbildung: Strukturierung des Fallrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Normative Leitung durch Systematisierung? Offener Tatbestand vs Indikation der Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Systematisierung anerkannter Ausprägungen des zivilrechtlichen APR . . . . . . . . . . . . a) Das Recht der persönlichen Ehre . . . . . b) Schutz vor ungewollten Indiskretionen und ungewollter Publizität . . . . . . . . . c) Schutz der selbstbestimmten und unverfälschten Darstellung . . . . . . . . . . . . d) Schutz vor kommerzieller Verwertung . . e) Schutz vor Belästigungen . . . . . . . . . f) Freiheitsschutz . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Der Einfluss der Europäischen Menschenrechtskonvention 1. Persönlichkeitsrechtsschutz in der EMRK . . . 2. Relevanz der EMRK und Rechtswirkung von Urteilen des EGMR . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Schutz durch Art 8 EMRK . . . . . . . . .

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II. Persönlichkeitsrechtsschutz für Personenvereinigungen: Vom Persönlichkeits- zum Imageschutz 1. Persönlichkeitsrechtsschutz für Personenvereinigungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutzumfang und dogmatische Herleitung a) Kein Schutz durch verfassungsrechtliches APR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutz von Personenvereinigungen durch zivilrechtliches APR . . . . . . . . . . . . . 3. Anerkannte Schutzbereiche a) Das Recht am gesprochenen Wort . . . . b) Das Recht am eigenen Bild . . . . . . . . . c) Schutz vor unbefugter Namensnutzung . d) Schutz des wirtschaftlichen Rufes („wirtschaftliche Ehre“) aa) Ehrenschutz für jur Personen? . . . . bb) Anerkannte Schutzbereiche im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ehrenschutz für jur Personen des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . 4. Besonderheiten im Sanktionensystem: Kein Anspruch auf Ersatz von Nichtvermögensschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III. Postmortaler Persönlichkeitsrechtsschutz 1. Verfassungsrechtlicher postmortaler Persönlichkeitsrechtsschutz a) Grundlage des Schutzes . . . . . . . . . . . b) Schutzumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zivilrechtlicher Schutz des postmortalen APR a) Unterscheidung zw ideellen und kommerziellen Bestandteilen . . . . . . . . . . . . . b) Postmortaler Schutz der kommerziellen Bestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . .

N. Klass

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Anh § 12

3. 4. 5. 6. 7.

Allgemeiner Teil

c) Postmortaler Schutz der ideellen Bestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Postmortaler Persönlichkeitsrechtsschutz Minderjähriger . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzung der Persönlichkeitsrechte von Angehörigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kein postmortaler Schutz des Namensrechts . Die Hinterlassenschaft von Briefen und Tagebüchern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere gesetzliche Regelungen zum Schutz des Verstorbenen . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Schutz des Körpers und seiner Teile nach dem Tode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IV. Aktivlegitimation: Individuelle Betroffenheit .

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F. Die Passivlegitimation I. Die Störereigenschaft

. . . . . . . . . . . . . .

II. Behaupten und Verbreiten als Grundlage der Störerhaftung 1. Grundsätze der Verbreiterhaftung . . . . . . 2. Einschränkungen der Verbreiterhaftung . . . 3. Behaupten durch zu eigen machen . . . . . . 4. Verantwortlichkeit für Anzeigen und Leserbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Äußerungsformen . . . . . . . . . . . . . . . .

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G. Einzelne Schutzbereiche des zivilrechtlichen APR I. Ehrenschutz 1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umfang des Ehrenschutzes a) Innere Ehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Äußere Ehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der normativ-faktische Ehrbegriff . . . . . . 3. Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen a) Definitionen und Kriterium der Abgrenzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . b) Funktion der Unterscheidung . . . . . . . . c) Schutz durch Art 5 I GG . . . . . . . . . . . d) Die Abgrenzung im Einzelnen aa) Kriterium der Beweisbarkeit . . . . . . bb) Schwerpunktsuche im Einzelfall am Maßstab eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums . . . . . . cc) Verdeckte Aussagen . . . . . . . . . . . dd) Unvollständige Berichterstattung . . . ee) Verdachtsäußerungen/Äußerungen über innere Tatsachen . . . . . . . . . . ff) Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Testberichte . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Verwendung rechtlicher Begriffe . . . . ii) Gutachten von Sachverständigen . . . 4. Deutung einer Äußerung: Bestimmung des Erklärungsinhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Beurteilung mehrdeutiger Äußerungen a) Mehrdeutigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . b) Variantenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausnahme im Bereich von Unterlassungsansprüchen: Die „Stolpe-Doktrin“ . . . . . . 6. Das Recht der persönlichen Ehre als Schranke der Kommunikationsfreiheiten . . . . . . . . . II. Schutz vor ungewollten Indiskretionen und ungewollter Publizität 1. Indiskretionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . 2. Recht auf Anonymität . . . . . . . . . . . . . 3. Allgemeine Kriterien für die Schutzbereichsbestimmung sowie für die Güter- und Interessenabwägung a) Besondere Wirkkraft und potenzierte Öffentlichkeit der Massenmedien . . . . . b) Vorverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Personen 4. Diskretionsschutz durch Sphärenschutz a) Informationen aus der Intimsphäre . . . . . 122 b) Informationen aus dem Bereich der Geheimsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 c) Informationen aus der Privatsphäre aa) Der thematische Schutzbereich . . . . 126 bb) Der räumliche Schutzbereich . . . . . . 126a d) Informationen aus dem Bereich der Sozialsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 5. Recht auf informationelle Selbstbestimmung . 128 6. Schutz des geschriebenen Wortes . . . . . . . . 130 7. Schutz des gesprochenen Wortes . . . . . . . . 131 8. Verfügungsrecht über die Darstellung des eigenen Lebensbildes a) Kontext Kommunikationsfreiheiten . . . . 132 b) Kontext Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . 133 aa) Vermutung für die Fiktionalität . . . . . 134 bb) Kein Recht, nicht zur Vorlage einer Romanfigur zu werden . . . . . . . . . . 135 cc) Erkennbarkeitsmaßstab . . . . . . . . . 136 dd) Bewertung im Einzelfall (1) Allgemeines Persönlichkeitsrecht . 137 (2) Postmortales Allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . 140 ee) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 9. Schutz vor der Herstellung von Bildaufnahmen a) Kein Schutz durch das KUG . . . . . . . . . 143 b) Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs, § 201a StGB . . . . . . . . . . . . . 144 c) Schutz durch das APR . . . . . . . . . . . . 145 10. Schutz der Anonymität im Kontext der Kriminalitätsberichterstattung a) Allgemeine Grundsätze der Kriminalitätsberichterstattung aa) Die Unantastbarkeit der Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . 146 bb) Die Unschuldsvermutung . . . . . . . . 147 b) Verdachtsberichterstattung/Berichterstattung über Ermittlungsverfahren aa) Allgemeine Grundsätze der Verdachtsberichterstattung . . . . . . . . . 148 bb) Namensnennung des mutmaßlichen Täters im Rahmen eines Verdachts/ Ermittlungsverfahrens . . . . . . . . . . 152 cc) Sonstige identifizierende Bildberichterstattung im Rahmen eines Verdachts/Ermittlungsverfahrens . . . . . 154 c) Berichte über Strafverfahren aa) Grundsätze für die Medienberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 bb) Namensnennung des mutmaßlichen Täters bei Bericht über Strafverfahren . 156 cc) Ton- und Bildaufnahmen aus dem Sitzungssaal . . . . . . . . . . . . . . . . 157 dd) Berichterstattung und Namensnennung des Täters nach Verurteilung . . . 159 ee) Berichterstattung und Namensnennung nach Freispruch . . . . . . . . . . 161 d) Namensnennung von Opfern und Zeugen . 162 e) Informationsverhalten von Gerichten, Staatsanwaltschaften und Behörden . . . . 163 aa) Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte . . . 164 bb) Pressemitteilungen sowie Presseauskünfte der Staatsanwaltschaft . . . . . 165 f) Online-Archive . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 11. Schutz vor unberechtigter Verbreitung und öffentlicher Zurschaustellung von Bildnissen: Das Recht am eigenen Bild a) Rechtsgrundlage und Rechtsnatur . . . . . 167 b) Das abgestufte Schutzsystem der §§ 22ff KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 c) Der Verbotstatbestand des § 22 I KUG aa) Bildnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 bb) Abbildungen von Grundstücken, Häusern und sonstigen Sachen . . . . . 171

N. Klass

Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

d)

e) f) g) h) i) j) k) l)

cc) Verbreiten und öffentliches Zurschaustellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Der Einwilligungsvorbehalt . . . . . . . Ausnahmetatbestand: Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte § 23 I Nr 1 KUG aa) Die Kategorien „absolute“ und „relative Person der Zeitgeschichte“ . . . . . . . bb) Relativierung der absoluten PdZ (abgestuftes Schutzkonzept) . . . . . . cc) Der Informationswert der Berichterstattung/Einbeziehung der Wortberichterstattung . . . . . . . . . . . . . dd) Abwägung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte und Interessen . ee) Auswirkungen der „Relativierung“ der absoluten PdZ auf die sog „Begleiterrechtsprechung“ . . . . . . . . . . . . . ff) Abbildung von Kindern . . . . . . . . . gg) Abbildung zu Werbezwecken und das Informationsinteresse . . . . . . . . . . Abbildungsfreiheit als Beiwerk einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit . . . . . . Abbildungsfreiheit im Rahmen von Versammlungen, Aufzügen uÄ . . . . . . . . Abbildungsfreiheit für Kunst und Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schranken-Schranke: Ausschluss der Abbildungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . Postmortaler Schutz . . . . . . . . . . . . . Öffentlich-rechtliches Eingriffsrecht (§ 24 KUG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsgeschäftliche Übertragungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III. Schutz der selbstbestimmten und unverfälschten Darstellung 1. Recht auf Selbstdarstellung . . . . . . . . . . 2. Geschützte Interessen: Identität und Authentizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anerkannte Fallgruppen a) Schutz vor erfundenen Interviews . . . . . b) Schutz vor der Wiedergabe unrichtiger Zitate und der Unterschiebung nicht getaner Äußerungen (Recht am eigenen Wort) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schutz vor der fälschlichen Zuschreibung von Mitgliedschaften . . . . . . . . . . . . d) Schutz gegen Veränderungen von Bild und Stimme . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Schutz gegen Verfälschungen des Lebensbildes . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Schutz gegen die unbefugte werbende Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Schutz vor kommerzieller Verwertung 1. Die Kommerzialisierung von Persönlichkeitsmerkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nebeneinander von ideellen und vermögenswerten Bestandteilen des APR . . . . . . . . 3. Übertragbarkeit der kommerziellen Bestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einfach-rechtlicher Schutz der kommerziellen Bestandteile . . . . . . . . . . . . . . . 5. Spezielle Fallgruppen des Schutzes vor kommerzieller Verwertung a) Schutz gegen die ungenehmigte Verwendung der Stimme . . . . . . . . . . b) Schutz gegen die ungenehmigte Verwendung des Namens . . . . . . . . . . c) Schutz gegen die ungenehmigte Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung von Bildnissen zu Werbezwecken . . . . . . . . 6. Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Rechtfertigungsmöglichkeiten . . . . . . . . 8. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9. Verhältnis zu anderen Schutzbereichen des APR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

173 174

V. Der Schutz vor Belästigungen 1. Unerwünschte Werbung a) Briefkastenwerbung . . . . . . . . . b) Telefonwerbung . . . . . . . . . . . c) Unerwünschte Werbung durch Fax, E-Mail oder SMS . . . . . . . . . . 2. Nachstellen und Stalking . . . . . . . 3. Schutz vor Mobbing . . . . . . . . . . 4. Schutz vor ideellen Immissionen . . . 5. Raucherfreiheit und Rauchverbote . .

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. 193 . 194 . 195

. 196 . 197 . 198 . 199 . 200

. 201 . 202 . 203 . 206

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. . . 223 . . . 224 . . . 225 . . . 226

I. Rechtswidrigkeit und Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 II. Die rechtfertigende Einwilligung 1. Charakter und Rechtsnatur der rechtfertigenden Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgabe, Zugang und Auslegung a) Abgabe und Zugang . . . . . . . . . . . . . . b) Stillschweigende Einwilligungserklärungen c) Umfang und Reichweite – die Auslegung von Einwilligungserklärungen . . . . . . . . 3. Widerruflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Einwilligung Minderjähriger sowie Geschäftsunfähiger . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Willensmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Die informierte Einwilligung . . . . . . . . . . . 9. Formulareinwilligung . . . . . . . . . . . . . . .

229 230 231 232 233 234 235 236 237 238 239

III. Die Wahrnehmung berechtigter Interessen, § 193 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 IV. Kommunikationsfreiheiten und das APR, insb Ehrenschutz 1. Schutz durch die Kommunikationsfreiheiten 2. Der Ehrenschutz als Schranke der Kommunikationsfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorgaben für die Interessenabwägung a) Wechselwirkungslehre: Die dreifache Berücksichtigung . . . . . . . . . . . . . . b) Der Kommunikationszusammenhang . . c) Das Recht zum Gegenschlag . . . . . . . . d) Die Vermutung für die freie und spontane Rede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Der Grundsatz der Reizüberflutung . . . . f) Schmähkritik und Formalbeleidigungen aa) Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . bb) Kasuistik zur Schmähkritik . . . . . . cc) Formalbeleidigungen . . . . . . . . . V. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

. 208

209 210 211 214

. . . . .

H. Berechtigte (Gegen-)Interessen und Rechtfertigungsgründe – Vorgaben für die Güterund Interessenabwägung

. 207

. . . .

. . . . . 216 . . . . . 217

VI. Das APR und Freiheitsschutz 1. Freiheitsschutz nach § 823 I . . . . . . . . 2. Schutz vor Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit . . . . . . . . . . . 3. Ärztliche Heileingriffe . . . . . . . . . . . 4. Die Entnahme menschlicher Organe und Körpersubstanzen . . . . . . . . . . . . .

187 188 189

Anh § 12

Die Kunstfreiheit und das APR Der Gewährleistungsgehalt der Kunstfreiheit Schranken der Kunstfreiheit . . . . . . . . . Die kunstspezifische Betrachtung . . . . . . Schwerwiegende Beeinträchtigung des APR Karikatur und Satire . . . . . . . . . . . . . . Realität und Fiktion in der Kunst . . . . . . . Theater- und Kunstkritik . . . . . . . . . . .

. 244 . 248

. 249 . 250 . 251 . 252 . 253 . 254 . 255 . 258 . . . . . . .

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VI. Wissenschaftsfreiheit und das APR 1. Der Gewährleistungsgehalt der Wissenschaftsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

N. Klass

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Anh § 12

Allgemeiner Teil

Personen

2. Das APR als Schranke der Wissenschaftsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 3. Wissenschaftskritik . . . . . . . . . . . . . . . . 268

2. Anspruchsvoraussetzungen a) Unwahre Tatsachenbehauptung b) Widerrechtlichkeit . . . . . . . . c) Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . 3. Inhalt und Form . . . . . . . . . . . 4. Aktiv- und Passivlegitimation . . . . 5. Verfahrensrechtliches . . . . . . . .

VII. Indemnitätsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . 269 VIII. Äußerungen in privaten Vertrauensbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 IX. Äußerungen in gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahren 1. Äußerungen in gerichtlichen Verfahren . . . . . 271 2. Äußerungen in sonstigen Verfahren . . . . . . . 273 3. Haftung gerichtlicher Sachverständiger . . . . 274 I. Verletzungen im Internet I. Die Haftungsprivilegierung des TMG

. . . . . 275

IV. Der Gegendarstellungsanspruch 1. Anspruchsgrundlagen . . . . . . . 2. Anspruchsvoraussetzungen a) Erstmitteilung . . . . . . . . . . b) Verschulden . . . . . . . . . . . c) Unverzüglich . . . . . . . . . . . d) Schriftform . . . . . . . . . . . . 3. Inhalt und Umfang des Anspruchs

J. Das Internationale Privatrecht des APR . . . . 277 K. Rechtsfolgen I. Der Auskunftsanspruch . . . . . . . . . . . . . 278 . . . 279

. . . 280 . . . 282 . . . 283 . . . . . . .

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285 286 287 288 289 290 291

III. Der Berichtigungsanspruch (Widerrufsanspruch) 1. Anspruchsziel und Anspruchsgrundlagen . . . 292

. . . . . .

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VI. 1. 2. 3.

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294 295 296 297 298 299

. . . . . . . 300 . . . . .

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V. Der Schadensersatzanspruch 1. Anspruchsgrundlagen und Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . 2. Ersatz materieller Schäden a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . b) Ersatz für eigene Abwehrmaßnahmen c) Schadensberechnung aa) Dreifache Art der Schadensberechnung . . . . . . . . . . . . . bb) Angemessene Lizenzgebühr . . . . d) Anspruchsberechtigter . . . . . . . . . e) Anspruchsverpflichteter . . . . . . . .

II. Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276

II. Der Unterlassungsanspruch 1. Anspruchsgrundlage . . . . . . . . . . . . 2. Anspruchsvoraussetzungen a) Rechtswidrige Verletzung oder Gefährdung des APR . . . . . . . . . . b) Begehungs- und Wiederholungsgefahr 3. Umfang des Unterlassungsanspruchs . . 4. Veröffentlichung der Unterlassungsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . 6. Aktiv- und Passivlegitimation . . . . . . . 7. Rechtsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . .

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Der Geldentschädigungsanspruch Die Grundlagen des Anspruchs . . . . . . . . Die Funktionen des Anspruchs . . . . . . . . Voraussetzungen des Geldentschädigungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung und/oder (schweres) Verschulden . . . . . b) Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Höhe des Geldentschädigungsanspruchs . . 5. Passivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . 6. Aktivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . .

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. 313 . 314 . 315 . . . . .

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VII. Der Bereicherungsanspruch . . . . . . . . . . . 321

Schrifttum: Ahrens, Die Verwertung persönlichkeitsrechtlicher Positionen, 2002; Amelung, Der Schutz der Privatheit im Zivilrecht, 2002; Balthasar, Der Schutz der Privatsphäre im Zivilrecht, 2006; v Bar, Empfiehlt es sich, die Voraussetzungen der Haftung für unerlaubte Handlungen mit Rücksicht auf die gewandelte Rechtswirklichkeit und die Entwicklungen in Rechtsprechung und Lehre neu zu ordnen?, in Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, hrsg v Bundesminister der Justiz, Bd II 1983, 1753; Baston-Vogt, Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, 1997; Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz vor und nach dem Tode, 2002; Beuthien/Schmölz, Persönlichkeitsschutz durch Persönlichkeitsgüterrechte, 1999; Brossette, Der Wert der Wahrheit im Schatten des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, 1991; Bruns, Informationsansprüche gegen Medien, 1997; Buchner, Informationelle Selbstbestimmung im Privatrecht, 2006; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984), 202; Canaris, Grundrechtswirkungen und Verhältnismäßigkeitsprinzip in der richterlichen Anwendung und Fortbildung des Privatrechts, JuS 1989, 161; Canaris, Verstöße gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot im Recht der Geschäftsfähigkeit und im Schadensersatzrecht, JZ 1987, 993; Coing, Die Entwicklung des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes, JZ 1958, 558; Damm/Rehbock Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3. Aufl 2008; Dasch, Die Einwilligung zum Eingriff in das Recht am eigenen Bild, 1990; Degenhart, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Art 2 I iVm 1 I GG, JuS 1992, 361; Dreier/Schulze, Urheberrecht, 3. Aufl 2008; Ehmann, Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, FS 50 Jahre BGH, 2000, Bd I, 613; Ehmann, Das Persönlichkeitsrecht als Wert, als Grundrecht und als absolut-subjektives Recht, FS Georgiades, 2006, 113; Ehmann, Zum kommerziellen Interesse von Politikerpersönlichkeiten – Oskar Lafontaine und Joschka Fischer, AfP 2007, 81; Ehmann, Informationsschutz und Informationsverkehr im Zivilrecht, AcP 188 (1988), 230; Engels/Stulz-Herrnstadt/Sievers, Aktuelle Rechtsfragen des Presseprozessrechts, AfP, 2009, 313; Forkel, Zur systematischen Erfassung und Abgrenzung des Persönlichkeitsrechts auf Individualität, FS Hubmann, 1985, 93; Geis, Der Kernbereich des Persönlichkeitsrechts, JZ 1991, 112; Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, 2008; Gottwald, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Ein zeitgeschichtliches Erklärungsmodell, 1996; Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 1995; Grimm, Die Meinungsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995, 1697; Hager, Der Schutz der Ehre im Zivilrecht, AcP 196 (1996), 168; Halfmeier, Die Veröffentlichung privater Tatsachen als unerlaubte Handlung – Eine rechtsvergleichende Untersuchung, 2000; Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, 1991; Helle, Grundlagen des Persönlichkeitsschutzes, in Handbuch Multimedia-Recht (Hrsg Hoeren/Sieber), Teil 8.1.2005; Helle, „Variantenlehre“ und Mehrdeutigkeit der verletzenden Äußerung, AfP 2006, 110; Helle, Die Einwilligung beim Recht am eigenen Bild, AfP 1985, 93; Heinz, Freiheit der Kunst und Schutz der Ehre, AfP 1999, 332; G. Herrmann, Zum Schutz der Persönlichkeit in der Rechtslehre des 16.–18. Jahrhunderts, ZUM 1990, 541; Hoffmann-Riem, Die Caroline II-Entscheidung des BVerfG – Ein Zwischenschritt bei der Konkretisierung des Kooperationsverhältnisses zwischen den verschiedenen betroffenen Gerichten, NJW, 2009, 20; Holzhauer, Zur Vorgeschichte des allgemeinen Persönlich-

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N. Klass

Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

Anh § 12

keitsrechts, in Recht der Persönlichkeit (Hrsg Erichsen/Kollhosser/Welp), 1996, 51; Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, 2. Aufl 1967; Hubmann, Güterabwägung in der Rechtsprechung des BVerfG zum Persönlichkeitsrecht, FS Obermayer, 1986, 43; Hubmann/Rehbinder, Urheber- und Verlagsrecht, 8. Aufl 1995; Jarass, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Grundgesetz, NJW 1989, 857; Kau, Vom Persönlichkeitsschutz zum Funktionsschutz, 1989; Klass, Bildberichterstattung über das Privat- und Alltagsleben Prominenter, ZUM 2008, 432; Klass, Zu den Grenzen der Berichterstattung über Personen des öffentlichen Lebens, AfP 2007, 517; Klass, Die neue Frau an Grönemeyers Seite – Ein zeitgeschichtlich relevantes Ereignis?, ZUM 2007, 818; Klass, Die zivilrechtliche Einwilligung als Instrument zur Disposition über Persönlichkeitsrechte, AfP 2005, 507 Kohte, Die rechtfertigende Einwilligung, AcP 185 (1985), 105; Koziol, Recht auf korrekte Information durch Massenmedien und privatrechtlicher Schutz, FS Heldrich, 2005, 259; Krüger-Nieland, Das Urheberpersönlichkeitsrecht, eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechts?, FS Hauß, 1978, 215; Kübler, Öffentlichkeit als Tribunal?, Zum Konflikt zwischen Medienfreiheit und Ehrenschutz, JZ 1984, 541; Leuze, Die Entwicklung des Persönlichkeitsrechts im 19. Jahrhundert, 1962; Lehr, Presseund äußerungsrechtliche Instrumente des Staates im öffentlichen Meinungskampf, AfP, 2010, 25; Löffler, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl 2000; Möller, Paternalismus und Persönlichkeitsrecht, 2005; Mackeprang, Ehrenschutz im Verfassungsstaat, 1990; Mensching/Waschatz, Grenzen der Verbreiterhaftung, AfP, 2009, 441; Münch, Der Schutz der Privatsphäre in der Spruchpraxis des Deutschen Presserats, AfP 2002, 18; Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001; Nipperdey, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Ufita 1960 (30), 1; Ohly, „Volenti non fit iniura“- Die Einwilligung im Persönlichkeitsrecht, 2002; Paschke, Medienrecht, 3. Aufl 2008; Placzek, Allgemeines Persönlichkeitsrecht und privatrechtlicher Informations- und Datenschutz: Eine schutzgutbezogene Untersuchung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, 2006; Raue, Kunstfreiheit, Persönlichkeitsrecht und das Gebot der praktischen Konkordanz, AfP, 2009, 1; Rühl, Tatsachenbehauptungen und Wertungen, AfP 2000, 17; Scheyhing, Zur Geschichte des Persönlichkeitsrechts im 19. Jahrhundert, AcP 1959/60, 503; Schlechtriem, Inhalt und systematischer Standort des APR, DRiZ 1975, 65; Schmitt Glaeser, Schutz der Privatsphäre, in Hdb d Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd VI, Freiheitsrechte, 2. Aufl 2001, § 129; Schmitt Glaeser, Die Meinungsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 113 (1988), 52; Seitz/Schmid, Der Gegendarstellungsanspruch in den Medien, 4. Aufl 2010; Seyfarth, Der Einfluss des Verfassungsgerichts auf zivilrechtliche Ehrenschutzklagen, NJW 1999, 1287; Siebrecht, Der Schutz der Ehre im Zivilrecht, JuS 2001, 337; Stapper, Namensnennung in der Presse im Zusammenhang mit dem Verdacht strafbaren Verhaltens, 1995; Stark, Die Rechtsprechung des BVerfG zum Spannungsverhältnis von Meinungsfreiheit und Ehrenschutz, NJW 1994, 2943; Steffen, Politische Karikatur und Satire im Spannungsfeld von Kunstfreiheitsgarantie und Persönlichkeitsschutz, FS Simon, 1987, 359; Stürner, Empfiehlt es sich die Rechte und Pflichten der Medien präziser zu regeln und dabei den Rechtsschutz des Einzelnen zu verbessern?, Gutachten A für den 58. Deutschen Juristentag 1990; Teßmer, Der privatrechtliche Persönlichkeitsschutz von Prominenten vor Verletzung durch die Medien, 2000; Ulrich, Das Recht auf Identität im zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz, 1995; Wallenhorst, Medienpersönlichkeitsrecht und Selbstkontrolle der Presse, 2007; Wanckel, Persönlichkeitsschutz in der Informationsgesellschaft, 1998; Wenzel (fortgeführt von Burkhardt, Gamer, v Strobl-Albeg), Das Recht der Wort und Bildberichterstattung, 5. Aufl 2003; Werner, Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel, NJW 1988, 993; Wittreck, Persönlichkeitsbild und Kunstfreiheit, AfP, 2009, 6; Wortmann, Die Vererblichkeit vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts, 2005; Zöllner, Daten und Informationsschutz im Arbeitsverhältnis, 2. Aufl 1983.

A. Begriff und verfassungsrechtliche Verankerung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (APR) I. Begriff des APR. Den Begriff des allg Persönlichkeitsrechts (APR) allgemeingültig zu definieren, 1 bereitet erhebliche Schwierigkeiten. So wie die Persönlichkeit nicht abschließend umschrieben werden kann, so lässt sich auch der Gehalt des Rechts, das ihrem Schutz dient, nicht absolut und universal beschreiben. Den bisherigen Definitionsversuchen in Literatur und Rspr fehlt jedenfalls bislang die für einen Rechtsbegriff nötige Klarheit und Präzision. Schon Hubmann, 137ff, 155, wies frühzeitig darauf hin, dass der Versuch einer positiven inhaltlichen Bestimmung des Persönlichkeitsrechts am „geheimnisvollen Wesen der Persönlichkeit“ scheitern muss. Man könne daher den Inhalt des Persönlichkeitsrechts lediglich dahin umschreiben, dass es die wertvollen persönlichen Interessen umfasst, also die Personenwerte, die nicht durch die Verkehrsauffassung und Kulturanschauung verselbständigt und durch die Rechtsordnung zu selbständigen Rechten ausgebildet wurden. Der BGH, der das APR in seiner Leserbriefentscheidung (BGH 13, 334 – Leserbrief) als „sonstiges Recht“ iSd § 823 I anerkannt hat (vgl hierzu Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 1), definiert es als „das Recht des Einzelnen auf Achtung seiner Menschenwürde und auf Entfaltung seiner individuellen Persönlichkeit, das sich nicht nur gegen den Staat und seine Organe richtet, sondern auch im Privatrechtsverkehr gegen jedermann gilt“ (BGH 24, 72 [76] – Krankenkassenpapiere). Mit dieser Definition bringt der BGH deutlich die zwei prägenden Funktionen des APR zum Ausdruck: Zum einen die statische Funktion – die Achtung der Menschenwürde – und zum anderen die dynamische Funktion – die Entfaltung der Persönlichkeit –, welche den Persönlichkeitsrechtsschutz maßgeblich prägen. II. Zivilrechtliches APR und die Verfassung. Der BGH schuf das APR in seiner Leitentscheidung 2 (BGH 13, 334 – Leserbrief) unter Berufung auf Art 2 I iVm Art 1 I GG. Das Gericht kreierte hierbei im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung ein verfassungsrechtliches Institut, um dieses sogleich im Wege der Drittwirkung zur Anwendung zu bringen (Wanckel, 88). Erst später leitete das BVerfG aus der allg Handlungsfreiheit des Art 2 I GG zahlreiche Selbstbestimmungsrechte ab, welche in der Eppler-Entscheidung (BVerfG 54, 148 [153] – Eppler; einschränkend BVerfG NJW 2000, 1021 – CvM) als „verfassungsrechtliches allgemeines Persönlichkeitsrecht“ dem wortgleichen „bürgerlich-rechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrecht“ vorangestellt wurden (Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 91ff; Baston-Vogt, 120). 1. Die durch Schutzpflichten vermittelte Drittwirkung des verfassungsrechtlichen APR Die Grundrechte, insb Art 2 I und Art 1 I GG, haben maßgeblichen Einfluss auf das bürgerlich- 3 rechtliche APR. Allerdings sind sie historisch, inhaltlich und mit Blick auf ihre Reichweite auf das Verhältnis Staat-Bürger zugeschnitten und tragen gerade nicht der Vielseitigkeit und VielschichtigN. Klass

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Anh § 12

Allgemeiner Teil

Personen

keit des Privatrechts sowie dem Umstand Rechnung, dass sich im Konfliktfall stets zwei Grundrechtsträger ggüstehen. Eine unmittelbare Drittwirkung ist folglich angesichts der damit zwangsläufig verbundenen Freiheitsbeschränkungen und Reglementierungen abzulehnen. Daher besteht auch weitgehend Einigkeit in der Literatur, dass die allg Handlungsfreiheit nicht über das zivilrechtliche APR zum sonstigen Recht iSd § 823 I gemacht werden darf (Ehmann AcP 188 (1988), 307f; BastonVogt, 125 mwN), andernfalls würde jede die Freiheit und Interessen anderer beeinträchtigende Handlung zu einem rechtfertigungsbedürftigen Delikt (zutr Baston-Vogt, 128). Will man die Eigenständigkeit des Privatrechts wahren, können und dürfen verfassungsrechtliche und zivilrechtliche Rechtswidrigkeit nicht identisch sein (Maunz/Dürig Art 1 III Rn 129). Die Grundrechte liefern jedoch Vorgaben für den Privatrechtsverkehr. Sowohl der Privatrechtsgesetzgeber als auch der Privatrechtsrichter, die ihrerseits beide unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind (Art 1 III GG), müssen ihrer grundrechtlichen Schutzpflicht nachkommen und die grundrechtlichen Werte im Zivilrecht umsetzen (Canaris AcP 184 (1984), 201 [212]; Hager JZ 1994, 373 [374]; BVerfG 81, 242 – Handelsvertreter). Daher sind die Gerichte nicht nur zur Rechtsanwendung des zivilrechtlichen APR berufen, sondern auch zur Rechtsgestaltung (Rechtsfortbildung), sofern es die Wertungen des verfassungsrechtlichen APR erfordern. Privatrechtsgesetzgeber und Privatrechtsrichter haben hierbei jedoch einen erheblichen Beurteilungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum, weshalb es insb im Ermessen des Gesetzgebers steht, auf welche Art und Weise und mit welchen Mitteln (Straf-, Verwaltungs- oder Zivilrecht) den bestehenden verfassungsrechtlichen Verpflichtungen nachgekommen wird. Das gesetzgeberische Handeln muss sich jedoch stets am Grundsatz der Effektivität orientieren. Entscheidend ist i Erg, dass die Gesamtheit der dem jeweiligen Rechtsgut dienenden Normen effizienten Schutz gewährleisten (Hermes NJW 1990, 1764 [1765f]; sowie Hager JZ 1994, 373 [378]) und das Untermaßverbot nicht verletzt wird (ganz hM, vgl statt vieler Canaris AcP 184 [1984] 201 [228]; Zöllner RDV 1985, 3 [8ff]; Jarass NJW 1989, 861). 4

2. Das Verhältnis zw zivilrechtlichem und verfassungsrechtlichem APR. Das zivilrechtliche APR soll die Grundbedingungen für die Selbstverwirklichung einer Person ggü den kollidierenden Freiheiten und Interessen Dritter sichern und dadurch die Grundentscheidungen der Verfassung in das Zivilrecht transportieren. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Zivilrichter Verfassungsrecht anzuwenden hätte, vielmehr muss er das Privatrecht unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben gestalten. Das zivilrechtliche APR ist daher nicht mit dem verfassungsrechtlichen APR (Art 2 I iVm Art 1 I GG) identisch (so auch BVerfG NJW 2006, 3409 – Blauer Engel II), denn das zivilrechtliche APR ist ein sonstiges Recht iSv § 823 I, das auf den Schutz von Privatrechtsverhältnissen zugeschnitten sowie maßgeblich durch die im Falle von Persönlichkeitsrechtsverletzungen gegebene Zweiseitigkeit der Rechtsverhältnisse geprägt ist und lediglich im Wege der durch die Schutzpflichten vermittelten Drittwirkung vom verfassungsrechtlichen APR beeinflusst wird. Zu trennen ist das zivilrechtliche APR zudem von der allg Handlungsfreiheit (Jarass NJW 1989, 857; Baston-Vogt, 119f). Der rechtliche Unterschied zw zivilrechtlichem und verfassungsrechtlichem APR tritt im positiven Recht insb im Schutz der Ehre (Rn 94ff), der kommerziellen Interessen und im postmortalen Persönlichkeitsrechtsschutz (nur einfach-rechtlicher Schutz, ausf Rn 206 sowie Rn 72ff) in Erscheinung.

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3. Maßgebliche Abwägungsgrundsätze. Die meisten durch das zivilrechtliche APR geschützten Interessen (die kommerziellen Bestandteile sollen nach BGH [NJW 2007, 689 – Lafontaine] nur einfachrechtlichen Schutz genießen, vgl Rn 206) sind verfassungsrechtlich abgesichert. Jedoch trifft dies auch auf die in Konfliktsituationen betroffenen „typischen Gegeninteressen“ zu, die zumeist einen Schutz durch die in Art 5 GG verankerten Kommunikationsfreiheiten, die Kunstfreiheit oder andere grundrechtlich geschützte Werte (Art 12, 14 GG ua) erfahren. Die beteiligten Interessen müssen daher im Wege der praktischen Konkordanz in Ausgleich gebracht werden (vgl BVerfG 7, 198 [215] – Lüth; 17, 306 [313]; 65, 1 [44] – Volkszählung, 83, 130 [143] – Mutzenbacher ua). Dies bedeutet, dass die sich prinzipiell gleichwertig gegenüberstehenden Verfassungswerte (BGH 24, 72 [80] – Krankenkassenpapiere) in einem konfliktlösenden Abwägungsprozess zu einer möglichst optimalen Wirksamkeit gebracht werden müssen, Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 14. Einer Abwägung bedarf es jedoch nicht, sofern die unantastbare Menschenwürde tangiert ist, denn sie ist mit keinem Grundrecht abwägungsfähig (grundlegend Dürig AöR 81 [1956], 117). Stehen den in den Grundrechten zu verortenden Interessen und Freiheiten nur „einfach-rechtlich“ geschützte Rechtspositionen ggü, so müssen letztere aufgrund des dann geltenden Verdrängungsprinzips zurücktreten (vgl BVerfG 7, 198 – Lüth; aktuell BGH NJW 2007, 689 – Lafontaine; dazu auch Ehmann AfP 2007, 81ff). Zu typischen Abwägungs- und Vorzugsregeln im Verhältnis APR und Kommunikationsfreiheiten, insb Meinungsfreiheit vgl Rn 249ff).

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4. Grundrechtsschutz und Verfassungsbeschwerde: Die Intensität der verfassungsgerichtlichen Überprüfung. a) Grundregel: Die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts. In den meisten str Persönlichkeitsrechtsfällen kann die unterlegene Partei nach Erschöpfung des Rechtsweges (im Falle einer einstw Verfügung muss grds auch der Rechtsweg in der Hauptsache erschöpft sein, BVerfG AfP 2006, 550; NJW 2007, 2685; ebenso muss die Anhörungsrüge gem § 321a ZPO zuvor erhoben worden sein, BVerfG NJW 2007, 3054 – Presseschau) gem Art 93 I Nr 4a GG iVm § 90 BVerfGG Verfassungsbeschwerde mit der Begründung erheben, durch die öffentliche Gewalt in Form der Gerichtsbarkeit in ihren Grundrechten verletzt worden zu sein (s Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 15f). Die Verfassungsbeschwerde bedarf gem § 93a BVerfGG der Annahme zur Entscheidung, die abgelehnt werden kann, wenn ihr keine grds verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt (zB BVerfG NJW 2001, 2957 – Kaisen). Nach der sog „Heck’schen Formel“ (hierzu Hähnlein NJW 1996, 3134) soll allerdings nur die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts die Verfassungswidrigkeit begründen können, hierzu heißt es in BVerfG NJW 1964, 1715 [1716] – Künstliche Bräunung: „Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestands, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung 24

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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

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auf den einzelnen Fall sind allein Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das BVerfG entzogen; nur bei einer Verletzung von spezifischem Verfassungsrecht durch die Gerichte kann das BVerfG auf Verfassungsbeschwerde hin eingreifen (vgl BVerfG 1, 418 [420]). Spezifisches Verfassungsrecht ist aber nicht schon dann verletzt, wenn eine Entscheidung, am einfachen Recht gemessen, objektiv fehlerhaft ist; der Fehler muss gerade in der Nichtbeachtung von Grundrechten liegen.“ Zudem sei das BVerfG nicht befugt „seine eigene Wertung des Einzelfalls nach Art eines Rechtsmittelgerichts an die Stelle derjenigen des zuständigen Richters zu setzen“ (BVerfG 30, 173 [197] – Mephisto). Ebenfalls könne es einer zivilgerichtlichen Entscheidung „nicht schon dann entgegentreten, wenn es bei der Beurteilung der widerstreitenden Grundrechtspositionen lediglich die Akzente anders gesetzt und daher selbst anders entschieden hätte“ (vgl BVerfG 42, 143 [148]; 120, 180 [210] sowie zuletzt ZUM-RD 2010, 657 – Charlotte Casiraghi). Das Argumentationsmuster der Heck’schen Formel wurde oft wiederholt, teils bestätigt (zB in BVerfG NJW 1991, 1475) und teils eingeschränkt; vgl BVerfG 42, 143 [148]; 43, 130 [138]; 82, 43 [52] – Strauß-Transparent; 85, 1 [14] – Krit Bayer-Aktionäre; 94, 1 [9]; NJW 1997, 386 – Werkszeitungen; NJW 1998, 2889; JZ 1998, 352; NJW 2000, 1021 – CvM; ZUM-RD 2010, 657 – Charlotte Casiraghi, s auch Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 15f). b) Ausnahmen. Das BVerfG beanspruchte jedoch in späteren Entscheidungen (insb 85, 1 [14] – 7 Krit Bayer-Aktionäre; ähnlich auch NJW 1992, 2013 – Nazi; NJW 1994, 2943 – Soldaten sind Mörder III; 54, 129 [135] – Kunstkritik ua) entgegen den Grundsätzen der Heck’schen Formel ebenfalls die Kompetenz zur Prüfung, ob eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil vorliegt, ob der Sinngehalt der Äußerung richtig erkannt ist, ob die Äußerung „eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage“ betrifft, und ob eine Schmähkritik vorliegt. Denn die Bedeutung der Grundrechte werde verkannt, wenn die Gerichte eine Äußerung unzutr als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik einstufen, mit der Folge, dass sie nicht in dem Maße am Schutz durch das Grundgesetz teilnehmen wie Äußerungen, die als Werturteile ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind (BVerfG 82, 43 [51] – Strauß-Transparent; 82, 272 [281]; 85, 1 [14] – Krit BayerAktionäre; 94, 1 [8f] NJW 1992, 2013 – Nazi; NJW 1993, 1845 – Prinzessin Erna von Sachsen; BayObLG NJW 1995, 2501 [2502]; vgl ferner BVerfG 61, 1 [10] – NPD Europas). Die verfassungsgerichtliche Kontrolle erstreckt sich mithin auch auf die für den Grundrechtsschutz weichenstellende Deutung der im Streit stehenden Äußerung (BVerfG NJW 2010, 3501 – Gen-Milch). Vor dem Hintergrund dieser Entscheidungen wurde der Vorwurf laut, das BVerfG habe sich nicht bloß zur Superrevisions-, sondern gar zur Superberufungsinstanz aufgeschwungen (vgl Isensee JZ 1996, 1090; Starck JZ 1996, 1033; Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 17). In Reaktion auf die Kritik stellte das BVerfG jedoch fest (94, 1 [9]): „Dagegen ist es nicht Sache des BVerfG, den jeweiligen Rechtsstreit, der trotz des grundrechtlichen Einflusses seine Eigenart als Zivil- oder Strafverfahren nicht verliert, selbst zu entscheiden“; ebenso BVerfG NJW 2000, 1021 – CvM; NJW 2006, 3266 [3267] – KZ-Arzt: „Das BVerfG überprüft nur, ob diese (die Fachgerichte) den Grundrechtseinfluss ausreichend beachtet haben“; anders aber BVerfG NJW 2002, 3315 (Rüge der unzureichenden Beweiserhebung und/oder Beweiswürdigung). B. Entstehungsgeschichte und Entwicklung des APR I. Der Persönlichkeitsschutz im BGB. Das Erfordernis der Anerkennung eines umfassenden Per- 8 sönlichkeitsschutzes wurde schon seit Mitte des 19. Jahrhundert verstärkt in der Literatur thematisiert, und es wurde die Forderung laut, ein allg Persönlichkeitsrecht in das Zivilrecht zu integrieren (Gierke, Deutsches Privatrecht Bd I, 702ff sowie Kohler, 129). Der erste Entwurf des BGB sah dann zwar auch in § 704 II einen Schutz der Ehre vor, dieser scheiterte jedoch aufgrund von Unstimmigkeiten, wenn auch nicht hins des Ehrenschutzes selbst (§ 704 II des Entwurfs wurde daher in den Beratungen der zweiten Kommission gestrichen; vgl hierzu Mugdan, Materialien zum BGB Bd H, 1077). Und auch in den Beratungen des Reichstages waren die Bemühungen, einen privatrechtlichen Schutz der Ehre zu erreichen, nicht von Erfolg gekrönt (Coing JZ 1958, 558 [559]). Eine Übereinkunft war letztlich nicht zu erzielen, weil zu unterschiedliche Positionen hins der konkreten Ausgestaltung des Rechtsschutzes, der Wahl der einzusetzenden Rechtsmittel sowie der anzudrohenden Rechtsfolgen bestanden. In der Folgezeit beschränkte sich der Schutz der Persönlichkeit daher lediglich auf bestimmte Persönlichkeitsgüter, wie zB auf den Namensschutz in § 12 oder den Schutz des § 823 für Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit; die Forderung nach einem Schutz der Gesamtpersönlichkeit blieb jedoch unerfüllt (Coing JZ 1958, 558 [559]). Das Reichsgericht hielt sich zwar formal an die Vorgabe des BGB und vertrat den Standpunkt, ein allg subjektives Persönlichkeitsrecht sei dem geltenden bürgerlichen Recht fremd, es gebe nur besondere, gesetzlich geregelte Persönlichkeitsrechte. Gleichwohl wurde der Persönlichkeit oftmals häufig gerade durch die Rspr des RG Schutz verliehen, denn das Gericht versuchte über eine extensive Auslegung der Generalklausel des § 826 und der gesetzlich geregelten besonderen Persönlichkeitsrechte zu befriedigenden Ergebnissen zu gelangen (vgl bspw RG 72, 175ff). Daneben wurde auch über § 823 II auf die strafrechtlichen Schutznormen zurückgegriffen, so dass zumindest ein fragmentarischer Schutz gegeben war (Coing JZ 1947, 641 [641ff]; JZ 1958, 558 [559]). Erst nach der Ära des Nationalsozialismus entflammte in der Rechtswissenschaft erneut die Diskussion über eine Regelung des Persönlichkeitsschutzes. Vor allem vor dem Hintergrund der Erfahrungen der vergangenen Jahre war man bemüht, Wert und Bedeutung der Person im Zivilrecht neu zu bestimmen (vgl Hubmann, 1967). Aber auch die Verfassungen der Länder und insb das neu geschaffene Grundgesetz, in dem die Verfasser die Würde des Menschen und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit besonders betonten, übten einen starken Einfluss aus. II. Die Anerkennung eines APR in der „Leserbrief“-Entscheidung und seine Weiterentwicklung. 9 Als Vollender des privatrechtlichen Persönlichkeitsschutzes ist jedoch der BGH anzusehen, denn N. Klass

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dieser erkannte in seiner bahnbrechenden „Leserbrief“-Entscheidung v 25.5.1954 (BGH 13, 334) in Abkehr von der bisherigen Rspr erstmals ein von jedermann zu achtendes Persönlichkeitsrecht an: „Nachdem nunmehr das Grundgesetz das Recht des Menschen auf Achtung seiner Würde (Art 1 GG) und das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit auch als privates, von jedermann zu achtendes Recht anerkennt, soweit dieses Recht nicht die Rechte anderer verletzt oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt (Art 2 GG), muss das allgemeine Persönlichkeitsrecht als ein verfassungsmäßig gewährleistetes Grundrecht angesehen werden“. Indem der BGH das APR als sonstiges Recht iSv § 823 I anerkannte, eröffnete er den Gerichten die Möglichkeit, die Gesamtpersönlichkeit vor rechtswidrigen und schuldhaften Verletzungen umfassend zu schützen. Die Jurisprudenz reagierte auf dieses Urt größtenteils euphorisch; Dürig bspw sah in der Anerkennung des APR den „fraglos kühnsten und im Prinzip den gelungenste(n) Wurf des Privatrechts während der letzten Jahre“ (Maunz/Dürig Art 1 I Rn 38). Es wurde jedoch auch Kritik laut, insb mit Blick auf die Unbestimmtheit des Rechts (vgl Hubmann, 6ff [Fn 12] mwN). Der BGH wiederholte und bekräftigte seine Auffassung jedoch in weiteren Entscheidungen. Zudem gewährte er im Jahr 1958 trotz des in § 253 aufgezählten Enumerativprinzips in einem weiteren Fall Geldersatz für Nichtvermögensschäden (BGH 26, 349 – Herrenreiter) und verstärkte dadurch den persönlichkeitsrechtlichen Schutz erheblich. Diese Konstruktion gab der BGH später allerdings auf, mittlerweile leitet er den Anspruch auf Geldentschädigung für immaterielle Schäden direkt aus dem Grundgesetz (Art 2 I iVm Art 1 I GG) her, denn aus diesem ergebe sich unmittelbar die Notwendigkeit, das Prinzip des § 253 zu durchbrechen und bei besonders schweren Fällen Ersatz zu leisten (st Rspr seit BGH 35, 363 [367] – Ginseng). Das BVerfG billigte wenig später ausdr sowohl die Rspr des BGH zum APR als auch zur Zuerkennung eines Ausgleichs für Nichtvermögensschäden (BVerfG 34, 269 [281f] – Soraya). Trotz verschiedener Versuche, das APR gesetzlich zu normieren (Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des zivilrechtlichen Persönlichkeits- und Ehrenschutzes [1959] – hierzu Kochel JZ 1959, 513; Weitnauer, DB 1959, 45 [46ff]; RefE eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensrechtlicher Vorschriften [1967]) – hierzu Kübler JZ 1968, 542 [542f]; zu weiteren Vorstößen insb des DJT s Baston-Vogt, 170ff mwN), ist es bis heute nicht zu einer umfassenden Kodifikation des Persönlichkeitsrechtsschutzes gekommen. C. Struktur und dogmatische Herleitung des APR 10

I. Die Legitimation des APR. Das APR legitimiert sich aus der Anerkennung der Gesamtpersönlichkeit als verfassungsrechtlich zu schützendes Rechtsgut und somit letztlich aus der Schutzgebotsfunktion der Art 2 I GG und Art 1 I GG (Baston-Vogt, 15; Wenzel/Burkhardt Rn 5.7; Canaris JuS 1989, 161 [169]; AcP 184 (1984), 201 [231]; MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 3; BVerfG 35, 202 [221] – Lebach). Art 2 I GG und Art 1 I GG haben die Aufgabe, die Würde des Menschen, seine engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen zu gewährleisten. Sie schützen mithin jenen inneren Persönlichkeitsbereich, der stets nur der freien und eigenverantwortlichen Selbstbestimmung des Einzelnen untersteht. Das Gebot, diesen Bereich zu achten, richtet sich dabei nicht nur gegen den Staat, sondern gegen jedermann, weshalb die Persönlichkeit auch zivilrechtlich umfassend zu schützen ist (vgl auch BGH 13, 334 [338] – Leserbrief).

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II. Der Rechtscharakter des APR. Der BGH schuf mit dem APR kein fest umrissenes Recht, vielmehr schuf er eine Rechtsfigur generalklauselartigen Charakters (BGH 13, 333 [338] – Leserbrief; zur Anerkennung bestimmter Fallgruppen s Rn 24, 26ff), die der Umsetzung grundrechtlicher Werte diente und dient (Baston-Vogt, 85; krit und für die Ausprägung einzelner besonderer Persönlichkeitsrechte plädierend: Larenz NJW 1955, 523f; Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte, 8ff). Aus diesem Grund war und ist der Charakter dieses Rechts bis heute umstritten. Der BGH erkennt das APR in st Rspr als sonstiges Recht iSd § 823 I an (seit BGH 13, 334 [338] – Leserbrief). Dies wird jedoch zT kritisiert, insb wird es abgelehnt, einem derart konturenlosen Konstrukt den Charakter eines subjektiven Rechts zuzubilligen (vgl zum Meinungsstreit MüKo/Mertens § 823 Rn 123f sowie Baston-Vogt, 85f). Trotz aller Kritik und Konturenlosigkeit bleibt jedoch festzuhalten, dass ein subjektives Recht, wie Baston-Vogt treffend feststellt, „zum Schutz der Persönlichkeit geradezu prädestiniert“ ist (aaO, 87 [Fn 367] mwN), denn ein solches ermöglicht dem Einzelnen individuellen Schutz und verleiht ihm die Befugnis und Macht zur aktiven Durchsetzung seiner Interessen. Zudem hat das Rechtsgut der Persönlichkeit keinen statischen Charakter, vielmehr ist der Schutz auf Dynamik angelegt und stark vom Individuum abhängig. Persönlichkeitsschutz muss daher mehr sein als passiver Integritätsschutz (Klass, Rechtliche Grenzen des Realitätsfernsehens, 241 mwN). Der Schutz durch eine Generalklausel bietet zudem die Möglichkeit, schnell und flexibel auf neue Gefährdungspotentiale zu reagieren, während eine Tatbestandsbildung im Wege der Analogie meist schwerfälligeren Schutz bietet. Das APR ist ein Rahmenrecht, was bedeutet, dass die Rechtswidrigkeit nicht wie bei den klassischen Gütern und Rechten des § 823 I durch einen Eingriff indiziert ist, sondern erst aufgrund einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung festgestellt werden kann (BGH 13, 334 [338] – Leserbrief; 24, 72 [80] – Krankenkassenpapiere; 31, 308 [312] – Abgeordneten-Bestechung; NJW 1966, 1617 [1619] – Höllenfeuer; 50, 133 [143] – Mephisto ua; Wenzel/Burkhardt Rn 5.12). Allerdings werden immer wieder neue Versuche unternommen, die Abwägung zu verdrängen und die Rechtswidrigkeit stattdessen aus der Tatbestandsmäßigkeit abzuleiten (ausf Rn 25). D. Inhalt und Schutzbereiche des APR I. Das APR und die besonderen Persönlichkeitsrechte

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1. Das Verhältnis zw APR und besonderen Persönlichkeitsrechten. Als besondere Persönlichkeitsrechte werden allg diejenigen Rechte bezeichnet, die schon vor Anerkennung des APR gesetzlich 26

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normiert wurden und mithin im Gegensatz zum APR nicht auf richterlicher Rechtsfortbildung beruhen, wie bspw das Namensrecht, § 12, und das Recht am eigenen Bild, §§ 22ff KUG (Götting Hdb des Persönlichkeitsrechts § 11 Rn 1; vgl ausf Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte, 37ff). Uneinigkeit herrscht hins ihres Verhältnisses zum APR. Der BGH geht davon aus, dass es sich um spezielle Ausprägungen des APR handelt, die nach dessen Anerkennung zu integralen Bestandteilen wurden (BGH NJW-RR 1987, 231 – Nena: Klassifizierung des Rechts am eigenen Bild als „Ausschnitt, eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechts“; NJW 2005, 215 [217]). Ein bestehender Spezialschutz entfaltet daher keine Sperrwirkung, denn er soll das APR stärken und keinesfalls schwächen (Götting Hdb des Persönlichkeitsrechts § 11 Rn 9: Wortlaut bildet keine starre Grenze; differenzierend Baston-Vogt, 112f). 2. Die besonderen Persönlichkeitsrechte. a) Das Recht am eigenen Bild. Das Recht am eigenen 13 Bild wurde bereits im Jahre 1907 und mithin lange vor Anerkennung des APR (als Reaktion auf RG 45, 170 – Bismarcks Leiche) mit dem KUG v 9.1.1907 eingeführt. Zweck des Gesetzes ist es, Personen vor der Verbreitung und öffentlichen Zurschaustellung ihrer Bildnisse zu schützen. Zuwiderhandlungen können zivil-, aber auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen (§ 33 KUG). Das Recht am eigenen Bild (RaeB, ausf Rn 167ff) ist als sog besonderes Persönlichkeitsrecht zu qualifizieren und wird durch das APR ergänzt (hierzu Rn 167, 143, 145). b) Das Namensrecht. Der Name ist die sprachliche Kennzeichnung einer Person. Er dient zum ei- 14 nen als Unterscheidungs- sowie Zuordnungsmerkmal (BGH NJW 1959, 525 – Ehrengedenktafel; BVerfG NJW 1988, 1577) und hat Ordnungsfunktion (BVerfG NJW 1988, 1577; hierzu ausf § 12), zum anderen ist er aber auch Ausdruck von Identität und Individualität. Das Namensrecht ist ein absolutes Recht (BGH 8, 318 [321] – Pazifist; GRUR 2006, 957) und kann – soweit es dem Schutz der Persönlichkeitssphäre des Einzelnen dient – als besonderes Persönlichkeitsrecht (vgl Rn 12) angesehen werden (BGH 17, 209 [214]; 143, 214 [218] – Marlene Dietrich). Die Benutzung eines Namens in einer Veröffentlichung oder der eigenmächtige namentliche Hinw auf eine Person bspw in einer Werbeanzeige verletzt nicht das Namensrecht; insofern wird jedoch erg Schutz über das APR gewährt (BGH 30, 7 – Caterina Valente: Nennung in einer Werbeanzeige, ohne dass unbefugter Namensgebrauch nach § 12 vorliegt). Das Namensrecht, das den Schutz von Künstlernamen einschließt (BGH 30, 7 [9] – Caterina Valente), erlischt mit dem Tode des Namensträgers (BGH NJW 2007, 684 – kinski-klaus.de; vgl auch BGH 8, 318 [324] – Pazifist; 107, 384 [390] – Emil Nolde; BVerfG NJW 2001, 2957 – Kaisen). Dennoch entsteht hier keine Schutzlücke, denn ein postmortaler Schutz soll insoweit bestehen bleiben, als durch die Verwendung des Namens nach dem Tode das postmortale APR des Verstorbenen verletzt wird (BGH NJW 2007, 684 – kinski-klaus.de s Rn 74). Zur Problematik der Verletzung von Firmennamen, s Rn 64. c) Das Urheberpersönlichkeitsrecht (UPR). Die ideellen Interessen des Urhebers eines Werkes 15 werden durch das UPR geschützt, welches ebenfalls als besondere Erscheinungsform des APR verstanden werden kann (BGH GRUR 1971, 525 – Petite Jacqueline; Dreier/Schulze vor § 12 Rn 5) und diesem als Spezialregelung vorgeht, soweit sein Anwendungsbereich reicht. Das UPR schützt die geistigen und persönlichen Beziehungen des Urhebers zu seinem Werk und ist damit klar werkbezogen. Vom UPR ieS werden folgende zentrale Rechte umfasst: das Veröffentlichungsrecht (§ 12 UrhG), das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft (§ 13 UrhG) sowie das Recht, Entstellungen oder Beeinträchtigungen des Werkes zu verbieten (§ 14 UrhG). Daneben finden sich im UrhG noch eine Vielzahl von Regelungen, die einen starken persönlichkeitsrechtlichen Kern aufweisen und als UPR iwS verstanden werden können (bspw die Befugnisse der §§ 25, 29 I, 34, 39, 42, 62, 63 und 113ff UrhG). Soweit kein konkreter Werkbezug besteht, ist der Urheber zudem erg durch das APR geschützt, bspw vor Herabwürdigungen und Erniedrigungen im Kontext seines urheberrechtlichen Schaffens, aber auch, sofern dem Schöpfer Werke untergeschoben werden, die er nicht geschaffen hat (BGH 107, 384 [390] – Emil Nolde). Das UPR wirkt grds über den Tod des Urhebers hinaus, es ist vererblich (§ 28 UrhG) und endet erst mit Ablauf der urheberrechtlichen Schutzfrist, dh 70 Jahre post mortem (§ 64 UrhG). Der Urheber selbst muss bei seinem Werkschaffen das APR anderer Personen beachten, wenn er bspw auf Biografien zurückgreift, Bildnisse erschafft oder sog „Schlüsselromane“ verfasst (vgl insofern BVerfG NJW 2008, 39 – Esra; ausf hierzu Rn 132ff). II. Die ideellen und kommerziellen Bestandteile des APR. Das APR wurde v BGH zunächst vor 16 dem Hintergrund der Gefährdung rein ideeller Interessen (Ehrenschutz, Schutz der Privatsphäre und der persönlichen Identität etc) entwickelt (vgl BGH 13, 334 – Leserbrief). Aber schon frühzeitig (BGH 20, 345 – Dahlke; 26, 349 – Herrenreiter; 50, 133 [137] – Mephisto) zeichnete sich ab, dass das APR auch dem Schutz kommerzieller Interessen zu dienen bestimmt ist. Die Entwicklung dieses „kommerziellen APR“ fand ihren bisherigen Höhepunkt mit BGH 143, 214 – Marlene Dietrich: „Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine besonderen Erscheinungsformen wie das Recht am eigenen Bild und das Namensrecht dienen dem Schutz nicht nur ideeller, sondern auch kommerzieller Interessen der Persönlichkeit“ (Leitsatz). Der BGH erkennt mit dieser Entscheidung „vermögenswerte Ausschließlichkeitsrechte“ zum Schutz der kommerziellen Interessen an (vgl hierzu Rn 201ff). Diese Bestandteile sind – anders als die ideellen Bestandteile des APR, welche unauflöslich an die Person ihres Trägers gebunden sind – übertragbar und vererbbar (Rn 74, 201ff). Die Erben als Träger der postmortalen Bestandteile können nach aktueller Rspr des BGH (NJW 2007, 684 – kinskiklaus.de) zudem bis zum Ablauf von zehn Jahren alle Verletzungen der vermögenswerten Bestandteile als Schadensersatzanspruch im eigenen Namen gelten machen, allerdings sind stets die ausdr oder mutmaßlichen Interessen des Verstorbenen zu berücksichtigen, wodurch eine zu starke Marktgängigkeit und Kommerzialisierung des APR verhindert werden soll (vgl auch BVerfG NJW 2000, N. Klass

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1023 – CvM: „Der verfassungsrechtliche Privatsphärenschutz aus Art 2 I iVm Art 1 I GG ist nicht im Interesse einer Kommerzialisierung der eigenen Person gewährleistet“). Nach BGH NJW 2007, 689 [691] – Lafontaine (allerdings mit recht knappem Verweis auf die Urteilsgründe in BVerfG NJW 2006, 3409 – Blauer Engel II, die explizit nur die postmortalen vermögenswerten Bestandteile betreffen [„Das Grundgesetz gebietet einen postmortalen Schutz der Persönlichkeit gegen Angriffe auf die Menschenwürde. Einen Schutz vor einer kommerziellen Ausbeutung, die nicht mit einer Menschenwürdeverletzung verbunden ist, kennt das Grundgesetz im Bereich des postmortalen Schutzes nicht“]; auch, wenn zugegebenermaßen eine generelle Beschränkung zumindest anklingt) erfahren die vermögenswerten Bestandteile des APR jedoch keinen grundrechtlichen Schutz, sondern sind nur einfach-rechtlich geschützt, weshalb sie im Konflikt mit verfassungsrechtlich geschützten Interessen und Freiheiten aufgrund des Verdrängungsprinzips zurücktreten müssen. III. Systematisierungsversuche der Rechtsprechung 17

1. Die Sphärentheorie. a) Schutzbereiche der Sphären. Schon in der „Leserbrief“-Entscheidung verwandte der BGH den Begriff der „Sphäre“ („Geheimsphäre“ 13, 334 [339]). In späteren Entscheidungen findet sich dann die Unterscheidung zw der Sozial- bzw Individualsphäre, der Privatsphäre und der Geheim- sowie Intimsphäre (zu den Sphären s auch Rn 122ff). Während in der Privat- und Sozialsphäre Eingriffe in einem abgestuften Maß, je nach Bedeutung der in einer Einzelfallabwägung zu prüfenden Interessen, möglich sein sollen, wird im Bereich der Intimsphäre, da der Person am nächsten zugeordnet, ein absoluter unantastbarer Schutz gewährt (BVerfG 35, 202 – Lebach; NJW 2000, 2189 – Ehebruch).

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Der Bereich der Intimsphäre (hierzu BVerfG 6, 389 [432] sowie ausf Rn 122ff) umfasst dabei die innere Gedanken- und Gefühlswelt mit ihren äußeren Erscheinungsformen, wie vertraulichen Aufzeichnungen und Briefen (LG Köln ZUM-RD 2009, 349 [351] – Veröffentlichung fremder persönlicher E-Mails auf Homepage) sowie Vorgänge aus dem Sexualbereich, insb das Gebiet des Geschlechtlichen (jedoch können auch geschlechtliche Handlungen einen starken „Sozialbezug“ aufweisen, BayObLGSt 1978, 152 [156] – Prostituierte; BVerfG NJW 2009, 3357 – Berichterstattung über Vergewaltigung) und sonstige Belange, die von Natur aus einen Anspruch auf Geheimhaltung und Diskretion beanspruchen, zB der Gesundheitszustand, aber auch Darstellungen des nackten Körpers (LG Hamburg ZUM-RD 2009, 610; Dresden ZUM 2010, 597 – Werbung für Welterbe). Grds kann die Persönlichkeit in diesem Bereich für alle Lebensvorgänge Schutz beanspruchen, die zur Wahrung und Entwicklung von Identität und Individualität vor Einblicken und dem Einwirken der Öffentlichkeit abgeschirmt werden müssen (BGH NJW 1981, 1366 – Der Aufmacher II).

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Dem Bereich der Geheimsphäre (s hierzu auch Rn 125) unterfällt zunächst alles, was der Einzelne durch besondere Maßnahmen vor der Kenntnisnahme durch Dritte bewahren möchte (BVerfG 54, 148 – Eppler; NJW 1972, 1123) – geschützt wird in diesem Bereich also primär die ungenehmigte Kenntnisnahme oder Veröffentlichung privater Kommunikation.

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Der Bereich der Privatsphäre (s hierzu ausf Rn 126ff) hingegen umfasst zum einen die familiären Verhältnisse und Verbindungen des Einzelnen (Auseinandersetzungen innerhalb der Familie, Eheprobleme, Scheidungsabsichten etc). Zum anderen wird von der Privatsphäre auch das Leben im häuslichen Bereich (Wohnung, umfriedetes Grundstück, jedenfalls sofern es dem Nutzer die Möglichkeit gibt, frei von öffentlicher Beobachtung zu sein, KG NJW 2005, 2320) geschützt. Nach BVerfG NJW 2000, 1021 [1022ff] – CvM) umfasst der räumliche Bereich des Privatsphärenschutzes zudem auch öffentliche Plätze, sofern sich der Einzelne in einen Bereich „örtlicher Abgeschiedenheit“ zurückzieht, objektiv erkennbar für sich sein will und sich im Vertrauen auf die Abgeschiedenheit so verhält, wie er dies in der Öffentlichkeit nicht tun würde. Unter Beachtung der Vorgaben des EGMR (NJW 2004, 2647 – CvH/Deutschland), welcher Kritik am Kriterium der Abgeschiedenheit äußerte (Rn 40), erkannte das BVerfG (NJW 2008, 1793 [1797] – CvM IV) zudem ausdr auch einen Schutzanspruch des Persönlichkeitsrechts außerhalb der Voraussetzungen einer örtlichen Abgeschiedenheit an, bspw wenn die Medienberichterstattung den Betroffenen in Momenten der Entspannung oder des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Berufs und Alltags erfasst. In diesem Kontext stellte das Gericht fest, dass es keine verfassungsrechtliche Gewährleistung gebe, Personen von zeitgeschichtlichem Interesse „bei Aufenthalten außerhalb einer Situation räumlicher Abgeschiedenheit stets und ohne Beschränkung für die Zwecke medialer Verwertung“ zu fotografieren (BVerfG NJW 2008, 1793 [1797] – CvM IV). Der Privatsphärenschutz gewährt dem Einzelnen – wenn auch in schwächerer Form – mithin ebenfalls einen autonomen Bereich eigener Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität unter Ausschluss der Öffentlichkeit entfalten kann.

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Zu einer Verstärkung des Privatsphärenschutzes durch Art 6 I und II GG kommt es im Bereich der Berichterstattung über Kinder und Jugendliche sowie in Fällen, die die spezifisch elterliche Hinwendung zu diesen zum Gegenstand haben (BVerfG NJW 2000, 1021 [1026] – CvM; NJW 2005, 1857 – Carolines Tochter; BGH NJW 2005, 215 – Alexandra von Hannover; NJW 2010, 1454 – Sohn von Franz Beckenbauer; GRUR 2010, 262 [263] – Tochter von Franz Beckenbauer, s hierzu auch Rn 183).

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Die Sozialsphäre (s Rn 127) hingegen schützt den Menschen in seinen Beziehungen zur Umwelt und seinem beruflichen, wirtschaftlichen oder sonstigen öffentlichen Wirken (Pal/Sprau § 823 Rn 96). Sie umfasst den Bereich des menschlichen Lebens, von dem jedermann Kenntnis nehmen kann (zum Bezug von Adresse und Abbildung eines Wohnhauses zur sozialen Realität LG Köln MMR 2010, 278 – Stadt-Bilderbuch) und eventuell auch soll. Berichte aus dem Bereich der Sozialsphäre sind aufgrund des Persönlichkeitsbezugs meist zulässig, s hierzu Rn 117ff. Eine Ausnahme besteht lediglich dann, wenn eine schwerwiegende Auswirkung auf das Ansehen und die Persönlichkeitsentfaltung des Be28

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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

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troffenen zu befürchten ist, die außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht, BVerfG AfP 2010, 465, 466 – personalisierte Darstellungsweise (zur Prangerwirkung s Rn 127), BVerfG GRUR 2010, 544 [545] – Zitat aus Anwaltsschreiben. b) Bedeutung der Sphärenbildung. Ausgehend von der Idee eines unterschiedlich starken Persön- 23 lichkeitsschutzes in Abhängigkeit von der jeweils betroffenen Sphäre, gliederte sich die Prüfung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung in den Anfangsjahren zunächst in folgende Schritte: Erstens war festzustellen, ob ein Eingriff in eine schützenswerte Sphäre festzustellen war, und zweitens musste geprüft werden, ob hierfür eine Rechtfertigung vorlag. Aufgrund der existierenden Abgrenzungsschwierigkeiten sowie der fließenden Übergänge zw den einzelnen Sphären gingen die Gerichte aber zunehmend dazu über, sofort eine einzelfallbezogene Interessenabwägung vorzunehmen, im Rahmen derer die betroffene Sphäre allenfalls noch bei der Gewichtung der Interessen Bedeutung erlangte (so auch Halfmeier, 62). Unumstritten ist jedenfalls, dass die Ausbildung der einzelnen Sphären keinen hinreichend begrifflich klaren Unrechtstatbestand bildet. Vielmehr konnte und kann die Rechtswidrigkeit der Verletzung des APR (Erfolgsunrecht) erst im Zusammenwirken mit dem Verhaltensunrecht festgestellt werden (Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 7). Die Sphärentheorie ist folglich für sich allein unbrauchbar zur Bestimmung des Unrechtstatbestands einer Persönlichkeitsrechtsverletzung (Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 30ff; Helle, Grundlagen Rn 54; Ehmann FS 50 Jahre BGH, 623; Baston-Vogt, 184ff). Ebenfalls führt auch die Unterordnung unter eine von der Rspr anerkannte Fallgruppe oder die Zuordnung zu einem anerkannten Schutzbereich (vgl hierzu Rn 24, 94ff) nicht zur Indikation der Rechtswidrigkeit, sie kann jedoch im Einzelfall eine Vermutungswirkung haben (zB Eingriff in das Recht am geschriebenen oder gesprochenen Wort etc). Eine umfassende Güterund Interessenabwägung im Einzelfall bleibt jedoch mit Ausnahme jener Konstellationen, welche die Menschenwürde als unantastbares Gut tangieren, unumgänglich (anders Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 7, der eine Abwägung nur dann für erforderlich hält, soweit die Zurechnung der Tathandlung zu einem Schutzbereich und einer Untergruppe die Vermutung der Rechtswidrigkeit der APR-Verletzung noch nicht hinreichend zu begründen vermag). 2. Fallgruppenbildung: Strukturierung des Fallrechts. Zwar betont der BGH immer wieder, dass 24 sich der Inhalt des Persönlichkeitsrechts nicht abschließend festlegen lasse (vgl BGH 24, 72 [78] – Krankenkassenpapiere), zugleich versucht das Gericht jedoch eine Systematisierung durch Fallgruppen zu erreichen. Dies führt zwar zu einer gewissen Übersichtlichkeit, gibt jedoch keinen Aufschluss über den genauen Schutzumfang, denn es handelt sich hierbei nur um strukturiertes Fallrecht. Das BVerfG hat in der „Eppler-Entscheidung“ (54, 148 [154]) ebenfalls acht Ausprägungen zusammengefasst, die bisher von der Rspr anerkannt wurden. Dabei handelt es sich um die Intim-, Privat- und Geheimsphäre, die persönliche Ehre, das Verfügungsrecht über die eigene Person, das Recht am eigenen Bild und am gesprochenen Wort sowie das Recht, von der Unterschiebung nicht getaner Äußerungen verschont zu bleiben. Das Gericht führte in diesem Kontext aus, dass diese Ausformungen entspr beachtet werden müssen, wenn es sich um gerichtliche Entscheidungen über kollidierende Interessen nach den Vorschriften des Privatrechts handelt. Später fügte das BVerfG im sog „Volkszählungsurteil“ (65, 1) noch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hinzu, welches aufgrund eines real existierenden Schutzbedürfnisses auch als Bestandteil des zivilrechtlichen Persönlichkeitsrechts anzusehen ist (str; bejahend BGH NJW 1991, 1532 [1533] – Bekanntgabe des Notfallarztes; krit zuletzt BGH GRUR 2011, 261 – Party-Prinzessin; vgl hierzu ausf Rn 128f). In seinem Urt v 27.2.2008 (NJW 2008, 822) begründete das BVerfG zudem ein „Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“ (Recht auf private Datensphäre; hierzu Kutscha NJW 2008, 1042ff; Roßnagel/Schnabel NJW 2008, 3534ff), das Systeme erfasst, die allein oder aufgrund technischer Vernetzung personenbezogene Daten eines Einzelnen enthalten können und bei denen ein Zugriff auf das jeweilige System einen Einblick in die Lebensgestaltung des Nutzers ermöglicht, wie bspw Laptops, Mobiltelefone, Navigationsgeräte uÄ. 3. Normative Leitung durch Systematisierung? Offener Tatbestand vs Indikation der Rechtswid- 25 rigkeit. Das BVerfG (66, 116 [138] – Wallraff) fordert für Persönlichkeitsrechtsverletzungen eine normative Leitung der Rspr, die von der Notwendigkeit einer Einzelfallabwägung befreit. Maßgebliche Funktion einer solchen Schutzbereichsbildung ist vor allem die Konkretisierung und bessere Handhabbarmachung des APR, dessen Grenzen aufgrund seines Charakters als Rahmenrecht nicht fest umrissen sind. Hierfür wäre es jedoch erforderlich, eine überschaubare Zahl von klar definierten Schutzbereichen als Unrechtstatbestände zu bilden, die zum einen alle wesentlichen Gefährdungskonstellationen erfassen und bei deren Einschlägigkeit zum anderen die Vermutung der Rechtswidrigkeit der Eingriffshandlungen begründet werden kann, s hierzu auch Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 4. Im Interesse der Gebote der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit erscheint eine solche Forderung durchaus angemessen, wenn nicht gar notwendig; die bisherigen Versuche in der Literatur (Baston-Vogt, 152ff) und Rspr (BVerfG 54, 148 [154] – Eppler) führen jedoch die Grenzen der Umsetzbarkeit deutlich vor Augen, denn jede Schutzbereichsbildung muss zwangsläufig nicht nur das APR als geschütztes Rechtsgut (Erfolgsunrecht), sondern zugleich auch die unterschiedlichen gegenläufigen Freiheiten und Interessen des Störers einbeziehen und zumindest in den Untergruppen auch die Form der Eingriffshandlung und sonstige Umstände mitberücksichtigen (vgl hierzu Ehmann FS 50 Jahre BGH, 626f). Nur auf diese Weise kann unabhängig vom konkreten Einzelfall für die allg gebildeten Unrechtstatbestände ein allg Urt über die Rechtswidrigkeit der Eingriffshandlung gebildet werden. Eindeutigkeit lässt sich dabei angesichts des umfassenden Schutzbereichs und der Vielfältigkeit möglicher Gegeninteressen jedoch nicht erzielen. Allerdings kann die Bildung von Fallgruppen zu einer größeren Überschaubarkeit führen und je nach Konkretisierungsgrad auch eine

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Personen

Vermutungswirkung mit Blick auf die vorzunehmende Güter- und Interessenabwägung in sich tragen. 26

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4. Systematisierung anerkannter Ausprägungen des zivilrechtlichen APR. Angesichts des bisher konkretisierten Fallrechts sowie des aktuell bestehenden Schutzbedürfnisses erscheint folgende Systematisierung des Persönlichkeitsrechtsschutzes, welche die Darstellung auch im Folgenden leiten soll, angebracht: a) Das Recht der persönlichen Ehre (Rn 94ff).

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b) Schutz vor ungewollten Indiskretionen und ungewollter Publizität (Rn 117ff), der ua folgende Fallgruppen/Schutzbereiche umfasst: Diskretionsschutz durch Sphärenschutz (Intim- und Geheimsphäre; Privatsphäre und Sozialsphäre, Rn 122ff), Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Rn 128f), Schutz des geschriebenen Wortes (Rn 130), Schutz des gesprochenen Wortes (Rn 131), Verfügungsrecht über die Darstellung des eigenen Lebensbildes (Rn 132ff), Schutz vor der Herstellung von Bildaufnahmen (Rn 143ff), Anonymitätsschutz im Kontext der Kriminalberichterstattung (Rn 146ff), Schutz vor der unberechtigten Verbreitung und öffentlichen Zurschaustellung von Bildnissen (Recht am eigenen Bild, Rn 167ff).

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c) Schutz der selbstbestimmten und unverfälschten Darstellung (Rn 193ff), der ua folgende Fallgruppen/Schutzbereiche umfasst: Schutz vor erfundenen Interviews (Rn 195), Schutz vor der Wiedergabe unrichtiger Zitate und der Unterschiebung nicht getaner Äußerungen (Rn 196), Schutz vor der fälschlichen Zuschreibung von Mitgliedschaften (Rn 197), Schutz gegen Veränderungen von Bild und Stimme (Rn 198), Schutz gegen Verfälschungen des Lebensbildes (Rn 199).

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d) Schutz vor kommerzieller Verwertung (Rn 201ff), der der ua folgende Fallgruppen/Schutzbereiche umfasst: Schutz gegen die ungenehmigte Verwendung von Stimme und Namen (Rn 207f) sowie Schutz vor der unberechtigten Verbreitung und öffentlichen Zurschaustellung von Bildnissen zu kommerziellen Zwecken (Rn 209, 184).

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e) Schutz vor Belästigungen (Rn 216ff). f) Freiheitsschutz (Rn 223ff). Zum (Grund)Recht auf informationelle Selbstbestimmung in eigenen Angelegenheiten, insb zu den durch das BVerfG kreierten (Grund)Rechten auf informationelle, sexuelle, individuelle und wirtschaftliche Selbstbestimmg und den im Wege der durch Schutzpflichten vermittelten Drittwirkung abgeleiteten Rechten auf Kenntnis der eigenen Abstammung, auf Be- und Weiterbeschäftigung ua s Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 273ff. IV. Der Einfluss der Europäischen Menschenrechtskonvention Schrifttum: Bartnik, Caroline à la francaise – ein Vorbild für Deutschland, AfP 2004, 489; Engels/Jürgens, Auswirkungen der EGMR-Rechtsprechung zum Privatsphärenschutz, NJW 2007, 2517; Gersdorf, Caroline-Urteil des EGMR: Bedrohung der nationalen Medienordnung AfP 2005, 221; Halfmeier, Privatleben und Pressefreiheit: Rechtsvereinheitlichung par ordre de Strasbourg, AfP 2004, 417; Heldrich, Persönlichkeitsschutz und Pressefreiheit nach der Europäischen Menschenrechtskonvention, NJW 2004, 2634; Klass, Zu den Grenzen der Berichterstattung über Personen des öffentlichen Lebens – Die Urteilsserie des BGH v 6.3.2007 im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des EGMR, AfP 2007, 517; Mann, Auswirkungen der Caroline-Entscheidung des EGMR auf die forensische Praxis, NJW 2004, 3220; Ohly, Harmonisierung des Persönlichkeitsrechts durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte? – Rechtsvergleichende Anmerkungen zum Urteil in der Sache Hannover/Deutschland, GRURInt 2004, 902; Stürner, Caroline-Urteil des EGMR – Rückkehr zum richtigen Maß, AfP 2005, 213.

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1. Persönlichkeitsrechtsschutz in der EMRK. Der Schutz der Persönlichkeit und des Privatlebens wird nicht nur über das Grundgesetz, sondern auch durch die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten v 4.11.1950 (BGBl 1952, II, 686, 953 mit Änderungen, abgedruckt in Sartorius II, Nr 130) gewährleistet. Diese bestimmt in Art 8: „Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.“

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2. Relevanz der EMRK und Rechtswirkung von Urt des EGMR. Die EMRK ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der von der BRD ratifiziert wurde und dem daher gem Art 59 II GG der Rang eines einfachen Gesetzes zukommt. Die Konvention ist mithin kein unmittelbarer verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, der Konventionstext und seine Auslegung durch den EGMR dienen nach BVerfG NJW 2004, 3407 [3408] – Görgülü-Beschl (dazu Klein JZ 2004, 1171; Stark JZ 2005, 72; ferner KG NJW 2005, 605; dazu Gersdorf AfP 2005, 221 [226]; Stürner AfP 2005, 213 [217]; zuletzt BGH NJW 1972, 431 m krit Anm Helle AfP 2007, 192) jedoch auf der verfassungsrechtlichen Ebene als Auslegungshilfen (BVerfG NJW 2008, 1793 [1797] – CvM IV). Entscheidungen des EGMR können folglich nicht unberücksichtigt bleiben, weshalb sowohl eine fehlende Auseinandersetzung wie auch eine schematische Anwendung gegen Grundrechte iVm mit dem Rechtsstaatsprinzip verstößt. Daher sind letztlich alle Organe des Staates einschl der Gerichte verpflichtet, die Urt des EGMR zu berücksichtigen. Eine Pflicht, den völkerrechtlichen Vorgaben nachzukommen, besteht nach Ansicht des BVerfG jedoch nur, wenn diese nicht in Widerspruch zu tragenden Prinzipien des deutschen Verfassungsrechts stehen. Einer konventionskonformen Auslegung ist mithin nur insofern der Vorrang zu geben, als dies im Rahmen geltender Auslegungs- und Abwägungsmaßstäbe möglich ist. Anderes gelte aber, wenn dadurch gegen eindeutig entgegenstehendes nationales Gesetzesrecht oder gegen Verfassungsrecht verstoßen wird (BVerfG NJW 2004, 3407 [3411] – Görgülü-Beschl). Jedenfalls bestehe auch für die bei der Auslegung der deutschen Grundrechte bedeutsamen Vorgaben der EMRK ein eigenständiger Beurteilungsspielraum der nationalen Gerichte (BVerfG NJW 2008, 1793 [1797] – CvM IV mit Verweis auf EGMR NJW 2009, 971 [974 Nr 77ff] – Dickson/Vereinigtes Königreich).

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3. Der Schutz durch Art 8 EMRK. Nach Art 8 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines 35 Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Begriff des „Privatlebens“ beschränkt sich dabei nicht auf einen „inneren Bereich“, in dem eine Person ihr eigenes persönliches Leben so führen kann, wie sie es möchte. Unmittelbar geschützt ist vielmehr auch das Recht des Einzelnen, seine Persönlichkeit in den Beziehungen zu seinen Mitmenschen ohne Einmischung von außen zu entwickeln (EGMR NJW 1993, 718 – Niemitz/Deutschland). Berufliche und geschäftliche Tätigkeiten fallen ebenfalls darunter (EGMR NJOZ 2009, 4606 [4609] – Kyriakides/Zypern). Auch wenn sich der Begriff des Privatlebens nach Ansicht des EGMR einer erschöpfenden Definition entzieht, so betont das Gericht doch stets, dass er jedenfalls weit zu verstehen ist. Vom Schutzbereich des Art 8 EMRK sind daher jedenfalls Elemente der persönlichen Identität einer Person wie ihr Name oder das Recht am eigenen Bild, aber auch die körperliche, geistige sowie die moralische und psychische Integrität einer Person umfasst (EGMR NJW 2004, 2647 [2648] – CvH/Deutschland; NJOZ 2009, 4606 [4609] – Kyriakides/Zypern). Anerkannt ist zudem auch ein Schutz der Ehre und des guten Rufes (EGMR NJW-RR 2010, 1483 [1485] – A./Norwegen mwN; NJW-RR 2008, 1218 [1219] – Pfeifer/Österreich; Urt v 4.10.2007 – 12148/03 Nr 38 – Sanchez Cardenas/Norwegen bzgl der Ehre). Der Gerichtshof hat insoweit festgestellt, dass die Konventionsstaaten daher grds ihrer Schutzpflicht nach Art 8 EMRK nachkommen und einen gerechten Ausgleich zw dem Recht auf Schutz des guten Rufs auf der einen Seite und dem in Art 10 EMRK garantierten Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung auf der anderen Seite herstellen müssen (EGMR NJW-RR 2008, 1218 [1219] – Pfeifer/Österreich; zur Kasuistik Rn 37). 4. Der Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit, Art 10 EMRK. Art 10 EMRK schützt die Mei- 36 nungs- und Pressefreiheit, denen auf der Ebene des Konventionsrechts ebenfalls eine herausgehobene Position zukommt. Sie sind sowohl wesentliche Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft und wesentliche Bedingungen für den Fortschritt einer Gesellschaft als auch für die Entwicklung jedes Individuums, weshalb Art 10 EMRK Tatsachen- und Meinungsäußerungen (Werturteile) umfassend und ohne Rücksicht auf den Inhalt der geäußerten Meinung schützt (EGMR NJW 1999, 1315 [1316] – Fressoz u Roire/Frankreich; NJW 1987, 2143 [2144] – Lingens; NJW 2006, 591f – Karhuvaara und Iltalehti/Finnland). Die Garantie des Art 10 EMRK gilt daher – vorbehaltlich Abs II – nicht nur für Nachrichten oder Ideen, die ein positives Echo haben – oder die als unschädlich angesehen werden können, sondern auch für solche, die provozieren, schockieren oder stören (EGMR 1, 217 – Handyside/Vereinigtes Königreich; NJW 1987, 2143 [2144] – Lingens). Auch die Art der Verbreitung ist unerheblich – umfasst werden alle Kommunikationsformen, also insb die Verbreitung durch Presse, Funk und Fernsehen sowie durch Bücher und in Vorträgen (Kommentar zur EMRK/Meyer-Ladewig Art 10 Rn 5). Ein Eingriff in die nach Art 10 EMRK geschützten Kommunikationsfreiheiten ist nach Ansicht des EGMR in einer demokratischen Gesellschaft nur „notwendig“ iSv Art 10 II EMRK, wenn er einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht, verhältnismäßig zu dem verfolgten berechtigten Ziel ist, und wenn die Gründe, mit denen die Behörden und Gerichte ihn rechtfertigen, stichhaltig und ausreichend sind. Die Staaten haben insoweit einen gewissen Ermessensspielraum, doch entscheidet letztlich der Gerichtshof, ob die genannten Voraussetzungen gegeben sind (EGMR NJW-RR 2010, 1487 – Egeland u Hanseid/Norwegen). Ein Eingriff in Art 10 EMRK ist bspw nicht gerechtfertigt, wenn Journalisten ihre Rolle als „öffentliche Wachhunde“ in Übereinstimmung mit ihrem Berufsethos wahrnehmen und ihre verletzenden Tatsachenbehauptungen sorgfältig überprüfen (EGMR NJW 2006, 1645 – Das blinde Auge der Polizei); zudem weist das Gericht stets darauf hin, dass die Grenzen zulässiger Kritik bei Privatpersonen enger sind als bei Polizeibeamten sowie bei Politikern, vgl EGMR NJOZ 2009, 2203 [2208] – Le Pen sowie NJW 1987, 2143 [2144] – Lingens. 5. Kasuistik zum Spannungsverhältnis zw Art 8 und Art 10 EMRK: Verbreitung von Fotos im Zu- 37 sammenhang mit Strafverfahren (EGMR NJW-RR 2010, 1487 – Egeland u Hanseid/Norwegen; EGMR NJW-RR 2010, 1483 – A/Norwegen); Berichterstattung über das Privatleben eines Politikers (EGMR NJW 2010, 751 – Standard Verlags GmbH/Österreich); Veröffentlichung eines Buches über einen Politiker (EGMR NJOZ 2009, 2203 [2208] – Le Pen: „Chef einer Bande von Totschlägern“); Bericht über die Verurteilung des Ehemanns einer Politikerin (EGMR NJW 2006, 591 – Karhuvaara und Iltalehti/ Finnland); Verbreitung von Bildnissen Prominenter (EGMR NJW 2004, 2647 – CvH/Deutschland; hierzu ausf Rn 38ff); Meinungskampf zw Journalisten und Politiker (EGMR NJW 1987, 2143 [2144] – Lingens); Verunglimpfung Atatürks (EGMR NVwZ 2007, 313); Beschimpfung des Islams (EGMR NVwZ 2007, 314); Beleidigung eines Polizisten (EGMR NJW 2006, 1645 [1649] – Das blinde Auge der Polizei); Veröffentlichung von Name, Bildnis und Foto des Grundstücks eines Unternehmers (EGMR v 1.3.2007 510/04 – Tønsbergs Blad ua/Norwegen); Bericht über Rechtsanwalt und Journalist (EGMR v 14.6.2005 14991/02 – Minelli/Schweiz); Veröffentlichung von Bildern im Kontext eines Berichts über einen Steuerhinterziehungsprozess (EGMR v 14.12.2006 10520/02 Nr 35ff – Verlagsgruppe NewsGmbH/Österreich). 6. Die Entscheidung Caroline v Hannover gegen Deutschland. a) Verstoß gegen Art 8 EMRK. Auf 38 der Grundlage von Art 8, 10 EMRK hat der EGMR (NJW 2004, 2647 – CvH/Deutschland) entschieden, dass die Interpretation und Auslegung der Vorschriften zum Schutz am eigenen Bild (§§ 22, 23 KUG) durch die deutschen Gerichte (speziell von BGH NJW 1996, 1128 und BVerfG NJW 2000, 1021 – CvM) – wonach Aufnahmen von Personen der absoluten Zeitgeschichte, die diese auf öffentlichen Plätzen zeigen, im Grunde zulässig sind (BVerfG NJW 2000, 1021 [1023] – CvM) – Prominenten, die kein politisches Amt begleiten, keinen ausreichenden Schutz ihrer Privatsphäre bieten. Der Begriff der absoluten PdZ in seiner Auslegung und Anwendung durch die deutschen Gerichte wird mithin als unvereinbar mit Art 8 und Art 10 EMRK betrachtet. Deutsche Gerichte verstoßen daher nach Ansicht des N. Klass

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Personen

EGMR gegen Konventionsrecht, wenn sie es für zulässig erklären, dass Bilder von Caroline v Hannover (vormals: CvM), die sie an „nicht abgeschiedenen Orten“ in „Szenen ihres Alltagslebens“ zeigen, also „bei Tätigkeiten rein privater Art, wie sie Sport treibt, spazieren geht, ein Restaurant verlässt“ ohne ihre Einwilligung verbreitet werden dürfen. Dies verletze Art 8 EMRK, denn jede Person, auch dann, wenn sie in der Öffentlichkeit bekannt ist und sich die Medien für sie interessieren, könne eine „berechtigte Erwartung“ auf Schutz und Achtung ihres Privatlebens haben (EGMR NJW 2004, 2647 [2650] – CvH/Deutschland). 39

b) Die Urteilsgründe im Einzelnen. aa) Kritik an der Figur der absoluten Person der Zeitgeschichte. Der EGMR kritisierte insb, dass die Figur der absoluten Person der Zeitgeschichte nicht für Personen passe, die zwar bekannt sind, aber kein öffentliches Amt bekleiden. Jedenfalls sei unter diesen Voraussetzungen eine einschränkende Auslegung des deutschen KUG erforderlich. Problematisch sei zudem, dass keine eindeutige und klare Unterscheidung zw der Figur der relativen und der der absoluten Person der Zeitgeschichte möglich sei – eine solche sei jedoch erforderlich, damit der Betroffene genau beurteilen kann, wie er sich zu verhalten hat und wann er mit einer einwilligungsfreien Berichterstattung rechnen muss.

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bb) Das Kriterium der „örtlichen Abgeschiedenheit“. Zudem ist nach der Ansicht des EGMR das Kriterium der „örtlichen Abgeschiedenheit“ (vgl insoweit BVerfG NJW 2000, 1021 [1022] – CvM: maßgeblich sei, ob der Betroffene eine Gegebenheit oder Situation vorfindet oder schafft, in der er „begründetermaßen und somit auch für Dritte erkennbar davon ausgehen darf, den Blicken der Öffentlichkeit nicht ausgesetzt zu sein“) in der Praxis zu unbestimmt und für den Betroffenen zu schwer zu handhaben.

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cc) Informationsinteresse vs Befriedigung der Neugier. Darüber hinaus betont der EGMR, dass das Gewicht, welches der Pressefreiheit im Einzelfall zukommt, maßgeblich davon abhängt, ob es sich um eine Berichterstattung über Tatsachen handelt, die einen „Beitrag zu einer Diskussion in einer demokratischen Gesellschaft leisten und Personen des politischen Lebens betreffen“, oder ob es sich um eine Berichterstattung über Einzelheiten und Aspekte des Privatlebens einer Persönlichkeit handelt, die keine derartigen Aufgaben wahrnimmt. Im Fall Caroline v Hannover diene die Berichterstattung jedenfalls lediglich dazu, die „Neugier eines bestimmten Publikums“ zu befriedigen, weshalb die Presse- und Meinungsbildungsfreiheit im konkreten Fall weniger weit auszulegen sei (s hierzu Rn 43). Mit Blick auf das Spannungsverhältnis zw Art 8 und Art 10 EMRK führt der EGMR weiterhin aus: Wird mit der Presseveröffentlichung ein berechtigtes Ziel verfolgt, das in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist (so EGMR NJW 2004, 2653 – Perna/Italien), gebührt der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit idR der Vorrang. Handelt es sich um Politiker oder sonstige „Personen des öffentlichen Lebens“ (public figures, wozu CvM aber nicht gezählt wird; anders die Meinung von Richter Barreto), so könne das Recht der Öffentlichkeit auf Informationen uU auch Aspekte des privaten Lebens einbeziehen, denn in diesem Fall spielt die Presse ihre wesentliche Rolle als „Wachhund“ in der demokratischen Gesellschaft und trägt dazu bei, „Ideen und Informationen zu Fragen allgemeinen Interesses zu vermitteln“ (vgl EGMR EuGRZ 1995, 16 [Nr 59] – Observer u Guardian/Vereinigtes Königreich).

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dd) Permanente Belästigung. Nicht zuletzt sollen im Abwägungsprozess zugunsten des Schutzes des Privatlebens auch die Belästigungen (durch Paparazzi) und sonstige Umstände, unter denen die veröffentlichten Fotos gemacht wurden, und die von den Betroffenen oft als Verfolgung empfunden werden, berücksichtigt werden.

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c) Bewertung. Bedenklich erscheint die Formulierung, dass die Freiheit der Meinungsäußerung weniger weit auszulegen sei, wenn nur die „Neugier eines bestimmten Publikums“ befriedigt werde, jedenfalls dann, wenn man sie so verstehen soll, dass die Unterhaltungs- oder Regenbogenpresse außerhalb des Schutzbereichs der Pressefreiheit steht (das KG NJW 2005, 2321 verweigert diesem Verständnis in Anlehnung an Mann NJW 2004, 3220 zu recht die Gefolgschaft). Richtig ist jedoch, dass den Kommunikationsgrundrechten in Fällen der reinen Boulevard- und Sensationsberichterstattung zumindest im Rahmen der umfassenden Güterabwägung ein geringeres Gewicht zukommt (so auch Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 17e). Darüber hinaus erscheint die Entscheidung insofern problematisch, als der EGMR keinen Versuch unternommen hat, einen Kompromiss zw den unterschiedlich ausgestalteten europäischen Persönlichkeitsrechtsschutzsystemen herzustellen, die Richter stattdessen eine kommentarlose Ausrichtung an der aus Sicht der Presse restriktiven französischen Rechtslage vornahmen und insgesamt damit eine bedenklich geringe Sensibilität für deutsche und europäische Rechtstraditionen zeigten (krit auch Ohly GRURInt 2004, 902 [911] sowie Halfmeier AfP 2004, 417 [419]). Das Urt wurde nicht der großen Kammer vorgelegt.

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d) Auswirkungen auf die deutsche Rechtsprechungspraxis. aa) Die Urteilsserie des BGH v 6.3.2007. In mehreren Urt v 6.3.2007 (NJW 2007, 1981 – Ernst August v Hannover) modifizierte der BGH seinen bisherigen Maßstab und legte ein abgestuftes Schutzkonzept an, welches in noch stärkerem Maße sowohl der abgebildeten Person als auch den von den Medien wahrgenommenen Informationsinteressen Rechnung trägt. Hierdurch relativierte das Gericht zugleich die absolute Person der Zeitgeschichte (hierzu ausf Klass AfP 2007, 517; zur Figur der absoluten PdZ s ausf Rn 176). Auch bei dieser Gruppe von Personen dürfe nicht außer Betracht bleiben, ob die Veröffentlichung und Berichterstattung einen Informationswert enthalte oder nur die Neugier befriedige. Daher sei stets zu prüfen, ob der konkreten Abbildung an sich eine Information über ein zeitgeschichtliches Ereignis zu entnehmen ist, oder ob die Abbildung an sich einen Beitrag zu einer Diskussion von allg Interesse leistet. Allerdings müsse mit Blick auf den erforderlichen Informationswert ebenfalls die dazugehörige Wortberichterstattung in die Beurteilung einfließen (s hierzu auch Rn 180 sowie 179). Zudem zeigte der 32

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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

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BGH ganz in der Manier des BVerfG eine Präferenz für ein weites Verständnis der Kommunikationsfreiheiten, indem er betont, dass die Presse selbst nach publizistischen Kriterien entscheiden dürfe, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält und was nicht. bb) Das Urt des BVerfG v 26.2.2008. Die Abkehr des BGH von früheren Maßstäben (BGH NJW 45 2007, 1981 – Ernst August v Hannover) und der damit verbundene Verzicht auf die Rechtsfigur der absoluten Person der Zeitgeschichte wurde vom BVerfG (NJW 2008, 1793 [1797] – CvM IV) akzeptiert und für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Unter Beachtung der Entscheidung des EGMR (NJW 2004, 2647 – CvH/Deutschland) differenziert das BVerfG nunmehr zw Politikern (politicians), Personen des öffentlichen Lebens (public figures, zu denen es Caroline v Hannover zählt) sowie gewöhnlichen Privatpersonen (ordinary persons) und stellt klar, dass die Zuordnung einer Person zur Gruppe der Personen des öffentlichen Lebens die Möglichkeit eröffnet, bei einem öffentlichen Informationsinteresse an dem Bericht Bilder dieser Person zu veröffentlichen, selbst dann, wenn sie dem Bereich des öffentlichen Alltagslebens entstammen. Dies sei schon vor dem Hintergrund der öffentlichen Kontrolle auch des privaten Gebarens einflussreicher Personen aus Wirtschaft, Kultur oder Medien erforderlich (BVerfG NJW 2008, 1793 [1800] – CvM IV unter Verweis auf EGMR v 1.3.2007, 510/04 – Tønsbergs Blad ua/Norwegen; EGMR v 14.12.2006, 10520/02 Nr 35ff – Verlagsgruppe NewsGmbH/Österreich; EGMR v 14.6.2005, 14991/02 – Minelli/Schweiz). Zudem sei in diesem Fall auch der Einsatz kontextfremder oder kontextneutraler Aufnahmen möglich, denn dies könne dazu beitragen, dass belästigende Auswirkungen für die betroffenen Personen vermieden werden, die einträten, wäre eine Bebilderung nur mit im Kontext des Geschehens gefertigten Aufnahmen zulässig (BVerfG NJW 2008, 1793 [1797] – CvM IV; zuletzt auch BGH NJW 2010, 3025 [3027] – Charlotte Casiraghi). Ebenfalls stellt das BVerfG jedoch unmissverständlich klar, dass es verfassungsrechtlich nicht gewährleistet ist, dass eine Person von zeitgeschichtlichem Interesse „bei Aufenthalten außerhalb einer Situation räumlicher Abgeschiedenheit stets und ohne Beschränkung für die Zwecke medialer Verwertung fotografiert werden dürfe“ (NJW 2008, 1793 [1797] – CvM IV). Maßgeblich ist damit stets die im Einzelfall vorzunehmende Interessenabwägung. Für die Gewich- 46 tung der Persönlichkeitsbelange ist dabei „neben den Umständen der Gewinnung der Abbildung, etwa durch Ausnutzung von Heimlichkeit oder beharrliche Nachstellung, auch bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird. Das Gewicht der mit der Abbildung verbundenen Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts ist erhöht, wenn die visuelle Darstellung durch Ausbreitung von üblicherweise der öffentlichen Erörterung entzogenen Einzelheiten des privaten Lebens thematisch die Privatsphäre berührt. Gleiches gilt, wenn der Betroffene nach den Umständen, unter denen die Aufnahme gefertigt wurde, typischerweise die berechtigte Erwartung haben durfte, nicht in den Medien abgebildet zu werden, etwa weil er sich in einer durch räumliche Privatheit geprägten Situation, insb einem besonders geschützten Raum, aufhält“ (vgl BVerfG NJW 2000, 1021 – CvM). „Dem Schutzanspruch des Persönlichkeitsrechts kann jedoch auch außerhalb der Voraussetzungen einer örtlichen Abgeschiedenheit ein erhöhtes Gewicht zukommen, so wenn die Medienberichterstattung den Betroffenen in Momenten der Entspannung oder des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Berufs und Alltags erfasst“ (BVerfG NJW 2008, 1793 [1797] – CvM IV). Auf der anderen Seite darf aber auch nicht die Bedeutung der Kommunikationsfreiheiten, insb der Pressefreiheit übersehen werden. Ausdr betont das BVerfG erneut, dass Unterhaltung Realitätsbilder vermitteln und Gesprächsgegenstände zur Verfügung stellen kann, an welche sich Diskussionsprozesse anschließen, die aber bspw auch auf Einstellungen, Werthaltungen und Verhaltensmuster einzelner Menschen Einfluss nehmen können, weshalb auch unterhaltenden Beiträgen eine wichtige gesellschaftliche Funktion zukommt. Vor diesem Hintergrund umfasse der Schutzbereich der Pressefreiheit auch unterhaltende Beiträge über das Privat- und Alltagsleben von Prominenten und ihres sozialen Umfeldes (BVerfG NJW 2008, 1793 [1796] – CvM IV; ZUM-RD 657 – Charlotte Casiraghi). cc) Der BGH als Diener zweier Herren. Die aktuelle Rspr des BGH zeigt, dass die Grundsätze des 47 EGMR Eingang in das deutsche System des Persönlichkeitsrechtsschutzes gefunden haben. Jedoch wurden sie nicht „eins-zu-eins“ übertragen, sondern in einer modifizierten und am deutschen Grundrechtsverständnis orientierten Form (s hierzu Rn 34). Was hat sich geändert? Die Gerichte haben sich von den Kategorien der absoluten und relativen Person der Zeitgeschichte verabschiedet. Zwar verwenden sie noch den Begriff des Zeitgeschehens, jedoch wird dieser einzelfallbezogen und nicht schematisch angewandt. Eine Bildberichterstattung über eine Person des öffentlichen Lebens ist nach der neuen Rspr nur noch zulässig, wenn eine ernsthafte und sachorientierte Erörterung einer Angelegenheit von öffentlichem Interesse erfolgt. Wird lediglich die reine Neugier der Leserschaft befriedigt und bietet auch die Wortberichterstattung keinen Nachrichtenwert, der zu einer die Allgemeinheit interessierenden Sachdebatte Anlass geben könnte, verstößt die Veröffentlichung des Bildnisses gegen § 22 KUG (vgl hierzu ausf Rn 179ff). dd) Aktuelle Kasuistik. Zurückweisung eines Anspruchs von Heide Simonis auf Unterlassung der 48 Veröffentlichung von Bildern, welche sie am Tag nach ihrem Amtsverlust bei privaten Einkäufen zeigen (BGH NJW 2008, 3134 – Heide Simonis): die Öffentlichkeit hat ein erhebliches Interesse daran zu sehen, wie eine ehemalige Ministerpräsidentin mit dem spektakulären Verlust ihres Amtes umgeht. Zurückweisung einer Klage von Caroline v Hannover gegen die Veröffentlichung eines Bildes, welches sie und ihren Ehemann auf einer belebten Straße in Kenia zeigt und das zur Bebilderung einer Wortberichterstattung über Vermietungsangebote prominenter Personen diente (BGH NJW 2008, 3141 – Kenia-Bilder): die Wortberichterstattung kann eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte über das ökonomische Denken der „Reichen und Schönen“, welche Leitbild- und KontrastN. Klass

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Allgemeiner Teil

Personen

funktionen für große Teile der Bevölkerung haben, anstoßen; zudem besteht die Möglichkeit, dass auch die Leser ihr eigenes Konsumverhalten verändern – insofern sei auch die kontextgerechte Bebilderung des Artikels gerechtfertigt. BGH NJW 2008, 3138 – Sabine Christiansen: Bestätigung des KGUrt, welches dem Antrag von Sabine Christiansen auf Unterlassung der Veröffentlichung eines Bildes, das sie und ihre Putzfrau bei Einkäufen auf einem Markt in Mallorca zeigt, stattgegeben hatte. BGH GRUR 2009, 665 – Lebensgefährte von Sabine Christiansen: Verbot der Veröffentlichung von Fotos, die eine Person des öffentlichen Interesses mit einem neuen Partner zwar in der Öffentlichkeit, aber in einer erkennbar privaten Situation zeigen, sofern kein zu berücksichtigendes Informationsinteresse besteht. BGH NJW 2009, 757 – Karsten Speck: Eine Bildberichterstattung über den Strafvollzug kann durch ein Bedürfnis nach demokratischer Kontrolle der Strafvollstreckungsbehörden gestattet sein. BGH ZUM 2009, 1499 – Andrea Casiraghi: Zulässigkeit der Veröffentlichung von Bildern des potentiellen Thronfolgers Andrea Casiraghi, die diesen kurz nach der Beisetzung des Fürsten Rainier v Monaco im Rahmen eines Portaits zeigen. BGH GRUR 2011, 259 – Rosenball in Monaco: Zulässigkeit der Veröffentlichung kontextbezogener Fotos von Charlotte Casiraghi: der Rosenball ist ein zeitgeschichtliches Ereignis. 49

e) Wortveröffentlichungen und das Herstellen von Bildnissen. Über Wortveröffentlichungen trifft der EGMR in NJW 2004, 2647 – CvH/Deutschland keine Entscheidung, und es wäre auch verfehlt, die zur Bildveröffentlichung entwickelten Grundsätze einfach auf die Wortberichterstattungen zu erstrecken (so auch Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 17h; BGH NJW 2007, 1981 – Ernst August v Hannover; zur notwendigen Differenzierung zw Wort- und Bildberichterstattung vgl jetzt auch BVerfG ZUM-RD 2010, 657 – Charlotte Casiraghi). Gleichwohl wird die Wortberichterstattung durch die vom EGMR aufgestellten Maßstäbe zur Abwägung von Persönlichkeitsrechtsschutz und Meinungsäußerungs- sowie Informationsbeschaffungsfreiheit im Kontext der Bildberichterstattung zumindest beeinflusst. Mit Blick auf die Herstellung von Bildern stellt der Gerichtshof fest, dass im Einzelfall ein Veröffentlichungsverbot in Betracht kommt, sofern die Herstellung in übermäßig belästigender Art und Weise erfolgte. Diesen Aspekt greift auch BVerfG NJW 2008, 1793 [1797] – CvM IV auf und unterstreicht, dass das beharrliche Nachstellen oder das Ausnutzen von Heimlichkeit bei der Gewichtung der Persönlichkeitsbelange zu beachten ist.

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f) Aktuell anhängige Beschwerdeverfahren. Es ist zu erwarten, dass Straßburg auch in Zukunft Einfluss auf die deutsche Rechtsprechungspraxis nehmen wird – vgl nur die aktuell anhängigen Beschwerdeverfahren Nr 40660/08 sowie 60641/08 – von Hannover/Deutschland (Gegenstand ist die von deutschen Gerichten gebilligte Veröffentlichung von Bildnissen, die Caroline und Ernst August v Hannover im Skiurlaub zeigen, und die im Kontext einer Berichterstattung über die schwere Krankheit des inzwischen verstorbenen Staatsoberhaupts von Monaco verbreitet wurden, BGH NJW 2007, 1977; BVerfG NJW 2008, 1793) sowie Nr 39954/08 Axel Springer AG/Deutschland (Gegenstand ist die von deutschen Gerichten untersagte Veröffentlichung eines Berichts über strafrechtliche Verfehlungen [Kokainfund] eines Fernsehserienstars, Hamburg AfP 2006, 257). E. Die Träger des APR I. Natürliche Personen

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1. Grundregel. Träger des APR ist jede nat Pers (BaRo/Bamberger § 12 Rn 124). Der Schutz besteht unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft, Rasse, geistigen Fähigkeiten oder dgl. Geschützt sind mithin auch Personen, die sich ihrer Persönlichkeit nicht bewusst sind oder bestimmte Eingriffe nicht als Verletzung empfinden (BGH 120, 29 [35]; LG Berlin GRUR 1974, 415; MüKo/Schwerdtner § 12 Rn 191; Staud/Hager § 823 C 19). Die persönlichkeitsrechtlichen Interessen von Kindern erfahren gar eine Schutzverstärkung durch Art 6 I, II GG (BVerfG NJW 2000, 1021 [1026] – CvM; NJW 2005, 1857 – Carolines Tochter; BGH NJW 2005, 215 – Alexandra von Hannover; NJW 2010, 1454 – Sohn von Franz Beckenbauer). Auch der nasciturus wird, sofern er verletzt werden kann, durch das APR geschützt (Staud/Hager § 823 C 19; Pal/Sprau Rn 88).

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2. Sonderproblem: Kollektivbezeichnungen. a) Grundsatz. Grds kann das APR auch tangiert sein, wenn der Einzelne als Teil eines Kollektivs (Anwälte, Polizisten, Soldaten) betroffen ist, insb wenn die Äußerungen an rassische, körperliche, ethnische oder geistige Merkmale anknüpfen, aus denen die Minderwertigkeit des Kollektivs und damit zugleich jedes einzelnen Angehörigen abgeleitet wird (BVerfG NJW 1995, 3303 [3307] – Soldaten sind Mörder IV). Nach früherer Rspr des BGH, welcher insofern weitgehend die für den strafrechtlichen Ehrenschutz entwickelten Grundsätze heranzog (im Grundsatz anerkannt auch in BVerfG NJW 2006, 3769 – Babycaust), führte die Beleidigung einer ganzen Gruppe dann zu einer Verletzung der individuellen Persönlichkeitsrechte einer Person, wenn sich die vom Äußernden bezeichnete Personengruppe aufgrund bestimmter Merkmale so deutlich von der Allgemeinheit oder anderen Bevölkerungsteilen abhob, dass der Kreis der betroffenen Personen klar erkennbar und begrenzt war (BGH 75, 160 [163]; BGHSt 11, 207 [208] mwN). Zumindest in der Theorie musste mithin feststellbar sein, welche Personen zu der genannten Gruppe gehörten und wodurch sie sich von anderen unterschieden (BayObLG NJW 1953, 554 – Patentanwälte) – der Angreifer musste die konkreten Personen jedoch nicht kennen (BGH NJW 1989, 1365). Ebenfalls keine Rolle spielte, welches konkrete Abgrenzungsmerkmal dabei einschlägig war – die Abgrenzung konnte auf dem sozialen Status, einem ethnischen Merkmal, Weltanschauungen, gesetzlichen Normen oÄ beruhen. In der jüngeren Zeit sind Rspr u Literatur jedoch deutlich zurückhaltender (Karlsruhe ZUM-RD 2007, 411; LG Karlsruhe NJW-RR 2008, 63 [64]; Damm/Rehbock Rn 394; Arzt JZ 1989, 647). Folgende Kriterien zeichnen sich dabei ab: Der Kreis möglicher Betroffener muss zahlenmäßig begrenzt sein, weshalb die Abgrenzbarkeit umso eher verneint wird, je größer die Gruppe ist und je 34

N. Klass

Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

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mehr Fluktuation mit Blick auf ihre Mitglieder vorliegt, denn in diesen Fällen „verliert sich die Beleidigung in der Unbestimmtheit“ (Karlsruhe ZUM-RD 2007, 411; Brändel HdB des Persönlichkeitsrechts § 38 Rn 3; Damm/Rehbock Rn 394). Eine Verletzung des APR ist daher idR nur in jenen Fällen zu bejahen, in denen der Einzelne erkennbar Ziel des Angriffs ist, wenn es dem Angreifer also um eine persönliche Diffamierung und nicht um eine allg Kritik an bestimmten Zuständen oder der sozialen Funktion einer bestimmten Gruppe geht (MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 20; Staud/Hager § 823 C 24; Karlsruhe ZUM-RD 2007, 411). Ausnahmen sind allenfalls bei besonders kleinen und zahlenmäßig stark beschränkten Gruppen denkbar. Eine Verletzung einzelner Personen ist zudem ausgeschlossen, wenn an Merkmale angeknüpft wird, die offenkundig nicht auf alle Mitglieder des Kollektivs zutreffen (MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 20). Insgesamt ist die Kasuistik jedoch nach wie vor uneinheitlich. b) Kasuistik. Verletzung bejaht (allg zum Ehrenschutz s Rn 94ff; speziell zur Schmähkritik s 53 Rn 254ff): BGHSt 11, 207; BGH 75, 160; BVerfG NJW 90, 241 – Auschwitzlüge: die in Deutschland lebenden Juden, die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen waren, sind kollektiv beleidigungsfähig, da das ihnen vom Nationalsozialismus auferlegte Schicksal sie zu einer Einheit verbinde, die sie aus der Allgemeinheit hervortreten lasse (bei der Rspr zur Beleidigung von Juden handelt es sich jedoch um eine Ausnahme, die in dieser Form nicht verallgemeinert werden kann; dazu auch Huster NJW 1996, 487). Frankfurt NJW 1977, 1353: Beleidigungsfähigkeit „der Polizei“, sofern die der Beleidigung zugrunde liegenden Vorwürfe erkennen lassen, dass nur eine in einen bestimmten Geschehensablauf verwickelte, also örtlich und persönlich abgrenzbare Gruppe von Polizisten gemeint ist. BGH NJW 1989, 1365: Beleidigungsfähigkeit der aktiven Soldaten der Bundeswehr. Verletzung verneint: BayObLG NJW 1953, 554 – Patentanwälte. Düsseldorf (St) NJW 1981, 1522: 54 „die Polizei“ als solche – in ihrer Gesamtheit und als Inbegriff aller polizeilichen Einrichtungen in Bund und Ländern (keine beleidigungsfähige Personengesamtheit). LG Darmstadt NJW 1990, 1997f: keine Beleidigungsfähigkeit älterer Damen durch den Ausdruck „Altweibersommer“; aber auch Frauen (LG Hamburg NJW 1980, 56), Katholiken, Protestanten und Akademiker sind nicht kollektiv beleidigungsfähig (vgl hierzu BGH NJW 1989, 1365 sowie NJW 1980, 56 [57]); ebenso wenig (mehr als 40 000) niedergelassene Ärzte, die durch „Streik“ ihre Patienten „in Geiselhaft“ nehmen (Karlsruhe NJW-RR 2007, 1342). BVerfG NJW 1995, 3303 – Soldaten sind Mörder IV: keine Beleidigungsfähigkeit, sofern alle Soldaten der Welt angesprochen werden, allerdings soll die Gruppe der (aktiven) Soldaten der Bundeswehr eine überschaubare Gruppe sein, so dass eine auf sie bezogene Äußerung auch den Einzelnen kränken kann, wenn sie an ein Merkmal anknüpft, das ersichtlich oder zumindest typischerweise auf alle Mitglieder des Kollektivs zutrifft (aaO, 3306) – der Vorwurf sei jedoch nicht, dass alle Soldaten der Welt einen Menschen iSd § 211 StGB gemordet haben, sondern, dass alle Soldaten ein mörderisches Handwerk betreiben. c) Der Schutz von Personenvereinigungen. Zudem kann sich im Einzelfall auch eine Personenver- 55 einigung auf den Schutz durch das APR berufen (zum APR von Personenvereinigungen Rn 57ff). d) Abgeleitete Betroffenheit. Gegen eine verletzende Berichterstattung kann jedoch nicht vor- 56 gehen, wer nur mittelbar belastet ist (BGH NJW 1980, 1790): anspruchsberechtigt ist stets nur der unmittelbar Betroffene. Beeinträchtigungen einzelner Familienmitglieder betreffen weder andere Familienmitglieder noch die Familie als solche, mögen sie auch als kränkend empfunden werden. Keine Beleidigung der Ehefrau liegt daher vor, sofern behauptet wird, der Ehemann habe mit einer anderen Frau die Ehe gebrochen, BGH NJW 1970, 1599. Ebenfalls ist keine Beleidigung des Vaters gegeben aufgrund der Behauptung, seine Söhne seien homosexuell, BGH NJW 1969, 1110. Wenn wg eines schweren Verbrechens der Familienname des Täters in der Zeitung genannt wird, ist dies keine Beleidigung und idR auch keine Persönlichkeitsrechtsverletzung des Bruders des Täters (BGH NJW 1980, 1790). Eine Beleidigung des Vaters (Verdächtigung als Mörder) soll grds auch nicht die Ehre der Tochter (BGH GRUR 1974, 797 [880] – Fiete Schulze) verletzen. Unklar ist jedoch, ob es eine eigenständige Familienehre gibt (Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 325 spricht sich angesichts der Anerkennung eines APR für Personenvereinigungen für einen solchen Schutz aus; BGH NJW 1951, 531 verneint eine eigenständige Familienehre; offengelassen allerdings in BGH NJW 1969, 1110 [die Familie C. führe ein sittlich verfehltes Leben] sowie in BGH NJW 1970, 1599). Nach BGH NJW 1970, 1599 qualifizieren sich aber selbst bei Anerkennung einer Familienehre nur solche herabsetzenden Äußerungen als deren Verletzung, die sich gegen sie als eine eigenständige Gemeinschaftsehre richten; ein Anspruch der zu diesem Kreis gehörenden Personen auf eine Geldentschädigung ist jedenfalls ausgeschlossen (BGH GRUR 1974, 797 [880] – Fiete Schulze). II. Persönlichkeitsrechtsschutz für Personenvereinigungen: Vom Persönlichkeits- zum Imageschutz Schrifttum: Born, Gen-Milch und Goodwill – Äußerungsrechtlicher Schutz durch das Unternehmenspersönlichkeitsrecht, AfP 2005, 110; Brauer, Das Persönlichkeitsrecht der juristischen Person, 1962; Fellner, Persönlichkeitsschutz juristischer Personen, 2007; Gostomzyk, Äußerungsrechtliche Grenzen des Unternehmenspersönlichkeitsrechts – Die Gen-Milch-Entscheidung des BGH NJW 2008, 2082; Kau, Vom Persönlichkeitsschutz zum Funktionsschutz, Persönlichkeitsschutz juristischer Personen des Privatrechts in verfassungsrechtlicher Sicht, 1989; Klippel, Der zivilrechtliche Persönlichkeitsschutz von Verbänden, JZ 1988, 625; Leßmann, Persönlichkeitsschutz juristischer Personen, AcP 170 (1970), 266; Lilienfeld-Toal, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht juristischer Personen des Zivilrechts, 2003; Meissner, Persönlichkeitsschutz juristischer Personen im deutschen und US-amerikanischen Recht, eine rechtsvergleichende Untersuchung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts juristischer Personen, 1998; Quante, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht juristischer Personen, 1999; Wronka, Das Persönlichkeitsrecht juristischer Personen, 1972; Wronka, Persönlichkeitsschutz juristischer Personen unter zivil- und verfassungsrechtlichen Aspekten, WRP 1976, 425.

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Allgemeiner Teil

Personen

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1. Persönlichkeitsrechtsschutz für Personenvereinigungen? Jur Pers des Privatrechts (zur Beurteilung jur Pers des öffentlichen Rechts vgl Rn 67), nichtsrechtsfähige Vereine (BGH NJW 1971, 1655; NJW 1974, 1762 – Deutschland-Stiftung; LG Hamburg BeckRS 2010, 05472) sowie Personengesellschaften (BGH NJW 1980, 2807), die einen Namen (Firma) führen, denen Rechte zugeordnet werden und die rechtliche Pflichten begründen können, genießen nach überwiegender Ansicht in der Rspr (BGH NJW 2008, 2110 [2112] – Gen Milch; NJW 2009, 3580 – unsaubere Geschäfte; NJW 1984, 1956 [1957] – Mordoro; NJW 1975, 1882 [1883] – Geist von Oberzell; BVerwG NVwZ 2008, 1371 [1372] Brandenburg ZUM-RD 2001, 169; Hamburg NJW 2009, 1510 – Contergan; Köln NJW 1987, 1415 [1416]; Frankfurt NJW 1982, 648 – Lusthansa; LG Hamburg ZUM-RD 2003, 48 [49] – Bundeskanzleramt; Köln NJW-RR 2001, 1486 [1487] – Lindenstraße; LG Hamburg NJW-RR 2006, 844 [845] – Vereinspersönlichkeitsrecht; LG Köln NJOZ 2010, 1233) Schutz durch das APR, wobei der konkrete Umfang durch das Wesen der jur Pers, ihre satzungsmäßigen Funktionen sowie durch ihren sozialen Geltungsanspruch beschränkt wird. Diese inhaltliche und thematische Begrenzung (sog Funktionsschutz) wird von den Gerichten in folgender Formel zusammengefasst: „Eine Ausdehnung der Schutzwirkung dieses Rechts über natürliche Pers hinaus auf juristische Pers ist nur insoweit gerechtfertigt, als sie aus ihrem Wesen als Zweckschöpfung des Rechts und ihren Funktionen dieses Rechtsschutzes bedürfen. Das ist insbesondere der Fall, wenn sie in ihrem sozialen Geltungsbereich als Arbeitgeber oder als Wirtschaftsunternehmen betroffen werden“ (BGH NJW 1994, 1281 [1282] – Jahresabschluss). In der Literatur ist die Anerkennung eines APR für Personenvereinigungen nicht unumstritten (zust: Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 290; BaRo/Bamberger § 12 Rn 124; Pal/Sprau § 823 Rn 92; Born AfP 2005, 110 [111]; Wegner, HdB des Persönlichkeitsrechts § 32 Rn 173; Brändel, HdB des Persönlichkeitsrechts § 39 Rn 1; krit: Kau, 42ff; Brauer, 40; Quante, 130; Raue AfP 2009, 1; Jarass NJW 1989, 857 [860]; MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 21; Lettl WRP 2005, 1045 [1050]; Schramm GRUR 1972, 348 [351]). Der Schutz des APR soll zudem auch politischen Parteien zugute kommen (Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 290; BaRo/Bamberger, § 12 Rn 98; Pal/Sprau § 823 Rn 92; München NJW 1996, 2515; LG Mainz NJW 2001, 761 [762] – NPD-Boykott).

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2. Schutzumfang und dogmatische Herleitung. Der genaue Schutzumfang sowie die dogmatische Herleitung eines solchen APR von Personenvereinigungen (oft auch schlagwortartig als „Unternehmenspersönlichkeitsrecht“ bezeichnet, Hamburg NJW 2009, 1510 – Contergan; LG Köln NJOZ 2010, 1233; auch BGH NJW 2008, 2110 [2112] – Gen-Milch spricht vom „Persönlichkeitsrecht des Unternehmens“) sind jedoch unklar (so auch Staud/Weick § 12 Rn 30: unscharf und verschwommen, sowie Peifer, Individualität im Zivilrecht, 502). Mit Blick auf die Schutzgewährleistung wird zum einen betont, dass jedenfalls rein ideelle Belange bei Personenvereinigungen, insb bei Wirtschaftsunternehmen, zurücktreten müssten und erst dann Bedeutung erlangen könnten, wenn sie sich in einem geschäftlichen Interesse niederschlagen (Frankfurt NJW 1982, 648 – Lusthansa). Zum anderen ist weitgehend anerkannt, dass der soziale Geltungs- und Achtungsanspruch der Personenvereinigungen als Arbeitgeber oder Wirtschaftsunternehmen und damit insb die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit von Unternehmen geschützt ist (BGH NJW 1994, 1281 [1282] – Jahresabschluss).

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a) Kein Schutz durch verfassungsrechtliches APR. Es ist jedoch durchaus fragwürdig, ob das APR mit Blick auf seine enge Verflechtung mit der Menschenwürde und der nach Art 2 I GG geschützten persönlichen Lebenssphäre überhaupt auf Personenvereinigungen übertragbar ist, insb ist unklar, ob ein verfassungsrechtlich abgesicherter Schutz durch das APR angezeigt ist (erneut offengelassen in BVerfG NJW 2010, 3501 [3502] – Gen-Milch). Dies erscheint insb vor dem Hintergrund dogmatisch bedenklich, dass das APR seine Berechtigung zu gleichen Teilen aus der verfassungsrechtlich geschützten Menschenwürde und damit aus Art 1 I GG sowie aus Art 2 I GG zieht (krit insofern auch Raue AfP 2009, 1; Schramm GRUR 1972, 348 [351]; Di Fabio in Maunz/Dürig Art 1 Rn 224; Born AfP 2005, 110 [111]; Staud/Weick § 12 Rn C 30). Mit der Menschenwürde jedenfalls hat die Betätigung von Unternehmen nichts zu tun (so auch Raue AfP 2009, 1 mit Blick auf die Unternehmensdarstellung). Letztlich scheint eine Berufung auf das verfassungsrechtlich geschützte APR auch schon mit Blick auf Art 19 III GG zu scheitern, denn ein solchermaßen aus beiden Normen gespeistes Recht (Di Fabio in Maunz/Dürig Art 1 Rn 224: das APR erhält gerade aufgrund seiner „Bereichsüberschneidung mit Art 1 I GG konkrete Konturen und hebt sich hierdurch qualitativ von der allgemeinen Handlungsfreiheit ab“) ist seinem Wesen nach nicht auf Personenvereinigungen anwendbar. Jur Pers können nicht Träger der Menschenwürde sein, denn diese bezieht sich ausschließlich auf Angehörige der menschlichen Gattung (Herdegen in Maunz/Dürig Art 1 Rn 72; Jarass NJW 1989, 857 [860]; Staud/Weick § 12 Rn C30; das BVerfG lässt diese Frage ausdr offen: NJW 1994, 1784 sowie NJW 2010, 3501 – Gen-Milch; unklar auch BVerfG NJW 2007, 2464 [2471]: es lasse sich nicht allg angeben, ob das APR seinem Wesen nach auf jur Pers anwendbar ist; dies sei differenziert zu betrachten). I Erg spricht daher viel dafür, einen Schutz durch das verfassungsrechtliche APR zu verneinen.

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b) Schutz von Personenvereinigungen durch zivilrechtliches APR. Einfacher, wenn auch nicht vollends überzeugend zu konstruieren ist ein persönlichkeitsrechtlicher Schutz von jur Pers über das zivilrechtliche APR, denn wie schon aus anderen Bereichen des APR (zB postmortaler Schutz kommerzieller Aspekte, hierzu ausf Rn 74) anerkannt, können die Zivilgerichte umfassenderen Schutz gewähren (BVerfG NJW 2006, 3409 [3410] – Blauer Engel II), insb auch in Fällen, in denen eine Berufung auf Art 1 I GG scheitert (so auch Jarass NJW 1989, 857 [860]). Jedoch würde ein solches zivilrechtliches APR dann zwangsläufig einen geringeren Schutz aufweisen, Brandenburg ZUM-RD 2011, 169 (170), da die verfassungsrechtliche Verstärkung durch die Menschenwürde fehlt (BVerfG NJW 2005, 883; Hamburg NJW 2009, 1510; Gostomzyk NJW 2008, 2082). Allenfalls könnten Art 2 I GG (allg Handlungsfreiheit) bzw Art 12 GG der Position im Einzelfall Gewicht verleihen (LG Köln NJOZ 2010, 1233 [1234]; Degenhart PharmR 2010, 261 [263]). Grds ist jedoch zu beachten, dass die Teilnahme 36

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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

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von Unternehmen am Marktgeschehen, aber auch die Tätigkeit von Vereinen und Parteien in der Öffentlichkeit stattfindet, so dass hier auch insofern ein deutlich schwächerer Schutz bestehen würde, insb besteht typischerweise kein Privatsphärenschutz. Letztlich kann aber auch auf zivilrechtlicher Ebene vor dem Hintergrund, dass sich sowohl der Tätigkeitskreis als auch die schützenswerten Interessen nat Pers stark von jenen jur Pers unterscheiden, eine pauschale Übertragung der für den Persönlichkeitsschutz nat Pers entwickelten Grundsätze nicht stattfinden (so auch Leßmann AcP 170 (1970), 266 [267]). Jur Pers sind wesensmäßig von dem personenrechtlichen Bereich, soweit dieser nat Pers in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen bzw die Entfaltung der geistig-sittlichen Individualität einzelner Menschen betrifft, ausgeschlossen (BGH GRUR 1976, 379 [380] – KSB). Unternehmen selbst haben keine Persönlichkeit (ähnlich auch MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 21) – bei jur Pers findet sich allenfalls „ein blasser Abklang“ (Jarass NJW 1989, 857 [860]) dessen, was Persönlichkeit bei nat Pers bedeutet. Aus dogmatischer Sicht sprechen daher insgesamt die überwiegenden Gründe gegen einen Schutz 61 durch das APR, wie es von der Rspr in Umsetzung der Schutzgebotsfunktion der Grundrechte entwickelt wurde. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Personenvereinigungen in den bisher über das APR geschützten Konstellationen schutzlos bleiben sollen – jedoch muss der Schutz im Interesse eines auch in der Zukunft starken APR und auch vor dem Hintergrund der Gefahr der Verwässerung der Begrifflichkeiten auf tragfähigere Füße gestellt werden. Der Begriff des Unternehmerpersönlichkeitsrechts sollte daher aufgegeben werden, ähnlich auch Peifer, Individualität im Zivilrecht, 507 sowie Helle AfP 1989, 697 (699); Kau, Vom Persönlichkeitsschutz zum Funktionsschutz, 101 (insb Fn 34). Stattdessen sollte man dazu übergehen, die bisher anerkannten einzelnen Schutzbereiche konkret zu benennen. Ein Recht generalklauselartiger Weite wie das APR, das offen und unbestimmt ist, weil dies auch auf das Rechtsgut (Persönlichkeit) zutrifft, dessen Schutz es dient, ist im Bereich des Unternehmensschutzes jedenfalls insb auch vor dem Hintergrund existierender Verhaltensnormen des Delikts-, des Kennzeichen- und Wettbewerbsrechts nicht erforderlich. Hierfür spricht auch die Tatsache, dass die Rechtsordnung bislang stets mit Blick auf Wesen und Gehalt des betroffenen Schutzbereichs des APR entscheidet, ob dieses auch auf Unternehmen übertragbar ist (so auch Brauer, 65). Zudem beschränkt sich der Schutz in der Praxis bislang primär auf den Schutz der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit, welche als Teil der allg Handlungsfreiheit geschützt wird (BVerfG NJW 1994, 1784 – Jahresabschluss, mit Blick auf das zivilrechtliche APR; Hamburg BeckRS 2009, 04376; LG Mainz NJW 2001, 761 [762] – NPD-Boykott; mit Blick auf politische Parteien). Darüber hinaus lassen sich zumindest mit Blick auf den Unternehmensschutz keine Unterschiede zum Recht am Gewerbebetrieb erkennen – der Schutzzweck scheint nahezu identisch zu sein, jedenfalls verwenden die Gerichte beide Rechtsinstitute unter der einschränkenden Voraussetzung des betriebsbezogenen Eingriffs (Born AfP 2005, 110 [112]; Köln NJW-RR 2007, 698 [701] – Gen-Milch). Nicht zuletzt ist der Schutz von Personenvereinigungen über das APR auch subsidiär zu einem im Einzelfall bestehenden spezialgesetzlichen Schutz, zB nach dem MarkenG oder dem UWG (Köln NJW-RR 2007, 698 [701] – Gen-Milch). Unternehmen sollen mithin nicht schutzlos gestellt werden – auch sofern es um ihren sozialen Geltungsanspruch geht –, allerdings gibt es dogmatisch bessere Wege, um den (insb Image-)Schutz zu garantieren, als auf das APR zu rekurrieren und es in einer „entkernten“ Form anzuwenden. 3. Anerkannte Schutzbereiche. Trotz fehlender dogmatischer Begründung haben die Gerichte in 62 der Vergangenheit verschiedene Schutzbereiche anerkannt. a) Das Recht am gesprochenen Wort. Nach überwiegender Ansicht (BVerfG NJW 2002, 3619 [3622]; NJW 2007, 2464 [2471]; BAG NJW 2010, 104 [106]; Brändel HdB des Persönlichkeitsrechts § 39 Rn 3; BAG NJW 2010, 104; abl: MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 21: jur Pers sprechen kein Wort) können sich jur Pers auf das durch das APR geschützte Recht am gesprochenen Wort als Ausprägung des APR berufen (s hierzu Rn 196). Dem stehe auch die dogmatische Fundierung in Art 1 GG nicht entgegen, da der Schutz dieses Rechts nicht von einem besonderen personalen Kommunikationsinhalt abhänge, vielmehr sichergestellt werden soll, dass sich die Beteiligten in der Kommunikation eigenbestimmt und situationsangemessen verhalten können (BVerfG NJW 2002, 3619 [3622]). Jur und nat Pers befänden sich mithin in einer vergleichbaren grundrechtstypischen Gefährdungslage (BVerfG NJW 2002, 3619 [3622]; BAG NJW 2010, 104 [106]). b) Das Recht am eigenen Bild. Ob für jur Per auch ein Recht am eigenen Bild (s dazu Rn 167ff) an- 63 zuerkennen ist, hat das BVerfG offengelassen (NJW 2005, 883), der BGH scheint jedenfalls einen Schutz des Emblems zu gewähren, sofern das Unternehmen durch die unberechtigte Nutzung in seinem sozialen Geltungsanspruch als Wirtschaftsunternehmen betroffen ist (BGH NJW 1986, 2951 – BMW Bums Mal Wieder). Die bildliche Aufnahme einer Betriebsstätte genießt keinen verfassungsrechtlich gewährleisteten Persönlichkeitsrechtsschutz (Brändel HdB des Persönlichkeitsrechts § 39 Rn 3). Im Rahmen dieser Fallgruppe zeigt sich erneut die Ungeeignetheit personaler Rechte zum Schutz von Personenvereinigungen – denn zu klären, was das einem Bildnis einer nat Pers vergleichbare Bild eines Unternehmens sein soll, erscheint äußerst problematisch; auch Peifer, Individualität im Zivilrecht, 508, betont, dass der Schutz der natürlichen Rechtsgüter Bildnis oder Stimme denknotwendig eine nat Pers als Rechtsträger voraussetze. c) Schutz vor unbefugter Namensnutzung. Die unbefugte Verwendung des Namens einer Per- 64 sonenvereinigung, insb zu Werbezwecken, kann deren „Persönlichkeitsrecht“ verletzen (BGH NJW 1981, 2402; Düsseldorf NJW-RR 1990, 293; Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 297; zum Namensschutz einer Universität nach § 12 Karlsruhe GRUR 1986, 479 – Universitätsspiegel). Wird der Name oder das Emblem auf einem Scherzartikel verwandt, kann neben dem Namensschutz auch der Schutz des N. Klass

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Allgemeiner Teil

Personen

wirtschaftlichen Rufs (s hierzu Rn 65) betroffen sein – allerdings werden die Grenzen hier recht weit gezogen (BGH NJW 1986, 2951 – BMW Bums Mal Wieder; Frankfurt NJW 1982, 648 – Lusthansa; BGH NJW 1984, 1956 [1957] – Mordoro; Hamburg NJW-RR 1999, 1060 [1062] – Bild Dir keine Meinung), denn rein ideelle Interessen können bei Wirtschaftsunternehmen nicht ausgemacht werden, weshalb sie bei einer satirisch-spöttischen Anspielung auf ihren Namen nur dann rechtlichen Schutz beanspruchen können, wenn die Darstellung nach Inhalt und Form geeignet ist, die jur Per in ihrem Ansehen als Wirtschaftsunternehmen oder Arbeitgeber vor der Öffentlichkeit – und damit geschäfts- oder betriebsbezogen – herabzusetzen (Frankfurt NJW 1982, 648 – Lusthansa). 65

d) Schutz des wirtschaftlichen Rufes („wirtschaftliche Ehre“). aa) Ehrenschutz für jur Personen? Ebenfalls als Teil des „Unternehmenspersönlichkeitsrechts“ soll die „wirtschaftliche Ehre“ geschützt sein (BGH NJW 2009, 1872 [1873] – Fraport; NJW 2009, 3580 – Unsaubere Geschäfte; BVerwG NVwZ 2008, 1371; Brandenburg, ZUM-RD 2011, 169; Bamberg NJOZ 2005, 1475 [1476] mit Blick auf einen Idealverein; Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 290). Gesichert werden soll damit das wirtschaftliche Ansehen jur Pers und mithin ihr guter Ruf, welcher sowohl durch Tatsachenbehauptungen als auch durch Werturteile verletzt werden kann (zur Abgrenzung s Rn 98ff, insb 101). Zwar wird Ehrenschutz schon weitgehend durch vorrangig anwendbare Spezialregelungen wie § 823 II iVm § 185 StGB sowie durch § 824 und lauterkeitsrechtliche Normen, insb § 4 Nr 7 UWG (Schmähkritik), gewährleistet, allerdings wird ein darüber hinausgehender, mit Blick auf den Aufgaben- und Funktionsbereich begrenzter zivilrechtlicher Ehrenschutz als Ausfluss des sog „Unternehmenspersönlichkeitsrechts“ für erforderlich gehalten (Kort NJW 2006, 1098 [1099f]). Diesem komme insofern eine Auffangfunktion zu (Verunglimpfung bekannter Marken in Fällen fehlender markenmäßiger Benutzung, zB in Form von Markenparodien, öffentlicher Kritik an Waren und Unternehmen, Boykottaufrufen sowie Veröffentlichungen krit Warentestergebnisse außerhalb von Wettbewerbsverhältnissen). Nicht überzeugend dargelegt und begründet wird jedoch, inwiefern jur Pers überhaupt in der eigenen Ehre – die ja primär als der Achtungsanspruch des Menschen vor sich selbst (innere Ehre) verstanden wird – verletzt werden können, zumal sich der Ehrbegriff in dieser Form aus der Menschenwürde ableitet, die jedoch auf Personenvereinigungen nicht anwendbar ist (Herdegen in Maunz/Dürig Art 1 Rn 72; Jarass NJW 1989, 857 [860]; Staud/Weick § 12 Rn C 30). Eine Beeinträchtigung kommt insofern allenfalls nur mit Blick auf die „äußere Ehre“ verstanden als Anrecht auf Wahrung des Geltungsanspruchs innerhalb der Gesellschaft („guter Ruf“) in Betracht; ähnlich auch Peifer, Individualität im Zivilrecht, 515. Jedoch fehlen auch hier klare dogmatische Grenzziehungen. Inhaltlich geht es in diesen Fällen jedenfalls um den Schutz des etablierten Images eines Produkts oder Unternehmens – und mithin um Image- und nicht Ehrenschutz.

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bb) Anerkannte Schutzbereiche im Einzelnen. Im Rahmen der Fallgruppe des „wirtschaftlichen Ehrenschutzes“ sollen sich jur Per gegen unwahre Tatsachenbehauptungen zur Wehr setzen können, soweit diese einen gewisse Eingriffsschwelle überschreiten. Werturteile, insb in Form von Gewerbekritik, müssen sich Unternehmen jedoch idR gefallen lassen, selbst wenn sie überzogen, plakativ oder polemisch sind (so auch Gostomzyk NJW 2008, 2082; BGH NJW 2009, 3580 [3582] – Unsaubere Geschäfte); erst wenn die gezielte Herabsetzung im Vordergrund steht, sei eine Grenze erreicht (BGH NJW 1984, 1956 [1957] – Mordoro; bejaht bspw vom LG Hamburg GRUR 2000, 514 [515] – Deutsche Pest). Zudem ist auch Schmähkritik im Kontext unternehmensbezogener Äußerungen unzulässig (Wanckel HdB des Persönlichkeitsrechts § 19 Rn 49; Höch HdB des Persönlichkeitsrechts § 21 Rn 21; LG Hamburg GRUR 2000, 514 [515] – Deutsche Pest; Frankfurt NJW 1990, 2002 – Restaurantkritik: „wie eine Portion Pinscherkot“ in den Teller „hineingeschissen“), jedoch ist in den meisten Fällen aufgrund eines oftmals bestehenden Wettbewerbsverhältnisses ohnehin § 4 Nr 7 UWG einschlägig (BGH NJW 1987, 1082: Bejahung der Wettbewerbsabsicht bei einer Restaurantkritik). Verbraucheraufklärung sowie generelle Produkt- oder Branchenkritik sind idR mangels eines betriebsbezogenen Eingriffs zulässig (vgl hierzu aktuell die Gen-Milch-Entscheidungen BVerfG NJW 2010, 3501; BGH NJW 2008, 2110 – Gen-Milch; Born AfP 2005, 110). Wird zum Boykott gegen ein Unternehmen aufgerufen, ist dieser in erster Linie nach § 4 Nr 10 UWG zu beurteilen, ein Schutz durch das APR in Form des Unternehmenspersönlichkeitsrechts soll jedoch neben dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als Auffangtatbestand außerhalb von Wettbewerbsverhältnissen zur Anwendung gelangen (Born AfP 2005, 110 [115]; LG Mainz NJW 2001, 761 [762] – NPD Boykott: Schmähung der Marke und des Unternehmens; Frankfurt NJW 1990, 2002 – Restaurantkritik). Aussagen über die persönlichen Verhältnisse einzelner Unternehmensmitarbeiter, die in exponierter Stellung tätig sind, zB als Vorstand, Aufsichtsrat oder Gesellschafter, sollen das Persönlichkeitsrecht des Unternehmens hingegen unberührt lassen, da es an einem betriebsbezogenen Eingriff mangele (Damm/Rehbock Rn 446; vgl auch BGH NJW 2009, 3580 [3582] – Unsaubere Geschäfte, zur Grenze der zulässigen Kritik ggü Führungskräften).

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cc) Ehrenschutz für jur Pers des öffentlichen Rechts. Neben privaten Personenvereinigungen sollen auch jur Pers des öffentlichen Rechts zivilrechtlichen Ehrenschutz beanspruchen können, sofern ihr Ruf in der Öffentlichkeit in unzulässiger Weise herabgesetzt wird (Düsseldorf BeckRS 2007, 06187) – allerdings soll der Schutz in diesem Fall nicht dem APR, sondern allenfalls § 185 StGB iVm § 823 II entspringen (Heller/Goldbeck ZUM 2007, 628 [635]; vgl insofern auch BGH NJW 2009, 915 [916]). Zudem darf die Schutzgewährung nicht dazu führen, sachliche Kritik an der öffentlichen Verwaltung und ihren Amtsträgern zu verhindern (BGH NJW 2008, 2262 [2265]), vielmehr soll ein Mindestmaß an öffentlicher Anerkennung gewährleistet werden, das erforderlich ist, damit die öffentliche Stelle oder Einrichtung ihre Funktion erfüllen kann und das „unerlässliche Vertrauen in die Integrität öffentlicher Stellen nicht infrage gestellt wird“ (BGH NJW 2009, 915 [916]).

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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

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4. Besonderheiten im Sanktionensystem: Kein Anspruch auf Ersatz von Nichtvermögensschäden. 68 Die Verletzung des APR einer Personenvereinigung kann Ansprüche auf Unterlassung, Widerruf, Gegendarstellung und Schadensersatz auslösen. Str ist jedoch, ob auch ein Anspruch auf Ersatz von Nichtvermögensschäden besteht. Befürwortend: EGMR NJW 2006, 591 [593] – Karhuvaara und Iltalehti/Finnland: Anspruch einer Handelsgesellschaft auf Ersatz des Nichtvermögensschadens; BGH NJW 1981, 675 [676] – Scientology: unzulässige Berichterstattung über eine Weltanschauungsgemeinschaft. Zu Recht abl, insb da der im Persönlichkeitsrechtsschutz anerkannte Geldentschädigungsanspruch unmittelbar aus Art 2 I iVm Art 1 I GG abgeleitet wird und mit einer Geldentschädigung nicht der Personen- oder Kapitalgesellschaft Genugtuung verschafft wird, sondern allenfalls den in ihr verbundenen nat Pers: Brändel HdB des Persönlichkeitsrechts § 39 Rn 10; MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 21; Ricker NJW 1990, 2097 [2099]; aber auch BGH NJW 1980, 2807 [2810] – Medizin Syndikat I). III. Postmortaler Persönlichkeitsrechtsschutz Schrifttum: Ahrens, Postmortales Persönlichkeitsrecht und Kunstfreiheit: Anmerkung zum BGH-Urt v 16.9.2008 – VI ZR 244/07, JZ 2009, 214; Beuthien, Persönlichkeitsgüterschutz vor und nach dem Tode, 2002; Forkel, Das Persönlichkeitsrecht am Körper, gesehen besonders im Lichte des Transplantationsgesetzes, JURA 2001, 73; Gregoritza, Die Kommerzialisierung von Persönlichkeitsrechten Verstorbener, 2003; Hillgruber, Das Vor- und Nachleben von Rechtssubjekten, JZ 1997, 975; 26; Jung, Die Vererblichkeit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, 2005; Knellwolf, Postmortaler Persönlichkeitsschutz – neuere Tendenzen in der Rechtsprechung, ZUM 1997, 783; Kühnl, Zum Fortbestehen des Geheimnisschutzes nach dem Tode des Patienten, JA 1995, 328; Luther, Postmortaler Schutz nichtvermögenswerter Persönlichkeitsrechte, 2009; Schack, Das Persönlichkeitsrecht der Urheber und ausübenden Künstler nach dem Tode, GRUR 1985, 352ff; Schulze Wessel, Die Vermarktung Verstorbener, 2001 (dazu Bspr von Müller AfP 2002, 182); Seifert, Postmortaler Schutz des Persönlichkeitsrechts und Schadensersatz, NJW 1999, 1889; Westermann, Das APR nach dem Tode seines Trägers, FamRZ 1969, 561; Wortmann, Die Vererblichkeit vermögensrechtlicher Bestandteile des Persönlichkeitsrechts, 2005.

1. Verfassungsrechtlicher postmortaler Persönlichkeitsrechtsschutz. a) Grundlage des Schutzes. 69 Der Schutz der Persönlichkeit eines Menschen endet nicht plötzlich mit dem Tode, vielmehr wird der allg Achtungsanspruch, der jedem Menschen kraft seines Personenseins zusteht, sowie der sittliche, personale und soziale Geltungsanspruch, den eine Person durch ihre Leistungen erworben hat, auch nach dem Tode geschützt (BVerfG 30, 173 [194] – Mephisto; NJW 1993, 1462 – Heinrich Böll; NJW 2001, 2957 [2958f] – Kaisen; ZUM 2008, 323 [324] – Ehrensache; BGH 15, 249 [259] – Cosima Wagner; 50, 133 [136ff] – Mephisto; NJW 1996, 593 [594] – Willy Brandt; 143, 214 – Marlene Dietrich; ZUM 2006, 211; NJW 2007, 684 – kinski-klaus.de; Maunz/Dürig Art 1 Rn 57; MüKo/Leipold § 1922 Rn 101). Rechtsgrundlage dieses Schutzes ist Art 1 I GG, nicht jedoch Art 2 I GG, da dieser die Existenz einer wenigstens potenziell und zukünftig handlungsfähigen Person voraussetzt (BVerfG ZUM 2008, 323 [324] – Ehrensache). Postmortaler Persönlichkeitsrechtsschutz auf der Basis von Art 1 I GG wird mithin in erster Linie gewährt, um den Einzelnen auch nach seinem Tode vor einer Ausgrenzung, Verächtlichmachung, Verspottung, Erniedrigung oder Herabwürdigung zu verschonen (BVerfG NJW 2001, 2957 – Kaisen, m Anm Zacharias NJW 2001, 2950). Die Gewährung eines solchen postmortalen Schutzes erscheint aber auch erforderlich, um das APR zu Lebzeiten abzusichern, denn müsste der Einzelne befürchten, dass seine Würde und seine Person nach dem Tode schutzlos gestellt ist, könnte ihn dies schon zu Lebzeiten in seiner Persönlichkeitsentfaltung beeinträchtigen (BGH 50, 133 [138f] – Mephisto, sowie Staud/Hager § 823 C 35 mwN). b) Schutzumfang. Allerdings ist der postmortale Schutz der Persönlichkeit nicht identisch mit der 70 Schutzwirkung des verfassungsrechtlichen APR zu Lebzeiten, denn eine solche Annahme liefe auf eine Gleichsetzung der Menschenwürde mit dem APR hinaus, welche der normativen Bedeutung der Menschenwürdeverbürgung nicht gerecht würde (BVerfG NJW 2001, 594 – Willy Brandt). Der Verstorbene genießt daher einen reduzierten und mit zunehmendem Zeitablauf abnehmenden Schutz. Der maßgebliche Grund hierfür liegt darin, dass die Menschenwürde nicht mit der Meinungsfreiheit oder einem anderen Grundrecht abwägungsfähig ist, der Schutz also nicht im Zuge einer Güterabwägung relativiert werden kann, während es im Falle eines Konflikts zw dem APR und der Meinungsfreiheit regelmäßig zu einer Abwägung kommt (BVerfG NJW 2001, 2957 [2959] – Kaisen). Es genügt daher nicht, wenn der geltend gemachte „Eingriff“ die Menschenwürde nur „berührt“, vielmehr muss eine „Verletzung“ der Menschenwürde zu konstatieren sein, welche wiederum vor dem Hintergrund, dass sämtliche Grundrechte Konkretisierungen der Menschenwürde sind, nur nach sorgfältiger Begründung angenommen werden darf (BVerfG NJW 1995, 3303 [3304] – Soldaten sind Mörder IV). Der Schutzbereich des Art 1 I GG kann postmortal nicht größer sein als er es praemortal ist, die Verletzung postmortaler Persönlichkeitsrechte unterliegt mithin denselben verfassungsrechtlichen Vorgaben wie die Verletzung der Menschenwürde zu Lebzeiten. Zudem nimmt auch das praktisch bestehende Schutzbedürfnis mit zunehmendem Zeitablauf und 71 dem Verblassen der Erinnerungen an den Verstorbenen ab. Die dogmatische Fundierung des postmortalen Schutzes führt daher letztlich dazu, dass die Gewährung verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsrechtsschutzes nach dem Tode „nur“ der Absicherung ideeller Interessen des Verstorbenen dient. Primär geschützt werden mithin der allg Achtungsanspruch, der dem Menschen kraft seines Personenseins zusteht sowie der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Leistung erworben hat (BVerfG ZUM 2008, 323 [324] – Ehrensache; VGH München NVwZRR, 630 – Meiserstraße: aber kein Schutz vor einer sachlichen, nicht entehrenden Diskussion über Bedeutung und Lebensleistung einer in herausgehobener Position tätig gewesenen Person). Kommerzielle Interessen werden hingegen verfassungsrechtlich nicht geschützt, es sei denn, dass sie N. Klass

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Personen

gleichzeitig mit einer Menschenwürdeverletzung verbunden sind (BVerfG NJW 2006, 3409 [3410] – Blauer Engel II). Dies ist jedoch nur der Fall, wenn Persönlichkeitsbestandteile eines Verstorbenen so ausgenutzt werden, dass sein Achtungsanspruch beeinträchtigt wird, etwa durch eine erniedrigende oder entstellende Werbung. Die kommerzielle Ausbeutung der Persönlichkeit jenseits dieser Konstellationen tastet die Menschenwürde hingegen regelmäßig nicht an, da eine solche Werbung unter den heutigen sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Anerkennung des unfreiwilligen Werbeträgers nicht schmälert. Das insofern allenfalls betroffene Selbstbestimmungsrecht über die kommerzielle Nutzung und der hierdurch betroffene Aspekt der Persönlichkeitsentfaltung unterliegen jedoch nicht der verfassungsrechtlichen Menschenwürdegarantie (BVerfG NJW 2006, 3409 [3410] – Blauer Engel II). 72

Allerdings bestehen gegen die bürgerlich-rechtliche Anerkennung eines postmortalen Persönlichkeitsrechtsschutzes und damit gegen die Anerkennung vererblicher vermögenswerter Bestandteile auf der Ebene des Zivilrechts keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG NJW 2006, 3409 [3410] – Blauer Engel II). Gesetzgeber und Zivilgerichte sind nicht gehindert, den Schutz der Persönlichkeit weiter auszubauen als dies verfassungsrechtlich geboten ist, denn verfassungsrechtliches und zivilrechtliches APR sind nicht identisch (s hierzu Rn 4).

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2. Zivilrechtlicher Schutz des postmortalen APR. a) Unterscheidung zw ideellen und kommerziellen Bestandteilen. Der BGH (143, 214 – Marlene Dietrich) unterscheidet im zivilrechtlichen Persönlichkeitsrechtsschutz zw dem Schutz ideeller Interessen und dem Schutz kommerzieller Interessen durch die „vermögenswerten Bestandteile“ des APR, zB Recht am eigenen Bild, am Namen oder an der Stimme (aaO, 220; Hamburg NJW 1990, 1995 – Heinz Erhard; s hierzu auch Rn 167ff, 201ff). Geschützt ist mithin auch die freie Entscheidung des Einzelnen, ob und unter welchen Voraussetzungen sein Bildnis, sein Name oder sonstige ihn kennzeichnende Persönlichkeitsmerkmale im geschäftlichen Interesse genutzt werden dürfen. Mit Blick auf den postmortalen Schutz kommt der Unterscheidung zw ideellen und kommerziellen Bestandteilen erhebliche Bedeutung zu.

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b) Postmortaler Schutz der kommerziellen Bestandteile. Nach BGH 143, 214 – Marlene Dietrich sind die vermögenswerten Bestandteile des zivilrechtlichen APR – anders als die dem Schutz ideeller Interessen dienenden höchstpersönlichen Bestandteile – vererblich, mit der Konsequenz, dass bei einer Verletzung dieser Bestandteile des APR ihren neuen Trägern (den Erben) neben Abwehransprüchen auch Schadensersatzansprüche zustehen. Der Erbe als Inhaber der „vermögenswerten Bestandteile“ des APR hat mithin im Falle einer unbefugten Nutzung grds dieselben Ansprüche wie der lebende Träger des APR (BGH NJW 2000, 2201 – Blauer Engel; NJW 2002, 2317 – Marlene II). Dies ist erforderlich, um einen wirksamen Schutz des Persönlichkeitsrechts des Verstorbenen ggü der unbefugten kommerziellen Nutzung seines Lebensbildes sicherzustellen, denn zum einen nützen bloße Abwehransprüche nichts, wenn die Rechtsverletzung bereit abgeschlossen ist, zum anderen erscheint es unbillig, den durch die Leistung des Verstorbenen geschaffenen und in seinen Persönlichkeitsmerkmalen verkörperten Vermögenswert dem ungehinderten Zugriff Dritter preiszugeben, statt ihn den Erben und Angehörigen des Verstorbenen zukommen zu lassen. Anerkannt ist daher ein „vermögenswertes Ausschließlichkeitsrecht“, dessen vorsätzliche Verletzung in der Person des Erben einen Bereicherungsanspruch auf angemessene Vergütung (Rn 321) und nach BGH 143, 214 [232] – Marlene Dietrich im Falle fahrlässiger Verletzung auch einen Schadensersatzanspruch im Wege der Lizenzanalogie (Rn 310) begründet; zur Berechnung des Schadens wird zudem ein Auskunftsanspruch (Rn 278) zuerkannt (BGH aaO). Da im Einzelfall aber auch ein Schutz des Verstorbenen gegen seinen Erben erforderlich sein kann, darf die kommerzielle Nutzung der vermögenswerten Bestandteile den mutmaßlichen Interessen des Verstorbenen nicht zuwiderlaufen; zudem dürfen keine nachwirkenden Grundrechte verletzt werden (BGH aaO; NJW 2007, 684 [685] – kinski-klaus.de; krit Götting NJW 2001, 586; Beuthien, 86). Mit der Befugnis des Erben, gegen eine unbefugte Verwendung von Persönlichkeitsmerkmalen einzuschreiten, ist mithin kein uneingeschränktes positives Nutzungsrecht verbunden (BGH 143, 214 [232] – Marlene Dietrich). Allerdings muss die Vermarktung der „vermögenswerten Bestandteile“ nicht schon durch den Verstorbenen eingeleitet worden sein (so Ullmann WRP 2002, 1052), die Nutzung vermarktungsfähiger Persönlichkeitsmerkmale (zB Bild, Name, Stimme etc) kann sich vielmehr auch erst nach dem Tode ergeben (Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 306; Beuthien, 87). Berührt die wirtschaftliche Verwertung auch die ideellen Interessen und damit Befugnisse, die den Angehörigen (§ 22 S 3, 4 KUG) oder sonstigen Wahrnehmungsberechtigten zustehen, kann sie nur mit Einwilligung (ausf Rn 229ff) dieser Personen erfolgen (BGH 143, 214 [232] – Marlene Dietrich). Darüber hinaus ist es den Erben ebenfalls nicht erlaubt, die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Leben und Wirken des Verstorbenen zu kontrollieren oder zu steuern (BGH NJW 2007, 684 [685] – kinski-klaus.de).

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Der Schutz der postmortalen kommerziellen Interessen findet seine Grenze mithin – ebenso wie der Schutz vermögenswerter Bestandteile lebender Personen – an den Rechten anderer, insb der Kunstfreiheit sowie der Freiheit der Meinungsäußerung (BGH NJW 2007, 684 [685] – kinski-klaus.de: die Gewinnerzielungsabsicht allein begründet jedoch noch keine Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung des postmortalen Persönlichkeitsrechts). Allerdings ist der Schutz der vermögenswerten Bestandteile zeitlich befristet und endet nach BGH (NJW 2007, 684 – kinski-klaus.de) in entspr Anwendung der Schutzfrist des § 22 S 3 KUG bereits 10 Jahre nach dem Tod. Diese starre Grenze von 10 Jahren wird zu Recht überwiegend krit gesehen (Brändel Hdb des Persönlichkeitsrechts § 37 Rn 45ff; Beuthien Hdb des Persönlichkeitsrechts § 17 Rn 43), denn eine derart kurze Frist trägt den aktuellen Bedürfnissen sowie dem „digitalen Langzeitgedächtnis“ (Götting Hdb des Persönlichkeits-

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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

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rechts § 2 Rn 36) der ubiquitären Medienwelt nicht ausreichend Rechnung. Es erscheint unangemessen, dass die individuellen Persönlichkeitsmerkmale einer Person und ihr zu Lebzeiten (meist durch Leistung) aufgebautes Image und ihr Publizitätswert schon nach einer Frist von 10 Jahren jedermann zur freien Verfügung stehen und mithin zum Allgemeingut werden sollen. Ob die in der Literatur in Anlehnung an das Urheberrecht vorgeschlagene Frist von 70 Jahren post mortem angemessen ist, oder ob eine Frist von 30 oder 50 Jahren den Bedürfnissen der Beteiligten am besten gerecht wird, kann hier dahinstehen (vgl zur Diskussion Wortmann, 306ff; Jung AfP 2005, 317 [322f]; Wenzel/Burkhardt Rn 5.122; Reber GRURInt 2007, 492 [493]; Wandtke/Bullinger Einl Rn 38) – der Rückgriff auf § 22 S 3 KUG jedenfalls ist nicht zwingend, da die Wertungen des Bildnisschutzes als eines besonderen Persönlichkeitsrechts durch die Entwicklung des APR längst überwunden sind (Götting Hdb des Persönlichkeitsrechts § 2 Rn 36). c) Postmortaler Schutz der ideellen Bestandteile. Die ideellen Bestandteile des APR sind „unauf- 76 löslich an die Person ihres Trägers gebunden und als höchstpersönliche Rechte unverzichtbar und unveräußerlich, also nicht übertragbar und nicht vererblich“ (BGH 143, 214 [220] – Marlene Dietrich). Sie müssen daher nach dem Tode des Betroffenen entspr §§ 189, 194 II StGB, 22 KUG durch von ihm zu Lebzeiten ernannte Bevollmächtigte, sog Wahrnehmungsberechtigte, oder durch seine Angehörigen iSv § 22 S 3, 4 KUG wahrgenommen werden (BGH 15, 249 [259] – Cosima Wagner; 50, 133 [137] – Mephisto; 107, 384 [389] – Emil Nolde; 143, 214 [224] – Marlene Dietrich; dazu Beuthien, 84). Diesen stehen zur Wahrung des Lebensbildes des Verstorbenen jedoch lediglich Abwehransprüche, nicht aber Geldentschädigungsansprüche zu – die Berechtigten sind mithin auf die Geltendmachung von Unterlassungs- und Beseitigungs- (Widerrufs-) Ansprüchen beschränkt, denn ein Verstorbener kann keinen durch eine Geldzahlung auszugleichenden Schaden erleiden (BGH 143, 214 [224] – Marlene Dietrich). Diese Beschränkung stößt jedoch zT auf Kritik – so wird argumentiert, dass dem Präventionsgedanken bei der Sanktion von Verletzungen des postmortalen Persönlichkeitsrechts größeres Gewicht beigemessen werden müsse, da die Medien die fehlende Sanktionsmöglichkeit andernfalls als einen „Freibrief für Rechtsverletzungen“ missverstehen könnten (Brändel Hdb des Persönlichkeitsrechts, § 37 Rn 36; ähnlich Schmelz ZUM 2006, 214; auch München GRUR-RR 2002, 341 – Nacktfotos, will der Erbin von Marlene Dietrich eine Geldentschädigung wg Veröffentlichung von Nacktfotos gewähren, da nur so der aus Art 1 I GG resultierende Schutzauftrag zu verwirklichen sei). Diesem Ansatz hat der BGH (ZUM 2006, 211 – Mordkommission Köln) jedoch eine klare Absage erteilt und festgestellt, dass eine Verletzung von ideellen Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts eine Geldentschädigung nur zu Lebzeiten des Trägers rechtfertigen kann; Angehörigen und Wahrnehmungsberechtigten daher lediglich Abwehr-, aber keine Schadensersatzansprüche zustehen. Alles andere wäre „systemwidrig“, da mit den maßgeblichen Funktionen eines Geldentschädigungsanspruchs – Genugtuung des Opfers und Ausgleich für die erlittene Beeinträchtigung – nicht zu vereinbaren und zudem geeignet, der Kommerzialisierung des Persönlichkeitsrechts im nicht kommerziellen Bereich Vorschub zu leisten. Auch der Gedanke der Prävention könne zu keinem anderen Ergebnis führen, da dieser allein nicht in der Lage sei, die Gewährung einer Geldentschädigung nach dem Tod einer Person zu tragen (BGH aaO). Ideeller Persönlichkeitsrechtsschutz unterliegt keiner festen zeitlichen Schranke (München AfP 77 2001, 68 – NS-Kriegsverbrecher; Frankfurt ZUM 2009, 952 [954] – Romy Schneider). Maßgeblich ist insofern der Einzelfall, wobei es darauf ankommen soll, welche Intensität die Beeinträchtigung aufweist, welche Bekanntheit der Betroffene hat bzw welche Bedeutung dem durch sein künstlerisches Schaffen geprägten Persönlichkeitsbild zukommt. Jedenfalls schwindet das Schutzbedürfnis in dem Maße, in dem die Erinnerung an den Verstorbenen und seine Lebensleistung verblassen und das Interesse an einer Nichtverfälschung des Persönlichkeitsbildes abnimmt, denn Schutzgut ist das Lebensbild und der Würdeanspruch einer in der Erinnerung der Lebenden noch präsenten Persönlichkeit (vgl BGH 107, 384 [392f] – Emil Nolde, für den auch rund drei Jahrzehnte nach seinem Tod noch das Bestehen eines Schutzbedürfnisses bejaht wurde; krit dazu Schack JZ 1990, 40f). Die Zeiträume, für die postmortaler Persönlichkeitsschutz gewährt wird, können mithin unterschiedlich lang ausfallen, je nachdem ob es sich bspw um einen ausübenden Künstler handelt, der idR nur seinen Zeitgenossen in Erinnerung bleiben wird, oder ob es sich um einen bildenden Künstler handelt (Frankfurt ZUM 2009, 952 [954] – Romy Schneider). d) Postmortaler Persönlichkeitsrechtsschutz Minderjähriger. Die zu Lebzeiten stattfindende Ver- 78 stärkung des Persönlichkeitsrechtsschutzes von Kindern und Jugendlichen durch Art 6 I, II GG findet ihren maßgeblichen Grund in dem Bedürfnis, Minderjährigen eine ungestörte Persönlichkeitsentwicklung zu gewährleisten. Dieses Schutzbedürfnis ist im Bereich des postmortalen Schutzes ohne Belang (BGH NJW 2009, 751 [752] – Ehrensache; Hamm ZUM 2010, 453 [455]). 3. Verletzung der Persönlichkeitsrechte von Angehörigen. Von der Frage nach dem postmortalen 79 Schutz des Verstorbenen zu trennen sind Konstellationen, in denen bspw durch schwere Verunglimpfungen eines Verstorbenen die Persönlichkeitsrechte naher Angehöriger verletzt werden (vgl BGH GRUR 1974, 794 – Todesgift; LG Heilbronn ZUM 2002, 160: Schadensersatzansprüche der Eltern wg eines Berichts über ihren verstorbenen Sohn – hirnloser Säufer; ähnlich Jena NJW-RR 2005, 1566; LG Hamburg AfP 2007, 382; BGH ZUM 2006, 211 [212f] – Mordkommission Köln, verneint eine Persönlichkeitsrechtsverletzung eines Mannes, dessen geistesgestörte Schwester von einem Kamerateam gefilmt wurde, kurz nachdem sie die 80-jährige Mutter erschlagen hatte und zudem Bilder der teils entkleideten Leiche aufgenommen und ausgestrahlt wurden). Jedoch führt die Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts eines Verstorbenen nicht per se dazu, dass die Würde der Angehörigen verletzt wird und diesen ein Anspruch auf Geldentschädigung zuzugestehen ist – erforN. Klass

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Personen

derlich ist vielmehr, dass das Persönlichkeitsrecht der Angehörigen unmittelbar tangiert wird. Hierfür genügt nicht, dass sich der Dritte wg seiner engen Beziehung zum Betroffenen durch die Berichterstattung „persönlich“ betroffen fühlt; ebenso wenig ist es ausreichend, dass Leser oder Zuschauer den beanstandeten Bericht über eine Straftat zum Anlass nehmen, Angehörige anzufeinden oder zu belästigen. Bloße Reflexwirkungen bleiben mithin schutzlos (BGH ZUM 2006, 211 [214] – Mordkommission Köln). 80

4. Kein postmortaler Schutz des Namensrechts. Das Namensrecht – das den Schutz von Künstlernamen einschließt – soll nach BGH NJW 2007, 684 – kinski-klaus.de mit dem Tod des Namensträgers erlöschen. Der Betroffene ist jedoch nach dem Tod nicht schutzlos gestellt, vielmehr soll ein postmortaler Schutz insoweit bestehen bleiben, als durch die Verwendung des Namens nach dem Tod das postmortale APR des Verstorbenen verletzt wird.

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5. Hinterlassenschaft von Briefen und Tagebüchern. Das Recht des Verstorbenen, über die Veröffentlichung und Nichtveröffentlichung von (vertraulichen) Briefen und Tagebüchern zu entscheiden, geht auf die nächsten Angehörigen oder diejenigen über, die der Urheber vor seinem Tode ausdr bestimmt hat (BGH 15, 249 – Cosima Wagner; Wiese FS Herschel 1982, 483 [492]; Schack GRUR 1985, 355).

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6. Weitere gesetzliche Regelungen zum Schutz des Verstorbenen. Neben dem postmortalen Persönlichkeitsrechtsschutz existieren weitere Regelungen, die dem Schutz des geistigen Weiterlebens einer Person dienen. Nach § 189 StGB bspw ist die Verunglimpfung des Andenkens eines Verstorbenen strafbar; umstr ist jedoch, ob damit die Ehre des Verstorbenen oder das Pietätsempfinden der Hinterbliebenen geschützt wird. Grds vererblich ist das Vermögen einer Person, das im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben übergeht (§ 1922). Ebenfalls vererblich sind die Urheberrechte (§ 28 I UrhG). Der Urheber kann durch letztwillige Verfügung die Ausübung der Urheberrechte einem Testamentsvollstrecker übertragen (§ 28 II UrhG) – allerdings erlöschen sie 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers (§ 64 UrhG). Das Recht am eigenen Bild geht auf die nächsten Angehörigen über und erlischt 10 Jahre nach dem Tod (§ 22 S 3 u 4 KUG), dazu Hamburg AfP 2005, 76.

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7. Der Schutz des Körpers und seiner Teile nach dem Tod. Auch die physische Integrität des Leichnams wird von der Rechtsordnung geschützt (zum Verbot unbefugter Organentnahme LG Bonn JZ 1971, 56 [58]; zu den Rechtsfolgen der Nichtbeteiligung des Patienten an der kommerziellen Nutzung seiner Körpersubstanzen Taupitz AcP 191 (1991), 201; zur Vernichtung deponierten Spermas BGH NJW 1994, 127; Taupitz NJW 1995, 745; zur Zulässigkeit von Leichenversuchen Pluisch/Heifer NJW 1994, 2377). Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 302 begreift die Leiche als „Rückstand der Persönlichkeit“, weshalb sich eine Einordnung als Sache vor dem Hintergrund der Menschenwürdeverbürgung verbiete (zur Frage, ob von Lebenden oder Toten abgetrennte Körperteile „Sachen“ sind oder das „Sacheigentum“ vom APR überlagert wird s BGH NJW 1994, 127) und sich zudem Art und Ort der Bestattung im Rahmen der öffentlichen Ordnung (dazu BGH NJW 1959, 525 – Ehrengedenktafel) nach dem Willen des Verstorbenen (RG 100, 173; Hubmann, 342 mwN) richten sollen. Jedoch können sich die nächsten Angehörigen einvernehmlich über den Willen des Verstorbenen hinwegsetzen (Schack JZ 1989, 610); findet sich keine ausdr Bestimmung des Erblassers, hat das Bestimmungsrecht des Ehegatten grds Vorrang vor dem der Verwandten, Schleswig NJW-RR 1987, 72; Frankfurt NJW-RR 1989, 1159. Auch für eine Obduktion, eine Sektion oder die Freigabe der Leiche an die Anatomie ist im Grundsatz der Wille des Verstorbenen maßgeblich, allerdings wird auch hier den nächsten Angehörigen ein Widerrufsrecht zugebilligt (Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 302; Laufs ArztR5 Rn 267; Schack JZ 1989, 610 mwN; München NJW 1976, 1805). Organtransplantantionen bedürfen nach §§ 3, 4 TPG grds der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verstorbenen oder des nächsten Angehörigen, sofern der Verstorbene nicht widersprochen hatte. Zur Frage, ob die Darbietung eines Körpers in der Ausstellung „Körperwelten“ gegen Bestattungsgesetze und/oder die Menschenwürde des Einzelnen verstoßen s VGH München NJW 2003, 1618 – Körperwelten; dazu Ahrens GRUR 2003, 850.

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IV. Aktivlegitimation: Individuelle Betroffenheit. Voraussetzung, um sich gegen einen Angriff auf das APR zur Wehr setzen zu können, ist individuelle Betroffenheit. Hierbei ist erforderlich, dass die konkrete Person erkennbar und identifizierbar ist. Erkennbarkeit ist unstr gegeben, wenn eine Person mit Namen genannt oder ihr Bild gezeigt wird (zum Namen als Identifikationsmittel Lüthy, 75ff). Diese Merkmale sind meistens eindeutig und identifizieren den Betroffenen zweifelsfrei. Eine Identifikation ist aber auch ohne Namensnennung möglich, wenn bspw Merkmale wie der Berufsstand, der konkrete Wohnort, der Arbeitgeber, besondere Herkunftsmerkmale oder Wohnverhältnisse, besondere Positionen auf kommunaler Ebene, in Vereinen und Verbänden oder sonstige die Person charakterisierende Details genannt werden (BGH 143, 199 – Schleimerschmarotzerpack: Beschreibung der Tätigkeit im Straßenbauamt und als Vorsitzende eines Vereins; NJW 1981, 1366 [1367] – Der Aufmacher II; Frankfurt ZUM 1992, 361 [363]; Hamm, NJW-RR 1993, 735; Saarbrücken NJW-RR 2010, 346). Eine individuelle Betroffenheit kann selbst dann zu bejahen sein, wenn die Person nicht im Mittelpunkt der Berichterstattung steht und/oder ein Rückschluss nur durch die sich äußernde Person möglich ist (München NJW 1986, 1260 [1261]). F. Die Passivlegitimation

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I. Die Störereigenschaft. Die Frage der Verantwortlichkeit und mithin die Bestimmung der Person oder Stelle, die als Adressat persönlichkeitsrechtlicher Ansprüche in Betracht kommt, weil ihr die Berührung des Schutzbereichs des APR zugerechnet werden kann, ist von besonderer praktischer

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Relevanz. Störer und damit verantwortlich ist grds jeder, der selbst die Störung herbeigeführt hat oder dessen Verhalten eine Störung befürchten lässt (BGH NJW 1986, 2503 [2504] – Ostkontakte). Insoweit kommen im Bereich der Medienberichterstattung eine Vielzahl von Personen in Betracht: der Autor eines Beitrages (BGH 39, 124 [129] – Fernsehansagerin; 66, 182 [188] – Panorama); der journalistisch tätig gewordene sowie der verantwortliche Redakteur (Staud/Hager § 823 C 52; BGH NJW 1974, 1762 – Deutschland-Stiftung; NJW 1977, 626 – Editorial; BGH 75, 160); der Moderator einer Rundfunksendung (BGH 66, 182 [188] – Panorama); der Verleger (BGH 3, 270 [275] – Constanze I; 14, 163 [174] – Constanze II; 39, 124 [125] – Fernsehansagerin; GRUR 1974, 797 – Fiete Schulze; Köln NJW-RR 2001, 1196); der Herausgeber (BGH GRUR 1974, 794 [797] – Fiete Schulze; NJW 1980, 994 – Wahlkampfillustrierte); der Chefredakteur (Köln AfP 1985, 293 [295]); der Betreiber einer Internetplattform (BGH NJW 2007, 2558), aber auch Informanten als mittelbare Täter, Gehilfen oder Anstifter (BGH NJW 1964, 1181 – Weizenkeimöl; NJW 1967, 675 – Spezialsalz; 50, 1 – Pelzversand; NJW 1973, 1460 – Kollo-Schlager). Zudem haftet auch der Verbreiter einer Äußerung (zB Inhaber von Vertriebsstellen und Buchhandlungen, hierzu ausf Rn 86ff), sofern er sich diese zu eigen macht (ausf Rn 89). II. Behaupten und Verbreiten als Grundlage der Störerhaftung 1. Grundsätze der Verbreiterhaftung. Im Rahmen der Medienberichterstattung werden oftmals 86 Meinungen Dritter verwendet oder es werden Drittaussagen weitergegeben. Sich und andere auch über Stellungnahmen Dritter zu informieren, ist dabei Teil des durch Art 5 I S 1 GG geschützten meinungsbildenden Diskussionsprozesses. Eine Wiedergabe ist daher selbst dann von der Meinungsfreiheit geschützt, wenn die fremde Äußerung weder kommentiert noch auf andere Weise in eine Stellungnahme eingebaut ist (BVerfG NJW-RR 2010, 470 – Presseschau). Die §§ 186, 187 StGB sowie § 824 knüpfen insoweit an das Behaupten und Verbreiten unwahrer Tatsachenbehauptungen dieselben Rechtsfolgen, dh, dass sich eine Äußerung prinzipiell zurechnen lassen muss, wer sie aufgestellt und damit behauptet oder wer sie verbreitet hat. Das bedeutet, dass selbst der Verbreiter einer Aussage als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann (BGH NJW 1993, 525 [526] – Ketten-Mafia). Ergibt sich dies für die genannten Tatbestände der § 186 StGB und § 824 schon aus dem Wortlaut der jew Norm, so ist die sog Verbreiterhaftung iÜ allg anerkannt (Damm/Rehbock Rn 646ff mwN), denn auch in der bloßen Verbreitung einer unzulässigen Aussage kann eine erhebliche Beeinträchtigung des Betroffenen liegen; so kann die persönliche und wirtschaftliche Ehre durch das weitere Verbreiten ebenso verletzt werden wie durch das erstmalige Aufstellen (BVerfG 71, 206 [216] – Anklageschriftveröffentlichung; BGH 31, 308 – Abgeordneten-Bestechung; NJW 1993, 525 – KettenMafia). Und auch die Wiedergabe einer Fremdäußerung „zwischen den Zeilen“, welche sich der Äußernde zu eigen macht, verunglimpft ebenso wie die Äußerung selbst (Köln NJW 1979, 1562 – BubackNachruf). Verbreiter ist grds jeder, der an der Verbreitung einer Behauptung mitwirkt (so ist zB auch in der Einfuhr/dem Vertrieb einer Zeitschrift ein Verbreiten zu sehen; das Ausmaß des Tatbeitrags ist dabei unerheblich; der Betroffene muss jedoch die Möglichkeit haben, den Vertrieb der Schriften zu stoppen, BGH NJW 1976, 799 [800] – Alleinimporteur). Grds ist zw intellektuellem und technischem Verbreiter zu differenzieren (BGH NJW 1976, 799 87 [800] – Alleinimporteur; NJW 1986, 2503 [2504] – Ostkontakte). Während der intellektuelle Verbreiter zu der von ihm verbreiteten Behauptung eine gedankliche bzw intellektuelle Beziehung hat, ist der technische Verbreiter lediglich (technisch) mit dem Verbreitungsvorgang befasst (zB Zeitungsausträger, die Deutsche Post und die in den Vertrieb des Produktes eingebundenen Akteure wie bspw Buchhändler und Kioskbesitzer). Da der technische Verbreiter keinerlei gedankliche Verbindung mit dem Inhalt der Äußerung hat (Wenzel/Burkhardt Rn 10.186), ist sein Agieren meist gerechtfertigt oder schuldlos (Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 44). Aber auch, wenn der technische Verbreiter, den idR keine Nachprüfungspflicht trifft, nicht mit Schadensersatzpflichten rechnen muss – jedenfalls solange ihm die Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit seines Handelns weder bekannt sind noch bekannt sein müssten –, kann er dennoch als Störer zur Unterlassung (§ 1004) verpflichtet sein. Zur Verbreiterhaftung von Bibliotheken Wenzel/Burkhardt Rn 10.225; zur Haftung durch Setzen eines Hyperlinks s Rn 276; zur Weitergabe eines Drehbuchs Hamburg NJW-RR 2007, 1268 [1269] – Contergan: die Aufnahme von Äußerungen in ein Drehbuch begründet keine Erstbegehungsgefahr, da dieses nicht zur Verbreitung bestimmt, sondern nur als Arbeitsgrundlage gedacht ist; zur Verantwortlichkeit des Betreibers eines Internetforums BGH NJW 2007, 2558: Verantwortlichkeit neben dem Ersteller des Beitrages; zur Haftung als Mitstörer aufgrund der Überlassung von 0190-Rufnummern LG Hamburg NJW 2003, 1195; s auch Hamburg CR 2004, 376; zur Verantwortlichkeit für Zitate: KG AfP 2001, 65: der Verbreiter der Äußerung leistet nur dann haftungsrechtlich einen verantwortlichen Tatbeitrag, wenn er sich den Inhalt des Zitats zu eigen macht; zum Falschzitat Frankfurt ZUM-RD 2001, 19 [20]: eine Äußerung ist auch dann dem Äußernden zurechenbar, wenn dieser eine Fußnote setzt, die den Inhalt der Äußerung nicht deckt. 2. Einschränkungen der Verbreiterhaftung. Allerdings erfährt der Grundsatz der Verbreiterhaf- 88 tung (insb im Bereich des Rundfunks) diverse Einschränkungen. So tritt bspw das Medium als Veranlasser oder Verbreiter zurück, wenn das Verbreiten Teil der Dokumentation des Meinungsstandes ist (BGH 66, 182 – Panorama; NJW 1996, 1131 [1132] – Lohnkiller; Köln NJW 1993, 1486 [1487] – Lindenstraße; Wenzel/Burkhardt Rn 10.187; einschränkend LG Hamburg NJW 1998, 3650, hierzu Waldenberger AfP 1998, 373). Dies ist der Fall, wenn Erklärungen und Stellungnahmen unterschiedlicher Personen und verschiedener Seiten zusammen- und gegenübergestellt werden, alle Aspekte gleichermaßen Berücksichtigung finden, die Streitteile annähernd gleichwertig zu Wort kommen und das Medium nur als Forum, als sog „Markt der Meinungen“ fungiert, bspw wenn eine Sendung Vertretern der Wissenschaft die Möglichkeit gibt, eigenständige Äußerungen zu ihrem Fachgebiet wiederN. Klass

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Personen

zugeben (BGH NJW 1970, 187 [189] – Hormocenta). Jedoch müssen Fernseh- und Rundfunkanstalten auch bei der Dokumentation des Meinungsstandes im Interesse der Objektivität der Sendungen prüfen, ob die Erkenntnisquellen zuverlässig und umfassend sind. Jedenfalls ist bei der Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen, welche auf eine unzureichende Prüfung zurückzuführen sind, die Wahrnehmung berechtigter Interessen ausgeschlossen (BGH NJW 1966, 2010 [2011] – Teppichkehrmaschine). Inwieweit sich ein Moderator bei Live-Sendungen von Äußerungen seiner „Gäste“ distanzieren oder diese unterbrechen muss, ist eine Frage des Einzelfalles (Wenzel/Burkhardt Rn 4.106). Eine ausdr Distanzierung ist jedenfalls nicht stets notwendig, da für den Zuschauer idR erkennbar ist, dass keine Identifizierung stattfindet (vgl aber Hamburg AfP 2006, 564 – Verbreiterhaftung bei Presseinterview; vgl zur Privilegierung von Interviews im Rahmen der Verbreiterhaftung auch Mensching/Waschatz AfP 2009, 441). Für Zeitungsinterviews gilt Entspr (Hamburg AfP 1983, 412). So trifft den Verleger einer Zeitung (FAZ) beim Abdruck eines Interviews einer „Sachkundigen“ (Alice Schwarzer) nur eine eingeschränkte Prüfungspflicht hins einer ehrverletzenden Tatsachenbehauptung; ein Zueigenmachen liegt aufgrund des Abdrucks jedenfalls nicht vor (München AfP 2007, 229 m Anm Rehbock). Anderes gilt, wenn die Kundgabe der Missachtung unter dem Deckmantel der Kunstform des Fernsehspiels geschieht (Köln NJW 1993, 1486 [1487] – Lindenstraße). 89

3. Behaupten durch zu eigen machen. Eine Behauptung liegt vor, wenn die Darstellung eines bestimmten Tatbestandes als eigene Feststellung oder Überzeugung zu verstehen ist (Wenzel/Burkhardt Rn 4.88; Damm/Rehbock Rn 635; Soehring, Pressrecht § 16 Rn 3). Ein Behaupten ist aber auch dann zu bejahen, wenn sich die Meinung zu eigen gemacht wird (Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 45; Staud/Hager § 823 C 52; Damm/Rehbock Rn 635). Ein solches „zu eigen machen“ liegt vor, wenn man sich derart mit der Fremdäußerung identifiziert, dass diese als eigene Äußerung erscheint (BGH 66, 182 – Panorama), insb wenn es an einer eigenen und ernsthaften Distanzierung des Erklärenden fehlt (BVerfG NJW 2004, 590 [591]; BGH NJW 1997, 233 [235] – Gynäkologe; NJW 1996, 1131 [1132] – Lohnkiller; Saarbrücken NJW 1997, 1376 [1377] – Rotlichtfürst; Naumburg ZUM-RD 2006, 286 [287]). Die Distanzierung darf allerdings nicht nur zum Schein geschehen oder die Berufung auf einen anderen oder ein Gerücht nur als Vorwand dienen, um eine beleidigende Behauptung weiterzuverbreiten (zu den Kriterien für eine ausreichende Distanzierung LG Düsseldorf AfP 1999, 518). Zudem setzt eine wirksame Distanzierung idR voraus, dass der unwahren Behauptung die Gegenansicht gegenübergestellt wird (BGH NJW 1997, 233 [235] – Gynäkologe; NJW 1996, 1131 – Lohnkiller; Hamburg NJW-RR 1993, 734 – Stasi-Verdacht; LG Hamburg AfP 1993, 678 [679] – López; Wenzel/Burkhardt Rn 4.110); nicht ausreichend ist daher bspw der Hinw, dass eine veröffentlichte IM-Namensliste nicht vollständig fehlerfrei ist und die Liste nicht ohne diese Bemerkung verwendet werden darf (BGH GRUR 1994, 913 – Namensliste; ähnlich auch BGH NJW 1993, 525 [526] – Ketten-Mafia). Hier ist zu beachten, dass an Gerüchten und Vermutungen aus zweifelhafter Quelle meist schon kein Informationsinteresse besteht (Saarbrücken NJW 1997, 1376 [1378]; Wenzel/Burkhardt Rn 10.209; Gounalakis AfP 1998, 10 [20f]). Selbst wenn sich aus einem Bericht ergibt, dass die darin enthaltenden Behauptungen unwahr und unberechtigt sind, dürfen nach LG München I ZUM 1998, 576 [577] m Anm Schneider böswillige Verleumdungen nicht in reißerischer Aufmachung und detailliert in der BildZeitung verbreitet werden. Zudem kann auch im Aufwerfen von Fragen und der Äußerung eines Verdachts ein verdecktes Verbreiten ehrenrühriger Tatsachen liegen (BGH NJW 1978, 2151 – Fehlmeldungen; NJW 1980, 2801 – Medizin-Syndikat III; Hamburg ZUM 1996, 685f; Wenzel/Burkhardt Rn 4.97 mwN); auch darf etwas Fragwürdiges nicht als Verlässliches geäußert werden (Hamburg NJW-RR 1993, 734 – Stasi-Verdacht). Selbst der Anstoß, einer bestimmten Frage nachzugehen, kann im Einzelfall als ein Verbreiten angesehen werden (BGH NJW 1978, 2151 – Fehlmeldungen). Nicht erforderlich für ein zu eigen machen ist eine ausdr Billigung, vielmehr reicht es aus, wenn dem Leser eine solche Billigung „zwischen den Zeilen vermittelt wird“. Ein zu eigen Machen kann daher bspw in einer Anmoderation liegen, wenn sich der Moderator auf im Rahmen eines Hörfunkberichts aufgestellte Tatsachenbehauptungen bezieht (BGH NJW 1985, 1621 [1622] – Türkenflug I); ebenfalls kann die dramaturgische Einbindung der Äußerung in eine eigene kritische Stellungnahme der Autoren (BGH 66, 182 – Panorama) zu einem zu eigen machen führen; ebenso die Einbindung eines Zitats, um dadurch eigene Aussagen zu unterstreichen (BVerfG NJW 2004, 590 [591]). Ein zu eigen machen ist idR auch zu bejahen, wenn die Fremdäußerung zur alleinigen Grundlage des Beitrags gemacht wird (BGH NJW 1997, 233 [235] – Gynäkologe) oder die Fremdäußerung (insb ein Zitat) geradezu unterstrichen wird (BGH NJW 1996, 1131 [1132] – Lohnkiller). Keine ausreichende Distanzierung liegt auch vor, wenn der Äußernde einen Verdacht durch die Art der Darstellung – trotz formaler Vorbehalte – zu einer mit Sicherheit bzw hohen Wahrscheinlichkeit zutr Nachricht verfestigt (München NJW-RR 1996, 1493 [1494] – Focus). Ein zu eigen machen kann auch durch die Wahl der Schlagzeile erfolgen (Saarbrücken NJW 1997, 1376 [1377] – Rotlichtfürst; ebenso LG Oldenburg NJW-RR 1995, 1427 [1428] – Anzeigenblatt), oder wenn es dem Äußernden nur darum geht, jemanden abzuwerten (Bezeichnung als „allergrößte Pfeife“, LG Oldenburg aaO).

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Die schlichte Veröffentlichung eines Zitats, mit dem sich der Äußernde erkennbar nicht identifiziert, ist hingegen kein haftungsrechtlicher Tatbeitrag (KG AfP 2001, 65; BVerfG NJW 2004, 590 [591]); ebenso weist die Verwendung von Anführungszeichen deutlich auf die Äußerung eines Dritten hin (BVerfG NJW 2004, 590 [591], ebenso LG Stuttgart NJW-RR 2001, 834 [835]); nach Hamburg NJW-RR 1993, 734 – Stasi-Verdacht soll jedoch die Darstellung als erkennbares Zitat nicht zur Distanzierung ausreichen, da Zitate regelmäßig die Aufgabe haben, eine eigene Darstellung zu belegen; zudem müsse einer Behauptung stets die Gegenansicht gegenübergestellt werden, so dass keine Parteilichkeit zu erkennen ist – unzumutbar sei bei der Vielzahl der Äußerungen und des erheblichen öffentlichen Informationsinteresses aber bspw die Prüfung/Recherche, ob die in der Stasi-Akte wieder44

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gegebenen Äußerungen richtig sind (vgl hierzu auch Rn 151). Im Rahmen eines Interviews, das sich durch eine typische Frage-Antwort-Situation auszeichnet, ist der Fragende nicht gehalten, sich von den Antworten zu distanzieren. Ein zu eigen machen liegt in diesen Konstellationen ausnahmsweise nur dann vor, wenn eine fremde Äußerung so in den Gedankengang eingefügt wird, dass die gesamte Äußerung als eigene erscheint oder der Fragende Tatsachenbehauptungen in den Raum stellt und die Antworten des Interviewten nur noch als Beleg für deren Richtigkeit dienen (BGH NJW 2010, 760 [761]). Auch die bloße Wiedergabe einer Beschimpfung eines anderen (Biermann über Diestel in der Bild-Zeitung) ist noch kein zu eigen machen, KG AfP 2001, 65. Die anonyme Verbreitung eines verleumderischen ausl Zeitungsartikels kann grds nicht durch die Wahrung berechtigter Interessen gerechtfertigt werden (BGH NJW 1966, 1213 [1215] – Luxemburger Verleger); sie kann jedoch durch das Informationsinteresse daran, dass eine solche Behauptung (insb durch oder über eine bekannte Persönlichkeit) aufgestellt wurde oder als Gerücht existiert, gerechtfertigt werden (Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 45; vgl auch Brandenburg NJW-RR 2002, 1269: Wer ein ehrenrühriges Gerücht ohne hinreichende Distanzierung per E-Mail verbreitet, haftet für den Inhalt). In derartigen Konstellationen muss sich der Verbreiter jedoch von der Behauptung distanzieren (BGH NJW 1997, 233 – Gynäkologe; NJW 1996, 1131 – Lohnkiller; NJW 1970, 187 – Hormocenta; NJW 1966, 2010 – Teppichkehrmaschine; 31, 308 – Abgeordneten-Bestechung; Frömming FS Engelschall, 47 [60]). Grds dürfen jedoch die Anforderungen an eine ausreichende Distanzierung im Interesse der Meinungsfreiheit nicht zu hoch gesetzt werden. So ist es bspw nicht mit der Aufgabe der Presse vereinbar, dass sich Journalisten regelmäßig und förmlich vom Inhalt eines Zitats distanzieren müssen, welches Dritte beleidigen bzw provozieren oder ihren Ruf schädigen kann (EGMR NJW 2006, 1645 [1648] – Das blinde Auge der Polizei). 4. Verantwortlichkeit für Anzeigen und Leserbriefe. Der Verleger einer Publikation ist nicht nur für 91 den redaktionellen, sondern auch für den Anzeigenteil verantwortlich, weshalb ihn bestimmte Sorgfaltspflichten treffen (zur Haftung der Presse für Wettbewerbsverstöße in gewerblichen Anzeigen BGH GRUR 1973, 203 – Badische Rundschau; Wenzel/Burkhardt Rn 10.216). So ist er bspw gehalten, durch adäquate Schutzmaßnahmen die Veröffentlichung von Falschmeldungen, die Persönlichkeitseingriffe beinhalten, soweit wie möglich zu verhindern (Saarbrücken NJW 1978, 2395 – Verlobungsanzeige; BGH NJW 1972, 1658 [1659] – Baumaschinen). Allerdings besteht keine umfassende Prüfungspflicht, sondern nur dann, wenn der Inhalt der Anzeige erkennbar eine Verletzung geschützter Rechtsgüter darstellt, oder wenn eine Anzeige aus sonstigen Gründen auffällig erscheint (BGH NJW 1972, 1658 [1659] – Baumaschinen: „Verkaufe wegen Geschäftsaufgabe sämtliche Baumaschinen und Baugeräte Fa. K. Sch.“; Koblenz AfP 1989, 753 – Sexanzeigen: „Mache tabulos alles“; Saarbrücken NJW 1978, 2395 [2396] – Verlobungsanzeige: erhöhte Vorsicht bei Familienanzeigen, da besondere Missbrauchsgefahr). Eine völlige Freizeichnung für den Inhalt von Anzeigen ist jedenfalls nicht möglich (zur Haftung des Verlags für fehlerhafte Anzeigen Hecker AfP 1993, 717). Gleiches gilt für den Inhalt von Leserbriefen. Auch hier greift der pauschale Verweis darauf, dass keine Haftung übernommen werde, jedenfalls dann nicht durch, wenn es sich um Leserbriefe mit ehrverletzendem oder kreditgefährdendem Inhalt handelt und keine ausreichende Distanzierung erfolgt (Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 47; Celle AfP 2002, 506). Insb darf die Distanzierung nicht lediglich formal abgegeben werden, um dann bspw aus einem Leserbrief stammende ehrverletzende Äußerung wiederzugeben (wie bspw die Äußerung, eine Fernsehansagerin sehe aus wie eine ausgemolkene Ziege [BGH 39, 124 – Fernsehansagerin]). Allerdings dürfen die Nachprüfungspflichten angesichts der zu bewältigenden Masse und des oftmals bestehenden Zeitdrucks nicht überspannt werden (zutr Wenzel/Burkhardt Rn 10.213 mwN). 5. Rechtsfolgen. Ein Verbreiter kann grds als Störer zur Unterlassung (§ 1004) verpflichtet sein. Auf 92 ein etwaiges Verschulden kommt es mit Blick auf den Unterlassungsanspruch nicht an (BGH NJW 1976, 799 [800] – Alleinimporteur; Staud/Hager § 823 C 51; MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 188ff), dieses erlangt jedoch bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen sowie von Ansprüchen auf Geldentschädigung Relevanz. Passivlegitimiert ist in erster Linie die Person, die die Persönlichkeitsrechtsverletzung begangen hat. Können mehrere Verantwortliche ausgemacht werden, kann Klage (mit Blick auf den jew Tatbeitrag) gegen jeden Einzelnen von ihnen erhoben werden. Für Verrichtungsgehilfen bzw Organe wird nach §§ 831, 31 gehaftet (BGH 3, 270 [275] – Constanze I). Handelt es sich bei dem Verantwortlichen um einen Beamten, haftet der Staat (OVG Rheinland-Pfalz NJW 1987, 1660), jedenfalls sofern nicht bloß eine persönliche Erklärung abgeben wurde (BGH 34, 99 – Sportanlagenbau; Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 326; s hierzu VGH Baden-Württemberg AfP 1991, 669: wertendes Urt eines Professors). Äußert sich ein Anwalt auf Anweisung seines Mandanten zur Sache, ist die Erklärung dem Mandanten zuzurechnen (KG NJW 1997, 2390 – Presseerklärung; Staud/Hager § 823 C 51). Verbreitet jemand eine fremde Äußerung – ohne sich diese zu eigen zu machen – kann nur das Abrücken von der gemachten Äußerung, nicht aber ein Widerruf verlangt werden. Anderes gilt, wenn sich der Verbreiter mit der Äußerung des Dritten identifiziert, so dass diese als eigene erscheint (BGH 66, 182 – Panorama). 6. Äußerungsformen. Äußerungsdelikte werden idR verbal begangen (durch Behaupten und Ver- 93 breiten, s Rn 86ff). Sie können aber auch durch wortersetzende Gesten (zB Tippen an die Stirn, Düsseldorf NJW 1960, 1072; Stinkefinger – BayObLG NJW 2000, 1584; oder „Scheibenwischer“), bildlich bspw durch eine Zeichnung oder Karikatur und selbst durch das Aufstellen sog Frustzwerge, die ehrverletzend und beleidigend gestikulieren (AG Grünstadt NJW 1995, 889), oder das Abspielen eines Videobandes (Stuttgart NJW-RR 2004, 619 [622]) begangen werden. Ebenfalls kommen bestimmte Arten von Tätlichkeiten in Betracht (BGH NStZ-RR 2009, 172 – Anspucken). Grds muss die Äußerung jedoch an andere gerichtet (vgl LG Regensburg NJW 2008, 1094 [1095] – Vogel zeigen) und „in N. Klass

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Allgemeiner Teil

Personen

den Verkehr gebracht“ worden sein. Das Selbstgespräch oder der in den Papierkorb geworfene Brief ist noch keine (vorsätzliche) Äußerung – zivilrechtlich kann jedoch uU eine fahrlässige Äußerung vorliegen (Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 44). G. Einzelne Schutzbereiche des zivilrechtlichen APR I. Ehrenschutz 94

1. Rechtsgrundlagen. Der Schutz der Ehre ist ein traditioneller Grundpfeiler des Persönlichkeitsrechtsschutzes (Baston-Vogt, 411; Hubmann 1967, 288ff; BGH 39, 124 – Fernsehansagerin; zur persönlichen Ehre als Bestandteil des verfassungsrechtlichen APR BVerfG 54, 208 [217f] – Heinrich Böll; BGH 54, 148 [154] – Eppler). Seit Anerkennung des APR sind auch fahrlässige Ehrverletzungen in den Schutzbereich des § 823 I einbezogen – der Ehrschutz nach § 823 II iVm §§ 185ff StGB ist daneben unberührt geblieben (BGH 95, 199 [212]). Ungeachtet der Tatsache, dass bis heute keine eigenständige zivilrechtliche Definition des Ehrbegriffs existiert (Baston-Vogt, 414), vielmehr nach wie vor idR auf den umstr strafrechtlichen Ehrbegriff (zu dessen Unzulänglichkeiten Tenckhoff JuS 1988, 199 mit einer Aufzählung 60 verschiedener Ehrbegriffe; Otto NJW 2006, 575) zurückgegriffen wird, ist anerkannt, dass der zivilrechtliche Ehrenschutz der Sicherung eines jeden Menschen auf Achtung seiner mit der Menschenwürde eng verbundenen „inneren Ehre“ sowie seiner „äußeren Ehre“, verstanden als das Anrecht auf Wahrung seines sozialen Geltungsanspruchs innerhalb der Gesellschaft, dient (BastonVogt, 419; Tettinger JZ 1983, 317 [319]; Klass, Rechtliche Grenzen des Realitätsfernsehens, 290f).

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2. Umfang des Ehrenschutzes. a) Innere Ehre. Eine Beeinträchtigung der inneren Ehre ist stets dann gegeben, wenn eine Verletzung der Menschenwürde zu konstatieren ist, denn die Anerkennung eines Menschen in seiner Personenwürde durch andere ist unverzichtbare Bedingung seiner Existenz. Zudem ist die innere Ehre auch dann betroffen, wenn eine Person in ihrem Ehr- oder Selbstgefühl (Ehrbewusstsein) verletzt oder zu einem Verhalten gezwungen wird, das ihrem Gewissen, ihren moralischen oder religiösen Überzeugungen widerspricht (Baston-Vogt, 420f; Tettinger JZ 1983, 317 [319]; Siebrecht JuS 2001, 337). Zum insofern maßgeblichen normativ-faktischen Ehrbegriff Rn 97.

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b) Äußere Ehre. Unter der äußeren Ehre wird das Ansehen des jew Rechtsträgers im Urt seiner Mitmenschen, sein Wert in den Augen der anderen und damit letztlich seine soziale Geltung innerhalb der Gemeinschaft verstanden. Schutzgut ist mithin der „gute Ruf“ (Tettinger JZ 1983, 317 [319]; Siebrecht JuS 2001, 337; BVerfG NJW 1989, 3269, s auch BVerfG AfP 2010, 560, 561 – Deutschland Archiv, wonach das APR selbst vor Äußerungen schützt, die – ohne ieS ehrverletzend zu sein – geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen des Einzelnen in der Öffentlichkeit auszuwirken). Dieser soziale Achtungsanspruch kommt dem Einzelnen nicht schon kraft seines Menschseins zu, sondern wird durch Leistung, soziales Verhalten und Charakter geprägt, weshalb der Schutzumfang im Laufe der Zeit Veränderungen unterliegen kann (nach Tettinger JZ 1983, 317 [319] erfährt der rechtschaffende und moralisch integre Bürger mithin stärkeren Schutz als der notorische Rechtsbrecher und jener, der anerkannten sittlichen Grundnormen und Werten gleichgültig gegenübersteht). Verletzt werden kann der Achtungsanspruch durch Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen (zur Unterscheidung Rn 98, insb 101). Tatsachenbehauptungen, die der Wahrheit entsprechen, verletzen grds die Ehre nicht, jedoch kann eine Verletzung des APR aus anderen Gründen gegeben sein (s insb Rn 117ff zum Schutz des Einzelnen vor ungewollten Indiskretionen und ungewollter Publizität). Meinungsäußerungen sind im Grundsatz nach Art 5 I GG frei, verletzen die Ehre jedoch, sofern die Menschenwürde tangiert ist, es sich um eine Schmähkritik (Rn 254ff) oder eine Formalbeleidigung (Rn 258) handelt (hierzu im Einz Rn 254ff).

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c) Der normativ-faktische Ehrbegriff. Ein guter Ruf (äußere Ehre) kann verdient oder unverdient (sog falscher guter Ruf) sein; ein Ehrgefühl (innere Ehre) kann übersteigert oder zu gering ausgeprägt sein. Die unrichtige Beurteilung kann ihren Grund dabei in der Zugrundelegung unrichtiger tatsächlicher Voraussetzungen finden oder auf einer falschen Bewertung beruhen. I Erg bleibt nach überwiegender Ansicht der faktische Ruf jedoch ungeschützt – vielmehr erfährt nur der verdiente gute Ruf Schutz (Baston-Vogt, 419; Tettinger JZ 1983, 317 [319]; Brosette, Wert der Wahrheit, 113, Wenzel/Burkhardt Rn 5.159/5.174; BVerfG NJW 1989, 3269f), denn niemand kann mehr Achtung beanspruchen als er tatsächlich verdient (Ehrschutz muss mehr sein als reiner Fassadenschutz, Baston-Vogt, 416), weshalb das Rechtsgut „Ehre“ nicht durch wahre Behauptungen verletzt werden kann (zur Verletzung anderer Aspekte des APR, zB der schützenswerten Privat- und Intimsphäre, s Rn 122ff, zum Schutz vor ungewollter Indiskretion s Rn 117ff). Ehrverletzungen können mithin nicht damit begründet werden, dass der selbst definierte soziale Geltungsanspruch missachtet oder verletzt worden sei (BVerfG NJW 1989, 3269). Der angemessene Geltungswert muss vielmehr rechtlich (normativ) festgestellt werden.

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3. Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen. a) Definitionen und Kriterium der Abgrenzbarkeit. Im Rahmen des Ehrenschutzes ist zw Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen zu differenzieren, da diese unterschiedlichen Schutz erfahren. Meinungen sind grds durch einen subjektiven Bezug zw dem sich Äußernden und der Aussage geprägt, es handelt sich meist um Beurteilungen von Tatsachen und Vorgängen sowie deren Bewertung. Nach BVerfG 61, 1 [8] – NPD Europas sind Meinungen durch „das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens, des Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung“ geprägt; auf den Wert, die Richtigkeit, die Vernünftigkeit der Äußerung kommt es nicht an (vgl auch BGH NJW 1982, 2246 [2247] – Klinikdirektoren; NJW 1998, 3047 – Stolpe). Für die Einordnung als Tatsachenbehauptung ist hingegen wesentlich, ob die Äußerung einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist (BGH NJW 1998, 3047 – Stolpe; NJW 1996, 1131 [1133] – Lohnkiller; NJW 1997, 233 [235] – Gynäkologe); Tat46

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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

Anh § 12

sachenbehauptungen sind mithin Äußerungen, die etwas Bestehendes beinhalten oder etwas Geschehenes schildern – ihr Inhalt ist beweisbar. Diese objektive Beziehung zw Aussage und Realität, die dem Empfänger die Distanz erschwert, führt zu einem anderen Gefährdungspotential und rechtfertigt damit letztlich die unterschiedliche Behandlung durch die Rspr. b) Funktion der Unterscheidung. Die Unterscheidung zw APR-relevanten ehrenrührigen Tatsa- 99 chen oder (Un-)Werturteilen ist im Hinblick auf die Rechtsfolgen relevant; so können Widerruf (Rn 292ff) und Gegendarstellung (Rn 300ff) nur mit Blick auf Tatsachenbehauptungen verlangt werden (BVerfG NJW 2002, 356 – Gysi). Ungeklärt bleiben kann die Einordnung daher letztlich nur, wenn die rechtliche Beurteilung als Tatsachenbehauptung oder als Meinung dieselben Rechtsfolgen hat, BVerfG AfP 2006, 550. Zu beachten ist zudem, dass die Meinungsäußerungsfreiheit des Art 5 I GG zwar auch Tatsachenbehauptungen erfasst, weil und soweit diese Voraussetzung für das Bilden einer Meinung sind oder in Fällen, in denen sie mit Werturteilen verbunden sind (BVerfG 90, 1 [15] – Weltkriegsschuldfrage/jugendgefährdende Schriften; 61, 1 [8] – NPD Europas; NJW 2004, 1942; AfP 2000, 272); nicht umfasst ist jedoch die Behauptung oder Verbreitung bewusst unrichtiger Tatsachen (Rn 100, ausf zum Schutzumfang Rn 244ff). Hat der Äußernde die Unwahrheit nicht erkannt, muss er sorgfältig recherchiert haben. Ehmann (in Erman12 Anh § 12 Rn 30) weist zu Recht darauf hin, dass die Unterscheidung erkenntnistheoretisch zwar problematisch ist, weil schlechthin keine Tatsachenbehauptung völlig wertfrei ist, dass jedoch derjenige, der die Abgrenzung scheut, das gesamte Rechtsfolgensystem neu ordnen müsse (vgl insoweit auch Grimm NJW 1995, 1697). c) Schutz durch Art 5 I GG. Art 5 GG schützt die Freiheit der Meinungsäußerung und Meinungs- 100 verbreitung (hierzu ausf Rn 244ff). Primäres Schutzgut ist mithin die „Meinung“, welche geprägt ist durch das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens (BVerfG 61, 1 [8] – NPD Europas; 85, 1 [14] – Krit Bayer-Aktionäre). Tatsachenbehauptungen fallen, auch wenn sie keine Meinungsäußerungen darstellen, wg ihrer geistigen Wirkung unter den Schutz des Art 5 I GG, „weil und soweit sie Voraussetzung der Bildung von Meinungen“ sind (BVerfG 90, 1 [15] – Weltkriegsschuldfrage/jugendgefährdende Schriften; 61, 1 [8] – NPD Europas; NJW 2004, 1942; NJW 1999, 3326 [3328] – Stasi-Gehaltsliste; AfP 2000, 272). Keinen Schutz erfahren jedoch bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen sowie falsche Zitate (BVerfG AfP 2004, 48; 54, 208 [219] – Heinrich Böll; 85, 1 [14] – Krit Bayer-Aktionäre; NJW 2004, 354; NJW 2003, 1855; NJW 1999, 1322 – Scientology/Helnwein; BGH NJW 1997, 2679 [2681] – Die Besten I, zum Schutz vor der Wiedergabe unrichtiger Zitate s auch Rn 196), denn diese können nichts zum Meinungsbildungsprozess beitragen. Als bewusst unwahr sollen auch bewusst unvollständige Angaben gewertet werden, die beim Leser einen falschen Eindruck erwecken (Rn 104), BGH NJW 2000, 653 (656); München AfP 2001, 63; zudem dürfen auch günstige Tatsachen nicht verschwiegen werden, wenn dadurch eine Fehlbeurteilung des Betroffenen beim Publikum verursacht wird, BGH NJW 2006, 601 (603) – Schwangerschaftsabbruch II. Irrtümlich unwahre Tatsachenbehauptungen sollen jedoch unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen, weil sonst der Kommunikationsprozess verkümmern würde (Grimm NJW 1995, 1697 mwN; vgl auch Seyfahrt NJW 1999, 1287). d) Die Abgrenzung im Einzelnen. aa) Kriterium der Beweisbarkeit. Primäres Abgrenzungsmerk- 101 mal soll nach der Rspr die Beweisbarkeit sein. Maßgeblich ist mithin, ob die Äußerung einer Überprüfung ihrer Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist (BGH NJW 1998, 3047 – Stolpe; NJW 1997, 233 [235] – Gynäkologe; NJW 1996, 1131 [1133] – Lohnkiller; NJW 1994, 2614 [2615] – Pleite gehen; vgl auch EGMR NJW 2006, 1645 [1648 Tz 76] – Das blinde Auge der Polizei: „Das Erfordernis, ein Werturteil zu beweisen, lässt sich nicht erfüllen und verletzt schon für sich das Recht auf freie Meinungsäußerung.“). Die Abgrenzung zw Tatsachenbehauptungen und Werturteilen ist im konkreten Einzelfall nicht selten sehr schwierig, weil beide Äußerungsformen oftmals miteinander verbunden werden und erst im Zusammenspiel den Sinn einer Äußerung ausmachen oder weil Fälle vorliegen, in denen Tatsachenbehauptungen in Werturteilen oder Fragen versteckt (zu verdeckten Behauptungen Rn 103) werden, der sich Äußernde juristische Begrifflichkeiten verwendet (Rn 108), oder ein Verdacht (Rn 105) bzw eine sachverständige Wertung geäußert wird (Rn 109). Ob der Tatrichter rechtlich einwandfrei zw Tatsachenbehauptungen und Werturteilen unterschieden hat, unterliegt der revisionsrechtlichen Nachprüfung (BVerfG 82, 272 [281] – Zwangsdemokrat; BGH NJW 1996, 1131 [1133] – Lohnkiller). bb) Schwerpunktsuche im Einzelfall am Maßstab eines unvoreingenommenen und verständigen 102 Publikums. Nach der Rspr des BVerfG (NJW 1993, 1845 – Prinzessin Erna von Sachsen) ist der Begriff der Meinung im Interesse eines effektiven Grundrechtsschutzes weit zu verstehen; bei gemischten Äußerungen soll es darauf ankommen, ob der Schwerpunkt eher im Tatsächlichen oder in der Bewertung liegt (BVerfG 90, 241 [248] – Auschwitzlüge; 85, 1 [15] – Krit Bayer-Aktionäre; 61, 1 [9] – NPD Europas). Nicht zulässig ist es daher, Sätze oder Satzteile aus einer komplexen Äußerung herauszulösen und als unrichtige Tatsachenbehauptungen zu untersagen, wenn die Äußerung nach ihrem – zu würdigenden – Gesamtzusammenhang in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fallen kann (BGH NJW 2009, 1872 [1873] – Fraport; NJW 2009, 3580 – unsaubere Geschäfte). Substanzarme oder substanzlose Behauptungen werden im Zweifel auch als (freie) Meinungsäußerungen betrachtet (BVerfG 61, 1 [9] – NPD Europas; BGH NJW 1966, 1617 [1618] – Höllenfeuer; zur grds Abgrenzung auch BGH NJW 1996, 1131 sowie LG Düsseldorf NJW-RR 1999, 321; BGH NJW 2009, 3580 [3582] – unsaubere Geschäfte). Zudem kann sich auch eine Äußerung, die auf Werturteilen beruht, als Tatsachenbehauptung erweisen, wenn und soweit bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorgerufen wird, so BGH NJW 1982, 2246 [2248] – Klinikdirektoren; NJW 1996, 1131 – Lohnkiller; Köln AfP 2003, 267). Vgl insoweit auch die EntscheiN. Klass

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Personen

dung BGH NJW 1993, 525 [526] – Ketten-Mafia, in welcher einer Äußerung, die für sich betrachtet als subjektives Werturteil eingeordnet werden konnte, i Erg die Qualität einer Tatsachenbehauptung bescheinigt wurde, da der schlagwortartigen Verwendung des Begriffs in der Überschrift ein Text folgte, welcher die Äußerung durch das Behaupten konkreter und einem Beweis zugänglicher Vorgänge inhaltlich ausfüllte. Primär ist daher im Wege der Auslegung zu klären, was Inhalt der Äußerung und wie diese einzuordnen ist. Hierbei muss grds auf den Empfängerhorizont geachtet werden, zudem sind der sprachliche Kontext (die Formulierung allein liefert allerdings idR kein entscheidendes Abgrenzungskriterium, BVerfG NJW 1995, 3303 [3305] – Soldaten sind Mörder IV) sowie sonstige Begleitumstände bei der Sinnermittlung heranzuziehen. Ziel der Auslegung muss es sein, den objektiven Sinn einer Äußerung festzustellen, weshalb weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch die Wahrnehmung des Betroffenen maßgeblich sind – vielmehr muss die Sichtweise eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums (BGH NJW 1998, 3047 – Stolpe; Seyfarth NJW 1999, 1287; Wenzel/Burkhardt Rn 4.4f; BVerfG NJW 1995, 3303 – Soldaten sind Mörder IV), dh eines unbefangenen Durchschnittshörers oder Durchschnittslesers (BGH NJW 1987, 2225 – Chemiegift; NJW 1996, 1131 [1132] – Lohnkiller) zugrunde gelegt werden. Ausgefüllt wird dieser Maßstab aber letztlich durch das Verständnis des erkennenden Gerichts, welches oftmals funktional mit Blick auf die Rechtsfolgen unterscheidet (Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 33 in Fällen von Widerruf [Rn 292] und Gegendarstellung [Rn 300] neigt die Rspr etwa eher zur Annahme einer Tatsachenbehauptung, während iÜ im Interesse eines effektiven Grundrechtsschutzes im Zweifel für die Meinungsfreiheit entschieden wird). Aufgrund der zT schwierigen Differenzierung zw Tatsachenbehauptungen und Werturteilen und der im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung ist die Rspr zT widersprüchlich (vgl bspw BGH NJW 1993, 930 – illegal; Hamm NJW-RR 1996, 538 – belogen und betrogen). 103

cc) Verdeckte Aussagen. Bei der Sinnermittlung ebenfalls zu beachten – wenn auch mit Blick auf Art 5 I GG mit einer gewissen Zurückhaltung (BGH NJW 1980, 2801 [2805] – Medizin-Syndikat III; NJW 1987, 2225 [2227] – Chemiegift) – sind „verdeckte Behauptungen“, bei denen ein Tatsachenkern in ein Werturteil eingebettet ist (BGH AfP 1994, 295 [297]; NJW 1987, 2225 [2227] – Chemiegift). Hierbei ist zu unterscheiden zw der Mitteilung von Fakten, aus denen der Empfänger der Aussage eigene Schlüsse ziehen kann und soll, und der eigentlichen „verdeckten Aussage“ des Mitteilenden, mit der dieser eine zusätzliche Sachaussage macht oder sie dem Adressaten zumindest als unabweisliche Schlussfolgerung nahelegt (BGH AfP 1994, 295 [297]; NJW 1980, 2801 [2803] – Medizin-Syndikat III). Nur in letzterem Fall liegt eine „verdeckte Aussage“ vor, die einer „offenen Aussage“ gleichgestellt werden kann.

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dd) Unvollständige Berichterstattung. Eine bewusst unvollständige Äußerung wird vom BGH wie eine unwahre Tatsachenbehauptung bewertet (NJW 2000, 656 – Schmiergeld; NJW 2006, 601 [603] – Schwangerschaftsabbruch II), wenn durch das Verschweigen dieser Tatsache beim unbefangenen Durchschnittsleser ein falscher Anschein entstehen kann (vgl auch BVerfG GRUR 2010, 544 [545]: „Werden dem Leser Tatsachen mitgeteilt, aus denen er erkennbar eigene wertende Schlussfolgerungen ziehen soll, so dürfen dabei keine wesentlichen Umstände verschwiegen werden, die geeignet sind, den Vorgang in einem anderen Licht erscheinen zu lassen.“)

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ee) Verdachtsäußerungen/Äußerungen über innere Tatsachen. Äußerungen eines Verdachts, Motivs oder von Absichten und Einstellungen eines Dritten können unabhängig von der gewählten Art der Formulierung als Tatsachenbehauptungen verstanden werden, insb sofern Gegenstand der Äußerung ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten des Dritten ist und die Klärung seiner Motivlage anhand äußerer Indiztatsachen möglich erscheint (BVerfG NJW 2007, 2686 [2688]; BGH NJW 1951, 352; s auch zur Verdachtsberichterstattung Rn 148ff).

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ff) Fragen. Im Grundsatz treffen Fragen keine Aussage, sondern sind auf Antworten gerichtet und können daher nicht mit den Kategorien wahr oder unwahr, richtig oder falsch bewertet werden, weshalb sie weder als Werturteile noch als Tatsachenbehauptungen klassifiziert werden können. Echte Fragen bilden vielmehr eine eigene semantische Kategorie (BVerfG NJW 1992, 1442 [1443] – Altenheim; dazu Grimm NJW 1995, 1700; Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 36; BGH NJW 2004, 1034 – BildSchlagzeile), die jedoch ebenfalls dem Schutzbereich des Art 5 I GG unterfällt. Allerdings ist nicht jeder in Frageform gekleidete Satz als Frage zu betrachten. Fragesätze oder Teile davon, die nicht auf Antworten gerichtet oder für solche offen sind (insb rhetorische Fragen), bilden vielmehr Aussagen (BGH NJW 2004, 1034 [1035] – Bild-Schlagzeile „Udo im Bett mit Caroline? In einem Playboy-Interview antwortet er eindeutig zweideutig“: Vermittlung eines tatsächlichen Eindrucks, daher Äußerung mit einem tatsächlichen Substrat), die sich entweder als Werturteil oder als Tatsachenbehauptung darstellen und rechtlich wie solche zu behandeln sind (BVerfG NJW 1992, 1442 [1443] – Altenheim; ebenso BVerfG NJW 2003, 660), weshalb vom Ergebnis der Zuordnung ebenfalls das Maß des Grundrechtsschutzes abhängt. Für die Unterscheidung zw echten und rhetorischen Fragen kommt es letztlich darauf an, ob der Kontext, die Begleitumstände (BGH NJW 2004, 1034 [1035] – Bild-Schlagzeile) sowie die konkrete Formulierung (beachte: ein hoher Konkretisierungsgrad einer Frage allein reicht für sich genommen nicht aus, um diese als rhetorisch auszuweisen, BVerfG NJW 1992, 1442 [1444] – Altenheim) erkennen lassen, dass der Fragesatz auf eine noch nicht feststehende Antwort zielt, oder ob der Fragende den Zweck seiner Äußerung bereits mit dem Stellen der Frage erreicht hat (BVerfG NJW 1992, 1442 [1444] – Altenheim). Im Zweifel ist im Interesse eines effektiven Grundrechtsschutzes von einem weiten Fragebegriff auszugehen (BVerfG NJW 2003, 660 [661]). Mit Blick auf den Rechtsschutz ist festzustellen, dass echte Fragen nicht gegendarstellungsfähig sind (LG Frankenthal NJW 2006, 623; LG Offenburg NJW-RR 2001, 1052: „Prinzessin Caroline von Monaco wieder schwanger?“: nicht gegendarstellungsfähige echte Frage). IÜ gilt, dass es sich um eine Äuße48

N. Klass

Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

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rung mit so viel tatsächlichem Gehalt handeln muss, dass dieser einer Richtigstellung zugänglich ist (BGH NJW 2004, 1034 [1035] – Bild-Schlagzeile). gg) Testberichte. Bei einem Testbericht kann es sich grds sowohl um Meinungsäußerungen (Wer- 107 tungen) als auch um Tatsachenbehauptungen handeln (BGH NJW 1976, 620 [621] – Warentest II mwN). Die zusammenfassenden Ergebnisse vergleichender Warentests (insb die Vergabe plakativer Noten, zB „gut“) sind jedoch idR als Werturteile anzusehen (BGH NJW 1976, 620 – Warentest II; ebenso BGH NJW 1987, 2222 – DIN-Normen: Veröffentlichungen von Ergebnissen vergleichender Warentests, die nicht Wettbewerbszwecken, sondern allein der Verbraucheraufklärung dienen, sind idR wertende Meinungsäußerungen; vgl auch BGH NJW 1989, 1923 – Warentest V, in welcher der BGH ausnahmsweise in einem vergleichenden Warentest eine Tatsachenbehauptung gesehen hat, „soweit die Aussagen auch bei voller Berücksichtigung ihres Wertungsbezuges zum Testergebnis als solches zu qualifizieren sind und vom Leser der Testzeitschrift maßgeblich mit zur Bildung seines eigenen Qualitätsurteils über das Produkt herangezogen werden“); entspr gilt für Vergleichstests von Versicherungspolicen oder anderen Finanzprodukten (Frankfurt GRUR 2003, 85 – FINANZtest). Beruhen die Werturteile auf mitgeteilten Tatsachenbehauptungen, sind diese im Falle ihrer Unrichtigkeit jedoch ebenfalls der negatorischen Klage zugänglich (BGH NJW 1989, 1923 – Warentest IV; Köln NJW-RR 1995, 1489). Auch wenn im gewerblichen Bereich idR dem tatsächlichen Kern einer Äußerung stärkeres Gewicht beigelegt wird (Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 37), kann man festhalten, dass die Grenze zulässiger Kritik im Einzelfall recht weit zugunsten der Meinungsäußerung gezogen wird (BGH NJW 2002, 1192: auch scharfe und überzogene Kritik an gewerblichen Leistungen ist möglich; zum Persönlichkeitsrechtsschutz wirtschaftlich tätiger Unternehmen Rn 57ff). hh) Verwendung rechtlicher Begriffe. Die Verwendung rechtlicher Begrifflichkeiten und Katego- 108 rien sowie die Einstufung eines Vorgangs als strafrechtlich relevanter Tatbestand stellt idR eine subjektive Äußerung und damit eine Meinungsäußerung (persönliche Rechtsauffassung) und keine Tatsachenbehauptung dar (BGH NJW 2009, 1872 [1874] – Fraport: Vorwurf der „Korruption“; NJW 1988, 2894 [2897]: Bezeichnung des Klägers als „Schreibtischtäter“ ist weder direkt noch nur sinngemäß eine [als wahr oder unwahr feststellbare] Tatsachenbehauptung iSd Beteiligung oder Mitwirkung des Klägers am Tode des Pianisten K); die Bezeichnung als Dieb oder Betrüger ist nur im Ausnahmefall, insb bei Schilderung konkreter Begebenheiten als Tatsachenbehauptung zu klassifizieren (BGH NJW 1982, 2246 [2248] – Klinikdirektoren: Tatsachenmitteilung liegt vor, „wenn und soweit das Urteil nicht als Rechtsauffassung kenntlich gemacht ist, sondern bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorruft, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind“); BGH NJW 1999, 1706: Unterlassungsanspruch bei Bestechungsvorwurf, da Tatsachenkern bejaht; Hamburg AfP 1992, 364: Unterschlagung als Tatsachenbehauptung; Celle AfP 2002, 508 stuft den Vorwurf „Prozessbetrug“ als Tatsachenbehauptung ein, sofern er mit Tatsachen belegt wird, die dem Beweis zugänglich sind; nach BGH NJW 2002, 1192 [1193] soll ein Betrugsvorwurf Meinungsäußerung und nicht Schmähkritik sein, da im alltagssprachlichen Sinne verwandt. ii) Gutachten von Sachverständigen. Sachverständigengutachten können sowohl Tatsachenbe- 109 hauptungen als auch Werturteile enthalten; gutachterliche Tätigkeit ist jedoch zuvorderst geprägt durch subjektive Wahrnehmung und Wiedergabe des daraus gewonnenen Urt; idR ist der Schluss, den der Sachverständige aus seinem Gutachten zieht, daher ein Werturteil und nicht die Behauptung einer Tatsache, denn es liegt im Wesen des Gutachtens, dass es auf der Grundlage bestimmter Verfahrensweisen zu einem Urt kommen will, das, selbst wenn es äußerlich als Tatsachenbehauptung formuliert worden ist, auf Wertungen beruht (BGH NJW 1978, 751 [752] – Graphologisches Gutachten; NJW 1999, 2736f – Verdachtsdiagnose; LG Köln NJOZ 2009, 4788 [4791] – Psychotherapeutische Diagnose; BGH NJW 1989, 774 – Ärztliche Diagnose ist Bewertung und nicht Behauptung einer Tatsache). Ausnahmen können im Falle der leichtfertigen Erteilung eines unrichtigen Attestes bestehen (BGH NJW 1989, 2941 [2942] – Attest Nervenarzt), oder wenn „die der Schlussfolgerung vorausgehende methodische Untersuchung oder die zum Ergebnis führende Anwendung spezieller Kenntnisse und Fähigkeiten nur vorgetäuscht oder grob leichtfertig vorgenommen worden ist“ (BGH NJW 1978, 751 – Graphologisches Gutachten; vgl des Weiteren BGH NJW 1989, 774 – Ärztliche Diagnose; NJW 1989, 2941 – Attest Nervenarzt; NJW 1999, 2736 – Verdachtsdiagnose). Die einem Sachverständigengutachten zugrunde liegenden tatsächlichen Voraussetzungen sind idR jedoch Tatsachenbehauptungen und damit grds einer gerichtlichen Prüfung zugänglich (BGH NJW 1966, 647 [648] – Reichstagsbrand: kein absoluter Schutz wissenschaftlicher Veröffentlichungen vor negatorischen Ansprüchen – der Beklagte musste die Behauptung widerrufen, der Kläger habe den Reichstag angezündet; vgl auch BVerfG NJW 1998, 1391 – Rechte Professoren: eine in Anführungszeichen gesetzte Übersetzung ist mangels eines Interpretationsvorbehalts Tatsachenbehauptung). Grds nicht geschützt ist zudem die Aufstellung unwahrer Tatsachenbehauptungen (vgl Rn 100). Zur Haftung gerichtlicher Sachverständiger nach § 839a s ausf Rn 274. 4. Deutung einer Äußerung: Bestimmung des Erklärungsinhalts. Die Entscheidung, ob eine Aus- 110 sage zulässig oder als Ehrverletzung verboten ist, setzt neben der Einordnung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung die Feststellung ihres Inhalts voraus. Dies erfolgt im Wege der Auslegung/Deutung der Aussage. Ziel der Deutung ist die Ermittlung des objektiven Sinns einer Äußerung. Hierbei ist weder das subjektive Verständnis des sich Äußernden noch das des Betroffenen ausschlaggebend, vielmehr ist der Sinn maßgeblich, den die Äußerung nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat (BVerfG NJW 1995, 3303 [3305] – Soldaten sind Mörder IV, BVerfG AfP 2010, 142, 143 – Ausländerkritisches Plakat). Ausnahmen bestehen N. Klass

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Personen

insoweit nur bzgl Zitaten, denn dem Zitierten darf nichts unterstellt werden, was er nicht sagen wollte (so BVerfG 54, 208 – Heinrich Böll); zudem gelten auch spezielle Auslegungsmaßstäbe in Fällen sog Schlüsselromane (BVerfG NJW 2008, 39 – Esra; hierzu auch Rn 134). Bei der Ermittlung des konkreten Erklärungsinhalts einer Äußerung ist grds vom Wortlaut der Äußerung auszugehen. Jedoch legt dieser den Sinn nicht abschließend fest (BVerfG NJW 1995, 3303 [3305] – Soldaten sind Mörder IV). Einzubeziehen sind ebenso der sprachliche Kontext sowie die Begleitumstände der Äußerung. Keinesfalls darf eine isolierte Betrachtung einzelner Äußerungsteile erfolgen. Die Inhaltsbestimmung im Wege der Auslegung ist zwar grds Sache des Tatrichters, und eine falsche Auslegung verletzt nicht notwendig spezifisches Verfassungsrecht (BVerfG NJW 1964, 1715 – Künstliche Bräunung) – allerdings beansprucht das BVerfG entgegen der Heck’schen Formel (hierzu Rn 6) idR die Kompetenz zur Auslegung/Deutung einer Äußerung, da diese für den Grundrechtsschutz weichenstellend ist und insoweit begangene Fehler regelmäßig eine intensive Grundrechtsbeeinträchtigung darstellen (BVerfG 43, 130 [136f] – Flugblatt; aktuell: BVerfG NJW 2010, 3501 – Gen-Milch; krit hierzu Ossenbühl ZUM 1999, 505 [511f]). 111

5. Die Beurteilung mehrdeutiger Äußerungen. a) Mehrdeutigkeit. Mehrdeutige Äußerungen sind Äußerungen, deren Inhalt auch nach einer Auslegung durch ein Gericht noch mehrdeutig ist, deren Aussagegehalt mithin nicht durch eine Interpretation des Gesagten eindeutig festgelegt werden kann.

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b) Variantenlehre. Im Grundsatz ist in diesen Fällen eine in der Literatur als „Variantenlehre“ (seit Seitz NJW 1996, 1518 [1519]) bezeichnete spezielle Auslegungsmethode des BVerfG heranzuziehen (BVerfG 82, 43 [52] – Strauß-Transparent; krit hierzu Starck JZ 1996, 1033 [1037]; Helle AfP 2006, 110 [111]). Danach ist die Meinungsfreiheit verletzt, wenn ein Gericht bei mehrdeutigen Äußerungen die zu einer Verurteilung führende Bedeutung zugrunde legt, ohne vorher mit schlüssigen Gründen Deutungen ausgeschlossen zu haben, welche die Sanktion nicht zu rechtfertigen vermögen. In Fällen, in denen die gewählten Formulierungen oder die Umstände der Äußerung eine nicht das Persönlichkeitsrecht verletzende Deutung zulassen, verstößt nach Ansicht des BVerfG ein Strafurteil oder ein die Verurteilung zum Schadensersatz, zum Widerruf oder zur Berichtigung aussprechendes zivilgerichtliches Urt gegen Art 5 I S 1 GG (st Rspr seit BVerfG 82, 43 [52] – Strauß-Transparent; keine Anwendung findet die Variantenlehre jedoch seit BVerfG NJW 2006, 207 – IM-Sekretär/Stolpe auf Unterlassungsansprüche, hierzu Rn 113; anders noch BVerfG 82, 272 [280f] – Zwangsdemokrat; 85, 1 [13f] – Krit Bayer-Aktionäre; erstreckt wurde die Variantenlehre jedoch auf den Bereich des Wettbewerbsrechts, BVerfG 102, 347 [367] – Benetton I und 107, 275 [282] – Benetton II). Bei mehreren Deutungsvarianten ist mithin diejenige zugrunde zu legen, die dem sich Äußernden am günstigsten ist und eine Verurteilung vermeidet, es sei denn, diese günstigere Deutung ist sehr fernliegend oder kann unter Angabe besonderer Gründe ausgeschlossen werden. Helle AfP 2006, 110 [111] fasst die Methode anschaulich mit drei Komponenten zusammen: (1) Zunächst besteht ein Begründungszwang, wonach alle möglichen Deutungen (mit Ausnahme entfernt liegender) zu prüfen und, wenn sie der rechtlichen Beurteilung nicht zugrunde gelegt werden sollen, mit qualifizierten Gründen auszuschließen sind; (2) danach kommt das Günstigkeitsprinzip zum Tragen, wonach unter den Deutungen, die nicht (überzeugend) ausgeschlossen werden können, diejenige zugrunde zu legen ist, die dem Äußerer am günstigsten ist; (3) zuletzt ist das Eindeutigkeitsprinzip zu beachten, wonach es grds nur eine Deutung geben darf, die als rechtlich relevant zu betrachten ist. Diese Herangehensweise soll nach Ansicht des BVerfG negative Auswirkungen auf die generelle Ausübung des Grundrechts der Meinungsfreiheit und mithin einen Einschüchterungseffekt auf die freie Rede, die freie Information sowie die freie Meinungsbildung verhindern, denn müsste der Äußerungswillige selbst wg fernliegender oder unhaltbarer Deutungen seiner Äußerungen Sanktionen befürchten, würde die Bereitschaft, sich zu äußern, abnehmen (BVerfG 94, 1 [9] – DGHS).

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c) Ausnahme im Bereich von Unterlassungsansprüchen: Die „Stolpe-Doktrin“. Eine wichtige Ausnahme besteht jedoch seit der Entscheidung BVerfG NJW 2006, 207 – IM-Sekretär/Stolpe im Rahmen der Prüfung von Unterlassungsansprüchen – hier soll nunmehr statt der Variantenlehre, die „StolpeDoktrin“ zum Einsatz kommen (anders noch BVerfG 82, 272 [280f] – Zwangsdemokrat; 85, 1 [13f] – Krit Bayer-Aktionäre). Danach sollen bei der vorzunehmenden Abwägung alle nicht entfernt liegenden Deutungsvarianten, die das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigen, zugrunde gelegt werden mit der Konsequenz, dass im Rahmen von Unterlassungsansprüchen von der für den sich Äußernden ungünstigeren Deutungsvariante auszugehen ist. Das Gericht stützt diese Differenzierung auf den Gedanken, dass ein Unterlassungsanspruch im Gegensatz zu den anderen zivilrechtlichen Ansprüchen oder strafrechtlichen Sanktionen nicht Vergangenes bestraft, sondern zukunftsgerichtet ist. Der Äußernde habe stets die Möglichkeit, sich in der Zukunft eindeutig auszudrücken und damit zugleich klarzustellen, welcher Äußerungsinhalt der rechtlichen Prüfung einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts zugrunde zu legen ist (BVerfG NJW 2006, 207 – IM-Sekretär/Stolpe). Sei der Äußernde nicht bereit, der Aussage einen eindeutigen Inhalt zu geben, bestehe kein verfassungsrechtlich tragfähiger Grund, von einer Verurteilung zum Unterlassen nur deshalb abzusehen, weil die Äußerung mehrere Deutungsvarianten zulässt, darunter auch solche, die zu keiner oder nur einer geringeren Persönlichkeitsrechtsverletzung führen. Hiervon sei auch kein Einschüchterungseffekt zu erwarten, da der Äußernde eine auf Unterlassung zielende Verurteilung des Zivilgerichts vermeiden könne, wenn er eine ernsthafte und inhaltlich ausreichende Erklärung abgebe, die mehrdeutige Äußerung nicht oder nur mit geeigneten Klarstellungen zu wiederholen. Das Selbstbestimmungsrecht des sich Äußernden bleibe gewahrt, da er sein Anliegen in freier Selbstbestimmung in einer das APR nicht verletzenden Art und Weise weiterverfolgen könne. Das BVerfG führte diese Rspr im Babycaust-Urt (NJW 2006, 3769 [3773]) fort, indem es sie auch auf Werturteile übertrug – mithin kommt es nicht da50

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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

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rauf an, ob es sich bei der mehrdeutigen Äußerung um eine Tatsachenbehauptung oder eine Meinungsäußerung handelt. Keine Anwendung soll die Stolpe-Rspr jedoch im Falle von Gegendarstellungsansprüchen des 114 Presserechts finden, da dies erhebliche Risiken für die Presseberichterstattung mit sich bringen würde und i Erg nicht mit der Pressefreiheit zu vereinbaren sei (BVerfG ZUM 2008, 325 – Spiegel). Mit Blick auf einen möglichen Hemmungseffekt muss nach Ansicht des BVerfG zudem sichergestellt sein, dass für die Klarstellung und damit für die Abwendung der Unterlassungsverpflichtung ein einfacher Weg eröffnet ist, denn auf die Ausübung der Meinungsfreiheit wären nachteilige Wirkungen zu erwarten, wenn eine hohe Kostenlast auf den zukäme, der eine mehrdeutige Äußerung getroffen hat, auch wenn er nach Erkennen der Mehrdeutigkeit und des persönlichkeitsrechtsverletzenden Inhalts einer Deutungsalternative eine Klarstellung vorgenommen hat (BVerfG ZUM 2008, 325 [327] – Spiegel). Das BVerfG scheint damit einen Kostenerstattungsanspruch im Falle einer Abmahnung abzulehnen, wenn der Äußernde seine Aussage unverzüglich klarstellt (Mann AfP 2008, 6 [13]). Die Reaktionen auf das Stolpe- und das Babycaust-Urt sind gespalten. Befürworter einer Stärkung 115 des Persönlichkeitsrechtsschutzes begrüßen die neue Rechtsprechungslinie (Helle AfP 2006, 110; Hochhuth NJW 2006, 189 [191]; Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 41), verweisen jedoch meist zugleich darauf, dass die Anwendung auf Unterlassungsansprüche nicht ausreiche, sondern eine Ausweitung erforderlich sei – wobei der befürchtete Einschüchterungseffekt durch die richtige Anspannung des Verschuldenserfordernisses vermieden werde könne (Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 40f). Die Gefahr des befürchteten Hemmungseffekts lässt sich bei einer umfassenden Anwendung und angesichts des damit verbundenen Risikos einer Schadensersatzklage im Falle einer fahrlässig mehrdeutigen Äußerung jedoch nicht völlig leugnen; die Sorge, dass spontane Äußerungen aus Furcht vor einem möglichen Prozess und einem möglicherweise damit verbunden negativen Image unterbleiben, besteht durchaus. Auch eine Übertragung auf den Widerrufs- oder Berichtigungsanspruch kann trotz deren Zukunftsgerichtetheit nicht überzeugen, weil zum einen ein öffentlicher Widerruf bzw eine Berichtigung einen ungleich einschneidenderen Eingriff darstellt und zum anderen ein aktives Tun auch in der Öffentlichkeit in stärkerem Maße wahrgenommen wird. Zudem ist fraglich, ob sich nicht auch schon ein bloßes Unterlassungsurteil einschüchternd auf die freie Rede auswirkt (krit insofern auch Mann AfP 2008, 6 [9]; Gas AfP 2006, 428 [430]; Teubel AfP 2006, 20 [21]); insb kann sich das bestehende Prozess- und Kostenrisiko hemmend auswirken, denn wie eine mögliche sofortige „Unterwerfungserklärung“ (Hochhuth NJW 2006, 189 [191]) aussehen und welchen Inhalt sie haben müsste, um Prozesskosten zu vermeiden, hat auch das BVerfG (ZUM 2008, 325 [327] – Spiegel) nicht aufgezeigt. Andererseits – und dies ist ein durchaus positiver Effekt der neuen Rspr – verhindert die Stolpe-Doktrin, dass unter dem Deckmantel der Mehrdeutigkeit gezielt das APR verletzende Äußerungen getätigt werden. Nach BVerfG NJW 2010, 3501 [3502] – Gen-Milch fehlt es jedoch an einer konkreten, einen Unterlassungsanspruch begründenden Tatsachenbehauptung, wenn die Äußerung in einem Maße vieldeutig erscheint, dass sie nicht als eigenständige Behauptung eines bestimmten Sachverhalts verstanden, sondern ohne Weiteres als in tatsächlicher Hinsicht unvollständig und ergänzungsbedürftig erkannt werden kann (zB Verwendung von Slogans und schlagwortartigen Äußerungen). In einem solchen Fall stehe die Meinungsfreiheit, die auch das Recht umfasse, aufmerksamkeitserregende Zuspitzungen und polemisierende Pointierungen zu verwenden, einer Untersagung der Äußerung wg ihrer Mehrdeutigkeit entgegen. 6. Das Recht der persönlichen Ehre als Schranke der Kommunikationsfreiheiten (dazu ausf 116 Rn 244ff). II. Schutz vor ungewollten Indiskretionen und ungewollter Publizität 1. Indiskretionsschutz. Der Schutz vor Indiskretionen hat in der deutschen Rspr zum APR eine 117 lange Tradition – schon früh stellten die Gerichte fest, dass der Persönlichkeit Schutz vor unberechtigter Informationsveröffentlichung gewährt werden müsse (BGH 24, 200 – Spätheimkehrer; 36, 77 – Waffenhandel). Ausgangspunkt der Schutzgewährung war dabei zunächst die Überlegung, dass sich das Leben in unterschiedlichen Sphären vollzieht, weshalb auch der Schutz der Persönlichkeit je nach betroffener Sphäre unterschiedlich stark ausgeprägt sein müsse. Später wurde der Indiskretionsschutz maßgeblich aus dem Selbstbestimmungsgedanken hergeleitet (BVerfG 35, 202 – Lebach), und es wurde anerkannt, dass jedem Einzelnen ein autonomer Bereich privater Lebensgestaltung gewährt werden müsse, in welchem er seine Individualität entwickeln und wahren kann. Hierzu gehöre auch das Recht, für sich zu sein, sich selber zu gehören und den Einblick durch andere auszuschließen. Zwar hat das BVerfG diesen Ansatz in jüngerer Zeit relativiert, in dem es feststellte, dass das APR dem Einzelnen keinen Anspruch gibt, nur so dargestellt zu werden, wie er sich selber sieht oder gesehen werden möchte (BVerfG NJW 2000, 1021 [1022] – CvM), gleichwohl zeigt eine Analyse der Rspr, dass ein Schutz gegen die Verbreitung wahrer Tatsachen im Sinne eines Schutzes gegen ungewollte Diskretionen als Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts anerkannt ist. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen absoluten Schutz – vielmehr muss das betroffene APR stets mit konfligierenden Rechten Dritter oder anderen Verfassungsgütern in Ausgleich gebracht werden. Die von der Rspr entwickelten Schutzsphären (Intimsphäre, Geheimsphäre, Privatsphäre und Sozialsphäre, vgl hierzu Rn 122ff) dienen dabei in jüngster Zeit meist nur auf der Ebene der Güter- und Interessenabwägung als Orientierungspunkte und tragen eine gewisse Vermutungswirkung für oder gegen die Zulässigkeit einer Veröffentlichung von Informationen in sich. 2. Recht auf Anonymität. Neben dem Indiskretionsschutz, der die inhaltliche Komponente einer 118 ungewollten Informationsveröffentlichung betrifft, hat der Einzelne auch ein Recht darauf, selbst daN. Klass

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Allgemeiner Teil

Personen

rüber zu bestimmen, ob er als Person mit seinem Namen (LG Berlin ZUM 2005, 406 [407]), seinem Bild oder in sonstiger identifizierbarer Weise in die Öffentlichkeit treten und so seine bestehende Anonymität aufheben will (BGH NJW-RR 2007, 619 [620] mwN; ferner GRUR 1965, 256 [258] – Gretna Green; NJW 1974, 794 [795] – Todesgift; LG Berlin AfP 1997, 938 [939] – Scientology-Anwalt; KG NJW 1989, 397 [398] – Buchpassage; LG Berlin 2010, 290 [291] – Hochzeit; KG AfP 2010, 376 [378] – Stasi-Vergangenheit; befürwortend auch Wanckel Hdb des Persönlichkeitsrechts § 19 Rn 40ff; Prinz/ Peters Medienrecht Rn 102ff; zurückhaltend BVerfG ZUM-RD 2010, 657 – Charlotte Casiraghi: Ob es ein Recht gibt, nicht gegen seinen Willen zum Objekt bestimmter medialer, die selbst gewählte Öffentlichkeit verbreiternde Erörterung gemacht zu werden, ist fraglich). Dieses Recht beinhaltet, in gewählter Anonymität zu bleiben und die eigene Person nicht in der Öffentlichkeit dargestellt zu sehen, wobei es nicht darauf ankommt, ob der mitzuteilende Umstand den Tatsachen entspricht, weil das Persönlichkeitsrecht auch eine solche Mitteilung der Disposition der betroffenen Person unterstellt (BGH GRUR 1965, 256 [258] – Gretna Green; LG Berlin ZUM 2005, 406 [407]; LG Berlin AfP 2010, 290, 291 – Hochzeit). Insb im Kontext von Berichterstattungen über familiäre Auseinandersetzungen und Verhältnisse habe der Einzelne ein Recht darauf, nicht in das Licht der Öffentlichkeit gezogen zu werden (BGH GRUR 1965, 256 [258] – Gretna Green). Eine rechtswidrige Verletzung der Person liegt nur dann nicht vor, wenn für die Mitteilung über die Person ein berechtigtes Interesse besteht, das dem Schutz des Persönlichkeitsrechtes vorgeht (KG MMR 2009, 478 – Gerichtsverfahren; LG Berlin ZUM 2005, 406 [407] – Schauspielerkind). Zudem wird das Recht des Einzelnen, anonym zu bleiben, ebenfalls im Bereich der Verdachtsberichterstattung (hierzu Rn 148ff) weitgehend anerkannt – Eingriffe sind hier nur insoweit möglich, als ein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht (ausf hierzu BVerfG 35, 202 [231f] – Lebach). Auch aus dem Interesse an bestimmten zeitgeschichtlichen oder aktuellen Ereignissen kann daher nicht stets das Recht abgeleitet werden, die betroffenen Personen aus ihrer Anonymität herauszuheben (BGH NJW 1966, 2353 [2355] – Vor unser eigenen Tür). 119

Der Anonymitätsschutz, der seine Grundlage im Recht auf informationelle Selbstbestimmung findet, LG Berlin AfP 2010, 290, 291 – Hochzeit, gilt jedoch nicht absolut, sondern muss Einschränkungen insb im Interesse des öffentlichen Informationsinteresses sowie sonstiger Gemeinwohlinteressen hinnehmen (ein diensthabender Notfallarzt muss daher bspw die Veröffentlichung seines Namens, seiner Dienstadresse und seiner dienstlichen Telefonnummer in der Lokalpresse tolerieren, selbst wenn seine Erreichbarkeit über die Rettungsleitstelle organisatorisch sichergestellt ist, BGH NJW 1991, 1532 [1533f] – Bekanntgabe des Notfallarztes; s auch KG MMR 2009, 478 – Gerichtsverfahren). Umfang und Reichweite des Anonymitätsschutzes hängen zudem von den subjektiven Einstellungen, dem konkreten (Vor)verhalten der betroffenen Person, vom Kontext der konkreten Berichterstattung sowie von der im Einzelfall betroffenen Sphäre ab (Wanckel Hdb des Persönlichkeitsrechts § 19 Rn 40ff). Namensnennungen, die den Bereich der Sozialsphäre betreffen (insb Namensnennungen im beruflichen Umfeld; vgl BVerfG AfP 2010, 465 [466] – personalisierte Darstellungsweise; BGH NJW 1991, 1532 [1533f] – Bekanntgabe des Notfallarztes, s auch Celle AfP 1989, 575 – dienstliche Tätigkeit; LG Köln ZUM 2011, 84 – Cyberstalking) sind daher eher zulässig als die Offenlegung der Identität im Bereich der Privatsphäre. Grds gilt, dass Berichte unter Namensnennung die persönliche Sphäre des Betroffenen sehr viel stärker berühren als eine anonymisierte Berichterstattung über persönliche Belange (BGH NJW 1980, 1790 [1791]), weshalb stets geprüft werden muss, ob ein anerkennenswertes Informationsinteresse nur mit Blick auf den konkreten Vorgang oder auch gerade an der Person und der damit verbundenen namentlichen Nennung besteht (Hamburg NJW-RR 1991, 98 – Intime Beziehungen). Unzulässig ist eine Namensnennung jedenfalls immer dann, wenn mit ihr eine Stigmatisierung, Prangerwirkung (vgl hierzu auch Rn 127) oder soziale Ausgrenzung verbunden ist (BVerfG GRUR 2010, 544 [545] – Zitat aus Anwaltsschreiben; AfP 2000, 445 [447] – Stasi-Listen, nach BVerfG AfP 2010, 465 [466] – Personalisierte Darstellungsweise, müsse jedoch bei der Würdigung der mögl Prangerwirkung beachtet werden, dass die Wahl der personalisierten Darstellungsweise Teil der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit sei), denn derartige Veröffentlichungen können aufgrund gesellschaftlicher Einschätzungs- und Verhaltensmechanismen einen „Entzug der sozialen Anerkennung, eine soziale Isolierung und eine grundlegende Verunsicherung und Selbstentwertung des Betroffenen“ in zahlreichen Lebensbereichen zur Folge haben, wodurch die freie und ungestörte Entwicklung der Persönlichkeit nachhaltig erschwert wird (BVerfG 97, 391 [403] – Missbrauch).

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3. Allgemeine Kriterien für die Schutzbereichsbestimmung sowie für die Güter- und Interessenabwägung. a) Besondere Wirkkraft und potenzierte Öffentlichkeit der Massenmedien. Bei der im Rahmen des Indiskretions- und Anonymitätsschutzes vorzunehmenden Güter- und Interessenabwägung, aber auch bei der Schutzbereichsbestimmung ist zudem maßgeblich, ob die jeweilige Information im privaten Freundes- oder Familienkreis, im Verein, im Unternehmen oder in sonstigen geschlossenen Systemen offenbart und durch einzelne Personen verbreitet wird, oder ob sich dafür eines Massenmediums bedient wird, dessen Reichweite und Wirkkraft mit der einer persönlichen Weitergabe in Nichts zu vergleichen ist (ähnlich auch BGH NJW 1981, 1366 [1367] – Der Aufmacher II; Hamburg AfP 1992, 376 [377]). Persönliche Indiskretionen in der Familie, im Freundeskreis und am Arbeitsplatz sind zu tolerieren, weil der Einzelne nicht zurückgezogen und ohne soziale Kontakte leben kann. Die Informationsweitergabe in den Massenmedien hat jedoch eine andere Qualität, denn die Öffentlichkeit der Medien ist eine für den Einzelnen nicht einschätzbare und damit eine anonyme Größe, da der Betroffene nicht weiß, wer den Bericht gesehen hat und wem ggü eventuell eine Erklärung, Rechtfertigung oder Entschuldigung angebracht ist. Auch ist zu beachten, dass sich der Einzelen heutzutage in unterschiedlichsten Rollen bewegt und unterschiedlichste fragmentarische Beziehungsgeflechte bestehen, weshalb ihm meist daran gelegen ist, dass Informationen über die eigene 52

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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

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Person und das eigene Leben mit Blick auf die jeweils einzunehmende Rolle gefiltert werden. Informationsveröffentlichungen in den Medien laufen diesem Interesse strikt entgegen, denn eine adressatenbezogene Steuerung ist hier nicht möglich (vgl hierzu Klass, Realitätsfernsehen, 310ff). Die erhebliche Breitenwirkung der Medien darf daher nicht nur bei der Feststellung der Schwere des Eingriffs Bedeutung erlangen, sondern muss schon im Rahmen der Schutzbereichsbestimmung sowie im Rahmen der Abwägung Gewicht erhalten. b) Vorverhalten. Maßgeblich für die konkrete Reichweite des Indiskretionsschutzes ist zudem das 121 Vorverhalten der betroffenen Person, denn niemand kann sich auf Diskretionsschutz hins solcher Aspekte berufen, die er selbst der Öffentlichkeit preisgegeben hat (BVerfG ZUM-RD 2009, 574 – Kannibale von Rothenburg). Wer sich in freier Entscheidung der Medienöffentlichkeit aussetzt, indem er bspw Veranstaltungen besucht, die erkennbar auf ein so großes Interesse von Teilen der Öffentlichkeit stoßen, dass mit einer Berichterstattung durch die Medien gerechnet werden muss, kann sich daher nicht auf ein entspr Selbstbestimmungsrecht über die mediale Darstellung berufen, denn es kann keine umfassende Verfügungsbefugnis über die Darstellung der eigenen Person im Sinne einer ausschließlichen Herrschaft des Grundrechtsträgers auch über den Umgang der Öffentlichkeit mit denjenigen Aussagen oder Verhaltensweisen geben, deren er sich öffentlich entäußert hat (BVerfG ZUM-RD 2010, 657 – Charlotte Casiraghi). Ein Schutz entfällt daher jedenfalls in dem Maße, in dem sich jemand damit einverstanden zeigt, dass bestimmte Angelegenheiten und Informationen öffentlich gemacht werden, denn die berechtigte Erwartung, dass die Öffentlichkeit bestimmte Umstände und Angelegenheiten nicht zur Kenntnis nimmt, muss konsequent zum Ausdruck gebracht werden (BVerfG NJW 2000, 1021 [1023]; BGH GRUR 2005, 76 [78]; BVerfG AfP 2006, 448 [452]). Allerdings unterliegt die selbstbestimmte Öffnung der Privatsphäre einer gewissen Zweckbindung, was bedeutet, dass im Einzelfall sorgfältig zu prüfen ist, ob auch mit Blick auf die konkrete Berichterstattung eine Öffnung angenommen werden kann (so auch Wanckel Hdb des Persönlichkeitsrechts § 19 Rn 26). Ebenfalls ist zu beachten, ob sich der Einzelne nur unter Druck, bspw aufgrund vorangegangener Berichterstattungen oder durch das Informationsverhalten Dritter, der öffentlichen Diskussion privater Sachverhalte stellt und Details preisgibt, die er grds lieber für sich behalten hätte (BGH GRUR 2005, 76 [78]). 4. Diskretionsschutz durch Sphärenschutz. a) Informationen aus der Intimsphäre. Grds kann die 122 Persönlichkeit für alle Lebensvorgänge Schutz beanspruchen, die zur Wahrung und Entwicklung von Identität und Individualität vor Einblicken und dem Einwirken der Öffentlichkeit abgeschirmt werden müssen (BVerfG 79, 256 [268]; FamRZ 2010, 1621: Nichteintragung der Elternschaft in ein Personenstandsdokument ist jedoch kein Eingriff in die Intimsphäre; BGH NJW 1981, 1366 – Der Aufmacher II). Lebensvorgänge, die hierbei einen absoluten, weil im Bereich des Menschenwürdeschutzes angesiedelten, und damit unantastbaren Schutz erfahren, werden gemeinhin unter dem Begriff der Intimsphäre zusammengefasst. Diese umfasst ganz allg die innere Gedanken- und Gefühlswelt mit ihren äußeren Erscheinungsformen, Vorgänge aus dem Sexualbereich und sonstige Belange, die von Natur aus einen Anspruch auf Geheimhaltung und Diskretion beanspruchen. Darstellungen und Erörterungen, die den Intimbereich betreffen, sind grds nur mit Einwilligung (s hierzu ausf Rn 229ff) des Betroffenen zulässig. Der Bereich der Intimsphäre umfasst mithin den letzten unantastbaren Bereich menschlicher Freiheit und schafft die im Einzelfall erforderliche Distanz zu Mitmenschen (BayObLGSt 1978, 152 [156] – Prostituierte). Für die Frage, ob ein Sachverhalt diesem absolut geschützten Kernbereich zugeordnet werden kann, ist daher in erster Linie maßgeblich, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlicher Art ist und in welcher Art und Weise er die Belange der Gemeinschaft berührt (BVerfG NJW 2009, 3357 [3359] – Berichterstattung über Vergewaltigung; 89, 69 [82f] – Cannabis). Nach überwiegender Ansicht gehört dem besonders geschützten Kernbereich der Intimsphäre insb das Sexualleben an (BVerfG NJW 2009, 3357 [3359] – Berichterstattung über Vergewaltigung; NJW 1997, 1769). Geschützt wird die Freiheit, die eigenen Ausdrucksformen der Sexualität für sich zu behalten und unbehelligt zu erleben (unzulässig ist daher bspw das Outing eines homosexuellen Mannes, LG München I Urt v 21.7.2005 Az 7 O 4742/05). Allerdings ist selbst das Gebiet des „Geschlechtlichen“ dem (staatlichen) Zugriff nicht vollends 123 entzogen. Weist die Handlung einen starken Sozialbezug auf, so kann im Einzelfall doch eine Abwägung mit entgegenstehenden Interessen erforderlich werden (BayObLGSt 1978, 152 [156]: geschlechtliche Handlungen mit einer Prostituierten; BVerfG NJW 2009, 3357 [3359]: Berichterstattung über eine Vergewaltigung – wobei auch die Beziehung des Täters zu seinem Opfer dann nicht zur absolut geschützten Intimsphäre gehört; vgl auch KG NJW-RR 2010, 622 – HIV-Infektion: Mitteilung des Tatvorwurfs, eine mit HIV-infizierte Betroffene habe ungeschützten Geschlechtsverkehr mit anderen Personen gehabt, berührt lediglich die Privatsphäre). Hier wird deutlich, dass mit Blick auf den Aspekt der Sexualität (aber auch mit Blick auf den Bereich der Berichterstattung über Krankheiten, vgl BGH NJW 2009, 754) durchaus Überschneidungen (BGH NJW 2000, 1021 [1022] – CvM) mit dem Bereich der Privatsphäre (vgl Rn 126) bestehen. So sind nach der jüngeren Rspr detailarme Berichte sexueller Begebenheiten nicht per se verboten (vgl BGH NJW 1999, 2893 – Ehebruch; BVerfG NJW 2000, 2189; ebenso nicht über Krankheiten, vgl BGH NJW 2009, 754). Neben Darstellungen von sexuellen Vorgängen fallen in den Schutzbereich der Intimsphäre insb Aufnahmen und Abbildungen des nackten Körpers einer Person (BGH NJW 1985, 1617ff – Nacktaufnahme; Dresden ZUM 2010, 597 – Werbung für Welterbe/Nacktdarstellung auf einem Gemälde; LG Hamburg ZUM-RD 2009, 610) sowie Berichterstattungen, die den Bereich der Gesundheit betreffen, insb Berichte über Krankkeiten (nach KG NJW-RR 2010, 622 soll die bloße Mitteilung einer Erkrankung – hier mögliche HIV-Infektion – noch keine Verletzung der Intimsphäre darstellen) und Verletzungen.

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Die Intimsphäre erfährt dabei nicht nur im Bereich der Medienberichterstattung absoluten Schutz, vielmehr billigen die Gerichte dem Einzelnen auch mit Blick auf künstlerische Werke einen unantastbaren Bereich des Indiskretionschutzes zu. Ist dieser betroffen, liegt idR auch die im Spannungsverhältnis zur Kunstfreiheit erforderliche schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vor (BVerfG NJW 2008, 39 – Esra). In der Entscheidung „Esra“ sahen BGH (NJW 2005, 2844 – Esra I; NJW 2008, 2587 – Esra II) und BVerfG (NJW 2008, 39 [40] – Esra) bspw die Schilderung intimer Begebenheiten, die Mitteilung eines Abtreibungsversuchs und Details über den Gesundheitszustand des Kindes der betroffenen Protagonistin als schwerwiegende Verletzungen des APR an, welche nicht durch die Kunstfreiheit gerechtfertigt werden konnten.

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b) Informationen aus dem Bereich der Geheimsphäre. Im Rahmen des Indiskretionsschutzes genießt der Einzelne auch Geheimnisschutz (BVerfG 54, 148 – Eppler; NJW 1972, 1123). Dem Schutz der „Geheimsphäre“ unterfällt dabei alles, was der Einzelne durch besondere Maßnahmen vor der Kenntnisnahme durch Dritte bewahren möchte, insb erfährt die ungenehmigte Veröffentlichung oder Kenntnisnahme privater Kommunikation Schutz. Kennzeichnend für den Geheimnisschutz, der sich in der deutschen Rechtsordnung in vielfältiger Art und Weise niederschlägt (zB §§ 201, 201a StGB; § 17 UWG ua), ist primär der Geheimhaltungswille des Betroffenen. Schutz erfahren daher insb persönliche Aufzeichnungen und Notizen, Krankenunterlagen (BGH NJW 1957, 1146 [1147]); Ehescheidungsakten (BVerfG 27, 344 [350f]); Informationen, die die Vermögens- und Einkommensverhältnisse betreffen, aber auch geschäftliche Unterlagen, soweit sie nicht dem Bereich des öffentlichen Wirkens eines Unternehmens zugeordnet werden können oder müssen. Die Art bzw Form der Aufzeichnung ist dabei unerheblich (LG Köln ZUM-RD 2009, 349 [351] – Veröffentlichung fremder persönlicher E-Mails auf Homepage). Allerdings bestehen auch hier Überschneidungen sowohl zum Bereich der Intim- als auch der Privatsphäre (vgl zur Abgrenzung Wanckel Hdb des Persönlichkeitsrechts § 19 Rn 35).

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c) Informationen aus der Privatsphäre. Die Privatsphäre entfaltet Schutz in thematischer wie auch in räumlicher Hinsicht. aa) Der thematische Schutzbereich. Nach der Rspr des BVerfG (NJW 2000, 1021 [1022] – CvM) umfasst der Privatsphärenschutz in thematischer Hinsicht alle „Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als ‚privat‘ eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst“. Dies sei etwa der Fall bei der Auseinandersetzungen mit sich selbst in Tagebüchern, bei vertraulicher Kommunikation unter Eheleuten, im Bereich der Sexualität, bei sozial abweichendem Verhalten oder bei Krankheiten (BGH NJW 2009, 754 – Ernst August v Hannover: Die eigene Erkrankung gehört auch bei einer Person des öffentlichen Interesses grds zur Privatsphäre; Ausnahmen können jedoch bei einem besonderen Personenkreis wie bspw wichtigen Politikern, Wirtschaftsführern oder Staatsoberhäuptern gelten; insoweit bestehen durchaus Überschneidungen mit dem Bereich der Intimsphäre, vgl Rn 122ff). Vom Schutzbereich umfasst werden zudem Informationen über familiäre Verhältnisse und Verbindungen des Einzelnen (Familienstreitigkeiten, Hochzeits- und Scheidungsabsichten), aber auch Glaubensfragen (Trauer, Religionsausübung), Bekenntnisse, Überzeugungen und Informationen über finanzielle Fragen (Eigentumsfragen, Einkommen etc).

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bb) Der räumliche Schutzbereich. Darüber hinaus erstreckt sich der Schutz der Privatsphäre auch auf einen räumlichen Bereich, in dem der Einzelne zu sich kommen, sich entspannen oder auch gehen lassen kann (BVerfG NJW 2000, 1021 [1022] – CvM; 27, 1). Geschützt ist insofern in erster Linie der häusliche Bereich, die eigenen vier Wände (Wohnungen, Privathäuser, Gärten); erfasst werden aber auch temporär genutzte Räumlichkeiten wie Hotelzimmer und Ferienwohnungen (BGH GRUR 2004, 438 [439]. Derartige Rückzugsbereiche sind nach der Rspr des BVerfG erforderlich, da der Einzelne psychisch überfordert würde, müsste er unausgesetzt darauf achten, wie er auf andere wirkt und ob er sich richtig verhält. Ein derartiges Schutzbedürfnis besteht nach BVerfG NJW 2000, 1021 [1022] – CvM auch bei Personen, die aufgrund ihres Rangs oder Ansehens, ihres Amts oder Einflusses, ihrer Fähigkeiten oder Taten besondere öffentliche Beachtung finden, denn eine Person, die gewollt oder ungewollt zur Person des öffentlichen Lebens geworden ist, verliert nicht grds ihr Anrecht auf eine Privatsphäre, die den Blicken der Öffentlichkeit entzogen bleibt. Daher muss ein Prominenter es auch nicht hinnehmen, wenn Luftbildaufnahmen seines Wohnhauses unter Überwindung bestehender Hindernisse (Flugzeuge, Teleobjektive etc) angefertigt und diese kommerziell verwendet werden (BGH GRUR 2004, 438 [440]; vgl auch BVerfG (NJW 2006, 2836 [2837] sowie Rn 171). Geschützt sind aber nicht nur Abbildungen, sondern auch die Wohnadresse, weshalb deren Veröffentlichung sowie die Angabe von Wegbeschreibungen zum Auffinden eines Wohnhauses vom Schutzbereich der Privatsphäre erfasst werden. Der Schutz der Privatsphäre eines umfriedeten Grundstücks entfällt auch nicht etwa dadurch, dass zufällig vorbeikommende Passanten Grundstücksteile einsehen können (BGH GRUR 2004, 438 [439]). Der Rückzugsbereich einer Person darf nicht an den Hausmauern oder Grundstücksgrenzen enden – der Einzelne muss vielmehr die Möglichkeit haben, sich auch in der „freien, gleichwohl abgeschiedenen Natur oder an Örtlichkeiten, die von der breiten Öffentlichkeit deutlich abgeschieden sind, in einer von öffentlicher Beobachtung freien Weise zu bewegen“ (BVerfG NJW 2000, 1021 [1022] – CvM). Dies muss nach Ansicht des BVerfG insb ggü solchen Aufnahmetechniken gelten, die die räumliche Abgeschiedenheit überwinden, ohne dass der Betroffene dies bemerken kann. Wo die Grenzen der geschützten Privatsphäre außerhalb des Hauses verlaufen, lasse sich jedoch nicht generell und abstrakt festlegen, müsse vielmehr aufgrund der jeweiligen Beschaffenheit des Orts bestimmt werden, den der Betroffene aufsucht. Entscheidend sei, ob der Einzelne eine Situation vorfindet oder schafft, in der er „begründetermaßen und somit auch für Dritte erkennbar davon ausgehen darf, den Blicken der Öffentlichkeit nicht aus54

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gesetzt zu sein“. Ob diese Voraussetzungen der Abgeschiedenheit erfüllt sind, könne und müsse dabei situativ beurteilt werden. Der EGMR übte an dem Kriterium der örtlichen Abgeschiedenheit Kritik (s hierzu ausf Rn 40), weshalb BGH (NJW 2007, 1981 – Ernst August v Hannover) und BVerfG (NJW 2008, 1793 – CvM IV) den räumlichen Schutzbereich in den jüngsten Entscheidungen noch weiter fassten: So sei für die vorzunehmende Interessenabwägung ua von Belang, ob der Betroffene typischerweise die berechtigte Erwartung haben durfte, nicht in den Medien abgebildet zu werden, etwa weil er sich in einer durch räumliche Privatheit geprägten Situation, insb einem besonders geschützten Raum, aufhält (vgl BVerfG NJW 2000, 1021 – CvM). Dem Schutzanspruch des Persönlichkeitsrechts könne zudem „auch außerhalb der Voraussetzungen einer örtlichen Abgeschiedenheit ein erhöhtes Gewicht zukommen, so wenn die Medienberichterstattung den Betroffenen in Momenten der Entspannung oder des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Berufs und Alltags erfasst“ (BVerfG NJW 2008, 1793 [1797] – CvH). d) Informationen aus dem Bereich der Sozialsphäre. Unter die Sozialsphäre wird der Bereich des 127 menschlichen Lebens gefasst, von dem jedermann Kenntnis nehmen kann und evtl auch Kenntnis nehmen soll. Geschützt wird die Eigenart des Menschen in seiner Beziehung zur Umwelt, sein berufliches, wirtschaftliches oder sonstiges öffentliches Wirken und mithin all jene Aspekte menschlichen Handelns, welche der Öffentlichkeit zugewandt sind (vgl BVerfG ZUM-RD 2010, 657 – Charlotte Casiraghi: zur Sozialsphäre zählen auch Verhaltensweisen, die auf Veranstaltungen gezeigt werden, welche erkennbar an die Öffentlichkeit gerichtet waren und in diese ausstrahlten, zB eine Aids-Gala; ebenfalls fällt die anonyme Bewertung von Lehrern durch ihre Schüler in einem Onlineportal in den Bereich der Sozialsphäre, BGH NJW 2009, 2888 – spickmich.de). Aufgrund des geringen Persönlichkeitsbezugs sind Berichte aus dem Bereich der Sozialsphäre idR zulässig, wobei im Einzelfall auch hier ein Interesse an Diskretion und Anonymität bestehen kann (s hierzu Rn 22 und 117ff). Zudem kann selbst die Äußerung einer wahren Tatsache aus dem Bereich der Sozialsphäre das APR verletzen, wenn eine schwerwiegende Auswirkung auf das Ansehen und die Persönlichkeitsentfaltung des Betroffenen zu befürchten ist (Prangerwirkung), dies ist insb dann der Fall, wenn „eine Einzelperson aus der Vielzahl derjenigen, die das vom Äußernden kritisierte Verhalten gezeigt haben, herausgehoben wird, um die Kritik des als negativ bewerteten Geschehens durch Personalisierung zu verdeutlichen“ (BVerfG GRUR 2010, 544 [545] – Zitat aus Anwaltsschreiben; s auch BVerfG AfP 2010, 465 [466] – Personalisierte Darstellung; BGH GRUR 1994, 913 – Namensliste; LG Köln ZUM 2011, 84 – Veröffentlichung eines Gerichtsurteils im Internet [Cyberstalking]). 5. Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, 128 welches von Art 2 I und Art 1 I GG umfasst ist und vom BVerfG (65, 1 [43] – Volkszählungsurteil) im Jahr 1983 anerkannt wurde, gewährt dem Einzelnen die Befugnis, grds selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Zunächst nur für das Verhältnis Bürger-Staat bedeutsam, wurde das Recht auf informationelle Selbstbestimmung später aufgrund ähnlicher Gefahrenlagen vereinzelt zu Recht auch in das Zivilrecht übernommen (BGH NJW 1991, 1532ff – Notfallarzt [wenn auch noch in Kombination mit dem Sphärenmodell]; AfP 1994, 306 [307] – Stasi-Liste III; s ferner Hamburg AfP 1992, 376 [377]; München AfP 1997, 636 [637]; Naumburg DtZ 1994, 73 [74] – Stasi-Listen I; BAG NJW 1990, 2272 [2273]), denn das Recht auf informationelle Selbstbestimmung weist auch auf der bürgerlich-rechtlichen Ebene dem Schutzbedürfnis des Einzelnen einen entspr hohen Rang ggü Eingriffen zu, welche ihn gegen seinen Willen für die Öffentlichkeit „verfügbar“ machen (BGH NJW 1991, 1532ff – Notfallarzt; AfP 1994, 306 [307] – Stasi-Liste III [einschränkend BVerfG AfP 2000, 445 [447] – Stasi-Liste IV]; vgl auch BVerfG 78, 77 [84] – Entmündigung). Das APR umfasst nämlich auch das Recht, für sich zu sein, sich selbst zu gehören und andere von Einblicken oder einem Eindringen auszuschließen (LG Berlin NJW 1997, 1155; BGH NJW 1991, 1532ff – Notfallarzt). Seit der Anerkennung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auf der Ebene des Zivilrechts ist eine gewisse Abkehr vom reinen Sphärendenken zu verzeichnen, denn es wird nicht mehr primär danach unterschieden, welche Schutzintensität eine bestimmte Sphäre hat, sondern danach, ob die konkrete Veröffentlichung dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen zuwiderläuft; der Gedanke des subjektiven Geheimhaltungswillens tritt mithin in den Vordergrund. Die Übernahme eines solchen Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im Rahmen des zivil- 129 rechtlichen Diskretionsschutzes stößt jedoch auch auf Kritik (Brossette, Der Wert der Wahrheit, 237; Halfmeier AfP 2000, 449; krit auch BGH GRUR 2010, 261 – Party-Prinzessin: ein von dem Kommunikationsinhalt unabhängiger Schutz ist im Bereich der Textberichterstattung aber nur unter dem Gesichtspunkt des Rechts am gesprochenen Wort anerkannt), weil seine Anerkennung letztlich einem Informationsverbot mit Erlaubnisvorbehalt gleichkomme; und auch das BVerfG hat eine gewisse Korrektur vorgenommen (BVerfG AfP 2000, 445 [447] – Stasi-Liste IV; vgl auch BVerfG GRUR 2010, 544 [545]) und festgestellt, dass ein zivilrechtliches Verbot wahrer Informationen nur in bestimmten Ausnahmesituationen in Betracht kommt, bspw wenn die Folgen der Darstellung für die Persönlichkeitsentfaltung schwerwiegend sind, zu einer Stigmatisierung führen und insoweit Schutzbedürfnisse überwiegen, oder auch, wenn die Aussagen die Intim-, Privat- oder Vertraulichkeitssphäre betreffen und nicht durch ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit gerechtfertigt sind (Halfmeier AfP 2000, 449 sieht darin eine Absage an ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung auf der Ebene des Zivilrechts). Insb habe der Einzelne kein Recht darauf, öffentlich nur so dargestellt zu werden, wie es ihm selbst genehm ist (BVerfG GRUR 2010, 544 [545] – Zitat aus Anwaltsschreiben; 82, 236 [239] BVerfG AfP 2010, 465 [466] – Personalisierte Darstellungsweise, BVerfG AfP 2010, 560 [561] – Deutschland Archiv). Dies mag zwar richtig sein, dennoch sprechen i Erg die besseren Gründe für die Anerkennung eines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auch im Zivilrecht, denn zum einen bestehen erhebliche Gefährdungspotentiale mit Blick auf die unbefugte Verwendung privater N. Klass

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Daten gerade auch von privater Seite, zum anderen kann die Spannungslage zw Individuum und Gesellschaft im Wege der Abwägung gelöst werden – so muss der Einzelne Beschränkungen seines Rechts hinnehmen, wenn hinreichende Gründe des Gemeinwohls dies erfordern (ähnlich auch Wenzel AfP 1997, 939 [940]; Prinz/Peters Medienrecht Rn 122; Soehring, Pressrecht § 19 Rn 22; Wanckel FS Engelschall, 265; s in diesem Kontext auch Rn 117ff: Schutz vor ungewollten Indiskretionen). 130

6. Schutz des geschriebenen Wortes. Bestandteil eines Rechts auf Selbstdarstellung und Selbstbestimmung ist auch das Bestimmungsrecht über die Weitergabe und Veröffentlichung schriftlicher Aufzeichnungen, das der BGH schon in der „Leserbrief“-Entscheidung aus dem Jahr 1954 (BGH 13, 334 [338f] – Leserbrief; s auch BVerfG NJW 1991, 2339 [2339f] – Chefarztbrief; Hamm NJW-RR 1995, 1114 [1115] – Liebesbriefe; KG NJW 1995, 3392) anerkannte. Danach steht grds allein dem Verfasser einer Aufzeichnung die Befugnis zu, darüber zu entscheiden, ob und in welcher Form er seine Aufzeichnungen der Öffentlichkeit zugänglich macht. Insb eine veränderte oder gekürzte Wiedergabe von Aufzeichnungen, die als sprachliche Festlegung eines bestimmten Gedankeninhalts Ausfluss der Persönlichkeit des Verfassers sind, trägt stets die Gefahr in sich, dass ein falsches Persönlichkeitsbild von diesem vermittelt wird. Auch wenn das Gericht davon ausgeht, dass derartige Handlungen Eingriffe in die geschützte Geheim- bzw Eigensphäre des Einzelnen darstellen, so nimmt es doch bei näherer Betrachtung i Erg einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen insb deshalb an, weil sein Recht auf Selbstbestimmung und Selbstdarstellung im Hinblick auf die Verwendung und Veröffentlichung seiner schriftlichen Aufzeichnungen missachtet wurde (so auch Wellbrock Persönlichkeitsschutz und Kommunikationsfreiheit, 29; anders allerdings in BGH 15, 249 – Cosima Wagner: hier stand der vertrauliche Charakter der Aufzeichnungen im Vordergrund).

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7. Schutz des gesprochenen Wortes. Nach der Rspr des BVerfG und des BGH ist ein vom Kommunikationsinhalt unabhängiger Schutz unter dem Gesichtspunkt des Rechts am gesprochenen Wort anerkannt (BVerfG 54, 148 [154f] – Eppler; 106, 28, 41 – Mithörvorrichtung; s auch BGH NJWRR 2010, 1289 [1292] – Telefoninhalt). Er garantiert die Selbstbestimmung über die unmittelbare Zugänglichkeit der Kommunikation, wie bspw über die Herstellung einer Tonbandaufnahme oder die Zulassung eines Dritten zu einem Gespräch (BVerfG ZUM-RD 2010, 657 – Charlotte Casiraghi; 54, 148 [154f] – Eppler; 106, 28 [41] – Mithörvorrichtung) und gewährt dem Einzelnen mithin die Befugnis, selbst zu bestimmen, ob seine Worte einzig dem Gesprächspartner, einem bestimmten Kreis von Leuten oder der breiten Öffentlichkeit zugänglich sein sollen (BVerfG 54, 148 [154] – Eppler; vgl auch BGH NJW 1958, 1344 – Tonband; Karlsruhe NJW-RR 2003, 401 – Anti-Aggressionstraining). Das BVerfG geht dabei von folgender Überlegung aus: Wort und Stimme eines Menschen sind auf einem Tonträger von ihm losgelöst und in einer verfügbaren Gestalt verselbständigt. Das Recht am gesprochenen Wort schützt mithin nicht die Privatsphäre, sondern „die Selbstbestimmung über die unmittelbare Zugänglichkeit der Kommunikation“ (BGH NJW-RR 2010, 1289 [1292] – Telefoninhalt; BVerfG ZUM-RD 2010, 657 – Charlotte Casiraghi). Dürften Dritte über das gesprochene Wort nach Belieben verfügen, würde die Unantastbarkeit der Persönlichkeit erheblich geschmälert und die Unbefangenheit der menschlichen Kommunikation erheblich beeinträchtigt (BVerfG 34, 238 – Tonbandaufnahme; s zum Wahrnehmungs- und Fixierungsschutz auch BGH 73, 120 – Kohl/Biedenkopf). Daher ist für das Anfertigen und Abspielen einer Aufnahme des gesprochenen Wortes grds die Einwilligung (s hierzu ausf Rn 229ff) des Betroffenen einzuholen (BVerfG 34, 238 – Tonbandaufnahme; BGH NJW 1982, 277). Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die Anfertigung der heimlichen Aufnahme zur Feststellung der Identität eines anonymen Anrufers oder zur Feststellung erpresserischer Drohungen erforderlich ist, bspw im Falle eines auf andere Weise nicht abwehrbaren Angriffs auf die berufliche Existenz (BVerfG 106, 28 [49f]; BGH NJW-RR 2010, 1289 [1292] – Telefoninhalt; BGH 162, 1 [6]).

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8. Verfügungsrecht über die Darstellung des eigenen Lebensbildes. a) Kontext Kommunikationsfreiheiten. Das APR sichert jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung zu, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann. Dazu gehört auch das Recht, in diesem Bereich „für sich zu sein“, „sich selbst zu gehören“ und ein Eindringen oder einen Einblick durch andere auszuschließen. Hiervon umfasst ist auch das Verfügungsrecht über die Darstellung der Person. Dieses Recht gewährt jedermann die Befugnis, grds selbst und allein zu bestimmen, ob und inwieweit andere sein Lebensbild im Ganzen oder bestimmte Vorgänge aus seinem Leben öffentlich darstellen dürfen (BVerfG NJW 1973, 1226 [1227] – Lebach I; NJW 1999, 1322 [1324] – Helnwein; München BeckRS 2010, 13785 – Katzenhexe; LG Koblenz NJW 2007, 695 [695] – Gäfgen, hierzu von Becker NJW 2007, 662 sowie KG AfP 2010, 376 – Stasi-Vergangenheit; ähnlich: Spindler/Schuster/Nink § 823 Rn 31; Gleiches gelte für das Lebensbild eines Verstorbenen, BGH NJW 1990, 1986 [1988] – Emil Nolde; LG Berlin GRUR 1980, 187 [188] – Der eiserne Gustav). Allerdings steht nicht der gesamte Bereich privaten Lebens unter einem absoluten Schutz – tritt der Einzelne in Kommunikation mit anderen, wirkt er auf diese ein oder berührt er Gemeinschaftsbelange, können sich Einschränkungen seines ausschließlichen Bestimmungsrechts ergeben. Insb das Informationsinteresse der Allgemeinheit, aber auch Belange Dritter können hier im Einzelfall Bedeutung erlangen (BVerfG NJW 1973, 1226 [1227] – Lebach I; BGH NJW 1981, 1366 – Der Aufmacher II). So hat bspw der Straftäter keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mehr mit der Tat konfrontiert zu werden (BVerfG NJW 2000, 1859 [1860] – Lebach II), denn wer den Rechtsfrieden bricht, muss grds auch dulden, dass das von ihm selbst durch seine Tat erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit in einer nach dem Prinzip freier Kommunikation lebenden Gesellschaft auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird, wobei der Umfang und die Intensität der erlaubten Berichterstattung von den Umständen des Einzelfalls, wie bspw der Bedeutung der Tat für die Öffentlichkeit, abhängt (zu den Grds der Kriminalberichterstattung Rn 146ff). 56

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b) Kontext Kunstfreiheit. Ein Werk, ob Roman, Film, Theaterstück oder Drehbuch, dessen wesent- 133 liche Grundlage die Darstellung einer wirklich existierenden Person ist, ist ein Kunstwerk (zur Kunstfreiheit Rn 259ff), wenn der Anspruch des Autors deutlich wird, diese Wirklichkeit künstlerisch zu gestalten (Frankfurt ZUM 2009, 952 [954] – Romy Schneider; LG Frankfurt ZUM 2009, 308 [309] – Ende einer Nacht, m Anm von Becker und Ladeur; BGH 50, 133 – Mephisto; ähnlich: BVerfG NJW 2008, 39 [40] – Esra; LG Münster NJW-RR 2003, 692 [693] – Wilsberg und der tote Professor; Hamburg ZUM 2005, 79 – Das Ende des Kanzlers). Aus der Anerkennung als Kunstwerk folgt die Pflicht, eine kunstspezifische Betrachtung anzulegen (BVerfG NJW 2008, 39 [42] – Esra; ZUM 2008, 323 – Ehrensache; Frankfurt ZUM 2008, 793 [794] – Kannibale von Rothenburg; Frankfurt ZUM 2009, 952 [955] – Romy Schneider), weshalb sich der Einzelne i Erg nicht in gleichem Maße auf ein Verfügungsrecht über die Darstellung des eigenen Lebensbildes berufen kann. Dies bedeutet, dass die Spannungslage zw dem Schutz des APR und der Kunstfreiheit nicht allein auf die Wirkungen eines Kunstwerks im außerkünstlerischen Sozialbereich abheben kann, sondern auch kunstspezifischen, ästhetischen Gesichtspunkten Rechnung tragen muss. Zur Einzelfallabwägung zw Kunstfreiheit und APR s auch Rn 262. aa) Vermutung für die Fiktionalität. Nach BVerfG NJW 2008, 39 [42] – Esra verlangt die Gewähr- 134 leistung der Kunstfreiheit, den Leser eines literarischen Werks für mündig zu halten, dieses von einer Meinungsäußerung zu unterscheiden und zw der Schilderung tatsächlicher Gegebenheiten und einer fiktiven Erzählung zu differenzieren. Vor diesem Hintergrund ist ein literarisches Werk zunächst als Fiktion anzusehen, das keinen Faktizitätsanspruch erhebt (s auch BVerfG NJW 2009, 751 – Ehrensache; Frankfurt ZUM 2009, 952 [954] – Romy Schneider). Dies gilt selbst dann, wenn hinter den Roman- oder Filmfiguren real existierende Personen als Urbilder erkennbar sind (BVerfG NJW 2008, 39 [42] – Esra; Frankfurt ZUM 2009, 952 [955] – Romy Schneider; LG Frankfurt ZUM 2009, 308 [310] – Ende einer Nacht, m Anm von Becker und Ladeur; Lenski NVwZ 2008, 281 [282]; zum Theaterstück: BVerfG ZUM 2008, 323 – Ehrensache; zum Film: LG Köln ZUM 2009, 324 [330] – Baader Meinhof Komplex, s hierzu auch Luther AfP 2009, 215), denn Kennzeichen für ein künstlerisches (insb ein literarisches Werk, das an reale Geschehnisse anknüpft) ist, dass eine Vermengung von tatsächlichen und fiktiven Schilderungen erfolgt (BVerfG NJW 2008, 39 [42] – Esra; ZUM 2008, 323 – Ehrensache; LG Frankfurt ZUM 2009, 308 [310] – Ende einer Nacht, m Anm von Becker und Ladeur; BGH NJW 2009, 751 [753] – Ehrensache). Diese Fiktionalitätsvermutung, die nicht nur für Romane Geltung beansprucht, liegt bei anderen Kunstgattungen sogar noch klarer auf der Hand – so wird sich bspw bei einem Theaterstück der Zuschauer allein wg der räumlichen Gegebenheiten idR bewusst machen, ein Schauspiel zu beobachten und nicht mit der Realität konfrontiert zu werden (Köln GRUR-RR 2009, 324 [326] – Ehrensache). Anders liegt der Fall bei biographischen Werken – hier ist die Vermutung der Fiktionalität regelmäßig als widerlegt anzusehen, da die dargestellten Ereignisse als tatsächlich geschehen gelten (LG Frankfurt ZUM 2009, 308 [310] – Ende einer Nacht, m Anm von Becker und Ladeur). bb) Kein Recht, nicht zur Vorlage einer Romanfigur zu werden. Da sich die Kunstfreiheit typi- 135 scherweise an der Lebenswirklichkeit orientiert, reale Vorbilder nutzt, sich mit diesen im Rahmen des Werks auseinandersetzt und so Wirklichkeit künstlerisch gestaltet, kann es nach BVerfG NJW 2008, 39 [42] – Esra kein parallel zum Recht am eigenen Bild verstandenes Recht am eigenen Lebensbild geben, wenn dies als Recht verstanden würde, nicht zum Vorbild einer Romanfigur zu werden. Dies könne jedoch nur gelten, wenn es sich bei der in Rede stehenden Publikation tatsächlich um Literatur handelt, die für den Leser erkennbar keinen Faktizitätsanspruch erhebt. Ein fälschlicherweise als Roman etikettierter bloßer Sachbericht käme daher nicht in den Schutz einer kunstspezifischen Betrachtung. cc) Erkennbarkeitsmaßstab. Während das BVerfG in der „Mephisto“-Entscheidung (GRUR 1971, 136 461 [465]) noch darauf abstellte, ob ein nicht unbedeutender Leserkreis das Urbild erkenne, akzeptiert es im Interesse auch nicht prominenter Betroffener in der Esra-Entscheidung (NJW 2008, 39 [41]) den vom BGH angelegten Maßstab einer Erkennbarkeit durch einen mehr oder minder großen Bekanntenkreis, denn gerade die Erkennbarkeit einer Person durch deren näheren Bekanntenkreis kann für diese besonders nachteilig sein. Allerdings kann nicht allein die Möglichkeit der Entschlüsselung zur Annahme einer Erkennbarkeit der als Vorbild dienenden Person ausreichen, vielmehr muss sich die Identifizierung jedenfalls für den mit den Umständen vertrauten Leser aufdrängen, was regelmäßig eine hohe Kumulation von Identifizierungsmerkmalen voraussetzt (BVerfG aaO). dd) Bewertung im Einzelfall. (1) Allgemeines Persönlichkeitsrecht. Bei der Frage, ob ein Kunst- 137 werk das APR beeinträchtigt, kommt es auf den Aussagegehalt dieses Werkes an; bei der Interpretation sind, wie gezeigt, die Besonderheiten der künstlerischen Ausdrucksform zu berücksichtigen. Grds hat im Einzelfall eine Abwägung stattzufinden, die sowohl dem APR als auch der Kunstfreiheit gerecht wird. Angesichts der Bedeutung der Kunstfreiheit ist jedoch anerkannt, dass eine geringfügige Beeinträchtigung oder die bloße Möglichkeit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des APR nicht ausreichen, um die Kunstfreiheit einzuschränken (zu Einschränkungen bei der Gewährung von Geldentschädigungsansprüchen im Zsh mit fiktionalen Werken s Rn 316). Lässt sich jedoch eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts zweifelsfrei feststellen, so kann diese auch nicht durch die Kunstfreiheit gerechtfertigt werden (BVerfG NJW 2008, 39 [42] – Esra; 67, 213 [228] – Anachronistischer Zug). Die Schwere der Beeinträchtigung des APR hängt dabei zum einen davon ab, in welchem Maß der Künstler es dem Rezipienten nahelegt, den Inhalt seines Werks auf wirkliche Personen zu beziehen, zum anderen ist aber auch die Intensität der Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung, wenn der Rezipient diesen Bezug herstellt, ausschlaggebend. Grds gilt nach wie vor die im Mephisto-Urt (BVerfG GRUR 1971, 461 [466]) geprägte Abbild-Urbild-Formel: Je stärker N. Klass

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der Autor eine Romanfigur von ihrem Urbild löst und zu einer Kunstfigur verselbständigt, umso mehr wird ihm eine kunstspezifische Betrachtung zugute kommen. Es kommt mithin entscheidend darauf an, ob sich das Abbild von seinem Urbild durch die künstlerische Gestaltung des Stoffes und seine Ein- und Unterordnung in den Gesamtorganismus des Romans so verselbständigt und in der Darstellung künstlerisch transzendiert, dass das Individuelle, Persönlich-Intime zugunsten des Allgemeinen, Zeichenhaften der Figur als genügend objektiviert erscheint (BVerfG NJW 2008, 39 [42] – Esra; GRUR 1971, 461 [466] – Mephisto; Frankfurt ZUM 2009, 952 – Romy Schneider; LG Münster NJW-RR 2003, 692 [693] – Wilsberg und der tote Professor; LG Koblenz NJW 2007, 695 – Gäfgen). 138

Keine Persönlichkeitsrechtsverletzung liegt daher idR vor, wenn die namentlich genannte Person nur als Kunstfigur oder Abbildung eines bestimmten Typs dargestellt und beschrieben wird (LG Berlin GRUR 1980, 187 [188] – Der eiserne Gustav). Je stärker Abbild und Urbild übereinstimmen, desto schwerer wiegt jedoch die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts. Je mehr die künstlerische Darstellung die besonders geschützten Dimensionen des Persönlichkeitsrechts berührt, desto stärker muss die Fiktionalisierung sein, um eine Persönlichkeitsrechtsverletzung auszuschließen. Keinesfalls darf auf eine Verletzung des APR jedoch bereits aufgrund der Erkennbarkeit als Vorbild einerseits und der Angabe bestimmter negativer Züge der Figur andererseits geschlossen werden (BVerfG NJW 2008, 39 [43] – Esra; ZUM 2008, 323 – Ehrensache). Insb hat der Einzelne auch kein Recht darauf, nicht negativ dargestellt zu werden (Frankfurt ZUM 2009, 952 [956] – Romy Schneider) oder nur so dargestellt zu werden, wie er sich selber sieht oder von anderen gesehen werden möchte (BVerfG NJW 1999, 1322 [1324] – Helnwein; Köln NJW-RR 2006, 126; VG Sigmaringen NJW 2001, 628 [629]). Auch eine wertneutrale Tatsachenbehauptung führt nicht zu einer Verzeichnung des Lebensbildes des Betroffenen (Köln NJW-RR 2006, 126 [127]). Im Einzelfall kann selbst die Wiedergabe von Details aus dem Intimleben zulässig sein – nämlich dann, wenn die Informationen der breiten Öffentlichkeit bereits bekannt und aktuell bewusst sind und/oder der Betroffene die Öffentlichkeit gesucht und bspw namentlich sowohl an einem Buchprojekt sowie einer Fernsehsendung über seine Tat mitgewirkt hat (BVerfG ZUM-RD 2009, 574 [575] – Kannibale von Rotenburg; anders noch Frankfurt ZUM 2008, 793 [796] – Kannibale von Rotenburg).

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Voraussetzung für die Beeinträchtigung der Intimsphäre (vgl auch Rn 122) durch ein literarisches Werk ist vielmehr, dass sich durch den Text die naheliegende Frage stellt, „ob sich die geschilderten Handlungen als Berichte über tatsächliche Ereignisse begreifen lassen, bspw deshalb, weil es sich um eine aus vom Autor unmittelbar Erlebtem stammende, realistische und detaillierte Erzählung entsprechender Geschehnisse und die genaue Schilderung intimster Details einer Frau handele, die deutlich als tatsächliche Intimpartnerin des Autors erkennbar ist“ (BVerfG ZUM 2008, 323 – Ehrensache; NJW 2008, 39 [46] – Esra). Dies bedeute keine „Tabuisierung des Sexuellen“, denn die Schilderung von Intimbeziehungen bleibe unbenommen, wenn dem Leser nicht nahegelegt wird, sie auf bestimmte Personen zu beziehen (BVerfG NJW 2008, 39 [44] – Esra).

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(2) Postmortales Allgemeines Persönlichkeitsrecht. Auch über den Tod hinaus bleibt der sittliche, personale und soziale Geltungswert erhalten, den der Verstorbene zu Lebzeiten erworben hat; daher wird er auch nach seinem Tod gegen schwerwiegende Entstellungen seines Lebensbildes geschützt (BVerfG GRUR 1971, 461 – Mephisto; Köln GRUR-RR 2009, 324 [326] – Ehrensache). Die Schutzwirkungen des verfassungsrechtlichen postmortalen APR sind jedoch nicht mit denen identisch, die sich aus Art 2 I GG iVm Art 1 I GG für lebende Personen ergeben (BVerfG ZUM 2008, 323 – Ehrensache, vgl zum postmortalen APR ausf Rn 69ff).

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ee) Fazit. Die neue Linie des BVerfG, insb die Vermutungswirkung für die Fiktionalität in Kombination mit der Absage an ein Verfügungsrecht über die eigene Person im Bereich künstlerischer Werke, stärkt die Kunstfreiheit ggü dem APR enorm. Sie weist jedoch Schwächen auf. Zum einen kann die Auffassung, Romane hätten nichts mit der Wirklichkeit zu tun und sie könnten per se nicht beleidigen (LG Münster NJW-RR 2003, 692 [695] – Wilsberg und der tote Professor), nicht überzeugen, denn wie Grimm (ZRP 2008, 29 [30]) zu Recht feststellt, macht der Roman die Wirklichkeit nur mit der Sprache der Kunst sichtbar. Zum anderen ist aus Sicht des Persönlichkeitsrechtsschutzes nicht überzeugend, dass eine ausreichende Verfremdung trotz Erkennbarkeit aufgrund des Hinzufügens negativer Attribute, Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften bejaht werden kann, denn diese Betrachtungsweise führt dazu, dass allein der Betroffene das Risiko der Fehlinterpretation trägt. Zudem ist nicht einsichtig, dass die Zunahme an eigentlichen Verletzungen des APR letztlich zu ihrer Rechtfertigung führen soll (so auch MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 175). Darüber hinaus neigen Zuschauer und Leser dazu, insb im Bereich von realitätsnahen bzw halbdokumentarischen Formaten, wie bspw dem Dokumentarspiel, aber auch bei autobiografischen Romanen, eine realistische Darstellung mit der Wirklichkeit zu verwechseln und die Interpretation des Geschehens als richtige, objektive Bewertung zu übernehmen. Hinzu kommt, dass insb das Dokumentarspiel auch bei noch so enger Anlehnung an die Wirklichkeit nicht ohne dichterisches Beiwerk auskommen kann, ohne dass der Zuschauer dies immer erkennen könnte (BVerfG NJW 1973, 1226 [1230] – Lebach I; LG Koblenz NJW 2007, 695 [697] – Gäfgen). Wird das Lebensbild einer erkennbaren Person bewusst durch frei erfundene Zutaten grundlegend negativ entstellt und ist die negative Verfremdung nicht aufgrund ihrer Darstellung oder Übertreibung als solche zu erkennen, muss sich die Kunstfreiheit Einschränkungen im Interesse des Persönlichkeitsrechtsschutzes gefallen lassen (so auch BGH NJW 1958, 1773 [1777] – Mephisto).

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Neben diesen Aspekten erscheinen auch die Auswirkungen der Versagung eines Rechts, nicht zum (erkennbaren) Gegenstand eines Romans zu werden, auf das alltägliche Miteinander und damit das APR von Personen, die Künstlern nahestehen, bedenklich, denn es entsteht der Eindruck, deren Le58

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bensdaten würden in gewisser Weise „gemeinfrei“ – was es zu verhindern gilt (ähnlich auch MüKo/ Rixecker Anh § 12 Rn 172). Jede andere Beurteilung trägt die Gefahr eines Hemmungseffekts im Umgang mit Künstlern und damit einen möglichen Verzicht auf Persönlichkeitsrechte in sich. Will sich ein Künstler von realen Personen und tatsächlichen Ereignissen inspirieren lassen, ist ihm zuzumuten, so viel Phantasie aufzubringen, dass die Person für andere nicht erkennbar ist (das Bestehen einer Entschlüsselungsmöglichkeit bleibt ja ohnehin unbeachtlich). Wird in identifizierender Art und Weise dargestellt, ist die Person also ohne Weiteres erkennbar, soll sie es vielleicht sogar sein und wird ihr Leben und ihre Persönlichkeit „ausgebeutet“, muss das Dargestellte auch der Wahrheit entsprechen (ähnlich auch Seitz ZRP 2005, 141: „Die großen Künstler sind kreativ genug, um Dinge zu erfinden. Nur die Ausbeuter unter den Künstlern haben nicht genug Phantasie oder sie sind zu faul, sich etwas einfallen zu lassen.“). Einer eindeutig erkennbar beschriebenen Person muss daher das Recht zustehen, sich dagegen zur Wehr zu setzen, dass ihr negative Attribute angedichtet werden oder sie (auch jenseits sexueller Schilderungen) mit sonstigen tatsächlich in dieser Weise nicht erlebten Lebensdetails in Verbindung gebracht wird. 9. Schutz vor der Herstellung von Bildaufnahmen. a) Kein Schutz durch das KUG. Die Herstellung 143 eines Bildnisses fällt nicht unter §§ 22ff KUG, da diese nicht die Anfertigung, sondern lediglich die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung eines Bildnisses zum Gegenstand haben (ausf dazu Rn 167ff); auch kommt angesichts der Strafbewehrung in § 33 KUG keine analoge Anwendung in Betracht. Schutz gegen die ungenehmigte Herstellung bieten jedoch zum einen § 201a StGB zum anderen das APR (BGH GRUR 1957, 494 [497] – Spätheimkehrer; GRUR 1967, 205 [208] – Vor unserer eigenen Tür; Schertz AfP 2005, 421 [423]). b) Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs, § 201a StGB. § 201a StGB, der dem Schutz des 144 höchstpersönlichen Lebensbereichs dient, sieht vor, dass jeder, der von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt Bildaufnahmen herstellt oder überträgt und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft wird. Aus einer Verletzung des § 201a StGB können zudem Ansprüche auf Schadensersatz aus § 823 II folgen (MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 4). Schutz gegen Aufnahmen in der Öffentlichkeit bietet die Norm jedoch nicht (Ernst NJW 2004, 1277 [1278]). c) Schutz durch das APR. Inwieweit das bloße Anfertigen eines Bildnisses vom Schutz des APR 145 umfasst wird, ist nicht völlig geklärt. Weitgehend Einigkeit besteht dahingehend, dass jedenfalls die unbefugte Aufnahme eines Bildnisses aus dem Bereich der Intimsphäre bzw Aufnahmen, welche die Menschenwürde des Einzelnen verletzen, das APR verletzt (KG NJW-RR 2007, 1196 [1198] – Paparazzo; LG München I NJW 2004, 617 – Nacktaufnahmen: Abbildung des nackten Körpers besonders schwerer Eingriff). Gleiches gilt in Fällen der Bildniserschleichung (zB Einsatz versteckter Kamaras oder Paparazzi-Überwachungen; vgl hierzu Schertz AfP 2005, 421 [422f]), also immer dann, wenn die Festlegung der äußeren Erscheinung einer Person heimlich, dh ohne Wissen und gegen ihren Willen sowie in der Absicht vorgenommen wird, das Bild der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (Ernst NJW 2004, 1277 [1278]; Frankfurt GRUR 1958, 508 [509] – Verbrecherbraut). Nur in Einzelfällen kann eine Bildniserschleichung im Interesse der Allgemeinheit zulässig sein (verneint: BGH GRUR 1957, 494 [497] – Spätheimkehrer; GRUR 1967, 205 [208] – Vor unserer eigenen Tür). Aber auch darüber hinausgehend wurde vereinzelt im Herstellen von Bildnissen, bspw durch Videoaufzeichnungen (BGH NJW 1995, 1955 – Videoüberwachung), ein Eingriff in das APR bejaht, sog vorbeugender Bildnisschutz (BVerfG NJW 2000, 1021 [1022] – CvM; KG NJW-RR 2007, 1196 [1198] – Paparazzo; Hamm GRUR 1971, 84), selbst dann wenn keine Verbreitungsabsicht bestand (BGH NJW 1995, 1955 [1956] – Videoüberwachung). Nach KG NJW-RR 2007, 1196 [1198] – Paparazzo ist bspw die Anfertigung eines Fotos durch Journalisten jedenfalls dann unzulässig, wenn auch eine Verbreitung desselben in jedem nur denkbaren Kontext unzulässig wäre, oder wenn die Aufnahme so überraschend ist, dass sich der Betroffene nicht mehr darauf einstellen kann. Grds gilt jedoch, dass der Schutz keinesfalls weiter reichen darf als derjenige gegen eine Veröffentlichung, weshalb die von §§ 23f KUG geschützten Informationsinteressen analog zu berücksichtigen sind (Wandtke/Bullinger/Fricke § 22 KUG Rn 9; Dreier in Dreier/Schulze § 22 KUG Rn 14). Ob im Einzelfall ein rechtswidriger Eingriff anzunehmen ist oder ein berechtigtes Interesse für die Bildaufnahme vorliegt (bspw kann ein schützenswertes Interesse bei Bildaufnahmen zu Beweiszwecken bestehen), ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und durch Vornahme einer die (verfassungs)rechtlich geschützten Positionen der Beteiligten berücksichtigenden Güter- und Interessenabwägung zu ermitteln. Ungeklärt ist ebenfalls, ob und inwieweit die permanente Verfolgung, bspw durch Paprazzi, eine Verletzung des APR darstellt (Ausfluss des Rechts, in Ruhe gelassen zu werden) bzw ob diese Art der Belästigung durch das GewSchG erfasst wird (hierzu ausf Walter ZUM 2002, 886, die sich i Erg für eine Einbeziehung „lästiger, nicht zu tolerierender Presseobservation“ ausspricht). Der BGH weist jedenfalls in seiner neueren Rspr darauf hin, dass es eine erhebliche Einschränkung des APR darstellen würde, wenn sich eine Person des öffentlichen Interesses nicht unbefangen in der Öffentlichkeit bewegen könnte, weil sie auch bei „privaten Gelegenheiten jederzeit widerspruchslos fotografiert und mit solchen Fotos zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht werden dürfte (BGH GRUR 2009, 665 [666] – Lebensgefährte von Sabine Christiansen); und auch BVerfG (NJW 2008, 1793) sowie BGH (NJW 2010, 3025 – Charlotte Casiraghi II: erhöhtes Schutzbedürfnis im Bereich der Bildberichterstattung) betonen ähnlich wie der EGMR (NJW 2004, 2647 CvH/Deutschland), dass im Abwägungsprozess zugunsten des Schutzes des Privatlebens ebenfalls die Belästigungen (durch Paparazzi) und sonstige Umstände berücksichtigt werden müssen, unter denen die veröffentlichten Fotos gemacht wurden.

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10. Schutz der Anonymität im Kontext der Kriminalitätsberichterstattung. a) Allgemeine Grundsätze der Kriminalitätsberichterstattung. aa) Die Unantastbarkeit der Menschenwürde. Zunächst ist festzustellen, dass die Gewährleistung der Menschenwürde auch für Personen gilt, die einer Straftat verdächtigt werden (BGH 24, 72 – Krankenkassenpapiere). Tatverdächtige und Beschuldigte sind daher grds Beteiligte und nicht Gegenstand eines Strafverfahrens, weshalb die Persönlichkeit der Betroffenen nicht – jedenfalls nicht über die bereits bestehenden gesetzlichen Beschränkungen hinaus – für die Verbrechensbekämpfung aufgeopfert werden darf (BGH NJW 1954, 649 – Lügendetektor).

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bb) Die Unschuldsvermutung. Bis zur rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung nach Art 6 EMRK (Begriff „Angeklagter“ ist nicht rechtstechnisch zu verstehen, auch der Angeschuldigte/Beschuldigte wird erfasst), welche zwar als strafprozessuales Grundrecht keine unmittelbare, wohl aber mittelbare Drittwirkung hat (Bornkamm NStZ 1983, 102 [104]) und insofern auch auf das APR ausstrahlt, welches der Berichterstattung über Strafverfahren im Einzelfall Grenzen setzen kann. Die Unschuldsvermutung führt jedoch nur dann zu einer Einschränkung der Medienberichterstattung, wenn die maßgeblichen Grundsätze der Verdachts- und Strafberichterstattung sowie die insofern bestehenden Sorgfaltspflichten nicht eingehalten wurden (Dresden NJW 2004, 1181 [1182]; Köln NJW 1987, 2682 [2683]; LG Köln GRUR-RR 2010, 491 – Kachelmann; LG Berlin AfP 2008, 216; Müller NJW 2007, 1617 [1618]).

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b) Verdachtsberichterstattung/Berichterstattung über das Ermittlungsverfahren. aa) Allg Grundsätze der Verdachtsberichterstattung (s hierzu auch Rn 105). Die Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat gehört zum Zeitgeschehen (BVerfG 35, 202 – Lebach; NJW 2009, 350 [351] – Holzklotzfall; NJW 1993, 1463; BGH 143, 199 [201ff] – Schleimerschmarotzerpack; Dresden NJW 2004, 1181 [1182]; LG Berlin AfP 2008, 530; LG Köln GRUR-RR 2010, 491 – Kachelmann; Müller NJW 2007, 1617 [1618]). Den Medien kommt insoweit die Aufgabe zu, die Öffentlichkeit über Straftaten und ihre Umstände umfassend zu informieren. Dies resultiert zum einen aus der Informationsfreiheit, Art 5 I S 1 2. Hs GG und zum anderen aus dem legitimen demokratischen Bedürfnis nach Kontrolle der für die Sicherheit und Ordnung zuständigen Staatsorgane und Behörden (Braunschweig NJW 1975, 651 [652]). Vor diesem Hintergrund darf die Presse insb der Aktualität wg auch Informationen verbreiten, an deren Zuverlässigkeit Zweifel bestehen (Anfangsverdacht), da sie sonst ihre durch Art 5 I GG verfassungsmäßig gewährleisteten Aufgaben nicht erfüllen kann (BGH 143, 199 [203] – Schleimerschmarotzerpack; NJW 1977, 1288 – Abgeordneten-Bestechung). Dies gilt in besonderem Maße dann, wenn schon entspr Verdächtigungen in die Öffentlichkeit gedrungen sind. Jedoch muss ein Mindestbestand an Beweistatsachen zusammengetragen werden, die der Information den erforderlichen Öffentlichkeitswert verschaffen (BGH NJW 1977, 1288 [1289] – Abgeordneten-Bestechung; ZUM 143, 199 [201ff] – Schleimerschmarotzerpack; Dresden NJW 2004, 1181 [1182]; München NJW-RR 2002, 186; Hamburg ZUM 2010, 606 [607]; KG AfP 2007, 576 – Rütli-Schule; LG Berlin AfP 2008, 216; LG Köln GRUR-RR 2010, 491 – Kachelmann; Molle ZUM 2010, 331 [333]; Lehr NStZ 2009, 409 [412]; Neuling HRRS 2006, 94 [98]); zudem muss stets mitgeteilt werden, dass die Behauptungen noch nicht hinreichend nachgewiesen sind, Karlsruhe NJW-RR 2003, 688 [690]; Gleiches gilt für entlastende Gesichtspunkte, damit der Leser sich selbst ein zutr Urt bilden kann (BGH NJW 2000, 656 [657] – Schmiergeld; Molle ZUM 2010, 331 [333]; Hohmann NJW 2009, 881 [882]).

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Darüber hinaus muss die Berichterstattung den Erkenntnisstand der Ermittlungsbehörden zutr wiedergeben und den Hinw enthalten, dass dem Verdacht mit pressemäßigen Mitteln nicht rechtzeitig auf den Grund zu kommen war (auch ein Boulevard-Blatt darf die Dinge nicht verzerrt darstellen, Düsseldorf NJW 1980, 599 [600f]), wobei erhöhte Anforderungen an die publizistische Sorgfaltspflicht hins Wahrheit, Inhalt und Herkunft eines Verdachts bestehen (zur Pflicht, überholte Altmeldungen über einen Verdacht im Internet zu aktualisieren vgl Düsseldorf, GRUR-RR 2011, 21). Die Sorgfaltspflichten sind umso höher, je schwerer und nachhaltiger das Ansehen des Betroffenen durch die Veröffentlichung beeinträchtigt wird bzw je schwerer der Verdacht wiegt (BGH 143, 199 [201ff] – Schleimerschmarotzerpack; NJW 1977, 1288 [1289] – Abgeordneten-Bestechung; NJW-RR 1988, 733 [734]; Hamburg ZUM 2010, 606 [607]; München NJW-RR 1996, 1493 [1494] – Focus; NJW-RR 2002, 186; Dresden NJW 2004, 1181 [1182]; LG Köln GRUR-RR 2010, 491 – Kachelmann; Lehr NStZ 2009, 409 [412]; Hohmann NJW 2009, 881 [882]; Müller NJW 2007, 1617). Allerdings darf sich die Presse idR nach einer kritischen Prüfung auf die Wahrheit einer Behauptung verlassen, wenn diese aus einer sog privilegierten Quelle herrührt, die keine Zweifel an ihrer Richtigkeit aufkommen lässt (namhafte Nachrichtenagenturen, amtl Auskünfte, hierzu ausf Rn 163, 165; aber keine privilegierte Quelle bei Äußerungsexzess, so Widmaier/Lehr Rn 25). Des Weiteren ist grds eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen (BGH 143, 199 [201ff] – Schleimerschmarotzerpack; KG AfP 2007, 576 – RütliSchule; LG Köln GRUR-RR 2010, 491 – Kachelmann; Lehr NStZ 2009, 409 [412]; Hohmann NJW 2009, 881 [882]). Ein bloßes Interview-Angebot ist insofern nicht ausreichend (BGH NJW-RR 1988, 733 [734]; Hamburg ZUM 2010, 606 [607]; Dresden NJW 2004, 1181 [1182]; Molle ZUM 2010, 331 [333]); vielmehr ist erforderlich, dass dem Bettoffenen substantiiert der den Verdacht begründende Sachverhalt zur Stellungnahme vorgelegt wird. Erfolgt eine Entgegnung, so muss diese in die Berichterstattung aufgenommen werden (Widmaier/Lehr Rn 28). Grds muss jedoch in jedem Einzelfall eine Abwägung der involvierten Interessen stattfinden. Dabei sind der Umstand und das Maß des Unerwiesenseins der Behauptungen, die Schwere des Eingriffs, die Stellung und das Verhalten des Betroffenen in der Öffentlichkeit und der Stand des Ermittlungsverfahrens zu berücksichtigen (Strafanzeige allein hat idR kaum Aussagekraft; je weiter das Ermittlungsverfahren vorangeschritten ist, desto eher geht das Informationsinteresse dem Geheimhaltungsinteresse vor, Dresden NJW 2004, 1181 [1182]; BVerfG NJW 2007, 2686 [2687]). Die Grenzen der Berichterstattung sind dabei umso en60

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ger, je größer das Risiko ist, dass sich die Beschuldigung als unwahr erweisen könnte (BGH NJW 1977, 1288 [1289] – Abgeordneten-Bestechung; 143, 199 [201ff] – Schleimerschmarotzerpack; Dresden NJW 2004, 1181 [1182]; München NJW-RR 1996, 1493 [1494] – Focus; Frankfurt NJW-RR 1996, 1490 [1491] – Monika Haas; Müller NJW 2007, 1617) und je schwerer und nachhaltiger das Ansehen des Betroffenen durch die Veröffentlichung beeinträchtigt wird. Bei der Beurteilung, ob ein öffentliches Interesse besteht, ist jedoch maßgeblich das Selbstbestimmungsrecht der Presse zu beachten, welches das Recht umfasst, den Gegenstand der Berichterstattung frei zu wählen (BVerfG NJW-RR 2010, 1195). Die konkrete Darstellung darf keine Vorverurteilung enthalten, also durch eine präjudizierende 150 Darstellung den unzutr Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen strafbaren Handlungen bereits überführt (BGH ZUM 143, 199 [201ff] – Schleimerschmarotzerpack; Frankfurt NJW-RR 1990, 989 [990]; Hamburg ZUM 2010, 606 [607]; München NJW-RR 2002, 186; Dresden NJW 2004, 1181 [1182]; Braunschweig NJW 1975, 651 [652]; Brandenburg NJW 1995, 886 [888]; Hohmann NJW 2009, 881 [882]). Ebenfalls dürfen keine Details aus der Ermittlungsakte preisgegeben werden, die zu einer Stigmatisierung des Verdächtigen führen könnten, da die Rehabilitation im Falle eines Freispruchs erheblich gefährdet ist, denn Ermittlungsakten erwecken typischerweise den Anschein, dass ein erhebliches Maß an Authentizität vorliegt (Ratio des § 353d Nr 3 StGB; LG Köln GRUR-RR 2010, 491 – Kachelmann). Die bis zur Verurteilung geltende Unschuldsvermutung legt der Presse daher angesichts der Prangerwirkung einer solchen Mitteilung besondere Zurückhaltung auf (München NJW-RR 1996, 1493 [1494] – Focus; Braunschweig NJW 1975, 651 [652]; LG Berlin NJW-RR 2003, 552; AfP 2008, 530; LG Köln GRUR-RR 2010, 491 – Kachelmann; Müller NJW 2007, 1617 [1618]). Unzulässig ist ebenfalls eine auf Sensation ausgehende, bewusst einseitige oder verfälschende Dar- 151 stellung (München NJW-RR 2002, 186 mwN). Äußerungen Dritter, insb auch Zitate (vgl hierzu auch Rn 90), dürfen im Kontext einer Verdachtsberichterstattung verbreitet werden, sofern an ihrer Verbreitung ein öffentliches Interesse besteht (Frankfurt NJW-RR 1996, 1490 [1492] – Monika Haas), für den Rezipienten deutlich ist, dass das verbreitete Zitat bzw die verbreitete Einschätzung nur ein Element eines ansonsten als offen dargestellten Verdachts ist (Hamburg ZUM 2010, 606 [607]) und der Durchschnittsrezipient erkennen kann, dass es sich um eine Fremdäußerung handelt. Weitere ausdr Distanzierungen sind nicht erforderlich (München NJW-RR 1996, 1487 [1489]; 1996, 1493 [1494] – Focus). Verfestigt sich jedoch der mitgeteilte Verdacht durch die Art der Darstellung zu einer mit Sicherheit oder großer Wahrscheinlichkeit zutr Nachricht, so wird – trotz formaler Vorbehalte – keine fremde Mitteilung verbreitet, sondern eine eigene Tatsachenbehauptung aufgestellt (München NJWRR 1996, 1493 [1494] – Focus). Wurden die Sorgfaltsanforderungen eingehalten, genießt die aktuelle Berichterstattung idR Vorrang; stellt sich später die Unwahrheit der Äußerung heraus, ist diese als im Äußerungszeitpunkt rechtmäßig anzusehen, so dass weder Widerruf noch Schadensersatz in Betracht kommen (BVerfG NJW 1993, 1463; BGH 143, 199 [201ff] – Schleimerschmarotzerpack; Braunschweig NJW 1975, 651 [652]; Dresden NJW 2004, 1181 [1182]; LG Berlin AfP 2008, 530; LG Köln GRUR-RR 2010, 491 – Kachelmann; Molle ZUM 2010, 331 [334]; Neuling HRRS 2006, 94 [98]; Müller NJW 2007, 1617 [1618]; Hohmann NJW 2009, 881 [882]); eine zulässige Erstveröffentlichung begründet keine Wiederholungsgefahr (Molle ZUM 2010, 311 [334]). bb) Namensnennung des mutmaßlichen Täters im Rahmen eines Verdachts/Ermittlungsverfah- 152 rens. Dem allg Informationsinteresse der Öffentlichkeit wird idR auch ohne Namensnennung entsprochen (Frankfurt NJW-RR 1990, 989 [990]; Bornkamm NStZ 1983, 102 [106]), weshalb eine identifizierende Berichterstattung grds nur bei Fällen schwerer Kriminalität und bei Straftaten, die die Öffentlichkeit besonders berühren, in Betracht kommt (Braunschweig NJW 1975, 651 [652]; Brandenburg NJW-RR 2003, 919 [920]; München NJW-RR 2002, 404; Müller NJW 2007, 1617 [1618]; LG Hamburg AfP 2010, 185, 186 – „Ochsenknecht Söhne“). Allerdings ist zu beachten, dass die Gefahr einer Stigmatisierung (BVerfG NJW 2009, 350 [352] – Holtzklotz) des nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten gerade bei solchen Taten sehr hoch ist. Ob und inwieweit die Namensnennung oder eine sonstige Identifizierung des Täters zulässig ist, kann jedoch stets nur durch Interessenabwägung im Einzelfall entschieden werden. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die Berichterstattung über eine Straftat unter Namensnennung, Abbildung oder Darstellung des Täters regelmäßig eine erhebliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Täters darstellt, weil sein Fehlverhalten öffentlich bekannt gemacht und er in den Augen des Publikums negativ qualifiziert wird (BVerfG 35, 202 – Lebach; NJW 1993, 1463). Im Rahmen der Abwägung sind insb zu beachten: die Schwere und die Art der Tat (LG Berlin AfP 1999, 524 – Schweres Sexualdelikt; KG AfP 2006, 561 – WM-Hooligan; BGH 143, 199 – Schleimerschmarotzerpack; Braunschweig NJW-RR 2005, 195 für einen NPD-Schläger; nach BVerfG NJW 2010, 1195 [1197] – Hanfpflanze sowie NJW 2009, 350 [352] – Holtzklotz kann die Schwere der Tat dabei nicht nur für das öffentliche Informationsinteresse, sondern auch bei der Gewichtung der entgegenstehenden Belange des APR Bedeutung erlangen; so wird bei sehr schweren Taten zwar einerseits ein hohes Informationsinteresse bestehen, andererseits aber auch eine besondere Gefahr der Stigmatisierung), die zeitliche Distanz zur Straftat, die öffentliche Bekanntheit und das Öffentlichkeitsinteresse (idR gegeben bei Personen der Zeitgeschichte, vgl BGH NJW 2006, 599 – Ernst August v Hannover: 81 km/h zu schnell im Straßenverkehr; LG GRUR-RR 2010, 491 – Kachelmann, denn sie stehen für bestimmte Wertvorstellungen und Lebenshaltungen, geben Orientierung und erfüllen eine Leitbild- oder Kontrastfunktion, BGH NJW 2009, 757 [758], rein private Verfehlungen Prominenter begründen jedoch ein öffentliches Berichterstattungsinteresse nur, wenn die Straftat in einem funktionellen Zusammenhang steht, so Widmaier/Lehr Rn 18), die Motivation der Berichterstattung (Befriedigung der Neugier oder Information über gesellschaftlich relevante Ta-

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Personen

ten), die Vorgeschichte sowie die Stellung des Täters im gesellschaftlichen Leben (BVerfG NJW 2006, 2835; ebenso BGH NJW 2006, 599 [600] – Ernst August v Hannover). 153

Bei dürftiger Tatsachen- und Recherchegrundlage ist grds eine Anonymisierung vorzunehmen oder gänzlich von einer Berichterstattung abzusehen (BGH 143, 199 [201ff] – Schleimerschmarotzerpack); bei Kleinkriminalität (hierzu BVerfG NJW 2009, 350 [352] – Holtzklotz: die Geringfügigkeit eines Tatvorwurfs kann die Bedeutung einer Persönlichkeitsbeeinträchtigung mindern) und bei Straftaten von Jugendlichen ist eine identifizierende Berichterstattung nur ausnahmsweise zulässig (BVerfG 35, 202 – Lebach; Müller NJW 2007, 1617 [1619]), sofern der Beschuldigte eine herausgehobene Stellung einnimmt oder die Art der Straftat aus dem Rahmen fällt (BGH NJW 2006, 599 [600] – Ernst August v Hannover; NJW 2009, 757 [759]; 143, 199 [201ff] – Schleimerschmarotzerpack; Braunschweig NJW 1975, 651 [652]; Dresden NJW 2004, 1181 [1182]; Molle ZUM 2010, 331 [333]; Müller NJW 2007, 1617 [1618]; LG Berlin NJW-RR 2003, 552; LG Köln GRUR-RR 2010, 491 – Kachelmann), zB Tatbegehung als Rechtsanwalt/Organ der Rechtspflege (München NJW-RR 2003, 111 – Rechtsanwalt, der wg Strafvereitelung angeklagt ist, darf mit abgekürztem Namen genannt werden) oder schwerwiegender Verkehrsverstoß eines Prominenten (BGH NJW 2006, 599 – Ernst August v Hannover). Zulässig ist eine identifizierende Berichterstattung auch, sofern der Betroffene im öffentlich Bereich tätig ist, denn dann handelt es sich um einen Vorgang aus der Sozialsphäre (zB gewerblicher und politischer Betätigungsbereich); ebenfalls zu beachten ist das Interesse der Öffentlichkeit (BGH NJW-RR 1995, 301 [304]; Müller NJW 2007, 1617 [1618]). Hat sich die Öffentlichkeit des Namens bereits bemächtigt oder wurde bereits in anderen Medien unter voller Namensnennung berichtet (Frankfurt NJW-RR 1990, 989 [990]), kann dies ebenfalls für die Zulässigkeit einer identifizierenden Berichterstattung sprechen. Nach LG Berlin NJW-RR 2003, 552 [553] entfällt der Schutz der Privatsphäre und der Betroffene muss eine (grds nicht gerechtfertigte) identifizierende Berichterstattung hinnehmen, wenn er sich einverstanden zeigt, dass sein Anwalt ggü der Presse zum Prozessgeschehen Stellung nimmt. S auch BVerfG NJW 1998, 2889 zu identifizierenden Äußerungen seitens des Opfers: eine inzwischen 41-jährige Frau darf ihren Namen, der nach wie vor ihr Geburtsname ist, im Zusammenhang mit der öffentlichen Behauptung nennen (bei „Schreinemakers live“, „Emma“), ihr Vater habe sie als Kind sexuell missbraucht, denn der Verzicht auf die Nennung des Namens lasse die Persönlichkeit nicht unbeeinträchtigt und nehme am Schutz der Meinungsfreiheit teil.

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cc) Sonstige identifizierende Bildberichterstattung im Rahmen eines Verdachts/Ermittlungsverfahrens. Ob neben der Namensnennung auch eine Bildberichterstattung zulässig ist, richtet sich nach §§ 22ff KUG (ausf hierzu Rn 167ff). Eine Veröffentlichung des Bildnisses einer Person ohne Einwilligung ist danach nur zulässig, wenn über ein Ereignis aus dem Bereich der Zeitgeschichte, § 23 I Nr 1 KUG, berichtet wird (KG NJW-RR 2007, 345 [346] – Unterweltkönig: die Festnahme eines Tatverdächtigen, der durch sein Verhalten in der Öffentlichkeit das Informationsinteresse auf sich gezogen hat, ist ein zeitgeschichtlich berichtenswertes Ereignis iSd § 23 I Nr 1 KUG) und der Betroffene insofern eine (relative) Person der Zeitgeschichte ist. Diese muss eine Veröffentlichung ihres Bildnisses jedoch nur in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit dem Ereignis, durch das sie bekannt geworden ist, hinnehmen (München NJW 1963, 658 [659] – Lebensmittelskandal; ggf anders, wenn es vorrangig um die Täterin als Person und nicht um die Tat geht, Hamburg NJW-RR 1986, 933). Beschuldigte und Straftäter sind idR dann als (relative) Personen der Zeitgeschichte einzustufen, wenn die Schwere der begangenen Tat, die Person des mutmaßlichen Täters oder sonstige besondere Umstände die Tat deutlich aus der alltäglichen Kriminalität herausheben und die Straftat nicht nur von ganz untergeordneter Bedeutung für die Öffentlichkeit ist (Dresden NJW 2004, 1181 [1182]; München NJW 1963, 658 [659] – Lebensmittelskandal; Hamburg NJW-RR 1986, 933; zB Straftat eines Polizisten [sexueller Missbrauch von Minderjährigen], LG Halle AfP 2005, 188 [190]). Die bloße Gerichtsberichterstattung für sich allein macht ein Strafverfahren jedoch noch nicht zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis (München GRUR 1964, 42; NJW 1963, 658 [659] – Lebensmittelskandal). Grds ist Zurückhaltung angebracht. Dies gilt in besonderem Maße für die Ausstrahlung von Fernsehbildern. Für die öffentliche Fahndung mithilfe der Massenmedien bedarf es einer besonders sorgfältigen Prüfung nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Subsidiarität. Eine Unterstützung der polizeilichen Ermittlungen durch eine Berichterstattung/Sendung mit Namensnennung und Bildveröffentlichungen ist grds nur zulässig, wenn eine schwerwiegende Straftat und die strafprozessualen Voraussetzungen eines Haftbefehls und einer steckbrieflichen Fahndung (§§ 112ff, 131 StPO) vorliegen und eine entscheidende Ermittlungsförderung gerade durch die öffentliche Fahndung erwartet wird (vgl Hamburg NJW 1980, 842). Zur Fernsehserie Aktenzeichen XY – ungelöst vgl München NJW 1970, 1745 m Anm Schmitt, 2026.

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c) Berichte über Strafverfahren. aa) Grundsätze für die Medienberichterstattung. Auch nach Zulassung der Klage kann eine identifizierende Berichterstattung über einen Angeklagten zu erheblichen Beeinträchtigungen führen, weshalb die Medien auch in diesem Stadium des Verfahrens einseitige, tendenziöse oder präjudizierende Stellungnahmen vermeiden müssen. Insb muss streng zw einem Verdacht, der Anklage und der erwiesenen Schuld unterschieden werden (s insofern auch die Richtlinien des Deutschen Presserats v 29.4.1958). Auch in diesem Stadium ist die Presse daher verpflichtet, genau und objektiv zu berichten und die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten zu wahren (BGH NJW 1979, 1041 – Exdirektor); nicht erforderlich ist jedoch – im Unterschied zur Verdachtsberichterstattung im Ermittlungsverfahren – die Einholung einer Stellungnahme, da das Gericht einen hinreichenden Tatverdacht bejaht hat (München NJW-RR 2003, 111 – Rechtsanwalt).

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bb) Namensnennung des mutmaßlichen Täters bei Bericht über Strafverfahren. Auch nach Zulassung der Klage gilt grds die Unschuldsvermutung, und es besteht die Gefahr der öffentlichen An62

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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

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prangerung und Vorverurteilung (Frankfurt NJW-RR 1990, 989; Brandenburg NJW-RR 2003, 919 [920]), weshalb auch vor Verkündung eines Urt stets eine sorgfältige Prüfung erforderlich ist, ob das Informationsinteresse der Öffentlichkeit das Recht des Angeklagten auf Schutz seiner Persönlichkeit und Wahrung seiner Ehre (Geheimhaltungsinteresse) derart überwiegt, dass eine Berichterstattung in identifizierbarer Weise zulässig ist (München NJW-RR 2003, 111 – Rechtsanwalt; AG Charlottenburg AfP 2006, 595). Das ist insb dann anzunehmen, wenn die Informationen nur und gerade im Zusammenhang mit dem Namen des Betroffenen ihren Informationswert erhalten (AG Charlottenburg AfP 2006, 595; Soehring GRUR 1986, 518 [522]), das Informationsbedürfnis sich also gerade auf die Identität des mutmaßlichen Täters erstreckt; oder aber, wenn die Straftat als solche ihrer Natur nach von öffentlichem Interesse ist, der Angeschuldigte ihre Begehung einräumt oder schwerwiegende Beweismittel vorliegen. Zu bedenken ist stets, dass der identifizierbare Angeklagte durch die Gerichtsberichterstattung in seinem Persönlichkeitsrecht erheblich beeinträchtigt und seine Person in den Augen der Adressaten negativ qualifiziert wird (München NJW-RR 2003, 111 – Rechtsanwalt); die Rücksichtnahmepflichten sind mithin besonders groß, wenn Fähigkeiten und der Charakter des Betroffenen zur öffentlichen Erörterung stehen (BGH NJW 1979, 1041 – Exdirektor; LG Berlin AfP 2008, 530; Soergel/Beater, Anh IV § 823 Rn 179). Eine absolute Grenze der Berichterstattung ist auch hier die Intimsphäre. Nach BGH NJW 1988, 1984 (sexuelle Äußerungen am Arbeitsplatz) sind Presseorgane daher – jedenfalls bei Gerichtsverfahren ohne strafrechtlichen Einschlag – verpflichtet, alle ihnen möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um eine Identifizierung des Betroffenen durch die Leser auszuschließen. cc) Ton- und Bildaufnahmen aus dem Sitzungssaal. Ton- und Fernseh-, Rundfunkaufnahmen so- 157 wie Filmaufnahmen über und während Gerichtsverhandlungen aus dem Sitzungssaal sind gem § 169 S 2 GVG verboten. Nicht umfasst sind das Fotografieren und Zeichnen während der mündlichen Verhandlung. Ob vor, zw oder nach der Verhandlung fotografiert oder gefilmt werden darf, obliegt gem § 176 GVG ausschließlich der Disposition des Vorsitzenden im Rahmen seiner Sitzungsgewalt (BVerfG NJW 2001, 1633 [1636]). § 169 S 2 GVG ist verfassungsgemäß (BVerfG NJW 2001, 1633; dazu Dieckmann NJW 2001, 2451; Huff NJW 2001, 1622; Stürner JZ 2001, 699; Zuck NJW 2001, 1623; Gostomzyk JuS 2002, 228; BVerfG NJW 1996, 581 – n-tv; dazu Dörr NJW 1997, 1341 [1345]; LG Berlin AfP 1994, 332), insb liegt in dieser Begrenzung kein Grundrechtseingriff – vielmehr ist die Informationsquelle der „Gerichtsverhandlung“ von vornherein nur in dieser Form eröffnet (BVerfG NJW 2001, 1633 [1634]). Allerdings sind Aufnahmen vor Beginn und nach Schluss der Verhandlungen sowie in den Verhandlungspausen (vgl BGH NJW 1970, 63 zu Aufnahmen im Falle der Abwesenheit der Angeklagten) vom Schutz der Presse- und Rundfunkfreiheit umfasst – der Vorsitzende hat daher im Einzelfall diese Grundrechte mit dem gebotenen Persönlichkeitsschutz abzuwägen. In der HoneckerEntscheidung (JZ 1995, 295 – Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal) hat das BVerfG erstmals das gänzliche Verbot der Fernsehberichterstattung aus dem Sitzungssaal außerhalb der Hauptverhandlung als unverhältnismäßigen Eingriff in die Rundfunkfreiheit angesehen und für verfassungswidrig erklärt. In jüngerer Zeit wird insb bei aufsehenerregenden Prozessen die sog Pool-Lösung angewandt. Danach werden idR einem Fernsehteam von drei Personen Fernsehaufnahmen im Sitzungssaal erlaubt, welche dieses dann wiederum anderen Anstalten unter angemessenen Bedingungen zur Verfügung stellen muss. Die Anordnung der Anonymisierung durch das Gericht (sitzungspolizeiliche Anordnung auf der 158 Grundlage des § 176 GVG) ist eine Beschränkung der Informationsmöglichkeit der Öffentlichkeit (BVerfG NJW 2009, 350 [351] – Holzklotzfall). Sie ist idR gerechtfertigt, bspw wenn die Gefahr besteht, dass sich der Angeklagte ansonsten von dem Vorwurf der besonderen Verwerflichkeit des ihm vorgeworfenen Handelns selbst im Falle eines Freispruchs nur schwer befreien könnte (BVerfG NJW 2009, 350 [352] – Holzklotzfall; vgl auch NJW 2002, 2021 – El Kaida; NJW 2003, 2523 – Magnus G). Zu den Grundsätzen der Platzverteilung im Gerichtssaal für Journalisten s BVerfG NJW 2003, 500 – El Kaida II. Die Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung (§ 169 S 1 GVG) berechtigt zudem nur die im Gerichtssaal Anwesenden zur vollständigen Information über den Gang der Verhandlung. Sie gibt der Presse nicht die Befugnis, auch die nicht anwesende Öffentlichkeit über alle Einzelheiten zu unterrichten (Frankfurt NJW-RR 1990, 989 [990]; Bornkamm NStZ 1983, 102 [105]) – diese von der Presse geforderte Rücksicht findet ihren Ausdruck besonders im nahezu uneingeschränkten Verbot der Namensnennung. Opfer und Zeugen müssen die Berichterstattung in gewissem Umfang hinnehmen, weil anders ein faires Verfahren nicht gewährleistet werden kann (Grundgedanke des § 169 GVG; hierzu auch Rn 162). Es lässt sich nicht vermeiden, dass im Strafverfahren auch intime Dinge zur Sprache kommen können (Hamburg NJW 1975, 649 [651]). Richter und Schöffen haben die Berichterstattung ebenfalls grds hinzunehmen (BVerfG NJW 2000, 2890 [2891] – Krenz), allerdings besteht ein Anspruch auf Schutz, der das Veröffentlichungsinteresse überwiegt, wenn die Veröffentlichung von Abbildungen eine erhebliche Belästigung oder eine Gefährdung ihrer Sicherheit durch Übergriffe Dritter bewirken könnte (BVerfG AfP 2008, 156; AfP 2007, 117). dd) Berichterstattung und Namensnennung des Täters nach Verurteilung. Nach rechtskräftigem 159 Abschluss des Strafverfahrens erlangt das Persönlichkeitsrecht wieder die Oberhand, und der Wunsch des Straftäters, „allein gelassen zu werden“, setzt dem Wunsch der Massenmedien sowie dem Bedürfnis des Publikums, seinen individuellen Lebensbereich zum Gegenstand der Erörterung oder gar der Unterhaltung zu machen, Grenzen – es besteht allerdings kein Anspruch auf „vollständige Immunisierung“ (BVerfG NJW 2000, 1859 [1860] – Lebach II; aktuell BGH NJW 2010, 2728 [2729] – Sedlmayr; anders noch BVerfG 35, 202 [232] – Lebach: „Recht darauf, allein gelassen zu werden“; zum Verfügungsrecht über die Darstellung des eigenen Lebensbildes vgl grds Rn 132ff). Jedoch bleibt auch der schwere Straftäter ein Mitglied der Gemeinschaft mit dem verfassungsrechtlichen N. Klass

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Allgemeiner Teil

Personen

Anspruch auf Schutz seiner Individualität (BVerfG 35, 202 [232] – Lebach). Eine zeitliche Grenze ist allerdings nicht einheitlich fixiert, sondern muss im Einzelfall ermittelt werden (BVerfG 35, 202 [232] – Lebach; NJW 1993, 1463 [1464]; Frankfurt NJW-RR 2007, 988 [989]; KG NJW-RR 2008, 1625 [1628] – RAF; NJW-RR 2008, 492 [493]; BGH NJW 2009, 757 [760]), denn das berechtigte Informationsinteresse kann je nach Art und Schwere der Tat noch nachwirken – zudem kann es im Einzelfall eine gewisse Zeit dauern, um eine schwere Straftat, etwa in rechtlicher, kriminologischer, soziologischer oder ethischer Sicht hinreichend zu würdigen (Köln NJW 1987, 1418) und historisch aufzuarbeiten (etwa Taten der RAF, vgl KG NJW-RR 2008, 1625 [1628] – RAF; Frankfurt NJW-RR 2007, 988f; Berichterstattung unter Namensnennung fünf Jahre nach rechtskräftigem Urt zulässig; ebenso Bericht und Fotos aus der Sozialsphäre acht Jahre nach Verbüßung der Haft und vollzogener Wiedereingliederung, nicht aber Abbildung des aktuellen Wohnhauses, KG NJW-RR 2008, 1625 [1628] – RAF; unzulässig ebenfalls Bericht über Schwerverbrecher nach 13,5 Jahren, Hamburg NJW-RR 1986, 933). Sofern ein besonderes öffentliches Informationsinteresse besteht, soll im Einzelfall sogar über Details aus der aktuellen Lebenssituation (Sozialsphäre) berichtet werden dürfen, KG NJW-RR 2008, 1625 [1627] – RAF. 160

Im Grundsatz ist eine identifizierende Berichterstattung aber nur zulässig, sofern an der namentlichen Nennung ein aktuelles berechtigtes öffentliches Interesse besteht (LG Berlin AfP 1998, 418). In jedem Einzelfall ist der Gedanke der Resozialisierung zu beachten und zu prüfen, ob die Berichterstattung eine neue erhebliche oder zusätzliche Beeinträchtigung des Täters zu bewirken geeignet ist und ob die Wiedereingliederung in die Gesellschaft und die Sicherung der privaten Existenz und Freiheit erschwert zu werden drohen (BGH NJW 2009, 757 [760]; BVerfG 35, 202 [232] – Lebach; Hamburg AfP 2010, 270 [271] – Ehemalige Terroristin). Bei länger zurückliegenden Taten (Hamburg AfP 1994, 232), insb bei bereits verbüßten oder getilgten Strafen ist die Prangerwirkung der Namensnennung jedoch idR zu vermeiden (BVerfG 35, 202 [232] – Lebach; deswegen bedenklich insofern Frankfurt NJW-RR 1996, 1490 – Monika Haas; die neuere Verfilmung der Lebach-Morde trägt dem Rechnung, weshalb die Verfassungsbeschwerde der Täter erfolglos blieb, BVerfG NJW 2000, 1899 – Lebach II), dies gilt ebenso bei getilgten Vorstrafen (BVerfG NJW 1993, 1463).

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ee) Berichterstattung und Namensnennung nach Freispruch. Das Recht der Medien zur Berichterstattung entfällt, sobald der Angeklagte rechtskräftig freigesprochen ist, denn der Freigesprochene hat grds ein Recht auf Anonymität, also einen Anspruch darauf, „in Ruhe gelassen zu werden“ (Brandenburg NJW-RR 2003, 919). Er kann sich daher auch dagegen wehren, dass über die Ausräumung des Tatverdachts und die Beendigung des Strafverfahrens berichtet wird, da hierbei zwangsläufig auch der Anklagevorwurf wiedergegeben würde (Brandenburg NJW-RR 2003, 919 [920]). Nach BGH (NJW 1972, 431 – Freispruch) hat ein periodisch erscheinendes Presseorgan, das vor Rechtskraft über die erstinstanzliche strafgerichtliche Verurteilung unter Namensnennung berichtet hat, auf Verlangen des Betroffenen den das Strafverfahren abschließenden Freispruch mitzuteilen. Die Verpflichtung des Presseorgans kann sich dabei auf die Veröffentlichung einer entspr Erklärung des Betroffenen beschränken.

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d) Namensnennung von Opfern und Zeugen. Opfer von Straftaten, aber auch von Unglücksfällen und Katastrophen, sowie Zeugen sind in erhöhtem Maße schutzwürdig (Müller NJW 2007, 1617 [1618]), weshalb die Medien bei der Berichterstattung äußerst sorgfältig und zurückhaltend vorgehen müssen. Nicht erlaubt ist eine auf Sensationen ausgelegte identifizierende Berichterstattung, welche die Opfer erneut in eine Opferrolle drängt. Die gilt in besonderem Maße für Sexualstraftaten (Köln NJW 1987, 1418); aber auch in anderen Fällen kann eine nicht identifizierende Berichterstattung angebracht sein (Stuttgart NJW 1967, 1422: eine betrogene Bank muss zwar die Nennung ihres Namens dulden – aber nur in Ausnahmefällen darf auch der volle Name des Bankdirektors genannt werden; anders BGH NJW 1980, 1790: Der Träger eines seltenen Namens, dessen Bruder sieben seiner acht Kinder umgebracht hat, soll keinen Anspruch darauf haben, dass der Name bei der Berichterstattungen über die Tat nicht genannt wird).

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e) Informationsverhalten von Gerichten, Staatsanwaltschaften und Behörden. Eine organisierte und professionalisierte Informationspolitik der staatlichen Einrichtungen, insb der Strafjustiz, ist taugliches und unverzichtbares Mittel, um eine Vorverurteilung durch die Medien und damit verbundene Verletzungen des APR der Beteiligten zu verhindern (so auch Hassemer NJW 1985, 1921 [1928]).

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aa) Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte. Die Pflicht zur Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte ergibt sich aus dem Rechtsstaatlichkeitsgebot unter Einschluss der Justizgewährungspflicht, dem Demokratiegebot sowie aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung. Wesentlicher Bestandteil dieser Informationsverpflichtung ist die Pflicht zur Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen. Es handelt sich dabei um eine öffentliche, verfassungsunmittelbare Aufgabe der rechtsprechenden Gewalt und damit eines jeden Gerichts (BVerwG NJW 1997, 2694). Gerichtliche Entscheidungen konkretisieren bestehende Gesetzesnormen und bilden das Recht fort (BVerwG NJW 1997, 2694; Huff NJW 2004, 403) – die Öffentlichkeit soll daher auch erfahren, wie das durch die Gerichte ausgefüllte und belebte Recht aussieht. Daher obliegt allen Gerichten kraft Verfassungsrechts die Aufgabe, der Öffentlichkeit diejenigen Entscheidungen zugänglich zu machen, an deren Veröffentlichung ein Interesse besteht oder bestehen könnte. Die Gerichte sind verpflichtet, eine herausgabefähige, dh insb anonymisierte und neutralisierte Fassung der zur Veröffentlichung vorgesehenen Entscheidungen bereitzuhalten, auf welche sowohl die Presse als auch Fachverlage zugreifen können (zur Neutralitätspflicht der Gerichte BVerwG NJW 1997, 2694). Problematisch erscheint allerdings, dass insb im Bereich des APR selbst eine anonymisierte Veröffentlichung der Entscheidung zu einer erneuten 64

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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

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Rechtsverletzung des Betroffenen führen oder bestimmte Vorgänge der Öffentlichkeit erneut zugänglich machen kann (vgl hierzu bspw die Entscheidung BVerfG NJW 2008, 39 – Esra, durch welche nach Erlass eines Buchverbots die Kenntnis einzelner Aspekte dieses Werkes ermöglicht wurden). bb) Pressemitteilungen sowie Presseauskünfte der Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaften 165 sind nach den Pressegesetzen der Länder (bspw § 4 NWPresseG, der Auskunftsanspruch ist über Art 5 I 1 GG verfassungsrechtlich abgesichert, Lorz NJW 2005, 2657 [2658], Becker-Toussaint NJW 2004, 414 [417]) berechtigt und verpflichtet, die Presse über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu informieren. Dabei hat stets eine Abwägung zw dem Informationsrecht der Presse und dem APR (Geheimhaltungsinteresse) des Betroffenen (Düsseldorf NJW 2005, 1791 [1799] – Mannesmann/ Vodafone; BGH NJW 1994, 1950 [1951]) zu erfolgen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass eine solche Information seitens der Staatsanwaltschaft erhebliche Wirkungen zeitigen kann – und dies, obwohl die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bereits auf Verdacht hin geschieht (BGH NJW 1959, 35 [36]; Düsseldorf NJW 2005, 1791 [1799] – Mannesmann/Vodafone; BGH NJW 1994, 1950 [1952]). Die Staatsanwaltschaften müssen daher besonders sorgfältig agieren, insb da juristische Laien allzu leicht geneigt sind, die Eröffnung des Ermittlungsverfahrens mit dem Nachw der zur Last gelegten Tat gleichzusetzen (BGH NJW 1994, 1950 [1952]; Neuling HRRS 2006, 94 [99]; Braunschweig NJW 1975, 651 [652]) und ein unkritisches Vertrauen der Bevölkerung in Mitteilungen der Staatsanwaltschaft besteht (ähnlich auch BVerfG NJW 2010, 1195 [1197] – Hanfpflanze, sowie VG Wiesbaden AfP 2010, 416 [418] – Claudia Pechstein mit Blick auf eine Pressemitteilung des BKA). Es muss daher stets geprüft werden, welchen Eindruck die Veröffentlichung in der Presse bei den Adressaten hinterlässt (BGH NJW 1959, 35 [36]). Unnötige Bloßstellungen des Beteiligten oder anderer Betroffener, insb die Veröffentlichung intimer oder anprangernder Details sind zu vermeiden (BGH NJW 1994, 1950 [1952]). Grds gilt, je detaillierter die Information durch die Ermittlungsbehörden ist, desto intensiver ist auch der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen (Lehr NStZ 2009, 409 [411]). Dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit genügt idR eine Auskunft ohne Namensnennung (entspricht § 23 I RiStBV). Eine namentliche Identifizierung im Ermittlungsstadium soll allenfalls bei Personen der Zeitgeschichte gerechtfertigt sein, Düsseldorf NJW 2005, 1791 [1799] – Mannesmann/Vodafone; Neuling HRRS 2006, 94 (99). Grds ist jedoch der Einzelfall maßgeblich. In die vorzunehmende Abwägung sollten insb einfließen: Art der Straftat, Öffentlichkeitsinteresse an der Tat, Person des mutmaßlichen Täters sowie Ausmaß des Tatverdachts. IÜ gelten die dargelegten Grundsätze der Verdachtsberichterstattung (Rn 148ff) auch für die Ermittlungsbehörden, welche unmittelbar an den Grundsatz der Unschuldsvermutung gebunden sind (Bornkamm NStZ 1983, 102 [108]; Lehr NStZ 2009, 409 [411]; Widmaier/Lehr Rn 22). Eine Pflicht zur entspr Anwendung der Grundsätze ergibt sich zudem auch daraus, dass die presserechtliche Rspr den Ermittlungsbehörden die Qualität einer sog privilegierten Quelle (Auskünfte der Polizei und StA) zuspricht (Lehr NStZ 2009, 409 [411]). Presse und Rundfunk dürfen in diesem Fall auf weitere Nachprüfung verzichten, wenn keine besonderen Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen (auch BVerfG NJW 2010, 1195 [1197] – Hanfpflanze betont, dass Verlautbarungen amtl Stellen, wie insb der Staatsanwaltschaft, ein gesteigertes Vertrauen entgegengebracht werden darf). Vor einer Pressemitteilung ist der Betroffene über die Einleitung des Ermittlungsverfahrens zu informieren (hierzu Düsseldorf NJW 2005, 1791 [1800] – Mannesmann/Vodafone), da ansonsten ggf das Gebot des fairen Verfahrens verletzt sein kann, weil bspw die Verteidigungsbereitschaft eingeschränkt ist; Lehr NStZ 2009, 409 (413); anders: Becker-Toussaint NJW 2004, 414 (415f). Unrichtige Auskünfte über den Stand des Ermittlungsverfahrens können eine Amtspflichtverletzung begründen (Staud/Wurm § 839 Rn 662; vgl auch BVerwG NJW 1992, 62 – unrichtige Presseerklärungen eines Leitenden Oberstaatsanwalts). f) Online-Archive. In Online-Archiven von Zeitungen und Rundfunkanstalten finden sich zahlrei- 166 che Meldungen über teils weit zurückliegende Ermittlungs- oder Strafverfahren, bei denen zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung oftmals selbst die identifizierende Namensnennung der Beteiligten zulässig war. Mit Wegfall des aktuellen Bezugs stellt sich die Frage, ob diese (nun nicht mehr aktuellen) Beiträge zulässigerweise in dem für Altmeldungen vorgesehenen Teil eines Internetportals („Online-Archiv“) zum Abruf bereitgehalten werden dürfen. Nach BGH (NJW 2010, 757 – Sedlmayr) ist dies grds aufgrund einer umfassenden Abwägung des Persönlichkeitsrechts des Straftäters mit dem Recht der Meinungs- und Medienfreiheit des Medienunternehmens zu entscheiden, wobei zugunsten der Medien zu berücksichtigen ist, dass die Veröffentlichung der Meldung ursprünglich zulässig war. Für eine Zulässigkeit des Angebots spreche darüber hinaus auch, dass die Meldung nur durch gezielte Suche auffindbar ist (hier: Angebot eines Teasers auf einer als passive Darstellungsplattform geschalteten Website, die typischerweise nur durch sich aktiv informierende Nutzer zur Kenntnis genommen wird) und erkennen lässt (zB aufgrund des Inhalts und der URL), dass es sich um eine frühere Berichterstattung handelt. Dies ist insb der Fall, wenn die Meldung nicht in sonstiger Weise den Anschein der Aktualität oder der erneuten Berichterstattung aufweist. Nach BGH (NJW 2010, 2432 – Spiegel-Dossier) ist auch eine nur kostenpflichtig abrufbare, den Täter identifizierende Internet-Veröffentlichung aus der Druckausgabe eines Nachrichtenmagazins zulässig. Zur Pflicht, im Falle eines Hinw überholte Altmeldungen im Internet zu aktualisieren, s Düsseldorf GRUR-RR 2011, 21. 11. Schutz vor unberechtigter Verbreitung und öffentlicher Zurschaustellung von Bildnissen: Das Recht am eigenen Bild Schrifttum: Alexander, Persönlichkeitsschutz und Werbung mit tagesaktuellen Ereignissen, AfP 2008, 556; Becker/ Smeets, Die spät veröffentlichten Aktfotos, JURA 2000, 353; Beuthien/Hieke, Unerlaubte Werbung mit dem Abbild prominenter Personen, AfP 2001, 353; Eickmeier/Eickmeier, Die rechtlichen Grenzen des Doku-Dramas, ZUM 1998, 1; Engels/Schulz, Das Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte, AfP 1998, 574; Ernst, Google StreetView, Urheber-

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Allgemeiner Teil

Personen

und persönlichkeitsrechtliche Fragen zum Straßenpanorama, CR 2010, 178; Ernst-Moll, Das Recht am eigenen Bildnis – vor und vor allem nach dem Tode, GRUR 1996, 558; Friedrich, Grundrechtlicher Persönlichkeitsschutz und europäische Privatsphärengarantie, 2009; Frömming, Die Einwilligung im Medienrecht, NJW 1996, 958; Klass, Bildberichterstattung über das Privat- und Alltagsleben Prominenter, ZUM 2008, 432; Klass, Zu den Grenzen der Berichterstattung über Personen des öffentlichen Lebens, AfP 2007, 517; Klass, Die neue Frau an Grönemeyers Seite – Ein zeitgeschichtlich relevantes Ereignis?, ZUM 2007, 818; Lindner, Persönlichkeitsrecht und Geo-Dienste im Internet, zB Google Street View/Google Earth, ZUM 2010, 292; Mann, Auswirkungen der Caroline-Entscheidung des EGMR auf die forensische Praxis, NJW 2004, 3220; Neumann-Duesberg, Bildberichterstattung über absolute und relative Personen der Zeitgeschichte, JZ 1960, 114; Ohly, Harmonisierung des Persönlichkeitsrechts durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte? – Rechtsvergleichende Anmerkungen zum Urteil in der Sache von Hannover/Deutschland, GRURInt 2004, 902; Schertz, Die Verfilmung tatsächlicher Ereignisse, ZUM 1998, 757; Schertz, Die wirtschaftliche Nutzung von Bildnissen und Namen Prominenter, AfP 2000, 495; Schulz/Jürgens, Das Recht am eigenen Bild, JuS 1999, 664; Unland, Die Verfilmung tatsächlicher Ereignisse – Persönlichkeitsrechtliche Grenzen, 2000; Wanckel, Foto- und Bildrecht, 2009.

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a) Rechtsgrundlage und Rechtsnatur. Das Recht am eigenen Bild (RaeB) ist das ausschließliche Recht des Einzelnen, über die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung seines Bildnisses zu entscheiden. Es wird umfassend durch das KUG v 9.1.1907 geschützt, welches in Reaktion auf RG 45, 170 – Bismarcks Leiche geschaffen wurde. Das Recht am eigenen Bild, das mithin schon lange vor der Anerkennung des APR durch den BGH (13, 334 – Leserbrief) im Jahr 1954 anerkannt war, wird heute als eine unter Sonderschutz (§ 22 KUG) gestellte besondere Erscheinungsform des APR angesehen und gewährt dem Einzelnen die Befugnis, selbst zu bestimmen, ob, wann und wie er sich ggü der Öffentlichkeit oder Dritten darstellen will (BGH GRUR 1996, 227 [228]). Das besondere Schutzbedürfnis ergibt sich nach Ansicht des BGH insb aus den real existierenden technischen Möglichkeiten, das Erscheinungsbild eines Menschen in einer bestimmten Situation von diesem abzulösen, es datenmäßig zu fixieren und jederzeit vor einem unüberschaubaren Personenkreis zu reproduzieren (BVerfG NJW 2000, 1021 – CvM). Das RaeB schützt grds sowohl den Wert- und Achtungsanspruch der Persönlichkeit als auch kommerzielle Interessen (BGH 143, 214 – Marlene Dietrich). Die §§ 22ff KUG gehen dem APR vor, soweit ihr Regelungsbereich reicht (BGH 30, 7 [11] – Caterina Valente). Das APR findet jedoch neben dem RaeB Anwendung, wenn es im Kontext einer Bildnisveröffentlichung nicht nur um eine vom Schutzbereich der §§ 22ff KUG erfasste Persönlichkeitsrechtsverletzung geht (Schertz Hdb des Persönlichkeitsrechts § 12 Rn 2). Dies ist idR der Fall, wenn besondere, das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigende Umstände hinzutreten, wenn der Bildberichterstattung bspw ein beleidigender oder verfälschender Begleittext beigefügt ist (BGH NJW 1962, 1004: Bildnis eines unbescholtenen Seemanns mit dem Text „Lebenslänglich für Doppelmörder“; Koblenz NJW 1997, 1375: Abbildung eines unbeteiligten Priesters im Kontext eines Berichts über sexuellen Missbrauch von Kindern), der Betroffene herabgewürdigt, angeprangert oder sonst verächtlich gemacht wird (Schertz Hdb des Persönlichkeitsrechts § 12 Rn 85), es sich um eine Wahrheitsverletzung handelt, bspw weil das Bildnis bearbeitet wurde und der Eindruck entsteht, es bilde ein wahres Geschehen ab (BGH NJW 2006, 603 – Fotomontage), oder, weil dem Bild falsche Bildunterschriften beigefügt werden. In diesen Fällen liegt neben der Verletzung des APR zugleich eine Verletzung berechtigter Interessen nach § 23 II KUG (Rn 188) vor, die einer nach § 23 I KUG bestehenden Abbildungsfreiheit grds entgegenstehen. Darüber hinaus kann das APR den Einzelnen auch vor der Herstellung eines Bildnisses schützen (hierzu ausf Rn 143ff).

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b) Das abgestufte Schutzsystem der §§ 22ff KUG. Die §§ 22ff KUG enthalten ein abgestuftes Schutzsystem, welches „sowohl dem Schutzbedürfnis der abgebildeten Person als auch den Informationswünschen der Öffentlichkeit und den Interessen der Medien, die diese Wünsche befriedigen, ausreichend Rechnung“ trägt (BVerfG NJW 2000, 1021 – CvM). In § 22 I KUG findet sich zunächst ein allg Verbotstatbestand, wonach Bildnisse grds nur mit Einwilligung (vgl hierzu ausf Rn 229ff) des Abgebildeten verbreitet und öffentlich zur Schau gestellt werden dürfen (Stufe 1). §§ 23 I und 24 KUG enthalten jedoch – primär im Interesse der Öffentlichkeit an Information – Einschränkungen von dieser Grundregel (Stufe 2). Kommt eine der dort genannten Ausnahmen in Betracht, ist jedoch auf der dritten Stufe zu prüfen, ob nicht dennoch „berechtigte Interessen des Abgebildeten“ iSd § 23 II KUG verletzt werden, welche die Abbildungsfreiheit aufheben.

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c) Der Verbotstatbestand des § 22 I KUG. aa) Bildnis. Ein Bildnis iSd § 22 KUG ist die erkennbare Wiedergabe des äußeren Erscheinungsbildes eines Menschen (Personenbildnis). Dabei ist es gleichgültig, auf welche (technische) Art und Weise das Bildnis hergestellt wurde, um welche Art von Bildnis es sich handelt und wie es verbreitet wird. Erfasst werden daher zB Fotografien, Zeichnungen (BGH 143, 214 [228] – Marlene Dietrich; LG München I AfP 1997, 559 – Pumuckl-Zeichentrickfigur), Karikaturen, Medaillen (BGH NJW 1996, 593 – Willy Brandt), Plastiken und Puppen, Film-, Fernsehund Videoaufnahmen, Phantombilder, Fotomontagen (BGH NJW 2004, 596 – T-Sommer); umfasst ist aber auch die Darstellung durch Schauspieler, Doubles (BGH NJW 2000, 2201 [2202] – Blauer Engel; Karlsruhe AfP 1996, 282; LG Stuttgart AfP 1983, 292) oder Look-Alikes (BGH 26, 52 [67] – Sherlock Holmes). Grds entscheidet die Erkennbarkeit für Dritte darüber, als wessen Bildnis die Darstellung einer Person anzusehen ist (BGH NJW 2000, 2201 [2202] – Blauer Engel). Die Erkennbarkeit, die ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Bildnisschutzes ist, muss sich dabei nicht notwendig aus der Abbildung der Gesichtszüge ergeben, vielmehr genügt es, wenn andere besondere Merkmale (Bekleidung, Frisur, Mimik, Gestik), die Umgebung oder sonstige Einzelheiten zur Erkennbarkeit führen (BGH NJW 2000, 2201 – Blauer Engel; LG Köln, ZUM 2001, 180 – Schumacher). Zu berücksichtigen ist hierbei auch die dazugehörige Textberichterstattung. Erkennbarkeit kann daher auch trotz gepixeltem bzw „verkacheltem“ Gesicht gegeben sein (LG Frankfurt NJW-RR 2007, 115 – Pornofilm: zurückgekämmte, blonde Haare, Ohren mit Ohrschmuck, Gesichtsform, Kleidung, auffällige Statur des 66

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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

Anh § 12

Oberkörpers; München AfP 1982, 230 – Liebesschule; Saarbrücken NJW-RR 2010, 346 – Drückerkolonne; keine Erkennbarkeit jedoch bei bloßer Veröffentlichung des Kfz-Kennzeichens, AG Kerpen v 4.11.2010 – 102 C 108/10). Erkennbarkeit ist grds zu bejahen, wenn ein mehr oder weniger großer Bekanntenkreis die abgebildete Person erkennt, wobei nach der Rspr bereits dann eine Persönlichkeitsbeeinträchtigung vorliegt, wenn der Abgebildete begründeten Anlass hat anzunehmen, er könne durch die Art der Abbildung erkannt werden (zu alledem BGH NJW 1979, 2205 – Fußballtorwart mwN; Frankfurt NJW 1992, 441). Der Nachw, dass der Abgebildete tatsächlich erkannt worden ist, ist nicht erforderlich, BGH NJW 1962, 1004 – Doppelmörder. Nicht von §§ 22f KUG umfasst ist jedoch der Schutz des Lebensbildes, weshalb bspw der Anwen- 170 dungsbereich der §§ 22f KUG nicht eröffnet ist, wenn in einem Film nicht das Bildnis einer Person veröffentlicht wird, sie also nicht erkennbar in ihrer wirklichen, dem Leben entspr äußeren Erscheinung wiedergegeben, sondern durch eine Schauspielerin dargestellt wird, ohne dass große äußerliche Ähnlichkeiten bestehen (LG Berlin ZUM 2008, 880 – Baader Meinhof; KG ZUM-RD 2009, 181), und ihre Identifizierung lediglich auf der Ähnlichkeit der Handlung und der Ereignisse beruht (LG Köln ZUM 2009, 324 – Der Baader Meinhof Komplex; aA Schertz Hdb des Persönlichkeitsrechts § 12 Rn 70ff, der die Darstellung eines Lebensbildes einer Person dem Anwendungsbereich des § 23 I Nr 4 KUG unterstellen will). Der Schutz des Lebensbildes wird mithin nicht von §§ 22ff KUG, sondern vom APR gewährleistet (Rn 132ff). bb) Abbildungen von Grundstücken, Häusern und sonstigen Sachen. Das RaeB (§ 22 KUG) 171 schützt grds nur das Bildnis einer Person, nicht hingegen Abbildungen von deren Sachen (auch gibt es kein „Recht am Bild der eigenen Sache“ in Anlehnung an § 22 KUG, Köln NJW 2004, 619), daher soll auch das Fotografieren eines Hauses grds frei sein (BGH NJW 1989, 2251 – Friesenhaus), wenn die Aufnahme von einer allg zugänglichen Stelle aus angefertigt wurde und die Abbildung des Anwesens nur das wiedergibt, was auch für den vor Ort anwesenden Betrachter ohne weiteres zu Tage tritt; insofern liegt auch keine Beeinträchtigung des APR vor (BGH NJW 1989, 2251 [2253]; Brandenburg NJW 1999, 3339 [3340]; Bremen NJW 1987, 1420 [1421]; LG Köln ZUM-RD 2010, 233); anderes gilt jedoch, wenn in die durch die Umfriedung des Grundstücks geschaffene Privatsphäre eingedrungen und das Recht der betroffenen Person auf Selbstbestimmung bei der Offenbarung ihrer persönlichen Lebensumstände beeinträchtigt wird (BGH NJW 2009, 3030 – Joschka Fischer). Nach Düsseldorf (ZUM-RD 2008, 469 – Motoryacht) kann ebenfalls eine Beeinträchtigung des APR vorliegen, sofern ein falsches Bild über den Sachherrn vermittelt wird – jedoch muss sich eine bestimmte Interpretation des Bildes geradezu aufdrängen. Das Veröffentlichen und Verbreiten von Luftbildaufnahmen der Anwesen Prominenter unter Namensnennung ist nach BGH (NJW 2004, 762 [763] – Luftbildaufnahmen) zulässig, solange weder der Kernbereich der Privatsphäre noch ihr räumlich gegenständlicher Schutzbereich nachhaltig beeinträchtigt werden; anders BVerfG (NJW 2006, 2836 [2837]): Schutz des APR kann auf Veröffentlichung von Abbildungen erstreckt werden, die Einblick in die räumliche Privatsphäre als einem von öffentlicher Kontrolle und Beobachtung freien Rückzugsbereich ermöglichen; eine Beeinträchtigung des APR liegt daher jedenfalls dann vor, wenn zugleich die Identität der Bewohner offengelegt und der Weg zu dem Anwesen beschrieben wird (so auch KG ZUM 2001, 236 [238]; vgl auch KG NJW 2005, 2321, das einen Unterlassungsanspruch gegen die Ablichtung und Verbreitung des Bildes eines Hauses von G. J. gewährte; nach Hamburg AfP 2006, 182 muss die Abbildung des Domizils eines Prominenten im Fernsehen, welche noch keine Identifizierung der Adresse ermöglicht, jedoch als geringer Eingriff der Rundfunkfreiheit weichen). Nach der „Luftbild“-Rspr des BGH liegt jedenfalls dann ein Eingriff vor, wenn gegen den Willen des Betroffenen und unter Überwindung bestehender Hindernisse oder mit geeigneten Hilfsmitteln die Privatsphäre ausgespäht wird, um daraus ein Geschäft zu machen (BGH NJW 2004, 762 – Luftbildaufnahmen). Insgesamt ist trotz noch uneinheitlicher Rspr eine Tendenz der Gerichte erkennbar, Rechtschutz gegen die Abbildungen von Häusern zu gewähren, wenn die Verbreitung dieser geeignet ist, die Privatheit, das Rückzugsbedürfnis und die Sicherheit ihrer insb prominenten Eigentümer zu beeinträchtigen bzw zu gefährden (so auch Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 145). Das Berichterstattungsinteresse ist jedoch idR vorrangig, wenn der Betroffene sein privates Anwesen zuvor durch eine von ihm gebilligte Berichterstattung dem Anblick der Allgemeinheit geöffnet hat, so BVerfG NJW 2006, 2838 zu BGH NJW 2004, 762. Das ungenehmigte Fotografieren in einer Wohnung kann einen Eingriff in das APR darstellen, Düsseldorf NJW 1994, 1971; ebenso unerlaubte Aufnahmen mit versteckter Kamera in einem Zug der DB, KG NJW 2000, 2210. Das Filmen ausschließlich des eigenen Grundstücks mit einer Videokamera löst keinen Anspruch des Nachbarn auf Unterlassung aus; ein Schutz vor der Anfertigung zulässiger Abbildungen besteht insoweit nicht (BVerfG NJW-RR 2006, 1200 – Überwachungskamera). Anders liegt der Fall aber bei der bildlichen Aufzeichnung eines öffentlichen Wegs zw Nachbargrundstücken, auch, wenn keine Verbreitungsabsicht besteht (BGH NJW 1995, 1955 [1956]), oder wenn die ernsthafte Befürchtung besteht, die auf einem Grundstück installierte Kamera zeichne benachbarte Privatgrundstücke, gemeinsame Zugänge oder öffentliche Bereiche auf, wobei die Befürchtung schon dann gerechtfertigt ist, wenn sie aufgrund konkreter Umstände nachvollziehbar und verständlich erscheint (zB Nachbarschaftsstreit) – in diesem Fall kann das APR schon aufgrund der Verdachtssituation beeinträchtigt sein (BGH GRUR 2010, 949 [950] – Überwachungskamera). Die Speicherung der Ablichtung von Häusern mit Straßennamen und Hausnummern auf Disket- 172 ten kann datenschutzrechtlich unzulässig sein, wenn die Eigentümer ohne großen Aufwand (aus Adressbüchern, Tel-Disketten) ermittelt werden können (Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 145). Zur datenschutzrechtlichen und persönlichkeitsrechtlichen Zulässigkeit von Google Street View s Forgó/ Krügel/Müllenbach CR 2010, 616; Lindner ZUM 2010, 292; Caspar DÖV 2009, 965; Hoffmann CR 2010, N. Klass

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Allgemeiner Teil

Personen

514; zu urheberrechtlichen Fragen der Abbildung von Gebäuden, Denkmälern etc durch Google Street View Ernst CR 2010, 178. Grds ist bei der rechtlichen Beurteilung dieses Angebotes zu differenzieren zw der bloßen Zugänglichmachung von Aufnahmen, die lediglich den Bereich betreffen, der ohnehin der Öffentlichkeit zugewandt ist, Aufnahmen, die geeignet sind, ein falsches Bild über den Sachherrn zu vermitteln (Düsseldorf ZUM-RD 2008, 469 – Motoryacht), Aufnahmen, die Einblick in den Innenraum einer Wohnung oder eines umfriedeten Grundstücks gewähren und Aufnahmen, auf denen Personen erkennbar abgebildet werden (hierzu ausf Rn 169). Zudem kann sich eine Persönlichkeitsrechtsrelevanz aus einer möglichen Verknüpfung mit der Identität der Bewohner ergeben (zB Angabe von Namen, Adresse und Wegbeschreibung). 173

cc) Verbreiten und öffentliches Zurschaustellen. Als relevante Handlungsformen nennt § 22 I KUG das Verbreiten und öffentliche Zurschaustellen – nicht umfasst ist das Herstellen eines Bildnisses (hierzu Rn 143ff). Ein Verbreiten erfasst jede Art der Verbreitung körperlicher Exemplare (Original oder Kopie) in Zeitungen, Zeitschriften, auf Postkarten oder Werbeträgern, wobei auch schon ein Verbreiten im privaten Bereich vom Wortlaut der Norm erfasst ist (keine Verbreitungshandlung jedoch bei Abruf von Bildnissen durch Presseunternehmen aus Bildarchiv von Drittunternehmen, BGH ZUM 2011, 239 [240] – Bildarchiv) – der Begriff des Verbreitens iSd § 22 I KUG ist mithin weiter als der des § 17 I UrhG, welcher eine öffentliche Verbreitung verlangt. Der Grund hierfür liegt darin, dass der Betroffene selbst bei einer Verbreitung an nur eine Person die Kontrolle und Verfügungsgewalt über das Bildnis verliert und hierdurch in seinem Selbstbestimmungsrecht beeinträchtigt wird (Dreier/Schulze § 22 KUG Rn 9). Unbeachtlich ist auch, ob das Verbreiten unentgeltlich oder mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt; auch das Verschenken fällt unter § 22 I KUG. Ein öffentliches Zurschaustellen liegt hingegen in den Fällen der unkörperlichen Wiedergabe von Bildnissen, bspw in Filmen oder im Internet, vor. Maßgeblich ist damit letztlich nur, ob eine Möglichkeit geschaffen wird, das Bildnis wahrzunehmen (Schertz Hdb des Persönlichkeitsrechts § 12 Rn 16). Auch diese Tatbestandsalternative erfordert weder Entgeltlichkeit noch Gewerbs- oder Geschäftsmäßigkeit (Dreier/Schulze § 22 KUG Rn 11; Schertz Hdb des Persönlichkeitsrechts § 12 Rn 16).

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dd) Der Einwilligungsvorbehalt. Soweit keine Ausnahmetatbestände (§§ 23, 24 KUG) eingreifen, ist das Verbreiten und öffentliche Zurschaustellen nur mit Einwilligung des Abgebildeten zulässig (zur Rechtsnatur und der damit zusammenhängenden Frage, inwiefern die Vorschriften der Rechtsgeschäftslehre auf die Einwilligung Anwendung finden, ausf Rn 229ff). Die Beweislast für das Vorliegen einer Einwilligung trägt grds der Einwilligungsempfänger, es sei denn der Abgebildete hat dafür, dass er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhalten; in diesem Fall gilt nach § 22 S 2 KUG die Einwilligung im Zweifel als erteilt. Die Vermutung entbindet jedoch nicht von der Prüfung des Umfangs und Zwecks der Einwilligungserteilung (München ZUM 2006, 937 [939] – Fotomodell; hierzu auch ausf Rn 232). Nach dem Tod des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablauf von 10 Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten – § 22 S 3 KUG normiert insoweit ausdr einen postmortalen Bildnisschutz, beschränkt die Geltendmachung des Schutzes jedoch auf die in § 22 S 4 KUG bezeichneten Angehörigen.

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d) Ausnahmetatbestand: Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte, § 23 I Nr 1 KUG. Vorbehaltlich der Einschränkung durch die berechtigten Interessen des Abgebildeten gem § 23 II KUG ist nach § 23 I Nr 1 KUG das Verbreiten und öffentliche Zurschaustellen von Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte auch ohne eine Einwilligung des Betroffenen zulässig. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass das legitime Informationsinteresse der Allgemeinheit an einer Berichterstattung aus dem Bereich des Zeitgeschehens und damit die Unterrichtung über soziale, wirtschaftliche, politische, aber auch kulturelle und gesellschaftliche Fragen angemessen befriedigt werden kann (Dreier/Schulze § 23 KUG Rn 3; Schertz Hdb des Persönlichkeitsrechts § 12 Rn 26).

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aa) Die Kategorien „absolute“ und „relative Person der Zeitgeschichte“. Im Rahmen der Auslegung dieser Normen bediente sich die Rspr in den vergangenen Jahren in Anlehnung an NeumannDuesberg (JZ 1960, 114) der Rechtsfiguren der „absoluten“ und „relativen Person der Zeitgeschichte“, zw denen es jedoch keine starre Grenze gab. Als absolute Personen der Zeitgeschichte wurden dabei Personen angesehen, die selbst Zeitgeschichte machen und die sich aufgrund ihrer Stellung, ihrer Leistungen oder Nichtleistungen, ihrer Taten oder ihrer Geburt aus der Gruppe der Mitmenschen abheben und im Blickfeld der Öffentlichkeit stehen (Dreier/Schulze § 23 KUG Rn 5; vgl BGH NJW 1997, 1152 – Bob Dylan; NJW 2002, 2317 – Marlene II). Zu den absoluten Personen der Zeitgeschichte zählten insb Persönlichkeiten des politischen Lebens, vor allem Staatsoberhäupter und Politiker (BVerfG 91, 125 [138] – Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal; BGH NJW 1996, 593 – Willy Brandt; bestätigt BVerfG NJW 2001, 594 – Willy Brandt; KG ZUM-RD 2006, 552 – Ministerpräsidentin; KG AfP 2007, 573 – Joschka Fischer), aber auch Mitglieder regierender Königs- und Fürstenhäuser, wie bspw Caroline v Hannover (vormals Monaco; nicht jedoch der Enkel von Fürst Rainier von Monaco: KG ZUM-RD 2006, 549), sowie Repräsentanten aus Wirtschaft (BGH NJW 1994, 124 – Alle reden vom Klima) und Wissenschaft sowie Künstler, Entertainer (BGH GRUR 1992, 557 – Talkmaster-Foto [Joachim Fuchsberger]; München AfP 1995, 658 [660] – Anne-Sophie Mutter; LG Berlin AfP 2001, 246 – Nina Hagen), Schauspieler (BGH 143, 214 – Marlene Dietrich), Sänger (BGH NJW 1997, 1152 – Bob Dylan; Hamburg AfP 1999, 486 – Back Street Boys) und Sportler (Frankfurt NJW 1989, 402 – Boris Becker; LG Hamburg ZUM 2003, 689 – Oliver Kahn), die über einen längeren Zeitraum im Licht der Öffentlichkeit stehen. Absolute Personen der Zeitgeschichte waren nach der bisherigen Rspr mithin Personen, bei denen ein zeitgeschichtliches Interesse allein schon aufgrund ihres Status, ihrer Herkunft und ihrer Bedeutung für die Gesellschaft angenommen wurde, Personen also, die allein aufgrund ihrer Prominenz und unabhängig von einem zeitgeschichtlichen Ereignis Aufmerksamkeit in 68

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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

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der Öffentlichkeit fanden und auch finden durften. Und auch wenn das BVerfG (NJW 2008, 1793 [1798] – CvM IV) betont, bei dieser Rechtsfigur habe es sich lediglich um eine abkürzende Umschreibung für Personen gehandelt, deren Bild die Öffentlichkeit um der dargestellten Person willen für beachtenswert halten durfte, dessen Verwendung jedoch nur dann als verfassungsgemäß bezeichnet werden konnte, wenn die ergänzende einzelfallbezogene Abwägung zw dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den berechtigten Interessen des Abgebildeten dadurch nicht unterlassen wurde, so muss doch konstatiert werden, dass in der Praxis gerade eine am Informationsinteresse orientierte Einzelfallabwägung meist unterlassen wurde. Der Kategorie „absolute Personen der Zeitgeschichte“ wurden ja gerade nur Personen zugeordnet, bei denen die implizite Abwägung ein grds Interesse der Allgemeinheit und damit ein Informationsinteresse ergeben hatte; der prominente Status einer Person reichte in der Vergangenheit daher meist aus, um sie abzubilden (so auch Schertz Hdb des Persönlichkeitsrechts § 12 Rn 38; Teichmann NJW 2007, 1917 [1918]). Als relative Personen der Zeitgeschichte hingegen wurden Personen eingestuft, die lediglich in Be- 177 zug auf ein bestimmtes Ereignis vorübergehend in das Blickfeld der Öffentlichkeit getreten sind. Ein berechtigtes Informationsinteresse der Allgemeinheit an diesen Personen bestand daher nur im Zusammenhang mit einem konkreten Anlass und nur für eine begrenzte Zeit. Folgende Fallgruppen wurden im Laufe der Zeit gebildet: Zeitlich begrenzte berufliche/gesellschaftliche Prominenz (Schauspieler, Entertainer, Sportler, deren Wirken in der Öffentlichkeit nur für kurze Zeit wahrgenommen wurde, LG Berlin AfP 1999, 91 – Gute Zeiten, schlechte Zeiten); Beteiligte an spektakulären Kriminalprozessen, die sich aufgrund der Tatbegehung, der Schwere der Tat oder der Person des Täters deutlich von alltäglichen Kriminalfällen abgehoben haben (Angeklagte, sonstige Verfahrensbeteiligte, idR jedoch nicht die Opfer; vgl Wenzel/v Strobel-Albeg, Wort- und Bildberichterstattung 8.23; Schertz Hdb des Persönlichkeitsrecht Rn 137f; KG NJW-RR 2008, 492 – RAF sieht selbst die Veröffentlichung der Fahndungsfotos von RAF-Terroristen aus den 1970er und 1980er Jahren auch heute noch als zulässig an: die Aufarbeitung der Geschichte der RAF gehört als solche zu einem bedeutenden zeitgeschichtlichen Vorgang, zudem geben die Archivaufnahmen der RAF ein Gesicht – an einer „solchen Visualisierung der – ansonsten nur abstrakt als terroristische Vereinigung bekannten – RAF besteht angesichts der herausragenden Bedeutung der Geschichte der RAF ein anhaltendes Informationsinteresse“; KG [493] aaO). Im Einzelfall kann selbst die Veröffentlichung des Fotos eines Tatverdächtigen zulässig sein (Frankfurt NJW 1971, 47 – Aktenzeichen XY ungelöst). Zu Möglichkeiten und Grenzen der Verdachtsberichterstattung ausf Rn 148ff). Familienangehörige, langjährige Lebensgefährten und vertraute Begleiter absoluter Personen der 178 Zeitgeschichte wurden ihrerseits als relative Personen der Zeitgeschichte qualifiziert – Berichterstattungen über die Begleitperson waren zulässig, da die Begleitsituation selbst als ein Ereignis der Zeitgeschichte iSd § 23 I Nr 1 KUG angesehen wurde (Hamburg NJW-RR 1990, 1000 – Vertraute Begleiterin sowie BVerfG NJW 2001, 1921 – Ernst August v Hannover). Auch das BVerfG stellte insofern fest, dass Bildnisse von einer Begleitperson veröffentlicht werden dürfen, wenn diese „zusammen mit dem betreffenden Partner in der Öffentlichkeit auftritt, oder wenn sie mit ihm zusammen oder an seiner statt öffentlich repräsentiert“, denn dann bestehe ein „abgeleitetes Interesse der Öffentlichkeit, das nicht um der abgebildeten Person willen, sondern wegen des Interesses an der absoluten Person der Zeitgeschichte besteht“, welches aber insofern auf die abgebildete Begleitung ausstrahle. Das Verhalten der Begleitperson könne im Einzelfall aber auch dazu führen, dass ein eigenständiges Interesse an ihr entstehe und sich die Berichterstattung verselbständige, weshalb die Grenzen zw einer relativen und einer absoluten Person der Zeitgeschichte fließend seien (BVerfG NJW 2001, 1921 [1923] – Ernst August v Hannover; zur aktuellen Rspr s Rn 182). bb) Relativierung der absoluten Person der Zeitgeschichte (abgestuftes Schutzkonzept). Infolge 179 des EGMR-Urteils (NJW 2004, 2647 – CvH/Deutschland, s hierzu Rn 38ff) entwickelte der BGH (NJW 2007, 1981 – Ernst August v Hannover) ein modifiziertes abgestuftes Schutzkonzept (s dazu auch Rn 44f), welches in noch stärkerem Maße sowohl der abgebildeten Person als auch den von den Medien wahrgenommenen Informationsinteressen Rechnung trägt. Insb veränderte der BGH die Konturen der Figur der absoluten Person der Zeitgeschichte erheblich, indem er das Absolute relativierte und damit die Person der absoluten Zeitgeschichte in der Form, in der sie die Rechtsprechungspraxis der letzten Jahre dominierte, abschaffte. Wenn jetzt neben dem prominenten Status stets ein besonderes Ereignis und damit eine zusätzliche zeitgeschichtliche Relevanz für eine zulässige Berichterstattung erforderlich ist, unterscheidet sich die absolute fast nicht mehr von der relativen Person der Zeitgeschichte. Die Tatsache, dass der BGH nur noch von der „Person der Zeitgeschichte“ spricht, kann daher durchaus schon als ein erstes Zeichen für diese neue Praxis gewertet werden (hierzu ausf Klass AfP 2007, 517; zur aktuellen Kasuistik Rn 48). cc) Der Informationswert der Berichterstattung/Einbeziehung der Wortberichterstattung. Nach 180 der Rspr des BGH (NJW 2007, 1981 – Ernst August v Hannover; bestätigt durch BVerfG NJW 2008, 1793 [1797] – CvM IV; des Weiteren BGH NJW 2008, 3134 – Heide Simonis; NJW 2008, 3141 – Kenia-Bilder; NJW 2008, 3138 – Sabine Christiansen) kommt eine Ausnahme nach § 23 I Nr 1 KUG nur noch in Betracht, wenn die Berichterstattung ein Ereignis von zeitgeschichtlicher Bedeutung betrifft, wobei nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern allg das Zeitgeschehen erfasst ist (BGH GRUR 2010, 549 – Spiegel-Dossier). Es ist daher stets zu prüfen, ob der konkreten Abbildung an sich eine Information über ein zeitgeschichtliches Ereignis zu entnehmen ist, oder ob die Abbildung an sich einen Beitrag zu einer Diskussion von allg Interesse leistet. Das BVerfG (ZUM-RD 2010, 657 – Charlotte Casiraghi) betont ebenfalls, dass im Bereich der Berichterstattung über Prominente auch Darstellungen von Umständen aus dem Alltagsleben dieser Personen geeignet sein können, die N. Klass

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Allgemeiner Teil

Personen

Veröffentlichung eines Fotos zu rechtfertigen, jedenfalls sofern die Veröffentlichung der Meinungsbildung zu Fragen von allg Interesse dient. Mit Blick auf den erforderlichen Informationswert müsse zudem ebenfalls die dazugehörige Wortberichterstattung in die Beurteilung einfließen. Beschränkt sich der Bericht jedoch darauf, einen beliebigen Anlass für die Abbildung zu schaffen, und lässt die Berichterstattung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung nicht erkennen, muss das Veröffentlichungsinteresse hinter dem Schutz der Privatsphäre zurücktreten (BGH ZUM-RD 2009, 517 – Wer wird Millionär; GRUR 2011, 261 – Party-Prinzessin). 181

dd) Abwägung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte und Interessen. Letztlich erfordert also schon die Beurteilung, ob ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte iSv § 23 I Nr 1 KUG vorliegt, eine Abwägung zw den Rechten des Abgebildeten aus Art 1 I iVm Art 2 I GG, Art 8 I EMRK einerseits und den Rechten von Presse und Rundfunk aus Art 5 I S 2 GG, Art 10 I EMRK andererseits, wobei die Grundrechte der Presse- und Rundfunkfreiheit und des Schutzes der Persönlichkeit ihrerseits nicht vorbehaltlos gewährleistet sind und von den Art 8, 10 EMRK beeinflusst werden (BGH GRUR 2011, 259 – Rosenball in Monaco; ZUM 2009, 1499 [1500] – Andrea Casiraghi; NJW 2008, 3141; NJW 2008, 3138). Der Begriff des Zeitgeschehens umfasst dabei alle Fragen von allg gesellschaftlichem Interesse (zuletzt BGH GRUR 2010, 549 – Spiegel-Dossier). Zudem können die Medien im Grundsatz nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden, was sie des öffentlichen Interesses für wert halten und was nicht; auch unterhaltende Beiträge über das Privat- oder Alltagsleben prominenter Personen nehmen am Grundrechtsschutz des Art 5 GG teil, denn gerade prominente Personen „können der Allgemeinheit Möglichkeiten der Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen bieten sowie Leitbild- und Kontrastfunktionen erfüllen. Auch die Normalität ihres Alltagslebens kann der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen.“ (BGH ZUM 2009, 1499 [1500] – Andrea Casiraghi; BVerfG ZUM-RD 2010, 657 – Charlotte Casiraghi). Ein Informationsinteresse besteht jedoch nicht schrankenlos, vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt (BGH ZUM 2009, 1499 – Andrea Casiraghi). Maßgeblich ist insb, ob die Medien eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern und insofern den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen, oder ob sie – ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis – lediglich die Neugier der Leser oder Zuschauer nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigen (BGH ZUM 2009, 1499 [1500] – Andrea Casiraghi; BVerfG 34, 269; 101, 361; NJW 2006, 3406). Bei der Beurteilung des Informationswertes einer Bildberichterstattung ist grds die zugehörige Textberichterstattung zu berücksichtigen (zuletzt BGH NJW 2010, 3025 – Charlotte Casiraghi II). Übersicht der aktuellen Kasuistik Rn 48.

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ee) Auswirkungen der Relativierung der absoluten Person der Zeitgeschichte auf die „Begleiterrechtsprechung“. Da die absolute Person der Zeitgeschichte als eigenständiger Gegenstand der Zeitgeschichte faktisch abgeschafft wurde (Rn 179), ist der BGH auch im Kontext einer Begleitsituation dazu übergegangen, eine eigenständige Beurteilung und Bewertung von Fotos anhand des konkreten Informationswertes vorzunehmen (BGH ZUM- RD 2007, 397 – Lebensgefährtin von Grönemeyer; NJW 2008, 749 – Lebensgefährtin von Oliver Kahn; NJW 2009, 1502 – Lebensgefährte von Sabine Christiansen). Das Vorliegen einer „Begleitsituation“ allein reicht mithin nicht mehr aus, um eine einwilligungsfreie Berichterstattung zu rechtfertigen. Ein berechtigtes Informationsinteresse an der Veröffentlichung von Bildern einer Begleitperson kann vielmehr nur noch dann bejaht werden, wenn eine prominente Person begleitet wird, über die im Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlich relevanten Ereignis berichtet wird. Die Verstärkung des Privatsphärenschutzes mit Blick auf die Gruppe der absoluten Personen der Zeitgeschichte führt mithin auch zu einer Verstärkung des Schutzes ihrer Begleiter (zu dieser Rechtsprechungsänderung ausf Klass ZUM 2007, 818). Besteht hins der Begleitperson selbst ein zeitgeschichtliches Interesse, ist eine Berichterstattung ebenfalls zulässig – in diesem Fall ist die Begleitsituation aber ohnehin nebensächlich (Hamburg ZUM 2009, 65 – Hochzeit Günter Jauch).

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ff) Abbildung von Kindern. Nach st Rspr des BVerfG (BVerfG NJW 2000, 1021 [1026] – CvM; NJW 2005, 1857 – Carolines Tochter) sollen sich Kinder ungestört in der Öffentlichkeit bewegen und frei von öffentlicher Beobachtung entfalten dürfen; aus diesem Grund haben sie auch schon vor der im Zuge der EGMR-Entscheidung (NJW 2004, 2647 – CvH/Deutschland) vorgenommenen Rechtsprechungsänderung einen verstärkten Schutz erfahren und wurden nicht als Personen der Zeitgeschichte angesehen (BVerfG NJW 2000, 1021 – CvM; NJW 2000, 2191; NJW 2000, 1021 – CvM; BGH NJW 2005, 215 – Baby von CvM u EAvH; NJW 2004, 1795 – Charlotte Casiraghi; München AfP 1995, 658 – Anne Sophie Mutter; KG ZUM-RD 2006, 549 – Enkel von Fürst Rainier von Monaco). Wort- und Bildberichterstattungen über das Privat- und Alltagsleben von Kindern und Jugendlichen ohne aktuellen zeitgeschichtlichen Kontext waren und sind daher idR nicht zulässig (BVerfG ZUM-RD 2010, 657 – Charlotte Casiraghi), denn es findet eine Verstärkung des Privatsphärenschutzes durch Art 6 I und II GG im Bereich der Berichterstattung über Kinder sowie in Fällen der spezifisch elterlichen Hinwendung zu diesen statt (BVerfG NJW 2000, 1021 [1026] – CvM; NJW 2005, 1857 – Carolines Tochter; BGH NJW 2005, 215 – Alexandra von Hannover; NJW 2010, 1454 – Sohn von Franz Beckenbauer; GRUR 2010, 262 [263] – Tochter von Franz Beckenbauer), da es zur ungestörten Entwicklung der Persönlichkeit gehört, „sich in der Öffentlichkeit angemessen bewegen zu lernen, ohne dadurch das Risiko einer Medienberichterstattung über das eigene Verhalten auszulösen“ (BGH aaO [263]). Diese Grds gelten auch für Kinder prominenter Eltern. Das besondere Schutzbedürfnis entfällt jedoch, wenn sich die Eltern mit ihren Kindern bewusst der Öffentlichkeit zuwenden, indem sie bspw an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen oder in deren Mittelpunkt stehen.

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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

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gg) Abbildung zu Werbezwecken und das Informationsinteresse. Bildnisse insb prominenter Per- 184 sonen werden vielfach auch in der Werbung verwendet und stellen eine kommerzielle Verwertung des Betroffenen dar (vgl zu Rechtfertigungsmöglichkeiten bei der kommerziellen Ausnutzung von Persönlichkeitsmerkmalen Rn 211f). Schon vor der Rechtsprechungsänderung im Zuge der Entscheidung EGMR NJW 2004, 2647 (2648) – CvH/Deutschland (hierzu ausf Rn 44ff), war anerkannt, dass die durch § 23 I Nr 1 KUG im Interesse der Informationsfreiheit der Öffentlichkeit gewährleistete Abbildungsfreiheit ausgeschlossen ist, wenn die Verwendung des Bildnisses Werbezwecken oder sonstigen geschäftlichen Interessen dient (BGH 20, 345 [350] – Dahlke; 26, 349 – Herrenreiter; 35, 363 – Ginseng; BVerfG NJW 2001, 594 – Willy Brandt; verneint jedoch für die Edition einer Münze durch einen Privatunternehmer). Eine Abbildungsfreiheit wurde jedoch zT bejaht, wenn das Bildnis im Rahmen einer redaktionellen Veröffentlichung verwendet wurde (BGH NJW-RR 1995, 363 – Wepper/ Schlecker; Frankfurt NJW 1989, 402 – Boris Becker; dagegen Helle, 188; BGH NJW 1979, 2203 – Franz Beckenbauer/Wandkalender); allerdings kein Beitrag zur öff Meinungsbildung, wenn Berichterstattung nur dazu dient, einen Anlass für die Abbildung einer prominenten Person zu schaffen (BGH GRUR 2009, 1085 – Wer wird Millionär, LG Köln AfP 2010, 406 [407]). Verfolgt der Werbende nicht ausschließlich Geschäftsinteressen, sondern setzt er sich im Rahmen der Werbung bspw in satirischspöttischer Form mit einer die Öffentlichkeit wesentlich interessierenden Frage auseinander, streitet also die Meinungs- und/oder Kunstfreiheit für den Werbenden, so kann den kommerziellen Interessen des Betroffenen jedenfalls dann kein Vorrang eingeräumt werden, sofern die Werbung keine berechtigten ideellen Interessen verletzt (BGH NJW 2007, 689 – Lafontaine: Werbung 14 Tage nach dem Rücktritt von Lafontaine mit einem Bild der Minister des damaligen Bundeskabinetts, auf welchem der Kopf von Oskar Lafontaine durchgekreuzt war, verbunden mit dem Text: „Sixt verleast seine Autos auch an Mitarbeiter auf Probe!“; s auch Hamburg ZUM-RD 2010, 469 – „Herr A. Sie müssen B. nicht verkaufen“ – Werbeslogan einer Privatbank, die im Zuge der Finanzmarktkrise die Frage aufwarf, ob der FC Chelsea den Kläger (B) verkaufen müsse; dazu Alexander AfP 2008, 556; Ehmann AfP 2007, 81ff; Balthasar NJW 2007, 664; Schubert AfP 2007, 20; s hierzu auch die Rspr zum Schutz gegen die ungenehmigte Verwendung des Namens in satirisch spöttischem Kontext, Rn 208 sowie 212). e) Abbildungsfreiheit als Beiwerk einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit. Gem § 23 I Nr 2 185 KUG dürfen im Interesse der Abbildungsfreiheit auch Bilder, auf denen Personen als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen, ohne Einwilligung verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden (BVerfG NJW 2000, 1021 – CvM; Hamburg AfP 2006, 471). Die Personendarstellung muss dabei jedoch derart untergeordnet sein, dass ihr Entfallen den Bildcharakter nicht verändern würde (Karlsruhe GRUR 1989, 823 – Unfallfoto), dh für den Betrachter darf nicht die abgebildete Person, sondern muss die übrige Bildaussage Hauptgegenstand des Bildes sein (Helle, 164 mwN). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, wenn der Betroffene im Vordergrund oder in der Bildmitte zentral als Blickfang fungiert (Frankfurt NJW-RR 1986, 1118 – Ferienprospekt; Oldenburg NJW 1989, 400 [401] – Oben-ohne-Aufnahme; LG Frankfurt [Oder] ZUM-RD 2005, 568 – Musikvideo). f) Abbildungsfreiheit im Rahmen von Versammlungen, Aufzügen uÄ. Ohne Einwilligung dürfen 186 gem § 23 I Nr 3 KUG ebenfalls verbreitet und öffentlich zur Schau gestellt werden: Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben. Allerdings ist nicht jede beliebige Personenmehrheit abbildungsfrei, vielmehr muss es sich um eine öffentliche Ansammlung (nicht private Veranstaltungen, Dreier/Schulze § 23 Rn 18) von Menschen handeln, die ein gemeinsames Ziel verbindet (insb Demonstration, Umzüge und sonstige Massenveranstaltungen; nicht: eine Gruppe von Nackten im Englischen Garten, München NJW 1988, 915, oder eine familiäre Trauergemeinde am Grab, LG Köln NJW 1992, 443). Zudem muss auch hier die Abbildung der Menschenansammlung im Vordergrund stehen. Nicht abbildungsfrei sind daher einzelne Vorgänge, sofern sie nicht einen repräsentativen Eindruck von dem Gesamtgeschehen vermitteln (Celle NJW 1979, 57: nicht zulässig ist die Abbildung von Zusammenstößen zw Polizeibeamten und Demonstranten am Rande der Demonstration; vgl auch Bremen NJW 1977, 158) oder Aufnahmen einzelner Personen aus der Menge. g) Abbildungsfreiheit für Kunst und Wissenschaft. § 23 I Nr 4 KUG hält eine weitere Ausnahme im 187 Interesse der Kunstfreiheit bereit. Danach dürfen Bildnisse veröffentlicht werden, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, wenn die Verbreitung oder Zurschaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient (dies ist jedoch nicht gegeben, sofern die Abbildung auch der Befriedigung kommerzieller Zwecke dient, LG Berlin MMR 2008, 758; LG Mannheim GRURInt 2010, 75 – King of Pop; LG Berlin ZUM-RD 2009, 277). Die hier geregelte Abbildungsfreiheit, die jedoch in der Praxis keinerlei Bedeutung hat (krit insofern Schertz FS Raue, 665), bezieht sich auf künstlerische Bildstudien, Zeichnungen, Gemälde, Statuen sowie nach hM auch auf künstlerische Fotografien (vgl Dreier/ Schulze § 23 Rn 22; Schack FS Raue, 673 sowie Helle, 169 mwN). Darüber hinaus wird die Ausnahmeregelung des § 23 I Nr 4 KUG in entspr Anwendung auch auf Bildnisveröffentlichungen zu wissenschaftlichen Zwecken angewandt, wobei sich der wissenschaftliche Charakter aus Inhalt und Zweck der Darstellung ergeben muss (vgl Helle, 169; Wenzel/v Strobl-Alberg Rn 8.49; aA Dreier/Schulze § 23 Rn 24). h) Schranken-Schranke: Ausschluss der Abbildungsfreiheit. Die Abbildungsfreiheit nach § 23 I 188 Nr 1–4 ist gem § 23 II KUG aufgehoben, wenn „berechtigte Interessen“ des Abgebildeten bzw – im Falle seines Todes – seiner Angehörigen entgegenstehen. Im Rahmen des § 23 II KUG ist grds eine umfassende Einzelfallabwägung der involvierten Interessen und Umstände vorzunehmen, wobei auch die Wortberichterstattung einzubeziehen ist (BGH NJW 2007, 1981 – Ernst August von HannoN. Klass

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Personen

ver (abgestuftes Schutzkonzept); GRUR 2007, 527 – Winterurlaub; ZUM-RD 2007, 397 – Lebensgefährtin von Grönemeyer). Eine Verletzung berechtigter Interessen iSd § 23 II KUG ist jedenfalls immer dann anzunehmen, wenn die Verbreitung der Bildnisse nicht bloß das RaeB, sondern auch das APR verletzt, zB Verletzung der Ehre (BGH GRUR 1974, 794 – Todesgift), des Rechts auf Selbstbestimmung, insb bei Eingriffen in die Intim- (LG Hamburg ZUM-RD 2006, 251 – versehentlich entblößte Brustwarze; LG München I ZUM-RD 2005, 38 [40] – Aktfotos) bzw Privatsphäre (zum aktuellen Privatsphärenkonzept nach der Entscheidung EGMR NJW 2004, 2647 [2648] – CvH/Deutschland ausf Rn 126f); sofern Verfälschungen des Persönlichkeitsbildes vorliegen (BVerfG NJW 2005, 3271 – Fotomontage II; KG AfP 2007, 569 [570] – Fotomontage); aber auch in Fällen übermäßiger Anprangerung (BGH NJW 1994, 124 – Alle reden von Klima); zum Schutz von Gesundheit und Leben (München NJW-RR 1990, 1364 – Berichterstattung über Aufenthalt einer gefährdeten Person; BVerfG NJW 2000, 2194: Angst vor Entführung, Flick-Tochter), oder wenn eine kommerzielle Verwendung im Raum steht, diese jedoch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt (zuletzt ausdr BGH NJW 2007, 689 – Lafontaine). Nach § 23 II KUG kann auch ein berechtigtes Interesse der Angehörigen bis zum Ablauf von 10 Jahren ein Veröffentlichungsverbot begründen. 189

i) Postmortaler Schutz. § 22 S 3 KUG sieht als einzige sondergesetzliche Normierung einen 10-jährigen postmortalen Schutz des RaeB vor, wobei die Geltendmachung des Schutzes auf die in § 22 S 4 KUG bezeichneten Angehörigen beschränkt ist.

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j) Öffentlich-rechtliches Eingriffsrecht (§ 24 KUG). § 24 KUG enthält eine weitere Ausnahme vom grds erforderlichen Einwilligungserfordernis und wurde in das Gesetz aufgenommen, um die Befugnisse der Polizei, der Staatsanwaltschaft und sonstiger Behörden zur Ermittlung und Überführung von Straftätern durch das mit dem KUG geschaffene RaeB nicht einzuschränken. Zugunsten der Rechtspflege und öffentlichen Sicherheit, insb zum Zwecke der Strafverfolgung und Strafverhütung soll das Vervielfältigen, Verbreiten und öffentliche Zurschaustellen von Bildnissen, insb von Steckbriefen und anderen erkennungsdienstlichen Maßnahmen zulässig bleiben (Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 192; § 24 KUG ersetzt jedoch nicht die Anordnung der Maßnahme selbst; zum Verhältnis KUG und StPO vgl daher Helle, 201ff mwN). Zulässig sind mithin die öffentliche Fahndung mittels eines Bildnisses und im Einzelfall auch die Ausstrahlung von Bildern Beschuldigter im Fernsehen zu Fahndungszwecken (Hamm NJW 1982, 458; vgl auch Berg AfP 1989, 416), nicht aber die Verhaftung zur Unterhaltung des Publikums, LG Köln AfP 2004, 459; zur Fernsehserie Aktenzeichen XY – ungelöst, in welcher in Zusammenarbeit mit der Polizei Bildnisse und Fahndungsaufrufe ausgestrahlt werden, Frankfurt NJW 1971, 47; München NJW 1970, 1745; dazu Schricker/Loewenheim/Götting § 60 UrhG, § 24 KUG Rn 11; Helle, 205f mwN).

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k) Rechtsgeschäftliche Übertragungsmöglichkeiten. Zur Möglichkeit, über das RaeB als „vermögenswertes Ausschließlichkeitsrecht“ zu verfügen s Rn 203ff.

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l) Rechtsfolgen. Wird das RaeB verletzt, stehen dem Betroffenen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche (Rn 279ff) zu; sofern der Betroffene durch das Verbreiten oder öffentliche Zurschaustellen des Bildnisses herabgewürdigt wird oder sonstige ideelle Interessen des Betroffenen schwer verletzt sind, kann er auch einen Anspruch auf Geldentschädigung (Rn 313ff) geltend machen. Zudem kann der Betroffene im Falle einer unberechtigten Nutzung eine angemessene Vergütung aufgrund Eingriffskondiktion verlangen (Rn 321). Nach BGH 143, 214 (232) – Marlene Dietrich kann im Falle fahrlässiger Verletzung auch Schadensersatz nach der Lizenzanalogie verlangt werden (Rn 306ff insb 310); nicht zuletzt steht dem Betroffenen zur Schadensberechnung ein Auskunftsanspruch (Rn 278) zu, BGH aaO (232). Zum Anspruch auf Herausgabe und Vernichtung der Bilder gem § 37 KUG Helle, 222f; zur Strafbarkeit gem § 33 KUG Helle, 225. III. Schutz der selbstbestimmten und unverfälschten Darstellung

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1. Recht auf Selbstdarstellung. Zwar lässt sich ein Recht auf selbstbestimmte und unverfälschte Darstellung in dieser Terminologie nicht als in Literatur und Rspr allg anerkannt ausmachen, jedoch versuchen die Gerichte auf unterschiedlichsten Wegen, die Selbstbestimmung des Einzelnen effektiv zu gewährleisten und ihn vor Entstellungen seiner Identität zu bewahren, indem ihm hins der Darstellung seiner Person und der Steuerung der Informationen seine Person betreffend weitgehende Befugnisse eingeräumt werden. Der Schutz bezieht sich nicht primär auf Darstellungen oder Zuschreibungen von Verhaltensweisen, die ihn verächtlich machen oder ihn in sonstiger Form in seiner Ehre missachten – vielmehr soll der Einzelne davor geschützt werden, dass er in einem „falschen Licht“ dargestellt wird (so auch MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 80). Der Schutz, der hierbei von der Rspr gewährt wird, lässt sich insb durch folgende Fallgruppen, die als Ausprägungen eines Rechts auf selbstbestimmte und unverfälschte Darstellung angesehen werden können, konkretisieren: Schutz vor erfundenen Interviews, vor der Wiedergabe unrichtiger Zitate, vor der fälschlichen Zuschreibung von Mitgliedschaften, Schutz gegen die Unterschiebung nicht getaner Äußerungen, gegen Veränderungen von Bild und Stimme sowie Schutz des Lebensbildes. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass es zwar kein Recht auf Selbstdarstellung in dem Sinne geben kann, dass jede Veröffentlichung und jeder Kommunikationsbeitrag unzulässig ist, der der gewählten Selbstdarstellung zuwiderläuft – niemand hat das Recht, in der Öffentlichkeit nur so dargestellt zu werden, wie er dies gern hätte (so auch BVerfG 97, 391 [403] – Missbrauch) – es zeigt sich aber auch, dass Kommunikationsschranken erforderlich sind, die die Selbstdarstellung des Einzelnen gegen relevante Gefährdungen von außen sichern (Wellbrock, 26).

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2. Geschütze Interessen: Identität und Authentizität. Beim Schutz der selbstbestimmten und unverfälschten Darstellung steht primär ein Schutz der eigenen Identität und Authentizität im Vorder72

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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

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grund (so auch MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 80). Der Einzelne soll Einfluss auf den Inhalt der Informationen sowie den Kreis der Empfänger der von ihm abgegebenen Informationen haben, denn eine rollenmäßig differenzierte Selbstdarstellung, die in unserer ausdifferenzierten Gesellschaft zunehmend wichtiger wird, kann nur durch eine gesteuerte Abgabe von Informationen über die eigene Person an die verschiedenen sozialen Lebensfelder und die Öffentlichkeit erfolgen. Das Gelingen der eigenen Selbstdarstellung hängt daher ua davon ab, ob der Einzelne die Abgabe seiner Selbstdarstellung widersprechender Informationen an seine verschiedenen sozialen Lebensbereiche und die Öffentlichkeit unterbinden kann (Klass, Realitätsfernsehen, 338; ebenso auch Wellbrock, 25). 3. Anerkannte Fallgruppen. a) Schutz vor erfundenen Interviews. Wird ein erfundenes Interview 195 abgedruckt, liegt unzweifelhaft ein Eingriff in das APR vor (BGH NJW 1965, 685ff – Soraya I; BVerfG 34, 269 – Soraya II; LG Hamburg Schadenpraxis 2003, 432 – Alfred Biolek; BGH NJW 1995, 861 – CvM). Es handelt sich hierbei jedoch nicht um einen klassischen Eingriff in die Privatsphäre, denn es liegt idR keine Verletzung des Privatlebens vor, da die Informationen über die jeweils betroffenen Personen frei erfunden sind. Betroffen ist in diesen Fällen vielmehr die Selbstbestimmung des Einzelnen und das Recht auf Selbstdarstellung, weil bei der Veröffentlichung erfundener Interviews in erster Linie ein Eingriff in das Bestimmungsrecht über die Darstellung der eigenen Person vorliegt (Klass, Realitätsfernsehen, 327). Da kein schutzwürdiges Interesse an der Verbreitung derartiger verfälschender Informationen besteht, ist die Rechtswidrigkeit in diesen Fällen indiziert, weshalb kein Raum mehr für eine Güter- und Interessenabwägung bleibt (MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 80). b) Schutz vor der Wiedergabe unrichtiger Zitate und der Unterschiebung nicht getaner Äußerun- 196 gen (Recht am eigenen Wort). Zum Recht des Einzelnen, selbst darüber zu bestimmen, ob und wie er sich Dritten ggü darstellen will, gehört auch die Entscheidung darüber, ob und wie er mit einer eigenen Äußerung in Erscheinung treten will. Das APR ist daher verletzt, wenn jemandem Äußerungen in den Mund gelegt werden, die er nicht getan hat und die seinen selbst definierten sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigen (BVerfG 54, 148 [155] – Eppler; BGH NJW 1998, 1391 – Rechte Professoren; NJW 1982, 635 – Böll/Walden II; LG Bonn BeckRS 2008, 16420 – Krieg der Worte – Macht der Bilder; s auch Köln ZUM 2011, 69 – Eva Hermann, zur Wiedergabe einer Äußerung mittels indirekter Rede). Der maßgebliche Grund für diesen Schutz liegt darin, dass mit dem Zitat eine objektive Tatsache über den Betroffenen behauptet wird, weshalb das Zitat, das bspw als Beleg für Kritik verwendet wird, eine besonders scharfe Waffe im Meinungskampf ist. Ist es unrichtig, verfälscht oder entstellt, so greift dies in das Persönlichkeitsrecht des Kritisierten umso tiefer ein, als er hier sozusagen als Zeuge gegen sich selbst ins Feld geführt wird (LG Köln NJOZ 2010, 1233 [1234]). Unrichtige Zitate unterfallen grds nicht dem Schutzzweck des Art 5 I GG, denn an der Wiedergabe von erwiesen unwahren Tatsachen gibt es kein schutzwürdiges Interesse (s hierzu Rn 100). Die Wiedergabe von unrichtigen Zitaten (die so nicht gefallen sind, die durch Auslassungen oder Hinzufügungen in ihrer Aussage verändert werden) verletzt folglich die Befugnis des Einzelnen zur selbstbestimmten Darstellung und mithin das APR (MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 81). Was den eigenen sozialen Geltungsanspruch im Einz ausmacht, kann dabei nur Sache der Person selbst sein – der Inhalt des APR wird daher insoweit maßgeblich durch das Selbstverständnis und die Selbstdefinition des Trägers geprägt (BVerfG 54, 148 [156] – Eppler). Vor diesem Hintergrund darf dem Zitierten auch grds nicht die Entscheidung über sein eigenes Wort genommen werden, indem die mögliche Beurteilung Dritter zum Maßstab gemacht wird (BVerfG 54, 208 [217] – Heinrich Böll; Köln ZUM 2011, 69 – Eva Hermann). Auch darf das Zitat nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden (BGH ZUM-RD 2008, 117 – Bauernfängerei). Der Zitierte hat vielmehr einen „Anspruch darauf, dass seine Aussage an seinem Selbstverständnis, also daran gemessen wird, wie und in welchem Kontext er die Äußerung gemacht hat, und nicht daran, wie ein Teil der Leser die Äußerung (miss-)verstehen könnte, solange das Zitat als eindeutige, einer Interpretation nicht bedürftige Erklärung des Zitierten ausgegeben wird“ (BGH NJW 2006, 609 – Rechtsanwalt der Aktionäre; unter Verweis auf BVerfG 54, 148 [155] – Eppler; 54, 208 [217] – Heinrich Böll; NJW 1993, 2925 [2926] – BKA-Präsident). Wer den Eindruck vermittelt, er zitiere, während er tatsächlich interpretiert, handelt rechtswidrig (MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 81; BGH NJW 1998, 1391 – Rechte Professoren; NJW 1982, 635 – Böll/Walden II). Festgehalten werden kann mithin, dass der Einzelne sich i Erg auch bei einer unrichtigen, entstellten oder verfälschten Wiedergabe einer Äußerung auf das APR berufen kann (BVerfG 54, 208 [219ff] – Heinrich Böll). c) Schutz vor der fälschlichen Zuschreibung von Mitgliedschaften. Das APR entfaltet auch ggü 197 der Zuschreibung von Gruppenmitgliedschaften Schutz, sofern diese Zuschreibung Bedeutung für die Persönlichkeit und deren Bild in der Öffentlichkeit hat (insb weltanschauliche Gruppen und Vereinigungen: BVerfG NJW 1999, 1322 – Scientology/Helnwein; NJW 2002, 3458 – Chick Corea; Celle NJW-RR 1999, 1477 – Sektenmitglied; vgl auch Köln AfP 1993, 759f; München AfP 1993, 762ff; LG Berlin NJW-RR 1997, 1245 – Scientology-Anwalt). Auch wenn der Einzelne keinen Anspruch darauf hat, in der Öffentlichkeit nur so dargestellt zu werden, wie er sich selbst sieht oder von anderen gesehen werden will, so ist er jedoch vor verfälschenden oder entstellenden Darstellungen seiner Person geschützt, welche nicht ganz unerheblich für seine Persönlichkeitsentfaltung sind (BVerfG NJW 1999, 1322 – Scientology/Helnwein); selbst ein etwaiges verändertes Selbstverständnis sei insoweit zu respektieren. Auch wenn das BVerfG in seiner Begründung auf eine nachteilige Beeinflussung in der Öffentlichkeit abstellt und sich so dem Bereich des Ehrenschutzes oder des Schutzes vor unwahren nachteiligen Behauptungen nähert, zeigen die Ausführungen doch, dass in gewissen Grenzen ein Recht auf Selbstdarstellung und damit ein Schutz der eigenen Identität anerkannt wird (so auch MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 82).

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Personen

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d) Schutz gegen Veränderungen von Bild und Stimme. Das APR schützt auch vor Veränderungen des fotografischen Abbildes einer Person, insb vor der Verbreitung technisch manipulierter Bilder, die den Anschein erwecken, ein authentisches Abbild der Person zu sein (BGH NJW 2005, 3271 [3273] – Fotomontage II; vgl auch KG AfP 2007, 569 [570] – Fotomontage; Kutschke EWiR 2005, 427 [428]), denn die Fotografie übermittelt ohne Verwendung von Worten Informationen über die abgelichtete Person, suggeriert Authentizität, und die Betrachter gehen davon aus, dass die abgebildete Person in Wirklichkeit so aussieht. Werden Veränderungen vorgenommen, so ist die selbstbestimmte Darstellung des Einzelnen erheblich beeinträchtigt. Bildmanipulationen berühren das Persönlichkeitsrecht dabei unerheblich davon, ob sie in guter oder in verletzender Absicht vorgenommen werden oder ob Betrachter die Veränderungen als vorteilhaft oder nachteilig für den Dargestellten bewerten (BGH NJW 2005, 3271 [3273] – Fotomontage II). Verdeckte oder geringfügige Bildmanipulationen sind selbst dann nicht zulässig, wenn das Foto in einen satirischen Kontext gesetzt wird und die übrige Darstellung einen erkennbar fiktiven Charakter hat (BGH NJW 2005, 3271 [3273] – Fotomontage II; Kutschke EWiR 2005, 427 [428]), denn jede nicht sofort erkennbare Manipulation, die über rein reproduktionstechnisch bedingte und für den Aussagegehalt unbedeutende Veränderungen hinausgeht, stellt eine unwahre, nicht vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit geschützte Tatsachenbehauptung dar. Zudem erfährt der Einzelne auch Schutz vor Veränderungen der Stimme, denn auch diese transportiert Informationen über seine Persönlichkeit. Unberechtigte und nicht erkennbare Manipulationen tangieren ebenfalls die selbstbestimmte Darstellung des Einzelnen, denn die mitschwingenden Tatsachenbehauptungen vermitteln ein falsches Bild von der Realität (so verletzt bspw die Nachsynchronisation mit der Stimme eines anderen das APR, da es zu einer Verzerrung der Persönlichkeit kommt, München NJW 1959, 388 [389]).

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e) Schutz gegen Verfälschungen des Lebensbildes. Das APR garantiert dem Einzelnen – mit gewissen Einschränkungen – ein Verfügungsrecht über die Darstellung seiner eigenen Person (hierzu ausf Rn 132ff). Dieses Recht gewährt jedermann die Befugnis, grds selbst und allein zu bestimmen, ob und inwieweit andere sein Lebensbild im Ganzen oder bestimmte Vorgänge aus seinem Leben öffentlich darstellen dürfen (BVerfG NJW 1973, 1226 [1227] – Lebach I; NJW 1999, 1322 [1324] – Scientology/ Helnwein; München BeckRS 2010, 13785 – Katzenhexe; LG Koblenz NJW 2007, 695 – Gäfgen, s hierzu auch von Becker, NJW 2007, 662). Der Einzelne wird dabei auch vor verfälschenden Darstellungen seines Lebensbildes, insb des Lebenswerkes oder der Lebensgeschichte geschützt. Eine Identitätsverzerrung kann sich bspw daraus ergeben, dass in einer Schilderung wesentliche biografische Details ausgelassen werden oder durch die einseitige Auswahl von Fakten ein bestimmter Gesamteindruck erzeugt und gleichzeitig ein Anspruch auf Wirklichkeitstreue erhoben wird (MüKo/ Rixecker Anh § 12 Rn 83). Eine Verfälschung liegt aber auch vor, wenn einem Autor Werke untergeschoben werden und dadurch der Eindruck seines schöpferischen Wirkens verzerrt wird (zum Verhältnis des APR zum Urheberpersönlichkeitsrecht Rn 15). Auch das fortwirkende Lebensbild wird gegen grobe Beeinträchtigungen geschützt – das postmortale APR (vgl hierzu ausf Rn 69ff) ist mithin verletzt, wenn das Lebensbild des Verstorbenen schwerwiegend entstellt oder verfälscht wird (LG Köln ZUM 2009, 324 [329] – Baader Meinhof Komplex; Hamburg ZUM 2005, 168).

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f) Schutz gegen die unbefugte werbende Verwendung. Werden Persönlichkeitsmerkmale des Einzelnen unbefugt für kommerzielle Zwecke genutzt, ist zwar primär der Schutz vor der kommerziellen Verwertung und Ausnutzung betroffen (Rn 201ff); es kann jedoch in solchen Konstellationen zugleich auch eine Identitätsbeeinträchtigung vorliegen, nämlich immer dann, wenn der Eindruck vermittelt wird, die werbende Person identifiziere sich mit dem beworbenen Produkt. IV. Schutz vor kommerzieller Verwertung Schrifttum: Beuthien, Was ist vermögenswert, die Persönlichkeit oder ihr Image?, NJW 2003, 1220; Beuthien/ Schmölz, Persönlichkeitsschutz durch Persönlichkeitsgüterrechte, 1999; Beuthien/Meik (Hrsg), Persönlichkeitsgüterschutz vor und nach dem Tode, 2002; Büchler, Die Kommerzialisierung von Persönlichkeitsgütern, AcP 206 (2006), 300; Ehmann, Die Nutzung des kommerziellen Wertes von Politikern zu Werbezwecken, AfP 2005, 237; Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsrechtsschutz bei unerlaubter Vermarktung, 2003; Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 1995; Gregoritza, Die Kommerzialisierung von Persönlichkeitsrechten Verstorbener, 2003; Klüber, Persönlichkeitsschutz und Kommerzialisierung, 2007; Helle, Privatautonomie und kommerzielles Persönlichkeitsrecht – Abschied von der „Herrenreiter-Doktrin“ des BGH?, JZ 2007, 444; Magold, Personenmerchandising, 1994; Schubert, Der Wert des Individuums im Privatrecht, 2006.

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1. Die Kommerzialisierung von Persönlichkeitsmerkmalen. Persönlichkeitsmerkmale wie Bildnis, Stimme oder Name können in der heutigen Medienlandschaft einen erheblichen Marktwert haben, insb Schauspieler, Musiker, Sportler und andere Personen der aktuellen oder vergangenen Zeitgeschichte werden von der Wirtschaft als Werbeträger für ihre Produkte und Dienstleistungen eingesetzt. Diese Entwicklung brachte für den Einzelnen einerseits die Gefahr mit sich, ungefragt für derartige Zwecke missbraucht zu werden, sie eröffnete bekannten und berühmten Persönlichkeiten aber zugleich die Möglichkeit, aus ihrer Popularität Kapital zu schlagen. Auch wenn in diesem Kontext durchaus ideelle Aspekte des APR eine Rolle spielen können (zB bei der Inanspruchnahme für anrüchige Produkte oder umstr Dienstleistungen), stehen doch primär kommerzielle Aspekte im Vordergrund. In den Entscheidungen Marlene I und Blauer Engel hat der BGH ein insoweit bestehendes Schutzbedürfnis vor kommerzieller Ausbeutung (143, 214 – Marlene Dietrich und NJW 2000, 2201 – Blauer Engel [Abschlussentscheidung München NJW-RR 2003, 767: Zuerkennung von 70 000 Euro]) und den Schutz des Einzelnen vor der unbefugten kommerziellen Verwertung seiner Persönlichkeit grds anerkannt: „Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine besonderen Erscheinungsformen wie das Recht am eigenen Bild und das Namensrecht dienen dem Schutz nicht nur ide74

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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

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eller, sondern auch kommerzieller Interessen der Persönlichkeit“. Zwar war auch schon zuvor das Recht des Einzelnen, selbst darüber zu entscheiden, „ob, wann und unter welchen Umständen sein Bildnis der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden darf“ als „vermögenswertes Ausschließlichkeitsrecht“ bezeichnet worden (BGH 20, 345 – Dahlke; ebenso 81, 75 [80] – Carrera), nunmehr wurde aber auch die Vererblichkeit der kommerziellen Bestandteile des APR anerkannt. Dem Erben steht mithin grds das Recht zu, darüber zu entscheiden, ob bestimmte Persönlichkeitsmerkmale zu Werbezwecken benutzt werden dürfen (zum Schutz der postmortalen kommerziellen Interessen s auch Rn 74). Eine Verletzung dieses sonstigen Rechts iSd § 823 I löst – unabhängig von der Intensität des Eingriffs – Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche aus (BGH 143, 214 [228] – Marlene Dietrich), wobei der Erbe den entstandenen materiellen Schaden entweder konkret oder nach den von der Rspr zur Verletzung von Urheber- und Patentrechten entwickelten Grundsätzen der sog Lizenzanalogie (BGH aaO) geltend machen kann. Als vermögenswerte Bestandteile werden vom BGH aaO das Recht am eigenen Bild und das Namensrecht (BGH NJW 2000, 2201 – Blauer Engel: die Abbildung einer berühmten Person durch ein Double) angesehen; zudem wird die Stimme genannt (BGH 143, 219 – Marlene Dietrich; vgl hierzu auch Hamburg NJW 1990, 1995 – Heinz Ehrhardt sowie Rn 207). Diese Aufzählung ist jedoch nicht abschließend, vielmehr können unterschiedlichste Merkmale, wie bspw besondere Leistungen auf „sportlichem oder künstlerischem Gebiet“ (so BGH 143, 214 [219] – Marlene Dietrich), aber auch sonstige Aspekte und Ausformungen der Persönlichkeit einen Marktwert bekommen (so auch Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 246). Es gilt daher ganz allg, dass der Einzelne selbst bestimmen darf, ob und in welcher Art und Weise er seine Persönlichkeitsmerkmale den Geschäftsinteressen Dritter dienstbar machen will. Eine Verletzung des APR liegt daher immer dann vor, wenn Bildnis (zB BGH NJW-RR 1995, 789 – Chris Revue), Name (zB BGH NJW 1981, 2402), Stimme (Hamburg NJW 1990, 1995 – Heinz Erhardt) oder andere die Person kennzeichnende Merkmale unbefugt zu Werbezwecken verwendet werden. 2. Nebeneinander von ideellen und vermögenswerten Bestandteilen des APR. Bei den vermögens- 202 werten und ideellen Bestandteilen (s hierzu auch Rn 16) handelt es sich nicht um getrennte Rechte, sondern um verschiedene Schutzbereiche desselben Rechts (im Einz jedoch str, vgl Götting Hdb des Persönlichkeitsrechts § 10 Rn 1ff), die untrennbar miteinander verflochten sind. Lediglich im Todesfall können ideelle und kommerzielle Bestandteile getrennte Wege gehen, denn während die „vermögenswerten Bestandteile“ auf den oder die Erben übergehen, sind die höchstpersönlichen Bestandteile zum Schutz der ideellen Interessen unübertragbar sowie unvererblich und können nur von nahen Angehörigen oder Wahrnehmungsberechtigten geltend gemacht werden (BGH 143, 214 – Marlene Dietrich, s hierzu ausf Rn 73ff). Allerdings bleiben die ideellen und kommerziellen Bestandteile des APR – ähnlich wie die urheberrechtlichen Verwertungsrechte und das Urheberpersönlichkeitsrecht – zu einem gewissen Maße miteinander verbunden. Zum insofern maßgeblichen monistischen Modell s Götting Hdb des Persönlichkeitsrechts § 10 Rn 8; Helle RabelsZ 60 (1996) 448 [459]; Friedrich, 66f mwN (anders die Vertreter des dualistischen Ansatzes, die von einer immaterialgüterrechtsähnlichen Abspaltung der vermögenswerten Aspekte und und mithin von selbständigen Bestandteilen ausgehen, hierzu bspw Beuthien/Schmölz, 29; Beuthien NJW 2003, 1220ff). 3. Übertragbarkeit der kommerziellen Bestandteile. In seiner Entscheidung 143, 214 – Marlene Die- 203 trich erkannte der BGH ausdr die Vererblichkeit der „vermögenswerten Bestandteile“ zum Schutz kommerzieller Interessen an. Die Frage, inwieweit die als vermögenswerte Ausschließlichkeitsrechte qualifizierten vermögenswerten Bestandteile des APR unter Lebenden übertragbar sind, ist jedoch nach wie vor offen, da einschlägige Fälle insoweit bisher keiner Entscheidung bedurften (s hierzu auch BGH JZ 1987, 158 – Nena, in welcher die Übertragbarkeit eine gewisse Anerkennung erfahren hat, indem das Gericht dem „Lizenznehmer“ als Einwilligungsempfänger einen Bereicherungsanspruch gegen den unbefugten Nutzer zusprach; auch schon Hamm [NJW-RR 1987, 231 [232] – Nena] hatte dem Einwilligungsempfänger eines „Exklusivvertrags“ einen Unterlassungsanspruch gegen einen unbefugten Nutzer zugesprochen; vgl zudem BGH 143, 214 [221f] – Marlene Dietrich). Das BVerfG (NJW 2006, 3409 [3411] – Blauer Engel II) hat jedenfalls angedeutet, dass die unverzichtbaren und unveräußerlichen Persönlichkeitsrechte zum Schutz „ideeller Interessen“ als maßgeblicher Kern des verfassungsrechtlich gewährleisteten APR beim Rechtsträger bleiben müssen. In der Literatur wird die Frage der Übertragbarkeit kontrovers behandelt. Während zT vertreten 204 wird, dass eine Übertragung von Persönlichkeitsmerkmalen aufgrund ihres Rechtscharakters grds ausgeschlossen sei (MüKo/Bayreuther § 12 Rn 131; Krneta GRURInt 1996, 298 [306]; vgl auch Peifer, GRUR 2002, 495 sowie Individualität im Zivilrecht) und dementsprechend lediglich die Möglichkeit der schuldrechtlichen Gestattung der Benutzung bestehe (MüKo/Bayreuther § 12 Rn 132), wird vereinzelt auch eine Abspaltung und Verselbständigung sowie eine freie Übertragbarkeit der vermögenswerten Bestandteile und damit die Anerkennung „persönlichkeitsbezogener Immaterialgüterrechte“ gefordert (Beuthien/Schmölz, 34; Ullmann AfP 1999, 209 [214]; abl Peukert ZUM 2000, 710 [715] mit Verweis auf Art 1 I GG, der eine „Objektivierung von Persönlichkeitssplittern verbietet“). Betont wird in diesem Kontext, dass die Einräumung eines lediglich obligatorisch wirkenden Rechts eine schwache Rechtsposition des Vertragspartners bewirke und daher nicht weitreichend genug sei; auch wird darauf hingewiesen, dass das in der Praxis bestehende Interesse bekannter Persönlichkeiten, ihre durch Leistung erworbene Popularität und ein damit verbundenes Image wirtschaftlich verwerten zu können, faktisch zu einer Anerkennung der Möglichkeit einer Rechtseinräumung, die eine dingliche bzw quasi-dingliche Wirkung hat, zwinge (Wenzel/v Strobl-Alberg Rn 7.61 mwN). Zudem setze Vererblichkeit jedenfalls eine Verdinglichung der vermögenswerten Bestandteile zu einem „vermögenswerten Ausschließlichkeitsrecht“ voraus (Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 261), weshalb die Anerkennung der Übertragbarkeit nur eine logische Folge wäre (so Erman/Ehmann12 Anh § 12 N. Klass

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Personen

Rn 261; Ullmann WRP 2000, 1053; Beuthien/Hieke AfP 2001, 355; Wagner GRUR 2000, 719; Seitz NJW 2000, 2168). 205

Überzeugender ist es jedoch, an einem einheitlichen Persönlichkeitsrecht festzuhalten, denn die Anerkennung von selbständigen „Personalgüterrechten“ und damit eine strikte Aufspaltung zw ideellen und kommerziellen Bestandteilen wird zum einen dem Ziel eines umfassenen Schutzes der Gesamtpersönlichkeit nicht gerecht, zum anderen erscheint diese Trennung nicht praktikabel, denn auch bei der kommerziellen Verwertung können wichtige ideelle Belange berührt sein – niemand sollte jedoch auf das Selbstbestimmungsrecht bzgl seiner öffentlichen Darstellung verzichten können (Götting Hdb des Persönlichkeitsrechts § 10 Rn 14). Vorzugswürdig erscheint mithin der Weg, in Anlehnung an das deutsche monistische Urheberrechtsmodell und insb unter Bezugnahme auf die Regelung in § 31 UrhG, dem Rechtsinhaber zu gestatten, Dritten ausschließliche oder einfache Nutzungsrechte einzuräumen, die zeitlich oder inhaltlich beschränkt werden können, die jedoch immer untrennbar mit der Persönlichkeit verbunden sind (so Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 279ff; ähnlich auch Penkert ZUM 2000, 710 [716] sowie Forkel GRUR 1988, 492; Schubert AfP 2007, 20 [24]; MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 30). Der Inhaber von Persönlichkeitsrechten kann anderen Nutzungsrechte etwa an seinem Namen oder Bildnis einräumen – diese bleiben mit Blick auf die unverzichtbaren ideellen Interessen jedoch als Tochterrechte untrennbar mit dem beim Rechtsinhaber verbleibenden Stammrecht verbunden („gebundene Rechtsübertragung“). Dieses Modell hat den Vorteil, an ein bewährtes System anknüpfen zu können; zugleich behält es aber auch die bestehende Verflechtung von ideellen und kommerziellen Interessen und deren Wechselwirkung im Bereich des Persönlichkeitsrechtsschutzes im Auge, weshalb es dem dualistischen immaterialgüterrechtlichen Modell vorzuziehen ist (so auch Götting Hdb des Persönlichkeitsrechts § 10 Rn 16ff; Schubert AfP 2007, 20 [24]; MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 30).

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4. Einfach-rechtlicher Schutz der kommerziellen Bestandteile. Nach BGH NJW 2007, 689 – Lafontaine unterliegen die „kommerziellen Interessen“ nicht dem Schutz des – vom bürgerlich-rechtlichen APR zu unterscheidenden (zur Differenzierung vgl Rn 4) – verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsrechts; auch das BVerfG (NJW 2000, 1021 – CvM; ähnlich NJW 2006, 3409 – Blauer Engel; NJW 2006, 596 – Pestalozzis Erben) scheint einem verfassungsrechtlichen Schutz der kommerziellen Bestandteile zumindest skeptisch gegenüberzustehen, denn nur kurze Zeit nach der Marlene-Entscheidung des BGH (143, 214), durch welche die vermögenswerten Bestandteile des zivilrechtlichen APR anerkannt wurden, stellte es fest: „Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nicht im Interesse einer Kommerzialisierung der eigenen Person gewährleistet“. Allerdings bestehen keine Bedenken (ebenso wie mit Blick auf den postmortalen Persönlichkeitsrechtsschutz) gegen die bürgerlich-rechtliche Anerkennung der kommerziellen Interessen der Persönlichkeit (vgl BVerfG NJW 2006, 3409 – Blauer Engel II). Konsequenz eines fehlenden verfassungsrechtlichen Schutzes ist jedoch, dass den kommerziellen Interessen im Abwägungsprozess mit der Meinungs- und Pressefreiheit sowie sonstigen verfassungsrechtlich geschützten Freiheiten anderer ein geringeres Gewicht zukommt als den ideellen Interessen der Persönlichkeit.

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5. Spezielle Fallgruppen des Schutzes vor kommerzieller Verwertung. a) Schutz gegen die ungenehmigte Verwendung der Stimme. Neben Namen und Bildnis bietet auch die Stimme einer Person ein eindeutiges Identifizierungsmerkmal, das individualisiert, von der Person ablösbar und mithin kommerzialisierbar ist, weshalb es gegen die unbefugte Nutzung durch Dritte geschützt werden muss (vgl auch BGH GRUR 2000, 709 [712] – Marlene Dietrich: der Stimme kann ein beträchtlicher Wert zukommen; Hamburg NJW 1990, 1995 – Heinz Erhardt). Nach Hamburg aaO, das sich in einer einstw Verfügung mit der Frage des Stimmschutzes auseinandersetzen musste, ist die Persönlichkeit als Ganzes vor einer kommerziellen Ausbeutung zu bewahren, weshalb die Grundsätze des Bildnisschutzes nach §§ 22ff KUG – als normatives Leitbild – auf den Schutz der Stimme zu übertragen seien, denn die Intensität der Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung stehe jener einer unbefugten Bildnis- oder Namensverwendung in nichts nach (vereinzelt wird auch eine analoge Anwendung befürwortet: Lausen ZUM 1997, 86 [90]). Ein Recht an der eigenen Stimme ist daher grds zu bejahen (Peukert ZUM 2000, 710 [719f]; Schierholz Hdb des Persönlichkeitsrechts § 16 Rn 23 sehen die Stimme gar als eigenständiges besonderes Persönlichkeitsrecht an), weshalb jede ungenehmigte Nutzung und Kommerzialisierung einen Eingriff in das APR darstellt. Durch die Nachahmung der Stimme oder die Verwendung der Originalstimme wird der Anreiz- und Aufmerksamkeitswert der betroffenen Person ausgenutzt, was jedenfalls ein Künstler, der für den werblichen Einsatz seiner Persönlichkeit naturgemäß eine Gage fordern kann, nicht hinnehmen muss (so auch Hamburg aaO [1996] – Heinz Erhardt). Das Persönlichkeitsrecht bietet daher in einer Parallelwertung zum Bildnis- und Namensrecht Schutz gegen die ungenehmigte Verwendung der Stimme im Original oder in Form einer Stimmimitation, denn aufgrund des beträchtlichen wirtschaftlichen Wertes, den insb bekannte Stimmen für die Werbebranche haben, ist dem Berechtigten die freie Entscheidung darüber zuzubilligen, ob und unter welchen Voraussetzungen er diese den Geschäftsinteressen Dritter zugänglich machen will. Die Rspr erkennt damit an, dass die Stimme Gegenstand des Wirtschaftsverkehrs sein kann, und billigt dem Einzelnen i Erg eine aktive Verwertungsmöglichkeit der Stimme zu (Jung, 129, so i Erg auch Wandtke/Bullinger, Urheberrecht Einl Rn 41). Zudem kann durch die unberechtigte Nutzung auch der Achtungsanspruch einer Person betroffen sein, wenn der Eindruck entsteht, der Betroffene habe der Werbung zugestimmt (zum Verhältnis des persönlichkeitsrechtlichen Schutzes zum urheberrechtlichen Leistungsschutz Schierholz Hdb des Persönlichkeitsrechts § 16 Rn 25ff. Zur Stimmimitation in satirischem Kontext LG Berlin ZUM-RD 2005, 517 – Gerhard Mayer-Vorfelder; LG München I AfP 2006, 582 – Lukas Podolski).

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b) Schutz gegen die ungenehmigte Verwendung des Namens. Das APR gewährt ebenfalls Schutz 208 gegen die unbefugte Verwendung des Namens. Anerkannt ist dabei, dass das Namensrecht sowohl den ideellen als auch den kommerziellen Interessen des Namensträgers zu dienen bestimmt ist (BGH NJW 2000, 2195 [2200] – Marlene Dietrich; zum Schutz vor kommerzieller Vermarktung ausf Rn 201ff), und den Berechtigten mithin in zweierlei Hinsicht schützt (MüKo/Bayreuther § 12 Rn 3). Vor diesem Hintergrund bedarf die Namensnennung in der Werbung, die nach Auffassung des BGH nicht unter § 12 fällt, sondern einen Eingriff in das APR darstellt (BGH GRUR 1959, 430 – Caterina Valente), regelmäßig der Einwilligung des Berechtigten. Allerdings kann die mit der Namensnennung verbundene Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts hinzunehmen sein, wenn sich die Werbeanzeige einerseits in satirisch-spöttischer Form mit einem in der Öffentlichkeit diskutierten Ereignis auseinandersetzt, an dem der Genannte beteiligt war, und, wenn andererseits der Image- oder Werbewert des Genannten durch die Verwendung seines Namens nicht ausgenutzt und nicht der Eindruck erweckt wird, als identifiziere er sich mit dem beworbenen Produkt oder empfehle es (BGH GRUR 2008, 1124 [1126] – Lucky Strike: Ernst August v Hannover; NJOZ 2008, 4549 [4553] – Lucky Strike: Dieter Bohlen). Ob es ein „Recht auf Namensanonymität“ als Ausfluss des APR gibt, ist nicht abschließend geklärt (ausf hierzu Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 96ff; bejahend MüKo/Bayreuther § 12 Rn 185), muss jedoch als Ausfluss des Rechts auf Anonymität (vgl Rn 118) bejaht werden – auch wenn dieses Recht in analoger Anwendung von §§ 22, 23 KUG zurücktreten muss, wenn ein höherrangiges Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Namensnennung besteht (Neumann-Duesberg JZ 1970, 564 [566]; vgl KG ZUM 2005, 406 [407] – Schauspielerkind; MMR 2009, 478 – Gerichtsverfahren; BGH NJW 1991, 1532 [1533f] – Bekanntgabe des Notfallarztes). c) Schutz gegen die ungenehmigte Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung von Bildnissen 209 zu Werbezwecken (s hierzu ausf Rn 184). 6. Rechtswidrigkeit. Die Verletzung der kommerziellen Interessen des APR erfolgt durch Vermark- 210 tung, dh durch Verwertung der vermögenswerten Bestandteile zum Zwecke der Gewinnerzielung und damit durch die unberechtigte Nutzung der ausschließlich dem Träger zugewiesenen Persönlichkeitsmerkmale, insb durch Werbemaßnahmen, wie zB Anzeigen, Fernsehspots, Verpackungen, das Auftreten von Doppelgängern uÄ. 7. Rechtfertigungsmöglichkeiten. Der Eingriff in anerkannte schützenswerte kommerzielle Interes- 211 sen kann ebenso wie Eingriffe und Verletzungen ideeller Interessen durch entgegenstehende Interessen und Rechte des Eingreifenden gerechtfertigt sein. In Betracht kommt insb eine Rechtfertigung durch § 23 I Nr 1 KUG („Persönlichkeiten der Zeitgeschichte“). Schon nach der alten Rspr war jedoch anerkannt, dass die durch § 23 I Nr 1 KUG im Interesse der Öffentlichkeit gewährleistete Abbildungsfreiheit nicht greift, wenn das Bildnis zu Werbe- oder sonstigen Geschäftszwecken verwendet wird, vielmehr betonte der BGH, es müsse dem Einzelnen vorbehalten bleiben, ob er sein Bild als Anreiz für einen Warenkauf zur Verfügung stellen will oder nicht (BGH 20, 345 [350] – Dahlke). Dies galt und gilt auch unabhängig davon, ob die Bildveröffentlichung den Abgebildeten in einem „ungünstigen Lichte“ (RG 125, 82 – Tull Harder) zeigen oder ob die beworbenen Waren als anrüchig oder unangemessen angesehen werden (wie in BGH 26, 349 – Herrenreiter [Potenzmittel]; 35, 363 – Ginseng; NJW 1971, 698 – Liebestropfen; 30, 7 – Caterina Valente [Kukident]; GRUR 1984, 907 – Prof Niehaus). Im Einzelfall für zulässig erachtet wurde jedoch die Verwendung von Bildnissen, sofern sie von einem redaktionellen Beitrag begleitet wurden (BGH NJW-RR 1995, 363 – Wepper/Schlecker; Frankfurt NJW 1989, 402 – Boris Becker; dagegen Helle, 188; BGH NJW 1979, 2203 – Franz Beckenbauer/Wandkalender). Vor dem Hintergrund der Bedeutung der verfassungsrechtlichen Kommunikationsfreiheiten, insb 212 der Meinungs- und Pressefreiheit, im Abwägungsprozess des § 23 I Nr 1 KUG und angesichts der stärkeren Betonung des Informationsinteresses (vgl Rn 41, 184) ist die Veröffentlichungsfreiheit jedoch ausgeschlossen, wenn der Eingreifende keinem schutzwürdigen Informationsinteresse der Öffentlichkeit nachkommt, sondern durch die Verwendung des Bildnisses allein bzw ausschließlich sein Geschäftsinteresse befriedigen will, so BGH 143, 229 – Marlene Dietrich; NJW 1997, 1152 – Bob Dylan; BVerfG NJW 2001, 594 – Willy Brandt-Medaille; zuletzt deutlich BGH NJW 2007, 689 – Lafontaine; dies ist allerdings nicht der Fall, wenn er sich in satirisch-spöttischer Art und Weise mit einer die Öffentlichkeit wesentlich interessierenden Frage auseinandersetzt. In diesem Fall kann den kommerziellen Interessen des Betroffenen jedenfalls kein Vorrang eingeräumt werden, sofern die Werbung keine berechtigten ideellen Interessen verletzt (BGH NJW 2007, 689 – Lafontaine: Werbung 14 Tage nach dem Rücktritt von Lafontaine mit einem Bild der Minister des damaligen Bundeskabinetts, auf welchem der Kopf von Oskar Lafontaine durchgekreuzt war, verbunden mit dem Text: „Sixt verleast seine Autos auch an Mitarbeiter auf Probe!“; dazu Alexander, AfP 2008, 556; ähnlich auch BGH AfP 2008, 596 – Zerknitterte Zigarettenschachtel: Anspielung auf eine länger zurückliegende körperliche Auseinandersetzung, in welche Ernst August v Hannover verwickelt war und über die mehrfach in der Presse berichtet wurde [„War das Ernst? Oder August? – Lucky Strike. Sonst nichts!“] sowie BGH AfP 2008, 598 – Geschwärzte Worte: Abbildung zweier Zigarettenschachteln, die den Eindruck eines offenen Buches vermitteln und an denen ein schwarzer Filzstift lehnt – über der Abbildung ist zu lesen „Schau mal lieber Dieter, so einfach schreibt man super Bücher“, wobei die Wörter „lieber“, „einfach“ und „super“ geschwärzt sind [Bezugnahme auf das Buch „Hinter den Kulissen“ von Dieter Bohlen, welches nur geschwärzt veröffentlicht werden durfte]).

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Auch die Kunstfreiheit kann als Rechtfertigungsgrund für eine Veröffentlichung streiten, denn sie schützt nicht nur den Werk-, sondern auch den Wirkbereich der Kunst, weshalb auch die Werbung für das Kunstwerk umfasst wird (BVerfG 77, 240 [251] – Herrnburger Bericht; BGH 143, 214 [229] – Marlene Dietrich). Zudem kann die Vermarktung „vermögenswerter Bestandteile“ des APR, zB des RaeB oder des Namensrechts durch eine Einwilligung des Berechtigten gerechtfertigt sein (zur Einwilligung ausf Rn 229ff).

213a

Weitere aktuelle Kasuistik: BGH GRUR 2010, 546 – Boris Becker (Der strauchelnde Liebling): Die Werbung für eine geplante Zeitung (FAS) mit der Titelseite eines Testexemplars, auf der eine prominente Person abgebildet ist, verletzt nicht allein deshalb deren RaeB, weil später keine Ausgabe der Zeitung erscheint, die eine der Ankündigung entspr Berichterstattung enthält; eine Verletzung des RaeB liegt jedoch von dem Zeitpunkt an vor, zu dem es dem Werbenden möglich und zumutbar war, die Abbildung der Titelseite des Testexemplars durch die Abbildung der Titelseite einer tatsächlich erschienenen Ausgabe der Zeitung zu ersetzen (Boris Becker hatte 2,3 Mio Euro gefordert, das LG München I [AfP 2006, 382] sprach ihm 1,2 Mio Euro zu; vgl auch BGH GRUR 2010, 546 – Der strauchelnde Liebling; GRUR 2009, 1085 – Wer wird Millionär? [Werbung für ein Rätselheft mit dem Bild von Günther Jauch]: Eine Berichterstattung lässt dann keinen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung erkennen, wenn sich der die Bildveröffentlichung begleitende Text darauf beschränkt, einen beliebigen Anlass für die Abbildung einer prominenten Person zu schaffen – dient die Veröffentlichung ausschließlich den Geschäftsinteressen des Presseorgans, muss eine Rechtfertigung scheitern; so auch LG Köln AfP 2010, 406 [407] – Eigenwerbung); vgl auch LG Hamburg NJW 2007, 691, das Joschka Fischer 200.000 Euro wg Verletzung seiner kommerziellen Interessen für die Werbung mit seinen verkindlichten Gesichtszügen für die Welt-Kompakt zuspricht.

214

8. Verschulden. Die rechtswidrige Verletzung der „vermögenswerten Bestandteile“ setzt keine schwere Verletzung und/oder kein schweres Verschulden voraus: „Wer die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts auch bloß fahrlässig verletzt, haftet ebenso wie bei der Verletzung anderer vermögenswerter Ausschließlichkeitsrechte für den eingetretenen materiellen Schaden, ohne dass es darauf ankäme, wie schwerwiegend der Eingriff war“ (BGH 143, 214 [228] – Marlene Dietrich).

215

9. Verhältnis zu anderen Schutzbereichen des APR. Werden Persönlichkeitsmerkmale einer Person unberechtigt für kommerzielle Zwecke verwendet, kann zudem auch der Ehrenschutz (insb im Rahmen der Werbung für anrüchige oder umstr Produkte, Rn 94ff), das Recht auf Selbstdarstellung (Gefahr der Identitätsverfälschung, zB bei der Indienstnahme für bestimmte Aussagen, Präferenzen oder Werte, vgl Rn 193ff) oder der Schutz gegen die unberechtigte Verwendung der Stimme oder des Bildnisses (Rn 207, 167ff) einschlägig sein. V. Der Schutz vor Belästigungen

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1. Unerwünschte Werbung. a) Briefkastenwerbung. Briefkastenwerbung an sich verletzt das APR nicht – jedoch gewährt dieses jedem Einzelnen Schutz vor der Missachtung des ausdr geäußerten Willens, keine Werbung empfangen zu wollen (BGH GRUR 1992, 617 – Briefkastenwerbung; AG Brühl NJW-RR 2006, 272; KG NJOZ 2002, 2203; MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 97 – jedoch krit mit Blick auf Parteienwerbung; Fikentscher NJW 1998, 1337 [1339]; BGH NJW 1989, 902; Kläver ZUM 2002, 205 [209]; Kaiser NJW 1991, 2870 [2871]; Ladeur HdB des Persönlichkeitsrechts § 39 Rn 1; aber keine Verletzung, wenn einem Postgiroteilnehmer gegen seinen Willen zusammen mit dem Kontoauszug dreimal im Monat Werbebeilagen übersandt werden, BVerwG NJW 1991, 2920). Dies ist Ausdruck des dem APR innewohnenden Rechts, in Ruhe gelassen zu werden sowie des personalen Selbstbestimmungsrechts (Fikentscher NJW 1998, 1337 [1339]; Frankfurt NJW 1996, 934) des Betroffenen, welche in diesem Fall dem Interesse des Unternehmens an der Werbung zur Absatzsteigerung vorrangig sind (zudem wird auf eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit sowie auf eine die personalen Interessen betreffende Ruhestörung verwiesen, Kläver ZUM 2002, 205 [209]). Hat also der (potentielle) Empfänger einen entgegenstehenden Willen bspw durch das Anbringen eines Aufklebers geäußert, stellt sich jede Zuwiderhandlung als eine rechtswidrige Verletzung des APR dar (BGH NJW 1989, 902: Eigentums- und Besitzstörung sowie Verletzung des APR, sofern es nicht nur um die Abwehr der Beeinträchtigung des gegenständlich-räumlichen Eigenbereichs geht; vgl auch Baston-Vogt, 248ff; 467f). War für den Einwerfenden jedoch nicht erkennbar, dass es sich um Werbung handelt, ist er nicht als Störer anzusehen (Stuttgart NJW 1991, 2912; Kaiser NJW 1991, 2913). Nach Karlsruhe (NJW 1991, 2913) kann der Abonnent einer Tageszeitung nicht vom Verleger verlangen, ihm die Tageszeitung nur ohne Werbeeinlagen zuzustellen. ZT wird die Rspr des BGH zu Konsumwerbung ebenfalls auf Parteienwerbung übertragen (Bremen NJW 1990, 2140; KG NJW 2002, 379); krit hierzu MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 97 sowie Löwisch NJW 1990, 437.

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b) Telefonwerbung. Auch Telefonwerbung beeinträchtigt grds nur dann das APR, wenn sie trotz erkennbaren Widerspruchs fortgesetzt wird, es sei denn, dass schon aufgrund des vorgenommenen Zeitpunkts oder der Häufigkeit eine besondere Form der Belästigung vorliegt. Eine bestehende Wettbewerbswidrigkeit nach § 7 II Nr 2 UWG allein führt jedenfalls nicht zwangsläufig zugleich zu einer Verletzung des APR (MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 98). Weiter geht insoweit Kaboth ZUM 2003, 342 [343], der auf den besonders intensiven Eingriff in die Individualsphäre verweist, wenn bspw Inhaber von Anschlüssen, zu denen bislang keine Beziehungen bestanden haben, unaufgefordert in ihrem privaten Bereich angerufen werden, um Geschäftsabschlüsse anzubahnen oder vorzubereiten. Einen umfassenden Schutz der Verbraucher vor unerwünschter Telefonwerbung soll zudem das am

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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

Anh § 12

4.8.2009 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen v 29.7.2009 (BGBl I 2413) bieten. c) Unerwünschte Werbung durch Fax, E-Mail oder SMS. Unerwünschte Werbung durch Fax, 218 E-Mail oder SMS an einen Marktteilnehmer ist in den meisten Fällen als unzumutbare Belästigung iSv § 7 II Nr 3 UWG und damit als wettbewerbswidrig einzustufen. Daneben soll die Versendung von unerwünschten Werbe-E-Mails aber auch einen Eingriff in das APR darstellen (Hoeren/Sieber Kap 18 Rn 48; LG Leipzig MMR 2010, 263; KG AfP 2003, 434; LG Lübeck MMR 2009, 868; Horen NJW 2004, 3513 [3514]). Zu beachten ist hierbei § 7 III Nr 3, 4 UWG, demnach liegt keine Belästigung vor, wenn der Empfänger der Verwendung nicht widersprochen hat (opt-out-Modell) oder bei Vertragsschluss deutlich auf Werbe-E-Mails und auf eine Widerspruchsmöglichkeit hingewiesen wurde (Köhler/Bornkamm § 7 Rn 196ff; Spindler/Nick in Spindler/Schuster § 823 Rn 32). Es gibt jedoch auch Gegenstimmen (AG Kiel MMR 2000, 51 [52]), welche die Grundsätze zur Briefkastenwerbung übertragen möchten und daher einen deutlichen Widerspruch fordern. Werbe-SMS werden üblicherweise als noch belästigender empfunden als Werbe-E-Mails, weshalb hier auch ohne erklärten Widerspruch eine Verletzung des APR bejaht werden kann (Remmertz MMR 2003, 314 [315]). 2. Nachstellen und Stalking. Das APR gewährt jedem Menschen das Recht, selbst über Kontakte 219 zu anderen Menschen zu bestimmen. Ein unmissverständliches, deutliches und ernstliches Verbot, mit dem Betroffenen brieflich, fernmündlich oder mündlich Kontakt aufzunehmen, ist daher vom Erklärungsempfänger zu achten (LG Oldenburg NJW 1996, 62; Keiser NJW 2007, 3387 [3388]; Walter ZUM 2002, 886 [889]; Verletzung des APR, wenn der Betroffene trotz mehrfacher Aufforderung, eine direkte Kontaktaufnahme zu unterlassen, wiederholt angeschrieben wird, BGH BeckRS 2011, 04947). Wird dies missachtet und der Betroffene nicht in Ruhe gelassen, steht diesem ein Unterlassungsanspruch zu; in besonders schweren Fällen kommt zudem auch ein Geldentschädigungsanspruch in Betracht. Hat ein zuvor stattgefundener Kontakt selbst bereits das APR verletzt, kann ein ausdr ausgesprochenes Verbot sogar entbehrlich sein (LG Oldenburg NJW 1996, 62: zB Telefonterror zur Nachtzeit). Liegen „klassische“ Eingriffe in die Privat- und Intimsphäre (vgl Rn 122ff, Rn 126f) vor, bspw durch heimliche Aufnahmen in der Wohnung (zum Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch § 201a StGB s Rn 144), das Entwenden von Briefen oÄ, greift der auch jenseits des Stalkings anerkannte Schutz durch das APR (Sphärenschutz s Rn 122, Schutz des geschriebenen Wortes, Rn 130 etc). Daneben findet in Stalking-Konstellationen auch das GewSchG sowie § 238 StGB, welcher Stalking unter Strafe stellt, Anwendung. Zur Frage, inwieweit jenseits des persönlich motivierten Nachstellens, insb in Fällen der permanenten Paparazzi-Verfolgung, Schutz durch das APR oder das GewSchG gewährt wird s Rn 145. 3. Schutz vor Mobbing. Mobbing, verstanden als Umschreibung für „fortgesetzte, aufeinander auf- 220 bauende und ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen, die nach ihrer Art und ihrem Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind“ (Celle NJW 2008, 2202 [2203]), kann in seiner Gesamtheit das APR und die Ehre des Betroffenen verletzen (Celle NJW 2008, 2202 [2203]; LAG Hamm NZA-RR 2003, 8). Besondere Bedeutung erlangt der Schutz vor Mobbing im Arbeitsverhältnis. Hier ist anerkannt, dass der Arbeitgeber grds verpflichtet ist, das APR der Arbeitnehmer nicht selbst durch Eingriffe zu verletzen, daneben besteht auch die Pflicht, die Arbeitnehmer vor Belästigungen durch Mitarbeiter oder Dritte, auf deren Verhalten er Einfluss hat, zu schützen. Kommt der Arbeitgeber dieser Pflicht nicht nach und unterlässt er es, Maßnahmen zu ergreifen oder sein Unternehmen so zu organisieren, dass derartige Eingriffe ausgeschlossen sind, kann er als Störer in Anspruch genommen werden (LAG Thüringen NZA-RR 2001, 347). 4. Schutz vor ideellen Immissionen. Werden einer Person gegen ihren Willen grob schamverletzen- 221 de oder zum Intimbereich zählende Vorgänge zur Schau gestellt, kann dies ihr APR verletzen (Staud/Hager § 823 Rn 238; BGH NJW 1975, 1161 [1162]; Staud/Gursky § 1004 Rn 77; nicht ausreichend ist jedoch das Auslegen pornographischer Schriften am Kiosk, BGH 1975, 1161 [1162]; ebenso nicht die Errichtung eines Bordells in der Nachbarschaft, BGH NJW 1985, 2823, oder das Nacktbaden, Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 287). Ebenso kann das APR verletzt werden, wenn ein Nachbar sog Frustzwerge (gartenzwergartige Gebilde, die untypische Gesten und Posen einnehmen, zB Zwerg mit erhobenem Mittelfinger, sog Fuck-you-Zeichen) in der erkennbaren Absicht aufstellt, den Nachbarfrieden nachhaltig zu stören, denn der ehrverletzende oder beleidigende Charakter seiner Werkschöpfung werde ihm in persona zugerechnet (AG Grünstadt NJW 1995, 889; s auch LG Limburg NJW-RR 1987, 81 zum Anspruch auf Beseitigung eines Galgens an der Grundstücksgrenze). 5. Raucherfreiheit und Rauchverbote. Die Belästigung durch Tabakrauch stellt idR keine Verlet- 222 zung des APR dar (AG Bonn NJW 2000, 1877; BeckOK BetrVG/Werner § 75 Rn 59; Reichhold Münchner HdB zum ArbeitsR § 49 Rn 26), sofern nicht das rechtlich erzwungene Zusammensein zu einer Gesundheitsbeschädigung führen kann (Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 289). Die Freiheit zu rauchen wird als Teil der allg Handlungsfreiheit, Art 2 I GG, geschützt (AG Bonn NJW 2000, 1877: Rauchen auf dem Balkon eines Mietshauses), gehört jedoch nicht zum Kernbereich des APR (BGH 79, 111 [115]), weshalb weder ein Rauchverbot am Arbeitsplatz noch am Bahnhof eine Verletzung des APR darstellt (MüKo/Müller-Glöge § 611 Rn 1062; Reichhold Münchener HdB zum Arbeitsrecht § 49 Rn 26; BGH NJW 1981, 569). VI. Das APR und Freiheitsschutz 1. Freiheitsschutz nach § 823 I. Der Freiheitsbegriff iRd § 823 I umfasst anerkanntermaßen nur die 223 körperliche Fortbewegungsfreiheit (MüKo/Wagner § 823 Rn 99; Jauernig/Teichmann § 823 Rn 5; N. Klass

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Allgemeiner Teil

Personen

München 1985, 466 [457]), nicht jedoch die über Art 2 I GG geschützte Willens- und Handlungsfreiheit. Die durch diesen restriktiven Freiheitsbegriff entstandenen Schutzlücken werden durch das die Person vor widerrechtlichen Eingriffen schützende APR geschlossen, indem dieses den Schutz der freien Selbstbestimmung hins der in § 823 explizit erwähnten Rechtsgüter Leben, Körper, Gesundheit gewährleistet (MüKo/Wagner § 823 Rn 68; BGH NJW 1994, 127 – Vernichtung von Sperma). Schutzgut des § 823 I ist nicht die Materie, „sondern das Seins- und Bestimmungsfeld der Persönlichkeit, das in der körperlichen Befindlichkeit materialisiert ist“ (BGH NJW 1994, 127 – Vernichtung von Sperma; i Erg so auch BGH NJW 1995, 2407 [2408] – Kind als Schaden und NJW 1980, 1452 [1453] – Ungewolltes Kind). In diesen Rechtsgütern hat das APR somit die bereits vom RG geforderte „gegenständliche Verkörperung“ (dazu RG 58, 30 – Jute-Plüsch) erhalten. 224

2. Schutz vor Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit. Das bürgerlich-rechtliche APR umfasst nur ausnahmsweise den Schutz vor Beeinträchtigungen der Entscheidungsfreiheit, so bei einer unbegründeten Betreuung (Entmündigung) mit der Folge, dass die durch die Geschäftsfähigkeit gegebene Freiheit der Selbstbestimmung verloren wird (so bereits Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 272), oder bei einer unrechtmäßigen Freiheitsentziehung aufgrund eines objektiv falschen gerichtlichen Sachverständigengutachtens (Frankfurt DS 2008, 115 – Bankräuber). Die Inhaftierung eines Strafgefangenen stellt hingegen keine rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung dar (anders bei einer menschenunwürdigen Unterbringung, vgl BGH NJW 2005, 58).

225

3. Ärztliche Heileingriffe. Bei unbefugten, aber kunstgerechten ärztlichen Heileingriffen, die aufgrund einer fehlenden bzw mangelhaften ärztlichen Aufklärung das Selbstbestimmungsrecht des Patienten verletzen (dazu BVerfG NJW 1979, 1925 [1925f]; Düsseldorf NJW 1963, 1679 – Einwilligung in kosmetische Operation), leitet sich der Unrechtsgehalt in erster Linie aus der Verletzung der Persönlichkeit des Patienten ab und nicht aus einer Verletzung seines Körpers (so aber die st Rspr, vgl BGH NJW 2006, 2108 – Blutspende; s auch MüKo/Wagner § 823 Rn 727), insb weil die Qualifizierung als Körperverletzung nicht mit der Intention des Arztes zu heilen in Einklang zu bringen ist (BastonVogt, 269; Laufs in Laufs/Kern, Hdb des Arztrechts § 6 Rn 29). Praktische Folge dieser Einordnung ist, dass nicht der Arzt die Darlegungs- und Beweislast für die Wirksamkeit der Einwilligung trägt, da nicht von der Erfüllung des Tatbestandes der Körperverletzung auf die Rechtswidrigkeit geschlossen werden kann, sondern vielmehr der Patient den Eingriff in sein Selbstbestimmungsrecht darlegen (MüKo/Wagner § 823 Rn 726; aA Deutsch AcP 192 (1992), 161 [165], der unter bestimmten Voraussetzungen eine Beweislastverschiebung zugunsten des Patienten annimmt) und einen konkreten Schaden nachweisen muss (München NJW-RR 2002, 811 [814] – Bluttransfusion Zeugin Jehovas, wo auch zu den Grenzen des Selbstbestimmungsrechts Position bezogen wird).

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4. Entnahme menschlicher Organe und Körpersubstanzen. Die heimliche Entnahme von Organen und Körpersubstanzen verletzt bei Lebenden neben dem Körper auch deren Selbstbestimmungsrecht und muss daher durch ihre Einwilligung legitimiert sein (Forkel JZ 1974, 593 [596]; BastonVogt, 274; Taupitz AcP 191 (1991), 201 [206]). Das APR ist ebenso bei einer vom Willen des Rechtsträgers nicht gedeckten Verwertung entnommener Körpersubstanzen betroffen (EuGH NJW 1994, 3005 [3006] – Verdeckter Aids-Test; LG Köln NJW 1995, 1621 [1622] – HIV-Test ohne Einwilligung; BGH NJW 2005, 497 – Heimliche DNA-Tests; MüKo/Wagner § 823 Rn 70), insb wenn ursprünglich beabsichtigt war, diese – wie bei Eizellen nach einer exkorporalen Befruchtung – wieder einzugliedern, so dass eine „funktionale Einheit“ fortbestand (Staud/Jickeli/Stieper § 90 Rn 22; Taupitz NJW 1995, 746ff; Laufs/Reiling NJW 1994, 775f; aA BGH NJW 1994, 127 – Vernichtung von Sperma, der von einer Körperverletzung ausgeht; zu weiteren Differenzierungen vgl Taupitz AcP 191 (1991), 201 [208ff]). Dies muss auch bzgl der Vernichtung des zur Fortpflanzung bestimmten konservierten Spermas gelten, da hierdurch das Persönlichkeitsrecht des Rechtsträgers in gleicher Weise betroffen ist wie das Persönlichkeitsrecht der Frau bei der Vernichtung einer zur Reimplantation bestimmten Eizelle (MüKo/Wagner § 823 Rn 69; Staud/Jickeli/Stieper § 90 Rn 22; aA BGH NJW 1994, 127 – Vernichtung von Sperma). Sofern der Wille des Rechtsträger nicht auf eine Wiedereingliederung abzielte und die Körperbestandteile daher endgültig abgetrennt werden sollten, verlieren diese jedoch idR ihre Zuordnung zum Schutzgut Körper und werden zu Sachen im Rechtssinn (BGH NJW 1994, 127 – Vernichtung von Sperma; Taupitz AcP 191 (1991), 201 [208]).

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Eine unbefugte Entnahme von Organen bzw Körpersubstanzen bei Verstorbenen greift in deren Verfügungsrecht über ihren Körper ein, welches auch über den Tod hinaus fortbesteht, so dass ein Eingriff in das postmortale Persönlichkeitsrecht vorliegt (Staud/Weick Vor § 1 Rn 29). H. Berechtigte (Gegen-)Interessen und Rechtfertigungsgründe – Vorgaben für die Güter- und Interessenabwägung

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I. Rechtswidrigkeit und Rechtfertigungsgründe. Eingriffe in das APR (Rahmenrecht) gehören zu den sog offenen Verletzungstatbeständen (Damm/Rehbock Rn 647; Wenzel/Burkhardt Rn 6.6). Das erfolgsbezogene Unrechtskonzept gilt nicht, die Rechtswidrigkeit einer Handlung wird vielmehr im Rahmen einer situationsbezogenen Güter- und Interessenabwägung im jeweiligen Einzelfall festgestellt (vgl BVerfG NJW 2006, 207 [208] – Stolpe; AfP 2006, 349 – Babycaust). Führt die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zu dem Ergebnis, dass die Handlung über das verfassungsrechtlich zulässige Maß hinausgegangen ist (BGH NJW 1976, 1198 – Panorama; NJW 1979, 266 [267]), kann die Rechtswidrigkeit bejaht werden; ist die Handlung bspw gem Art 5 I S 1, 2 GG zulässig, entfällt die Rechtswidrigkeit. Verletzungen des APR können als Delikte zudem durch die allg Rechtfertigungsgründe, insb die Einwilligung (ausdr oder konkludent, s ausf Rn 229ff), Notwehr- und notwehrähnliche Lagen sowie aufgrund der §§ 193 StGB, 824 BGB 4 Nr 8 2. Alt UWG gerechtfertigt sein. Während 80

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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

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die §§ 824 II BGB und 4 Nr 8 2. Alt UWG Eingriffe im wirtschaftlichen Kontext (zum Schutz der „wirtschaftlichen Ehre“ bzw des Images) mit dem Begriff des „berechtigten Interesses“ rechtfertigen, zählt § 193 StGB, der für den zivilrechtlichen Schutz des APR entspr gilt, einzelne Rechte auf. Umfasst werden zB tatsächliche Urt über wissenschaftliche, künstlerische sowie gewerbliche Leistungen, Äußerungen in rechtlichen Verfahren zur Ausführung oder Verfolgung von Rechten sowie ganz allg Äußerungen „zur Wahrnehmung berechtigter Interessen“. II. Die rechtfertigende Einwilligung 1. Charakter und Rechtsnatur der rechtfertigenden Einwilligung. Die Rechtsfigur der Einwilligung 229 ist nicht ausdr normiert, wird jedoch allg anerkannt (Kohte AcP 185 (1985), 105 [108]; Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 142f; Klass AfP 2005, 507 [508]; Dasch, Einwilligung 40; Ohly, Die Einwilligung im Privatrecht, 178ff). Sie ist Mittel, um über bestimmte Rechte in begrenztem Rahmen zu disponieren (Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 143), und findet ihre Grundlage sowohl im anerkannten Rechtssatz „volenti non fit iniuria“ (Ohly, 63ff) als auch im grundrechtlichen Schutz der Dispositionsfreiheit. BVerfG NJW 1979, 1925 [1929f] nennt als normative Wurzeln des Einwilligungsrechts das Selbstbestimmungsrecht sowie die Achtung vor der Entschließungsfreiheit und der Würde des Menschen. Als tragender Grund ihrer Anerkennung kann heute also letztlich das Prinzip der Privatautonomie angesehen werden (Kohte AcP 185 (1985), 105 [110]; Klass AfP 2005, 507 [508] mwN). Durch die Einwilligung wird ausnahmsweise etwas erlaubt, das ohne sie eine unerlaubte Handlung darstellen würde. Erteilt der Rechtsinhaber eine Einwilligung, erlaubt er mithin einer anderen Person, in sein Rechtsgut einzugreifen. Konstruktiv wird die Einwilligung folglich als Rechtfertigungsgrund qualifiziert, der einer Pflichtverletzung bzw unerlaubten Handlung das Merkmal der Widerrechtlichkeit nimmt (Kohte AcP 185 (1985), 105 [110]; Dasch, Einwilligung 27ff/50). Strittig ist die Rechtsnatur der Einwilligung (Willenserklärung, Realakt oder rechtsgeschäftsähnliche Handlung – zum Streit Ohly, Die Einwilligung im Privatrecht, 178ff). In der Sache geht es dabei um die Frage nach der Anwendbarkeit der Rechtsgeschäftsregelungen (zum Streit um die Rechtsnatur sowie zu den einzelnen Arg s ausf Klass, Realitätsfernsehen, 255ff mwN). Diese Frage sollte jedoch nicht abstrakt, sondern vielmehr induktiv im Lichte der konkreten Einzelfragen und mit Blick auf eine möglichst umfassende Absicherung des Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen beantwortet werden (Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 148; Klass AfP 2005, 507 [508]; Kohte AcP 185 (1985), 105 [120]), denn die rechtliche Einordnung als solche vermag die Frage nach der Angemessenheit einer Anwendung der rechtsgeschäftlichen Regelungen nicht abschließend zu lösen. 2. Abgabe, Zugang und Auslegung. a) Abgabe und Zugang. Die Einwilligung ermöglicht weitrei- 230 chende Dispositionen über Rechtsgüter – sie ist zudem ein Kommunikationsakt, weshalb Abgabe und Zugang der Erklärung als Wirksamkeitsvoraussetzungen anzusehen sind – eine mutmaßliche Einwilligung ist abzulehnen. Nur so kann der Gefahr einer Konstruktion fiktiver Einwilligungen begegnet werden (Kohte AcP 185 [1985], 105 [122]). b) Stillschweigende Einwilligungserklärungen. Bestehen keine spezialgesetzlichen Schriftformer- 231 fordernisse (§ 4a I S 3 BDSG, § 8 II TPG), ist grds auch eine konkludente Abgabe der Einwilligung möglich (Hamm NJW-RR 1997, 1044 – Nacktaufnahmen; Karlsruhe GRUR-RR 2006, 419 – Kamerateam; eine ausdr Einwilligung fordert jedoch München AfP 2001, 135 [136] – Verehrer [Aufhebung der Anonymität]; vgl auch BAG DB 1983, 2780 zur Anfertigung eines graphologischen Gutachtens). Allerdings sind bei konkludenten Einwilligungen im Kontext des Persönlichkeitsrechts erhöhte Anforderungen zu stellen, um dem Selbstbestimmungsrecht in diesem sensiblen Bereich zur bestmöglichen Durchsetzung zu verhelfen (im Einz Klass AfP 2005, 507 [511]). Allein aus dem fehlenden Widerspruch gegen Filmaufnahmen kann bspw nicht auf eine Einwilligung in die Veröffentlichung geschlossen werden (AG Kleve ZUM-RD 2009, 555 – Drogenkriminalität; anders Frankfurt ZUM-RD 2010, 320 [323]: wer erkennt, dass er gefilmt wird, und ohne Unwillen zu zeigen Fragen beantwortet, und durch Gesten [freundliches Winken] seine Zustimmung deutlich macht, willigt in die spätere Aufzeichnung ein; differenzierend Karlsruhe GRUR-RR 2006, 419 – Kamerateam: die stillschw erteilte Einwilligung kann nur für die Verbreitung in einem Rahmen angenommen werden, der nicht in einem Missverhältnis zu der Bedeutung steht, die der Betroffene selbst der den Gegenstand der Filmaufnahme bildenden Thematik beilegt). Grds gilt: Die Einwilligungserklärung muss umso eindeutiger sein, je gewichtiger der Eingriff als auch das betroffene Rechtsgut sind (Ohly, 339). c) Umfang und Reichweite – die Auslegung von Einwilligungserklärungen. Die Einwilligung ist ein 232 empfangsbedürftiger Sozialakt, weshalb im Rahmen der Auslegung § 133 Bedeutung erlangt (Hamburg AfP 1981, 356). Die Auslegung dient der Ermittlung des wirklichen Willens des Einwilligenden und sichert dessen Selbstbestimmung. Grds hängt die Reichweite einer erteilten Einwilligung von der Art der Veröffentlichung ab, welche den unmittelbaren Anstoß für ihre Erteilung gegeben hat; ihr darüber hinausgehend Bedeutung für einen anderen Kontext beizulegen, ist nur bei Bestehen eines besonderen Interesses des Betroffenen möglich (BGH GRUR 2005, 74 [75] – Reitturnier). Bleiben Zweifel, kann zudem auch auf die urheberrechtliche Zweckübertragungstheorie (§ 31 V UrhG, München AfP 2001, 135 [136] – Verehrer; Hamburg NJW 1996, 1151) sowie die im Datenschutzrecht anerkennte Zweckbindungslehre zurückgegriffen werden. Im Grds muss eine Einwilligung nach Treu und Glauben (Hamburg SpuRt 2010, 159 – Anti-Doping-Regelwerk) und im Zweifel eng ausgelegt werden (LG Nürnberg-Fürth AfP 2009, 177). Erforderlich ist zudem Kenntnis von Umfang und Zweck der Einwilligung (im Bereich der Bildberichterstattung BGH NJW 1985, 1617 [1618f] – Biologiebuch sowie Stuttgart NJW 1982, 652 – Nacktfoto; Hamburg AfP 1987, 703 [704] – Aids hinter Gittern). HierN. Klass

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Allgemeiner Teil

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durch lassen sich unbeschränkte Generaleinwilligungen ausschließen. Grds gilt, dass der sachliche, aber auch der zeitliche Umfang einer Einwilligung als begrenzt anzusehen ist, denn nur so kann dem Bedürfnis nach Fort- und Weiterentwicklung der Persönlichkeit, den Wertanschauungen und Meinungen des Einzelnen Geltung verschafft werden (Oldenburg NJW 1983, 1202f; ebenso Soehring, Pressrecht § 19 Rn 47). Die Reichweite einer Einwilligung ist daher im Einzelfall unter Beachtung aller Umstände der Einwilligungserteilung und unter Berücksichtigung der beteiligten Interessen zu bestimmen (vgl auch BVerfG ZUM-RD 2010, 657 – Charlotte Casiraghi; Anerkennung der Rspr des BGH, wonach mit der Einwilligung in frühere Aufnahmen keine generelle Öffnung ggü dem öffentlichen Interesse verbunden ist; BVerfG NJW-RR 2010, 1195 [1196] – Hanfpflanze: Eine Berichterstattung über das Ermittlungsverfahren kann das APR stärker betreffen als eine von der Einwilligung umfasste Homestory). 233

3. Widerruflichkeit. Eine isolierte, einseitig erklärte Einwilligung, die keinen schützenswerten Vertrauenstatbestand schafft, ist prinzipiell jederzeit widerrufbar (s auch gesetzliche Normierungen in Spezialbereichen wie bspw § 8 II TPG, § 40 II AMG; unstr auch im Bereich ärztlicher Heileingriffe; zum Stand der Meinungen in Literatur und Rspr s Ohly, Die Einwilligung im Privatrecht, 346ff; Kohte AcP 185 (1985), 105 [137] mwN; Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, 171). Ist die Einwilligung jedoch Bestandteil einer vertraglichen Vereinbarung, dient sie erkennbaren kommerziellen Interessen oder der Vermarktung einer Person, findet aufgrund der Spannungslage zw dem Selbstbestimmungsrecht auf der einen und Vertrauensschutzgesichtspunkten auf der anderen Seite nach überwiegender Meinung im Grundsatz § 130 I S 1 Anwendung und nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wird dem Einwilligenden ein Widerrufsrecht zugestanden (Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte 149f; Klass AfP 2005, 507 [514]; Dasch, Einwilligung, 84ff; Helle AfP 1985, 93 [100]). Für die Frage, wann ein wichtiger Grund vorliegt, kann der Rechtsgedanke der §§ 42 UrhG, 35 VerlG fruchtbar gemacht werden, so dass sich eine Person bei einem grds Überzeugungswandel, der einen Bestand der Einwilligung nicht zumutbar erscheinen lässt, von einer Verpflichtung lösen kann (München AfP 1989, 570 [571]; LG Nürnberg-Fürth AfP 2009, 177: Widerruf möglich, wenn Weiterverwendung infolge einer Wandlung der Persönlichkeit persönlichkeitsrechtsverletzend wäre; verneint im Falle der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens; Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 150; Soehring, Presserecht § 19 Rn 49). Den Wandel der Persönlichkeit muss der Betroffene beweisen (LG Köln AfP 1996, 186). Dem Vertrauen des Adressaten in den Bestand der Einwilligung wird durch die Gewährung eines Anspruchs auf den eventuell erlittenen Vertrauensschaden analog § 122 Rechnung getragen (Klass AfP 2005, 507 [514]; Dasch, Einwilligung, 87; Helle AfP 1985, 93 [101]; Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 150 ua; aA Frömming/Peters NJW 1996, 958 [959], die § 42 III UrhG analog anwenden wollen). Maßgeblich sind letztlich die Umstände des Einzelfalls, wobei insb die Bedeutung des betroffenen Rechtsguts, die jeweilige Eingriffsintensität und die äußeren Umstände der Einwilligungserteilung in die Beurteilung einzustellen sind. Da die Dispositionsmacht über eigene Rechtsgüter nicht grds entzogen werden kann, ist ein Widerruf selbst dann möglich, wenn die Einwilligung unwiderruflich erteilt wurde (Klass AfP 2005, 507 [515]; Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 149f; Dasch, Einwilligung, 86).

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4. Einwilligung Minderjähriger sowie Geschäftsunfähiger. Ein Minderjähriger kann im Grundsatz nicht wirksam über sein APR disponieren – vielmehr bedarf er hierzu der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, dh trotz des höchstpersönlichen Rechtsgutes bleibt es grds bei der nach §§ 107ff vorgesehenen Entscheidungsbefugnis der gesetzlichen Vertreter. Allerdings ist dem Minderjährigen, der die erforderliche Einsichtsfähigkeit und Verstandesreife besitzt, ein Mitspracherecht einzuräumen (ähnlich auch BGH NJW 1974, 1947 [1950] – Nacktaufnahmen; Düsseldorf FamRZ 1984, 1221 [1222]; aA Hamm JR 1999, 333f – Schwangerschaftsabbruch; Düsseldorf FamRZ 2010, 1854 – Fernsehfilm). Dieser kann folglich nicht gegen den Willen seiner Eltern eine Einwilligung zum Eingriff in sein APR erteilen, der gesetzliche Vertreter kann dies jedoch auch nicht gegen den Willen des einsichtsfähigen Minderjährigen (Doppelzuständigkeit). Einsichtsfähigkeit liegt vor, sofern der Minderjährige sich seiner Stellung im sozialen Umfeld bewusst ist, dementsprechend seine Rolle und seine Selbstdarstellung nach außen autonom gestalten und er die Tragweite seiner Entscheidung beurteilen kann. IdR kann ab Vollendung des 14. Lebensjahres von Einsichtsfähigkeit ausgegangen werden (LG Bielefeld NJW-RR 2008, 715 – Super Nanny mwN). Vereinzelt wurde die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter jedoch auch gänzlich für entbehrlich gehalten (BGH 29, 33 [36]; Heidenreich AfP 1970, 960ff; vgl auch Rspr zu den prozessualen Weigerungsrechten Karlsruhe FamRZ 1998, 563 [564] sowie FamRZ 1983, 742 [743]). Einwilligungen Geschäftsunfähiger und Einwilligungen, die in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand erteilt wurden, sind unbeachtlich.

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5. Willensmängel. Ob Fehlvorstellungen, die bereits bei der Entscheidungsfindung vorlagen, eine Anfechtungsmöglichkeit eröffnen, ob im Falle eines Anfechtungsrechts eine Erklärung zu erfolgen hat, oder ob die Einwilligung in derartigen Konstellationen ipso iure unwirksam ist, wird nicht einheitlich beurteilt. Weitgehend anerkannt ist jedenfalls, dass einer Einigung, die Resultat einer widerrechtlichen Drohung oder arglistigen Täuschung ist, die Wirkung versagt bleiben muss. Nach überwiegender Ansicht sollten aber auch die Anfechtungsgründe des § 119 bei der Wirksamkeitsprüfung einer Einwilligung Beachtung finden (Kohte AcP 185 (1985), 105 [139]; Klass AfP 2005, 507 [514]; Frömming/Peters NJW 1996, 958 [959]; Dasch, 79; BGH NJW 1964, 1177 plädiert für eine Anfechtungsoption im Falle eines „einfachen Irrtums“ – sei dieser jedoch so stark, dass die Willensbildung nicht mehr als Ausfluss der eigenen inneren Willensbildung aufgefasst werden könne, sei dies anders; für eine grds Möglichkeit der Anfechtung auch LG Bielefeld NJW-RR 2008, 715 – Super Nanny). Eine Anfechtung ist daher bspw möglich, wenn der Einwilligende über den Umfang und die Tragweite des Eingriffs irrt, wenn er also Fehlvorstellungen über den Kontext oder die Reichweite seiner Dispositi82

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on unterliegt. Eine Erstreckung auf Motivirrtümer erscheint jedoch nicht angebracht (zu Widerrufsoptionen s Rn 233). Da es sich bei der Einwilligung um einen empfangsbedürftigen Sozialakt handelt und Verkehrsschutzgesichtspunkte eine Rolle spielen, ist zudem eine Erklärung nach § 143 I zu verlangen, wobei die Klage eines Verletzten im Schadensersatzprozess oder einer anderen gerichtlichen Auseinandersetzung meist zugleich als Anfechtungserklärung angesehen werden kann. 6. Stellvertretung. Angesichts des höchstpersönlichen Charakters des APR wird eine Stellvertre- 236 tung im Rahmen der Einwilligungserteilung zT grds für unzulässig erachtet (Kohte AcP 185 (1985), 105 [142]); nach aA ist eine solche Autorisierung aber jedenfalls mit Blick auf die kommerziellen Komponenten des APR unproblematisch, denn diese stünden den der Regelung der §§ 164ff zugrunde liegenden vermögensrechtlichen Wertungen nahe (Dasch, 90; München NJW 2002, 305 – Talkshow, bejaht grds eine Stellvertretung mit Blick auf die Einwilligung nach § 22 S 1 KUG [im konkreten Fall handelte es sich jedoch um eine postmortale Konstellation], da es sich jedenfalls um eine rechtsgeschäftsähnliche Erklärung handele). I Erg ist wohl mit Blick auf das konkret zur Disposition stehende Rechtsgut zu entscheiden. Einwilligungen, die sehr weitreichende Folgen für den sozialen Geltungsanspruch haben, oder die die körperliche Integrität betreffen, sollten durch den Betroffenen selbst erklärt werden, während insb im Kontext der Vermarktung Prominenter die Willensbildung zu einem gewissen Maße auch delegiert werden kann (Klass AfP 2005, 507 [514]; Ohly, 154ff). 7. Sittenwidrigkeit. Als Grenze der rechtfertigenden Einwilligung kann § 138 gelten, ob nun in ana- 237 loger (BGH 67, 48 [51]) oder direkter Anwendung (Zittelmann AcP 99 (1906), 1; Hubmann, 184). Die Sittenwidrigkeit kann sich dabei aus dem Inhalt der Einwilligung, dem Gesamtcharakter der Vereinbarung oder der konkreten Situation der Einwilligungserteilung ergeben. Wird der Einzelne zum Objekt eines anderen gemacht, wird gegen grundlegende Wertungen der Rechtsordnung verstoßen, wird eine überlegene Machtposition ausgenutzt oder liegt ein krasses Missverhältnis zw Leistung und Gegenleistung vor, erweist sich § 138 als notwendiges Instrument, um sowohl der Selbstbestimmung als auch anerkannten verfassungsrechtlichen Grundwerten Geltung zu verschaffen (s hierzu Hubmann, 184; Ohly, 445ff; Klass AfP 2005, 507; Kohte AcP 185 [1985], 105 [134]; Frömming/Peters NJW 1996, 958). 8. Die informierte Einwilligung. Im Vorfeld der Einwilligungserteilung zu weitreichenden Eingriffen 238 in das APR ist zur Wahrung der Selbstbestimmung des Einzelnen die Vornahme einer Aufklärung zu fordern (weitgehend anerkannt ist die „informierte Einwilligung“ im Medizin- sowie im Datenschutzrecht: Uhlenbruck MedR 1992, 134ff; Simitis NJW 1984, 394 [402]; Schaar MMR 2001, 644ff; Körner, Informierte Einwilligung FS Simitis, 2000, 131ff; s auch § 8 II S 1 TPG und § 40 I Nr 1 AMG). Ziel dieser Aufklärung muss es sein, den Betroffenen mit allen für seine Entscheidung relevanten Informationen zu versorgen. Zweck der konkreten Informationspflichten, die sich nach dem jew Informationsbedarf, Umfang und Zweck der Einwilligung, der Möglichkeit der Informationsweitergabe aus Sicht des Pflichtigen sowie deren Angemessenheit richten, ist es, die Informations- und Entscheidungsbasis des Einwilligenden zu erweitern und ihm mögliche Risiken zu vergegenwärtigen (Breidenbach, Informationspflichten beim Vertragsschluss, 11; Ohly, 391 nennt als Kriterien für die Frage, ob dem Einwilligungsempfänger das Informationsrisiko aufzubürden ist: das Berufsbild des Einwilligungsempfängers, seinen Informationsvorsprung sowie die Natur des betroffenen Rechts und die Schwere des Eingriffs). Je wesentlicher die Information, je stärker der Kernbereich des APR betroffen ist, desto umfangreicher und genauer muss die Aufklärung ausfallen (so auch Castendyk Hdb des Persönlichkeitsrechts § 41 Rn 17). Nach Vorinformation kann zwar auf einzelne Aspekte der Aufklärung – auch durch schlüssiges Verhalten (Roßner NJW 1990, 2291 [2294]) – verzichtet werden, nicht jedoch auf die Aufklärung im Ganzen. Informationspflichten haben allerdings nicht den Zweck, eine „vernünftige“ Entscheidung herbeizuführen. 9. Formulareinwilligung. Vorformulierte Einwilligungserteilungen unterliegen der AGB-Kontrolle 239 (§§ 305ff). Die Kontrolle der Inanspruchnahme einseitiger Gestaltungsfreiheit ist bei Dispositionen über das APR erforderlich, um eine privatautonome Entscheidung des Einwilligenden sicherzustellen (Hollmann NJW 1978, 2332; BGH NJW 1986, 46; LG Hamburg ZIP 1982, 1313 [1314]; Kohte AcP 185 (1985), 105 [129]; Körner, Informierte Einwilligung FS Simitis, 132; Klass AfP 2005, 507; Ohly, 439ff). III. Wahrnehmung berechtigter Interessen, § 193 StGB. Der Rechtfertigungsgrund (zum Streit um 240 die dogmatische Einordnung s Schmelz Hdb des Persönlichkeitsrechts § 31 Rn 7ff) des § 193 StGB, der ursprünglich nur im Bereich der üblen Nachrede anwendbar war, wurde von der höchstrichterlichen Rspr auf die gesamte Rechtsordnung ausgedehnt (BVerfG 2006, 207 [208] – Stolpe; NJW 1999, 1322 [1324] – Helnwein) und gilt für den zivilrechtlichen Schutz der Ehre und des APR entspr. Im Rahmen der Güter- und Interessenabwägung ist daher zu prüfen, ob sich der Äußernde auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen kann. § 193 StGB stellt eine notwendige Haftungsreduzierung insb für die Medien dar, solange diese sorg- 241 fältig handeln (hierzu Rn 242), und dient insofern dem ungestörten Kommunikationsprozess (BVerfG NJW 1999, 1322 [1324] – Helnwein). Haben die Medien zum Zeitpunkt der Äußerung an die Wahrheit geglaubt und die ihnen obliegenden journalistischen Sorgfaltspflichten beachtet, so können sie sich auf den Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen, selbst wenn sich nach der Veröffentlichung die Unwahrheit der aufgestellten Behauptung herausstellt; erforderlichenfalls sind die Tatsachen zu beweisen, aus denen sich das berechtigte Interesse ergibt (Leipold FS Hubmann, 271). Die Wahrnehmung berechtigter Interessen iSd § 193 StGB durch die Medien wird dabei nicht nur bejaht, wenn diese im Rahmen ihrer Aufgaben die Öffentlichkeit unterrichten, Kritik üben (Düsseldorf NJW 1992, 1335) oder sich an der öffentlichen Auseinandersetzung N. Klass

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Allgemeiner Teil

Personen

über gesellschaftlich oder politisch relevante Fragen beteiligen (BVerfG NJW 1995, 3303 [3304] – Soldaten sind Mörder IV). Vielmehr wird im Einzelfall auch die Berichterstattung über wirtschaftliche Ereignisse (BGH NJW 1993, 525 – Kettenmafia; NJW 1966, 2010 – Teppichkehrmaschine) sowie über Ereignisse aus dem Unterhaltungsbereich (Damm/Rehbock Rn 653i; BVerfG NJW 2000, 1021 – CvM) erfasst. Ebenfalls muss das verfolgte Interesse kein eigenes Interesse des Angreifers sein (BVerfG 12, 113 [125] – Schmid/Spiegel; NJW 1995, 3303 [3304] – Soldaten sind Mörder IV; BGH NJW 1961, 819 – Schmid; NJW 1996, 1131 – Lohnkiller). 242

Die Risikoverteilung des § 193 StBG führt zu einer Umkehr der Beweislast, wenn sich die Medien darauf berufen können, in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt zu haben: der Betroffene muss die Unwahrheit beweisen (Saarbrücken NJW-RR 2010, 346 [347]; BGH NJW 1993, 525 [527] – Ketten-Mafia; NJW 1998, 3047 [3049] – Stolpe; Hager AcP 1996, 168 [188]; zur Beweislast auch BGH NJW 1974, 1710 [1711]; LG Berlin ZUM-RD 2009, 396 [401] – Jopie Heesters). Jedoch trägt der Äußernde die erweiterte Darlegungslast, dass er bei seinen Recherchen die je nach Seriosität der Informationsquelle, Aufklärungsmöglichkeiten, Intensität des Eingriffs und Informationsinteresse der Öffentlichkeit unterschiedlich strengen materiellen Sorgfaltspflichten erfüllt hat. Die Sorgfaltspflichten richten sich nach den Aufklärungsmöglichkeiten; sie sind angesichs der erheblichen Breitenwirkung sowie des erheblichen Einflusses der Medien („pressemäßige Sorgfalt“, vgl bspw § 6 Landespressegesetz NRW: „Die Presse hat alle Nachrichten vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit zu prüfen“) strenger als für Private (BVerfG NJW 2003, 1855 [1856]; NJW 1999, 1322 [1324] – Helnwein; NJW 2000, 1209 [1210] – Junge Freiheit; LG Köln ZUM-RD 2005, 351 [353] – Hassprediger; s auch BVerfG NJW 1992, 1439 [1442] – Laienprivileg: zur Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen durch einen Verein via Flugblatt). Dabei gilt: Je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, umso höhere Anforderungen sind an die Erfüllung der Sorgfaltspflichten zu stellen (BVerfG NJW-RR 2010, 470 [472] – Presseschau). Verneint wird das Vorliegen pressemäßiger Sorgfalt, wenn der Äußernde seine Behauptung nur auf nachteilige Anhaltspunkte stützt und verschweigt, was gegen die Richtigkeit seiner Behauptungen spricht (BVerfG NJW 2006, 207 [210] – Stolpe). Allerdings dürfen die Anforderungen an die pressemäßige Sorgfalt im Interesse eines möglichst freien Kommunikationsprozesses nicht überspannt werden (Köln NJW-RR 2002, 1341 [1344]; BVerfG NJW 1999, 1322 [1324] – Helnwein; NJW 2000, 1209 [1210] – Junge Freiheit). Insb ist keine Nachrecherche bei der Wiedergabe von Meldungen sog privilegierter Quellen (s hierzu auch Rn 243 sowie 165) erforderlich. So sollen Meldungen anerkannter Agenturen (dpa) idR keiner Nachprüfung bedürfen, sog Agenturprivileg (LG München I AfP 1975, 758), zumindest sofern die praktischen Möglichkeiten zu ihrer Überprüfung im Rahmen des Zumutbaren genutzt werden, BVerfG NJW 2004, 590, weshalb für Presseagenturen grds dieselben Sorgfaltspflichten gelten wie für andere Presseunternehmen, BVerfG NJW 2004, 589 – Schröders Haarfarbe.

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Entspr soll für Presseerklärungen der Justiz oder andere amtl Verlautbarungen gelten (Karlsruhe NJW-RR 1993, 732; zum berechtigten Vertrauen auf amtl Mitteilungen und zur Qualifizierung staatsanwaltschaftlicher Verlautbarungen als privilegierte Quelle vgl Rn 165); ggf genügt auch der Verweis auf unwidersprochene Pressemitteilungen, sofern diese zur Stützung der Behauptung geeignet sind (BVerfG NJW 2006, 207 [210] – Stolpe; s auch BVerfG NJW 1992, 1439 [1442] – Laienprivileg) – auch hier gilt: je seriöser die Quelle, desto geringer ist die Pflicht zur journalistischen Sorgfalt. Bei konkreten Zweifeln an der Richtigkeit der Meldung oder bei einem „Äußerungsexzess“ (Widmaier/Lehr Rn 25) kann jedoch im Einzelfall eine Ausnahme bestehen (KG NJW-RR 2008, 356; s auch BVerfG NJW 2010, 1195 [1197] – Hanfpflanze). Bei der Bewertung des erforderlichen Maßes an Sorgfalt sind neben der Relevanz der Nachricht sowie der Art und Schwere des Vorwurfs auch das pressemäßige Erfordernis der Aktualität (BGH NJW 1977, 1288 – Abgeordneten-Bestechung) sowie der oftmals bestehende Zeitdruck (zum Aktualitätsdruck BVerfG NJW 2004, 589 – Schröders Haarfarbe) zu berücksichtigen. Die Medien dürfen sich zudem auf Pressemitteilungen eines Unternehmens über Interna verlassen; eine Nachfrage ist insofern grds entbehrlich (LG Berlin ZUM-RD 2008, 555 [556] – Apotheker Zeitung). Bei unseriösen oder anonymen Quellen ist jedoch besondere Sorgfalt geboten, insb genügt es nicht, wenn darauf hingewiesen wird, dass für den Informanten keine Gewähr übernommen werde (BGH 68, 331 – Abgeordneten-Bestechung). Mangelt es an der im Einzelfall erforderlichen Sorgfalt, so entfällt der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB; der Einwand, auch bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte die Unwahrheit nicht erkannt werden können (rechtmäßiges Alternativverhalten), ist grds nicht zulässig (Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 54; Helle Grundlagen Rn 115). Nicht gedeckt – weder von der Meinungsfreiheit noch von § 193 StGB – ist ebenfalls die Schmähkritik (vgl Rn 254). IV. Die Kommunikationsfreiheiten und das APR, insbesondere Ehrenschutz

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1. Schutz durch die Kommunikationsfreiheiten. Dem Interesse am Schutz der Persönlichkeit steht oftmals das Interesse an der Freiheit der Kommunikation gegenüber. Aufgrund des Rahmencharakters des APR und des in diesen Konstellationen bestehenden Konflikts zw zwei verfassungsrechtlich geschützten Gütern besonderen Ranges kann die Frage, ob und inwieweit eine rechtswidrige Verletzung des APR vorliegt, idR nur aufgrund einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung im Einzelfall beantwortet werden, im Rahmen derer der wertsetzenden Bedeutung der Grundrechte, insb der herausgehobenen Stellung der Kommunikationsfreiheiten des Art 5 I GG, Rechnung zu tragen ist. Die Meinungsfreiheit gewährleistet jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung wird zu Recht zu den „vornehmsten Menschenrechten“ (BVerfG 7, 198 [208] – Lüth; Jarrass/Pieroth Art 5 GG Rn 2) gerechnet. Es ist in gewissem Sinne „Grundlage jeder Freiheit überhaupt“ (BVerfG 7, 198 [208] – Lüth), denn die Freiheit der Meinungs84

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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

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äußerung ist Voraussetzung dafür, dass sich der Einzelne als soziale Person in Freiheit entwickeln und sich eine eigene Meinung zu wesentlichen Fragen bilden kann (BVerfG NJW 2001, 2957 – Kaisen mwN; EGMR NJW 2006, 1645 [1647 Tz 71] – Das blinde Auge der Polizei). Die Meinungsfreiheit wird insofern sowohl im Interesse der Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen als auch im Interesse des demokratischen Prozesses, für den sie konstitutive Bedeutung hat, gewährleistet (BVerfG 7, 198 [208] – Lüth; 35, 202 [221] – Lebach; 61, 1 [7] – NPD Europas). Grds soll jeder frei sagen können, was er denkt, auch wenn er keine nachprüfbaren Gründe für sein Urt angibt oder angeben kann (BVerfG NJW 1974, 1762 – Deutschland-Stiftung; 61, 1 [7] – NPD Europas ua). Schutzgut des Grundrechts ist nicht die Äußerung an sich, sondern die Meinungsäußerung (Grimm NJW 1995, 1697 [1698]), welche stets weit zu verstehen ist. Meinungen sind grds durch das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder der Beurteilung geprägt (BVerfG 61, 1 [9] – NPD Europas; 71, 162 [179] – Arztwerbung) – sie unterscheiden sich durch ihren subjektiven Bezug, der zw dem sich Äußernden und der Aussage besteht, von Tatsachenbehauptungen, die ihrerseits durch eine objektive Beziehung zw Aussage und Realität gekennzeichnet sind (zur Abgrenzung anhand des Merkmals der Beweisbarkeit auch Rn 101). Tatsachenbehauptungen werden im Gegensatz zu Meinungsäußerungen jedoch nur von Art 5 I S 1 Hs 1 GG erfasst, soweit sie wahr und Voraussetzung für das Bilden von Meinungen oder mit Werturteilen verbunden sind – erwiesene oder bewusst unwahre Tatsachen sowie unrichtige Zitate fallen von vornherein aus dem Schutzbereich heraus (statt vieler BVerfG 61, 1 [7] – NPD Europas; 90, 241 [247] – Auschwitzlüge, s hierzu auch Rn 100). Geschützt ist jede Form der Meinungsäußerung – die in Art 5 I S 1 Hs 1 GG ausdr genannten Äuße- 245 rungsformen haben nur beispielhaften Charakter (Herzog in Maunz/Dürig Art 5 GG Rn 70). Ebenfalls geschützt ist die Wahl von Ort und Zeit einer Äußerung – der Äußernde kann sich mithin diejenigen Umstände suchen, „von denen er sich die größte Verbreitung oder die stärkste Wirkung seiner Meinungsäußerung verspricht“ (BVerfG NJW 1995, 3303 – Soldaten sind Mörder IV). Die Pressefreiheit wird ebenso wie die Meinungsfreiheit sowohl als Individualgrundrecht, das der individuellen Meinungsbildung des Einzelnen dient, als auch als Kollektivgrundrecht, das der freien Meinungsbildung in der Gesellschaft dient und damit Grundvoraussetzung eines demokratischen Systems ist, geschützt (dazu BVerfG 57, 295 [319] – Privatfunk Saarland; NJW 2000, 1021 – CvM]). Unter den Begriff Presse fallen nicht nur periodische Presseerzeugnisse wie Zeitungen und Zeitschriften, sondern alle für die Allgemeinheit bestimmten (auch nicht periodischen) Druckerzeugnisse wie Bücher, Plakate, Flugblätter, Handzettel ua (BVerfG 10, 118 [121]; 20, 162 [175] – Spiegel; 85, 1 [12] – Krit Bayer-Aktionäre). Geschützt ist jede Form der Presseberichterstattung, insb findet keine Begrenzung auf die „seriöse Presse“ statt – Pressefreiheit gilt für alle Presseerzeugnisse ohne Rücksicht auf den Wert der verbreiteten Informationen (auch Werkszeitungen sind geschützt, BVerfG NJW 1997) und somit auch für Unterhaltungs-, Skandal- und Sensationsblätter (BVerfG NJW 1998, 1627 – Kurzberichterstattung im Fernsehen; NJW 2000, 1021 – CvM; NJW 2006, 2836 – Luftbildaufnahme einer Prominentenvilla; Rehm AfP 1999, 416). Der Inhalt und die Form der Berichterstattung können jedoch im Rahmen des Abwägungsprozesses Bedeutung erlangen (BVerfG 34, 269 – Soraya; vgl jedoch EGMR NJW 2004, 2647 – CvH/Deutschland, der die Gleichwertigkeit aller Presseberichterstattungen infrage stellt, s hierzu Rn 43; krit insofern KG NJW 2005, 2320 in Anlehnung an Mann NJW 2004, 3220). Ebenfalls in den Schutzbereich der Pressefreiheit fällt die Tätigkeit von Presseagenturen, welche Unterhaltungszwecken dienende Bilder zur Veröffentlichung in den Medien bereitstellen (BVerfG NJW 2006, 2836 – Luftbildaufnahme einer Prominentenvilla) sowie der Anzeigenteil eines Presseorgans (BVerfG 21, 271 [278] – Südkurier; 64, 108 [114] – Anzeigenaufnahme; NJW 2001, 591 – Benetton und 107, 275 – Benetton II m Anm Lange JZ 2003, 624; dazu Ahrens JZ 2004, 763); selbst reine Anzeigenblätter werden erfasst (Köln NJW 1984, 1121). Geschützt ist die Verbreitung von Tatsachen und Meinungen, einschl der Form der Darstellung (BGH 31, 308 [314] – Abgeordneten-Bestechung). Ebenfalls geschützt ist die negative Pressefreiheit, verstanden als Freiheit, etwas nicht zu berichten (BGH NJW 1972, 431 – Freispruch; diese Freiheit findet jedoch am Widerrufs- und Gegendarstellungsrecht ihre Grenze). Geschützt sind alle für die Presseveröffentlichung erforderlichen Tätigkeiten – von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung (BVerfG 43, 130 [137]; 71, 162 – Autobiographie eines Chefarztes; 85, 1 [13] – Krit Bayer-Aktionäre). Besonderen Schutz erfahren hierbei die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit (BVerfG 20, 162 [187] – Spiegel; 66, 116 [133] – Wallraff; 85, 1 [12] – Krit Bayer-Aktionäre) sowie das Verhältnis der Presse zu ihren Informanten (NJW 2002, 592 – Handy-Überwachung I; NJW 2003, 1787 – Handy-Überwachung II). Soweit es um das Verhältnis zum Ehren- und Persönlichkeitsrechtsschutz geht, ist die Rundfunk- 246 freiheit der Pressefreiheit weitgehend gleichzustellen. Sie gilt für Sendungen jeglicher Art, denn Information und Meinung können sowohl durch ein Fernsehspiel oder eine Musiksendung also auch durch Nachrichten oder politische Kommentare vermittelt werden (BVerfG NJW 1973, 1226 [1228] – Lebach I); auch die Unterhaltung gehört zum klassischen Rundfunkauftrag, wie er sich aus Art 5 I S 2 GG ergibt. Das Verbot einer Sendung ist daher stets ein erheblicher Eingriff in das Grundrecht der Rundfunkfreiheit (BVerfG NJW 2000, 1859 [1861] – Lebach II; LG Koblenz NJW 2007, 695 [696] – Gäfgen), der entspr gerechtfertigt werden muss. Zum Verhältnis zur Meinungsfreiheit ist festzustellen: Steht die Zulässigkeit einer Äußerung infra- 247 ge, so streitet unabhängig von der Art des Verbreitungsmediums in erster Linie die Meinungsfreiheit für die Zulässigkeit der Äußerung (BVerfG 85, 1 [12] – Krit Bayer-Aktionäre; NJW 2004, 277 [278]; NJW 2004, 589 – Schröders Haarfarbe mwN). Die Pressefreiheit ist kein „Spezialgrundrecht für drucktechnisch verbreitete Meinungen“, vielmehr geht es bei der Pressefreiheit um die einzelne Meinungsäußerungen übersteigende Bedeutung der Presse für die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung (BVerfG 85, 1 – Krit Bayer-Aktionäre). Die Pressefreiheit dient mithin primär dem Schutz N. Klass

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Personen

der im Bereich der Presse tätigen Personen bei Ausübung ihrer Funktion, der Presse als Institution sowie des Presseerzeugnisses selbst sowie seiner institutionell-organisatorischen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen (BVerfG 85, 1 – Krit Bayer-Aktionäre; Gleiches gilt für die Rundfunkfreiheit (BVerfG 97, 391 – Missbrauch). Jedoch spricht viel dafür, auch bei der Bewertung einer Äußerung eine gewisse Verstärkung durch Presse- und Rundfunkfreiheit zu akzeptieren, soweit diese aufgrund ihrer besonderen Rolle für die demokratische Ordnung stärkeren Schutz gewähren, und sei es nur aufgrund der Tatsache, dass für die in den Medien verbreitete Meinung die Vermutung spricht, dass sie der öffentlichen Meinungsbildung und nicht individuellen und wirtschaftlichen Interessen dient (so zu Recht Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 64; Helle Grundlagen Rn 105; dazu BVerfG NJW 2004, 589 [590] – Schröders Haarfarbe mwN). 248

2. Der Ehrenschutz als Schranke der Kommunikationsfreiheiten. Die wichtigsten Schranken für das Grundrecht aus Art 5 I S 1 Hs 1 GG sind in Art 5 II GG normiert. Danach findet die Meinungsfreiheit ihre Beschränkung in den Vorschriften der allg Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre. Das Verhältnis der drei genannten Schranken ist aufgrund der Rspr des BVerfG nahezu bedeutungslos – insb das Recht der persönlichen Ehre wird idR unter die Schranke der allg Gesetze gefasst und verliert nach Ansicht einiger Autoren somit seine eigenständige Bedeutung (Dreier/Schulze-Fielitz Art 5 GG Rn 120; krit jedoch Schmitt Glaeser JZ 1983, 95 [99f]; Epping/Hillgruber Art 5 GG Rn 111). Unabhängig von der dogmatischen Verortung bildet das Persönlichkeitsrecht des von einer Äußerung oder Berichterstattung Betroffenen jedenfalls als zivilrechtliche Ehrenschutzregelung eine Schranke der Meinungsfreiheit. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit muss zurücktreten, wenn schutzwürdige Belange eines anderen von höherem Rang verletzt werden – ob dies der Fall ist und überwiegende Interessen vorliegen, ist dabei aufgrund der Umstände des konkreten Falls zu ermitteln (st Rspr seit BVerfG 7, 198 [210f] – Lüth). I Erg findet eine Einzelfallabwägung statt, wobei nach der Rspr des BVerfG die jeweilige Schranke unter Beachtung der wertsetzenden Bedeutung des Art 5 I GG ausgelegt und angewendet werden muss (sog Wechselwirkungslehre, BVerfG 7, 198 [210f] – Lüth).

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3. Vorgaben für die Interessenabwägung. a) Wechselwirkungslehre: Die dreifache Berücksichtigung. Nach der im Lüth-Urt (BVerfG 7, 198 [208f]) begründeten Wechselwirkungslehre (SchrankenSchranke), die zunächst nur für die Schranke der allg Gesetze entwickelt und später auch auf das Verhältnis von Meinungsfreiheit und Ehrenschutz übertragen wurde, muss bei einer Kollision dieser beiden Rechtsgüter das Recht der Ehre seinerseits wieder im Lichte der Bedeutung der Meinungsfreiheit bestimmt und in seiner diese beschränkenden Wirkung entspr eingeschränkt werden. Die Wertungen des Art 5 I S 1 Hs 1 GG sind dabei nach der Rspr des BVerfG in dreifacher Hinsicht zu beachten: Erstens beim Verständnis der Äußerung, zweitens bei der Auslegung der einschlägigen Schrankenbestimmung und drittens bei der Abwägung der kollidierenden Interessen und Rechtspositionen (Grimm NJW 1995, 1697 [1700f]). Jedoch ist die Anwendung der Wechselwirkungslehre beim Ehrenschutz nicht unproblematisch, denn sie führt zu einer gewissen Relativierung des Ehrenschutzes, obwohl es sich bei diesem nicht um ein beliebiges Rechtsgut des einfachen Rechts, sondern um ein in Art 5 II GG explizit als eigene Schranke genanntes Rechtsgut mit Verfassungsrang handelt, welches sogar in Art 1 GG wurzelt. Aus diesem Grund wird an der Wechselwirkungslehre Kritik geübt (s hierzu ausf Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 69). Insb wird vorgebracht, dass eine Übertragung der Grundsätze auf den Ehrenschutz (BVerfG 12, 113 [125] – Schmid/Spiegel) zu einer Zeit stattgefunden habe, als die Ehre noch nicht unter dem grundrechtlichen Schutz der Art 2 I iVm Art 1 I GG stehend angesehen wurde; dabei sei verkannt worden, dass durch Art 5 II GG die Meinungsfreiheit ausdr unter den Vorbehalt allg Gesetze und der persönlichen Ehre gestellt wurde, was einer doppelten Einschränkung der Ehre „im Lichte des Grundrechts der Meinungsfreiheit“ auf der „2. Ebene der Normauslegung“ entgegenstehe, Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 69. Das BVerfG hält jedoch trotz dieser Kritik an seiner Rspr fest (s bspw BVerfGE 65, 157 [172f]).

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b) Der Kommunikationszusammenhang. Entscheidend für die einzelfallbezogene Abwägung sowohl auf der Grundlage einer generellen Betrachtung des Stellenwertes der betroffenen Grundrechtsposition als auch unter Berücksichtigung der Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung ist zudem der Kommunikationszusammenhang und mithin die Frage nach Anlass und Ort der Äußerung, Reaktion und Gegenreaktion, sonstigen Begleitumständen sowie dem primären Zeck der Aussage (Tettinger JZ 1983, 317 [321]). Beiträge in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage genießen bspw nach der Rspr des BVerfG stärkeren Schutz als Äußerungen, die lediglich der Verfolgung wirtschaftlicher oder privater Zwecke bzw Interessen dienen (s statt vieler BVerfG 82, 272 [281] – Zwangsdemokrat), denn wenn eine Person einen Beitrag zur Bildung der öffentlichen Meinung leisten will, sind Auswirkungen auf den Rechtskreis Dritter zwar zT unvermeidliche Folge, aber nicht das eigentliche Ziel der Äußerung (BVerfG NJW 1983, 1415 [1416]).

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c) Das Recht zum Gegenschlag. Wer im Meinungskampf deutlich Stellung bezieht, muss damit rechnen, dass sich andere mit ihm und seiner Meinung auseinandersetzen und dass die Reaktion im Einzelfall auch hart oder überzogen ausfällt. Er muss daher eine scharfe Reaktion auch dann hinnehmen, wenn sie sein Ansehen mindert (BVerfG 12, 113 [131] – Schmid/Spiegel [Publizistik, die auf dem Gebiet der Politik das ist, was Pornographie auf dem Gebiet der Moral]; 54, 129 [138] – Kunstkritik). Allerdings ergibt sich hieraus kein Recht zur permanenten Steigerung ehrverletzender Formen der Kritik (BGH NJW 1974, 1762 – Deutschland-Stiftung; Staud/Hager § 823 Rn C 100). Menschenwürdeverletzende Äußerungen sind daher auch als Gegenschlag nicht gerechtfertigt (BVerfG NJW 1992, 2013 [2014] – Nazi; BayObLG AfP 2002, 221 – Zigeunerjude; AG Weinheim NJW 1994, 1543 – Altkommunist im Geiste des Massenmörders Stalin); zu weitgehend daher die Entscheidung BVerfG 54, 129 86

N. Klass

Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

Anh § 12

[138] – Kunstkritik (Qualifizierung einer Bezeichnung eines Kunstkritikers als „bornierten Oberlehrer“ und „dialektischen Gartenzwerg“, der von „Verfolgungswahn“ genährt „Pogromstimmung“ erzeugt habe, als zulässige Meinungsäußerung). d) Die Vermutung für die freie und spontane Rede. Nach st Rspr des BVerfG (7, 198 [208] – Lüth) 252 streitet bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage eine Vermutung für die freie und spontane Rede, die auch pointierte, polemische und überspitzte Charakterisierungen erlaubt (Brandenburg NJW-RR 2007, 1641 [1642] – Hassprediger, s auch Saarbrücken AfP 2010, 493; BGH AfP 2010, 252 – Jagdfeindliche Sekte). Dies sei erforderlich, da andernfalls die „Gefahr einer Lähmung oder Verengung des Meinungsbildungsprozesses“ drohe (BVerfG 60, 234 [241] – Kredithai; 82, 272 [282] – Zwangsdemokrat; 54, 129 [139] – Kunstkritik: „Spontaneität freier Rede […] ist Voraussetzung der Kraft und der Vielfalt der öffentlichen Diskussion“). Eine Auslegung der die Meinungsfreiheit beschränkenden Gesetze, die an die Zulässigkeit öffentlicher Kritik in politischen Auseinandersetzungen überhöhte Anforderungen stellt, ist daher mit dem Grundgesetz nicht vereinbar (BVerfG 54, 129 [137] – Kunstkritik; 82, 272 [282] – Zwangsdemokrat). Allerdings darf es sich auch hierbei nicht um ein absolutes Vorrangverhältnis handeln; zudem ist zu beachten, dass es sich beim Ehrenschutz um eine in Art 1 I iVm Art 2 I GG wurzelnde, mit Verfassungsrang ausgestattete Schranke der Meinungsfreiheit handelt. Nicht umfasst sind zudem falsche Tatsachenbehauptungen. Zum Ursprung des Begründungsansatzes der Höherrangigkeit öffentlicher Interessen vor den Privatinteressen des Ehrenschutzes vgl Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 74. e) Der Grundsatz der Reizüberflutung. Auch einprägsame, polemische und überzogene Formulie- 253 rungen sind angesichts der heutigen Reizüberflutung hinzunehmen (BVerfG 24, 278 [286] – GEMA; 60, 234 [241] – Kredithai; 90, 241 [248] – Auschwitzlüge; BGH NJW 1994, 124), selbst dann, wenn sie eine scharfe und abwertende Kritik zum Inhalt haben und mit übersteigerter Polemik vorgetragen werden (BGH NJW 2008, 2110 – Gen-Milch; BVerfG NJW 2010, 3501 – Gen-Milch). f) Schmähkritik und Formalbeleidigungen. aa) Allgemeine Grundsätze. Nach st Rspr des BVerfG 254 tritt die Meinungsäußerungsfreiheit des Einzelnen hinter den Ehrenschutz des Betroffenen zurück, wenn die Äußerung die Menschenwürde antastet, es sich um eine Schmähkritik oder eine Formalbeleidigung handelt (BVerfG 60, 234 [242] – Kredithai; 61, 1 [10]; 66, 116 [151] – Wallraff; 82, 272 [283f] – Zwangsdemokrat; 85, 1 [16] – Krit Bayer-Aktionäre; 90, 241 [248, 254] – Auschwitzlüge; NJW 1995, 3303 – Soldaten sind Mörder IV; NJW 1991, 1475 [1477]), wobei dieser Achtungsanspruch auch über den Tod hinaus wirkt (BVerfG NJW 1993, 1462). Der Begriff der Schmähkritik ist jedoch mit Blick auf die Bedeutung der Meinungsfreiheit eng auszulegen (BVerfG 82, 272 [283f] – Zwangsdemokrat; NJW 1999, 204 – Oktoberfest). Es bedarf stets einer sorgfältigen Begründung, wenn angenommen werden soll, dass der Gebrauch eines Grundrechts auf die unantastbare Menschenwürde durchschlägt (BVerfG NJW 1995, 3303 [3307] – Soldaten sind Mörder IV). Eine Meinung wird nicht schon wg ihrer herabsetzenden Wirkung für Dritte zur Schmähkritik, vielmehr nimmt eine herabsetzende Äußerung erst dann den Charakter der Schmähung an, wenn in ihr nicht die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung und Kränkung einer Person im Vordergrund steht, welche jenseits polemischer und überspitzter Kritik persönlich herabgesetzt (BVerfG 82, 272 [283] – Zwangsdemokrat; BGH 143, 199 [209] – Schleimerschmarotzerpack; NJW 1994, 124; bestätigt und weiterentwickelt in BVerfG NJW 1995, 3303 – Soldaten sind Mörder IV; NJW 1999, 204 – Oktoberfest; NJW 1999, 2358 – FCKW; NJW 2006, 3769 – Babycaust) oder gleichsam an den Pranger gestellt werden soll (BGH NJW 2007, 686 – Terroristentochter). Überzogene, schonungslose oder unsachliche Kritik allein ist noch keine Schmähkritik (BVerfG NJW 1993, 1462). Die Rspr fordert zusätzlich auch eine vorsätzliche Ehrkränkung (BVerfG 61, 1 [12] – NPD Europas; BGH NJW 1974, 1762 – Deutschland-Stiftung) bzw eine die Sachnähe ausschließende Diffamierungsabsicht (BGH NJW 2007, 686 [688] – Terroristentochter; NJW 1974, 1762 [1763f] – Deutschland-Stiftung; München NJW 1996, 2515 [2516] – Heuschrecken; NJW-RR 1997, 724 [726] – Tabaklobby). Äußerungen „in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage“ sollen aus diesem Grund nur ausnahmsweise als Schmähkritik eingeordnet werden können, idR ist das Vorliegen einer solchen mithin auf Privatfehden beschränkt (BVerfG NJW 1995, 3303 [3304] – Soldaten sind Mörder IV; NJW 1999, 204 – Oktoberfest; KG AfP 2001, 65). Beleidigungen unter der Bezeichnung eines Kollektivs („Soldaten sind Mörder“) können im Allg keine Schmähkritik eines Einzelnen sein (BVerfG NJW 1995, 3303 [3306] – Soldaten sind Mörder IV), uU aber Beleidigung eines Kollektivs (hierzu Rn 52ff), zB der Bundeswehr, s BGH NJW 1989, 1365. Der Grenze der Schmähkritik unterliegen auch kritisierende Meinungsäußerungen zu gewerblichen Leistungen, sofern es sich nicht um eine wertende Kritik an gewerblichen Leistungen im Rahmen des geistigen Meinungskampfes handelt, sondern nur die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht (BGH NJW 1966, 1617 – Höllenfeuer; NJW 1976, 620 [622] – Warentest II; Frankfurt NJW 1990, 2002 – Restaurantkritik: „in den Teller hineingeschissen“ und „zum Kotzen“; München WRP 96, 925: Herabsetzung des Wettbewerbers: „Scheiß des Monats“; Schmähkritik verneint: BGH NJW 2008, 2110 – Gen-Milch; BVerfG NJW 2010, 3501 – Gen-Milch). Auch eine Karikatur kann Schmähkritik sein (BVerfG 75, 369 – Strauß-Karikaturen: Darstellung des verstorbenen bayerischen Ministerpräsidenten Strauß als sich sexuell betätigendes Schwein), ebenso findet die in Form einer Satire geäußerte Meinung und Kritik ihre Grenze dort, wo es sich um eine Schmähkritik oder eine Formalbeleidigung handelt (BGH 143, 199 [208] – Schleimerschmarotzerpack). Unterfällt eine Äußerung nicht dem Begriff der Schmähkritik, kann eine umfassende Abwägung dennoch ergeben, dass sie ehrverletzend ist (BVerfG NJW 1995, 3303 – Soldaten sind Mörder IV; Köln NJOZ 2009, 1449). Ob die Grenze der Schmähkritik von den Gerichten richtig erkannt wurde, ist vom BVerfG im Rahmen der Verfassungsbeschwerde überprüfbar (s hierzu Rn 7).

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Anh § 12

Allgemeiner Teil

Personen

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bb) Kasuistik zur Schmähkritik. Als Schmähkritik wurden eingeordnet: Behauptung, eine Fernsehansagerin sehe aus wie eine „ausgemolkene Ziege“, bei deren Anblick den Zuschauern die „Milch sauer werde“ (BGH 39, 124 – Fernsehansagerin); die Behauptung, Heinrich Böll sei ein „steindummer, kenntnisloser, talentfreier Autor“ gewesen, auch einer der „verlogensten, ja korrupptesten“, BVerfG NJW 1993, 1462 (keine Auseinandersetzung im Rahmen einer inhaltlichen oder ästhetischen Auseinandersetzung mit dem Werk; aA Larenz/Canaris SchuldR II 2, § 80 V, 1a); Einordnung des Auftritts der Band „Böhse Onkelz“ als „Altnazi-Treffen“ und Bezeichnung „Neonazi-Band“, deren Zusammenwirken mit der Vorgruppe „The Stroke“ eine „schwarz-braune Doppelpackung“ sei (LG Göttingen NJW 1996, 1138); Berichterstattung über die Bundesanstalt für Flugsicherung: „diese unsere Gesellschaft braucht keine militanten Terroristen, um beeinträchtigt oder vernichtet zu werden. Diese Terroristen sind unter uns. Sie stehen dazu noch im Solde des Staates.“ (Frankfurt NJW-RR 1993, 846 [852]); Bezeichnung als „Altkommunist im Geiste des Massenmörders Stalin“ (AG Weinheim NJW 1994, 1543); Bezeichnung als „Schuft“, „Kanaille“, „Halunke“ (Hamburg ZUM 1990, 413); LG Nürnberg-Fürth NJW 1998, 3423: Bezeichnung eines Frauenarztes, der Abtreibungen vornimmt, als „Kindermörder“ und „Berufskiller“; Bezeichnung eines Journalisten als „Berufsdesinformant“, der „Mitglied der journalistischen Totenkopfdivision Joseph Goebbels“ sei (LG München I AfP 1997, 827); BGH NJW 1987, 1400 – Bezeichnung eines Ministers als „Oberfaschisten“; Saarbrücken NJWRR 2003, 176: Bezeichnung eines Rechtsanwalts als „Lügner“, „uneinsichtiger dummer Tölpel“ und „Prozessbetrüger“; BVerfG NJW 2004, 590: Bezeichnung eines Ministers „Dieser Mann ist solche Bundesscheiße. Da möchte man überhaupt nicht reintreten“; Hamm NJW-RR 1995, 1114 – „Charakterschwein“; die Bezeichnung „Dummschwätzer“ darf nur dann als Schmähkritik gewertet werden, wenn ohne sachlichen Anlass zum Ausdruck gebracht werden soll, dass der Betroffene ausschließlich Dummheiten äußere und daher als Teilnehmer einer sachlichen Debatte von vornherein ausscheide, nicht jedoch, wenn es sich nur um eine Bewertung einer Person dahingehend handelt, dass sich diese in einer Sachdiskussion dumm geäußert habe (BVerfG NJW 2009, 749).

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Verneint wurde die Qualifikation als Schmähkritik: Bezeichnung eines islamischen Predigers wg kontroverser Äußerungen als „Hassprediger“ (Köln NJW 2005, 2554; Brandenburg, NJW-RR 2007, 1641); die Bezeichnung der Tochter der RAF-Terroristin Ulrike Meinhof als „Terroristentochter“ (BGH NJW 2007, 686 – Terroristentochter); Aussage, die Deutschland-Stiftung sei von Alt- und Neufaschisten durchsetzt (BGH NJW 1974, 1762 – Deutschland-Stiftung); Bezeichnung eines Kommunalbeamten als „schläfrig“ (Düsseldorf NJW 1992, 1336); Vorwurf, ein Fusionsvertrag mit einem Konzern sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit durch „Kollusion der Geschäftsführung“ zustande gekommen (BVerfG NJW-RR 2001, 411); Behauptung, Wilhelm Kaisen würde DVU wählen (BVerfG NJW 2001, 2957 – Kaisen); Bezeichnung als „linke Bazille“ (Saarbrücken NJW-RR 1996, 1048); Aussage „Soldaten sind Mörder“ (BVerfG NJW 1995, 3303 – Soldaten sind Mörder IV); Bezeichnung als „Gen-Milch“ (BGH NJW 2008, 2110); Bezeichnung als „Nazi“ (BVerfG NJW 1992, 2013); Bezeichnung als „Schleimerschmarotzerpack“ im Rahmen einer Glosse (BGH 143, 199); BVerfG 61, 1 [12] – NPD Europas; 82, 43 [52] – Strauß-Transparent; 82, 272 [284] – Zwangsdemokrat; die Bezeichnung eines Moderators, der in einem Homeshoppingkanal Puppen zum Kauf anbietet, als „Puppenpäderast“ (LG München I AfP 2007, 60); Karlsruhe ZUM-RD 2003, 27: Bezeichnung eines Arztes als „Scharlatan“ und „Pfuscher“, Karlsruhe AfP 2001, 336 – kleingewachsener Patriarch und Schikanör; BVerfG NJW 1992, 2073 – Satiremagazin Titanic: satirische Bezeichnung eines 24-jährigen Reserveoffiziers, der trotz einer erlittenen Querschnittslähmung im Rollstuhl sitzend noch an einer Reserveübung der Bundeswehr teilnehmen wollte, als „geb Mörder“; Bezeichnung eines Staatsanwalts als „durchgeknallt“ ist nicht ohne Weiteres eine Schmähkritik – Kritik an staatlicher Gewalt darf auch in anklagender und personalisierender Art und Weise gegen Amtsträger gerichtet werden (BVerfG NJW 2009, 3016); „Garagenvertrieb“ für Pharmaunternehmen, KG AfP 2010, 480, 482.

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Festgehalten werden kann, dass die Gerichte eine Schmähkritik in fast allen Fällen verneinen, in denen ein öffentliches Interesse an der Meinungsäußerung bejaht wurde. I Erg werden dieselben Erwägungen angeführt, mit denen der „Vorrang der freien Rede in die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Fragen“ (dazu Rn 252) begründet wird.

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cc) Formalbeleidigungen genießen ebenfalls nicht den Schutz der Meinungsfreiheit (BVerfG 60, 234 [241] – Kredithai). Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sich die Kränkung bereits aus der Form der Äußerung und nicht aus ihrem Inhalt ergibt (BVerfG NJW 1994, 2413; LG Köln NJW-RR 2002, 189 – primitive kleine Nutte; LAG Köln NZA-RR 1998, 15 – Verbrecher; München NJW-RR 2002, 1045 – katholischer Drecksack; LG München I AfP 1997, 827 – Drecksau; LG Coburg ZUM-RD 2003, 320 – dumm, bescheuert). Fraglich ist jedoch, ob angesichts der Rspr des BVerfG, wonach im geistigen Meinungskampf auch „überzogene und ausfällige Kritik“ (zB „Soldaten sind Mörder“) hingenommen werden müsse, noch Raum für den Vorrang von Formalbeleidigungen bleibt, solange sie nicht die Qualität der Schmähkritik erreichen. Die Gerichte scheinen jedenfalls beide Begrifflichkeiten zunehmend als Synonym zu betrachten, wobei die Maßstäbe der Schmähkritik Anwendung finden (Hamm NJW-RR 1995, 1114 – Charakterschwein; schmähendes Werturteil). V. Die Kunstfreiheit und das APR Schrifttum: v Becker, Überlegungen zum Verhältnis von Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht, AfP 2001, 466; Brauneck, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Konflikt mit dem verfassungsrechtlichen Freiheitsanspruch der Satire, ZUM 2000, 137 Gounalakis, Freiräume und Grenzen politischer Karikatur und Satire, NJW 1995, 810; Häberle, Die Freiheit der Kunst im Verfassungsstaat, AöR 110 (1985), 613ff; Hillgruber/Schemmer, Darf Satire wirklich alles?, JZ 1992, 946; Karpen/Nohe, Die Kunstfreiheit in der Rspr seit 1992, JZ 2001, 801; Kastner, Die Crux der Kritik – in der

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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

Anh § 12

Literatur, auf der Bühne und in der Musik, NJW 1995, 822; Kübler, Meinungsäußerung durch Kunst, FS Mahrenholz 1994, 303; Müller, Freiheit der Kunst als Problem der Grundrechtsdogmatik, Berlin 1969; Pichler, Meinungsfreiheit, Kunstfreiheit und neue Medien, AfP 1999, 429; Raue, Kunstfreiheit, Persönlichkeitsrecht und das Gebot der praktischen Konkordanz, AfP 2009, 1; Sendler, Liberalität oder Libertinage, NJW 1993, 2157; Sendler, Kann man Liberalität übertreiben?, ZRP 1994, 343; Tettinger, Die Ehre ein ungeschütztes Verfassungsgut, Jur Studiengesellschaft Köln, Heft 18, 1995; Wittreck, Persönlichkeitsbild und Kunstfreiheit, AfP 2009, 6; Würkner, Die Freiheit der Kunst in der Rspr von BVerfG und BVerwG, NVwZ 1992, 1; Würtenberger, Satire und Karikatur in der Rechtsprechung, NJW 1983, 1144.

1. Der Gewährleistungsgehalt der Kunstfreiheit. Art 5 III GG erklärt die Kunst für frei. Mit dieser 259 Freiheitsverbürgung enthält Art 5 III GG zunächst eine objektive, das Verhältnis des Bereichs Kunst zum Staat regelnde wertentscheidende Grundsatznorm, zugleich gewährleistet die Bestimmung aber auch jedem, der in diesem Bereich tätig ist, ein individuelles Freiheitsrecht (BVerfG 30, 173 [188] – Mephisto). Der Begriff der Kunst selbst kann und soll nicht abschließend definiert werden, da jeder Definitionsversuch, die Gefahr in sich trägt, bestimmte Aspekte von vornherein „herauszudefinieren“, „Zensur“ auszuüben oder ein staatliches Kunstverständnis zu propagieren (BVerfG 30, 173 [188] – Mephisto; 67, 213 [225] – Anachronistischer Zug; 75, 369 [376] – Strauß-Karikatur; 77, 240 [251] – Herrnburger Bericht; 81, 278 [289] – Bundesflagge; 81, 298 [305] – Nationalhymne; 83, 130 [138] – Josefine Mutzenbacher). Nicht zuletzt soll die Kunstfreiheit auch die Freiheit einer Avantgarde gewährleisten, die Grenzen überschreitet und Neuland erforscht (Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 91), die sich stetig verändert und stets aufs Neue andere Formen des Ausdrucks erfindet. Die Freiheit der Betätigung im Kunstbereich wird durch Art 5 III GG umfassend geschützt. Vor diesem Hintergrund ist auch jede wertende Einengung der Kunstfreiheit unzulässig, es darf nur zw Kunst und Nichtkunst, nicht zw guter und schlechter oder gelungener und misslungener Kunst unterschieden werden. Art 5 III GG schützt dabei nicht nur die künstlerische Betätigung, den „Werkbereich“, sondern auch die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks, den „Wirkbereich“ (BVerfG 30, 173 [188] – Mephisto; 81, 298 [305] – Nationalhymne; NJW 2008, 39 – Esra). Soweit es daher zur Herstellung der Beziehungen zw Künstler und Publikum der publizistischen Medien oder sonstiger Tätigkeiten bedarf, sind auch die Personen durch die Kunstfreiheitsgarantie geschützt, die eine solche vermittelnde Funktion ausüben, zB Verleger, Produzenten, selbst Verteiler von Flugblättern. Durch diese Schutzbereichserweiterung soll die Veröffentlichung, Ausbreitung und sonstige Wirkung des Kunstwerks sichergestellt werden. Allerdings kommt dem „Wirkbereich“ im Rahmen der Abwägung mit entgegenstehenden Rechten ein geringeres Gewicht zu als dem „Werkbereich“ (BVerfG 77, 240 [255] – Herrnburger Bericht; dazu Frenzel/Singer AfP 2006, 421). Nicht geschützt ist die Inanspruchnahme fremden Eigentums (BVerfG NJW 1984, 1293 – Sprayer von Zürich). 2. Schranken der Kunstfreiheit. Die Kunstfreiheit ist vorbehaltlos gewährleistet – weder finden die 260 Schranken des Art 5 II GG noch die des Art 2 I GG Anwendung. Ebenso ist es unzulässig, einzelne Teile herauszulösen und sie als Meinungsäußerungen iSd Art 5 I GG anzusehen, um dann die Schranken des Art 5 II GG zur Anwendung zu bringen. Jedoch kann die Kunstfreiheit in einer sozialen Gemeinschaft nicht schrankenlos sein. Das BVerfG hat daher zu Recht auch die Kunstfreiheit im Falle des Konflikts mit anderen grundrechtlich geschützten Rechten dem Gebot der Herstellung praktischer Konkordanz unterworfen (BVerfG 81, 278 [292] – Bundesflagge und NJW 1971, 1645; 67, 213 [228] – Anachronistischer Zug; 83, 130 [139] – Josefine Mutzenbacher). 3. Die kunstspezifische Betrachtung. Bei der Beurteilung des Kunstwerks zum Zwecke der Abwä- 261 gung mit dem gebotenen Persönlichkeitsrechtsschutz, insb bei seiner Interpretation, ist nach der Rspr stets eine kunstspezifische Betrachtung (hierzu ausf Rn 133) anzulegen, BVerfG ZUM 2008, 323 – Ehrensache; BGH NJW 2009, 751 [752] – Ehrensache; Frankfurt ZUM 2008, 793 [794] – Kannibale von Rotenburg; ZUM 2009, 952 [955] – Romy Schneider). Zwar gehört es zu den Spezifika der Kunstformen des Theaterstücks, Films oder Romans, dass diese häufig an die Realität anknüpfen, allerdings schafft der Künstler dabei eine neue ästhetische Wirklichkeit (BVerfG ZUM 2008, 323 – Ehrensache), was bei der Bestimmung des Aussagegehalts zu beachten ist. Die Kunstfreiheit findet umso eher eine Beschränkung im APR, je mehr der Künstler der Wirklichkeit verhaftet bleibt und lebende Personen und tatsächliche Zustände oder Ereignisse darstellt (BVerfG NJW 1973, 1226 – Lebach I; NJW 2000, 1859 – Lebach II; NJW 2008, 39 – Esra; ZUM 2008, 323 – Ehrensache; Frankfurt NJW 2007, 699 – Kannibale von Rotenburg). Zur insoweit bestehenden Vermutung der Fiktionalität eines literarischen Werks ausf Rn 134. 4. Schwerwiegende Beeinträchtigung des APR. Entsteht ein Konflikt zw der Kunstfreiheit und 262 dem APR, hat grds eine Einzelfallabwägung stattzufinden, die beiden Gewährleistungen gerecht werden muss. Angesichts der Bedeutung der Kunstfreiheit ist jedoch anerkannt, dass eine geringfügige Beeinträchtigung oder die bloße Möglichkeit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des APR nicht ausreichen, um die Kunstfreiheit einzuschränken. Lässt sich jedoch eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts zweifelsfrei feststellen, so kann diese auch nicht durch die Kunstfreiheit gerechtfertigt werden (BVerfG NJW 2008, 39 [42] – Esra; 67, 213 [228] – Anarchronistischer Zug; zB, wenn der Betroffene zum bloßen Objekt degradiert wird [Beschreibung einer Tötung als Rettungstat; Münster ZUM 2005, 79 – Das Ende des Kanzlers] oder der Betroffene als „Perspektiv-Agent des KGB“ bezeichnet wird [Bremen NJW 1996, 1000 [1001] – Lemke]). Die Schwere der Beeinträchtigung des APR hängt dabei zum einen davon ab, in welchem Maß der Künstler es dem Leser nahelegt, den Inhalt seines Werks auf wirkliche Personen zu beziehen, zum anderen ist aber auch die Intensität der Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung, wenn der Leser diesen Bezug herstellt, ausschlaggebend. Grds gilt nach wie vor, die im Mephisto-Urt (BVerfG GRUR 1971, 461 [466]) geprägte Abbild-Urbild-Formel: Je stärker der Autor eine Romanfigur von ihrem Urbild löst N. 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Allgemeiner Teil

Personen

und zu einer Kunstfigur verselbständigt, umso mehr wird ihm eine kunstspezifische Betrachtung zugute kommen (vgl hierzu ausf Rn 133ff insb Rn 137). 263

5. Karikatur und Satire. Auch bei Satire und Karikatur muss ein kunst- bzw werkgerechter Maßstab angelegt werden, denn diesen Kunstgattungen ist es wesenseigen, dass sie mit Übertreibungen, Verzerrungen und Verfremdungen als Stilmittel arbeiten (BVerfG NJW 1992, 2073 – Satiremagazin Titanic; BGH NJW 2006, 603 – Fotomontage; wobei stets zu beachten ist, dass Satire Kunst sein kann, aber nicht jede Satire Kunst ist, BVerfG NJW 1992, 2073 – Satiremagazin Titanic) und dabei gesellschaftliche Missstände personalisieren oder einzelne Personen verhöhnen. Dabei wollen sie nicht nur scherzen, sondern bisweilen auch angreifen und verletzen (Gounalakis NJW 1995, 809 [811]). Bei der Beurteilung eines satirischen Kunstwerks im Rahmen der Einzelfallabwägung mit dem APR ist daher stets zw dem „Aussagekern“, dem eigentlichen Inhalt der satirischen oder karikierenden Darstellung, und dem künstlerischen Gewand, der Form der Darstellung bzw der Einkleidung der Aussage, zu unterscheiden (BGH NJW 2004, 596; BVerfG NJW 1998, 1386 – Münzen-Erna; 86, 1 [11] – Satiremagazin Titanic; 75, 369 [377] – Strauß-Karikatur; Karlsruhe NJW 1994, 1963 – Steffi Graf; Hamm NJW-RR 2004, 919 – Lisa Loch; KG Berlin AfP 2010, 480 [482] – Garagenvertrieb). In einem ersten Schritt ist der Aussagekern zu erfassen und daraufhin zu überprüfen, ob er mit Art 5 GG unter Berücksichtigung des grundrechtlichen Persönlichkeitsrechtsschutzes vereinbar ist. Drückt er eine Wertung aus, ist zu prüfen, ob eine Schmähkritik vorliegt (zur Schmähkritik ausf Rn 254ff). Enthält er eine Tatsachenmitteilung, so ist zu klären, ob sie wahr oder auf sonstige Weise gerechtfertigt ist (zur Abgrenzung von Tatsachenbehauptung und Werturteil Rn 98ff insb Rn 101). Allerdings beschränkt sich die rechtliche Beurteilung nicht auf den Aussagekern, vielmehr ist auch festzustellen, ob die Einkleidung der Aussage die Kundgabe der Missachtung einer Person enthält, oder ob sie auf andere Weise das APR verletzt (BVerfG NJW 2005, 3271 [3272] – Fotomontage II; 75, 369 [378] – Strauß-Karikatur; 86, 1 [12] – Satiremagazin Titanic). Jedoch sind die hier anzulegenden Maßstäbe weniger streng als bei der Beurteilung des Aussagekerns, weil der Kunstform der Satire die Verfremdung wesenseigen ist und als solche v Betrachter auch erkannt und eine Aussage relativiert wird (BVerfG 75, 369 [378] – Strauß-Karikatur; NJW 2002, 3767 – Bonnmot). Die Abstraktion einer Karikatur oder Satire von dem in „Wort und Bild gewählten satirischen Gewand“ (zB Urinieren auf die Bundesflagge, BVerfG 81, 278 [294]; NJW 1990, 2541 – Hitler-Satiren) darf aber nicht so weit gehen, dass der Beurteilung Deutungen unterschoben werden, die der Autor nicht zum Ausdruck bringen wollte und die auch niemand so verstanden hat, so auch nicht verstehen sollte (Erman/Ehmann12 § 12 Rn 93). Führt die abgestufte Prüfung jedoch zum Ergebnis, dass eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Ehre vorliegt, so kann diese durch die Kunstfreiheit nicht gerechtfertigt werden (so auch BVerfG 67, 213 [228] – Anachronistischer Zug; 75, 369 [378] – Strauß-Karikatur: karikierende Darstellung eines Politikers als kopulierendes Schwein verstößt gegen dessen Menschenwürde). Zudem darf Satire auch nicht verfälschen. Daher ist eine für den Betrachter nicht erkennbare Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes im Rahmen einer Fotomontage auch nicht vor dem Hintergrund der Kunstfreiheit zulässig (BGH NJW 2006, 603 – Fotomontage; BVerfG NJW 2005, 3271 [3272] – Fotomontage II).

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6. Realität und Fiktion in der Kunst (s hierzu auch Rn 134). Typisches Merkmal der Kunst ist, dass sie sich Anleihen in der Wirklichkeit holt, sich an realen Urbildern orientiert und diese schöpferisch gestaltend einer neuen ästhetischen Wirklichkeit zuführt (BVerfG NJW 2008, 39 [42] – Esra). Im Einzelfall kann jedoch im Zugriff auf die persönlichen Lebensdaten des Einzelnen ein widerrechtlicher Eingriff in das APR liegen. Zu den hierbei anzuwendenden Grundsätzen Rn 137).

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7. Theater- und Kunstkritik. Tadelnde Urt und Wertungen über wissenschaftliche und künstlerische Leistungen werden durch § 193 StGB als grds gerechtfertigte Handlungen begriffen, sofern nicht die Form der Äußerung oder besondere Umstände doch eine Beleidigung begründen. Wissenschaftskritik findet jedenfalls ihre Grenzen, wo erwiesenermaßen oder gar bewusst falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden oder es sich um reine Schmähungen (zur Schmähkritik s Rn 254ff) handelt, die keinerlei Bezug zu dem verfolgten Anliegen haben (MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 155). Im Rahmen der Güter- und Interessenabwägung ist jedoch stets zu beachten, dass Kunstkritik auch dem öffentlichen Interesse dient (BVerfG 54, 129 – Kunstkritik). Zudem ist zu unterscheiden, ob eine Äußerung im politischen Wahlkampf oder in einer wissenschaftlichen Abhandlung erfolgt (Differenzierung zw wissenschaftlicher Kommunikation und politischem Meinungskampf im Einz str, vgl MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 155; eine in einem wissenschaftlichen Aufsatz angegriffene Person ist jedoch schutzbedürftiger als eine im Wahlkampf oder in der Presse gescholtene Person der Zeitgeschichte, Karlsruhe NJW 1989, 1360 [1361f] – Ehrverletzende Äußerung in Festschrift). Kunstkritik (insb durch Kunstkritiker in monopolartiger Stellung) kann darüber hinaus im Einzelfall einer Zensur nahekommen und das öffentliche und finanzielle „Aus“ eines Werks bedeuten. Die Motivation der Kritiker und die Auswirkungen können daher bei der Bewertung eine Rolle spielen (vgl Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 97). Zur Theaterkritik s LG Berlin GRUR 1959, 492 – Harlan jun: Für die Frage, ob eine Theaterkritik das APR des Autors oder Regisseurs verletzt, kommt es maßgeblich darauf an, ob die behaupteten Tatsachen erweislich wahr sind, welche Wirkungen in der Vorstellung des Durchschnittslesers hervorgerufen werden und in welchem Maße persönliche Belange der Beteiligten betroffen sind; vgl auch Hoene, Das Recht der Theaterkritik; zur Kritik an Gerichtsurteilen LG Frankfurt NJW 1962, 64: Bezeichnung eines Richters als unfähig, den Kampf um die moralischen Fundamente des Staates und die Wiederherstellung der Menschenrechte zu begreifen, ist gerechtfertigt; zur Kritik an Behörden („Gestapo-Methoden“) BVerfG NJW 1992, 2815; zur Buchkritik LG Stuttgart UFITA 23 (1957), 244; zur Kritik an gewerblichen Leistungen Rn 107, 66)

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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

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VI. Die Wissenschaftsfreiheit und das APR 1. Der Gewährleistungsgehalt der Wissenschaftsfreiheit. Wie die Kunstfreiheit erfährt auch die 266 Freiheit von Forschung und Lehre – und damit jede wissenschaftliche Tätigkeit, dh alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter, planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist (BVerfG NJW 1973, 1176; NJW 1978, 1621; NJW 1993, 916) – in Art 5 III GG besonderen Schutz. Geschützt ist mithin ebenfalls die wissenschaftliche Kommunikation als relevante Handlungsform im Rahmen des Ehrenschutzes: insb unterschiedliche Formen literarischer, lehrender sowie vortragsmäßiger Publikationen sowie die sonstige Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse in den Medien (vgl Scholz in Maunz/Dürig Art 5 Rn 83; BaRo/Bamberger § 12 Rn 186). Unabhängig ist der Schutz dabei von der Richtigkeit der angewandten Methoden bzw der gewonnenen Ergebnisse; ebenso wenig von Bedeutung ist die Stichhaltigkeit der Argumentation oder die Vollständigkeit der Gesichtspunkte und Belege (Jarass/Pieroth Art 5 Rn 121). Geschützt sind auch Mindermeinungen, selbst wenn sie sich als fehlerhaft erweisen, sowie unorthodoxe Methoden oder lückenhafte Forschungsergebnisse. Der Begriff der Wissenschaftlichkeit ist mithin weit zu verstehen (BVerfG NJW 1994, 1781f – Jugendgefährdende Schriften). Eine Grenze ist jedoch erreicht, wenn der Wissenschaftlichkeitsanspruch systematisch verfehlt wird, was insb der Fall ist, wenn die Untersuchung nicht auf Wahrheitserkenntnis gerichtet ist (Indiz: systematische Ausblendung von Fakten, Quellen, Ansichten und Ergebnissen, welche die Auffassung des Autors in Frage stellen, BVerfG NJW 1994, 1781 [1782] – Jugendgefährdende Schriften; beachte aber BVerfG AfP 2000, 555 [556]: ein im Kern als wissenschaftlich einzuordnendes Werk unterfällt weiterhin der Wissenschaftsfreiheit, sofern verletzende Äußerungen, die nicht auf eine Wahrheitserkenntnis gerichtet sind, von den übrigen Teilen des wissenschaftlichen Werks getrennt werden können). 2. Das APR als Schranke der Wissenschaftsfreiheit. Auch wenn die Wissenschaftsfreiheit vorbe- 267 haltlos gewährleistet wird, so ist sie doch nicht schrankenlos (BVerfG 90, 1 [12] – Weltkriegsschuldfrage; NJW 1994, 1781 [1782] – Jugendgefährdende Schriften; Jarass/Pieroth Art 5 GG Rn 131ff; dazu Wenzel Rn 3.36ff), sondern findet in gegenläufigen verfassungsrechtlich abgesicherten Rechtspositionen ihre Grenze (BGH NJW 1994, 1281 [1282] – Bilanzanalyse); insb das APR stellt eine starke verfassungsimmanente Schranke dar (vgl BGH NJW 1966, 647 [648] – Reichstagsbrand; NJW 1994, 1281 – Bilanzanalyse; dazu BVerfG NJW 1994, 1784). Auch bei der rechtlichen Bewertung wissenschaftlicher Kommunikation ist grds zw wissenschaftlichen Äußerungen als Tatsachenbehauptungen (zB BGH NJW 1966, 647: der Betroffene sei am Reichstagsbrand aktiv beteiligt gewesen) und Meinungsäußerungen als wissenschaftlicher Schlussfolgerung (zB BGH NJW 1978, 751 – Schriftsachverständiger; NJW 1989, 2941 – Attest Nervenarzt; BVerfG NJW 2003, 961 – Äußerungen eines orthopädischen Gutachters) zu unterscheiden. Gutachten von Sachverständigen (s hierzu auch Rn 109) und ärztliche Diagnosen können sowohl Tatsachenbehauptungen als auch Werturteile enthalten; idR ist der Schluss, den der Sachverständige aus seinem Gutachten zieht, jedoch Werturteil und nicht Behauptung einer Tatsache (BGH NJW 1978, 751 [752] – Sachverständigengutachten: im Wesen des Gutachtens liegt, dass es auf der Grundlage bestimmter Verfahrensweisen zu einem Urt kommen will, das, selbst wenn es äußerlich als Tatsachenbehauptung formuliert worden ist, auf Wertungen beruht; NJW 1999, 2736f – Verdachtsdiagnose; LG Köln NJOZ 2009, 4788 [4791] – Psychotherapeutische Diagnose; BGH NJW 1989, 774 – Ärztliche Diagnose: Bewertung, nicht Behauptung einer Tatsache; Ausnahme uU leichtfertige Erteilung eines unrichtigen Attestes; BGH NJW 1989, 2941 [2942]). Tatsächliche Behauptungen sind grds einer gerichtlichen Prüfung zugänglich (BGH NJW 1966, 647 [648] – Reichstagsbrand: kein absoluter Schutz wissenschaftlicher Veröffentlichungen vor negatorischen Ansprüchen); grds nicht geschützt ist zudem die Aufstellung unwahrer Tatsachenbehauptungen (BVerfG NJW 1989, 1789; BaRo/Bamberger § 12 Rn 186; MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 141 bzgl Gutachten; Staud/Hager § 823 Rn 144 fordert eine Beschränkung auf erwiesen oder unstr unwahre Tatsachenbehauptungen). Zur Haftung gerichtlicher Sachverständiger nach § 839a s Rn 274. Aber auch wissenschaftliche Wertungen und Schlussfolgerungen sind nicht etwa verwehrt, sofern die Persönlichkeitssphäre eines Dritten berührt wird (so auch Staud/Hager § 823 Rn 144); hier ist vielmehr im Einzelfall ein angemessener Ausgleich zu finden (BGH NJW 1994, 1281 [1282] – Bilanzanalyse; bestätigend BVerfG NJW 1994, 1784 [1785]: Vorrang des Persönlichkeitsrechtsschutzes, da für den wissenschaftlichen Lehrzweck die Namensnennung nicht relevant ist; zudem besteht keine ernstliche Beeinträchtigung der Wissenschaftsfreiheit). Unzulässig ist jedoch reine Schmähkritik (BVerfG NJW 2003, 961). 3. Wissenschaftskritik. Die Kritik an wissenschaftlicher Leistung kann selbst eine wissenschaftli- 268 che Tätigkeit sein (zB Gutachten über Habilitationsschrift; VGH Mannheim NVwZ 1991, 184; Karlsruhe NJW 1989, 1360 – Festschrift: der Vorwurf „rechtsradikalen Gedankenguts“ in der Festschrift für einen Richter des BVerfG ist von der Wissenschaftsfreiheit nicht mehr gedeckt). Zum Schutz von tadelnden Urt über wissenschaftliche und künstlerische Leistungen nach § 193 StGB s Rn 240; vgl zudem Rn 265. VII. Indemnitätsschutz. Ein Abgeordneter darf wg einer Äußerung, die er im Parlament gemacht 269 hat, nicht zur Verantwortung gezogen werden (Art 46 GG); hiervon ausgenommen sind lediglich verleumderische Beleidigungen (Art 46 I S 2 GG). Der Indemnitätsschutz des Art 46 GG wirkt grds ebenfalls ggü zivilrechtlichen Sanktionen (Jarass/Pieroth Art 46 GG Rn 4); allerdings werden nur Äußerungen erfasst, die im Parlament oder seinen Ausschüssen gemacht wurden bzw dort gemachte Äußerungen wiederholen (Saarbrücken NJW-RR 1994, 184 – Rotlichtaffäre; Stuttgart NJW-RR 2004, 619 – Landtagsfraktion), denn Zweck des Indemnitätsschutzes ist die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der repräsentativen Demokratie. Geschützt sind daher Äußerungen von Abgeordneten, welche die Parlamentsarbeit betreffen (BGH NJW 1982, 2246; LG Hamburg AfP 2007, 384); nicht aber N. Klass

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die Weitergabe einer schriftlichen Parlamentsanfrage an die Presse (BGH 75, 384 [387]); oder die Äußerungen eines Sachverständigen in einem Hearing (BGH NJW 1981, 2117). Nach Art 42 III GG ist auch jeglicher Rechtsschutz gegen wahrheitsgetreue Berichte über die öffentlichen Sitzungen des BT ausgeschlossen; ausgeschlossen sind auch presserechtliche Gegendarstellungen (Helle Grundlagen Rn 130). 270

VIII. Äußerungen in privaten Vertrauensbeziehungen. Dem APR ist nach Rspr des BVerfG (NJW 2010, 2937 [2939] – Briefbeschlagnahme) bei Äußerungen ggü Familienangehörigen (Ehegatten, Kinder) und anderen Vertrauenspersonen (eheähnliche Lebensbeziehungen, engste Freunde, vgl bspw BVerfG NJW 2007, 1195 – Beleidigungsfreier Bereich: Brief eines Strafgefangenen an einen Freund) in besonderer Weise Rechnung zu tragen, denn das APR schützt die Möglichkeit des Einzelnen, „seine Emotionen frei auszudrücken, geheime Wünsche oder Ängste zu offenbaren und das eigene Urteil über Verhältnisse oder Personen freimütig kundzugeben“. Äußerungen, die ggü Außenstehenden oder der Öffentlichkeit wg ihres ehrverletzenden Gehalts eigentlich nicht schutzwürdig wären, genießen in solchen Vertraulichkeitsbeziehungen verfassungsrechtlichen Schutz, welcher dem Schutz der Ehre des durch die Äußerung Betroffenen vorgeht (vgl BVerfG 90, 255 [259ff]; NJW 2010, 2937 [2939] – Briefbeschlagnahme; zum Schutz von beleidigenden Äußerungen innerhalb der Familie vgl auch Düsseldorf NJW 1974, 1250). Diese Grundsätze können jedoch nicht auf eine Gesellschafterversammlung (BGH NJW 1984, 1104 – Kleiner Kreis; 89, 198 – Aktionärsversammlung) bzw die Geschäftsstellen einer Großbank erstreckt werden (BGH NJW 1993, 525); ebenfalls kann keine Übertragung auf Äußerungen des Verteidigers ggü seinem Mandanten (BVerfG NJW 2010, 2937 [2939] – Briefbeschlagnahme) erfolgen (vgl auch BVerfG NJW 1994, 1149; NJW 1995, 1015 zu beleidigenden Äußerungen in Briefen von und an Strafgefangenen und deren Angehörige sowie Hamburg NJW 1990, 1246 zu beleidigenden Äußerungen ggü dem eigenen Rechtsanwalt). IX. Äußerungen in gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahren

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1. Äußerungen in gerichtlichen Verfahren. Ehrschutzklagen gegen Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem schwebenden Gerichtsverfahren oder dessen Vorbereitung dienen, sind idR mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig – jedenfalls solange das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist (nach Helle GRUR 1982, 207 [215] sollen auch [spätere] Schadensersatzansprüche angesichts ihrer potentiell abschreckenden Wirkung auf Äußerungen im Erstverfahren grds ausgeschlossen sein). Der Betroffene kann daher weder Unterlassung noch Widerruf fordern (BVerfG NJW-RR 2007, 840 [841]; ebenso: Hamm NJW 1992, 1329 [1330]; BGH NJW 1987, 3138 [3139] – Rabattverstoß; NJW 1999, 2736 – Verdachtsdiagnose; NJW 2008, 996 [997]; NJW 1971, 284; NJW 1962, 243). Ebenfalls unzulässig ist eine Widerklage auf Unterlassung von Vorwürfen gegen den Kläger und Zeugen vor Entscheidung über die Klage (BGH NJW 1987, 3138 [3140] – Rabattverstoß). Selbst vor Prozessbeginn in einem anderen Verfahren rechtskräftig verbotene Äußerungen werden als Prozessvorbringen angesehen und für zulässig erachtet, Celle NJW-RR 1999, 385 (hins vorprozessualer Äußerungen in anwaltlichem Schriftsatz vgl LG Berlin NJW-RR 2003, 765). Auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen oder die Wahrheit der Äußerung kommt es grds nicht an (Hamm NJW 1992, 1329 [1330]). Verfahrensbeteiligte sollen alles, was sie für erforderlich halten, vortragen dürfen (BVerfG NJW-RR 2007, 840 [841], ebenso: Hamm NJW 1992, 1329 [1330]; BGH NJW 2008, 996 [997]; NJW 2005, 279 [280] – Bauernfang; NJW 1999, 2736 – Verdachtsdiagnose) – nur so kann sichergestellt werden, dass die Äußerungsfreiheit im Prozess sowie die Garantie rechtlichen Gehörs nicht beschnitten werden (so Düsseldorf NJW 1987, 2522).

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Vom Äußerungsprivileg nicht erfasst sind ehrkränkende Äußerungen (Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen), die mit dem Streitgegenstand offensichtlich nichts zu tun haben, Schmähkritik (die Bezeichnung als „geisteskrank“ im Prozess stellt eine unzulässige Schmähung dar, Köln NJW-RR 1992, 1247, allg zur Schmähkritik s Rn 254ff) oder bewusst falsche oder leichtfertig aufgestellte Tatsachenbehauptungen, deren Unhaltbarkeit auf der Hand liegt (BVerfG NJW-RR 2007, 840 [841]; das Merkmal „leichtfertig“ darf hierbei aber nicht über Gebühr ausgedehnt werden, BVerfG NJW 2000, 199 [200]; ähnlich auch Bamberg NJW-RR 1999, 322; Koblenz NJW 1990, 1243 [1244]); Hamburg ZUM 1996, 792 [797 Rn 295]; Bamberg NJW-RR 1999, 322f). Des Weiteren sind Ehrschutzklagen zulässig, wenn die Äußerungen außerhalb der prozessualen Rechtsverfolgung aufgestellt werden (zB ehrverletzende Abhandlung im Rahmen eines Rundschreibens außerhalb der prozessualen Rechtsverfolgung durch einen Rechtsanwalt, BGH NJW 2005, 279 [281] – Bauernfang; NJW 1992, 1314; NJW-RR 1999, 1251ff – fehlender Sachbezug), oder wenn sie keinerlei Zusammenhang mit der Rechtsverfolgung aufweisen, Hamm NJW-RR 2002, 1196; Bamberg NJW-RR 1999, 322). Ehrschutzklagen sind ebenfalls zulässig, sofern das Verfahren in sittenwidriger Weise als Deckmantel für eine beabsichtigte Ruf- oder Kreditschädigung des Gegners missbraucht wird (Hamm NJOZ 2004, 2129 [2130] – Kreditgefährdung). Diese Privilegierungsgrundsätze finden nicht nur ggü der anderen Partei, sondern auch ggü den am Prozess beteiligten Dritten (Hamm NJW 1992, 1329 [1330]; ebenso: BGH NJW 2005, 279 [281] – Bauernfang; Düsseldorf NJW 1987, 2522) sowie ggü Aussagen von Zeugen in einem Strafverfahren sowie bereits zuvor im Ermittlungsverfahren (BGH NJW 1986, 2502 [2503]) Anwendung (Düsseldorf NJW 1987, 3268: kein Anspruch auf Unterlassung oder Widerruf einer eidesstattlichen Versicherung des Zeugen, die zur Vorlage in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren bestimmt ist). Ggü nicht am Verfahren beteiligten Dritten ist der zivilrechtliche Ehrenschutz ggü Äußerungen ausgeschlossen, sofern deren Verhalten für die Darstellung und Bewertung des Streitstoffs von Bedeutung ist (BGH NJW 2008, 996 [997]). Jedoch gilt die Privilegierung nicht, wenn ein Bezug zum Ausgangsrechtsstreit nicht erkennbar ist, die Äußerungen erkennbar falsch sind oder eine unzulässige Schmähkritik vorliegt (BGH NJW 2008, 996 [998]); noch offengelassen hatte 92

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dies BGH NJW 1986, 2502 (2503); bejaht aber schon Düsseldorf NJW 1987, 2522 mit der notwendigen Gewährleistung rechtlichen Gehörs (Art 103 I GG). Ausgeschlossen sind Ehrschutzklagen hingegen ebenfalls, soweit es sich um Abwehransprüche gegen widerrechtlich erlangte Beweismittel handelt (BGH NJW 1988, 1016 [1016, 1017] – Tonbandaufzeichnung). Anspruchsgegner ist idR der Prozessgegner und nicht der verteidigende Anwalt (BVerfG NJW 2003, 3263), denn eine regelmäßige Kontrolle der vom Mandanten mitgeteilten Tatsachen kann berufsrechtlich nicht verlangt werden – dieser ist daher nur im Ausnahmefall persönlich verantwortlich, wenn er als Störer oder im Rechtssinn als Verbreiter der Tatsachen erscheint (KG NJW 1997, 2390 – Presseerklärung; vgl auch BGH NJW 2005, 279 [281] – Bauernfang). Grds darf ein Rechtsanwalt bei der Wahrnehmung seiner Aufgabe auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen, Urteilsschelte üben oder „ad personam“ argumentieren, um bspw das Verhalten des Richters zu kritisieren (AnwGH Saarland NJWRR 2002, 923 [924] – Urteilsschelte: Einstufung eines Urt als „so falsch, dass man sich wundert, dass ausgebildete Juristen an der Rechtsfindung beteiligt waren“, bildet keine mit dem Sachlichkeitsgebot unvereinbare Formalbeleidigung). Dies gilt auch für Äußerungen des Rechtsanwalts im Ermittlungsverfahren (BVerfG NJW 2000, 199 [200]). 2. Äußerungen in sonstigen Verfahren. Die Grundsätze der Äußerungsprivilegierung in gericht- 273 lichen Erkenntnisverfahren sind übertragbar auf Äußerungen im Verwaltungsverfahren (BGH NJW 2008, 996 [997]; Düsseldorf NJW 1972, 644; NVwZ 1998, 435; BGH NJW 1983, 1183), auf unt Formen von Beschwerden (zB ehrkränkender und rufschädigender Vorwurf eines Mitgliedsbetriebs bei der Kassenärztlichen Vereinigung über einen Arzt, der leichtfertig Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen soll, Frankfurt NJW-RR 1994, 416; Äußerungen im Rahmen einer Beschwerde bei dem zuständigen Amtsgericht über die Amtsführung eines Konkursverwalters, Koblenz NJW-RR 1998, 750 [751]), ebenso auf das Petitionsrecht (wobei bewusst wahrheitswidrig aufgestellte Tatsachenbehauptungen weder in Art 17 GG noch in Art 5 I S 1 GG eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung finden, BVerfG NJW 1991, 1475 [1476]), auf disziplinäre Ordnungsverfahren (Ausschlussverfahren) eines eingetragenen Vereins (Düsseldorf NJW-RR 1986, 675 – Ausschlussverfahren) sowie auf Äußerungen eines Schiedsrichters des Fußballverbandes eV in einem Schiedsrichter-Bericht (LG Karlsruhe NJW-RR 2003, 39 [40]). Die Grenzen der Privilegierung (Schmähkritik etc, s Rn 272) finden hier ebenfalls Anwendung (Düsseldorf NVwZ 1998, 435 [436]). Nicht übertragbar sind die Grundsätze jedoch auf Äußerungen eines Sachverständigen bei einem Hearing des Bundestags oder Landtags (BGH NJW 1981, 2117 [2118]) sowie auf Äußerungen eines Ombudsmans (LG Bonn NJW 2002, 3260 [3261]). Einer Ehrenschutzklage nicht entzogen sind bspw ebenfalls Äußerungen des Konkursverwalters in seinem Erstbericht ggü der Gläubigerversammlung (BGH NJW 1995, 397), da der Wahrheitsgehalt der Äußerungen im Konkursverfahren nicht mit einem Anspruch auf Rechtsverbindlichkeit überprüft wird (BGH NJW 1995, 397). 3. Haftung gerichtlicher Sachverständiger. In § 839a findet sich eine Sonderregelung für die Haf- 274 tung wg vorsätzlich falsch erstellter Gutachten, welche nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Haftung des Sachverständigen abschließend regeln und mithin die frühere allg Deliktshaftung ersetzen soll (BGH NJW 2006, 1733). Zugleich soll durch § 839a der Unterschied zw der Haftung des beeidigten und des nicht beeidigten gerichtlichen Sachverständigen beseitigt werden (BT-Drucks 14/7752, 28; Staud/Oechsler, § 826 Rn 223; Celle BeckRS 2009, 86279). Voraussetzung für eine Haftung nach § 839a ist die vorsätzliche oder grob fahrlässige Erstellung eines unrichtigen Gutachtens, welches Basis einer gerichtlichen Entscheidung wird, wodurch ein Schaden entsteht. Grobe Fahrlässigkeit setzt voraus, dass die bei der Erstellung eines Gutachtens erforderliche Sorgfalt objektiv in besonders schwerem Maße verletzt, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und dasjenige nicht beachtet wurde, was jedem Sachverständigen als relevant hätte einleuchten müssen. Zum anderen müssen auch subjektive Momente hinzukommen, die eine gesteigerte Vorwerfbarkeit begründen (München VergabeR 2009, 106; Hamm BeckRS 2009, 27571; kein grob fahrlässiges Handeln des Sachverständigen, wenn die Beurteilung ohne notwendige Gegenüberstellung der Unfallfahrzeuge erfolgte und das Gericht keine Veranlassung gesehen hat, eine weitergehende Begutachtung und Gegenüberstellung zu veranlassen, KG NZV 2007, 462 [463]). § 839a ist jedoch lückenhaft und muss durch eine Haftung aus § 826 ergänzt werden (alte Rspr Staud/Oechsler, § 826 Rn 223; Koblenz DS 2007, 193 [194]). Zur äußerungsrechtlichen Bewertung von Gutachten und Aussagen von Sachverständigen s ausf Rn 109). I. Verletzungen im Internet Schrifttum: Gounalakis/Rhode, Persönlichkeitsschutz im Internet, 2002; Helle, Persönlichkeitsverletzungen im Internet, JZ 2002, 593; Hoffmann, Entwicklung des Internet-Rechts von Anfang 2001 bis Mitte 2010, NJW 2002, 2602; NJW 2003, 2576; NJW 2004, 2569; NJW 2005, 2595; NJW 2006, 2602; NJW 2007, 2594; NJW 2009, 2649; NJW 2010, 2706; Köhler/Arndt, Recht des Internet, 6. Aufl 2008; Luckey, Internationale Urheber- und Persönlichkeitsverletzungen im Internet, 2003; Seitz, Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet, Hdb des Persönlichkeitsrechts, 2008, § 60; Sieber, Verantwortlichkeit im Internet, 1999; Spieker, Verantwortlichkeit von Internetsuchdiensten für Persönlichkeitsrechtsverletzungen in ihren Suchergebnislisten, MMR 2005, 727.

I. Die Haftungsprivilegierung des TMG. Wird das APR im Internet verletzt, so gelten im Wesentli- 275 chen die allg Grds hins Tatbestand und Rechtsfolgen – jedoch stellen sich aufgrund der Omnipräsenz des Mediums Internet spezielle Fragen hins des Internationalen Privatrechts (s hierzu sowie zu speziellen Fragen im Zsh mit Äußerungen im Internet Rn 277f sowie Seitz Hdb des Persönlichkeitsrechts § 60 Rn 36ff mwN) – zudem weist der Aspekt der Verantwortlichkeit besondere Probleme auf. Die Frage, wer für im Internet verfügbare, das APR verletzende Inhalte haftet, regelt weitgehend das TMG v 26.2.2007 (BGBl I 179), das am 1.3.2007 in Kraft getreten ist. Es enthält ein abgestuftes Modell N. Klass

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Allgemeiner Teil

Personen

der Verantwortlichkeit (§§ 7–10 TMG) für rechtswidrige Informationen im Internet, wobei die Verantwortlichkeit des einzelnen Providers umso größer ist, je näher der Diensteanbieter den konkreten Inhalten steht (Hilgendorf/Frank/Valerius, Computer und Internetstrafrecht 2005 Rn 293ff; vgl auch Hoffmann in Spindler/Schuster §§ 7–10 TMG; Leupold/Glossner MAH IT-Recht 2008 Teil 2 Rn 134ff). Während ein Content-Provider (wer eigene Informationen zur Nutzung bereithält, § 7 I TMG; zum „zu eigen Machen“ vgl BGH NJW 2010, 1276 – kochbuch.de) nach allg Gesetzen voll verantwortlich ist, haftet der Host-Provider (wer fremde Informationen für Nutzer speichert, zB Betreiber von Videoportalen wie youtube) dann nicht, wenn er keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information hat, § 10 S 1 Nr 1 TMG, bzw unverzüglich nach Kenntniserlangung tätig wird, um die Informationen zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren, § 10 S 1 Nr 2 TMG; der Access-Provider, dessen Tätigkeit sich auf die rein technischen Vorgänge des Datentransfers beziehen, ist grds nicht verantwortlich (§§ 8f TMG). Das TMG begründet dabei keine Haftung – diese richtet sich nach den allg strafrechtlichen und zivilrechtlichen Voraussetzungen; die Regelungen des TMG fungieren vielmehr wie ein Filter, der sich privilegierend vor eine mögliche Haftung schiebt (Leupold/Glossner MAH IT-Recht 2008 Teil 2 Rn 138). Keine Anwendung findet das TMG jedoch auf die Störerhaftung – für diese bleibt es bei den allg Regeln, nach denen als Störer verantwortlich ist, wer in irgendeiner Art und Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Rechtsguts beiträgt (zur Ergänzung der Grds der Störerhaftung durch spezifische Verkehrspflichten s BGH NJW 2009, 1960 – Halzband: Verkehrspflicht zur Vermeidung des Missbrauchs von eBay-Zugangsdaten). Unterlassungsansprüche bleiben mithin unberührt (BGH MMR 2008, 531 [532] – Internetversteigerung III; NJW 2007, 2558: ein Unterlassungsanspruch wg eines in ein Meinungsforum im Internet eingestellten ehrverletzenden Beitrages kommt selbst dann auch gegen den Betreiber des Forums in Betracht, wenn dem Verletzten die Identität des Autors bekannt ist; zust Schmelz ZUM 2007, 535; Hamburg MMR 2009, 405 [407]). 276

II. Einzelfragen. Wird ein Hyperlink auf eine Homepage gesetzt, welche das APR verletzende Inhalte enthält, kommt eine Haftung des Linksetzers nach allg Regeln in Betracht – das TMG regelt die Frage der Verantwortlichkeit für Hyperlinks nicht (Hamm NJW-RR 2004, 919 [922] – Lisa Loch; Spindler NJW 2002, 924; BVerfG MMR 2009, 459 hat die Frage mit Blick auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit für Hyperlinks offengelassen); eine Haftung kommt dabei nicht stets, aber dann in Betracht, wenn der Benutzer des Links den ehrverletzenden Inhalt kennt und sich den Inhalt der Seite des anderen Anbieters zu eigen macht (Hamm NJW-RR 2004, 919 [922] – Lisa Loch; zu den Anforderungen an eine ernsthafte Distanzierung BGH 132, 13; zu den Prüfungspflichten Köln CR 2009, 191 [193] – Online-Archiv; keine Haftung für Link auf Wikipedia-Inhalte, LG Hamburg MMR 2008, 550 [Funktionsweise von Wikipedia ist der eines Forums vergleichbar]); Gleiches gilt für Suchmaschinen. Bei Internetgästebüchern besteht nach der Rspr eine Kontrollpflicht des Betreibers, deren Verletzung zu einem „zu eigen machen“ führen kann, jedenfalls dann, wenn mit Einträgen ehrverletzenden Inhalts gerechnet werden musste (LG Düsseldorf MMR 2003, 61; ebenso LG Trier MMR 2002, 694 [695]). Bei der Veröffentlichung von Forenbeiträgen geht es idR nicht um die Wiedergabe der Meinung des Betreibers, weshalb ihm derartige Äußerungen nicht als eigene zuzurechnen sind (Hamburg MMR 2009, 479 [in Abgrenzung zu Hamburg MMR 2008, 781 – chefkoch.de]); anders liegt der Fall jedoch, wenn sich der Betreiber die Äußerung zu eigen macht, weil er sie bspw vor ihrer Freischaltung auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft, oder wenn er sich umfassende Nutzungsrechte an den fremden Inhalten einräumen lässt und Dritten anbietet, diese Inhalte kommerziell zu nutzen (BGH MMR 2010, 556 – marions-kochbuch.de). Wer ein nicht moderiertes Meinungsforum bereithält, fungiert lediglich als Host-Provider und kann sich auf die Haftungsprivilegierung des § 10 S 1 TMG berufen (Koblenz MMR 2008, 54 [55]; Düsseldorf CR 2006, 482 [483]) – da diese jedoch nicht für Unterlassungsansprüche gilt (BGH MMR 2008, 531 [532] – Internetversteigerung III; NJW 2007, 2558), wird letztlich dennoch eine Überwachungspflicht begründet. Zur Haftung des Betreibers eines Usenet-Dienstes Hamburg MMR 2009, 631; MMR 2009, 405. Zur Frage der Verantwortlichkeit für Bewertungsportale (insb von Internet-Auktionshäusern) Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien § 823 Rn 16; LG Berlin MMR 2004, 195 [196]; LG Potsdam ZUM 2002, 838 [840]. Zur Haftung von Bildportalen BGH NJW 2011, 753; zur Haftung des Inhabers eines WLAN-Anschlusses BGH NJW 2010, 2061 – Sommer unseres Lebens. Zu Prüf- und Sperrpflichten eines Suchmaschinenbetreibers s Nürnberg MMR 2009, 131; Hamburg MMR 2010, 141. Zur Haftung für Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch sog „Snippets“ s KG ZUM-RD 2010, 224; Hamburg MMR 2010, 490. J. Das Internationale Privatrecht des APR Schrifttum: Ahrens, Vermögensrechtliche Elemente postmortaler Persönlichkeitsrechte im Internationalen Privatrecht, FS Erdmann, 2002, 3; Fricke, Der Unterlassungsanspruch gegen Presseunternehmen zum Schutze des Persönlichkeitsrechts im Internationalen Privatrecht, 2003; Friedrich, Internationaler Persönlichkeitsrechtsschutz bei unerlaubter Vermarktung, München 2003; Fuchs, Der praktische Fall – Internationales Privat- und Verfahrensrecht: Caroline von M, JuS 2000, 879; v Gerlach, Persönlichkeitsschutz und öffentliches Informationsinteresse im internationalen Vergleich, AfP 2001, 1; Gounalakis, Medienpersönlichkeitsrechte in rechtsvergleichender Sicht, AfP 2001, 271; Heiderhoff, Eine europäische Kollisionsregel für Pressedelikte, EuZW 2007, 428; Heldrich, Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internationalen Privatrecht, FS Zajtay, 1982, 215; Looschelders, Persönlichkeitsschutz in Fällen mit Auslandsberührung, ZVglRWiss 95 (1996) 48; Wagner, Das deutsche internationale Privatrecht bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, 1986, Wagner, Zur Anknüpfung der Frage nach dem Bestehen von Persönlichkeitsrechten im außervertraglichen Schuldrecht, JZ 1993, 1034.

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Das deutsche IPR hält weder auf staatsvertraglicher Ebene noch im autonomen Recht spezielle Kollisionsnormen für Verletzungen des APR bereit. Ansprüche aus Verletzungen des APR unterste94

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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

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hen bei Sachverhalten mit Auslandsberührung daher grds dem Deliktsstatut (BT-Drucks 14/343, 10; BGH NJW 1998, 2141 [2142]; Oldenburg NJW 1989, 400 [401]; vgl auch die Bereichsausnahme in Art 1 II lit g ROM II-VO, wonach außervertragliche Schuldverhältnisse aus der Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte einschl der Verleumdung aus dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sind; lediglich die Anknüpfung des Gegendarstellungsanspruchs ist umstr, hierzu MüKo/Junker Art 40 EGBGB Rn 89ff), welches ebenfalls Bestehen und Inhalt des APR regelt (Hamburg UFITA 60 [1971], 322 [327]). Nach den allg Regeln gilt auch bei Verletzungen des APR das Ubiquitätsprinzip. Grundanknüpfungsmoment ist der Tatort gem Art 40 I EGBGB. Vorrangige Berücksichtigung vor der Tatortregel gem Art 40 I EGBGB haben jedoch die nachträgliche Rechtswahl (Art 42 EGBGB) und die Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Parteien (Art 40 II EGBGB). Der Anwendungsbereich der Ausweichklausel nach Art 41 EGBGB ist gering (Sonnenberger FS Henrich, 2000, 579; Erman/Hohloch Art 40 EGBGB Rn 53). Wie nach der Tatortregel der Handlungs- und der Erfolgsort zu bestimmen sind, ist umstr. Allg wird als Handlungsort der Ort bezeichnet, an dem die tatbestandsmäßige Ausführungshandlung mit Außenwirkung vorgenommen wurde (BGH NJW 1977, 1590f; NJW 1996, 1128 CvM IV). Aufgrund der bei Pressedelikten typischerweise bestehenden Vielzahl von Teilabschnitten, bereitet die eindeutige Bestimmung der unerlaubten Handlung und damit des maßgeblichen Handlungsortes jedoch Schwierigkeiten (Friedrich Hdb des Persönlichkeitsrechts § 58 Rn 11). Nach überwiegender Meinung erfolgt die Anknüpfung bei Pressedelikten an den juristischen bzw realen Sitz des Verlages (Ehmann/Thorn AfP 1996, 20 [23]; Staud/v Hoffmann Art 40 EGBGB Rn 58) oder an den Erscheinungsort (BGH NJW 1977, 1590; NJW 1996, 1128; Hamburg AfP 1998, 643), wobei Verlagssitz und Erscheinungsort regelmäßig übereinstimmen (MüKo/Junker Art 40 EGBGB Rn 162). Für Fernseh- und Rundfunkdelikte liegt der Handlungsort am Ausstrahlungsort (München NJW 2004, 224 [226]; Pal/Thorn Art 40 EGBGB Rn 10; wohl auch: Erman/Hohloch Art 40 EGBGB Rn 53 [„Zielort der Sendung“] oder am Sitz der entspr Anstalt [Staud/v Hoffmann Art 40 EGBGB Rn 58; MüKo/Junker Art 40 EGBGB Rn 162]. Bei Briefdelikten ist der Handlungsort der Absendeort (Staud/v Hoffmann Art 40 EGBGB Rn 58). Für Verletzungen des APR im Bereich des Datenschutzes liegt der Handlungsort am Ort der Datenverwaltung und -verwertung (Pal/Thorn Art 40 EGBGB Rn 10; BaRo/Spickhoff Art 40 EGBGB Rn 57) sowie am Geschäftssitz der verantwortlichen Stelle (MüKo/Junker Art 40 EGBGB Rn 169; BaRo/Spickhoff Art 40 EGBGB Rn 57; Staud/v Hoffmann Art 40 EGBGB Rn 69; vgl jurisPK/Wurmnest Art 40 EGBGB Rn 69: idR Haupthandlungsort). Bei Internetdelikten muss zw der Autorenschaft und der Informationsverbreitung unterschieden werden. Der Netzbetreiber handelt am Sitz (MüKo/Junker Art 40 EGBGB Rn 162; Staud/v Hoffmann Art 40 EGBGB Rn 58) oder am Standort des Servers bzw des Providers (BaRo/Spickhoff Art 40 EGBGB Rn 55; Erman/Hohloch Art 40 EGBGB Rn 56). Der Autor hingegen handelt an dem Ort, an welchem die Information zur Einspeisung in das Netz abgesandt wurde (LG Düsseldorf NJW-RR 1998, 979 [980]; MüKo/Junker Art 40 EGBGB Rn 162; Bachmann IPrax 1998, 179 [182]; Mankowski RabelsZ 63 [1999], 203 [257ff]; v Hinden, Persönlichkeitsverletzungen im Internet, 61ff; Staud/v Hoffmann Art 40 EGBGB Rn 58; BaRo/Spickhoff Art 40 EGBGB Rn 55), am Standort des Servers (LG Düsseldorf NJW-RR 1998, 979; Erman/Hohloch Art 40 EGBGB Rn 56) oder am Sitz des Einspeisenden (Lütcke, Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet, 128f). Als Absendeort wird widerleglich der gewöhnliche Aufenthaltsort des Autors vermutet (Mankowski RabelsZ 63 [1999], 203 [265f]; v Hinden, Persönlichkeitsverletzungen im Internet, 77, 221). Vorbereitungshandlungen ohne jegliche Außenwirkung wie das Anfertigen von Fotos (Oldenburg NJW 1989, 400 [401]; MüKo/Junker Art 40 Rn 162) oder der Druck einer Zeitung (Staud/v Hoffmann Art 40 EGBGB Rn 58; MüKo/Junker Art 40 EGBGB Rn 162) bleiben für die Anknüpfung außer Betracht (Friedrich Hdb des Persönlichkeitsrechts § 58 Rn 12); das Erstellen einer Website ist eine Vorbereitungshandlung (MüKo/Junker Art 40 EGBGB Rn 162; Bachmann IPrax 1998, 179 [182]; Staud/v Hoffmann Art 40 EGBGB Rn 58; BaRo/Spickhoff Art 40 EGBGB Rn 55; aA Mankowski RabelsZ 63 [1999], 203 [262]); allerdings wird die Grenzziehung zw Vorbereitungshandlungen und tatbestandlichen Ausführungshandlungen nicht immer einheitlich vorgenommen. Eine Anknüpfung an den Handlungsort wird daher bejaht, wenn nach dem Ortsrecht die Handlung bereits als Verletzung des APR angesehen wird, zB bei heimlichen Fotoaufnahmen (MüKo/Junker Art 40 EGBGB Rn 162). Gem Art 40 I S 2 EGBGB kann der Verletzte auch verlangen, dass das Recht des Erfolgsortes angewendet wird – Erfolgsort ist nach hM jeder Verbreitungs- bzw Ausstrahlungsort (BGH NJW 1996, 1128 – CvM IV: im Interesse der Vorhersehbarkeit ist jedoch die bestimmungsgemäße Verbreitung erforderlich; Düsseldorf NJW-RR 2009, 701; Friedrich Hdb des Persönlichkeitsrechts § 58 Rn 12 mwN). Trotz der Einschränkung der Erfolgsorte auf die für den Verletzer vorhersehbaren Verbreitungsorte kann der Verletzungserfolg in mehreren Rechtsordnungen gleichzeitig eintreten (Staud/v Hoffmann Art 40 EGBGB Rn 59; MüKo/Junker Art 40 EGBGB Rn 163; Wagner RabelsZ 62 [1998], 243 [277]), wodurch sich das Problem einer Vielzahl von Erfolgsorten ergeben kann. Die Wahl des günstigsten Erfolgsortrechts (Günstigkeitsprinzip) für den Geschädigten kann nicht überzeugen, denn sie würde zu einer willkürlichen Bevorzugung führen (Staud/v Hoffmann Art 40 EGBGB Rn 60; Ehmann/Thorn AfP 1996, 20 [23]) und in Widerspruch zur Prozessökonomie stehen (Staud/v Hoffmann Art 40 EGBGB Rn 60; so aber: Spickhoff IPrax 2000, 1 [5]; Wagner, 78ff). Rspr und Lit wenden daher zu Recht die sog Mosaikbetrachtung an, wonach jedes Erfolgsortrecht lediglich über die in seinem Gebiet erfolgte Verletzung des APR entscheidet (Hamburg NJW-RR 1995, 790 [792]; Hillgenberg NJW 1963, 2198 [2200]; Looschelders ZVglRWiss 95 [1996], 48 [81f]; Mankowski RabelsZ 63 [1999], 203 [269ff]; Stoll in GS Lüderitz, 2000, 749f). Dies entspricht auch der st Rspr des EuGH zur internationalen Zuständigkeit (Brüssel I-VO Art 5 Nr 3; EuGH NJW 1995, 1881; Pal/Thorn Art 40 EGBGB Rn 10). Ein Teil der Literatur kritisiert jedoch die durch die Mosaikbetrachtung bedingte unbefriedigende Parzellierung der Ansprüche und sieht daher jenen Ort als maßgeblichen Erfolgsort N. Klass

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Allgemeiner Teil

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an, an welchem schwerpunktmäßig der Verletzungserfolg eingetreten ist; dies sei bei Verletzung des APR typischerweise der gewöhnliche Aufenthaltsort des Trägers des verletzten Rechtsguts (Staud/v Hoffmann Art 40 EGBGB Rn 61; G. Wagner RabelsZ 62 [1998], 243 [277]; Hohloch ZUM 1986, 165 [178f]; Ehmann/Thorn AfP 1996, 20 [23]; Erman/Hohloch Art 40 EGBGB Rn 53). In Ausnahmefällen kann aber auch die Ausweichklausel (Art 41 EGBGB) oder die ordre public-Klausel (Art 6 EGBGB) gelten (Staud/v Hoffmann Art 40 EGBGB Rn 60). Auch im Bereich des postmortalen Persönlichkeitsrechtsschutzes ist auf die allg Kollisionsnormen zurückzugreifen. Zur Behandlung des Unterlassungsanspruchs im IPR ausf Fricke, Der Unterlassungsanspruch 2003; zu sonstigen Abwehr- und Schadensersatzansprüchen vgl Friedrich Hdb des Persönlichkeitsrechts § 58 Rn 39ff. Die internationale gerichtliche Zuständigkeit für eine Verletzung des APR ergibt sich aus den allg Regeln des deutschen internationalen Zivilprozessrechts (hierzu ausf Seitz Hdb des Persönlichkeitsrechts § 59). K. Rechtsfolgen 278

I. Der Auskunftsanspruch. Die Rspr gewährt dem Betroffenen zur Vorbereitung und Durchsetzung seiner persönlichkeitsrechtlichen Ansprüche einen unselbständigen Anspruch auf Auskunft (BGH NJW 1962, 731; NJW 1981, 675 – Scientology; München NJW-RR 1996, 93 [95] – Tauffoto; BGH NJW 2000, 2195 [2196] – Blauer Engel), der dem Betroffenen dazu dient, sich Informationen über die Beteiligung sowie über Art und Umfang einer Beeinträchtigung zu verschaffen, ohne ihm die Beweislast für die haftungsbegründenden Voraussetzungen abzunehmen (BGH NJW 1980, 2801 [2807] – Medizinsyndikat III, lehnt jedoch das Auskunftsbegehren des Betroffenen, ob und bei welcher Gelegenheit und ggü welchen weiteren Personen eine unerlaubte Handlung begangen wurde, ab). Nicht ausreichend ist der reine Verdacht einer Rechtsgutsverletzung; vielmehr muss Grund zur Annahme bestehen, dass der Betroffene die unwahre Behauptung nicht nur ggü dem Betroffenen, sondern auch ggü anderen Personen aufgestellt hat (BGH NJW 1962, 731). Ein Auskunftsanspruch besteht trotz des reinen Abwehrcharakters auch bei einer auf Unterlassung und Beseitigung gerichteten Haftung des Störers (LG Berlin ZUM 2006, 430 [431]) sowie im Bereich der Amtshaftung (BGH NJW 1981, 675 – Scientology). Vom Anspruch umfasst ist die Auskunft über den Umfang einer Rechtsverletzung (BGH NJW 1965, 29 [33] – Flugblätter; vgl aber BGH NJW 1980, 2801 [2807] – Medizinsyndikat III: der Verbreitungsumfang eines Buches ist dem Betroffenen grds bekannt) sowie die Identität der Quelle. Hierbei ist grds die Vertraulichkeit zw Presse und Informanten zu beachten, jedoch besteht kein absoluter Schutz der Vertraulichkeit journalistischer Arbeit, so dass stets eine einzelfallbezogene Güterabwägung zw dem Geheimhaltungsinteresse und dem Auskunftsanspruch vorzunehmen ist (BVerfG NJW 1999, 2264 [2265] – Steuerhinterziehung; NJW 1999, 2880 – Holst; zur Zusammenarbeit zw Staat und Bürger in steuerlichen Angelegenheiten RhPfVerfGH NJW 1999, 2264 [2265] – Steuerhinterziehung). Der Auskunftsanspruch kann auch ggü Dritten entstehen (zum Anspruch gegen Diensteanbieter KG ZUM-RD 2007, 57 [kein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB hins Bestandsdaten], LG Berlin ZUM 2006, 430 [432] – Nacktbilder). Grundlage für den allg Auskunftsanspruch ist § 242 (BGH NJW 1962, 731); daneben gibt es noch eine Vielzahl spezialgesetzlicher Regelungen, die einen Auskunftsanspruch begründen (ua § 105 TKG; § 34 BDSG; Regelungen in den Datenschutzgesetzen der Länder, etwa § 18 DSG NRW; § 13 VII TMG); zu den einzelnen Anspruchsgrundlagen gegen die Rundfunk- und Fernsehanstalten Damm/Rehbock Rn 704–709. II. Der Unterlassungsanspruch

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1. Anspruchsgrundlage. Der Unterlassungsanspruch, mit dem einer drohenden rechtswidrigen Verletzung des APR begegnet werden kann, ist ein quasinegatorischer Anspruch, den der Betroffene entspr §§ 12, 862, 1004 geltend machen kann (BVerfG NJW 2006, 207 [208] – IM-Sekretär; LG Essen ZUM-RD 2006, 183 [184]; MüKo/Baldus § 1004 Rn 7). In Konfliktsituationen mit den Medien ist er neben dem Gegendarstellungsanspruch der am häufigsten geltend gemachte Anspruch (Damm/Rehbock Rn 796; MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 201). Als vorbeugender Unterlassungsanspruch kann er eingesetzt werden, um zu verhindern, dass eine bestimmte Handlung überhaupt vorgenommen, eine Äußerung überhaupt veröffentlicht wird, während der nachträgliche Unterlassungsanspruch verhindern soll, dass eine Verletzungshandlung wiederholt wird. Der Unterlassungsanspruch ist ein höchstpersönlicher Anspruch und damit weder übertragbar (dazu BGH NJW 1981, 1089 [1094] – Der Aufmacher I; NJW 1990, 1986 [1987] – Emil Nolde) noch veräußerlich (BGH NJW 2000, 2195 [2197] – Marlene Dietrich); eine gewillkürte Prozessstandschaft ist daher grds ausgeschlossen (die Rspr anerkennt jedoch Ausnahmen: möglich ist daher zB die Übertragung von Verwertungsrechten an Verwertungsgesellschaften, welche in der Folge berechtigt sind, einen Unterlassungsanspruch im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen, BGH NJW-RR 1987, 231 [232] – Nena). Nach dem Tod kann der Unterlassungsanspruch jedoch von den Erben oder nahen Angehörigen des Verstorbenen geltend gemacht werden (BGH NJW 1990, 1986 [1987] – Emil Nolde; BVerfG NJW 2006, 3409 [3410] – Blauer Engel; BGH NJW 2000, 2201 – Blauer Engel; NJW 2000, 2195 [2197] – Marlene Dietrich I; NJW 2002, 2317 [2318] – Marlene Dietrich II; vgl auch Damm/Rehbock Rn 797).

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2. Anspruchsvoraussetzungen. a) Rechtswidrige Verletzung oder Gefährdung des APR. Der Unterlassungsanspruch setzt eine rechtswidrige, nicht aber eine schuldhafte Verletzung oder Gefährdung des APR voraus. Diese kann in einer Ehrverletzung, einer unbefugten Verbreitung von privaten oder intimen Informationen, der Veröffentlichung von Bildnissen, der unbefugten Nutzung von Persönlichkeitsmerkmalen, in einer Belästigung oder einer sonstigen das APR verletzenden Handlung bestehen (zum Schutzbereich des APR s Rn 94ff). Im Bereich des Äußerungsrechts ist grds das Vorliegen einer unwahren Tatsachenbehauptung erforderlich zur Beurteilung mehrdeutiger Äußerungen s Rn 111ff, wobei nicht jede unwahre Behauptung einen Unterlassungsanspruch auslösen kann (nach 96

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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

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BGH NJW 2006, 609 [609, 610] – EM.TV liegt bei unwesentlichen Abweichungen von der Wahrheit, die weder die Privat- noch die Geheim- oder Intimsphäre des Betroffenen betreffen, bereits keine Persönlichkeitsrechtsverletzung vor). Ggü Meinungsäußerungen ist der Unterlassungsanspruch grds unzulässig, es sei denn, es liegt eine Schmähkritik vor (BVerfG NJW 1991, 95 [96] – Zwangsdemokrat). Kein Unterlassungsanspruch besteht jedoch mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses (BGH NJW 2005, 279 [281] – Foris) bei ehrkränkenden Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem Gerichtsverfahren oder dessen konkreter Vorbereitung dienen, zur grds Behandlung von Äußerungen in gerichtlichen Verfahren s Rn 271ff. Kasuistik: Ein Unterlassungsanspruch besteht auch bei (grds erlaubten) krit Äußerungen über ei- 281 ne Abtreibungspraxis unter namentlicher Nennung des Arztes, wenn dadurch die legale ärztliche Tätigkeit beeinträchtigt wird (BGH NJW 2005, 592 [593]); nicht jedoch gegen einen wahren Bericht über weniger schwerwiegende Straftaten/Ordnungswidrigkeiten (vgl BGH NJW 2006, 599); das Herstellen von Filmaufnahmen über eine Person zur journalistischen Recherche kann zwar einen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellen, ein Unterlassungsanspruch kommt aber nicht in Betracht, wenn keine Verbreitungsabsicht besteht (LG Essen ZUM-RD 2006, 183 [185]). b) Begehungs- und Wiederholungsgefahr. Der vorbeugende Unterlassungsanspruch, der sich ge- 282 gen eine künftige Verletzungshandlung richtet, setzt eine Begehungsgefahr voraus, für die der Kläger grds darlegungs- und beweispflichtig ist. Begehungsgefahr liegt vor, wenn ein Rechtsverstoß zwar noch nicht erfolgt ist, aber in nicht allzu ferner Zukunft ersichtlich droht und sich die Verletzungshandlung in tatsächlicher Hinsicht so greifbar abzeichnet, dass eine zuverlässige Beurteilung unter rechtlichen Gesichtspunkten möglich ist (BGH NJW 1992, 2292 [2294] – Nicola; NJW 1990, 2469 [2470] – Anzeigenpreis II; Karlsruhe NJW 2006, 617 [618] – Bunte; LG Essen ZUM-RD 2006, 183 [184]; MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 201), was jedoch aufgrund der Eingriffsstärke idR nur in Ausnahmefällen dargelegt und bewiesen werden kann (BVerfG NJW 1973, 1226 – Lebach I; BGH NJW 1975, 1882 [1884] – Geist von Oberzell; LG Essen ZUM-RD 2006, 183 [184]), weshalb der vorbeugende Unterlassungsanspruch nur selten geltend gemacht und durchgesetzt wird (Damm/Rehbock Rn 804). Nicht ausreichend für die Begründung einer Begehungsgefahr sind jedenfalls bloße Recherchen, da dies zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Presse- und Meinungsfreiheit führen würde (Frankfurt NJWRR 2003, 37). Der Anspruch auf Unterlassung nach der Verletzung des APR besteht nur dann, wenn eine Wiederholungsgefahr und damit die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen vorliegt (materielle Anspruchsvoraussetzung: vgl BGH NJW 2005, 594 [595]; GRUR 1992, 318 [319] – Jubiläumsverkauf; NJW 1994, 2096 – Versicherungsvermittlung im öffentlichen Dienst; NJW 1987, 3251 [3253]). Es muss also eine erneute Rechtsverletzung künftig zu erwarten sein (BGH NJW 2005, 594 [595]; LG Essen ZUM-RD 2006, 183 [184]). Der Betroffene muss jedoch lediglich substantiiert darlegen, wann, wie, in welcher Art und Weise und mit welchen Mitteln rechtswidrig in seine Rechtsgüter eingegriffen wurde. Die konkrete Gefahr einer künftigen, das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzenden Tathandlung wird vermutet, wenn ein rechtswidriger Eingriff in das APR stattgefunden hat (Karlsruhe NJW 2006, 617 [618] – Bunte; BGH GRUR 1994, 913 [915] – Namensliste; NJW 1994, 1281 [1282] – Jahresabschluss; NJW 1986, 2503 [2505]; NJW 1954, 1682 – Constanze II; München ZUM 2003, 870 – Esra). Stellt sich jedoch erst nachträglich die Unwahrheit einer Äußerung heraus, die seinerzeit durch die Wahrnehmung berechtigten Interesses gerechtfertigt war, begründet dies keine Wiederholungsgefahr. Zwar kann auch die Wiederholung einer ursprünglich rechtmäßigen Behauptung nach Feststellung ihrer Unwahrheit rechtswidrig sein, doch muss in diesem Fall die Erstbegehungsgefahr konkret festgestellt werden. Nur dann, wenn bereits ein rechtswidriger Eingriff erfolgt ist, besteht eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr (BGH NJW 1987, 2225 [2227]; NJW 1986, 2503; NJW 1986, 2503 [2504f]; BVerfG NJW 1969, 227 [228]; NJW 1999, 3326 [3328]). An die Widerlegung der Vermutung werden hohe Anforderungen gestellt (BGH GRUR 1964, 33 [35] – Bodenbeläge; NJW 1994, 1281 [1282] – Jahresabschluss; nach BGH NJW 1954, 1682 – Constanze II reicht das Versprechen, die beanstandete Handlung in Zukunft zu unterlassen, nicht aus; nicht ausreichend ist ebenfalls, dass tatsächliche Entwicklungen einen neuen Eingriff unwahrscheinlich machen, BGH GRUR 1994, 913 [915] – Namensliste; München ZUM 2003, 870 [871] – Esra). Die Vermutung kann idR nur dadurch ausgeräumt werden, dass der Unterlassungsanspruch anerkannt, eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung unterzeichnet wird (München ZUM 2003, 870 [871] – Esra; BGH NJW 1994, 1281 [1284]; s auch zur Reichweite einer Unterlassungsverpflichtungserklärung BGH NJW 2009, 2823 [2824] – Verletzungsform), der Störer durch sein Verhalten die Wiederholungsgefahr ausgeräumt hat (BGH NJW 1994, 1281 [1283] – Jahresabschluss; Köln AfP 1989, 764: durch freiwillige Veröffentlichung einer Richtigstellung; Köln AfP 1993, 744: durch erneute Berichterstattung, aus der hervorgeht, dass sich die Behauptungen als falsch erwiesen haben), oder der Eingriff durch eine einmalige Sondersituation veranlasst war (BGH NJW 1994, 1281 – Heberger Bau). 3. Umfang des Unterlassungsanspruchs. Der Unterlassungsanspruch muss sich auf die konkret 283 drohende Verletzungshandlung beziehen; er umfasst grds nur einen bestimmten Sachverhalt (KG NJW-RR 2007, 47). Ändert sich der Sachverhalt, bspw durch das Hinzutreten neuer Tatsachen, so ist der neue Sachverhalt vom Unterlassungsgebot nicht erfasst (OLG Köln NJW-RR 1993, 870). Nicht möglich ist es daher auch im Bereich der Bildberichterstattung, mit einer vorbeugenden Unterlassungsklage über die konkrete Verletzungsform hinaus eine ähnliche oder „kerngleiche“ Bildberichterstattung für die Zukunft zu verbieten, es sei denn, die Verbreitung ist an sich schon unzulässig, weil etwa die Intimsphäre tangiert ist (BGH NJW 2008, 1593 – Kerngleiche Berichterstattung; NJW 2009, 2823 – Andrea Casiraghi; NJW 2010, 1454 – Sohn von Franz Beckenbauer; Düsseldorf AfP 2010, 182 –

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Fernsehaufnahmen). Von diesem Grundsatz ist auch dann nicht abzuweichen, wenn es um die Abbildung von Kindern und Jugendlichen geht und das Presseorgan bereits mehrfach Bildnisse ohne die entspr Einwilligung veröffentlicht hat (BGH ZUM 2010, 262 [263] – Tochter von Franz Beckenbauer), denn auch wenn der Schutzbereich des APR hier eine Verstärkung durch Art 6 I, II GG erfährt, ist eine Abwägung zw dem APR und der Meinungs- und Pressefreiheit nicht entbehrlich. Grds besteht immer nur ein Anspruch auf Unterlassung derjenigen Äußerung, durch die in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eingegriffen wird (zB Verbot einzelner Textstellen in einem Theaterstück). Handelt es sich um Bücher (BGH GRUR 2008, 931 – Esra; BVerfG NJW 2008, 39 – Esra; BGH 50, 133 – Mephisto), Theaterstücke (BGH NJW 1995, 1882 – Geist von Oberzell), Filme (Hamburg AfP 1975, 916) oÄ, kann die konkrete Äußerung jedoch so mit der Gesamtdarstellung verbunden sein, dass nur ein Gesamtverbot in Betracht kommt – maßgeblich ist hier eine Abwägung im Einzelfall; es darf grds kein schonenderes Mittel zur Verfügung stehen (BGH NJW 1975, 1882 [1885] – Geist von Oberzell; BGH NJW 1968, 1773 [1777] – Mephisto: Wiederveröffentlichung mit Vorwort des Verlegers als schonenderes Mittel; MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 201). 284

Bei Äußerungsdelikten kann der Unterlassungsanspruch nicht nur bzgl offen aufgestellter Behauptungen, sondern auch hins unwahrer Behauptungen oder ehrkränkender Beschuldigungen, die im Gesamtzusammenhang offener Einzelaussagen versteckt zw den Zeilen stehen, geltend gemacht werden (BGH NJW 1980, 2801 [2803] – Medizinsyndikat III: zum Aufstellen unwahrer Behauptungen in einem Sachbuch, die sich erst durch das geschickte Zusammenspiel von Auslassungen, missverständlichen Formulierungen und der Kombination falscher Sinnzusammenhänge und Kapitelüberschrift ergeben; MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 201). Unzulässig und mit Art 5 GG nicht zu vereinbaren ist aber eine Sinninterpretation, die lediglich auf die bloße Möglichkeit abhebt, dass der Leser Zusammenhänge für versteckte Behauptungen herstellt, die der beanstandete Text jedoch nicht mit hinreichender Klarheit hergibt (BGH NJW 1980, 2801 [2803] – Medizinsyndikat III). Verlangt werden kann zudem auch das Verbot der andeutungsweisen Aufstellung bestimmter tatsächlicher Behauptungen (BGH AfP 1968, 55). Ist Gegenstand der Äußerung eine ehrverletzende Meinungsäußerung, darf mit Blick auf die verfassungsrechtlich garantierte Meinungsfreiheit aber nur die wörtliche Wiedergabe untersagt werden (BVerfG 42, 143 [151] – Deutschland-Stiftung I). Mit Blick auf den Umfang stellt BGH NJW 2823 [2824] – Verletzungsform fest, dass ein auf die konkrete Verletzungsform beschränktes Unterlassungsgebot nicht nur dann greift, wenn der Presseartikel wortgleich wiederholt wird, sondern auch dann, wenn die mitgeteilten Informationen sinngemäß ganz oder teilw Gegenstand einer erneuten Berichterstattung unter Beifügung des zu beanstandenden Fotos sind.

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4. Veröffentlichung der Unterlassungsverpflichtung. Nach der Rspr des BGH kann dem Betroffenen bei rufschädigenden Meinungsäußerungen auf negatorischer und deliktischer Grundlage ein Anspruch auf Veröffentlichung einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung des Verletzers zustehen, „wenn die unzulässige Meinungsäußerung öffentlich erfolgt ist und die Publikation der Unterwerfungserklärung zur Beseitigung der noch andauernden Folgen der Äußerung für das Ansehen des Verletzten erforderlich ist“ (so Leitsatz BGH NJW 1987, 1400 – Oberfaschist; BGH GRUR 1956, 558 [863] – Regensburger Karmelitengeist; NJW 1967, 675 [677] – Spezialsalz; MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 203).

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5. Darlegungs- und Beweislast. Grds hat der Kläger die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, welche die Verletzung des APR begründen (vgl Schlosser JZ 1963, 309). Steht jedoch eine ehrenrührige Äußerung in Streit, muss der Störer seine Behauptungen so substantiiert darlegen, dass dem Kläger der Beweis der Unwahrheit möglich ist (ausf hierzu Damm/Rehbock Rn 826; Wanckel NJW 2009, 3353 [3355]; BGH NJW 1974, 1710 [1711] – Arbeitsrealitäten; NJW 1975, 89 [92] – Brüning I; BVerfG NJW 2006, 207 [209] – IM-Sekretär).

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6. Aktiv- und Passivlegitimation, vgl hierzu ausf Rn 84ff. Aktivlegitimiert ist derjenige, der individuell und unmittelbar in seinen Rechten betroffen ist oder eine Beeinträchtigung zu befürchten hat; nicht anspruchsberechtigt ist der von den Fernwirkungen eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht eines anderen nur mittelbar Belastete, solange diese Auswirkungen nicht auch als Verletzung des eigenen Persönlichkeitsrechts zu qualifizieren sind (BGH NJW 1980, 1790 [1791]; Köln NJW-RR 1998, 1175 [1176]). Individuell betroffen können nicht nur nat und jur Pers des Privatrechts sein, sondern auch Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts (BGH NJW 2006, 601 [602] – Erzbistum; Köln NJW-RR 1998, 1175 [1176] – Erzbistum; Bundesanstalt für Arbeit: BGH NJW 1983, 1183 – Vetternwirtschaft). Der Betroffene muss jedenfalls erkennbar sein; nicht erforderlich ist eine namentliche Nennung. Nach der Rspr liegt Erkennbarkeit dann vor, wenn alle oder ein erheblicher Teil der Leser oder gar die Durchschnittsleser einer Zeitung die gemeinte Person identifizieren können (BGH NJW 2004, 3619 [3620]; NJW 1992, 1312 [1313]). In den Fällen des postmortalen Persönlichkeitsrechtsschutzes sind auch die Erben und Angehörigen anspruchsberechtigt (BVerfG NJW 2006, 3409 [3410] – Blauer Engel II; BGH NJW 2000, 2201 – Blauer Engel; 143, 214 – Marlene Dietrich; NJW 2002, 2317 [2318] – Marlene II; LG Stuttgart GRUR-RR 2010, 94 [94] – William Hall). Nicht aktivlegitimiert ist ein „Internet-Fachjournalist“, der die Interessen anderer Internetnutzer wahrnimmt und im Interesse der Allgemeinheit versucht, Werbung zu unterbinden (LG Berlin ZUM-RD 2004, 597 [598] – Internet-Fachjournalist). Passiv legitimiert ist derjenige, der die Verletzung des Persönlichkeitsrechts verursacht hat bzw zu verursachen droht (Störer). Das können im Bereich der Medienberichterstattung eine Vielzahl von Personen sein: Dazu gehören jedenfalls nach st Rspr des BGH der Verleger einer Zeitung und der verantwortliche Redakteur iSd Landespressegesetze, da diese, wenn auch nicht selbst, so doch durch entspr Anweisungen sicherzustellen haben, dass Texte mit gesetzeswidrigem Inhalt von der Veröffentlichung ausgeschlossen werden (BGH NJW 1974, 1762; Köln NJW-RR 2001, 98

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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

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1196; NJW 1999, 1960 – Möbelklassiker; NJW 1997, 2180 – Architektenwettbewerb; NJW 1995, 870 [871] – Schlussverkaufswerbung II; NJW-RR 1994, 874 – Schlankheitswerbung). Anspruchsverpflichteter ist daneben auch der Herausgeber (BGH GRUR 1974, 794). Bei Rundfunkanstalten ist neben der Anstalt auch der Autor des Beitrags sowie der redaktionell verantwortliche Moderator anspruchsverpflichtet (BGH NJW 1976, 1198 [1199] – Panorama; NJW 1997, 1148 – Stern-TV). Der Betreiber eines Internetforums ist neben demjenigen verantwortlich, der den konkreten Beitrag eingestellt hat (BGH NJW 2007, 2558). Wird die Äußerung eines anderen verbreitet, liegt eine rechtswidrige Handlung grds nur vor, wenn der Verbreitende sich die Äußerung zu eigen macht (LG Köln ZUM-RD 2008, 437 [439]; BVerfG NJW 2004, 590 [591]; BGH NJW 2010, 760 [761]; Naumburg ZUM-RD 2006, 286 [287]; vgl zum Behaupten durch zu eigen machen Rn 89). 7. Rechtsweg. Streitigkeiten wg Verletzung des APR sind grds bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten, 288 weshalb für die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs der Zivilrechtsweg gem § 13 GVG und nicht der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben ist (Koblenz NJW 1973, 42 [42] – Lebach; BVerwG NJW 1994, 2500 [2500], der Zivilrechtsweg ist ebenfalls einschlägig, wenn ein Amtsträger eine rein persönliche Erklärung abgibt, LG Braunschweig, AfP 2010, 184 – Äußerungen eines Bürgermeisters in einer Ratsdebatte). Dies gilt auch für den Fall, dass es um widerstreitende Interessen des öffentlich-rechtl Rundfunks auf der einen und der Privatsphäre des Bürgers auf der anderen Seite geht (BGH NJW 1976, 1198 [1198, 1199]; BVerwG NJW 1994, 2500 [2500]). Die Arbeitsgerichtsbarkeit ist gem § 2 I ArbGG zuständig, wenn die vom Betroffenen beanstandete Äußerung einen Bezug zum Arbeitsverhältnis aufweist (LAG Baden-Württemberg NZA-RR 2008, 93). Handelt es sich um die Äußerung eines Beamten im Rahmen seiner hoheitlichen Tätigkeit, soll jedoch der Verwaltungsrechtsweg gegeben sein (VG Berlin NJW 1993, 2548 [2550] – Stolpe; OVG Berlin NJW 1998, 257; VGH Mannheim AfP 1998, 104 [106]; vgl auch VG Berlin AfP 2010, 298 [299] – Äußerungen eines Senators der Stadt Berlin: Äußerungen, die von einem Träger öffentlicher Verwaltung bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben gestützt auf vermeintliche oder vorhandene öffentlich-rechtliche Befugnisse abgegeben werden, sind öffentlich-rechtl Natur); Gleiches gilt für Presseerklärungen eines Leitenden Oberstaatsanwalts, BVerwG NJW 1992, 62; aA Karlsruhe NJW 1995, 899 bzgl der Pressemitteilung über ein laufendes Ermittlungsverfahren. Äußerungen eines Gerichts in Ausübung richterlicher Tätigkeit, insb in Urt und Beschl, sind jedoch nur im Rahmen und nach Maßgabe der Vorschriften der für die jeweilige Gerichtsbarkeit geltenden Verfahrensordnungen angreifbar (VGH München NJW 1995, 2940 [2941]). Handelt es sich um Äußerungen einer öffentlich-rechtl organisierten Religionsgemeinschaft, ist str, welcher Rechtsweg gegeben ist (OVG Bremen NVwZ 1995, 793 – Zivilrechtsweg; aA VGH München NVwZ 1994, 787). 8. Zuständigkeit. Bei Verletzungen des APR handelt es sich um Delikte, weshalb neben dem allg 289 Gerichtsstand (§§ 13f ZPO) der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) besteht. Bei Presseerzeugnissen wird die unerlaubte Handlung grds am Erscheinungsort des Druckwerks (Handlungsort), zum anderen auch an jedem Ort begangen, an dem das Druckwerk entweder im regelmäßigen Geschäftsverkehr oder bestimmungsgemäß und nicht nur zufällig verbreitet wird (ZUM-RD 2008, 482 [484]; BGH NJW 1996, 1128; NJW 1977, 1590; KG GRUR 1989, 134; LG Frankfurt aM AfP 2010, 512 [513] – Michael Schumacher). Der Leser, der den Inhalt zur Kenntnis genommen hat, muss sich in dem Bereich aufhalten, den der Verleger und der Herausgeber nach seinen Intentionen auch wirklich erreichen will oder in dem er mit einer Verbreitung rechnen muss; nicht ausreichend ist, dass das Druckerzeugnis nur zufällig außerhalb des regelmäßigen Verbreitungsgebiets wohnenden Lesern zur Kenntnis gelangt (BGH GRUR 1971, 153 [154] – Tampax; GRUR 1978, 194 [195] – Profil; NJW 1977, 1590; ZUM-RD 2008, 482 [484]). Kein Vertrieb liegt ebenfalls vor, wenn jemand ein Exemplar nur bezieht, um dadurch an seinem Wohnsitz den Gerichtsstand des Begehungsortes zu begründen (BGH NJW 1977, 1590). Bei Rundfunksendungen ist der geplante Verbreitungsort entscheidend, also der Ort, an dem die Hör- und Fernsehsendung empfangen werden kann (LG Hamburg NJW 2003, 1952 – Ausstrahlungsort bei Fernsehinterview; Musielak/Heinrich § 32 ZPO Rn 18). Auf Internetdelikte kann die Rspr zu den Presseerzeugnissen nicht ohne Weiteres übertragen werden, da diese nicht verbreitet, sondern zum Abruf bereitgehalten werden; ließe man die bloße Abrufbarkeit der Inhalte genügen, käme es zu einer uferlosen Ausweitung, die dem Sinn und Zweck des § 32 ZPO widerspricht (BGH ZUM 2010, 524 [525]; LG Frankfurt aM AfP 2010, 512 [513] – Michael Schumacher; aA MüKo/ Rixecker Anh § 12 Rn 255). Ob und ggf wie häufig ein Beitrag abgerufen wurde, ist nicht erheblich, da es für die Begründung der örtlichen Zuständigkeit nicht auf die Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung ankommt (BGH NJW 1977, 1590; LG Köln BeckRS 2009, 08791). Bei international abrufbaren Internetinhalten (zum IPR des APR vgl Rn 277) muss der als rechtsverletzend beanstandete Inhalt objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen nach den Umständen des konkreten Falls, insb aufgrund des Inhalts der beanstandeten Meldung, im Inland tatsächlich eingetreten sein kann oder eintreten kann (BGH ZUM 2010, 524 [525]). Unterlassungsansprüche, die auf die Verletzung des APR gestützt sind, sind grds nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten iSd § 23 Nr 1 GVG (BGH NJW 1974, 1470 – Brüning II; NJW 1986, 3143; NJW 1963, 151). Die vermögensrechtliche Natur ist aber ausnahmsweise dann zu bejahen, wenn sich aus dem Vorbringen des Betroffenen oder den offenkundigen Umständen ergibt, dass das Rechtsschutzbegehren des Betroffenen in wesentlicher Weise auch der Wahrung wirtschaftlicher Belange dienen soll (BGH NJW 1974, 1470 – Brüning II; NJW-RR 1990, 1276 [1277]; NJW 1986, 3143; AfP 1990, 209 [210] – Medizinjournalist). 9. Abmahnung. Sowohl beim vorbeugenden als auch beim nachträglichen Unterlassungsanspruch 290 sollte zunächst die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung verlangt werden, um die bei einem sofortigen Anerkenntnis drohende Kostenbelastung nach § 93 ZPO zu verN. Klass

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meiden und dem Verletzer die Gelegenheit zu geben, den Streit außergerichtlich durch eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung beizulegen (München ZUM-RD 2001, 561 [563]; Köln GRUR 1988, 487; LG Hamburg ZUM-RD 2008, 303 [305]). Es handelt sich dabei aber weder um eine Vorstufe zu einem gerichtlichen Verfahren auf Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs noch um eine Prozessvoraussetzung für das Unterlassungsbegehren (München NJW-RR 1992, 731 [732]). Von dem Erfordernis der vorherigen Abmahnung kann nur in Ausnahmefällen abgesehen werden. Eine Abmahnung ist entbehrlich, wenn die (Wieder-)Veröffentlichung unmittelbar bevorsteht (München NJW-RR 1992, 731 [732]; Köln GRUR 1988, 487), die Abmahnung von vornherein aussichtslos erscheint (Köln AfP 1990, 51 [52]; LG Hamburg ZUM-RD 2008, 303 [305]), oder wenn sie für den Betroffenen aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles unzumutbar ist (Köln GRUR 1988, 487; LG Hamburg ZUM-RD 2008, 303 [305]). 291

10. Zwangsvollstreckung. Die Vollstreckung richtet sich nach § 890 ZPO (dazu Köln NJW-RR 1986, 1191 [1191]; MüKo/Gruber § 890 ZPO Rn 4). III. Der Berichtigungsanspruch (Widerrufsanspruch)

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1. Anspruchsziel und Anspruchsgrundlagen. Derjenige, der Ziel einer unwahren Tatsachenbehauptung geworden ist, hat gegen den Störer einen Anspruch auf Berichtigung/Widerruf der Tatsachenbehauptung, um dem Zustand fortdauernder Rufbeeinträchtigung ein Ende zu machen (BGH NJW 1987, 754 [755] – Insiderwissen; NJW 1995, 861 [862] – CvM unter ausdr Bezugnahme auf BGH NJW 1961, 658 – Kesselasche). Der Widerruf stellt grds ein angemessenes und geeignetes Mittel dar, um die Auswirkungen der rechtsverletzenden Berichterstattung zu begrenzen (Hamburg ZUM-RD 2008, 602 [604] – Wochenbettpsychose). Nach st Rspr ist die Verurteilung zum Widerruf nicht mit einem Schuldvorwurf verbunden; sie sei ebenfalls nicht dazu bestimmt, dem Verletzten Genugtuung zu verschaffen oder sein Rechtsgefühl wiederherzustellen (dazu ua BVerfG NJW 2004, 354 [355]; NJW 1991, 1475 – Flohmarkt; BGH NJW 1953, 1386 [1387]) noch habe sie Sanktionscharakter, da der Äußernde nicht gezwungen werde, sich von der Äußerung in vollem Umfang zu distanzieren (BVerfG NJW 1991, 1475 [1476] – Flohmarkt; aA Damm/Rehbock Rn 842, die den Widerrufsanspruch zu Recht als eine „sehr scharfe Waffe“ bezeichnen). Der Anspruch auf Widerruf darf mithin nur dazu dienen, den beeinträchtigenden Zustand zu beseitigen; mit ihm kann insb weder eine Entschuldigung erreicht werden noch darf er zu einer Demütigung führen (MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 206; BVerfG NJW 1970, 651 [652] – Korruptionsvorwurf). Der Anspruch kann auch ggü ehrverletzenden Behauptungen geltend gemacht werden, die im „kleinen Kreis“ aufgestellt wurden (BGH NJW 1984, 1104 [1105] – kleiner Kreis); nicht jedoch hins einer lediglich unter vier Augen erfolgten Äußerung (BGH NJW 1953, 1386 [1387]).

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Die Beseitigung der eingetretenen Beeinträchtigung kann als Schadensersatz gem §§ 823 I, 823 II iVm einem Schutzgesetz oder aber als quasi-negatorischer Folgenbeseitigungsanspruch gem § 1004 analog verlangt werden (BVerfG NJW 2004, 354 [355]; BGH NJW 1961, 568 – Kesselasche; NJW 1952, 417 [418]; NJW 1995, 861 [862] – CvM), welcher im Vergleich zum deliktischen Widerrufsanspruch kein Verschulden, sondern nur die objektive Unwahrheit der aufgestellten Behauptung voraussetzt (BGH NJW 1958, 1043 – Blankoverordnung; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des Widerrufsanspruchs BVerfG NJW 1998, 1381 [1383]), weshalb die deliktsrechtliche Begründung persönlichkeitsrechtlicher Beseitigungspflichten in der Praxis kaum noch Bedeutung hat. Bei der Verletzung des RaeB (hierzu ausf Rn 167ff) folgt aus § 37 KUG ein Anspruch auf Vernichtung rechtswidrig verbreiteter oder vorgeführter Exemplare sowie der zur widerrechtlichen Vervielfältigung oder Vorführung ausschließlich bestimmten Vorrichtungen (gegen eine Vergütung kann der Verletzte auch Übernahme verlangen, MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 205); zur Vorbereitung und Durchsetzung des Beseitigungs- und Widerrufsanspruchs gewährt die Rspr dem Betroffenen einen unselbständigen Anspruch auf Auskunft (dazu Rn 278; ferner BGH NJW 1962, 731; NJW 1981, 675 – Scientology; München NJW-RR 1996, 93 [95] – Tauffoto; BGH NJW 2000, 2195 [2196] – Blauer Engel).

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2. Anspruchsvoraussetzungen. a) Unwahre Tatsachenbehauptung. Der Anspruch auf Widerruf kann nur gegen persönlichkeitsrechtsverletzende Tatsachenbehauptungen, nicht jedoch gegen Meinungsäußerungen (zur Abgrenzung ausf Rn 98ff insb 101) geltend gemacht werden, selbst wenn es sich dabei um eine Schmähkritik handelt (BGH NJW 1995, 861 [864] – CvM; NJW 1982, 2246 – Quo vadis; NJW 1965, 35 [36] – Lüftungsfirma; GRUR 1969, 555 [558] – Cellulitis; GRUR 1974, 797 [798] – Fiete Schulze; NJW 1976, 1198 [1201] – Panorama), da diese dem Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit gem Art 5 I S 1 GG unterfallen (dazu BVerfG NJW 1983, 1415 – Wahlkampfäußerung). Die Tatsachenbehauptung muss unwahr bzw nicht erweislich wahr sein (BGH NJW-RR 1987, 754 – Insiderwissen; NJW 1977, 1681 – Wohnstättengemeinschaft; NJW 1995, 861 [862] – CvM); gegen persönlichkeitsrechtsverletzende wahre Tatsachenbehauptungen ist ein Widerrufsanspruch grds nicht gegeben (so ausdr LG Regensburg NJW-RR 1996, 538). Beeinträchtigungen des APR, die nicht durch Äußerungen, sondern durch sonstige Handlungen oder Belästigungen erfolgen, kann nur mit dem allg Beseitigungsanspruch entgegengetreten werden (Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 334; vgl hierzu BGH NJW 1990, 1986 [1987] – Emil Nolde: Beseitigung einer gefälschten Signatur auf einem Kunstwert; GRUR 1994, 913 [915] – Namensliste: Unkenntlichmachung von Namen oder Identifizierungsmerkmalen; NJW 1997, 1152 [1154] – Bob Dylan: Vernichtung hergestellter Fotografien; NJW 1958, 1344 [1345] Tonbandaufnahme I; NJW 1988, 1016 [1017] – Tonbandaufnahme II: Löschung von Tonbandaufnahmen; NJW 1980, 2801 [2806] – Medizinsyndikat III: Richtigstellung oder Ergänzung von Mitteilungen; ebenso bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Fotomontagen oder Retuschen, LG München I NJW 2004, 606 [607] – selbst dann, wenn sich die Beeinträchtigung des Persönlich100

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Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

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keitsrechts aus der Kombination von Abbildung und Text ergibt, NJW 1992, 1312 [1313] – Korruptionsprozess; MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 206 ordnet diese Schutzziele dem persönlichkeitsrechtlichen Beseitigungsanspruch zu). b) Widerrechtlichkeit. Der Widerrufsanspruch setzt eine positive Begründung der Rechtswidrig- 295 keit voraus und darf sich nur auf die Beseitigung der noch fortwirkenden Beeinträchtigung beschränken (BGH NJW 1968, 644 [646] – Fälschung; NJW 1952, 417; NJW 1965, 35 [36] – Lüftungsfirma; GRUR 1969, 555 [559] – Cellulitis). Handelt der Störer in Wahrnehmung berechtigter Interessen (Rn 240ff) oder liegt ein sonstiger Rechtfertigungsgrund (Rn 228ff) vor, ist der Widerrufsanspruch nicht gegeben. Stellt sich später die Unwahrheit der ursprünglich rechtmäßigen Äußerung heraus, kann grds nicht der volle Widerruf, sondern nur die Feststellung verlangt werden, dass die Behauptung nach der Klärung des Sachverhalts nicht mehr aufrechterhalten werden kann (BGH GRUR 1960, 500 [504] – La chatte; BVerfG NJW 2004, 354 [355]; NJW 2003, 1855). Ein Widerrufsanspruch besteht nicht, wenn die verletzende Äußerung im Rahmen eines rechtlichen Verfahrens erfolgt (BVerfG NJW 2004, 354 – Äußerungen vor der Landesärztekammer, s hierzu auch Rn 271ff). c) Verhältnismäßigkeit. Der Widerruf muss verhältnismäßig, dh zur Beseitigung der Störung geeig- 296 net, erforderlich und unter Abwägung der Belange von Störer und Betroffenen zumutbar (BGH NJW-RR 1987, 754 – Insiderwissen; NJW 1977, 1681 [1682] – Wohnstättengemeinschaft; NJW 1994, 2614 [2616] – Börsenjournalist; BAG NJW 1999, 3576 – Abmahnung; BGH GRUR 1966, 272 [274] – Arztschreiber) sowie zwingend notwendig sein (BGH NJW 1958, 1043 [1044] – Blankoermächtigung; NJW 1965, 35 [36]; NJW 1984, 1104); dies ist nicht der Fall, wenn er zu anderen Zwecken eingesetzt wird, oder wenn nur Nebensächlichkeiten richtig- oder klarzustellen sind (BGH NJW 1977, 1681 [1682] – Wohnstättengemeinschaft; München NJW-RR 1996, 926 verneint bei geringfügigen Unrichtigkeiten bereits eine fühlbare Beeinträchtigung des APR). Da der Widerruf keine Genugtuungsfunktion hat (BGH NJW 1977, 1681 [1682] – Wohnstättengemeinschaft), ist der Anspruch auch ausgeschlossen, wenn der Störer die Äußerung bereits selbst in angemessener Weise richtiggestellt hat (Düsseldorf AfP 1997, 711; Hamburg NJW-RR 1988, 737 [738]). Zudem dürfen die Kosten für die Maßnahme im Verhältnis zu den Nachteilen, die ausgeräumt oder denen vorgebeugt werden soll, nicht unverhältnismäßig hoch sein; soweit zumutbar, hat der Betroffene den wirtschaftlichsten Weg zu wählen (BGH NJW 1967, 1198 [1201] – Landgabe; NJW 1972, 431 [433]; AG Prüm NJW-RR 2001, 1469 [1470]). Längeres Zuwarten lässt den Anspruch idR nicht entfallen; ausgenommen sind jedoch eindeutige Fälle des Rechtsmissbrauchs (BGH NJW 1995, 861 [863] – CvM misst einer unwahren Behauptung in einer auflagenstarken Zeitschrift auch zwei Jahre nach der Veröffentlichung noch verletzende Wirkung bei; anders LG Hamburg AfP 2007, 273, das aufgrund einer widerleglichen Vermutung davon ausgeht, dass ein Jahr nach Veröffentlichung der Aktualitätsbezug fehlt). 3. Inhalt und Form. Der Widerruf muss sich ausschließlich auf die beanstandete unwahre Tatsa- 297 chenäußerung beziehen; er darf nicht über das hinausgehen, was zur Beseitigung der Beeinträchtigung erforderlich ist (BGH GRUR 1969, 555 [557] – Cellulitis). Sofern nur Teilaspekte unwahr oder irreführend sind, muss sich der Widerruf auf diese Teile beschränken (BGH NJW 1982, 2246 [2248]; vgl auch BGH GRUR 1984, 231 [233] – Wahlkampfrede). Ist die Äußerung nur zT unwahr, steht dem Betroffenen nur ein Anspruch auf Widerruf in Form der Richtigstellung zu (BGH NJW 1987, 754 [755] – Insiderwissen mwN; NJW 1976, 1198 [1200] – Panorama). Auch eine erg Darstellung kann verlangt werden, zB durch einen klarstellenden Zusatz (vgl BGH NJW 1980, 2801 [2806] – Medizinsyndikat III; Karlsruhe NJW 2005, 2400 [2401]). Hat der Störer die beanstandete Äußerung nicht selbst getan, sondern nur verbreitet oder zugelassen, kann idR nur eine Distanzierung bzw ein Abrücken von der von einem anderen gemachten Äußerung, nicht aber ein Widerruf verlangt werden (BGH NJW 1976, 1198 [1199] – Panorama); anders, wenn sich der Dritte mit der Äußerung identifiziert hat, so dass sie als seine eigene Äußerung erscheint (BGH NJW 1967, 1198 [1199] – Landgabe). Der Widerruf kann auch mit der Mitteilung verbunden werden, dass die Behauptung derzeit nicht aufrechterhalten werden kann (Widerruf in vorläufiger Form). Der Widerruf soll die Hörer oder Leser der Erstmitteilung erreichen, weshalb die Mitteilung nach Art und Aufmachung geeignet sein muss, den gleichen Grad an Aufmerksamkeit zu erzeugen wie der Erstbericht (BGH 128, 1 – CvM), weshalb der Widerruf grds an der gleichen Stelle des Druckwerks (selbst auf der Titelseite, BGH 128, 1 – CvM – allerdings müssen die Interessen der Presse insoweit gewahrt werden, als noch Raum für Hinw auf andere Berichte bleiben muss, vgl auch BVerfG NJW 1998, 1381) bzw zur gleichen Sendezeit im gleichen Programm zu erfolgen hat. Zulässig ist es nach Ansicht der Rspr auch, dem Widerruf den Hinw zuzufügen, er werde in Erfüllung eines rechtskräftigen Urteils abgegeben (BVerfG NJW 1970, 651 [652] – Korruptionsvorwurf; dagegen Pärn NJW 1979, 2548); darüber hinausgehende Ergänzungen, insb beschönigende oder abschwächende Hinw muss der Betroffene aber grds nicht hinnehmen (MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 211). 4. Aktiv- und Passivlegitimation. Anspruchsberechtigt ist jeder, der durch eine unwahre Tatsa- 298 chenbehauptung unmittelbar und individuell in seinen Rechten betroffen ist, nach seinem Tod auch die nahen Angehörigen (Kamps Hdb des Persönlichkeitsrechts § 49 Rn 72 mwN; vgl insb BGH NJW 1974, 1371 [1371] – Fiete Schulze). Jur Pers des öffentlichen Rechts nehmen nur eingeschränkt am grundrechtlichen Persönlichkeitsrechtsschutz teil und haben daher grds keinen Anspruch auf Veröffentlichung eines Widerrufs (LG Hamburg ZUM-RD 2003, 48 [49] – Büro im Kanzleramt), es sei denn, es handelt sich um einen gravierenden Einzelfall, in dem bei einem vergleichbaren Vorwurf ggü einer nat Pers dieser trotz der Subsidiarität des Anspruchs eine ganz beträchtliche Geldentschädigung zuzusprechen wäre (LG Hamburg ZUM-RD 2003, 48 [50] – Büro im Kanzleramt). Anspruchsverpflichtet ist, wer die rechtswidrige Beeinträchtigung verursacht hat und zur Unterlassung N. Klass

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Allgemeiner Teil

Personen

verpflichtet gewesen wäre (dazu Wenzel/Gamer Rn 13.50ff), dh idR derjenige, der die Tatsachenbehauptung geäußert hat (BGH NJW 1967, 1198 [1199] – Landgabe). Richtet sich der Widerrufsanspruch gegen einen Zeitungs- bzw Zeitschriftenverlag, so ist der Verleger bzw der Verlag passivlegitimiert. 299

5. Verfahrensrechtliches. Für den Rechtsweg und die Zuständigkeit gilt das zum Unterlassungsanspruch Gesagte (dazu Rn 288f). Der Text des zu verlangenden Widerrufs ist vom Verletzten zu formulieren – er muss die Klageanträge stellen, insb muss er angeben, wem ggü der Widerruf zu erfolgen hat (BGH GRUR 1966, 272 [274] – Arztschreiber). Ein Widerruf dem Kläger selbst ggü kann nur verlangt werden, wenn die Äußerung zwar in der Öffentlichkeit erfolgt ist, aber kein Bedürfnis mehr für ihre Veröffentlichung besteht (dazu BGH NJW 1989, 774). Wer den Widerruf einer Äußerung beansprucht, hat grds deren Unwahrheit zu beweisen (MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 214; BGH NJW 1962, 1438 [1439] – Eheversprechen; Damm/Rehbock Rn 903); allerdings muss der Angreifer, sofern ihm dies möglich ist, darlegen, aus welchen Umständen er seine Behauptung herleitet (MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 214). Umstr ist, ob der Widerrufsanspruch auch im einstw Verfügungsverfahren durchsetzbar ist (vgl dazu Damm/Rehbock Rn 899f); solange die Unrichtigkeit der behaupteten Tatsache nicht feststeht, kann im einstw Verfügungsverfahren der Widerruf nur mit dem Inhalt geltend gemacht werden, dass die Behauptung ggwärtig nicht aufrechterhalten werden kann (Stuttgart NJW 1962, 2066 [2067]; BaRo/Bamberger § 12 Rn 209); Ausnahme: wenn im Verfahren die Unrichtigkeit bewiesen werden kann (vgl BGH AfP 1970, 85). Die Vollstreckung erfolgt nach § 888 ZPO (BGH NJW 1962, 1438; NJW 1961, 1913 [1914]; NJW 1977, 1288 [1290]; Zweibrücken NJW 1991, 304), nicht nach § 894 ZPO (offengelassen durch NJW 1977, 1288 [1290] – Abgeordnetenbestechung). Die Verjährung des Widerrufsanspruchs richtet sich nach den allg Regeln (§§ 195, 199). IV. Der Gegendarstellungsanspruch

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1. Anspruchsgrundlagen. Beim Gegendarstellungsanspruch (ausf Seitz/Schmidt, Der Gegendarstellungsanspruch) handelt es sich um ein spezifisches Rechtsinstitut des Medienrechts, das seine Wurzel im APR hat (Wenzel/Burkhardt Rn 11.28 mwN) und dem die Aufgabe zukommt, „vorrangig das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zu schützen, dem Betroffenen Selbstverteidigung gegen Einwirkungen der Medien auf diese auch rechtlich geschützte Individualsphäre durch die Befugnis zu gewähren, an gleicher Stelle und mit entsprechendem Publizitätsgrad die ihn betreffende Darstellung durch seine Wortmeldung, seine Sicht des mitgeteilten Sachverhalts zu vervollständigen“ (BGH NJW 1976, 1198 [1201] – Panorama; ebenso BVerfG NJW 1983, 1179). Es handelt sich um ein Instrument, mit Hilfe dessen sich der Betroffene schnell und zu einer Zeit Gehör verschaffen kann, zu der der Vorgang noch im Bewusstsein der Öffentlichkeit ist (Wenzel/Burkhardt Rn 11.28), weshalb er im Bereich der Medien neben dem Unterlassungsanspruch der am häufigsten geltend gemachte Anspruch ist (Damm/Rehbock Rn 796). Darüber hinaus kommt der Anspruch auch der öffentlichen Meinungsbildung zugute, da der Öffentlichkeit die Sicht des Betroffenen vermittelt wird (BVerfG NJW 1998, 1381 [1382] – CvM; Düsseldorf ZUM-RD 2005, 25 [27] – Polizeidirektor). Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des APR betont das BVerfG, dass der Gesetzgeber die Pflicht habe, den Einzelnen wirksam gegen Einwirkungen der Medien auf die Individualsphäre zu schützen, weshalb ein Betroffener die Möglichkeit haben muss, Darstellungen in den Medien mit seiner eigenen Darstellung zeitnah entgegenzutreten (BVerfG NJW 1999, 483 [484] – Wehrmachtsausstellung; vgl ferner Düsseldorf ZUM-RD 2005, 25 [27] – Polizeidirektor; Köln NJW-RR 2001, 337). Der Gesetzgeber muss mithin ein effektives Gegendarstellungsrecht zur Verfügung stellen (München NJW 2003, 2756). Aktuell existiert keine einheitliche Regelung des Gegendarstellungsanspruchs, auch kann ein Anspruch weder aus § 242 noch aus Deliktsrecht hergeleitet werden (BVerfG AfP 1993, 474 – Gegendarstellungsanspruch; NJW 1998, 1381) – vielmehr muss auf die jeweilige Regelung in den Landespressegesetzen sowie auf die Sonderbestimmungen für Rundfunk, Fernsehen und Mediendienste (hierzu ausf Wenzel/Burkhardt Rn 11.9ff) zurückgegriffen werden (zur Verfassungsmäßigkeit von § 11 III Bad-Württ PresseG BGH NJW 1965, 1230). Darüber hinaus finden sich zum Recht der Gegendarstellung Vorgaben in der FernsehRL (RL 89/552/EWG des Rates v 3.10.1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit, konsolidierte Fassung abgedr in GRURInt 1998, 120ff). Der Gegendarstellungsanspruch ist aufgrund seines höchstpersönlichen Charakters nicht vererblich, er endet mit dem Tod des Betroffenen (Stuttgart NJW-RR 1996, 599 – Stadtbaumeister; KG ZUM-RD 2007, 232 [233]).

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2. Anspruchsvoraussetzungen. a) Erstmitteilung. Die Gegendarstellung ist an eine Erstmitteilung in der Presse gebunden und durch deren Gegenstand und Umfang begrenzt. Nur den in der Erstmitteilung enthaltenen Tatsachen kann der Betroffene widersprechen; Meinungsäußerungen sind grds nicht gegendarstellungsfähig (BVerfG NJW 1983, 1381 [1382] – CvM; so auch Karlsruhe NJW-RR 1993, 387 [388] – Mars-Effekt; Koblenz NJW-RR 1998, 23 – Akte 96–46; München NJW 1995, 2297). Unerheblich ist ebenfalls, ob es sich um eine eigene Behauptung des Inanspruchgenommenen handelt – gegendarstellungsfähig sind auch tatsächliche Äußerungen Dritter (vgl Frankfurt NJW-RR 1986, 606 [607] – Stern); wendet sich die Gegendarstellung gegen solche, muss dies jedoch zum Ausdruck kommen (Karlsruhe NJW-RR 2000, 323 [324] – Befreiungsschlag; Hamburg NJW-RR 1994, 1179 [1180] – Menschenjäger). Soweit der gedankliche Zusammenhang gewahrt ist, können auch neue Tatsachen vorgebracht werden, insb wenn sie als Beleg oder als Bekräftigung des eigenen Tatsachenvorbringens dienen (so Koblenz NJW-RR 1998, 23 – Akte 96–46; s auch Frankfurt AfP 2010, 478 [479]). Vor dem Hintergrund des Gebots der Sicherstellung gleicher publizistischer Wirkung und damit insb im Interesse einer schnellen Verwirklichung des Anspruchs werden weder das Vorliegen einer Ehrverletzung noch der Nachw der Unwahrheit der Erstmitteilung oder die Wahrheit der Gegendarstellung 102

N. Klass

Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

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vorausgesetzt (dazu BVerfG NJW 1998, 1381 [1383] – CvM; Hamburg NJW-RR 1994, 1179 [1180] – Menschenjäger; München NJW 1995, 2297; vgl auch Dresden ZUM 2002, 295). Allerdings fehlt das berechtigte Interesse an der Gegendarstellung, wenn sie offenkundig unwahr ist, dh wenn ihre Unrichtigkeit auf der Hand liegt, oder die Gegendarstellung selbst einen strafbaren Inhalt hat (vgl hierzu Düsseldorf ZUM-RD 2005, 25 [27] – Polizeidirektor und München NJW-RR 1999, 386 [387] – StasiVorwurf). Eine Pflicht zur Veröffentlichung besteht nach Hamburg (NJW-RR 1994, 1179 [1181] – Menschenjäger) aber immer dann, wenn die Gegendarstellung nur gegen zivilrechtliche Gebote oder Verbote verstößt. Die Presse hat in diesem Fall die Möglichkeit des „aufklärenden Redaktionsschwanzes“, sie kann ihrerseits auf die Gegendarstellung des Betroffenen entgegnen (Düsseldorf ZUM-RD 2005, 25 [27] – Polizeidirektor). b) Verschulden. Der Anspruch ist verschuldensunabhängig (BVerfG NJW 1998, 1381 [1383] – CvM). 302 c) Unverzüglich. Die Gegendarstellung muss idR unverzüglich, dh ohne schuldhaftes Zögern, er- 303 folgen, weshalb die Zeit zw Kenntniserlangung und Zuleitung der Erstfassung der Gegendarstellung nicht unangemessen lang sein darf (Hamburg NJW 1990, 1613; oftmals bestehen sogar gesetzliche Fristen, vgl hierzu Seitz/Schmidt Rn 30ff). Ob der Betroffene ohne schuldhaftes Zögern auf eine Gegendarstellung hingewirkt hat, ist dabei unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu bestimmen; LG Dresden AfP 2010, 595 (596). Das Erstgericht muss bei der gebotenen zügigen Behandlung jedenfalls von Eilverfahren noch innerhalb der Aktualitätsgrenze entscheiden können (München NJW-RR 1998, 26 [27]), da beim Leser sonst die beabsichtigte Wirkung nicht mehr erzielt werden kann (Karlsruhe NJW-RR 1999, 387 [388] – Mars-Effekt). Allerdings ist dem Betroffenen eine hinreichende Überlegungs- und Beratungsfrist einzuräumen (München NJW-RR 1998, 23 [24] – Akte 96–46; Seitz/Schmidt Rn 38; Wenzel/Burkhardt Rn 11.166ff). Grds ist davon auszugehen, dass die Aktualitätsgrenze bei Tageszeitungen etwa vier Wochen nach Erscheinen des Artikels endet, bei wöchentlich erscheinenden Zeitschriften etwa nach vier bis sechs Wochen (München NJW-RR 2001, 832 [833]; NJW-RR 2002, 1271; NJW-RR 1998, 26 [27]) – grds gilt, je kürzer die Erscheinungsintervalle, desto schneller muss der Betroffene agieren [Seitz/Schmidt Rn 40]; für die Wirksamkeit des Verwirkungseinwands nach zweimonatigem Zuwarten vgl Karlsruhe NJW-RR 1999, 387 – Mars-Effekt; nach Hamburg AfP 2011, 72, ist der Zugang einer Gegendarstellung bereits nach zwei Wochen nicht mehr unverzüglich). Verzögerungen von Seiten des Anspruchsverpflichteten und des Gerichts gehen jedoch nicht zulasten des Betroffenen (Koblenz NJW-RR 1998, 23 [24] – Akte 96–46). Zu Einzelheiten ausf Seitz/Schmidt Rn 30ff. d) Schriftform. Die meisten gesetzlichen Regelungen verlangen für die Gegendarstellung selbst 304 Schriftform – iÜ ergibt sich die Notwendigkeit daraus, dass sie unterzeichnet sein muss; eine Übertragung durch Telefax ist folglich nicht ausreichend (die für die Rechtsmittelschriftsätze in der ZPO aufgestellten Grundsätze finden keine Anwendung, Hamburg NJW 1990, 1613). Dem Presseunternehmen muss es möglich sein, sich durch Prüfung der Unterschrift vor Abdruck davon zu überzeugen, dass sie von dem Betroffenen stammt und Ausdruck seines persönlichen Willens ist (Hamburg NJW 1990, 1613, offengelassen durch Karlsruhe NJW-RR 2000, 323 [324] – Befreiungsschlag); die Unterzeichnung dient nicht zuletzt auch dazu, den Inhalt der Gegendarstellung endgültig festzulegen. Sie muss überwiegend durch den Betroffenen selbst oder seinen gesetzlichen Vertreter erfolgen (Seitz/ Schmidt Rn 107). Nach überwiegender Meinung in Literatur und Rspr ist eine rechtsgeschäftliche Vertretung bei der Unterzeichnung im Hinblick auf den höchstpersönlichen Charakter der Gegendarstellung ausgeschlossen (Seitz/Schmidt Rn 115; dazu Karlsruhe NJW-RR 2000, 323 [324] – Befreiungsschlag; für die Zulässigkeit einer rechtsgeschäftlichen Vertretung jedoch: KG ZUM-RD 2008, 229; Frankfurt AfP 2003, 459; Köln AfP 1985, 151; aA Naumburg 2000, 483); und auch nach den meisten landesrechtlichen Regelungen ist eine gewillkürte Stellvertretung bei der Unterzeichnung nicht zulässig (hierzu im Einz Seitz/Schmidt Rn 113ff). 3. Inhalt und Umfang des Anspruchs. Die Gegendarstellung soll einen Leserkreis erreichen und ei- 305 nen Aufmerksamkeitswert haben, der dem der Erstmitteilung entspricht, weshalb sie grds im gleichen Teil des Druckwerkes und in gleicher Schrift wie der beanstandete Text ohne Einschaltungen und Weglassungen abgedruckt werden muss (Karlsruhe NJW 1993, 1476; München NJW-RR 1999, 965 [966]; KG ZUM-RD 2007, 400 [402]; nicht erforderlich ist jedoch der Abdruck auf der identischen Seite, München AfP 2000, 386). Dabei darf sie so lang sein, wie es eine sachgemäße, auf einen Tatsachenvortrag beschränkte Rechtfertigung des von einer Pressekritik Betroffenen vor dem Forum der Öffentlichkeit erfordert (München NJW 1968, 1337). Die Regelung in einigen PresseG, wonach die Gegendarstellung als angemessen gilt, wenn sie nicht den Umfang des beanstandeten Textes überschreitet, enthält keinen absoluten Maßstab; vielmehr ist stets auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, wobei kein kleinlicher Maßstab angelegt werden darf (Hamburg NJW 1968, 1337). Erscheint die beanstandete Mitteilung auf der Titelseite, genügt dem Anspruch des Betroffenen nur eine Gegendarstellung ebenfalls auf der Titelseite (BVerfG NJW 1998, 1381 [1384] – CvM; Karlsruhe NJW 1993, 1476 [1476]; insoweit ist aber der Abdruck des Artikels von einer möglichen Ankündigung zu unterscheiden). Allerdings ist zum einen die Gestaltungsfreiheit der Presse zu berücksichtigen, zum anderen darf die Titelseite durch Umfang und Aufmachung der Gegendarstellung nicht ihre Funktion verlieren (KG ZUM-RD 2007, 400 [403]; umfassend zum Umfang sowie zur Art und Weise der Gegendarstellung BVerfG NJW 1998, 1381 [1384] – CvM). Ein Anspruch auf Abdruck (in der Bundesausgabe) besteht selbst dann, wenn der Regionalteil einer Zeitung, welcher die Erstmitteilung enthielt, eingestellt wird (München NJW 2003, 2756). Einen Hinw auf die Gegendarstellung im Inhaltsverzeichnis des Druckerzeugnisses kann der Betroffene aus Gründen der Waffengleichheit nur dann verlangen, wenn die beanstandete Äußerung selbst dort aufgeführt worden ist (München NJW N. Klass

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Anh § 12

Allgemeiner Teil

Personen

1995, 2297; Hamburg AfP 2010, 580 [581]). Kein Anspruch besteht jedoch auf den Abdruck einer Gegenfotografie, nur weil die Erstmitteilung ein auffallendes Foto enthielt (Hamburg AfP 1984, 115). V. Der Schadensersatzanspruch 306

1. Anspruchsgrundlagen und Anspruchsvoraussetzungen. Hat der Geschädigte Vermögensnachteile erlitten, so können ihm aus Vertrag oder aus Delikt, insb aus § 823 I, aus § 823 II iVm einem Schutzgesetz – zB §§ 22, 23 KUG; 185ff, 201, 202, 203 StGB – oder aus § 824 (Staud/Hager § 823 Rn C 289, Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 368; Wenzel/Burkhardt Rn 14.20; MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 218) Schadensersatzansprüche zustehen. Ein Anspruch auf Ersatz eines materiellen Schadens steht dem Anspruchsberechtigten dann zu, wenn ein haftungsbegründender Tatbestand erfüllt und ein Schaden eingetreten ist. Die Schadensersatzansprüche setzen dabei jedoch über die rechtswidrige Verletzung des APR hinaus ein Verschulden des Störers (Vorsatz oder Fahrlässigkeit: im Medienalltag handelt fahrlässig, wer die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt, Damm/Rehbock Rn 933; Wenzel/Burkhardt Rn 14.21; vgl auch BGH NJW 1952, 779 – Sorgfalt Rennfahrer; NJW 1953, 257) oder die zurechenbare Verantwortung für einen Dritten voraus (§§ 31, 278). Zudem muss zw haftungsbegründendem Tatbestand und Schaden ein ursächlicher Zusammenhang bestehen (Damm/Rehbock Rn 922).

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2. Ersatz materieller Schäden. a) Allgemeines. Art und Umfang des Schadensersatzanspruchs ergeben sich aus §§ 249ff. Primär ist Naturalrestitution geschuldet: Widerruf, Abdruck einer Gegendarstellung, Zerstörung einer widerrechtlich aufgenommenen Fotografie. Verletzungen des APR können aber auch Schäden zur Folge haben, in denen Geldersatz zu leisten ist, zB Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund unberechtigter ehrenrühriger Behauptungen oder Verlust von Kundschaft (Köln ZUM 1993, 34; vgl in diesem Kontext auch BGH NJW 1994, 1950 [1953]). Grds gelten die allgem Grundsätze für Anspruchsgründe und Ersatzhöhe (Kausalität, Schutzzweck, Mitverschulden etc; Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 369).

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b) Ersatz für eigene Abwehrmaßnahmen. Der Betroffene kann zudem Ersatz für Aufwendungen verlangen, die er getätigt hat, um die Folgen eines Schadenseintritts gänzlich zu verhindern oder zu vermindern (s § 249 II S 1; vgl auch § 254 II: Verpflichtung des Geschädigten, alle schadensverhindernden oder -mindernden Maßnahmen zu ergreifen, wenn es ihm zumutbar und möglich ist). Er kann daher grds jene Aufwendungen und Maßnahmen geltend machen, die ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Mensch nach den Umständen des jew Einzelfalles zur Beseitigung der Störung, zur Schadensverhütung und zur Schadensminderung nicht nur als zweckmäßig, sondern auch als erforderlich ergriffen haben würde (BGH NJW 1976, 1198 [1200] – Panorama; NJW 1979, 2197 – Falschmeldung; NJW 2005, 1041 [1042]). Insofern ist grds eine Abwägung der Interessen des Betroffenen und der Interessen des Störers unter Beachtung der Meinungs-, Presse- und Rundfunkfreiheit, Art 5 I GG, vorzunehmen (vgl Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 370f; BVerfG NJW 1973, 1221 – Soraya). Ersatzfähig können daher im Einzelfall sein: Kosten für Rechtsverfolgung eines Gegendarstellungsanspruchs (BGH NJW 1976, 1198 [1201] – Panorama; NJW 1986, 981 [982] – Warentest III; vgl auch Wenzel/Burkhardt Rn 14.40; Damm/Rehbock Rn 934); Kosten für Imagepflege eines Künstlers, da sein Erfolg auch von seinem „Image“ abhängig ist (LG München I AfP 1990, 45ff); Kosten für Versendung von Rundschreiben (Damm/Rehbock Rn 937; Wenzel/Burkhardt Rn 14.41); nur begrenzt ersatzfähig: Kosten für Anzeigen (vgl BGH GRUR 1962, 261 – Öl regiert die Welt; NJW 1976, 1198 – Panorama; NJW 1986, 981 – Warentest III).

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c) Schadensberechnung. aa) Dreifache Art der Schadensberechnung. Grds gelten auch bei Verletzungen des APR die dem Bereich der Immaterialgüterrechte entspringenden Grundsätze der Lizenzanalogie, dh der Anspruchsberechtigte kann seinen Schaden dreifach berechnen (BGH NJW 2000, 2195 [2201] – Marlene Dietrich I; NJW 2000, 2201 [2202] – Der blaue Engel): (1) Berechnung des konkret eingetretenen Schadens nach allg Grundsätzen (Staud/Hager § 823 Rn C 290; Soergel/Beater § 823 Anh IV Rn 240), (2) Schadensberechnung analog einer angemessenen Lizenzgebühr (Gebühr, die bei Abschluss eines Lizenzvertrags mit dem Betroffenen hätte gezahlt werden müssen), (3) Ermittlung des konkreten Gewinns.

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bb) Angemessene Lizenzgebühr. Erfolgt die Schadensberechnung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie, ist eine fiktive Lizenzgebühr zu zahlen – maßgeblich ist dabei, was vernünftige Parteien als Vergütung für die vorgenommene Benutzungshandlung vereinbart hätten (BGH NJW 2006, 615 – Pressefotos; vgl auch schon BGH NJW 1956, 1554 – Dahlke). Dabei ist es nach BGH NJW 2006, 615 – Pressefotos naheliegend, branchenübliche Vergütungssätze und Tarife als Maßstab heranzuziehen, sofern sich eine solche Übung herausgebildet hat. Lassen sich marktübliche Sätze nicht ermitteln, kann die angemessene Lizenzgebühr gem § 287 I S 2 ZPO geschätzt werden (BVerfG GRUR-RR 2009, 375), wobei Auflagenstärke, Verbreitung, Art und Umfang der Gestaltung sowie die Werbewirkung zu berücksichtigen sind (Balthasar NJW 2007, 664 [664]). Zur Höhe München NJW-RR 2003, 767, welches der Erbin von Marlene Dietrich nach BGH NJW 2000, 2201 – Blauer Engel, 70 000 Euro als Lizenzgebühr gewährt hat; München AfP 2006, 382, welches Boris Becker für die Verbreitung einer Werbeanzeige 1,2 Mio Euro zugesprochen hat (s dazu jetzt BGH GRUR 2010, 546 – Boris Becker); LG Hamburg AfP 2006, 586 (hierzu Ehmann, AfP 2007, 81), welches Joschka Fischer für die unberechtigte Nutzung als Werbeträger 200.000 Euro zugesprochen hat. Nicht erforderlich ist eine grds Vermarktungsfähigkeit sowie Vermarktungsbereitschaft des Betroffenen, weshalb ein Anspruch auch zu gewähren ist, wenn dieser sich nicht mit einer Nutzung seiner Persönlichkeitsmerkmale einverstanden erklärt hätte (BGH NJW 2007, 689 – Lafontaine).

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d) Anspruchsberechtigter. Anspruchsberechtigt ist grds nur der unmittelbar Geschädigte (BGH NJW 1980, 1790 – Familienname; NJW 2006, 605 [608] – Obduktionssaal); bei Verletzungen des post104

N. Klass

Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

Anh § 12

mortalen Persönlichkeitsrechts sind die Erben anspruchsberechtigt (BGH NJW 2000, 2195 – Marlene Dietrich I; NJW 2000, 2201 – Der blaue Engel; NJW 2006, 605 [607] – Obduktionssaal). e) Anspruchsverpflichteter. Anspruchsverpflichtet ist jeder, der tatbestandsmäßig und schuldhaft 312 einen Schaden adäquat kausal verursacht hat, und wer das rechtswidrige Verhalten anderer zu vertreten hat. Im Bereich der Medienberichterstattung kommen insb in Betracht: Verleger, Herausgeber, Rundfunkanstalten, Redakteure und Chefredakteure, Filmproduzenten und Autoren (Damm/ Rehbock Rn 945; Wenzel/Burkhardt Rn 14.137; Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 388). VI. Der Geldentschädigungsanspruch 1. Die Grundlagen des Anspruchs. Werden ideelle Interessen des Betroffenen verletzt, kann dieser 313 eine Entschädigung in Geld verlangen (st Rspr seit Herrenreiter – BVerfG NJW 1958, 827 [Schmerzensgeldanspruch]; bestätigt in BVerfG NJW 1973, 1221 [1223/1226] – Soraya; vgl auch BGH NJW 1961, 2059 [2060] – Ginseng; seit BGH 128, 1 – CvM als Geldentschädigungsanspruch). Während der Anspruch früher als Schmerzensgeldanspruch in Analogie zu § 847 aF gewährt wurde, wird er seit BGH 128, 1 – CvM verstanden als „Rechtsbehelf, der auf den Schutzauftrag aus Art 1 und 2 GG zurückgeht“. Der Geldentschädigungsanspruch beruht auf dem Gedanken, dass Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen ohne die Zubilligung einer Geldentschädigung häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde (BVerfG NJW 2000, 2187 [2187f] – Schockschaden; BGH NJW 1995, 861 [864f] – CvM I; NJW 2005, 215 [216] – Baby von CvM und EAvH). 2. Die Funktionen des Anspruchs. Der Anspruch auf Geldentschädigung verfolgt mehrere Zwecke: 314 Neben der Ausgleichsfunktion (BGH NJW 1995, 861 [864] – CvM I; NJW 1996, 1131 [1134f] – Lohnkiller; Damm/Rehbock Rn 949) kommt ihm eine Genugtuungsfunktion zu (BGH 128, 1 [15] – CvM; s auch NJW 1955, 1675; NJW 1961, 2059 [2060] – Ginseng; NJW 1979, 1041 – Ex-Direktor; LG Berlin AfP 2010, 284 [290]). Zugleich dient der Anspruch aber in bestimmten Fällen auch der speziellen und generellen Prävention (besonders in Fällen gravierender sowie vorsätzlicher Persönlichkeitsrechtsverletzungen, BGH NJW 1996, 984 [985] – CvM II; NJW 1997, 1148 [1150] – Chefarzt oder Stern-TV; München AfP 2001, 135 [137]). Wenn der Eingriff durch die Medien „unter vorsätzlichem Rechtsbruch“, „zum Zwecke der Gewinnerzielung“ durch Auflagensteigerung, durch „rücksichtslose Zwangskommerzialisierung“ oder durch „rücksichtslose Vermarktung einer Persönlichkeit“ erfolgt, muss die Geldentschädigung ein „Gegenstück“ bilden, von dem ein „echter Hemmungseffekt“ ausgeht. Das bedeute zwar nicht, dass eine „Gewinnabschöpfung“ vorzunehmen sei, „wohl aber, dass die Erzielung von Gewinnen aus der Rechtsverletzung als Bemessungsfaktor in die Entscheidung über die Höhe der Geldentschädigung einzubeziehen ist“ – allerdings darf die Pressefreiheit hierdurch nicht unverhältnismäßig eingeschränkt werden (so BGH 128, 1 – Caroline v Hannover I; NJW 1996, 984 – Caroline v Hannover II; NJW 1996, 985 – Prinz v Monaco; NJW 2005, 215; hierzu Hamburg NJW 1996, 2870, welches Caroline v Hannover 180 000 DM für Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch drei verschiedene Presseveröffentlichungen zugesprochen hat; sowie BGH NJW 2005, 215; Hamm NJW-RR 2004, 919 [923] – Lisa Loch). 3. Voraussetzungen des Geldentschädigungsanspruchs. Voraussetzungen für einen Anspruch auf 315 Geldentschädigung sind zum einen eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung, (schweres) Verschulden und Subsidiarität (BGH NJW 1995, 861 [864] – CvM I; NJW 1996, 1131 – Lohnkiller; NJW 2005, 215 [217f] – Baby von CvM und EAvH; Jena NJW-RR 2005, 1566 [1567]; BGH NJW 2010, 1454 [1456] – Franz Beckenbauer). Ob eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung zu bejahen ist, kann dabei nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles (BGH AfP 2010, 75 [76] – Esra; Jena AfP 2010, 277 [278] – Mammachirurgie) beurteilt werden, wobei besonders die Art sowie die Schwere der zugefügten Beeinträchtigung und der Grad des Verschuldens, aber auch Anlass und Beweggrund des Handelns zu berücksichtigen sind; in die gebotene Gesamtwürdigung ist ebenfalls einzubeziehen, ob ein Unterlassungstitel erwirkt worden ist (BGH ZUM-RD 2009, 576). a) Schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung und/oder (schweres) Verschulden. In der Entschei- 316 dung BGH 35, 363 [369] – Ginseng wurde zunächst eine schwere Verletzung oder ein schweres Verschulden gefordert; in der bestätigenden Entscheidung des BVerfG (34, 269 [286] – Soraya) wurde aus dem „oder“ ein „und“, was aber wohl ein Redaktionsversehen war (Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 384). Jedenfalls lassen die Zivilgerichte im Falle einer objektiv schweren Verletzung des APR ein einfaches Verschulden genügen (bspw BGH NJW 1982, 635 – Böll/Walden). Nach BGH AfP 2010, 75 (s auch München ZUM 2008, 984 – Esra) muss jedoch angesichts der hohen Bedeutung der Kunstfreiheit bei der Frage, ob ein Geldentschädigungsanspruch zuzusprechen ist, anderes gelten, jedenfalls sofern es sich um die Bewertung von Äußerungen handelt, die in einem literarischen Text enthalten sind, der zunächst als Fiktion anzusehen ist und keinen Faktizitätsanspruch erhebt. In diesem Fall müsse zusätzlich zu einer objektiv schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung auf der subjektiven Seite ein schweres Verschulden des Handelnden vorliegen, denn nur so könne dem Subsidiaritätserfordernis der Geldentschädigung bei einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch einen Roman ausreichend Geltung verschafft werden. Im Falle der Verletzung des APR durch einen Roman wird daher – sofern bereits ein gerichtliches Verbreitungsverbot ergangen ist – nur ausnahmsweise ein Geldentschädigungsanspruch zuzusprechen sein. b) Subsidiarität. Seit BGH 35, 124 [133] – Ginseng und 39, 363 [369] – Fernsehansagerin ist neben 317 dem Erfordernis der schweren Verletzung und/oder dem schweren Verschulden ein drittes einschränkendes Tatbestandsmerkmal zu beachten: die Beeinträchtigung des APR darf nämlich nicht auf andere Art und Weise auszugleichen sein (ebenso BGH NJW 1970, 1077 – Nachtigall I; GRUR 1974, 794 N. Klass

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Anh § 12

Allgemeiner Teil

Personen

– Todesgift; 128, 1 – CvM I). Andere Ausgleichsmöglichkeiten können dabei insb sein: die vorbeugende Unterlassungsklage (dazu Hamm NJW-RR 1995, 1114), der Widerruf (nicht jedoch, wenn der Betroffene diesen im Falle einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung erst in einem Rechtsstreit über drei Instanzen erkämpfen muss, so zutr BGH 128, 1), veröffentlichte Gegendarstellungen (allerdings kein Ausschluss in Fällen „besonders gravierender“ APR-Verletzungen, BGH 128, 1). Liegt eine Verletzung der geschützten Privatsphäre vor, besteht jedoch idR keine andere Ausgleichsmöglichkeit, weil gegen wahrheitsgemäße Äußerungen ein Widerruf nicht in Betracht kommt und auch Gegendarstellungen den Schaden nur vertiefen würden (AG Berlin-Mitte NJW 1995, 2639). Der Subsidiaritätsgrundsatz gilt iÜ auch, sofern der Betroffene selbst eine Berichtigung oder Ehrerklärungen vornimmt, soweit diese ausreichend erscheinen (dazu Hamburg AfP 1994, 42 [43]; LG Krefeld NJWRR 1996, 984). I Erg bedeutet dies, dass der Anspruch auf Geldentschädigung nur besteht, wenn andere äußerungsrechtliche Ansprüche zu keinem angemessenen Ergebnis führen (BGH NJW 1995, 861 [864] – CvM I; NJW 1996, 1131 [1134] – Lohnkiller; NJW 2005, 215 [217] – Baby von CvM und EAvH) und die Gesamtbeurteilung ergibt, dass ein unabwendbares Bedürfnis für den Ausgleich besteht (BGH NJW 1980, 2801 [2807] – Medizin-Syndikat III; Köln NJW-RR 2000, 470 [471]; Karlsruhe NJWRR 2003, 410). 318

4. Höhe des Geldentschädigungsanspruchs. Die Höhe der Geldentschädigung ist vom Gericht nach „freier Überzeugung“ zu bestimmen (§ 278 I ZPO); grds muss sie der Bedeutung der tangierten Persönlichkeitsbelange und der Schwere der Beeinträchtigung angemessen sein. Vgl hierzu Schulze/ Stippler-Birk, Schmerzensgeldhöhe in Presse- und Medienprozessen, 1992, sowie LG Hamburg ZUM 2002, 68: 150 000 DM für Paparazzi-Fotos einer Schauspielerin, welche diese (teilw) nackt am Strand zeigten; Hamm NJW-RR 2004, 919 – Lisa Loch: 70 000 Euro für Minderjährige, die durch verschiedene „satirische“ Fernsehbeiträge (Stefan Raab) in die Nähe der Pornobranche gerückt wurde; LG München I ZUM 2002, 318: 90 000 Euro für Kindsmutter von Boris Becker („Sex in 5 Sekunden: Wie geht das eigentlich?“-Computer-Spiel); Hamburg NJW 1996, 2870: 180 000 DM für drei Verletzungstatbestände (Zwangskommerzialisierung Caroline v Hannover): (1) für ein erfundenes Interview; (2) für ein Paparazzi-Foto; (3) für die Meldung „Hochzeit im September“ (s Seitz NJW 1996, 2848, der insoweit von einer „Gesamtstrafe“ spricht); BGH NJW 1997, 1148 [1150]: 50 000 DM wg Verletzung der beruflichen Ehre eines Arztes (dazu Seitz NJW 1997, 3217). Zu weiteren Beispielsfällen Erman/Ehmann12 Anh § 12 Rn 386f.

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5. Passivlegitimation. Zur Anspruchsverpflichtung gilt das zum Schadensersatzanspruch Gesagte entspr (Rn 312).

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6. Aktivlegitimation. Anspruchsberechtigt ist der unmittelbar Geschädigte, dh der Inhaber des vom Eingriff betroffenen Rechtsguts; nicht, wer nur mittelbar tangiert ist. Der Anspruch auf Geldentschädigung ist nicht übertragbar und nicht vererblich (Müller Hdb des Persönlichkeitsrechts § 51 Rn 29 mwN). Da beim Anspruch auf Geldentschädigung die Genugtuung im Vordergrund steht und die ideellen Bestandteile des APR untrennbar mit der Person des Rechtsträgers verbunden sind, stehen auch den Angehörigen und Wahrnehmungsberechtigten lediglich Abwehransprüche, nicht aber Ansprüche auf Geldentschädigung zu (BGH 165, 203 – Obduktionsfoto; krit diesbezüglich Brändel Hdb des Persönlichkeitsrechts § 37 Rn 36; ähnlich Schmelz ZUM 2006, 214; auch München GRUR-RR 2002, 341 – Nacktfotos will der Erbin von Marlene Dietrich eine Geldentschädigung wegen Veröffentlichung von Nacktfotos gewähren, da nur so der aus Art 1 I GG resultierende Schutzauftrag zu verwirklich sei; eine klare Absage erteilte diesem Ansatz jedoch der BGH ZUM 2006, 211 – Mordkommission Köln; hierzu ausf Rn 76). Zudem kommt ein Geldentschädigungsanspruch mit Blick auf die Genugtuungsfunktion auch nur für nat, nicht für jur Pers in Betracht (Brändel Hdb des Persönlichkeitsrechts § 39 Rn 10; MüKo/Rixecker Anh § 12 Rn 21; Ricker NJW 1990, 2097 [2099]; aber auch BGH NJW 1980, 2807 [2810] – Medizin Syndikat I; befürwortend jedoch EGMR NJW 2006, 591 [593] – Karhuvaara und Iltalehti/Finnland: Anspruch einer Handelsgesellschaft auf Ersatz des Nichtvermögensschadens; BGH NJW 1981, 675 [676] – Scientology: unzulässige Berichterstattung über eine Weltanschauungsgemeinschaft).

321

VII. Der Bereicherungsanspruch. Im Falle der unerlaubten kommerziellen Verwertung von Persönlichkeitsmerkmalen wie Name, Bildnis oder Stimme (hierzu Rn 207ff) steht dem Betroffenen ebenfalls ein Bereicherungsanspruch (Eingriffskondiktion), gerichtet auf die Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr gegen den Verwender zu (LG Hamburg ZUM 2004, 399 [401] – Lafontaine; Hamburg ZUM 2005, 164 – Lafontaine; s auch BGH ZUM 2007, 55; LG Hamburg NJW 2007, 691 [692] – Joschka Fischer; abl MüKo/Schwab § 812 Rn 270f, da dem Persönlichkeitsrecht kein vermögensrechtlicher Zuweisungsgehalt innewohne). Die „übliche Lizenzgebühr“ entspricht dabei dem Betrag, den der Verwender hätte zahlen müssen, um die Einwilligung des Betroffenen zu erhalten (Hamburg ZUM 2005, 164 [167] – Lafontaine; LG Hamburg NJW 2007, 691 [693] – Joschka Fischer; BGH NJW-RR 1987, 231 [232] – Nena; Hamburg ZUM 2010, 884 [885]). Sie kann, sofern sich marktübliche Sätze nicht ermitteln lassen, gem § 287 ZPO geschätzt werden (BVerfG GRUR-RR 2009, 375), wobei Auflagenstärke, Verbreitung, Art und Umfang der Gestaltung sowie die Werbewirkung zu berücksichtigen sind (Balthasar NJW 2007, 664; München ZUM 2003, 139 [140] – Boris Becker; München ZUM-RD 2007, 360 [367]). Den vom Verwender erzielten Gewinn kann der Betroffene nicht verlangen. Bereicherungsgegenstand ist die Nutzung der Persönlichkeitselemente. Da diese nicht herausgegeben werden können, ist nach §§ 812 I S 1 Alt 2, 812 II Wertersatz zu leisten (BGH NJW 2007, 689 [690] – Lafontaine; Balthasar NJW 2007, 664). Keine Anspruchsvoraussetzung ist das grds Einverständnis des Betroffenen mit der Vermarktung seiner Persönlichkeitselemente, sog Lizenzbereitschaft (ausdr Aufgabe der alten Rspr zum Schadens- und Bereicherungsausgleich; dazu BGH NJW 2007, 689 [690] 106

N. Klass

Natürliche Personen, Verbraucher, Unternehmer

§ 13

– Lafontaine; zur alten Rspr BGH NJW 1956, 1554 [1555] – Dahlke). Auf die Frage, ob der Betroffene bereit gewesen wäre, seine Zustimmung zu der Veröffentlichung zu erteilen, kommt es mithin nicht mehr an (Hamburg ZUM 2010, 884 [885]; LG Hamburg NJW 2007, 691 [693] – Joschka Fischer, offengelassen für den Fall, dass der Betroffene bekanntermaßen die Benutzung seines Bildnisses verweigert, auch wenn ihm dafür ein angemessenes Honorar gezahlt wird). Zu Einzelheiten ausf Seitz Hdb des Persönlichkeitsrechts § 52.

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Verbraucher* Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zwecke abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Schrifttum: Annuß, Der Arbeitnehmer als solcher ist kein Verbraucher!, NJW 2002, 2844; Armbrüster, Kapitalanleger als Verbraucher? Zur Reichweite des europäischen Verbraucherschutzrechts, ZIP 2006, 406; Bertram, Die Anwendung des Einwendungsdurchgriffs gem § 359 BGB auf den Beitritt zu einer Publikumsgesellschaft, 2004; Brors, Arbeitnehmer und Verbraucher – keine deckungsgleichen Begriffe!, ZGS 2003, 34; Bülow, Gesetzeswortlaut und Rechtsanwendung – Beweislast für die Verbrauchereigenschaft, Subsidiarität des Einwendungsdurchgriffs, GS Wolf (2011), 3; Bülow, Scheinselbständiger und Ich-AG als Verbraucher nach § 13 BGB? FS Derleder (2005), 27; Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, 7. Aufl 2011; Bülow/Artz, Handbuch des Verbraucherprivatrechts, 2005; Dauner-Lieb/Dötsch, Ein „Kaufmann“ als „Verbraucher“? – Zur Verbrauchereigenschaft des Personengesellschafters, DB 2003, 1666; Herresthal, Scheinunternehmer und Scheinverbraucher im BGB, JZ 2006, 695; Hoffmann, Der Verbraucherbegriff des BGB nach Umsetzung der Finanz-Fernabsatzrichtlinie, WM 2006, 560; Hümmerich, Der Verbraucher-Geschäftsführer – Das unbekannte Wesen, NZA 2006, 709; Masuch, Stellvertretung beim Abschluss von Verbraucherverträgen, BB 2003, Beilage Nr 6 zu Heft 35, 16; Mohr, Der Begriff des Verbrauchers und seine Auswirkungen auf das neu geschaffene Kaufrecht und das Arbeitsrecht, AcP 204 (2004), 660; Mülbert, Außengesellschaften – manchmal ein Verbraucher?, WM 2004, 905; Müller, Der Arbeitnehmer als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB, 2005; Pfeiffer, Der Verbraucher nach § 13, in: Schulze/Schulte-Nölke (Hrsg), Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, 2001, 133; Piekenbrock/Ludwig, Zum deutschen und europäischen Verbraucherbegriff, GPR 2010, 144; Riesenhuber/v. Vogel, Sind Arbeitnehmer Verbraucher iSv § 13 BGB?, Jura 2006, 81; Saenger, Der allgegenwärtige Verbraucher im Bürgerlichen Recht, Zivilprozessrecht, Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht, in: Hanna/Roos/Saenger (Hrsg.), Juristenausbildung als Leidenschaft, Festgabe für Olaf Werner, 2004, 51; Schmidt, Verbraucherbegriff und Verbrauchervertrag – Grundlagen des § 13 BGB, JuS 2006, 1; Schmidt, „Unternehmer“ – „Kaufmann“ – „Verbraucher“, BB 2005, 837; Ultsch, Der einheitliche Verbraucherbegriff, 2005; Wagner, Sind Kapitalanleger Verbraucher?, BKR 2003, 649; Weyer, Handelsgeschäfte (§§ 343ff HGB) und Unternehmergeschäfte (§ 14 BGB), WM 2005, 490.

I. Gesetzgebung. §§ 13 und 14 wurden durch das FernAbsG (Gesetz über Fernabsatzverträge und 1 andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf den Euro v 27.6.2000, BGBl I 897) in das BGB eingefügt. Ziel war eine Vereinheitlichung der Begriffe des Verbrauchers und des Unternehmers. Dabei wurde vor allem auf §§ 24 (Unternehmer) und 24a (Verbraucher) AGBG zurückgegriffen (BT-Drucks 14/2658, 47). Die einzelnen Verbraucherschutzregelungen, die zuvor durchaus unterschiedliche Verbraucher- und Unternehmerbegriffe enthielten, verweisen seither auf §§ 13, 14 (etwa §§ 310 III, 312 I, 312b I, 481 I, 491 I). Über die Vorgabe des europäischen Rechts hinaus wird der Verbraucher auch im Rahmen einer unselbständigen beruflichen Tätigkeit geschützt und werden Arbeitnehmer von § 13 erfasst (Rn 15). Eine solche überschießende RLumsetzung ist in den Grenzen höherrangigen Primärrechts (insb der Grundfreiheiten) bei RL mit Mindestharmonisierungs-Charakter zulässig, wenn alle Fälle erfasst werden, für die die Umsetzungsverpflichtung besteht. Ob an der erweiterten nationalen Begriffsvereinheitlichung (krit dazu Flume ZIP 2000, 1427f) jedoch bei RL mit Vollharmonisierungs-Charakter festgehalten werden kann, ist zweifelhaft (hierzu bereits Bülow/Artz NJW 2000, 2049, 2051; Hoffmann WM 2006, 560ff; umfassend Ultsch, S 76ff, 221ff). Derartige RL verleihen den Mitgliedstaaten grds keinen Gestaltungsspielraum bzgl des vollharmonisierten Bereichs. Entscheidend sind Anwendungs- und Regelungsbereich der jeweiligen RL; insoweit darf bei RL mit Voll- bzw. Totalharmonisierungs-Charakter gerade kein Verbot eines weitergehenden Schutzes als des „europäischen Verbrauchers“ bestehen. Hins der FernabsatzRL für Finanzdienstleistungen (2002/65/EG) trifft dies jedenfalls nicht zu (Ultsch, 149ff; Bülow FS Derleder, 27, 29, 30; BaRo/Schmidt-Räntsch Rn 4 unter Aufgabe der aA in der Voraufl; aA Hoffmann WM 2006, 560, 562; Mülbert WM 2004, 905, 909). Zwar ist diese auf Totalharmonisierung ausgelegt (Härting/ Schirmbacher DB 2003, 1777, 1778). Sie enthält jedoch abschließende Regelungen nur für Finanzdienstleistungen, die keiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können (Art 1, 2 lit d RL 2002/65/EG). Außerhalb der sekundärrechtlich normierten Bereiche hat der Mitgliedstaat grds einen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum, so dass § 13 in zulässiger Weise auch Personen erfasst, die im Fernabsatz eine Finanzdienstleistung für ihre abhängige Beschäftigung beziehen (BaRo/Schmidt-Räntsch Rn 4; Bülow WM 2006, 1513, 1514; Schneider VersR 2004, 696, 699, Ultsch, 151). II. „Verbraucher“. 1. Begriff. Bei der Bestimmung des Verbraucherbegriffs ist zum einen von der 2 Privatheit des ökonomischen Handelns auszugehen, zum anderen von der strukturellen Unterlegenheit des privat Handelnden, die vermutet wird (zur strukturellen Unterlegenheit privat handelnder Personen vgl BVerfG 89, 214 = NJW 1994, 36, 38f). Ob diese situativ schutzbedürftig sind, beurteilt sich nach dem Gegenstand des jew Verbraucherrechts (MüKo/Micklitz Rn 4, 7).

* Amtl Hinw: Diese Vorschriften [§ 13, 14] dienen der Umsetzung der eingangs [Fn S 1] zu den Nummern 3, 4, 6, 7, 9 und 11 genannten Richtlinien.

N. Klass/I. Saenger

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§ 13

Allgemeiner Teil

Personen

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2. Anwendungsbereich. § 13 ist maßgeblich, wenn das BGB oder ein anderes Gesetz vom „Verbraucher“ spricht. Im BGB findet der Verbraucherbegriff in §§ 241a, 288 II, 310 III, 312ff, 355ff, 474ff, 481ff, 491ff, 655a und 661a Verwendung, außerhalb des BGB etwa in § 1031 V ZPO und § 414 III HGB. Nicht auf den Verbraucherbegriff verweisen hingegen die Vorschriften über den Reisevertrag in § 651a ff, die stattdessen vom Reisenden sprechen, der auch ein Unternehmer sein kann, sowie des FernUSG, das nicht von Verbrauchern, sondern von Teilnehmern spricht. § 13 ist auch auf beidseitige Verbrauchergeschäfte anwendbar, allerdings knüpft das Gesetz an solche Geschäfte keine besonderen Folgen, vielmehr finden die allg Normen des Zivilrechts Anwendung.

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III. Persönlicher Anwendungsbereich. Nach der Gesetzesdefinition wird der Verbraucherbegriff von zwei Kriterien bestimmt, zum einen von der Personenqualität des Handelnden, zum anderen von der nicht gewerblichen oder selbständig beruflichen Zweckbindung des rechtsgeschäftlichen Handelns.

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1. Personenqualität des Handelnden. a) Der Handelnde muss eine nat Pers sein (vgl EuGH NJW 2002, 205). Damit sind jur Pers (rechtsfähige Vereine, Stiftungen, GmbH, AG, eG, KGaA sowie öffentlich-rechtl Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts) aus dem Verbraucherbegriff ausgeschlossen. Dies mag bei solchen jur Pers unbefriedigend sein, deren Schutzbedürftigkeit aufgrund mangelnder Geschäftskompetenz derjenigen nat Pers entspricht, bspw bei gemeinwohlorientierten Stiftungen und rechtsfähigen Idealvereinen (Pfeiffer, 133, 138). Indes ist die Regelung abschließend (so auch BGH WM 2010, 647). Wo der Gesetzgeber den Verbraucherbegriff modifiziert verstanden wissen wollte, hat er dies anders als in § 13 ausdr geregelt, wie zB in § 512. Auch eine analoge Anwendung des früheren § 1 I HausTWG, nach dem auch Idealvereine als Kunden gelten können (AG Hamburg BB 1988, 869), scheidet daher aus (differenzierend MüKo/Micklitz Rn 13).

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b) Die Unterscheidung zw natürlichen und jur Pers ist dort unbefriedigend, wo dieser Dualismus aufgeweicht wird, nämlich bei Gesamthandsgemeinschaften (Personengesellschaften, Erben- und Gütergemeinschaften). aa) Für Personengesellschaften gilt: Normadressaten der Verbraucherschutzregelungen können nicht nur einzelne nat Pers sein, sondern auch eine Mehrzahl nat Pers, die sich zu einer (Außen-)GbR zusammengeschlossen haben (zu § 1 VerbrKrG BGH NJW 2002, 368 = WM 2001, 2379 = EWiR 2002, 93 m Anm Saenger/Bertram; BaRo/Schmidt-Räntsch Rn 6; Staud/Weick Rn 36; Bülow/Artz § 491 Rn 55; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht Rn 1436; differenzierend Wunderlich BKR 2002, 304). Die Gegenansicht, wonach die (Außen-)GbR aufgrund ihrer Rechtsfähigkeit als nat Pers nicht in Betracht kommt (Vortmann ZIP 1992, 229, 232; Krebs DB 2002, 517ff; Eßner/Schirmbacher VuR 2003, 247; Fehrenbacher/Herr BB 2002, 1006; krit Schmidt JuS 2006, 1, 5 „rechtspolitische Notlüge“) bzw nur bei personalstrukturierten, nicht aber bei der verbandsmäßig strukturierten GbR das Verbraucherkreditrecht anzuwenden sei (Staud/Kessal-Wulf § 491 Rn 27), ist nicht zutr, weil die VerbraucherschutzRL den Begriff der nat Pers stets nur als Gegensatz zu dem der jur Pers verwenden. Auch die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der (Außen-)GbR (BGH 146, 341, 347 = NJW 2001, 1056) führt zu keinem anderen Ergebnis, weil diese nicht den Status einer jur Pers besitzt (vgl auch § 11 II Nr 1 InsO). Eine Unterscheidung nach der internen Strukturierung der GbR wäre der Rechtssicherheit und -klarheit abträglich und ist deswegen abzulehnen (BGH NJW 2002, 368f = WM 2001, 2379). Folgerichtig ist der gewerbliche/selbständig berufliche bzw der private Zweck (Rn 19ff) des jew Geschäfts das maßgebliche Abgrenzungskriterium. Dasselbe muss auch für aus nat Pers bestehende Personenhandelsgesellschaften (OHG/KG) gelten: Sind sie gewerblich tätig, sind sie nicht Verbraucher, betreiben sie lediglich private Vermögensverwaltung (§ 105 II HGB), sind sie Verbraucher (aA Staud/Weick Rn 35 und nunmehr auch MüKo/Micklitz Rn 16f).

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bb) Auch die Erbengemeinschaft hat keine eigene Rechtspersönlichkeit (BGH NJW 2002, 3389; 1989, 2133, 2134; krit Fritz NZM 2003, 676), so dass die einzelnen Erben Verbraucher sein können. Ebenso verhält es sich bei der Gütergemeinschaft. Auf die teilrechtsfähige WEergemeinschaft sind die Grundsätze der GbR übetragbar, so dass sie Verbraucherin sein kann, sofern nicht nur Unternehmer an ihr beteiligt sind (München NJW 2008, 3574; Pal/Ellenberger Rn 2; aA LG Rostock NZM 2007, 370; MüKo/Micklitz Rn 19).

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c) Für den nicht rechtsfähigen wirtschaftlichen Verein, für den die Vorschriften über Gesellschaften gem § 54 S 1 Anwendung finden, gilt das für die (Außen-)GbR Gesagte entspr. Auf den nichtrechtsfähigen Idealverein – für den nach hM entgegen § 54 S 1 die Vorschriften der §§ 21ff und nicht gesellschaftsrechtliche Vorschriften gelten (Staud/Weick § 54 Rn 2) – scheidet aufgrund des korporativen Elementes eine Analogie zu den nat Pers aus (BaRo/Schmidt-Räntsch Rn 6; Staud/Weick Rn 37).

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d) Bei Beteiligung Dritter gilt für die Einordnung als Verbrauchergeschäft Folgendes: aa) Das Rechtsgeschäft begleitende Sicherungsgeschäfte (Schuldübernahme, Schuldbeitritt, Bürgschaft, Garantie, Sicherungsabtretung, [Grund-]Pfandrechte) erfordern eine Differenzierung. Wird der Sicherungsgeber in das zu sichernde Rechtsgeschäft einbezogen, wie bei Schuldübernahme und Schuldbeitritt, ist dieser nicht Dritter. Für die Verbrauchereigenschaft ist deshalb allein seine Person maßgeblich (sog Einzelbetrachtung BGH NJW 2006, 431 = WM 2006, 81; 133, 71, 76f = NJW 1996, 2156 = WM 1996, 1258). Ist der Sicherungsgeber dagegen ein außerhalb des eigentlichen Rechtsgeschäfts stehender Dritter (zB Bürge), bedarf es zunächst der Beurteilung, ob das Sicherungsgeschäft vom sachlichen Anwendungsbereich der jeweils betroffenen Verbrauchervorschrift umfasst ist (vgl zu Bürgschaft und Verbraucherdarlehensrecht § 491 Rn 25; zu Bürgschaft und Haustürwiderrufsrecht § 312 Rn 26ff), und sodann der Prüfung, ob auch der Vertragspartner des gesicherten Rechtsgeschäfts Verbraucher sein muss. Jedenfalls hängen die Widerrufsrechte eines Verpfänders oder Bürgen gem § 312 I 1 nicht von der Verbrauchereigenschaft des persönlichen Schuldners oder einer auf 108

I. Saenger

Natürliche Personen, Verbraucher, Unternehmer

§ 13

diesen bezogenen Haustürsituation ab (BGH NJW 2006, 845; BaRo/Ann § 312 Rn 8; Derleder EWiR 2006, 195; Zahn ZIP 2006, 1069; aA noch BGH NJW 1998, 2356; Frankfurt ZGS 2006, 398; vgl zu Bürgschaft und Haustürwiderrufsrecht § 312 Rn 29f). bb) Bei verbundenen Verträgen iSv § 358 III gilt ein „doppelter Verbraucherbegriff“. Sowohl bei Ab- 10 schluss des Waren- oder Dienstleistungsvertrags als auch bei Abschluss des Darlehensvertrags muss die Verbrauchereigenschaft vorliegen. Dies bereitet keine Probleme, solange es sich beim Käufer bzw Leistungsempfänger und dem Darlehensnehmer um dieselbe Person handelt. cc) Besonderes gilt, wenn sich der Verbraucher eines Stellvertreters bedient (im Einz Masuch BB 11 2003 Beilage Nr 6 zu Heft 35 S 16). Spezialregelungen finden sich in § 492 IV sowie § 17 II a BeurkG und § 37d III WpHG. Sind Vertreter und Vertretener Verbraucher, liegt unproblematisch ein Verbrauchergeschäft vor. Anders ist die Situation, in der nur der Vertretene Verbraucher ist, der Vertreter jedoch nicht. Verbraucherschutzgesetze sollen den Verbraucher vor dem Abschluss von Rechtsgeschäften schützen, deren Folgen er infolge fehlender Geschäftserfahrung und mangelnder Kenntnisse typischerweise nicht vollständig überblickt (s zB für das Verbraucherdarlehen BTDrucks 11/5462, 17). Beim Einsatz eines gewerblich oder selbständig beruflich tätigen Vertreters verfügt dieser über entspr Geschäftserfahrung, so dass man (ebenso wie BGH 144, 223, 227f = NJW 2000, 2268 bzgl des Vorliegens der situationsbezogenen Voraussetzungen des § 312 beim Haustürgeschäft des Vertreters) auf den Rechtsgedanken des § 166 zurückgreifen und ein Verbrauchergeschäft des Vertretenen verneinen könnte. Allerdings ist der Verbraucher selbst bei Zuhilfenahme eines unternehmerisch agierenden Vertreters, der ihm die Einzelheiten des Geschäfts erklärt, nicht minder schutzbedürftig. Also ändert auch die Einschaltung eines Vertreters, der in Ausübung seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt, nichts an der Anwendung des § 13, sofern der Vertretene Verbraucher ist (i Erg ebenso BaRo/Schmidt-Räntsch Rn 7; MüKo/Micklitz Rn 25; MüKo/Ulmer § 491 Rn 22). Zu der Sondersituation des Vorliegens der situativen Voraussetzungen des § 312 beim Haustürgeschäft s ausf § 312 Rn 34ff. Ist hingegen der Vertreter Verbraucher, der Vertretene jedoch nicht, sind Verbraucherschutzvorschriften nicht anwendbar. Selbst wenn die Gefahr der situativen Übereilung beim Vertragsschluss durch den Vertreter besteht, ist der Vertretene nicht schutzbedürftig, denn hätte er selbst den Vertrag geschlossen, wären Verbraucherschutzvorschriften nicht anwendbar (MüKo/Ulmer § 491 Rn 22; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht Rn 1439; Teske BB 1988, 869, 870). Handelt es sich bei dem Vertreter um einen falsus procurator und verweigert der Vertretene die Genehmigung des Rechtsgeschäftes, kann der Vertreter ein Widerrufsrecht nur ausüben, wenn er selbst Verbraucher ist (BaRo/Schmidt-Räntsch Rn 7). dd) Bei einem Vertrag zugunsten Dritter ergeben sich keine Besonderheiten, weil für den Dritten 12 als Leistungsempfänger kein Anlass besteht, Verbraucherschutzrechte geltend zu machen. Es bleibt bei dem allg Grundsatz, wonach nur dem Versprechensempfänger Verbraucherschutzrechte zustehen, der auch Verbraucher ist. 2. Keine gewerblichen oder selbständigen beruflichen Zwecke. Verbrauchergeschäfte sind nur sol- 13 che, die für die handelnde nat Pers ein Privatgeschäft darstellen, also etwa der Haushaltsführung, Daseins- und Gesundheitsvorsorge oder Freizeitgestaltung dienen. Indes wird die Zweckbindung nicht positiv, sondern negativ definiert. Der Verbraucher ist eine Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. a) Unter einer gewerblichen Tätigkeit ist jede selbständige, auf Dauer angelegte entgeltliche Tätig- 14 keit zu verstehen (vgl im Einz § 14 Rn 8ff). Das Merkmal dient zur Abgrenzung von den der Privatsphäre des Verbrauchers zurechenbaren Geschäften und darf nicht zu eng ausgelegt werden. Problematisch kann die Abgrenzung der privaten Vermögensverwaltung ggü der gewerblichen Tätigkeit sein, insb bei Erwerb oder Vermietung von Immobilien. Die Verwaltung eigenen Vermögens gehört nicht zur gewerblichen Tätigkeit; geeignetes Abgrenzungskriterium ist der Umfang der betriebenen Geschäfte (BGH NJW 2002, 368, 369 = WM 2001, 2379 zu § 1 VerbrKrG). Erfordern diese einen planmäßigen Geschäftsbetrieb, zB die Unterhaltung eines Büros oder eine besondere Organisation, liegt eine gewerbliche Betätigung vor (BGH NJW 2002, 368, 369 = WM 2001, 2379; zum BörsG: BGH 104, 205, 208 = NJW 1988, 2039; zu § 24 I S 1 ARB: BGH 119, 252, 256 = NJW 1992, 3242). Auf die Höhe der verwalteten Werte kommt es dagegen nicht an (anders noch Erman/Rebmann10 § 1 VerbrKrG Rn 43). Bei der Einordnung des Erwerbs einer Gesellschafterstellung muss differenziert werden: Beim Erwerb von GmbH-Anteilen und Aktien handelt es sich nur dann um eine gewerbliche Tätigkeit, wenn mit der Beteiligung eine unternehmerische Zielsetzung verfolgt wird (ausf Staud/Hopt/Mülbert § 609a Rn 31). Der BGH qualifiziert das Halten eines GmbH-Anteils grds nicht als gewerbliche Tätigkeit, sondern als private Vermögensverwaltung (BGH 133, 71, 78 = NJW 1996, 2156; NJW 2007, 759). Gleiches gilt für den Anleger, der einer Publikumsgesellschaft beitritt (Bertram, 99ff, 138). Der Erwerb einer Stellung als persönlich haftender Gesellschafter in einer Personengesellschaft ist als gewerblich zu qualifizieren, wenn die Personengesellschaft ein Gewerbe ausübt und nicht lediglich Vermögen verwaltet (§ 105 II HGB; hiergegen aber Dauner-Lieb/Dötsch DB 2003, 1666, 1668, die auf den Widerspruch hinweisen, der sich im Vergleich zur Einordnung des Gesellschafter-Geschäftsführers der GmbH als Verbraucher ergeben soll). Der Erwerb einer Kommanditistenstellung ist idR private Vermögensverwaltung (Saenger Festgabe Werner, 51, 61; aA Staud/Kessal-Wulf § 491 Rn 40), es sei denn, dem Kommanditisten werden in einer gewerblich tätigen Personengesellschaft Rechte eingeräumt, die denen eines Komplementärs vergleichbar sind. Beim darlehensfinanzierten Erwerb einer Gesellschafterstellung ist die Bestimmung über Existenzgründergeschäfte des § 507 zu beachten (dazu Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb, 2. Aufl § 81 Rn 16). Nebenerwerbstätigkeiten, I. Saenger

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Allgemeiner Teil

Personen

die die Grenze zur Gewerbsmäßigkeit überschreiten, führen ebenfalls zum Verlust der Verbrauchereigenschaft (Celle NJW-RR 2004, 1645, 1646; Bremen ZGS 2004, 394). Zum Ebay-Verkäufer s § 14 Rn 11. 15

b) Nicht als Verbraucher handelt auch der selbständig beruflich Tätige. Hiervon werden vor allem Freiberufler erfasst (Ärzte, Rechtsanwälte, Patentanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Architekten, Künstler, Schriftsteller, Privatlehrer etc; vgl § 14 Rn 15). Bei Rechtsgeschäften des Arbeitnehmers mit dem Arbeitgeber, die sich nicht auf das Arbeitsverhältnis beziehen (zB Darlehensvertrag), ist der Arbeitnehmer als Verbraucher anzusehen (Pal/Heinrichs Rn 3). Von § 13 werden darüber hinaus aber auch alle Geschäfte erfasst, die ein Arbeitnehmer in dieser Eigenschaft tätigt, solange er nur keine selbständige gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit ausübt (BAG NJW 2005, 3305, 3308f: „Arbeitsvertrag ist Verbrauchervertrag iSd § 310 III BGB“, ebenso BVerfG NJW 2007, 286; vgl auch Benecke/Pils in ZIP 2005, 1956ff; aA Annuß NJW 2002, 2844; Maschmann RdA 2005, 212, 216f; offengelassen noch BAG BB 2004, 1858). Dies gilt auch, wenn das Rechtsgeschäft ganz oder teilw für die Berufstätigkeit bestimmt ist (zB Anschaffung eines Computers für Verwendung am Arbeitsplatz, Pkw für Dienstfahrten; vgl Annuß, NJW 2002, 2844; Pal/Heinrichs § 13 Rn 3). Auch die Geschäftsführung einer GmbH wird nach hM nicht als selbständige berufliche, sondern als Tätigkeit im Angestelltenverhältnis angesehen (BGH 133, 71, 78 = NJW 1996, 2156; NJW 2004, 3039, 3040; NJW 2006, 431, 432; NJW 2007, 759; BAG NZA 2010, 939, sofern der Geschäftsführer kein Gesellschafter mit Sperrminorität ist; aA Oldenburg WM 2000, 1935, 1939; vgl § 14 Rn 15). Zwar geht der Arbeitnehmer einer Erwerbstätigkeit nach und tätigt keine Geschäfte zu konsumtiven Zwecken (hierzu Ultsch, 246ff), doch lassen Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 13 keinen anderen Schluss zu, als den, Arbeitnehmer im Hinblick auf Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber als Verbraucher anzusehen (vgl hins der Verbrauchereigenschaft des Arbeitnehmers auch § 491 II Nr 4). Während im europäischen Sekundärrecht jeglicher berufliche Geschäftszweck der Verbrauchereigenschaft entgegensteht, hat der deutsche Gesetzgeber in überschießender Umsetzung der RL den Verbraucherbegriff erweitert (vgl Rn 1). Dies besagt aber nichts für die Anwendbarkeit der Verbraucherschutzvorschriften (BAG NJW 2005, 3305, 3309); diese ist vielmehr für jede in Rede stehende Verbraucherschutznorm gesondert zu beurteilen, und dabei ist zu prüfen, ob spezielle Arbeitnehmerrechte bzw ausdr gesetzliche Anordnungen oder systematisch-teleologische Erwägungen entgegenstehen (Rn 2; MüKo/Micklitz Rn 4).

15a

Die Frage, ob ein Arbeitnehmer Verbraucher iSd § 13 sein kann, stellt deshalb nur eine Facette der Problematik der Anwendbarkeit der Verbraucherschutzrechte dar (Staud/Habermann § 14 Rn 39). Praktische Bedeutung erlangt die Verbrauchereigenschaft des Arbeitnehmers vor allem in vier Bereichen (vgl Riesenhuber/v Vogel Jura 2006, 81): 1. Die Anwendbarkeit des § 288 II über den höheren Verzugszins bei Geschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, wird aus teleologischen Gründen verneint (BAG NJW 2005, 3305, 3308; ArbG Hamburg ZGS 2003, 79 m Anm Clemens, der dem Ergebnis unter Hinw auf die europarechtlichen Vorgaben des § 288 II zustimmt); demnach gilt bei Zahlungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis § 288 I (BAG NZA 2005, 694). 2. § 310 III betreffend die Klauselkontrolle in Verbraucherverträgen ist auf Arbeitsverträge anwendbar (BVerfG NJW 2007, 286; BAG NJW 2005, 3305, 3308f). 3. Die Bestimmung des § 312 über das Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften ist auf am Arbeitsplatz geschlossene arbeitsrechtliche Beendigungsvereinbarungen mangels „Überrumpelungssituation“ im Regelfall nicht anwendbar (BAG NJW 2004, 2401, 2405f; vgl im Einz § 312 Rn 31). Das gilt auch, wenn der Arbeitnehmer regelmäßig zu Hause arbeitet (BAG NZA 2004, 1295). 4. Bei einer anwaltlichen Erstberatung kommt der Arbeitnehmer in den Genuss der Kappungsgrenze von Nr 2102 VV RVG, wenn individualarbeitsrechtliche Rechtsfragen Gegenstand der Beratung sind (Riesenhuber/v Vogel Jura 2006, 81, 85f). Vgl iÜ zur Verbraucher-Eigenschaft des Arbeitnehmers Hümmerich/Holthausen NZA 2002, 173, 178; Müller, Der Arbeitnehmer als Verbraucher iSd § 13 BGB, 2005; Reinecke DB 2002, 583, 587 [bejahend] und demggü Kellermann JA 2005, 546, 547f; Mohr AcP 204 (2004), 660, 691ff; Tschöpe/Pirscher RdA 2004, 358, 362 [verneinend]).

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c) Existenzgründergeschäfte – also Geschäfte zur Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit, wie zB die Anmietung von Geschäftsräumen – fallen nicht in den Anwendungsbereich von § 13 (BGH NJW 2005, 1273; Düsseldorf, NJW 2004, 3192; Rostock ZVI 2003, 332ff; BaRo/Schmidt-Räntsch Rn 18; Staud/Weick Rn 55ff; aA München NJW-RR 2004, 913, 914; Nürnberg OLGRp 2003, 335f; Prasse, MDR 2004, 961, 963), jedoch nicht, wenn das Geschäft lediglich der Vorbereitung zur Entscheidung über eine Existenzgründung dient (BGH NJW 2008, 435 – „Existenzgründungsbericht“ eines beauftragen Steuerberaters). Aus § 512, wonach Existenzgründer ausdr in den Anwendungsbereich der Bestimmungen über das Verbraucherdarlehen einbezogen werden, ergibt sich im Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber Existenzgründer grds nicht als Verbraucher ansieht (BGH NJW 2005, 1273; Rostock ZIV 2003, 332). Da eine entspr Regelung in § 13 gerade nicht getroffen wurde, werden hiervon keine Existenzgründergeschäfte erfasst. Das Arg der Gegenansicht (MüKo/ Micklitz Rn 54), Existenzgründer seien unter den Verbraucherbegriff zu subsumieren, weil sie aus der privaten Sphäre heraus tätig würden und es ihnen an Geschäftskompetenz mangele, überzeugt nicht. Denn mit der Entscheidung, in bestimmter Weise unternehmerisch tätig zu werden, und dem Abschluss vorbereitender Geschäfte begibt sich der Existenzgründer in den unternehmerischen Verkehr und agiert gerade nicht mehr „von seiner Rolle als Verbraucher her“ (BGH aaO). Die Unterscheidung zw Geschäften vor und nach Existenzgründung würde iÜ eine künstliche, wenig klare Trennung bewirken (ebenso Kellermann JA 2005, 546, 549).

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d) Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich, wenn ein Rechtsgeschäft sowohl zu gewerblichen bzw beruflichen als auch zu privaten Zwecken, also zu einem gemischten Zweck geschlossen wird („dual use“, etwa beim Kauf eines Fahrzeugs, das sowohl beruflich als auch privat genutzt werden 110

I. Saenger

Natürliche Personen, Verbraucher, Unternehmer

§ 13

kann). Teilw wird ein solches Rechtsgeschäft immer dem privaten Bereich (von Westphalen BB 1996, 2101; Schwerdtfeger DStR 1997, 499, 500) oder dem gewerblich/beruflichen Bereich (BaRo/SchmidtRäntsch Rn 12 unter Hinw auf die Geschäftserfahrenheit des zu privaten Zwecken handelnden Unternehmers; Jauernig/Jauernig Rn 3) zugerechnet. Eine solche pauschale Einordnung vermag jedoch nicht zu überzeugen. Vielmehr ist darauf abzustellen, welche Zweckbestimmung überwiegt (so die hM, Celle NJW-RR 2004, 1645, 1646; Bremen ZGS 2004, 394f; Naumburg WM 1998, 2158; Pal/Heinrichs Rn 4; Hk/Dörner Rn 2; Pfeiffer NJW 1999, 169, 173). Der EuGH hat sich im Rahmen des Art 13 EuGVÜ für eine enge Auslegung des Verbraucherbegriffs ausgesprochen (NJW 2005, 653, 654 Rn 36f = EuZW 2005, 241 m krit Anm Reich). Danach hindert jeder nicht völlig untergeordnete berufliche Zusammenhang einen Verbrauchergerichtsstand. ZT wird daraus gefolgert, dieser Entscheidung käme Ausstrahlungswirkung für die Auslegung des § 13 bei gemischter Nutzung zu (Mankowski EWiR 2005, 305; nach BaRo/Schmidt-Räntsch Rn 12 sei zu erwarten, dass der EuGH diese Rspr auf die VerbraucherschutzRL ausweiten werde). Jedoch ist der prozessrechtliche Verbraucherbegriff des EuGH vom materiellrechtlichen zu unterscheiden. Das europäische Zivilprozessrecht wird vom Grundsatz der Rechtssicherheit beherrscht, weshalb die Ausnahmevorschriften zum Verbrauchergerichtsstand eng auszulegen sind. Demgegenüber dominiert im materiellen Verbraucherrecht der zwingende Charakter ggü dem Schutz der Rechtssicherheit, so dass die Entscheidung nicht auf die Auslegung des § 13 zu übertragen ist (Ebers VuR 2005, 361, 364f; aA Gottschalk RIW 2006, 576). Verbleiben Zweifel, wird erwogen, nach dem Rechtsgedanken des § 344 HGB widerlegbar zu vermuten, dass das Rechtsgeschäft für gewerbliche bzw selbständige berufliche Zwecke abgeschlossen wurde (Wolf/Horn/Lindacher § 24a AGBG Rn 23; Heinrichs NJW 1996, 2190f). Diese Ansicht ist aber abzulehnen, da § 344 HGB im Zusammenhang mit dem Verbraucherschutz keine Geltung beanspruchen kann (vgl § 14 Rn 17; AnwK/Ring §§ 13/14 Rn 31; MüKo/Micklitz § 14 Rn 34; Pfeiffer NJW 1999, 169, 173). Wer sich auf den Verbraucherschutz beruft, trägt auch bei „dual-use“ die Beweislast (Celle NJW-RR 2004, 1645; Pal/Heinrichs § 13 Rn 4; aA AnwK/Ring §§ 13/14 Rn 31, der für einen wirksamen Verbraucherschutz den Kunden in Zweifelsfällen immer als Verbraucher behandeln möchte). e) Handelt bei einem Rechtsgeschäft auf der einen Seite eine Personenmehrheit, von der einige 18 das Rechtsgeschäft zu privaten, andere zu gewerblichen bzw beruflichen Zwecken abschließen, gebietet es der Zweck des Verbraucherschutzes, die Verbrauchereigenschaft bei jedem Mitverpflichteten getrennt zu beurteilen (Einzelbetrachtung, vgl auch Rn 9; BGH 133, 71, 76 = NJW 1996, 2156 = WM 1996, 1258; WM 2000, 1632, 1635; BaRo/Schmidt-Räntsch Rn 8; Kellermann, JA 2005, 546, 547). Welche Folgen sich hieraus ergeben, hängt von der entspr Verbraucherregelung ab. So führt etwa die Verbrauchereigenschaft eines Mitverpflichteten bei einem Finanzierungsleasingvertrag dazu, dass der Vertrag nicht gekündigt werden kann, wenn die verbraucherspezifischen Kündigungsvoraussetzungen des § 500 iVm § 498 nicht vorliegen (BGH 144, 370, 379 = NJW 2000, 3133, 3135). f) Der für die Zweckbindung des Rechtsgeschäfts maßgebliche Zeitpunkt ist der Abschluss des 19 Rechtsgeschäfts, bei Verträgen also der Vertragsschluss (zu § 1 VerbrKrG Hamm WM 2001, 2339, 2340 = BKR 2002, 93; Pal/Heinrichs Rn 4). Eine nachträgliche Umwidmung des Zwecks ist nicht möglich (MüKo/Micklitz Rn 31f). Bei der Ermittlung der Zweckbindung entscheidet nicht der Wille des Handelnden, sondern der objektive, durch Auslegung zu ermittelnde Inhalt des Rechtsgeschäfts (Düsseldorf ZGS 2006, 119, 120; Bremen ZGS 2004, 394f; Staud/Habermann § 14 Rn 57; Staud/Matusche-Beckmann § 474 Rn 9; Herresthal JZ 2006, 695, 697; aA Müller NJW 2003, 1975, 1979). Nur so lässt sich die Schutzbedürftigkeit des Handelnden bestimmen, ohne es seiner Willkür zu überlassen, ob er den Schutz der Verbraucherregelungen in Anspruch nehmen möchte oder nicht (BaRo/SchmidtRäntsch Rn 14). Keinesfalls kann daher zwingendes Verbraucherschutzrecht durch eine Vereinbarung als „Händlergeschäft“ umgangen werden (Ebers VuR 2005, 361, 364; zu einer entspr Regelung in AGB AG Zeven ZGS 2003, 158f; AnwK/Ring §§ 13/14 Rn 32; Pal/Heinrichs Rn 4: Unwirksamkeit nach § 309 Nr 12). Bei der Auslegung sind freilich auch die Begleitumstände zu beachten: Liegt nach dem objekiven Zweck bei Vertragsschluss mit einer nat Pers Verbraucherhandeln vor, ist eine andere Wertung nur aus erkennbaren Umständen zulässig, die zweifelsfrei und eindeutig auf Unternehmerhandeln hinweisen (BGH NJW 2009, 3780, 3781, der jedoch die weitergehende Frage offenlässt, ob die Zweckrichtung nach objektiven oder subjekiven Kriterien zu bestimmen ist; vgl krit Anm von Piekenbrock/Ludwig GPR 2010, 114). Ein zweifelsfreier und eindeutiger Hinw auf Unternehmerhandeln liegt noch nicht vor, wenn eine nat Pers als Lieferadresse einen Unternehmer angibt, jedoch nur selbst als Vertragpartner auftritt (BGH aaO). Wenn jemand bei Abschluss des Rechtsgeschäfts arglistig vorgibt, Unternehmer zu sein (Scheinunternehmer), kann er sich nach Treu und Glauben nicht auf verbraucherschützende Vorschriften berufen (BGH NJW 2005, 1045 = JR 2005, 284 m Anm Looschelders; offengelassen wurde vom BGH, ob die Zweckrichtung des Rechtsgeschäfts nach subjektiven oder objektiven Kriterien zu bestimmen ist; zust Ebers VuR 2005, 361, 365). Insoweit gebührt dem Grundsatz von Treu und Glauben ggü dem Interesse des unredlichen Vertragspartners der Vorrang. Die Vorschriften zum Verbraucherschutz sollen den Verbraucher vor der Ausnutzung einer Marktposition durch den Unternehmer schützen; sie dienen aber nicht dazu, den Verbraucher vor sich selbst zu schützen (Koblenz OLGRp 2005, 193 zu den Verbrauchsgüterkaufvorschriften). Auch der EuGH sieht die Anwendung eines nationalen Rechtsmissbrauchsverbots auf angeglichenes Recht insoweit als zulässig an, als die zweckwidrige Rechtsausübung zur Erlangung unberechtigter Vorteile verboten wird (EuGHE I 1998, 2843 = WM 1998, 1222, Rn 28, 29). Anders ist es zu beurteilen, wenn der Unternehmer die vorgespielte Unternehmereigenschaft durchschaut. Dann kommt dem Verbraucherschutz mangels schutzwürdigen Vertrauenstatbestandes wiederum der Vorrang zu (BaRo/ Schmidt-Räntsch § 14 Rn 15; Schmidt JuS 2006, 1, 8 zu §§ 474ff).

I. Saenger

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Allgemeiner Teil

Personen

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g) Die Beweislast, dass das Rechtsgeschäft nicht zu einem Zweck abgeschlossen ist, der ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, trifft im Streitfall die nat Pers, die sich auf Regelungen des Verbraucherschutzes beruft (vgl Rn 17 aE; BaRo/SchmidtRäntsch Rn 16). Eine Beweislastumkehr zugunsten der nat Pers ist (anders als früher in § 1 I S 1 VerbrKrG) nicht vorgesehen.

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IV. Sachlicher Anwendungsbereich. Die Vorschrift erfasst von ihrem sachlichen Anwendungsbereich her nur den Abschluss von Rechtsgeschäften durch Verbraucher. 1. Als Rechtsgeschäfte kommen alle einseitigen, zweiseitigen und mehrseitigen Rechtsgeschäfte im zivilrechtlichen Sinne in Betracht. Seinen Sinngehalt bezieht der sachliche Anwendungsbereich von § 13 erst aus einer Verknüpfung mit demjenigen der jeweiligen Verbraucherregelung. So muss bspw für die Anwendung von § 310 III ein „Vertrag“ vorliegen, für §§ 491ff ein „Darlehensvertrag“ und für §§ 358, 359 ein Vertrag über die „Lieferung einer Ware oder Erbringung einer anderen Leistung“. Schwierigkeiten bereitet die Einordnung der Gewinnzusage nach § 661a. Qualifiziert man deren Zusendung als der Auslobung des § 657 ähnelnd (Pal/Sprau § 661a Rn 1), fehlt es wie überhaupt bei der Einordnung als einseitiges Rechtsgeschäfts an einer Handlung des Empfängers. Deshalb wird man bei der Beurteilung des Rechtsgeschäfts auf die Sicht des Verbrauchers abzustellen haben, für den sich die Gewinnzusage als Rechtsgeschäft darstellt (MüKo/Micklitz Rn 70f; Hk/Schulze § 661a Rn 1; Lorenz NJW 2000, 3305, 3308).

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2. Der Abschluss des Rechtsgeschäfts ist nicht im technischen („Zustandekommen eines Rechtsgeschäftes“, „Schluss eines Vertrags“), sondern in einem weiteren Sinn zu verstehen. Deshalb wird auch die Anbahnung des Rechtsgeschäfts im Vorfeld des Vertragsschlusses erfasst (BaRo/SchmidtRäntsch Rn 13; ähnlich Pal/Heinrichs Rn 6). Der Verbraucherbegriff ist deshalb auch im Rahmen der Regelung § 241a über die Lieferung unbestellter Sachen anwendbar (ausweislich BT-Drucks 14/2658, 46 erfasst § 241a auch die Lieferung zum Zweck der Vertragsanbahnung; zu § 661a München NJW 2004, 1671).

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Unternehmer* (1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. (2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen. Zu Schrifttum und Gesetzgebung vgl § 13 vor Rn 1.

1

I. „Unternehmer“. 1. Begriff. Das Verbraucherschutzrecht wird – auch durch europäische RL – von den Begriffen Unternehmer und Verbraucher bestimmt. Die Terminologie ist jedoch nicht einheitlich. Vom Unternehmer ist der handelsrechtlich geprägte Begriff des „Gewerbebetriebs“ zu unterscheiden, der etwa in § 269 II Verwendung findet. Hingegen sind die Bezeichnungen „Erwerbsgeschäft“ in § 1822 Nr 3 und „Unternehmer“ in § 84 HGB mit § 14 im Wesentlichen deckungsgleich. Kein Unternehmer iSv § 14 ist jedoch der Werkunternehmer (§ 631), der auch Verbraucher iSv § 13 sein kann.

2

2. Verhältnis zu § 1 HGB. Auf das Verhältnis von § 14 und § 1 HGB ist der Gesetzgeber nicht eingegangen. Ungeachtet ihrer Parallelen unterscheiden sich die Vorschriften aber insofern, als § 14 im Gegensatz zu § 1 HGB auch freie Berufe und Kleingewerbetreibende umfasst. Ferner beschreibt § 14 den Unternehmer als Vertragspartei, wohingegen es sich bei dem Kaufmann des § 1 HGB um einen Statusbegriff handelt: Ein Kaufmann ist dies ohne Ausnahme und ununterbrochen; seine Kaufmannseigenschaft kann nicht abgelegt werden. Die Unternehmereigenschaft beurteilt sich hingegen nach dem einzelnen Rechtsgeschäft (vgl Schmidt BB 2005, 837, 838, der zw Statusbegriff und Rechtgeschäftslage differenziert). Bei beidseitigen Verbrauchergeschäften sind die verbraucherschutzrechtlichen Sonderregelungen nicht anwendbar. Tätigt ein Kaufmann ein Privatgeschäft, kommt die Anwendung handelsrechtlicher Vorschriften lediglich über § 344 HGB in Betracht (vgl aber Rn 17). Auf beidseitige Unternehmergeschäfte finden verbraucherschutzrechtliche Bestimmungen ebenfalls keine Anwendung. Handelt es bei beiden um Kaufleute, gelten die Regelungen des HGB. Bei Geschäften zw Verbrauchern und Unternehmern können sowohl verbraucherschutzrechtliche Sonderregelungen Anwendung finden als auch – bei Vorliegen eines einseitigen Handelsgeschäftes iSv § 345 HGB – handelsrechtliche Vorschriften. Aufgrund seines zwingenden Charakters hat das Verbraucherrecht Vorrang vor § 345 HGB, der insofern teleologisch zu reduzieren ist (Schmidt BB 2005, 837, 841; vgl zum Zusammentreffen von Handelskauf und Verbrauchsgüterkauf Hoffmann BB 2005, 2090; zu Handels- und Unternehmergeschäften Weyer WM 2005, 490).

3

3. Anwendungsbereich. § 14 gilt immer, wenn das BGB oder ein anderes Gesetz vom Unternehmer spricht. Im BGB ist der Unternehmerbegriff maßgeblich in den §§ 241a, 310 III, 312ff, 355ff, 474ff, 481ff, 491ff, 655a, 661a. Außerhalb des BGB ist § 14 in § 1031 V ZPO, § 414 III HGB von Bedeutung. Nicht auf den Unternehmerbegriff verweisen die Schutzvorschriften des Reisevertragsrechts (§§ 651a ff), die nur vom Reisenden sprechen, der auch Unternehmer sein kann, sowie des FernUSG, das nicht vom Unternehmer, sondern vom Veranstalter spricht.

* Amtl Hinw: Diese Vorschriften [§§ 13, 14] dienen der Umsetzung der eingangs [Fn S 1] zu den Nummern 3, 4, 6, 7, 9 und 11 genannten Richtlinien.

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I. Saenger

Natürliche Personen, Verbraucher, Unternehmer

§ 14

II. Persönlicher Anwendungsbereich. 1. Personenqualität des Handelnden. Unternehmer kann 4 nach Abs I jede nat oder jur Pers sein. Gleiches gilt für die rechtsfähige Personengesellschaft, die in Abs II definiert wird. a) Zum einen können nat Pers Unternehmer sein. Erfasst werden damit auch Einzelkaufleute, Frei- 5 berufler sowie Land- und Forstwirte. b) Als jur Pers kommen sowohl solche des privaten Rechts (AG, KGaA, GmbH, eG, Verein, Stif- 6 tung, supranationale Rechtsformen wie die europäische Aktiengesellschaft SE und die europäische Genossenschaft SCE) als auch des öffentlichen Rechts (öffentlich-rechtl Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts) in Betracht. Für letztere ist dies anerkannt, soweit sie privatrechtliche Verträge schließen (für § 310 III: MüKo/Basedow §310 Rn 6; für § 491 I: MüKo/Schürnbrand § 491 Rn 15f; Bülow § 491 Rn 49;). Im Zusammenhang mit dem Abschluss öffentlich-rechtl Verträge wird jedenfalls die Anwendbarkeit von § 310 III über AGB bejaht (MüKo/Basedow § 310 Rn 40). Dabei wird auf das Gebot der einheitlichen Anwendung der zugrunde liegenden europäischen RL verwiesen und auf die uneinheitliche Grenzziehung von privat- und öffentlich-rechtl Verträgen in den einzelnen Mitgliedstaaten sowie die EuGH-Rspr, die nur zw konsensualem, also privatrechtlichem Handeln, und einseitigem durch Verwaltungsakt erfolgendes Verwaltungshandeln unterscheidet (dazu EuGH Slg 1976, 1541, 1551 – LTU/Eurocontrol). Im Rahmen des Verbraucherdarlehensrechts ist die Frage der Unternehmereigenschaft öffentlich-rechtl Kreditinstitute bei der Darlehensvergabe durch öffentlich-rechtl Vertrag noch ungeklärt. Diese wird zT unter Hinw auf Sinn und Zweck des Verbraucherdarlehensrechts und die subsidiäre Geltung von Bestimmungen des BGB im Verwaltungsrecht gem § 62 VwVfG bejaht (MüKo/Schürnbrand § 491 Rn 16), zT mit Verweis auf die fehlende Gewerblichkeit des Handelns verneint (Bülow § 491 Rn 49). Soweit eine jur Pers öffentlichen Rechts bei Abschluss eines öffentlich-rechtl Vertrags jedoch gewerblich tätig wird, steht einer Anwendung von § 14 aufgrund § 62 VwVfG gerade nichts im Wege. Wurde eine jur Pers in einem Mitgliedstaat der EU nach dortigem Recht wirksam begründet, besteht sie nach einer Sitzverlegung in das Inland kraft Gemeinschaftsrechts als jur Pers ausländischen Rechts weiter (EuGH NJW 2002, 3614 – Überseering; EuZW 2003, 687 – Inspire Art; BGH NJW 2003, 1461); folglich ist sie auch als Unternehmer zu behandeln, wenn sie die übrigen Voraussetzungen erfüllt. c) Rechtsfähige Personengesellschaften iSv Abs II sind OHG (§ 124 HGB), KG (§§ 161 II, 124 7 HGB), EWiV (Art 1 II EWiV–VO) und Partnerschaft (§§ 7 II PartGG, 124 HGB). Auch die früher umstr Frage der Rechtsfähigkeit der (Außen-)GbR ist nunmehr geklärt. Diese ist – auch ohne jur Pers zu sein – rechtsfähig und kann eigene Rechte und Pflichten begründen, soweit nicht spezielle Gesichtspunkte entgegenstehen (BGH 146, 341, 347 = NJW 2001, 1056 und dazu K. Schmidt NJW 2001, 993, zu den Grenzen der Rechtsfähigkeit wie zB der Erbfähigkeit Ulmer ZIP 2001, 585, 594ff). Die GbR kann deshalb auch als Unternehmer in Betracht kommen (Koblenz NJOZ 2002, 2732, 2733). 2. Gewerbliche oder selbständige berufliche Zweckbindung. Die Person muss in Ausübung ihrer 8 gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handeln. a) Gewerbliche Tätigkeit ist jede planmäßige und auf Dauer angelegte selbständige wirtschaftliche 9 Tätigkeit unter Teilnahme am Wettbewerb (noch zu § 1 VerbrKrG: BGH NJW 2002, 368, 369 = WM 2001, 2379; MüKo/Micklitz vor §§ 13, 14 Rn 43ff). Unter den verbraucherrechtlichen Gewerbebegriff fallen also nicht nur Handelsgewerbe iSv § 1 HGB, sondern ebenfalls Kleingewerbetreibende, Handwerker, Land- und Forstwirte und berufsmäßige Betreuer (BFH NJW 2005, 1006). aa) Gewerbliche Tätigkeit setzt Selbständigkeit voraus. Selbständig handeln weder die im Gewer- 10 bebetrieb angestellten Arbeitnehmer noch Beamte, die für ihren Dienstherren privatrechtl oder öffentl-rechtl Verträge schließen. bb) Das Handeln muss auf Dauer angelegt sein und planvoll erfolgen. Der Handelnde muss einen 11 organisatorischen Mindestaufwand betreiben (MüKo/Micklitz Rn 19; Wolf/Horn/Lindacher § 24 AGBG Rn 6a). Saisonbetriebe können auf Dauer angelegt sein, wenn sich regelmäßige Tätigkeitsabschnitte mit Ruhepausen abwechseln (MüKo/Micklitz Rn 19; Wolf/Horn/Lindacher § 24 AGBG Rn 6a). Ausreichend ist aber auch eine nebenberufliche unternehmerische Tätigkeit, zB die als ebayVerkäufer (sog power-seller, Frankfurt NJW 2005, 1438; AG Bad Kissingen NJW 2005, 2463; ferner § 13 Rn 14 aE). Sofern ein Verkäufer bei einer Onlineauktion als power-seller auftritt und eine hohe Anzahl von Verkäufen in verhältnismäßig kurzer Zeit tätigt, spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine unternehmerische Tätigkeit. Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit der Betätigung sind insb durch das power-seller-Prädikat indiziert (LG Mainz NJW 2006, 783 = MMR 2006, 51 m Anm Kazemi = CR 2006, 131 m Anm Mankowski; LG Schweinfurt, WRP 2004, 654; AG Bad Kissingen NJW 2005, 2463; BaRo/Schmidt-Räntsch § 14 Rn 16; aA Koblenz, MMR 2006, 236 [m Anm Mankowski], das aufgrund der fehlenden Transparenz eine Beweislastumkehr zulasten des Verkäufers fordert; weitere Kriterien bei Schmittmann VuR 2006, 223, 224f; jegliche Beweislasterleicherungen abl LG Hof VuR 2004, 109f mit krit Anm Mankowski VuR 2004, 79ff). cc) Ob eine gewerbliche Tätigkeit Gewinnerzielungsabsicht oder Entgeltlichkeit voraussetzt, wird 12 im Handelsrecht im Zusammenhang mit der Einordnung öffentlich-rechtl Unternehmen diskutiert (K Schmidt, HandelsR § 9 IV 2d). Es spricht jedoch nichts dafür, Anbieter ohne Gewinnerzielungsabsicht weitergehend als solche mit Gewinnerzielungsabsicht zu schützen, so dass im Verbraucherschutzrecht Entgeltlichkeit für die Annahme unternehmerischer Tätigkeit ausreicht (jedenfalls für das Verbraucherkreditrecht und den Verbrauchsgüterkauf BGH NJW 2006, 2250; Düsseldorf ZGS 2004, 394; BaRo/Schmidt-Räntsch Rn 8; MüKo/Micklitz Rn 22ff; Staud//Habermann Rn 34). I. Saenger

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§ 14

Allgemeiner Teil

Personen

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dd) Hins der Beteiligung am allg wirtschaftlichen Verkehr wird überwiegend auf das Auftreten am Markt abgestellt (Ulmer/Brandner/Hensen § 24 AGBG Rn 10; Wolf/Horn/Lindacher § 24 Rn 6a; von Westphalen/Emmerich/von Rottenburg § 1 VerbrKrG Rn 11). Nach richtiger Ansicht muss die Tätigkeit sich jedoch nicht als Tätigkeit am Markt im Wettbewerb mit anderen Unternehmen darstellen (MüKo/Micklitz Rn 25). Im Gegensatz zum Handelsrecht, das der Rechtsklarheit, Publizität und dem Vertrauensschutz dient, bezwecken Verbraucherschutzgesetze den Ausgleich vermuteten wirtschaftlichen Ungleichgewichts. Dies hängt aber nicht vom Auftreten des Unternehmers im Einzelfall ab, weshalb auf dieses Kriterium verzichtet werden kann. Zur Abgrenzung der gewerblichen Tätigkeit zur privaten Vermögensverwaltung, s § 13 Rn 14. Keine Unternehmer sind mangels eines wirtschaftlichen Ungleichgewichts sog Scheinunternehmer, die bei Vertragsschluss den Rechtsschein unternehmerischen Handelns erwecken, in Wirklichkeit aber zu privaten Zwecken tätig werden (aA Ulmer/Brandner/Hensen § 24 AGBG Rn 10; Wolf/Horn/Lindacher § 24 AGBG Rn 7). Bei arglistiger Vorgabe der Unternehmereigenschaft kann es ihnen aber verwehrt sein, sich auf den Verbraucherschutz zu berufen (vgl § 13 Rn 9). Ein Strohmann, der auf Grundlage einer wirksamen Abrede für einen Unternehmer tätig wird, ist hingegen kein Verbraucher (BGH NJW 2002, 2030). Auf eine öffentlich-rechtl Erlaubnis der Tätigkeit kommt es iÜ nicht an (BT-Drucks 14/8444, 24; MüKo/Micklitz Rn 26).

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ee) Auch Existenzgründer gelten grds als Unternehmer (BGH NJW 2005, 1273; im Einz § 13 Rn 16). Diese können nur ausnahmsweise aufgrund besonderer Regelung – wie im Verbraucherdarlehensrecht § 507 – Verbrauchern gleichgestellt sein. Ihrer Qualifizierung als Unternehmer steht auch nicht die Formulierung von Abs I entgegen. Soweit dort darauf abgestellt wird, dass der Unternehmer „in Ausübung“ der gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt, ließe sich dies zwar auch dahingehend auslegen, dass es erst dann angemessen ist, eine Person mit den für Unternehmer geltenden Rechtsfolgen zu belasten, wenn sie eine gewisse Geschäftskompetenz erreicht hat (MüKo/ Micklitz Rn 27). Diese Wendung soll indes nur verdeutlichen, dass der Vertragsabschluss mit der gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit in einem sachlichen Zusammenhang stehen muss (Staud/Habermann Rn 45; Ulmer/Brandner/Hensen § 24 AGBG Rn 15).

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b) Eine selbständige berufliche Tätigkeit üben Angehörige der freien Berufe aus, die traditionell kein Gewerbe betreiben. Wie die gewerbliche Tätigkeit muss auch die selbständige berufliche Tätigkeit planvoll, auf gewisse Dauer ausgerichtet und entgeltlich sein (MüKo/Micklitz Rn 20, 30ff). Das Merkmal „selbständig“ dient der Abgrenzung von der unselbständigen Arbeit. Bei der Beurteilung kann § 84 I S 2 HGB herangezogen werden (Staud/Kessal-Wulf § 491 Rn 36), wonach Selbständigkeit vorliegt, wenn es die berufliche Tätigkeit dem Handelnden erlaubt, seine Tätigkeit im Wesentlichen frei zu gestalten und die Arbeitszeit frei zu bestimmen. Die Geschäftsführung einer GmbH durch einen Gesellschafter wird nach hM nicht als selbständige, sondern als angestellte berufliche Tätigkeit angesehen (BGH NJW 2006, 431, 432; NJW 2004, 3039, 3040; 133, 71, 78 = NJW 1996, 2156; Brandenburg NJ 2006, 274 m Anm Mayer/Müller; BAG NZA 2010, 939; aA Oldenburg WM 2000, 1935, 1939). Dies gilt nicht nur für Verträge mit Drittunternehmen, sondern auch für das Verhältnis des Fremdgeschäftsführers zur GmbH, für die er als Organ auftreten soll (Hümmerich NZA 2006, 709, 711). Anders ist die Rechtslage für einen Gesellschaftergeschäftsführer, der mehrheitlich oder mit einer Sperrminorität an der Gesellschaft beteiligt ist. Bei dem Anstellungsverhältnis zw ihm und der Gesellschaft ist er aufgrund seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit nicht als Verbraucher anzusehen (BAG NZA 2010, 939; Hümmerich NZA 2006, 709, 711). Arbeitnehmerähnliche Personen, die zwar nicht formal-rechtlich, aber wirtschaftlich und faktisch abhängig sind, sind ebenso schutzbedürftig wie Arbeitnehmer, so dass sie keine selbständige berufliche Tätigkeit iSv § 14 ausüben, sondern als Verbraucher zu qualifizieren sind (Bülow/Artz § 491 Rn 69; Artz, Der Verbraucher als Kreditnehmer [2001], 162, 165; Bülow, FS Derleder, 27, 32; MüKo/Ulmer § 491 Rn 29). Das gilt allerdings nur für ihre Rolle als Nachfrager, nicht jedoch für eine Anbietertätigkeit. Scheinselbständige, also Erwerbstätige, die vertraglich als Selbständige behandelt werden, jedoch faktisch wie abhängig Beschäftigte arbeiten (BT-Drucks 13/6549, 5), sind als solche zu behandeln und somit Verbraucher (Bülow § 491 Rn 70; ders, FS Derleder, 27ff; Schmidt, JuS 2006, 1, 3; ausf Debald, Scheinselbständige – Verbraucher iSd § 13 BGB? [2005]). Bezieher eines Existenzgründerzuschusses nach § 421 I 1 SGB II (sog Ich-AG) sind bei Rechtsgeschäften mit ihren Kunden Unternehmer (BaRo/Schmidt-Räntsch Rn 11; Bülow FS Derleder, 27, 35). Denn der Existenzgründerzuschuss wird nur für die wirklich selbständige berufliche Tätigkeit gewährt (Bülow FS Derleder, 27, 34).

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Die selbständige berufliche Tätigkeit ist somit der Oberbegriff, der die gewerbliche Tätigkeit umfasst und darüber hinaus die freien Berufe sowie andere nach dem Gesamtbild selbständig beruflich Tätige einbezieht (ähnlich MüKo/Micklitz Rn 20, 30ff; Wolf/Horn/Lindacher § 24 AGBG Rn 6b). Teilw wird auch auf eine genaue Unterscheidung der Begriffe gewerblich und selbständig beruflich ganz verzichtet (Staud/Kessal-Wulf § 491 Rn 3ff; Bülow § 491 Rn 46).

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c) Zweifelhaft ist, ob in entspr Anwendung von § 344 HGB eine Vermutung für einen sachlichen Zusammenhang zw Vertragsabschluss und gewerblicher bzw selbständiger beruflicher Tätigkeit spricht. ZT wird die Ansicht vertreten, aus § 344 HGB sei ein allg Rechtsgedanke abzuleiten, wonach Rechtsgeschäfte nat Pers, die einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit nachgehen, im Zweifel als in Ausübung der Erwerbstätigkeit geschlossen gelten (BaRo/Schmidt-Räntsch Rn 14; Jauernig/Jauernig Rn 2; Pal/Heinrichs Rn 2; Ulmer/Brandner/Hensen § 24 AGBG Rn 15; Mankowski VuR 2004, 79, 80f; diff Weyer WM 2005, 490, 500f, wonach sich die Vermutung des § 344 I HGB nur im Einzelfall mit zusätzlichen Vertrauensschutzerwägungen begründen lasse). §§ 13, 14 bezwecken aber den Ausgleich vermuteter wirtschaftlicher Ungleichheit und sind damit im Unterschied zu 114

I. Saenger

Juristische Personen

Vor § 21

den handelsrechtlichen Regelungen gerade nicht auf Publizität und Vertrauensschutz gerichtet. Deshalb ist keine vergleichbare Interessenlage gegeben und scheidet eine analoge Anwendung von § 344 HGB aus (MüKo/Micklitz Rn 34f). Dessen Anwendbarkeit würde zudem die Beweislastverteilung zulasten des privat handelnden Unternehmers verschlechtern (Staud/Habermann Rn 70, der eine Indizierung des Unternehmerhandelns bei objektivem Bezug zur Geschäftstätigkeit als weniger einschneidende Maßnahme vorschlägt; Herresthal JZ 2006, 695, 699; für § 24 AGBG Pfeiffer NJW 1999, 169, 173; aA Preis ZHR 158 [1994], 567, 602, der darauf abstellt, dass zugleich der Verbraucher als Vertragspartner des – privat handelnden – Unternehmers entlastet werde). Zur Beweiserleichterung im Rahmen von Online-Auktionen s Rn 11. d) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ermittlung der Zweckbindung ist die Vornahme des Rechts- 18 geschäftes, also bei Verträgen der Vertragsschluss (noch zu § 1 VerbrKrG: Hamm WM 2001, 2339, 2340 = BKR 2002, 93; Hk/Dörner Rn 2). Eine nachträgliche Umwidmung des Zwecks ist nicht möglich. Bei der Ermittlung der Zweckbindung entscheidet nicht der Wille des Handelnden, sondern der objektive, durch Auslegung zu ermittelnde Inhalt des Rechtsgeschäfts (BGH NJW 2009, 3780, 3781; NJW 2005, 1273; Düsseldorf ZGS 2006, 119, 120; Bremen ZGS 2004, 394f). Nur so lässt sich die Schutzbedürftigkeit des Handelnden bestimmen, ohne es seiner Willkür zu überlassen, ob er den Schutz der Verbraucherregelungen in Anspruch nehmen möchte (BaRo/Schmidt-Räntsch Rn 14; Staud/Weick, § 13 Rn 42). Auslegungskriterien sind der Inhalt des Vertrags sowie die Begleitumstände. Hierzu § 13 Rn 19. III. Sachlicher Anwendungsbereich. Auch § 14 erfasst von seinem sachlichen Anwendungsbereich 19 her nur den Abschluss von Rechtsgeschäften (dazu § 13 Rn 21f) zw Unternehmern und Verbrauchern. Auf beidseitige Unternehmergeschäfte ist die Vorschrift nicht anwendbar.

15–20

(weggefallen)

Titel 2 Juristische Personen Untertitel 1 Vereine Kapitel 1 Allgemeine Vorschriften Vorbemerkung Schrifttum: Bartodziej, Ansprüche auf Mitgliedschaft in Vereinen und Verbänden, ZGR 1991, 517; Brand, Die Mitgliederhaftung in nicht eingetragenen Idealvereinen, AcP 208, 490; Buck, Wissen und juristische Person, 2000; Dieckmann, Zur Schadensersatzpflicht der offenen Handelsgesellschaft und deren Gesellschafter, wenn ein nicht (allein-)vertretungsberechtigter Gesellschafter gegen die Vertretungsordnung der Gesellschaft verstößt, WM 1987, 1473; Drobnig/Remien/Becker, Verschmelzung und Koordinierung von Verbänden, 1991; Flume, Die Vereinsstrafe, in FS für Bötticher, 1969, 101; Grunewald, Der Ausschluss aus Gesellschaft und Verein, 1987; Grunewald, Vereinsaufnahme und Kontrahierungszwang, AcP 182 (1982), 181; Grunewald/Hennrichs, Haftungsrisiken der Vorstandsmitglieder insolvenzgefährdeter Vereine, FS für Hopt, 2010, 93; Habscheid, Der nichtrechtsfähige Verein zwischen juristischer Person und Gesellschaft, AcP 155 (1955), 375; Hadding, Modernisierung des Vereinsrechts – zum Gesetzesentwurf des Landes Baden-Württemberg, FS für Reuter, 2010, 93; Hadding/van Look, Zur Ausschließung aus Vereinen des bürgerlichen Rechts, ZGR 1988, 270; Häuser/van Look, Zur Änderung des Zwecks beim eingetragenen Verein, ZIP 1986, 749; Hassold, Die Lehre vom Organisationsverschulden, JuS 1982, 583; Heckelmann, Der Idealverein als Unternehmer?, AcP 179 (1979), 1; Hemmerich, Die Ausgliederung bei Idealvereinen, BB 191983, 26; Hemmerich, Möglichkeiten und Grenzen wirtschaftlicher Betätigung von Idealvereinen, 1981; John, Die organisierte Rechtsperson, 1977; John, Personenrecht und Verbandsrecht im Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Rechts – Werner Flumes Buch über „Die jur Pers“, AcP 185 (1985), 209; Kirberger, Zur Vertretung des eingetragenen Vereins bei mehrgliedrigem Vereinsvorstand, Rpfleger 1975, 277; Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997; Knauth, Die Ermittlung des Hauptzwecks bei eingetragenen Vereinen, JZ 1978, 339; Larenz, Zur Rechtmäßigkeit einer „Vereinsstrafe“, in Gedächtnisschrift für Rolf Dietz, 1973, S 45; Lehmann, Der Begriff der Rechtsfähigkeit, AcP 207, 225ff; Leipold, Richterliche Kontrolle vereinsrechtlicher Disziplinarmaßnahmen, ZGR 1985, 113; van Look, Vereinsstrafen als Vertragsstrafen, 1990; Lutter, Theorie der Mitgliedschaft, AcP 180, 84; Martinek, Repräsentantenhaftung, 1979; Meyer, Haftungsprivilegien bei Idealverbänden ohne Rechtspersönlichkeit?, ZGR 2008, 702; Müller/Freienfels, Die Lehre vom so genannten „Durchgriff“ bei juristischen Personen im Privatrecht, AcP 156 (1956), 525; Nicklisch, Inhaltskontrolle von Verbandsnormen, 1982; Nitschke, Die Anwendbarkeit des im § 31 BGB enthaltenen Rechtsgedankens auf alle Unternehmensträger, NJW 1969, 1737; Orth, Entlastung ehrenamtlicher Vereinsvorstände durch § 31a BGB, SpuRt 2010, 2; Reichert/Dannecker/Kühr, Handbuch des Verbandsrechts, 12. Aufl 2010; Reuter, Die Änderung des Vereinszwecks, ZGR 1987, 475; Reuter, Die Verbände in der Privatrechtsordnung, in 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, Band II, S 211ff; Reuter, Das Verhältnis der Ver-

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Vor § 21

Allgemeiner Teil

Personen

einsklassenabgrenzung zu den Grenzen wirtschaftlicher Betätigung nach Gemeinnützigkeitsrecht, NZG 2008, 881; Reuter, (Keine) Durchgriffshaftung der Vereinsmitglieder wegen Rechtsformverfehlung, NZG 2008, 650; Reuter, Keine Vorstandshaftung für masseschmälernde Leistungen nach Eintritt der Insolvenzreife des Vereins?, NZG 2010, 808; Reuter, Der Verein im Verein, FS Hopt, 2010, 195; Reuter, Probleme der Mitgliedschaft beim Idealverein, ZHR 145 (1981), 273; Reuter, Zur Vereinsrechtsreform 2009, NZG 2009, 1368; Rieble, Die Vereinsverschmelzung, JZ 1991, 658; Sack, Der „vollkaufmännische Idealverein“, ZGR 1974, 179; Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 6. Aufl 1998; Schäfer, Der Verzicht auf die Rechtsfähigkeit des eingetragenen Vereins, RNotZ 2008, 22; Schlosser, Vereins- und Verbandsgerichtsbarkeit, 1972; K. Schmidt, Die Abgrenzung der beiden Vereinsklassen, Rpfleger 1972, 286, 342; K. Schmidt, Anfechtung von Versammlungsbeschlüssen in gegliederten Vereinen, FS für Reuter, 2010, 345; K. Schmidt, Der bürgerlich-rechtliche Verein mit wirtschaftlicher Tätigkeit, AcP 182 (1982), 1; K. Schmidt, Zum Haftungsdurchgriff wegen Sphärenvermischung und zur Haftungsverfassung im GmbH-Konzern, BB 1985, 2074; K. Schmidt, Die Partei- und Grundbuchunfähigkeit nichtrechtsfähiger Vereine, NJW 1984, 2249; K. Schmidt, Der Subsidiaritätsgrundsatz im vereinsrechtlichen Konzessionssystem, NJW 1979, 2239; K. Schmidt, Eintragungsfähige und eintragungsunfähige Vereine, Rpfleger 1988, 45; K. Schmidt, Wirtschaftliche Betätigung und Idealverein: Überschreitung des „Non-Profit“-Privilegs, ZIP 2007, 605; K. Schmidt, Ultra-vires-Doktrin: tot oder lebendig?, AcP 184 (1984), 529; K. Schmidt, Verbandszweck und Rechtsfähigkeit im Vereinsrecht, 1984; Schöpflin, Der nicht rechtsfähige Verein, 2003; Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluss, 1999; Stimpel, Durchgriffshaftung bei der GmbH: Tatbestände, Verlustausgleich, Ausfallhaftung, in FS für Goerdeler, 1987, 601; Stöber, Anmeldung zum Vereinsregister durch den „Vorstand“, Rpfleger 1980, 369; Stöber, Handbuch zum Vereinsrecht, 9. Aufl 2004; Stopper, Die 50+1-Regel im deutschen Profifußball, WRP 2009, 413; Terner, Neues zum Vereinsrecht, NJW 2008, 16; Terner, Vereinsrechtsreform, DNotZ 2010, 5ff; Vieweg, Die gerichtliche Nachprüfung von Vereinsstrafen und -entscheidungen, JZ 1984, 167; Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss im Gesellschaftsrecht, 2000; H. P. Westermann, Organisationsformen für Sportunternehmen – von der Rechtsform des eingetragenen Vereins zur Kapitalgesellschaft, in: Sport und Recht, hrsg. vom Justizministerium Baden-Württemberg, 2001, 42ff; H. P. Westermann, Verbandsautonomie und staatliches Rechtsprechungsmonopol, in Verbandsrecht und staatliche Gerichtsbarkeit, 1988, 41ff; H. P. Westermann, Zur Legitimität der Verbandsgerichtsbarkeit, JZ 1972, 537; H. P. Westermann, Die Verbandsstrafgewalt und das allgemeine Recht, 1972; Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 1981; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band II: Recht der Personengesellschaft, 2004; Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963.

1

1. Die Bedeutung der jur Pers ist groß. Sie bietet die Form, Personen oder Mittel zu einem Zweck zusammenzufassen, wobei der in ihr verbundene Personenkreis idR mehrere Personen umfasst, aber auch auf eine reduziert sein kann. Das ändert nichts daran, dass dass die jur Pers ein von der Person ihrer Mitglieder unabhängiges Rechtssubjekt darstellt. Diese zumindest rechtstechnische Verselbständigung der jur Pers ggü den Mitgliedern hat weittragende Folgen für das Vermögen, die Haftung usw.

2

2. Der Begriff der jur Pers ist als Zusammenfassung von Personen oder Gegenständen zu einer Organisation, der von der Rechtsordnung Rechtsfähigkeit verliehen ist, zu bestimmen. Über das Wesen der jur Pers herrscht Streit; aus der Fülle der Ansichten treten als Gegensätze hervor die römischrechtliche Fiktionstheorie (Savigny, Puchta, Windscheid), nach der die jur Pers nur eine vorgestellte Person (ein gedachter Mensch) ist, die die Bedürfnisse der Rechtstechnik befriedigen soll, und die aus deutschrechtlichen Gedanken entwickelte Theorie der realen Verbandsperson (Beseler, v Gierke), nach der die jur Pers eine Person mit wirklichem Gesamtwillen ist. In neuerer Zeit haben grundlegende Arbeiten, etwa von Flume (AT des Bürgerlichen Rechts, 1. Band, 2. Teil; dazu John AcP 185, 209ff) und John (Die organisierte Rechtsperson 1977) diesen Ansätzen neue Impulse gegeben, während in grundlegend andere Richtung gehende, zT philosophische, zT die rechtssoziologische Dimension zusätzlich betonende Untersuchungen (Rittner, Die werdende jur Pers, 1973; Ott, Recht und Realität der Unternehmenskorporation, 1977; zu beiden krit MüKo/Reuter Vor § 21 Rn 5) sich von der Betrachtungsweise des geschriebenen Rechts weitgehend lösen, aber nicht daran vorbeikommen, dass es sich immer um ein Sondervermögen der am Verband beteiligten Personen handelt. Somit besteht heute weitgehend Einigkeit über das Verständnis der juristischen Persönlichkeit als Zweckschöpfung der positiven Rechtsordnung (Wiedemann WM 1975, Beil. 4; BaRo/Schwarz/Schöpflin, § 21 Rn 5). Die jur Pers ist keine in der Natur vorgefundene real überindividuelle Einheit, sondern fasst gesetzgeberische Wertungen der Erfordernisse zusammen, bei deren Vorliegen die Rechtsordnung eine Organisation von Personen und/oder Sachen zur Verfolgung eines bestimmten Zwecks von diesen Personen ablöst und ihr eigene rechtliche Identität verleiht, sie zum Zurechnungsendpunkt von Rechten und Pflichten macht (BGH 25, 134, 144; im wiss. Schrifttum besonders John, Die organisierte Rechtsperson, 74ff; MüKo/Reuter Rn 2) und die Haftungsbeschränkung der in ihr zusammengeschlossenen nat Pers ermöglicht (nicht zugleich: in den Einzelheiten festlegt). Man spricht auch vom rechtstechnischen Verständnis der jur Pers (Wiedemann, Gesellschaftsrecht, 196f; K. Schmidt, Verbandszweck, 3ff). Die Gesetze geben daher nicht schlechthin der jur Pers, sondern jeweils bestimmten und bestimmte Arten von Zwecken verfolgenden Personenverbänden eine Rahmenordnung für ihre Verfassung, ihre „Identitätsausstattung“ (John). Das bedeutet auch ein Konzept der Haftung für die bei der Verfolgung ihres Zwecks entstehenden rechtsgeschäftlichen und deliktischen Verbindlichkeiten. IdS besteht ein Zusammenhang von Verbandszweck und Rechtsfähigkeit (K. Schmidt, Verbandszweck, 28; dazu auch Reuter ZHR 151, 237, 239), indem zwar nicht die Möglichkeit, Zurechnungsendpunkt von Rechten und Pflichten zu sein, wohl aber die vom Gesetz gegebene Rahmenverfassung für Zweckverfolgung und Schuldenhaftung auf bestimmte Typen von – im Rechtsleben vorgefundenen – Zwecken zugeschnitten ist. Wo dieser privatrechtliche Zusammenhang vom Gesetz falsch gesehen ist (etwa bei § 54) oder sich in der Tatsachenwelt anders entwickelt hat (Überschneidungen zw „personalistischen“ und „körperschaftlichen“ Verbandstypen), hat es Abweichungen von Rechtsform (juristische Persönlichkeit oder Gesamthandsgemeinschaft) und Typus des Personenverbandes gegeben. Die privatrechtlichen Personenverbände müssen sich aber, wenn 116

H. P. Westermann

Juristische Personen

Vor § 21

sie am Rechtsverkehr teilnehmen wollen, an die vom Gesetz vorgesehenen Rechtsformen halten, die allerdings, von der AG abgesehen, verhältnismäßig großen Gestaltungsspielraum gewähren. Soweit juristische Persönlichkeit (zu unterscheiden von der Rechtsfähigkeit eines Gebildes wie der GbR oder der Wohnungseigentümergemeinschaft, dazu näher Rn 8) angestrebt wird, bedarf es nach dem in Deutschland herrschenden System der Normativbestimmungen einer Registereintragung, auf die bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen ein Anspruch besteht; im Eintragungsverfahren findet dann eine Kontrolle durch das Registergericht auf die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen statt. Diese Eintragung wirkt dann konstitutiv. 3. Besteht die eigene juristische Persönlichkeit danach in der materiellen und formellen Trennung 3 der Zuständigkeiten von Personenverband und Mitgliedern, so entspricht es dem Ansatz bei der wertungsgebundenen Zweckschöpfung, dass ausnahmsweise der Sinn einzelner gesetzlicher Institutionen, soweit es Rechtsbeziehungen der jur Pers betrifft, eine Berücksichtigung der Verhältnisse der Mitglieder oder gar eine Gleichstellung der jur Pers mit ihren Mitgliedern erfordern kann. Dies ist der Kern des Problems des sog Durchgriffs durch die jur Pers, das sich als Frage der richtigen Normanwendung darstellt (Müller-Freienfels AcP 156, 525; Coing NJW 1977, 1793; E. Rebinder, Konzernaußenrecht und allg Privatrecht 1969, 109; ders FS R. Fischer, 579ff; zust Soergel/Hadding Vor § 21 Rn 39; krit MüKo/Reuter Rn 22; gänzlich abl Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der jur Pers 1981 S 11ff, 185). Allerdings werden mit dem zwar plastischen, aber wenig fassbaren Ausdruck „Durchgriff“ im Einz sehr verschiedene normative Überlegungen bezeichnet. Dabei ist grds danach zu unterscheiden, ob bei der Auslegung von Normen oder Rechtsgeschäften, die sich auf die Rechtsverhältnisse einer jur Pers beziehen, auf die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse der Mitglieder oder der einzigen Trägerperson abzustellen ist, oder ob bei einer Entscheidung über die Inhaberschaft an Rechten bzw die Schuldnerschaft bzgl einer Verbindlichkeit die formale Verselbständigung der jur Pers beiseite geschoben wird. Die erste Fallgruppe umfasst ihrerseits heterogene Fälle der Zurechnung von Kenntnissen eines 4 Alleingesellschafters zum Wissen der jur Pers (MüKo/Reuter Rn 27; zT weitergehend Wilhelm aaO, 47ff), die nicht mit der Frage der Zurechnung des Wissens von Organpersonen zur jur Pers verwechselt werden darf (dazu grundlegend Buck, Wissen und jur Pers, 2000, S. 194ff), oder die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch nach Maßgabe der Vermögensverhältnisse der am Prozess „wirtschaftlich beteiligten“ Trägerperson, § 116 I Nr 2 ZPO; BGH NJW 1986, 2058. Gesellschaftsrechtliche Stimmverbote können für ein Organmitglied auch dann eingreifen, wenn es einer jur Pers zuzurechnen ist, deren Beziehungen zu der Gesellschaft oder dem Verein bei der Abstimmung in Rede stehen, BGH NJW 1977, 850. Zur Frage der Gleichstellung der jur Pers mit den zu ihr gehörigen nat Pers für § 892 s § 892 Rn 12. Zur zweiten Gruppe gehören zum einen die Fälle des sog Haftungsdurchgriffs, bei dem es darum 5 geht, dass für die Verbindlichkeiten einer jur Pers deren Mitglieder haften. Hierbei ist mit der Rspr (BGH 20, 4; 29, 385, 392; 45, 204, 208; 54, 221, 224; 78, 318, 333; 95, 330; 125, 386) davon auszugehen, dass erhebliche Anforderungen an einen Tatbestand zu stellen sind, der dazu berechtigt, ausnahmsweise die aus der Selbständigkeit der jur Pers folgende Trennung von Vermögenssphären zu überwinden. Das galt sogar für die Einmann-Gesellschaft (BGH 22, 226, 234). Eine derartige Durchgriffslehre ist theoretisch unproblematisch, wenn dem Gesellschafter nachgewiesen werden kann, dass er seinen Einfluss auf die jur Pers oder überhaupt die Trennung der Vermögenssphären bewusst zum Nachteil der Vertragspartner der jur Pers eingesetzt hat (§ 826, dazu H. P. Westermann Jura 1980, 532 zu BGH NJW 1979, 2104; Oldenburg NZG 2000, 555 m Anm Emmerich; Jena EWiR § 823 BGB 2/02 mit Kurzkomm Meyke; BGH WM 2001, 2068, wo betont wird, dass die Haftung aus § 826 nicht an die Voraussetzungen der Durchgriffslehre gebunden ist). Zu § 826 ferner Timm/Geuting ZIP 1992, 821, 824. In Fällen der Durchgriffshaftung gilt auch § 93 InsO (BGH ZIP 2006, 467). Bisweilen wird auch die Berufung auf die rechtliche Selbständigkeit der jur Pers (und die daraus folgende Haftungsbeschränkung) als rechtsmissbräuchlich zurückgewiesen (BaRo/Schwarz/Schöpflin, Rn 18), wobei Rechtsscheinsgesichtspunkte hinzutreten, wenn das Mitglied ständig seine wirtschaftliche Identität mit der jur Pers betont hat (BGH WM 1960, 1119). Zu einem Haftungsdurchgriff kann es auch ohne die strengen subjektiven Anforderungen des § 826 kommen, wenn den Mitgliedern oder Gesellschaftern eine Vermischung der Vermögenssphären von jur Pers und Trägerpersonen, durch die eine Gläubigergefährdung eintritt, zugerechnet werden kann (zurückhaltend noch BGH DB 1958, 169; s aber Nürnberg WM 1955, 1566; BGH 68, 312, 315; 95, 330; 165, 85; BSG AG 1995, 279; H. P. Westermann, Die AG 1985, 201ff; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, 224; krit Wilhelm aaO, 293ff). BGH 125, 366 denkt dabei an eine Haftung nur derjenigen Mitglieder, die kraft ihres Einflusses auf die jur Pers für die Vermögensvermischung verantwortlich sind. Gegen einen Minderheitsgesellschafter wird somit eine Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung nicht in Betracht kommen; dazu auch K. Schmidt ZIP 1994, 837. Ein Durchgriffsfall kann andererseits gerechtfertigt sein, wenn eine Vermögensvermischung den besonders im Kapitalgesellschaftsrecht streng durchgeführten Schutz des Gesellschaftsvermögens vor Verschiebungen zugunsten der Gesellschafter erschwert und bestehende Ansprüche aus §§ 30ff GmbHG die Vermögensvermischungen nicht mehr effektiv korrigieren können (K. Schmidt BB 1985, 2074ff; Stimpel FS Goerdeler, 601ff). Hauptsächlich im GmbH-Recht wird auch diskutiert, ob die schwere und für die Gesellschafter erkennbare materielle Unterkapitalisierung der Gesellschaft zum Durchgriff berechtigt, näher Scholz/Emmerich § 13 GmbHG Rn 81ff. Hier wird die Möglichkeit eines echten Haftungsdurchgriffs jedenfalls im Schrifttum verbreitet angenommen (Wiedemann, Gesellschaftsrecht, 570ff; Ulmer FS Duden, 661ff). Der BGH hat dies bei Handelsgesellschaften bisher abgelehnt (BGH 68, 312; WM 2001, 2070; s aber auch BGH NJW 1977, 1683 und dazu krit Emmerich NJW 1977, 2163; in der Rspr Rostock DB 1996, 1818; zurückhaltend nach früher weitergehender Praxis H. P. Westermann

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BSG GmbHR 1996, 604; DB 1996, 1475). Anders in Fällen, die genügend Anhaltspunkte für ein treuwidriges Vorschieben der jur Pers bieten (BGH 54, 222 für die Pächter eines vermögenslosen Vereins; für eine Lösung dieses Falls über eine Vertragsauslegung E. Rebinder FS Fischer, 602). 6

Zur Begründung eines Haftungsdurchgriffs auf die Mitglieder jur Pers hat es eine Reihe von rechtsfortbildenden Ansätzen gegeben, namentlich in Bezug auf die GmbH und hier besonders den GmbHKonzern, wobei die Entscheidungspraxis zeitweise von der Figur des qualifizierten faktischen Konzerns bestimmt wurde (BGH 95, 333 – Autokran; 107, 7, 17 – Tiefbau; 115, 187 – Video). Diese Figur ist später zugunsten der gesellschaftsrechtlichen Missbrauchshaftung wegen existenzvernichtender Eingriffe aufgegeben worden, die Fälle einer Übertragung von Gesellschaftsvermögen auf die handelnden Personen betraf, derentwegen die Berufung der Verantwortlichen auf die kapitalgesellschaftsrechtliche Haftungsbeschränkung als missbräuchlich angesehen wurde (BGH 151, 181; BGH NZG 2005, 177 u. 214; grundlegend Röhricht, FS BGH Bd I, 2000, 82ff; Ulmer JZ 2002, 1049; H.P. Westermann NZG 2002, 1129). Inzwischen hat aber der BGH die Konstruktion des Missbrauchs der Haftungsbeschränkung durch existenzvernichtenden Eingriff verlassen und wendet § 826 an, aus dem eine Innenhaftung der GmbH folge, BGH 133, 246 = ZIP 2007, 1552 und dazu Paefgen, DB 2007, 1907; für das Vereinsrecht kommt diese Sichtweise nicht mehr in Betracht, BGH NZG 2008, 670, 673. Es handelt sich um einen Systemwechsel, der besonders wegen der für die Gläubiger mühsamen Befriedigung kritisiert wird (Dauner-Lieb, ZGR 2008, 34ff; Altmeppen ZIP 2007, 2657; J. Vetter BB 2007, 1965). Für das Vereinsrecht bejaht der BGH nach seiner zum Kolping-Werk-Fall ergangenen Grundsatzentscheidung BGH 175, 12 = ZIP 2008, 364 am Rande eine Haftung aus § 826, wenn sich Mitglieder aus dem zweckgebundenen Vermögen der jur Pers selbst bedienen. IÜ aber wurde in diesem, einen aufsehenerregenden Spruch des OLG Dresden (ZIP 2005, 1680; abl schon K. Schmidt ZIP 2005, 168) korrigierenden Urt die Möglichkeit einer Durchgriffshaftung der Vereinsmitglieder für die Verbindlichkeiten eines Vereins, der sich als Spitze einer Gruppe von Vereinen mit gleicher Zielsetzung außerhalb seines satzungsmäßigen Zwecks in bedeutendem Umfang wirtschaftlich betätigt hat, abgelehnt, weil eine Durchbrechung des Prinzips der Trennung der jur Pers von den hinter ihr stehenden Personen auf Ausnahmefälle einer missbräuchlichen Ausnutzung beschränkt werden müsse (zust insoweit K. Schmidt ZIP 2007, 605). Als Tatbestände dieser Art werden Vermögensverschiebungen im Konzern und die Verschleierung von Bonitätsproblemen genannt, die bloße Überschreitung der Zweckbegrenzung des Idealvereins über das Nebenzweckprivileg (§ 21 Rn 3) hinaus genüge hierfür nicht. Dem Urt ist durchweg zugestimmt worden (Geisler juris PR-BGH ZivilR 7, 2008; Hofmeister ZIP 2009, 161ff; Hüttemann-Meyer LMK 2008, 256400; Hadding/Leuschner WuB II N § 21 BGB 1.08; Seltmann DStR 2008, 1443ff), außerhalb des Haftungsdurchgriffs bleiben aber Fragen. So wird die Annahme des BGH, die Folgen einer durch die Aufnahme eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs zustandegekommenen Rechtsformverfehlung könnten mit den Instrumenten der Amtslöschung und der behördlichen Entziehung der Rechtsfähigkeit (§§ 159, 142 FGG aF, 43 Abs 2 BGB) interessengerecht bewältigt werden, bestr (Reuter NZG 2008, 650ff, der aber einen Schutz des Vereins und seiner Gläubiger durch eine direkte Verantwortlichkeit der in der Rechtsform des Idealvereins einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb entfaltenden Mitglieder angesichts der sonstigen Maßnahmen zur Vermögensbindung nicht für erforderlich hält). Auch wird darauf hingewiesen (K. Schmidt ZIP 2007, 605ff), dass ein Konzept für eine Konzernhaftung in einer Vereinsgruppe von Verein zu Verein zu entwickeln sei; die Sanktionen gegen unberechtigt eingetragene Vereine könnten deartiges in der Tat nicht ersetzen.

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Andere Erwägungen beherrschen den sog gesellschafterfreundlichen Durchgriff, mit dem einem Alleingesellschafter, etwa einer GmbH, gestattet wird, wegen der Schädigung des Gesellschaftsvermögens einen eigenen Schadensersatzanspruch geltend zu machen (BGH NJW 1977, 1283 m Anm Hüffer; BGH ZIP 1989, 98; s auch John JZ 1979, 511; in Ansätzen s auch BGH 61, 380). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich im entschiedenen Fall um die Körperverletzung des Alleingesellschafter-Geschäftsführers handelte, die bei der Gesellschaft den Verlust von Geschäftsgewinn verursacht hatte; somit konnte der BGH sagen, er berücksichtige bei der Bemessung des dem Gesellschafter entstandenen Schadens den Umstand, dass das Gesellschaftsvermögen ein in besonderer Form verwalteter Teil des Gesellschaftervermögens ist. Um einen umgekehrten Durchgriffsfall handelt es sich hierbei nicht (K. Schmidt GmbHR 1974, 180; Roll NJW 1974, 493; Reinelt BB 1976, 1146), sondern um eine Modifikation des schadensrechtlichen Grundsatzes der Beschränkung der Ersatzpflicht nur auf die Schädigung des unmittelbar Verletzten. Ersatzleistungen müssen in das Vermögen der Gesellschaft fließen (BGH NJW 1977, 138), insoweit zust Hüffer aaO. Später (ZIP 1989, 98ff) hat der BGH aber dem Alleingesellschafter einer US-amerikanischen Gesellschaft, der in Deutschland zu Unrecht inhaftiert worden war, gestattet, den seiner Gesellschaft durch seine Aktionsunfähigkeit entstandenen Schaden geltend zu machen und Zahlung an sich zu verlangen, ohne darlegen zu müssen, dass seine Geschäftsanteile an Wert verloren hätten; zum Ganzen Kowalski, Der Ersatz von Gesellschaftsund Gesellschafterschaden, 1990.

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4. Die Gesamthandsverhältnisse (Gesellschaft der §§ 705ff und §§ 105ff, 161ff HGB, eheliche Gütergemeinschaft, § 1416, Erbengemeinschaft, § 2032) sind ähnlich wie die Rechtsfigur der jur Pers Zweckschöpfung der Gesetze zur Verselbständigung von Organisationseinheiten von der Person ihrer Träger. Sie treiben jedoch diese Ablösung nicht so weit voran wie die jur Pers (ebenso im Prinzip Wiedemann, Gesellschaftsrecht, 248ff). Vieles spricht dafür, die in den Personengesellschaften, nicht auch in den anderen Gesamthandsgemeinschaften, erreichte Konzentration eines großen Teils der Rechtsbeziehungen auf die insoweit als Einheit angesehene Personengruppe als eigene Rechtssubjektivität aufzufassen. Dies ist nach der Entwicklung der höchstrichterlichen Rspr, die in den Urt BGH 142, 315; 146, 341; ZIP 2002, 613 zu einem vorläufigen Ende geführt worden ist (dazu Ulmer ZIP 118

H. P. Westermann

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2001, 585; K. Schmidt NJW 2001, 993; Wiedemann JZ 2001, 661; Habersack BB 2001, 477; Hadding ZGR 2001, 712; H. P. Westermann, Hdb der Personengesellschaften Teil I Rn 840ff), grds anzunehmen, obwohl die Frage aufgetreten ist, ob die Vorstellung von der gemeinsamen Rechtsinhaberschaft der Gesamthänder sich neben der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft noch aufrecht erhalten lässt (s die Schlussanträge der Generalanwältin der EG, ZIP 2009, 1907); dies ist hauptsächlich anhand der Grundbuchfähigkeit der GbR zu diskutieren (§ 705 Rn 72). Die rechtliche Konstruktion der Gesamthandsgemeinschaft als vermögensrechtliche Folge des Personenzusammenschlusses (näher Vor § 705 Rn 10ff, § 718 Rn 1ff) wird dadurch ebenso in ein neues Licht gerückt wie die stark in Richtung auf die Rechtslage bei der OHG entwickelte Haftungsverfassung der GbR (dazu § 714 Rn 10ff). Somit bleibt es auch bei einigen weiteren, die Gesamthand von der jur Pers unterscheidenden Besonderheiten: kein Teilungsanspruch, Unmöglichkeit einer Verfügung über den Anteil an den einzelnen Gegenständen des Gesellschaftsvermögens, nur bei der Erbengemeinschaft Verfügung über den Anteil im Ganzen, entspr Einschränkung des Gläubigerzugriffs (zu den Unterschieden auch Zöllner FS Kraft, 1998, S 701, 707). 5. Die schlichte Rechtsgemeinschaft, §§ 741ff, ist gekennzeichnet durch den Anspruch auf jederzei- 9 tige Auseinandersetzung und das Recht jedes Teilhabers, über seinen Anteil an dem gemeinsamen Gegenstand zu verfügen, dies bei Gemeinsamkeit der Verwaltung (zur Annäherung der Bruchteilsgemeinschaft an das Gesamthandsverhältnis vgl Schulze-Osterloh, Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung 1972, 131ff). Durch vertragliche Ausgestaltung kann aber im Innenverhältnis eine allerdings nur schuldrechtlich wirkende, gesellschaftsähnliche Bindung der Beteiligten geschaffen werden, die die schon aus der gesetzlichen Gemeinschaftlichkeit der Verwaltung folgenden persönlichen Beziehungen der Beteiligten zueinander verstärkt, ohne dass eine nach außen wirkende Gemeinschaftsform entsteht. Zumeist ist die positiv-rechtliche Regelung genau genug, um dogmatische Einordnungen nicht allein entscheidungserheblich sein zu lassen. 6. Der Umfang der Rechtsfähigkeit der jur Pers ist nicht etwa auf die zu ihrer Zweckerfüllung nöti- 10 gen Rechte und Pflichten und auch nicht auf vermögensmäßige Geschäfte begrenzt, sondern erstreckt sich auf alle Rechte, die nicht die menschliche Natur ihres Trägers voraussetzen, BVerfG 95, 220–243 (MüKo/Reuter Rn 15; AnwK/Heidel/Lochner Rn 4). Auch Namensrechte stehen ihr zu (BGH NJW 1993, 918, 920 zur rechtsgeschäftlichen Verfügung über Namensrechte einer Universität), die jur Pers kann zwar nicht Urheber- oder Erfinderrechte erwerben, wohl aber die aus Immaterialgütern entstehenden Nutzungsrechte. Vgl auch § 50 ZPO, § 11 I InsO. Manche Fähigkeiten werden hier durch positive gesetzliche Entscheidung abgesprochen, so zur Vorstands- oder Geschäftsführerstellung in AG, GmbH und Genossenschaft, ferner zum Vormund, anders zum Liquidator (MüKo/Reuter Rn 19); zum Verein als Stifter Werner, FS für Reuter, 2010, 431. Generell kann daher gesagt werden, dass die ultra-vires-Lehre des anglo-amerikanischen Rechts im deutschen Zivilrecht nicht gilt (K. Schmidt AcP 184, 529; Wiedemann, Gesellschaftsrecht S 813), anders bei jur Pers des öffentlichen Rechts (Koenig WM 1995, 317 zu den Swap-Geschäften von Landesbanken; dagegen aber Schneider/ Busch WM 1995, 320ff). Die jur Pers ist damit erb- und vermächtnisfähig (§§ 2044 II, 2101, 2105f, 2109, 2163). Sie besitzt Rechtsfähigkeit auch im öffentlichen Recht, bzgl landesrechtlicher Erwerbsbeschränkungen vgl Art 86 EGBGB und die landesrechtlichen Ausführungsgesetze. Die Grundrechtsfähigkeit der jur Pers des Privatrechts wird als diejenige ihrer (natürlichen) Trägerpersonen verstanden (BVerfG 59, 231; 68, 193), was auf die Gesamthand ausgedehnt wird (BVerfG 20, 162, 171). Bei der jur Pers des öffentlichen Rechts nimmt dagegen BGH 20, 119 an, Rechtsgeschäfte außerhalb des durch Gesetz oder Satzung bestimmten Wirkungskreises seien unwirksam, ohne dass das auf mangelnde Vertretungsbefugnis des Handelnden (wie es das RG tat, SeuffA 40 Nr 271) gestützt wurde. Das ist als Einbruch der ultra-vires-Lehre kritisiert worden (Fuß DÖV 1956, 566; MüKo/Reuter Rn 14), wird aber vom BVerfG (NJW 1982, 2173) dem Art 19 III GG entnommen, wonach jur Pers die Grundrechte nur zustehen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind, was zB von dem durch bestimmte Grundrechte gewährleisteten Schutz eines ihren Aufgaben entspr Lebensbereichs abhänge und in etwas weiterem Umfang Art 101 I S 2 und Art 103 I GG betreffe (BVerfG 6, 45, 49f; 13, 132, 139; s auch Soergel/Hadding Rn 25). Mit der Formel, Grundrechtsfähigkeit komme einer jur Pers öffentlichen Rechts nur zu, wenn die Bildung und Betätigung der jur Pers Ausdruck freier Entfaltung natürlicher privater Personen ist, wurde die Grundrechtsfähigkeit öffentlicher Sparkassen (im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren) geleugnet (BVerwG NJW 1995, 582), wogegen einem eingetragenen gemeinnützigen Verein das Grundrecht der Berufsfreiheit zustehen kann (BVerwG JZ 1995, 94). Dem eV steht auch das allg Persönlichkeitsrecht zu, zuletzt wieder Brandenburg RNotZ 2007, 343; zum Recht am eigenen Namen München NJW 2002, 611; generell zum Persönlichkeitsschutz jur Pers s den Anh § 12. 7. Arten der jur Pers. Zu unterscheiden sind jur Pers des Privatrechts und des öffentlichen Rechts. 11 Die jur Pers des öffentlichen Rechts ist ein Sammelbegriff für alle selbständigen Träger öffentlicher Verwaltung, die nicht einen integrierenden Bestandteil des öffentlichen Behördensystems bilden. Zur begrifflichen Unterscheidung BGH MDR 1955, 220. Eindeutig ist die Rechtsnatur als jur Pers des öffentlichen Rechts dort, wo – wie neuerdings oft – der Gründungsakt die Art ausdr festlegt oder wo das Gesetz die Schaffung einer jur Pers des öffentlichen Rechts als alleinige Form vorschreibt. Entscheidend für die Abgrenzung ist der Entstehungstatbestand, BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 4. Wo dieser keine klare Auskunft gibt, kommt es darauf an, ob die jur Pers mit öffentlichen Aufgaben betraut, in die Staatsorganisation eingebunden und staatlicher Aufsicht unterworfen ist (BVerfG 66, 1, 9f). Außerdem kann die Behandlung von gleichliegenden Erscheinungen Anhaltspunkte geben. Nach der von BVerfG 102, 370ff (für Religionsgemeinschaften) entwickelten Voraussetzung für die Anerkennung einer Religionsgemeinschaft als Körperschaft öffentlichen Rechts (s auch BVerwG NVwZ 2001, H. P. Westermann

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924) wird man davon auszugehen haben, dass zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen auch die Rechtstreue gehört. Die §§ 21ff sind auf die jur Pers des öffentlichen Rechts mit Ausnahme der §§ 31, 89 nicht anzuwenden. 12

Die jur Pers des öffentlichen Rechts ist zu unterscheiden von Einrichtungen ohne eigene Rechtsfähigkeit im Verband der jur Pers, zB den stationes fisci (Regierungsbezirk, Justizverwaltung). Eigene Rechtsfähigkeit ist nur gegeben, wenn der volle Tatbestand der Schaffung einer jur Pers auf die Entstehung der betreffenden Einrichtung zutrifft (RG SeuffA 95, 39). In Zweifelsfällen, in denen die Organisationsgewalt die Schaffung einer jur Pers decken würde, entscheidet der die Organisation schaffende Wille, ob eine selbständige jur Pers oder eine unselbständige Einrichtung entsteht. Bei den unselbständigen Einrichtungen müssen alle Rechte und Pflichten und Handlungen auf die jur Pers, die hinter der Einrichtung steht, bezogen werden. Die „Organe der betreffenden Einrichtung“ können Organe der jur Pers sein. Die unselbständigen Einrichtungen sind mangels Rechtsfähigkeit nicht parteifähig; gegen sie gerichtete Klagen können als Klagen gegen die nur unrichtig bezeichnete Person zu behandeln sein (RG SeuffA 95, 39). Körperschaften des öffentlichen Rechts sind: Die Bundesrepublik Deutschland, die Länder, die Landkreise, die Gemeinden, die Ämter, die Zweckverbände (Zusammenschlüsse von Gemeinden oder Kommunalverbänden zur gemeinsamen Erfüllung bestimmter Aufgaben, zB Unterhaltung von Schulen, Theatern und dgl), die meisten Universitäten, die berufsständischen Organisationen wie Innungen, „Kammern“ wie Industrie- und Handelskammern, Anwaltskammern und dgl. Eine weitere Gruppe bilden die Boden- und Wasserverbände (G v 10.2.1937, RGBl I 188), die Jagdgenossenschaften (Celle NJW 1955, 834). Anstalten des öffentlichen Rechts sind die Sparkassen, die Träger der Sozialversicherung wie Ortskrankenkassen, Landesversicherungsanstalten, die Knappschaften. Die „Deutsche Bahn AG“ wird jetzt in privatrechtlicher Form betrieben (s das G über die Gründung, BGBl 1993 I S 2386), die aber nicht alle früheren Aufgaben und Vermögensteile der ehemals bundeseigenen Verwaltung übernommen hat; zu den Fragen der Rechtsnachfolge Heinze NVwZ 1994, 748. Die Deutsche Telekom AG, die Deutsche Post AG und die Deutsche Postbank AG sind privatrechtlich organisiert, ohne dass freilich die bedeutenden öffentlich-rechtl Aufgaben des Bundes auf diese Gesellschaften übergehen konnten, die Freiheit privater Unternehmen, Briefzustellung zu betreiben, ist angefochten. In den Rechtsformen des Privatrechts, nämlich als AG oder GmbH, können auch die Eigenbetriebe der Gemeinden (Versorgungsund Verkehrsbetriebe) geführt werden. Jur Pers des öffentlichen Rechts sind die Kirchen, jedoch nicht die katholische oder evangelische Gesamtkirche in Deutschland, sondern die katholischen Bistümer, die evangelischen Landeskirchen, katholische und evangelische Kirchengemeinden (Körperschaften). Auch andere Religionsgemeinschaften sind in einzelnen Ländern als jur Pers des öffentlichen Rechts anerkannt, wie die Baptistengemeinde, die Altkatholische Kirche im ehemaligen Preußen. Zu den Zeugen Jehovas s die in Rn 11 genannten Entscheidungen des BVerfG und des BVerwG. Soweit nicht durch besondere Maßnahmen eingegriffen wurde, bestehen die am 9.5.1945 vorhandenen jur Pers des öffentlichen Rechts fort.

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Zu unterscheiden sind Körperschaften und Anstalten. Die Körperschaft hat personelle und korporative Mitglieder, ist also verbandsmäßiger Struktur, die Anstalt nicht. Die nicht immer genaue gesetzliche Terminologie ist nicht entscheidend. Für die Stiftung ist das zweckgebundene Stiftungsvermögen kennzeichnend. Soweit die jur Pers des öffentlichen Rechts privatrechtlich handelt, unterliegt sie dem allg Recht, wichtig für die Haftungsfragen. Hierzu § 89 Rn 1. Vereinzelt finden sich Sonderbestimmungen (s etwa §§ 395, 411).

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Ein Verein iSd BGB und in gewisser Hinsicht auch des HGB ist gegeben bei körperschaftlicher Verfassung, Auftreten im eigenen Namen und Unabhängigkeit vom Mitgliederwechsel (RG 60, 96; 165, 140, 143). Die Vereine des Handelsrechts (AG, KGaA, GmbH, Genossenschaft, VVaG, dazu § 15 VAG) sind mit dem Zweck ihrer besonderen Anpassung an die Erfordernisse des Handelsverkehrs geregelt. Als Grundlagen, uU auch als erg Recht, gelten auch für sie die §§ 21ff. Bei der privatrechtlichen Stiftung handelt es sich um eine Güterzusammenfassung, der Rechtsfähigkeit verliehen ist. Einzelheiten vgl Vor § 80 Rn 2f, dort auch zu der immer noch zunehmend wichtigen sog Unternehmensträger-Stiftung. Bei entspr Gestaltung können auch Stiftungszwecke in Form des eV angestrebt werden. Ein Verein kann seine Aktivitäten auf verschiedene Untergliederungen verteilen. Doch ist zu unterscheiden, ob die Untergliederung rechtlich unselbständig bleibt, also keine eigene Rechtsfähigkeit hat und nach der Satzung des Hauptvereins lebt (BGH 89, 153, 155; ZZP 86 [1973] 212; KG OLG 1983, 272), oder ob es sich um selbständige Unterorganisationen handelt. Eine rechtlich selbständige Untergliederung muss Zwecke verfolgen, die sich aus der Satzung des Hauptvereins, aber auch aus einer in der Untergliederung selbst beschlossenen Satzung ergeben (BGH 73, 275); das ist mehrfach bei der Prüfung der passiven Parteifähigkeit einer Untergliederung für entscheidend gehalten worden (RG 118, 196; BGH MDR 1970, 913), neuerdings wird aber stärker auf die alleinige Befugnis des Hauptvereins zur Festlegung der Kriterien der Selbständigkeit des Zweigvereins abgestellt, woraus auch folge, dass eine Doppelmitgliedschaft bestehe („gestufte Mehrfachmitgliedschaft“, Reuter, FS für Hopt, 195, 204ff), die auch zu einem Schutz der Mitglieder des Zweigvereins vor Eingriffen des Hauptvereins führt. Dazu passt es auch, in solchermaßen „gegliederten“ Vereinen einen besseren Rechtsschutz der Mitglieder des „Vereins im Verein“ zu sichern, als es die Rspr zur Klagebefugnis (§ 32 Rn 6) bisher tut (näher K. Schmidt, FS Reuter, 2010, 345ff, 361). Einer rechtlich unselbständigen Untergliederung hat BGH NJW 2008, 69 ein Klagerecht gegen Beschlussmängel versagt, zu den Folgen Terner NJW 2008, 16ff; Reuter FS Hopt, 199ff. Bei den letzteren kommen vor der Verbandsverein, der Dachorganisation seiner Mitgliedervereine ist, sowie der Vereinsverband, dessen Mitglieder Vereine sind, deren Mitglieder aber entweder automatisch auch Mitglieder des Verbandes sind (zur Doppelmitgliedschaft BGH 105, 306) oder sich in der Satzung des 120

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Zweigvereins bis zu einem gewissen Grade der Satzung und der Vereinsgewalt (§ 25 Rn 5) des Verbandes unterwerfen (dazu Heermann NZG 1999, 325; Reuter ZHR 148, 153; Schaible, Der Gesamtverein und seine vereinsmäßig organisierten Untergliederungen, 1992; aus neuerer Zeit auch BGH NJW 2008, 69; zur Vorstandskontrolle Segna NZG 2002, 1048). Die selbständigen Mitgliedsvereine verfolgen eigene Zwecke und Aufgaben im Rahmen der Zwecksetzung des Verbands (BGH 90, 331). Die Selbständigkeit eines Mitgliedsvereins äußert sich auch darin, dass dem Verband kein Zugriffsrecht auf das Vermögen des Mitgliedsvereins zusteht. Das Parteiengesetz v 24.7.1967 (BGBl I 773) schafft einen besonderen vereinsrechtlichen Status für die politischen Parteien, der von der Rechtsfähigkeit der Vereinigung unabhängig ist (vgl § 2). Besonders geregelt sind die Aktiv- und Passivlegitimation, § 3, das Namensrecht, § 4, die Mindestorganisation in §§ 6ff. Die Parteien gehören aber nicht zur organisierten Staatlichkeit, sondern zum Privatrecht, so dass auch der Anfall ihres Vermögens nach Auflösung sich nach BGB richtet (Brandenburg NJW 1998, 910). 8. Internationales Privatrecht. Da das IPR-Gesetz v 25.7.1986 (BGBl I 1143) keine speziell auf das 15 Gesellschafts- und Vereinsrecht bzgl Vorschriften enthält, wird es für die international-privatrechtliche Anknüpfung des Personalstatuts der jur Pers weiterhin auf die Entscheidung des Meinungsstreits zw Sitz- und Gründungstheorie ankommen, die allerdings jetzt auch unter europarechtlichen Aspekten neu gestellt ist, dazu s Anh II zu Art 37 EGBGB Rn 22ff. Allerdings ist die gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsfreiheit wohl nicht für Idealvereine anwendbar (BaRo/ Schwarz/Schöpflin § 24 Rn 9). Wendet man weiterhin die Sitztheorie an, so kann ein ausl Idealverein, dessen Rechtsfähigkeit dann auch in Deutschland anerkannt ist, seinen Sitz nicht ins Inland verlegen, sondern muss hier neu gegründet werden (Zweibrücken NJW-RR 2002, 43), während ein seinen Sitz ins Ausland verlegender deutscher Verein aufgelöst wird, wenn nicht das anwendbare Auslandsrecht der Gründungstheorie folgt. Für die (äußerst seltenen) nach dem früheren § 23 rechtsfähig gewordenen (und noch existierenden) Vereine gilt die Übergangsregelung nach Art 229 § 24 EGBGB. IÜ schaffen §§ 14, 15 VereinsG polizeirechtliche Verbotsmöglichkeiten für ausländische Vereine ohne überwiegende Beteiligung Deutscher, die über das hinausgehen, was für inländische jur Pers angesichts des Schutzes des Art 9 I GG möglich wäre (s Art 19 III GG). Zu beachten sind auch andere fremdenrechtliche, den Sachnormen angehörige Bestimmungen über ausländische jur Pers, die aber (wie etwa die früheren §§ 12, 12a GewO über den inländischen Gewerbebetrieb) für Idealvereine nicht praktisch werden (näher Scholz/H. P. Westermann GmbHG Einl Rn 88, 89). 9. Vor Inkrafttreten des BGB entstandene Rechtsfähigkeit bleibt, die jur Pers des alten Rechts un- 16 terliegen grds dem neuen Recht, vgl Art 163 EGBGB. Nach Art 82 EGBGB gelten für die vor 1900 durch staatliche Verleihung entstandenen rechtsfähigen Vereine die handelsrechtlichen Vorschriften über ihre Organisation fort, insb gilt auch die an ihre Eintragung im Register geknüpfte Vermutung ihrer Weiterexistenz bis zu einer Löschung (KG NJW-RR 2001, 966). Ausnahmen in Art 164, 166, 83 EGBGB. Zu Vereinigungen, die nach dem Recht der DDR entstanden sind, Christoph DtZ 1991, 234; Nissel DtZ 1991, 239. Die zeitweise vom Europäischen Parlament angedachte Schaffung eines europäischen Vereins muss angesichts einer neuen (2007) Äußerung der Kommission als erledigt betrachtet werden (krit Terner ZEuP 2007, 96ff). 10. Das öffentliche Vereinsrecht ist geregelt durch das Vereinsgesetz v 5.8.1964 (BGBl I 593), zu- 17 letzt geändert durch Art 6 des Gesetzes v 21.12.2007 (BGBl I 3198). Es umreißt die verfassungsrechtlichen Grenzen der Vereinsfreiheit und enthält Vorschriften für Ausländer sowie ausländische Vereine; insgesamt ist es polizeirechtlich konzipiert, so dass die §§ 21ff nur erg gelten (zum Ganzen Stöber Vereinsrecht Rn 2). 11. Die seit langem verbreitete und diskutierte Reform des Vereinsrechts, die von manchen als 18 grundlegender Systemwechsel zum allg-politischen oder sozialpolitischen Großverein unter Einschluss der Verbandsvereine gedacht, aber auch verbreitet als überflüssig angesehen wurde (Segna NZG 2003, 1048; Damas ZIP 2005, 3ff; Hadding ZGR 2006, 137; Reuter NZG 2005, 738; BaRo/Schwarz/ Schöpflin § 21 Rn 10), ist in Gestalt von Neuregelungen einzelner praktisch wichtiger Fragen einschl des Registerrechts im Jahr 2009 verwirklicht worden (G zur Erleichterung elektonischer Anmeldungen zum Vereinsregister und anderer vereinsrechtlicher Änderungen v 24.9.2009, BGBl I 3145). Dass dabei eine Anpassung des BGB-Vereinsrechts an die Rechtswirklichkeit der Vereine, die so lange nach dem Inkrafttreten des Gesetzes nicht nur punktuell geboten erscheint (H.P. Westermann FS Sonnenschein, 2003, 617ff), jetzt nur in einzelnen Teilen der Reform mit der Streichung des § 23 und der Umgestaltung des § 26 und der §§ 43, 44 in Angriff genommen worden ist (Übersicht bei Reuter NZG 2009, 1368, 1371ff), ändert nichts an der großen praktischen Bedeutung dessen, was jetzt neu ist, während weitere Änderungsvorschläge, zT auf Länderebene, jetzt kaum noch diskutiert werden (s immerhin Hadding, FS für Reuter, 2010, 93). Hervorzuheben ist aber die Beschränkung der Vorstandshaftung im neuen § 31a (eingefügt durch G zur Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereinsvorständen v 28.9.2009, BGBl I 3161), dessen Geltung für den nichtrechtsfähigen Verein freilich nicht geklärt ist; so bleibt abzuwarten, ob die Privilegierung des unentgeltlich tätigen Vorstands nicht auch andere ehrenamtlich tätige Vereinsorgane für sich in Anspruch nehmen werden. Die Rechtslage bei der Entziehung der Rechtsfähigkeit, namentlich die Streichung der bisherigen §§ 43 Abs 1 und 44, könnte die Diskussion um die Folgen einer Rechtsformverfehlung, wie auch der Zusammenhang mit dem Haftungsdurchgriff auf Vereinsmitglieder zeigt (Rn 6), in neuere Bahnen lenken (s Reuter NZG 2009, 1368, 1372), während die Anpassung des Registerrechts an die Gegebenheiten der elektronischen Registeranmeldung eine wohl notwendige Vereinheitlichung darstellt.

H. P. Westermann

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§ 21

Allgemeiner Teil

Personen

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Nichtwirtschaftlicher Verein Ein Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts.

1

1. Der Grundgedanke des § 21 hängt mit dem Bestreben zusammen, die Unterwerfung der körperschaftlich strukturierten wirtschaftlich tätigen privaten Personenverbände unter dem Geschäftsleben entspr Vorschriften zu sichern. Grundlegend ist das sog Normativsystem, nach dem die Rechtsfähigkeit mit der Eintragung im Vereinsregister entsteht, auf die ein Anspruch besteht (Vor § 21 Rn 2), bei der die Zweckbeschränkung der verschiedenen Verbandsformen überprüft werden kann. Neben der Gewährung einer weitgehenden Vereinsfreiheit werden so die Rechtssicherheit und eine staatliche Kontrolle über die Vereinsbildung gewährleistet; zum Grund für die unterschiedliche Behandlung nichtwirtschaftlicher und wirtschaftlicher Vereine s besonders K. Schmidt Verbandszweck S 92ff. Verfassungsrechtlich ist das Normativsystem eine gültige Schranke der Vereinigungsfreiheit (BVerfG 39, 334).

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2. Die Eintragung ist unzulässig, wenn der Verein einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb bezweckt. Dieses von jeher heftig umstr Kriterium sollte bestimmte Vereine auf die handelsrechtlichen Formen verweisen, in denen der Gläubiger- und der Mitgliederschutz ausreichend entwickelt sind, und die Rechtsform des eV Gruppen mit vorwiegend geselligen, kulturellen und sportlichen Zwecken vorbehalten. Es ist bekannt, dass diese Sichtweise durch die Tatsachen überholt ist, indem einerseits die Verfolgung ideeller (etwa sportlicher oder künstlerischer) Ziele so viel Geld kosten kann, dass scharfe ökonomische Kalkulation angebracht ist, andererseits wirtschaftliche Erfolge durchaus in den Dienst nichtwirtschaftlicher Zweckverfolgung gestellt werden können. Musterbeispiele für beide Entwicklungslinien sind die großen Sportvereine, die für die von ihnen betreuten, zT unter Vertrag genommenen Leistungssportler hohe Geldbeträge aufwenden müssen, ohne dass unglaubhaft wäre, dass ein ökonomischer Erfolg dieser Sparten zahlreichen Amateur- und besonders Jugendabteilungen zugute kommt (näher Heckelmann AcP 179, 1ff). Die rechtliche Ordnung der Aktivitäten dieser Vereine ist auch stark durch die Einflüsse, zT auch durch die Jurisdiktion, der internationalen Verbände beeinflusst (näher H.P. Westermann/Pereira/Borges FS Schwark 2009, 71ff). Ua deshalb werden zT Kapitalgesellschaften aus den Vereinen ausgegliedert (dazu Heermann ZIP 1998, 1249), die dann an die Börse gehen sollen (dazu Steinbeck/Menke NJW 1998, 2169; s auch Segna ZIP 1997, 1901). Das wirft allerdings eine Reihe von gesellschaftsrechtlichen Fragen zum Einfluss des „herrschenden Vereins“ auf die Kapitalgesellschaft auf; verbandsrechtlich gesehen ist der Vorbehalt einer dominierenden Stellung des Vereins zwar erwünscht, aber mit den Gegebenheiten des Kapitalgesellschaftsrechts nicht leicht in Einklang zu bringen (im Einz H. P. Westermann in SpuRt 2001, 42ff; Balzer ZIP 2001, 175). Vereine mit hoher Mitgliederzahl, zT mit einer über das ganze Bundesgebiet verteilten Mitgliederschaft, benötigen in manchmal unlösbarem praktischen Zusammenhang mit ihrer nichtwirtschaftlichen Zielsetzung erhebliche wirtschaftliche Mittel, die nicht selten durch unternehmerische Aktivitäten unter Ausnutzung des Vereinsnamens und der im Verein verbundenen Beziehungen erwirtschaftet werden können. Nicht zu leugnen ist aber auch, dass die wirtschaftliche Betätigung zahlreicher Vereine, und sei sie auch ursprünglich nur Nebenzweck gewesen, im Laufe der Zeit überhand genommen hat mit der Folge, dass das Auftreten im Rechtsverkehr für diesen, aber auch für die Vereine selbst angesichts der fehlenden Sicherung eines Mindestkapitals erhebliche Risiken begründet. Das alles hat dazu geführt, dass die Bestimmung dessen, was unter einem „wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb“ zu verstehen ist, zu den schwierigsten und umstrittensten Problemen des Vereinsrechts zählt.

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Große praktische Bedeutung kommt der steuerlichen Gemeinnützigkeit zu, besonders auch bei Beteiligung eines Vereins an Kapitalgesellschaften (dazu im Einz Arnold DStR 2005, 581ff; AnwK/ Heidel/Zillmer, Anh zu § 21). Die steuerliche Gemeinnützigkeit eines Vereins kann erhebliche Probleme aufwerfen, wenn der Verein seinen Vorstandsmitgliedern Auslagen und Verwendungen ersetzen oder (maßvolle) Vergütungen zahlen will (Kolbe DStR 2009, 2465), während die Einführung von Verhaltenskodizes ferner liegen dürfte (anders Kreutz ZRP 2007, 50). Wenn allerdings nach der Satzung die Vorstandsmitglieder ihr Amt unentgeltlich auszuüben haben, dürfen ihnen auch keine Entschädigungen für aufgewendete Arbeitskraft geleistet werden (BGH WM 2008, 736 und dazu Engelsing/ Lüke NWB Fach 3, 15101ff). Eine Besonderheit – etwa auch ggü Stiftungen – besteht auch darin, dass auf die satzungsmäßigen Leistungen eines gemeinnützigen Vereins ein Rechtsanspruch nicht bestehen soll (Koblenz MDR 2008, 267). Zum Einfluss des Gemeinnützigkeitsrechts auf die Einordnung von Vereinen als wirtschaftlich oder nichtwirtschaftlich s Rn 4.

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Zur Unterscheidung von wirtschaftlichem und nicht wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb sind verschiedene Abgrenzungsmethoden vorgeschlagen worden, die sich trotz einer reichhaltigen Kasuistik zwar zu einer hM zu verdichten beginnen, aber durch die vielfältigen Erscheinungen wirtschaftliche Aktivitäten ausgliedernder und kontrollierender Idealvereine (Rn 6) belastet werden. Weder die Maßgeblichkeit einer rein subjektiven Betrachtung, die auch erwerbswirtschaftliche Tätigkeit für unschädlich hält, solange dadurch einem ideellen Endzweck genützt werden soll, hat sich rein durchsetzen können, noch die Vorstellung, es komme allein auf die objektiv tatsächlich ausgeübte Tätigkeit an. Die früher hM prüfte zweistufig zunächst, ob ein wirtschaftlicher oder ein nichtwirtschaftlicher Zweck verfolgt wird, wobei der wirtschaftliche Zweck unschädlich ist, solange er nicht durch einen entspr Geschäftsbetrieb verfolgt wird, während umgekehrt die Verfolgung eines ideellen Zwecks das Betreiben eines diesem Ziel untergeordneten wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs als unschädlich erscheinen lässt (sog Nebenzweckprivileg, RG 133, 170, 176; 154, 351; BGH 15, 315, 319; 85, 84, 89, 93; BayObLG 1973, 303f; Schleswig NZG 2001, 768). Hiermit lassen sich Zwecke wie der Restau122

H. P. Westermann

Juristische Personen

§ 21

rationsbetrieb eines Sportvereins (KG OLG 1979, 279, 282), vielleicht auch noch die Vertragsvermittlung durch einen Kassenärzteverein (RG 83, 231) erfassen, nicht aber der wirtschaftliche Aufwand der großen Sportvereine (Rn 6). Soweit es in der Praxis denkbar ist, müssen für einen Idealverein, der im Rahmen des Nebenzweckprivilegs ein Gewerbe betreibt, auch die neuen handelsrechtlichen Vorschriften über Publizität, etwa auch auf Geschäftsbriefen, beachtet werden (näher Bohnenkamp NZG 2007, 292ff; Haas/Prokop FS Röhricht, 2005, 1149ff). Die Kritik sowohl am Nebenzweckprivileg (Heckelmann AcP 179, 22; Sack ZGR 1974, 194) als auch an der Maßgeblichkeit des Vorhandenseins eines „wirtschaftlichen“ Geschäftsbetriebs stellt darauf ab, ob im Kleid des Idealvereins unternehmerische Aktivitäten entfaltet werden, die nach dem Sinn des Systems der Normativbestimmungen in den Rechtsformen des Handelsgesellschaftsrechts verfolgt werden müssen (K. Schmidt Rpfleger 1972, 286ff, 343ff; ders AcP 182, 1ff; ihm folgend Hemmerich, Möglichkeiten und Grenzen wirtschaftlicher Betätigung von Idealvereinen 1982, 63ff; Knauth JZ 1978, 339; Staud/Weick Rn 6ff; Schad Rpfleger 1998, 185; in der Rspr Düsseldorf NJW-RR 1998, 683). Dafür genügt nicht die Unentbehrlichkeit der Erreichung des Nebenzwecks, sondern die wirtschaftliche Betätigung muss, ohne unbedingt inhaltlichen Bezug zum Hauptzweck zu haben, für die Zielkonzeption des Vereins neben den ideelen Zwecken untergeordnete Bedeutung haben (ähnlich MüKo/Reuter, Rn 19; anders Möhlenkamp DB 2004, 2737ff). Es kommt dann auf den Einsatz unternehmerischer Tätigkeit am Markt an, wobei es genügt, wenn wirtschaftliche Vorteile nur für die Mitglieder und nicht auch für den Verein selbst erstrebt werden (RG 154, 343, 350; BayObLG Rpfleger 1985, 495 und für eine Vereinigung von Notfallärzten Hamm NJW-RR 1997, 1530; Hamm MDR 2000, 841; zweifelnd dagegen Frankfurt NJW 1996, 2039). Typischerweise wirtschaftlich ist der Verein, der ohne eigenes Entgelt ausgelagerte unternehmerische Teilfunktionen der Mitglieder wahrnimmt, so eine Funktaxizentrale (BGH 45, 395; zust Düsseldorf NJW 1983, 2574; BayObLG Rpfleger 1977, 19 für Werbegemeinschaft von Gewerbetreibenden), ebenso für die Auslagerung unternehmerischer Teilaufgaben von Immobilienmaklern auf einen kooperativen Verein Düsseldorf NJW-RR 1996, 998; s auch Celle NJW-RR 1996, 502), und es genügt danach auch, wenn Marktgegner des anbietenden Vereins nur seine Mitglieder sind (Düsseldorf NJW 1983, 2574; K. Schmidt AcP 182, 23ff), weshalb auch genossenschaftliche Vereine nach § 22 zu beurteilen sind (LG Hanau NJW-RR 2000, 698; BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 103; Eyles NJW 1996, 1194). Wenn für die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft ein als Treuhänder tätiger Verein eine Wohnung mieten, unterhalten und sie einem Hausmeister zur Verfügung stellen oder anderweitig vermieten soll, wird er im Eigentümerinteresse der Treugeber tätig und tritt nicht planmäßig am Markt auf, für wirtschaftlichen Verein dennoch Frankfurt, Rpfleger2006, 545. Nach Schad NJW 1998, 2411 kommt es für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb auf das Ziel der Fremdbedarfsdeckung an. Die neuere Rspr geht ähnlich vor. Die „Vermarktung ideeller Güter“, die finanzielle Erfolge erstrebt, kann danach ebenso unter § 22 fallen (Düsseldorf NJW 1983, 2574), allerdings vorbehaltlich des Nebenzweckprivilegs, wie ein Verein, der ohne Entgelt für sich selbst nur wirtschaftliche Vorteile für seine Mitglieder erreichen will. Manchmal wird auf das Element der Gewinnerzielungsabsicht ganz verzichtet, sogar auf das der Entgeltlichkeit (krit für den Fall unternehmerischen Handelns K. Schmidt NJW 1983, 544), oder man lässt für das Kriterium der Entgeltlichkeit die Erhebung von Vereinsbeiträgen oder Umlagen genügen; auch planmäßig unternehmerische Tätigkeit, die nur kostendeckend sein soll und für die Mitglieder einen Vorteil bedeutet, kann dann für die Qualifizierung als wirtschaftlicher Verein ausreichen (LG Hamburg ZIP 1986, 229). Insgesamt ist im Hinblick auf die Eintragung von Idealvereinen nach § 21 eine Verschärfung der registergerichtlichen Praxis nicht ausgeschlossen (K. Schmidt Kurzkomm EWiR § 21 BGB 1/86). Trotz der Privilegierung eines Nebenzwecks kann die Tätigkeit des Vereins wettbewerbsrechtlich relevant sein, so etwa bei Verbraucherverbänden (zurückhaltend BGH GRUR 1981, 660; eingehend aber Lehmann WRP 1986, 63, 65); auch gilt der Grundsatz der Firmenwahrheit entspr, Düsseldorf NJW-RR 1996, 989. Da die heute hM mit einer Typenbildung arbeiten möchte (K. Schmidt Rpfleger 1988, 45, 47; Bay- 4 ObLG NZG 1998, 606; Schleswig NJW-RR 2001, 1478; BVerwG NJW 1979, 2261; BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 93; AnwK/Heidel/Lochner Rn 22; MüKo/Reuter Rn 14; Vorbehalte hins der Durchhaltbarkeit der These bei Reuter NZG 2008, 881, 882), darf, wenn man maßgeblich auf den – seinerseits erläuterungsbedürftigen – unternehmerischen Charakter der Tätigkeit abstellt und einen Ausweg nur über das Nebenzweckprivileg anerkennt, die ältere Judikatur nicht mehr unbesehen als Maßstab herangezogen werden. Bloße Verwaltung des Vereinsvermögens, auch wenn dabei notwendig Außenkontakte hergestellt werden müssen, ist nicht anbietende Tätigkeit am Markt; zum Einsatz durch unternehmerisch tätige Beteiligungsgesellschaften s Rn 7. Will der Verein lediglich ggü seinen Mitgliedern als Anbieter auftreten (Vermittlung von Wohnungen, Reisen, Durchführung von Steuerberatung oder Abrechnung für die Mitglieder), so versuchte die frühere Rspr noch, die Zulässigkeit der Rechtsform des Idealvereins zu begründen, solange die Mitglieder über ihre Mitgliedschaft und nicht wie beliebige Marktteilnehmer angesprochen werden (Oldenburg Rpfleger 1976, 11ff; BayObLG 1978, 87, 93) oder die Tätigkeit sich noch in eine ideelle (etwa der Fürsorgepflicht entspringende) Aktivität eines Trägers einfügen lässt (BayObLG MDR 1974, 400 für Werkskantine als betriebliche Sozialeinrichtung), ähnlich für betriebliche Unterstützungskassen BAG NJW 1970, 1145; BAG NJW 1979, 2533; krit K. Schmidt, Verbandszweck, 146ff. Wenn ein Behindertensportverein Fördergelder von Sozialversicherungsträgern in Anspruch nehmen will, die die Teilnahme von Versicherten an Sportveranstaltungen fördern sollen, so ist der Zweck nicht wirtschaftlicher Natur, auch wenn die Gewährung der Mittel nicht von einer Vereinsmitgliedschaft abhängt, Hamm NZG 2008, 473; zust Terner RNotZ 2008, 94. Häufig wird in solchen Fällen aber eine planmäßig anbietende Tätigkeit am Markt vorliegen, etwa das Angebot von Versicherungen (so bei betrieblichen Pensionskassen, Reichert Rn 154). Die Zuordnung eines genossenschaftsähnlichen Zwecks (Förderung der Mitgliederwirtschaften) zum BeH. P. Westermann

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§ 21

Allgemeiner Teil

Personen

reich des wirtschaftlichen Vereins bedeutet für Sparvereine, Sterbeunterstützungsvereine, Absatzund Nutzungsgemeinschaften sowie Erzeugervereine (dazu BayObLG 1974, 242; Hornung Rpfleger 1974, 339), für Einkaufszentralen, Wassergenossenschaften (BayObLG Rpfleger 1978, 249), einen Abwässerverein, der für seine Mitglieder entgeltlich Kläranlagen erstellt (Zweibrücken NotBZ 2008, 278) und ähnliche Vereine (s auch BGH NJW 1966, 2007) die Qualifizierung als wirtschaftliche Vereine, ähnlich, wenn es darum geht, für die gewerblichen Mitglieder bei herstellenden Unternehmen Einkaufskonditionen auszuhandeln (Hamm MDR 2000, 841). Die Abgrenzungsschwierigkeiten sind besonders groß, wenn die Förderung der wirtschaftlichen Interessen bestimmter Personengruppen, die die Zulässigkeit als Idealverein nicht entscheidend berührt (Hamburg LZ 1922, 692; RG 78, 80; für Haus- und Grundbesitzerverein RG 88, 332, 334), mit Beratung und Auskunftserteilung für die Mitglieder verbunden wird, die anderwärts nur am Markt für Dienstleistungen zu erhalten ist. Die Anerkennung von Lohnsteuerhilfevereinen als nichtwirtschaftlich (Celle NJW 1976, 197; BGH WM 1976, 458) ist kaum mehr konsequent, bedenklich wären auch Vereine zur Rechtsberatung ihrer Mitglieder (BGH 15, 319), wirtschaftlich ist auch (entgegen Oldenburg NJW 1976, 374) ein Verein, der ein Betriebsarztzentrum betreibt. Beim Gütezeichenverband geht es idR um die Qualitätssicherung und Werbung für die Produkte der Mitglieder und die Verleihung eines Gütesiegels; das hat keinen genossenschaftlichen Charakter und ist auch nicht am Markt zu haben, so dass ein nichtwirtschaftlicher Verein angenommen werden sollte. Abmahnvereine werden idR wirtschaftliche Vorteile für ihre Mitglieder erstreben, die diese auch am Markt für Dienstleistungen erhalten könnten (s BayObLG DB 1983, 767; krit K. Schmidt Rpfleger 1988, 47). Zweifelhaft wegen des umfassenden Serviceangebots sind die Automobilclubs (für wirtschaftlichen Verein Hemmerich S 20ff). Die Maßstäbe der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit eines Vereins sind mit denen für das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs nicht deckungsgleich, so dass nichtwirtschaftliche Vereine nicht per se gemeinnützig sind, wohl aber im Regelfall gemeinnützige Vereine nichtwirtschaftlich. Die Verfehlung eines wirtschaftlichen Nebenzwecks durch einen Idealverein steht seiner Einordnung als gemeinnützig im Rahmen der sog (steuerrechtlichen) Geprägetheorie nicht unbedingt entgegen (zum Ganzen Reuter NZG 2008, 881ff). Bei von Religionsgemeinschaften beeinflussten Vereinen wird häufig eine wirtschaftliche Tätigkeit des Vereins unter das Nebenzweckprivileg fallen; so bei Gastronomie oder Zimmervermietung, anders, wenn der Verein dazu da ist, den einem bestimmten Bekenntnis (oder einer ideologischen Bewegung) zugehörigen Personen wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen; eine generelle Qualifikation als wirtschaftliche Vereine geht dann nicht an (str s Kopp NJW 1989, 2497ff; ders NJW 1990, 2669; dagegen v Campenhausen NJW 1990, 887). 5

Die großen Sportvereine, die im Zuge der Professionalisierung des Leistungssports oft Umsätze in beträchtlicher Höhe machen, in ihrer wirtschaftlichen Kalkulation aber weitgehend von der steuerrechtlichen Anerkennung als gemeinnützig abhängen (dazu Stöber Rn 63), werden bis heute als nichtwirtschaftliche Vereine geführt, was nach der im Schrifttum vordringenden Ansicht zumindest für die Vereine der ersten und zweiten Fußball-Bundesliga, dann aber möglicherweise auch für entspr Eishockey- und Handballvereine nicht mehr zu halten ist (Heckelmann AcP 179, 1, 55; K. Schmidt AcP 182, 1, 29; Schad Rpfleger 1998, 185; MüKo/Reuter Rn 43a). Die Ausgliederung der Profi-Abteilungen in Formen des Kapitalgesellschaftsrechts, die den Dachverein möglicherweise als Idealverein bestehen lassen könnte (Rn 7), ist angesichts der Finanzlage des Profisports mit erheblichen Risiken für einen „beherrschenden“ Verein verbunden; zu den verbands- und kapitalgesellschaftsrechtlichen Problemen H. P. Westermann in Sport und Recht 2001, 42ff. Das Nebenzweckprivileg müsste sehr weit verstanden werden, um auch Fälle zu erfassen, in denen die Profi-Abteilung das gesamte Finanzgebaren eines Vereins bestimmt. Marktorientiert ist das Verhalten dieser Vereine deshalb, weil sie durch Zahlung von Gehältern und Ablösesummen „investieren“, aber ungewiss sein müssen, ob Zuschauer der veranstalteten sportlichen Wettkämpfe und – was heute wichtiger ist – die Einnahmen aus Fernsehen, Werbung und Sponsoring die Kosten hereinbringen werden. Deswegen ist eine Qualifikation als nichtwirtschaftlicher Verein allenfalls so denkbar, dass eine aus dem ideellen Grundzweck des Vereins herausgewachsene, bei sportlichem Misserfolg auch wieder an Bedeutung verlierende Profi-Abteilung wegen ihrer vielleicht nur vorübergehend prägenden Wirkung stets vom Nebenzweckprivileg erfasst wird. Bei der Gründung werden in diesem Zusammenhang derartige Probleme kaum je auftreten. Bei Vereinen im Bereich des Amateursports sind auch der gelegentliche Empfang oder die Zahlung von Aufwandsentschädigungen an Sportler, von Transferentschädigungen bei Vereinswechsel (dazu Schleswig MDR 1991, 1133), insb im intern Raum, sowie die Unterhaltung vom Verein bewirtschafteter Einrichtungen, die der Pflege des Sports oder auch nur der Geselligkeit dienen, für § 21 unschädlich. Die Dachverbände, die den Wettbewerb unter den Vereinen organisieren oder die internationale Vertretung innehaben, sind Idealvereine (MüKo/Reuter Rn 43).

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Vielfach zu den wirtschaftlichen Interessen gerechnet werden die Formen der Ausgliederung unternehmerischer Teilfunktionen der Mitglieder, s Rn 5, 6. Wenn vielfach auch sog Familienvereine als wirtschaftliche bezeichnet werden (K. Schmidt AcP 182, 1, 21, 22f; MüKo/Reuter Rn 49), so stehen dabei die Holding-Vereine im Vordergrund, die mittelbare Anteilsherrschaft über unternehmerische Aktivitäten in kapitalgesellschaftsrechtlichen Formen ermöglichen. Dies kann aber Nebenzweck sein, der hinter Zielen wie dem der Förderung des Zusammenhalts der Familienmitglieder, der Durchsetzung bestimmter sozialpolitischer Konzeptionen in und durch das Unternehmen oder auch – ähnlich wie bei manchen Stiftungen – karitativer oder uneigennütziger Zwecke zurücktritt. Wenn der Verein zwar den Mitgliedern wirtschaftlich nützt, ohne aber hierfür einen unternehmerischen Geschäftsbetrieb zu unterhalten, liegt eine – die Eintragung als Idealverein verhindernde – Ausgliederung von wirtschaftlichen Funktionen der Mitglieder nicht vor (Bremen OLG 1989, 1). Nicht hinzunehmen ist die satzungswidrige Ausgliederung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in eine Betriebs124

H. P. Westermann

Juristische Personen

§ 21

gesellschaft, wenn der Verein nur noch als „Hülse“ dient (Umgehung von § 22), AG Tiergarten WM 1991, 1139; Ansprüche zw Betriebsgesellschaft und den Mitgliedern des Vereins scheitern dann an § 134. Für einen Holding-Verein hat der BGH in dem vielbeachteten ADAC-Urt (BGH 85, 84, dazu K. Schmidt NJW 1983, 543ff; Reuter ZIP 1984, 1052ff; Hemmerich BB 1983, 26ff; Soergel/Hadding §§ 21, 22 Rn 43) die unternehmerische Geschäftstätigkeit der abhängigen AG dem Verein nicht zugerechnet, weil der nötige Gläubigerschutz durch die Beachtung der Rechtsnormen des Handelsgesellschaftsrechts auf Seiten der abhängigen Gesellschaft gewährleistet sei. Daneben wendet die Entscheidung das Nebenzweckprivileg an insoweit, als es sich um die wirtschaftliche Förderung der Tochtergesellschaft durch den Verein handelt. Die Vorstellung, dass die Pflicht zum Nachteilsausgleich und möglicherweise auch zum Schadensersatz von einem wirtschaftlich nicht genügend ausgestatteten Idealverein nicht erfüllt werden und dadurch eine Gefährdung der Gläubigerinteressen verursacht werden könnte (s K. Schmidt AcP 182, 1, 21f), hat der BGH unter Hinw auf die persönliche und gesamtschuldnerische Haftung der Vereinsorgane (§ 317 III AktG) nicht für ein entscheidendes Bedenken erachtet (ebenso Hemmerich BB 1983, 26, 28). Damit wird allerdings der Gläubigerschutz bei den abhängigen Kapitalgesellschaften auf die Aufbringung des Stammkapitals und die Haftung reduziert, wenn auch Pubilizitätsvorschriften wie neuerdings § 37 Abs 1 HGB gelten (näher Bohnenkamp NZG 2009, 272ff). Nach dem ADAC-Urt kann das Nebenzweckprivileg eingreifen, wenn es einen gesetzlichen Gläubigerschutz nach Maßgabe des Kapitalgesellschaftsrechts (auch einen durch analoge Anwendung von GmbH-Recht, die ja nicht unbedenklich ist, nicht begründbaren) nicht gibt; ob dann aber nicht doch die Aktivitäten der abhängigen Gesellschaft dem Verein zugerechnet werden müssen und das Nebenzweckprivileg nicht mehr greifen kann, wenn die auf die Tochter ausgelagerten die beim Mutterverein verbliebenen Aktivitäten übertreffen, ist aus dem Urt nicht deutlich zu erschließen. Diese letztere Gefahr besteht in hohem Maße bei der Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung der großen Sportvereine (Rn 6), wenn der Idealverein – praktisch kaum vermeidbar – auf die Geschäftsführung einer ausgegliederten Kapitalgesellschaft Einfluss nimmt (s dazu auch Steinbeck/Menke NJW 1998, 2169; Heermann ZIP 1998, 1249; H. P. Westermann aaO Rn 6 S 64ff). 3. Mit der Eintragung entsteht die Rechtsfähigkeit (konstitutive Wirkung), dies auch bei Fehlen 7 wesentlicher Eintragungsvoraussetzungen (BGH NJW 1983, 993; WM 1984, 977, 979; Düsseldorf NJW 1990, 328). Dies betrifft allerdings uneingeschränkt nur Mängel einzelner Satzungsbestimmungen einschl der Gesetzwidrigkeit des Statuts (Staud/Weick Rn 27ff; MüKo/Reuter Rn 67). Bei Mängeln des Eintragungsverfahrens, die iSd § 395 FamFG als wesentlich bezeichnet werden müssen, muss eine Amtslöschung stattfinden, während § 42 jetzt nur noch den Fall betrifft, dass ein wirtschaftlicher durch Verleihung rechtsfähig gewordener Verein andere als die satzungsmäßigen Zwecke verfolgt; zu der Frage, wie bei „Rechtsformverfehlung“ eines eingetragenen Idealvereins zu verfahren ist, s Rn 8. Insgesamt sollte bei Mängeln von Satzungsregeln im Interesse des Rechtsverkehrs und der Mitglieder von der Wirksamkeit der Eintragung in dem Sinne ausgegangen werden, dass dem eingetragenen Gebilde Rechtsfähigkeit zukommt. Das passt zu dem auch sonst anerkannten Bestreben nach möglichst weiter Geltung nach außen in Erscheinung getretener Staatsakte, nach Vermeidung schwer zu lösender Rechtsverwirrung und nach Befriedigung eines gewissen Verkehrsschutzbedürfnisses (vgl RG 81, 208; HRR 1928 Nr 1958; Köln OLG 1977, 65, 66; eingehend MüKo/Reuter §§ 21, 22 Rn 68, 69), obwohl bei besonders schwerwiegenden Mängeln doch auch Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Gründungsakts angenommen werden muss (Düsseldorf NJW 1990, 328). Entschiede man anders, so müsste der Verein als Gesamthandsgemeinschaft bestehen (K. Schmidt ZHR 147 [1983], S 43, 52f). Im Innenverhältnis ist der Verein aber auf die Abwicklung beschränkt, in diesem Rahmen muss er auch soweit als rechtsfähig behandelt werden. Vor der Eintragung besteht nur ein nicht rechtsfähiger Vorverein, Rn 9. Bzgl der Voraussetzungen der Eintragung s §§ 55ff. Bei Löschung eines Idealvereins nahm schon nach dem bisherigen Recht die überwiegende Meinung einen Vorrang des Verwaltungsverfahrens an (BayObLG 1978, 87, 89; Rpfleger 1985, 117f; KG MDR 1993, 79; Hamm OLG 1993, 19; Celle NJW-RR 1996, 1502; Kopp NJW 1989, 2497, 2503; Mummenhoff, Gründungssysteme und Rechtsfähigkeit, 1979, 208f; aM K. Schmidt NJW 1993, 1225; Oetker NJW 1991, 385; Böttcher Rpfleger 1988, 169f). Dabei wurde ein Ermissensspielraum für die Prüfung anerkannt, ob im Einzelfall der Entzug der Rechtsfähigkeit mit der Folge der Liquidation geboten ist (VG Hamburg NJW 1996, 3363; BayObLG Rpfleger 1986, 528; näher Böttcher Rpfleger 1988, 170; Staud/Weick Rn 13; dagegen MüKo/ Reuter Rn 11). Das BVerwG (NJW 1989, 1168) ließ einen Ermessensspielraum nur für atypische Fälle gelten, beließ es aber bei der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde (für Übertragung auf die Registergerichte K. Schmidt NJW 1998, 1124ff). Diese Kriterien lassen sich auf eine Tätigkeit des Registergerichts in diesem Zusammenhang übertragen, die jetzt aber noch immer nicht ausdr vorgesehen ist, obwohl es einen Meinungsstreit darüber gab, ob in diesen Fällen der „verdeckten Rechtsformverfehlung“ neben der Behörde nicht auch das Registergericht zuständig war, was mit §§ 159, 142 FGG aF (jetzt: § 395 FamFG) begründet werden konnte (dafür Oetker NJW 1991, 385, 388; Reuter NZG 2005, 738, 745). Die Beschränkung des Kontrollauftrags des Registergerichts auf anfänglich unzulässige Eintragungen (Hamm OLGR 1993, 19) war vertretbar, solange die Verwaltungsbehörde zuständig war, die auch bei der praktischen Bewältigung der Folgen einer Amtslöschung, durch die der Verein seine Rechtsfähigkeit verliert (Böttcher Rpfleger 1988, 170; K. Schmidt, Verbandszweck, 548; Staud/ Weick § 41 Rn 2, 13), mitwirken konnte. Wenn man mit dem BGH im Kolpingwerk-Urt (Vor § 21 Rn 6) Haftungsfolgen aus einer Rechtsformverfehlung ua mit der Begründung ablehnt, dass die amtl Löschung derartiger Vereine praktisch genüge, ist nach jetzigem Recht ohne die Zuständigkeit des Registergerichts gem § 395 FamFG nicht auszukommen (so auch Reuter NZG 2009, 1373). Angesichts der Haftungsfolgen der Qualifikation als rechtsfähiger Verein wird oft eine Lösung über einen nachH. P. Westermann

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§ 21

Allgemeiner Teil

Personen

träglichen Antrag auf Konzession gem § 22 gesucht werden, der auch unabhängig vom schwebenden Löschungs- oder Entziehungsverfahren erfolgreich sein kann (Oetker NJW 1991, 385, 391f in Auslegung der Beschl BayObLG 1959, 152, 158 und 1959, 287, 294ff). 8

Ändert der Verein nach rechtmäßiger Eintragung als Idealverein seinen tatsächlichen Zweck, indem er etwa einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb aufnimmt, so war nach dem früheren § 43 II ein behördliches Verfahren auf Entziehung der Rechtsfähigkeit einzuleiten; die Vorschrift ist im Zuge der Vereinsrechtsreform(vgl Vor § 21 Rn 18) aufgehoben worden. Damit betrifft auch die Zuständigkeitsregelung in § 44 nur mehr die durch Verleihung rechtskräftig gewordenen Vereine.

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4. Verhältnis zum Vorverein. Im Regelfall sind Vorverein und eV abgesehen von der Rechtsfähigkeit identisch, so dass kein besonderer Erwerb der Rechtsposition des Vorvereins durch den eV, auch nicht für Grundstücke (RG 85, 256), erforderlich ist (BGH WM 1978, 115, 116; AnwK/Heidel/Locher Rn 7). Die Vertretungsmacht der Organe des Vorvereins ist aber auf die Gründungsgeschäfte beschränkt. Bei Eintragung eines bestehenden nicht rechtsfähigen Vereins haftet der eV für alle Verbindlichkeiten des nicht rechtsfähigen Vereins (RG 85, 256; BGH 17, 385, 387; MüKo/Reuter Rn 80; aM Horn NJW 1964, 86ff). Bei Mitglieder- oder Organisationswechsel entsteht ein neuer Verein (vgl KG JW 1931, 545). Bei den Kapitalgesellschaften des Handelsrechts pflegt die Vorgesellschaft, in der Praxis hauptsächlich die zwar durch Gesellschaftsvertrag begründete, aber noch nicht eingetragene Vor-GmbH, bereits Verbindlichkeiten zu begründen, namentlich bei Einbringung eines bereits bestehenden Handelsgeschäfts. Für diese Situation sind verschiedene Wege zu einer Differenz- oder Vorbelastungshaftung oder auch eine weitgehende Einstandspflicht der Gesellschafter der Vorgesellschaft entwickelt worden. Beim Idealverein stellen sich diese Probleme besonders im Gründungsstadium nicht in diesem Maße, so dass mit der Handelndenhaftung iSd § 54 S 2 auszukommen ist (Staud/Weick § 54 Rn 70; AnwK/Heidel/Locher Rn 10; BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 117). Dem wird allerdings entgegengehalten, auch der nichtwirtschaftliche Verein dürfe nicht überschuldet ins Leben treten, so dass entweder eine interne Verlustdeckungshaftung oder eine persönliche und unbeschränkte Gründerhaftung notwendig sei (MüKo/Reuter Rn 84, 85). Das überzeugt nicht, da für eine Gründerhaftung neben § 54 S 2 im Vorstadium kein Anhaltspunkt besteht und § 42 nach wie vor eine Haftung für Insolvenzverschleppung vorsieht (ähnlich BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 117). Für das Innenverhältnis des Vorvereins gilt Vereinsrecht.

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Wirtschaftlicher Verein Ein Verein, dessen Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt in Ermangelung besonderer bundesgesetzlicher Vorschriften Rechtsfähigkeit durch staatliche Verleihung. Die Verleihung steht dem Land zu, in dessen Gebiet der Verein seinen Sitz hat.

1

Nur einem wirtschaftlichen Verein kann Rechtsfähigkeit nach § 22 verliehen werden. Der Idealverein kann nicht etwa wahlweise oder sicherheitshalber die Rechtsfähigkeit über § 22 anstreben (BVerwG NJW 1979, 2265). Mit der Formulierung „in Ermangelung besonderer bundesgesetzlicher Vorschriften“ drückt das Gesetz die Subsidiarität des Weges über § 22 ggü dem der Verwendung der handelsrechtlichen Formen aus (BGH 85, 84, 89; BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 6). Das gilt insb, wenn eine spezifische Form für den Zweck dieses Vereins zur Verfügung steht (so die Genossenschaft im Fall BGH 45, 395; vgl § 21 Rn 4, 5). Grds muss sich der Verein aber auch auf die zweckneutralen Formen von AG und GmbH verweisen lassen, OVG Münster v 23.7.2009, 12 A 3483/07. Die Verleihung kommt nur in Betracht, wenn dem Verein wegen der atypischen Umstände des Einzelfalls die Verwendung handelsrechtlicher Formen nicht zumutbar ist (BVerwG NJW 1979, 2261 mit ausf Abwägung von Vereinigungsfreiheit und Ordnung des Rechts- und Wirtschaftslebens, woraus geschlossen wird, dass der Verein nur Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung hat; zust K. Schmidt NJW 1979, 2239). Verfahren und Zuständigkeit bestimmen sich nach dem für den Vereinssitz maßgebenden Landesrecht, s den Überblick über die zuständigen Behörden und die jeweiligen Rechtsgrundlagen bei Stöber Rn 887. Die Behörde hat auch zu prüfen, ob der Verein die im Interesse der Mitglieder und insb Dritter erforderliche Sicherheit bietet (Frage der Organisation und der Mittel); Nichtberücksichtigung erkennbarer Gefahren kann unter § 839 fallen. Einzelne Typen wirtschaftlicher Vereine sind durch besondere bundesgesetzliche Vorschriften zugelassen (zB Verwertungs- und Erzeugergemeinschaften, früher auch Rabattsparvereine), in denen die Voraussetzungen der Konzession geregelt sind (BerwG NJW 1979, 2261). Zum Typ des genehmigten Wirtschaftsvereins gehört der VVaG.

2

Die allg Vorschriften über den Verein (insb das Verfassungsrecht) sind anwendbar, soweit sie nicht Eintragung voraussetzen, bis zur Verleihung der Rechtsfähigkeit besteht also ein Vor-Verein. Vgl auch §§ 33 II, 43 IV. Auch Satzungsfreiheit besteht, wenn sie nicht durch den staatlichen Verleihungsakt eingeschränkt wird (Beuthien/Grätsch ZHR 157, 483). Betreibt der Verein ein Handelsgewerbe, muss er sich im Handelsregister eintragen lassen (KG HRR 1936 Nr 812), soweit es sich nicht schon um eine Handelsgesellschaft handelt (dann gilt ua § 105 II HGB).

3

Wird von der Möglichkeit der Konzessionierung kein Gebrauch gemacht, können die Rechtsfähigkeit und die beschränkte Haftung der Mitglieder nur in Form der AG, der GmbH oder der eingetragenen Genossenschaft erreicht werden (BGH 22, 244), die Rechtsform des wirtschaftlichen Vereins ist subsidiär. Zu den Folgen der Umgehung des § 22 s § 21 Rn 6.

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H. P. Westermann

Juristische Personen

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§ 25

Ausländischer Verein (aufgehoben)

Die Bestimmung ist mit Wirkung v 30.9.2009 aufgehoben durch Art 1 Nr 3 des Gesetzes v 24.9.2009, BGBl I 3145. S auch noch Vor § 21 Rn 18.

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Sitz Als Sitz eines Vereins gilt, wenn nicht ein anderes bestimmt ist, der Ort, an welchem die Verwaltung geführt wird. 1. Der Sitz hat Bedeutung für die Zuständigkeit zur Eintragung, vgl § 55, ferner § 17 ZPO für die Be- 1 wertung des Vereins als in- oder ausländischen. Grds ist der Sitz des Vereins mit dem Wohnsitz der nat Pers gleichzustellen, zB für § 269. 2. Sitz ist der tatsächliche räumliche Mittelpunkt der Verwaltung der jur Pers, was auf die Organ- 2 tätigkeit hindeutet (MüKo/Reuter Rn 2), weniger auf den Ort der tatsächlichen Tätigkeit. Der Sitz muss durch die Satzung bestimmt werden (§ 57), wobei auch ein anderer Ort als Sitz bestimmt werden kann (Satzungssitz), BayObLG NJW-RR 1988, 96. Ein durch die Satzung rein fiktiv bestimmter Sitz, für den kein sachlicher Anknüpfungspunkt (auch nicht die Erreichbarkeit für Mitgliederversammlungen) vorliegt, kann missbräuchlich sein (LG Berlin NJW-RR 1999, 335; s auch Staud/Weick Rn 3; MüKo/Reuter Rn 3, BayObLG Z 1987, 267). Ob mehrfacher Sitz möglich ist, ist str, wird aber von der hM wegen der Gefahr widersprechender Registereintragungen verneint (Hamburg MDR 1972, 417; Reichert Rn 565; Staud/Weick Rn 10; BaRo/Schwarz Rn 6), wobei die Ausnahmesituation, die für Kapitalgesellschaften während der Nachkriegszeit bestand, für Vereine kaum mehr gelten kann; ausnahmsweise, jedoch nicht im Verhältnis zum Ausland, ist aber auch Wahl eines zweifachen Satzungssitzes möglich (MüKo/Reuter Rn 7). Sitzverlegung, möglich bei eV, ist Satzungsänderung (§§ 57, 71). Die Änderung des Sitzes wird also durch die Registereintragung wirksam, für die das Gericht des neuen Sitzes zuständig ist (BayObLG NJW-RR 1996, 350; KG NJW 1992, 509; Brandenburg Rpfleger 1998, 73; aM Bremen Rpfleger 1981, 67). Das bisher zuständige Amtsgericht gibt sodann die Registerakten an das für den neuen Sitz zuständige ab, das den Verein einträgt (Düsseldorf MDR 1956, 607; Bremen NJW 1957, 714; Hamm Rpfleger 1963, 119; NJW 1963, 254). Zur Sitzverletzung ins Ausland s Vor § 21 Rn 15. § 24 bestimmt den Sitz, wenn die Satzung, obwohl dies vorgeschrieben ist, eine solche Festlegung versäumt. Vorübergehendes Fehlen jedes Sitzes ist möglich (BGH 33, 204). Die Existenz des eingetragenen Vereins als jur Pers wird dadurch nicht berührt.

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Verfassung Die Verfassung eines rechtsfähigen Vereins wird, soweit sie nicht auf den nachfolgenden Vorschriften beruht, durch die Vereinssatzung bestimmt.

1. Die Verfassung ist die Regelung der Organisation, des Zwecks und der Mitgliedschaft; sie be- 1 stimmt damit die äußere Gestalt, die Grundentscheidungen und das Innenleben des Vereins (BGH 47, 172). Unter Satzung wird die rechtsgeschäftlich geschaffene Verfassung und zugleich die Verfassungsurkunde verstanden. Auf ein Exemplar der Satzungsurkunde hat das Vereinsmitglied Anspruch und braucht sich insoweit nicht auf das Vereinsregister verweisen zu lassen (LG Kassel Rpfleger 1987, 164). Das löst nicht das neuerdings bei den Publikums-Personengesellschaften aufgekommene Problem des Einsichtssrechts von Vereinsmitgliedern in eine beim Verein vorhandene Mitgliederliste, das BGH NZG 2010, 1430 im Zusammenhang mit dem Versuch von Vereinsmitgliedern, die anderen von einer (angeblichen) Richtungsänderung des Vereins zu informieren, grds bejaht hat, weil ein rechtliches Interesse an effektiver Mitwirkung an der Willensbildung bestehe (s auch Saarbrücken NZG 2008, 677 und vertiefend Römermann NZG 2011, 56ff; s auch schon Reichert Rn 1273 mit Blick auf die GmbH). Hamburg NZG 2010, 317 hat allerdings den Anspruch dahin eingeschränkt, dass die Liste an einen Treuhänder herausgegeben werden muss. Materiell-rechtlich sind die Festsetzung der Satzung und ihre Änderung formfrei gültig; außer beim nicht rechtsfähigen Verein ist aber Eintragung im Vereinsregister erforderlich, s § 59 II Nr 1, 71, die wie die Satzungsänderung praktisch eine formelle Urkunde voraussetzt. (Beschl aber wirksam, urkundliche Festlegung kann nachgeholt werden). Eine geschriebene Satzung muss der Verein nicht haben, es genügt Observanz (BGH WM 1985, 1468). Die Satzung als Rechtsgrundlage des Körperschaftsverhältnisses ist von der Geschäftsordnung der Vereinsorgane zu unterscheiden, die lediglich eine äußere Ordnung der Tätigkeit der Organe ohne Einfluss auf das Körperschaftsverhältnis oder auf die Gestalt der jur Pers schafft; häufig kann sie, ohne dass eine satzungsmäßige Grundlage erforderlich ist (BaRo/Schwarz/ Schöpflin Rn 24), von dem Organ selbst erlassen werden, sie darf aber nicht gegen die Satzung verstoßen. Verletzung der Geschäftsordnung kann von Mitgliedern nur unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gleichheitssatzes gerügt werden (BGH 47, 172, 177). Privatrechtliche Vereinsordnungen sind auch keine Verbotsgesetze iSd § 134 (Taupitz JZ 1984, 221). 2. Der Inhalt der Vereinsverfassung ergibt sich aus dem Zusammenwirken der (teils zwingenden, 2 teils nachgiebigen) Gesetzesnormen (§§ 27–39, vgl § 40) und der Satzung. Zu ihrer Schaffung ist der Verein aufgrund der Vereinsautonomie selbst zuständig. Man versteht darunter die Freiheit des Vereins, die Verfolgung des von ihm gesetzten Ziels und zu diesem Zweck das Rechtsverhältnis zu seinen Mitgliedern ohne andere Bindung als an zwingende gesetzliche Vorschriften selbständig zu regeln (s auch BVerfG NJW 1979, 699), hierbei also Recht zu schaffen (MüKo/Reuter Rn 17; BaRo/Schwarz/ Schöpflin Rn 10). Die Vereinsautonomie hat ihre Grundlage in der Anerkennung des Willens der VerH. P. Westermann

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§ 25

Allgemeiner Teil

Personen

einsmitglieder, folglich in der Privatautonomie (näher Steinbeck Vereinsautonomie, 16ff). Allerdings besteht insoweit ein Theorienstreit zw einem rein vertragsrechtlichen Verständnis der Begründung des Rechts zur Ordnung des Vereinslebens durch den Verein (Hadding/van Look ZGR 1988, 270, 274) und einem „organisationsrechtlichen“ Ansatz für diese Frage, der auf die Existenz eines körperschaftlich verfassten Verbandes abstellt (im Einz Reuter in 50 Jahre BGH 2000 S 211, 214ff m Nachw). Der BGH hat sich insoweit nicht festgelegt, seine Äußerungen (BGH 21, 370, 373; 49, 396; 105, 306) werden vielfach im Sinne einer modifizierten Normentheorie verstanden, die von einem Vertrag ausgeht, der aber nach Entstehung der jur Pers deren Verfassung ergibt (zur Deutung Reuter aaO, 219ff). Praktische Bedeutung hat dies etwa für die Anwendung des § 139 bei Lücken (Rn 13) und des § 343 bei satzungsmäßigen Strafen (Rn 7), bis zu einem gewissen Grade auch für die Auslegung. Die Rechtsbeziehungen des Vereins zu anderen Privatpersonen betrifft die Vereinsautonomie nicht (BVerfG NJW 1996, 1203). IÜ endet die Vereinsautonomie an den allg Schranken der Privatautonomie, wobei etwa für § 138 eine Einschränkung der Freiheit des Mitglieds erheblich sein kann (RG 165, 140, 144; Steinbeck, 42ff; zurückhaltend Weber S 213f). Unzulässig ist auch, wenn die Willensbildung ausschließlich bestimmten Mitgliedern übertragen ist, die die Mitgliederversammlung weder bestellen noch kontrollieren kann (Celle NJW-RR 1995, 1273; anders aber Frankfurt NJW-RR 1997, 482). Die Einhaltung dieser Schranken hat auch das Registergericht bei der Eintragung zu prüfen, desgl nach Frankfurt BB 1979, 68, einen Verstoß gegen Treu und Glauben, der darin liegen kann, dass durch ein satzungsmäßiges (hohes) Quorum für die Wahl bestimmter Vorstandspersonen eine Entscheidung wegen Personengleichheit mit dem Vorstand eines anderen Vereins praktisch verhindert wird. Wegen der Dauer der Bindung s § 39. 2a

Fraglich ist, ob die Vereinsautonomie auch die Freiheit umfasst, die Willensbildung des Vereins – selbst diejenige durch die Mitgliederversammlung – gänzlich zugunsten Vereinsfremder zu beschränken. Dies wurde in der Rspr vielfach verneint, wenn auch mehr im Rahmen eines allg Obersatzes, von dem Ausnahmen zugelassen werden, wenn der Einfluss des Dritten nicht geradezu anstößig ist (eine gänzliche Aufgabe des Grundsatzes fordert daher Schockenhoff AcP 193, 35ff). So wird es zwar im Ausgangspunkt als unzulässig angesehen, etwa die Auflösung des Vereins außer von einer Entscheidung der Mitgliederversammlung von der Zustimmung eines Dritten abhängig zu machen (Stuttgart NJW-RR 1986, 955; MüKo/Reuter Rn 32; Steinbeck S 119; Stöber Rn 252; Gegenbeispiele bei Schockenhoff aaO). Die Rspr hebt aber darauf ab, ob der Einfluss des Dritten so stark ist, dass die Zweckverfolgung des Vereins und seine vermögensmäßige Selbständigkeit zugunsten einer Unterordnung unter den Dritten praktisch entfallen (BVerfG 83, 341, 360; Hamm NJW-RR 1995, 119; KG 74, 385, 387; BayObLG NJW 1980, 1757; Frankfurt OLG 1981, 391; Übersicht bei Weber Privatautonomie und Außeneinfluss 2000, 118ff), so dass etwa das Erfordernis der Zustimmung eines Diözesanbischofs zur Auflösung eines Caritasvereins hingenommen wurde (BayObLG aaO, s auch Rn 2b), nicht dagegen die Übertragung der Auflösungsbefugnis auf einen Dritten (Stuttgart NJW-RR 1986, 995). Wirksam ist die Einräumung eines Einspruchsrechts für einen Bezirksvorstand bei der Wahl eines Unterbezirksvorstands, KG v 23.11.2007, 11 U 20/07. Nicht zulässig ist eine Bindung an die Entscheidung vereinsfremder Dritter, die die Mitgliederversammlung nicht einmal durch Satzungsänderung aufheben könnte (s auch Beuthien/Grätsch ZHR 157, 483), weil eine völlige Selbstentmachtung ggü einem vereinsrechtlich nicht gebundenen Dritten mit dem Gedanken der Verfolgung des Vereinszwecks durch die Mitglieder (auf die es ankommt, nicht auf die Autonomie des Verbandes, Weber S 205f) nicht in Einklang steht. Nach Stuttgart (NZG 2010, 753) verhindert das Abspaltungsverbot die Übertragung von Stimm- und Wahlrechten eines Mitglieds, das jur Pers ist, auf ihm angeschlossene Unternehmen.

2b

Die Einbindung von Vereinen mit einer den christlichen Religionsgemeinschaften nahe stehenden Zwecksetzung in eine landeskirchliche Organisation führt zu der Frage, ob und inwieweit die Vereinsautonomie einem Außeneinfluss kirchlicher Instanzen entgegenstehe. Allerdings ist die Verfolgung der Vereinszwecke, zT auch die Finanzierung, ohne Zusammenarbeit mit den offiziellen Organen und Verbänden der betreffenden Religionsgemeinschaft oft schwer möglich. Deswegen hat die Rspr bei kirchlichen Vereinen maßgeblichen, satzungsmäßig verankerten Fremdeinfluss der verfassten Kirche und ihrer Organe in Anwendung der Art 140 GG, 137 III WRV nicht am Grundsatz der Vereinsautonomie scheitern lassen (BVerfG JZ 1992, 248; LG Oldenburg JZ 1992, 250; so auch zu Satzungsänderungen Düsseldorf NZG 2009, 1227; anders noch Frankfurt NJW 1983, 2576; dazu eingehend Flume JZ 1992, 238ff). Düsseldorf aaO, ließ daher trotz an sich wirksamer Entscheidung der Mitgliederversammlung über einen Kirchenaustritt die Eintragung der Satzungsänderung an der fehlenden Zustimmung des Presbyteriums scheitern (krit bzgl der Begründung aus der Sonderstellung religiöser Vereine Wolff NZG 2009, 1217ff).

3

Die Satzung muss nicht das gesamte für die Verfassung des Vereins verbindliche Recht enthalten, zu Geschäftsordnungen Rn 1. Häufig wird in Ordnungen nicht satzungsrechtlicher Qualität (Nebenordnungen) für die Mitglieder bindendes Vereinsrecht durch Beschl der Mitgliederversammlung oder eines durch die Satzung hierzu legitimierten Vereinsorgans geschaffen. Das ist grds wirksam, wenn sich derartige Bestimmungen auf die Ausgestaltung des in der Satzung enthaltenen Rechts beschränken (Lukes NJW 1972, 121; Reichert Rn 467ff; Frankfurt ZIP 1985, 213, 215 lässt allerdings langjährige Observanz zur Ergänzung fehlender Grundentscheidungen der Satzung ausreichen). Neuere Erfahrungen, besonders in mitgliederstarken, regional weit verstreuten Vereinen zeigen, dass häufig für die Ausgestaltung der Mitgliedschaft ausschlaggebende Regelungen außerhalb der eigentlichen Satzung getroffen werden, während die Satzung Grundentscheidungen über Zweck, Mitgliedschaft und Organisation enthält, näher hierzu Grunewald ZHR 152, 242ff. Deshalb ist wichtig, dass die Rspr (BGH 47, 172, 177; 88, 314, 316; 105, 306, 314; näher Reuter ZHR 148, 523, 527; MüKo/Reuter Rn 5; 128

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§ 25

Staud/Weick Rn 3) die Vereine zwingt, die das Vereinsleben bestimmenden Leitprinzipien und Grundsatzregelungen in der Satzung selbst zu treffen (zur Bedeutung für Straf- und Verwaltungsmaßnahmen Rn 4); so in Auseinandersetzung mit der Gegenmeinung, die zur Gewährleistung flexibler Reaktionen auf veränderte Umstände auf satzungsmäßige Festlegung von Grundentscheidungen verzichtet (Lukes NJW 1972, 121; Grunewald ZHR 152, 248; Reuter ZHR 148, 525), wieder BGH 105, 306 – Regelung von Beitragspflichten zu einem „Feuerwehrfonds“ unter Hinw auf die notwendige Information aller Mitglieder; s auch München NJW-RR 1989, 966. Das betrifft etwa die Möglichkeit zur Festlegung von Beiträgen durch ein in der Satzung berufenes Organ in einem durch sie gezogenen Rahmen (so etwa AG Grevenbroich MDR 1991, 318 für die Befugnis von Vorstand und Mitgliederversammlung, einmalige Sonderleistungen festzulegen, BGH ZIP 2008, 1423 m zust Anm van Look LMK 2009, 273641 zur Erhebung eines Sonderbeitrags in Gestalt eines zinslosen Darlehens). Soll der Vereinsbeitrag variabel (durch Maßgeblichkeit des Umsatzes des Vorjahres) gestaltet werden, ist dies keine der Satzung vorbehaltene Grundsatzentscheidung (BGH NZG 2010, 1112; BGH 130, 243; anders noch BGH 105, 306). Zugelassen sind auch Benutzungsordnungen für Vereinseinrichtungen und die Sanktionen für ihre Verletzung, bei einem Züchterverein also das Zuchtprogramm und die Zuchtziele (s BGH MDR 1984, 119; teilw krit Reuter ZHR 148, 523, 535f). Zum Ausschluss Rn 11. In einer Nebenordnung kann der Rechtsweg gegen die ein Mitglied beschwerenden Beschl von Vereinsorganen einschl der Einführung eines Schiedsgerichts anstelle staatlicher Gerichte (BGH 88, 314) geregelt werden; eine solche Maßnahme ist grds zulässig (RG 153, 267; 165, 140), zu den Anforderungen an „echte“ ZPO-Schiedsgerichte im Unterschied zur Vereinsgerichtsbarkeit Rn 6. Hierfür fordert die Rspr (BGH 88, 314, 316; Hamm NJW-RR 1993, 1535), dass die Satzung durch eine zu ihrem Bestandteil gemachte Schiedsordnung wenigstens die Zusammensetzung des Schiedsgerichts und die Bestellung der Schiedsrichter regelt. Anders ist auch eine Geltung der Schiedsklausel ggü allen Mitgliedern kaum vorstellbar (zu den Schiedsklauseln weiter Rn 7). Satzungsangelegenheit sind die Grundsätze über das Wahlverfahren in der Mitgliederversammlung (BGH WM 1989, 366) sowie die Entscheidung, ob eine Mitglieder- oder eine Delegiertenversammlung zuständig sein soll (Frankfurt WM 1985, 1466). Die unter-satzungsrechtlichen Ordnungen dürfen allg die Mitglieder nicht stärker belasten als die Satzung. Durch Satzungsbeschluss den Mitgliedern Arbeits- oder ersatzweise Geldleistungen aufzuerlegen (AG Grevenbroich MDR 1991, 318), verstößt auch nicht gegen Art 9 I GG (BVerfG NJW 1991, 2626). Besonders die Satzungen von Sportverbänden, namentlich der nationalen Verbände, beziehen sich öfter auf die Regelwerke nationaler (BGH 128, 93 m Anm Wolf LM § 25 BGB Nr 34) oder supranationaler Organisationen, etwa zu den Folgen von Doping-Vergehen; dies ist zulässig (LG Neubrandenburg NJW-RR 1994, 1269), darf aber den Rechtsschutz des Mitglieds durch Inhaltskontrolle des Regelwerks des übergeordneten Verbandes nicht verkürzen (München NJW 1996, 2382), welche Gefahr angesichts der faktischen Durchsetzungsmacht der übernationalen Verbände durchaus besteht, etwa bei der Zulassung von Sportlern zu Veranstaltungen durch den Internationalen Leichtatletikverband (dazu Haas/Adolphsen NJW 1996, 2251), den Vereinswechsel von Sportlern oder ihre Spielberechtigung für einzelne Veranstaltungen. Zunehmende Bedeutung kommt hier dem in der Schweiz ansässigen Court of Arbitration for Sport (CAS) zu, der inzwischen von vielen Sportverbänden sowie von der staatlichen Gerichtsbarkeit als Schiedsgericht anerkannt worden ist (München NJW-RR 2001, 711; näher H.P. Westermann/Pereira/Borges, FS für Schwark 2009, 71ff). Unabhängig davon hatte Frankfurt (SpuRt 2001, 159) dem Internationalen Leichtathletik-Dachverband (IAAF) für Dopingverstöße, die in die Zuständigkeit eines Nationalverbandes fallen, eine die Entscheidungen des nationalen Verbandes bindende, sie durch abw Entscheidungen „gegenstandslos“ machende Kompetenz zugebilligt, der CAS kommt aber als Rechtsmittelinstanz in Betracht; zur Vereinsstrafgewalt s Rn 5. Weitgehend durchgesetzt ist eine Inhaltskontrolle der Entscheidungen der Vereinsorgane, die 4 mehr ist als die Ausübungskontrolle von Akten der Vereinsgerichtsbarkeit (Rn 6), sondern prüft, ob das zuständige Vereinsorgan auf einen richtig festgestellten Sachverhalt eine Bestimmung des inneren Vereinsrechts an sich zutr anwendet und dabei den Maßstab der Billigkeit beachtet (Köln NJWRR 1993, 891; eingehend dazu van Look WM-Festgabe für Hellner 1994, 46ff). Grundlage ist nicht eine Parallele zu den §§ 305ff, die nach § 310 IV grds nicht anwendbar sind (Düsseldorf NJW 2008, 1451), sondern § 242 (BGH 105, 306 m Anm Beuthien WuB II § 25 L 1/89; Bunte ZGR 1991, 316; BGH 128, 93 für die Kontrolle sportlicher Regelwerke in ihrem Verhältnis zu Nichtmitgliedern, so dass die Inhaltskontrolle sich nach dem auf den konkreten Verein zugeschnittenen Verhältnismäßigkeitsprinzip richtet, dazu Pfister JZ 1995, 464; Oellers ZIP 1995, 701; Steinbeck, 219ff). Anspruchsvoller für die Satzungen von Time-Sharing-Vereinen Hildenbrand NJW 1996, 3249. Zur Inhaltskontrolle der Satzung als ganzer bei Anmeldung zum Register s § 57. Grund für die Kontrollfähigkeit von Satzungsklauseln im Zusammenhang ihrer Anwendung für den Verein ist nicht eine Parallele zum AGB-Recht, sondern zum einen Teil die Machtstellung des Vereins im sozialen und wirtschaftlichen Bereich, die es dem Mitglied erschwert oder unmöglich macht, als Gegenmaßnahme gegen belastende Vereinsakte auszutreten, zum anderen das Bedürfnis nach einer funktionsgerechten Organisation des Vereinslebens, besonders der Mitwirkung der Mitglieder an der Willensbildung (BGH 61, 282, 290; 105, 306; NJW 1995, 583; Auseinandersetzung und w Nachw bei Reuter Die Verbände in der Privatrechtsordnung S 228ff). Die grds Unanwendbarkeit des AGB-Rechts schließt aber nicht aus, einen vom Mitglied aufgrund einer Satzungsvorschrift abgeschlossenen, jedoch nicht an die Vereinsmitgliedschaft gebundenen Darlehensvertrag auf unangemessene Benachteiligung des Darlehensgebers nach § 307 zu prüfen, Düsseldorf NJW 2008, 1451. Insgesamt besteht eine Verbindung zw der allg Inhaltskontrolle und der Beschränkung der – an sich bestehenden – Aufnahmefreiheit des Vereins (dazu § 38 Rn 6) sowie der Verhängung von Vereinsstrafen einschl des Ausschlusses (Rn 5f) oder der Verhängung einer H. P. Westermann

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Allgemeiner Teil

Personen

Wettkampfsperre (München NJW 1996, 2382). Eher um die Funktionsgerechtigkeit geht es bei Verwaltungsmaßnahmen wie der Festlegung von Beiträgen zu einer Verbandseinrichtung (BGH NJW 1989, 1724, 1726). Die ursprüngliche Beschränkung der Inhaltskontrolle auf Vereine, die im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine Machtstellung haben, und deren Mitglieder auf die Teilnahme angewiesen sind (BGH 105, 306, 316f, s auch BGH NJW 1994, 43 zum Gewerkschaftsausschluss), wird zwar noch immer verbreitet für richtig gehalten (zurückhaltend jetzt Reichert, Hdb Rn 3327), von den Instanzgerichten aber nicht durchweg befolgt (Frankfurt ZIP 1984, 61, 63; Celle NJW-RR 1989, 313; zust Soergel/Hadding Rn 25a; BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 29). In diesem Rahmen sind der Grundsatz der Gleichbehandlung der Mitglieder und das Willkürverbot als Maßstab anwendbar (Celle NJW 1995, 1273). Stets ist auch die konkrete Verbandsstruktur wichtig, um das Vorhandensein einer die Inhaltskontrolle rechtfertigenden Bedrohung der Richtigkeit der Vereinsnormen feststellen zu können. Einem Formerfordernis unterliegen Vereinssatzungen nicht (Frankfurt ZIP 1985, 215), wenn nicht im konkreten Fall ein entspr Gewohnheitsrecht besteht. Bei Vereinen, die am bezahlten Leistungssport teilnehmen, sind verschiedentlich Satzungsregelungen (auch diejenigen übernationaler Verbände), die Ausländersperrklauseln oder Regeln über Ablösezahlungen enthalten, wegen Verstoßes gegen Gemeinschafts- oder nationales Verfassungsrecht für ungültig erklärt worden (EuGH NJW 1996, 505 – Bosman und dazu Hilf/Pache NJW 1996, 1169, H. P. Westermann DZWIR 1996, 82; Palme JZ 1996, 238; Wertenbruch EuZW 1996, 91; BAG NJW 1997, 2065 und dazu H. P. Westermann DZWIR 1997, 485, 490; anders für aus sportlichen Gründen erlassene Regelungen Frankfurt MDR 1993, 1250; LG Frankfurt NJW-RR 1994, 1270 – die Unterscheidung ist freilich kaum durchführbar). Das Satzungsrecht hat inzwischen den Bedenken weitgehend Rechnung getragen (i Erg dazu auch Stopper SpuRt 2001, 1; Klingmüller/Wichert SpuRt 2001, 15). 5

3. Die Auseinandersetzung um die Möglichkeit der Vereine, im Zuge der Vereinsautonomie auch ein auf die Verhängung von Vereinsstrafen ausgerichtete Vereinsgerichtsbarkeit zu schaffen, haben nach längerer Rechtsunsicherheit inzwischen dazu geführt, dass Vereinsorgane mit derartigen Befugnissen ausgestattet werden können, dass ihre diesbezüglichen Entscheidungen, zu denen vor allem der Ausschluss von bestimmten Veranstaltungen (besonders in der vereinsübergreifenden Verbandsgerichtsbarkeit) und der Vereinsausschluss gehören können, gerichtlich voll überprüfbar sind und nicht nur auf „offenbare Unbilligkeit“ hin kontrolliert werden (BGH 87, 337; 102, 265; BGH WM 1990, 89; BGH NJW 1997, 3368; zust Vieweg JZ 1984, 167; Leipold ZGR 1985, 113; H.P. Westermann Anm WuB II L § 25 BGB 1/88; Gehrlein ZIP 1997, 1591). Das umschließt insb eine uneingeschränkte Tatsachenkontrolle und eine Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter die angewendete Vereinsnorm, schließlich die „Strafzumessung“ (für Kontrolle nur auf grobe Unbilligkeit aber Schleswig v 18.4.2008, 14 U 95/07). Das gilt auch dann, wenn man, wie vertreten wird (van Look, 107ff; anders H. P. Westermann, Strafgewalt, 61ff), diese Sanktionen als Vertragsstrafen qualifiziert, und ist, wie gesagt (Rn 5) nicht auf Vereine mit überragender Marktstellung beschränkt (s auch Reuter ZHR 151, 355, 358); wohl kann man die Grenzen der diesbezüglichen Vereinsautonomie bei Monopolverbänden enger ziehen (BGH NJW 1997, 3368). Die gerichtliche Kontrolle unterliegt allerdings bei „echten“ Idealvereinen einer wichtigen Einschränkung, indem darauf Rücksicht genommen werden muss, dass bestimmte Entscheidungen von Vereinsorganen als Ausdruck einer ideellen Einstellung oder als Anwendung spezieller Verhaltens- oder Spielregeln nicht ohne weiteres mit den Maßstäben des allg Rechts gemessen werden können. Die Unterwerfung des Mitglieds unter die Vereinsgewalt räumt den Vereinsorganen in dieser Hinsicht ein von der staatlichen Gerichtsbarkeit zu respektierendes Bewertungsvorrecht ein (näher H. P. Westermann, in Verbandsrspr und staatliche Gerichtsbarkeit 1988, 58; Hadding/van Look aaO, 276; AnwK/Heidel/Lochner Rn 34; in der Rspr in diese Richtung BGH 102, 265; Celle NJW-RR 1989, 313; LG Bonn NJW 1997, 2958 zum Ausschluss aus der CDU wegen Scientology-Mitgliedschaft; Frankfurt NJW-RR 2000, 1117 für die Prüfung einer wegen eines DopingVerstoßes verhängten Wettkampfsperre; abschwächend Reuter Die Verbände in der Privatrechtsordnung S 239f). Bei der Beurteilung von Vorgängen im eigentlichen sportlichen Wettbewerb ist davon auszugehen, dass sich die Teilnehmer der Entscheidung von Schiedsrichtern auf die Gefahr hin unterwerfen, dass im Einzelfall falsch entschieden wird; dies ist also nicht im Hinblick auf das Ergebnis im sportlichen Wettbewerb angreifbar (anders möglicherweise bei Manipulation durch Schiedsrichter, dazu Schwab NJW 2005, 938ff), was aber nicht ausschließt, dass eine auf eine Fehlentscheidung gestützte Strafmaßnahme korrigiert wird. Dies kann namentlich auch im internationalen Bereich durch Anrufung des CAS (Rn 4) geschehen. In den deutschen, aber auch in anderen nationalen Sportverbänden, hat sich auf dieser Grundlage eine zT sehr eingehende, manchmal auch mit einem Instanzenzug, ausgearbeitete Sportgerichtsbarkeit entwickelt (für den deutschen Fußball eingehend Sengle, FS Röhricht 2005, 1205ff; Schickhardt SpuRt 2001, 70ff), die weitgehend den Verfahrensprinzipien der staatlichen Gerichtsbarkeit folgt und damit die zT engagierte Kritik aus den Anfängen der strafenden Tätigkeit der Vereinsorgane (H.P. Westermann JZ 1972, 537ff; Larenz, Gedächtnisschrift für Diez, 1973, 45ff) erledigt hat. Unstr entfalten Disziplinarentscheidungen eines Vereins keine Bindungswirkung im Zivilrechtsstreit zw den Betroffenen (Hamburg OLGRp 1999, 230).

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Nicht völlig geklärt ist nach wie vor die in vielen Vereinen und Verbänden, auch den internationalen, geübte Praxis, den Rechtsweg vor die staatlichen Gerichte durch satzungsmäßige Schiedsklauseln auszuschließen, zu ihrer Gültigkeit schon Rn 4. Auch dies ist wiederum im Bereich des Fußballsports (nicht nur des professionell betriebenen) am stärksten ausgebildet (im Einz Grunsky, FS Röhricht, 2005, 1137ff). Solche Klauseln könnten bei Vereinen, deren Mitglieder faktisch nicht frei über ihren Beitritt entscheiden können, unter § 1034 II ZPO fallen. Wenn den dadurch und durch § 1042 I ZPO gesetzten Bedingungen entsprochen ist, kann es iÜ bei der Überprüfung des Schiedsspruchs nach § 1059 ZPO verbleiben. Die Unterwerfung eines Vereins unter die Gerichtsordnung 130

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eines Dachverbandes bedeutet noch nicht, dass dieser Schiedsregelung auch Streitigkeiten mit den Mitgliedern unterliegen (Celle NJW-RR 1993, 1535). Anders zu beurteilen sind „Vereinsschiedsgerichte“, die Vereinsorgane sind, keine schiedsrichterliche Unabhängigkeit besitzen, und deren Sprüche im gewöhnlichen Rahmen (Rn 6) der gerichtlichen Nachprüfung unterliegen (Nicklisch BB 1972, 1723; Vollmer, Satzungsmäßige Schiedsklauseln, 1970). Allerdings bedeutet die satzungsmäßige Überweisung einer Strafmaßnahme an ein vereinsinternes „Schiedsgericht“ keineswegs, dass hiermit ein Schiedsgericht iSd §§ 1025ff ZPO eingerichtet wäre (BGH 128, 93; BGH NJW 2004, 2226; Grunsky, FS Röhricht, 1138). Dies ist aber möglich, wenn den Anforderungen an die Einrichtung einer privaten Schiedsgerichtsbarkeit genügt ist. Dazu hat der BGH (NJW 2004, 2226 und dazu Schlosser, LMK 2004, 169; Kröll, ZIP 2005, 13; Grunsky, FS Röhricht, 1140) mehrere Voraussetzungen benannt, die aber nicht unproblematisch sind: Sicherung eines fairen und unparteiischen Verfahrens (was eine Mitwirkung des betroffenen Vereinsmitglieds an der Besetzung des Spruchkörpers erfordern dürfte), Pflicht zur Anhörung des Betroffenen sowie der Grundlegung der Entscheidung in Gesetz, Satzung oder wenigstens der „Billigkeit“; schwieriger einzuschätzen ist es, wenn das Urt gegen eine Qualifikation als echtes Schiedsgericht den Umstand anführt, dass im entschiedenen Fall das „Gericht“ nur über Zuständigkeitsstreitigkeiten zw Vereinsorganen zu entscheiden hatte. Auch das Übergewicht der Satzung oder der Vereinsorgane bei der personellen Besetzung des Spruchkörpers könnte als maßgebliches Kriterium im Hinblick auf die Möglichkeit einer Partei bezweifelt werden, gem § 1034 II S 1 ZPO beim staatlichen Gericht die Ernennung anderer Schiedsrichter zu beantragen (Grunsky, FS Röhricht, 1142f). Der BGH stellt aber insgesamt auf eine „Gesamtschau“ der Umstände des Einzelfalls ab, so dass die Bestrebungen wiederum des Fußballverbands, Schiedsgerichte iSd ZPO zu schaffen, nicht aussichtslos sind (näher Grunsky, FS Röhricht, 1144ff). Schließt die Satzung den Rechtsweg gegen Beschl der Mitgliederversammlung aus, ohne zumindest ein Schiedsverfahren vorzusehen, oder bedarf das Mitglied einer von den Organen zu erteilenden Erlaubnis zur Anrufung der Gerichte, ist dies unwirksam (BGH 29, 354; Celle WM 1988, 495 m Anm Grunewald S 497). Eine durch Satzungsänderung eingeführte Schiedsklausel kann einem vor der Satzungsänderung eingetretenen Mitglied nicht entgegengehalten werden, wenn es nicht zugestimmt hat (BGH 144, 146). Das entspricht der Ableitung der Satzungsautonomie aus Vertragsgrundsätzen (Rn 5), sollte aber auch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass die Abdingung des ordentlichen Rechtswegs schwerwiegt (nur i Erg zust Haas ZGR 2001, 325; abl Ebbing NZG 2000, 898; anders als der BGH auch München NZG 1999, 780 m zust Anm Ebbing NZG 1999, 754). Inhaltlich sind die möglichen Maßnahmen, die zT auch lediglich den Charakter von Verwaltungs- 7 maßnahmen haben (dazu Schlosser, Vereins- und Verbandsgerichtsbarkeit, 37ff), auf die Verfolgung des Vereinszwecks beschränkt, wozu aber rein disziplinarische Schritte (Verwarnung, Aberkennung der Fähigkeit zur Übernahme von Vereinsämtern wie auch Geldbußen, vorübergehender Stimmrechtsentzug, Suspendierung mitgliedschaftlicher Benutzungsrechte; zu disziplinarischen Ordnungsmaßnahmen im Reit- und Rennsport BGH 128, 93; Düsseldorf NJW-RR 1996, 996) gehören können (Schlosser S 38ff). Eine Diskriminierung, die sich auf das Verhältnis des Betroffenen zu den übrigen Mitgliedern beschränkt, wird für zulässig gehalten (BGH 21, 370 m Anm Fischer LM Nr 1 zu § 25; BGH NJW 1959, 982; zu einem Mietvertrag des Vereins, der dem Vermieter eine diskriminierende Benutzungssperre gegen Vereinsmitglieder erlaubt, ebenso BGH WM 1992, 567). Disziplinargewalt ggü Nichtmitgliedern kann es nur aufgrund individueller Verträge mit einem Außenstehenden geben, BGH 28, 131, 133; BGH DB 1980, 1687; BGH 128, 93; H.P. Westermann, Verbandsstrafgewalt, S 33ff; Haas/Adolphsen NJW 1995, 2146). Zur Ausschließung Rn 10. Über Personen, die nicht Mitglieder sind, steht dem Verein keine Disziplinar- oder Strafgewalt zu (BGH DB 1980, 1687; BGH 28, 131, 133f), und einem betroffenen Nichtmitglied billigt BAG NJW 1980, 470 einen Beseitigungsanspruch aus § 826 zu. Jedoch hat die Rspr Ausnahmen bei Verfahren eines Verbandes gegen Organpersonen oder Gesellschafter-Geschäftsführer von Mitgliedsgesellschaften gemacht (BGH 29, 352, 359 betr die Fähigkeit zur Führung von Ehrenämtern). Das muss allerdings noch zu der Einstellung zum Phänomen des „Vereins im Verein“ (Vor § 21 Rn 14f) in Beziehung gebracht werden. Die Ausdehnung auf Nichtmitglieder durch Satzung ist dagegen möglich, soweit es sich lediglich darum handelt, die Benutzung (und ihre Beendigung) von Vereinseinrichtungen durch Nichtmitglieder zu regeln (Reuter NJW 1983, 649, 652; s auch BGH 28, 135; BGH LM Nr 2 zu § 35; BGH 128, 93, 96). Hier findet dann nach Frankfurt NJW 1973, 2208 eine Inhaltskontrolle statt, die denselben Regeln folgt wie bei Anwendung von Disziplinargewalt ggü Mitgliedern (BGH 128, 93). Eine „Herabsetzung von Strafen“ durch ein staatliches Gericht kommt nur im Rahmen der gewöhnlichen Kontrollmöglichkeiten (Rn 5) in Betracht, § 343 ist nicht anwendbar. Die Verhängung einer Vereinsstrafe erfordert idR Verschulden des Betroffenen (Frankfurt NJW- 8 RR 1986, 133, 135; Meyer-Cording NJW 1966, 227; MüKo/Reuter Rn 46), ebenso für Wettkampfsperre wegen Dopingverstoßes Frankfurt aaO Rn 6, das sich daher gegen den im internationalen Bereich angewendeten Grundsatz der strict liability wendet, die Anwendung dieses Grundsatzes durch das internationale Schiedsgericht (Rn 4 aE) aber nicht als Verstoß gegen den ordre public wertet (zum Problem näher Petri FS Fenn 2000, 239ff), solange nur ein Anscheinsbeweis zur Geltung gebracht werde. Die Auferlegung der Beweislast bzgl der Schuldlosigkeit wird nicht beanstandet (Hamm OLGRp 2008, 710, das auch ein automatisches Ruhen der Spielberechtigung bei Nichterfüllung sozialversicherungsrechtlicher Verpflichtungen anerkennt). Die Zurechnung von Drittverschulden etwa nach § 278 kommt nicht in Betracht (H. P. Westermann JR 1973, 195 und Kirberger NJW 1973, 1732 zum offenlassenden Urt BGH NJW 1972, 1892). Das Schrifttum hat bisher keine Bedenken dagegen, dass Vereinsstrafen aufgrund sehr pauschal formulierter, mit wertausfüllungsbedürftigen Begriffen arbeitenden Satzungsnormen („unsportliches Verhalten“, BGH 47, 381, 383; s auch BGH 36, 105, 113) H. P. Westermann

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verhängt werden (Schlosser S 105ff; Beuthien BB 1968 Beil 12, S 5). Je stärker und detaillierter allerdings die bürokratische Ordnung des inneren Vereinslebens ausgebaut wird, desto höhere Ansprüche müssen an die Bestimmtheit der Regeln über Sanktionen von Ordnungsverstößen gestellt werden, näher H. P. Westermann in Verbandsrspr und staatliche Gerichtsbarkeit, 49ff. 9

Zur staatsgerichtlichen Kontrolle gehört auch die Prüfung, ob das nach der Satzung zuständige Organ tätig geworden ist (BGH 90, 92; Celle OLG 1980, 359; Düsseldorf NJW-RR 1988, 1272), wobei etwa die Ausschließung eines Vorstandsmitglieds, dessen Bestellung durch die Mitgliederversammlung zu widerrufen wäre, nicht durch die übrigen Vorstandsmitglieder geschehen kann (BGH 90, 95; Schleswig v 18.4.2009, 14 U 95/07). Nicht ganz geklärt sind die Anforderungen an die personelle Zusammensetzung und das Verfahren der Organe. Den das innere Vereinsleben beherrschenden Maßstäben entsprechen gewisse Abstriche vom Erfordernis der Unabhängigkeit der Organpersonen, so dass es nicht schadet, wenn das das Verfahren einl Organ auch entscheidet oder an der Entscheidung mitwirkt (BGH NJW 1967, 1657). Am Verfahren darf aber nach BGH NJW 1981, 744 nicht mitwirken, wer durch das beanstandete Verhalten verletzt wurde (s auch Karlsruhe NJW-RR 1996, 1503; Köln NJW-RR 1993, 891; nicht ganz klar Dresden OLGRp 2002, 461). Das Verfahren muss so eingerichtet sein, dass sich das Mitglied ausreichend verteidigen kann (BGH 20, 352, 355; NJW 1990, 40; BGH NJW 1975, 160), ohne dass hierfür eine mündliche Verhandlung unerlässlich ist (München MDR 1973, 405). Jedenfalls müssen dem Mitglied die ihm gemachten Vorwürfe ausreichend konkret erläutert werden (Köln NJW-RR 1993, 891). Häufig, insb bei einem Ausschluss, der sich als ultima ratio darstellt, wird es einer vorherigen Abmahnung bedürfen (LG Leipzig NZG 2002, 434). Das Mitglied muss nicht unter allen Umständen das Recht haben, einen Anwalt zuzuziehen, doch wird ein entspr vereinsrechtliches Verbot bei schwerwiegenden Maßnahmen idR einen Verfahrensmangel begründen (näher Reinicke NJW 1975, 2048; großzügiger BGH 35, 381, 391; NJW 1975, 160; Grunewald, Ausschluss, 165f). Das Prinzip der Gleichbehandlung von ähnlichen Verstößen, die andere Mitglieder begangen haben, ist zu beachten (BGH 47, 381, 385). Die verhängte Strafe muss begründet werden (RG 147, 11, 13; Düsseldorf MDR 1981, 843; Köln NJW-RR 1993, 891, das auch annimmt, ein Rechtsmittel könne aufschiebende Wirkung haben). Die Verletzung allgemeingültiger Verfahrensgrundsätze hat die Unwirksamkeit einer Disziplinarmaßnahme zur Folge (Schleswig SchlHA 2001, 103). Nach dem Ausscheiden des Betroffenen kann keine Vereinsdisziplinarmaßnahme mehr verhängt werden (RG 122, 266; 143, 1; BGH 28, 131; WM 2003, 292); wohl aber sind Maßnahmen zw Austrittserklärung und Wirksamwerden möglich. BGH 47, 127ff ließ Nachprüfung durch die Gerichte auch vor Erschöpfung der vereinsrechtlichen Instanzen zu, es sei denn, dass nach der Satzung, für das Mitglied erkennbar, die Nichtanrufung der vereinsrechtlichen zweiten Instanz zum Wegfall des Nachprüfungsrechts führt. Auf jeden Fall Klage zulässig, wenn die Entscheidung im vereinsrechtlichen Instanzenzug unzumutbar verzögert wird (RG JW 1915, 1424), nicht schon bei satzungsgemäß langem Aufschub (RG JW 1932, 1197). Wer den vereinsinternen Instanzenzug ausschöpft, läuft nicht Gefahr, dass die damit verbundene Verzögerung einem späteren Antrag auf einstw Rechtsschutz entgegensteht (Köln NJWRR 1993, 891).

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Vielfach wird als zulässige Straf- oder Ordnungsmaßnahme auch der Ausschluss aus dem Verein angesehen, wogegen die Parallele zu gesellschaftsrechtlichen Mitteln der Beendigung einer Mitgliedschaft, die ohne Unwerturteil über den Betroffenen allein aus Gründen objektiver Notwendigkeit möglich sein sollen, für eine Einordnung als Kündigung (oder auch als Vertragsstrafe) angeführt wird (Hadding FS Fischer 1979 S 173, 194). Der Gegensatz braucht in dieser Schärfe nicht ausgetragen zu werden, da die Praxis gerade beim Ausschluss (BGH 29, 352, 359; NJW 1971, 879; NJW 1972, 1892f) entscheidend auf die Zumutbarkeit im Hinblick auf die weitere Verfolgung des Vereinszwecks und nicht auf ein schuldhaftes Verhalten abstellt und die gerichtliche Überprüfung der gerade für Ausschließungsgründe idR wichtigen Tatsachenfeststellungen sowie der Einhaltung eines Mindestmaßes an verfahrensmäßigen Garantien (Rn 10) gesichert ist (Rn 6), s Hamm NJW-RR 2001, 1480; für rechtliches Gehör Zweibrücken NZG 2002, 436. Der Ausschluss muss eine satzungsmäßige Grundlage haben, die Bestimmung in einer Nebenordnung genügt nicht, RG 73, 187, 190; zur Kostentragung BGH 47, 172, 178. Zum Verfahren s § 39 Rn 4. Die Satzung kann auch bestimmen, dass die Mitgliedschaft frei gekündigt werden kann (Reichert Rn 1124 zur Kündigung durch Verein); doch bestehen bzgl einer Kündigung durch die Organe eines sozial mächtigen Vereins Bedenken (Grunewald, Ausschluss, 228). Wie im Gesellschaftsrecht wird die willkürliche Ausschließung eines Mitglieds auch bei Vorliegen einer entspr Satzungsbestimmung für unzulässig gehalten, sei es aufgrund inhaltlicher Anforderungen an die Satzung (Sauter/Schweyer/Waldner Rn 88; differenzierend Grunewald, Ausschluss, 229), sei es im Sinne einer Ausübungskontrolle (Wiedemann, Gesellschaftsrecht, 386f; näher Reuter NJW 1987, 2401, 2405). Daher kann ein strafweiser Ausschluss auch unter den Voraussetzungen einer Kündigung aus wichtigem Grund wirksam sein, wenn die allg Voraussetzungen einer Strafmaßnahme nicht gegeben sind, wobei sich jedoch der Verein an das von ihm geregelte Verfahren halten muss (AnwK/Heidel/Lochner Rn 49; anders insoweit Reuter NJW 1987, 2401, 2406f, der ein subsidiäres Zurückgreifen auf die Kündigung aus wichtigem Grund gerade in den Fällen für zulässig hält, in denen die Verhängung einer Strafe formfehlerhaft oder funktionswidrig war). Ein Ausschluss wegen vereinsschädigenden Verhaltens bedarf keiner ausdr satzungsmäßigen Grundlage, wenn der Vereinszweck und die allg Verhaltensanforderungen an das Mitglied aus der Satzung ersichtlich sind (zum Ergebnis wiederum Reuter aaO, 2406; zurückhaltend zum Ausschluss wegen Zahlungsverzuges LG Saarbrücken NJW-RR 1994, 251). In diesen Fällen muss aber eine uneingeschränkte gerichtliche Überprüfung stattfinden, während bei Angabe von Ausschließungsgründen in der Satzung hins der Anwendung vereinsinterner Wertungsmaßstäbe das Bewertungsvorrecht der Vereinsorgane (Rn 6) gilt (näher hierzu Benecke WM 2000, 1173). Ausschlussgründe, die den ausschlie132

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Juristische Personen

§ 26

ßenden Organen unbekannt waren, sind bei der richterlichen Nachprüfung nicht zu berücksichtigen (RG JW 1935, 1145); ebensowenig solche, die im vereinsrechtlichen Ausschlussverfahren nicht erörtert sind (BGH 45, 313, 321). Lange zurückliegende Tatsachen, die den Vereinsorganen bekannt sind, können nicht als Ausschlussgrund verwandt werden (RG 129, 49; LG Leipzig NZG 2002, 434, das auch eine Abmahnung fordert); auch ist das rechtliche Gehör verletzt, wenn ein Mitglied in Abwesenheit ausgeschlossen wird, nachdem vorher eine vergleichsweise Einigung stattgefunden hatte (LG Gießen NJW-RR 1995, 828). Besonderheiten gelten hins des Ausschlusses aus einer Gewerkschaft. Hier hat sich in der schon 11 seit langem erörterten Problematik eine gewisse Wendung durch den Beschl des BVerfG (NJW 1999, 2657) ergeben, der den Gewerkschaften ein berechtigtes Interesse an einem gemeinsamen Auftreten im Rahmen von Betriebsratswahlen zubilligt und daher einen Gewerkschaftsausschluss wegen Kandidatur auf einer konkurrierenden Liste zulässt (scharf krit zur Aufgabe verfassungsrechtlicher Grundpositionen und zur Abschwächung der individuellen [positiven und negativen] Koalitionsfreiheit Reuter RdA 2000, 104; krit zu dem Beschl auch Gaumann NJW 2002, 2155). Auf unter-verfassungsrechtlicher Ebene ist einerseits das Erfordernis ideeller Solidarität für die Anwendung satzungsmäßiger Ausschließungsgründe oder des wichtigen Kündigungsgrundes von Bedeutung (auch für „einfache“ Mitglieder einer gegnerischen Partei, BGH WM 1991, 942; NJW 1994, 43 m Anm Weiss LM § 25 BGB Nr 32; BVerfG NZA 1993, 655), andererseits ist gerade für derartige Fälle die erweiterte gerichtliche Prüfung der Tatsachenfeststellung (Rn 6) entwickelt worden (BGH 71, 126, 128; BGH 87, 337, 341; BGH LM § 39 Nr 16; BGH 102, 265). Andere Gründe für einen Ausschluss aus einer Gewerkschaft sind gewesen: Unterstützung einer undemokratischen Vereinigung (Düsseldorf NJW-RR 1994, 1402), Tätigkeit als Streikbrecher (BGH NJW 1978, 990), Bekämpfung von Wahlvorschlägen der Gewerkschaft (BGH NJW-RR 1992, 246); zum Gewerkschaftsausschluss wegen Unterstützung fremder Liste näher § 39 Rn 6. Zur Rechtslage bei politischen Parteien s §§ 10, 14 PartG. Die Anwendung der dort niedergelegten Ausschließungsgründe durch das Parteiorgan unterliegt nach BGH 75, 158f nicht der Nachprüfung der politischen und sonstigen, an innerparteilichen Maßstäben ausgerichteten Wertungen, doch hat BGH NJW 1994, 2610 es nicht beanstandet, dass ein Ausschließungsgrund darin gesehen wurde, dass ein Wahlbewerber sich über eine von ihm vermutlich anerkannte Beschränkung der Wahlwerbung hinweggesetzt hatte, dazu auch Gehrlein ZIP 1994, 852ff. Zum Ausschluss aus einer politischen Partei wegen Scientology-Mitgliedschaft LG Bonn NJW 1997, 2958. 4. Die Satzungsfeststellung ist Rechtsgeschäft, Staud/Weick Rn 15. Wenn sie auch die für den Ver- 12 ein maßgebende Ordnung bezweckt und erreicht, so bleibt ihre Schaffung doch Willenserklärung des Personenrechts und ist nach dem Recht der Willenserklärung zu behandeln. Die Fehlerhaftigkeit von zur Satzungsfeststellung führenden Willenserklärungen führt nicht automatisch zum Nichtbestehen des Vereins, s § 21 Rn 8. Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit ist an keine Frist gebunden (Schleswig NJW 1960, 1682). Die Auslegung von Vereinssatzungen hat nach früher hM lediglich auf ihren Inhalt Bedacht zu nehmen, Äußerungen oder Interessen der Gründer, Umstände aus der Entstehungsgeschichte oder der späteren Entwicklung des Vereins will BGH 47, 172, 180 (ebenso 96, 245, 250) nicht zur Auslegung heranziehen. Eine solchermaßen rein objektive Auslegung hat sich jedoch nicht aufrechterhalten lassen, wie die Anerkennung der längeren Akzeptanz vertragsändernder Beschl durch die Mitglieder als gültige Satzungsänderung (BGH 16, 143, 150; 25, 311, 316) und die Möglichkeit der Satzungsergänzung durch Observanz (Frankfurt ZIP 1985, 213, 215) belegen. Eine Auslegung über den Wortlaut der Urkunde hinaus ist zulässig, wo die Umstände aus der Urkunde ersichtlich oder allen Adressaten der Satzung bekannt sind (RG 101, 247; BGH 63, 282, 290; zur Auslegung nach Erkennbarkeit aus der Sicht der Mitglieder BGH 73, 279; näher Grunewald ZGR 1995, 68, 80ff). Im Anmeldeverfahren ist das Rechtsbeschwerdegericht berechtigt, die Satzung frei auszulegen (BGH 96, 245, 250). Streit über satzungsmäßige Willensbildung in dem Vereinsorgan ist Angelegenheit der inneren Ordnung; Feststellungsklage gegen den Verein daher erst, wenn Mitgliederversammlung darüber Beschl gefasst hat (BGH 49, 396). Anspruch auf satzungsgemäßes Verhalten haben nur die Mitglieder (BGH NJW 1987, 2503, 2504). Teilnichtigkeit führt grds nicht zur Gesamtnichtigkeit (RG SeuffA 65, 205). Nach BGH 47, 172, 180 13 kommt es für die Aufrechterhaltung des gültigen Teils der Satzung nicht auf die subjektiven Momente, vor allem nicht auf die Vorstellung der Gründer an, sondern allein auf die objektive Bedeutung des nichtigen Teils für die gesamte Satzung, somit für die durch die Teilnichtigkeit betroffene Satzungsinstitution. Das gilt entspr für eine wirksam (Rn 3) außerhalb der Satzung erlassene Geschäftsordnung, die die Tätigkeit eines anderen Vereinsorgans regelt (BGH aaO). Wenn eine Satzungsbestimmung zwar nicht nichtig, aber auch nicht mehr durchführbar ist, muss in Ermangelung erg Gesetzesrechts die Mitgliederversammlung eingeschaltet werden (KG Rpfleger 2007, 82 bzgl Vorstandswahl). 5. Rechtsgeschäft ist auch der Beitritt zum Verein, durch den die Mitgliedschaft erworben und die 14 Geltung des aus der Satzung und den Ordnungen bestehenden Vereinsrechts einschl der Möglichkeit der Ausübung von Vereinsgewalt auf das Verhältnis zw dem Verein und dem Beitretenden erstreckt wird. Grds ist der Verein frei, einen Beitrittswilligen aufzunehmen, zu den Fällen des Aufnahmezwangs § 38 Rn 6.

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Vorstand und Vertretung (1) Der Verein muss einen Vorstand haben. Der Vorstand vertritt den Verein gerichtlich und außergerichtlich; er hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Der Umfang der Vertretungsmacht kann durch die Satzung mit Wirkung gegen Dritte beschränkt werden. H. P. Westermann

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§ 26

Allgemeiner Teil

Personen

(2) Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so wird der Verein durch die Mehrheit der Vorstandsmitglieder vertreten. Ist eine Willenserklärung gegenüber einem Verein abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Mitglied des Vorstands. 1

1. Die Vorschrift ist in der Vereinsrechtsreform (s Vor § 21 Rn 18) neu gefasst. Abs I fasst die beiden Absätze der bisherigen Fassung zusammen, der bisherige Abs I S 2, nach dem der Vorstand aus mehreren Personen sollte bestehen können, ist im neuen Abs II eingestellt, während die Bestimmung des Abs II S 2 zur Passivvertretung bisher in § 28 II stand, ohne inhaltlich verändert worden zu sein. Neu ist, dass nach II S 1 bei einem mehrgliedrigen Vorstand auch im Außenverhältnis ein mehrheitliches Handeln genügt, ein Beschl des Gesamtvorstands ist nicht nötig.

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2. Der Vorstand ist notwendiges Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan; bloßes Kontrollorgan kein Vorstand iSv § 26. Nach Richert NJW 1956, 364 sind nur die geschäftsführenden Vorstandsmitglieder vertretungsberechtigt, und nur sie sind im Register einzutragen (s auch Stöber Rn 227ff). Völlige Ausschaltung des Vorstands von der Vertretungsmacht ist nicht möglich (KGJ 32 A 187). Nicht zum Vorstand gehört, wer von der Vertretung ausgeschlossen ist, so MüKo/Reuter Rn 8, ebenso BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 5 für den Fall eines sog Gesamtvorstands, dessen Mitglieder nur teilw an Vertretungshandlungen mitwirken können, iÜ aber Geschäftsführungsorgane sein können. Für das Verhältnis zur Mitgliederversammlung s § 32 Rn 1. Der Vertretungsmacht, die das Amt des Vorstands kennzeichnet, muss auch eine Geschäftsführungsbefugnis zugeordnet sein, ohne dass sich die Befugnisse inhaltlich voll decken müssen. Eine Entsprechung von Geschäftsführung und Vertretung ist allerdings im Normalfall als gewollt anzusehen, wenn es die Satzung nicht anders bestimmt, Schleswig SpuRt 2007, 74. BGH 69, 250 m Anm Kirberger NJW 1978, 415 hat ferner anerkannt, dass die Satzung, die den Vorstandsmitgliedern Einzelvertretungsbefugnis einräumen kann, die interne Beschlussfassung einem anderen Organ als dem Vorstand iSd § 26 übertragen kann (zust MüKo/Reuter Rn 4; schon früher ebenso Danckelmann NJW 1973, 734; Kirberger Rpfleger 1975, 354). Das führt dann zu dem auch bei anderen Verbänden häufigen Auseinanderfallen von Geschäftsführung und Vertretung (vgl aber § 70), freilich mit der Maßgabe, dass der Vorstand nicht von jeder internen Entscheidungsbefugnis ausgeschlossen bleiben und zum reinen Vollzugsorgan degradiert werden darf (MüKo/Reuter aaO). Die betreffende Satzungsbestimmung muss aber unmissverständlich deutlich machen, ob eine Beschränkung der Handlungsbefugnis die Geschäftsführungs- oder die Vertretungsmacht betrifft, andernfalls ist die Vertretung unbeschränkt, BGH NJW-RR 1996, 866. Unzulässig ist ferner die Kopplung der Vertretungsmacht des Vorstands an die Mitwirkung einer Person, die nicht Vereinsorgan ist (Hamm 78, 23).

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Bzgl der systematischen Einordnung des Vorstands stehen sich die Vertretertheorie, die die jur Pers als handlungsfähig und den Vorstand als ihren gesetzlichen Vertreter behandelt, und die Organtheorie ggü, nach der der Vorstand als Organ der jur Pers handelt (Soergel/Hadding Rn 2; gegen die Organtheorie Flume Jur Pers § 11 S 377). Das Gesetz trifft, wie die Formulierung in Abs I S 2 Hs 2 zeigt, keine Entscheidung. Während früher (RG JW 1935, 2044) angenommen wurde, das Wissen oder Wissenmüssen eines Organmitglieds sei rechtlich Wissen der jur Pers, will der BGH (NJW 1996, 1339) ohne Festlegung in theoretischer Hinsicht alle arbeitsteiligen Organisationen im Hinblick auf die Folgen einer Wissensaufspaltung unter handelnden und nicht handelnden Organpersonen gleich behandeln. Daraus kann aber nicht eine pauschale und umfassende Wissenszusammenrechnung folgen (näher Taupitz JZ 1996, 734ff; Koller JZ 1998, 75, 77ff; eingehend Buck, Wissen und jur Pers 2001, 318ff). Die Wissenszurechnung muss sich nach den Wertungen der einzelnen hierfür relevanten Normen richten, s auch Rn 4a zur Passivvertretung.

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3. Die Besetzung bestimmt die Satzung, für den eV s § 58 Nr 3. Ein- oder mehrgliedriger Vorstand möglich. Die Vorstandsmitglieder brauchen nicht Vereinsmitglieder zu sein (also Fremdorganschaft), falls die Satzung das nicht ausdr oder schlüssig vorschreibt. Das wird aus einem Gegenschluss zu § 9 II GenG abgeleitet (MüKo/Reuter Rn 7; zum Ergebnis auch Soergel/Hadding Rn 3), obwohl beim Idealverein das Erfordernis einer Beteiligung gerade des Vorstands an der Verfolgung des Vereinszwecks sehr naheliegt (für Unzulässigkeit der Fremdorganschaft für Verein, der nur der Verfolgung der individuellen Zwecke der Mitglieder dient, daher Müko/Reuter Rn 2 – dem ist aber nicht zu folgen). Neben dem Vorstand können besondere Vertreter bestellt werden, § 30, die auch die Repräsentanten einer Untergliederung sein können (Reuter, FS Hopt, 195, 204ff). Ihr Fehlen kann als Organisationsmangel zum Schadensersatz verpflichten, s § 30 Rn 5. Zur Außenhaftung der Vorstandsmitglieder § 27 Rn 7.

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4. Bei mehrgliedrigem Vorstand ist gem § 26 II S 1 aktive Gesamtvertretung Grundsatz; Mehrheitsgrundsatz gilt (hM), Satzung kann Abw bestimmen; wenn bestimmt ist, dass der Verein durch zwei Vorstandsmitglieder gemeinsam vertreten werden kann, ist ein Vorstandsbeschluss nicht erforderlich, KGRp 2006, 615. Die Vertretungsmacht ist grds nicht beschränkt, Abs I S 2. Bestellung eines „stellvertretenden Vorstandsmitglieds“ in der Art, dass die Befugnis zu Vertretungshandlungen von der Verhinderung eines anderen Vorstandsmitglieds abhängt, ist als bedingte Bestellung unzulässig; zulässig aber, dass jedes Vorstandsmitglied Einzelvertretungsmacht hat, die Geschäftsführungsmacht des „Stellvertreters“ aber nur im Fall der Verhinderung des anderen besteht (Celle NJW 1969, 326; BayObLG 1969, 33; NZG 2002, 438). Dies ist auch so denkbar, dass Generalermächtigung für Vorstandsmitglied oder Dritten erteilt wird, die laufenden Geschäfte eines verhinderten Vorstandsmitglieds wahrzunehmen (näher Mittenzwei MDR 1991, 492). Eine Satzungsbestimmung, wonach die Mitglieder eines vierköpfigen Vorstands gegenseitig vertretungsbefugt sind, verstößt nach Celle (NZG 2011, 154 – LS) gegen § 26 I. Personalunion muss die Satzung ausdr zulassen (LG Darmstadt Rpfleger 1983, 445), so dass es ohne entspr Satzungsbestimmung nicht angeht, dass ein Vorstands134

H. P. Westermann

Juristische Personen

§ 27

mitglied das Amt eines Ausgeschiedenen mit übernimmt. Zur Ressortverteilung im Vorstand § 27 Rn 7. Die Rspr (RG 145, 314; BGH JZ 1953, 474) will Geschäfte, die für den Dritten erkennbar völlig außerhalb des Vereinszwecks liegen, nicht unter die Vertretungsmacht des Vorstands bringen. Dem ist grds zuzustimmen (s auch Vor § 21 Rn 10). Einschränkung der Vertretungsmacht durch die Satzung ist im Gegensatz zu den Handelsgesellschaften möglich, sie kann durch die Untersagung bestimmter Geschäfte, die Begründung von Zustimmungserfordernissen (Dütz FS Herschel 1981, 55, 67) oder durch Zuweisung bestimmter Aufgaben erfolgen, zu stark einschränkend BayObLG 1999 Nr 53. S iÜ zum Schutz des Gutgläubigen §§ 70, 68. Beschl der Mitgliederversammlung bedeuten idR nur Einschränkung der Geschäftsführungsmacht, es sei denn, dass die Satzung Beschl der Mitgliederversammlung als Wirksamkeitsvoraussetzung fordert (KG JW 1936, 2929; BGH NJW-RR 1996, 866). Für eine Prozessvollmacht genügt es nicht, dass die Vorstandsmitglieder als solche aus dem Register ersichtlich sind, KGRp Berlin 2006, 615. Im Versteigerungsverfahren muss eine satzungsmäßig erforderliche Zustimmung der Mitgliederversammlung in notariell beglaubigter Form nachgewiesen werden (Hamm NJW 1988, 73). 5. Nach Abs II S 2 gilt für die Passivvertretung zwingend (s § 40) Einzelvertretung, die Erklärung ist 5 auch bei vorsätzlicher Unterdrückung durch das einzelne Mitglied zugegangen (BGH 20, 149, 153). Hieraus und aus § 125 S 3 HGB wird abgeleitet, dass Kenntnis und Kennenmüssen eines von mehreren Gesamtvertretern allg gegen die jur Pers wirkt (BGH 42, 282, 287 für AG), praktisch besonders bei Anwendung der Frist des § 626 II, die BAG DB 1985, 237 in dem Zeitpunkt beginnen lässt, in dem ein für die Kündigung zuständiges Vorstandsmitglied Kenntnis der die Kündigung rechtfertigenden Tatsachen erlangt hat (i Erg zust Reuter Anm AP § 28 BGB Nr 1; dagegen Deutsch/Kahlo DB 1987, 581, die Kenntnis des gesamten Kollegialorgans verlangen). Mit Abs II lässt sich aber keine pauschale und umfassende Wissenszurechnung begründen (s schon Rn 2). Insb ist es bedenklich, eine Zurechnung unabhängig davon vorzunehmen, ob ein Vorstandsmitglied das Wissen beruflich oder privat erlangt hat (BGH WM 1955, 830) und ob es an der betreffenden Rechtshandlung auch nur durch Mitwissen beteiligt war (BGH 109, 327, 331; NJW 1995, 2159f), und darüber hinaus noch das Wissen eines ausgeschiedenen Vereinsmitglieds zuzurechnen (BGH NJW 1990, 975). Durch eine solche umfassende Zurechnung wird für den Verein eine Arbeitsteilung im Organ stark erschwert, überdies müsste eine Gesamthaftung der Organmitglieder ggü dem Verein für die Folgen der in Kenntnis (oder bei Kennenmüssen) auch nur eines Organmitglieds geschehenen oder unterlassenen Handlungen eingeführt werden (zur Kritik Baumann ZGR 1973, 284; speziell zur Lage im Vereinsrecht Buck, Wissenszurechnung, 393ff). Eine Wissenszurechnung kommt somit nur in Betracht, wenn unter Berücksichtigung der jeweiligen Normsituation eine diesbezügliche Organisationsobliegenheit der jur Pers angenommen werden kann; das ist eine Wertezurechnung, wie sie seit einiger Zeit von der Rspr vorgenommen wird, s BGH 132, 30; BGH ZIP 2001, 26; MüKo/Reuter § 28 Rn 8, 9, die auf den Gedanken zurückgeht, dass die jur Pers im Rechtsverkehr nicht besser stehen soll als die nat Pers. Das Wissen eines ausgeschiedenen Vorstandsmitglieds, wenn es hätte gespeichert oder den anderen Vorständen sonst zur Kenntnis gebracht werden müssen, dem Verein zuzurechnen, lässt sich, wenn auch nicht ohne Bedenken (MüKo/Reuter § 28 Rn 9) mit einer Analogie zu § 31 begründen. Die Regelung gilt nach hM nicht für die jur Pers des öffentlichen Rechts, obwohl die Interessen des anderen Teils das erfordern und es der jur Pers des öffentlichen Rechts zuzumuten wäre, die Kenntnis des einen Gesamtvertreters gegen sich gelten zu lassen, so auch MüKo/Reuter § 28 Rn 12. Aktivvertretung ist bei der jur Pers öffentlichen Rechts öffentlich-rechtl geregelt (s dazu RG 162, 162; Celle NJW 1955, 834).

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Bestellung und Geschäftsführung des Vorstands (1) Die Bestellung des Vorstands erfolgt durch Beschluss der Mitgliederversammlung. (2) Die Bestellung ist jederzeit widerruflich, unbeschadet des Anspruchs auf die vertragsmäßige Vergütung. Die Widerruflichkeit kann durch die Satzung auf den Fall beschränkt werden, dass ein wichtiger Grund für den Widerruf vorliegt; ein solcher Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung. (3) Auf die Geschäftsführung des Vorstands finden die für den Auftrag geltenden Vorschriften der §§ 664 bis 670 entsprechende Anwendung.

1. Bestellung zum Vorstand ist die Berufung in das Amt, durch sie entsteht für den Bestellten die 1 Vertretungsmacht. Neben dem Beschl der Mitgliederversammlung bedarf es einer Willensäußerung des Gewählten, was bedeutet, dass die Bestellung ihm zur Kenntnis gebracht und von ihm akzeptiert worden sein muss; andernfalls sind die bereits durch die korporationsrechtliche Bestellung begründeten Pflichten nicht erklärbar. Das ist heute hM (BGH NJW 1975, 2101; BayObLG 1981, 275, 277; AnwK/Heidel/Lochner Rn 4; BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 6). Bedingte Bestellung ist nicht zulässig; darunter bringt Celle NJW 1969, 326 auch den Fall, dass neben der allg bestellten Vorstandsperson eine andere (Stellvertreter) für den Fall der Verhinderung des eigentlichen Vorstands bestellt wird. Zulässig muss es aber sein, dass beide Bestellten nach außen allein vertretungsberechtigt sind, die Geschäftsführungsmacht des „Stellvertreters“ auf den Verhinderungsfall beschränkt ist. Das kann auch das Ergebnis der Auslegung des Bestellungsakts sein. 2. Die Regelung der Bestellungsart ist dispositiv, § 40, weshalb auch Bestellung durch ein besonde- 2 res Organ (etwa ein Kuratorium, BayObLG 1984, 1, 3) oder durch Kooptation vorgesehen werden kann, solange gesichert ist, dass die Mitgliederversammlung diese Zuständigkeit wieder an sich ziehen kann, PWW/Schöpflin Rn 1, s auch Frankfurt OLG 1979, 5; Bedenken gegen Kooptation bei Reichert Rn 1909. Zulässig ist auch, dass die Satzung den Vorstand mittelbar bestimmt, zB den jeweiligen Inhaber eines Amtes, oder einer dritten Person (ebenso Widerruf) überlässt, unterstellt bei KG H. P. Westermann

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§ 27

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Personen

Rpfleger2007, 82, wonach bei Wegfall dieses Dritten die Mitgliederversammlung zu wählen hat. Nicht ganz unbedenklich, wenn Frankfurt OLG 1981, 391, 392 eine Satzungsbestimmung zulässt, wonach der geschäftsführende Vorstand eines Vereins sich aus dem eines anderen zusammensetzt, weil hier entgegen der Satzungsautonomie der Verein zum Mittel der Durchsetzung der Sonderinteressen des Bestimmungsberechtigten werden kann, s auch § 25 Rn 2a. Bedenklich und nur bei Erhaltung der wesentlichen Selbstbestimmung zulässig ist Bestellung durch Dritte (KG Rpfleger 1974, 394f; BaRo/ Schwarz/Schöpflin Rn 4), zur Rechtslage bei Vereinen im Bereich der Religionsgemeinschaften § 25 Rn 2b. Für die Wahl durch die Mitgliederversammlung gilt § 32, str, zT wird relative Mehrheit als ausreichend angesehen. Neben der Bestellung als der Berufung in das Amt des Vorstands kann eine Anstellung vorgesehen sein, die durch besondere Vereinbarung zustande kommt; ohne eine solche werden die Pflichten des Vorstandsmitglieds nach Abs III bestimmt. Der Abschluss eines Anstellungsvertrags, der etwa auch einen Vergütungsanspruch festlegen (RG 161, 74) und Kündigungsmöglichkeiten schaffen oder beschränken kann, begründet nicht alle Verhaltenspflichten des Vorstandsmitglieds, die sich vielmehr aus der Bestellung ergeben (MüKo/Reuter Rn 4), sondern konkretisiert und ergänzt sie. Das ist die Betrachtungsweise der – auch im Kapitalgesellschaftsrecht – hM, die zw Bestellung und Anstellungsvertrag unterscheidet (Fleck WM 1981 Beil 3, S 1, 3; BGH 113, 237; Staud/Weick Rn 12; BaRo/Schwarz Rn 8; AnwK/Heidel/Lochner Rn 5), während eine neuere Ansicht (hauptsächlich Baums, Der Geschäftsleitervertrag 1987, 37ff) Einheit von körperschaftlicher Bestellung und individualrechtlichem Anstellungsvertrag annimmt. Zur Vergütung s Rn 6. Bei gemeinnützigen Vereinen ist nicht selten in der Satzung bestimmt, dass die Vorstandstätigkeit ehrenamtlich ist; dann sind Zahlungen zum Ersatz aufgewendeter Arbeitszeit rechtswidrig, BGH ZIP 2008, 923; zu den steuerrechtlichen Anforderungen Engelsing/Lüke NWB Fach 3, 15101–15104. Die Zuständigkeit für Bestellung und Anstellung liegt mangels abw Satzungsbestimmung bei ein und demselben Organ, im Verein also bei der Mitgliederversammlung (BGH 113, 237 = JZ 1991, 1090 m Anm Hirte; s auch Reuter Kurzkomm EWiR § 27 BGB 1/91; Baums ZGR 1993, 141ff; Flume § I/2 10 I 2 S 346; durchweg auch zum Kapitalgesellschaftsrecht). Das wird mit dem engen sachlichen Zusammenhang der beiden Entscheidungen begründet; wenn für die Bestellung des Vorstands ein besonderes Organ geschaffen ist, so kann seine Beurteilung der Eignung einer Person für das Vorstandsamt nicht durch den Vorstand als dem für die Anstellungsbedingungen Zuständigen unterlaufen werden (dem zust auch Baums aaO, 143f). Dies wird allerdings nicht als zwingend angesehen (BGH 113, 237, 246; Baums aaO, 145; aM wohl Hirte aaO, 1095). Wenn danach die Mitgliederversammlung die Bestellung zu widerrufen hat, obliegt ihr auch die Ausschließung eines Vorstandsmitglieds, was Köln FG Prax 2009, 82 selbst dann aufrechterhält, wenn die Satzung für den Ausschluss ein anderes Organ vorsieht. Ist für die Abberufung „aus wichtigem Grund“ ein bestehender Aufsichtsrat zuständig, so soll diese Kompetenz nach LG Hamburg SpuRt 2007, 162 nur ausgeübt werden dürfen, wenn eine Entscheidung der Mitgliederversammlung nicht rechtzeitig herbeizuführen ist. Wenn dies zutrifft, ist es für die Großvereine des Profisports ein Aspekt zum Wechsel in die Rechtsformen des Kapitalgesellschaftsrechts (näher Grau SpuRt 2007, 168). 3

3. Bzgl der Person des Bestellten ist das bestimmende Organ grds frei. Wegen Mitgliedschaft als Voraussetzung vgl § 26 Rn 3. Sonderrechte eines Mitglieds bei der Vorstandsbestellung sind möglich (RG JW 1911, 747); entgegen § 35 muss wegen der Funktion des Vorstands Entziehung, wenn nicht bei wichtigem Grund, so doch bei Missbrauch des Amts durch das bevorrechtigte Mitglied möglich sein. Ein beschränkt Geschäftsfähiger kann ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters das Amt nicht annehmen (Staud/Weick Rn 6). Bestellung einer jur Pers (zu unterscheiden von der Bestellung des jeweiligen Organs der betreffenden jur Pers wegen der andersartigen Regelung von Erlöschen, Verpflichtung zur Geschäftsführung usw) ist zulässig (str, aber wohl hM, Staud/Weick Rn 8; Sauter/ Schweyer/Waldner Rn 253; BaRo/Schwarz/Schöflin Rn 3 – auch für Personenhandelsgesellschaften). Über die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis nach Ablauf der Amtszeit s Richert NJW 1957, 1543.

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4. Die Widerrufsmöglichkeit ist nicht zu beseitigen, wohl aber einzuschränken (RG 61, 328), nicht aber soweit, dass sie praktisch ausgeschlossen ist, RG 75, 238 (Entscheidung zum alten Aktienrecht). Bei Beschränkung des Widerrufs auf wichtige Gründe kann die Satzung die Prüfung des Grundes durch das Gericht wie bei der sonstigen Kontrolle von Vereinsakten (§ 25 Rn 4) wohl beschränken, nicht aber ausschließen. Bzgl Eintragung im Register s § 67; bei einem Rechtsstreit um die Wirksamkeit der Abberufung vertritt ein satzungsmäßiger Aufsichtsrat den Verein entspr § 112 AktG (LG Hamburg SpuRt 2007, 167). Das Vorliegen eines wichtigen Grundes zur Abberufung ist Wirksamkeitsvoraussetzung, wobei es für die Formulierung des Abs II S 1 2. Hs entscheidend immer auf die Zumutbarkeit ankommt, Karlsruhe NZG 1998, 111; BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 13. Die Beendigung einer bestehenden Organstellung führt nicht unbedingt zum Übergang eines bestehenden Dienstverhältnisses in ein Arbeitsverhältnis, so dass für die Prüfung der Gültigkeit der Kündigung des Organverhältnisses nicht die Arbeitsgerichte zuständig sind (BAG NJW 1996, 614). IÜ zieht die Rspr die Konsequenzen aus dem von ihr gesehenen engen Sachzusammenhang zw Be- und Anstellung (dazu Rn 2) auch für die jeweilige Kündigung, indem nach Beendigung der Organstellung die Kündigung des Anstellungsverhältnisses wiederum der Mitgliederversammlung oder einem eigens geschaffenen Organ, jedenfalls nicht dem Vorstand, obliegt (BGH aaO unter Hinw auf BGH WM 1990, 630 und unter Aufgabe von BGH 47, 341, 344 für die AG). In letzterem Urt hält der BGH diese Konsequenz auch für die Beendigung der Beziehungen zu einem nicht wirksam bestellten, aber „faktisch“ als Vorstand Tätigen durch, wobei auch klargestellt wird, dass es hierfür einer rechtsgeschäftlichen Erklärung des zuständigen Organs bedarf (zust Baums ZGR 1993, 141, 147 mit der Ergänzung, dass bei wirksamer Bestellung das für die Anstellung zuständige Organ das Vorstandsmitglied zugleich abberufen und 136

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Juristische Personen

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den Anstellungsvertrag kündigen muss). Freilich kann im Widerruf der Bestellung auch die Kündigung eines Anstellungsverhältnisses liegen. Eine Regelung des Anstellungsvertrags durch ein dadurch – und nicht auch für die Bestellung – geschaffenes Organ ist nicht möglich, wenn das Vorstandsmitglied noch nicht abberufen ist (BGH 79, 38). Wird eine für die Kündigung des Anstellungsverhältnisses einzuhaltende Frist (etwa des § 626 II) versäumt, so ist der Widerruf dennoch wirksam. 5. Amtsniederlegung muss, um dem Wesen der Beziehung Vorstand/Verein als Vertrauensverhält- 5 nis gerecht zu werden, möglich sein. Wenn im Schrifttum (Staud/Weick Rn 19; s auch Soergel/Hadding Rn 16) die Wirksamkeit der Amtsniederlegung vom Innenverhältnis abhängig gemacht wird (vgl §§ 626, 627, 671, 675 mit der Unterscheidung von entgeltlicher und unentgeltlicher Tätigkeit), so bedeutet dies, dass ein entgeltlich tätiges Vorstandsmitglied sein Amt aus wichtigem Grund niederlegen kann (BGH 78, 82, 84; Hamm OLG 1988, 411, 413). Allerdings ist die Gleichstellung von Außenund Innenverhältnis bedenklich, aber eine zur Unzeit und grundlos erfolgte Niederlegung kann jedenfalls zum Schadensersatz verpflichten (BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 10). Sonstige Beendigungsgründe kann die Satzung bestimmen, zB Ende der Mitgliedschaft (auch Ausschließung), Ende der bestimmten Amtsdauer. Mit dem Eintritt des Tatbestandes endet die Organstellung automatisch (München WM 1970, 770). Automatisches Ende auch ohne besondere Satzungsbestimmung mit Eintritt der Geschäftsunfähigkeit. Zum Verhältnis zu Dritten s § 68. 6. Bzgl der Entstehung des Innenverhältnisses vgl Rn 1. Die Verweisung auf das Auftragsrecht, die 6 auch bei entgeltlicher Tätigkeit gilt, macht das Verhältnis noch nicht zum Auftrag. Angesichts der Breite der möglichen Tätigkeiten und Pflichten von Vorstandsmitgliedern unterschiedlicher Typen von Vereinen passt am besten die Qualifikation als Geschäftsbesorgungsvertrag, der je nach Vereinbarung zur Entgeltfrage mehr Auftrags- oder mehr Dienstvertragscharakter hat (ähnlich AnwK/Heidel/Lochner Rn 5; BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 8). Ob der Vorstand eine Vergütung beanspruchen kann oder wie die Mitglieder eines Verwaltungsrats (dazu BGH NJW-RR 1988, 745) ehrenamtlich tätig sein soll, ist im Ausgangspunkt trotz der Formulierung der Nr 2 S 1 umstritten, da die §§ 664–670 eine Vergütung nicht vorsehen. Im Zusammenhang mit der Gemeinnützigkeit besteht die Finanzverwaltung auf einer ehrenamtlichen Tätigkeit (BMF DB 2009, 987 und dazu Hüttemann DB 2009, 1205). Der BGH scheint eine Satzungsregelung zu verlangen (zul WM 2008, 736), weil es sich um eine Grundsatzentscheidung handle; angesichts der Ansprüche an das Vorstandshandeln (s auch Rn 7) spricht mehr dafür, für die Zubilligung einer Vergütung durch die Mitgliederversammlung keine Satzungsgrundlage zu fordern, wenn nicht die Satzung von ehrenamtlicher Tätigkeit ausgeht (Arnold, FS Reuter, 2010, 3ff). Der Vorstand ist der Mitgliederversammlung auf Wunsch jedes einzelnen Mitglieds, nach MüKo/Reuter Rn 40 aufgrund eines Mitgliederbeschlusses nach §§ 27 III, 666 auskunftspflichtig, sofern dies zur sachgemäßen Erledigung von Tagesordnungspunkten notwendig ist (LG Stuttgart NJW-RR 2001, 1478 für die Beschlussfassung über Entlastung); dies gilt auch gegen den Vorstand eines Dachverbandes (BGH 152, 339; ähnlich AnwK/Heidel/Lochner Rn 17). Inhaltlich umfasst die Auskunftspflicht alle Vereinsangelegenheiten; den Mitgliedern können Informationen nicht als geheimhaltungsbedürftig vorenthalten werden, weil ihrer Versammlung die letzte Entscheidung obliegt (MüKo/Reuter Rn 40). Zur Pflicht, die Namen der Mitglieder bekanntzugeben, § 25 Rn 1. Der regelmäßige Gleichlauf der Zuständigkeiten für die Organstellung und das Anstellungsverhältnis (Rn 2) soll nach BGH 113, 237 auch hier bestehen. Ob diese Lösung für einen Idealverein ohne andere Organe als den Vorstand und eine (möglicherweise kaum handlungsfähige) Mitgliederversammlung passt, ist zweifelhaft (abl MüKo/Reuter Rn 10; dem BGH zust BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 8). Der BGH (aaO) dehnt sie aber auch auf die Frage der Auflösung eines (mangels Anstellungskompetenz des Vorstands) fehlerhaften, aber zeitweilig durchgeführten Anstellungsverhältnisses aus und stellt iÜ (fast zu) hohe Anforderungen an das Vorliegen einer konkludenten Zustimmung des für die Anstellung eigentlich zuständigen Vereinsorgans. Ohne besondere Festsetzung einer Vergütung besteht nur Anspruch auf Aufwendungsersatz, überhöhte Vergütungen will BGH ZIP 1988, 427 überprüfen (dazu Reuter EWiR § 27 BGB 1/88). Daneben bestehen Elemente einer mitgliedschaftlichen Pflicht, die von denen der sonstigen Mitglieder abgehoben ist. Verletzung der Sorgfaltspflicht (Haftung für jedes Verschulden, § 708 gilt nicht, BGH NJW-RR 7 1986, 572, 574) verpflichtet das betreffende Vorstandsmitglied dem Verein – nicht den Mitgliedern – ggü zum Schadensersatz (RG 59, 50 für die GmbH; Zusammenstellung des Schrifttums zum Verein bei Linnenbrinck SpuRt 2000, 55). Grundlage ist § 667, BGH NJW 1997, 47. Als Haftungsmaßstab auf die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Vorstandsmitglieds eines Vereins der fraglichen Art abzustellen, hilft angesichts der Vielfalt der Vereine nicht viel weiter, die Anforderungen können nur dem konkreten Anstellungs- und Organverhältnis entnommen werden, anwendbar ist dann § 280, durch Satzung oder Anstellungsvertrag kann aber Haftungserleichterung vorgesehen werden (MüKo/Reuter Rn 38), und für ehrenamtlich Tätige sollte eine Haftungserleichterung auf grobe Fahrlässigkeit auch ohne ausdr Haftungsvorschrift gelten (AnwK/Heidel/Lochner Rn 20; BaRo/Schwarz/ Schöpflin Rn 20; aM MüKo/Reuter Rn 43). In Insolvenznähe steigen die Anforderungen an die Umsicht des Vorstands erheblich (näher § 42 Rn 6). Bei Aufteilung der Geschäftsführung innerhalb des Vorstands nur bei wirtschaftlicher (nur als Nebenzweck erlaubter) Tätigkeit ist eine gegenseitige Aufsichtspflicht der Vorstandsmitglieder denkbar, falls nicht schon die Satzung gegenseitige Kontrolle zum Gegenstand der Pflichten macht. Hat sich das Vorstandsmitglied bei seiner Entscheidung über einen internen, nicht in der Satzung verankerten Vorstandsbeschluss hinweggesetzt, so begründet dies nicht ohne weiteres seine Ersatzpflicht (BGH NJW 1993, 191). Auftragsrecht gilt auch im Verhältnis zu einem nicht dem Vorstand angehörigen Vereinsmitglied, das mit der Wahrung bestimmter Aufgaben betraut ist (BGH 89, 153, 157), wenn die Tätigkeit allein dem übertragenen Ehrenamt zugeordnet werden kann, doch kommt auch Werkvertrag in Betracht (Köln MDR 1990, 244 H. P. Westermann

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§ 27

Allgemeiner Teil

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für Architektenleistungen eines Vereinsmitglieds, das „Baubeauftragter“ war). Die Verweisung auf das Auftragsrecht bedeutet ferner, dass die Mitgliederversammlung dem Vorstand auch für einzelne Geschäfte Weisungen erteilen kann (Staud/Weick Rn 25). BGH 89, 153, 158 (ähnlich LG Bonn NJWRR 1995, 1435 für ein als Geschäftsführer tätiges Vorstandsmitglied) will für die Tätigkeit eines vom Verein eingeschalteten, nicht dem Vorstand angehörigen Vereinsmitglieds sogar die Grundsätze über Haftungserleichterung wegen Verrichtung schadensgeneigter Arbeit anwenden (dagegen mit Recht Brox/Walker DB 1985, 1469), was für ein Vorstandsmitglied aber nicht in Betracht kommt, BGH WM 1975, 467, 469; anders für Ausnahmefälle LG Bonn NJW-RR 1995, 1435. Ansprüche gegen ein Vorstandsmitglied können nur vom Verein, nicht aber von einem Mitglied geltend gemacht werden (Düsseldorf MDR 1983, 488). Hat der Verein für seine Organe eine Vermögenshaftpflichtversicherung abgeschlossen, kann dem Vorstandsmitglied ein Freistellungsanspruch zustehen (LG Bonn aaO). Wenn der BFH (BB 1998, 1934, s auch NZG 2003, 734; zur Haftungsbegrenzung BGH 133, 370, 376; ZIP 2002, 261) die persönliche Verantwortung jedes – auch eines ehrenamtlich tätigen – Vorstandsmitglieds für die Abführung vom Verein geschuldeter Steuern wie die Haftung eines GmbH-Geschäftsführers bestimmt, dabei § 43 GmbHG entspr anwendet und auch eine gegenseitige Überwachungspflicht mehrerer Vorstandsmitglieder annimmt, so sprechen hiergegen dieselben Bedenken bzgl der Ausweitung des Gläubigerschutzes zu besonderen Privilegien einer Gläubigergruppe (Darstellung und Kritik bei H. P. Westermann FS Fikentscher 1998, 456ff); ohnehin sind die Anforderungen an GmbH-Geschäftsführer auf Vorstände eines Idealvereins regelmäßig nicht übertragbar (aM Heermann FS für Röhricht, 2005, 1191, 1197), erst recht nach der neuerlichen schweren Verschärfung der Haftung im GmbH-Recht. 8

Die Entlastung des Vorstands in der Mitgliederversammlung bedeutet Verzicht auf bekannte und aus dem Rechenschaftsbericht erkennbare Ansprüche auf Ersatz aus der Geschäftsführung (BGH 24, 47, 54), allerdings nur insoweit, als das entlastende Organ die Tragweite der ihm abverlangten Entscheidung aufgrund der ihm erteilten Information überblicken konnte (BGH 80, 69, 74; 94, 324; ZIP 1987, 635; 88, 710; zur Auskunftspflicht Rn 6). Die Entlastung erfasst also nicht solche Ansprüche, die aus den den Mitgliedern zugänglichen Unterlagen bei sorgfältiger Prüfung nicht ersichtlich sind, dabei sind die Erkenntnismöglichkeiten eines Rechnungsprüfers nicht zuzurechnen (BGH ZIP 1988, 706). Bei ordnungsmäßiger Geschäftsführung besteht Anspruch auf Entlastung, wobei es nicht auf eine satzungsmäßige Festlegung des Anspruchs ankommt (anders Celle NJW-RR 1994, 1545, Köln NJW-RR 1997, 483; BGH 94, 324, 329; Sauter/Schweyer/Waldner Rn 289; wie hier BGH 24, 47, 54; gegen die Behauptung des Bestehens von Ersatzansprüchen kann sich ein Vorstand aber mit negativer Feststellungsklage wehren, BGH 94, 324, 329). Die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung zur Entlastung hindert den Vorstand nicht, bereits vor der Entlastung die sich aus der Geschäftsführung des Vorstands ergebenden Ansprüche geltend zu machen (BGH 24, 47).

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Beschlussfassung des Vorstands Bei einem Vorstand, der aus mehreren Personen besteht, erfolgt die Beschlussfassung nach den für die Beschlüsse der Mitglieder des Vereins geltenden Vorschriften der §§ 32 und 34.

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1. Bei mehrgliedrigem Vorstand gilt das Kollegialprinzip, die Verweisung auf § 32 bedeutet ua nach § 32 I S 3, dass bei Beschlussfassung das Mehrheitsprinzip gilt. Ferner folgt hieraus Ladungspflicht zur Vorstandssitzung unter Nennung der Beschlussgegenstände (Ausnahme § 32 II). Gemeint ist damit die Willensbildung im Innen- und im Außenverhältnis (MüKo/Reuter Rn 1, aM Reichert Rn 2602; Schwarz Rpfleger 2003, 1, 3; Staud/Weick Rn 8), aber wirksame Vertretung im Außenverhältnis setzt nur voraus, dass dort vertretungsberechtigte Vorstände in satzungsgemäß ausreichender Zahl tätig werden, ohne dass dafür gültiger Vorstandsbeschluss erforderlich ist (BGH 69, 252, BayObLG 1976, 230, 239; KGRp Berlin 2006, 601; MüKo/Reuter Rn 1; AnwK/Heidel/Lochner Rn 3). Das ist ohne Gefahren für den Rechtsverkehr möglich, da die Vertretungsregelung (nicht nur eine vom Gesetz abw) im Vereinsregister eingetragen werden muss, § 64. Die Vorschrift des § 40, deren frühere Fassung § 28 I als abdingbar darstellte, ist geändert, nach § 40 S 2 kann im Hinblick auf die Beschlussfassung des Vorstands von § 34 nicht abgewichen werden; das ist allerdings nicht mehr als die Korrektur eines Redaktionsversehens (Reuter NZG 2009, 1368, 1371). Außerdem ist Bevollmächtigung einzelner Vorstandsmitglieder durch die anderen möglich (KGJ 32 A 187), nicht dagegen die Einbeziehung eines Dritten, die Stimmrechtsübertragung auf einen Außenstehenden bedeute (Hamm OLG 1978, 26, 29). Sieht die Satzung Gesamtvertretung vor, so ist eine dem ersten Vorsitzenden erteilte Ermächtigung zur Alleinvertretung nichtig (München NJW-RR 1991, 893). § 28 gilt aber nur für die Bildung rechtsgeschäftlichen Willens (RG 53, 231; 57, 93; 59, 400).

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2. Beschlussfassung (einschl Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen) ist notwendig für die Rechtmäßigkeit der Handlungen des Vorstands (Schleswig NJW 1960, 1682 mit Annahme der Nichtigkeit des Beschl als Folge des Fehlens der Ladung eines Vorstandsmitglieds ohne Rücksicht auf die Kausalität seiner Stimmabgabe). Zur Vertretungsmacht s Rn 1. Wenn der Vorstand vollständig erschienen ist, können im allseitigen Einverständnis auch ohne Einhaltung der Vorschriften über Ladung und Mitteilung der Tagesordnung wirksame Beschl gefasst werden, es genügt auch, wenn sich trotz eines Einberufungsmangels alle Vorstandsmitglieder mit der Beschlussfassung einverstanden erklären (Reichert Rn 2597). Zur Möglichkeit der Zustimmung zur einzelnen Handlung s auch RG 81, 325. Stimmabgabe als Willenserklärung nach allg Vorschriften anfechtbar (dazu näher Bartholomeyczik AcP 144, 287), damit ist aber nicht ohne weiteres aufgrund des Beschl erfolgte Außenhandlung unwirksam, vielmehr nur dort, wo der Beschl ein notwendiger Bestandteil des weiteren Tatbestandes ist. 138

H. P. Westermann

Juristische Personen

§ 29

29

Notbestellung durch Amtsgericht Soweit die erforderlichen Mitglieder des Vorstands fehlen, sind sie in dringenden Fällen für die Zeit bis zur Behebung des Mangels auf Antrag eines Beteiligten von dem Amtsgericht zu bestellen, das für den Bezirk, in dem der Verein seinen Sitz hat, das Vereinsregister führt.

1. Folgerung aus dem notwendigen Vorhandensein eines Vorstands, der Mitglieder in vertretungs- 1 berechtigter Zahl umfassen muss. Bestellung eines Treuhänders für jur Pers ohne gesetzliche Grundlage unzulässig (BGH BB 1956, 415), jedoch gilt § 29 auch für den in Liquidation befindlichen Verein (BayObLG Rpfleger 1987, 250). § 29 wird für die Kapitalgesellschaften entspr angewendet und spielt bei der GmbH eine nicht unerhebliche praktische Rolle, dazu H. P. Westermann FS Kropff, 1997, 681ff; Bauer Der Notgeschäftsführer in der GmbH, 2006; zur AG § 85 AktG. Bei politischen Parteien wird uU ein Parteischiedsgericht vorrangig tätig werden können (Hamm NJW-RR 1989, 1532; s aber auch Hahn NJW 1973, 2012). 2. Voraussetzungen. Fehlen (auch andauernde Krankheit, Ablauf der Amtszeit, Abwesenheit oder 2 Amtsenthebung, Frankfurt BB 1986, 1601; LG Bonn Rpfleger 1987, 460), Entziehung der Vertretungsbefugnis (BayObLG NJW-RR 1986, 523) oder auch Behinderung des Vorstands bzw Ausfallen eines Vorstandsmitglieds, so dass Vertretungsmöglichkeit fehlt, nicht aber, wenn ein nach der Satzung für die Bestellung zuständiger Dritter ausgefallen ist, KG Rpfleger 2007, 92. Bei bloßer Untätigkeit des vorhandenen Vorstands sind Maßnahmen durch die Mitgliederversammlung zu ergreifen, zB Anweisung, notfalls Widerruf und Neubestellung, Frankfurt NJW 1966, 50; GmbHR 2001, 436. Umstr ist die Folge einer grds Handlungsverweigerung eines unentbehrlichen Mitglieds (für Anwendbarkeit des § 29 KG JW 1937, 1730; MüKo/Reuter Rn 9; abl Muscheler, FS für Reuter, 2010, 225, 231). Bloße Differenzen der Organe und ihrer Vertreter oder unsachgemäße Tätigkeit des amtierenden Vorstands reichen nicht aus (BayObLG Rpfleger 1983, 74; ZIP 1997, 1785, näher Hohlfeld GmbHR 1986, 181; H. P. Westermann FS Kropff 1997, 681, 683ff; Kögel NZG 2000, 20; anders für Ausnahmefälle München Rpfleger 2008, 140), ebenso wenig bloße Dringlichkeit der Einberufung einer Mitgliederversammlung, solange der Vorstand dies tun kann (LG Düsseldorf Rpfleger 1987, 72f, das aber Nichtigkeit der Vorstandswahl ausreichen lässt). Entscheidend ist, dass ohne die Notbestellung eine alsbald erforderliche Handlung nicht stattfinden könnte (BayObLG Rpfleger 1996, 114 für GmbH; München, Rpfleger 2007, 92 für das Fehlen eines zur Registeranmeldung befugten Vorstands). Die Voraussetzungen liegen auch vor, wenn GmbH-Gesellschafterversammlung sich nicht auf Geschäftsführer einigen kann, BayObLG NJW-RR 1999, 1259. Dringendes Bedürfnis für die Tätigkeit des Vorstands (BayObLG 1985, 24) muss vorliegen, die einfachere Möglichkeit des § 57 ZPO geht vor (s Stuttgart MDR 1996, 198; Dresden GmbHR 2002, 165; dagegen Muscheler, aaO, 232f), was besonders als Lösung in Betracht kommt, wenn die jur Pers im Insolvenzverfahren keine Organe mehr hat (Kutzer ZIP 2000, 654 gegen Köln ZIP 2000, 280, das auch hier einen Notgeschäftsführer – für GmbH – fordert), wie hier auch Zweibrücken ZIP 2000, 973 m Anm Hohlfeld GmbHR 2001, 573. Der mögliche Weg über § 29 schließt eine Lösung über die Bestellung eines Prozesspflegers nicht aus, Zweibrücken GmbHR 2007, 544, doch wird die Maßnahme nach § 57 ZPO als vorzugswürdig angesehen, München NZG 2008, 160. Eine Bestellung nach § 29 kommt auch nicht in Frage, wenn anzunehmen ist, dass die Mitglieder in der Lage sein werden, rechtzeitig einen Vorstand zu bestellen (BayObLG DB 1995, 2364) oder wenn der Vertretungsmangel durch die Zuwahl eines Gesamtvertretungsberechtigten behoben werden kann (BayObLG 1989, 298). Die Bestellung ist immer nur vorübergehende bzw vorläufige Hilfsmaßnahme (BayObLG Rpfleger 2a 1987, 251), wobei aber die zur Bestellung zwingende Notlage auch lange Zeit andauern kann und die bloße Zeitdauer keinen Grund für eine Abberufung darstellt (Düsseldorf ZIP 1997, 846 für GmbH). Erforderlich ist Antrag eines Beteiligten (Mitglieds, Vertragspartners usw), wobei die Mitgliedschaft des Antragstellers bis zur Bestellung fortbestehen muss (BayObLG NJW-RR 1994, 832); zum Tätigwerden von Amts wegen s §§ 73, 74. Der Antrag ist zurückzuweisen, wenn sich keine geeignete und zur Übernahme bereite Person findet, München, Rpfleger 2007, 92. BayObLG NJW-RR 1989, 265 hat die Einsetzung eines Notvorstands von Amts wegen zugelassen, allerdings nur, um das Ausscheiden eines im Vereinsregister eingetragenen Vorstandsmitglieds lange nach Auslaufen seiner Amtszeit anzumelden, und in der sicheren Annahme, dass keiner der Beteiligten einen entspr Antrag stellen werde. Es handelt sich dabei weniger um eine Maßnahme nach § 29 als um eine Bereinigung des Vereinsregisters. Anstelle des Vorgehens nach § 29 kann nicht ein Abwesenheitspfleger für das abwesende Vorstandsmitglied bestellt werden (KG JR 1950, 343). Die Maßnahmen nach § 29 führen nicht zum Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds (Schleswig NJW 1960, 1862; Frankfurt NJW 1966, 504). 3. Der Bestellungsbeschluss muss dem Antragsteller bekannt gegeben werden, § 41 FamFG, doch 3 da es dem Bestellten freisteht, die Bestellung anzunehmen, hat ihn das Registergericht zu verständigen (BayObLG NJW 1981, 996), und erst mit seiner Annahme erlangt er die Organstellung (BayObLG NJW 1981, 995). Auch bei Fehlerhaftigkeit ist der Beschl bis zur Aufhebung wirksam (RG JW 1918, 361), aber bei unzulässigem Inhalt unwirksam (KG JR 1950, 343). Bzgl Eintragung des Beschl s § 67 II. Gegen den Beschl steht neben dem Verein nur Vorstand und Vereinsmitgliedern ein Beschwerderecht zu (BayObLG NJW-RR 1997, 289). Grds erhält der Bestellte die volle Vorstandsstellung, muss daher die in der Satzung verlangten Qualifikationen besitzen (BayObLG Rpfleger 1992, 114). Beschränkung der Rechtsmacht auf einzelne Punkte möglich, was jedoch nur im Innenverhältnis wirkt, während nach außen keine Beschränkung besteht (BayObLG NJW-RR 1986, 523; s auch Düsseldorf ZIP 2002, 481; für Bestellung nur für konkret zu bezeichnende Aufgaben aber München, Rpfleger 2007, 92; abl Muscheler aaO Rn 2 S 242). Sinnvoll kann es sein, die Vertretungsmacht auf die Einberufung einer Mitgliederversammlung zu beschränken (BayObLG 1987, 29). Wirkung oder BeH. P. Westermann

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§ 29

Allgemeiner Teil

Personen

schränkung Dritten ggü nur gem § 70 (str). Dass das Amt automatisch mit Behebung des Mangels erlischt (BayObLG NZG 2002, 433), ist aus Gründen der Rechtssicherheit nicht anzunehmen, das Gericht kann den Notvorstand aus wichtigem Grund abberufen (Düsseldorf ZIP 2002, 481; Muscheler S 243). Zum Schutz Dritter s § 68. Der Bestellungsbeschluss schafft nur die Organstellung (BGH 24, 47, 51); nach Köln ZInsO 2002, 834 kann das Gericht sogar in Abweichung von Satzungsbestimmungen alleinige Vertretungsbefugnis erteilen. Das Innenverhältnis kann vertraglich geregelt werden (auch zw Amtsgericht und Bestelltem mit Wirkung für den Verein; sehr weitgehend BayObLG 1975, 260, 262), es wird aber auch angenommen, dass mit der Annahme des Amts schlüssig ein Anstellungsverhältnis begründet werde (Frankfurt FGPrax 2006, 81), sogar als entgeltliches, wenn die Tätigkeit nach den Umständen nur als entgeltliche zu erwarten ist (BayObLG 1975, 260, 262). Doch soll die Regelung der Vergütung nicht durch das Registergericht, sondern nur – auf Klage des Notvorstands – durch das Prozessgericht erfolgen können (BayObLG NJR-RR 1988, 1500; anders BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 13). Zu den besonders bei der GmbH str weiteren Folgen näher H. P. Westermann FS Kropff 1997, 681ff. Der Prozessrichter darf die nach § 29 vorgenommene Vorstandsbestellung nicht auf ihre Erforderlichkeit und materielle Richtigkeit überprüfen (BGH 24, 51). Zum Beschwerdeverfahren einschl seiner Erledigung BayObLG NZG 2002, 433. 4

4. § 29 gilt auch für die Genossenschaft, RG JW 1936, 2311; BGH 18, 337, dagegen nicht für die OHG und für die jur Pers des öffentlichen Rechts (KG NJW 1960, 151; BayObLG NJW 1962, 2253), einschl körperschaftlich verfasster Religionsgemeinschaften, die staatsfrei bleiben müssen (OVG Magdeburg NJW 1998, 3672). Anwendung auf die Personengesellschaft str, analoge Anwendung auf die GmbH & Co KG bejahen Saarbrücken OLG 1977, 291, 293 und Soergel/Hadding Rn 3, dagegen zu Recht MüKo/Reuter Rn 6, weil der Wegfall des einzigen Komplementärs Auflösungstatbestand ist.

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Besondere Vertreter Durch die Satzung kann bestimmt werden, dass neben dem Vorstand für gewisse Geschäfte besondere Vertreter zu bestellen sind. Die Vertretungsmacht eines solchen Vertreters erstreckt sich im Zweifel auf alle Rechtsgeschäfte, die der ihm zugewiesene Geschäftskreis gewöhnlich mit sich bringt.

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1. Zweck des § 30 ist, für weitverzweigte jur Pers mit selbständigen Einrichtungen eine entspr Organisation zu ermöglichen, weil die Mitgliederversammlung faktisch kaum mitwirken kann. § 30 gilt für alle jur Pers, auch die des öffentlichen Rechts; bei der AG ist die Kompetenz des Vorstands zwingend ausgestaltet, und bei den Personengesellschaften ist der dort geltende Grundsatz der Selbstorganschaft (§ 709 Rn 3ff) zu beachten, so dass § 30 außerhalb des Vereinsrechts nur geringe Bedeutung hat (ähnlich MüKo/Reuter Rn 16). Der besondere Vertreter ist Vereinsorgan (PWW/Schöpflin Rn 1). Vom Bevollmächtigten und vom Verrichtungs- bzw Erfüllungsgehilfen unterscheidet er sich durch die satzungsmäßige Grundlage seiner Stellung, in die er durch Organbestellungsakt berufen wird. Wer nicht aufgrund ausdr Satzungsvorschrift bestellt ist, kann iSd § 5 I S 2 ArbGG als Arbeitnehmer angesehen werden (BAG NJW 1997, 3261). Vom Vorstand unterscheidet sich der besondere Vertreter durch seine ihm ggü beschränkte Funktion bei Erhaltung einer gewissen Selbständigkeit (RG 157, 229, 236; 162, 168), ohne dass eine Unterstellung unter die Oberaufsicht eines anderen Vereinsorgans seiner Eigenschaft als besonderer Vertreter entgegensteht (BGH NJW 1977, 2260); nicht selten wird es freilich gerade darum gehen, durch den besonderen Vertreter ein Gegengewicht gegen den allzuständigen Vorstand zu schaffen, wobei freilich zu beachten ist, dass der Verein für Handlungen des besonderen Vertreters nach § 31 haften kann (MüKo/Reuter Rn 2). Das gilt bei größeren Gewerbebetrieben für Abteilungsleiter und sonstige selbständige Personen, zB Leiter einer Zweigstelle einer Großbank (BGH NJW 1977, 2259), auch wenn sie auf die innere Geschäftsführung beschränkt sind (RG 163, 29). Auch einem Aufsichtsrat, der zur Kontrolle des Vorstands bestellt ist, können dann Aufgaben wie die Vertretung ggü dem Vorstand übertragen sein, LG Hamburg SpuRt 2007, 167, Ähnliches kann für die Vorstände rechtlich unselbständiger Untergliederungen gelten (dazu Vor § 21 Rn 4).

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2. Für die Bestimmung in der Satzung genügt die satzungsmäßige Begründung der Einrichtung (RG 91, 1; 94, 318; 117, 61; BAG NJW 1997, 3261), die Notwendigkeit eines besonderen Vertreters kann sich aus dem Gesamtinhalt der Satzung und der daraus ersichtlichen Bezeichnung eines nicht schon durch den Vorstand zu betreuenden Geschäftskreises ergeben (Staud/Weick Rn 3, so auch LG Chemnitz mit Kurzkomm Gärtner/Rawert EWiR 2001, 795), so dass der Vorstand verpflichtet sein kann, einen besonderen Vertreter zu bestellen (BGH 39, 124, 129f; BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 4); dafür reicht aber, wie die Rspr zT annimmt (RG 163, 21, 30), die objektiv zu fordernde Selbständigkeit der Stellung nicht aus (Soergel/Hadding Rn 5). Praktisch wirkt aber die Organisationspflicht (Rn 4) ähnlich. Zuständigkeit zur Bestellung ergibt die Satzung, sonst § 27. Die Eintragung des besonderen Vertreters ins Vereinsregister richtet sich nach § 64, BayObLG NJW 1981, 2068.

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3. Die Vertretungsmacht ist hier schon kraft Gesetzes auf die für den Geschäftskreis des Vertreters gewöhnlichen Geschäfte beschränkt, insoweit kein Gutglaubensschutz für Dritte. Weitere Einschränkung, selbst Ausschluss der Vertretungsmacht, durch die Satzung möglich. Gutglaubensschutz, falls mit der betreffenden Stellung allg Vertretungsmacht verbunden zu sein pflegt, entweder bei Eintragung nach § 68, sonst nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht. Auch kommen Grundsätze der Repräsentantenhaftung in Betracht, dazu § 31 Rn 1.

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4. § 30 ist bloße Kannvorschrift für die jur Pers, s aber RG JW 1938, 3126 und RG 157, 235; 162, 166, die Organisationspflicht der jur Pers annehmen, die sie zwingt, für Tätigkeitsbereiche, insb wirt140

H. P. Westermann

Juristische Personen

§ 31

schaftlicher Art, die der Vorstand allein nicht mehr übersehen kann, ein besonderes Organ zu schaffen. Die von der Rspr entwickelte Organisationspflicht gilt für alle Gefahrenquellen, nicht nur für die Verkehrssicherungspflicht (BGH 27, 280, 283; s auch BGH 24, 200, 213; 39, 124, 130; BGH 59, 76, 82). Wegen der Verletzung der Organisationspflicht haftet die jur Pers für den Schaden so, wie wenn er durch einen unter §§ 30, 31 fallenden Vertreter herbeigeführt wäre.

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Haftung des Vereins für Organe Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt. 1. Ratio des § 31 ist die Gleichstellung der jur Pers mit der natürlichen bzgl der Haftung für zum 1 Schadensersatz verpflichtende Handlung außerhalb vertraglicher Verhältnisse, für die sonst immer nur nach § 831 gehaftet würde. Die Handlungen ihrer Organe sind der jur Pers als ihre Handlungen zuzurechnen, gleichgültig ob man die Handelnden als Organ (Organtheorie) oder als Vertreter (Vertretungstheorie) der jur Pers ansieht; § 31 wirkt in diesem System nicht haftungsbegründend, sondern haftungszurechnend (BGH 99, 298, 302; BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 1; AnwK/Heidel/Lochner Rn 1). Dies bedeutet dann auch eine Haftung der jur Pers neben der des Organs, Altmeppen NJW 1996, 1017ff. Weitergehend Kleindiek, Deliktshaftung und jur Pers 1997, 238ff, der neben der Haftungszurechnung als Grundlage des § 31 bei Pflichtverletzungen eine Eigenverantwortung der jur Pers auch ohne ein Eigendelikt des Organs, an das angeknüpft werden müsste, bejaht und diesen Gedanken auch auf die Gesamthandsgemeinschaften einschl der GbR ausdehnt (aaO, 254ff). Dadurch, dass § 31 die Haftung des Personenverbandes über die (selbstverständliche) für Organe auf das Handeln „anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter“ ausdehnt, wird ein Schritt in Richtung auf eine allg Repräsentantenhaftung vollzogen, die dem Verein die Verantwortung für die selbständige Wahrnehmung seiner Aufgaben mit den zur Verfügung gestellten Mitteln durch eine dazu in Verfolgung des satzungsmäßigen Zwecks ordnungsgemäß eingesetzte Person auferlegt, s die Formulierungen bei BGH NJW 1977, 2259; 84, 922; Nürnberg WM 1988, 120. Ob es sich dabei noch um Auslegung des § 31 oder um Analogie handelt (Martinek, Repräsentantenhaftung 1979, 196ff; MüKo/Reuter Rn 5), ist weniger wichtig als die Einsicht, dass die Verantwortung für deliktisches Handeln von Repräsentanten ein allg verbandsrechtliches Prinzip bildet, dessen Geltung folglich nicht auf den Idealverein beschränkt ist. Die zu § 31 entwickelten Regeln werden auch im Rahmen des § 890 ZPO angewendet (Karlsruhe NJW-RR 1998, 1571). Den Ansatz beim Deliktsanspruch hat Köln (NJW-RR 1998, 756) auch für die Beurteilung der Haftung für das im Inland handelnde Organ einer ausländischen jur Pers für entscheidend gehalten, also das Deliktsstatut und nicht das Gesellschaftsstatut angewendet. Die Satzung kann die Haftung nicht ausschließen, § 40. Vertraglicher Ausschluss ist im Einzelfall im Rahmen des § 278 möglich, nicht aber für Vorsatz, da Handeln des Organs als Handeln der jur Pers selbst gilt (BGH NJW 1973, 456). Zum Haftungsausschluss durch AGB s § 309 Nr 7. § 31 gilt für die jur Pers des bürgerlichen, des Handelsrechts und des öffentlichen Rechts, § 89, und 2 wird darüber hinaus auch auf die OHG trotz ihrer fehlenden Rechtssubjektivität angewandt (BGH NJW 1952, 537; 1973, 456; 1998, 148); damit auch auf die Partnerschaftsgesellschaft (AnwK/Heider/ Lochner Rn 3), für die KG, BGH VersR 1962, 168, und für die Gründungsgesellschafterin eines Fonds (im Hinblick auf Prospekthaftung) BGH NJW 2006, 2410; auf das Vorliegen einer körperschaftlichen oder einer personalistischen Verfassung kommt es nicht an. Somit kann iSd § 31 auch ein nicht oder jedenfalls nicht allein vertretungsberechtigter Gesellschafter deliktisch gehandelt haben, bzgl des nicht rechtsfähigen Vereins s § 54 Rn 11. Die Haftung einer BGB-Außengesellschaft für Delikte ihrer zur Geschäftsführung oder Vertretung befugten Gesellschafter ist seit BGH ZIP 2003, 664, 665 (s auch BGH WM 2003, 1821) anerkannt (K. Schmidt NJW 2003, 1897, 1898; H.P. Westermann/Wertenbruch, Hdb der Personengesellschaften I 854; krit Altmeppen NJW 2003, 1553). Das führt auch bei diesen Haftungstatbeständen zur gesamtschuldnerischen Haftung der Gesellschafter und der Gesellschaft, wie es für sittenwidrige Schädigungen durch den Vorstand einer AG entschieden wurde (BGH ZIP 2005, 1270 – EM-TV, dazu Bayer/Weinmann EWiR 2005, 689; Fleischer ZIP 2005, 1805; Hutter/Stürwald NJW 2005, 2428; Henze, FS Hopt I, 2010, S 1933). Dass nach wie vor ein Unterschied zw juristischer Persönlichkeit und Rechtsfähigkeit besteht, rechtfertigt in diesem Bereich keine Differenzierungen, jedenfalls dann nicht, wenn eine auf eine gewisse Dauer angelegte Organisation vorhanden ist, die dem Handelnden Mittel verschafft und Zwecke seines Tuns vorgibt (ähnlich K. Schmidt, Gesellschaftsrecht § 60 II 4). Die Judikatur zur Rechtsfähigkeit der GbR (Vor § 705 Rn 18) ist so eindeutig auf die Außengesellschaft bezogen, dass für eine reine Innengesellschaft eine Repräsentantenhaftung iSd § 31 nicht passt (so auch Klerx NJW 2004, 1907). Wohl hat der BGH eine Anwaltssozietät, die in der Rechtsform der GbR betrieben wurde (dazu BGH 56, 355, 357; BGH NJW 1996, 2859; Vor § 705 Rn 31), bei berufshaftungsrechtlichen, aber auch bei deliktischen Verbindlichkeiten der Haftung nach § 31 unterworfen und dies auf das – auch: deliktische – Handeln eines Scheinsozius erstreckt (BGH 172, 269 m zust Anm Damm JR 2008, 221; Grunewald BGHRp 2007, 868; Schodder EWiR 2007, 581; aM Meyer WM 2007, 2364ff). Das bedeutet vor allem eine persönliche Haftung aller Sozien (anders früher BGH 45, 311) auch für solche Schulden einschl eventuell auf den Briefbogen der Sozietät als Anwälte aufgeführten, wenn auch nicht als Partner aufgenommenen Scheinsozien; nach neuster Rspr (BGH NJW 2010, 1360) gilt dies auch dann, wenn die zum Schadensersatz verpflichtende Handlung vor dem Eintreten des Scheinsozius geschah. Zu entscheiden sein wird noch, ob die Anwendung dieses Haftungssystems durch eine analoge Anwendung des § 8 II PartGG abgeschwächt werden kann (Weinberr AnwBl 2007, 711; Henssler NJW-Editorial 19/2010). H. P. Westermann

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§ 31

Allgemeiner Teil

Personen

Die auf Auseinandersetzung angelegte Erbengemeinschaft gehört nicht hierher (München HRR 1939, Nr 365; aM MüKo/Reuter Rn 16), ebenso wenig die Gütergemeinschaft (MüKo/Reuter Rn 16). Im Anschluss an Bötticher ZZP 57, 55, 71 kommt die Ansicht auf, dass § 31 zumindest auf deliktisches Handeln des Insolvenzverwalters oder des Testamentsvollstreckers mit „Haftung der Masse“ anwendbar ist (Lüke ZIP 2005, 1113, 1117; MüKo/Reuter Rn 18; für den Insolvenzverwalter auch BaRo/ Schwarz/Schöpflin Rn 3), was mit dem Haftungsbedürfnis angesichts des Ausfallens des § 31 zwar nicht stark begründet, aber wegen der Unanwendbarkeit des § 831 letztlich doch zu billigen ist. Für eine Anwendung des § 31 auf alle Unternehmensträger Nitschke NJW 1969, 1737, was insb das einzelkaufmännische Unternehmen betreffen würde. Auf diese Weise wird jedoch § 31 ggü § 831 konturenlos. Gegen die Anwendung des § 31 auf Wohnungseigentümergemeinschaft gem WEG Frankfurt OLG 1985, 146, was aber nach der Annahme der Rechtsfähigkeit auch dieses Gebildes (BGH 163, 154) wohl nicht mehr zu halten ist. 3

2. Der Verein haftet für die Handlungen des Vorstands und anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter. Verfassungsmäßig berufener Vertreter ist hier gleichbedeutend mit besonderem Vertreter iSd § 30, wobei die allg Stellung des Handelnden, nicht seine Vertretungsmacht entscheidend ist (RG 57, 289; s auch RG 162, 202, 207 gegen RG 131, 247). Für die Begriffsbestimmung des Handelnden iSd § 31 ist nicht der technische Begriff des „Vertreters“, sondern die in Rn 1 angegebene ratio des § 31 maßgebend (BGH 49, 19, 21; BGH NJW 1977, 2259 und ständig). Dass der Handelnde Vertretungsmacht gem § 164 hat, ist daher nicht erforderlich (RG 110, 147; BGH BB 1959, 57; BGH 98, 148, 151). Es kommt also darauf an, ob der betreffenden Person, ggf auch einem Mitgesellschafter (wie dem Scheinsozius einer Anwaltsgesellschaft), durch eine Handhabung für die Gesellschaft praktisch wichtige Tätigkeiten zur selbständigen Erledigung übertragen sind, so dass er im Rechtsverkehr als Repräsentant der Gesellschaft angesehen wird (BGH NJW 1998, 1856), im hier erörterten Fall also der einverständlich tätige Sachbearbeiter, BGH 172, 169. Weisungsgebundenheit im Innenverhältnis schadet nicht, BGH NJW 1977, 2260. Demgemäß genügt auch das zum Schadensersatz verpflichtende Handeln eines zur Gesamtvertretung Befugten (was bei Handelsgesellschaften auch ein Prokurist sein kann, s BGH 62, 166), sofern sich der Handelnde im Rahmen des ihm zugewiesenen Wirkungskreises gehalten hat. Mit dieser Abkopplung der deliktischen Haftung von der Vertretungsordnung will BGH 98, 148, 154 den Rechtsverkehr vor Schäden schützen, die ein nur gesamtvertretungsberechtigtes Organ verursacht, ebenso für die Kompetenzregeln von Körperschaften des öffentlichen Rechts BGH NJW 1986, 2939f; van Look WuB IV A § 89 BGB 1/87. Damit sind allerdings eine Reihe von Folgefragen verbunden: Wie gerade der Fall des BGH 98, 148 (betrügerische Hinzuziehung eines nicht mehr Vertretungsberechtigten durch den lediglich Gesamtvertretungsberechtigten, ähnlich bei Unterschriftsfälschung) zeigt, liegen Tatbestände vertraglicher oder vertragsähnlicher Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss und § 179, die schon bei Fahrlässigkeit eingreifen können (näher Canaris JuS 1980, 332; Prölss JuS 1986, 169, 174), so nahe bei der deliktischen Haftung, dass geprüft werden muss, ob nicht die Ausdehnung der deliktischen Haftungsordnung eine Einschränkung der gesamten Tatbestände vertraglicher Haftung zur Folge haben muss (dazu eingehend Dieckmann WM 1987, 1473, 1478ff), was allein auf dem Weg über § 254 bzw § 179 III nicht immer gelingen wird.

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Handeln eines einem verfassungsmäßig berufenen Vertreter gleichwertigen, in eigenverantwortlicher Aufgabenerfüllung Handelnden ist angenommen worden für stellvertretenden GmbH-Geschäftsführer, Karlsruhe NJW-RR 1998, 1571; für Filialleiter einer Auskunftei BGH 49, 19; einer Bank BGH BB 1970, 685 (anders für Versicherungsunternehmen, Hamm VersR 2000, 213); für Sparkasse BGH NJW 1984, 921; für genossenschaftliche Bank Nürnberg WM 1988, 119; für Abteilungsleiter einer Bank Frankfurt ZIP 1996, 1824; für Chefarzt BGH 77, 74; 101, 215, 218 und näher Franzki/Hansen NJW 1990, 737, 743, desgl für einen eine Geburt leitenden Arzt Düsseldorf VersR 2008, 534; für Hauswirtschaftsleiterin eines Alten- und Pflegeheims LG Frankfurt NJW-RR 1989, 419, nicht dagegen für Belegarzt, auch wenn er sich als Leitenden Arzt oder Chefarzt bezeichnet, Koblenz NJW 1990, 1534. Somit haftet eine Gewerkschaft für unerlaubte Handlungen der Streikleiter nach § 31 (für solche der Streikposten nur nach § 831, BAG NJW 1989, 57 m Anm Löwisch JZ 1989, 85). Das Erfordernis der Zuweisung von Aufgaben zur eigenverantwortlichen Erfüllung fehlt bei einem der Weisung des Filialleiters unterworfenen Angestellten, auch wenn er Prokurist ist; er ist Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfe (BGH BB 1970, 685), für den Leiter (organähnliche Person) ist aber mit RG 157, 236 Weisungsgebundenheit nach innen für die Haftung bedeutungslos. Nicht unbedenklich dagegen die Anwendung auf selbständigen Handelsvertreter, weil er auch Aufgaben übergeordneter Art zu erledigen hatte, BGH NJW 1998, 1854, 1856.

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3. In Ausführung der dem Handelnden zustehenden Verrichtung erfolgen die schadenstiftenden Handlungen, wenn ein mehr als örtlicher und zeitlicher, also innerer sachlicher Zusammenhang besteht, BGH 98, 148; BGH NJW 1980, 115; AnwK/Heidel/Lochner Rn 10; vom Handeln in „vereinsamtlicher Eigenschaft“ sprechen BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 17. Rein persönliche Verhaltensweisen (zB ehebrecherisches Verhältnis) nur, falls sie in den dienstlichen Bereich der Organperson fallen (BayObLG NJW 1964, 1962). Vorsätzlich unerlaubte Handlungen geschehen idR nur „bei Gelegenheit“. Die Einschränkung durch BGH 98, 148 für die betrügerische Heranziehung eines nicht unterschriftsberechtigten Vertreters (ähnlich wäre für Fälschung zu entscheiden, BGH NJW 1977, 2259; 80, 115) stellt auf das Rechtsgeschäft ab, bei dem die unerlaubte Handlung begangen wurde und knüpft so an die Rspr an, die Überschreitungen der Zuständigkeit für unerheblich erklärt, sofern die Handlung objektiv noch im Geschäftskreis der jur Pers bleibt (dazu RG 104, 288; 128, 229, 233; BGH BB 1959, 57, so auch München WM 1991, 699 für Vorspiegelung von Alleinvertretungsbefugnis durch gesamt-

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vertretungsbefugten Geschäftsführer). Auch Missbräuchlichkeit des Handelns des Organwalters, selbst eine dem Geschädigten bekannte, ändert an der Zurechnung eines Handelns, nichts (BGH ZIP 1990, 918 für Aufklärungspflichtverletzungen des Filialleiters einer Großbank, der durch die schädigende Transaktion mit dem Wissen des Klägers revisionstechnische Probleme bewältigen wollte; s auch BGH ZIP 2005, 1270 für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen, dgl für einen eine Geburt leitenden Arzt Düsseldorf VersR 2008, 534). Eine Zurechnung nach diesen Regeln kommt somit auch bei Handeln im außer-rechtsgeschäftlichen Bereich in Betracht (dazu auch KG KGRp 2007, 640). Im Ganzen spielt die Sicht des Außenstehenden vom Aufgabenkreis des Handelnden eine wichtige Rolle (BGH 98, 148, 152; zust Canaris EWiR § 31 BGB 1/86). Kann das Vorstandsmitglied die schadenstiftende Handlung in verschiedenen Funktionen vorgenommen haben, entscheidet für die Zuordnung der Verantwortlichkeit das objektive Auftreten nach außen, nicht dagegen sein innerer Wille (Frankfurt OLG 1985, 112, 114). Eine Haftung für Vorsatztaten kommt auch in Betracht, wenn gerade gegen spezielle, in der Aufgabe der jur Pers oder der Stellung des Organs begründete Pflichten verstoßen wurde, zB Unterschlagung anvertrauter Gelder durch den Bürgermeister (RG JW 1913, 587), oder Filialleiter einer Bank schädigt vorsätzlich einen Kunden durch bewusst falsche Auskunftserteilung (BGH NJW 1954, 1193; vgl auch BGH BB 1956, 941; DB 1970, 679; NJW 1984, 921). Daher keine Haftung der jur Pers für Aktionen, die der Handelnde in seiner Funktion vorbereitet, aber durch Handlungen als Organ einer anderen jur Pers ausgeführt hat (BGH 99, 298); anders, wenn auch der Wechsel der jur Pers, in deren Rahmen gehandelt wird, demjenigen Verband zuzurechnen ist, als dessen Organ der Handelnde die Vorbereitungen traf, dasselbe beim Komplementärwechsel in der Publikums-GmbH & Co KG. Keine Haftung der jur Pers dagegen für Handlungen, die von ihr entsandte Personen als Organ einer anderen jur Pers begangen haben (BGH WM 1984, 1119 für das Handeln eines Bediensteten einer Stadt im Vorstand des örtlichen Fremdenverkehrsvereins – Ausdehnung auf entsandte Organmitglieder zweifelhaft). 4. Die Haftungstatbestände sind die allg, da Gleichstellung der jur Pers mit der natürlichen erreicht 6 werden soll, also Verwirklichung der vollen objektiven und subjektiven Voraussetzungen erforderlich. Ausreichend ist, dass die Haftungsvoraussetzungen bei der Organperson erfüllt sind. Bei einem Schadensersatzanspruch eines Vereins gegen einen Dritten muss sich der Verein gem § 31 ein Mitverschulden seiner Organe oder verfassungsmäßig berufenen Vertreter anrechnen lassen, BGH ZIP 2010, 284. § 31 dehnt sogar dann nur die Haftung auf die jur Pers aus. Zur Schädigung wichtiger Mitgliedsinteressen oder der Mitgliedschaft durch Organhandeln s § 38 Rn 9. Genügend auch schuldlose, zum Ersatz verpflichtende Handlung, zB §§ 228, 231, 904. Schon die frühere Rspr (RG HRR 1928, 1396; SeuffA 82, 97) ließ Haftung der jur Pers für vollmachtloses Handeln der Organe nur bei Erfüllung von Deliktstatbeständen zu, s näher Rn 3. Zu weitgehend BayObLG 1942, 254 mit Behandlung jeder verpflichtenden Zusage als Haftungstatbestand. Zum Zweck der Sicherung der Haftungsgrundlagen einer Handelsgesellschaft keine Haftung der AG, GmbH und Genossenschaft, wenn Beitritt durch unerlaubte Handlung des Organs veranlasst oder Ausscheiden schuldhaft nicht angemeldet ist (RG 54, 127; 72, 293), so auch bei der Genossenschaft ist (RG 68, 348; dagegen Ruth JW 1934, 2106). Namhaftmachung des Handelnden nicht erforderlich, sofern die Organqualität und die Verschuldensvoraussetzungen feststehen (RG 123, 27, 28; 163, 21, 28). Der Verletzte muss ein „Dritter“ sein. Darunter fällt auch ein Vereins- und Vorstandsmitglied, sofern nicht die schädigende Handlung gerade in seine organschaftliche Verantwortung fiel. Hierher gehört auch der rechtswidrige Ausschluss, BGH 90, 92, ohne dass es darauf ankommt, ob das zuständige Organ den Haftungstatbestand selbst erfüllt (Rostock OLGRp 2007, 486). Der Inhalt der Ansprüche ist der normale, bei §§ 823ff als Haftungstatbestand gilt auch § 847. Einen eigenständigen, vielfach gelöst von § 31 gesehenen Haftungstatbestand stellt die Verant- 7 wortung der jur Pers für unzureichende Organisation dar, zB für das Unterbleiben der notwendigen Bestellung eines verfassungsmäßigen Vertreters (BGH 13, 198, 203; 39, 124, 129; 27, 278, 280; Nürnberg OLGRp 2000, 349). Aus diesem, zunächst auf Tatbestände der Verkehrssicherungspflicht bezogenen Ansatz ist eine eigenständige Lehre vom Organisationsverschulden geworden (dazu Hassold JuS 1982, 583), die inzwischen auch andersartige Pflichten erfasst (etwa die Kontrolltätigkeit eines Verlegers hins des Inhalts von Schriften, BGH NJW 1980, 2810). Allg muss sich dann die jur Pers so organisieren, dass für die gefährdenden Tätigkeitsbereiche ein verfassungsmäßig berufener Vertreter und nicht nur ein Verrichtungsgehilfe iSd § 831 die notwendigen Entscheidungen trifft; die Hinzuziehung eines Außenstehenden entlastet nicht. Das bürdet dem Verein eine über § 26 hinausgehende Pflicht zur Bestellung von Organen auf, was für eine Begründung durch Analogie zu § 31 angeführt wird, wenn man nicht mit Kleindiek aaO (Rn 1) bereits die Verkehrspflichten als solche der jur Pers versteht und dann direkt § 31 anwenden kann (dafür auch Hassold JuS 1982, 586). Entscheidend ist, dass auf diese Weise die Möglichkeit, Verrichtungsgehilfen einzuschalten, für die nur nach Maßgabe des § 831 gehaftet wird, ausgeschaltet wird. Zum Organisationsverschulden der jur Pers näher § 823 Rn 83. 5. Die Haftung des Handelnden bleibt unberührt, also gesamtschuldnerische Haftung von Organ 8 und jur Pers; schuldhaftes Handeln des Organs wird idR als Verletzung des Innenverhältnisses das Organ auch ggü der jur Pers zur Schuldbefreiung oder Ersatz verpflichten. Allerdings müssen in der Person des handelnden Organs auch die Deliktstatbestände verwirklicht sein, wozu es gehören kann, dass der Organwalter als Allein- oder Mittäter die betreffenden Handlungen ausgeführt hat; zur Wirkung von Haftungsprivilegierungen s § 714 Rn 21. Es genügt auch ein Unterlassen gebotener Vorsichtsmaßnahmen nach Bekanntwerden eines konkreten Risikos (so zB im „Lederspray“-Fall BGH JZ 1992, 253; s auch BGH NJW 1987, 127); hierzu und zu den Möglichkeiten der Haftungsbeschrän-

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kung durch Delegation Wagner VersR 2001, 1057; Brüggemeier ZIP 2001, 381. Abzulehnen sind demgegenüber die zunehmend zahlreichen Entscheidungen und Lehrmeinungen (Übersicht bei Altmeppen ZIP 1995, 881, 884ff), die den Organwalter wie die jur Pers als Subjekt von deliktsrechtlich sanktionierten Organisations- und Verhaltenspflichten sehen, die an sich die jur Pers treffen, aber von ihm übernommen worden sein sollen (BGH 109, 297, 304; Köln BB 1993, 747f, ähnlich Brüggemeier AcP 191, 651; zur Übernehmerhaftung trotz Ablehnung des Ansatzes des BGH Mertens/Mertens JZ 1990, 489; i Erg ähnlich Grunewald ZHR 157, 451ff; dagegen Kort DB 1990, 921; Medicus FS Lorenz 1991, 160f; H. P. Westermann DNotZ 1991, 816f; Lutter ZHR 157, 464; eingehend Kleindiek aaO Rn 1 S 292ff). Die grds Anerkennung der jur Pers und der sie treffenden – und bei Verletzung allein von ihr zu verantwortenden – Pflichten durch die Rechtsordnung rechtfertigt es nicht, ihre Pflichten stets auch als solche des Organwalters zu behandeln; die Belastung mit persönlicher Haftung für den gesamten Tätigkeitskreis einer bedeutenden Kapitalgesellschaft würde uU deren Leitung durch nat Pers im Extremfall unmöglich machen. Deshalb genügt auch die von Altmeppen aaO vorgeschlagene Zulassung eines Entlastungsbeweises für den verantwortlichen Organwalter – die eine nach § 31 in Anspruch genommene jur Pers nicht hat – praktischen Bedürfnissen nicht. 9

6. Konkurrenzen. Bei Vertragsverletzung durch die Organe der jur Pers ist § 31 anwendbar (BGH 90, 92, 95; JZ 1993, 958, 964; str, aM etwa Medicus AT Rn 1135, der bei Vertragshaftung nur § 278 anwenden will). § 831 und § 31 schließen sich wegen des begrifflichen Unterschieds von Verrichtungsgehilfen und Organ (vgl Rn 3) aus. Zur Haftung für fehlerhafte Ausübung öffentlicher Gewalt s zu § 89 Rn 1, 3.

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Haftung von Vorstandsmitgliedern (1) Ein Vorstand, der unentgeltlich tätig ist oder für seine Tätigkeit eine Vergütung erhält, die 500 Euro jährlich nicht übersteigt, haftet dem Verein für einen in Wahrnehmung seiner Vorstandspflichten verursachten Schaden nur bei Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Satz 1 gilt auch für die Haftung gegenüber den Mitgliedern des Vereins. (2) Ist ein Vorstand nach Absatz 1 Satz 1 einem anderen zum Ersatz eines in Wahrnehmung seiner Vorstandspflichten verursachten Schadens verpflichtet, so kann er von dem Verein die Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurde. 1

1. Die durch Art 1 Nr 2 des Gesetzes vom 28.9.2009 (BGBl I 3161) eingeführte und am 3.10.2009 in Kraft getretene Vorschrift will erkennbar die Bereitschaft zu ehrenamtlicher Vorstandstätigkeit fördern (zur Notwendigkeit Orth SpuRt 2010, 2), wobei nicht nur an gemeinnützige Vereine (§ 21 Rn 2a) gedacht ist (BT-Drucks 16/10120, 7), deren Vorstände nach dem Wortlaut nicht von der Haftungserleichterung profitieren, wenn sie die Vergütungshöhe gem Abs I S 1 überschreiten (krit Reuter NZG 2009, 1368, 1370). Über § 86 ist § 31a auch auf Stiftungen anzuwenden (Unger NJW 2009, 3269ff), wobei sich wiederum fragt, ob bei der oft sehr anspruchsvollen Tätigkeit die Überschreitung der wahrhaftig nicht hohen 500 Euro-Grenze bereits das Haftungsprivileg entfallen lassen kann. Grundlage der Haftung ist an sich die aus der Organstellung und dem – bei unentgeltlicher Tätigkeit – meist vorliegenden Geschäftsbesorgungsverhältnis folgende Pflichtenstellung, so dass in der Satzung Haftungserleichterungen für Organmitglieder vorgesehen werden können (§ 27 Rn 7), welche Möglichkeit auch gegen die rechtspolitische Richtigkeit des § 31a angeführt wird (Reuter aaO, 1369). IÜ umfasst der Anwendungsbereich der Norm den eingetragenen (also im Prinzip: nichtwirtschaftlichen) Verein, wobei solche Vereine, die kraft des Nebenzwecksprivilegs einen wirtschaftlichen (oder sogar gewerblichen) Betrieb unterhalten, selten unter Abs I S 1 fallen werden. Eine weitere Frage betrifft den nicht rechtsfähigen Verein, der ja tatsächlich (unabhängig von einer Rechtsformverfehlung) idielle oder wirtschaftliche Zwecke verfolgen kann. Da § 54 insoweit auf Gesellschaftsrecht verweist, ist die Anwendbarkeit einer auf ehrenamtliche Vorstandstätigkeit in einem Idealverein zugeschnittenen Norm fraglich, so dass insoweit als Lösung nur bliebe, den Verein und seine Vorstände auf die im Gesellschaftsrecht mögliche vertragliche Regelung der Verantwortlichkeit zu verweisen. Da § 54 schon seit langem als gesetzgeberische Fehlentscheidung in Richtung auf eine Anwendung des Vereinsrechts auch für den nicht rechtsfähigen Verein verstanden wird (§ 54 Rn 1), was in Bezug auf das Verhältnis zw dem Verein und seinen Organen und die Haftbarkeit der letzteren auch durch Anerkennung der Rechtsfähigkeit eines nach BGB-Gesellschaftsrecht lebenden Verbandes nicht verändert werden muss, liegt es i Erg doch am nächsten, auch den nicht eingetragenen Verein unter § 31a zu fassen (wohl auch Reuter aaO, 1369).

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Nach dem Gesetzeswortlaut betrifft die Regelung nur die Haftung eines Vorstands, also nicht auch diejenige eines sonst verfassungmäßig berufenen Vertreters (§ 30) oder sonstiger Organmitglieder. Dem steht entgegen, dass in Vereinen, in denen die Vorstände eine 500 Euro jährlich nicht übersteigende Vergütung erhalten oder ganz unentgeltlich tätig sind, auch andere an der Verwaltung teilnehmende Personen in derselben Lage sein können, so dass die Anwendung der gewöhnlichen Haftungsmaßstäbe, also § 276 (Unger NJW 2009, 3270), ein Missverhältnis schüfe. Personen im Status eines Arbeitnehmers (nur ausnahmsweise, LG Bonn NJW-RR 1995, 1435, gegeben), denen eine arbeitsrechtliche Haftungserleichterung zugute kommt, werden deutlich oberhalb der hier relevanten Grenze tätig sein. Daher spricht viel für eine Ausdehnung der Norm auf andere Organmitglieder (Schotta/von Cube DB 2009, 2082, 2083; abl Reuter aaO, 1370, der aber die Haftungsbeschränkung generell für verfehlt hält). Dieser Personenkreis muss nach dem Inhalt seiner Organstellung oder eines etwa bestehenden Anstellungsvertrags unentgeltlich oder für die genannte geringe Vergütung tätig sein, die sich aus der Abstimmung mit den Regeln des Gemeinnützigkeitsrechts (§ 3 Nr 26a EStG) er144

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gibt. Die Unentgeltlichkeit oder die geringe Höhe der Vergütung wird nicht durch die Gewährung von Aufwendungsersatz für die dem Vorstand im Rahmen seiner Tätigkeit entstandenen Kosten beseitigt, auch wenn diese in Gestalt einer angemessenen Pauschale geleistet wird (Pal/Ellenberger Rn 2). Der Schaden muss in Wahrnehmung der Vorstandspflichten verursacht sein. § 31 ist in diesem Punkt anders formuliert, was an die bekannte Unterscheidung von „in Ausführung“ und „bei Gelegenheit“ anknüpft. Es ist nicht ersichtlich, dass mit dem abw Wortlaut für das Problem der Haftungserleichterung andere Anknüpfungspunkte im tatsächlichen Verhalten des Vorstands gemeint sein sollten als die in § 31 für die Haftungsbegründung bestimmten (so auch Pal/Ellenberger Rn 3), deshalb kann insoweit auf § 31 Rn 5 verwiesen werden. 2. Die Rechtsfolgen der Schädigung durch ein unter die Regelung fallendes Vorstands- oder sons- 3 tiges Organmitglied liegen zunächst im Haftungsmaßstab, der auf das Vorliegen von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit reduziert wird. Das gilt nach Abs I S 1 für die Haftung ggü dem Verein, was somit nicht mehr – was zulässig ist – durch die Satzung geregelt werden muss. Es kommt auf den „verursachten Schaden“ an, so dass vertragliche oder deliktische Verantwortlichkeit insoweit gleichstehen, die ja auch in den tatsächlichen Abläufen ineinander übergehen können. Nach Abs I S 2 soll die Haftungserleichterung auch im Verhältnis zu den Vereinsmitgliedern gelten, was systemgerecht ist, da sich die Mitglieder im Vereinsleben auf die Funktionen des Vorstands und ihre Wahrnehmung durch konkret hierfür bestellte Personen einstellen müssen. Eine deliktische Haftung für Vorfälle, die mit dem Vereinsleben nicht in Zusammenhang stehen, die also auch nicht „in Wahrnehmung“ eigentlicher Vorstandspflichten bestehen, bleibt somit unberührt. Nach Abs II besteht bei einer vom Vorstand begründeten persönlichen Außenhaftung, wenn diese – wiederum in Wahrnehmung der Vorstandspflichten – verursacht ist, ein Freistellungsanspruch des Handelnden gegen den Verein, allerdings nur bei leichter Fahrlässigkeit, weil Abs II S 2 auch diese Haftungserleichterung bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit versagt. Das ähnelt der Rechtslage bei einer Außenhaftung eines Arbeitnehmers, zur Beweislast sogleich Rn 4. Die Haftung ggü Dritten, die ein Organ neben der Haftung des Vereins nach § 31 treffen kann (§ 31 Rn 6), wird also nicht verändert (Unger NJW 2009, 3269, 3271). Hat das Vorstandsmitglied den außenstehenden Dritten entschädigt (bzw entschädigen müssen), verwandelt sich der Freistellungs- in einen Ersatzanspruch (Pal/Ellenberger, Rn 5). Eine Entlastung von Vorständen im Hinblick auf sozialversicherungs- und steuerrechtliche Tatbestände hat nicht stattgefunden (Orth SpuRt 2010, 2, 4). Die Beweislast ist nicht, wie etwa in § 39 AktG, ausdr geregelt. Nach dem allg Verständnis muss al- 4 so der Vorstand ggü dem Verein oder einem im Vereinsbereich geschädigten Mitglied beweisen, dass er nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat, während aus der Formulierung des Abs II S 2 als Ausnahme folgt, dass der auf Freistellung in Anspruch genommene Verein eine Darlegungs- und Beweislast für vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln des Organs (Reuter NZG 2009, 1368, 1371) hat. Dass dies nicht mit der Ausgestaltung der Arbeitnehmerhaftung (§ 619a) abgestimmt ist (krit daher Reuter, ebd), ist angesichts der gewöhnlich deutlich flexiblen Handhabung der Beweislastregeln durch die Praxis erträglich. Zu der dem Vorstand mit Rücksicht auf seine Haftung anzuratenden Dokumentation Schotta/von Cube DB 2009, 2282ff.

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Mitgliederversammlung; Beschlussfassung (1) Die Angelegenheiten des Vereins werden, soweit sie nicht von dem Vorstand oder einem anderen Vereinsorgan zu besorgen sind, durch Beschlussfassung in einer Versammlung der Mitglieder geordnet. Zur Gültigkeit des Beschlusses ist erforderlich, dass der Gegenstand bei der Berufung bezeichnet wird. Bei der Beschlussfassung entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. (2) Auch ohne Versammlung der Mitglieder ist ein Beschluss gültig, wenn alle Mitglieder ihre Zustimmung zu dem Beschluss schriftlich erklären.

1. Die Mitgliederversammlung ist nach BGB oberstes Vereinsorgan: Zuständig für innere Organi- 1 sation des Vereins, dh Kontrolle der sonstigen Organe, bzgl Vorstandsbestellung s § 27, Satzungsänderung § 33, Auflösung § 41. Sie ist somit notwendiges Organ, dessen Zuständigkeiten im Rahmen des § 40 modifiziert werden können, §§ 37, 41 sind aber zwingend. In diesem Rahmen hat die Mitgliederversammlung die Kompetenz-Kompetenz (BGH 84, 209, 213). Nach hM kann die Satzung die Mitglieder- durch eine Delegiertenversammlung ersetzen, in der die Vertreter von Unter-Organisationen die Mitglieder-Entscheidungen treffen, was auf eine Mediatisierung der Willensbildung hinausläuft (Staud/Weick Rn 6; Segna NZG 2002, 1048f; AnwK/Heidel/Lochner Rn 6; PWW/Schöpflin Rn 2). Die Satzung muss dann die Bestellung und Zusammensetzung des Gremiums regeln, iÜ gilt § 32 entspr. Ein solches Organ soll der besseren Effektivität der Willensbildung besonders in Groß-Vereinen dienen, die Delegierten müssen aber die Mitglieder gleichmäßig und ausreichend repräsentieren (Terner RNotZ 2007, 480, 482). Die Entscheidung hierüber muss der Satzung überlassen bleiben, die folglich nicht zur Einrichtung einer Delegiertenversammlung gezwungen ist (aM MüKo/Reuter Rn 5; die in diese Richtung gehende Entscheidung Frankfurt OLG 1981, 391, 393 ist vereinzelt). Die Konsequenz der Unwirksamkeit von Beschl der Mitgliederversammlung eines Groß-Vereins, in der die Präsenz nur 2 % ausmachte, ist zu einzelfallabhängig, um mit der Rechtssicherheit vereinbar zu sein. Ein Recht des Vereinsmitglieds auf Auskunft außerhalb der Mitgliederversammlung besteht nicht (Lepke NJW 1966, 2099ff), anders beim wirtschaftlichen Verein wegen erheblicher wirtschaftlicher Interessen LG Mainz WM 1989, 537. Zum Anspruch auf Aushändigung einer Mitgliederliste § 25 Rn 1. Eine Ausnahme normiert Abs II: Danach kann die Gesamtheit aller Mitglieder auch dann für eine einberufene Versammlung einstimmig einen Beschl fassen, wenn alle schriftlich ihr Einverständnis zur Beschlussfassung erklären, zur Anwendung auf Satzungsänderungen KG NZG 2010, 203. H. P. Westermann

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2. Das Wesen der Beschlussfassung der Mitgliederversammlung ist str, richtiger Ansicht nach Akt körperschaftlicher Willensbildung, nicht Vertrag (Soergel/Hadding Rn 21; zu den Entscheidungen der Delegiertenversammlung einer Gewerkschaft auch Frankfurt WM 1985, 1466, 1488), der auch nicht erschienene Mitglieder bindet. Demgemäß ist die einzelne Stimmabgabe zwar Rechtsgeschäft und Willenserklärung, die dem Verein (in der Mitgliederversammlung dem Versammlungsleiter) zugehen muss (MüKo/Reuter Rn 40). Das Gleiche gilt bei Zustimmung des Einzelmitglieds gem § 35. Einzelheiten der Abstimmung, so die Beschlussfähigkeit, uU auch die Form der Stimmabgabe, sind durch die Satzung auszugestalten. Die Feststellung des Beschlussergebnisses durch den Vorsitzenden ist nicht konstitutiv (BGH NJW 1987, 2430). Selbst wenn die Satzung keine besonderen Vorschriften enthält, können bzgl der Durchführung der Abstimmung oder der Feststellung des Beschlussergebnisses Kontrollmaßnahmen notwendig sein, wenn tatsächliche Bedenken gegen die Unparteilichkeit der amtierenden Organperson bestehen oder eine ähnliche Situation gegeben ist (BGH 59, 369, 374). Unterlassen solcher Kontrollmaßnahmen macht den Beschl fehlerhaft. Es gilt das Mehrheitsprinzip nach Maßgabe der abgegebenen Stimmen, was trotz abw Gesetzestextes schon früher (BGH 83, 35) so gesehen wurde, weil sonst Enthaltungen als Gegenstimmen wirken, was ihren objektiven Erklärungswert verfälsche (zust Trouet NJW 1983, 2865; Staud/Weick Rn 13; anders Köln NJW-RR 1986, 698 und für WE-Versammlung Celle NJW-RR 1992, 86). Bei Wahlen ist die absolute (nicht: die relative) Mehrheit maßgebend, also mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen, die Satzung kann eine relative Mehrheit ausreichen lassen, muss dies aber deutlich bestimmen (BGH 106, 67, 72; eingehend zur Satzungsauslegung München NJW-RR 2008, 939). Nach allem kann ein bei der Abstimmung anwesendes und sich (wenn auch nur mit einer Enthaltung) beteiligendes Mitglied zum Ausdruck bringen, dass es die Berücksichtigung seines Stimmverhaltens wünsche. Das ist im Vergleich zu Mitgliedern, die die Versammlung verlassen oder verlassen müssen, nicht von der Hand zu weisen, doch kann eine Enthaltung auch (nur) dahin verstanden werden, auf das Beschlussergebnis keinen Einfluss nehmen zu wollen. Die Satzung kann aber die Behandlung von Stimmenthaltungen vorschreiben, was insb bei Notwendigkeit einer qualifizierten Mehrheit anzuraten ist. Soll es auf die anwesenden Mitglieder ankommen und sollen Enthaltungen mitgezählt werden, so verlangt BGH JZ 1987, 527 (zust Stützle Anm WuB II L § 32 BGB 2/87; ebenso schon Celle Rpfleger 1985, 271) eine eindeutige Niederlegung in der Satzung. Einer satzungsmäßigen Festlegung bedürfen auch eine Mehrheitslistenwahl (Frankfurt Rpfleger 1984, 360; zu diesem Wahlsystem BGH BB 1982, 1073) und eine Blockwahl, bei der die Mitglieder nicht für oder gegen einzelne auf der Liste Plazierte stimmen können (BGH NJW 1974, 183; BayObLG NJW-RR 2001, 537). Auf derselben Linie liegt es, wenn BGH 106, 63, 72 eine nach dem Mehrheitsprinzip durchgeführte Listenwahl von Delegierten eines Ortsverbands einer politischen Partei und damit die Wertung kumulierter Stimmen als eine Stimme für ordnungsmäßig hielt, da es an einer – nach Ansicht des BGH unerlässlichen – Satzungsbestimmung fehlte, die die Konzentration der Stimmen eines Parteimitglieds zugunsten eines oder mehrerer Wahlbewerber verbot. Der Versammlungsleiter darf auch die sog Subtraktionsmethode anwenden (Darstellung bei BGH NJW 2002, 3629 – für WEG).

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3. Einer geordneten Mehrheitsbildung dienen auch Regelungen über die Einberufung der Mitgliederversammlung. Sie geschieht durch den Vorstand, die Einberufung durch einen abgewählten, aber noch im Register eingetragenen Vorstand reicht nicht, die in der Versammlung gefassten Beschl sind unwirksam, Braunscheig RNotZ 2007, 343; anders Pal/Ellenberger Rn 2; BayObLG NJW-RR 1996, 991. Die Einberufung muss durch Vorstandsmitglieder in für die Vertretung ausreichender Zahl geschehen. Mit der Einberufung ist gem Abs I S 2 die Tagesordnung mitzuteilen; die Unterlassung gebotener Mitteilung führt zur Nichtigkeit von Beschl zu solchen Punkten, die in der mitgeteilten Tagesordnung nicht oder für eine Vorbereitung zu ungenau (BGH ZIP 2007, 1942) genannt waren (BGH 64, 301, 304; Frankfurt WM 1985, 1466, 1470; BayObLG NJW 1973, 1086; Köln OLG 1984, 401, 404), für Ausschluss ebenso Zweibrücken NZG 2002, 436. Richtigerweise lässt Schleswig NZG 2002, 438 (s auch AG Elmshorn NJW-RR 2001, 25) die Angabe eines Tagesordnungspunkts „Satzung“ unter Beifügung eines Satzungsentwurfs genügen. Der Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ reicht als Vorbereitung für einen Beschl nicht aus, BayObLG NJW-RR 1990, 784. Ort und Zeit müssen in der Einladung entspr genau angegeben werden (RG 147, 12) und den etwa vorhandenen Satzungsbestimmungen entsprechen. Der Zeitpunkt muss verkehrsüblich und für die Mitglieder zumutbar sein (Frankfurt OLG 1982, 418); eine Einberufungsfrist legt das Gesetz nicht fest, mangels Bestimmung in der Satzung muss die Frist so bemessen sein, dass sich die Mitglieder vorbereiten können, s aber § 58 Nr 4 zum Satzungsinhalt. Auch die Form der Einberufung ist nicht vorgeschrieben, das ist Aufgabe der Satzung, wobei die Bestimmung, die Einladung sei „ortsüblich“ bekannt zu machen, nicht ausreichen soll (Zweibrücken Rpfleger1985, 31). Für einen Verein mit überwiegend örtlichem Tätigkeitsschwerpunkt (Sportverein) lässt Celle (NZG 2011, 154 – LS) eine Ankündigung der Mitgliederversammlung „im Aushangkasten“ genügen. Jedenfalls muss der Vorstand dafür sorgen, dass die Mitglieder Kenntnis erhalten, BayObLG NJW-RR 2002, 1612. Eine Online-Versammlung ist nur zulässig, wenn für alle Mitglieder die technische Möglichkeit besteht, teilzunehmen und sie einverstanden sind (Pal/Ellenberger Rn 8), anders, wenn durch Gesetz für die Abstimmung ein Quorum der Erschienenen vorgeschrieben ist (näher Erdmann MMR 2000, 526). Abgesehen von Dringlichkeitsanträgen (zu ihrer Zulässigkeit bei entspr Vereinsobservanz Köln WM 1990, 1068) wird die Einberufung, die für den Fall der Beschlussunfähigkeit gleichzeitig die nächste Versammlung ansetzt, in der Rspr (LG Berlin NJW-RR 1986, 97) wenig praxisnah für unzulässig erklärt, anders bei entspr Satzungsbestimmung BGH MDR 1989, 329; Köln Rpfleger 2009, 237. Die Satzung kann für die neue Versammlung auch ein geringeres Quorum für die Beschlussfähigkeit festlegen, diesbezügliche Gesetzesbestimmungen fehlen. Dabei besteht Spielraum, solange die Kenntnisnahme durch die Mitglieder ohne wesentliche Er146

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Juristische Personen

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schwernis gewährleistet ist (Hamm OLG 1965, 65; Zweibrücken Rpfleger 1985, 31, 32; Stuttgart OLG 1986, 257f; näher Kölsch Rpfleger 1985, 137). Schreibt die Satzung schriftliche Einladung vor, so genügt Veröffentlichung im Vereinsblatt nicht (AG Elmshorn aaO). Unterbleiben der Ladung einzelner Mitglieder unschädlich, wenn feststeht, dass dadurch Abstimmungsergebnis nicht beeinflusst ist (BGH 59, 369, 374), so dass ein Mangel gegeben ist, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass die nicht ordnungsmäßig geladenen Mitglieder durch ihre Mitwirkung ein anderes Ergebnis herbeigeführt hätten (LG Düsseldorf Rpfleger 1987, 72; BayObLG NJW-RR 1997, 289). Dringlichkeitsanträge können auch später auf die Tagesordnung gesetzt werden, wenn die Satzung dies zulässt (§ 32 Abs I S 2 ist abdingbar), doch müssen die Mitglieder hiervon, auch wenn die Satzung es nicht verlangt, immer noch so rechtzeitig erfahren, dass genügend Zeit zur sachgerechten Vorbereitung bleibt; fehlt es daran, darf nur eine vorläufige Entscheidung getroffen werden (BGH 99, 119, 124; Köln WM 1990, 1068). Dies bezog sich im entschiedenen Fall auf Satzungsänderungen, doch werden auch darüber hinaus Dringlichkeitsanträge zurückhaltend beurteilt (Stöber Rn 477). Darüber hinaus wird man anzunehmen haben, dass trotz § 40 das Erfordernis der Vorankündigung nicht gänzlich abbedungen werden kann (Weipert Kurzkomm EWiR § 32 BGB 1/87). Wenn eine Vollversammlung auf die Einhaltung der verletzten Vorschriften über Einladung und Tagesordnung verzichtet, gilt anderes (BGH NJW 1973, 235). Die Leitung der Mitgliederversammlung obliegt dem Vorstand. Soweit Vorstandswahlen stattfin- 4 den und der bisherige, für eine Wiederwahl kandidierende Vorstand die Sitzungsleitung – wie in solchen Fällen üblich – einem Dritten überträgt, ist dies nicht zu beanstanden (Köln ZIP 1985, 1139), auch wenn es die Satzung nicht vorsieht. Auch ein von seinem Amt zurückgetretener Vorstandsvorsitzender, der noch im Register eingetragen ist, darf die Sitzung leiten (LG Aurich Rpfleger 1987, 115; s auch LG Düsseldorf Rpfleger 1987, 72). Die Versammlungsleitung umfasst ua die Feststellung der Beschlussfähigkeit, die Gewährleistung eines geordneten Ablaufs, einschl einer etwa notwendigen Begrenzung der Redezeit und des Ausschlusses von Störern (Reichert Rn 1352ff; BaRo/Schwarz/ Schöpflin Rn 19), die Ermittlung und Verkündung des Beschlussergebnisses; Maßnahmen der Versammlungsleitung können nur im Wege der Beschlussanfechtung, nicht selbständig angefochten werden (BGH 44, 245, 248); doch kann die Mitgliederversammlung die einer Person übertragene Versammlungsleitung an sich ziehen (AnwK/Heidel/Lochner Rn 21). 4. In der Versammlung haben nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz alle Mitglieder gleiches 5 Stimmrecht. Abweichung durch die Satzung möglich, Vorzugs- und Mehrstimmrechte sind daher – anders als nach § 12 Abs II AktG – grds zulässig (MüKo/Reuter Rn 28 mit Ausnahme für Vereine ohne Aufnahmefreiheit, § 38 Rn 6) und kommen in der Praxis etwa im Zuge einer Unterscheidung von ordentlichen und außerordentlichen (dann nicht stimmberechtigten) Mitgliedern vor (s den Fall BGH 55, 382). Hat ein Mitglied mehrere Stimmen, darf es diese aber nur einheitlich ausüben (Soergel/Hadding Rn 24). Unzulässig wegen des Willkürverbots wäre Einräumung von Mehrstimmrechten für den Vorstand zum Schutz gegen Abwahl oder Satzungsänderungen (s KG NJW 1962, 1917; Staud/Weick § 35 Rn 15). Allg Regeln über Stimmrechtsbeschränkungen gibt es nicht (s aber § 34), Heranziehung der handelsgesellschaftsrechtlichen Bestimmungen nicht ohne weiteres möglich. Stimmbindungsverträge erkennt die ganz hM als gültig an, obwohl sie nur im Recht der Handelsgesellschaften voll entwickelt sind (A. Hueck FS Nipperdey I 1965, 401ff; R. Fischer FS Hueck 1969, 95ff; MüKo/Reuter Rn 36), soweit sie nicht auf verbotenem (§§ 405 III Nr 6 AktG, 152 I GenG) oder nach § 138 nichtigem Stimmenkauf beruhen oder gesetzliche Stimmverbote umgehen. Stimmbindungsverträge ggü Nichtmitgliedern unterliegen den allg Schranken der Unterwerfung des Vereinswillens ggü Außenstehenden (§ 25 Rn 2a). Durchsetzung der Stimmbindung schwierig, die Zulässigkeit von Vertragsstrafen ersetzt die Naturalvollstreckung gültiger Stimmbindungen nicht, die BGH 48, 163 über § 894 ZPO für möglich hält. Im Grundsatz ist die entgegen einer Stimmbindung abgegebene Stimme wirksam (BGH NJW 1987, 1890), der Streit um die Rechtsfolgen der Verletzung einer solchen Bindung ist unter den Vertragspartnern auszutragen; die für die GmbH diskutierte Ausnahme für den Fall, dass alle Gesellschafter an Verstößen gegen Stimmbindungen beteiligt sind (dazu Hamm GmbHR 2000, 673), dürfte für den Verein kaum praktisch werden. Praktisch effektiv ist die Klagbarkeit nur, wenn einstw Rechtsschutz gewährt wird, was nach dem Zurücktreten des Verbots der Leistungsverfügung (näher v Gerkan ZGR 1985, 167, 179ff) erreichbar erscheint. Die Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht ist zulässig, bei Begründung im Interesse des Bevollmächtigten sogar bis zur Grenze des Widerrufs aus wichtigem Grund (MüKo/Reuter Rn 33; anders für den Idealverein Staud/Weick § 38 Rn 4; wieder anders bei Bevollmächtigung eines Nichtmitglieds MüKo/Reuter Rn 35). 5. Ein Beschl ist nicht schon aufgrund von Mängeln der Stimmabgabe des einzelnen Mitglieds feh- 6 lerhaft, sondern erst, wenn diese Erklärung für den Beschl kausal war (BGH 59, 369, 373; Frankfurt ZIP 1985, 213, 222; Stuttgart NJW-RR 1986, 243), oder wenn das zum Beschl führende Verfahren mangelhaft war; die §§ 241ff AktG sind nicht entspr anwendbar (BGH 59, 369, 371; NJW 2000, 69; AnwK/ Heidel/Lochner Rn 22; anders MüKo/Reuter Rn 56; K. Schmidt FS Stimpel 1985, 217, 250ff), so dass auch der Unterschied zw Nichtigkeit und Anfechtbarkeit nicht gilt. Fehler bei der Einberufung (Rn 3) oder Bek der Tagesordnung führen zu Nichtigkeit (BGH NJW 2008, 60), zur Einberufung der Mitgliederversammlung durch unzuständiges Organ BGH 87, 1, 2. Jedoch beginnt sich auch hins des Verfahrens die Ansicht durchzusetzen, dass ein Beschl nur nichtig ist, wenn er auf dem Verfahrensfehler beruht (BGH 49, 209; 59, 369; 1983, 158; Köln Rpfleger 1984, 1351; Schneider EWiR § 32 BGB 2/85); auch BGH NJW 2008, 69 stellt darauf ab, dass den Mitgliedern eine sachgerechte Vorbereitung (einschl der Entscheidung, an der Versammlung teilzunehmen) nicht möglich ist. Für Irrtumsanfechtung der Stimmabgabe (§ 28 Rn 2) gilt dasselbe. Nichtiger Beschl wird nicht dadurch geheilt, dass die Mitgliederversammlung ihn nachträglich so behandelt, als sei er wirksam gefasst worden, vielmehr ist neue einwandfreie Abstimmung nötig (BGH 49, 209, 211), es sei denn, man verfährt nach H. P. Westermann

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Personen

Abs II, dazu Rn 1. Gegen die Annahme (Frankfurt ZIP 1985, 213), rügelose Einlassung der Mitglieder einer Delegiertenversammlung heile Einberufungsmängel, spricht der Zweck der Einberufungsregeln, auch den nicht an der Versammlung teilnehmenden Mitgliedern Einflussnahme zu ermöglichen (Schüren EWiR § 32 BGB 1/85). Geltendmachung der Nichtigkeit geschieht nach hM durch Feststellungsklage gegen den Verein (BGH 49, 398; 59, 369, 372; Hamm NJW-RR 1997, 989; LG Frankfurt NJW-RR 1998, 396); die Forderung von K. Schmidt FS Stimpel, 217ff, rechtsfortbildend GmbHRecht anzuwenden und Anfechtungsklage zuzulassen, stößt noch auf Bedenken (BGH 59, 369). Zur Klage befugt sind nur Mitglieder, die dem Verein zur Zeit der Beschlussfassung und der Rechtshängigkeit angehören (BGH NJW 2008, 69 – in ersterer Hinsicht nicht unzweifelhaft, weil ein später hinzugetretenes Mitglied ein Interesse an der Beseitigung rechtswidriger Beschl haben kann). Nicht klagebefugt ist auch eine rechtliche unselbständige Untergliederung des Vereins, BGH aaO, was nur nach grds Klärung der Voraussetzungen und Folgen der rechtlichen Selbständigkeit, an der es noch fehlt (Vor § 21 Rn 14), undifferenziert beibehalten werden kann (zu den Möglichkeiten K. Schmidt, FS Reuter, 2010, 345, 360ff). Ggü der Möglichkeit Dritter, Unwirksamkeit eines Beschl geltend zu machen, mit Recht zurückhaltend Frankfurt OLGRp 1999, 165. IÜ liegt es nahe, wegen des Interesses an der Bestandskraft gefasster Beschl die Anfechtungsmöglichkeit zeitlich zu beschränken, notfalls durch den Gedanken der Verwirkung (in der Rspr Andeutungen bei BGH 49, 209, 212; 59, 369, 372; jedoch nicht bei Einberufungsmängeln); nach Hamm NJW-RR 1997, 989 ist ein Zeitraum von vier Monaten zw Beschl und Klageerhebung zu lang. Ein vereinsinterner Rechtszug muss ausgeschöpft sein, bevor Klage erhoben werden kann, KG NJW 1988, 3195. Feststellungsurteil hat nur deklaratorische Wirkung, ein aufgrund des Beschl vorgenommenes Geschäft verliert nicht automatisch seine Außenwirkung, wenn Vertretungsmacht bestand, es sei denn, der Beschl war auch nach außen Wirksamkeitsvoraussetzung (etwa bei Erklärung eines Gremienvorbehalts). Bzgl Anfechtung s auch § 28 Rn 2. Angesichts der Unklarheiten der Erstreckung der Rechtskraft ist es am besten, davon auszugehen, dass Feststellung der Nichtigkeit eines Beschl für und gegen alle Beteiligten wirkt, BGH NJW-RR 1992, 1209; zum Unterschied zur positiven Beschlussfeststellungsklage Soergel/Hadding Rn 40, 41. Ist in der Mitgliederversammlung das Nichtzustandekommen eines Beschl festgestellt worden, so kann mit der Anfechtung dieses Beschl der Antrag auf Feststellung des richtigen Beschlussergebnisses verbunden werden (so für die AG BGH 76, 191; 88, 320; s auch BGH 88, 320; zust K. Schmidt AG 1980, 169; zum Verein ebenso BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 19). 7

Nach BGH 49, 209, 211 hat der Verein die Satzungsgemäßheit des Beschl zu beweisen, wenn sie von einem aufgrund des Beschl in Anspruch genommenen Mitglied bestr wird; s auch BGH DB 1987, 1059 zur Publikumsgesellschaft. Darlegungslast obliegt dem, der sich auf Nichtigkeit beruft, bloßes Bestreiten genügt nicht.

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Satzungsänderung (1) Zu einem Beschluss, der eine Änderung der Satzung enthält, ist eine Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen erforderlich. Zur Änderung des Zweckes des Vereins ist die Zustimmung aller Mitglieder erforderlich; die Zustimmung der nicht erschienenen Mitglieder muss schriftlich erfolgen. (2) Beruht die Rechtsfähigkeit des Vereins auf Verleihung, so ist zu jeder Änderung der Satzung die Genehmigung der zuständigen Behörde erforderlich.

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1. Die Möglichkeit einer Satzungsänderung und auch einer Zweckänderung folgt aus der Satzungsautonomie. Die gesetzliche Unterscheidung zw einer durch qualifizierte Mehrheit möglichen Satzungsänderung und einer grds der Zustimmung aller Mitglieder bedürftigen Zweckänderung zeigt, dass es gewissermaßen oberhalb der Satzung eine Grundlage des Vereinslebens geben muss, deren Bestandskraft aus der Sicht des einzelnen Mitglieds höher ist als die der Satzung als der geschriebenen Ordnung des Vereinslebens. Dies ist der Zweck des Vereins. Nach überwiegender, wenn auch keineswegs unstr Ansicht haben die Bezugnahmen auf den Vereinszweck in den §§ 21, 22, 43 II, 57 I, 71 I und schließlich in § 33 I S 2 nicht denselben Inhalt; in der erstgenannten Gruppe von Vorschriften geht es um die Abgrenzung eintragungsfähiger und konzessionsbedürftiger Vereine, die durch die Zwecksetzung des Vereins bedingt ist, in § 33 I S 2 um den Schutz der Mitglieder vor einer über ihren Kopf hinweg erfolgten Änderung der konkreten Zielsetzung des Vereins (so Häuser/van Look ZIP 1986, 749, 751f; K. Schmidt BB 1987, 556, 558; vom obersten Leitsatz der Vereinstätigkeit sprechen BGH 96, 245, 251; BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 7; AnwK/Heidel/Lochner Rn 5; Staud-Weick Rn 7; stärker für eine Gemeinsamkeit im Begrifflichen Reuter ZGR 1987, 475, 480). Auf dieser Grundlage versteht BGH 96, 245, 249, 251 den Zweckbegriff in § 33 I S 2 eng, um die Indisponibilität für die Mitgliedermehrheit auf solche Aspekte der gemeinsamen Zielsetzung beschränken zu können, mit deren Abänderung schlechterdings kein Mitglied bei seinem Beitritt zu rechnen brauchte, ähnlich BayObLG NJW-RR 2001, 1260. Einstimmigkeit daher nicht erforderlich, wenn lediglich eine seit langem nicht mehr bestehende Gemeinnützigkeit formell aufgegeben werden soll (Frankfurt OLGRp 1999, 165), oder eine aus tatsächlichen Gründen unmögliche Zielsetzung durch eine den Verhältnissen angepasste ersetzt wird, konkret: Entscheidung für Enteignung statt Rückgängigmachung (BayObLG aaO). Für den Verein bedeutet dies, dass in einer Zweckänderung (auch einer Einengung, LG Nürnberg-Fürth Rpfleger 1988, 151) oder Beschränkung auf einen von bisher mehreren stets auch Satzungsänderung liegt (RG 88, 402), während eine Konkretisierung der grundlegenden Leitidee des Vereinslebens durch nähere Ausführungen oder Anpassung an veränderte Umstände der möglichen Zweckverfolgung nur Satzungsänderung ist (RG JW 1931, 1450). BGH 96, 245, 252 (zust Reuter, 481; krit insoweit Häuser/van Look, 755) hat bei einem Verein zur Bekämpfung des unlauteren Wett148

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Juristische Personen

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bewerbs und der Wirtschaftskriminalität die Streichung eines Passus über die Wahrung von Verbraucherinteressen nicht als materielle Änderung des Zwecks angesehen, richtig deshalb, weil sich Wettbewerber- und Verbraucherinteressen nicht ausschließen und der Anlass der Satzungsänderung nur in einer Änderung der Rspr zu § 13 UWG lag (näher Häuser/van Look, 750). Zweckänderungen wären demgegenüber die Umstellung eines Idealvereins auf politische oder gewerbliche Zielsetzungen, zu Bsp im Genossenschaftsbereich Beuthien, BB 1987, 6, 8ff. Zur Einführung satzungsmäßiger Schiedsklausel durch Satzungsänderung § 25 Rn 6; näher auch Haas, SchiedsVZ 2007, 1ff. Eine gegen seinen Willen eingeführte Schiedsklausel bindet ein Mitglied nicht, BGH NJW 2000, 1713; näher Haas ebd. Eine Zweckänderung geschieht auch durch Aufgabe gemeinnütziger Tätigkeit, ebenso durch Wandel der Rechtsform, auch die Ausgliederung des eigentlichen Sportbetriebs bei einem Sportverein kann hierher gehören, zu den umwandlungssteuerrechtlichen und den die Gemeinnützigkeit betreffenden Folgen Schießl DStZ 2007, 494; Stopper WRP 2009, 413, 416. Ähnliches ist bei Abspaltung der Trägerschaft an einem Unterstützungskassen-Verein von einem ursprünglichen auf einen übernehmenden Arbeitgeber zu beachten (näher Keuper/Hey BB 2009, 720ff). Nach § 40 sind auch die Vorschriften über Satzungs- und Zweckänderung abdingbar. Schreibt eine 2 Vorschrift für Beschlussfassung über einen bestimmten Gegenstand höhere als ¾-Mehrheit vor, kann sie selbst nur mit dieser höheren Mehrheit geändert werden (RG HRR 1932, 1639; KG JW 1934, 2161; Staud/Weick Rn 7). Gegen Herabsetzung der Grenze unterhalb der ¾-Mehrheit bestehen Bedenken, wenn aus der Satzung nicht eindeutig die Möglichkeit hervorgeht, eine derartige Erleichterung der Satzungsänderung zu ermöglichen (BGH WM 1987, 1178 zur Personengesellschaft). Damit würde der im Gesellschaftsrecht der Personenhandelsgesellschaft entwickelte Bestimmtheitsgrundsatz auf das Vereinsrecht übertragen, jedenfalls der in ihm enthaltene Aspekt des Minderheitenschutzes (dafür Häuser/van Look, 752ff und Soergel/Hadding Rn 12; dagegen Reuter ZGR 1987, 475, 485f). BGH 96, 245, 249f denkt in diese Richtung, indem die Möglichkeit einer Mehrheit, Zweckänderung zu beschließen, in der Satzung „unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht werden“ muss und durch eine auf Änderungen und Ergänzungen der Satzung zielende Vorschrift nicht geschaffen wird (zust Weipert EWiR § 33 BGB 1/86; Sauter/Schweyer/Waldner Rn 146; Köln NJW-RR 1996, 1180, das für eine Zweckänderung auch dann Einstimmigkeit fordert, wenn die Satzung mit Zweidrittelmehrheit geändert werden kann). Die Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes, der auch im Personengesellschaftsrecht zuletzt abgeschwächt wurde (näher § 709 Rn 30ff), passt bei einer körperschaftlichen Verfassung nicht; entgegen einer formalen Betrachtungsweise ist auch im Vereinsrecht nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall trotz eindeutiger Satzungsvorschrift bei Vereinen, deren Mitgliedschaft für ein Mitglied unentbehrlich ist, materielle Schranken einer zweck- oder satzungsändernden Mehrheitsentscheidung eingreifen (Reuter ZGR 1987, 475, 487f). In diese Richtung lässt sich auch BGH WM 1980, 1064 zur gleichzeitigen Auswechslung der Vereinsmitglieder (durch Eintreten von Einzelmitgliedern statt ihrer Verbände) durch eine Delegiertenversammlung ohne Zustimmung der bisherigen Vereinsmitglieder verstehen. Eine Satzungsdurchbrechung kommt jedenfalls nicht durch Beschl eines für einen Gegenstand nicht zuständigen Vereinsorgans in Betracht (BayObLG NJW-RR 2001, 537). Satzungsänderung ist jede Änderung, die im Satzungstext textlich zum Ausdruck gebracht wer- 3 den muss, um ihr Gestaltungsziel zu erreichen. Eine Unterscheidung von materiellen und formellen Satzungsteilen, von denen die ersteren nur durch Satzungsänderung iSd § 33, die anderen durch einfachen Mehrheitsbeschluss gem § 32 modifiziert werden können, ist im Hinblick auf die Rechtssicherheit hier nicht anzunehmen (BayObLG 1975, 435, 438; MüKo/Reuter Rn 1, AnwK/Heidel/Lochner Rn 2; aM Reichert Rn 596ff). Satzungsänderung und keine bloße Konkretisierung der Zweckverfolgung ist die Erhöhung der Pflichten der Vereinsmitglieder (KG OLG 24, 237; 30, 317; RG JW 1931, 1490). Angesichts der §§ 707 BGB, 180 I, 55 AktG, 53 III GmbHG ist das Verbot wesentlicher Pflichtenmehrung als gesellschaftsrechtliches Grundprinzip bezeichnet worden (Nicklisch BB 1979, 1159; Beuthien BB 1987, 10), das jedoch im Vereinsrecht mit Rücksicht auf die regelmäßig nur geringe Belastung jedes Mitglieds, die Austrittsmöglichkeiten und die Notwendigkeit gelegentlicher Beitragsanpassungen nur eingreift, wenn und soweit ein entspr (satzungsändernder) Beschl nicht durch Interessen des Vereins erfordert wird (schärfer Beuthien, aaO, 11; Wiedemann Gesellschaftsrecht § 7 IV 1b; s auch § 58 Rn 2; s ferner BGH WM 1978, 1005 zur Genossenschaft); s auch BVerfG NJW 1991, 2626 und AG Grevenbroich NJW 1991, 2646 zur Auferlegung einmaliger Sonderleistungen. Daher keine satzungsmäßige Festlegung der Obergrenze nötig, Häuser/van Look EWiR § 39 BGB 1/88 gegen Köln ZIP 1988, 19. Beitragserhöhung ist regelmäßig nicht als wichtiger Grund für den Austritt anzusehen (LG Aurich Rpfleger 1987, 116; Staud/Weick § 39 Rn 4), was auch für eine einmalige und uU sogar verhältnismäßig hohe Umlage gilt (LG Aurich aaO; s auch BGH NJW 1968, 543; ähnlich AG Grevenbroich aaO). Wird infolge einer Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse die Erreichung des Vereinszwecks unmöglich, so schrumpft der satzungsmäßig zu verfolgende Zweck auf die ihm noch zugehörigen Restaufgaben (BGH 49, 175). 2. Erforderlich ist Beschl der Mitgliederversammlung mit Dreiviertelmehrheit, die Satzung kann 4 andere Art vorsehen oder zusätzliche Erfordernisse aufstellen, nicht aber die Satzungsänderung einem außenstehenden Dritten überlassen (Frankfurt NJW 1983, 2576; Beuthien/Gätsch ZHR 56 [1992] 459ff), dem lediglich ein Recht zur Zustimmung eingeräumt werden kann (KG Rpfleger 1974, 394; BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 5). Beim eV Eintragung als konstitutiver Akt nötig, § 71; für konzessionierte Vereine s Abs II; bei ungültigem Beschl, insb ohne qualifizierte Mehrheit, bleibt die alte Satzung bestehen. RG 119, 134; BGH NJW 1955, 457 wollen (kaum praxisnah) in der Durchführung eines ungültigen Satzungsbeschlusses Austritt der Mehrheit sehen, um der satzungstreuen Minderheit Verfolgung des Vereinszwecks mit dem Vereinsvermögen zu ermöglichen (ähnl Staud/Weick Rn 15, wenn es infolge des Beschl zu einer tatsächlichen Spaltung kommt). Das Verbleiben der Mitglieder im VerH. P. Westermann

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ein ist nicht als Zustimmung anzusehen, unabhängig davon, ob die Möglichkeit zu einer freien Willensentschließung nicht besteht, auf die Gestaltungsmöglichkeit abstellend BGH 16, 253, zust Fischer LM Nr 2 zu § 33. Jahrelange widerspruchslose Hinnahme macht die Änderung wirksam (BGH 25, 311, 316). Von außen dem Verein aufgezwungene oder angetragene Satzungsänderung, die eingetragen ist, wird mit freiwilliger Zustimmung (auch formlos) aller Mitglieder wirksam (BGH NJW 1955, 457), selbst bei Irrtum über den Inhalt der Satzungsbestimmung (BGH 25, 316; s aber zur „Abspaltung“ § 25 Rn 2a). Durch Staatsakt kann die Satzung ohne besondere gesetzliche Grundlage nicht geändert werden (BGH 19, 52). 5

3. Von Satzungsänderung oder einfacher Konkretisierung der Zweckverfehlung durch Beschl ist zu unterscheiden die Satzungsdurchbrechung. Darunter ist eine Entscheidung eines Vereinsorgans zu verstehen, in einer Einzelfrage von der Satzung abzuweichen, ohne eine formelle Satzungsänderung anzustreben, die folglich weder beschlossen noch gem § 71 eingetragen wird, gewöhnlich deshalb, weil die Handelnden nicht beabsichtigen, die Satzung in diesem Punkt auf Dauer zu ändern. Das ist, wenn es eine satzungsändernde Mehrheit der Mitgliederversammlung durch Beschl billigt, wirksam, nach verbreiteter Ansicht aber nicht, wenn dadurch eine Zustandsänderung herbeigeführt werden soll (BGH 32, 17, 19; 123, 15, 19; Staud/Weick Rn 9; BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 17). Das Problem hat seine hauptsächliche Bedeutung in der GmbH (dazu Priester ZHR 151 [1987], 40ff; Habersack ZGR 1994, 354ff), wo die Betroffenheit des einzelnen Gesellschafters durch satzungswidriges Handeln und die Bedeutung einer Änderung im Handelsregister für die einzelnen Gesellschafter größer ist; deshalb kann es im eV bei der Unwirksamkeit satzungsändernder Satzungsdurchbrechung, auf die sich dann jedes Mitglied berufen kann (näher § 32 Rn 6), bleiben.

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Ausschluss vom Stimmrecht Ein Mitglied ist nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und dem Verein betrifft.

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1. Zweck der Vorschrift ist Vermeidung von Interessenkonflikten, s denselben Rechtsgedanken in §§ 136 AktG, 47 GmbHG, 43 GenG und 181 BGB. Der Anwendungsbereich ist aber auf die Vornahme von Rechtsgeschäften mit dem betreffenden Mitglied und die Einleitung von Rechtsstreitigkeiten zw ihm und dem Verein beschränkt. Im Schrifttum wird verschiedentlich versucht, ein über § 34 hinausgehendes allg Prinzip des Stimmrechtsausschlusses zu formulieren (Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der jur Pers 1981, 66ff), etwa dahin, dass niemand in eigener Sache als Richter mitwirken kann. Dies ist jedenfalls dann anzuerkennen, wenn bei einer Entscheidung ein Werturteil über bestimmte Handlungen und Verhaltensweisen einer Person gefällt werden soll, also bei Ausschluss, Abberufung aus einem Amt, Kündigung eines Anstellungsvertrags aus wichtigem Grund, Verhängung einer Vereinsstrafe, wohl auch schon Entlastung (BGH 86, 177, 179 betr GmbH; BGH NJW 2002, 704; Düsseldorf GmbHR 1989, 468; BayObLG NJW-RR 1987, 595; Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, 235ff; 263ff; anders Köln NJW 1968, 992; Pal/Ellenberger Rn 3) und es mag auch möglich sein, in Einzelfällen Analogien zu den Einzelbestimmungen des Gesellschaftsrechts zu ziehen (MüKo/Reuter Rn 3). Bei der Verhängung von Vereinsstrafen ist Stimmrechtsausschluss anzunehmen, sofern korrekte Besetzung der vereinsinternen Spruchstelle (§ 25 Rn 9) gesichert ist (ähnlich MüKo/Reuter Rn 16). Schwerwiegende Interessenkollisionen oder unlautere Beeinflussungen der Abstimmung zugunsten eines Mitglieds, auch eines Vorstands, können die Stimmabgabe als unzulässige Rechtsausübung und damit mangelhaft erscheinen lassen (RG 146, 385, 396; BGH NJW 1980, 1278; Hamburg DB 1981, 81). Im Aktienrecht hat BGH ZIP 2007, 1056 anerkannt, dass der Ausschluss eines (Aufsichtsrats-)Mitglieds vom Stimmrecht gem der Regel des § 34 nicht zur Beschlussunfähigkeit des Organs führt, sondern nur zur Stimmenthaltung des betreffenden Mitglieds, dessen verbotswidrig abgegebene Stimme nicht mitgezählt werden darf.

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§ 34 ist anwendbar auf den nicht rechtsfähigen Verein (Habscheid AcP 155, 391), sowie auf die Erbengemeinschaft (BGH 56, 47, 52) und die Bruchteilsgemeinschaft (BGH 34, 367, 371). Die Vorschrift ist, wie § 40 zeigt, zwingend und findet über § 28 auch auf Vorstandsentscheidungen Anwendung.

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2. Ausgeschlossen ist das Mitglied von der Abstimmung über die Vornahme eines Rechtsgeschäfts. Darunter fallen nicht Beschl über Besetzung von Organpositionen innerhalb des Vereins, sondern nur über Rechtsbeziehungen zw Verein und Mitglied (Wilhelm NJW 1983, 912, 914; zust MüKo/Reuter Rn 10), die das Mitglied als Vertreter des Vereins nicht abschließen könnte (BGH NJW 1991, 172); das Stimmverbot ist also nicht auf Drittgläubigergeschäfte beschränkt. So kann das Mitglied über seine Kandidatur zu Organen grds mitstimmen (RG 74, 276; s aber Rn 1), nicht aber über die Erteilung von Weisungen an die Geschäftsführung im Hinblick auf die Durchführung von Geschäften mit ihm (BGH 68, 107, 112). Vielfach wird eine Einschränkung des Stimmrechts bei mitgliedschaftlichen Sozialakten angenommen, bei denen das Mitglied nur die ihm kraft der Mitgliedstellung zustehenden Rechte wahrnehmen will, also etwa Abberufung oder Kündigung, die nicht auf wichtigen Grund gestützt sind (BayObLG NJW-RR 1986, 1499; Düsseldorf GmbHR 1989, 468; Zöllner S 224ff), doch liegt auch hier möglicherweise eine Interessenkollision vor; anders bei der Einforderung von Beiträgen oder bei der Auflösung des Vereins (Reichert Rn 1567). Das str Stimmverbot bei der Festsetzung der Bezüge von Organpersonen (dafür Soergel/Hadding Rn 5; dagegen RG 74, 276; JW 1917, 165; BGH 18, 205, 210; 51, 209) folgt im Grundsatz daraus, dass hiervon im Regelfall des Idealvereins die Wahl in das Amt nicht betroffen ist und der Interessengegensatz von Verein und Mitglied dem beim Abschluss von Rechtsgeschäften entspricht. Nach BGH 56, 47, 53 schließt die Beteiligung eines Mitglieds an einer jur Pers, die Partner des Vertrags ist, auf die sich der Beschl bezieht, das Stimmrecht 150

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Juristische Personen

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nicht aus, anders nur, falls das Mitglied die jur Pers „beherrscht“. Das gilt auch, wenn eine Mehrzahl von Mitgliedern das andere Unternehmen beherrscht (BGH 68, 107 für GmbH). Die Art des Rechtsstreits zw Mitglied und Verein ist nicht näher bezeichnet, weil die Interessenkol- 4 lision vom Streitgegenstand nicht abhängt. Die Geltendmachung von Ansprüchen und die Erhebung einer Feststellungs- oder Gestaltungsklage stehen daher gleich (näher Zöllner aaO, 214ff; MüKo/Reuter Rn 14), doch greift das Stimmverbot unter diesem Gesichtspunkt (anders vielleicht wegen Richtens in eigener Sache) nicht schon dann ein, wenn der Gegenstand der Abstimmung so beschaffen ist, dass sich aus ihm ein Rechtsstreit ergeben könnte. Ein Stimmrechtsausschluss besteht nicht, wenn der Rechtsstreit die Gültigkeit eines Vorgangs klären soll, an dem der Betroffene mitwirken durfte, jedenfalls dann nicht, wenn die dort unterlegene Minderheit lediglich versucht, über den Rechtsstreit eine Entscheidung zu blockieren, was i Erg zu Stillstand während des Prozesses führt. Eine Ausdehnung des Stimmrechtsverbots auf Angelegenheiten nahe stehender Personen sieht 5 § 34 nicht vor, so dass mit dem Gedanken der Treuwidrigkeit und mit Gesetzesanalogien zu gesellschaftsrechtlichen Vorschriften gearbeitet werden muss (Rn 2). Soweit eine Personengruppe (Bruchteils- oder Gesamthandsgemeinschaft) Mitglied ist, erfasst das einen Gemeinschafter erfassende Stimmverbot die Gemeinschaft, wenn der Betroffene in der Gruppe entscheidenden Einfluss ausüben kann (BGH 49, 183, 193; NJW 1968, 743; Zöllner aaO, 274f; MüKo/Reuter Rn 10). 3. Verstoß gegen § 34 bei Abhängigkeit des Beschl von der unerlaubten Stimmabgabe führt zur Un- 6 gültigkeit, Mitwirkung des Ausgeschlossenen in der Versammlung oder Teilnahme an der Diskussion reicht aber dafür nicht aus.

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Sonderrechte Sonderrechte eines Mitglieds können nicht ohne dessen Zustimmung durch Beschluss der Mitgliederversammlung beeinträchtigt werden.

1. Zweck der Vorschrift ist ein über den Gleichbehandlungsgrundsatz hinausgehender Schutz vor 1 Majorisierung, § 35 ist daher zwingend (AnwK/Heidel/Lochner Rn 1); möglich sind aber auflösend bedingte Sonderrechte, Bedingung auch Beschl der Mitgliederversammlung. Der Grundsatz des § 35 ist auch im allg Gesellschaftsrecht anzuwenden (BGH NJW-RR 1989, 542), wobei jedoch die Einräumung von Sonderrechten etwa im Aktienrecht weitgehend an der Satzungsstrenge scheitert, dazu auch Altmeppen NZG 2005, 771, 773. 2. Begriff. Sonderrecht ist eine bevorzugte körperschaftliche Stellung einer Person oder Gruppe 2 aufgrund der Mitgliedschaft, die gegen Entziehung durch Mehrheitsbeschluss gesichert sein soll, vgl RG 104, 255; HRR 1932, 1287, zB Organbestellungsrecht (vgl zB für GmbH BGH NJW 1968, 131), BGH WM 1989, 250 für bevorzugtes Stimmrecht, Anspruch auf Liquidationserlös. Sonderrechte können nur durch Satzung begründet werden. So sind Rechte, die nicht auf einen zur Mitgliedschaft hinzutretenden besonderen Umstand gegründet, sondern Ausfluss des allg Mitgliedschaftsrechts sind (zB das Recht, geheime Abstimmung verlangen zu können), keine Sonderrechte (BGH 84, 209, 218). Insb ist bei allen Mitgliedern zustehenden Rechten der Schutz durch den Gleichbehandlungsgrundsatz (vgl dazu zu § 25 Rn 4) ausreichend. Zu Mehrstimmrechten s auch § 32 Rn 5. Gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßende Beschl sind auch ohne Rücksicht auf § 35 unwirksam (vgl RG 112, 124), wobei Eingriffe in solche Rechte für alle Mitglieder gleichmäßig durch Beschl zulässig sein können, demgegenüber muss gruppenweise Unterscheidung sachlich begründet sein, BAG NJW 1956, 806. Sonderrecht als körperschaftliches Recht ist von einem Recht, das in gewöhnlichen Rechtsgeschäften zw Verein und Mitglied begründet ist (Gläubigerrecht), zu unterscheiden, zB Darlehensanspruch. Hier gilt das Recht der Vertragsverhältnisse, wobei es aber als Sonderrecht auch angesehen werden kann, gegen eine Vergütung in Vereinsangelegenheiten mitwirken zu können (so mit Blick auf KG Grunewald Kurzkomm/EWiR 2005, 25 zu BGH ZIP 2004, 2282). Wie die Sonderrechte sind auch die aufgrund der Mitgliedschaft dem Mitglied erwachsenen Ansprüche gegen den Verein, zB auf beschlossenen Gewinn beim wirtschaftlichen Verein, der Bestimmung durch den Verein entzogen. Sonderlasten, zB Erhöhung der Beiträge für einzelne Mitglieder (BGH DRsp I [110] 29a), sind entspr zu behandeln. Dagegen ist Einstimmigkeit für die Beseitigung von Sonderlasten wohl nicht zu fordern, satzungsändernde Mehrheit und Zustimmung des Betroffenen genügen. Die Regelung gilt auch, wenn nicht die Mitgliederversammlung, sondern ein anderes Organ, etwa der Vorstand, die Ausübung eines Sonderrechts behindert (BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 8). Ob § 35 verletzt ist, kann der Richter unbeschränkt nachprüfen. 3. Die Sonderrechte entstehen aufgrund der Satzung (BGH MDR 1970, 913); dabei Wahrung der 3 Form erforderlich (BGH NJW 1969, 131 – Entscheidung für GmbH); das gilt auch für Begründung durch Satzungsänderung, der auch die nicht entspr begünstigten Mitglieder zustimmen müssen (Löffler NJW 1989, 2656, 2659). Die zur Entziehung nötige Zustimmung kann auch konkludent (zB Mitwirkung bei der Beschlussfassung) erfolgen. Ein Sonderrechte verletzender Beschl ist unwirksam, Geltendmachung in jedem Verfahren möglich.

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Berufung der Mitgliederversammlung Die Mitgliederversammlung ist in den durch die Satzung bestimmten Fällen sowie dann zu berufen, wenn das Interesse des Vereins es erfordert. Einberufung der Mitgliederversammlung ist Pflicht des Vorstands bzw des sonst zuständigen Or- 1 gans; Verletzung macht schadensersatzpflichtig ggü dem Verein, Erzwingung nach § 37 möglich (daH. P. Westermann

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zu § 37 Rn 3). Ob daneben auch durch Klage erzwingbares Recht des Einzelmitglieds besteht, ist str (bejahend RG 79, 411, verneinend mit Recht Staud/Weick § 37 Rn 16, MüKo/Reuter Rn 5). Wichtiger Grund ist Sachverhalt, der ohne Verzögerung der Beschlussfassung der Mitgliederversammlung zu unterbreiten ist, zB Notwendigkeit einer Satzungsänderung, BGH NJW 1987, 1811. § 36 zwingend, vgl § 40.

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Berufung auf Verlangen einer Minderheit (1) Die Mitgliederversammlung ist zu berufen, wenn der durch die Satzung bestimmte Teil oder in Ermangelung einer Bestimmung der zehnte Teil der Mitglieder die Berufung schriftlich unter Angabe des Zweckes und der Gründe verlangt. (2) Wird dem Verlangen nicht entsprochen, so kann das Amtsgericht die Mitglieder, die das Verlangen gestellt haben, zur Berufung der Versammlung ermächtigen; es kann Anordnungen über die Führung des Vorsitzes in der Versammlung treffen. Zuständig ist das Amtsgericht, das für den Bezirk, in dem der Verein seinen Sitz hat, das Vereinsregister führt. Auf die Ermächtigung muss bei der Berufung der Versammlung Bezug genommen werden.

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1. Die Vorschrift bezweckt Minderheitenschutz, sie ist daher im Grundsatz zwingend, vgl § 40, wohl aber nähere Regelung durch die Satzung möglich (Stuttgart NJW-RR 1986, 995), zB bzgl des Einberufungsquorums, wobei aber nicht eine Mehrheit gefordert werden kann (KG NJW 1962, 1919). Nach Stuttgart aaO verletzt eine Vorschrift, die bei einer Normalzahl von neun Mitgliedern jeweils ein Drittel zur Einberufung berechtigt, den § 37 insofern, als die Mitgliederzahl sinken kann und dann nicht mehr derselbe Minderheitenschutz verwirklicht wird. Hier dürfte aber Auslegung helfen. Der durch § 37 bezweckte Minderheitenschutz muss effektiv bleiben, weshalb das Quorum wohl durch Satzung heraufgesetzt werden kann (BayObLG MDR 2001, 948 m zust Anm Hüttinger NotBZ 2001, 268 [für Anhebung auf 20 %]), aber jedenfalls deutlich unter 50 % bleiben muss (KG aaO; MüKo/Reuter Rn 2; AnwK/Heidel/Lochner Rn 3, 4; für Flexibilität bis 49,9 % Hüttinger aaO; für das gesetzliche Quorum als Höchstgrenze Soergel/Hadding Rn 5; MüKo/Reuter Rn 3). § 37 ist als allg Grundsatz des Vereinsrechts auch auf Verein des § 22 und auf nicht rechtsfähigen Verein anzuwenden (vgl Soergel/ Hadding Rn 3). Wo Vertreterversammlung besteht, ist § 37 auf die Vertreterversammlung entspr anwendbar (Frankfurt OLG 1973, 137, 139; MüKo/Reuter Rn 14). Die Vorschrift gilt auch für den nicht rechtsfähigen Verein (Staud/Weick Rn 17).

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2. Voraussetzung ist Verlangen durch die erforderliche Zahl; als Begründung genügt die Angabe dessen, was in der Mitgliederversammlung geschehen soll, idR eine Beschlussfassung, so dass der Gegenstand der Tagesordnung anzugeben ist. Adressat ist der Vorstand, dem ein Prüfungsrecht nur im Hinblick auf das Vorliegen von Rechtsmissbrauch zusteht (MüKo/Reuter Rn 7; Reichert Rn 1267). Dies kann gegeben sein, wenn die Mitgliederversammlung für den vorgesehenen Beschl nicht zuständig ist, darüber schon mehrfach abl entschieden hat oder ohnehin demnächst im Rahmen ordentlicher Abhaltung entscheiden muss, schließlich, wenn der Beschl nichtig wäre (KG JW 1935, 2647; Köln WM 1959, 1402, Frankfurt OLG 1973, 137, 140).

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3. Erzwingbarkeit des Anspruchs gem § 37 II im Verfahren nach dem FamFG. Das Gericht ermächtigt die Antragsteller zur Einberufung, die dann unter Bezugnahme auf den Beschl zu geschehen hat; der Beschl gibt die Tagesordnungspunkte an (Hamm MDR 1973, 929). Die das Verlangen stellenden Mitglieder sind Antragsteller, der Verein – nicht dessen Vorstand – ist Antragsgegner, da unmittelbar in seine Verfassung eingegriffen wird (BayObLG NJW-RR 1986, 1499). Keine Nachprüfung, ob angestrebter Beschl sachdienlich, wohl aber bzgl der sachlichen Zuständigkeit der Mitgliederversammlung; BayObLG JW 1933, 1470 verlangt außerdem Nachw eines schutzwürdigen Interesses; nach KG JW 1935, 3336 Ablehnung, falls offensichtlich missbräuchliche oder rechtswidrige Zwecke verfolgt werden. Das Gericht kann aber jedenfalls nicht nachprüfen, ob die Abhaltung einer Mitgliederversammlung zweckmäßig ist, MüKo/Reuter Rn 11; Staud/Weick Rn 12. Zur Klage des Einzelmitglieds vgl § 36. Für das Verfahren nach Abs II müssen die Voraussetzungen des Abs I erfüllt sein (Frankfurt OLG 1973, 140). Der Vorstand ist, soweit tunlich, zu hören. Die Zustellung des Beschl zumindest an die Antragsteller ist Wirksamkeitsvoraussetzung der Versammlungsbeschlüsse, BayObLG 1970, 120. Die Versammlung kann nicht vor Rechtskraft des Beschl stattfinden (BayObLG 1971, 84, 87). Bei einer – zulässigen – Befristung der Ermächtigung in dem Beschl kann die Versammlung nur innerhalb der Frist stattfinden (BayObLG 1971, 84, 87). Die Antragsteller können von dem Beschl Gebrauch machen, bis es zu einer beschlussfähigen Mitgliederversammlung gekommen ist, BayObLG Rpfleger 1978, 377. Die das Verfahren betreibenden Mitglieder haben gegen den Verein einen Aufwendungsersatzanspruch (Pal/Ellenberger Rn 4).

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4. Die Bestimmung des Vorsitzenden soll weiteren Schutz schaffen; sie muss auch noch erg nach Anordnung der Versammlung möglich sein.

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5. § 37 ist entspr anwendbar bei Antrag einer Minderheit auf Aufnahme eines Punktes in die Tagesordnung (s auch Staud/Weick Rn 17), einstw Verfügung insoweit daher nicht zulässig (Hamm MDR 1973, 729).

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Mitgliedschaft Die Mitgliedschaft ist nicht übertragbar und nicht vererblich. Die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte kann nicht einem anderen überlassen werden.

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1. Mitgliedschaft ist die Gesamtheit der körperschaftlichen Beziehungen zw Verein und Mitglie- 1 dern, deren personenrechtlicher Einschlag (RG 163, 203), durch die Verfolgung ideeller Zwecke verursacht, der Übertragbarkeit entgegensteht, andererseits aber nicht so stark ausgeprägt ist, dass die Satzung nicht etwas anderes bestimmen könnte (§ 40). Das gilt unabhängig davon, ob iÜ das Rechtsverhältnis zw Mitglied und Verein mehr als Anschluss an den überindividuellen Verband oder als vertragliche Verbindung mit den Personen verstanden wird, die gleiche oder ähnliche Förderungspflichten übernommen haben (zum Letzteren Lutter AcP 180, 84, 95; Wiedemann Gesellschaftsrecht § 2 I 1; anders Flume Die jur Pers § 8 I; ähnlich MüKo/Reuter Rn 5). Der Ausdruck „Mitgliedschaft“ bezeichnet gleichzeitig ein Bündel von „mitgliedschaftlichen“ Rechten und Pflichten, also sowohl ein Rechtsverhältnis und innerhalb dessen ein subjektives, dem Mitglied zustehendes Recht (für Qualität als zustehendes Recht Lutter AcP 180, 84, 101; K. Schmidt GesR § 19 I 3b; zum Schutz über § 823 Abs. I BGH 110, 323, 327; MüKo/Reuter Rn 16ff) als auch – mit gewissen Einschränkungen – das Objekt bestimmter Rechtsgeschäfte wie etwa einer Übertragung oder Belastung (s auch § 719 Rn 8); zur doppelten Bedeutung des Mitgliedschaftrechts auch K. Schmidt GesR § 19 I 3; MüKo/Reuter Rn 10; näher Habersack Die Mitgliedschaft – subjektives und „sonstiges“ Recht 1996, 62ff, 98, dort – S 117ff – auch Darstellung zur Qualität als „sonstiges Recht“. Allerdings sind bzgl der Parteienstellung an mitgliedschaftlichen Rechten und Pflichten vielfältige und nicht nur auf den Unterschied zw personalistischen und körperschaftlichen Verbänden zurückgehende Lösungen des positiven Rechts denkbar und tatsächlich anzutreffen. Daher kann ein Mitgliedschaftsverhältnis an einem Verein insb auch eine Unterwerfung unter die Vereinsgewalt umfassen (§ 25 Rn 2), die bis zur Disposition des Vereins über das subjektive Recht des Mitglieds reichen kann, ohne dass dies auf das Modell des vertraglichen Zusammenschlusses zur Verfolgung gemeinsamer Zwecke gestützt werden müsste (anders Hadding/van Look ZGR 1988, 277). Es besteht ein Rechte und Pflichten – insb Treupflichten – begründendes Rechtsverhältnis zw dem Mitglied und dem Verein wie auch unter den Mitgliedern (Lutter AcP 180, 84, 122ff; MüKo/Reuter Rn 1). Hins der Intensität von Treupflichten und der Befugnis, die Erfüllung vereinsrechtlich begründeter Leistungs- und Verhaltenspflichten zu fördern, ist die tatsächliche Verbandsstruktur maßgeblich (Lutter S 105; Dütz FS Herschel 1981, 55, 63; ders FS Hilger und Stumpf 1983, 99); heute ist die Mitgliedschaft im Rahmen der satzungsmäßigen Ordnung der Vereinsgewalt durchaus möglicher Gegenstand durch Leistungs- und Unterlassungsklage durchsetzbarer Mitgliedspflichten (für die Möglichkeit, Sonderpflichten eines Mitglieds mit Haftungssanktionen auszustatten, KG MDR 1985, 230). Die Mitgliedschaft kann bei entspr Vereinszweck auch zur Leistung von Diensten verpflichten, ohne dass ohne weiteres ein Arbeitsverhältnis entstünde (BAG MDR 1996, 75 zur Rote-Kreuz-Schwesternschaft); doch darf dies nicht zur Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften führen (BAG ebenda; so auch BAG NJW 2003, 161), was BAG NJW 1996, 143 für die abhängigen Leistungen eines Mitglieds der Scientology-Gemeinschaft annahm, denen keine mitgliedschaftlichen Rechte auf Einflussnahme gegenüberstanden. Durch Satzung können auch aus der Mitgliedschaft hervorgehende Rechte übertragbar ausgestal- 2 tet werden (RG 100, 2; BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 33; LAG Baden-Württemberg AP Nr 18 zu § 3 TVG Verbandszugehörigkeit für Rechtsnachfolge durch Übernahme des bisherigen Verbandsmitglieds durch anderen Rechtsträger; dazu auch Rn 5). Die Satzung kann jedoch nicht bestimmen, dass der Komplex von mitgliedschaftlichen Rechten und Pflichten bei Ausscheiden eines Mitglieds automatisch (also ohne Beitritt) einem bislang außenstehenden Dritten zufällt, auch wenn dieser Funktionsnachfolger des Mitglieds ist, es bedarf also eines rechtsgeschäftlichen Übertragungsvorgangs, Hamm NZG 2011, 35. Auch ist die Schaffung von Eintritts- oder Mitgliedspflichten ohne eigenes Zutun unzulässig, so dass die Satzung auf den Weg der Einräumung eines Eintrittsrechts verwiesen ist (RG 106, 120, 126; BGH WM 1980, 1286; NJW 1987, 2503). Dafür muss trotz der Unterschiede zw Satzung und Vertrag auf die Figur des § 328 zurückgegriffen werden (dagegen Reuter JZ 1985, 536). Die Übertragung einzelner Mitgliedschaftsrechte an andere würde gegen das allg, aus § 717 (auch für den Verein) gefolgerte Abspaltungsverbot verstoßen (BGH WM 1980, 1286; Reichert Rn 724, 728ff; Soergel/Hadding Rn 29), das (in engen Grenzen) durch Bestellung einer Treuhand oder eines Bevollmächtigten überwunden werden kann; dies bedarf einer satzungsmäßigen Zulassung, auch wenn es sich um die Wahrnehmung der einer jur Pers oder einer Personenhandelsgesellschaft zustehenden Stimmrechte durch einen nicht zu ihrer Vertretung Befugten handelt (Hamm WM 1990, 879). 2. Die Mitgliedschaft wird erworben durch Teilnahme am Gründungsakt und Beitritt (Rn 4); aus- 3 nahmsweise (für einen kirchliche Aufgaben wahrnehmenden Verein) hat Hamm NJW-RR 1995, 119 zugelassen, dass die Satzung bestimmte kirchliche Funktionsträger als „geborene“ Vereinsmitglieder einsetzen kann. Zur Entstehung der Mitgliedschaft durch Verschmelzung § 20 I Nr 3 1. Hs UmwG. Hins der Erheblichkeit von Willensmängeln unterscheidet die hM danach, ob eine rückwirkende Leugnung der Eingliederung in den Verein dem Zweck der Regeln über den Willensmangel entspricht, was für Geschäftsunfähigkeit, Sitten- und Verbotswidrigkeit angenommen wird, nicht aber für Dissens und Irrtum, die lediglich zu einem Austrittsrecht führen (Staud/Weick § 21 Rn 19; nähere Darstellung bei Walter NJW 1975, 1033). Bzgl des der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bedürftigen Eintritts eines Minderjährigen kann die Satzung besondere Vorkehrungen treffen, Hamm NJW-RR 2000, 42; AnwK/Heidel/Lochner Rn 5. Die Gültigkeit von Abstimmungen und Beschl bleibt unberührt, soweit ihnen nicht derselbe Mangel anhaftet. Die Mitgliedschaft wird auch erworben durch Aufnahme, die aus Erklärung des Beitretenden und 4 Erklärung des Vereins besteht, für welche im Zweifel die Mitgliederversammlung zuständig ist. Es handelt sich um einen körperschaftlichen, ein Dauerrechtsverhältnis begründenden Akt (Soergel/ Hadding Rn 10), der allerdings auch konkludent geschehen kann, was gerade in Fällen einer Funktionsnachfolge und anschließender Mitarbeit im Verein in Betracht kommt (Hamm NZG 2011, 35; H. P. Westermann

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BGH 105, 306, 313). Die Satzung kann die Aufnahme von einer der vereinsinternen Willensbildung nachfolgenden Formalität wie der Aushändigung einer Mitgliedskarte abhängig machen; vor Erfüllung solcher Voraussetzungen hat der Bewerber auch noch keinen Anspruch auf Aufnahme (BGH 101, 193). Aufnahme ist nicht mit Annahme iSd § 151 identisch, muss allerdings auch in angemessener Frist erfolgen. Aufgrund satzungsmäßiger Regelung ist auch Erwerb der Mitgliedschaft durch bloße Einzelerklärung möglich. Zur Anwendbarkeit des allg Rechts der Willenserklärung auf diese Erklärung s Rn 3. 5

Mitgliedsfähig sind nat und jur Pers, auch die GbR (BGH 116, 86; AnwK/Heidel/Lochner Rn 3; Soergel/Hadding Rn 5). Mitgliedschaft jur Pers bedeutet nicht Mitgliedschaft ihrer Mitglieder, soweit die Satzungen des Einzelvereins und des Verbands nichts anderes bestimmen (BGH NJW 1958, 1867). Insb bei Verbänden, deren Mitglieder Vereine oder andere jur Pers sind, kann die Verschmelzung oder Spaltung nach dem UmwG Probleme hins der Rechtsnachfolge in der Mitgliedschaft aufwerfen (s den Fall LAG Bad-Württ aaO Rn 2). Wenn nicht die Satzung die Übertragung zulässt und eine solche Zulassung ihr auch nicht durch Auslegung entnommen werden kann, kann der neue Rechtsträger die Mitgliedschaft nicht erwerben; die Satzung kann auch für Umwandlungsfälle ein Verbot der Rechtsnachfolge statuieren, um Doppelmitgliedschaften oder sonstige Rechtsunsicherheit zu verhindern. Dann endet die Mitgliedschaft des bisherigen Rechtsträgers oder sie kann von beiden Seiten ohne einen über den Umwandlungsfall hinausgehenden Grund beendet werden (eingehend zu diesem Vorschlag Rieble ZIP 1997, 301, 307, 309ff). Möglich ist eine Verbandsorganisation derart, dass die in Untergliederungen zusammengeschlossenen Einzelmitglieder zugleich dem Gesamtverein angehören (BGH 89, 153, 155), aber auch in der Weise, dass dem Dachverband nur die rechtlich als Verein verselbständigten Untergliederungen als Mitglieder angehören (Vereinsverband, zu der Unterscheidung zum Gesamtverein und zu gegliederten Mitgliedschaften Vor § 21 Rn 14). Die bei den Sportverbänden verbreitete Organisation als Vereinsverband schließt nicht aus, dass durch Satzung und/oder Individualverträge Beziehungen zw Mitgliedern des Einzelvereins und dem Dachverband geschaffen werden, was für die Organisation der Vereinsgerichtsbarkeit Folgen hat (§ 25 Rn 6–8). Denkbar ist auch, dass alle Mitglieder eines Vereins Mitglieder eines anderen werden. Ohne Satzungsregelungen entweder des Verbands oder der in ihm zusammengeschlossenen Einzelvereine steht dem Verband aber keine Entscheidungsmacht in Vereinsangelegenheiten der Mitgliedervereine zu.

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3. Grds besteht kein Anspruch auf Aufnahme, auch Satzungsregelungen, die die Mitgliedschaft für jedermann öffnen und eine möglichst große Mitgliederzahl anstreben (wie etwa bei Gewerkschaften), sind eng auszulegen und lassen im Zweifel dem Verein einen Ermessensspielraum, Bewerber nicht aufzunehmen (BGH NJW 1985, 1214f; NJW 1987, 2503f; krit Reuter EWiR § 25 BGB 1/87). Das gilt auch in Bezug auf die Ableistung eines in der Satzung vorgesehenen Probejahres (LG Lübeck MDR 1993, 292). Die Entscheidungsfreiheit des Vereins über Aufnahme ist umso ausgeprägter, je stärker das personenrechtliche Verhältnis der Vereinsmitglieder ist. Aufnahmezwang somit nur ausnahmsweise, und zwar außerhalb der Fälle einer den § 826 verletzenden Ablehnung (BGH NJW-RR 1986, 583f; BGH 63, 282, 285) dann, wenn die Ablehnung zu einer im Verhältnis zu den bereits aufgenommenen Mitgliedern sachlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung des Bewerbers führt (BGH 63, 282, 285; 93, 151, 153f), ferner bei überragender Machtstellung des Vereins im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich und gleichzeitigem erheblichen Interesse des Bewerbers am Erwerb der Mitgliedschaft (BGH 93, 151f zur Gewerkschaft mit krit Anm Reuter JZ 1985, 534; BGH NJW 1980, 186 – „Anwaltverein“; NJW 1969, 316 – „Universitätssportclub“; NJW-RR 1986, 583 – „Landessportbund“, auch bei nur regional begrenzter Bedeutung, BGH 140, 74 m zust Anm van Look WuB II M § 38 BGB 1.99 und Kurzkomm Kirberger EWiR 1999, 1097; Stuttgart NZG 2001, 997 – regionaler Sportbund; Stuttgart NJW-RR 1987, 995 (keine Monopolstellung); im Grundsatz zust Ehlert JR 2000, 105; s auch Grunewald AcP 181, 205). Der Aufnahmezwang folgt dann mittelbar aus Art 9 I GG, BGH 140, 174 (zur mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten in diesem Bereich Nolte/Polzin NZG 2001, 838). Differenzierende Übersicht über Fälle im Verbandswesen bei Vieweg, FS für Reuter, 2010, 395ff; dort S 406ff auch Lösungsvorschläge über die Figur der vormitgliedschaftlichen Förderpflicht. In derartigen Fällen kann der Aufnahmeanspruch auch durch einstw Verfügung durchgesetzt werden (Düsseldorf NJW-RR 1998, 328 – Landessportbund). Gegen Aufnahmezwang spricht nach BGH NJW 1980, 186 die hohe Zahl der in dem beklagten Verein nicht organisierten Anwälte, was im Fall BGH 93, 151 zur Klageabweisung hätte führen müssen; deshalb ist der selbsterhobene Anspruch eines Vereins, die auch bei einem Bewerber vorhandenen Interessen zu repräsentieren, als Grundlage für einen Aufnahmeanspruch heranziehbar (Reuter JZ 1985, 537; aufgrund kartellrechtlich geprägter Überlegungen ebenso Bartodziej ZGR 1991, 517, 523f). Zu dem Anspruch, bestimmte Interessen verantwortlich zu repräsentieren, die in der Tendenz für viele wichtig sind, muss eine tatsächlich überragende Stellung in dem fraglichen Bereich kommen, die den Zurückgewiesenen in den betreffenden für ihn bedeutsamen Kreisen zum Außenseiter stempelt (deshalb kein Aufnahmeanspruch gegen baltischen Adelsverein, Celle NJW-RR 1989, 313); diese Kriterien sind nicht erfüllt, wenn der Aufnahmewillige genügende Ausweichmöglichkeiten hat (zu diesem Merkmal Bartodziej aaO, 529). Alle diese Überlegungen sind, wie der BGH auch außerhalb wettbewerbsrechtlich relevanter Vorgänge feststellt (BGH 93, 151, 153), auch an den Maßstäben des § 20 VI GWB orientiert, der der Kartellbehörde erlaubt, die Aufnahme eines Bewerbers in einen Wirtschafts- und Berufsverband anzuordnen, wenn die Ablehnung eine ungerechtfertigte Beeinträchtigung im Wettbewerb darstellt, dazu aber auch (aus § 20 VI iVm § 33 GWB) dem Bewerber einen Aufnahmeanspruch gibt (BGH 29, 344; zu den Voraussetzungen BGH NJW 1969, 316 – Universitätssportclub; BGH NJW 1980, 186 – Anwaltsverein; BGH NJWRR 1986, 583 – Aikido-Verband; Scholz/Hoppe FS Pfeiffer, 1988, 785ff). Zur Verfügung der Kartell154

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behörde, die dem Verein untersagt, die Aufnahme zu verweigern, BGH NJW 1995, 462. Schließlich haben die Vereine das Recht, Bewerber abzulehnen, wenn – eine Satzungsgrundlage vorausgesetzt – ihre Aufnahme den Bestand des Vereins und die Erfüllung seiner Ziele gefährden würde (BGH NJW 1973, 35f; Frankfurt EWiR § 25 BGB 1/89 m Kurzkomm Reuter; BGH NJW 1991, 485); dies sind dieselben Gesichtspunkte, die zum Ausschluss aus dem Verein berechtigen würden (§ 25 Rn 10, § 39 Rn 4ff). Satzungsmäßige Erschwerung der Aufnahme kann, falls sie diffamierend wirkt, unzulässig sein, 7 nicht aber kann hierfür der satzungsmäßig gewählte Zweck erweitert werden (Fuchs NJW 1965, 1509). Auch bei einer monopolartigen Machtstellung des Vereins ist dieser also zur Ablehnung des Bewerbers bei sachlich gerechtfertigten Gründen in seiner Person berechtigt, etwa bei Zugehörigkeit zur politischen Gegnerschaft der abl Gewerkschaft (BGH 93, 151, 154f; ähnlich BGH NJW 1973, 35, der auch keine satzungsmäßige Festlegung der Unvereinbarkeit fordert). Differenzierungen nach Geschlecht, Staatsangehörigkeit und dgl sind früher diskutiert worden, ältere Judikatur ist aber nach Inkrafttreten des AGG überholt. Denkbar sind satzungsmäßige Anforderungen an berufliche Qualifikation, auch wird die grds Freiheit von politischen Parteien als Tendenzvereinigungen, Bewerber aufzunehmen (BGH NJW 1987, 2503; ähnlich insoweit Reuter EWiR § 25 BGB 1/87) nicht zu bestreiten sein. 4. Ende der Mitgliedschaft durch Austritt und Ausschluss, dazu § 39, Tod oder Eintritt eines sat- 8 zungsmäßigen Tatbestandes, zB Wohnsitzwechsel, längerer Verzug mit Beitragszahlung, Wegfall der Voraussetzungen für Erwerb der Mitgliedschaft (BGH WM 1978, 1086; Oldenburg OLGRp 2009, 612). Die Mitgliedschaft ist mit Rücksicht auf ihren personenrechtlichen Bezug unvererblich; BGH WM 1980, 1286 hielt aber eine Satzungsklausel, die Eintrittsrecht des Erben begründet, für möglich (weitergehend bzgl der Vererblichkeit des in der Mitgliedschaft enthaltenen Vermögenswerts Reuter ZHR 145, 273, 280). Zur Umwandlung, Verschmelzung oder Spaltung s § 41 Rn 2–3. 5. Eine Verletzung der Mitgliedschaft kann gesehen werden als Nicht- oder Schlechterfüllung der 9 aus dem Mitgliedschaftsverhältnis fließenden Pflichten durch den Verein oder ein anderes Mitglied, das diese Pflichten missachtet hat (dazu näher Hadding/van Look ZGR 1996, 326, 334ff), ferner als deliktischer Eingriff in das subjektive Recht (zu dieser Unterscheidung Rn 1), das dann ein „sonstiges Recht“ iSd § 823 I sein muss. Schon das von BGH 110, 323 (dem folgend Schleswig OLGRp 2002, 457) angenommene Nebeneinander beider Anspruchsgrundlagen ist nicht selbstverständlich, da es mit den gesellschaftsrechtlichen Sondernormen über den Schutz von Mitgliedsinteressen abgestimmt werden muss (s Zöllner ZGR 1988, 392, 429ff); im Vereinsrecht gibt es aber keine Regeln, die etwa der Leistung von Zahlungen an Mitglieder entgegenstehen könnten (Beuthien/Keßler Anm zu BGH 110, 323ff, WuB II L § 31 BGB 1/91). Bei einem mangels Zuständigkeit unwirksamen Ausschluss hat BGH 90, 92 (dazu Grunewald, Der Ausschluss aus Gesellschaft und Verein 1987, 284) einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Mitgliedschaftsrechte des Ausgeschlossenen ähnlich der pVV angenommen; hier wäre daneben auch ein Deliktsanspruch in Betracht gekommen, weil das als sonstiges Recht iSd § 823 I zu verstehende Mitgliedschaftsrecht als Ganzes in seinem Bestand berührt wurde (ebenso K. Schmidt JZ 1991, 157, 159; Habersack aaO Rn 1, 248ff). Diese Beschränkung auf Eingriffe in Bestand und Zuweisungsgehalt des Rechts selbst, die eine Relevanz etwa mittelbarer Entwertungen der Beteiligung durch Eingriff ins Vereinsvermögen ausschließt (so auch Habersack aaO, 164ff; Hadding FS Kellermann, 1991, 102), ist wichtig, um den deliktsrechtlichen Schutz nicht zu einem allg Ersatz-Aufsichtsrecht ggü dem Organverhalten ausufern zu lassen (gegen die Anerkennung der Vereinsmitgliedschaft als sonstiges Recht darum noch Zöllner aaO, 425, 430). Diese Bedenken werden verständlich angesichts der Annahme des BGH (BGH 110, 323, 327), die Missachtung bestimmter mitgliedschaftlicher Interessen, die in concreto auf eine richtige Anwendung von Satzungen und Ordnungen gerichtet waren, gehöre zum deliktisch verletzbaren „Kern“ der Mitgliedschaft (krit insoweit auch K. Schmidt aaO, 160; Beuthien/Keßler aaO; anders Habersack aaO, 297ff). Dem ist nicht zu folgen, vielmehr handelt es sich insoweit um die Nicht- oder Schlechterfüllung individueller Rechte des Mitglieds, für die der Verein nach § 31 haftet (zur Berechtigung auch eines Mitglieds aus dieser Norm s § 31 Rn 6). Stets ist dann noch mit BGH 110, 323, 379fzu prüfen, ob mitgliedschaftliche Pflichten des Mitglieds zur Abwendung oder Minderung des Schadens verletzt sind, wobei freilich die Ansprüche aus dem Treupflichtgedanken nicht überspannt werden dürfen (Hadding aaO, 108f gegen BGH 110, 323, 330). Eigenhaftung von Vorstandsmitgliedern kann im vertraglichen Bereich durch Ausdehnung der 10 Pflichten des Organs gegen den Verein auf den Schutz der Mitglieder oder auf der Grundlage unmittelbarer Treupflichten der Mitglieder untereinander begründet sein, wie sie im Kapitalgesellschaftsrecht anerkannt sind (BGH 103, 184 m Anm Timm NJW 1988, 1582; anders für das Vereinsrecht noch BGH 110, 323, 334; krit K. Schmidt JZ 1991, 157, 161). Die persönliche Deliktshaftung des Organmitglieds will BGH 110, 323, 335 ausschließen, wenn die Entscheidung nur in Vollzug bindender Entschlüsse der Mitgliederversammlung erging; darüber hinaus ist außerhalb der Fälle des § 31a I im Einzelfall schlüssige Haftungsbeschränkung eines ehrenamtlichen Organmitglieds auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu prüfen. Allg sind die Anforderungen an ehrenamtlich handelnde Vereinsmitglieder, wenn sich typische Gefahren der Vereinstätigkeit realisieren, nicht zu überspannen (ähnlich Stuttgart NJW 1996, 1352 für Bergunfall). Das Bedenken gegen eine persönliche Vorstandshaftung ggü einem Mitglied, das eingreift, wenn es um die Verletzung des mitgliedschaftlichen Interesses an der Binnenordnung des Vereins geht (Lutter AcP 180, 84, 144), könnte bei Verletzung von im speziellen Mitgliedsinteresse bestehenden Ordnungsnormen zurücktreten. Dennoch kann eine persönliche

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Einstandspflicht ein Hindernis für die Rekrutierung und für Tätigkeit ehrenamtlicher Organwalter werden (s auch dazu Beuthien/Keßler aaO Rn 9). S auch § 27 Rn 7 aE.

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Austritt aus dem Verein (1) Die Mitglieder sind zum Austritt aus dem Verein berechtigt. (2) Durch die Satzung kann bestimmt werden, dass der Austritt nur am Schluss eines Geschäftsjahrs oder erst nach dem Ablauf einer Kündigungsfrist zulässig ist; die Kündigungsfrist kann höchstens zwei Jahre betragen.

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I. Austritt. 1. Die Austrittsmöglichkeit schafft einen Ausgleich für die mit dem Mehrheitsprinzip gegebene Möglichkeit der Majorisierung, kann daher durch die Satzung nicht ausgeschlossen und nur im Rahmen des II erschwert werden (vgl dazu BGH LM Nr 2 zu § 39; Reichert Rn 1083, 1105ff), auch nicht durch die Zahlungspflicht für bislang unentgeltlich erhaltene Leistungen (LG München I NJW 1987, 847). Eine Satzungsbestimmung, nach der bei Austritt Zahlungspflicht des Mitglieds für satzungsmäßige Zahlungen und Leistungen entstehen soll, ist unwirksam, ebenso Festsetzung eines „Austrittsgeldes“ (RG 33, 65, 130, 209) oder eine Bestimmung, nach der Wirksamkeit des Austritts von der Bezahlung aller bestehenden Verpflichtungen abhängt, die aber weiterbestehen. Auch bei Time-sharing-Vereinen ist neben der Inhaltskontrolle der Satzungen (dazu § 25 Rn 5) das zwingende Austrittsrecht ein wichtiger Schutz (LG Stuttgart NJW-RR 1995, 1009; Hildenbrand NJW 1996, 3249). Möglich ist eine zwingende Anordnung von Förmlichkeiten der Austrittserklärung.

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2. Austritt erfolgt durch einseitige Erklärung des Austretenden ggü Vorstand, damit Ausscheiden des Austretenden aus dem Verein; zeitliche Aufschiebung im Rahmen des Abs II möglich, nicht aber Abhängigkeit von einer Annahme durch den Vorstand. Auch Schriftform der Austrittserklärung kann die Satzung vorsehen, die dann gewillkürte Form gem § 127 ist und durch Telefax eingehalten werden kann (BGH NJW-RR 1996, 866). In diesem Fall bleibt das Mitgliedschaftsverhältnis bis zum satzungsmäßigen Termin in vollem Umfang bestehen. Eine Austrittsfrist kann satzungsmäßig vorgesehen werden, darf aber nicht so lang sein, dass das Austrittsrecht praktisch erheblich beschränkt wird (RG JW 1937, 3236 nimmt eine Maximalfrist von zwei Jahren an, zust MüKo/Reuter Rn 7), was zu lang erscheint. Bei wichtigem Grund, der Verbleiben bis zum satzungsgemäßen Ausscheiden unzumutbar macht, sofortiges Ausscheiden möglich (BGH NJW 1954, 953; BGH 9, 157, 162 mit Darstellung der Allgemeingültigkeit des Grundsatzes; s auch LG Itzehoe NJW-RR 1989, 1531 und Oldenburg OLGRp 2009, 612). Wegen der Zweckmäßigkeit und Verbindlichkeit von Austrittsfristen sind an die Gründe, die ein sofortiges Ausscheiden rechtfertigen, strenge Anforderungen zu stellen. Beitragserhöhungen oder die Erhebung vom Umlagen reichen nur, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die Belastung, die mit dem Verbleiben bis zum nächsten satzungsmäßigen Kündigungstermin verbunden wäre, unzumutbar ist (LG Aurich Rpfleger 1987, 115f verneint dies zu Unrecht bei einer 83 % betragenden Beitragserhöhung eines Tennisclubs, s auch § 33 Rn 3 und AG Nürnberg Rpfleger1988, 109). Bei Gewerkschaften will BGH NJW 1981, 340 eine mehr als halbjährige Frist wegen Art 9 III GG nicht hinnehmen, s auch AG Hamburg NJW 1987, 3380; fraglich aber, ob, etwa in entspr Anwendung des § 10 II S 3 PartG, ein Gewerkschaftsmitglied immer sofort kündigen kann (so AG Ettenheim NJW 1985, 979; ähnlich AG Köln NJW 1987, 2450, das bei Zusammenarbeit der Gewerkschaft mit der DKP auch einen wichtigen Grund zu fristloser Kündigung als gegeben ansah; abl Pal/Ellenberger Rn 3).

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3. Wirkung. Mit dem Ausscheiden endet das personenrechtliche Verhältnis; Fortwirkung gewisser Treuepflichten (Schweigepflicht) und der Schiedsklausel für entstandene Rechte und Pflichten möglich (RG 113, 321). Der Ausscheidende hat keinen Auseinandersetzungsanspruch (Gegensatz zu § 730; Folge des nichtwirtschaftlichen Zwecks). BGH 48, 207: Keine Beitragspflicht eines ausgeschiedenen Mitglieds, wenn die Beiträge zwar vor dem Ausscheiden festgesetzt, aber erst danach fällig gestellt wurden (Soergel/Hadding Rn 9). Anders für bei Austritt schon fällige Verpflichtungen (BGH 48, 207).

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II. Ausschluss. 1. Beendigung des Mitgliedschaftsverhältnisses ist auch durch körperschaftlichen Akt des Vereins möglich (Flume FS Bötticher, 101ff; Grunewald, Ausschluss, 39ff), s auch § 25 Rn 10, dort auch zur Kontrolle von Ausschließungsbeschlüssen, setzt aber wichtigen Grund voraus. Unstatthaft ist ein gruppenweiser Ausschluss von Mitgliedern, falls er individuelle Bewertung des einzelnen Mitgliedschaftsverhältnisses nicht zulässt (Köln NJW 1968, 992; näher Grunewald, Ausschluss, 119). Ausschluss erfolgt durch den Beschl der Mitgliederversammlung, falls Satzung nicht Zuständigkeit eines anderen Organs vorsieht, der Betroffene kann nicht mitstimmen (Grunewald aaO, 119; Soergel/Hadding Rn 13 gegen Köln NJW 1968, 992). Beschl wird mit Bekanntgabe an Ausgeschlossenen wirksam (str), er kann nur von einfach feststellbaren Bedingungen abhängig gemacht werden, KG OLG 22, 115. Er setzt Mitgliedschaft voraus, ist also nicht mehr nach wirksamem Austritt möglich, auch nicht Feststellungsurteil, dass ohne Austritt Ausschluss erfolgt wäre (RG 122, 266), wohl aber noch zw Austrittserklärung und -wirkung zulässig (RG JW 1927, 2996). Satzungsbestimmungen, die denjenigen, der sich durch Austritt dem Ausschluss entzieht, als ausgeschlossen behandeln, sind nichtig (RG 143, 1), desgl solche mit Verbot des Austritts nach Einleitung eines ehrengerichtlichen Verfahrens (RG 108, 160). Die Satzung kann aber Tatbestände bestimmen, bei deren Eintreten die Mitgliedschaft automatisch endet (Reichert Rn 1134; Grunewald, Ausschluss, 202). Verschulden ist wegen der Funktion des Ausschlusses, für das Vereinsleben nicht tragbare Mitglieder zu entfernen, nicht unbedingt erforderlich, kann aber für die Abwägung eine Rolle spielen (vgl BGH 29, 352 m zust Anm Fischer LM zu § 25 Nr 3; BGH NJW 1973, 35).

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2. Satzungsmäßige Regelung des Ausschlusses bzgl Voraussetzung und Verfahren ist möglich, etwa 5 Anordnung automatischen Ausscheidens bei Säumnis mit dem Beitrag, dauerhaftem Fernbleiben von Vereinsveranstaltungen, zurückhaltend aber Saarbrücken NJW-RR 1994, 251 (Verweigerung der Kosten für Jugendtraining der minderjährigen Kinder des Mitglieds). Zur Inhaltskontrolle § 25 Rn 5. Ausgeschlossenes Mitglied kann mit Feststellungsklage das Fortbestehen der Mitgliedschaft feststellen lassen (nicht Freiwilligkeit des Austritts, da dann kein Rechtsverhältnis iSd § 256 ZPO Streitgegenstand ist), RG JW 1926, 2283; bei unzutreffender Behauptung des Ausschlusses Klage auf Unterlassung und Schadensersatz nach allg Gesichtspunkten (RG JW 1929, 248 und RG 143, 6). Ausschluss wegen Unterstützung einer anderen als von der Gewerkschaft aufgestellten Liste zur 6 Betriebsratswahl ist nicht schlechthin wegen Verstoßes gegen § 20 II BetrVG unwirksam, maßgebend ist vielmehr, ob in dem Handeln des Ausgeschlossenen ein Verhalten liegt, das mit der satzungsmäßigen Zielsetzung unvereinbar ist und die weitere Mitgliedschaft des Ausgeschlossenen für die Gewerkschaft unerträglich macht (BGH 45, 314; 71, 126; NJW 1981, 2178; JZ 1984, 186; WM 1991, 948; krit Säcker/Ranke AuR 1981, 1; differenzierend Reuter JZ 1985, 537, s aber auch die Angaben in § 25 Rn 11). Ausschluss aus einer Gewerkschaft wegen aktiver Zugehörigkeit zu einer gewerkschaftsfeindlichen Partei ist zulässig (BGH NJW 1973, 35), s auch BGH 93, 151ff zur Ablehnung der Aufnahme aus diesem Grund (näher § 38 Rn 5). IÜ unterliegt Entscheidung über Ausschluss aus Gründen, die nicht mit Kandidatur für gewerkschaftsfremde Liste zusammenhängen, keiner weitergehenden Beschränkung als sonstige Entscheidungen über Ausschluss (BGH 102, 265; klarstellend BGH WM 1991, 948 mit Bespr Wank JR 1994, 367; s auch § 25 Rn 11). 3. Ohne satzungsmäßige Grundlage Ausschluss aus wichtigem Grund möglich, der Verein muss die 7 Möglichkeit der Lösung des Mitgliedschaftsverhältnisses bei unheilbarer Zerrüttung des persönlichen Verhältnisses haben; der körperschaftlichen Natur des Vereins entspr tritt der Ausschluss anstelle der Kündigung. Wichtiger Grund ist gegeben, falls nach Art des Körperschaftsverhältnisses Lösung erforderlich ist; dafür von Bedeutung: Enge der körperschaftlichen Beziehung, Verbindung des Grundes mit Vereinszweck (s zum Ausschluss aus einem Umweltschutzverein Frankfurt NJWRR 1991, 1276), Wirkung des Ausschlusses für den Ausgeschlossenen usw. Nachschieben von Gründen nicht möglich, da Mitgliederversammlung zunächst über den Grund entscheiden muss, s Hamm NJW-RR 2001, 1480; BGH 102, 265, 273. Sonst Behandlung wie in Rn 4 ausgeführt. Besondere Regelung der Beendigung der Mitgliedschaft in politischen Parteien einschl Ausschluss und automatischer Beendigung im Parteiengesetz, dessen abschließende Regelung durch die Satzung nicht abzuändern ist (BGH 73, 275).

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Nachgiebige Vorschriften Die Vorschriften des § 26 Absatz 2 Satz 1, des § 27 Absatz 1 und 3, der §§ 28, 31a Abs. 1 Satz 2 sowie der §§ 32, 33 und 38 finden insoweit keine Anwendung als die Satzung ein anderes bestimmt. Von § 34 kann auch für die Beschlussfassung des Vorstands durch die Satzung nicht abgewichen werden. Die Vorschrift legt Umfang und Grenzen der Satzungsdispositivität fest. Die Satzungsdispositivi- 1 tät kann aber im Einzelfall auch unter Gesichtspunkten der Inhaltskontrolle und der Treupflicht eingeschränkt sein. Die Darstellung zu den Abdingungsmöglichkeiten und ihren Grenzen im Einz erfolgt bei den Gesetzeserläuterungen.

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Auflösung des Vereines Der Verein kann durch Beschluss der Mitgliederversammlung aufgelöst werden. Zu dem Beschluss ist eine Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen erforderlich, wenn nicht die Satzung ein anderes bestimmt. 1. Auflösung bedeutet den Wegfall des Vereins als Rechtssubjekt und als Personenvereinigung, 1 steht also im Gegensatz zur Entziehung der Rechtsfähigkeit in §§ 42, 43, bei der die Personenvereinigung als nicht rechtsfähig erhalten bleibt (vgl dazu RG JW 1936, 2063; KG JW 1935, 3636). Eine Auflösung kann sich auch aus einer Sitzverlegung ins Ausland ergeben, s Vor § 21 Rn 15. Ob bei Eintreten von Auflösungsgründen ein Liquidationszwang besteht, ist bei § 47 zu behandeln. Zur Wirkung der Auflösung und des Verlusts der Rechtsfähigkeit Rn 7 u § 43 Rn 3.

2. Eine Beendigung des Vereins ohne vorherige Auflösung kann nach dem UmwG durch Verschmel- 2 zung geschehen; dieses Gesetz hat auch für den Verein Formen des Formwechsels und der Spaltung unter vollständiger oder teilw Gesamtrechtsnachfolge und einer identitätswahrenden Umwandlung ermöglicht. Nach § 3 I Nr 4 UmwG kann ein nichtwirtschaftlicher Verein sowohl übertragender als auch aufnehmender Rechtsträger im Rahmen einer Verschmelzung sein, mit der Maßgabe (§ 99 II UmwG), dass ein eV durch Verschmelzung nur andere eV aufnehmen, mit ihnen einen neuen eV, aber nicht einen Rechtsträger anderer Rechtsform aufnehmen oder gründen kann. Immerhin ist danach auch die Verschmelzung mehrerer bestehender Vereine auf einen hierdurch neu zu gründenden eV möglich; Schwierigkeiten bestehen bei der Verschmelzung von eV auf Kapitalgesellschaften oder Personenhandelsgesellschaften, indem der eV nur als übertragender Rechtsträger in Betracht kommt und beim Formwechsel nur der Weg in eine Kapitalgesellschaft einschl der Genossenschaft möglich ist, §§ 99 II, 149 II, 272 I UmwG (dazu näher Katschinski, Die Verschmelzung von Vereinen 1999, 88ff; Lutter § 99 UmwG Rn 17; MüKo/Reuter Rn 17ff). Nach §§ 3 I Nr 4, 124 I, 191 I Nr 4 UmwG kann ein wirtschaftlicher Verein gem § 22 nur übertragender oder formwechselnder Rechtsträger H. P. Westermann

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sein. Der in § 99 I UmwG für den eV vorgesehene Vorbehalt, dass die Satzung einer Verschmelzung nicht entgegenstehen darf, hat zur Folge, dass vor einer Verschmelzung eine entgegenstehende Satzungsbestimmung beseitigt werden muss, was aber praktischerweise zugleich mit der korrekt beschlossenen Verschmelzung ins Register sollte eingetragen werden können (Katschinski aaO, 32f). 3

Der Verschmelzungsvertrag ist von den Vorständen der an der Verschmelzung beteiligten Vereine auszuarbeiten, schriftlich zu erläutern und durch unabhängige Sachverständige zu prüfen, wenn mindestens 10 % der Mitglieder dies verlangen (§§ 4 II, 8–12, 100 UmwG). Dem Vertrag müssen, wenn er wirksam werden soll, die Mitgliederversammlungen in notariell zu beurkundenden Beschl zustimmen (§§ 53–55, 66–69 UmwG). Die Verschmelzung ist zum Register anzumelden und wird zuerst beim übertragenden, sodann beim übernehmenden Rechtsträger eingetragen, mit der zweiten Eintragung treten gem § 20 UmwG die Verschmelzungsfolgen ein. Da die Mitgliedschaft beim eV keinen wirtschaftlichen oder gar kapitalistischen Charakter hat, braucht der Verschmelzungsvertrag Angaben über ein Umtauschverhältnis von Anteilen nicht zu enthalten, wohl aber solche zur Mitgliedschaft der Mitglieder der durch die Verschmelzung untergehenden Vereine am übernehmenden Rechtsträger, s § 5 I Nr 3 UmwG und dazu Kallmeyer/Müller UmwG, 3. Aufl 2006, § 5 Rn 21. Dabei muss gesichert werden, dass die Mitgliedschaftsrechte der Mitglieder eines untergehenden Vereins am aufnehmenden bzw neu gegründeten Rechtsträger ihrem Beitrag zu Vermögen und Aktivitäten des neuen Rechtsträgers entsprechen. Im Verhältnis zu den Rechten der Mitglieder eines übernehmenden Rechtsträgers gilt das Gleichbehandlungsgebot (Katschinski aaO, 81). Soweit dies nicht möglich ist, kann der Zustimmungsbeschluss der Mitglieder eines übertragenden Vereins über das Bedenken hinweghelfen; Mitglieder mit Sonderrechten (§ 35) müssen, wenn sie die Rechte verlieren sollen, zustimmen, andernfalls bedarf es der Zustimmung der Mitglieder eines aufnehmenden Vereins. Soweit nach der Satzung des übertragenden Vereins Mitglieder einer Übertragung der Anteile zustimmen müssen (§ 38 Rn 2), bedarf es der Zustimmung dieser Personen in der Mitgliederversammlung, ebenso, wenn Mitglieder eines übertragenden Vereins im neuen Rechtsträger eine mit Haftungsfolgen versehene Mitgliedschaft übernehmen sollen (Katschinski aaO, 158). Die Zustimmungsbeschlüsse können nach § 103 S 1 UmwG mit Dreiviertelmehrheit gefasst werden, was allerdings satzungsdispositiv ist (§ 103 S 2 UmwG). Praktisch bedeutet dies, dass Mitglieder, die sich nicht auf Sonderrechte berufen können, bei der Verschmelzung majorisiert werden können; sie müssen eine mit dem Gleichbehandlungsgebot im Einklang stehende Ausgestaltung ihrer Mitgliedschaften beim neuen Rechtsträger oder die Gewährung eines wirtschaftlichen Ausgleichs durch Vorgehen gegen den Verschmelzungsbeschluss durchzusetzen suchen, wobei die Regelung des § 14 II UmwG zu beachten ist, wonach eine Klage nicht darauf gestützt werden kann, dass die Mitgliedschaft beim übernehmenden Rechtsträger kein ausreichender Gegenwert für die Mitgliedschaft beim übertragenden Rechtsträger sei; hier sehen §§ 305ff UmwG ein Spruchstellenverfahren vor, das im SpruchG vom 12.6.2003 (BGBl I 838) steht.

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Bei einer Verschmelzung zur Neugründung fordert § 37 UmwG, dass der Verschmelzungsvertrag die Satzung des neuen Rechtsträgers feststellt, die dann durch die Zustimmungsbeschlüsse der Mitgliederversammlungen und die Eintragung wirksam wird, wobei die Zustimmung zum Verschmelzungsvertrag gewöhnlich zugleich diejenige zur Satzung des neuen Rechtsträgers darstellt (Lutter/ Grunewald § 37 UmwG Rn 5). Die Anmeldung zum Register obliegt nach § 38 UmwG den Organen der übertragenden Rechtsträger, woraus folgt, dass die Mitgliederversammlungen zwar den Vorstand des neuen Rechtsträgers bestimmen können, dessen Bestellung aber erst mit dem Wirksamwerden der Verschmelzung in Kraft tritt (MüKo/Reuter Rn 56 gegen Katschinski aaO, 186, 187).

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Auch eine Spaltung eines eV auf mehrere übernehmende oder hierbei neu gegründete Rechtsträger, durch die der übertragende Rechtsträger erlischt, sowie eine Abspaltung durch Übertragung von Teilen seines Vermögens auf eine oder mehrere aufnehmende oder neu gegründete Rechtsträger, bei der der übertragende Verein bestehen bleibt, schließlich eine Ausgliederung durch Übertragung von Vermögensteilen auf aufnehmende oder neu gegründete Rechtsträger, an denen dann der übertragende eV Mitgliedschaftsrechte erwirbt, lässt § 123 UmwG zu, wobei hierfür nach § 124 I UmwG auch wirtschaftliche Vereine in Betracht kommen. Alle diese Strukturmaßnahmen bedürfen der Zustimmungsbeschlüsse wie bei der Verschmelzung (§§ 13, 25 UmwG), der Anmeldung und Eintragung. Die beteiligten Vereine müssen sich auf einen Spaltungsplan nach Maßgabe des § 126 UmwG verständigen. Die Rechtsfolgen sind unterschiedlich ausgestaltet, je nachdem, ob die Maßnahme zu Übertragungen auf übernehmende oder neu zu gründende Rechtsträger führen soll. Jedenfalls erlaubt das Gesetz eine partielle Rechtsnachfolge nach Maßgabe der durch die Spaltung oder Ausgliederung verteilten Vermögensgüter, was freilich noch voraussetzt, dass nach allg zivilrechtlichen Grundsätzen Sachen und Verpflichtungen nicht so eng zusammenhängen, dass eine Trennung nicht möglich ist. In Betracht kommt ferner neben der verhältniswahrenden Abspaltung, nach der die Mitglieder der übertragenden Vereine den übernehmenden als Mitglieder angehören, eine nicht verhältniswahrende, nach der die Mitglieder des übertragenden Vereins sich in Mitglieder verschiedener übernehmender oder neuer Rechtsträger aufspalten (MüKo/Reuter Rn 61). Schließlich ist jetzt auch ein Formwechsel eines eV möglich, nach § 373 UmwG allerdings nur in eine Kapitalgesellschaft oder eingetragene Genossenschaft. Das Verfahren entspricht im Wesentlichen dem für die anderen Umwandlungsmaßnahmen vorgesehenen, die Rechtsfolgen ergeben sich daraus, dass die Mitglieder des bisherigen eV Anteile an der Kapitalgesellschaft erhalten müssen, §§ 280, 288 UmwG, s auch Reichert Rn 4423ff.

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3. Auflösungsgründe sind: Beschl der Mitgliederversammlung als Akt der Vereinsautonomie, Zuständigkeit der Mitgliederversammlung zwingend, Einzelheiten durch Satzung zu regeln. Daneben 158

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Begründung eines Auflösungsrechts für andere Stellen denkbar, nicht aber der Mitgliederversammlung ganz entziehbar, zu den Grenzen der Übertragung auf Dritte § 25 Rn 2a. Auflösungsgrund auch Wegfall aller Mitglieder (BGH 19, 51; BB 1965, 1267; BAG JZ 1987, 420; zu den Folgen Rn 7). Bei Wegfall bis auf ein Mitglied aber Fortbestand möglich (BGH LM zu § 21 Nr 2, vgl aber § 73). Dagegen führt Unmöglichwerden des Zwecks wegen der damit verbundenen Gefahr der Rechtsunsicherheit nicht zum automatischen Wegfall, zumal Erhaltung des Vereins mit geändertem Zweck möglich ist (BGH 49, 175). Selbst wenn die Satzung bei Erreichen oder Unmöglichwerden des Zwecks Auflösung vorsieht, bedarf es hierzu eines Beschl der Mitgliederversammlung (Staud/Weick Rn 7). Zur Anmeldung Böttcher Rpfleger 1988, 171. Erst bei endgültiger Aufgabe des Vereinszwecks soll der Verein liquidationslos erlöschen (BGH WM 1976, 686), doch sollte gerade diese Aufgabe beschlossen werden, wodurch der Verein ins Liquidationsstadium treten kann. Auflösung durch Staatsakt nach §§ 3 I S 2, 11 II VereinsG wegen verbotenen Zwecks möglich. 4. Wirkung der Auflösung ist Eintritt ins Liquidationsverfahren; der Verein kann jedoch mit sat- 7 zungsändernder Mehrheit Fortsetzung beschließen, wenn Auflösungsreife beseitigt wird (K. Schmidt, Verbandszweck, 305, 306f, Soergel/Hadding Rn 23; BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 20), falls die Satzung nichts anderes bestimmt. Fortbestehen der Rechtsfähigkeit für das Abwicklungsverfahren ist allg Grundsatz (BGH MDR 1958, 756). Bei Wegfall aller Mitglieder nimmt hM Erlöschen ohne Liquidation an, § 49 II gelte nicht, der Verein sei weder vermögens- noch insolvenzfähig (s aber § 42) und müsse durch Pfleger gem § 1913 abgewickelt werden (BGH 19, 51; BAG JZ 1987, 420; Köln NJW-RR 1996, 989; Staud/Weick Rn 12; PWW/Schöpflin Rn 5). Dies bringt die Gefahr einer willkürlichen Vollbeendigung ohne Liquidation und unter Anfall des Vereinsvermögens an den Fiskus nach § 45 Abs III, die nicht unbedingt dem satzungsmäßigen Zweck entspricht. Auch wird ein uU angebrachtes Insolvenzverfahren ausgeschaltet. Daher ist mit K. Schmidt JZ 1987, 394 Ausscheiden (auch: durch Tod) aller Mitglieder zwar als Auflösungstatbestand, aber nicht als Beseitigung des Rechtssubjekts aufzufassen, so dass Abwicklung durch Vorstand oder Insolvenzverfahren stattfinden kann (so auch MüKo/ Reuter Rn 5; AnwK/Heidel/Lochner Rn 21). Fehlt es an Vorstandsmitgliedern, so ist nach § 29 vorzugehen, der Notvorstand kann uU neue Mitglieder finden, die satzungsmäßige Regeln über die Beendigung des Vereins beschließen können. Neuer Verein ist keine Fortsetzung, sondern Neugründung, noch nicht durchgeführter Auflösungsbeschluss kann aber rückgängig gemacht und alter Verein mit Erhaltung der Identität fortgesetzt werden (LG Frankenthal Rpfleger 1955, 106; s auch K. Schmidt aaO). 5. Ein Verzicht des Vereins auf die Rechtsfähigkeit ist als Minus zum Auflösungsbeschluss möglich 8 und entspr § 41 zu behandeln, der Verein besteht dann als nicht rechtsfähiger weiter, der Verzichtsbeschluss kann durch die Mitglieder wieder aufgehoben werden, wobei in dem Verzicht eine Satzungsregelung liegen kann (krit zur registerrechtlichen Durchführung Schäfer RNotZ 2008, 22). Der Fortbestand ist vor allem wegen des Minderheitenschutzes in § 41 angebracht (näher Kollhosser ZIP 1984, 1434, 1436). Beim wirtschaftlichen Verein ist zu beachten, dass der Verlust der Rechtsfähigkeit den Verein den handelsrechtlichen Personenvereinigungen zuordnet. Zu den Folgen des Verzichts § 47 Rn 2; zur Entziehung der Rechtsfähigkeit § 43.

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Insolvenz (1) Der Verein wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und mit Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen worden ist, aufgelöst. Wird das Verfahren auf Antrag des Schuldners eingestellt oder nach der Bestätigung eines Insolvenzplans, der den Fortbestand des Vereins vorsieht, aufgehoben, so kann die Mitgliederversammlung die Fortsetzung des Vereins beschließen. Durch die Satzung kann bestimmt werden, dass der Verein im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als nicht rechtsfähiger Verein fortbesteht; auch in diesem Falle kann unter den Voraussetzungen des Satzes 2 die Fortsetzung als rechtsfähiger Verein beschlossen werden. (2) Der Vorstand hat im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Wird die Stellung des Antrags verzögert, so sind die Vorstandsmitglieder, denen ein Verschulden zur Last fällt, den Gläubigern für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich; sie haften als Gesamtschuldner. 1. § 42 war durch Art 33 Nr 1 EGInsO v 5.10.1994 (BGBl I 2911) mit Wirkung v 1.1.1999 geändert wor- 1 den. Die Vorschrift, die für zu diesem Zeitpunkt bereits eröffnete Insolvenzverfahren und ihre Folgen noch nicht gilt, unterscheidet sich von der früheren Fassung in manchen Punkten, in anderer Hinsicht werden jedoch die zu § 42 aF entwickelten Auslegungsergebnisse weiterhin Bestand haben, zu ihnen s im Einz die 10. Auflage. Die jüngste Änderung durch die Vereinsrechtsreform von 2009 stellt, was systemgerecht ist, in Abs I S 1 der Insolvenzeröffnung die Rechtskraft eines Beschlusses gleich, durch den die Eröffnung des Verfahrens mangels Masse abgewiesen worden ist. Entspr der Rechtslage bei der OHG und den Kapitalgesellschaften führt die Eröffnung des Insol- 2 venzverfahrens zur Auflösung, nicht lediglich zum Verlust der Rechtsfähigkeit, anstelle einer Liquidation findet das Insolvenzverfahren statt, innerhalb dessen der Verein rechtsfähig und die Organe handlungsfähig bleiben, allerdings mit der Einschränkung gem § 80 InsO. Die Beitragspflicht der Mitglieder endet vorbehaltlich einer abw Satzungsregelung (BGH 96, 253, 256 zum Konkurs nach altem Recht). Die Regeln gelten auch für den nicht eingetragenen Verein, was aus § 11 I 2 InsO gefolgert wird (Rugullis DZWIR 2008, 404ff); zum wirtschaftlichen Verein BGH ZIP 2007, 1462.

H. P. Westermann

159

§ 42

Allgemeiner Teil

Personen

3

Die Auflösung kann unter den in Abs I S 2 genannten Voraussetzungen durch die Mitgliederversammlung in Gestalt eines Fortsetzungsbeschlusses rückgängig gemacht werden. Die Mehrheitserfordernisse hierfür sind im Gesetz nicht angesprochen, so dass wohl von § 32 I S 3 auszugehen ist. Die Mitgliederversammlung kann auch auf der Grundlage einer satzungsmäßigen Gestaltung die Fortsetzung als nicht rechtsfähiger Verein beschließen, mit der weiteren Maßgabe (§ 49 Abs II), dass der Verein als fortbestehend gilt, soweit der Abwicklungsanspruch es erfordert (BAG ZIP 2001, 129 m Kurzkomm Bezani EWiR 2001, 443 und Anm Reuter DZWIR 2001, 242). Damit besteht auch die Mitgliedschaft zunächst fort (BGH 96, 253; Staud/Weick Rn 3, 11), desgl die normative Wirkung eines vom Verein geschlossenen Tarifvertrags, ebenso die Möglichkeit (eines in der Insolvenz befindlichen Sportvereins), Teilnahmerechte am Wettbewerb einer „Bundesliga“ zu verwerten (BGH ZIP 2001, 889 m Anm Mohrbutter WuB VI B § 37 KO 1.01 und Stürner LM KO § 32 Nr 15). Später, wenn die Voraussetzungen des Abs I S 2 eintreten (Verfahrenseinstellung auf Antrag des Schuldners, womit die Einstellung wegen Wegfalls des Eröffnungsgrunds gem § 212 InsO gemeint ist, oder Aufhebung nach Bestätigung eines Insolvenzplans gem § 258 InsO), kann wiederum die Fortsetzung als rechtsfähiger Verein beschlossen werden. Fehlt es an einer entspr Satzungsbestimmung, hat dies nach dem Wortlaut nur zur Folge, dass der Verein im Liquidationsstadium nicht als nicht-rechtsfähiger Verein fortgeführt wird, was aber dem begrenzten Fortbestand nicht im Wege stehen kann. Der Beschl über die Fortsetzung als rechtsfähiger Verein ist auch in diesem Fall nicht möglich, so dass eine Neugründung nicht stattzufinden braucht, wenn die in Abs I S 2 genannten Voraussetzungen vorliegen. Der Fortbestand als nicht-rechtsfähiger Verein ist wegen seiner Identität mit dem rechtsfähigen aus Haftungsgründen (§ 54 Rn 9) für die Mitglieder bedenklich, wenn noch Verbindlichkeiten verblieben sind (MüKo/Reuter Rn 9; s auch den Fall BGH ZIP 2001, 889).

4

2. Die Auflösungswirkung tritt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein, die gem § 75 von Amts wegen im Register einzutragen ist, die Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts muss nach § 31 Nr 2 InsO dem Registergericht eine Ausfertigung des Beschlusses zuleiten (Pal/Ellenberger Rn 1). Der Verein ist Gemeinschuldner, das gesamte Vereinsvermögen fällt in die Insolvenzmasse. Bei Einstellung des Verfahrens kein automatisches Aufleben des Vereins; wird kein Fortsetzungsbeschluss gefasst, müsste sich das Liquidationsverfahren anschließen, doch hat nach § 199 S 2 InsO iVm § 47 Hs 1 der Insolvenzverwalter nach Beendigung des Insolvenzverfahrens etwaige Überschüsse an die Anfallberechtigten zu verteilen. Die Mitglieder können aber, auch um nicht nach den Regeln über den nicht-rechtsfähigen Verein zu haften, eine Liquidation betreiben und anschließend neu gründen (MüKo/Reuter Rn 9).

5

3. Eröffnungsgründe sind Zahlungsunfähigkeit (§ 17 I InsO), bei eigenem Antrag des Schuldners auch drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 I InsO), beim eV auch Überschuldung (§ 19 I InsO). Letztere liegt vor, wenn der Zeitwert des Aktivvermögens die Verbindlichkeiten nicht deckt (Köln NJW-RR 1998, 686). Die Regelung des § 19 II S 2 InsO, wonach bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen ist, kommt beim eV, der nicht wirtschaftliche Zwecke verfolgt, nicht in Betracht. Antragsrecht haben gem § 15 I, II beim eV und auch beim nicht rechtsfähigen Verein außer Gläubigern auch alle Mitglieder des Vertretungsorgans einschl des Liquidators (für den nicht rechtsfähigen Verein näher Rugullis DZWIR 2008, 404, 406), gem § 15 II genügt die Stellung durch einzelne Mitglieder, wenn der Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht wird; freilich hat das Insolvenzgericht dann alle übrigen Mitglieder des Vertretungsorgans zu hören (§ 15 II S 2 InsO). Wegen drohender Zahlungsunfähigkeit kann der Antrag allerdings nur von Mitgliedern eines Vertretungsorgans gestellt werden, die allein zur Vertretung berechtigt sind (§ 18 III InsO).

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4. Die Antragspflicht jedes einzelnen Vorstandsmitglieds ist in Abs II auf Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit bezogen. Diese Umstände festzustellen, ist für Vereine, die nicht nach bilanzrechtlichen Regeln Rechnung legen, uU schwierig, doch müssen die Vorstände auf Anzeichen einer Krise achten und sich notfalls sachverständiger Hilfe bedienen; die Beobachtungspflicht bleibt auch nichtressort-zuständigen Vorstandsmitgliedern nicht erspart (zu den Pflichten eingehend Grunewald/ Hennrichs, FS für Hopt, 2010, 93ff). Fraglich ist, wie bei drohender Zahlungsunfähigkeit zu verfahren ist. Diese ist in Abs II nicht als Grund für eine Insolvenzantragspflicht genannt, was bedeutet, dass der Vorstand sich für einen Insolvenzantrag entscheiden kann (Rn 5), dies aber nicht muss (Rugullis NZI 2007, 323, 324). Bei einer solchen Lage des Vereins wären die in Abs II an die Unterlassung des Eröffnungsantrags geknüpften Folgen unangebracht. Zur Verpflichtung und Haftung der Liquidatoren § 53. Die Ersatzpflicht, die nach ausdr Gesetzeswortlaut ggü den Vereinsgläubigern besteht, so dass es eines Rückgriffs auf § 823 II nicht bedarf (Staud/Weick Rn 10; BaRo/Schwarz Rn 13; AnwK/ Eckardt Rn 46; für deliktische Qualifikation Haas SpuRt 1999, 1, 4; s auch Wischemeyer DZWIR 2005, 230, 232), setzt in jedem Fall Verschulden voraus. Fahrlässigkeit kann etwa darin liegen, trotz deutlicher Anzeichen nicht für die Erstellung einer Überschuldungsbilanz zu sorgen (AnwK/Eckardt Rn 45; zu den Einzelheiten der diesbezüglichen Bilanz Crezelius FS für Röhricht, 2005, 787ff). Zu billigen, wenn auch nicht als gesichert anzusehen, ist die Ansicht (Hamm OLGRp 2001, 265; s auch Köln WM 2006, 2006), dass der Vereinsgläubiger, der in Kenntnis der Insolvenzreife des Vereins mit diesem kontrahiert, keinen Anspruch nach § 42 II S 2 gegen den Vorstand hat. Die frühere Rspr beschränkte die Haftung wie bei der GmbH auf den Quotenschaden, der durch die infolge des verspäteten Antrags verringerte Haftungsmasse entstand (BGH NJW 1998, 3277). Dies gilt jetzt nur noch für Altgläubiger, deren Forderung schon bei Insolvenzreife bestand, während der Anspruch von Neugläubigern nach der zu § 64 GmbHG ergangenen Rspr (BGH 126, 181, 194; Bork ZGR 1995, 505; Hirte NJW 1995, 1202) dahin geht, so gestellt zu werden, als sei es nicht zu Geschäften mit dem Verein gekommen. Hierin liegt eine Haftungsverschärfung, vor allem bei Sanierungsversuchen (andere Bewertung bei Wischemeyer DZWIR 2005, 230, 234). Dies wird auf den Verein übertragen (Köln NJW-RR 1998, 686; Haas 160

H. P. Westermann

Juristische Personen

§ 45

SpuRt 1999, 1, 4; Reichert Rn 3734; BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 10; für Beschränkung auf den Quotenschaden MüKo/Reuter Rn 14). Die Entwicklung im GmbH-Recht ist weiter gegangen, indem BGH 138, 311 und ZIP 2003, 1005 die Haftung aus § 64 Abs II GmbHG (Zahlungsverbot) stärker ausgebaut haben (krit K. Schmidt ZHR 168, 637ff). Die Überlegungen, diese Vorschrift im Vereinsrecht entspr anzuwenden (so Passarge ZInsO 2005, 176; MüKo/Reuter Rn 17; dagegen Koza DZWIR 2008, 98), sind von Hamburg NZG 2009, 1036 und Karlsruhe NZG 2009, 998 mit gründlichen Erwägungen zur Planwidrigkeit der hier angeblich vorliegenden Gesetzeslücke verworfen worden, ebenso unter Einbeziehung der aktuellen Normsituation und der forensischen Probleme H.P. Westermann, FS von Westphalen, 2000, 755, 765ff, 770ff. Dem hat sich inzwischen BGH NZG 2010, 711 angeschlossen, zust Grunewald/Hennrichs S 105f; krit, Reuter NZG 2010, 808ff wegen Gleichartigkeit der Interessenlage, die freilich kaum allg bejaht werden kann. Für den wirtschaftlichen Verein kommt eine Analogie eher in Betracht. Der Vorstand kann sich auch ggü dem Verein ersatzpflichtig machen. § 42 Abs II S 1 bestimmt auch 7 die Pflichten als Organ, so dass nach § 280 gehaftet wird (AnwK/Eckardt Rn 48; MüKo/Reuter Rn 15), doch ist zumindest beim reinen Idealverein zu prüfen, ob sich nicht aus der Satzung oder dem Anstellungsvertrag eine Haftungserleichterung ergibt, für reduzierten Sorgfaltsmaßstab auch Grunewald/Hennrichs S 106ff.

43

Entziehung der Rechtsfähigkeit Einem Verein, dessen Rechtsfähigkeit auf Verleihung beruht, kann die Rechtsfähigkeit entzogen werden, wenn er einen anderen als den in der Satzung bestimmten Zweck verfolgt. 1. Die Vorschrift bringt die aus Sicherheitsgründen nötige Einschränkung der Vereinsfreiheit und 1 sichert gegen Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke in der Form des eV. Sie ist durch Streichung der Absätze 1–3 der früheren Fassung im Zuge der Vereinsrechtsreform von 2009 auf die wirtschaftlichen Vereine iSd § 22 beschränkt worden, was zu der gleichzeitigen Streichung des früheren § 23 passt. Die bisher erwähnte Entziehung der Rechtsfähigkeit eines Idealvereins wegen der Verfolgung gesetzwidriger Zwecke konnte zur Folge haben, dass ein solcher Verein als nicht rechtsfähiger fortbestand; man kann die Neuregelung daher so verstehen, dass nun gegen diese Vereine nur noch nach § 395 FamFG vorzugehen ist (Reuter NZG 2009, 1368, 1372; Pal/Ellenberger Rn 39). Manchmal werden diese Zwecke auch durch eine Auflösung gem § 3 VereinsG erreicht. 2. Der Vergleich der tatsächlich verfolgten mit den satzungsmäßigen Zwecken wird nicht immer 2 ganz eindeutig ausfallen, deshalb liegt es nahe, der Behörde einen Ermessenspielraum für die Prüfung zuzubilligen, ob im Einzelfall der Entzug der Rechtsfähigkeit mit der Folge der Liquidation geboten ist (VG Hamburg NJW 1996, 3363; BayObLG Rpfleger 1986, 528; näher Böttcher Rpfleger 1988, 170; Staud/Weick Rn 13; dagegen MüKo/Reuter Rn 11). Das BVerwG (NJW 1998, 1166), ließ einen Ermessenspielraum nur für atypische Fälle gelten, beließ es aber bei der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde (für Übertragung auf die Registergerichte K. Schmidt NJW 1998, 1124ff). Der Zweckbegriff ist eng; hier soll Begrenzung auf den im Verleihungsverfahren festgelegten Zweck sichergestellt werden. 3. Zu den Folgen der Entziehung der Rechtsfähigkeit vgl zu § 41 Rn 1; falls die nicht rechtsfähige 3 Personenvereinigung bestehen bleibt, ist sie mit dem alten rechtsfähigen Verein identisch (str). Neugründung ist also nicht nötig, Mitgliedschaften bleiben bestehen, Vermögen dann automatisch Gesamthandsvermögen der Mitglieder des nicht rechtsfähigen Vereins (vgl Soergel/Hadding § 43 Rn 7, § 45 Rn 10), die Haftungsfolgen sind für die Mitglieder zu bedenken, sonst gilt § 45.

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Zuständigkeit und Verfahren Die Zuständigkeit und das Verfahren für die Entziehung der Rechtsfähigkeit nach § 43 bestimmen sich nach dem Recht des Landes, in dem der Verein seinen Sitz hat. Die Zuständigkeit für das Verfahren richtet sich ausschließlich nach den Verwaltungsverfahrens- 1 gesetzen der Länder (Übersicht über die in den Ländern zuständigen Behörden bei Soergel/Hadding Rn 2), damit auch die Fragen des Rechtsschutzes, der über die Verwaltungsgerichte erfolgt. Die Entscheidung wirkt im ganzen Bundesgebiet. – Die konstitutive Wirkung des Beschl tritt mit Rechtskraft ein.

45

Anfall des Vereinsvermögens (1) Mit der Auflösung des Vereins oder der Entziehung der Rechtsfähigkeit fällt das Vermögen an die in der Satzung bestimmten Personen. (2) Durch die Satzung kann vorgeschrieben werden, dass die Anfallberechtigten durch Beschluss der Mitgliederversammlung oder eines anderen Vereinsorgans bestimmt werden. Ist der Zweck des Vereins nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet, so kann die Mitgliederversammlung auch ohne eine solche Vorschrift das Vermögen einer öffentlichen Stiftung oder Anstalt zuweisen. (3) Fehlt es an einer Bestimmung der Anfallberechtigten, so fällt das Vermögen, wenn der Verein nach der Satzung ausschließlich den Interessen seiner Mitglieder diente, an die zur Zeit der Auflösung oder der Entziehung der Rechtsfähigkeit vorhandenen Mitglieder zu gleichen Teilen, anderenfalls an den Fiskus des Landes, in dessen Gebiet der Verein seinen Sitz hatte.

H. P. Westermann

161

§ 45

Allgemeiner Teil

Personen

1

1. Die Vorschrift gilt direkt für alle Fälle der Auflösung und der Entziehung der Rechtsfähigkeit, entspr für sonstige Fälle der Beendigung des Vereins mit Liquidation (zur Insolvenz des Vereins s § 42), zum Schicksal des Vereins bei Wegfall aller Mitglieder s aber § 41 Rn 7. Anfall bedeutet nicht allg Erwerb des Vereinsvermögens im Wege der Gesamtnachfolge, also nicht bei Fortsetzung des Vereins nach Verlust der Rechtsfähigkeit, aber unter Wahrung seiner Identität, § 43 Rn 3, sondern im Rahmen der Liquidation (§ 47). Hier entsteht ein Anspruch des Berechtigten gegen den Verein auf Verschaffung des Überschusses nach Bezahlung der Schulden (vgl KGJ 25 A 130; 43 A 184; MüKo/ Reuter Rn 4, BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 3), also zB Auflassung erforderlich. Satzungsregelung gem Abs II ist zwingend erforderlich für Vereine, die steuerbegünstigte Zwecke verfolgen wollen, s §§ 55 I Nr 4, 61 AO. Der Erwerber haftet nicht für Schulden des Vereins, bzgl § 812 vgl zu § 51 und RG 124, 213 (str). Gesamtrechtsnachfolge mit Eintreten in Verbindlichkeiten aber bei Anfall an den Fiskus, § 46, gilt auch für Auflösung durch Hoheitsakt, anders bei Vermögenseinziehung (KG 44, 117). Die §§ 45–47 sind bei Auflösung einer jur Pers des öffentlichen Rechts anwendbar, jedoch mit der Maßgabe, dass die Haftungsbeschränkung gem § 46 dem Fiskus nicht zugutekommt (BGH WM 1996, 1968).

2

Anfallrecht ist entziehbar durch anderweitige Bestimmung des Anfallberechtigten (RG 169, 65, 82), die auch noch nach Eintritt ins Liquidationsverfahren möglich ist (RG JW 1935, 3636). Anfallberechtigter außer Fiskus kann Anfall ablehnen. Die Nachfolge eines privatrechtlichen Verbands in die Funktionen einer anderen, nicht mehr bestehenden jur Pers des Privatrechts (Funktionsnachfolge) bewirkt nicht ohne besondere gesetzliche Regelung einen Vermögensübergang (KG NJW 1969, 752 und oben § 41 Rn 1).

3

2. Bestimmung des Anfallberechtigten ist grds Sache des Vereins, also immer in der Satzung möglich. Satzung kann auch Mitgliederversammlung Recht auf Bestimmung einräumen und auch das Vermögen dem als nicht rechtsfähig fortlebenden Verein zuweisen, dazu näher § 47 Rn 2.

4

Bei Schweigen der Satzung: beim Idealverein entspricht dem überpersönlichen Zweck die Möglichkeit, durch Beschl der Mitgliederversammlung Überweisung an öffentliche Stiftung (vgl Vor § 80 Rn 14) oder Anstalt vorzunehmen. Weite Bestimmung des Begriffs ist zweckmäßig, darunter fällt also auch Körperschaft des öffentlichen Rechts, zB Staat, Gemeinden usw. Entscheidend, dass nach Ansicht der Mitgliederversammlung diese Verwendung des Vermögens am besten dem Vereinszweck entspricht. Im Schrifttum wird die Regelung dahin verstanden, in diesen Fällen könne das Vermögen nur einer öffentlichen Stiftung oder Anstalt zugewiesen werden (AnwK/Eckardt Rn 11; Pal/Ellenberger Rn 4), was freilich der Wortlaut nicht hergibt.

5

Bei ausschließlich selbstnützigen Vereinen besteht ein nur durch die Satzung entziehbares Recht des Einzelmitglieds auf Anfall; das entspricht dem eigennützigen Zweck des Zusammenschlusses. Bei Idealvereinen Anfall an den Fiskus. Auf diese Weise knüpft das Gesetz die Bestimmung des Anfallberechtigten an den aus dem Vereinszweck entnommenen fiktiven Willen der Mitglieder.

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Anfall an den Fiskus Fällt das Vereinsvermögen an den Fiskus, so finden die Vorschriften über eine dem Fiskus als gesetzlichem Erben anfallende Erbschaft entsprechende Anwendung. Der Fiskus hat das Vermögen tunlichst in einer den Zwecken des Vereins entsprechenden Weise zu verwenden.

1

Behandlung des Anfalls an den Fiskus als Erbe gilt in materieller und formeller Hinsicht, also Gesamtrechtsnachfolge, § 1922, Unmöglichkeit der Ausschlagung, § 1942 II, bzgl der Schuldenhaftung vgl §§ 2011, 780 ZPO sowie § 45 Rn 1. Gläubigerinteressen stehen dem Ausschluss der Liquidation nicht entgegen, die beabsichtigte einheitliche Verwendung des Vermögens legt den Ausschluss nahe. Feststellung nach § 1964, zuständig ist das für den Vereinssitz zuständige Nachlassgericht. Nach dem Zweck der Vorschrift gilt § 46 auch für den satzungsmäßig bestimmten Anfall.

2

Die Verwendungspflicht des S 2 löst als öffentlich-rechtl Auflage keine Klagemöglichkeit für die interessierten Privatpersonen aus; dagegen wollen Staud/Weick Rn 2 und MüKo/Reuter §§ 45–47 Rn 10 die Möglichkeit nach § 40 VwGO geben; wie hier Soergel/Hadding Rn 3; Reichert Rn 4120f; BaRo/ Schwarz/Schöpflin Rn 4. Die Freiheit des Vereins in der Bestimmung des Anfallberechtigten ist als Interessenschutz ausreichend.

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Liquidation Fällt das Vereinsvermögen nicht an den Fiskus, so muss eine Liquidation stattfinden, sofern nicht über das Vermögen des Vereins das Insolvenzverfahren eröffnet ist.

1

1. Liquidation ist die geordnete Abwicklung der Vermögensverhältnisse mit dem Zweck der Befriedigung der Gläubiger und der Aushändigung des Überschusses an den Anfallberechtigten. § 47 muss im Zusammenhang mit § 41 gesehen werden, die Norm soll verhindern, dass eine Auskehrung des Vereinsvermögens außerhalb einer Liquidation, deren Zwecke auch durch ein Insolvenzverfahren erreicht werden können, stattfindet. Dh aber auch, dass die Mitglieder nach Eintreten eines Auflösungstatbestandes die Fortsetzung des Liquidationsvereins als nicht rechtsfähiger Verein beschließen können, ohne dass eine Liquidation stattfindet, es gibt keinen Liquidationszwang (BaRo/ Schwarz/Schöpflin § 41 Rn 4; AnwK/Eckardt Rn 9; Staud/Weick Rn 5). Dasselbe sollte gelten, wenn der Verein durch Mitgliederbeschluss in einen werbenden rechtsfähigen Verein rückverwandelt wird (wofür allerdings die Voraussetzungen des § 21 vorliegen müssen). Zum Verzicht auf die Rechtsfähigkeit Rn 2. Bei alledem ist freilich der Zweck des Gläubigerschutzes zu beachten, zB bei Behandlung 162

H. P. Westermann

Juristische Personen

§ 49

des Sperrjahres, dazu § 51. Auf schwebende Geschäfte ist die Liquidation ohne Einfluss. Aktivprozesse mit nicht vermögensrechtlichem Streitgegenstand sind nicht fortzusetzen (RG JW 36, 2651), die Vorschrift führt jedoch nicht zum Verlust der (passiven) Parteifähigkeit für nicht vermögensrechtliche Streitigkeiten (Feststellungsklage im Kündigungsrechtsstreit und Zeugnisanspruch gegen liquidierte und gelöschte GmbH), BAG NJW 1982, 1831; anders bei Ansprüchen, deren Erfüllung Vermögensmasse erfordert (BGH 74, 212). Zur Liquidation aufgelöster Zweckverbände Sponer LKV 2009, 401ff. 2. Neben den Möglichkeiten zur Verschmelzung und Abspaltung von Vereinen nach UmwG (§ 41 2 Rn 2ff) kann es von Interesse sein, durch Verzicht auf die Rechtsfähigkeit eine Übertragung des Vereinsvermögens auf einen anderen rechtsfähigen Träger zu erreichen (näher § 41 Rn 8). Nach verbreiteter Meinung hat dies zur Folge, dass der rechtsfähige Verein nach den gesetzlichen Regeln zu liquidieren ist, und dass auch der Beschl der Mitglieder über die Gründung eines nicht rechtsfähigen Vereins nicht daran vorbeiführt, dass erst nach Einhaltung der Frist des § 51 das Vermögen auf den nicht rechtsfähigen Verein übertragen werden kann (Staud/Weick § 41 Rn 19; Sauter/Schweyer/Waldner Rn 363). Daher soll eine Liquidation nach den gesetzlichen Regeln unterbleiben können, wenn die Mitglieder des nicht rechtsfähigen Vereins das Vermögen übernehmen. Nach der mit guten praktischen Gründen vertretenen „Identitätstheorie“ gilt dagegen § 47 für den Verzicht auf die Rechtsfähigkeit nicht, und eine Liquidation muss nicht stattfinden, weil der nach Verlust der Rechtsfähigkeit verbleibende nicht rechtsfähige Verein für die Verbindlichkeiten des eV uneingeschränkt haftet, so dass sich für die Gläubiger nichts ändert (Kollhosser ZIP 1984, 1434, 1438; AnwK/Eckardt Rn 5; s auch Soergel/Hadding Vor § 41 Rn 4; näher auch Schäfer RNotZ 2008, 22ff). Dies entspricht auch der Entwicklung vom nicht rechtsfähigen Verein zur jur Pers bei der Gründung (§ 21 Rn 10).

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Liquidatoren (1) Die Liquidation erfolgt durch den Vorstand. Zu Liquidatoren können auch andere Personen bestellt werden; für die Bestellung sind die für die Bestellung des Vorstands geltenden Vorschriften maßgebend. (2) Die Liquidatoren haben die rechtliche Stellung des Vorstands, soweit sich nicht aus dem Zwecke der Liquidation ein anderes ergibt. (3) Sind mehrere Liquidatoren vorhanden, so sind sie nur gemeinschaftlich zur Vertretung befugt und können Beschlüsse nur einstimmig fassen, sofern nicht ein anderes bestimmt ist.

1. Liquidation ist Sache des Vereins; daher Durchführung durch Vereinsorgan, das ist grds der Vor- 1 stand. Bestellung anderer Personen nach Art der Vorstandsbestellung ist möglich. Notwendig, falls Vorstand sein Amt niedergelegt hat; tut er dies nicht, ist er zur Mitwirkung an der Liquidation verpflichtet, AnwK/Eckardt Rn 2; Pal/Ellenberger Rn 1. Für Notfälle gilt § 29 (Reichert Rn 4168), auch § 27 II gilt. 2. Die Stellung der Liquidatoren ergibt sich daraus, dass sie Vorstand des Vereins sind. Geschäfts- 2 führung und Vertretungsmacht sind auf Abwicklungszweck beschränkt, deshalb ist die Gesamtgeschäftsführung und -vertretung hinnehmbar (MüKo/Reuter Rn 6), den Liquidatoren kann aber – auch durch Mitgliederbeschluss – Einzelvertretung eingeräumt werden (Soergel/Hadding Rn 6; Sauter/Schweyer/Waldner Rn 411), zur Passivvertretung s § 26 Rn 4a. Das Bestellungsorgan kann Liquidatoren jederzeit auch ohne wichtigen Grund abberufen (Reichert Rn 4177; BaRo/Schwarz Rn 2; zu Ausnahmen AnwK/Eckardt Rn 12). Haftung für die Liquidatoren nach § 31. Für Eintragung vgl § 76.

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Aufgaben der Liquidatoren (1) Die Liquidatoren haben die laufenden Geschäfte zu beendigen, die Forderungen einzuziehen, das übrige Vermögen in Geld umzusetzen, die Gläubiger zu befriedigen und den Überschuss den Anfallberechtigten auszuantworten. Zur Beendigung schwebender Geschäfte können die Liquidatoren auch neue Geschäfte eingehen. Die Einziehung der Forderungen sowie die Umsetzung des übrigen Vermögens in Geld darf unterbleiben, soweit diese Maßregeln nicht zur Befriedigung der Gläubiger oder zur Verteilung des Überschusses unter die Anfallberechtigten erforderlich sind. (2) Der Verein gilt bis zur Beendigung der Liquidation als fortbestehend, soweit der Zweck der Liquidation es erfordert.

1. Die Abgrenzung des Geschäftskreises der Liquidatoren ist zwingend, sie folgt aus dem Zweck 1 der Liquidation. Geschäft kann Abwicklung auch mittelbar fördern, zB Ankauf, um Verpflichtungen des Vereins erfüllen zu können. Flüssigmachung des Vermögens auch nur für Abwicklungszwecke zulässig. Verkauf der Masse als Ganzes nicht besonders geregelt, daher zulässig, auch Zustimmung der Mitgliederversammlung nicht erforderlich. Befriedigung der Vereinsgläubiger entweder vor dem Verkauf oder aus dem Erlös. Keine Aufnahme neuer Mitglieder, BGH NJW-RR 1995, 1237. 2. Die Vertretungsmacht der Liquidatoren gilt für alle Geschäfte, die unter den Liquidationszweck 2 fallen können; die Mitgliederversammlung kann den Liquidatoren keine Weisungen erteilen (MüKo/ Reuter § 48 Rn 3; AnwK/Eckardt § 48 Rn 7). Ein Dritter muss die Beschränkung der Vertretungsmacht nur dann gegen sich gelten lassen, wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass das Geschäft nicht mehr vom Liquidationszweck gedeckt war (BGH NJW 1984, 982 für KG; für Verein ähnlich RG 146, 376). Das ist erträglich, da Eintritt ins Liquidationsverfahren bekannt gemacht wird und jeder mit den entspr Einschränkungen rechnen muss, s AnwK/Eckardt § 48 Rn 2. H. P. Westermann

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§ 49

Allgemeiner Teil

Personen

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3. Die Aushändigung an die Anfallberechtigten erfolgt im Wege der Einzel-Nachfolge, sie bezieht sich nur auf den Überschuss, bzgl Außerachtlassung einzelner Verbindlichkeiten vgl § 51. Soweit möglich (nur ein Anfallberechtigter, Teilbarkeit der Gegenstände), Aushändigung in Natur, vgl auch §§ 752ff.

4

4. Die Schlussabrechnung ist der Mitgliederversammlung vorzulegen. Eine öffentliche Bek des Verfahrensabschlusses findet nicht statt.

5

5. Abs II ordnet Fortbestehen in den Grenzen des Liquidationszwecks an, was für eine Relativierung der Rechtsfähigkeit spricht; demgegenüber nimmt die heute ganz hM schon aus praktischen Gründen (Zuordnung eines bestimmten Geschäfts zum Liquidationszweck) fortbestehende uneingeschränkte Rechtsfähigkeit an (K. Schmidt AcP 177 [1974] S 55, 67f; MüKo/Reuter Rn 11; AnwK/ Eckardt § 47 Rn 13; BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 5; anders Pal/Ellenberger Rn 2; s auch § 41 Rn 7), kommt aber um eine dem Liquidationszweck entspr Beschränkung der Vertretungsmacht der Liquidatoren (Rn 2) nicht herum; soweit die hM dennoch unbeschränkte Vertretungsmacht der Liquidatoren annimmt und die gesetzliche Regelung auf die Geschäftsführungsmacht bezieht (K. Schmidt AcP 184, 529, 553; MüKo/Reuter Rn 15; Soegel/Hadding Rn 13), ist bei Überschreiten mit der Figur des Missbrauchs der Vertretungsmacht zu arbeiten (Staud/Weick Rn 15; BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 12); zur Parteifähigkeit § 47 Rn 1. Verein und Liquidationsverein sind das gleiche Rechtssubjekt. Bzgl bestehender Rechte keine Einschränkung der Rechtsträgerschaft, anders beim Erwerb neuer Rechte (BGH ZIP 2001, 889), bei denen aber ein Rechtserwerb möglich ist, soweit dies mit dem Liquidationszweck vereinbar ist. Eintritt zusätzlicher Auflösungsgründe während des Liquidationsverfahrens bedeutungslos (KG 68, 206).

6

Nach Beendigung der Liquidation ohne Fortsetzungsbeschluss ist der Verein kein Rechtssubjekt mehr. Handeln für ihn daher nicht möglich (Düsseldorf NJW 1966, 1035), so dass auch in Passivprozessen wegen vermögenswerter Rechte die Klage unzulässig wird (BGH 74, 212). Stellt sich nach Vollbeendigung des Vereins heraus, dass noch Vermögen vorhanden ist, auch Forderungen gegen Mitglieder oder Organpersonen, hat Nachtragsliquidation stattzufinden, für die nach Registeranmeldung nach Beendigung das Gericht nach § 48 I 2. Hs iVm § 29 Liquidatoren zu bestellen hat.

50

Bekanntmachung des Vereins in Liquidation (1) Die Auflösung des Vereins oder die Entziehung der Rechtsfähigkeit ist durch die Liquidatoren öffentlich bekannt zu machen. In der Bekanntmachung sind die Gläubiger zur Anmeldung ihrer Ansprüche aufzufordern. Die Bekanntmachung erfolgt durch das in der Satzung für Veröffentlichungen bestimmte Blatt. Die Bekanntmachung gilt mit dem Ablauf des zweiten Tages nach der Einrückung oder der ersten Einrückung als bewirkt. (2) Bekannte Gläubiger sind durch besondere Mitteilung zur Anmeldung aufzufordern.

1

Abs I S 3 ist durch § 50a für den Fall ergänzt, dass die Satzung des Vereins kein Blatt für Bek bestimmt. Bek ist Mittel des Gläubigerschutzes, Verstoß macht die Liquidatoren nach § 53 ersatzpflichtig. Zu den aufzufordernden bekannten Gläubigern gehören die Anfallberechtigten nicht. § 58 ist analog anzuwenden, falls die anfallberechtigten Mitglieder unbekannt sind (LG Berlin MDR 1958, 768; krit dazu Kubisch NJW 1959, 48). Die schweigenden Gläubiger werden nicht ausgeschlossen (MüKo/ Reuter Rn 5; BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 4). Bekannte Gläubiger sind nach § 52 geschützt.

50a

Bekanntmachungsblatt Hat ein Verein in der Satzung kein Blatt für Bekanntmachungen bestimmt oder hat das bestimmte Bekanntmachungsblatt sein Erscheinen eingestellt, sind Bekanntmachungen des Vereins in dem Blatt zu veröffentlichen, welches für Bekanntmachungen des Amtsgerichts bestimmt ist, in dessen Bezirk der Verein seinen Sitz hat. 1

Die Regelung, die früher in § 50 Abs I S 3 enthalten war, ist im Zuge einer systematischen Rechtsbereinigung (dazu § 50 Rn 1) hierher übernommen worden. Sie gilt – in Erweiterung der bisherigen Ordnung – auch für den Fall, dass das in der Vereinssatzung bestimmte Bekanntmachungsblatt sein Erscheinen eingestellt hat. Das ist mit Rücksicht auf die Zwecke der Bek (§ 50 Rn 1) zu begrüßen.

51

Sperrjahr Das Vermögen darf den Anfallberechtigten nicht vor dem Ablauf eines Jahres nach der Bekanntmachung der Auflösung des Vereins oder der Entziehung der Rechtsfähigkeit ausgeantwortet werden.

1

Die Sperrfrist ist Schutzvorschrift für die Gläubiger, stellt also keine Ausschlussfrist für die Geltendmachung der Ansprüche dar. Wird das Vermögen vor Ablauf verteilt, haften die Liquidatoren nach § 53 und die Anfallberechtigten nach § 812, wobei dieser Anspruch dem in Liquidation befindlichen Verein zusteht (BAG NJW 1982, 1831, 1832; MüKo/Reuter Rn 2; AnwK/Eckardt Rn 9; aM Braunschweig MDR 1956, 352; Staud/Weick Rn 2, die den Gläubigern unmittelbar einen Bereicherungsanspruch zuerkennen). Der Anfallberechtigte kann sich auch nicht auf § 814 berufen, da den Liquidatoren bei wissentlichem Handeln die Vertretungsmacht fehlt, BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 3; nur i Erg anders MüKo/Reuter Rn 2; Soergel/Hadding Rn 3, die § 814 wegen des Gläubigerschutzes nicht für anwendbar halten.

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H. P. Westermann

Juristische Personen

§ 54

Nach Ablauf des Sperrjahres ist zw bekannten und unbekannten Gläubigern zu unterscheiden. Be- 2 kannte Gläubiger sind, da § 51 keine Ausschlussfrist enthält, zu befriedigen (Rn 1). Darüber hinaus erfolgt die Ausschüttung, die nach ordnungsmäßiger Durchführung der Liquidation vorgenommen wird, mit Rechtsgrund. Das gilt nach Vornahme der Verteilung auch ohne Rücksicht auf bis dahin noch nicht hervorgetretene, bisher unbekannte Gläubiger (RG 124, 210; MüKo/Reuter Rn 3; Staud/ Weick Rn 5; AnwK/Eckardt Rn 11), da die Vereinsmitglieder nicht jahrelang der Ungewissheit ausgesetzt sein können, einem nachträglich bekannt werdenden Gläubiger haften zu müssen.

52

Sicherung für Gläubiger (1) Meldet sich ein bekannter Gläubiger nicht, so ist der geschuldete Betrag, wenn die Berechtigung zur Hinterlegung vorhanden ist, für den Gläubiger zu hinterlegen. (2) Ist die Berichtigung einer Verbindlichkeit zur Zeit nicht ausführbar oder ist eine Verbindlichkeit streitig, so darf das Vermögen den Anfallberechtigten nur ausgeantwortet werden, wenn dem Gläubiger Sicherheit geleistet ist.

An den bekannten Gläubiger haben die Liquidatoren zu zahlen. Hinterlegung bei Zahlungshin- 1 derung nach allg Regeln, §§ 372ff. Bei Unausführbarkeit der Zahlung, zB inhaltlicher Unbestimmtheit, Bedingtheit oder bei Streit über die Berechtigung eines (an sich bekannten) Gläubigers, ist Ausschüttung an die Anfallberechtigten von Sicherheitsleistung abhängig, das gilt freilich nicht in den Fällen des Abs I, in denen die Liquidatoren durch Hinterlegung zu erfüllen haben (AnwK/Eckardt Rn 4). Liquidatoren können stattdessen auch Ausschüttung an Anfallberechtigten bis zur Befriedigung des Gläubigers bzw Klarstellung aufschieben.

53

Schadensersatzpflicht der Liquidatoren Liquidatoren, welche die ihnen nach dem § 42 Abs. 2 und den §§ 50, 51 und 52 obliegenden Verpflichtungen verletzen oder vor der Befriedigung der Gläubiger Vermögen den Anfallberechtigten ausantworten, sind, wenn ihnen ein Verschulden zur Last fällt, den Gläubigern für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich; sie haften als Gesamtschuldner.

§ 53 folgt daraus, dass Liquidation Einrichtung im Interesse der Gläubiger ist. Unmittelbarer An- 1 spruch der Gläubiger aus § 53. Auf den Anspruch hat Liquidationsverein keinen Einfluss. Behandlung nach Maßgabe der §§ 823ff, da die Grundlage der Haftung mit der Haftung wegen Verletzung eines Schutzgesetzes (§ 823 II) vergleichbar ist (Staud/Weick Rn 7; für deliktische Natur des Anspruchs MüKo/Reuter Rn 3; Reichert Rn 4318; AnwK/Eckardt Rn 1). Daneben besteht Anspruch des Vereins aus § 27 III. Schaden muss durch die Pflichtverletzung herbeigeführt sein. Durchzusetzender Anspruch gegen Anfallberechtigten, etwa aus ungerechtfertigter Bereicherung, schließt den Schaden und damit einen Anspruch aus.

54

Nicht rechtsfähige Vereine Auf Vereine, die nicht rechtsfähig sind, finden die Vorschriften über die Gesellschaft Anwendung. Aus einem Rechtsgeschäft, das im Namen eines solchen Vereins einem Dritten gegenüber vorgenommen wird, haftet der Handelnde persönlich; handeln mehrere, so haften sie als Gesamtschuldner.

1. Zweck der Unterstellung des nicht rechtsfähigen Vereins unter das Gesellschaftsrecht war, den 1 Vereinen, die sich dem Verfahren zur Erlangung der Rechtsfähigkeit und der damit verbundenen staatlichen Kontrolle nicht unterziehen wollen, die schwächere Stellung der GbR zu geben; dies hat historisch als Anreiz zur Eintragung nicht durchweg ausgereicht. Viele der kleineren Vereine und sogar manche größeren (s etwa Koblenz NJW-RR 1993, 697; München NJW 1969, 617; LG Düsseldorf NJW-RR 1990, 832) verzichteten auf die Rechtsfähigkeit. Die Spannung zw dem körperschaftlichen Wesen des nicht rechtsfähigen Vereins und der gesetzlichen Form der als persönliche Beziehung der Gesellschafter behandelten GbR versuchte die Praxis durch weitestgehende Anpassung der elastischen Gesamthandverhältnisse an den eV zu lösen, demgemäß war die Verweisung auf das Gesellschaftsrecht weitgehend überholt (BGH NJW 1979, 2304f; Frankfurt ZIP 1985, 213), im Zweifel sollte Vereinsrecht gelten. Diese Konzeption ist nach dem grundlegenden Wandel der Verfassung und des Haftungsstatuts bei der GbR (Vor § 705 Rn 18ff, § 714 Rn 11ff) überprüfungsbedürftig. Danach kann dem nicht rechtsfähigen Verein zwar nicht die Rechtsfähigkeit, wohl aber die Qualität als jur Pers abgesprochen werden, wobei davon auszugehen ist, dass ein Verein dem Typus der Außengesellschaft vergleichbar ist, auf den die Rspr zur Gesellschaft die Rechtsfähigkeit beschränkt hat. Auch danach erweist sich aber § 54 als gesetzgeberischer Fehlgriff (aM Bergmann ZGR 2005, 654ff, der die Entwicklung der Verfassung des nicht rechtsfähigen Vereins als Rechtsanwendung lege artis betrachtet), da auch der nicht rechtsfähige Verein keine Gesellschaft ist, sondern ein Gebilde mit körperschaftlicher Struktur, auf Mitgliederwechsel, Trennung des Vereinszwecks von den persönlichen Zwecken der Mitglieder und Ausschluss der persönlichen Haftung der Mitglieder mit ihrem Privatvermögen angelegt und als solches auch im Rechtsverkehr wahrgenommen. So konnte es schon vor der Wende in der gesellschaftsrechtlichen Rspr durch BGH 142, 315; 146, 341 Sinn haben, von der Rechtsfähigkeit der nicht rechtsfähigen Vereine zu sprechen (Stoltenberg MDR 1989, 494; K. Schmidt NJW 2001, 993, 1003; grds krit Schöpflin, Der nicht rechtsfähige Verein, 2003, 101ff), gegen eine Haftungsprivilegierung der Mitglieder nicht rechtsfähiger Vereine auch Meyer ZGR 2008, 702ff; Zweifel an der Rechtsfortbildung im Hinblick auf Rechtsfähigkeit bei Lehmann AcP 207, 225ff. Dazu passt es auch, dass die H. P. Westermann

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§ 54

Allgemeiner Teil

Personen

Praxis sich im inneren Vereinsrecht sowie im Haftungskonzept zu einer Annäherung an den rechtsfähigen Verein bereitgefunden hat, wobei also die Einzelzüge des Rechts der GbR nicht ohne weiteres auf den rechtsfähigen Verein mit körperschaftlicher Struktur übertragen werden können (Dauner-Lieb DStR 2001, 356). So hat BGH 146, 190 (m Anm K. Schmidt JuS 2001, 505) auf einen im Gründungsstadium befindlichen nicht rechtsfähigen kommunalen Zweckverband je nach dem Grad der körperschaftlichen Verselbständigung Gesellschaftsrecht oder das Recht des nicht rechtsfähigen Vereins anwenden wollen, was freilich unter dem Gesichtspunkt angegriffen wird, dass das öffentliche Recht keine nicht rechtsfähige Körperschaft kenne und die Bestimmungen über die Gründung von Kapitalgesellschaften hätten herangezogen werden sollen (Anm Gramlich WuB I E 1 Kreditvertrag 3.01). I Erg ist daher auch der nicht rechtsfähige Verein als Träger von Rechten und Pflichten zu betrachten, dem das Vereinsvermögen zu Eigentum zusteht, der im Rechtsverkehr durch den Vorstand als Organ vertreten wird, im Prozess aktiv und passiv parteifähig ist, BGH NJW 2008, 69; anders noch BGH 109, 15, wenn er auch nicht alle denkbaren verfahrensrechtlichen Positionen einnehmen kann (MüKo/Reuter Rn 15f; AnwK/Eckardt Rn 4; BaRo/Schwarz Rn 13; Reichert Rn 5110; K. Schmidt GesR § 8 III 2a; aM Wagner ZZP 117 [2004] 305, 359ff). Die Rechtslage bleibt zwiespältig, was sich in Gestalt mancher Unsicherheiten in verfahrens-, register- und haftungsrechtlicher Hinsicht niederschlägt und bei verschiedenen Typen des nicht rechtsfähigen Vereins auswirkt. 2

Vorkommen können Mischformen zw nicht rechtsfähigem Verein und Gesellschaft mit der Folge, dass Normen des Vereinsrechts und des Gesellschaftsrechts zusammenwirken oder gegeneinander abgewogen werden müssen. Vereine können auch Untergliederungen in der Rechtsform eines nicht rechtsfähigen Vereins haben, wenn sie auf Dauer eigene Aufgaben selbständig wahrnehmen, einen eigenen Namen führen und vom Mitgliederbestand unabhängig sind. Davon zu unterscheiden sind unselbständige Untergliederungen, die trotz ihrerseits bestehender körperschaftlicher Struktur nicht rechtsfähig sind und nach BGH NJW 2008, 69 Beschl der Mitglieder des Hauptvereins nicht anfechten können (s schon § 21 Rn 14), obwohl sie wie alle Mitglieder etwa auch an der Haftung teilnehmen (Oschütz SpuRt 2008, 97). Bei den rechtlich selbständigen „Abteilungen“ können sich Zweck und Organisation auch aus der Satzung des übergeordneten Vereins ergeben (BGH 90, 331). Beim nicht eingetragenen wirtschaftlichen Verein läge zwar wegen der ebenfalls regelmäßig körperschaftlichen Struktur die Anwendung von Vereinsrecht nahe, doch ist hier davon auszugehen, dass der Verein sich der notwendigen Verleihung der Rechtsfähigkeit nach Maßgabe des Konzessionssystems entzogen oder sie nicht erhalten hat, so dass die Anwendung des Gesellschaftsrechts, wie sie § 54 anordnet, nicht verfehlt erscheint, abgesehen davon, dass bei Verfehlung wirtschaftlicher Zwecke in einem Handelsgewerbe ohnehin OHG-Recht zur Geltung kommt (BGH 22, 244). Daher ist zwar im Innenverhältnis bei tatsächlich vorkommender körperschaftlicher Struktur Vereinsrecht anzuwenden, im Außenverhältnis gilt aber § 54 S 2 und wie bei der Außengesellschaft des BGB die akzessorische Gesellschafterhaftung (MüKo/Reuter Rn 53ff; BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 36; BGH 146, 190, 201 = NJW 2001, 748; s aber auch hier Rn 11).

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2. Der Begriff des Vereins ist zunächst durch den Vereinscharakter bestimmt: Vom Mitgliederwechsel unabhängige, dauernde Personenvereinigung mit körperschaftlicher Verfassung und Auftreten unter eigenem Namen (RG 60, 94; 165, 140, 143; BGH 43, 319). Unterschied zum eV nur durch das Fehlen der Rechtsfähigkeit, die auch nicht durch Satzung oder Verträge geschaffen werden kann, sowie durch die hieraus folgenden Gefahren im Hinblick auf die Haftung, s Rn 9. Beim nicht rechtsfähigen Verein entsteht zw Mitgliedern und Verein ein körperschaftliches Verhältnis, wobei der Mitgliederwechsel bedeutungslos ist. Dies kann allerdings auch bei der Gesellschaft ähnlich sein, Vor § 705 Rn 10ff. Ob nicht rechtsfähiger Verein oder Gesellschaft gewollt ist, entscheidet sich dann aber nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen der Beteiligten (RG 74, 371), der auch bei Benutzung vereinsmäßiger Formen auf Gründung einer Gesellschaft gehen kann (RG JW 1906, 452). Hins der Vermögenszuordnung ist beim nicht rechtsfähigen Verein daher weiterhin zw dem Modell der Gesamthandsgemeinschaft und den Folgen aus der Rechtsfähigkeit des Gebildes zu unterscheiden. Das ist auch sinnvoll wegen der großen Zahl verschiedene Zwecke verfolgender Zusammenschlüsse, die als nicht rechtsfähiger Verein behandelt werden: Untergliederungen politischer Parteien (BGH 73, 275, 277; s auch Bamberg NJW 1982, 895), Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften (RG 76, 25, 27; BGH 50, 325, 327); Kleingärtnervereine (BSG 17, 211); Sport- und Geselligkeitsvereine (RG 78, 101). Indessen wird auch hier oft schon die Vermögensinhaberschaft des Vereins angenommen (K. Schmidt NJW 2001, 993, 1002; AnwK/Eckardt Rn 3f; Sauter/Schweyer/Waldner Rn 619f; für Gesamthandsvermögen der Vereinsmitglieder aber BaRO/Schwarz/Schöpflin Rn 27), zu den Folgen Rn 7.

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Der Name des nicht rechtsfähigen Vereins ist nach § 12 geschützt (RG 78, 101; BayObLG EWiR § 12 BGB 1/87 [Kurzkomm Weipert]; LG Marburg NJW-RR 2000, 661; Staud/Weick Rn 26). Der nicht rechtsfähige Verein kann auch Mitglied eines anderen rechtsfähigen oder nicht rechtsfähigen Vereins sein (RG 73, 96 und oben Rn 2). Damit ist insgesamt der nicht rechtsfähige Verein dem rechtsfähigen stark angenähert (Flume ZHR 148 –1994 – S 503, 512). Wegen Eintragung im Grundbuch und wegen Aktivprozess s unten Rn 8.

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3. Die Organisation ergibt sich aus der Verfassung bzw Satzung. Ergänzung durch Auslegung und entspr Anwendung der §§ 21ff, soweit Rechtsfähigkeit nicht zwingend vorausgesetzt ist (Frankfurt ZIP 1985, 213, 215). Anwendbar ist danach auch § 25 mit der Anerkennung von Vereinsautonomie (BGH 21, 370, 374) und Gewährleistung, dass die Grundentscheidungen des Vereinslebens in der Satzung und durch die Mitglieder getroffen werden (Frankfurt ZIP 1985, 213, 215 – „IG Metall“). Neben der Mitgliederversammlung ist Begründung jeder Zuständigkeit für Vorstand in der Satzung nötig, Widerspruch einzelner Mitglieder daher bedeutungslos. §§ 27, 28 sind entspr anwendbar, dagegen 166

H. P. Westermann

Juristische Personen

§ 54

§ 29 nach einer verbreiteten Ansicht nicht (vgl München HRR 1937, 75; Krönig MDR 1953, 217), weil ohne Eintragung Registerrichter nicht tätig werden könne; dagegen spricht aber, dass ein Eingreifen des Gerichts insb im Interesse Dritter erforderlich sein kann (vgl Neumann JherJ 87, 212; Habscheid, MDR 1952, 653; LG Berlin NJW 1970, 1047; Soergel/Hadding Rn 14), wie auch § 37 Abs II anwendbar sein sollte (Habscheid AcP 155, 398; LG Heidelberg NJW 1975, 1661; MüKo/Reuter § 37 Rn 19; s auch hier § 37 Rn 1; aM RG-JW 1935, 3626). §§ 68, 70 sind mangels Eintragung nicht anwendbar. Es hilft höchstens der Grundsatz der Anscheinsvollmacht, falls Verein, dh also die Mitgliederversammlung, den Vorstand in eine Stellung bringt, die Dritte täuscht. Es gibt auch die Möglichkeit der Drittorganschaft, MüKo/Reuter Rn 40. Die Vorschriften über Mitgliederversammlung (dazu Frankfurt ZIP 1985, 213, 219) und Mitglied- 6 schaft sind anwendbar, ebenso die Grundsätze über Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft einschl Ausschluss- und Disziplinarstrafgewalt des Vereins (BGH 13, 5, 11; Habscheid AcP 185, 392). Beendigung der Mitgliedschaft als körperschaftliches Verhältnis nicht durch Kündigung nach § 723, sondern durch Austritt, für den § 39 gilt, RG 143, 4 (zu den Folgen für vermögensrechtliche Stellung s Rn 7). Bei Mischform zw Verein und Gesellschaft (Rn 2) kann Austritt ausgeschlossen sein, wenn der Mitgliederkreis geschlossen ist und Majorisierung des Mitglieds durch nicht vorhersehbar veränderte Mehrheiten unwahrscheinlich ist (BGH NJW 1979, 2305). Für Haftung der Mitglieder und des Vorstands ggü Verein wegen Pflichtverletzung gilt nicht § 708, sondern Haftung für jedes Verschulden (RG 143, 214), allerdings kann im Bestellungsakt Haftungserleichterung vereinbart sein (auch schlüssig), zur Anwendung des § 31a dort Rn 1. Der körperschaftlichen Struktur entspricht die Einführung des Mehrheitsprinzips durch die Satzung, entgegen der der Vertragsnatur entspr Einstimmigkeit im Gesellschaftsrecht. Wie beim rechtsfähigen Verein ist widerspruchslose Hinnahme einer satzungsmäßigen Regelung als Zustimmung anzusehen; Entspr gilt für eine mit korporativer Verfassung und eigenem Namen ausgestattete Verwaltungsorganisation von Miteigentümern (BGH NJW 1957, 1800). Zur Nachprüfbarkeit der Satzung in der Revisionsinstanz BGH NJW 1956, 1793. 4. Zur Vermögensfähigkeit des Vereins s bereits Rn 3. Durch die körperschaftliche Struktur ist die 7 vermögensrechtliche Bindung der Mitgliedschaftsrechte eher enger als bei der Gesellschaft. Eine Pfändung des Anteils durch Gläubiger des Mitglieds ist nicht möglich, da das Mitglied nicht der eigentliche Rechtsinhaber ist, aM BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 27 für Beteiligungen mit wirtschaftlichem Wert. Unmöglich ist auch die Verfügung über den Anteil. Bei Ausscheiden im Gegensatz zu § 738 kein Auseinandersetzungsanspruch des Ausscheidenden (RG 113, 135; BGH 50, 323, 329; AG Grevenbroich NJW-RR 2001, 967), bei wirtschaftlichem Zweck des Vereins ist dagegen ein Abfindungsanspruch gegeben. Da seit BGH 179, 202 die GbR als grundbuchfähig anzusehen ist (näher § 705 Rn 72) und unter der Bezeichnung im Grundbuch eingetragen werden kann, die ihr Gesellschaftsvertrag bestimmt, läge es nahe, dies auf den nicht rechtsfähigen Verein zu übertragen, andernfalls müsste ggf eine große Zahl von Mitgliedern mit einem das Rechtsverhältnis klarstellenden Zusatz eingetragen werden. Wenn § 47 II GBO, der für die Eintragung einer GbR bestimmt, dass neben dem Verein auch die Gesellschafter eingetragen werden müssen, sowie der darauf abgestimmte § 899a auch für den nicht rechtsfähigen Verein gelten sollten (zu den Unzuträglichkeiten bei der GbR Scherer NJW 2009, 3063ff), die das Vorgehen beim Erwerb von Grundstücksrechten (mit den nach §§ 20, 259 GBO zu fordernden Nachw) sowie die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung in das Vereinsvermögen betreffen (im Einz § 709 Rn 72ff), so ist bei Vereinen mit großer Mitgliederzahl die Eintragung von Treuhändern unumgänglich, wobei wohl auch die unterschiedlichen Typen von Vereinen berücksichtigt werden müssen (Terner RNotZ 2009, 132, 137). Eine Lösung wäre auch, mit Habscheid (AcP 155, 402) eine Eintragung „der jeweiligen Mitglieder des nicht rechtsfähigen Vereins“ ohne Angabe der einzelnen Namen zu akzeptieren, was angehen mag, weil die körperschaftliche Struktur insofern einen Unterschied zur GbR begründet. Die Publizität ist angesichts des § 124 I HGB kein unüberwindbares Hindernis, so dass mehr für die offene Anerkennung der Grundbuchfähigkeit des Vereins spricht (s näher Jung NJW 1986, 157, 162), in diese Richtung auch – wenn auch für einen Fall der Umwandlung einer eingetragenen KG in eine GbR – BayObLG NJW-RR 2002, 1363. Dennoch ist ein gewisses Entgegenkommen der Praxis zu erhoffen, denn nicht jeder Verein wird seine Existenz mit den § 29 GBO entspr Mitteln nachweisen können, so dass außer bei Großgebilden mit eigenständiger Verkehrsgeltung (Koblenz NJW-RR 2000, 749; Morlok/Schulte-Trux NJW 1992, 2060) gem § 47 II GBO doch die Mitglieder einzutragen wären. Nach früher hM auch keine Wechselfähigkeit (RG 112, 124; Koblenz MDR 1955, 424; aM MüKo/Reuter Rn 31; Staud/Weick Rn 27), was wohl durch die Rspr zur Scheckfähigkeit der GbR (BGH NJW 1997, 2754 m Anm Mutter DZWIR 1997, 419; s auch Habersack JuS 1990, 179, 184) überholt ist. Zweifelhaft ist die Behandlung nicht rechtsgeschäftlichen Erwerbs, zB im Erbgang. Der früheren Lehre entsprach es, die Mitglieder – also in Erbengemeinschaft – als Erben zu behandeln, denen die Auflage gemacht ist, den Nachlass in das Vermögen des Vereins einzubringen; die neuere Lehre geht darüber insofern hinaus, als eine Nachfolge der Vereinsmitglieder in die Inhaberschaft an der Erbmasse unmittelbar als Erwerb durch den insoweit rechtsfähigen Verein verstanden wird (Soergel/Hadding Rn 17; BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 25; zw Ideal- und Wirtschaftsverein differenzierend MüKo/Reuter Rn 34ff), was sich allerdings aus dem Gesetz nicht mehr begründen, also nur als freie Rechtsfortbildung darstellen lässt. Der Verein schuldet auch die Erbschaftsteuer, FG Münster EFG 2007, 1037. 5. Eine dem § 50 ZPO entspr Vorschrift für die aktive Parteifähigkeit des nicht rechtsfähigen Ver- 8 eins fehlt; für politische Parteien ist sie im Parteiengesetz (§ 3) geschaffen (vgl dazu BGH 73, 275, 277). Nach der Änderung des § 50 II ZPO durch Art 3 des VereinRÄndG v 24.9.2009 (BGBl I 3145), aber schon vorher durch die Entwicklung der Rspr, die die Rechtslage bei der GbR hierher überträgt (BGH NJW 2008, 69 in Abweichung von BGH 109, 15 und dazu Hadding, Anm WuB II N § 54 BGB 46) H. P. Westermann

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§ 54

Allgemeiner Teil

Personen

sind Hilfskonstruktionen entbehrlich, der nicht rechtsfähige Verein ist voll parteifähig. Schon nach der vorherigen Lösung in § 50 II ZPO bestand für Gewerkschaften weitgehende aktive Parteifähigkeit (BGH 50, 325). Die Klagebefugnis des Vereins schließt freilich nicht aus, dass die Mitglieder durch den aufgrund der Satzung als bevollmächtigt ausgewiesenen Vorstand vertreten werden (RG 57, 92); besondere Einverständniserklärung der Mitglieder nicht nötig (RG HRR 1928, 1554). Bei Mitgliederwechsel Fortgang des Verfahrens (RG 78, 105). Es besteht auch Parteifähigkeit im Passivprozess; Überlegungen, inwieweit hierdurch alle Verteidigungsmöglichkeiten und auch eine Widerklage ermöglicht werden, erübrigen sich also. § 50 II ZPO soll die Rechtsverfolgung zugunsten Dritter erleichtern, sie ist auf alle mit der Prozessführung zusammenhängenden Möglichkeiten auszudehnen, so für § 33 ZPO (Widerklage des nicht rechtsfähigen Vereins zulässig, RG 74, 371). § 50 II ZPO gilt entspr für eine mit korporativer Verfassung und eigenem Namen ausgestattete Verwaltungsorganisation von Miteigentümern (Waldinteressentenschaft), BGH NJW 1957, 1800. Die Annahme, es könnten auch die Mitglieder „als nicht rechtsfähiger Verein“ verklagt werden, mit der weiteren Folge, dass in den Tenor auch ein Vorbehalt der auf das Vereinsvermögen beschränkten Haftung aufgenommen werden kann (Soergel/Hadding Rn 32), unterschätzt den Grad an Rechtsfähigkeit des Vereins (BaRo/ Schwarz/Schöpflin Rn 57), und die direkte Inanspruchnahme der Mitglieder (soweit sie haften) neben dem Verein erscheint sinnvoller; im Tenor eines Urt werden ohnehin nur die Vertretungsbefugten genannt. Für die Zwangsvollstreckung vgl §§ 735 ZPO, 11 I InsO, wobei § 735 ZPO auch für nicht vermögensrechtliche Ansprüche angewendet wird (MüKo/ZPO/Heßler § 735 Rn 4), der Verein, der auch im Titel zu bezeichnen ist, ist Vollstreckungsschuldner (AnwK/Eckardt Rn 40). Aus einem Titel gegen den Verein findet aber keine Zwangsvollstreckung ins Einzelvermögen der Mitglieder statt, RG 143, 216. Der Prozessbevollmächtigte des Vereins im Passivprozess wird für den Verein und nicht für seine Mitglieder als mehrere Auftraggeber tätig (München MDR 1994, 735 gegen Düsseldorf MDR 1993, 1020). 9

Einstweilen frei.

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6. Die Haftung der Mitglieder für die Verbindlichkeiten des Vereins stand trotz fehlender Rechtssubjektivität des Vereins im Zeichen des Bedürfnisses, die Haftung auf den Anteil am Vereinsvermögen zu beschränken. Die Rechtsfortbildung über § 54 hinaus hatte insofern zu dem Ergebnis geführt, dass eine persönliche Haftung der Mitglieder grds nicht in Betracht kommt, wenn die Vereinigung in der Satzung als Verein bezeichnet wird und nach außen als solcher auftritt (RG 62, 63, 69; BGH 50, 326, 329; NJW 1979, 2304, 2306; NJW-RR 2000, 1265; abl Flume ZHR 148, 503, 519). Damit wurde der nicht rechtsfähige Verein haftungsmäßig dem rechtsfähigen gleichgestellt. Der notwendige Verkehrsschutz musste danach durch die Handelndenhaftung gem Satz 2 hergestellt werden (Staud/Weick Rn 53; Soergel/Hadding Rn 24) Auch hier müsste die Qualifikation der BGB-Außengesellschaft als rechtsfähig berücksichtigt werden, die aber, wenn man die hierzu ergangene Judikatur entspr anwendet, eine akzessorische Haftung erfordern würde, wie sie bei der Außen-GbR in analoger Anwendung des § 128 HGB gefunden wird. Es sieht nicht so aus, als werde die Behandlung des nicht rechtsfähigen Vereins diesen Weg tatsächlich gehen; zuletzt hat BGH ZIP 2003, 2023 unter Bezugnahme auf frühere Urt (BGH 50, 326, 329; Schleswig NVwZ-RR 1996, 103) wiederholt, die Mitglieder eines nicht rechtsfähigen Vereins hafteten nicht persönlich für die Verbindlichkeiten des Vereins, was dort zwar nicht näher begründet wird (krit Reuter NZG 2004, 217, 219), aber sich immerhin dahin verstehen lässt (AnwK/Eckard Rn 118), dass die akzessorische Haftung nicht für den nicht rechtsfähigen Verein passt; so wurde es auch in der früheren Rspr schon gesehen; i Erg ebenso BaRo/ Schwarz/Schöpflin Rn 32, 33.

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Angesichts der bisher nicht stark vertieften Begründung der sich als herrschend abzeichnenden Lösung (dazu auch Meyer ZGR 2008, 702ff) ist auch noch nicht sicher, ob nicht die – bei der GbR überholte – Doppelverpflichtungslehre hilfreich sein kann (dafür Brand AcP 208, 490ff). Für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten haften danach neben dem Verein aufgrund des Vertretungshandelns des Vorstands die Mitglieder nur, wenn ein selbständiger Verpflichtungstatbetand vorliegt, ein Mitgliederwechsel ist darauf ohne Einfluss. Dagegen sollen bei wirtschaftlichen Vereinen der Zweck der Vereinigung und das Motiv der Beteiligung des Mitglieds sowie das stärkere Verkehrsbedürfnis eine gesamtschuldnerische unbeschränkte Haftung der Mitglieder ähnlich der OHG rechtfertigen (BGH 22, 244; Müko/Reuter Rn 51, 52; oben Rn 2). Da sich dies auf einen nach außen tätigen Zusammenschluss bezieht, sollte beim Idealverein ein unübersehbarer Hinw auf die Haftungsbeschränkung vorliegen, aufgrund dessen auch der Vertragspartner sich über die körperschaftliche Struktur und die daraus folgende Ausschließung der Mitgliederhaftung klar sein muss, Andeutungen in diese Richtung bei BGH ZIP 2002, 851. Beim nicht eingetragenen Idealverein wird der Gläubiger eine derartige Haftung der Mitglieder mit ihrem Privatvermögen nicht erwarten, anders beim wirtschaftlich tätigen Verein, wenn dieser nicht ohnehin nach den Regeln über die gewerblich tätige Personengesellschaft zu behandeln ist.

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Bei unerlaubter Handlung der Organe wendet die hM heute § 31 entspr an (Staud/Weick Rn 71; Soergel/Hadding Rn 22). Persönliche Haftung der Mitglieder ist aus § 31 nicht herzuleiten. Auch bei Haftung nach § 831 bei Handeln von Verrichtungsgehilfen kommt persönliche Haftung nicht mehr in Betracht. Auch eine Gewerkschaft haftet somit für ihre Organe nach § 31 (LAG Frankfurt BB 1950, 702; Denecke BB 1959, 637). LAG Bremen BB 1954, 773 und AG Hannover BB 1953, 590 wollten Streikposten als Verrichtungsgehilfen der Streikleitung, diese wieder als Verrichtungsgehilfen der Gewerkschaft behandeln. BAG 2, 76 nahm bei rechtswidrigem Streik gesamtschuldnerische Haftung von Gewerkschaft und Gewerkschaftsvorstand an. Die Halterhaftung des nicht rechtsfähigen Ver-

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eins ergibt sich daraus, dass er als Gesamtheit Halter ist. Die Haftung ist daher auf das Vereinsvermögen beschränkt. Einstweilen frei.

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7. Die Haftung des Handelnden ist von seiner Stellung innerhalb des Vereins und von der Vertre- 14 tungsmacht unabhängig. Unter S 2 fällt jeder, der für den Verein auch nur mittelbar handelt, ausgenommen nur der Bote. Handelnder iSv S 2 ist bei einem Idealverein auch nicht das Vorstands- oder Vereinsmitglied, das lediglich im Innenverhältnis einem Geschäft zustimmt, wohl aber der, der aktiv mitwirkt (RG 77, 429f; BGH NJW 1957, 1186; BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 40; für einschränkende Auslegung des Begriffs des Handelnden Staud/Weick Rn 60 – nur derjenige, der für die Vornahme des Rechtsgeschäfts im Rahmen des Vereins verantwortlich ist; s auch Soergel/Hadding Rn 27). Für ein weiteres Verständnis des Begriffs des Handelnden spricht, dass sich jeder, der im Namen des Vereins auftritt, der fehlenden Registerpublizität und der daraus folgenden Unsicherheit für den Erklärungsgegner in Bezug auf das Haftungssubstrat bewusst sein muss. Haftung besteht auch ggü Vereinsmitgliedern. Geschäftsfähigkeit des Handelnden bzw Zustimmung des gesetzlichen Vertreters ist erforderlich. Die Haftung folgt dem Akzessorietätsprinzip, geht somit auf das positive Interesse des Vertragspartners, also auf Erfüllung bzw Schadensersatz wegen Nichterfüllung einschl der Sekundäransprüche; die Haftung ist von der des Vereins unabhängig. Allerdings müssen die Voraussetzungen eines wirksamen Rechtsgeschäfts oder eines Verschuldens bei Vertragsschluss vorliegen. Der BGH (ZIP 2003, 2023) hat die Handelndenhaftung in Bezug auf ein in unmittelbarer Durchführung des Vereinszwecks durchgeführtes Geschäft mit einem Vereinsmitglied nicht durchgreifen lassen, weil bei Umsetzung und Konkretisierung des Vereinszwecks das Mitglied nicht als „Dritter“ iSd § 54 Satz 2 angesehen werden könne, s auch Frankfurt NZG 2002, 1071. Dies ist unter Gesichtspunkten des Gläubigerschutzes hinnehmbar (van Look EWiR 2004, 5), erschöpft aber die Problematik der Handelndenhaftung nach neuem Recht nicht (näher Staake JA 2004, 94ff; krit auch zur Behandlung des Vereinsmitglieds als Dritten Reuter NZG 2004, 217, 219f, obwohl der BGH dies letztlich nicht entscheiden wollte). Ausschluss der Haftung durch Vertrag mit dem Dritten möglich, aber stillschw Ausschluss nicht 15 anzunehmen (RG 82, 298; JW 1937, 382). Haftungsausschluss kann nicht allein in der Tatsache gesehen werden, dass die Vereinigung sich schon vor ihrer Eintragung als eV bezeichnet (BGH NJW 1957, 1186). Dass der Verein später rechtsfähig wird, befreit den Handelnden nicht von der Haftung. Wenn allerdings alle Beteiligten bei Abschluss des Vertrags von der alsbald entstehenden Rechtsfähigkeit des Vereins ausgingen, haftet der Handelnde nur dafür, dass der nicht rechtsfähige Verein nicht in die Haftung eintritt (Celle NJW 1976, 806; ebenso BGH 80, 182f für die GmbH und § 11 II GmbHG). Eintragung des Vereins ins Register lässt die Haftung nicht automatisch erlöschen, sondern nur dann, wenn der Verein die Erlangung der Rechtsfähigkeit im Zeitpunkt des Abschlusses der Geschäfte bereits in die Wege geleitet hatte und zur Erlangung der Rechtsfähigkeit nur noch die Eintragung fehlte (Düsseldorf MDR 1984, 489). 8. Bzgl des Endes des Vereins ist zw Ereignissen, die die Körperschaft als solche treffen, und den 16 auf die Person des Mitglieds beschränkten zu unterscheiden (letztere führen nur zum Ausscheiden des Mitglieds). Der nicht rechtsfähige Verein endet mit Zeitablauf, § 723, Zweckerreichung, § 726, Beschl der Mitglieder, Fortfall aller und Herabsinken auf ein Mitglied (s aber § 41 Rn 6), Insolvenzverfahren über das Vereinsvermögen, Auflösung durch Staatsakt, wie beim rechtsfähigen Verein nicht durch Tod, Insolvenz oder Austritt eines Mitglieds. Liquidation kann entspr §§ 47ff geschehen, kann aber durch die Satzung ausgeschlossen werden. Die mit der Abwicklung betrauten Personen haften entspr § 53. Eine Umwandlung nach dem UmwG ist für den nicht rechtsfähigen Verein nicht vorgesehen, der dies anstrebende Verein müsste zunächst die Rechtsfähigkeit erwerben.

Kapitel 2 Eingetragene Vereine

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Zuständigkeit für die Registereintragung Die Eintragung eines Vereins der in § 21 bezeichneten Art in das Vereinsregister hat bei dem Amtsgericht zu geschehen, in dessen Bezirk der Verein seinen Sitz hat. 1. Bis zur Neufassung der Norm im Jahr 2009 (durch Art 50 des FGG-RG v 17.12.2008, BGBl I 2586) 1 gab es noch einen bis zum 31.8.2009 geltenden Abs II, nach dem ein Land die Zuständigkeit bei einem bestimmten AG konzentrieren konnte (dazu besagt der neu eingefügte Abs 2 des § 1 VRV v 10.2.1999 nichts; BGBl I S 1047 idF v 10.11.2006, BGBl I 2553). Nach § 3 Nr 1 lit a RpflG obliegen die Führung des Vereinsregisters und die Bearbeitung der Vereinsregistersachen dem Rechtspfleger. Zur Form des Registers s ebenfalls die VRV. Die mit der elektronischen Anmeldung und Buchung zusammenhängenden praktischen Fragen sind nunmehr aufgrund der Verordnungsermächtigung des § 14 IV FamFG zu regeln (BT-Drucks 16/12813 S 12); die schon für das Handels- und für das Genossenschaftsregister begonnene Entwicklung setzt sich damit im Vereinsrecht fort. Zu Voraussetzungen und Wirkung der Eintragung vgl § 21. Bzgl des Sitzes § 24. Eintragung beim 2 örtlich unzuständigen Gericht ist nicht unwirksam, und der Verein ist bis zur Löschung als rechtsfähig anzuerkennen. Nach allg Grundsätzen muss aber das Registergericht die Löschung verfügen; weigert es sich, so kann hiergegen (nicht gegen die Eintragung als solche) Beschwerde eingelegt werH. P. Westermann

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den, Staud/Habermann Rn 1; MüKo/Reuter Rn 4. Eine Sitzverlegung setzt eine entspr Satzungsänderung voraus und muss auch ins Register eingetragen werden. Zu den verfahrensrechtlichen Einzelheiten § 6 I VRV und dazu Keilbach DNotZ 2000, 671. Wenn das Registergericht bei der Erstanmeldung eines Vereins die Beseitigung eines Eintragungshindernisses fordert, liegt darin eine beschwerdefähige Verfügung gem § 58 FamFG (vgl LG Bonn Rpfleger 2001, 432), im Einz zur Eintragungsverfügung sowie zur Zwischenverfügung § 9 VRV. Eine solche ist aber bzgl eines zur Eintragung angemeldeten Beschlusses nur angebracht, wenn begründete Zweifel an seiner Wirksamkeit bestehen, Düsseldorf DNotZ 2009, 145.

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Elektronisches Vereinsregister (1) Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung bestimmen, dass und in welchem Umfang das Vereinsregister in maschineller Form als automatisierte Datei geführt wird. Hierbei muss gewährleistet sein, dass 1. die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Datenverarbeitung eingehalten, insbesondere Vorkehrungen gegen einen Datenverlust getroffen sowie die erforderlichen Kopien der Datenbestände mindestens tagesaktuell gehalten und die originären Datenbestände sowie deren Kopien sicher aufbewahrt werden, 2. die vorzunehmenden Eintragungen alsbald in einen Datenspeicher aufgenommen und auf Dauer inhaltlich unverändert in lesbarer Form wiedergegeben werden können, 3. die nach der Anlage zu § 126 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Grundbuchordnung gebotenen Maßnahmen getroffen werden. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung die Ermächtigung nach Satz 1 auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. (2) Das maschinell geführte Vereinsregister tritt für eine Seite des Registers an die Stelle des bisherigen Registers, sobald die Eintragungen dieser Seite in den für die Vereinsregistereintragungen bestimmten Datenspeicher aufgenommen und als Vereinsregister freigegeben worden sind. Die entsprechenden Seiten des bisherigen Vereinsregisters sind mit einem Schließungsvermerk zu versehen. (3) Eine Eintragung wird wirksam, sobald sie in den für die Registereintragungen bestimmten Datenspeicher aufgenommen ist und auf Dauer inhaltlich unverändert in lesbarer Form wiedergegeben werden kann. Durch eine Bestätigungsanzeige oder in anderer geeigneter Weise ist zu überprüfen, ob diese Voraussetzungen eingetreten sind. Jede Eintragung soll den Tag angeben, an dem sie wirksam geworden ist. 1

1. Die Vorschrift ist durch Art 10 des RegisterverfahrensbeschleunigungsG v 20.12.1993 (BGBl I 2182) eingefügt worden und ist durch das FGG-RG vom 17.12.2008 (BGBl I S 2586) durch Streichung der früheren Abs II, V–VII erneut geändert worden. Der Inhalt der früheren Absätze VI und VII findet sich jetzt in § 387 FamFG, zum früheren Abs II des § 55a s § 55 Rn 1. Ziel der Regelung war im Rahmen des auf Beschleunigung und Entlastung gerichteten Gesetzes (dazu Walter MDR 1994, 429; Holzer NJW 1994, 481; zurückhaltend Strobel DStR 1993, 950) die Einführung von Regelungen über die Einrichtung eines vollelektronischen Systems der Registrierung mit automatisierter Datei und einem Abrufverfahren. Die Bestimmungen stehen in engem Zusammenhang mit §§ 8a, 9a HGB, 128, 129 GBO und den Bestimmungen des FamFG, dort namentlich § 14 IV. Die VRV regelt eingehend den Aufbau des Vereinsregisters in Karteiform (§ 2), die Gestaltung und Benutzung des Registerblatts (§ 3), seine Neufassung bei Unübersichtlichkeit (§ 5), Einrichtung und Inhalt der Registerakten (§ 7), die Eintragungsverfügung und die Form der Eintragungen (§§ 9, 10), das Verfahren bei Löschung und Berichtigung von Eintragungen (§§ 11, 12).

2

2. Abs I ermächtigt die Landesregierungen, die Umstellung des Vereinsregisters auf EDV für ihren Bereich anzuordnen; die Ermächtigung kann an die Landesjustizverwaltungen delegiert werden. Nr 1–3 legen die Voraussetzungen fest, die vor einer diesbezüglichen Anordnung vorliegen müssen, wobei die „Grundsätze ordnungsgemäßer Datenverarbeitung“ hauptsächlich in Bezug auf Datenschutz und Sicherung der Software zu beachten sind; dies geschieht namentlich durch die entspr Anwendung der Anlage zu § 126 I S 2 Nr 3 GBO, die auch zu § 9 S 2 BDSG gilt. Insb sollen also unbefugte Eingriffe Dritter ausgeschlossen sein, bevor ein System eingeführt wird. Zum praktischen Ablauf s § 1 II VRV; das beruht auf der Vorstellung, dass ein Verzeichnis der Vereine und später weitere für die Registerführung wichtige Verzeichnisse bestehen (nach Staud/Habermann Rn 6 kann die Einrichtung eines maschinellen Registers auf einzelne Teile der erforderlichen Angaben beschränkt werden). Das entspricht § 126 II GBO. Diesem Grundsatz folgt auch Abs II, wonach jeweils für einen bestimmten Verein das maschinelle Register seitenweise an die Stelle des bisherigen Registers tritt, sobald die darin enthaltenen Angaben in den (neuen) Datenspeicher aufgenommen sind; die Seiten des bisherigen Registers sind dann zu schließen.

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Die für die Wirksamkeit einer Registereintragung nach bisherigem Recht maßgebende Unterzeichnung einer Eintragung ist ersetzt durch den Zeitpunkt der Aufnahme in die dafür bestimmte Datei, Abs III. Immerhin soll noch eine Angabe des Tages der Eintragung stattfinden, was aber als Sollvorschrift ausgestaltet ist, so dass hier keine Wirksamkeitsvoraussetzung vorliegt (Staud/Habermann Rn 8). Zur Überprüfung der Richtigkeit der durch die Aufnahme in die Datei rechtswirksam gewordenen Umstände, für die Abs III S 2 eine Bestätigung verlangt, kann die Freigabeanzeige von § 25 VRV dienen. Zur Zentralisierung der hier stattfindenden Datenverarbeitung und zur Heranziehung der bei anderen staatlichen (nicht: privaten) Stellen verfügbaren Daten s jetzt § 387 FamFG. Zur Einsicht ins Vereinsregister näher § 79 sowie §§ 31ff VRV. 170

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§ 57

Mindestmitgliederzahl des Vereins Die Eintragung soll nur erfolgen, wenn die Zahl der Mitglieder mindestens sieben beträgt.

Das Register soll von unbedeutenden Vereinen freigehalten werden (vgl auch § 73) und für die Wil- 1 lensbildung ein Mindestmaß an Meinungsvielfalt gewährleisten. Deshalb sind auch bei einem Vereinsverband sieben Mitglieder zu verlangen (LG Hamburg Rpfleger 1981, 198; KG OLG-NL 2001, 205; aM LG Mainz MDR 1978, 312). Für den Fall, dass die Zahl der Gründungsmitglieder die am Vereinszweck überhaupt nur Interessierten widerspiegelt (die fünf Diözesen der katholischen Kirche in einem Bundesland), hat Hamm NJW-RR 1997, 1397 eine Ausnahme zugelassen (zust BaRo/Schwarz/ Schöpflin Rn 3; krit v. Campenhausen NJW 1990, 887). Setzen sich die Gründer aus nat Pers und von diesen beherrschten jur Pers zusammen, ist für § 56 nur auf die Zahl der nat Pers abzustellen (Stuttgart MDR 1983, 840; Köln NJW 1989, 173; MüKo/Reuter Rn 3). Fehlt es an der Mindestzahl, ist der Eintragungsantrag zurückzuweisen, trotzdem erfolgte Eintragung ist wirksam, selbst eine durch Täuschung erschlichene (BGH NJW 1983, 993). Anderes gilt, falls nur ein Mitglied vorhanden ist (Staud/Habermann Rn 2). Eine gewisse Sicherung schafft § 59 III. Zur Verminderung der Mitgliederzahl s § 73.

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Mindesterfordernisse an die Vereinssatzung (1) Die Satzung muss den Zweck, den Namen und den Sitz des Vereins enthalten und ergeben, dass der Verein eingetragen werden soll. (2) Der Name soll sich von den Namen der an demselben Ort oder in derselben Gemeinde bestehenden eingetragenen Vereine deutlich unterscheiden. Der Mindestinhalt der Satzung ist in Abs I zwingend festgelegt. Bei Verstoß Nichtigkeit und Mög- 1 lichkeit der Amtslöschung. Heilung durch nachträgliche Ergänzung der Satzung möglich. Schriftform der Satzung mag nicht Gültigkeitserfordernis sein (s auch Staud/Habermann Rn 2), ist wegen § 59 aber praktisch unentbehrlich. Der Zweck muss so angegeben sein, dass das Vereinsziel im Allg erkennbar ist (zB „Sportausübung“), wobei die Bezeichnung so konkret sein muss, dass die beabsichtigte Tätigkeit und ihr idealer oder wirtschaftlicher Charakter (nicht: die dazu einzusetzenden Mittel) von ihr geprägt werden (weitergehend K. Schmidt BB 1987, 556, 559). Zum Umfang der registerrechtlichen Prüfungskompetenz Keilbach DNotZ 2001, 671; Fleck Rpfleger 2009, 58ff); Hamm NZG 2010, 1113 billigt dem Registergericht eine Beanstandung durch Zwischenverfügung bereits für den Fall zu, dass eine summarische Prüfung ergibt, dass der (bei einer Satzungsänderung) angemeldete Wortlaut die aktuelle Fassung der Satzung nicht korrekt wiedergibt. Beim Vereinsregister wird ein Namensverzeichnis geführt (§ 8 VRV). Die Prüfung durch das Registergericht, das sich auch mit dem Sollinhalt der Satzung gem § 58 befasst, unterscheidet sich von der Kontrolle der Handhabung von Satzungsvorschriften durch Vereinsorgane, dazu bereits § 25 Rn 4; näher Fleck Rpfleger 2009, 58ff.

In der Wahl des Namens ist der Verein frei. Die Unterscheidbarkeit gem Abs II ist zwar nur als Soll- 2 vorschrift formuliert, doch wird allg in entspr Anwendung des § 18 II HGB die Eintragung abgelehnt, wenn der vorgesehene Name über Art, Zweck, Größe, Bedeutung oder sonstige Verhältnisse des Vereins Täuschungen hervorrufen kann (BayObLG NJW 1979, 957; 1984, 293, 296; Hamm OLG 1981, 433). Nach Hamburg MDR 1991, 439 darf sich ein Verein, der die Interessen von Kindern und Jugendlichen wirksam vertreten will, „Anwalt des Kindes e.V.“ nennen; s auch BayObLG NJW 1992, 2362: „Ärztetag für Medizin ohne Nebenwirkung“. Der Umstand, dass auch ein nicht rechtsfähiger Verein Namensschutz gem § 12 genießt, führt bei Verwechslungsfähigkeit dieses Namens mit dem eines die Eintragung begehrenden Vereins nicht zur Registersperre, weil diese nur auf die am gleichen Ort eingetragenen Vereine abgestellt ist (BayObLG mit Kurzkomm Weipert EWiR § 12 BGB 1/87). Zur Täuschung geeignet und daher unzulässig ist nach BayObLG 1959, 287, 290 die Bezeichnung als „Stiftung“, wenn der gemeinnützige Zweck ausschließlich durch Beiträge gefördert werden soll (ähnlich Köln NJW-RR 1997, 1531), wenn der Verein nicht über eine kapitalartige Vermögensausstattung verfügen wird; bei Vorliegen einer stiftungsähnlichen Struktur und einer ausreichenden Vermögensausstattung durch die öffentlichen Zuschüsse ist die Bezeichnung als „Stiftung“ zulässig (Frankfurt OLGRp 2001, 53). Nach Frankfurt BB 1974, 577 ist der Name „Wirtschaftskammer“ nicht zulässig, ebenso nach Karlsruhe OLG 1982, 385, 388 der Name „ärztlicher Arbeitskreis“, wenn nur noch ein Drittel der Mitglieder Ärzte sind (ähnlich BayObLG NJW-RR 1993, 184 und Frankfurt BB 1966, 262 für Fachverbände), dgl der mit einer Jahreszahl verbundene Name, wenn diese Zahl nicht das Gründungsjahr wiedergibt (KG OLG 1983, 272). Hinw auf Zugehörigkeit zur Universität sind auch dann täuschend, wenn Vorstandsmitglieder die entspr öffentliche Lehrbefugnis haben (BayObLG MDR 1990, 824: „Institut für steuerwissenschaftliche Information“); Einfügung des Worts „Institut“ in den Namen nur möglich, wenn klargestellt ist, dass es sich nicht um öffentliche oder öffentlich geförderte Einrichtung handelt (LG Detmold Rpfleger 1999, 334); s auch BGH GRUR 1980, 794 („Bundeszentrale“ unzulässig für privaten Verein). Der Zusatz „… tag“ ist zulässig, wenn er nicht als Hinw auf eine öffentlich-rechtl Körperschaft verstanden werden kann (BayObLG NJW 1992, 2362). „Akademie“ ist nach neuerer Anschauung auch dann nicht unzulässig, wenn keine hochschulähnlichen Lehrgänge angeboten werden sollen (KG NZG 2005, 360; anders noch Bremen NJW 1972, 164). Wird für den Namenskern der Name einer historischen Person gewählt, so muss dieser Bezug zum Vereinszweck haben, wenn er eine programmatische Aussage enthält (Celle OLG 1985, 266f). Zur Amtslöschung ist öffentliches Interesse erforderlich, das auch darin liegen kann, dass der unzulässige Name (einschl des in ihm enthaltenen Gründungsjahrs) den Verein ggü anderen zu Unrecht hervorhebt, was Gesamtlöschung und nicht Änderung des Namens zur Folge hat (BayObLG NJW 1972, 957; Hamm OLG H. P. Westermann

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1978, 431). Bedenklich sind Vereinsnamen, die auf religiösen Gemeindebezeichnungen aufbauen. Während der Name „die Gemeinde in …“ wegen fehlender Individualisierungskraft nicht eingetragen werden kann (LG Bonn Rpfleger 1987, 205), ließ BayObLG 1982, 278 die Bezeichnung „Griechische Gemeinde in … und Umgebung“ zu, weil sie nicht den (täuschenden) Eindruck erwecke, dass alle oder fast alle in diesem Raum ansässigen griechischen Staatsangehörigen Mitglieder seien, so auch für Namen mit einer bestimmten Berufsbezeichnung BayObLG NJW-RR 1993, 184. Krit zu betrachten sind Hervorhebungen eines internationalen Charakters bei unbedeutendem oder keinerlei Kontakte zu den hiermit angesprochenen staatlichen Stellen oder Wirtschaftsverbänden unterhaltendem Verein, LG Tübingen Rpfleger 1995, 362; Stuttgart WRP 1996, 945. Großzügiger ggü Zusätzen wie „European“ Hamm NJW-RR 1999, 1710. 3

Eine Eintragung bedeutet keine Entscheidung bzgl des Namensrechts des Vereins, ein gegen § 12 verstoßender Name wird nicht mit Eintragung zulässig (BGH NJW 1953, 577). Ein nach § 18 II HGB (nicht nur nach § 57 II) unzulässiger Name führt zur Ablehnung des Eintragungsantrags (MüKo/Reuter Rn 8) bzw Löschung von Amts wegen oder auf Antrag eines Dritten (BayObLG NJW 1972, 957; Hamm OLG 1981, 433). Auch bei offensichtlicher Verletzung des Namensrechts eines anderen, die aber nicht die sonstigen Erfordernisse der Unterschiedlichkeit und der inhaltlichen Zulässigkeit verletzt, muss eingetragen werden (BayObLG DNotZ 1987, 353; Jena NJW-RR 1994, 698).

58 1. 2. 3. 4.

Sollinhalt der Vereinssatzung Die Satzung soll Bestimmungen enthalten: über den Eintritt und Austritt der Mitglieder, darüber, ob und welche Beiträge von den Mitgliedern zu leisten sind, über die Bildung des Vorstandes, über die Voraussetzungen, unter denen die Mitgliederversammlung zu berufen ist, über die Form der Berufung und über die Beurkundung der Beschlüsse.

1

1. Bei Nichtberücksichtigung des § 58 ist der Antrag zurückzuweisen, s § 60. Da es sich aber anders als in § 57 I um eine Sollvorschrift handelt, ist eine trotzdem erfolgte Eintragung voll rechtsbeständig, ein Amtslöschungsverfahren findet nicht statt (MüKo/Reuter Rn 1). An die Stelle der fehlenden Satzungsbestimmung treten die gesetzlichen.

2

2. Die einzelnen Punkte müssen genügend bestimmt sein, vgl zB zur Vorstandsbestellung BayObLG DNotZ 1972, 79 (vgl zu § 26 Rn 1); für Ein- und Austritt BayObLG NZG 2001, 126; bestimmte Berufungsform für Mitgliederversammlung erforderlich (vgl Hamm OLG 1965, 66). Die Form der Berufung der Mitgliederversammlung darf nicht dem zuständigen Organ überlassen werden (Hamm MDR 1966, 48). Ausdr Regelung von Ein- und Austritt nur nötig, falls die gesetzliche Regelung nicht gelten soll (BayObLG NJW 1972, 1323). Beitragspflicht muss grds aus der Satzung hervorgehen (s schon § 25 Rn 3), nur ausnahmsweise kann es genügen, wenn Vereinsweck eindeutig ergibt, dass ohne Beiträge Zweckerreichung nicht möglich ist; diese Anforderungen gelten auch, wenn die Beiträge sich nach einem bestimmten Schlüssel richten sollen, Oldenburg OLGRp 2009, 612. Nachdem BGH 105, 206, 216 im Wege der Inhaltskontrolle eine Satzungsbestimmung als zu pauschal verworfen hat, die bei Errichtung eines Sicherungsfonds durch den Verband eine gesonderte Beitragszahlung vorsah, wird man in der Satzungspraxis grds eine Angabe über das Erfordernis von Beiträgen und das Verfahren ihrer Festsetzung, nicht unbedingt auch über die Beitragshöhe vorsehen müssen (BGH NJW 1995, 2981), so besonders auch zur (kooperationsrechtlichen) Pflicht des Mitglieds, neben der Beitragszahlung dem Verein auf der Grundlage eines Vertrags ein Darlehen zu gewähren (BGH ZIP 2008, 1423), wo auch eine Satzungsangabe über die Obergrenze des Darlehensbetrags gefordert wird (zust van Look LMK 2009, 273641). Dresden VersR 2009, 1260 will sogar das AGB-rechtliche Transparenzgebot hierher übertragen. Demgegenüber lassen Beuthien BB 1987, 6, 10; Soergel/Hadding Rn 3; Staud/Habermann Rn 3 es ausreichen, das für die Bestimmung zuständige Organ zu bezeichnen). Auch Umlage bedarf einer speziellen Ermächtigung in der Satzung (näher Müller MDR 1992, 924 und München NJW-RR 1998, 966, das ferner die allg Beitragspflicht nicht für einen „13. Monatsbeitrag“ genügen lässt), auch hier muss eine Obergrenze in der Satzung angegeben sein, BGH ZIP 2007, 2264 und zust Schöpflin Anm WuB II N § 58 BGB 1.08; unter besonderen Umständen soll die Umlage auch ohne satzungsmäßige Festlegung der Obergrenze möglich sein, das Mitglied hat dann aber Austrittsrecht, BGH ebd; s auch Schubert WM 2008, 1197ff. Zur Beitragserhöhung § 33 Rn 3, zum Ende der Beitragspflicht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens § 42 Rn 2. Die Beiträge sind mit Pflichten iwS gleichzusetzen, zB auch Pflicht zur Amtsübernahme möglich (weitere Beisp bei Dütz FS Hilger und Stumpf 1983, 99, 103).

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Satzung muss Bestellung des Vorstands ermöglichen, s auch zu § 27. Ist eine Mindestzahl von Vorstandsmitgliedern festgelegt, kann die Satzung der Mitgliederversammlung die Zuwahl weiterer Vorstandsmitglieder überlassen, ohne eine Mindest- oder Höchstgrenze festzulegen (LG Gießen MDR 1984, 312; BaRo/Schwarz Rn 6; anders Staud/Habermann Rn 5). Die Vereinssatzung kann auch vorsehen, dass die Inhaber bestimmter Ämter den Vorstand bilden; Auslegungssache ist dann, ob die Mitgliederversammlung eine bestimmte Person in Personalunion in mehrere Vorstandsämter wählen kann; wenn nicht, ist sie in der Besetzung frei (Düsseldorf NJW-RR 1989, 894). Bedingte Bestellung eines Vorstandsmitglieds unzulässig, so dass Vertretungsverhältnisse unter den bestellten und eingetragenen Personen sogleich geregelt werden müssen (BayObLG NJW-RR 1992, 802; MDR 2001, 948; Mittenzwei MDR 1991, 496), s auch § 26 Rn 1.

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§ 61–63

Zu Nr 4 s §§ 32, 36. Zu den Berufungsgründen und zur Einberufung durch Minderheit § 37. Berufung 4 ist Einladung aller (auch nicht stimmberechtigter) Mitglieder zur Versammlung unter Nennung von Zweck, Tagesordnung, Zeit und Ort. Mitwirkungsobliegenheiten dürfen auf diesem Wege nicht geschaffen werden (Kölsch Rpfleger 1985, 137). Für die Beurkundung der Beschl besteht keine gesetzliche Regelung, es herrscht Autonomie, die Satzung kann (auch schlüssig) von Beurkundung ganz absehen. Sie braucht keine Bestimmungen über die Mitteilung des Ergebnisses einer schriftlichen Beschlussfassung zu enthalten (Köln NJW-RR 1994, 1547), wenn aber Beurkundung vorgeschrieben ist, muss auch angegeben werden, wer zu unterschreiben hat (LG Lübeck Rpfleger 1986, 263; BaRo/ Schwarz/Schöpflin Rn 7; aM Staud/Habermann Rn 7).

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Anmeldung zur Eintragung (1) Der Vorstand hat den Verein zur Eintragung anzumelden. (2) Der Anmeldung sind Abschriften der Satzung und der Urkunden über die Bestellung des Vorstands beizufügen. (3) Die Satzung soll von mindestens sieben Mitgliedern unterzeichnet sein und die Angabe des Tages der Errichtung enthalten.

1. Die Entschlussfreiheit des Vereins über Erwerb der Rechtsfähigkeit und der konstitutiven Wir- 1 kung der Eintragung entspricht dem Antragsgrundsatz. Das Antragsverfahren ist im FamFG geregelt. Antragsteller ist der Vorverein, vertreten durch Vorstandsmitglieder in vertretungsberechtigter Zahl (umstr, wie hier LG Schwerin Rpfleger 1997, 264 m Anm Hüttinger NotBZ 1997, 31; AG Mannheim Rpfleger 1979, 179; für Satzungsänderung ebenso BGH 96, 245; AnwK/Heidel/Lochner Rn 2; BayObLG NJW-RR 1991, 958; Jena NJW-RR 1994, 698). Mitwirkung sämtlicher Vorstandsmitglieder verlangen LG Bonn Rpfleger 2001, 432; Hamm Rpfleger 1984, 487; Reichert Rn 204, 206ff; BaRo/ Schwarz/Schöpflin Rn 3. Der BR (BT-Drucks 1612813, 19) hatte eine Klarstellung iSd wohl hM angeregt, immerhin spricht auch die jetzige Formulierung des § 77 für diese Lesart (Reuter NZG 2009, 1368, 1372). Vertretung ist aufgrund beglaubigter Vollmacht zulässig. Die rechtsgeschäftliche Alleinvertretungsmacht einzelner Vorstandsmitglieder reicht für die Anmeldung nicht aus (KG HRR 1942, 438). Mitwirkung eines stellvertretenden Mitglieds nicht nötig. Pflicht des Vorstands zur Anmeldung nur ggü Verein, keine Erzwingung durch Registergericht gem § 78. Eintragung ist auch ohne Antrag wirksam, sofern satzungsmäßiger Beschl des Vereins auf Erwerb der Rechtsfähigkeit vorliegt; durfte nicht eingetragen werden, ist Eintragung unwirksam und von Amts wegen zu löschen (Soergel/Hadding Rn 5); für Wirksamkeit bzgl Form vgl § 77. Die in Nr 1 und 2 erwähnten Abschriften sind formlos, zur Anmeldung von Satzungsänderungen s aber § 71. 2. Beifügung der aufgezählten Anlagen ist Sollvorschrift (Staud/Habermann Rn 8; AnwK/Heidel/ 2 Lochner Rn 4), für Behandlung des Abs II als Mussvorschrift KG JFG 1, 273; zur Aufbewahrung der Dokumente vgl § 66 II. Die nicht eingereichten Urkunden werden nicht Bestandteile der Satzung (RG 73, 187, 193; die weitergehenden Folgen, die zT aus dieser Entscheidung gezogen werden, zB MüKo/Reuter Rn 7, ergeben sich aus der Entscheidung nicht). Unterschrift durch sieben Mitglieder bloße Ordnungsvorschrift. Obliegt einem anderen Organ die Wahl des Vorstands (hier: Kuratorium), ist der Anmeldung die Urkunde über die Bestellung beizufügen (BayObLG 1984, 1).

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Zurückweisung der Anmeldung Die Anmeldung ist, wenn den Erfordernissen der §§ 56 bis 59 nicht genügt ist, von dem Amtsgericht unter Angabe der Gründe zurückzuweisen. 1. Die Erzwingbarkeit der Eintragung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ist Folge des 1 Normativsystems, das Gericht hat Prüfungspflicht. Im Sinne dieser Regelung liegt auch die Einschränkung des Ermessens der Behörden bei hemmenden Umständen. 2. Zurückweisung des Antrags, falls eine der materiellen oder formellen Voraussetzungen fehlt (zB 2 bei wirtschaftlichem Zweck), und bei Gesetzesverstoß, zB §§ 134, 138 (BGH NJW 1952, 1216), allerdings muss der Vereinszweck dann direkt gegen Gesetz (auch Strafgesetz) verstoßen, also nicht bei Wettbewerbsfischerei (LG Hamburg NJW-RR 1991, 892). § 60 zählt die Prüfungsgegenstände nicht abschließend auf (AnwK/Heidel/Lochner Rn 2), so dass auch bei unzulässigen Namen oder bei sittenwidrigem Zweck (Eintreibung rückständiger Forderungen für Vereinsmitglieder, LG Bonn NJW-RR 1995, 1515) der Antrag zurückzuweisen ist. Im Bereich des durch §§ 56–59 Geregelten darf sich die Prüfung durch das Registergericht auf die hierfür notwendigen Umstände beschränken, iÜ bleibt es aber bei dem Grundsatz, dass alle die Rechtmäßigkeit betreffenden Gegebenheiten, nicht auch die Zweckmäßigkeit und Klarheit der Regelungen, bei bestehendem Anlass zu prüfen sind (Staud/ Habermann Rn 3, gegen weitere Prüfungskompetenz aber Köln Rpfleger 1994, 15; BaRo/Schwarz/ Schöpflin Rn 3). Zur Aufforderung, Eintragungshindernisse zu beseitigen, s § 55 Rn 2; s auch § 9 VRV. Nicht von Belang für die Zurückweisung der Eintragung gem § 60 ist, dass die verletzte Norm eine „Sollvorschrift“ wie § 56 ist (Stuttgart OLG 1983, 307, 308).

61–63

(weggefallen)

H. P. Westermann

173

§ 64

Allgemeiner Teil

Personen

64

Inhalt der Vereinsregistereintragung Bei der Eintragung sind der Name und der Sitz des Vereins, der Tag der Errichtung der Satzung, die Mitglieder des Vorstands und ihre Vertretungsmacht anzugeben.

1

1. Die Fassung beruht auf dem Gesetz über elektronische Register und Justizkosten für Telekommunikation (ERJuKuG) v 10.12.2001 (BGBl I 3422), das in § 64 den früheren S 2 gestrichen hat, wonach auch Bestimmungen einzutragen waren, die den Umfang der Vertretungsmacht des Vorstands beschränken oder die Beschlussfassung des Vorstands abw von der Vorschrift des § 28 I aF regeln, s aber § 70. Das bedeutet praktisch, dass jetzt auch eine dem Gesetz entspr Zuteilung der Vertretungsmacht eingetragen werden muss. Der Inhalt der Eintragung muss, um die konstitutive Wirkung des § 21 zu äußern, die Identität des Vereins erkennen lassen, also mindestens Namen und Sitz angeben, ebenso MüKo/Reuter Rn 1; Staud/Habermann Rn 8. Sonstige Punkte nur Sollvorschrift, über § 64 hinausgehende Eintragungen sind zulässig; zu Einschränkungen der Vertretungsmacht RG 85, 142; BGH 69, 250, 253; Düsseldorf Rpfleger 1982, 477. Für Satzung tritt Aufbewahrung der Abschrift, § 66 II, an die Stelle.

2

2. Sonstige Eintragungen, zB §§ 67 und 71 (Vorstands- und Satzungsänderung) sind nicht nach Belieben der Beteiligten, sondern nur nach Maßgabe des Gesetzes möglich; fehlt eine Eintragung zu einer bestehenden Beschränkung der Vertretungsmacht, so ist die Eintragung des Vorstands nicht unwirksam. Nach BayObLG NJW 1981, 2068 auch die Eintragung des besonderen Vertreters gem § 30 eintragbar (ebenso Sauter/Schweyer/Waldner Rn 313; Müko/Reuter Rn 6),ebenso für Einzelvertretung bei Vorhandensein mehrerer Vorstandsmitglieder BGH 69, 250. Stellvertretung nur für den Verhinderungsfall ist eintragungsfähig (Staud-Habermann Rn 8; Soergel/Hadding Rn 5).

65 1

Namenszusatz Mit der Eintragung erhält der Name des Vereins den Zusatz „eingetragener Verein“.

Der Zusatz wird automatisch Bestandteil des Namens, Führung des Zusatzes ist Pflicht, doch löst ein einmaliger Verstoß nicht etwa eine Rechtsscheinshaftung des Vorstands gem § 54 S 2 aus (Celle NJW-RR 1999, 1052), während wiederholte Verstöße bei entspr subjektivem Tatbestand sogar unter § 826 fallen sollen (MüKo/Reuter Rn 2; Staud/Habermann Rn 2), was überzogen erscheint, solange nicht die subjektiven Anforderungen entspr hoch angesetzt werden.

66

Bekanntmachung der Eintragung und Aufbewahrung von Dokumenten (1) Das Amtsgericht hat die Eintragung des Vereins in das Vereinsregister durch Veröffentlichung in dem von der Landesjustizverwaltung bestimmten elektronischen Informations- und Kommunikationssystem bekannt zu machen. (2) Die mit der Anmeldung eingereichten Dokumente werden vom Amtsgericht aufbewahrt.

1

Bek ist zwingend vorgeschrieben, aber für Wirkung des § 21 nicht erforderlich (MüKo/Reuter Rn 1). Zu veröffentlichen ist der nach § 64 notwendige Inhalt der Satzung. Außer öffentlicher Bek auch Mitteilung an Beteiligte nach den Regeln der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die Einzelheiten regeln §§ 13ff VRV, dort (in § 17) sowie in § 72 auch Regelung über bestimmte Bescheinigungen.

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Änderung des Vorstands (1) Jede Änderung des Vorstands ist von dem Vorstand zur Eintragung anzumelden. Der Anmeldung ist eine Abschrift der Urkunde über die Änderung beizufügen. (2) Die Eintragung gerichtlich bestellter Vorstandsmitglieder erfolgt von Amts wegen.

1

Rechtsänderungen im Vorstand erfolgen durch Beschl der Mitgliederversammlung, Eintragung nur deklaratorisch, hat aber die Vermutung der Richtigkeit für sich (BayObLG Rpfleger 1981, 487; Sauter/Schweyer/Waldner Rn 391). Erneute Bestellung eines Vorstandsmitglieds nicht mehr anmeldepflichtig. Einzutragen auch das Erlöschen des Amtes; dasselbe gilt für besondere Vertreter gem § 30. Schutz Dritter nach § 68. Anzumelden ist eine Änderung auch dann, wenn sie vor der Anmeldung bereits erloschen ist (dafür Reichert Rn 2347; aM BayObLG Rpfleger 1986, 292, 295; dagegen MüKo/Reuter Rn 5). Zur Zahl der zur Mitwirkung verpflichteten Vorstandsmitglieder § 59 Rn 1; dass es hier auf die Mitglieder in vertretungsberechtigter Zahl ankommt, folgt daraus, dass für einen bestehenden Verein gehandelt wird (Staud/Habermann Rn 3). Anmeldung ist erzwingbar, vgl § 78, die Ordnungsstrafen treffen die Vorstandsmitglieder. Anmeldungen unterliegen der richterlichen Prüfung, vgl Komm zu § 60, die auch die Einhaltung satzungsmäßiger Formen (zB Unterschrift eines Protokollführers) umfasst (Hamm NJW-RR 1997, 484). Zur Form vgl § 77. Zur kostenrechtlichen Behandlung der Eintragungen Hamm OLGRp 2009, 679.

68

Vertrauensschutz durch Vereinsregister Wird zwischen den bisherigen Mitgliedern des Vorstands und einem Dritten ein Rechtsgeschäft vorgenommen, so kann die Änderung des Vorstands dem Dritten nur entgegengesetzt werden, wenn sie zur Zeit der Vornahme des Rechtsgeschäfts im Vereinsregister eingetragen oder dem Dritten bekannt ist. Ist die Änderung eingetragen, so braucht der Dritte sie nicht gegen sich gelten zu lassen, wenn er sie nicht kennt, seine Unkenntnis auch nicht auf Fahrlässigkeit beruht.

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H. P. Westermann

Juristische Personen

§ 71

1. Änderung des Vorstands ohne Eintragung bedeutet Gefahr für Dritten, der sich auf die unrichtig 1 gewordene Eintragung verlässt. Dritter kann auch ein Vereinsmitglied sein (allerdings ist Gutgläubigkeit besonders zu prüfen), Staud/Habermann Rn 6; BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 1; aM MüKo/ Reuter Rn 3. Grundsatz der negativen Publizität des Registers, wie im früheren § 15 HGB. Die für § 15 HGB entwickelten gewohnheitsrechtlichen Sätze gelten für § 68 nicht, da hier das gesteigerte Verkehrsschutzbedürfnis des Handelsrechts fehlt. Zum System vgl H. Westermann JuS 1963, 1ff. 2. Schutz nicht gegen jede Unrichtigkeit des Registers (so bei der positiven Publizität gem § 892), 2 sondern nur für Fortbestand der einmal gültig entstandenen Vertretungsmacht eingetragener Vorstände (Umfang der Vertretungsmacht nach § 70). Also kein Schutz bei von Anfang an unrichtiger Eintragung (eventuell § 839), wohl bei Nichteintragung des Erlöschens einer nicht eingetragenen Vertretungsmacht oder bei Änderung der Vertretungsmacht eines gültig bestellten, aber nicht eingetragenen (dazu Staud/Habermann Rn 2) Vorstandsmitglieds; Reichert Rn 2371. Die Änderung oder das Erlöschen ist hier die eintragungspflichtige Tatsache. Schutz bedeutet, dass dem Dritten ggü die Vertretungsmacht als bestehend gilt. 3. Gutgläubigkeit ist Voraussetzung für S 1, ausgeschlossen durch positive Kenntnis der Unrichtig- 3 keit sowie durch fahrlässige Unkenntnis, wobei sich der Dritte entlasten muss. Kausalität zw Registereintragung und Verhalten des Außenstehenden nicht erforderlich, Staud/Habermann Rn 2. 4. Die eingetragene Tatsache (S 2) wirkt grds gegen jeden. Wer sie nicht gelten lassen will, hat Be- 4 weislast der Nichtkenntnis und der Unzumutbarkeit der Kenntnisnahme. 5. § 68 gilt nur für Rechtsverkehr, analoge Anwendung für Prozessrecht empfehlenswert (BGH DB 5 1985, 1838; Frankfurt Rpfleger 1978, 134; Soergel/Hadding Rn 26); für die Haftung des Vereins aus § 31 aber bedeutungslos (BGH aaO). Zur Einberufung der Mitgliederversammlung durch (noch) eingetragenen, aber nicht (mehr) im Amt befindlichen Vorstand s § 32 Rn 3.

69

Nachweis des Vereinsvorstands Der Nachweis, dass der Vorstand aus den im Register eingetragenen Personen besteht, wird Behörden gegenüber durch ein Zeugnis des Amtsgerichts über die Eintragung geführt. Der Legitimationsnachweis durch den Registerauszug anstelle von Originalurkunden dient zur Er- 1 leichterung des Verkehrs mit Behörden, zB GBA (zum Nachw gem § 29 GBO Staud/Habermann Rn 4), hat aber keine Bedeutung im rechtsgeschäftlichen Verkehr. Das Zeugnis bezieht sich auf Bestehen und Umfang der Vertretungsmacht (zum letzteren MüKo/Reuter Rn 1). Dritte können weitergehenden Nachw verlangen, Vertrauen auf Auszug kann aber nicht als Fahrlässigkeit iSv § 68 gewertet werden. Gutglaubensschutz nur im Rahmen der §§ 68, 70.

70

Vertrauensschutz bei Eintragungen zur Vertretungsmacht Die Vorschriften des § 68 gelten auch für Bestimmungen, die den Umfang der Vertretungsmacht des Vorstands beschränken oder die Vertretungsmacht des Vorstands abweichend von der Vorschrift des § 26 Absatz 2 Satz 1 regeln. Zu unterscheiden ist nachträgliche Einschränkung der Vertretungsmacht durch Satzungsände- 1 rung, die erst durch Eintragung ins Register wirksam wird (unter der Voraussetzung näherer inhaltlicher Bezeichnung, BGH 18, 303, 306), von der von Anfang an im Vergleich mit § 26 beschränkten Vertretungsmacht, s dazu aber § 64 Rn 1. Wirksamkeit gegen gutgläubige Dritte richtet sich nach § 70; bei Schweigen des Registers kann also der Dritte sich auf die unbeschränkte Vertretungsmacht gem § 26 verlassen.

71

Änderungen der Satzung (1) Änderungen der Satzung bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Eintragung in das Vereinsregister. Die Änderung ist von dem Vorstand zur Eintragung anzumelden. Der Anmeldung sind eine Abschrift des die Änderung enthaltenden Beschlusses und der Wortlaut der Satzung beizufügen. In dem Wortlaut der Satzung müssen die geänderten Bestimmungen mit dem Beschluss über die Satzungsänderung, die unveränderten Bestimmungen mit dem zuletzt eingereichten vollständigen Wortlaut der Satzung und, wenn die Satzung geändert worden ist, ohne dass ein vollständiger Wortlaut der Satzung eingereicht wurde, auch mit den zuvor eingetragenen Änderungen übereinstimmen. (2) Die Vorschriften der §§ 60, 64 und des § 66 Abs. 2 finden entsprechende Anwendung. 1. Die Eintragung hat konstitutive Wirkung, also Beschl der Mitgliederversammlung allein bedeu- 1 tungslos, auch für das Innenverhältnis des Vereins, zB für die Beziehungen zu den Mitgliedern (BGH 23, 122, 128). Wegen der konstitutiven Wirkung der Eintragung kann sich der Beschl keine Rückwirkung beilegen, Hamm ZIP 2007, 336 (LS). Berufung auf fehlende Eintragung verstößt auch nicht gegen § 242 (aM Richert DRiZ 1957, 17), allerdings wird ein Beschl, dessen Grundlage eine noch nicht eingetragene Satzungsänderung ist, mit der Eintragung wirksam (München NJW-RR 1998, 966). Die Eintragung ist von den Mitgliedern des Vorstands zu beantragen (nicht auch erweiterter Vorstand, BGH 96, 245, 247 und § 59 Rn 1). Dabei lässt es der BGH (s auch Kurzkomm Weipert EWiR § 33 BGB 1/86) genügen, dass ein alleinvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied anmeldet (so auch Kirberger ZIP 1986, 346ff). Beizufügen ist der Wortlaut der Satzung, der aber nicht von den Vorstandsmitgliedern in vertretungsberechtigter Zahl unterschrieben werden muss, Hamm NZG 2010, 1113. Daran H. P. Westermann

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§ 71

Allgemeiner Teil

Personen

ist auch angesichts der Entscheidung zur Ersteintragung des Vereins (§ 59 Rn 1) und zu den Änderungen der Vorstandsbesetzung (§ 67 Rn 1) festzuhalten. Die umfangreich geregelten Dokumentationspflichten, die sich aus dem Verzicht auf die Vorlage der Urschrift des satzungsändernden Beschlusses ergeben, sollen eine elektronische Anmeldung zur Eintragung möglich machen (Reuter NZG 2009, 1372). 2

2. Die gerichtliche Prüfung entspricht der bei Eintragung des Vereins, ebenso die Aufbewahrung des Beschl; (§ 66 II). Die Eintragung ist abzulehnen, falls sie eine unzulässige Gestaltung verlautbaren würde, so zB Stuttgart OLG 1971, 465 für eine Eintragung, die einen wirtschaftlichen Zweck des Vereins ergeben würde. Nach Anmeldung einer Satzungsänderung ist Prüfungsgegenstand die gesamte neue Satzung, auch der nicht geänderte Teil (BayObLG 1984, 293, 295). Indessen kann das Registergericht dem anmeldenden Vorstand nicht im Wege der Zwischenverfügung eine Erklärung aufgeben, dass der eingereichte Satzungswortlaut mit der Ursprungsfassung übereinstimmt, Düsseldorf NZG 2010, 754.

3

3. Inhalt der Eintragung ist str. Ein Hinw, der den geänderten Punkt erkennbar macht, ist ausreichend und erforderlich (RG Warn Rspr 1933, 90; München MDR 1955, 160; MüKo/Reuter Rn 3). Nur die nach § 64 und § 67 eintragungspflichtigen Punkte sind vollständig einzutragen. So ist Einschränkung der Vertretungsmacht des Vorstands nur wirksam, wenn klar aus dem Vereinsregister erkennbar (München MDR 1955, 160; BGH 18, 303, 307); vgl dazu §§ 148, 32 AktG, §§ 54, 10 GmbHG, §§ 29, 26, 16 GenG. In begrenztem Umfang können auch aufschiebend bedingte und befristete Satzungsänderungen vorab eingetragen werden, wenn der Zeitpunkt des Inkrafttretens aus der Eintragung entnommen werden kann und nicht allzu weit entfernt ist (Ziegler Rpfleger 1984, 320 gegen LG Bonn Rpfleger 1984, 192; Reichert Rn 634, 686ff; zu Unrecht gegen aufschiebende Bedingungen MüKo/Reuter Rn 2).

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Bescheinigung der Mitgliederzahl Der Vorstand hat dem Amtsgericht auf dessen Verlangen jederzeit eine schriftliche Bescheinigung über die Zahl der Vereinsmitglieder einzureichen.

1

Hilfsvorschrift für §§ 37 und 73. Bescheinigung bezieht sich nur auf die Mitgliederzahl, nicht auf die Namen der Mitglieder. Erzwingung gem § 78. Die Vorschrift gilt nicht für nach § 22 konzessionierte oder nicht eingetragene Vereine (Staud/Habermann Rn 2; BaRo/Schwarz/Schöpflin Rn 2), weil sie die Prüfung der Existenzfähigkeit (kleiner) Idealvereine im Auge hat.

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Unterschreiten der Mindestmitgliederzahl Sinkt die Zahl der Vereinsmitglieder unter drei herab, so hat das Amtsgericht auf Antrag des Vorstands und, wenn der Antrag nicht binnen drei Monaten gestellt wird, von Amts wegen nach Anhörung des Vorstands dem Verein die Rechtsfähigkeit zu entziehen.

1

Die Form des eV soll nicht von ganz unbedeutenden Vereinen benutzt werden, vgl auch § 59 III. Aber nicht automatischer Verlust der Rechtsfähigkeit (zu den Rechtsfolgen bei Wegfall des letzten Mitglieds § 56 Rn 1), sondern Entziehung durch konstitutiv wirkenden Beschl, der ohne weiteres zu ergehen hat, wenn der Vorstand Antrag stellt (MüKo/Reuter Rn 2). Dreimonatsfrist soll Auffüllung der Mitglieder ermöglichen, so dass die Entziehung nicht stattfinden soll, wenn der Vorstand eine Erhöhung der Mitgliederzahl über drei in Aussicht stellen kann (Staud/Habermann Rn 2). Frist beginnt mit Sinken der Mitgliederzahl unter drei. Falls Vorstand fehlt, Vorgehen nach § 29 auch ohne Antrag eines Beteiligten (BayObLG NJW-RR 1989, 765). Zum Verfahren Böttcher Rpfleger 1988, 169; dort auch zu dem Fall, dass weder Mitglieder noch Vorstand vorhanden sind.

74

Auflösung (1) Die Auflösung des Vereins sowie die Entziehung der Rechtsfähigkeit ist in das Vereinsregister einzutragen. (2) Wird der Verein durch Beschluss der Mitgliederversammlung oder durch den Ablauf der für die Dauer des Vereins bestimmten Zeit aufgelöst, so hat der Vorstand die Auflösung zur Eintragung anzumelden. Der Anmeldung ist im ersteren Fall eine Abschrift des Auflösungsbeschlusses beizufügen.

1

Eintragung in allen Fällen der Auflösung ohne Rücksicht auf Art der Liquidation und bei Entziehung der Rechtsfähigkeit erforderlich. Wirkung tritt aber auch ohne Eintragung ein, die Eintragung ist also lediglich deklaratorisch. Bei Auflösungsbeschluss und Zeitablauf Eintragung auf Anmeldung des Vorstands, erzwingbar nach § 78. Wie im Fall des § 73 auch hier Bestellung eines Vorstands nach § 29 von Amts wegen (MüKo/Reuter Rn 2). Zum Insolvenzfall § 75.

75

Eintragungen bei Insolvenz (1) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Beschluss, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse rechtskräftig abgewiesen worden ist, sowie die Auflösung des Vereins nach § 42 Absatz 2 Satz 1 sind von Amts wegen einzutragen. Von Amts wegen sind auch einzutragen 1. die Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses, 2. die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, wenn zusätzlich dem Schuldner ein all-

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H. P. Westermann

Juristische Personen

§ 75

gemeines Verfügungsverbot auferlegt oder angeordnet wird, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind, und die Aufhebung einer derartigen Sicherungsmaßnahme, 3. die Anordnung der Eigenverwaltung durch den Schuldner und deren Aufhebung sowie die Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit bestimmter Rechtsgeschäfte des Schuldners, 4. die Einstellung und die Aufhebung des Verfahrens und 5. die Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplans und die Aufhebung der Überwachung. (2) Wird der Verein durch Beschluss der Mitgliederversammlung nach § 42 Absatz 1 Satz 2 fortgesetzt, so hat der Vorstand die Fortsetzung zur Eintragung anzumelden. Der Anmeldung ist eine Abschrift des Beschlusses beizufügen. 1. Die ab 1.1.1999 geltende, durch das VereinRÄndG v 24.9.2009 (BGBl I S 3145) erneut geänderte 1 Regelung beruht auf Art 33 EG InsO idF der Änderung v 5.10.1994 (BGBl 1994 I S 2924). Abs I S 2 Nr 3 ist eingefügt durch das ÄndG zur EG InsO v 19.12.1998. Die in Abs I S 2 Nr 1 getroffene Regelung entspricht § 75 S 2 der früheren Fassung, sie betrifft jetzt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, neuerdings auch die Abweisung mangels Masse, mit den in §§ 80ff InsO geregelten Folgen, während die ggü dem früheren Recht neue Pflicht zur Eintragung eines vorläufigen Insolvenzverwalters unter den in Nr 2 genannten Voraussetzungen sowie die „Aufhebung“ einer „derartigen Sicherungsmaßnahme“ nur die Maßnahmen vor der eigentlichen Eröffnung betreffen (näher Rn 2), schließlich (Nr 4) die Einstellung und Aufhebung des Verfahrens. Die Regelung hängt mit § 52 I S 1 zusammen, der im Gegensatz zum früheren Recht an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht nur den Verlust der Rechtsfähigkeit, sondern die Auflösung des Vereins knüpft. Nr 3 stellt eine praktisch notwendige Klarstellung dar. Generell zu den Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auf die im Vereinsregister zu bewirkenden Eintragungen einschl der Eigenverwaltung (Nr 3) Wentzel Rpfleger 2001, 334. In Abs II ist neu hinzugekommen die Pflicht zur Anmeldung eines Fortsetzungsbeschlusses, der dann auch einzutragen ist; das wurde aber bisher schon angenommen (MüKo/Reuter § 42 Rn 3). 2. Die Voraussetzungen, unter denen die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters im Ver- 2 einsregister einzutragen ist, sind diejenigen, die in § 21 II Nr 1 InsO genannt sind, und die, wie aus der Überschrift zu § 21 hervorgeht, allg als „Sicherungsmaßnahmen“ angesehen werden. Für die Registereintragung bedeutet dies, dass die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters nur bei „zusätzlichem“ Erlass des Verfügungsverbots oder der Anordnung, dass der Vereinsvorstand oder Liquidatoren Verfügungen nur mit Zustimmung des Insolvenzverwalters treffen dürfen, einzutragen ist. Publizität dahingehend, dass das Verfahren eröffnet, aber ein vorläufiger Insolvenzverwalter nicht bestellt ist, geht also vom Fehlen der entspr Eintragung im Register nicht aus, da das Gericht bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters weitere Sicherungsmaßnahmen nicht für erforderlich gehalten haben kann. Ist die Einsetzung des Verwalters dagegen eingetragen, so folgt daraus, dass auch die eine der genannten Sicherungsmaßnahmen (Verfügungsverbot oder Abhängigkeit der Verfügung des Vereins von der Zustimmung des Verwalters) getroffen sein muss. Neuerdings ist auch eine Eintragung der Sicherungsmaßnahme im Register vorgesehen, ferner folgt aus § 23 I S 1 InsO, dass der Beschl über die Verfügungsbeschränkungen und die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters öffentlich bekannt zu machen ist. Ferner hat angesichts eines eV als Schuldners die Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts gem § 23 II InsO eine Ausfertigung des Beschl über die Verfügungsbeschränkung dem Registergericht zu übermitteln. Hingegen betrifft § 23 III InsO, der die Registereintragung der Verfügungsbeschränkung regelt, nur das Grundbuch und sonstige Register, in denen Pfandrechte vermerkt werden können, nicht auch Handels- und Vereinsregister, so dass davon auszugehen ist, dass die Verfügungsbeschränkung beim eV nicht eingetragen werden muss. Das verwundert, weil nach dem letzten Halbsatz der in Nr 2 getroffenen Regelung die Aufhebung des Verfügungsverbots oder der dem gleichstehenden Verfügungsbeschränkung einzutragen ist (ebenso für Eintragung der Eigenverwaltung gem § 270 InsO und deren Aufhebung, § 272 InsO, AnwK/Eckardt Rn 6). Das ist bzgl der reinen Verfügungsbeschränkung wenig sinnvoll, wenn die Sicherungsmaßnahme als solche nicht eingetragen war, zumal die Regelung im ersten Halbsatz, besonders das Wort „zusätzlich“, den Eindruck entstehen lassen muss, dass nur bei Notwendigkeit der genannten Sicherungsmaßnahmen die Eintragung des vorläufigen Insolvenzverwalters überhaupt nötig erscheint. Es liegt daher nahe, § 75 Nr 2 dahin zu verstehen, dass mit der Aufhebung der Sicherungsmaßnahme auch das Vorhandensein eines vorläufigen Insolvenzverwalters aus dem Register nicht mehr hervorzugehen braucht. Dieser verliert aber iÜ mit der Aufhebung der Sicherungsmaßnahmen nicht seine Stellung, da das Gericht von § 22 II S 1 InsO Gebrauch gemacht haben und die Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters bestimmt haben kann, ohne dem Schuldner ein allg Verfügungsverbot aufzuerlegen. In diesem Fall ist seine Bestellung gem § 75 nicht eintragungspflichtig. Einstellung und Aufhebung des Insolvenzverfahrens, die nach Nr 4 von Amts wegen einzutragen 3 sind, haben ihren Grund einmal im Fehlen hinlänglicher Masse (§ 207 I InsO), zum anderen (§ 200 InsO) im Vollzug der Schlussverteilung. In beiden Fällen kann nach § 42 I S 2 die Mitgliederversammlung die Fortsetzung des Vereins beschließen. Die Eintragung der Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplans (Nr 5) hängt mit der Befriedigung der in § 217 InsO genannten Gläubigergruppen, ua der Absonderungsberechtigten, durch einen Insolvenzplan zusammen, der eine von den Vorschriften der InsO abw Gläubigerbefriedigung, Verteilung der Masse und Haftung des Schuldners nach der Beendigung des Verfahrens bestimmen kann; zum Inhalt der Eintragung § 267 Abs. II InsO. Die Eintragung ist aus der Sicht des Rechtsverkehrs wichtig, weil auch in diesem Stadium der Insolvenzplan die Zustimmungsbedürftigkeit bestimmter Geschäfte begründen kann (§ 263 InsO). Dementsprechend ist auch die Aufhebung der Überwachung (§ 268 InsO) einzutragen, daneben steht die (auch für die Begründung der Überwachung vorgeschriebene, s § 267 I InsO) Bek, § 268 II InsO. H. P. Westermann

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§ 76

Allgemeiner Teil

Personen

76

Eintragungen bei Liquidation (1) Bei der Liquidation des Vereins sind die Liquidatoren und ihre Vertretungsmacht in das Vereinsregister einzutragen. Das Gleiche gilt für die Beendigung des Vereins nach der Liquidation. (2) Die Anmeldung der Liquidatoren hat durch den Vorstand zu erfolgen. Bei der Anmeldung ist der Umfang der Vertretungsmacht der Liquidatoren anzugeben. Änderungen der Liquidatoren oder ihrer Vertretungsmacht sowie die Beendigung des Vereins sind von den Liquidatoren anzumelden. Der Anmeldung der durch Beschluss der Mitgliederversammlung bestellten Liquidatoren ist eine Abschrift des Bestellungsbeschlusses, der Anmeldung der Vertretungsmacht, die abweichend von § 48 Absatz 3 bestimmt wurde, ist eine Abschrift der diese Bestimmung enthaltenden Urkunde beizufügen. (3) Die Eintragung gerichtlich bestellter Liquidatoren geschieht von Amts wegen.

1

Die Vorschrift ist im Rahmen der Vereinsrechtsreform neu gefasst, die Eintragungspflicht erweitert worden. Klargestellt wird in Abs I S 1, dass Gegenstand der Eintragung die Vertretungsmacht der Liquidatoren ist. Neu ist auch die Pflicht, die Beendigung des Vereins nach Abschluss der Liquidation einzutragen.

2

Die Regelung ist insgesamt eine Folge der Gleichstellung von Liquidatoren und Vorstand, vgl § 48 II, sowie des Umstands, dass die Liquidation Folge der in den §§ 45ff genannten eintragungspflichtigen Tatsachen ist. Auch §§ 68–70 gelten. Die Eintragungspflicht besteht auch bei Personengleichheit von Vorstand und Liquidatoren. Die ersten Liquidatoren hat noch der Vorstand anzumelden. Ist der Vorstand schon vor Wirksamwerden des Auflösungsbeschlusses aus seinem Amt ausgeschieden und ist bereits ein Liquidator bestellt, so kann dieser Auflösung des Vereins und Bestellung des ersten Liquidators anmelden (Hamm WM 1990, 879 m Anm Buchegger Rpfleger 1991, 17), das muss jetzt auch für den Fall gelten, dass die Auflösung des Vereins und die Liquidatoren eingetragen sind (LG Siegen m Anm Meyer-Stolte Rpfleger 1991, 115). Eine abstrakte Vertretungsregelung (etwa nach § 67 I GmbHG) ist auch dann einzutragen, wenn nur ein erster Liquidator bestellt ist, BGH WM 2007, 1372 m zust Anm Müller/Rieg WuB II C § 67 GmbHG 1.07.

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Anmeldepflichtige und Form der Anmeldungen Die Anmeldungen zum Vereinsregister sind von Mitgliedern des Vorstands sowie von den Liquidatoren, die insoweit zur Vertretung des Vereins berechtigt sind, mittels öffentlich beglaubigter Erklärung abzugeben. Die Erklärung kann in Urschrift oder in öffentlich beglaubigter Abschrift beim Gericht eingereicht werden.

1

Mitwirkungspflicht der Vorstandsmitglieder in vertretungsberechtigter Zahl (AG Mannheim Rpfleger 1979, 196; dazu auch Terner DNotZ 2010, 5, 20; s ferner § 59 Rn 1). Form als Grundlage für die ordnungsgemäße Registerführung (vgl § 12 HGB, § 29 GBO), Form auch für Vollmacht bei Vertretung bei der Anmeldung (KGJ 26 A 232; MüKo/Reuter Rn 3). Als Form genügt jetzt Vorlage einer elektronischen Abschrift, die nach § 39a BeurkG elektronisch beglaubigt wurde, Begr RegE BTDrucks 16/12813 S 14. Auch hier berühren Mängel der Form die Wirksamkeit der Eintragung nicht (Richert NJW 1958, 894, 896; dort auch über Heilbarkeit rechtlich mangelhafter Registeranmeldungen durch Eintragung).

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Festsetzung von Zwangsgeld (1) Das Amtsgericht kann die Mitglieder des Vorstands zur Befolgung der Vorschriften des § 67 Abs. 1, des § 71 Abs. 1, des § 72, des § 74 Abs. 2, des § 75 Absatz 2 und des § 76 durch Festsetzung von Zwangsgeld anhalten. (2) In gleicher Weise können die Liquidatoren zur Befolgung der Vorschriften des § 76 angehalten werden.

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1. Das Verfahren der Festsetzung von Zwangsgeld, das keine Strafe iSd Strafrechts ist, regelt sich nach den Regeln der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Strafrahmen ist in Art 6 I S 1 EGStGB geregelt. Strafe trifft jedes anmeldepflichtige Vorstandsmitglied persönlich, nicht den Verein (KGJ 26 A, 232), deswegen kann nicht in das Vereinsvermögen vollstreckt werden (MüKo/Reuter Rn 1; Staud/Habermann Rn 3). Neu ist die Verweisung auf den neuen § 75 II.

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Einsicht in das Vereinsregister (1) Die Einsicht des Vereinsregisters sowie der von dem Verein bei dem Amtsgericht eingereichten Dokumente ist jedem gestattet. Von den Eintragungen kann eine Abschrift verlangt werden; die Abschrift ist auf Verlangen zu beglaubigen. Wird das Vereinsregister maschinell geführt, tritt an die Stelle der Abschrift ein Ausdruck, an die der beglaubigten Abschrift ein amtlicher Ausdruck. (2) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das die Übermittlung von Daten aus maschinell geführten Vereinsregistern durch Abruf ermöglicht, ist zulässig, wenn sichergestellt ist, dass 1. der Abruf von Daten die zulässige Einsicht nach Absatz 1 nicht überschreitet und 2. die Zulässigkeit der Abrufe auf der Grundlage einer Protokollierung kontrolliert werden kann. Die Länder können für das Verfahren ein länderübergreifendes elektronisches Informations- und Kommunikationssystem bestimmen.

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(3) Der Nutzer ist darauf hinzuweisen, dass er die übermittelten Daten nur zu Informationszwecken verwenden darf. Die zuständige Stelle hat (z.B. durch Stichproben) zu prüfen, ob sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die nach Satz 1 zulässige Einsicht überschritten oder übermittelte Daten missbraucht werden. (4) Die zuständige Stelle kann einen Nutzer, der die Funktionsfähigkeit der Abrufeinrichtung gefährdet, die nach Absatz 3 Satz 1 zulässige Einsicht überschreitet oder übermittelte Daten missbraucht, von der Teilnahme am automatisierten Abrufverfahren ausschließen; dasselbe gilt bei drohender Überschreitung oder drohendem Missbrauch. (5) Zuständige Stelle ist die Landesjustizverwaltung. Örtlich zuständig ist die Landesjustizverwaltung, in deren Zuständigkeitsbereich das betreffende Amtsgericht liegt. Die Zuständigkeit kann durch Rechtsverordnung der Landesregierung abweichend geregelt werden. Sie kann diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltung übertragen. Die Länder können auch die Übertragung der Zuständigkeit auf die zuständige Stelle eines anderen Landes vereinbaren. 1. Es handelt sich um die Folgen der Öffentlichkeit des Vereinsregisters, die durch das Registerver- 1 fahrenbeschleunigungsG im Zusammenhang mit der in § 55a geregelten Umstellung der Registerführung auf EDV neu geordnet worden ist; dabei sind von der bis zum 24.12.1993 geltenden Fassung die jetzt in Abs I S 1 und 2 enthaltenen Bestimmungen übernommen worden. Hiermit sowie mit Abs II S 1 stimmen § 9 I wie II S 1 HGB überein, wobei allerdings das Recht, von Eintragungen eine beglaubigte Abschrift zu verlangen, beim Handelsregister in § 9 II S 2 und 3 HGB auf zum Register eingereichte Schriftstücke ausgedehnt ist. Nach dem früheren § 55a V aufbewahrte Stücke sind vom Einsichtsrecht umfasst; entspr den Gegebenheiten der Datenspeicherung kann von der „Wiedergabe“ eine Abschrift verlangt werden, die auf Verlangen zu beglaubigen ist, Abs I S 3. Abs III–V sind durch das ERJuKoG (§ 64 Rn 1) an die Stelle einer bisher in den Abs III–X des § 79 enthaltenen Regelung gesetzt worden. 2. Auch in der Neuregelung bleibt es bei dem Grundsatz, dass Einsicht jedermann ohne Nachw ei- 2 nes berechtigten Interesses zusteht; sie betrifft die Registereintragung sowie die eingereichten Schriftstücke. Die früher in Abs I S 4 enthaltene Bestimmung, dass eine Einsicht in ein Original nur gestattet ist, wenn daran ein berechtigtes Interesse dargelegt ist, ist gestrichen. Zu den Einzelheiten § 16 VRV, zur Einsicht in das maschinell geführte Register § 31 VRV. Abschriften von Registereintragungen können nach Abs I S 2 ohne Nachw eines Interesses verlangt werden, auch insoweit Neuregelung in § 17 VRV. Aus dem maschinell geführten Register können nach § 32 VRV „Ausdrucke“ erstellt werden. Zum Nachw der Vertretungsmacht von Vorständen und Liquidatoren s § 69. Die früher in den Abs II–X enthaltene Regelung der Voraussetzungen, von denen die Datenüber- 3 mittlung auf Abruf abhängen sollte, diente im Wesentlichen dem Ziel, die Korrektheit des Datenabrufs kontrollieren zu können. Die Kriterien für die Zulässigkeit eines Abrufs von Daten aus dem maschinell geführten Register sind jetzt in Abs II genannt, die Abs III und IV schaffen die Kontrollpflichten und Sanktionsmöglichkeiten (bei Missbrauchsgefahr) der „zuständigen Stelle“, die in Abs V definiert ist. Einen Ausschluss rechtfertigt es auch, wenn vom Nutzer Software-Viren übertragen werden, RegE BT-Drucks 14/6855 S 18. Entspr gilt für das Handelsregister (§ 9a HGB) und für das Grundbuch (allerdings eingehender geregelt in § 133 GBO).

Untertitel 2 Stiftungen Vorbemerkung Schrifttum: Andrick/Suerbaum, Stiftung und Aufsicht, 2003; Andrick, Änderungen des Stiftungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen, ZStV 2010, 121; Arnold, Satzungsvorbehalt für die Vorstandsvergütung bei Vereinen und Stiftungen?, FS Reuter 2010, 3; Bertelsmann Stiftung (Hrsg), Handbuch Stiftungen, 2. Aufl 2003; Bertelsmann Stiftung (Hrsg), Handbuch Bürgerstiftungen, 2. Aufl 2004; Blisse, Vermögensanlage in der Stiftung, ZStV 2010, 134; Burgard, Gestaltungsfreiheit im Stiftungsrecht, 2006; Burgard, Organhaftung in Verein und Stiftung, in: Handbuch Managerhaftung 2010, 118–183; Burgard, Ist § 31a BGB im Stiftungsrecht zwingend oder dispositiv? – Zur Auslegung von § 86 S 1 Hs 2 BGB, FS Reuter 2010, 43; Bruns, Fiduziarische Stiftung als Rechtsperson, JZ 2009, 840; Büch, Die wirksame Errichtung einer Stiftung liechtensteinischen Rechts, ZStV 2010, 176; Büch, Das sittenwidrige Stiftungsgeschäft, ZEV 2010, 440; Carstensen, Vermögensverwaltung, Vermögenserhaltung und Rechnungslegung gemeinnütziger Stiftungen, 1994; Damrau, Vor-Stiftung und Pflichtteilsanspruch sowie dessen Verjährung, ZEV 2010, 12; Dinglreiter, Strategiebenchmarking für Umweltstiftungen, ZStV 2011, 12; Ebersbach, Handbuch des deutschen Stiftungsrechts 1972; D. Fischer/Ihle, Satzungsgestaltung bei gemeinnützigen Stiftungen, DStR 2008, 1692; M. Fischer, Dogmatik des unselbständigen Stiftungsgeschäfts unter Lebenden und Steuerrecht, FS Reuter 2010, 73; Fritsche, Grundfragen zur unselbständigen Stiftung des Privatrechts, ZSt 2008, 3; Fritsche, Die Stiftungssatzung im Spannungsfeld zwischen Stifterfreiheit, Stiftungsautonomie und staatlicher Stiftungsaufsicht, ZSt 2009, 21; Fritsche/Kilian, Nachfolge in Familienunternehmen durch Unternehmensträgerstiftungen, Stiftung & Sponsoring, Rote Seiten 2008, Heft 2; Fritz, Die Anlageentscheidung der Stiftung, ZStV 2010, 161; Fritz, Die Stiftungsbehörde als Willensvertreterin in der Stiftung? ZSt 2008, 63; Geibel, Die Beschränkung der Vertretungsmacht mit Wirkung gegenüber Dritten bei Stiftung und GbR, ZJS 2009, 339; Göring, Unternehmen Stiftung, 2009; Götz, Die gemeinnützige Stiftung im Zivil- und Steuerrecht, NWB 2008, 9757; Graf Strachwitz, Stiftungen sind populär. Sind sie auch legitum?, ZStV 2011, 1; Graf Strachwitz/Mereker (Hrsg.), Stiftungen in Theorie und Praxis, 2005; Graf Strachwitz/Mereker (Hrsg), Stiftungen im gesellschaftlichen Diskurs – zur Rezeption und Akzeptanz der Institution Stiftung im 19. und 20. Jahrhundert, in: Stiftungen seit 1800, Mae-

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cenata-Schriften Heft 3 S 1, Jahr 2009; Graf Strachwitz/Mercker, Stiftungen in Theorie, Recht und Praxis (Hrsg) 2005; Hennerkes/Schiffer, Stiftungsrecht, 3. Aufl 2001; Herrmann, Die Rechnungslegung spendensammelnder Stiftungen, ZSt 2009, 66; von Hoerner, Die Formulierungsfreiheit des Stifters, ZStV 2010, 13; Hof/Bianchini-Hartmann/Richter, Stiftungen, Beck-Rechtsberater im dtv, 2004; Hoffmann, Beschlussmängel in der rechtsfähigen Stiftung bürgerlichen Rechts, FS Kreutz 2009, 29; Hüttemann, Der Stiftungszweck nach dem BGB, FS Reuter 2010, 121; Hüttemann, Die Vorstiftung – ein zivilrechtliches und steuerrechtliches Phantom, FS Spiegelberger, 2009, 1292; Ihle, Stiftungen als Instrument der Unternehmens- und Vermögensnachfolge, Teil I, RNotZ 2009, 557; Teil II, RNotZ 2009, 621; Ihrig/Wandt, Die Stiftung im Konzernverbund, FS Uwe Hüffer 2010, 387; Jakob, Die Haftung der Stiftung als Erbin oder „Beschenkte“, Non Profit Law Yearbook 2007 (2008), 113–132; Jakob, Das Stiftungsrecht der Schweiz im Europa des dritten Jahrtausends, SJZ 2008, 533; Jakob/Studen, The European Foundation – Phantom oder Zukunft des europäischen Stiftungsrechts?, ZHR 174 (2010), 61; Kalss, Der Einfluss von Begünstigten in der österreichischen Privatstiftung, in: Bitter/Lutter/Priester/Schön/Ulmer (Hrsg.), FS Karsten Schmidt, 2009, 857; Koch, Die Ersatzpflicht des Stiftungsvorstands für Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung der Überschuldung, ZStV 2010, 92; Koschmieder/Pauls/Seidemann, Unternehmen Stiftung, ZStV 2010, 1; Kötz/Rawert/Schmidt/Walz (Hrsg), Non profit law yearbook 2002 und 2006; Küstermann, Die Beendigung der vertraglichen Beziehungen zwischen Stifter und Treuhänder, ZSt 2008, 161; Lange, Stiftungszweck als Rechtsgrund für unentgeltliche Zuwendungen?, ZErb 2010, 137; Lange/ Honzen, Erbfälle unter Einschaltung ausländischer Stiftungen, ZEV 2010, 228; Lehmann, Kapitalerhalt oder Fördermittel? Über die Vermögensanlage von Stiftungen, ZStV 2010, 192; Liermann, Geschichte des Stiftungsrechts, Nachdruck 2002; Lingelbach, Der Umgang mit Altstiftungen in den Jahren nach 1945 im Beitrittsgebiet – erste Bestandsaufnahme für Thüringen, ZSt 2009, 99; Meyn/Richter/Koss, Die Stiftung, 2. Aufl 2009; Meyn/Timmer, Stiftungen in der anwaltlichen Beratung, AnwBl 2008, 334; Miehe, Grundzüge der Stiftungspolitik zwischen 1945 und dem Ende der 1950er Jahre auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Sachsen-Anhalt, ZSt 2009, 51; H.-F. Müller, Die Rechtsstellung der Stiftungsorgane in der Insolvenz, ZStV 2010, 201; H.-F. Müller, Haftung des Stiftungsvorstands wegen Insolvenzverschleppung, ZIP 2010, 153; Muscheler, Der Zuwendungsvertrag zwischen Stiftung und Destinatär, NJW 2010, 341; Muscheler, Der Notvorstand in Verein und Stiftung, FS Reuter, 2010, 225; Muscheler, Der Zuwendungsvertrag zwischen Stiftung und Destinatär, NJW 2010, 341; Neuhoff, Erkenntnisse der institutional economics bezüglich realer Vermögenserhaltungen in Stiftungen, ZStV 2010, 215; Neuhoff, Die nicht-rechtsfähige Stiftung unter Lebenden als besonderes Rechtsproblem, ZSt 2008, 23; Neuhoff, Testamentsvollstreckung bei Stiftungen als grundsätzliches Rechtsproblem, ZSt 2008, 77; Neuhoff, Zur Praxis operativer Stiftungen, ZSt 2009, 16; Neuhoff, Verfassungsrechtliche und andere gesetzliche Schranken bei der Vermögensverwaltung von Stiftungen, ZSt 2009, 143; Nissel, Das neue Stiftungsrecht, 2002; von Oertzen/Hosser, Asset Protection mit inländischen Familienstiftungen, ZEV 2010, 168; Otto, Handbuch der Stiftungspraxis 2007; Pauli, Die Verbrauchsstiftung, ZSt 2008, 97; Rawert, Grundrecht auf Stiftung?, FS Reuter 2010, 1323; Redbrake/Theuffel-Werhahn, Die öffentliche Hand als Stifter, ZStV 2010, 154; A. Richter/Gollan, Die Besteuerung der Kapitalerträge von Familienstiftungen, FS Reuter 2010, 1155; Saenger/Bayer/Koch/Körber, Gründen und Stiften, Festschrift zum 70. Geburtstag des Jenaer Gründungsdekans und Stiftungsrechtlers Olaf Werner, 2009; Sandberg/Buder, Recruiting von Stiftungsvorständen, ZStV 2010, 6; Röthel, Stiftungserbrecht statt Staatserbrecht? Non Profit Law Yearbook 2007, 189–208; Roth/Knof, Die Stiftung in Krise und Insolvenz, KTS 2009, 163; Sandberg/Mecking, Vergütungssystem in Stiftungen: personen-, funktions- oder leistungsorientiert?, ZSt 2008, 139; Schauhoff, Unternehmensnachfolge mit Stiftungen, FS Spiegelberger, 2009, 1341; Schiffer, Die Stiftung in der anwaltlichen Praxis, 2003; Schiffer, Die Entwicklung der Stiftung – Zivilrecht in den Jahren 2004–2006, NJW 2006, 2528; Schiffer, Stiftungen und Familie; Anmerkungen zu „Familienstiftungen“, FS Spiegelberger, 2009, 1358; Schiffer, Stiftung für jedermann, ErbR 2008, 94; Schlüter/Stolte, Stiftungsrecht, 2007; Schmid, Stiftungsrechtliche Zuwendungen im Erb- und Familienrecht, 2007; Schmid/Lex, Die Zulässigkeit der Errichtung von Stiftungen durch die öffentliche Hand, KommunalPraxis spezial 2008, 57; von Schnurbein, Stiftungen als Motor des Wandels im Nonprofit-Sector – Fallbeispiele zu Transformationen von Vereinen und Stiftungen, ZSt 2008, 120; Schulte, Staat und Stiftung, 1989; Schmidt-Jortzig, Verfassungsrechtlicher Bestandsschutz für Stiftungen? – Die niedersächsische Traditionsklausel: Konstitutionelle Strukturfestschreibung versus notwendige Veränderungsmöglichkeit, FS Reuter 2010, 1339; Schwarz, Steuerliche Behandlung ehrenamtlicher Tätigkeit in gemeinnützigen Stiftungen, ZStV 2010, 171; Schwake, Zum Mindestkapital bei rechtsfähigen Stiftungen des bürgerlichen Rechts, NZG 2008, 248; Seidemann, Aktienanleihen im Kontext der Vermögensverwaltung gemeinnütziger Stiftungen, ZStV 2010, 53; Seifart/v. Campenhausen, Stiftungsrechts-Handbuch, 3. Aufl 2009; Seyfarth, Die Geltungsberechtigung der staatlichen Stiftungsaufsicht über privatnützige Stiftungen und Stiftungen mit internen Kontrollmechanismen, ZSt 2008, 145; Sieger/Bank, Erhalt von Einflussmöglichkeiten des Stifters auf die Geschäftsfähigkeit einer zivilrechtlichen Stiftung, NZG 2010, 641; Speckbrock, Das Gesetz zur Reform des Erb- und Verjährungsrechts und Auswirkungen auf Zuwendungen an gemeinnützige Stiftungen, ZSt 2009, 157; Spilker, Nicht eingetragene Vereine und unselbständige Stiftungen als juristische Personen im Sinne des UStG, ZStV 2010, 127; Staudinger/Hüttemann/Rawert, BGB-Stiftungsrecht (2011) §§ 80–89; Strickrodt, Stiftungsrecht. Geltende Vorschriften und rechtspolitische Vorschläge, 1962; Trunk, Stiften in Russland? – Eine Skizze zum russischen Stiftungsrecht, FS Reuter 2010, 383; Unger, Neue Haftungsbegrenzungen für ehrenamtlich tätige Vereins- und Stiftungsvorstände, NJW 2009, 3269; Volkholz, Die Vermögensausstattung und der Schutz des Vermögens von rechtsfähigen Stiftungen und Stiftungs-GmbH, FS Kreutz 2009, 119; Wachter, Stiftungen – Zivil- und Steuerrecht in der Praxis, 2. Aufl 2011; Waiblinger, Haben die rechtlichenVorgaben bei gemeinnützigen Stiftungen eine Auswirkung auf den Risikograd des angelegten Vermögens?, ZSt 2008, 151; Weitlich/Dittmer, Noch weitgehend unbekannt: Die Kombination von Stiftung und Behindertentestament, ZStV 2010, 68; Wenhardt, Die Familienstiftung als beliebtes Gestaltungsmittel nutzen, GStB 2010, 211; A. Werner, Die Struktur der unselbständigen Stiftung – Grundlegendes, ZSt 2008, 51; A. Werner, Die Errichtung einer selbständigen Stiftung bürgerlichen Rechts in der notariellen Beratungspraxis, NotBZ 2009, 469; O. Werner, Das Thüringer Stiftungsgesetz vom 16.12.2008, ZSt 2009, 3; O. Werner, Der Verein als Stifter, FS Reuter 2010, 431; O. Werner, Die Struktur der unselbständigen Stiftung – Einzelprobleme, ZSt 2008, 58; O. Werner, Die Umwandlung einer eigennützigen in eine fremdnützige Stiftung, ZSt 2009, 163; O. Werner, Outsourcing – Chancen, Risiken und Grenzen, ZStV 2010, 210; O. Werner, Stiftung und Stifterwille, in v. Campenhausen/Kronke/Werner (Hrsg), Stiftungen in Deutschland und Europa 1998, 243; O. Werner, Zugang von Mitteilungen bei Stiftungen und Vereinen, ZStV 2010, 18; O. Werner/I. Saenger (Hrsg), Die Stiftung – Recht, Steuern, Wirtschaft, 2008; R. Werner, Zur internationalen Mobilität der Stiftung, ZSt 2008, 17; R. Werner, Die Haftung des Stiftungsvorstands, ZEV 2009, 366; Winheller, Nonprofit-Organisationen in Deutschland und in den USA, ZStV 2010, 41; Zehentmeier, Die Errichtung einer gemeinnützigen Stiftung, NWB 2009, 3583.

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I. Allgemeines. Mit den Gesetzen zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen v 17.7.2000 1 (BGBl I 1034) und dem am 1.9.2002 in Kraft getretenen Gesetz zur Modernisierung des Stiftungsrechts v 15.7.2002 (BGBl I 2634) hat die Reform des Stiftungsrechts einen vorläufigen Abschluss gefunden (zur Entwicklung des modernen Stiftungsrechts vgl Staud/Hüttemann/Rawert (2011) Vor §§ 80ff Rn 48ff; Andrick NJW 2002, 2905; ders ZSt 2003, 3; Lex ZSt 2003, 20; Burgard NZG 2002, 697ff; Wienands NJ 2001, 128; Herfurth/Dehesselles INF 2000, 553; Hüttemann DB 2000, 1584; ders ZHR 2003, 35). Ziel der Reform war zum einen eine Vereinfachung der Stiftungsgründung und damit eine Förderung des Stiftungsgedankens (BT-Drucks 14/8277, Begr Allg Teil I, S 5), zum anderen sollte mit dem Wechsel von der Genehmigung zur Anerkennung das Recht auf Stiftung dokumentiert werden (MüKo/Reuter Bd 1 §§ 80, 81 Rn 1). Damit verbunden war die Öffnung des Instituts Stiftung für jedweden Zweck, sowohl für gemeinnützige wie auch für eigennützige. 1. Zweck und Bedeutung der Stiftungen. Da die Stiftung ihre Zwecke aus dem Ertrag eines vorhan- 2 denen unantastbaren Vermögens erfüllt, ist neben der Dauerhaftigkeit garantiert, dass die jeweiligen Stifter dieses Vermögen zum Nutzen jetziger und späterer Generationen als Destinatäre zur Verfügung stellen. Im Gegensatz zu einem spätere Generationen verpflichtenden und belastenden Umlagesystem besteht bei den Stiftungen ein Kapitalertragssystem, das spätere Generationen nicht verpflichtet, sondern als Destinatäre begünstigt. Damit eignet sich die Stiftung als Instrument der Sozial-, Gesundheits- und Altenfürsorge (insb bei Familienstiftungen Rn 17) ebenso wie als Träger von Kultureinrichtungen oder Wissenschaftseinrichtungen (zB Stiftungsuniversitäten). Das Vermögenserhaltungsgebot verhindert ebenso wie das laut Stifterwillen mögliche Umschichtungsverbot bei einer Unternehmensträgerstiftung (dazu Rn 20), dass ein Stiftungsunternehmen veräußert oder wegfusioniert wird (O. Werner GmbHR 2003, 331). Damit dient auch späteren Generationen das Unternehmen als Betätigungs- und Einnahmequelle. Arbeitsplätze bleiben erhalten. Eine Ausschüttung der Gewinne an die Arbeitnehmer (als Destinatäre) stellt eine sichere Form gewünschter Arbeitnehmerbeteiligung dar, indem Zuwendungen der Gewinne an Anteilseigner ausgeschlossen sind. Die Stiftung kann damit ein Instrument für die Bewältigung gegenwärtiger und zukünftiger Probleme unserer Gesellschaft bieten, zumal sie durch die am Einzelfall orientierte Satzungsgestaltung der nötigen Flexibilität und Individualität den jeweiligen Bedürfnissen gerecht wird (dazu O. Werner in Beer/Hanusch/Seidel (Hrsg), Stiftungen als bürgerschaftliches Engagement 2000, 123ff). Die Stiftung bietet einer nat oder jur Pers die Möglichkeit, das gesamte oder Teile des Vermögens 3 auf Dauer zur Errichtung und Erfüllung eines von ihr bestimmten Zwecks derart zu verwenden, dass bei wertmäßiger Unantastbarkeit die Zweckerfüllung allein aus den Erträgen (Zinsen, Mieten usw) oder/und eingeworbenen Spenden erfolgt. Anerkennung des Stifterwillens und die Freiheit, Stiftungen zu errichten, sind Ausfluss der Privatautonomie einschl der Testierfreiheit bei Errichtung einer Stiftung von Todes wegen (dazu Steffek, Die Anforderungen an das Stiftungsgeschäft von Todes wegen, 1996). Damit garantiert die Verfassung mit Art 2, 14 GG dem Stifter den Freiraum, derartig über sein Vermögen zu Lebzeiten und/oder letztwillig zu verfügen. Das Recht auf Stiftungsgründung ist durch die Neufassung des § 80 betont. Zum verfassungsrechtlichen Bestandsschutz vgl SchmidtJortzig in: FS Reuter, 1339ff. Allein eine „Gemeinwohlgefährdung“ (dazu § 80 Rn 12) schränkt das Recht auf Anerkennung ein. Bei Gefährdung des Gemeinwohls ist auch bei einer bereits anerkannten Stiftung eine behördliche Aufhebung geboten (§ 87 I). Die §§ 80–88 regeln die rechtlich selbständige privatrechtliche Stiftung, die nicht an bestimmte 4 Zwecke gebunden ist. § 80 stellt klar, dass neben der idR gemeinnützigen (Förderung des Gemeinwohls in sozialer, wissenschaftlicher, kultureller, sportlicher, mildtätiger Hinsicht) auch die Unternehmensträger (unternehmensverbundene) und die (eigennützige) Familienstiftung zulässig ist (Pal/Ellenberger Rn 6; dazu Rn 8). Das Vereinsrecht der §§ 21–79 gestattet ebenfalls neben dem nicht wirtschaftlichen gemeinnützi- 5 gen Idealverein den wirtschaftlichen Verein, der lediglich hins der Entstehung nicht dem Normativ-, sondern dem Konzessionssystem unterliegt (dazu § 22 Rn 1). Die Sonderregelungen für Kapitalgesellschaften als wirtschaftliche Vereine erzwingen lediglich eine Beschränkung, sofern diese Kapitalgesellschaften nicht in Betracht kommen können (dazu § 22 Rn 1). Das Stiftungsrecht des BGB unterscheidet demgegenüber nicht zw wirtschaftlichen und nicht wirtschaftlichen Stiftungen, ebenso wenig bestehen Sondergesetze für wirtschaftliche Stiftungen, so dass ein Verweis auf die Vereinsregelungen nicht gegen die Zulässigkeit von unternehmensverbundenen Stiftungen herangezogen werden kann (im Erg ebenso Pal/Ellenberger Vor § 80 Rn 9). Die Stiftungsgesetze der Länder können mangels Gesetzgebungskompetenz keine weiteren Ein- 6 schränkungen vornehmen und haben sich auf das Anerkennungsverfahren und die Stiftungsaufsicht als Rechtsaufsicht zu beschränken (dazu Rn 29 und Andrick/Suerbaum Nachtr S 5; Schlüter/Stolte 3, 1; Achilles ZRP 2002, 23). Krit: Otte, Eine oktroyierte Stiftungssatzung – oder ist die Stiftungsaufsicht bei den Verwaltungsbehörden gut aufgehoben? FS O. Werner 2009, 75ff. 2. Rechtsnatur. Als jur Pers ist die selbständige Stiftung der §§ 80ff eine rechtsfähige Einrichtung, 7 die nicht verbandsmäßig organisiert mit den Erträgen aus dem gewidmeten Vermögen (Grundstockvermögen) die Verwirklichung des vom Stifter festgelegten Zwecks dauernd ermöglichen soll (Pal/Ellenberger Rn 5; Seifart/v. Campenhausen § 1 Rn 6; Staud/Hüttemann/Rawert Rn 4; Meyn/Richter/Koss Rn 38f). Der Stiftungsbegriff wird demnach mit drei Merkmalen gekennzeichnet: (1) Stiftungszweck, (2) Stiftungsorganisation, (3) Stiftungsvermögen. a) Der Stiftungszweck ist von der Motivation zur Errichtung der Stiftung zu unterscheiden (Motiv 8 ist zB die Nachfolgeregelung zur Sicherung eines Vermögens, eines Unternehmens usw). Der Zweck O. Werner

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wird vom Stifter privatautonom (willkürlich) festgelegt und bestimmt die Individualität der Stiftung. Er kann gemeinnützig und/oder privatnützig sein (Pal/Ellenberger § Vor 80 Rn 6). In ihm konkretisiert sich der Wille des Stifters (Seifart/v. Campenhausen § 1 Rn 9). Er ist auf Dauer angelegt (Staud/ Hüttemann/Rawert § 80 Rn 16ff; MüKo/Reuter Vor § 80 Rn 49; BT-Drucks 14/8765, 13). Damit ist weniger die zeitliche Dauer, vielmehr die Wirkung des Zwecks zu verstehen, so dass sich das Moment der Dauer aus der Beständigkeit der Zweckverfolgung ergibt. Die Errichtung einer Stiftung auf Zeit (Rn 23) ist somit uU möglich (Soergel/Neuhoff Rn 13; MüKo/Reuter Vor Rn 50; Staud/Hüttemann/ Rawert Vor §§ 80ff Rn 127, § 81 Rn 57; BT-Drucks 14/8765, 8). 9

b) Mangels verbandsmäßiger Struktur und wegen fehlender Mitglieder gewinnt die Stiftungsorganisation besondere Bedeutung. Die Stiftung wird auch als Verwaltungsorganisation angesehen (BGH 99, 344). Notwendiges Organ ist der Vorstand (§§ 86, 26), der den in der Satzung und mit dem Stiftungszweck zum Ausdruck kommenden Stifterwillen umzusetzen und einzuhalten hat. Der Vorstand vertritt die Stiftung nach außen und führt die Geschäfte. Ihm kann beratend und kontrollierend als fakultatives Organ ein Beirat (Kuratorium, Stiftungsrat) zur Seite gestellt werden. Die auch überfließende Kompetenzverteilung bestimmt der Stifter in der Satzung (dazu U. Kilian, Zum Verhältnis zw Vorstand und fakultativem Stiftungsorgan, Stiftung & Sponsoring Heft 5/2002). Die Nutznießer der Stiftungserträge sind die idR ohne Mitwirkungsrechte ausgestatteten Destinatäre. Ihnen können aber in der Satzung Rechte auf Mitbestimmung, Kontrolle, Organbestellung eingeräumt werden (dazu Soergel/Neuhoff Rn 18; zur Rechtsstellung der Destinatäre vgl § 85 Rn 7).

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c) Unabdingbares konstitutives Merkmal der Stiftung ist schließlich das Stiftungsvermögen, das auf Dauer dem Stiftungszweck gewidmet sein muss (Hamburg NJW-RR 1986, 1305; Soergel/Neuhoff § 80 Rn 8, 9; MüKo/Reuter Vor § 80 Rn 55). Es muss vom Umfang her ausreichend und angemessen sein, um hinreichende Erträge zur Verwirklichung des Stiftungszwecks hervorzubringen (Seifart/v. Campenhausen § 1 Rn 12). Allerdings sind auch laufende oder einmalige Zuzahlungen (Spenden) möglich (Seifart/v. Campenhausen § 1 Rn 12). Bei Wegfall des Vermögens wird die Anerkennung nach landesrechtlichen Vorschriften zurückgenommen (Seifart/v. Campenhausen/Hof § 11 Rn 60). Trotz der „Unantastbarkeit“ des Grundstockvermögens ist Letzteres bei der Prüfung der Prozesskostenhilfe einzubeziehen (D. Kilian, Die Stiftung als Ausnahme von der Regel im PKH-Verfahren, Festgabe für O. Werner 2004, 85ff).

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3. Die Abgrenzung zu anderen Instituten ist wegen Ineinandergreifens privat- und öffentlichrechtlicher Regelungen und der durch Landesrecht und Anerkennungspraxis teilw eingeschränkten Verwendungszwecke der rechtlich selbständigen Stiftung schwierig. Der Name „Stiftung“ für Institutionen ist nicht auf die jur Pers iSd §§ 80–88 beschränkt. Er ist nicht für diese Stiftungsform ieS geschützt. Insb aus „Imagegründen“ bezeichnen sich Vereine, auch Idealvereine und Kapitalvereine, als Stiftungen (zB Robert-Bosch-Stiftung GmbH, Kinderhilfestiftung e.V.). Trotz entspr Anregungen (so Saenger, FS O. Werner 2009, 165ff) hat der Bundesgesetzgeber bei der Novellierung nicht die gewünschte Klarheit geschaffen. Die Verwendung des Wortes „Stiftung“ in einer Firma ist allerdings unzulässig, wenn der Charakter des unter der Firma betriebenen Unternehmens nicht dem einer Stiftung entspricht (Stuttgart NJW 1964, 1231; vgl auch § 57 Rn 2). Wird eine Einrichtung in der Rechtsform der GmbH oder des eV als Stiftung bezeichnet (zB Robert-Koch-Stiftung), ist dies unzulässig, wenn es dadurch zu einer Täuschung des Rechtsverkehrs im Hinblick auf die Rechtsform kommen kann (BayOLG NJW 1973, 249).

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a) Durch die eigene Rechtsfähigkeit unterscheidet sich die Stiftung von der unselbständigen oder fiduziarischen Stiftung (zu den Konsequenzen der fehlenden Rechtsfähigkeit Seifart/v. Campenhausen/Hof § 36 Rn 9). Als unselbständige Stiftung definiert man die Zuwendung von Vermögenswerten an eine juristische oder nat Pers mit der Vorgabe, die zugewendeten Vermögenswerte dauerhaft zur Verwirklichung des vom Stifter bestimmten Zwecks zu verwenden (sog echte unselbständige Stiftung). Unter die Bezeichnung der unselbständigen Stiftung werden auch Zuwendungen gerechnet, mit denen nicht ein bestimmter Zweck auf Dauer verfolgt wird, sondern die in bestimmten Zeitabschnitten idR rasch verbraucht werden (sog unechte unselbständige Stiftung). Struktur der unselbständigen Stiftung A. Werner/O. Werner, ZSt 2008, 51ff; zur Behandlung der unselbständigen Stiftung in Sachsen-Anhalt Kleinwächter, ZSt 2008, 91; in Hessen Risch, ZSt 2008, 104). Wie bei den selbständigen Stiftungen können auch die nicht selbständigen Stiftungen als solche des Privatrechts und des öffentlichen Rechts begründet werden (zu den unselbständigen Stiftungen des öffentlichen Rechts: O. Werner, Festschrift Frotscher, 2007, 461). Für die Gründung dieser Stiftungen ist ein Treuhandvertrag zw dem Stifter und dem Treugeber erforderlich. Der Treuhandvertrag, der eindeutig den Willen des Stifters erkennen lassen muss, verweist auf die Satzung und macht diese damit zu einem Bestandteil des Treuhandvertrags. Die unselbständige Stiftung ist letztlich keine Stiftung, sondern lediglich Treuhand (zur unselbständigen Stiftung Seifart/v. Campenhausen, Hdb Stiftungsrecht § 2 Rn 4; Liermann, Deutsches Stiftungswesen 1948–1966, 229; Staud/Hüttemann/ Rawert Vor §§ 80ff Rn 231ff; O. Werner, Die unselbständige Stiftung, „Rote Seiten“ Beilage zum Magazin Stiftung & Sponsoring 4/99, 1ff; Westebbe, Die Stiftungstreuhand, Eine Untersuchung des Privatrechts der unselbständigen gemeinnützigen Stiftung, 1993; Wochner, Die unselbständige Stiftung ZEV 1999, 125; Herzog, Die unselbständige Stiftung des bürgerlichen Rechts, 2006; zur unbewussten Gründung einer unselbständigen Stiftung Plodeck ZSt 2007, 38). Ohne Vermögen oder zumindest eine gesicherte Anwartschaft hierauf besteht die unselbständige Stiftung nicht (BayObLG 72, 343), und das Stiftungsvermögen muss treuhänderisch iSd Stiftungszwecks gehalten werden (Hamburg NJW-RR 1986, 1305; einengend MüKo/Reuter Vor 80 Rn 88), wobei Treuhänder eine nat, meist jedoch eine jur Pers ist. Mit der Übertragung des Vermögens auf den Treuhänder entsteht kein neues 182

O. Werner

Juristische Personen

Vor § 80

Rechtssubjekt. Träger ist der Treuhänder. Dies muss eine andere Person als der Stifter sein (Ebersbach Rn 173; Seifart/v. Campenhausen/Hof § 36 Rn 61; Staud/Hüttemann/Rawert Vor §§ 80ff Rn 234 [Eigenstiftung], denn der „Stifter“ kann nicht mit sich selbst als „Treuhänder“ einen Vertrag schließen; aA Koos, 357). Auf die unselbständige Stiftung sind §§ 80ff nicht anwendbar (RG 88, 335, 339), vielmehr gilt Schuld- bzw Erbrecht (RG 105, 305, 308) unter Beachtung der Besonderheiten der Stiftung (im Einz Seifart/v. Campenhausen/Hof § 36 Rn 11; Staud/Hüttemann/Rawert Rn 235, 130), wobei die treuhänderische Übertragung des Vermögens als Grundform neben der Schenkung (evtl unter Auflage) und dem Auftrag steht. Bei treuhänderischer Übertragung ist weitgehende Bindung des Empfängers möglich. Bei Unmöglichkeit der Zweckverfolgung oder der Gemeinwohlgefährdung empfiehlt sich vorsichtige Analogie zu § 87 (Pal/Ellenberger Vor § 80 Rn 10; weitergehend Soergel/ Neuhoff Rn 30 mit Einschränkung hins der Befugnis zur Zweckänderung), wobei der Stifter oder dessen Rechtsnachfolger, wenn möglich, vor Umwandlung der Stiftung zu befragen sind. Allein die Bezeichnung als Stiftung genügt nicht zur Annahme eines echten Stiftungsgeschäfts. Entscheidend ist vielmehr die Auslegung des Gründungsaktes (Treuhandvertrag). Treuhänder kann eine jur Pers des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts ebenso sein wie eine nat Pers (Seifart/v. Campenhausen/ Hof § 36 Rn 63). Die unselbständige Stiftung ist mangels Stiftungseigenschaft nicht der Anerkennung durch die staatliche Anerkennungsbehörde unterworfen. b) Das Sammelvermögen (vgl § 1914) hat ebenso wie die unselbständige Stiftung keine eigene 13 Rechtspersönlichkeit (Pal/Ellenberger Vor § 80 Rn 11). Es unterscheidet sich von ihr durch das Fehlen eines dauerhaften Zwecks (Staud/Hüttemann/Rawert Rn 298; Soergel/Neuhoff Rn 34). Sammelvermögen entsteht durch Beiträge der Spender zu einem vom Veranstalter der Sammlung gegebenen Zweck. Die rechtliche Einordnung des Sammelvermögens ist umstr (allg dazu A. Werner, Die Zustiftung – Eine rechtsdogmatische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung aufsichtsrechtlicher Genehmigungsvorbehalte und Anzeigepflichten, 101ff). In manchen Fällen wird eine GbR anzunehmen sein, wobei die Anwendung der Vorschriften der §§ 705ff den spezifischen Gegebenheiten des Sammelvermögens Rechnung zu tragen hat. Geschäftsführender Gesellschafter ist der Veranstalter der Sammlung. Gesellschafter sind die Sammler. Diese Einordnung ist jedoch abhängig von einer Gemeinsamkeit hins des Zwecks der Sammlung (zB keine GbR zw Rotem Kreuz und Sammler). Differenziert je nach Zweck der Veranstaltung und nach dem Veranstalter selbst sind auch die Eigentumsverhältnisse an dem Sammelvermögen zu betrachten. IdR wird es fiduziarisches Eigentum des Veranstalters oder der Gesellschaft der Sammler (dazu Staud/Hüttemann/Rawert Rn 299); möglich ist aber auch, dass das Eigentum bei den Spendern verbleibt, bis es zweckgerecht verwendet wird (RG 62, 386, 391; Pal/Ellenberger Vor § 80 Rn 11). 4. Arten der Stiftungen. a) Die Unterscheidung zw privatrechtlicher und öffentlich-rechtl Stiftung 14 ist oft schwierig (Flume, Die jur Pers, § 4 V 1), denn beide erfordern neben dem Stiftungskapital eine Zweckerfüllung aus den Erträgen, so dass über die Zuordnung lediglich die Art der Entstehung entscheidet. Die Stiftung des Privatrechts entsteht neben der Anerkennung durch privatrechtliche Willenserklärung des Stifters (dies kann auch die öffentliche Hand sein; dazu M. Kilian, Stiftungserrichtung durch die öffentliche Hand in E. Belazza/M. Kilian/K. Vogel [Hrsg] Staat als Stifter 2003, 11–134; M. Kilian ZSt 2003, 179; Fiedler ZSt 2003, 191), die des öffentlichen Rechts durch Gesetz oder Verwaltungsakt. In der historischen Entwicklung ist dies jedoch nicht immer sauber durchgeführt worden. Die Eingliederung privatrechtlicher Stiftungen in die öffentliche Ordnung und die Übernahme öffentlicher Aufgaben ist daher ebenso wenig wie die Zuordnung des Stifters (Privatperson/öffentliche Hand) ein brauchbares Abgrenzungskriterium. Lediglich aus den Gesamtumständen lässt sich eine Zuordnung folgern (BVerfG 15, 46; BGH WM 1975, 198; BFH BB 2003, 993; OVG Münster DÖV 1985, 983; Seifart/v. Campenhausen § 2 Rn 3; Staud/Hüttemann/Rawert Vor §§ 80ff Rn 301; Pal/Ellenberger Vor § 80 Rn 9, O. Werner, FS Frotscher, 2007, 463ff). Ist eine ältere Stiftung schon immer als Stiftung des öffentlichen Rechts behandelt worden, bleibt 15 diese Einordnung ohne Rücksicht auf den Entstehungsvorgang erhalten (Pal/Ellenberger Vor § 80 Rn 5; BVerfG 15, 66). In neuerer Zeit errichtete Stiftungen sind als öffentlich-rechtl einzuordnen, wenn ein öffentlich-rechtl Verwaltungsträger gewidmetes (Stiftungs-)Vermögen einbringt und der Stiftungszweck dem Zuständigkeitsbereich der stiftenden Behörde unterfällt (BFH BB 2003, 993; OVG Münster DÖV 1984, 947; Seifart/v. Campenhausen § 15 Rn 1; Pal/Ellenberger Vor § 80 Rn 9). b) Die sog öffentliche Stiftung dagegen ist eine Stiftung des Privatrechts und im Gegensatz zur pri- 16 vatnützigen eine gemeinnützige, die dem kulturellen, sozialen, wissenschaftlichen, sportlichen (A. Werner, Stiftungen im Sportgedanken – Einsatzmöglichkeiten und Probleme in Klaus Vieweg [Hrsg] Spektrum des Sportrechts 2003, 354) oder wirtschaftlichen Wohl der Allgemeinheit dient (zB Art 1 BayStiftG; Seifart/v. Campenhausen § 2 Rn 3; Soergel/Neuhoff Rn 54; dazu Totenhöfer-Just, Öffentliche Stiftungen 1973, 28ff; MüKo/Reuter Vor § 80 Rn 56). Sie ist als Eigenstiftung (vgl Rn 28) möglich. c) Familienstiftungen Schrifttum: Bruckner/Ch. Fries/R. Fries, Die Familienstiftung im Zivil-, Steuer- und Handelsrecht 1994; Förster, Stiftung und Nachlass, 2002; Hügel, Der gestiftete Verein, FS O. Werner 2009, 179ff; v. Löwe, Familienstiftung und Nachfolgegestaltung, 1999; Sorg, Die Familienstiftung – Wesen, Probleme, Gestaltungsvorschläge für die Praxis, 1984.

Die Familienstiftung ist als besondere Erscheinungsform eine Stiftung des Privatrechts, bei der 17 Nutznießer (nicht unbedingt materieller Art) die Mitglieder einer oder mehrerer Familien sind. Sie dient also als Stiftungszweck dem Interesse einer oder mehrerer Familienmitglieder (v. Löwe aaO, 17). Diese sind Destinatäre (idR Abkömmlinge). Zum Begriff der Familienstiftung iSd ErbschaftsO. Werner

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Vor § 80

Allgemeiner Teil

Personen

steuerrechts: FG Berlin-Brandenburg ZSt 2008, 82. Zur historisch bedingten Fideikommißauflösungsstiftung vgl 10. Aufl Rn 6. Die Definitionen sind in den einzelnen Landesstiftungsgesetzen im Erbschafts- und Außensteuergesetz (vgl v. Löwe aaO, 17) nicht einheitlich. Entscheidend ist aber – da die Stiftung im BGB geregelt ist – eine nach diesen Vorschriften errichtete Stiftung im überwiegenden oder ausschließlichen Familieninteresse, etwa zum Erhalt eines Unternehmens als Erwerbsquelle für die Abkömmlinge, Unterstützung im Notfall, im Studium oder lediglich wegen Zugehörigkeit zur Familie selbst. Hier sind dem Stifter hins der Destinatäre und der Art der Begünstigung aufgrund der Privatautonomie keine zusätzlichen Grenzen gesetzt (zur Zulässigkeit vgl Rn 4 und 10. Aufl Rn 6). Wegen der Privatnützigkeit sind in einigen Bundesländern die Familienstiftungen weder (oder nur eingeschränkt) anerkennungs- noch aufsichtsbedürftig (zur Fideikommissauflösungsstiftung Pal/Ellenberger § 80 Rn 8). d) Kommunale Stiftungen Schrifttum: Denecke, Die rechtliche Bedeutung der kommunalen Stiftung – Eine Analyse am Beispiel der Entwicklung des Stiftungswesens in Ostdeutschland, Festgabe für O. Werner 2004, 97; Schmalstieg, Die Kommunen und ihre Stiftungen, in Stiftungen aus Vergangenheit und Gegenwart, Lebensbilder deutscher Stiftungen, 5. Bd 1986; Scholler/ Wagner, Grundzüge des Kommunalrechts in der Bundesrepublik Deutschland 4. Aufl 1990.

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Stiftungen, deren Zwecke im Aufgabenbereich einer kommunalen Körperschaft liegen und die von dieser verwaltet werden, unterliegen nicht den privatrechtlichen Vorschriften der §§ 80–88. Auch für diese Stiftungen gilt der Anerkennungsanspruch aus § 80 I (VG Münster ZStV 2010, 149). Sofern Kommunen Zuwendungen an solche privatrechtlichen Stiftungen tätigen, bedarf es nach den Kommunalordnungen der Länder einer Genehmigung der Kommunalaufsicht. e) Kirchliche Stiftungen Schrifttum: W. Busch, Die Vermögensverwaltung und das Stiftungsrecht im Bereich der katholischen Kirche, in Handbuch StKirchR Bd I, 2. Aufl 1994; v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Aufl 1996; Joussen, Vertragsänderungen und die Beteiligung der Mitarbeitervertretung in Stiftungen unter Geltung eines kirchlichen Arbeitsrechts, FS O. Werner 2009, 346; Mummenhoff, Zustiftungen zu katholischen Sammelstiftungen, FS O. Werner 2009, 333; Schiffer, Die kirchliche Stiftung des Privatrechts unter besonderer Beachtung des neuen StiftG NRW, ZSt 2005, 199; SiegmundSchultze, Zur konfessionell beschränkten Stiftung im heutigen Recht, DöV 1994, 1017ff.

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Ist der Zweck einer Stiftung kirchlich oder religiös ausgerichtet, kann der Stifter diese als eine dem staatlichen Privatrecht der §§ 80ff unterfallend errichten oder aber als „kirchliche“ dem kirchlichen Sonderrecht unterfallend. Grundlagen sind Art 140 GG iVm Art 137 III, 138 II WRV. Sie können privat- oder öffentlich-rechtl organisiert sein und sind in den Ordnungsbereich einer Kirche und in deren Organisation eingegliedert. Die neuen Landesstiftungsgesetze bestimmen die allg Kriterien der kirchlichen Stiftungen (zB § 3 VI ThürStiftG, § 14 SächsStiftG; dazu auch Seifart/v. Campenhausen § 23 Rn 1ff). Die rein kirchliche Stiftung unterliegt der Fach- und Rechtsaufsicht der nach Kirchenrecht zuständigen kirchlichen Behörden. Sie sind von der staatlichen Aufsicht ganz oder weitgehend zugunsten der kirchlichen Aufsicht befreit (Soergel/Neuhoff Rn 55; MüKo/Reuter §§ 80, 81 Rn 71), da den Kirchen weitgehend das Recht zusteht, ihre Angelegenheiten frei zu ordnen und zu verwalten (BVerfG NJW 1980, 1895). Die nicht den Kirchen, sondern dem staatlichen Privatrecht unterliegenden Stiftungen mit ausschließlich oder überwiegend kirchlichen Aufgaben unterliegen lediglich der Rechtsaufsicht (vgl Rn 29). Sie sind allerdings organisatorisch mit einer Religionsgemeinschaft mehr oder weniger eng verbunden (BVerfG 46, 73, 83f; BVerfG BayVerwBl 1985, 332, 335; Seifart/v. Campenhausen § 23 Rn 1; Staud/Hüttemann/Rawert Vor §§ 80ff Rn 204). f) Unternehmensverbundene Stiftungen Schrifttum: Bork, Unternehmerische Betätigung gemeinnütziger Stiftungen, oec Diss Jena 2002; Bork, Ausschüttungsbemessung des Stiftungsunternehmens, ZSt 2003, 14; Fasselt, Nachfolge in Familienunternehmen, 1992; Fritsche/U. Kilian, Nachfolge in Familienunternehmen durch Unternehmensträgerstiftungen – Möglichkeiten der Satzungsgestaltung, Stiftung & Sponsoring, Rote Seiten 3/2008; Hoppe, Die abhängige Stiftung, 2004; Ihrig/Wandt, Die Stiftung im Konzernverbund, FS Hüffer, 387; Saenger/Arndt, Reform des Stiftungsrechts: Auswirkungen auf unternehmensverbundene privatnützige Stiftungen, ZRP 2000, 13; O. Schmidt, Die Errichtung von Unternehmensträgerstiftungen durch Verfügung von Todes wegen und Testamentsvollstreckung, ZEV 2000, 438; O. Werner, Perpetuierung einer GmbH durch Stiftungsträgerschaft, 2003.

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Bei aller Unterschiedlichkeit der Bezeichnungen wird die unternehmensverbundene Stiftung als Oberbegriff für eine rechtsfähige Stiftung des Privatrechts gesehen, die selbst als Unternehmensträgerstiftung das Unternehmen unmittelbar betreibt. Unternehmen und Stiftung bilden eine rechtliche Einheit (Hennerkes/Binz/Sorg, DB 1986, 2217, 2220). Als jur Pers ist die Stiftung die Rechtsform des Unternehmens und damit Zuordnungssubjekt für alle Rechte und Pflichten (Bsp: die vormalige Carl-Zeiß-Stiftung). Die Beteiligungsträgerstiftung andererseits ist an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft beteiligt, GbR, Stille Gesellschaft OHG, bei KG als Kompelementär oder Kommanditist (Fasselt aaO, 21; Kronke S 187; Staud/Rawert Rn 84; Hennerkes/Schiffer BB 1992, 1941; MüKo/Reuter §§ 80, 81 Rn 74). Diese Stiftungsform ist oft als Familienstiftung (sog Doppelstiftung) gestaltet und dient der Perpetuierung eines Unternehmens ebenso wie dem Erhalt für spätere Generationen (O. Werner, Perpetuierung einer GmbH durch Stiftungsträgerschaft, 2003). Ist die unternehmerische Tätigkeit lediglich überwiegend Mittel zur Erfüllung und Sicherung des satzungsgemäßen Zwecks, werden die Gewinne also dem eigen- oder fremdnützigen Zweck zugeführt, steht der Anerkennung nichts entgegen. Hierfür sprechen die Ausdehnung des Nebenzweckprivilegs und die Parallele zur ausgegliederten unternehmerischen Aktivität von Idealvereinen (§ 21 Rn 3) und zur GmbH & Co KG 184

O. Werner

Juristische Personen

Vor § 80

(Kronke aaO, 62ff, 195ff; Soergel/Neuhoff Vor § 80 Rn 69; K Schmidt DB 1987, 261; MüKo/Reuter Rn 46; aA Reuter DZWIR 1991, 192, 198). Stiftungen, deren Zweck allein auf den Betrieb eines Unternehmens gerichtet ist, sind als Selbstzweckstiftung (vgl Rn 25) nicht anerkennungsfähig (Soergel/Neuhoff Rn 70; Staud/Hüttemann/Rawert Rn 9, 150f; Schlüter/Stolte 5, 5; Otto S 394; krit und differenzierend Seifart/v. Campenhausen/Pöllath/Richter § 12 Rn 142ff)). Erg zur bereits unter Rn 4 anerkannten Zulässigkeit aufgrund der Stiftungsreformgesetze ist für die unternehmensverbundene Stiftung auch auf die Stifterfreiheit hinzuweisen, die sich auf den Stiftungszweck ebenso erstreckt. Die Anerkennungsbehörden dürfen der in der Reform und der Privatautonomie zum Ausdruck gekommenen generellen Zulässigkeit nicht aus ideologischen Gründen entgegenhandeln. Mangels entspr Gesetzgebungskompetenz können auch die Landesstiftungsgesetze den Stifterwillen nicht einschränken (dazu Machreich, Die Verfassungsmäßigkeit der Landesstiftungsgesetze, Diss Jena 2003). Für die unternehmensverbundenen Stiftungen gelten daher allenfalls iVm einer Familienstiftung die für letztere bestehenden Besonderheiten der Anerkennungs- und Aufsichtsbedürftigkeit. Führt sie freiwillig eine Mitbestimmungsregelung ein, so muss sie auch bei den nur intern wirkenden Regelungen über den „Unternehmensrat“ die Möglichkeit für eine aktive Teilnahme der Arbeitnehmer schaffen (hier Ermöglichen der Wahlwerbung für Arbeitnehmervertreter, BGH 84, 352; zur Möglichkeit, eine Stiftung als „Unternehmen“ iSd § 15 AktG anzusehen, Schwintowski NJW 1991, 2736f; Kohl NJW 1992, 1922; Berndt, Stiftung und Unternehmen – Rechtsvorschriften, Besteuerung, Zweckmäßigkeit, 1681ff). g) Stiftung & Co Schrifttum: Binz, Die GmbH & Co KG, 8. Aufl 1992; Delp, Die Stiftung & Co KG: Eine Unternehmensform der rechtsgestaltenden Beratungspraxis 1991; Nietzer/Stadie, Die Familienstiftung & Co KG – eine Alternative für die Nachfolgeregelung bei Familienunternehmen, NJW 2000, 3457; Saenger, Stiftungskörperschaften – Anspruch und Wirklichkeit, FS O. Werner, 165; Schiffer DB 2000, 437; Schiffer/Schubert BB 2002, 265; K. Schmidt ZHR 166, 145; Schwarz BB 2001, 2390.

Eine gewisse Schwerfälligkeit der Stiftungsorganisation, bewirkt durch die Bindung an Stifterwil- 21 len und Stiftungszweck, macht die Stiftung weitgehend ungeeignet zum direkten Betrieb eines Unternehmens (Hennerkes/Binz/Sorg DB 1986, 2217, 2220; Seifart/Pöllath § 13 Rn 87). Hingegen wird die Stiftung und Co KG nicht selten als Mittel der Unternehmensführung vorgeschlagen (Hennerkes/ Binz/Sorg aaO, 2269ff; Weimar/Geitzhaus/Delp BB 1986, 1999; Weimar/Delp BB 1987, 1707). Man verspricht sich davon Steuerersparnis, eine Sicherung der Aufrechterhaltung einer als erhaltungswürdig angesehenen Unternehmensstruktur und bisweilen auch die Vermeidung unerwünschter unternehmensrechtlicher Pflichten wie die Publizität und Mitbestimmung (Hennerkes/Binz/Sorg aaO, 2271ff). Nachteile liegen im höheren Gestaltungsaufwand und in der verhältnismäßig hohen Vermögensausstattung. Auch ist darauf zu achten, dass nicht um der aufsichtsrechtlichen Kontrolle willen die Stiftung zum Verzicht auf unternehmerischen Einfluss gezwungen wird und dadurch Nachteile bei der Anerkennung ihrer Gemeinnützigkeit erleidet (Krone ZRGR 1996, 18, 22f). Rechtspolitisch spricht gegen diesen Typus der Stiftung und der Grundtypenvermischung die privatnützige Verselbständigung der Komplementärstellung, die keine Garantiefunktion für die Gläubiger mehr übernehmen soll (dazu K. Schmidt DB 1987, 261; Soergel/Neuhoff Rn 70). Diese Bedenken scheinen die Anerkennungsbehörden zu teilen, wenn sie die Einsetzung der Stiftung als rechtsmissbräuchlich ansehen (auf diese Praxis weisen Hennerkes/Binz/Sorg aaO, 269 hin). Andererseits ist nicht zu verkennen, dass die strenge Zweckbindung des Vermögens in der Stiftung zu ihrer Eignung für unbeschränkte „persönliche“ Haftung im Rahmen unternehmerischer Betätigung durchaus beitragen kann (für Zulässigkeit jetzt auch Staud/Hüttemann/Rawert Vor §§ 80ff Rn 148). h) Entgegen der derzeit noch herrschenden Auffassung (ua Schleswig-Holsteinisches FG ZStV 22 2010, 23 m Anm A. Werner; Kronke, Stiftungstypus und Unternehmensträgerstiftung, 48; Staud/Hüttemann/Rawert § 80 Rn 38ff) ist die Existenz einer Vorstiftung zu bejahen. Mit der Errichtung des Stiftungsgeschäfts und aufgrund eines einseitigen Widmungsaktes des Stifters entsteht eine unselbständige Vorstiftung. Diese ist ein Sondervermögen, dessen Träger der Stifter ist. Entsteht die rechtsfähige Stiftung mit Erteilung der Anerkennung, gehen die vom Stifter als Vertretungsorgan der werdenden Stiftung begründeten Rechte und Verbindlichkeiten auf die rechtsfähige Stiftung über, ohne dass es einer Übertragung bedarf. Mit der Übertragung des Sondervermögens, das im Stiftungsgeschäft zugesichert wurde, erlischt die unselbständige Vorstiftung wegen Zweckerfüllung und Wegfalls des Sondervermögens (dazu Hunnius, Die Vorstiftung, Diss Jena 2000; O. Schmidt ZEV 1998, 81; Andrick/Suerbaum Nachtr, 7). i) Stiftung auf Zeit. Grds ist die Stiftung auf Dauer angelegt, dh sie muss über einen bestimmten 23 Zeitraum ihren Zweck aus den Kapitalerträgen erfüllen. Da diese Dauer jedoch nicht Ewigkeit bedeutet, kann der Stifter am Stiftungszweck orientiert, die Lebensdauer seiner jur Pers zeitlich begrenzen. Entscheidend ist aber, dass nach Ablauf dieser Zeit die Zuordnung des verbleibenden Vermögens geregelt ist und ansonsten alle Voraussetzungen für eine Stiftung gegeben sind (Hennerkes/ Schiffer aaO, 35). j) Verbrauchsstiftung Schrifttum: Carstensen, Vermögensverwaltung, Handbuch Stiftungen 1998, 570; Carstensen, Vermögensverwaltung, Vermögenserhaltung und Rechnungslegung gemeinnütziger Stiftungen, 1994, 42ff; Pauli, Die Verbrauchsstiftung, ZSt 2008, 97; Muscheler, Die Verbrauchsstiftung, FS O. Werner 2009, 129.

O. Werner

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Vor § 80 24

Allgemeiner Teil

Personen

Da das Stiftungsvermögen Grundlage für den Bestand und das Tätigwerden der Stiftung ist, besteht der Grundsatz der Vermögenserhaltungspflicht. Hiervon sind jedoch mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde Ausnahmen zulässig (Staud/Hüttemann/Rawert halten sie dagegen für „im Grundsatz zulässig“, Vor §§ 80ff Rn 127; § 81 Rn 57). Sie kommen mE jedoch nur in Betracht, wenn sie die Lebensfähigkeit der Stiftung nicht beeinträchtigen. Ebenso kann der Stifterwille bestimmen, dass ein Teil des Vermögens für den Stiftungszweck zu verwenden ist. Die reine Verbrauchsstiftung, die also von vornherein nicht darauf angelegt ist, den Stiftungszweck aus den Erträgen des Stiftungskapitals, sondern aus Letzterem selbst zu erfüllen, entspricht damit nicht den Voraussetzungen für eine dauerhafte privatrechtliche Stiftung und ist daher nicht anerkennungsfähig (Andrick/Suerbaum § 7 Rn 18). Dafür stehen letztlich andere Formen des Vertragsrechts (zB Schenkung) zur Verfügung (so auch Muscheler aaO). k) Selbstzweckstiftung Schrifttum: vgl Seifart/v. Campenhausen/Hof, § 8 Rn 54ff; Andrick, Die Entwicklung zum modernisierten Stiftungsrecht, ZSt 2003, 3ff; Nissel, Das neue Stiftungsrecht 2002 Rn 179 unter Bezugnahme auf die landesrechtlichen Regelungen wie etwa § 4 II lit b NRWStiftG.

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Im Rahmen seiner grundrechtlich geschützten Stifterfreiheit kann der Stifter den von ihm verfolgten Zweck beliebig festsetzen. Davon wird die „Selbstzweckstiftung“ ganz allg ausgenommen, da diese lediglich den Erhalt und die Vermehrung des Stiftungsvermögens bezweckt. Hieran knüpft das Modernisierungsgesetz v 15.7.2002 (BGBl I 2634), s Rn 1, an. Nach § 80 I S 2 muss das Stiftungsgeschäft die verbindliche Erklärung des Stifters enthalten, ein Vermögen zur Erfüllung eines von ihm vorgegebenen Zwecks zu widmen. Ebenso zeigt die gesetzlich aufgezeigte Interdependenz von Vermögen und Zweck die Rangordnung dieser beiden Wesensmerkmale der Stiftung. Dem Vermögen kommt danach in Bezug auf den Zweck der Stiftung eine dienende Funktion zu. Der Zweck der Stiftung kann also nicht von dem ausschließlichen oder überwiegenden Interesse des Stifters bzw seiner Erben bestimmt sein, das Vermögen zu erhalten, es zu verwalten oder es zu vermehren. Auch die in § 80 II genannte Voraussetzung für die Anerkennung der Stiftung, nach der die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert erscheinen muss, basiert auf einer das Funktionsinteresse der Stiftung bestimmenden Zweck-Vermögens-Relation, für die das Neben- und Miteinander von Stiftungszweck und Stiftungsvermögen kennzeichnend, der Gesichtspunkt einer Deckungsgleichheit dagegen (system-)fremd ist. Dennoch ist festzuhalten, dass ein besonderes Gewicht auf die Privatautonomie in der deutschen Rechtsordnung gelegt werden muss, die die Zulässigkeit eigennütziger Stiftungen, die „auch“ dem Nutzen des Stifters dienen, nicht in jedem Fall ausschließt.

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l) Aktuell und in letzter Zeit auf zunehmendes Interesse gestoßen sind die Bürgerstiftungen, die keine besondere Rechtsform der Stiftung, sondern eine praktische Anwendungsform der rechtsfähigen Stiftung des Privatrechts darstellen. Daraus ergibt sich gleichzeitig, dass die allg Vorschriften für rechtsfähige Stiftungen des Privatrechts (§§ 80ff) Anwendung finden. Bürgerstiftungen mit ihrem lokal begrenzten, sozialen und kulturellen Wirkungsfeld als gemeinnützige Institutionen haben zum Ziel, Bürger und Unternehmen zu mehr Mitverantwortung für die Gestaltung ihres Gemeinwesens zu mobilisieren. Dafür dienen diese Stiftungen als Sammelbecken für Spenden und Zustiftungen (Wachter S 177ff; Bertelsmann Stiftung (Hrsg) Hdb Bürgerstiftungen, Ziele Gründung Aufbau Projekte 2000; Brömmling-Turner, Bürgerstiftungen – Ein zukunftsfähiges Modell für die Herausforderungen des nächsten Jahrtausends?, Deutsche Stiftungen 2/1999, 27–29; Kasper, Bürgerstiftungen 2006). Durch die Stifterversammlung erfolgt eine Verbindung mit körperschaftlichen Elementen, indem die Zustifter eines begrenzt vergangenen Zeitraumes und mit einem Mindestbetrag ein zusätzliches Stiftungsorgan bilden und sogar mit Kontroll- und Wahlaufgaben zwecks Besetzung des Vorstands. m) Zustiftung Schrifttum: A. Werner, Die Zustiftung – Eine rechtsdogmatische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung aufsichtsrechtlicher Genehmigungsvorbehalte und Anzeigepflichten 2003.

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Unter Zustiftungen versteht man Vermögenswerte, die der Stifter oder Dritte der Stiftung zuwenden, um den Grundstock zu erhöhen. Die Aufnahme einer Zustiftung macht ein zweiseitiges Rechtsgeschäft zw Zustifter und Stiftung erforderlich. Die Zustiftung hat den Rechtscharakter der Zweckschenkung, die weder stiftungsbegründenden noch fiduziarischen Charakter hat, sondern in einer Zuwendung an einen Dritten besteht, die diesen bereichern und gleichzeitig in der Verwendung binden soll. Die klassische Zustiftung erfolgt unentgeltlich, selbst wenn eine bestimmte Verwendung vereinbart worden ist. Abzugrenzen ist die Zustiftung von der Spende an die Stiftung, die nicht dem unantastbaren Grundstockvermögen, sondern dem sofort verbrauchbaren Verwaltungsvermögen zufließt. Ob Zustiftung oder Spende vorliegt, bestimmt der Zuwendende. Es empfiehlt sich, in der Satzung eine Regelung (etwa zugunsten des Grundstockvermögens) festzulegen, wenn der Zuwendende keine ausdr Bestimmung getroffen hat (ausf A. Werner aaO, 124ff). Der Versuch einiger Landesstiftungsgesetze (zB § 8 ThürStift) und Stiftungsbehörden, diese Entscheidungsfreiheit des Vorstands nur auf unbestimmte Zuwendungen von Todes wegen zu beschränken (eine solche Regelung ließ sich in keinem Landesstiftungsgesetz finden), widerspricht der Bundeskompetenz für derartige zivilrechtliche Regelungen, vgl Rn 29. Beide Zuwendungen, als Spende oder Zustiftung, sind Schenkungen iSd §§ 516ff BGB und unterfallen dem Pflichtteilergänzungsanspruch des § 2325 BGB (Lieder ZSt 2004, 74; BGH ZEV 2004, 115; Hess FG, ZErb 2009, 218; Matschke ZSt 2004, 263; aA Neuhoff ZSt

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O. Werner

Juristische Personen

Vor § 80

2004, 90; Dresden NJW 2002, 3181) und Zugewinnausgleich gem § 1375 II Nr 1 (zu beiden ausf: O. Werner ZSt 2005, 83; FS Dieter Schwab, 2005, 581 jeweils m.w.N.). n) Eigenstiftung ist eine kirchenhistorisch zu sehende Separierung eines Vermögens, das in der 28 Verfügungsgewalt des Stifters verbleibt, aber an die Verwendung zum Stiftungszweck gebunden ist (dazu Liermann S 65f, 70f). 5. Gesetzesgrundlagen. Die §§ 80–88 regeln allein die privatrechtliche selbständige Stiftung, wobei 29 § 86 erg auf bestimmte Vorschriften des Vereinsrechts verweist (dazu Nissel, Stiftungsrechtliche Gesetzgebung – Spiegelbild des Stiftungswesens, FS O. Werner 2009, 45). Die Landesstiftungsgesetze sind aus Kompetenzgründen allein auf das Anerkennungs- und Aufsichtsverfahren beschränkt und aufgrund der Stiftungsrechtsreform (vgl Rn 1) anzupassen. Der Bundesgesetzgeber hat sich trotz frühen Bestrebens hins eines einheitlichen Stiftungsrechts auch außerhalb des BGB nicht zu einem einheitlichen bundesrechtlichen Verfahren bewegen lassen (zur Diskussion Rawert/Hüttemann ZIP 2002, 2019ff; Peiker ZSt 2003, 47ff, 79ff; Backert/Carstensen ZIP 2003, 284ff). Zur europäischen Regelung Nissel ZSt 2003, 89. Zurzeit gelten folgende Landesstiftungsgesetze: BaWüStiftG v 16.12.2003 (GVBl 720); BayStiftG idF v 26.9.2008 (GVBl 834), zuletzt geändert durch G v 7.8.2003 (GVBl 497), Komm von Voll/Störle, 4. Aufl 2003; BlnStiftG idF v 11.12.1997 (GVBl 674), zuletzt geändert durch G v 3.7.2003 (GVBl 253); BrdbgStiftG v 20.4.2004 (GVBl 150), Komm von Fritsche 2007; BremStiftG v 7.3.1989 (GBl 163), zuletzt geändert durch G v 27.2.2007 (GBl 181); HbgStiftG v 14.12.2005 (GVBl 521); HessStiftG v 4.4.1966 (GVBl I, 77), zuletzt geändert durch G v 6.9.2007 (GVBl I 546), Komm von Peiker, 3. Aufl 2005; MecklVPStiftG v 7.6.2006 (GVBl 366), Komm von U. Kilian 2007; NdsStiftG 24.7.1968 (GVBl 119), zuletzt geändert durch G v 23.11.2004 (GVBl 514), Komm von SiegmundSchultze, 9. Aufl 2005; NRWStiftG 15.2.2005 (GVBl 52), zuletzt geändert durch ÄndG v 9.2.2010 (GV. NRW 112); RhPfStiftG 19.7.2004 (GVBl 385), Komm von Mecking 2007; SaarlStiftG v 9.8.2004 (AmtsBl 1825) zuletzt geändert durch G v 15.2.2006 (AmtsBl 474); SchlHStiftG idF v 2.3.2000 (GVBl 208), zuletzt geändert durch VO v 12.10.2005 (GVOBl 487), Komm von Gebel/Lehmann, 2. Aufl 2005. In SächsStiftG v 7.8.2007 (SächsGVBl 386), zuletzt geändert durch G v 29.1.2008 (SächsGVBl 138, 159); LSAStiftG v 9.12.2010 (GVBl. LSA) ThürStiftG v 16.12.2008 (GVBl 561). Zum ThürStiftG O. Werner ZSt 2009, 3. II. Die Stiftungsaufsicht ist weitgehend landesrechtlich geregelt und dient wie das Anerkennungs- 30 verfahren (BVerwG 40, 347; OVG Mannheim NJW 1985, 1573, 1574) in erster Linie dem öffentlichen Interesse an der Verwirklichung des Stifterwillens im Rahmen der Rechtsordnung (BGH 99, 344, 349) und damit dem an der Verwaltung in Übereinstimmung mit Gesetz und Stifterwillen (Soergel/Neuhoff Rn 79), nicht irgendwelchen Einzelinteressen (grundlegend BVerfG 40, 347; BVerwG NJW 1985, 2964; OVG Lüneburg NJW 1985, 1572; OVG Berlin OVGE 16, 100) und auch nicht verwaltungspolitischen Zielen (ausf A. Werner aaO, 133ff). Geschützt sind auch die Interessen der Stiftung selbst (BGH NJW 1977, 1148; Andrick, Das Öffentliche Recht – Garant eines leistungsfähigen Stiftungswesens, FS O. Werner 2009, 31; krit zu den Behörden Otte, FS O. Werner 2009, 75), so dass die Vernachlässigung der Stiftungsaufsicht zu Ersatzansprüchen nach § 839 BGB, Art 34 GG führen kann (BGH 68, 142, 145; Pal/Ellenberger Rn 14). Die Stiftung muss sich ein Mitverschulden ihres Vorstands nach § 254 entgegenhalten lassen (BGH 1968, 151). Da die Aufsicht eine reine Rechtskontrolle ist (BVerwG GVBl 1973, 795; BGH WM 1968, 871; Soergel/Neuhoff Rn 82; Seifart/v. Campenhausen/Hof § 11 Rn 7ff), darf das Aufsichtsorgan im Zuge der Anerkennung sein Ermessen nicht an die Stelle des Ermessens des Stifters und bei der laufenden Aufsicht nicht an die Stelle der Anschauungen der Stiftungsorgane setzen. Der nach § 9 III StiftGNRW eingesetzte Sachwalter darf für die Stiftung nur im Rahmen der Rechtsaufsicht tätig werden und darf den im Amt belassenen Vorstand nicht an Maßnahmen zur Erreichung des Stiftungszwecks hindern (Hamm NJW-RR 1995, 120). Die Funktion der Stiftungsaufsicht beschränkt sich auf die Missbrauchsabwehr (Soergel/Neuhoff Rn 82 mwN). Gegen Maßnahmen der Aufsichtsbehörde ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 VwGO gegeben (KG OLG 1981, 297; dazu Andrick, Sachentscheidungsvoraussetzungen im stiftungsrechtlichen Verwaltungsprozess, in Stiftungen in Deutschland und Europa 1998, 281ff; Schönfeld Stiftung & Sponsoring 2000, 6). III. Besteuerung Schrifttum: Crezelius/Rawert, Das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen, ZEV 2000, 421; M. Fischer, Dogmatik des unselbständigen Stiftungsgeschäftes und Steuerrecht, FS Reuter 2010, 73; Jachmann, Reformbedarf im Gemeinnützigkeitsrecht, ZSt 2003, 35; Kirchhain, Stiftungsbezüge als Kapitaleinkünfte? Zugleich Anmerkung zum BMF-Schreiben vom 27.6.2006-, BB 2006, 2387; Lex, Die Reform des Stiftungsrechts unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten, ZSt 2003, 20; Maier, Die Besteuerung der Stiftung nach der Reform, BB 2001, 494; Manteuffel, Neuerungen im Spendenrecht, „Rote Seiten – Beilage zum Magazin Stifung & Sponsoring“ 4/2007; Milatz/Kemcke/Schütz, Stiftungen im Zivil- und Steuerrecht, 2004; Pauls, Gemeinnützige Stiftungen und Vereine im Umsatzsteuerrecht, ZStV 2011, 17; Pues/Runge, Auswirkungen der Steuerreform auf die Besteuerung der gemeinnützigen Stiftung, Betrieb und Wirtschaft 2001, 763; Richter/Gollan, Die Besteuerung der Kapitalerträge von Familienstiftungen, FS Reuter 2010, 1155; Schütz, Die Reform des Spendenrechts im Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements und ihre Auswirkungen in der Praxis, ZSt 2007, 131; Seidel, Stiftungs- und Stiftungssteuerrecht – aktuelle Beratungsaspekte, ErbStB 2010, 204; Seifart/Pöllath §§ 32–43; Wallenhorst/Halaczinsky, Die Besteuerung gemeinnütziger Vereine, Stiftungen und der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, 6. Aufl 2009.

Gehen Vermögenswerte unentgeltlich auf die Stiftung über, so fällt bei der Stiftung Erbschaft- bzw 31 Schenkungssteuer an (§§ 3 II Nr 1, 7 I Nr 8 ErbStG), bei fehlender Gemeinnützigkeit kann dies bei hohen Beträgen bis zu 50 % ausmachen. Solange die Stiftung existiert, unterliegt sie der laufenden Besteuerung mit Körperschaftsteuer (§ 1 I Nr 4 bzw 5 KStG). Unterhält die Stiftung einen wirtschaftO. Werner

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Allgemeiner Teil

Personen

lichen Geschäftsbetrieb, ist sie gem § 2 III GewStG gewerbesteuerpflichtig, Seifart/v. Campenhausen/Pöllath/Richter § 41 Rn 58. Die Besteuerung der Destinatäre steuerpflichtiger Stiftungen ist mit den G v 23.10.2000 (SteuersenkungsG BGBl I 2000, 1433) und v 20.12.2001 (UnternehmensteuerfortentwicklungsG BGBl I 2001, 3858) geändert worden. Wurden die Zuwendungen der Stiftung an den Destinatär bisher nach § 22 Nr 1 EStG als sonstige Einkünfte beurteilt, unterliegen sie nach Auffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben v 27.6.2006 – IV B 7 – S 2252 – 4/06, BStBl I 2006, 417) nunmehr nach § 20 I Nr 9 EStG als Einkünfte aus Kapitalvermögen beim Destinatär der Besteuerung. Ab Veranlagungszeitraum 2009 findet auf diese Einkünfte der besondere Steuersatz des § 32d I EStG (25 % Einkommensteuer zzgl Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) Anwendung. Die Stiftung ist nach § 43 I Nr 7a EStG zum Kapitalertragsteuereinbehalt verpflichtet. In einem Urt verneinte das FG Berlin-Brandenburg die Vergleichbarkeit einer Zuwendung einer Stiftung an einen Destinatär mit einer Gewinnausschüttung einer Körperschaft und lehnte die Anwendung des § 20 I Nr 9 EStG ab. Vielmehr handelt es sich nach Auffassung des FG um Einkünfte nach § 22 Nr 1 S 2 lit a EStG (sonstige Einkünfte) auf die das Teileinkünfteverfahren Anwendung findet (§ 3 Nr 40 lit d EStG). Zum Meinungsstand auch Nachw bei Kirchhain BB 2006, 2387. Erbringt eine von der Körperschaftsteuer nach § 5 I Nr 9 KStG iVm §§ 51ff AO wegen Gemeinnützigkeit steuerbefreite Stiftung, was voraussetzt, dass unmittelbar und (fast) ausschließlich nicht eigenwirtschaftliche Ziele verfolgt werden (was auch möglich ist, wenn die Stiftung ihr Vermögen in einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb angelegt hat), Leistungen gem § 58 Nr 5 AO an den Stifter oder seine nächsten Angehörigen, erzielen diese Einkünfte aus wiederkehrenden Leistungen (§ 22 Nr 1 S 2 lit a EStG). Das Teileinkünfteverfahren findet mangels Besteuerung auf Ebene der Stiftung keine Anwendung (§ 3 Nr 40 lit i EStG). Wird die Stiftung aufgelöst, ist der Anfallberechtigte erbschaft- und schenkungsteuerpflichtig (§ 7 I Nr 1 ErbStG), wenn der Empfänger nicht selbst steuerbefreit ist, § 13 I Nr 1 lit b ErbStG. 32

Änderungen ergaben sich für steuerbegünstigte Stiftungen durch das G zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen v 14.7.2000. § 55 I Nr 5 AO stellt klar, dass eine zeitnahe Mittelverwendung gegeben ist, wenn die Mittel spätestens in dem folgenden Kalender- oder Wirtschaftsjahr für die steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke verwendet werden. Gem § 58 Nr 7 lit a AO dürfen steuerbegünstigte Stiftungen zur Erhaltung ihrer Leistungsfähigkeit ein Drittel des Überschusses der Einnahmen über die Kosten aus der Vermögensverwaltung einer freien Rücklage zuführen, ebenso weitere 10 % ihrer sonstigen nach § 55 I Nr 5 AO zeitnah zu verwendenden Mittel. Einen Überblick geben Crezelius/Rawert ZEV 2000, 421ff. Mit dem rückwirkend zum 1.1.2007 in Kraft getretenen „Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements“ v 10.10.2007 (BGBl I, 2332) ist die bis dahin steuerliche Unterscheidung zw den steuerlich besseren Zwecken (Wissenschaft, Mildtätigkeit und Kultur) und den steuerlich guten Zwecken (alle weiteren spendenbegünstigten Zwecke) weggefallen. Durch Einführung eines einheitlichen Spendenabzugbetrags in § 10b I S 1 EStG nF können Spenden iHv 20 % des Gesamtbetrags der Einkünfte berücksichtigt werden. Zukünftig dürfen zudem nach § 10b I S 3 EStG nF sämtliche Zuwendungen, die die steuerlichen Höchstbeträge übersteigen oder im Zuwendungsjahr nicht berücksichtigt werden können, zeitlich unbeschränkt auf die folgenden Jahre vorgetragen werden. Erhöht wurde auch die steuerliche Abzugsfähigkeit für Unternehmen auf 4‰ der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter (§ 10b I S 1 EStG nF). Zuwendungen an gemeinnützige Stiftungen können nat Pers (§ 1 EStG) steuermindernd als Sonderausgaben (§ 10b I EStG) und Körperschaften (§ 1 KStG) als abziehbare Aufwendungen (§ 9 KStG) geltend machen. Daneben besteht für den Stifter als nat Pers die Möglichkeit, einmalig einen Betrag iHv 1 Mio Euro geltend zu machen, und zwar für Zuwendungen bei Gründung der Stiftung und auch bei späteren Zustiftungen. Bei Spenden bis zu einem Betrag von 200 Euro genügt ein Bareinzahlungsbeleg bzw eine Buchungsbestätigung des Kreditinstituts als Nachw für den Steuerabzug (§ 50 II S 1 Nr 2 EStDV nF). Ein ausf Überblick über die Gesetzesnovellierung bei Manteuffel Stiftung & Sponsoring Rote Seiten 4/2007; Schütz ZSt 2007, 131). Zur unselbständigen Stiftung als Gegenstand des Steuerrechts M. Fischer, FS Reuter, 73, 76ff.

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Bei Familienstiftungen gelten Abweichungen, da sie im Fall der Übertragung von Vermögen auf die Stiftung begünstigt sind. Für die Erbschaft- und Schenkungsteuer richtet sich die Steuerklasse nach dem entferntesten Verwandtschaftsverhältnis vom Stifter zu den Berechtigten (§ 15 II S 1 ErbStG). Auch die Besteuerung bei Auflösung der Familienstiftung ist nach § 15 II S 2 ErbStG bevorzugt. Benachteiligt sind die Familienstiftungen dagegen durch die Erbersatzsteuer (§ 1 Nr 4 ErbStG). Zur ertragsteuerlichen und steuersystematischen Problematik dieser Steuer s Kapp BB 1982, 321 sowie Crezelius BB 1982, 323. Die Steuer wird alle 30 Jahre erhoben. Das BVerfG hat diese Besteuerung trotz gegenteiliger Ansichten im Schrifttum (Sorg BB 1983, 1621, 1623) für verfassungsgemäß erklärt (BVerfG NJW 1983, 1841 gegen FG Düsseldorf BB 1982, 483). Die Vorteile einer steuerbegünstigten Stiftung können mit der Versorgung des Stifters und dessen nächsten Angehörigen verbunden werden, vgl § 58 Nr 5 AO. So kann die Stiftung bis zu einem Drittel ihres Einkommens dem Stifter und seinen nächsten Angehörigen zukommen lassen, ohne die steuerlichen Vorteile der Gemeinnützigkeit zu gefährden (vgl dazu Wachter, Stiftungen, 2001, 167ff).

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Trotz des Kapitalerhaltungsgebots müssen Stiftungen ggf auch ihr Grundstockvermögen zur Aufbringung von Prozesskosten einsetzen, bevor ihnen gem § 116 S 1 Nr 2 ZPO Prozesskostenhilfe gewährt werden kann (D. Kilian ZSt 2004, 170 mwN). Zur Besteuerung der Kapitalerträge von Familienstiftungen ausf Richter/Gollan, FS Reuter, 1155.

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Juristische Personen

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Entstehung einer rechtsfähigen Stiftung (1) Zur Entstehung einer rechtsfähigen Stiftung sind das Stiftungsgeschäft und die Anerkennung durch die zuständige Behörde des Landes erforderlich, in dem die Stiftung ihren Sitz haben soll. (2) Die Stiftung ist als rechtsfähig anzuerkennen, wenn das Stiftungsgeschäft den Anforderungen des § 81 Abs. 1 genügt, die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert erscheint und der Stiftungszweck das Gemeinwohl nicht gefährdet. (3) Vorschriften der Landesgesetze über kirchliche Stiftungen bleiben unberührt. Das gilt entsprechend für Stiftungen, die nach den Landesgesetzen kirchlichen Stiftungen gleichgestellt sind.

I. Allgemeines. § 80 ist durch G v 15.7.2002 neu gefasst (vgl Vor § 80 Rn 1). Wichtigste Neuerung ist 1 die Klarstellung in Abs II mit der Anerkennung (zum Begriff: Andrick/Suerbaum Nachtrag S 6f) eines Rechtsanspruchs auf Stiftung (dazu Rn 9). Ebenso sind die Anerkennungsvoraussetzungen abschließend festgelegt, so dass Kompetenz- und Abweichungsprobleme von Bundes- und Landesstiftungsgesetzen und letzterer untereinander behoben sind (Andrick/Suerbaum Nachtrag S 4). Geblieben ist trotz str Diskussion das Konzessionssystem, so dass nach wie vor zw den Anerkennungs- (früher Genehmigungs-)behörden und Aufsichtsbehörden (Vor § 80 Rn 30) unterschieden werden muss, wenn auch in den meisten Bundesländern Anerkennung und Aufsicht durch dieselbe Behörde wahrgenommen werden. II. Die Entstehung der Stiftung erfordert gem Abs I das Stiftungsgeschäft und die staatliche Aner- 2 kennung (früher Genehmigung). Die Schaffung der jur Pers, die nach der vom Willen des Stifters abhängigen Erklärung, die Stiftung mit einem bestimmten Zweck gründen zu wollen, und nach der vom Stifter bestimmten Satzung (Verfassung) auf Dauer existieren soll (Vor § 80 Rn 7ff), soll nicht ohne staatlichen Einfluss und Mitwirkung zugelassen werden. Den Rechtserfolg, die Entstehung der jur Pers als selbständige Stiftung, können nur Stiftungsgeschäft und Anerkennung gemeinsam herbeiführen. Der Eintritt des Erfolgs geschieht mit der konstitutiven Anerkennung, wobei sich eine gewisse Rückwirkung aus § 84 ergibt. In einem Rechtsstreit über die Entstehung der Stiftung ist diese nach allg prozessualen Grundsätzen (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 69. Aufl 2011, § 50 Rn 7; Zöller/Vollkommer ZPO 28. Aufl 2010, § 50 Rn 39) bedingt parteifähig (RG 170, 25). 1. Stiftungsgeschäft. Die Erklärung, eine Stiftung gründen zu wollen und sich nach Anerkennung 3 zur Leistung des unveränderlichen Gründungskapitals zu verpflichten, ist eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung eines oder mehrerer Stifter und selbst iVm vertraglichen Abreden kein Vertrag (Pal/Ellenberger Rn 1; zum vertraglichen Stiftungsgeschäft Muscheler ZEV 2003, 41; AcP 203, 469). Es gelten die allg Voraussetzungen einer Willenserklärung, insb Geschäftsfähigkeit und Sittenwidrigkeit, Büch, ZEV 2010, 440ff. Es kann als Rechtsgeschäft unter Lebenden und als Verfügung von Todes wegen gestaltet sein, unter Beachtung der diesbezüglichen Formerfordernisse, § 83 (BGH 70, 313; Ebersbach aaO, 52ff; Steffek, Die Anforderung an das Stiftungsgeschäft von Todes wegen, 1996; Schewe ZSt 2004, 270, 301). Bei mehreren Stiftern können beide Arten zusammentreffen (BGH 70, 313, 322). Die Vornahme des Stiftungsgeschäfts unter Lebenden durch gesetzliche Vertreter ist wegen §§ 1641, 1804 unzulässig. IÜ ist die Vertretung durch Bevollmächtigte mangels entgegenstehender Vorschriften zulässig (BayObLG NJW-RR 1991, 523; Pal/Ellenberger Rn 2). Dieser Weg ist bei einer Stiftungsgründung in einem gerichtlichen Vergleich zu empfehlen, da hier § 894 ZPO nicht gilt und der Vertreter bei unwiderruflicher Vollmacht eine entspr Verpflichtung einer Partei erfüllen kann. Das Stiftungsgeschäft enthält einen personenrechtlichen (Errichtung der jur Pers) und einen ver- 4 mögensrechtlichen (Zuwendung des Vermögens) Teil. Letzterer ist keine Schenkung (Staud/Hüttemann/Rawert § 81 Rn 24; Soergel/Neuhoff Rn 9), allenfalls in Einzelfällen ist das Schenkungsrecht analog heranzuziehen. Zur Haftung für Schulden des Stifters (Hinz, Die Haftung der Stiftung für Verbindlichkeiten des Stifters, 1996). Das Stiftungsgeschäft als Willenserklärung muss als Rechtserfolg den Willen auf Errichtung einer 5 selbständigen Stiftung erkennen lassen, § 133 (KG OLG 4, 8). Darüber hinaus muss es gem § 81 den Zweck, die Verfassung, den Sitz der Stiftung sowie die Organisation mit Geschäftsführungs- und Vertretungsregeln festlegen und die vermögensrechtliche Zuwendung sichern (Weimar/Delp BB 1986, 1999, 2003f). Im Stiftungsgeschäft wird der Name der Stiftung festgelegt, der dann zivilrechtlichen Ehrenschutz genießt (München NJW-RR 97, 724). Zum Namenschutz vgl § 81 Rn 8. 2. Die Anerkennung ist wie die vormalige Genehmigung (Vor § 80 Rn 1) privatrechtsgestaltender 6 Verwaltungsakt (Andrick/Suerbaum Nachtrag S 6) – Hoheitsakt –, wirkt allerdings nicht unabhängig vom Stiftungsgeschäft (RG 170, 22 mit instruktivem Vergleich „der Entstehung“ der jur Pers und einer nat Pers; BGH 70, 313, 321). Die Anerkennung wirkt konstitutiv, kann jedoch das Stiftungsgeschäft nicht ersetzen oder dessen Mängel heilen (RFG 170, 22; BGH 70, 313, 321; BVerG 29, 313; Staud/Hüttemann/Rawert Rn 6; Soergel/Neuhoff Rn 16). Allerdings behält die Stiftung bis zur Rücknahme der Anerkennung wegen eines mangelhaften Stiftungsgeschäfts ihre Rechtsfähigkeit. Die Rücknahme wirkt ex nunc (BVerwG NJW 1969, 339; Staud/Hüttemann/Rawert Rn 6). Dies ist die Folge des Konzessionssystems und des rechtsgestaltenden Verwaltungsaktes, der wegen der rechtsgestaltenden Wirkung nicht ohne weiteres nach § 49 VwVfG widerrufen werden kann. Vielmehr darf der Widerruf nur unter den engen Voraussetzungen des § 87 I erfolgen. Ein rückwirkender Widerruf ist mit Rücksicht auf die Rechtssicherheit nicht möglich (BVerwG NJW 1969, 339; s auch BGH WM 1976, 869). Zur stiftungsbehördlichen Reaktion bei erschlichener Anerkennung: Bayer VGH ZSt 2006, 41 m Anm Andrick. O. Werner

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Personen

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Die zuständige Anerkennungsbehörde bestimmt sich nach dem Bundesland, in dem die zukünftige Stiftung ihren Sitz haben soll. Die landesrechtliche Zuordnung liegt idR beim Innenminister, so in Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Schleswig-Holstein, Thüringen, bei der Bezirksregierung in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, beim Regierungspräsidenten in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, in Berlin leider Senatsverwaltung für Justiz. Auflistung der zuständigen Anerkennungsbehörden: Ratgeber Bundesverband Deutscher Stiftungen Bd 1, Die Errichtung einer Stiftung, 2008, 137ff. Die Zuerkennung der Gemeinnützigkeit dagegen erfolgt durch das für den Sitz der Stiftung zuständige Finanzamt (Vor § 80 Rn 32).

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Die Anerkennung erfolgt nur auf Antrag (näher Staud/Hüttemann/Rawert Vor §§ 80 Rn 318ff; Hk/ Dörner Rn 3). Die verfahrensmäßigen Voraussetzungen der Anerkennung ergeben sich neben den Erfordernissen des § 80 II aus den Landesstiftungsgesetzen und der AO. Entscheidend sind der Erlass des Verwaltungsaktes und Zugang des Verwaltungsaktes bei dem Stifter (Staud/Hüttemann/Rawert Rn 12; aA Weimar MDR 1981, 548f). – Zw Beantragung und Anspruch der Anerkennung besteht ein Schwebezustand. Zu dieser werdenden Stiftung als Vorstiftung vgl Vor § 80 Rn 22. Eine landesrechtlich gebotene öffentliche Bek im Staatsanzeiger ist nicht konstitutiv (Staud/Hüttemann/Rawert Rn 12).

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III. Anspruch auf Anerkennung (Abs II). Bis zur Gesetzesänderung (Vor § 80 Rn 1) war umstr, ob der Stifter einen Rechtsanspruch auf Genehmigung hatte (dazu 10. Aufl Rn 4). Mit Abs II ist diese Frage zugunsten eines Rechtsanspruchs des Stifters auf Anerkennung entschieden (Andrick/Suerbaum Nachtr S 4) und das subjektive Recht des Stifters auf Anerkennung der Stiftung festgeschrieben (BT-Drucks 14/8277, Begr Einzelerl zu § 80, S 6; Andrick/Suerbaum Nachtr S 8; zur historischen Entwicklung MüKo/Reuter Vor § 80 Rn 1–47). Der Gesetzgeber hat sich klarstellend der bis dahin hM angeschlossen, die ein gebundenes Ermessen angenommen hat (Andrick/Suerbaum Nachtrag S 7; dies NJW 2002, 2907). – Die hM bejaht zudem ein Grundrecht auf Stiften (O. Werner/I. Saenger Rn 29; Seifart/v. Campenhausen/Hof § 4 Rn 8ff; aA Rawert, FS Reuter, 1323). Ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit legt Abs II bundeseinheitlich abschließend die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Rechtsfähigkeit fest. Für die Landesgesetze besteht kein weiterer (einengender oder erweiternder) Gestaltungsraum (vgl Vor § 80 Rn 6, 29; Andrick/Suerbaum Nachtrag S 9; MüKo/Reuter Vor § 80 Rn 40–43; Richter/Sturm NZG 2005, 655). – Bei Vorliegen der Anerkennungsvoraussetzung hat die Behörde keinen Beurteilungsspielraum, sondern muss die Anerkennung aussprechen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist hins Tat- und Rechtsfragen verwaltungsrechtlich voll überprüfbar. Dies gilt auch hins der erforderlichen Kapitalausstattung (Andrick/Suerbaum Nachtrag S 8; Pal/Heinrichs Rn 4).

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1. Als grds Anerkennungsvoraussetzung muss das Stiftungsgeschäft den Anforderungen des § 81 I genügen (vgl dort).

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2. Sicherung der dauernden und nachhaltigen Erfüllung des Stiftungszwecks. Da der Stiftungszweck aus den Erträgnissen des unantastbaren Grundstockkapitals erfüllt und getragen werden soll, muss dieses einen so hinreichenden Umfang haben, dass selbst unter schwierigen Situationen die finanzielle Grundlage für den Stiftungszweck erhalten bleibt. Es dürfen also nur Stiftungen anerkannt werden, deren Vermögensausstattung durch den Stifter hinreichende Gewähr bietet, dass der Stiftungszweck dauernd (Vor § 80 Rn 8, 10, 23, 24) erfüllt werden kann (Burgard NZG 2002, 697, 699; Reuter, NZG 2005, 649). Wegen der unterschiedlichen Stiftungszwecke kann hier keine bestimmte Summe zugrunde gelegt werden (Schwake NZG 2008, 248). Es kommt auf den jeweiligen Zweck an. Die unbestimmten Rechtsbegriffe „Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit“ werden mit dem angestrebten Stiftungszweck konkretisiert (Andrick/Suerbaum Nachtrag S 9). Für die Stiftung ist deswegen oft nur ein Minimalkapital (zB Verleihung eines undotierten Preises) oder aber eine erhebliche Ausstattung (zB Finanzierung einer Universität, eines Theaters) erforderlich. Die von einigen Anerkennungsbehörden geübte Praxis, grds von einem einheitlichen Mindestbetrag (zB 25 000 oder 50 000 Euro) auszugehen, ist daher nicht gerechtfertigt. Die Einbeziehung einzuwerbender Spenden oder zugesagter Alimentierung ist nur möglich, wenn diese Zuwendungen als „gesichert erscheinen“ (Prognose). Der Verweigerung der Anerkennung wegen zu geringen Stiftungskapitals kann dadurch begegnet werden, dass in der Satzung eine Abstufung der Zweckerfüllung vorgenommen wird, indem ein wenig kostenträchtiger Zweck als grds erfüllbar vorangestellt und weitere Zwecke (evtl in Reihenfolge) von der Finanzsituation abhängig gemacht werden (etwa abhängig von Zuwendungen Dritter). Mit verhältnismäßig geringem Grundkapital errichteten Stiftungen, die sich das zur Zweckerfüllung notwendige Vermögen erst durch Gewinnung von Zustiftern erwerben wollen (insb bei Bürgerstiftungen), ist daher mit Skepsis zu begegnen. Auch hier ist lediglich die Möglichkeit der abgestuften Zweckerfüllung eine Lösung. Ebenso darf die Anerkennung nur erteilt werden, wenn die Zustiftungen Dritter hinreichend gesichert erscheinen. Da die Zustiftung bzw deren Zusage als Schenkung der Form des § 518 BGB unterliegt, ist hier besondere Vorsicht geboten.

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3. In Parallele zu § 43 I BGB, § 62 GmbHG, § 396 I AktG, § 81 I GenG (Andrick/Suerbaum Nachtrag S 9, 10) ist die Anerkennung zu versagen, wenn der Stiftungszweck das Gemeinwohl gefährdet. Die Gemeinwohlgefährdung schränkt damit die privatautonome Stifterfreiheit ein. Das Gesamtinteresse der staatlichen Gemeinschaft hat als unbestimmter Rechtsbegriff Eingang in die Anerkennungsbewertung gefunden. Unstr ist eine Gemeinwohlgefährdung bei Verstoß gegen die Verfassung, ein allgemeingesetzliches Verbot oder die guten Sitten gegeben (Andrick/Suerbaum Nachtrag S 10, 11), ebenso wenn der Stiftungszweck mit dem Schutz der Menschenwürde (zB Rassendiskriminierung) unvereinbar ist (BVerwG NJW 1998, 2545; OVG Münster NVwZ 1996, 913; Andrick/Suerbaum NJW 2002, 2908; Schlüter/Stolte, 2, 73; Burgard NZG 2002, 699). Das Erfordernis der „gemeinwohlkonfor190

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men Allzweckstiftung“ (dazu Andrick/Suerbaum Nachtrag S 10; MüKo/Reuter Vor § 80 Rn 44–47) war bereits vor der Gesetzesnovellierung allg anerkannt, obwohl die Einbeziehung allg, insb verfassungsrechtlicher Wertungen, nicht der Rechtssicherheit dient (Andrick/Suerbaum Nachtrag S 10). Die Gemeinwohlgefährdung beschränkt sich ausschließlich auf den Stiftungszweck, die geplante oder tatsächlich ausgeübte Tätigkeit. Die Person des Stifters, etwa dessen Vorstrafen, muss außer Betracht bleiben (dazu Veltmann ZSt 2006, 150; 2007, 64; Neuhoff ZSt 2007, 20). Wird die Gemeinwohlgefährdung nicht bereits aus dem Stiftungsgeschäft (einschl Satzung), son- 13 dern erst aus sonstigen Programmen und Tätigkeiten transparent, kann die Stiftungsaufsichtsbehörde über § 87 (vgl § 87 Rn 3) eingreifen. Bei der Prüfung, ob eine Gemeinwohlgefährdung zu besorgen ist, können daher bei einer parteinahen Stiftung auch das Parteiprogramm und Äußerungen der Funktionäre herangezogen werden (BVerwG NJW 1998, 2545). Der Versagungsgrund der Gemeinwohlgefährdung unterliegt wegen Art 19 IV GG der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (BVerwG 106, 177 = NJW 1998, 2445; OVG Münster NVwZ 1996,l 913, 914; Andrick/Suerbaum Nachtrag S 11f). IV. Ausländische Stiftungen, die aufgrund ihres Sitzes im Ausland nach dortigem Recht Rechts- 14 fähigkeit erlangt haben (dazu München ZSt 2009, 169), sind auch in Deutschland rechtsfähig und behalten diesen Status ipso iure auch bei einer Sitzverlegung nach Deutschland, ohne dass eine erneute Anerkennung erforderlich wäre (BayObLG NJW 1965, 1438). – Die Enteignung ihres ausländischen Vermögens lässt die im Ausland bestehende Stiftung bzgl ihres Inlandsvermögens als werdende fortbestehen (BGH WM 1996, 221; Staud/Hüttemann/Rawert Rn 7). Ist eine Stiftung in ihrem ausländischen Heimatstaat enteignet worden, besteht sie ebenfalls mit ihrem in Deutschland belegenen Vermögen fort, nicht als eine in Liquidation befindliche, sondern wiederum als „werdende“ Stiftung (OVG Münster DöV 1961, 951). – Eine nicht rechtsfähige (Rn 12) ausländische Stiftung kann in Deutschland Rechtsfähigkeit durch Anerkennung gem §§ 86 S 1, 23 iVm Art 129 I S 1 GG erwerben. Zuständig ist das BMI (Staud/Hüttemann/Rawert Rn 7). Zum internationalen Privatrecht der Stiftungen Jakob, Internationales Stiftungsrecht in Münchener Hdb des Gesellschaftsrechts, Bd 5 2009, 1692; Spichhoff, FS O. Werner 2009, 241; Leible, FS O. Werner, 256; Zur Zukunft des Stiftungsrechts in Europa Weitemeyer, FS O. Werner 2009, 288; Jakob/Studen ZHR 174 (2010), 61). V. Abs III. Mit der Neufassung des § 80 III wurden auch die Voraussetzungen für den Erwerb der 15 Rechtsfähigkeit bei kirchlichen Stiftungen (Vor § 80 Rn 19) in das BGB einbezogen, indem auch die Einwilligung der zuständigen kirchlichen Behörde erforderlich ist und die diesbezüglichen landesrechtlichen Vorschriften volle Geltung behalten. Fehlen solche, gilt derselbe Grundsatz gem Art 140 GG iVm Art 137 III WRV (Pal/Ellenberger Rn 7; dazu Vor § 80 Rn 19). VI. Zur Prozesskostenhilfe bei Stiftungen Nerius ZSt 2003, 167.

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Stiftungsgeschäft (1) Das Stiftungsgeschäft unter Lebenden bedarf der schriftlichen Form. Es muss die verbindliche Erklärung des Stifters enthalten, ein Vermögen zur Erfüllung eines von ihm vorgegebenen Zweckes zu widmen. Durch das Stiftungsgeschäft muss die Stiftung eine Satzung erhalten mit Regelungen über 1. den Namen der Stiftung, 2. den Sitz der Stiftung, 3. den Zweck der Stiftung, 4. das Vermögen der Stiftung, 5. die Bildung des Vorstands der Stiftung. Genügt das Stiftungsgeschäft den Erfordernissen des Satzes 3 nicht und ist der Stifter verstorben, findet § 83 Satz 2 bis 4 entsprechende Anwendung. (2) Bis zur Anerkennung der Stiftung als rechtsfähig ist der Stifter zum Widerruf des Stiftungsgeschäfts berechtigt. Ist die Anerkennung bei der zuständigen Behörde beantragt, so kann der Widerruf nur dieser gegenüber erklärt werden. Der Erbe des Stifters ist zum Widerruf nicht berechtigt, wenn der Stifter den Antrag bei der zuständigen Behörde gestellt oder im Falle der notariellen Beurkundung des Stiftungsgeschäfts den Notar bei oder nach der Beurkundung mit der Antragstellung betraut hat. I. Allgemeines. Mit § 81 wird das für die Entstehung und Anerkennung erforderliche Stiftungs- 1 geschäft (§ 80 Rn 3ff) spezifiziert. Mit der Neufassung durch das StiftungsreformG (Vor § 80 Rn 1) werden nun bundeseinheitlich und abschließend Umfang, Inhalt und Form der Stiftererklärung (Willenserklärung) bei der Stiftung unter Lebenden und über § 83 S 2 auch für die Stiftung von Todes wegen festgelegt. Im Sinne einer stiftungsfördernden Rechtslage sind diese Anforderungen auf das zwingend notwendige Minimum begrenzt (Andrick/Suerbaum Nachtr S 9). Trotz der bestehenden Mängel und Unvollkommenheiten kann durch Beratung der Anerkennungsbehörde ebenso begegnet werden, wie bei einer Stiftung von Todes wegen diese die erforderlichen Ergänzungen vornehmen kann (§ 83 S 2–4), wobei als oberstes Gebot die Verwirklichung des Stifterwillens gilt. II. Das Stiftungsgeschäft als Gründungserklärung des Stifters ist die eine Voraussetzung für die 2 Entstehung der Stiftung (vgl § 80 Rn 2) und besteht aus zwei Teilen, (1) der Gründungs- und Vermögensausstattungserklärung und (2) der Satzung als Grundlage (Verfassung) der Stiftungstätigkeit. 1. Rechtsnatur. Das Stiftungsgeschäft unter Lebenden ist ebenso wie das von Todes wegen ein 3 einseitiges nicht empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft (vgl § 80 Rn 3–5), für das die WirksamkeitsO. Werner

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voraussetzungen einer Willenserklärung heranzuziehen sind. Zwar sind auch einseitige Rechtsgeschäfte bedingungsfreundlich (Staud/Bork 2010 Vorbem zu §§ 158–163 Rn 34). Mit Rücksicht auf den Rechtsverkehr (Staud/Bork aaO Rn 35) ist das Stiftungsgeschäft jedoch grds bedingungsfeindlich, um jede Unsicherheit über die Existenz der Stiftung zu vermeiden (Hennerkes/Schiffer aaO, 80), deswegen lassen auch Staud/Hüttemann/Rawert Rn 11 bei zwar grds Bedingungsfreundlichkeit eine Anerkennung erst bei Eintritt der aufschiebenden Bedingung zu; auflösende Bedingungen führen nach dieser Ansicht lediglich zur Aufhebung durch die Stiftungsbehörde. 4

2. Form. Das Stiftungsgeschäft unter Lebenden bedarf der Schriftform (§ 126), das von Todes wegen der Form letztwilliger Verfügungen (vgl § 83 Rn 2). Nach § 126a kann die Schriftform durch elektronische Form ersetzt werden (Pal/Ellenberger Rn 3). Sieht das Stiftungsgeschäft die Einbringung von Grundstücken in die Stiftung vor, sollte nach der 10. Aufl (MüKo/Kanzleiter § 311b Rn 24; Pal/Ellenberger Rn 3) notarielle Beurkundung erforderlich sein. Die Bezugnahme auf die Sonderformvorschriften für die Übertragung von Grundstücken und GmbH-Anteilen ist hier jedoch nicht möglich, da diese nur für Verträge, also nicht für einseitige Erklärungen gelten (Hennerkes/Schiffer S 81). Ebenso wie testamentarische Verfügungen über Grundstücke nur der Form letztwilliger Verfügungen bedürfen (§ 2247), genügt bei Grundstücksübertragungen in dem einseitigen Stiftungsgeschäft die in Abs I S 1 geforderte Schriftform, zumal das Anerkennungsverfahren dieselbe Richtigkeitsgewähr und Warnfunktion bietet wie die notarielle Beratung (ebenso Schleswig DNotZ 1996, 770 m Anm Wochner; MüKo/Reuter §§ 80, 81 Rn 6; Staud/Hüttemann/Rawert Rn 14; Hennerkes/Schiffer S 81). Das Formerfordernis wird gem § 127a auch durch gerichtlichen Vergleich gewahrt. Die Formerleichterung gilt allerdings ausschließlich für Zuwendungen zum Grundstockvermögen im Gründungsstiftungsgeschäft, nicht für sonstige Zuwendungsversprechen (Zustiftung, Spende, Zuwendung zum Verwaltungsvermögen).

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3. Inhalt des Stiftungsgeschäfts. a) Personenrechtlicher Teil – Errichtung der jur Pers (vgl § 80 Rn 4). Die separat neben der als Anlage beizufügenden Satzung erklärte Stiftungsgründung muss den eindeutigen Willen erkennen lassen, eine selbständige Stiftung des Privatrechts mit einer bestimmten Zweckrichtung gründen zu wollen, dh es müssen alle notwendigen Bestandteile (essentialia negotii) enthalten sein (§ 80 Rn 3ff), neben dem Stiftungszweck die Dauerhaftigkeit der Zweckerfüllung aus einem unantastbaren Stiftungsvermögen. Ebenso muss die Abgrenzung zu anderen Formen jur Pers durch die nicht verbandsmäßige Organisation (keine Mitglieder) deutlich werden. Nicht eindeutige Erklärungen sind gem § 133 auszulegen. Dies gilt insb hins der Abgrenzung zur unselbständigen Stiftung. Erg ist die Satzung heranzuziehen, wie grds alle für die Auslegung von Rechtsgeschäften geltenden Kriterien anzuwenden sind, bei einer Stiftung von Todes wegen die diesbezüglichen Auslegungsmöglichkeiten (O. Schmidt ZEV 2000, 219). Wegen der Formbedürftigkeit bedarf es nach allg Grundsätzen eines Anhaltes in der Stiftungsurkunde (vgl Erl zu § 133).

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b) Vermögensrechtlicher Teil – Vermögenszuwendungsversprechen (vgl § 80 Rn 4): Das Stiftungsgeschäft muss die verbindliche Verpflichtungserklärung des Stifters enthalten, nach behördlicher Anerkennung der Stiftung bestimmte Vermögenswerte zu übertragen, die als wirtschaftlich unantastbares Grundstockvermögen die Erträge erbringen, aus denen der Stiftungszweck zu erfüllen ist (§ 80 Rn 11; Neuhoff, Die operative Stiftung und ihr Vermögen, FS O. Werner 2009, 146; aA Hüttemann, Stiftungsgeschäft und Vermögensausstattung, FS O. Werner 2009, 85). Bei einer Stiftung unter Lebenden reichen die Verpflichtung und die Festlegung, auf welche Weise (wie) die Stiftung dieses Vermögen erlangen soll. Bei einer Stiftung von Todes wegen muss das Stiftungsgeschäft als letztwillige Verfügung selbst die Vermögenszuwendung enthalten (Pal/Ellenberger Rn 4). Wegen der Vermögensvorgabe in Abs I kann nur Stifter sein, wer Vermögen bzw vermögenswerte Leistungen als Grundstockvermögen in die Stiftung einbringt. Lediglich die Verwendung des Namens oder des prominenten Rufes kann eine Person nicht zum Stifter machen. Zur Voraussetzung für die Stiftereigenschaft vgl O. Werner, in: O. Werner/I. Saenger Rn 267ff insb zum Verein als Stifter Rn 271 und in FS Reuter, 431ff.

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III. Stiftungssatzung (Stiftungsverfassung). Das Stiftungsgeschäft als Entstehungserklärung muss die Satzung der Stiftung enthalten, so dass letztlich der Stifter bereits bei der Gründungserklärung alle Einzelheiten festzulegen hat. Der ungeschulte Laie kann das idR nur mit Hilfe fachlicher juristischer Unterstützung durch die Anerkennungsbehörde oder Rechtsberatung. Hilfreich sind auch die für Laien erstellten Ratgeber und Formularbücher (zB Hennerkes/Schiffer, Stiftungsrecht, Ratgeber Recht 3. Aufl 2001; Ratgeber Deutscher Stiftungen Bd 1 „Die Errichtung einer Stiftung“ 2008, hrsg v Bundesverband Deutscher Stiftungen). Stiftungserklärung und Satzung dokumentieren den Stifterwillen, der für die Stiftungstätigkeit verbindlich ist. Dem Stifter verbleibt privatautonom ein großer Spielraum, der nur durch die Gemeinwohlgefährdung eingeschränkt ist (§ 80 Rn 12f). Auf diese Weise kann für jede Stiftung dem Zweck entspr eine maßgeschneiderte passende Stiftungssatzung erstellt werden. Insoweit genießt der Stifter die volle Privatautonomie, ob und mit welchem Zweck, Kapital, Sitz, Namen und Organisation sie durch die Satzung erhält. Er ist nicht an Formulierungsvorgaben gebunden, er genießt die volle Formulierungsfreiheit (Seifart/v. Campenhausen/Hof § 6 Rn 136; O. Werner ZSt 2006, 126). Die Unantastbarkeit und Bedeutung des Stifterwillens schränkt eine Abänderung weitgehend ein (§ 85 Rn 4, 10), so dass mit der Satzung der Stifter verbindlich die Verwaltung und Geschäftsführung der Stiftung für die Dauer der Existenz der Stiftung festlegt (näheres § 85). Abs I S 3 legt bundeseinheitlich abschließend und verbindlich lediglich Mindestinhalte fest, dh welche Fragen der Stifter auf jeden Fall in der Satzung zu regeln hat (Rn 1). Darüber hinaus kann – das ist die Regel – die Satzung weitere Bestimmungen enthalten, zB über die Einsetzung eines Beirates,

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Vermögensanfall, Vermögensanlage, Destinatäre usw (dazu bei § 85). Zur Neufassung einer Satzung OVG Berlin ZSt 2005, 180. 1. Name der Stiftung (Abs I S 3 Nr 1). Zur Kennzeichnung ihrer Identität und zur Sicherheit des 8 Rechtsverkehrs bedarf die Stiftung eines Namens, um sich von anderen Rechtssubjekten zu unterscheiden. Die Rechtsform der jur Pers als selbständige Stiftung wird allerdings durch den Namen nicht garantiert, da auch andere jur Pers und sogar die unselbständige Stiftung einen Namen haben können und die Bezeichnung „Stiftung“ sich nicht auf die Rechtsform der selbständigen Stiftung beschränkt (vgl Vor § 80 Rn 11; zu Recht wird daher eine Beschränkung der Bezeichnung auf „echte Stiftungen“ der §§ 80ff gefordert, so Saenger, FS O. Werner 2009, 165; Seifart/v. Campenhausen/Hof § 6 Rn 140). Der Stifter ist bei der Wahl des Namens grds frei. Es bedarf keines Hinw auf den Stiftungszweck und auf die Rechtsform als selbständige Stiftung der §§ 80ff (Seifart/v. Campenhausen/ Hof § 6 Rn 137), jedoch müssen die Satzung und das Stiftungsgeschäft einen entspr Hinw enthalten. Allerdings ist der Grundsatz der Namenswahrheit (MüKo/Reuter §§ 80, 81 Rn 22, 23) zu berücksichtigen. Es darf nicht das Namensrecht anderer nat oder jur Pers verletzt werden (Pal/Ellenberger Rn 5; Seifart/v. Campenhausen, Hof § 6 Rn 138f). Wie diese genießt auch die Stiftung selbst einen entspr Schutz gegen die Verwendung ihres Namens gem § 12 und die entspr heranzuziehenden Grundsätze des Firmenschutzes (Burgard, Firmenrechtliche Fragen bei Verein und Stiftung, FS O. Werner 2009, 190). Der Stifter kann also nicht den Namen einer bereits existierenden Stiftung verwenden, selbst wenn sich diese neue Stiftung an einem anderen Ort desselben Bundeslandes befinden sollte. Allg Orts- und Rechtsformzusätze sind jedoch mehrfach verwendbar. So ist die Bezeichnung als 9 „Bürgerstiftung Jena“ grds keine hinreichende Individualisierung ggü anderen Bürgerstiftungen desselben Ortes. Allerdings müssen sich zum Schutz des Rechtsverkehrs nach den allg Grundsätzen des Firmenrechts die Stiftungen durch hinreichende Zusätze unterscheidbar machen. 2. Der Stiftungssitz (Abs I S 3 Nr 2) ist maßgeblich für das heranzuziehende LandesstiftungsG, den 10 Gerichtsstand (§ 17 ZPO), die Zuständigkeit der Anerkennungs- und Aufsichtsbehörde, § 80 I (Pal/ Heinrichs Rn 6; Seifart/v. Campenhausen/Hof § 6 Rn 143f; Mecking ZSt 2004, 199). Bei einem grds möglichen Doppelsitz ist daher festzulegen, welcher für die genannten Anknüpfungspunkte gelten soll, so dass letztlich nur einer dieser Orte der rechtlich verbindliche Sitz ist. Der Sitz ist der räumliche Teil der Identität (Seifart/Hof § 7 Rn 130). Er kann von dem Stifter grds 11 frei bestimmt werden (Pal/Ellenberger Rn 6), dies schon deswegen, weil er ein Interesse daran hat, sich die stiftungsfreundlichste und entgegenkommendste Stiftungsbehörde auszusuchen, denn oft muss ein Stifter erleben, dass Anerkennungs-, Aufsichts- und Finanzbehörden in den einzelnen Ländern unterschiedlich handeln. Die teilw vom Gesetz nicht getragenen Verweigerungen und Ablehnungen können auf Dauer nur durch die Möglichkeit eines örtlichen Ausweichens behoben werden (dazu Hertel ZRP 2000, 287). Nur das Konkurrenzprinzip ist hier ein Ausweg, und dieses fordert die freie Sitzwahl ohne sachlichen Bezug (wie hier Pal/Ellenberger Rn 6; Hennerkes/Schiffer aaO, 83; einengend MüKo/Reuter § 80 Rn 8, Bd 1 §§ 80, 81 Rn 24; Seifart/v. Campenhausen/Hof § 6 Rn 144). Hierfür spricht auch die allg anerkannte Möglichkeit, dass der Stiftungssitz und der Sitz der Verwaltung (die einen sachlichen Bezug herstellt) auseinanderfallen können (Pal/Ellenberger Rn 6). Fraglich ist der Sitz über eine „Briefkastenstiftung“, dazu Bockamp/Tesfaiesus, Der Stiftungssitz nach der GmbHReform – Freiheit für das Kapital?, ZSt 2008, 124. Die Nennung eines Doppelsitzes in der Satzung wird zunehmend für zulässig erachtet (O. Werner in O. Werner/I. Saenger Rn 50; Staud/Hüttemann/ Rawert Rn 38; Pal/Ellenberger Rn 6), hat aber letztlich wenig Bedeutung, da sich der Stifter wegen der Aufsichtsbehörde, Finanzbehörde und Register auf einen, den rechtlich verbindlichen Sitz festlegen muss. Fehlt im Stiftungsgeschäft und in der Satzung eine Sitzbestimmung, ist eine solche durch Aus- 12 legung zu ermitteln und letztlich entspr Abs I S 4, § 83 S 3 mit dem Sitz der Verwaltung oder dem letzten Wohnsitz des Stifters festzulegen (Seifart/v. Campenhausen/Hof § 6 Rn 145). Eine Sitzverlegung kann der Stifter über die Satzung (Entscheidungsorgane) in einen anderen Ort, 13 ein anderes Bundesland oder einen anderen Staat ermöglichen. In Sorge um die politische Entwicklung und dadurch entstehende Gefährdung der Stiftung entscheiden sich Stifter zunehmend für einen solchen Weg. Durch das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften des Fideikommiß- und Stiftungsrechts v 3.8.1967 (BGBl I 839) konnten Altstiftungen, die ihren Sitz in der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone, aber Vermögen in den alten Bundesländern hatten, eine Sitzverlegung auch ohne entspr Vorgabe in der Satzung vornehmen (O. Werner, Altstiftungen in der DDR, FS Hans G. Leser 1998, 117, 127f). 3. Stiftungszweck (Abs I S 3 Nr 3). Während in dem Stiftungsgeschäft die generelle und grds 14 Zweckbestimmung festgeschrieben wird – zB Förderung der Wissenschaft und Forschung (vgl Rn 5) – wird diese in der Satzung wiederholt und konkretisiert (MüKo/Reuter §§ 80, 81 Rn 25ff), zB durch Finanzierung von Forschungsvorhaben auf dem Gebiet der Physik. Diese Konkretisierung fordert auch § 60 AO (dazu Hüttemann, FS Reuter, 124f, 133f). Je konkreter die Zweckbestimmung in der Satzung erfolgt, um so enger die Bindung der Stiftungsorgane. Der Stiftungszweck konkretisiert den Stifterwillen und bestimmt das Stiftungsleben einschl der Förderprojekte und Destinatäre (dazu § 85 Rn 6f). Die Zweckbestimmung ist damit der wichtigste Bestandteil der Satzung (Hüttemann, FS Reuter, 121ff). Grds ist der Stifter bei der Festlegung des Zwecks frei. Er darf nur nicht gemeinwohlgefährdend sein, § 80 II (§ 80 Rn 12). Eine Gemeinwohlförderung ist nicht erforderlich (Seifart/v. Campenhausen/Hof § 7 Rn 61). Der Zweck kann also privat- oder/und gemeinnützig sein (Vor § 80 Rn 8, 14ff), wobei der Stifter sich für einen oder mehrere Zwecke entscheiden kann (Seifart/v. CampenhauO. Werner

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sen/Hof § 7 Rn 55). Dies ist letztlich eine Frage der Vermögensausstattung (vgl Rn 6, § 80 Rn 11; Pal/ Ellenberger Rn 7). 15

Der Stifter kann in der Satzung Zweckänderungen zulassen oder aber bestimmte Zweckbestimmungen als unabänderbar bezeichnen (Pal/Ellenberger Rn 7). Bei dauerhafter Unmöglichkeit der Zweckerfüllung und Gefährdung des Gemeinwohls darf die Aufsichtsbehörde eine andere Zweckbestimmung geben (§ 87 I).

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4. Stiftungsvermögen (Abs I S 3 Nr 4). Da das Stiftungsvermögen bereits im Stiftungsgeschäft (§ 80 Rn 11, Rn 6) aufgeführt ist, genügt in der Satzung ein Verweis auf dieses. Erforderlich ist allenfalls eine Konkretisierung des im Stiftungsgeschäft eventuell angegebenen Pauschalwertes. Regelungen über die Zulässigkeit von Umschichtungen (zB Grundstücke für Aktien) und der Verwendung von Spenden und Zustiftungen (Vor § 80 Rn 27) sind zweckmäßig und schaffen Rechtssicherheit bei der Stiftungsverwaltung (Schwarz ZSt 2004, 101). Das Stiftungsvermögen kann aus allen Werten (zB Geldbeträgen, Wertpapieren, Grundstücken, Aktien, Forderungen, Urheberrechte usw) bestehen, unabhängig, ob sie Erträge bringen (zB Gemälde), wobei für die Anerkennung (§ 80 Rn 6ff) entscheidend ist, ob die Zweckerreichung (zB Ausstellung) aus dem sonstigen Kapital getragen wird. Zur Aussetzung der Kapitalerhaltung wegen Erfüllung des Stiftungszwecks: U. Kilian ZSt 2005, 242.

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5. Bildung des Vorstands (Abs I S 3 Nr 5). Da die Stiftung keine Mitglieder/Gesellschafter hat, sondern der Stifterwille entscheidet, ist der Vorstand als notwendiges Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan (gerichtlich und außergerichtlich, §§ 86, 26) der entscheidende Personenkreis, der den Stifterwillen umzusetzen, die Zweckerfüllung herbeizuführen und über die Vermögensverwaltung die Existenz der Stiftung zu garantieren hat. Um zu gewährleisten, dass ein handlungsfähiger Vorstand existiert, muss die Satzung die Anzahl der Vorstandsmitglieder sowie das Verfahren zur Einsetzung (Wahl) und Abberufung enthalten (dazu ausführl O. Werner Stiftung & Sponsoring 2000, 15ff und 19ff; Saenger ZSt 2003, 24). Bestimmt die Satzung die Organmitgliedschaft einer jur Pers, wird diese Aufgabe von dem Vertretungsorgan Letzterer wahrgenommen (dazu Rawert, Die jur Pers des Privatrechts als Stiftungsvorstand, FS O. Werner 2009, 119). Der Vorstand, den der Stifter auch als Kuratorium, Direktorium usw bezeichnen kann (entscheidend sind die zugewiesenen Aufgaben, dazu U. Kilian, Die Stellung des Beirats in der Stiftung 2002; dies, Zum Verhältnis zw Vorstand und fakultativem Stiftungsorgan [Beirat], Stiftung & Sponsoring 5/2002 Rote-Seiten-Beilage), muss mindestens aus einer Person bestehen. Der Stifter kann aber auch einen mehrgliedrigen Vorstand festlegen, der allerdings, um handlungsfähig zu sein, möglichst klein gehalten werden sollte (höchstens drei bis fünf Personen). Ebenso kann die Satzung bestimmte positive oder negative Voraussetzungen festlegen (zB Befähigung zum Richteramt, Mitglied der Familie, kein Inhaber politischer Ämter). Eine Kompetenzabgrenzung ist insb dann erforderlich, wenn die Stiftung ein weiteres fakultatives Organ (zB Beirat) hat.

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Das Verfahren zur Berufung der Vorstandsmitglieder kann zum einen in die Kompetenz eines anderen Stiftungsgremiums (zB fakultativer Beirat) oder einem außenstehenden Dritten (zB Familienrat, Fakultät, Gerichtspräsident, Oberbürgermeister) übertragen werden, sog gekorene Mitglieder. Zweitens können bestimmte Amtsinhaber zu geborenen Mitgliedern benannt sein (zB der Universitätsrektor, der Oberbürgermeister), wobei es sich empfiehlt, vor Anerkennung der Satzung die Zustimmung des derzeitigen Amtsinhabers einzuholen. Der Stifter kann auch eine Selbstergänzung des Organs (Zuwahl bei Nachfolge) bestimmen. Um die Stiftung sofort nach Anerkennung funktionsfähig zu machen, sollte der Stifter bereits den Gründungsvorstand in der Satzung namentlich benennen, wobei er nicht an die Voraussetzungen der späteren Auswahl gebunden ist (auch hins der Zahl und Amtsdauer). Sollen diese Gründungsvorstandsmitglieder ihre Nachfolger selbst bestimmen, empfiehlt es sich, bereits die Annahme des Amtes mit dem Vorschlag der benannten Nachfolger einschl Ersatznachfolger zu verbinden.

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Neben dem Bestimmungsverfahren hat die Satzung Angaben über die Amtsdauer zu enthalten, die Möglichkeit einmaliger oder mehrmaliger Wiederberufung und evtl Altersgrenzen. Ferner ist die Abberufung der Organmitglieder zu regeln (dazu VG Düsseldorf ZSt 2006, 139) ebenso eine evt. externe Prüfung (dazu Frankfurt ZSt 2006, 81 m Anm Peiker, 86). Fehlt – aus welchen Gründen auch immer – ein handlungsfähiger Stiftungsvorstand, erfolgt eine Notbestellung durch das Amtsgericht gem §§ 86, 29 (Frankfurt, ZStV 2010, 181), entgegen Hamm (ZStV 2010, 183, mit abl Anmerkung A. Werner) besteht keine Grundlage für die Bestellung eines Sachwalters.

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Die Aufgaben des Vorstands ergeben sich aus seiner Stellung als Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan, wobei die Außenvertretung nur dem Vorsitzenden oder auch weiteren Mitgliedern (Stellvertretern) zuerkannt sein kann. Eine Beschränkung der Vertretung bei Stellvertretern auf den Fall der Verhinderung des Vorsitzenden ist nur mit Innenwirkung möglich, da die Satzung für Dritte eindeutig die Vertretungsmacht erkennen lassen muss. Der Verhinderungsfall ist jedoch unklar und nicht aus der Satzung festzustellen („Intern wird vereinbart, dass der Stellvertreter nur bei Verhinderung des Vorsitzenden tätig wird.“). Verstößt ein Mitglied des Vorstands gegen diese interne Vereinbarung, ist das Geschäft zwar wirksam, der Handelnde macht sich aber schadensersatzpflichtig (zur Haftung der Organmitglieder ggü der Stiftung ausf Schworbek ZSt 2005, 108; U. Kilian, Festgabe für O. Werner 2004, 77; Beschlussmängel führen nicht ipso iure zur Nichtigkeit, dazu Hoffmann, FS Peter Kreutz, 29). Sofern die Satzung keine Einschränkung enthält (zB Verzicht), kann der Vorstand Ersatz seiner Aufwendungen gem §§ 27 III, 670 verlangen. Postuliert die Satzung eine „ehrenamtliche“ Tätigkeit, stellt sich die Frage einer zusätzlichen Satzungsbestimmung über eine Vorstandsvergütung (bejahend Arnold, FS Reuter, 3ff; Eichenhofer, Ehrenamt im Recht, FS O. Werner 2009, 50). 194

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§ 83

Erg sind über § 86 die vereinsrechtlichen Vorstandsvorschriften der §§ 26ff heranzuziehen. Dies gilt 21 auch für die Notbestellung des § 29 (dazu § 86 Rn 2 und Muscheler, FS Reuter, 225). IV. Einwirkung des Stifters. Mit der Anerkennung der Stiftung ist der persönliche Einfluss des Stif- 22 ters auf die Stiftung grds beendet. In der Literatur wird zunehmend ein Einfluss des Stifters auch nach Anerkennung erörtert, zB Jakob, Stifterrechte zw Privatautonomie und Trennungsprinzip, FS O. Werner 2009, 101. Es gilt für die Zukunft nur sein Wille, soweit er im Stiftungsgeschäft und in der Satzung zum Ausdruck gekommen ist. Entscheidender Zeitpunkt für die Willensfeststellung ist damit der der Erstellung des Stiftungsgeschäfts und der Satzung. Spätere Willensänderungen sind ohne Belang, Willensäußerungen allenfalls als Indiz bei der Auslegung (Rückschluss) verwertbar. Einfluss auf das Stiftungsleben selbst ist nur möglich, wenn sich der Stifter in der Satzung für eine Satzungsänderung seine Zustimmung vorbehält oder er Organmitglied ist (dazu Stern, Der Einfluss des Stifters auf die Verwaltung der Stiftung in Stiftungen in Deutschland und Europa 1998, 261; Muscheler ZSt 2003, 67). V. Widerruf (Abs II). Das Stiftungsgeschäft kann ausschließlich vom Stifter widerrufen werden 23 (Soergel/Neuhoff Rn 3), und zwar bis zur Anerkennung der Stiftung. Der Widerruf ist eine nicht formund nicht empfangsbedürftige Willenserklärung, die auch konkludent erfolgen kann. Es genügt jede Handlung, die den Widerrufswillen nach außen erkennen lässt, § 133 (Staud/Hüttemann/Rawert Rn 69). Bei der Stiftung von Todes wegen gelten die für den Widerruf letztwilliger Verfügung bestehenden Bestimmungen (Pal/Ellenberger Rn 12). Ist der Antrag auf Anerkennung gestellt, muss der Widerruf der Anerkennungsbehörde ggü erfolgen. Nach dem Tod des Stifters geht das Widerrufsrecht gem § 1922 auf seine Erben über (Hk/Dörner Rn 3). Diese können die mittels Rechtsgeschäft unter Lebenden errichtete Stiftung nicht mehr widerrufen, wenn der Erblasser den Antrag auf Anerkennung bei der zuständigen Behörde (§ 80 Rn 7) gestellt oder ein beauftragter Notar das Stiftungsgeschäft beurkundet hat. Sind mehrere Stifter am Stiftungsgeschäft beteiligt, hat jeder einzelne das Widerrufsrecht, dessen Ausübung nach § 139 im Zweifel das Stiftungsgeschäft insgesamt unwirksam macht (Pal/Ellenberger Rn 12). VI. Bei Verweigerung der Anerkennung erlischt das Stiftungsgeschäft nicht. Ein erneuter Antrag 24 auf Anerkennung kann noch darauf gestützt werden, es sei denn, der Stifter hat das Stiftungsgeschäft widerrufen (Staud//Hüttemann [2011] § 80 Rn 4).

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Übertragungspflicht des Stifters Wird die Stiftung als rechtsfähig anerkannt, so ist der Stifter verpflichtet, das in dem Stiftungsgeschäft zugesicherte Vermögen auf die Stiftung zu übertragen. Rechte, zu deren Übertragung der Abtretungsvertrag genügt, gehen mit der Anerkennung auf die Stiftung über, sofern nicht aus dem Stiftungsgeschäft sich ein anderer Wille des Stifters ergibt. 1. § 82 ist durch das StiftungsreformG (Vor § 80 Rn 1) lediglich redaktionell angepasst. Mit der An- 1 erkennung erwirbt die Stiftung neben der Rechtsfähigkeit einen Anspruch gegen den Stifter auf Übertragung der im Stiftungsgeschäft zugesicherten Vermögenswerte. Str ist, ob eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Stiftungsgeschäfts erfolgen kann (dazu Staud/Hüttemann/Rawert Rn 6ff). Erforderlich sind die zur Vermögensübertragung notwendigen Verfügungen, dh der Stifter schuldet die zum Erwerb der einzelnen Vermögensgegenstände erforderlichen Übertragungshandlungen (BayObLG NJW-RR 1987, 1418). Für die Stiftung handelt hierbei der Vorstand als zuständiges Vertretungsorgan (§ 81 Rn 17). Soweit Rechte nach §§ 398, 413 übergehen (etwa Forderungen, Urheberund Patentrechte), bedarf der Übergang keiner besonderen Übertragungshandlungen. Er erfolgt kraft Gesetzes, soweit das Stiftungsgeschäft keine anders lautende Bestimmung enthält (Hk/Dörner Rn 1; Staud//Hüttemann/Rawert Rn 3). 2. Der Stifter haftet für die Vermögensübertragung nach §§ 519ff analog (Pal/Ellenberger Rn 1; 2 Soergel/Neuhoff Rn 2; Staud/Hüttemann/Rawert Rn 10), wobei § 530 wegen des Charakters der Stiftung als jur Pers nicht anwendbar ist. Der Vorstand hat den Anspruch auf Vermögensübertragung und Schadensersatz geltend zu machen; ggf hat die Aufsichtsbehörde ihn hierzu anzuhalten (Soergel/Neuhoff Rn 4). 3. § 82 gilt für die durch Stiftungsgeschäft unter Lebenden errichtete Stiftung, auch wenn diese erst 3 nach dem Tod des Stifters anerkannt wurde. Die Übertragungsverpflichtung trifft dann die Erben (Staud/Hüttemann/Rawert Rn 13f). Errichten die Erben die Stiftung aufgrund testamentarischer oder erbvertraglicher Auflage, handelt es sich ebenfalls um eine Errichtung unter Lebenden.

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Stiftung von Todes wegen Besteht das Stiftungsgeschäft in einer Verfügung von Todes wegen, so hat das Nachlassgericht dies der zuständigen Behörde zur Anerkennung mitzuteilen, sofern sie nicht von dem Erben oder dem Testamentsvollstrecker beantragt wird. Genügt das Stiftungsgeschäft nicht den Erfordernissen des § 81 Abs. 1 Satz 3, wird der Stiftung durch die zuständige Behörde vor der Anerkennung eine Satzung gegeben oder eine unvollständige Satzung ergänzt; dabei soll der Wille des Stifters berücksichtigt werden. Als Sitz der Stiftung gilt, wenn nicht ein anderes bestimmt ist, der Ort, an welchem die Verwaltung geführt wird. Im Zweifel gilt der letzte Wohnsitz des Stifters im Inland als Sitz. I. Durch das StiftungsreformG (Vor § 80 Rn 1) ist Satz 1 redaktionell angepasst, die Sätze 2–4 neu 1 hinzugefügt worden, damit der Stifterwille, der sich aus der letztwilligen Verfügung ergibt, auch vollzogen werden kann, wenn den für die Anerkennung notwendigen Voraussetzungen des § 81 I S 3 vom O. Werner

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§ 83

Allgemeiner Teil

Personen

Erblasser nicht Genüge getan ist. Der Mangel wird durch die Ergänzungsbefugnis der Anerkennungsbehörde unter Berücksichtigung des Stifterwillens geheilt (Andrick/Suerbaum Nachtrag S 13). 2

II. 1. Das Stiftungsgeschäft von Todes wegen kann in der Form des Testaments oder eines Erbvertrags begründet werden. Beim Erbvertrag unter Ehegatten ist es für den Erstversterbenden eine Verfügung von Todes wegen, für den Überlebenden ein Rechtsgeschäft unter Lebenden (BGH 70, 311, 322). Der personenrechtliche Teil – Errichtung der Stiftung (§ 81 Rn 5) – ist ein Geschäft sui generis, also nicht Erbeinsetzung, Vermächtnis oder Auflage, ähnlich der Berufung zum Vormund gem § 1777 III. Die Anfechtung der letztwilligen Verfügung unterliegt den allg Regeln der §§ 2078f (Schmidt ZEV 2000, 308), die Auslegung den allg Regeln der Willensermittlung hins letztwilliger Verfügungen (O. Werner, FS v Lübtow 1991, 965ff; ders in Stiftungen in Deutschland und Europa 1998, 249ff; O. Schmidt ZEV 2000, 219; ders ZSt 2003, 227ff).

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Wie bei der Errichtung unter Lebenden muss auch bei einer solchen von Todes wegen der Erblasser neben dem Stiftungsgeschäft in der letztwilligen Verfügung die Satzung festlegen. Dies ergibt sich daraus, dass das gesamte Stiftungsgeschäft von Todes wegen in der Form letztwilliger Verfügung erstellt sein muss, da sowohl die Gründungserklärung als Stiftungsgeschäft ieS wie auch die Satzung diesem Gebot unterfällt, denn auch die Satzung ist ein Teil des Stiftungsgeschäfts (vgl § 80 Rn 5, 6, 7). Dies bedeutet, dass entspr der gewählten Form der Erklärung (§§ 2229ff, 2274ff) bei dem Testaments- und Erbvertrag alle diese Erklärungen erfasst sein müssen. Bei einem eigenhändigen Testament iSd § 2247 wie bei einem gemeinschaftlichen handschriftlichen Testament (§§ 2265ff) müssen beide Teile in der gesetzlich vorgegebenen Form handschriftlich erfolgen, dh neben der Erklärung der Stiftungserrichtung muss auch die gesamte Satzung handschriftlich erfolgen (allg A Pal/ Ellenberger Rn 1; Staud/Hüttemann/Rawert Rn 2; Seifart/v. Campenhausen/Hof § 6 Rn 103ff). Wenn teilw die maschinenschriftliche Beifügung der Satzung als hinreichend anerkannt wird (zB Seifart/v. Campenhausen/Hof § 6 Rn 136), kann dem nur insoweit gefolgt werden, als dann in der Stiftungserrichtungserklärung bereits alle erforderlichen Angaben über den Inhalt einer Stiftung und Stiftungsorganisation enthalten sind, so dass die beigefügte Satzung lediglich als Auslegungs- und Ergänzungshilfe dient. Inhaltlich muss die letztwillige Verfügung also dem Rechtsgeschäft unter Lebenden entsprechen (§ 81 Rn 5–21) (zur Festlegung des Stiftungszwecks in einer letzwilligen Verfügung: O. Werner ZSt 2005, 289 und 2006, 10). Trotz fehlender eigenhändiger Abfassung der Stiftungssatzung ist eine Stiftung von Todes wegen formwirksam errichtet, wenn der Wille des Erblassers zur Errichtung der Stiftung im Testament hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen ist (Stuttgart, ZEV 2010, 200f) und alle wesentlichen Angaben über Stiftungszweck, Organisation und Vermögen, möglichst auch Name und Sitz (dazu Rn 7), enthalten sind (Schlüter/Stolte 2, 100).

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2. Vom Stiftungsgeschäft in einer letztwilligen Verfügung zu unterscheiden ist die Auflage an Erben oder Vermächtnisnehmer, die Stiftung zu errichten (§ 82 Rn 3). Hierauf hat die Stiftung keinen eigenen Anspruch (§ 1940), zumal sie vor der Errichtung noch nicht existierte. Die Auflage kann nur nach § 2194 S 2 oder durch Einsetzung eines Testamentsvollstreckers durchgesetzt werden. Die Begründung einer Stiftung durch Geschäft unter Lebenden auf den Todesfall (§ 2301) ist nicht vorgesehen (Seifart/Hof § 7 Rn 90).

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3. Die Zuwendung des Vermögens kann Erbeinsetzung (Allein-, Mit-, Vor-, Ersatz-, Nacherbe) sein, ferner Vermächtnis oder Auflage (BayObLG 1965, 77; Zweibrücken NJW-RR 2000, 815; Soergel/Neuhoff Rn 3; Staud/Hüttemann/Rawert Rn 4; Seifart/v. Campenhausen/Hof § 6 Rn 74ff). Zur Besonderheit bei Vor- und Nacherbschaft Seifart/v. Campenhausen/Hof § 6 Rn 81ff.

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III. Im Gegensatz zur Stiftung unter Lebenden ist ein Antrag auf Anerkennung nicht erforderlich. Es genügt, dass die Stiftungsbehörde – gleich auf welchem Weg – Kenntnis von der Stiftungserrichtung und dem Erbfall erlangt (Seifert/v. Campenhausen/Hof § 6 Rn 110f; Staud/Hüttemann/Rawert Rn 23). Zusätzlich besteht eine Verpflichtung, den Antrag auf Anerkennung der Stiftung zu stellen. Diese hat der Erbe bzw ein eingesetzter Testamentsvollstrecker, ebenso ein Nachlasspfleger, notfalls auch das Nachlassgericht (Hk/Dörner Rn 2; Staud/Hüttemann/Rawert Rn 23; Pal/Ellenberger Rn 1; Soergel/Neuhoff Rn 7). Anders als der Stifter selbst (§ 81 Rn 23) kann der Erbe eine letztwillig verfügte Stiftungserrichtung nicht widerrufen (Hk/Dörner Rn 2). Wenn auch die Stiftungserrichtung als personenrechtliches Geschäft angesichts der §§ 2278, 2299 von Widerruflichkeit der Errichtung aufgrund Erbvertrags spricht, so folgt doch aus der Einheitlichkeit von personenrechtlichem und vermögensrechtlichem Geschäft (§ 80 Rn 4) und aus dem Schutzbedürfnis des Vertragspartners die Unwiderruflichkeit einer erbvertraglichen Verfügung. Zum Konkurrenzverhältnis zw Testamentsvollstrecker und Stiftungsvorstand nach Genehmigung der Stiftung vgl Soergel/Neuhoff Rn 9ff. Die Stiftung hat – da noch nicht existent – kein Ausschlagungsrecht (Pal/Ellenberger Rn 1; MüKo/Reuter Rn 11; aA O. Schmidt ZEV 1999, 141).

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IV. Ergänzungsbefugnis (Sätze 2–4). 1. Da der Erblasser nach seinem Tod evtl Mängel des Stiftungsgeschäfts wegen Nichteinhaltung der Erfordernisse des § 81 I S 3 nicht mehr beseitigen kann, dem Stifterwillen aber auf jede mögliche Weise Geltung verschafft werden soll, hat die Anerkennungsbehörde das Stiftungsgeschäft und/oder die Satzung zu ergänzen und damit die Mängel zu beheben und die Stiftung zur Entstehung zu bringen. Dabei ist die Behörde an den feststellbaren Willen des Stifters gebunden (Pal/Ellenberger Rn 2). Die Ergänzung kommt erst und nur in Betracht, wenn die Mängel durch Auslegung nicht zu beseitigen sind und der Stiftungsgründungswille erkennbar ist. 2. Hat der Stifter keinen Stiftungssitz festgelegt (Auslegung), gilt gem Satz 3, 4 der für die Verwaltung bestimmte Ort, mangels einer solchen Bestimmung der letzte inländische Wohnsitz des Stifters. 3. Der Erbe hat gegen die Entscheidung der Anerkennungsbehörde die verwaltungsrechtlichen Rechtsmittel (Pal/Ellenberger Rn 2). 196

O. Werner

Juristische Personen

§ 85

84

Anerkennung nach Tod des Stifters Wird die Stiftung erst nach dem Tode des Stifters als rechtsfähig anerkannt, so gilt sie für die Zuwendungen des Stifters als schon vor dessen Tod entstanden. I. Allgemeines. § 84 hat durch das StiftungsreformG (Vor § 80 Rn 1) eine redaktionelle Anpassung 1 erfahren. Er fingiert die (Rechts-)Erbfähigkeit einer Stiftung, die erst nach dem Tod des Stifters anerkannt wird. II. § 84 gilt für Stiftungsgeschäfte von Todes wegen (§ 83) und für solche unter Lebenden (§ 81 II), 2 wenn der Stifter vor der Anerkennung gestorben ist (Hk/Dörner Rn 1; Pal/Ellenberger Rn 1). Erfasst werden alle Zuwendungen des Stifters, auch solche außerhalb des Stiftungsgeschäfts (Soergel/Neuhoff Rn 3), jedoch nicht Zuwendungen Dritter. Vor Anerkennung der Stiftung kommt bei letztwilligen Verfügungen Dritter Nacherbschaft bzw Vermächtnis zugunsten der Stiftung in Betracht (Pal/Ellenberger Rn 1; Soergel/Neuhoff Rn 3; Staud/Hüttemann/Rawert Rn 4). § 84 gilt auch für ausländische Stiftungen (BayObLG NJW 1965, 1438; Pal/Ellenberger Rn 1). Die Erbfähigkeit einer erst nach dem Erbfall in der Schweiz errichteten Stiftung bedarf keiner Anerkennung nach deutschen Maßstäben (München ZSt 2009, 169 m Anm Etzrodt). III. Bedeutung der Rückwirkung. § 84 ermöglicht, die wegen fehlender Anerkennung noch nicht 3 entstandene Stiftung bereits als Erbin einzusetzen (MüKo/Reuter Rn 34, Soergel/Neuhoff Rn 1). Die Existenz der Stiftung wird fingiert. Hat der Erbe über Rechte iSd § 82 S 2 vor der Anerkennung verfügt, ist dies wegen § 84 die Verfügung eines Nichtberechtigten. Umstr ist, ob für diese Zwischenverfügung des Erben § 184 II wenigstens analog angewendet werden kann. Dies wird unter Hinw auf die in § 184 II vorausgesetzte Interessenlage (Identität von Genehmigendem und Verfügendem) zu Recht abgelehnt (Soergel/Neuhoff Rn 4; Staud/Hüttemann/Rawert Rn 11; diff MüKo/Reuter Rn 38).

85

Stiftungsverfassung Die Verfassung einer Stiftung wird, soweit sie nicht auf Bundes- oder Landesgesetz beruht, durch das Stiftungsgeschäft bestimmt.

I. Allgemeines. Durch das StiftungsreformG (Vor § 80 Rn 1) wurde in § 85 „Reichs-“ durch „Bun- 1 des-“ ersetzt. Die Norm entspricht § 25 und legt die Bedeutung der Verfassung als Grundordnung der Stiftung fest. (ausf: Burgard, Non Profit Law Yearbook 2005, 121). II. Der Begriff Verfassung ist dem der Satzung übergeordnet (RG 158, 185, 188; MüKo/Reuter § 85 2 Rn 6; Soergel/Neuhoff Rn 1), wenn beide Begriffe idR auch als Synonym verwendet werden. Die Verfassung wird nämlich weitgehend bestimmt durch zwingendes Bundes- und Landesrecht, das Stiftungsgeschäft, die Satzung, dispositives Bundes- und Landesrecht sowie gefestigte Rspr – Richterrecht – (Seifart/v. Campenhausen/Hof § 6 Rn 116; Pal/Ellenberger Rn 1; Soergel/Neuhoff Rn 2ff). Zur Verfassung gehören insb der Stiftungszweck und die sonstigen in § 81 I S 3 aufgeführten Satzungsnotwendigkeiten. Im Mittelpunkt der Verfassung steht damit die im Stiftungsgeschäft mit enthaltene Satzung (MüKo/Reuter Rn 1; Seifart/v. Campenhausen/Hof § 6 Rn 116). Diese wird durch den gesamten Inhalt des Stiftungsgeschäfts bestimmt und ergänzt, selbst wenn in der Satzungsurkunde einzelne Bestimmungen fehlen (RG 158, 185, 188). Die Satzung kann auch durch Ordnungen, die die Stiftungsverwaltung erlässt, nicht modifiziert werden (BAG NJW 1991, 514 für den Modus der Wahl von Arbeitnehmervertretern in Stiftungsorganen). Es muss dann im hierfür vorgesehenen Verfahren (Rn 4) eine Satzungsänderung stattfinden. Schreibt das Statut die Beteiligung von Arbeitnehmervertretern der Stiftungsunternehmen vor, so können diese gegen die von der Stiftungsverwaltung erlassene Wahlordnung auch gerichtlich vorgehen (BAG aaO). Der Auslegung des Stiftungsgeschäfts und ggf der Satzung ist der Wille des Stifters zugrunde zu le- 3 gen (RG 100, 230; dazu auch Lindner, Die Ermittlung des Stifterwillens im Stiftungsrecht, Festgabe für O. Werner 2004, 71), soweit er Eingang in das Genehmigungsverfahren gefunden hat (RGRK/Steffen Rn 3). IÜ ist die freie Auslegung möglich (enger Kuchinke FS Neumayer, 394f). Entscheidend ist aber die Willensermittlung, die der Stifter zur Zeit der Errichtung hatte (dazu O. Werner in Stiftungen in Deutschland und Europa, 243; vgl § 81 Rn 22). Der Stifter kann die Auslegung der Satzung ausschließlich auf ein Satzungsorgan oder die Aufsichtsbehörde übertragen (RG 100, 230, 234; Ebersbach aaO, 47; Pal/Ellenberger Rn 2; Soergel/Neuhoff Rn 6; krit Seifart/v. Campenhausen/Hof § 6 Rn 129). Die Auslegungsentscheidung ist reversibel (BGH NJW 1957, 708; BGH 68, 142, 146; 70, 313, 321;aA Staud/Hüttemann/Rawert Rn 8). Dies gilt jedoch nur für die Satzung selbst, nicht für den sonstigen Inhalt des Stiftungsgeschäfts (BGH 70, 313, 322; Pal/Ellenberger Rn 2). III. Änderung der Satzung ist zulässig, wenn sie in der Satzung selbst vorgesehen oder nach Lan- 4 desrecht erlaubt ist, wobei einige Stiftungsgesetze entscheidend auf die Erfüllbarkeit des ursprünglichen Stiftungszwecks abstellen (Reuter DZWIR 1991, 192, 197). Auch hierbei ist aber dem Stifterwillen weitestgehend Rechnung zu tragen (BGH 99, 344, 348; LM § 86 BGB Nr 2; BVerwG NJW 1991, 713; Pal/Ellenberger Rn 3). Der Stifterwille ist insb zu erforschen, soweit es um die Einschränkung der Verwaltungs- und Mitwirkungsrechte der Destinatäre geht (Hamburg ZIP 1994, 1951; Mankowski FamRZ 1995, 851). Eine Satzungsänderung kommt nach Landesrecht vornehmlich bei wesentlicher oder grundlegender Veränderung der Gegebenheiten in Betracht (BGH 99, 344, 348). Wird als Änderungsgrund die „Sinnlosigkeit“ der bisherigen Regelung (zB Zweckerfüllung) in der Satzung festgelegt, darf die Feststellung dieses Änderungsgrunds nicht in das Belieben eines Stiftungsorgans gestellt werden, sondern dieser muss objektiv nachprüfbar bestehen. Sie kann auch von den Erben des Stifters betrieben werden (Hamm ZIP 1993, 1384), im Zweifel aber nicht von den Destinatären (BGH O. Werner

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§ 85

Allgemeiner Teil

Personen

99, 344, 348; OVG Lüneburg NJW 1985, 1572; VGH Mannheim NJW 1985, 1573; Pal/Ellenberger Rn 3). In der Satzung kann ihnen aber das Recht zugestanden werden, die Unwirksamkeit einer Änderung im Wege der Klage geltend zu machen (BAG NJW 1991, 414). Dies gilt auch für Familienstiftungen (dazu Koblenz ZEV 2002, 238). 5

Selbst ohne entspr Satzungsbestimmung bedarf die Satzungsänderung der Anerkennung durch die Anerkennungsbehörde, auch wenn dies nicht ausdr landesrechtlich vorgesehen ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass ansonsten nicht anerkennungswürdige Regelungen durch spätere Satzungsänderungen eingebracht und damit das Anerkennungsverfahren umgangen werden könnte. Mängel der Satzungsänderung werden allerdings durch deren Anerkennung nicht geheilt.

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IV. Bei gemein- und eigennützigen Stiftungen werden die Erträge zugunsten anderer nat oder jur Pers verwendet. Diese Destinatäre sind damit entscheidend für die Verwirklichung des Stiftungszwecks. Sie sind nicht Mitglieder, sondern Nutznießer des Stiftungsvermögens. Wer zu dem Kreis dieser Begünstigten gehört, richtet sich nach dem Willen des Stifters und damit nach dem Stiftungsgeschäft und der Satzung (BGH 99, 344, 351 mit Komm K. Schmidt EWiR § 85 BGB 1/87; BGA NJW 1951, 515). Die privatautonome Bestimmung des Stifters gestattet die willkürliche Bestimmung der Destinatäre (Stifterfreiheit), so dass er nicht an das Gleichbehandlungsgebot zw Mann und Frau gebunden ist, sondern die Zuwendung an das Geschlecht knüpfen kann (BGH 70, 313, 322). Das Zuwendungsversprechen an einen Destinatär ist idR ohne Gegenleistung und daher formgebundene Schenkung iSd §§ 516, 518, BFH ZStV 2010, 104; Muscheler NJW 2010, 341; aA BGH ZStV 2010, 26; NJW 2010, 234 mwN.

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Den Destinatären kann die Satzung mitgliedschaftliche Rechte auf Stiftungsleistungen einräumen. Auch dies ist eine Folge der privatautonomen Stifterfreiheit. Ebenso können ihnen Verwaltungs- und Mitwirkungsrechte zuerkannt werden, die nicht gegen ihren Willen durch Satzungsänderung beseitigt werden können (Hamburg ZIP 1995, 1950 m Anm Rawert FamRZ 1995, 895). Ob dies gewollt ist, hängt von der Auslegung der Satzung ab (BGH NJW 1957, 708; Stuttgart v 27.6.2003 – 5 U 162/02; Neuhoff ZSt 2003, 56). Bei objektiv durch die Satzung festgelegten Kriterien hins des Kreises der Berechtigten haben diese grds einen klagbaren Anspruch. Soll eine Auswahl aus einem bestimmten Kreis von Destinatären durch die Stiftungsorgane oder durch Dritte erfolgen, besteht ein solcher Anspruch nicht (BGH NJW 1957, 708). Um hier Rechtsklarheit zu schaffen, empfiehlt es sich, in der Stiftungssatzung den Hinw einzubringen, dass das Stiftungsorgan frei über die Zuteilung von Stiftungsmitteln entscheidet und ein klagbarer Anspruch nicht besteht. Da keine kontrollierenden Mitglieder/Gesellschafter vorhanden sind, gem dem Stifterwillen aber die Dauerhaftigkeit der jur Pers gewährleistet sein soll, besteht bei einem engen Kreis von Destinatären, bei denen der Vorstand keine Auswahl über die Zuteilung der Mittel hat, sondern dies schon durch die Satzung bestimmt ist, ein Recht zugunsten der Destinatäre, Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand oder gegen Dritte geltend zu machen, wenn die schadensstiftende Handlung zu einer Benachteiligung der Destinatäre im Hinblick auf die Zuteilungsmittel führt. Ansprüche der Destinatäre auf Beachtung ihrer Interessen durch Vorstandsentscheidungen gehören vor die ordentlichen Gerichte, selbst wenn die Destinatäre Arbeitnehmer der Stiftung sind (BGH 1998, 909; Stuttgart aaO; zur Klagebefugnis eines Destinatärs gegen die Genemigung einer Satzungsänderung: VG Magdeburg ZSt 2005, 295).

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V. Der Vorstand der Stiftung haftet für Schäden, die durch Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung entstanden sind. Insoweit gilt dasselbe wie für Geschäftsführungsorgane anderer jur Pers. Geltend gemacht wird dieser Schaden von der Aufsichtsbehörde, die sich ihrerseits bei Vernachlässigung ihrer Pflichten gem § 839 iVm Art 34 GG ersatzpflichtig machen kann, vgl U. Kilian, Die Durchsetzung einer Regressforderung der Stiftung ggü ihren Organen, Festgabe für O. Werner 2004, 77. Eine Kontrolle des Vorstands (dazu Schwintek, Vorstandskontrolle in rechtsfähigen Stiftungen des bürgerlichen Rechts, 2001) kann durch den Beirat (Rn 9) und Wirtschaftsprüfer erfolgen (dazu O. Werner, Die Verlagerung der Haftung auf den Wirtschaftsprüfer, FS Wolfgang Lück, 2003, 145ff). Ein eigener Ersatzanspruch der Destinatäre zu ihren Gunsten besteht nicht. Destinatäre können lediglich die Rechte der Stiftung unter den besonderen Voraussetzungen des Feststehens eines Förderungsanspruchs haben (vgl Rn 7).

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VI. Neben den zwingend für eine Stiftung bestehenden Organ- und Destinatärbestimmungen kann die Satzung ein weiteres Organ (Kontrollorgan, Beratungsorgan usw) installieren. Ein solcher fakultativer Beirat (Kuratorium, Stiftungsrat usw) muss in der Satzung festgelegt sein. Für die Auswahl der Beiratsmitglieder gelten dieselben Grundsätze wie für die Bestimmung der Vorstandsmitglieder (§ 81 Rn 17ff). Da der Vorstand Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan ist, muss die Satzung klare Kompetenzabgrenzungen ggü sonstigen fakultativen Organen enthalten (dazu U. Kilian, Die Stellung des Beirats in der Stiftung, 2002). Dem Beirat sollte neben Kontroll-, Förderungs- und Beratungsaufgaben eine Entlastung des Vorstands nur zurückhaltend gewährt werden, da sonst ein „Druckmittel“ ggü dem Vorstand auf vom Beirat gewünschte Handlungen besteht. Zum Klagerecht eines Mitglieds des Stiftungsbeirats einer Familienstiftung LG Mainz NZG 2002, 738; OVG Berlin DVBl 2003, 342.

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VII. Satzungsänderungen sind nur unter Berücksichtigung des Stifterwillens zulässig. Entscheidend ist, ob in der Satzung die Möglichkeit umfassender oder eingeschränkter Satzungsänderungen vorgesehen ist. Selbst ohne eine solche Satzungsvorschrift kann im Wege der erg Auslegung davon ausgegangen werden, dass dem Stifter an einer funktionierenden Stiftungstätigkeit und an Dauerhaftigkeit gelegen ist und damit nach seinem vermuteten Willen auch entspr Anpassungen an geänderte Rahmenbedingungen möglich sein sollen. Deswegen sollte ein Stifter Satzungsänderungen zulassen und von besonderen Mehrheitsverhältnissen (Quoten) abhängig machen. Der Stifter muss 198

O. Werner

Juristische Personen

§ 86

dann das Verfahren einer Satzungsänderung festlegen und klarstellend auf die Genehmigung durch die Behörde hinweisen (vgl Rn 5). Bei der Frage einer Umwandlung in eine andere Rechtsform (zB in eine Aktiengesellschaft) ist zunächst davon auszugehen, dass der Stifter bewusst die Rechtsform der Stiftung gewählt hat und eine Umwandlung in eine andere Rechtsform nur erfolgen darf, wenn ansonsten die Existenz der Stiftung in starkem Maße gefährdet wäre. Vorrangig ist aber zu versuchen, über eine Satzungsänderung das Stiftungsmodell aufrecht zu erhalten. Dies bewerten Stuttgart (Urt v 27.6.2003 – 5 U 162/02) und die Vorinstanz (dazu Neuhoff ZSt 2003, 56) nicht hinreichend. (Lindner, Die Umwandlung einer Stiftung in eine Aktiengesellschaft am Fallbeispiel der Carl-Zeiss-Stiftung, 2004).

86

Anwendung des Vereinsrechts Die Vorschriften der §§ 26 und 27 Absatz 3 und der §§ 28 bis 31a und 42 finden auf Stiftungen entsprechende Anwendung, die Vorschriften des § 26 Absatz 2 Satz 1, des § 27 Absatz 3 und des § 28 jedoch nur insoweit, als sich nicht aus der Verfassung, insbesondere daraus, dass die Verwaltung der Stiftung von einer öffentlichen Behörde geführt wird, ein anderes ergibt. Die Vorschriften des § 26 Absatz 2 Satz 2 und des § 29 finden auf Stiftungen, deren Verwaltung von einer öffentlichen Behörde geführt wird, keine Anwendung.

I. Allgemeines. Mit dem StiftungsreformG (Vor § 80 Rn 1) ist Satz 1 um den Hinw auf § 23 ergänzt, 1 durch Gesetz v 24.9.2009 (BGBl I, 3145) wieder gestrichen worden, da § 23 weggefallen ist. Ansonsten wurde die Verweisung angepasst (statt § 28 II aF nun § 26 II S 2). Durch Gesetz v 28.9.2009 (BGBl I, 3161) erstreckt sich die Verweisung auf die eingeführte Haftungsprivilegierung des § 31a. In § 86 werden einzelne Vorschriften des Vereinsrechts für entspr anwendbar erklärt, wobei zu beachten ist, dass der Verein im Gegensatz zur Stiftung mitgliederbestimmt ist. – Als Organisationstypen sind Stiftungen mit eigener Organisation und mit Verwaltung durch eine Behörde zu unterscheiden. Für Stiftungen unter Behördenverwaltung gelten wegen des öffentlichen Einschlags besondere Vorschriften. Stiftungen haben eine eigene Organisation auch dann, wenn ihre Organe teilw oder ganz aus Behördenvertretern bestehen oder wenn die entsendende Körperschaft selbst – also nicht als Teil der öffentlichen Verwaltung – vom Stifter zum Stiftungsorgan bestimmt worden ist (Pal/Ellenberger Rn 2). II. Einzelverweisungen. 1. Die Verweisung auf die Vorstandsvorschriften sind von besonderer Be- 2 deutung, denn der Vorstand ist notwendiges Stiftungsorgan, § 26. Nach § 26 I S 2 kann seine Vertretungsmacht eingeschränkt werden (Staud/Hüttemann/Rawert Rn 14). Umstr ist, ob auch gutgläubige Dritte die Beschränkung der Vertretungsmacht gegen sich gelten lassen müssen, da diese ua wegen Fehlens eines bundeseinheitlichen Stiftungsregisters nicht leicht erkennbar ist. Dem kann jedoch mit der Forderung einer Vertretungsurkunde gem § 172 begegnet werden. Anders dagegen bei einer Beschränkung aus dem Stiftungszweck, der dem Geschäftspartner idR nicht so geläufig ist (Staud/Hüttemann/Rawert Rn 14; aA BGH LM § 85 Nr 1; Pal/Ellenberger Rn 1 und 10. Aufl). Letztlich ist dies eine Frage der „ultra-vires-Lehre“. Im Innenverhältnis zw Vorstand der Stiftung findet über § 27 III das Auftragsrecht Anwendung; für das Handeln im Außenverhältnis gilt § 31. – Die Streitfrage, ob § 31a im Stiftungsrecht abdingbar ist (so Burgard in FS Reuter 2010, 43ff) oder dem § 40 entgegensteht, dürfte im ersteren Sinne als stiftungsfordernd zu bejahen sein. Einzelheiten über die Bildung des Vorstands ergeben sich aus dem Stiftungsgeschäft, insb der Satzung. § 27 I, II kann nicht herangezogen werden, da die Stiftung keine Mitglieder hat, sondern der Wille des Stifters verwirklicht werden soll. Dagegen finden die vereinsrechtlichen Vorschriften über die Beschlussfassung in einem mehrgliedrigen Vorstand (§ 28 iVm §§ 32, 34) Anwendung. In sehr engen Grenzen lässt BGH NJW 1994, 184 mit Kurzkomm Neuhoff EWiR § 85 BGB 1/94 eine Klage eines Organmitglieds auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Beschl zu. Für Passivvertretung gilt § 28 II. – Ist kein Vorstand vorhanden oder ist der Vorstand wegen Fehlens einzelner Mitglieder nicht beschlussfähig (zu diesen Gründen näher bei § 29), so kann das Amtsgericht auf Antrag einen Notvorstand oder einzelne Mitglieder bestellen (dazu Muscheler, FS Reuter, 225ff). Eine entspr Anwendung des § 29 kommt auch für die Notbestellung von Beirats- bzw Kuratoriumsmitgliedern in Betracht, wenn deren Mitwirkung bei wesentlichen Stiftungsentscheidungen (zB Satzungsänderung) erforderlich ist (zB wegen Einstimmigkeit). III. Für die Stiftung unter Behördenverwaltung ist außer der ausdr angeordneten Unanwendbar- 3 keit der §§ 26 II S 2, 29 auch sonst den Besonderheiten der Einordnung in die öffentliche Verwaltung Rechnung zu tragen. Vorbehaltlich einer abw Regelung in der Satzung ist statt der Auftragsregeln (über § 27 III) das öffentliche Recht der die Stiftung verwaltenden Behörde anzuwenden. Damit ist auch für eine Entscheidungsfindung und Adressierung nach §§ 26 II S 2, 27 III, 28 und 29 kein Raum (Staud/Hüttemann/Rawert Rn 46; Soergel/Neuhoff Rn 5). Für die Passivvertretung ist die verwaltende Behörde selbst zuständig. Bei Wegfall der Behörde tritt die ihre Aufgabe übernehmende Behörde an ihre Stelle. Notfalls muss entspr § 29 eine andere Stelle bestimmt werden. Die die Stiftung betreuenden Beamten trifft die Amtspflicht, die mit der Stiftungsverwaltung betrauten Personen zu überwachen (RG 161, 288, 294f); ihre Haftung richtet sich nach § 839 iVm Art 34 GG und nicht nach § 89 (Soergel/Neuhoff Rn 6; Staud/Hüttemann/Rawert Rn 48). IV. Andere Organe sind nicht zwingend vorgeschrieben. Eine Mitgliederversammlung gibt es we- 4 gen der Struktur der Stiftung nicht. Bei einem eng bestimmten Kreis der Destinatäre, insb bei Familienstiftungen, kann es sich empfehlen, eine Destinatärsversammlung mit satzungsgemäßen Funktionen einzurichten. Bedenken bestehen jedoch, da hier die klare Struktur der jur Pers „Stiftung“ verwässert wird. Die Verweisung auf § 30 bedeutet, dass besondere Vertreter, die Organstellung haben (§ 30 Rn 1), bestellt werden können, was bei Unternehmensträgerstiftungen (Vor § 80 Rn 20ff) O. Werner

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§ 86

Allgemeiner Teil

Personen

wegen der unterschiedlichen, aus der Kombination von Stiftungs- und Unternehmensleitung folgenden Funktionen relevant werden kann. 5

V. Als jur Pers ist die Stiftung gem § 11 I InsO insolvenzfähig. Der Insolvenzgrund der Zulassungsunfähigkeit liegt bereits vor, wenn aus den zur Ausgabe zur Verfügung stehenden Erträgen und Spenden die fälligen Zahlungspflichten nicht erfüllt werden können (§ 17 InsO), da das Stiftungsgrundkapital nicht angegriffen werden darf. Der Insolvenzgrund der Überschuldung (§ 19 InsO) liegt dagegen erst vor, wenn die bestehenden Verbindlichkeiten das vorhandene Grundstockkapital und Verwaltungsvermögen übersteigen; zur Insolvenzanfechtung bei Zuwendungen oder Errichtung einer Stiftung: LG Baden-Baden ZSt 2005, 218; m Anm Jakob ZSt 2005, 221; ders ZSt 2005, 99; zur Insolvenzanmeldung einer Stiftung: Schulz ZSt 2005, 137. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert die Stiftung ihre Rechtsfähigkeit (§ 86 iVm § 42 I). Der durch § 42 eingeführte Unterschied zw Auflösung und Verlust der Rechtsfähigkeit braucht bei der Stiftung nicht beibehalten zu werden. Ggf kommt ein Vorgehen der Behörde nach § 87 in Betracht. Verletzt der Vorstand bei Überschuldung seine sich aus § 42 ergebenden Pflichten, haftet er den Gläubigern unmittelbar (Soergel/Neuhoff Rn 16). Für das Insolvenzverfahren und die nachfolgende Liquidation gilt die Stiftung als fortbestehend (Staud/Hüttemann/Rawert Rn 52). Zur Stiftung in der Insolvenz vgl Fritsche ZSt 2003, 211ff, 243ff; Hirte, Stiftung und Insolvenz, FS O. Werner 2009, 222ff.

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Zweckänderung; Aufhebung (1) Ist die Erfüllung des Stiftungszwecks unmöglich geworden oder gefährdet sie das Gemeinwohl, so kann die zuständige Behörde der Stiftung eine andere Zweckbestimmung geben oder sie aufheben. (2) Bei der Umwandlung des Zweckes soll der Wille des Stifters berücksichtigt werden, insbesondere soll dafür gesorgt werden, dass die Erträge des Stiftungsvermögens dem Personenkreis, dem sie zustatten kommen sollten, im Sinne des Stifters erhalten bleiben. Die Behörde kann die Verfassung der Stiftung ändern, soweit die Umwandlung des Zweckes es erfordert. (3) Vor der Umwandlung des Zweckes und der Änderung der Verfassung soll der Vorstand der Stiftung gehört werden.

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I. Allgemeines. Durch das StiftungsreformG (Vor § 80 Rn 1) ist Abs I S 1 ohne Inhaltsänderung sprachlich zeitgemäßer gefasst worden (BT-Drucks 14/8765, 12). Der Sinn der Norm liegt in der Möglichkeit, unter Aufrechterhaltung der Stiftung ihre Zweckbestimmung zu ändern, wenn sich die Umstände wesentlich gewandelt haben. Mangels eines Mitglieder-/Gesellschafterorgans, das als Willensbildungsorgan eine Zweckänderung vornehmen kann, bedarf es bei der Stiftung des Eingreifens der Aufsichtsbehörde. Die in § 87 getroffene Zweckänderungsregel ist damit ein spezifisches Instrument zur Erhaltung der Stiftung (Seifart/v. Campenhausen/Hof § 7 Rn 117ff). Zum Inhalt der Zweckänderung vgl auch Hüttemann FS Reuter, 134ff.

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Die Möglichkeit einer Zweckänderung und ihre Voraussetzungen können bereits in der Stiftungssatzung vorgesehen sein (§ 85 Rn 4). § 87 erfasst nur die hoheitliche Zweckänderung, deren Voraussetzungen eng begrenzt sind und die nur subsidiär zum Tragen kommt. Es ist zwar grds angezeigt, Satzungsänderungen aufgrund stark veränderter Umstände mit einer gewissen Weitherzigkeit zu begegnen. Dies kann jedoch für die hoheitliche Zweckänderung als Eingriff in die Stiftungsautonomie nicht gelten. Die Regeln über die Zweckänderung gelten nur für die nach Anerkennung der Stiftung eingetretenen Entwicklungen; bei ursprünglicher Unmöglichkeit (zB verbotene, gemeinwohlgefährdende Zwecksetzung, tatsächliche Unmöglichkeit) der Zweckbestimmung entsteht in Folge der Nichtigkeit des Stiftungsgeschäfts keine Stiftung (vgl § 80). Sie durfte nicht anerkannt werden.

3

II. Einschreitenstatbestände. Ein Einschreiten gem § 87 ist geboten, wenn entweder die Erfüllung des Stiftungszwecks unmöglich geworden ist oder von Versuchen zur Erfüllung des Stiftungszwecks eine Gefährdung des Gemeinwohls ausgeht (VerwG Düsseldorf NVwZ 1994, 813). Unmöglichkeit liegt vor, wenn das Stiftungsvermögen auf Dauer verloren geht, ferner wenn die Zweckerfüllung verboten wird (näher Seifart/v. Campenhausen/Hof § 7 Rn 131). – Der Tatbestand der Gefährdung des Gemeinwohls (vgl § 80 Rn 12) ist mit Rücksicht auf das Grundrecht der Stiftungsfreiheit (§ 80 Rn 9) eng auszulegen und greift nur, wenn der Stiftungszweck nachträglich mit den Grundentscheidungen von Rechtsordnung und Verfassung kollidiert (BVerwG NJW 1998, 2545; Seifart/v. Campenhausen/Hof § 7 Rn 71ff). Zum Verstoß gegen das „Sittengesetz“ s Seifart/Hof § 12 Rn 51ff. Es überschneiden sich die beiden Tatbestandsalternativen des § 87 I teilw. Die Gefährdung des Gemeinwohls muss durch die Stiftung als Einrichtung erfolgen. Bei fehlerhaftem Verhalten der Organe hat die Aufsichtsbehörde einzuschreiten. Der Stifter kann in der Satzung auch unabhängig von den gesetzlichen Vorgaben privatautonom die Zusammenlegung mit anderen idR zweckgleichen oder zweckähnlichen Stiftungen erlauben (krit Peters/Herms ZSt 2004, 323).

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III. Der Aufsichtsbehörde stehen als Eingriffsmittel die Zweckänderung oder Umwandlung (Abs II) oder Aufhebung der Stiftung zur Verfügung. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist die Behörde gehalten, zu dem möglichst milderen Mittel zu greifen (Pal/Ellenberger Rn 2; Seifart/v. Campenhausen/Hof § 10 Rn 312), so auch die Regelungen in den Landesstiftungsgesetzen (zB § 5 StiftG Bln, § 9 HessStiftG, Art 15ff BayStiftG). 1. Kriterium für die Zweckänderung ist gem Abs II der Stifterwille (zu den Voraussetzungen einer Zweckänderung vgl U. Kilian ZSt 2005, 171). Der Vorstand ist gem Abs III entspr § 28 VwVfG auch zu hören, wenn die Stiftung aufgelöst werden soll (Pal/Ellenberger Rn 2). Insofern geht letztere Regelung über Abs III hinaus. 2. Die Zuständigkeit der Behörden bestimmt sich nach Landesrecht (Vor § 80 Rn 30). 3. Nach Landesrecht ist auch die Zu200

O. Werner

Juristische Personen

§ 89

sammenlegung mehrerer Stiftungen (zur Zusammenlegung: Saenger ZSt 2007, 81; Oetker, Zusammenführung von Stiftungen und Gesamtrechtsnachfolge, FS O. Werner 2009, 207) mit ähnlicher Zweckrichtung vorgesehen (Seifart/v. Campenhausen/Hof § 10 Rn 332; Staud/Hüttemann/Rawert Rn 10). Dies setzt voraus, dass keine der Stiftungen allein „lebensfähig“ ist und bei allen die Voraussetzungen des § 87 vorliegen. Auch hierbei ist der Stifterwille zu beachten mit dem Ziel der weitestgehenden Erhaltung des Kreises der Destinatäre und Pflicht zur Anhörung des Vorstands (Seifart/ Hof § 12 Rn 62). IV. Gegen die Entscheidung der Aufsichtsbehörde kann im Verwaltungsrechtsweg Anfechtungs- 5 klage gem § 42 VwGO mit aufschiebender Wirkung erhoben werden (Hamm NJW-RR 1995, 121; Pal/ Ellenberger Rn 2; dazu auch Vor § 80 Rn 30). Nach Koblenz NZG 2002, 135 haben Destinatäre einen klagbaren Anspruch auf satzungsgemäße Aufrechterhaltung. V. Sonstige Auflösungsgründe enthalten die Landesstiftungsgesetze (Vor § 80 Rn 29), ferner die Er- 6 öffnung des Insolvenzverfahrens (§ 86 Rn 5), Zeitablauf (Stiftung auf Zeit, Vor § 80 Rn 23), Eintritt einer auflösenden Bedingung, Widerruf einer widerruflich erteilten Anerkennung (§ 49 VwVfG) oder Beschl des nach der Satzung zuständigen Stiftungsorgans (Koblenz NZG 2002, 135). Die missbräuchliche Verwendung des Stiftungsvermögens ist dagegen kein Auflösungsgrund (BGH WPM 1966, 221), genauso wie der Verlust des Vermögens nur zur Auflösung berechtigt, wenn dadurch Unmöglichkeit der Zweckerreichung bedingt ist (vgl Rn 3).

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Vermögensanfall Mit dem Erlöschen der Stiftung fällt das Vermögen an die in der Verfassung bestimmten Personen. Fehlt es an einer Bestimmung der Anfallberechtigten, so fällt das Vermögen an den Fiskus des Landes, in dem die Stiftung ihren Sitz hatte, oder an einen anderen nach dem Recht dieses Landes bestimmten Anfallberechtigten. Die Vorschriften der §§ 46 bis 53 finden entsprechende Anwendung.

I. Allgemeines. Durch das StiftungsreformG (Vor § 80 Rn 1) wurde Satz 2 zusätzlich eingeführt, 1 entspr § 45 III bei Vereinen. Geregelt wird die Anfallberechtigung bei Auflösung der Stiftung, sofern die Satzung keine Regelung enthält. Dies bedeutet eine bundesrechtliche Regelung, die bisher den Landesstiftungsgesetzen vorbehalten war. Durch landesgesetzliche Regelung (zB Art 17 BayStiftG, § 25 StiftG RhPf, § 15 StiftG NRW) kann die Anfallberechtigung eines anderen Rechtsträgers – zB kirchliche oder kommunale Stiftungen – festgelegt werden (Andrick/Suerbaum Nachtr S 13). II. § 88 erfasst die Fälle des Erlöschens der Stiftung durch Insolvenzverfahren (§§ 86, 42; zur Insol- 2 venz der Stiftung: Hirte, FS O. Werner 2009, 222ff; Roth/Knof, KTS 2009, 163ff; O. Werner ZStV 2010, 234ff), Aufhebung nach § 87, Rücknahme einer unter Vorbehalt erteilten Anerkennung (aA Staud/ Hüttemann/Rawert Rn 4) und vom Stifter bestimmte Beendigungsgründe (Zeitablauf, auflösende Bedingung, Zweckerfüllung, vgl § 87 Rn 6). In diesen Fällen verliert die Stiftung ihre Rechtsfähigkeit (Hk/Dörner Rn 2). – IdR wird der Anfallberechtigte durch das Stiftungsgesetz (Satzung) bestimmt. Für den Erhalt der Gemeinnützigkeit sollte der Anfallberechtigte ebenfalls eine gemeinnützige oder öffentliche Einrichtung sein (§§ 51ff AO). Der Anfall an den Fiskus gem Satz 2 gilt nur subsidiär, bei örtlichen Stiftungen auch an die Gemeinden und bei kirchlichen Stiftungen an die Kirche; auch Teilung ist möglich (RG 133, 69, 75). Die satzungsmäßige Vermögensbindung einer Stiftung erfordert, dass der Zweck, für den das Vermögen bei Aufhebung oder Auflösung oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks verwendet werden soll, in der Satzung so genau bestimmt ist, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist (FG München v 17.7.2002 – 7 K 1384/00). Der Anfall an den Fiskus bedeutet gem § 46 Gesamtrechtsnachfolge (zum BayStiftR BayObLG NJW-RR 1994, 914). Die von den Finanzbehörden im Rahmen der Gemeinnützigkeitsprüfung nach ihrer Mustersatzung geforderte Auflösung und Eintritt der Anfallberechtigung sind gegen einen in der Satzung geäußerten Stifterwillen mangels Kompetenz nicht möglich. Es empfiehlt sich, in der Satzung eine dem § 11 IV ThürStiftG entspr Regelung dahingehend zu treffen, dass bei Wegfall der Gemeinnützigkeit aufgrund Änderung der Steuergesetze die entspr Übergangsvorschriften einschl Besitzstandswahrung gelten und keine Auflösung der Stiftung erfolgt. Erforderlichenfalls ist der Weg über eine Satzungsänderung zu eröffnen. III. Die Liquidation richtet sich gem Satz 3 nach Vereinsrecht (§§ 47ff), so dass auch hier nur ein 3 schuldrechtlicher Anspruch des Anfallberechtigten auf Auskehrung des Liquidationserlöses besteht (vgl Rn 2). Bis zur Beendigung der Liquidation gilt die Stiftung für Zwecke der Liquidation als fortbestehend (§ 49 II). Hat der Liquidator das Stiftungsvermögen satzungswidrig dem Trägerunternehmen der Stiftung überlassen, haftet er, ohne sich auf den Interessenwiderstreit als Organ der Stiftung und gleichzeitig ihres Trägerunternehmens berufen zu können (BFH DB 1981, 1547).

Untertitel 3 Juristische Personen des öffentlichen Rechts

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Haftung für Organe; Insolvenz (1) Die Vorschrift des § 31 findet auf den Fiskus sowie auf die Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts entsprechende Anwendung. (2) Das Gleiche gilt, soweit bei Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts das Insolvenzverfahren zulässig ist, von der Vorschrift des § 42 Abs. 2. O. Werner/J. Hecker

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§ 89

Allgemeiner Teil

Personen

1

1. Jur Pers des öffentlichen Rechts können wie jur und nat Pers des Privatrechts im privatrechtlichen Bereich handeln. Sie sind dann nicht in jeder Hinsicht den Privatrechtspersonen gleichgestellt, sondern nur in dem durch § 89 bestimmten Rahmen, dh in Bezug auf die Haftung der jur Pers für das Handeln ihrer Organe und hins der Antragspflicht der Organe gem § 42 II. Abs I und Abs II unterscheiden sich dadurch, dass in Abs I die Haftung auch für den „Fiskus“ (Rn 2) geregelt und der Verantwortlichkeit jur Pers des Privatrechts angeglichen werden soll, während Abs II – in Einklang mit § 12 I Nr 1 InsO – den Fiskus ausnimmt. Wegen § 12 I Nr 2 InsO ist der Verweis in II auf § 42 II aber auch in Ansehung der sonstigen Personen des öffentlichen Rechts praktisch weitgehend bedeutungslos.

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2. Unter den jur Pers des öffentlichen Rechts nennt das Gesetz als Erste den Fiskus, worunter der am allg Privatrechtsverkehr teilnehmende Staat zu verstehen ist. Das gilt auch, soweit sich Handeln auf Sondervermögen des Bundes bezieht. Staaten sind auch die Bundesländer. Der Unterschied zur jur Pers des Privatrechts liegt im Entstehungsakt, der hoheitlicher Natur sein muss (Gesetz oder Verwaltungsakt mit gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage), RG 130, 169, 172; Soergel/Hadding Rn 12, während MüKo/Reuter Rn 4 eine staatliche Anerkennung bereits bestehender Gebilde als ausreichend gelten lässt. Auf die Aufgabenstellung kommt es nicht an. Im Einz gehören hierher: Gebietskörperschaften, Gemeindeverbände, Kreise, Landschaftsverbände, Zweckverbände, die Religionsgemeinschaften und ihre selbständigen Untergliederungen; nach Maßgabe der Landesgesetze die Wissenschaftlichen Hochschulen, meist auch die verfassten Studentenschaften, die mitgliedschaftlich organisierten Kammern der Rechtsanwälte, Notare, Ärzte und Apotheker (einschl der Kassenärztlichen Vereinigungen), im Handwerk sowohl die Handwerkskammern als auch die Innungen, ferner die Industrie- und Handelskammern. Von § 89 erfasst sind Körperschaften, die als Träger der Sozialversicherung fungieren. Zu erwähnen sind Körperschaften der Wasser-, Boden- und Landschaftsnutzung. Unter den Anstalten ragen hervor kommunale Sparkassen, Rundfunkanstalten sowie einige öffentlich-rechtl Geldinstitute.

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3. Auf die Anwendung des § 89 schlägt die – zuweilen problematische – Abgrenzung zw privatrechtlichem und hoheitlichem Handeln uneingeschränkt durch, da die Vorschrift nur für Ersteres gilt; bei Letzterem bestimmt sich die Haftung nach § 839 iVm Art 34 GG bzw sonstigen staatshaftungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen. Geht man davon aus, dass die öffentliche Hand mangels entgegenstehender gesetzlicher Bestimmungen frei entscheiden kann, ob sie eine Aufgabe in öffentlich-rechtl oder privatrechtlicher Form durchführt, und dass für die Haftungsverfassung diese Rechtsform des Handelns maßgeblich ist (BGH 41, 264, 270; 60, 54, 59; 91, 84; BVerwG NJW 1986, 2387), kann der Staat nach § 89 haftbar werden nicht nur bei der Durchführung von Hilfsgeschäften am privaten Markt (den ursprünglich unter „fiskalisch“ angesprochenen Vorgängen), sondern auch bei erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit und bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben in den Handlungsformen des Privatrechts, die verbreitet als Verwaltungsprivatrecht bezeichnet wird.

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Von den in Bezug auf die Haftung wichtigen, zT umstrittenen Einzelfällen sind hier hervorzuheben (s auch § 839 Rn 21ff): Soweit es um ein Handeln als Vermögensträger durch vertragliche Kontakte auf der Ebene geht, die auch Privaten zugänglich ist, wird der Staat fiskalisch tätig; bei Verträgen ergibt sich der privat- oder öffentlich-rechtl Charakter in erster Linie aus dem Gegenstand (BGH 32, 214, 216; 56, 356, 368; JZ 1973, 420). Der Bau von Straßen als Erfüllung der Straßenbaulast sowie die Unterhaltung der Straßen sind öffentlich-rechtl (BGH 9, 373, 389; NJW 1996, 3208, 3209). Das schließt indessen nicht aus, die Verkehrssicherungspflicht als eine durch die Widmung für den allg Verkehr begründete privatrechtliche Pflicht zu qualifizieren, wie es die Rspr (BGH 6, 195; 9, 373, 385; 12, 94; 14, 83; NJW 1968, 443; NJW 1972, 750) tut, auch bzgl der Bundeswasserstraßenverwaltung (BGH VersR 1985, 688). Anderes gilt dort, wo (landesrechtliche) Regeln auch die Verkehrssicherungspflicht den hoheitlichen Aufgaben zuweisen.

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Bei der Nutzung der von Anstalten unterhaltenen Anlagen kommt es darauf an, ob der Träger das Benutzungsverhältnis durch eine Anstaltsordnung hoheitlich gestaltet oder den Benutzern freiwillig anzunehmende Vertragsbedingungen anbieten kann und will (zu den Kriterien BGH 35, 111; BVerwG NJW 1986, 2387). Die Erhaltung der allg Verkehrssicherheit bei Schulanlagen wird als privatrechtlich qualifiziert, die Anpassung der Anlagen an die speziellen Erfordernisse des Unterrichtsbetriebs dagegen als hoheitlich, RG DR 1941, 2561. Zweifelhaft, ob es richtig ist, bei der Ausstrahlung von Sendungen durch Rundfunk- und Fernsehanstalten im Normalfall zivilrechtliche Tätigkeit und hoheitliche dann anzunehmen, wenn in Zusammenarbeit mit Hoheitsträgern besondere öffentliche Zwecke verfolgt werden (BGH 66, 182; NJW 1963, 484; Frankfurt NJW 1971, 47; s aber München NJW 1970, 1745). Die kassenärztlichen Vereinigungen üben im Verhältnis zu Kassenärzten in Zulassungsfragen öffentliche Gewalt aus, RG 164, 19. Sachverständige, die zur Vorbereitung hoheitlicher Entscheidungen tätig werden, handeln hoheitlich, wenn ihr Handeln mit der behördlichen Entscheidung in untrennbarem Zusammenhang steht (BGH 49, 110 für Fahrprüfung; VersR 68, 691 für Untersuchung durch Vertrauensarzt eines Sozialversicherungsträgers).

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4. Die Haftung der jur Pers des öffentlichen Rechts setzt voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter gehandelt hat; dies folgt aus dem Verweis auf § 31. In diese Kategorie fallen Amtsträger, die ihre Stellung auf eine Organisationsregelung stützen können, welche – vergleichbar einer Vereinssatzung – mit Anspruch auf eine gewisse Dauerwirkung die Binnenstruktur der jur Pers festlegt, etwa ein (formelles) Gesetz, eine Rechtsverordnung oder eine Satzung (ähnlich Soergel/Hadding Rn 50; MüKo/Reuter Rn 22; beide mwN). Die Rspr hat allerdings die im Rahmen von § 31 vollzogene Erweiterung der Organhaftung zur allg Repräsentatenhaftung auch auf § 89 erstreckt. Eine Zurechnung soll danach auch dann stattfinden, wenn dem Handelnden durch die allg Betriebsregelung und 202

J. Hecker

Juristische Personen

§ 89

Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der jur Pers zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass er die jur Pers auf diese Weise repräsentiert (BGH 49, 19, 21; NJW 1985, 677, 679). Dahinter steht der Gedanke, eine jur Pers solle sich nicht der Haftung entziehen dürfen, indem sie einerseits Mitarbeitern einen selbständigen Wirkungskreis einräumt, ohne sie jedoch andererseits zu verfassungsmäßigen Vertretern zu berufen (s BGH 77, 74, 77). Es besteht eine Organisationspflicht, sich nicht mit der Einsetzung bloßer Verrichtungsgehilfen zu begnügen (s BGH NJW 1972, 334). In folgenden Einzelfällen ist eine Vertreterstellung angenommen worden: Bei Gebietskörperschaf- 7 ten sind außer dem Bürgermeister (BGH MDR 1979, 832) Leiter städtischer Ämter als Organe iSd § 89 angesehen worden (RG 70, 118, 120; BGH VersR 1962, 1013), ebenso der Intendant eines Stadttheaters (RG Recht 1919 Nr 2062) oder der Betriebsdirektor eines kommunalen Eigenbetriebs, dessen Stelle im Ortsstatut vorgesehen war (RG JW 1911, 640). Aus den aus Rn 6 ersichtlichen Gründen ist die Entscheidung stark einzelfallabhängig, so dass etwa die Leiter kommunaler Energieversorgungsbetriebe (RG 74, 21, 23), Straßenmeister (Kassel OLG 12, 111), Vorstandsmitglieder des örtlichen Fremdenverkehrsvereins (BGH NVwZ 1984, 749) oder Bezirksbaumeister (Nürnberg Recht 1910, Nr 2272) nicht als verfassungsmäßig berufene Vertreter angesehen wurden, wobei heute zT wohl anders zu entscheiden wäre. Bei Krankenhäusern sind Chefärzte einer Klinik dem Träger nach § 89 zuzurechnen (München NJW 1977, 2123; LG Köln VersR 1975, 458; Frankfurt MedR 2006, 294), ohne dass es entscheidend auf das Bestehen von Vertretungsmacht ankommt (BGH NJW 1972, 334). Wer in ärztlicher Hinsicht selbständig als Chef eine Abteilung leitet, ist Vertreter iSd § 89 (BGH 77, 74, 77f), auch wenn er einer dienstlichen Oberaufsicht unterliegt; die Rspr nimmt dies auch bei anderen leitenden Ärzten an, die im medizinischen Bereich Weisungen nicht unterworfen sind (BGH VersR 1984, 460, 462). Zu beachten ist freilich, dass im Rahmen privater Behandlung durch den liquidationsberechtigten Chefarzt medizinische Behandlungsfehler nicht über § 89 dem Krankenhausträger zugerechnet werden (BGH NJW 1975, 1463; BGH 120, 376, 382; s § 839 Rn 31); so auch Frankfurt NJW-RR 1993, 1248 für ambulante Nachbehandlung durch den die Ambulanz aufgrund kassenärztlicher Bestellung betreibenden Chefarzt. Auf die fehlende Haftung des Krankenhauses muss der Patient beim gespaltenen Krankenhausvertrag deutlich aufmerksam gemacht werden, BGH JZ 1993, 1062. 5. Eine Zurechnung an die jur Pers setzt wie bei § 31 voraus, dass in Ausübung des Amtes und nicht 8 lediglich „bei Gelegenheit“ gehandelt wird. Insoweit gelten keine Besonderheiten ggü der Organhaftung bei jur Pers des Privatrechts. Die Haftung wird allerdings – anders als bei § 31 und ähnlich der ultra-vires-Doktrin des angelsächsischen Rechtskreises – weiter davon abhängig gemacht, dass die Handlung sich innerhalb des Aufgabenbereichs der jur Pers bewegt, wie er durch den öffentlichrechtl Errichtungs- bzw Anerkennungsakt festgelegt worden ist (BGH 20, 119, 123, 126). Zur Rechtfertigung dieser Priviligierung ggü privatrechtlichen Verbänden kann auf das Allgemeininteresse an der Effektivität öffentlich-rechtl kompetenzieller Begrenzungen verwiesen werden, ferner auch darauf, dass die Zweckbestimmung jur Pers des öffentlichen Rechts vergleichsweise transparent ist. Allerdings sind im Interesse des Verkehrsschutzes Überspannungen zu vermeiden. Ein Handeln ultra vires dürfte nur bei jur Pers mit spezialisierter Aufgabenzuständigkeit, nicht bei Gebietskörperschaften wie Bund, Ländern und Gemeinden in Frage kommen; zudem sind die ultra-vires-Grundsätze strikt auf rechtsgeschäftliche und geschäftsähnliche Amtsverrichtungen zu beschränken (vgl MüKo/ Reuter Rn 25ff). Vom Handeln außerhalb des Aufgabenbereichs der jur Pers ist das Überschreiten der durch orga- 9 nisationsrechtliche Bestimmungen eingeräumten Vertretungsmacht zu unterscheiden. Es gilt auch für jur Pers des öffentlichen Rechts die allg Regel, wonach Willenserklärungen, die ohne Vertretungsmacht abgegeben werden, nicht für oder gegen den Vertretenen wirken. Die Rspr neigt indes zugunsten der öffentlichen Hand dazu, Verstöße gegen öffentlich-rechtl Formvorschriften, Zuständigkeitsregelungen und Genehmigungserfordernisse durchwegs als Fälle des Mangel an Vertretungsmacht zu behandeln (BGH 5, 205, 213; NJW 1980, 117; BB 1992, 2103; NJW-RR 2001, 1524), wobei die praktischen Wirkungen dieses Ansatzes nicht über die Figur der Rechtsscheinvollmacht korrigierbar sein sollen, es sei denn, für den Rechtsschein ist ein zuständiges Organ verantwortlich (BGH NJW 1972, 940, 941; zum Ganzen instruktiv MüKo/Reuter Rn 25ff). Scheidet danach eine vertragliche Haftung der jur Pers des öffentlichen Rechts aus, so kann sich gleichwohl eine Ersatzpflicht aus §§ 89 I, 31, 823 II iVm § 263 StGB bei bewusster Täuschung des Handelnden über den Umfang seiner Vertretungsmacht ergeben (BGH NJW 1986, 2939); ferner auch aus dem Gesichtspunkt einer Verletzung vorvertraglicher Pflichten (vgl BGH 92, 164, 175f; NJW-RR 2001, 1524), freilich mit strikter Begrenzung auf den Ersatz des negativen Interesses (BGH NJW-RR 2001, 1524). Hingegen keine Zurechnung der Eigenhaftung des vollmachtlosen Vertreters nach § 179 (BGH NJW 1986, 2939, 2940). 6. Der Inhalt der Organhaftung der jur Pers des öffentlichen Rechts im privatrechtlichen Funk- 10 tionskreis richtet sich nach den vertraglichen oder gesetzlichen Anspruchsnormen, deren Tatbestand durch den verfassungsmäßig berufenen Vertreter bzw Repräsentanten verwirklicht wird. Die Verwirklichung von § 839 durch einen beamteten Vertreter bzw Repräsentanten bleibt allerdings unberücksichtigt (BGH MDR 1952, 674, 676; RGRK/Steffen Rn 12; Staud/Rawert Rn 6), andernfalls die durch § 89 für den privatrechtlichen Funktionskreis vorgenommene haftungsrechtliche Gleichstellung mit der jur Pers des Privatrechts fehlschlüge. Die jur Pers des öffentlichen Rechts kann sich dementsprechend hier auch nicht auf den Ausschluss der §§ 823ff durch § 839 oder auf die einzelnen Haftungserleichterungen in § 839 I S 2, III berufen; umgekehrt kommen die Haftungserweiterungen, die § 839 im Verhältnis etwa zu § 823 mit sich bringt (va Ersatz auch von reinen Vermögensschäden), J. Hecker

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§ 89

Allgemeiner Teil

Personen

gleichfalls nicht zum Tragen. Trifft den Handelnden eine persönliche Haftung nach § 839, kommt ihm die Subsidiaritätsklausel nach Abs I S 2 dieser Vorschrift zugute, wenn sein Handeln zugleich einen anderen Haftungstatbestand verwirklicht und über § 89 zur Haftung der jur Pers führt (BGH NJW 2001, 2626, 2629). Für die übrigen Bediensteten, die nicht unter § 89 fallen, haftet die jur Pers des öffentlichen Rechts im privatrechtlichen Funktionskreis über §§ 278, 832 (RGRK/Steffen Rn 12). 11

7. Zur Zwangsvollstreckung gegen jur Pers öffentlichen Rechts § 882a ZPO; zur Vollstreckung wegen Geldforderungen § 170 VwGO. Die Insolvenzfähigkeit von jur Pers öffentlichen Rechts, unterstellt in § 11 I InsO, ist häufig durch Landesrecht, etwa Gemeindeordnungen, ausgeschlossen. Die Befugnis hierzu hat der Landesgesetzgeber auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten (BVerfG 60, 135, 154ff; ZIP 1984, 344).

Abschnitt 2 Sachen und Tiere Vorbemerkung 1

1. Überblick. Die §§ 90ff treffen gemeinsame Bestimmungen für Sachen und Tiere. § 90 definiert Sachen als körperliche Gegenstände und damit als eine Unterart der Gegenstände. Der Begriff Gegenstand wird im Gesetz nicht definiert. Betrachtet man allein die §§ 90ff, so lassen sich Gegenstände in drei Gruppen unterteilen: unkörperliche Gegenstände (Rechte, Forderungen), körperliche Gegenstände (Sachen) und Tiere, wobei auf letztere die für die Sachen geltenden Vorschriften entspr anzuwenden sind (§ 90a). Diese Einteilung hält das BGB nur im Sachenrecht ein. Sie wird an verschiedenen Stellen durchbrochen, so zB bei den §§ 119 II und 434.

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2. Gegenstand. Die Definition des im BGB nicht erklärten Gegenstandsbegriffs ist umstr (ausf Staud/Jickeli/Stieper Vor § 90 Rn 3ff). Im umfassenden Sinn ist unter Gegenstand (= Rechtsobjekt) alles das zu verstehen, was vom Menschen beherrschbar ist und ihm von der Rechtsordnung so zugeordnet wird, dass der Wille des Menschen rechtlich maßgebend ist. Das BGB verwendet den Gegenstandsbegriff nicht einheitlich. In Vorschriften, welche eine dingliche Beherrschung oder eine Verfügung (vgl Einl § 104 Rn 21) über einen Gegenstand betreffen (ua §§ 135, 161, 185, 2040), zählen zu den Gegenständen neben den Sachen auch die Vermögensrechte, RG 89, 300, wie zB Hypothek, Grunddienstbarkeit, Nießbrauch, Mitgliedschaftsrechte an Kapital- und Personengesellschaften, RG 92, 401, Besitz-, Miet- und Pachtrecht, sowie immaterielle Güterrechte, RG 62, 321; 75, 219; nicht hingegen Persönlichkeitsrechte (wie Namensrecht, Familienrechte) und selbständige Gestaltungsrechte (Anfechtungs-, Rücktrittsrecht pp). In Vorschriften, welche die Gegenstände als Objekte des schuldrechtlichen Verkehrs behandeln, umfasst der Gegenstandsbegriff außerdem Vermögenswerte rein tatsächlicher Art, wie Kundschaft, RG DR 1942, 465; ärztliche Praxis, RG 75, 120; BGH NJW 1959, 1584. S auch § 453, wonach ein Kaufvertrag auch über sonstige Gegenstände, wie Werbeideen, Know-how, Software und Energien, soweit sie technisch beherrschbar sind (leitungsgebunden, in Flaschen etc), geschlossen werden kann.

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3. Abgrenzung: Sachen und Rechte. Sachen iSd Gesetzes sind körperliche Gegenstände, § 90. Als Rechtsobjekte stehen den Sachen die Rechte ggü, und zwar ohne Unterschied, ob es sich um absolute oder relative Rechte handelt. Die Rechte als Rechtsobjekte sind durch die fehlende Körperlichkeit gekennzeichnet. Körperlichkeit bedeutet das räumliche Zutagetreten von Materie (fest, flüssig, gasförmig) in beherrschungsfähiger Einheit. Der Unterschied zu den Sachen wirkt sich vor allem in den unterschiedlich gestalteten Verfügungstatbeständen über Rechte und Sachen aus.

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4. Einteilung der Sachen. Das BGB unterscheidet zw a) beweglichen und unbeweglichen Sachen. Unbeweglich sind nur Grundstücke (RG 59, 21), dh abgegrenzte Teile der Erdoberfläche, die im Grundbuch als selbständige Grundstücke eingetragen sind (Ausnahme § 3 II, III GBO), Oldenburg Rpfleger 1977, 22, sowie deren Bestandteile. Den Grundstücken rechtlich gleichgestellt sind das Erbbaurecht (§ 11 ErbbauRG), das Wohnungseigentum (§§ 1, 3, 7 WEG) sowie die nach Landesrecht als Immobiliarrechte ausgestalteten Rechte, vgl Vor § 873 Rn 5. Alle übrigen Sachen sind beweglich, vgl RG 87, 51; 158, 368. Dies gilt auch für die nur vorübergehend mit dem Grund und Boden verbundenen Sachen (§ 95 I S 1) und für Gebäude, sofern diese ausnahmsweise keine wesentlichen Bestandteile des Grundstücks sind (§ 95 I S 2). Schiffe und Luftfahrzeuge sind ebenfalls bewegliche Sachen, doch gelten für sie nach dem SchRG und LuftRG zT ähnliche Grundsätze wie für Grundstücke. b) vertretbaren und nicht vertretbaren Sachen, vgl § 91. c) verbrauchbaren und nicht verbrauchbaren Sachen, vgl § 92. d) Gattungs- und Speziessachen, vgl § 243. e) teilbaren und unteilbaren Sachen, vgl § 752. f) Hauptsachen und Zubehör, vgl § 97. g) Hauptsachen und Nebenbestandteilen, vgl §§ 947 II, 97 I.

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5. Von den Sachen zu unterscheiden sind insb die Sachgesamtheit und die Rechtsgesamtheit: a) Die Sachgesamtheit oder der Sachinbegriff ist eine Zusammenfassung selbständiger Sachen (Herde, Briefmarkensammlung, Warenlager, landwirtschaftliches Inventar, Sitzgruppe, Celle NJWRR 1994, 1305), bei dem sowohl die Gesamtheit als solche wie auch jede einzelne zu ihr gehörende Sache wirtschaftliche Bedeutung hat. Gegenstand von Rechten können nur die einzelnen Sachen der Gesamtheit sein; doch sind schuldrechtliche Verträge mit Bezug auf die Gesamtheit als solche zuge204

J. Hecker/L. Michalski

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gleichfalls nicht zum Tragen. Trifft den Handelnden eine persönliche Haftung nach § 839, kommt ihm die Subsidiaritätsklausel nach Abs I S 2 dieser Vorschrift zugute, wenn sein Handeln zugleich einen anderen Haftungstatbestand verwirklicht und über § 89 zur Haftung der jur Pers führt (BGH NJW 2001, 2626, 2629). Für die übrigen Bediensteten, die nicht unter § 89 fallen, haftet die jur Pers des öffentlichen Rechts im privatrechtlichen Funktionskreis über §§ 278, 832 (RGRK/Steffen Rn 12). 11

7. Zur Zwangsvollstreckung gegen jur Pers öffentlichen Rechts § 882a ZPO; zur Vollstreckung wegen Geldforderungen § 170 VwGO. Die Insolvenzfähigkeit von jur Pers öffentlichen Rechts, unterstellt in § 11 I InsO, ist häufig durch Landesrecht, etwa Gemeindeordnungen, ausgeschlossen. Die Befugnis hierzu hat der Landesgesetzgeber auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten (BVerfG 60, 135, 154ff; ZIP 1984, 344).

Abschnitt 2 Sachen und Tiere Vorbemerkung 1

1. Überblick. Die §§ 90ff treffen gemeinsame Bestimmungen für Sachen und Tiere. § 90 definiert Sachen als körperliche Gegenstände und damit als eine Unterart der Gegenstände. Der Begriff Gegenstand wird im Gesetz nicht definiert. Betrachtet man allein die §§ 90ff, so lassen sich Gegenstände in drei Gruppen unterteilen: unkörperliche Gegenstände (Rechte, Forderungen), körperliche Gegenstände (Sachen) und Tiere, wobei auf letztere die für die Sachen geltenden Vorschriften entspr anzuwenden sind (§ 90a). Diese Einteilung hält das BGB nur im Sachenrecht ein. Sie wird an verschiedenen Stellen durchbrochen, so zB bei den §§ 119 II und 434.

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2. Gegenstand. Die Definition des im BGB nicht erklärten Gegenstandsbegriffs ist umstr (ausf Staud/Jickeli/Stieper Vor § 90 Rn 3ff). Im umfassenden Sinn ist unter Gegenstand (= Rechtsobjekt) alles das zu verstehen, was vom Menschen beherrschbar ist und ihm von der Rechtsordnung so zugeordnet wird, dass der Wille des Menschen rechtlich maßgebend ist. Das BGB verwendet den Gegenstandsbegriff nicht einheitlich. In Vorschriften, welche eine dingliche Beherrschung oder eine Verfügung (vgl Einl § 104 Rn 21) über einen Gegenstand betreffen (ua §§ 135, 161, 185, 2040), zählen zu den Gegenständen neben den Sachen auch die Vermögensrechte, RG 89, 300, wie zB Hypothek, Grunddienstbarkeit, Nießbrauch, Mitgliedschaftsrechte an Kapital- und Personengesellschaften, RG 92, 401, Besitz-, Miet- und Pachtrecht, sowie immaterielle Güterrechte, RG 62, 321; 75, 219; nicht hingegen Persönlichkeitsrechte (wie Namensrecht, Familienrechte) und selbständige Gestaltungsrechte (Anfechtungs-, Rücktrittsrecht pp). In Vorschriften, welche die Gegenstände als Objekte des schuldrechtlichen Verkehrs behandeln, umfasst der Gegenstandsbegriff außerdem Vermögenswerte rein tatsächlicher Art, wie Kundschaft, RG DR 1942, 465; ärztliche Praxis, RG 75, 120; BGH NJW 1959, 1584. S auch § 453, wonach ein Kaufvertrag auch über sonstige Gegenstände, wie Werbeideen, Know-how, Software und Energien, soweit sie technisch beherrschbar sind (leitungsgebunden, in Flaschen etc), geschlossen werden kann.

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3. Abgrenzung: Sachen und Rechte. Sachen iSd Gesetzes sind körperliche Gegenstände, § 90. Als Rechtsobjekte stehen den Sachen die Rechte ggü, und zwar ohne Unterschied, ob es sich um absolute oder relative Rechte handelt. Die Rechte als Rechtsobjekte sind durch die fehlende Körperlichkeit gekennzeichnet. Körperlichkeit bedeutet das räumliche Zutagetreten von Materie (fest, flüssig, gasförmig) in beherrschungsfähiger Einheit. Der Unterschied zu den Sachen wirkt sich vor allem in den unterschiedlich gestalteten Verfügungstatbeständen über Rechte und Sachen aus.

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4. Einteilung der Sachen. Das BGB unterscheidet zw a) beweglichen und unbeweglichen Sachen. Unbeweglich sind nur Grundstücke (RG 59, 21), dh abgegrenzte Teile der Erdoberfläche, die im Grundbuch als selbständige Grundstücke eingetragen sind (Ausnahme § 3 II, III GBO), Oldenburg Rpfleger 1977, 22, sowie deren Bestandteile. Den Grundstücken rechtlich gleichgestellt sind das Erbbaurecht (§ 11 ErbbauRG), das Wohnungseigentum (§§ 1, 3, 7 WEG) sowie die nach Landesrecht als Immobiliarrechte ausgestalteten Rechte, vgl Vor § 873 Rn 5. Alle übrigen Sachen sind beweglich, vgl RG 87, 51; 158, 368. Dies gilt auch für die nur vorübergehend mit dem Grund und Boden verbundenen Sachen (§ 95 I S 1) und für Gebäude, sofern diese ausnahmsweise keine wesentlichen Bestandteile des Grundstücks sind (§ 95 I S 2). Schiffe und Luftfahrzeuge sind ebenfalls bewegliche Sachen, doch gelten für sie nach dem SchRG und LuftRG zT ähnliche Grundsätze wie für Grundstücke. b) vertretbaren und nicht vertretbaren Sachen, vgl § 91. c) verbrauchbaren und nicht verbrauchbaren Sachen, vgl § 92. d) Gattungs- und Speziessachen, vgl § 243. e) teilbaren und unteilbaren Sachen, vgl § 752. f) Hauptsachen und Zubehör, vgl § 97. g) Hauptsachen und Nebenbestandteilen, vgl §§ 947 II, 97 I.

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5. Von den Sachen zu unterscheiden sind insb die Sachgesamtheit und die Rechtsgesamtheit: a) Die Sachgesamtheit oder der Sachinbegriff ist eine Zusammenfassung selbständiger Sachen (Herde, Briefmarkensammlung, Warenlager, landwirtschaftliches Inventar, Sitzgruppe, Celle NJWRR 1994, 1305), bei dem sowohl die Gesamtheit als solche wie auch jede einzelne zu ihr gehörende Sache wirtschaftliche Bedeutung hat. Gegenstand von Rechten können nur die einzelnen Sachen der Gesamtheit sein; doch sind schuldrechtliche Verträge mit Bezug auf die Gesamtheit als solche zuge204

J. Hecker/L. Michalski

Sachen und Tiere

Vor § 90

lassen, Warn Rspr 1918, 155. Auch kann die Übereignung (und Verpfändung) der einzelnen Sachen unter der Benutzung der Gesamtheit geschehen, RG 53, 220; 144, 64. Rechtlich bedeutsam ist die Zugehörigkeit zu einem Sachinbegriff ua für die Bestimmung nach § 92 II sowie im Rahmen der Pacht und des Nießbrauchs, §§ 586ff, 1035, 1048. Gegenstand des Nießbrauchs ist bei § 1035 trotz der Gesetzesfassung nicht der Sachinbegriff, sondern jede einzelne dazugehörige Sache, vgl § 1035 Rn 2. b) Die Rechtsgesamtheit oder der Rechtsinbegriff ist eine wirtschaftliche Einheit von Sachen, 6 Rechten und Vermögenswerten tatsächlicher Art, wie das Vermögen, Sondervermögen (Erbschaft, Gesellschaftsvermögen). An der Gesamtheit als solcher können auch hier Rechte nicht begründet werden, RG 70, 226ff. Doch können in bestimmten Fällen die zur Rechtsgesamtheit gehörenden Gegenstände einheitlich übergehen; so nach §§ 1416, 1922. Auch sind einheitliche schuldrechtliche Rechtsgeschäfte über Rechtsgesamtheiten zulässig. Sondervorschriften für diese Verträge enthalten ua §§ 310f, 1822, 2371ff. Eine Rechtsgesamtheit besonderer Art ist das Unternehmen. Dabei handelt es sich um eine wirt- 7 schaftliche Einheit, zu der Sachen (einschl Grundstücke) und Rechte aller Art gehören; wobei sich die wesentliche Beeinflussung der Einheit uU auch aus der Person des Unternehmers ergeben kann. Einen Rechtsbegriff des Unternehmens, der für diese wirtschaftliche Einheit als rechtliche Klammer wirkt, gibt es nicht. Auch Institute der Zusammenfassung von Objekten (Bestandteil und Zubehör) tragen der Unternehmenseinheit nur sehr bedingt Rechnung, vgl § 97 Rn 2b. Als einheitlicher Gegenstand schuldrechtlicher Geschäfte ist das Unternehmen anerkannt; zur Behandlung des eingerichteten Gewerbebetriebs (Unternehmen) als Schutzobjekt vgl BGH ZIP 1987, 662; BGH 29, 65. – Der Begriff des Unternehmens als einheitliches Rechtsobjekt ist zu unterscheiden vom Unternehmen in sonstigen Funktionen, insb in §§ 15ff AktG und § 1 GWB. – In bestimmten, nicht ausdehnend auszulegenden Einzelfällen gilt bei Sondervermögen der Grundsatz der dinglichen Surrogation, zB §§ 718 II, 1048, 1370, 2019, 2041, 2111. c) Seit 1970 hat auch das Wirtschaftsgut Eingang in das BGB gefunden (vgl § 2331a).

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6. Eine Beschränkung der Verkehrsfähigkeit von Sachen kann sich aus zwei Gründen ergeben: ent- 9 weder aus ihrer natürlichen Beschaffenheit (fehlende Beherrschbarkeit) oder aus einer rechtlich wertenden Betrachtung (öffentliche Sachen). a) Das aufgrund der natürlichen Beschaffenheit Nichtbeherrschbare ist keine Sache im Rechtssin- 10 ne, zB die freie Luft, das offene Meer oder die frei fließende Wasserwelle, RG 53, 98; 92, 47. Anderes gilt für den Grundwasserstrom. Das Grundwasser unterliegt innerhalb der Grundstücksgrenzen der ausschließlichen Verfügungsgewalt des Eigentümers, BayObLG NJW 1965, 973. Urkunden sind Sachen, auch soweit an ihnen nach § 952 Sondereigentum nicht zugelassen wird, RG 91, 157 (Hypothekenbrief); LG München I DAR 1958, 267 (Kraftfahrzeugbrief). Das Patentrecht als solches, dem jede Körperlichkeit fehlt, ist keine Sache, RG 153, 213; GmbH-Anteile sind keine Sachen iSd § 90, Schlosser JZ 1969, 338. b) Dem privaten Rechtsverkehr nur beschränkt zugänglich sind die öffentlichen Sachen. Darunter 11 sind solche Gegenstände zu verstehen, die dazu bestimmt sind, entweder unmittelbar dem Gemeinwohl oder den eigenen Bedürfnissen der öffentlichen Verwaltung zu dienen (im Einz str; ausf zu öffentlichen Sachen Soergel/Mühl Rn 40ff). Innerhalb des öffentlichen Sachbegriffs lässt sich zw im Gemeingebrauch und im Verwaltungsgebrauch stehenden Sachen unterscheiden. Eine Sonderstellung nehmen die res sacrae und religiosae ein. aa) Dem Gemeingebrauch gewidmet sind Sachen, deren Benutzung jedermann unmittelbar und 12 ohne besondere Zulassung offen steht (Straßen, Plätze pp), vgl § 7 FStrG. Sie sind nicht schlechthin dem Rechtsverkehr entzogen, sondern können grds auch Gegenstand besonderer Rechte sein (RG 118, 93; 123, 183; 125, 110) und können damit auch im Privateigentum stehen (Schleswig NJW-RR 2003, 1171). Doch können Vorschriften des öffentlichen Rechts und öffentlich-rechtl Zweckbestimmungen den Sachen ganz oder teilw die Verkehrsfähigkeit nehmen. Diese Beschränkung gilt auch dann, wenn die Sachen nicht im Eigentum öffentlich-rechtl Körperschaften stehen, sondern Privateigentum bilden. Näheres § 905 Rn 7f. bb) Zum Verwaltungsvermögen gehören alle Gegenstände, die durch ihren Gebrauch unmittelbar 13 dem Dienstbetrieb der Verwaltung dienen (im Einz str; ausf Forsthoff VerwaltungsR § 20 Nr 1). Hierzu zählen zB Verwaltungsgebäude, Kasernen (BGH NJW 1995, 1493) oder Gefängnisse, jeweils mit dazugehörigem Inventar. Sie sind ebenfalls nur insoweit verkehrsfähig, als es die öffentliche Zweckbestimmung gestattet. Durch den öffentlich-rechtl Akt der Entwidmung können diese Gegenstände wieder voll verkehrsfähig werden. cc) Res sacrae sind die unmittelbar dem religiösen Kultus einer anerkannten oder als öffentlich- 14 rechtl Körperschaft privilegierten Kirche oder Religionsgemeinschaft dienenden Sachen, insb Gotteshäuser und kirchliche Gerätschaften einschl der Kirchenglocken (Staud/Jickeli/Stieper Rn 55). Auch sie sind nur verkehrsfähig, soweit es die Zweckbestimmung erlaubt. Eine Entwidmung durch den Eigentümer ohne Zustimmung des Widmungsbegünstigten ist nicht möglich (BayObLG 1980, 389), und zwar auch dann nicht, wenn sich der Eigentümer bei der Widmung eine andere Verwendung vorbehalten hat (BayObLG 1980, 386). Grds Gleiches wie für res sacrae gilt auch für res religiosae, wie zB kirchliche Friedhöfe (vgl dazu und zu gemeindlichen Grabstätten Staud/Jickeli/Stieper Rn 61ff). Grabdenkmäler können aber Gegenstand privater Rechte sein (BGH NJW-RR 2006, 570).

L. Michalski

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Vor § 90 15

Allgemeiner Teil

Sachen und Tiere

dd) Nicht zu den öffentlichen Sachen zählt das Finanzvermögen des Staates oder sonstiger öffentlicher Verwaltungsträger (zB Kapitalbeteiligungen an wirtschaftlichen Unternehmen). Diese nur mittelbar durch ihren Wert bzw Ertrag der öffentlichen Verwaltung dienenden Sachen sind voll verkehrsfähig und unterliegen dem Privatrecht. Allerdings wird die Zwangsvollstreckung idR durch § 882a ZPO und durch § 135 II EGZPO iVm entspr landesrechtlichen Bestimmungen beschränkt.

90

Begriff der Sache Sachen im Sinne des Gesetzes sind nur körperliche Gegenstände.

1

1. Begriff. Zur Definition, Abgrenzung und Einteilung von Sachen s Vor §§ 90ff. a) Entscheidendes Merkmal für den Sachbegriff ist die Körperlichkeit. Sie bedeutet das räumliche Zutagetreten von Materie (fest, flüssig, gasförmig) in beherrschungsfähiger Einheit, die den sachenrechtlichen Rechtsinstituten (Besitz, Eigentum, Übergabe, Pfandrecht) zugänglich ist. Der naturwissenschaftliche Sachbegriff ist daher insoweit nicht maßgebend, als er mit Maßstäben arbeitet, die der Funktion der Rechtsvorschriften nicht angemessen sind.

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aa) Elektrischer Strom ist juristisch keine Sache, weil er weder besessen oder körperlich übergeben werden kann, noch die Begriffe Eigentum und Pfandrecht auf ihn anwendbar sind; er ist jedoch, vergleichbar anderen Energien, in leitungsgebundener Form ein sonstiger Gegenstand iSd § 453 I, so dass darauf die Vorschriften über den Sachkauf entspr anwendbar sind (BaRo/Faust § 453 Rn 23).

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bb) Das „Werk“ als geistiges Gebilde wird von § 90 nicht erfasst, BGH 44, 294. Umstr ist allerdings die Qualifizierung von Computerprogrammen. Nach neuerer und in der Lit wohl hA ist die Sacheigenschaft von Software zu bejahen (Marly BB 1991, 435; König NJW 1993, 3124; ders NJW 1990, 408; ders NJW 1989, 2604; 1584ff; ders CR 1989, 109; Stuttgart NJW 1989, 2635; Heymann CR 1990, 112; Megede NJW 1989, 2582; aA Pal/Ellenberger Rn 2; Redeker NJW 1992, 1739; Moritz CR 1994, 257; bzgl Datenbanken Mehrings NJW 1993, 3102). Nach Ansicht des BGH stellt Software jedenfalls in ihrer Verkörperung in einem Datenträger eine Sache im Rechtssinne dar (BGH 102, 144; aA Müller-Hengstenberg NJW 1994, 3128). Ansonsten ist Software körperlichen Sachen zumindest angenähert, so dass die mietvertraglichen Vorschriften über bewegliche Sachen jedenfalls entspr anwendbar sind (so noch zum Kaufvertragsrecht vor der Schuldrechtsreform BGH NJW 1990, 320f; Bartsch CR 1989, 694; bzgl Sachpfändung Franke MDR 1996, 238), dies gilt auch bei Überspielen eines Programms auf die Festplatte (BGH 109, 101; Kort DB 1994, 1506f). Ausf zum Ganzen Michalski/Bösert, Die vertragsund schutzrechtliche Behandlung von Computerprogrammen, 1992, und Müller-Hengstenberg CR 2004, 161ff. Im Rahmen des Kaufvertragsrechts hat sich dieses Problem durch die Neufassung des § 453 erledigt; danach finden die Vorschriften über den Sachkauf auf Rechte und sonstige Gegenstände, wozu auch Software gehört, entspr Anwendung. Zugleich steht damit aber fest, dass Software die Sacheigenschaft nicht per se besitzt, sondern nur der Datenträger, soweit überhaupt Vertragsgegenstand, mit den darauf gespeicherten Impulsen.

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b) Ferner wird der Sachbegriff von der Verkehrsauffassung bestimmt. Eine Sache im Rechtssinne liegt daher auch dann vor, wenn einzelne körperliche Gegenstände, die jeweils für sich keine wirtschaftliche Bedeutung haben, bei einer nach Maß oder Gewicht gefassten Menge von der Verkehrsauffassung und der natürlichen Anschauung als eine Sache verstanden werden; so zB bei Getreide, Kohlen, Kartoffeln pp. Dies ändert nichts daran, dass auch die einzelne Sache Gegenstand des Rechtsverkehrs und selbständige Sache im Rechtssinne sein kann.

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2. Sonderfälle. a) Der lebende Mensch ist Person und keine Sache. Das gilt auch für den menschlichen Embryo, vgl dazu BVerfG 39, 1, und für das extra corpus befruchtete lebende menschliche Ei. Abgetrennte Körperteile werden mit Rücksicht auf die Verkehrsanschauung bewegliche Sachen im Rechtssinne (BGH 124, 54 mwN), insb abgeschnittene Haare. Dies gilt jedoch nicht, wenn sie zur Bewahrung von Körperfunktionen oder zur späteren Wiedereingliederung in den Körper bestimmt sind (zB gespendetes Blut, Sperma oder Organ), BGH 124, 54f; NJW 1994, 127; krit Taupitz NJW 1995, 745; Nixdorf VersR 1995, 740. Künstliche Körperteile, die mit dem Körper fest verbunden werden, wie Zahnplomben oder Kunstrippen, verlieren mit der Einfügung die Eigenschaft als Sache. Prothesen, Perücken bleiben verkehrsfähig und behalten die Sacheigenschaft, sind aber der Pfändung entzogen, § 811 Nr 12 ZPO.

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b) Der menschliche Leichnam ist eine (herrenlose) Sache (wie hier Soergel/Marly Rn 9; aA Larenz AT § 20 Rn 9; offen Staud/Jickeli/Stieper Rn 27, sehr str). Der Aneignung steht das Sittengesetz, Art 2 I GG, entgegen (Ausnahme: sog Anatomieleichen, vgl Geiger FS Stein 1979, 92), das auch iÜ die Verkehrsfähigkeit eng begrenzt. Die Totenfürsorge steht den nächsten Angehörigen zu, RG 154, 269. Sie können auch die Einwirkung Dritter auf die Leiche verbieten. Zur Obduktion und zur Exhumierung vgl LG Detmold FamRZ 1958, 280 m Anm Baumann.

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3. Rechtliche Bedeutung gewinnt § 90 insb im Sachenrecht, da nur an Sachen Eigentum iSd §§ 903ff, andere dingliche Rechte (Ausnahme §§ 1068ff, 1273ff) oder Besitz bestehen können. Außerhalb des Sachenrechts ist die Definition des § 90 nicht abschließend. Mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Verkehrs wird der Begriff Sache zB in § 119 II (BGH LM § 779 BGB Nr 2; RG 149, 238) auch auf unkörperliche Gegenstände ausgedehnt. Dasselbe gilt auch für § 849 (BGH 8, 288, 298; NJW 2008, 1084).

206

L. Michalski

Sachen und Tiere

§ 92

90a

Tiere Tiere sind keine Sachen. Sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Auf sie sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Die Vorschrift ist eingefügt worden durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tie- 1 res im bürgerlichen Recht v 20.8.1990 (BGBl I 1762). Ihr Grundgedanke besteht darin, dass der Mensch für das Mitgeschöpf und schmerzempfindliche Wesen Verantwortung tragen soll (Mühe NJW 1990, 2238; Lorz MDR 1990, 1057). I Erg beinhaltet § 90a jedoch nur eine „gefühlige Deklamation“ ohne rechtliche Auswirkungen (Pal/Ellenberger Rn 1; humorvoll K. Schmidt JZ 1989, 790ff). Besondere Bestimmungen iSd S 2 sind neben dem TierschutzG die §§ 251 II S 2, 833f, 903 S 2, 960ff BGB; §§ 765a I S 2, 811c I ZPO. Zur Einstufung des Tieres als neue oder gebrauchte Sache s BGH NJW 2007, 674, 676f; zur Feststellung der üblichen Beschaffenheit beim Tier s BGH NJW 2007, 1351, 1352f. Im Strafrecht stellt sich mit § 90a die Frage, ob jetzt das Analogieverbot (Art 103 II GG) einer An- 2 wendung der §§ 242, 303 StGB auf Tiere entgegensteht (vgl dazu Küper JZ 1993, 435ff). Die Beantwortung kann hier dahingestellt bleiben. Die fehlende Sacheigenschaft von Tieren begründet keinen Ausschluss der Blindenführhunde aus 3 der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen (SG Aachen BDH-Kurier 2003, Nr 1/2, 16).

91

Vertretbare Sachen Vertretbare Sachen im Sinne des Gesetzes sind bewegliche Sachen, die im Verkehr nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmt zu werden pflegen. 1. § 91 gibt eine Definition der vertretbaren Sachen und bestimmt damit, dass alle anderen als 1 nicht vertretbar zu gelten haben. Eine Sache ist vertretbar, wenn sie sich von anderen Sachen der gleichen Art nicht durch ausgeprägte Individualisierungsmerkmale abhebt und deshalb von anderen Sachen jener Art ohne weiteres ersetzt werden kann, vgl BGH NJW 1966, 2307; 1971, 1794; 1977, 379. Abzustellen ist dabei auf die allg Verkehrsanschauung, der Maßstab ist also ein rein objektiver, Pal/ Ellenberger Rn 1. 2. Vertretbare Sachen sind das Geld als Tauschmittel und Wertmesser, gewöhnliche Wertpapiere, 2 serienmäßig hergestellte Maschinen und Möbel, selbst wenn sie auf Wunsch des Bestellers in Nebenpunkten wie zB Bezugsstoff, Furnier oder Farbe von der Standardproduktion abweichen, BGH NJW 1971, 1794, KG 34, 49; gewöhnliche Fensterflügel, KG 22, 392; nach Katalog hergestellte Schwimmschalter, landwirtschaftliche Erzeugnisse, Wein einer bestimmten Gattung („1988er Bergkloster Spätlese“), BGH NJW 1985, 2403; Kohlen, Papier, im Verkehr befindliche Briefmarken, sowie neue, nach Modell oder Typ bestimmte Kraftfahrzeuge, Soergel/Marly Rn 2. Schlechthin unvertretbar sind Grundstücke. Regelmäßig unvertretbar sind Kunstwerke, Tiere, nach Maß gefertigte Kleider, individuell gefertigte Möbel, für ein bestimmtes Unternehmen angefertigte Prospekte, gebrauchte Kraftfahrzeuge, Soergel/Marly Rn 2; Einbauküchen, BGH NJW-RR 1990, 788. 3. Rechtliche Bedeutung. a) Wichtig wird die Differenzierung des § 91 insb im Schuldrecht. So ist 3 bei Untergang einer vertretbaren Sache idR Naturalrestitution durch Lieferung einer anderen Sache möglich, bei unvertretbaren Sachen hingegen nicht, BGH NJW 1985, 2414. Bei Rechtsgeschäften, welche die wirtschaftliche Nutzung vertretbarer Gegenstände zum Inhalt haben (Sachdarlehen, § 607, unregelmäßige Verwahrung, § 700, Gesellschafterbeiträge, § 706) wird aufgrund des Eigentumsübergangs von vornherein nur die Pflicht zur Rückgabe einer Sache gleicher Art begründet. Ferner ist die Unterscheidung des § 91 für das auf einen Werklieferungsvertrag, § 651 anwendbare Recht entscheidend (bei herzustellender/zu erzeugender nicht vertretbarer Sache sind neben dem Kaufvertragsrecht in § 651 S 3 enumerativ aufgezählte werkvertragliche Vorschriften anwendbar), sowie für die Vorschriften der §§ 363, 381 II, 469 HGB und der §§ 692, 688, 794 Nr 5, 884 ZPO von Bedeutung. Ein Grundurteil (§ 304 ZPO) ist nur bei Klagen auf Zahlung von Geld oder Leistung von vertretbaren Sachen möglich, BGH NJW 1975, 1968. b) Durch Parteivereinbarungen können unvertretbare Sachen nicht zu vertretbaren, vertretbare 4 nicht zu unvertretbaren gemacht werden. Es ist den Parteien aber unbenommen, vertretbare Sachen rechtsgeschäftlich wie unvertretbare oder aber unvertretbare Sachen wie vertretbare zu behandeln. Im ersten Fall ist Vertragsgegenstand dann die bestimmte Sache; Vorschriften, die für vertretbare Sachen gelten, finden keine Anwendung. Im zweiten Fall bestimmen die Parteien die unvertretbare Sache nur nach Gattungsmerkmalen. Anwendung finden dann die für die Gattungssachen geltenden Vorschriften, nicht aber die für vertretbare Sachen, Staud/Jickeli/Stieper Rn 10f. Was Gattungsschuld ist, unterliegt also der Parteibestimmung; was „vertretbar“ ist, bestimmen dagegen objektive Momente.

92

Verbrauchbare Sachen (1) Verbrauchbare Sachen im Sinne des Gesetzes sind bewegliche Sachen, deren bestimmungsmäßiger Gebrauch in dem Verbrauch oder in der Veräußerung besteht. (2) Als verbrauchbar gelten auch bewegliche Sachen, die zu einem Warenlager oder zu einem sonstigen Sachinbegriff gehören, dessen bestimmungsmäßiger Gebrauch in der Veräußerung der einzelnen Sachen besteht.

L. Michalski

207

§ 92

Allgemeiner Teil

Sachen und Tiere

1

1. Grundsätzliches. § 92 scheidet die verbrauchbaren von den übrigen (unverbrauchbaren) Sachen. Die Unterscheidung ist wichtig ua für Gesellschafterbeiträge, § 706, Nießbrauch, § 1067. Das Gesetz will dadurch, dass es den Wert zum vollen Verfügungswert steigert, die volle wirtschaftliche Auswertung der verbrauchbaren Sachen gewährleisten.

2

2. Abs I. Verbrauchbar sind nur bewegliche Sachen, also niemals Grundstücke. – Erforderlich ist, dass die den Sachen zukommende Funktion entweder im tatsächlichen Verbrauch oder in der Veräußerung pp (rechtlicher Verbrauch) besteht.

2a

a) Tatsächlich verbrauchbare Sachen sind zB Brennmaterial, Nahrungs- und Genussmittel. Nicht unter Verbrauch fällt der allmähliche Verschleiß durch Abnutzung. Möbel, Teppiche, Bekleidungsgegenstände, auch rasch abnutzbare Arbeitskleider sind demnach keine verbrauchbaren Sachen. Wohl dagegen Kleidungsstücke, welche durch einmaligen Gebrauch fast völlig entwertet werden.

2b

b) Rechtlich verbrauchbare Sachen sind solche, deren bestimmungsgemäßer Gebrauch in der Veräußerung besteht und die als Sachen selber keinen Gebrauchswert besitzen, Pal/Ellenberger Rn 2; insb Geld, Inhaberpapiere, uU Orderpapiere wie kaufmännische Anweisungen und Wechsel, vgl Soergel/Marly Rn 1. Wertpapiere, welche als Kapitalanlage dienen, fallen dagegen nicht hierunter, selbst wenn sie später spekulativ veräußert werden, Soergel/Marly Rn 1; aA RGRK/Kregel Rn 5.

3

3. Abs II. Bewegliche Sachen aller Art werden verbrauchbare Sachen dadurch, dass sie zu einem Sachinbegriff (Vor §§ 90ff Rn 5ff) zusammengefasst oder einem solchen eingefügt werden, dessen bestimmungsgemäßer Gebrauch in der Veräußerung der einzelnen Sachen besteht. Hierzu gehören der Warenvorrat eines Einzelhändlers, die Bücher einer Buchhandlung, der Warenbestand eines Konfektionshändlers, der Kramladen eines Altertumshändlers. Nicht erforderlich ist, dass alle zu diesem Sachinbegriff gehörenden Sachen zur Veräußerung bestimmt sind.

4

4. Was der bestimmungsgemäße Gebrauch im Einzelfall ist, unterliegt in § 92 I und II der Bestimmung durch den Berechtigten. Dabei handelt es sich um eine privatrechtliche Widmung, ähnlich wie zB bei §§ 95, 97, 833, 952. Anders für Abs I unter Berufung auf Mot 3, 34 die ganz hM (Soergel/Marly Rn 1; MüKo/Holch Rn 1; ua). Aber zB auch der Antiquitätenhändler kann seine private Kommode zum Verkauf „bestimmen“ oder ein zunächst zum Verkauf bestimmtes Bild später privaten Zwecken widmen.

5

5. Die rechtliche Bedeutung der Regelung des § 92 liegt bei den Nutzungsrechten, da ein solches bei verbrauchbaren Sachen nur dann von Wert ist, wenn es dem Berechtigten das volle Verfügungsrecht und damit die volle wirtschaftliche Auswertung der verbrauchbaren Sache gewährt, vgl § 1067 (Nießbrauch), § 706 (Gesellschafterbeiträge). Eine Sicherungsübereignung verbrauchbarer, insb der zu einem der Veräußerung dienenden Warenlager gehörenden Sachen ist möglich; vgl BGH 28, 16f. Im Zweifel ist der Sicherungsgeber zur Veräußerung der Waren im ordentlichen Geschäftsgang befugt, vgl dazu Anh §§ 929–931 Rn 14.

93

Wesentliche Bestandteile einer Sache Bestandteile einer Sache, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird (wesentliche Bestandteile), können nicht Gegenstand besonderer Rechte sein.

1

1. Grundsätzliches. § 93 steht im systematischen Zusammenhang mit den §§ 94–96 und klärt, wann ein Bestandteil einer Sache wesentlich ist. Dabei statuiert § 93 den Grundsatz, § 94 dehnt diesen für Grundstücke und Gebäude aus, und § 96 enthält Besonderheiten für Rechte als Bestandteile von Grundstücken. Eingeschränkt wird diese Systematik von § 95, unter dessen Voraussetzungen entgegen den Regelungen der §§ 93, 94 die Annahme einer wesentlichen Bestandteilseigenschaft verneint wird.

1a

2. § 93 verfolgt den Zweck, einer nutzlosen Zerstörung wirtschaftlicher Werte vorzubeugen, RG 58, 341; BGH 18, 231f, vgl auch BGH 20, 145ff. Die Unterscheidung zw wesentlichen und unwesentlichen Bestandteilen beruht daher nicht auf rechtlichen, sondern auf wirtschaftlichen Gründen, BGH 18, 233. Zu berücksichtigen sind dabei der technische Fortschritt und die Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse, BGH 18, 232. Dies kann dazu führen, dass ein früher als wesentlich angesehener Bestandteil heute wegen bestehender Ersatzmöglichkeit als unwesentlich erachtet wird. Der von § 93 verfolgte Gedanke des Vorrangs der Erhaltung der wirtschaftlichen „funktionalen Einheit“ (BGH NJW 1987, 774f; Sturmberg NJW 1989, 1832f), hört aber jedenfalls dort auf, wo fremdes Eigentum verletzt wird, BGH NJW 1985, 790f.

2

3. Der Begriff Bestandteile ist vom Gesetz nicht definiert, da er im Gegensatz zum „wesentlichen Bestandteil“ keine unmittelbare rechtliche Bedeutung hat. Bestandteile iSd § 93 sind Körperstücke, die einer Sache von Natur zugehören oder derart eingefügt sind, dass sie mit dieser eine Körperlichkeit bilden und eines Sondergebrauchs nicht mehr fähig sind. Die wirtschaftliche Zweckbestimmung oder Notwendigkeit des einen Teils für den anderen begründet dabei allein noch keine Bestandteilseigenschaft, Nürnberg JW 1938, 1022; beide Teile müssen zusätzlich als sachliche Einheit, als eine Sache erscheinen, RG 87, 45, andernfalls liegt uU nur Zubehör iSd § 97 vor. Maßgeblich für die Beurteilung sind Verkehrsauffassung (RG 67, 34) und natürliche Betrachtungsweise (RG 158, 370) unter Zugrundelegung eines technisch-wirtschaftlichen Standpunktes (BGH 20, 157). Zur Abgrenzung vom Zubehör vgl Nürnberg JW 1938, 1022; RG 69, 119; BGH LM 2 zu § 93, wo darauf hingewiesen wird, dass die Unterscheidung besonders sorgfältig zu treffen ist, wenn bisher selbständige Sachen in ein Gebäude eingefügt sind, ohne dass sie iSd § 94 II zur Herstellung des Gebäudes eingefügt wurden. 208

L. Michalski

Sachen und Tiere

§ 93

Auch Rechte können Bestandteile einer Sache sein, § 96. Andererseits können Sachen Bestandteile 3 eines Rechts sein, sofern es sich um grundstücksgleiche Rechte (Erbbaurecht, Bergwerkseigentum usw) handelt, RG 161, 206; BGH 17, 231f. 4. Wesentlich sind nicht die das „Wesen der Sache bestimmenden“ Bestandteile, entscheidend ist 4 vielmehr, dass durch die Trennung der abgetrennte oder der zurückbleibende Teil in seinem Wesen verändert oder zerstört werden würde; vgl BGH 18, 229f = MDR 1956, 211 m Anm Reinicke = LM 3 zu § 93 m Anm Johannsen; BGH 20, 145ff. Es kommt also auf die Bedeutung der Trennung für die einzelnen Teile der Sache, nicht auf die für die Sache als Ganzes an. Zugrunde zu legen ist dabei eine natürliche, wirtschaftliche Betrachtungsweise (BGH 36, 50; 61, 81) bei gleichzeitiger Berücksichtigung der jeweiligen Verkehrsanschauung (BGH 36, 50). Mit der Verhinderung unterschiedlicher Rechtsschicksale einzelner Bestandteile ist nicht gewollt, die wirtschaftliche Einheit der Sache als solche vor Auflösung zu schützen, sondern der Schutz gilt den einzelnen wesentlichen Bestandteilen. Es bahnt sich aber eine Entwicklung an, in Grenzfällen die wirtschaftliche Einheit als solche zu schützen, so, wenn Bestandteile, die im Verhältnis zur Sacheinheit völlig unwesentlich sind, als wesentlicher Bestandteil der Gesamtsache behandelt werden, so zB Schrauben eines Motors, vgl BGH 18, 226. Otte JuS 1970, 154, 156 betont unter Darlegung der Entwicklung die wirtschaftliche Betrachtungsweise anstelle des Versuchs, den Begriff „wesentlich“ von Identitätsmerkmalen her zu bestimmen. Erhebliche Verringerung des wirtschaftlichen Wertes ist uU der Zerstörung gleichzusetzen, RG 69, 120. Es kann genügen, dass die Trennung nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich, insb mit großen Kosten verbunden ist, RG Warn Rspr 1932, 114; Recht 1939, 12. Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Auswechslung ohne wesentlichen Wertverlust für die Bestandteile ist danach Entscheidungsindiz für die Frage der wesentlichen Bestandteilseigenschaft. a) Eine feste Verbindung begründet idR wesentliche Bestandteilseigenschaft (außer im Falle des 5 § 95), doch kann die Verkehrsauffassung (beim Fehlen einer solchen die allg natürliche Anschauung, notfalls ein verständiges und unbefangenes Urt) die Bestandteilseigenschaft ausschließen, RG 158, 370; JW 1932, 1200. Eine lose Verbindung kann ausreichen, jedoch muss hier die Verkehrsauffassung als positives Moment hinzukommen. Sie genügt, wenn die Teile einander angepasst oder zur Herstellung dieses Ganzen eigens gefertigt sind, RG 69, 152; 87, 45; 158, 370. Alsdann kann ein bloßes Aufoder Ineinanderliegen ausreichen, zB Dachziegel auf dem Hause, Deponiegut auf dem Deponiegrundstück (VGH München NuR 2004, 391, 393), eigens verfertigte Tischplatten (zu Einbauküchen s Rn 9), uU auch eine nur infolge Schwerkraft verbundene Maschine, RG Warn Rspr 1932, 114; RG 69, 152. Zur Heizungsanlage vgl BGH NJW 1975, 688; Hamm MDR 2005, 387; Rostock GE 2004, 484. Ein in ein Fernheizwerk einzubauender Heißwasserkessel wird mit der Anlieferung und dem Absetzen des Kessels auf dem Fundament wesentlicher Bestandteil (LG Berlin NJW-RR 2004, 635). Eine Brücke, die ein Inselgrundstück mit einem anderen Grundstück verbindet, ist wesentlicher Bestandteil beider Grundstücke und steht folglich im Grundstückseigentum beider Miteigentümer, Karlsruhe NJW 1991, 926f. b) Die nur vorübergehende Trennung, etwa beim Transport oder zur Reparatur, hebt die Einheit- 5a lichkeit der Sache nicht auf. Andererseits macht eine nur vorübergehende Einfügung eine Sache nicht zum wesentlichen Bestandteil, § 95. 5. Einzelfälle. Wesentliche Bestandteile eines Kraftwagens sind Karosserie und Fahrgestell, Stutt- 6 gart, NJW 1952, 145; idR jedoch nicht Motor und Reifen (ebenso Sitze beim Bus, BayObLG NVwZ 1986, 511). Denn Auswechslung von Motor und Reifen sind durchaus gewöhnliche Vorgänge und ohne Zerstörung wirtschaftlicher Werte durchführbar. Ihre Entfernung hat nur eine vorübergehende Betriebsstörung zur Folge. Sie sind, objektiv gesehen, leicht zu ersetzen; die diesbezügliche ältere Rspr hat der BGH in vollem Umfang bestätigt. Nach BGH 18, 226 = MDR 1956, 211ff (dazu Anm Reinicke mit grds Ausführungen zum Begriff „wesentlicher Bestandteil“) ist der serienmäßig hergestellte Motor nicht wesentlicher Bestandteil des Kraftfahrzeugs, ohne dass es darauf ankommt, ob der Hersteller des Wagens oder ein Dritter Eigentümer ist (den Vorbehalt, den BGH 18, 226 machte, hat BGH 20, 154 zu Recht nicht mehr wiederholt). Bestätigung in BGH 61, 80 = NJW 1973, 1454; aM Pinger JR 1973, 463, 464, da der Wert der Gesamtsache höher sei als der der Summe ihrer Teile. Zu Reifen und Rädern vgl Bamberg MDR 1951, 29. Räder sind unwesentliche Bestandteile (Karlsruhe MDR 1955, 413; Stuttgart NJW 1952, 145). Anderes gilt uU, wenn es sich nicht um marktgängige Reifen und Motoren handelt, insb, wenn diese der Eigenart eines Wagens angepasst sind (Rennwagen). Auch infolge Änderung der Umstände kann ein Motor, welcher zunächst kein wesentlicher Bestandteil war, ein solcher werden, zB wenn die Bauart aus dem Verkehr gezogen wird und der Wagen zur Aufnahme eines anderen Motors mit erheblichen Kosten umgebaut werden müsste. Wesentlicher Bestandteil analog § 94 II ist der Austauschmotor eines Schiffs (RG 152, 91, 98; BGH 26, 225, 229; s § 94 Rn 14; anders beim Kfz BGH 61, 80, 81). Dasselbe gilt für Bremstrommeln (Hamm MDR 1984, 842, 843) und die Karosserie (Stuttgart NJW 1952, 145; Ausnahme: KG NJW 1961, 1026, 1027). Der Motor eines Baggers ist idR nicht dessen wesentlicher Bestandteil, Marienwerder Recht 1931 7 Nr 230. Das Ladegerät eines Schleppers ist idR nicht dessen wesentlicher Bestandteil, Hamburg BB 1957, 1246. Räder und Deichseln eines Pferdewagens sind dessen wesentliche Bestandteile, wenn sie für diesen Wagen gebaut sind und nicht durch gängige Ersatzteile jederzeit ersetzt werden können. Zu Maschinen pp als wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes vgl § 94 Rn 12, 13; zu wesentlichen Bestandteilen eines Schiffs § 94 Rn 14. Zubehör und wesentlicher Bestandteil des Grundstücks ist ein in das Erdreich eingelassener Gastank, der nach Absprache mit dem Gaslieferanten fremdes Eigentum bleiben und vermietet sein soll; LG Gießen MDR 1999, 1060f.

L. Michalski

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§ 93

Allgemeiner Teil

Sachen und Tiere

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Die einzelnen Teile eines Motors und einer Maschine, welche das Wesen des Motors bzw dieser Maschine ausmachen und deren Vorhandensein die Voraussetzung für die wirtschaftliche Funktion gerade dieses Motors pp ist, sind idR deren wesentliche Bestandteile, zB Schwungräder und Kurbelwelle einer Lokomobile, Kiel OLG 39, 250, und die Lukendeckel eines Schiffs (Bremen OLGRp 2005, 248ff). Anders jedoch bei Teilen, deren häufige Auswechslung mit Ergänzungssachen von Anfang an vorgesehen ist und dem Wesen der Hauptsache entspricht, zB die verschiedenen Bohrer einer Bohrmaschine, die Düsen einer Spinnmaschine, RG 157, 245. Auch Treibriemen dürften keine wesentlichen Bestandteile von Maschinen sein. Die mit den Ergebnissen der Datenverarbeitung ausgefüllten Kontenblätter sind wesentliche Bestandteile der Handelsbücher; Eigentumsvorbehalt geht also unter, KG RPfleger 1972, 441. Nach LG Braunschweig MDR 1950, 739 wird bei Herstellung einer Konserve aus Dose und Füllung die Dose wesentlicher Bestandteil der Konserve. Loser Teppichboden in Wohnung auch nach Zuschnitt nicht wesentlicher Bestandteil nach LG Hamburg NJW 1979, 721 L, wohl aber ggf nach § 94 II, vgl LG Köln NJW 1979, 1608.

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Die Rspr zu Einbauküchen ist uneinheitlich (vgl BGH NJW-RR 1990, 914 mwN zur Rspr). Maßgeblich für die Wesentlichkeit der Bestandteilseigenschaft ist jedoch allein, ob die Einbauküche aus dem Gebäude wieder entfernt werden kann, ohne dass sie zerstört oder sie oder das Gebäude in seinem Wesen verändert wird (vgl Rn 5), aA BGH aaO. Dies ist bei Einbauküchen, die aus standardisierten Teilen den Räumlichkeiten angepasst werden, im Gegensatz zu den bei der Gebäudeherstellung geplanten und fest eingeplanten Küchen regelmäßig der Fall, Zweibrücken Rpfleger 1993, 170; vgl auch BFH NJW 1977, 648; Hamburg MDR 1978, 138. Das gilt auch dann, wenn eine aus standardisierten Einzelheiten ausgewählte Einbauküche millimetergenau eingepasst ist (Saarbrücken VersR 1996, 97) und die Zwischenräume zur Wand mit Blendleisten geschlossen (Köln NJW-RR 1993, 861) oder die Fugen mit Silikon ausgespritzt sind. ZT wird bei Einbauküchen sogar die Zubehöreigenschaft verneint (so Düsseldorf NJW-RR 1994, 1039); insoweit sind allerdings regionale Unterschiede zu berücksichtigen (BGH NJW 2009, 1078, 1079). Zur Abgrenzung wesentlicher Bestandteile von Zubehör s BGH NJW-RR 1990, 586ff; Nürnberg NJW-RR 2002, 1485; Zweibrücken NJW-RR 1989, 84; LG Hagen Rpfleger 1999, 341f; Jaeger NJW 1995, 432.

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6. Rechtliche Bedeutung des § 93. a) Wesentliche Bestandteile können nicht Gegenstand besonderer dinglicher Rechte sein (Ausnahme nach Maßgabe des WEG). Die Rechtsfolge ist der Schutzfunktion des § 93 entspr zwingend angeordnet. Sie bewirkt, dass, solange die wesentliche Bestandteilseigenschaft besteht, eine auf den wesentlichen Bestandteil beschränkte Verfügung nicht möglich ist und – praktisch noch wichtiger – dass mit der Entstehung der wesentlichen Bestandteilseigenschaft die dingliche Rechtslage einheitlich für die ganze Sache gilt, selbst wenn dadurch dingliche Rechte an der bisher selbständigen Sache verloren gehen (zum Untergang des Eigentumsvorbehalts s Thamm BB 1990, 866ff); § 93 opfert also eventuell bestehende Rechte, um eine entstandene Einheit (ohne Rücksicht darauf, wie sie entstanden ist) vor Auflösung zu schützen. Einen schuldrechtlichen Ausgleich schafft § 951. Wer Eigentümer der Sache ist, ist nicht in § 93, sondern in §§ 946ff bestimmt.

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b) Die Übereignung wesentlicher Bestandteile ist nach § 93 unwirksam. Durchbrochen wird dieser Grundsatz durch Bestimmungen des WEG, welches das selbständige Eigentum an Wohnungen und an nicht zu Wohnzwecken bestimmten Räumen zulässt. Zu weiteren Einzelheiten hierzu s die Kommentierung zum WEG. Ebenfalls unwirksam sind die Verpfändung und Pfändung von wesentlichen Bestandteilen, BGH 104, 298 (dazu Gaul NJW 1989, 2509ff). Dies steht nicht im Widerspruch zu § 810 ZPO (Pfändung von ungetrennten Früchten), weil durch solche „Pfändung“ lediglich eine Anwartschaft auf das Pfandrecht im Augenblick der Trennung entsteht. Unwirksam ist ferner die Bestellung einer Abholzgerechtigkeit, RG 60, 319, oder die Bestellung eines Nießbrauchs am Stockwerk eines Hauses, RG 164, 199 (anders aber nach § 31 WEG die Belastung eines Grundstücks mit einem Dauerwohnrecht oder Dauernutzungsrecht).

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c) Beim Zuschlag in der Zwangsversteigerung erwirbt der Ersteher notwendig auch das Eigentum an den wesentlichen Bestandteilen (Ausnahme: § 2 WEG), selbst wenn die Zwangsvollstreckung in sie eingestellt war, die Bestandteile von der Versteigerung ausgenommen wurden und im Zuschlagsbeschluss darauf hingewiesen ist. Solche Maßnahmen können jedoch die Verpflichtung des Erstehers zur Duldung der Trennung und zur Herausgabe zur Folge haben, Nürnberg JW 1938, 1022 m Anm Kaiser; RG 150, 24ff; München JW 1937, 329 m Anm Volckmar.

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d) Sonderbesitz an wesentlichen Bestandteilen ist möglich, § 865, weil der Besitz kein Recht iSd § 93 ist. Auch kann dieser Besitz selbständig übertragen werden, RG 108, 269ff.

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e) Urheberrecht und patentrechtlicher Schutz können sich auf einen wesentlichen Bestandteil als solchen beziehen, weil es sich hierbei nicht um Rechte am Bestandteil, sondern um Immaterialgüterrechte handelt, Staud/Jickeli/Stieper Rn 31 mN; dazu auch Tetzner Recht 1942, 1681.

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f) Schuldrechtliche Verträge mit Bezug auf wesentliche Bestandteile sind grds zulässig, auch wenn ihre Verwirklichung die vorherige Trennung voraussetzt, RG 60, 319; Frankfurt HEZ 1, 28 (Begründung eines obligatorischen Rechts an einem wesentlichen Bestandteil eines Erbbaurechts). Doch kann ein dahingehender Vertrag weder durch Eintragung dingliche Kraft erlangen noch durch Vormerkung gesichert werden.

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7. Nichtwesentliche Bestandteile sind zB Rahmen und Bild, Ring und Stein (sofern nicht der eine Teil gerade für diesen anderen besonders gearbeitet ist). IdR teilen auch unwesentliche Bestandteile das rechtliche Schicksal der Gesamtsache. Die an der Gesamtsache bestehenden Rechte (Nießbrauch, Hypothek, Pfandrecht) erstrecken sich im Zweifel auch auf sie, eine Veräußerung und Belas210

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§ 94

tung umfasst regelmäßig auch die einfachen Bestandteile, die Zwangsvollstreckung in die Gesamtsache erfasst idR auch den Bestandteil. Das muss jedoch nicht immer so sein. Einfache Bestandteile können (Umkehrschluss aus § 93) Gegenstand besonderer dinglicher Rechte sein, vgl BayObLG 1962, 437. Sondereigentum ist möglich; ein Eigentumsvorbehalt des Verkäufers bleibt trotz Verbindung wirksam. Zulässig sind die Bestellung eines Nießbrauchs am einfachen Bestandteil sowie die Pfändung und Verpfändung. Für die Folgen der Einfügung eines Gegenstandes ist also entscheidend, ob der Gegenstand wesentlicher oder nicht wesentlicher Bestandteil wird. Nicht wesentliche Bestandteile von Grundstücken sind die Flächen eines als Einheit eingetrage- 17 nen Grundstücks. – Die Vereinigung mehrerer Grundstücke zu einem erfolgt nach § 890 I oder II. Durch die Vereinigung werden die früher selbständigen Grundstücke einfache Bestandteile des neuen Grundstücks. Die früheren Belastungen bleiben grds als selbständige Belastungen der einfachen Bestandteile bestehen; doch gilt im Falle des § 890 II (Zuschreibung) die Sonderbestimmung des § 1131; eventuell mit §§ 1192, 1200. Zu § 890 ist die Ordnungsvorschrift des § 5 GBO zu beachten.

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Wesentliche Bestandteile eines Grundstücks oder Gebäudes (1) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude, sowie die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen. Samen wird mit dem Aussäen, eine Pflanze wird mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks. (2) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen.

1. Grundsätzliches. § 94 ist eine den § 93 in einem wesentlichen Punkt erg Bestimmung, welche aber 1 selbständige Bedeutung hat und über § 93 hinausgeht, Soergel/Marly Rn 1. Sind die Voraussetzungen des § 94 gegeben, so tritt die Rechtsfolge des § 93 (§ 93 Rn 10) ein, auch wenn nicht gleichzeitig dessen Tatbestand verwirklicht ist, RG 63, 418; 90, 201; 150, 26; vgl auch BGH 26, 229 (bei § 94 II kommt es auf die Festigkeit der Verbindung mit dem Gebäude nicht an). Aufgrund des § 94 iVm § 946 erstreckt sich das Grundeigentum auf alle Gegenstände, die nach § 94 wesentliche Bestandteile des Grundstücks werden. Die Folge ist von den Wertverhältnissen unabhängig, also wird der Eigentümer (zB bei unwirksamer Veräußerung) des Grundstücks auch Eigentümer des millionenwerten Hochhauses. Der absolute Primat des Grundeigentums liegt vor allem im Interesse des Realkredits (jetzt Immobiliendarlehen, s § 497 I). §§ 94, 946 sind zwingend, so dass auch ein Eigentumsvorbehalt nach § 449 ggü § 94 unwirksam ist (Thamm BB 1990, 866ff). Die Baustofflieferanten können sich daher durch einen Eigentumsvorbehalt nicht sichern (insb bedeutungsvoll wegen § 94 II). Zu den Ausnahmen vgl § 95; zum Überbau vgl § 912 Rn 1ff. 2. Wesentliche Bestandteile eines Grundstücks (Abs I). a) Eine feste Verbindung mit Grund und 2 Boden liegt jedenfalls bei den unmittelbaren Bodenbestandteilen vor, wie Sand, Lehm, Kies (LG Landshut NJW-RR 1990, 1037), Torf, Ton. Auch die durch Erdrutsch oder andere Naturereignisse dem Boden hinzugefügten Erdkörper sind dessen wesentliche Bestandteile, sobald sie mit ihm verbunden sind, Staud/Jickeli/Stieper Rn 20. Keine wesentlichen Bestandteile sind die wirtschaftlich selbständigen Teile eines Grundstücks (s § 93 Rn 16) und der Gewerbebetrieb als solcher (LSG Brandenburg HVBG-Info 2003, 619). Eine feste Verbindung mit anderen Sachen ist anzunehmen, wenn nach der Verkehrsanschauung 3 eine Trennung nicht ohne erhebliche Veränderung des Grundstücks oder der zu lösenden Sache möglich ist. Sie ist gegeben bei eingegrabenem Holz und Mauerwerk sowie Umzäunungen, vgl BFH NJW 1978, 911; nicht dagegen bei leicht wieder zu trennenden Stangen wie Hopfenstangen oder Weinbergpfählen. Sie fehlt ferner bei wieder entfernbaren Schrankwänden (Schleswig JuS 1989, 326; anders in besonderen Fällen Köln NJW-RR 1991, 1077, 1081), bei Einbauküchen (s dazu § 93 Rn 9) und Kombikühlzellen (LG Ansbach WM 1989, 1777). Hins im Erdreich verlegter Kabel und Leitungen zählen Abwasserleitungen im privaten Grundstück (vgl Koblenz VersR 1995, 43), Wasserleitungen in städtischen Straßen/Grundstücken (RG 168, 290) und elektrische Leitungen einer fabrikeigenen Kraftanlage zu den wesentlichen Grundstücksbestandteilen, nicht hingegen Telefonkabel in öffentlichen Wegen oder Leitungen auf fremdem Boden (BGH NJW 1994, 999). Letztere werden idR als Zubehör (§ 97) des Grundstücks anzusehen sein, auf dem sich das Elektrizitäts-, Gas- oder Wasserwerk befindet; BGH 37, 353 (anderes gilt jedoch, wenn die Leitungen entweder nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem fremden Boden verbunden wurden, vgl dazu BGH NJW 1968, 2331, oder die Verbindung in Ausübung eines Rechts an diesem Grundstück erfolgte, erg BGH NJW 1968, 2331); vgl auch § 946 Rn 3 und Gieseke in FS Hedemann, 128f. Wird Leasinggut mit dem Grundstück des Leasingnehmers fest verbunden, so wird es dann wesentlicher Bestandteil, sofern das Eigentum an dem Leasinggut aE der Vertragslaufzeit ohne weiteres auf den Leasingnehmer übergehen soll, BGH ZIP 1999, 75; vgl dazu auch Eckardt EWiR 1999, 103f. Alarmanlagen sind idR wesentliche Bestandteile iSd § 94 I (BFH 170, 549). Auch eine Maschine kann unmittelbar von § 94 I erfasst werden, RG Warn Rspr 1932, 114. Zur Frage, ob eine Windkraftanlage wesentlicher Bestandteil oder Scheinbestandteil des Grundstücks ist, vgl Pankewitz WuB IV A § 95 BGB 01. b) Gebäude mit in die Erde eingelassenem Fundament sind mit dem Grundstück fest verbunden. 4 Pavillon auf Höckerfundament vgl BGH NJW 1978, 1311; Gewächshaus auf Fundament BGH Betr 1974, 88. Feste Verbindung kann auch lediglich infolge Schwerkraft gegeben sein, wenn das Gebäude nur nach Zerlegung in kleine Einzelteile und mit verhältnismäßig hohem Kostenaufwand wieder entfernt werden kann (Gegensatz: leicht auseinanderzunehmende und anderweitig wieder aufstellbare L. Michalski

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§ 94

Allgemeiner Teil

Sachen und Tiere

Baracke). Fertiggarage ohne Fundament und sonstige Verankerung wesentlicher Bestandteil nach BFH NJW 1979, 392. Die Gebäudeeigenschaft soll auch eine Windkraftanlage erfüllen (Ganter WM 2002, 105; Witter ZfJR 2005, 441; aM Peters WM 2002, 110); s näher Rn 8 und MüKo/Holch Rn 12ff, insb auch zur Problematik der wesentlichen Bestandteilseigenschaft. Das Gebäude ist grds wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, auf dem es steht. Zu Gebäuderesten (Ruinen) vgl VG Kassel BB 1948, 463. Ein Bootssteg ist wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, von dem aus er angelegt ist, BGH MDR 1967, 749; nicht stets nach Schleswig SchlHA 1991, 11. Hat der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines einheitlichen (dazu BGH NJW 1982, 756 – Tiefgarage) Gebäudes über die Grenze gebaut, so ist bei entschuldigtem Überbau (§ 912) der auf dem überbauten Grund stehende Gebäudeteil regelmäßig (Ausnahmefall: BGH WM 1961, 179, 181) wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, von dem aus übergebaut wurde (Stammgrundstück; dazu BGH NJW 1985, 790 – Kaufhaus; 1990, 1791, 1792); BGH NJW 2004, 1237; Gebäudeeigentümer darf Überbau beseitigen, BGH 105, 202 = NJW 1989, 221. Bei nicht entschuldigtem Überbau ist das Eigentum am Gebäude auf der Grenzlinie der Grundstücke real geteilt, BGH 27, 204. Zum schuldlosen und schuldhaften Überbau vgl § 912 Rn 1 und 6. 5

Diese Grundsätze gelten auch für eine auf der Grenze zweier Grundstücke errichtete (halbscheidige) Giebelmauer. Demgemäß ist bei entschuldigtem Überbau der in das Nachbargundstück hineinragende Teil der Giebelmauer grds wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, von dem aus übergebaut wurde, so dass die Mauer ihrem ganzen Umfang nach dem Eigentümer dieses Grundstücks gehört, BGH 27, 197; 36, 48. Bei nicht entschuldigtem Überbau Realteilung der Giebelmauer auf der Grenzlinie der Grundstücke. Baut der Nachbar später unter Verwendung der Giebelmauer seinerseits ein Haus an, so entsteht für die Grundstücksnachbarn Miteigentum an der Giebelmauer (zu je ½ oder bei ungleichem Umfang des beiderseitigen Hausanbaus Miteigentum zu entspr Teilen), BGH 27, 197; 36, 46; 43, 127, 129. Dies gilt auch für den Fall, dass der Anbau statisch selbständig errichtet und die Giebelmauer ohne Auflage von Balken oder ähnlichem lediglich als Abschlusswand benutzt wird, Karlsruhe NJW 1967, 1232. Die Umwandlung in Miteigentum beider Grundstückseigentümer ist unabhängig davon, ob der Erstbauende entschuldigt oder unentschuldigt die Mauer über die Grenze gebaut hat, BGH 27, 197; 43, 127. Wird von zwei Häusern mit gemeinschaftlicher halbscheidiger Giebelmauer das eine durch Kriegseinwirkung oder eine Naturkatastrophe zerstört, so ändert sich dadurch am Miteigentum beider Grundstückseigentümer an der bestehen gebliebenen Giebelmauer nichts, BGH 27, 197; 43, 131. Werden jedoch beide Häuser und die Giebelmauer größtenteils zerstört und hat zunächst nur ein Grundstückseigentümer sein Haus mit der Giebelmauer in neuerlich entschuldigtem Überbau wieder errichtet, so ist für ihn wieder Alleineigentum an der Giebelmauer einschl ihrer geringen stehen gebliebenen Reste entstanden, vgl BGH NJW 1969, 1482. Bei Abbruch eines Hauses mit der Absicht alsbaldigen Wiederaufbaus und Anbau an die Giebelmauer bleibt das Miteigentum bestehen, BGH 57, 245. Überbau mit Alleineigentum des Überbauenden kann auch dann vorliegen, wenn nach Kriegszerstörung eine nur im Kellergeschoss erhalten gebliebene, halbscheidige Giebelmauer in geringerer Stärke als bisher wieder aufgebaut und bündig zum Nachbargundstück hin hochgezogen wird, BGH 53, 5; ein neuer Anbau des Nachbarn ist dann wie der ursprüngliche zu behandeln, BGH 27, 197. Verwendet ein Grundstückseigentümer bei Errichtung eines Gebäudes die Mauer eines ausschließlich auf dem Nachbargrundstück stehenden Gebäudes als Mauer seines Bauwerks, so ändert das an dem Eigentum des Nachbarn an ihr nichts, BGH 41, 177. Zu den Eigentumsverhältnissen an einem Gebäude, wenn das bebaute Grundstück nachträglich geteilt wird vgl BGH 64, 333 = NJW 1975, 1553 sowie BGH 102, 311.

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c) Erzeugnisse iSd § 94 sind alle organischen Bodenprodukte. Wesentlicher Bestandteil wird Samen mit dem Einsäen, eine Pflanze mit dem Einpflanzen; beides nicht erst mit der Verwurzelung.

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d) § 94 I gilt auch für grundstücksgleiche Rechte wie zB das Erbbaurecht (§ 12 II ErbbauRG). Wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts sind die vom Erbbauberechtigten in Ausübung des Rechts errichteten Gebäude (die mit Erlöschen des Erbbaurechts wesentlicher Bestandteil werden, BFH 177, 140), beim Bergwerkseigentum die Schächte, unterirdischen Zufahrtswege und deren Anlagen, RG 161, 206. Diese Bestandteile sind nicht gleichzeitig Bestandteile des dienenden Grundstücks.

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3. Wesentliche Bestandteile eines Gebäudes (Abs II). a) In § 94 II ist der Begriff Gebäude iwS zu verstehen. Er umfasst auch Gebäude, die mit Rücksicht auf § 95 (vgl § 95 Rn 8) als bewegliche Sachen gelten; ferner Bauwerke anderer Art, wie Brücken (s dazu Karlsruhe NJW 1991, 26f), Hafenanlagen, Monumente sowie auch Schiffe (letzteres str; wie hier Pal/Ellenberger Rn 5; jetzt auch Staud/Jickeli/ Stieper Rn 38; zu Windkraftanlagen s Rn 4; nach RG 152, 97 ist entspr Anwendung der §§ 94 II, 95 auf Schiffe möglich; nach BGH 26, 225, 228 Anwendung des § 94 jedenfalls auf eingetragene Schiffe). Gebäude iSd § 94 II ist jedoch grds nicht die Sachgesamtheit unter Einschluss der gesamten eingefügten Ausstattung und unter Einschluss etwaiger gewerblicher Maschineneinrichtung, BGH LM Nr 2 zu § 93; Schleswig SchlHA 55, 127. Ausstattung und Maschineneinrichtung werden vielmehr nur erfasst, wenn sie bereits nach § 93 zu den wesentlichen Bestandteilen des Gebäudes gehören oder aber (§ 94 II) zur Herstellung des Gebäudes eingefügt sind, Schleswig aaO; BGH aaO.

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b) Zur Herstellung eingefügt sind nicht nur gewöhnliche Baustoffe für Mauern, Wände, Böden, Decken, Treppen, Dach, Fenster, Türen (Brandenburg v 8.12.2010 – 3 U 145/09, Rn 46), sondern auch das, was durch seine Verarbeitung dem Gebäude seinen besonderen Charakter gibt, RG 150, 26; BGH LM Nr 2 zu § 93, dh letztlich alles das, ohne das dieses Gebäude nicht „fertig“ iSd Verkehrsanschauung ist, BGH NJW 1984, 2278; dabei kommt es für § 94 II auf die Festigkeit der Verbindung mit dem Gebäude usw nicht an, RG 150, 27; BGH 26, 229. Die Sache muss aber „eingefügt“, dh ir212

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Sachen und Tiere

§ 94

gendwie technisch mit dem Gebäude verbunden sein, BGH 36, 46, 50; sie braucht aber nicht ganz mit dem Gebäude in Verbindung zu stehen, BGH MDR 1974, 298. Technische Einrichtungen sind deshalb mit der Installation eingefügt, Schleswig SchlHA 2006, 76; Brandenburg v 8.12.2010 – 3 U 145/09, Rn 46. Ein Eigentumsvorbehalt erlischt folglich mit der Einfügung, ein Vorbehalt durch Erklärung ist nicht möglich, vgl § 95 Rn 1. Es kann sich auch um Sachen handeln, die nur einem einzelnen Raum eine bestimmte Eigenart geben, wenn dadurch zugleich der Gesamtcharakter des Gebäudes mitbestimmt wird, wie zB beim Squash-Court (München OLG 1989, 335ff). Wesentliche Bestandteile sind demgemäß bei Wohnhäusern, Krankenhäusern und Hotels uU die gesamte Beheizungsanlage unter Einschluss der angeschlossenen elektrischen Heizkörper oder Gasradiatoren (Koblenz WM 1989, 535f) sowie einer außerhäusigen Wärmepumpe (BGH NJW-RR 1990, 158, 159) sowie angeschlossene Kochherde, BGH 40, 275; NJW 1953, 1180; vgl auch Stuttgart MDR 1959, 37. Für Heizkessel vgl BGH NJW 1979, 712. Eine Ölfeuerungsanlage, die als Zusatzgerät an der Zentralheizung angebracht ist, ist, auch wenn es sich um ein modernes Wohnhaus handelt, nach Celle NJW 1958, 632 nicht als wesentlicher Bestandteil anzusehen; dasselbe gilt für einen in das Erdreich eingelassenen Heizöl(BGH NJW 1986, 1927; aM Motzke NJW 1987, 363) oder Gastank (LG Gießen NJW-RR 1999, 1538). Nach BGH 53, 324 wird eine nachträglich in eine bisher mit Koks befeuerte Zentralheizung eingebaute Ölheizungsanlage idR wesentlicher Bestandteil eines Wohngebäudes. Nach Oldenburg NJW 1962, 2158 ist ein Schnelldampferzeuger, der Fabrikationszwecken und gleichzeitig auch der Beheizung der Büroräume dient, nicht wesentlicher Bestandteil des Fabrikgrundstücks (Hinw auf weitere einschlägige Entscheidungen ebd in der Anm der Schriftleitung). Wesentlicher Bestandteil ist die Zentralentlüftungsanlage eines modernen Hotels (LG Freiburg MDR 1957, 419; erg vgl aber Stuttgart NJW 1958, 1685). Wesentlicher Bestandteil ist die in den Boden eingelassene Badeeinrichtung (RG HRR 1929, 1298; KG JW 1932, 3006; 1933, 920). Gleiches gilt für Aufwaschtischanlagen in der Küche und Waschtischanlagen in Bad oder Toilette (Braunschweig NRPfl 1955, 193; auch RG HRR 1929, 1298); Warmwasserbereiter für das Bad (BGH NJW 1987, 3178); den elektrischen Aufzug (RG 90, 198ff); Marmor-, Mosaik-, Parkett- und wohl auch Linoleumfußbodenbelag (zu letzterem vgl aber RG SeuffA 1974 Nr 157; Moritz JR 1980, 55); Treibstofftankanlagen einer modernen Großgarage, RG 150, 27. Zu Herden und Öfen vgl RG 73, 334; zu Heizkörperverkleidungen Hamburg OLG 38, 29; zu Beleuchtungsanlagen und Beleuchtungskörpern RG JW 1909, 130; 1917, 809; Bamberg OLG 14, 8; Köln HRR 1932, 1029. Diesel-Notstromaggregat in Hotel, BGH NJW 1987, 3187. Zur Rechtslage bei Telekommunikationsleitungsnetzen s BGH NJOZ 2005, 3293ff; Jena OLG-NL 2005, 83ff (Vorinstanz) und Münch VIZ 2004, 207ff sowie BGH NJW-RR 2004, 231 und Naumburg VIZ 2004, 210. Einrichtungsgegenstände sind nur dann zur Herstellung des Gebäudes eingefügt, wenn erst sie 10 dem Bauwerk ein bestimmtes Gepräge geben, oder wenn sie dem Baukörper besonders eingepasst sind, BGH NJW 1984, 2277, 2278; so zB bei einer individuell angepassten Gaststätteneinrichtung, Schleswig MDR 1995, 1212. Ob ein der Wohnkultur gewidmetes kunstgewerbliches Erzeugnis wesentlicher Bestandteil wird, 11 ist nicht nach künstlerischen, sondern nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. Maßgebend sind Charakter des Hauses, des Raumes, Art der Anbringung und Möglichkeit der Entfernung, RG 158, 362ff (betreffend Täfelungen). – Zu Wandgobelins vgl RG LZ 1919, 857. c) Eine Maschine ist wesentlicher Bestandteil des Fabrikgebäudes nicht schon, wenn sie für den 12 Betrieb wesentlich oder gar notwendig ist, sondern nur, wenn sie dergestalt in dem körperlichen Gegenstand des Gebäudes aufgegangen ist, dass nur noch ein Körper, nämlich das Gebäude, besteht, RG JW 1934, 1849. Doch ist bei der Bestimmung, was Teil eines Gebäudes ist, nicht von dem abstrakten Begriff eines solchen auszugehen, sondern die Zweckbestimmung maßgebend einzubeziehen, RG 67, 33. Es muss also die Maschine eigens für das Gebäude angefertigt und in dieses hineingepasst oder umgekehrt das Gebäude mit Rücksicht auf die Maschine oder für sie gebaut bzw wesentlich umgebaut sein, so dass beides nicht nur als wirtschaftliche, sondern auch als tatsächliche, sachliche Einheit erscheint, RG 67, 36; 130, 266. Es muss eine Baulichkeit vorhanden sein, welche ihre Eigenart gerade erst durch die Einfügung dieser Maschine erhalten hat, Kiel OLG 35, 289f; Schleswig SchlHA 1955, 127f; BGH LM Nr 2 zu § 93; vgl auch Hamburg OLG 35, 290 (Entstaubungsanlage). Gewöhnliche Motoren und Maschinen landläufiger Art werden auch bei Befestigung durch Schrau- 13 ben, Bolzen, Zementguss und bei Verbindung mit Gebäudeanlagen durch Schläuche und Drähte idR keine wesentlichen Bestandteile, RG 67, 34; Posen OLG 38, 29 Anm 1. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles ist die Bestandteilseigenschaft in der Rspr verneint bei Webstühlen und Spinnereigeräten, RG JW 1909, 483; der Lokomobile einer Dampfschneidemühle, RG JW 1912, 128; einer Milchtrocknungsanlage, RG HRR 1932, 700; Tanks, Gärbottichen eines Brauereihauses, RG JW 1914, 238; einer Druckereischnellpresse, RG JW 1909, 159; einer Sauggasanlage, RG Warn Rspr 1911, 163; einer Dampfkesselanlage, RG JW 1934, 1849; der Dynamomaschine zur Herstellung von Licht und Kraft unter Einschluss der das ganze Haus durchziehenden Leitungen, RG JW 1932, 1197; dem Maischwerk mit Pumpe eines Sudhauses, München JW 1937, 329; dem Heizapparat und den Wenderanlagen eines Malzfabrikgebäudes, Nürnberg JW 1938, 1022. – Bloße Schwerkraftverbindung kann auch hier wesentliche Bestandteilseigenschaft begründen, RG HRR 1932, 1552 (Gasbehälter). d) Der Motor eines im Schiffsregister eingetragenen Motorschiffes ist (auch bei serienmäßiger Her- 14 stellung des Motors) wesentlicher Bestandteil des Schiffs, BGH 26, 225 (krit dazu Graue BB 1959, 1282; auch betreffend nicht eingetragene Schiffe). Für Anker und Ankerkette wird Gleiches gelten müssen, LG Hamburg MDR 1955, 413f. Eine Radaranlage ist jedoch idR wohl kein wesentlicher Bestandteil des Schiffs, LG Hamburg MDR 1958, 923, wohl aber mE bei modernem Großschiff; nach Schleswig SchlHA 1954, 253 ebenfalls nicht die Schiffswinde auf einem Bergungsschiff; anders dageL. Michalski

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gen für den Lukendeckel Bremen OLGRp 2005, 248ff. Zu diesen Fragen vgl auch Greiff MDR 1966, 890. 15

e) Für die Beurteilung der Bestandteilseigenschaft ist nicht lediglich der Zeitpunkt der ersten baulichen Vollendung maßgebend. Auswechslung von Baumittelstücken lässt das Ersatzstück zum wesentlichen Bestandteil werden. Sachen, die nach Fertigstellung eines Gebäudes in dasselbe eingefügt werden, werden mit der Einfügung möglicherweise wesentliche Bestandteile des Gebäudes, wenn ihre Anbringung der Vervollkommnung dient oder durch sie der Charakter des Gebäudes geändert wird, RG 158, 367; 160, 183; HRR 1939, 70; JW 1932, 1197.

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4. Für die rechtliche Bedeutung s § 93 Rn 10ff. Unerheblich ist in den Fällen der §§ 93 und 94, ob die Verbindung von einem Berechtigten oder Nichtberechtigten vorgenommen wird, vgl BGH BB 1957, 166 (Errichtung eines Gebäudes gegen den Willen des Grundstückseigentümers). Zum Ausgleichsanspruch des Eigentümers der eingefügten Sache vgl § 951 Rn 2ff. Für die Bestimmung des Bestandteilsbegriffs in allg Versicherungsbedingungen sind die §§ 93ff nur grds maßgeblich, entscheidend ist zunächst der Sinnzusammenhang der konkreten Versicherungsbedingungen (BGH NJW-RR 1992, 793; Köln NJW-RR 2000, 697).

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Nur vorübergehender Zweck (1) Zu den Bestandteilen eines Grundstücks gehören solche Sachen nicht, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind. Das Gleiche gilt von einem Gebäude oder anderen Werk, das in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden ist. (2) Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck in ein Gebäude eingefügt sind, gehören nicht zu den Bestandteilen des Gebäudes.

1

1. Verbindung zu vorübergehendem Zweck (Abs I S 1 und Abs II). a) Die Unterscheidung zw einem vorübergehenden und einem dauernden Zweck ist nach praktisch wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu treffen. Entscheidend ist der Wille des Einfügenden, sofern dieser mit dem äußeren Sachverhalt vereinbar ist, BGH 92, 73; RG HRR 1942, 257. Auf den Willen des Eigentümers der eingefügten Sache kommt es nicht an. Insb wird die für dauernd gedachte Einfügung durch einen Rücknahmevorbehalt aufgrund eines EV nicht zur vorübergehenden, BGH MDR 1974, 298. Bei Unvereinbarkeit ist der äußere Sachverhalt maßgebend. Das ist jedoch nicht so zu verstehen, dass vornehmlich die Art der Anlage entscheidet, so dass bei massiv errichtetem Gebäude keinesfalls von einer Errichtung nur zu vorübergehendem Zweck gesprochen werden könnte, BGH NJW 1959, 1488 mit weiteren Hinw. Den Gegensatz eines „vorübergehenden Zwecks“ bildet nicht die lediglich negative Erwartung des Erbauers, er brauche später das Gebäude nicht wieder zu beseitigen, sondern die positive Absicht, es bei Aufhören der vorgesehenen Grundstücksbenutzung in das Eigentum des Grundstückseigentümers fallen zu lassen, BGH 92, 74; NJW 1959, 1488 mwN. Durch eine mit der objektiven Situation nicht in Einklang stehende Erklärung des Einfügenden kann die Einfügung nicht zu einer vorübergehenden gemacht werden; das gilt insb für Erklärungen in Formularverträgen. Danach kann ein Eigentumsvorbehalt nicht etwa ggü der Einfügung erhalten bleiben, aA Moog NJW 1962, 381. Verbindung zu einem vorübergehenden Zweck ist jedoch idR anzunehmen, wenn die spätere Wiedertrennung von Anfang an beabsichtigt oder mit Sicherheit erwartet wird, BGH NJW 1960, 1003. Zum Fragenkomplex noch BGH WM 1961, 179 (181).

2

b) Einzelfälle. Eine vorübergehende Verbindung mit dem Grund und Boden ist idR gegeben bei Schaubuden, Tribünen, Baulichkeiten für einzelne Ausstellungen, Gerüsten, Warn Rspr 1910, 154; Hamburg MDR 1950, 285; Pflanzenbestand einer Baumschule, RG 66, 89; 105, 215; Hochsitze, Jagdhütten, LG Landau, Urt v 12.7.2002 – 3 S 366/01; in den Boden gepiekster Zaun, Schleswig WM 2005, 1909; Verbindung zu nur vorübergehendem Zweck auch, wenn diese für eine längere, im Augenblick vielleicht noch nicht abzusehende Dauer berechnet, aber begriffsmäßig oder nach dem Willen des Einfügenden zeitlich begrenzt ist (dabei genügt die natürliche Begrenzung durch Verschleiß nicht). Gilt nach BGH MDR 1967, 749 auch für Bootssteg; ebenso für ein Mobilheim, das auf dem Stellplatz eines Campingplatzes als Ferienhaus dient, Koblenz MDR 1995, 1059, 1060. Etwas anderes gilt dagegen dann, wenn der ein Clubhaus und einen Bootssteg Errichtende in der Erwartung gehandelt hat, das Eigentum an dem Grundstück zu erwerben (BGH NJW 2008, 69, 76).

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c) Handelt der Verbindende in Ausübung eines zeitlich begrenzten Nutzungsrechts (Pächter, Mieter pp), so besteht grds die tatsächliche Vermutung, dass dieser nur im eigenen Interesse und nicht zugleich in der Absicht, den Scheinbestandteil nach Vertragsende dem Grundstückseigentümer zufallen zu lassen, also nur zu vorübergehendem Zweck für die Vertragsdauer handelt, BGH 104, 298; 92, 74; NJW 1985, 789; 1987, 774; 2004, 1237; BFH/NV 2004, 1088, 1089; für eine Flutlichtanlage in einem Fußballstadion Hamm OLGRp 2002, 367.

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Entspr gilt, wenn die Gesellschafter einer GbR auf dem zur Nutzung eingebrachten Grundstück des einen von ihnen ein Bauwerk errichtet haben, BGH NJW 1959, 1488, und ist im Zweifel auch anzunehmen bei Verbindung aufgrund bloßer Gestattung der Benutzung eines überlassenen Grundstücks (vgl RG 153, 236; OGH 1, 170; BGH 8, 5 – Behelfsheim). Die Vermutung ist freilich im Einzelfall widerlegbar. Allein die Tatsache, dass es sich um ein massives Gebäude handelt, das ohne Zerstörung nicht entfernt werden kann, reicht dazu jedoch nicht aus, BGH 92, 74. Entkräftet ist die Vermutung aber dann, wenn der Mieter pp den Willen hat, das Gebäude in das Eigentum des Grundstückseigentümers fallen zu lassen oder wenn dem Vermieter pp das Recht eingeräumt ist, den eingefügten Gegenstand – gegen Ablösung oder unentgeltlich – zu übernehmen, wenn ihm ein Wahl214

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recht zusteht, Beseitigung oder Übernahme zu verlangen, BGH NJW 1985, 789 – Kaufhaus. Wesentlicher Bestandteil daher, wenn der Mieter Sachen einfügt, weil er dazu verpflichtet ist. Anders ist es aber – auch bei einem wahlweisen Übernahmerecht des Verpächters –, wenn der Pächter für seinen Betrieb Maschinen einfügt und der Betrieb sich seinerseits nur vorübergehend auf dem Grundstück befindet, BGH WM 1971, 1086. – Begrenzung auf die Vertragsdauer ist nach der Natur der Sache nicht anzunehmen bei Einfügung von Sachen mit geringem Anschaffungswert, deren Beseitigung aber iVm der Herstellung des früheren Zustandes unverhältnismäßige Kosten verursachen würde, zB Gas-, Wasserrohre, in das Mauerwerk eingelassene Leitungsdrähte (Dresden OLG 41, 114), zur Ausbesserung eingefügte Steine, neugelegte Holz- und Zementfußböden (KG OLG 36, 112ff). Die Vermutung greift auch dann ein, wenn der Mieter in den Garten Gewächse einpflanzt, die für ihn bei Räumung noch von Interesse sind. § 95 I S 1 findet auch dann unmittelbare Anwendung, wenn ein Grundstück durch öffentlich-rechtl 5 Anordnung, etwa aufgrund des BLG, jemandem zur vorübergehenden Nutzung überlassen wird. Die Regelung gilt also auch zugunsten dessen, dem aufgrund des RLG ein Grundstück „bis auf weiteres“ zur Errichtung eines Behelfsheims zur Verfügung gestellt wurde, BGH 8, 1ff; BB 1955, 335. Zur Frage der Anwendung des § 95 auf Bunkeranlagen (Bunkerbauten des „Westwalls“) vgl BGH LM Nr 3 zu § 95 = NJW 1956, 1273; auf Luftschutzstollen BGH NJW 1960, 1003. Luftschutzbunker auf einem fremden Grundstück kann wesentlicher Bestandteil sein, BGH MDR 1971, 997. 2. Verbindung durch Ausübung eines Rechts (Abs I S 2). a) Rechte an einem fremden Grundstück 6 nach § 95 I S 2 sind nur dingliche Rechte, München HRR 1938, 364; nach bürgerlichem Recht Erbbaurecht, Grunddienstbarkeit und Nießbrauch sowie das Recht, einen Überbau zu haben (§ 912); nach öffentlichem oder Landesrecht die ähnlich gestalteten Rechte. Nicht erforderlich ist, dass Inhalt und Zweck des Rechts auf die Verbindung gerichtet sind. Es genügt, dass sie in rechtmäßiger Ausübung des Rechts vorgenommen wird, RG 106, 50; München HRR 1938, 364; BGH LM 2 zu § 95 (massives Wohnhaus, errichtet von demjenigen, dem die Ausübung eines Nießbrauchs übertragen ist). Auch braucht das Recht noch nicht zu bestehen; ausreichend ist ein in Aussicht genommenes Recht, dessen Eintragung beabsichtigt ist; dazu Breslau DJ 1938, 380 mit krit Anm von Armstroff; vgl auch Nürnberg DNotZ 1955, 204. Das gilt aber nicht, wenn das Recht überhaupt nicht zustande kommt, vgl BGH LM § 95 BGB Nr 14. b) Ob allg Inanspruchnahme aufgrund des BLG die Anwendbarkeit des § 95 I S 2 rechtfertigt, ist 7 str; verneinend BGH BB 1955, 335; LG Osnabrück MDR 1951, 229; bejahend Hamburg MDR 1951, 178f; Enn/Nipperdey § 125 Fn 37; Vennemann MDR 1952, 78. Anwendbar ist § 95 I S 2 bei Gebäuden, die von Besatzungsmächten auf requirierten Grundstücken errichtet sind, LG Köln JMBl NW 1955, 269 = NJW 1955, 1797 m zust Anm Danckelmann (auch zur Frage der Anwendung des § 95 I S 1). 3. Rechtliche Bedeutung. a) Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 95 wird die Sache auch bei 8 fester Verbindung weder wesentlicher noch unwesentlicher Bestandteil (anders bei Errichtung aufgrund Erbbaurechts, § 12 ErbbauRG, vgl BGH NJW 1985, 790). Die Sache bleibt selbständig und wird auch nicht Zubehör, BGH JZ 1962, 606 (betr § 95 II). Für sie gelten, auch wenn es sich um Gebäude handelt, die für bewegliche Sachen geltenden Vorschriften, BGH MDR 1970, 576; RG 87, 51. Ein solches Bauwerk unterliegt der Mobiliarzwangsvollstreckung, LG Hamburg BB 1955, 940f; zu den unpfändbaren Sachen iSd § 811 Nr 5 ZPO gehört das Gebäude selbst dann nicht, wenn in ihm der gewerbliche Betrieb des Schuldners eingerichtet ist, Celle NdsRpfl 1958, 191f. b) Nachträgliche Änderungen. Wenn der Eigentümer Sachen in sein Grundstück nur zu einem 9 vorübergehenden Zweck eingefügt hat und seine ursprüngliche Trennungsabsicht nachträglich aufgibt, wird das Eingefügte wesentlicher Bestandteil. Fallen Grundeigentum und Eigentum am Bestandteil nachträglich in einer Person zusammen, ist idR anzunehmen, dass die Verbindung nicht mehr nur zu vorübergehendem Zweck besteht; die eingefügte Sache wird dann wesentlicher Bestandteil. Fehlt eine solche Willensänderung des Eigentümers aber, bleibt die eingefügte Sache rechtlich selbständig, BGH NJW 1980, 772 – Wasserleitung. Zu dem umgekehrten Fall der Umwandlung eines Grundstücksbestandteils in einen Scheinbestandteil s Wicke DNotZ 2006, 252ff und Woitkewitsch ZMR 2004, 649ff. Ändert sonst der Eigentümer des eingefügten Scheinbestandteils den Einfügungszweck nachträglich erkennbar in einen Dauerzweck, dann soll das nach BGH NJW 1987, 774 nicht dazu führen, dass das Eingefügte wesentlicher Bestandteil wird; notwendig sei dafür eine Einigung mit dem Grundeigentümer. Zutr ist mE, auf das Einigungserfordernis zu verzichten und allein auf den Willen des Einfügenden abzustellen. Gegen das Abstellen auf den Willen als alleinigen Maßstab allerdings Staud/Jickeli/Stieper Rn 14f mwN. Der Eigentümer kann das Eigentum an der Sache gem § 959 aufgeben. Der Scheinbestandteil wird dadurch aber nicht herrenlos, fällt vielmehr wegen der engen Beziehung zu dem Grundstück ohne weiteres in das Eigentum des Grundeigentümers, womit zugleich die rechtliche Selbständigkeit endet. Der Gesichtspunkt der Sachnähe dürfte es sogar rechtfertigen, hier auf die (sonst) für die Dereliktion erforderliche Besitzaufgabe zu verzichten. Denn die Aufteilung „Eigentum am Grundstück“ und „Eigentum am Scheinbestandteil“ läuft ohnehin den Grundsätzen der Publizität zuwider. c) Nachträgliche Begründung einer Abbruchverpflichtung des Pächters ändert an der sachen- 10 rechtlichen Zuordnung des Scheinbestandteils nichts, BGH NJW 1985, 790 – Kaufhaus. d) Im Prozess trägt die Beweislast derjenige, der sich auf den Ausnahmetatbestand des § 95 beruft, 11 RG 158, 375 mit weiteren Hinw. UU spricht jedoch eine tatsächliche Vermutung zugunsten des Be-

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weisführers, das gilt insb dann, wenn die Verbindung durch einen Mieter oder durch einen sonst schuldrechtlich oder dinglich Berechtigten erfolgt, BGH 8, 5; NJW 1959, 1488; vgl Rn 3f. 12

e) Zur Frage, ob die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Grundstücksmiete auch auf Räume in nicht wesentlichen Grundstücksbestandteilen anzuwenden sind, vgl Friemel MDR 1957, 715 mit Übersicht über die unterschiedlichen Meinungen.

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Rechte als Bestandteile eines Grundstücks Rechte, die mit dem Eigentum an einem Grundstück verbunden sind, gelten als Bestandteile des Grundstücks.

1

1. Rechte im Sinne dieser Vorschrift sind notwendig das Recht auf den Erbbauzins (BayObLG 1990, 212ff, vgl auch Komm zu § 9 ErbbauRG, sowie BayObLG 1961, 30f); die Grunddienstbarkeit, § 1018, BayObLG NJW-RR 1990, 1043ff; Köln NJW-RR 1993, 983; das Recht auf Duldung eines Überbaus (§ 912; RGZ 160, 166, 177) und eines Notweges (§ 917) einschl des Rentenrechts des nach §§ 913 II, 917 II zur Duldung verpflichteten Nachbarn; möglicherweise das dingliche Vorkaufsrecht, § 1094 II, RG 104, 319; das Recht aus der Reallast nach § 1105 II; der Reichsverbands-Anteil, Braunschweig NdsRpf 1990, 7f; ein Anliegerrecht (BGH 30, 245, Benutzung des Nachbargrundstücks als Zugang zur Straße); uU nach Landesrecht Gemeindenutzungsrechte, vgl BayObLG 1970, 27; gewisse Gerechtigkeiten, zB Apotheken-, Jagd-, Fischerei- und Abdeckerei-Gerechtigkeit, dazu Soergel/Marly Rn 2. Zur öffentlich-rechtl Baulast als Recht iSv § 96 vgl Sachse NJW 1979, 195.

1a

Nicht unter § 96 fallen die Eigentümerhypothek; der zur Tilgung einer Hypothek angesammelte Amortisationsfonds, RG 104, 73; ein schuldrechtliches Vertragsrecht, RG Warn Rspr 1916, 126; ein Anspruch gegen den Eigentümer aus unerlaubter Handlung, München DJ 1939, 193; das Brennrecht einer Branntweinbrennerei, RG HRR 1932, 1157; KG Recht 1937, 5987; BGH LM 1 zu § 96; die Milchreferenzmenge eines Betriebes, BGH 114, 281; der Anspruch auf Entschädigung gem der KriegssachschädenVO vom 30.11.1940, auch wenn Entschädigung in Natur angeordnet war, BGH NJW 1955, 1516.

2

2. Rechtliche Bedeutung. § 96 stellt Rechte, die mit dem Eigentum an einem Grundstück verbunden sind, den einfachen Bestandteilen eines Grundstücks gleich. Sie unterliegen damit namentlich der hypothekarischen Haftung nach §§ 1120ff (RG 83, 198). Zur Frage, wann ein Recht den wesentlichen Grundstücksbestandteilen gleichzustellen ist, enthält § 96 keine Aussage. Die hM (vgl RG 93, 73) nimmt die wesentliche Bestandteilseigenschaft und damit die Sonderrechtsunfähigkeit von Rechten an, sofern diese vom Grundstück nicht getrennt werden können. Dies ist insb bei den sog subjektiv dinglichen Rechten der Fall, dh bei Rechten, die dem Eigentümer eines herrschenden Grundstücks hins eines anderen Grundstücks zustehen, wie zB Grunddienstbarkeiten.

3

Eine über §§ 93–95 hinausgehende Bedeutung hat § 96 nicht. Insb sind bei einem Verkauf des Rechts nicht die Vorschriften über Sach-, sondern die über Rechtsmängel anzuwenden, RG 83, 200; 93, 73.

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Zubehör (1) Zubehör sind bewegliche Sachen, die, ohne Bestandteile der Hauptsache zu sein, dem wirtschaftlichen Zwecke der Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen. Eine Sache ist nicht Zubehör, wenn sie im Verkehr nicht als Zubehör angesehen wird. (2) Die vorübergehende Benutzung einer Sache für den wirtschaftlichen Zweck einer anderen begründet nicht die Zubehöreigenschaft. Die vorübergehende Trennung eines Zubehörstücks von der Hauptsache hebt die Zubehöreigenschaft nicht auf.

1

1. Grundsätzliches. § 97 bestimmt den Zubehörbegriff für das Privatrecht. Für gewerblich genutzte Gebäude sowie für landwirtschaftliche Betriebe wird der Begriff Zubehör von § 98 teilw erweitert. Weitere Sonderregelungen beinhalten § 478 HGB und § 3 HöfeO (dazu § 98 Rn 9). Das Institut Zubehör beruht auf den wirtschaftlichen Zweckerwägungen, dass Sachen, welche in ihrem Zusammenhang einem einheitlichen Zweck zu dienen bestimmt sind, nach Möglichkeit dasselbe rechtliche Schicksal teilen sollen (näheres Rn 15).

2

2. Begriff. a) Grundvoraussetzung für die Zubehöreigenschaft ist zunächst, dass die Sache ihre individuelle Selbständigkeit bewahrt hat, also nicht Bestandteil der Hauptsache ist.

2a

b) Zubehör können ferner nur bewegliche Sachen sein. Gebäude, welche nach § 95 keine Bestandteile sind, gelten auch iSd § 97 als bewegliche Sachen, RG 55, 284. Auch ein Sachinbegriff (vgl Vor §§ 90ff Rn 5), zB das Guts- oder Schiffsinventar, kann Zubehöreigenschaft haben, nicht dagegen ein Rechtsinbegriff (vgl Vor §§ 90ff Rn 6), zu dem auch Rechte gehören, wie ein Rübenlieferungsrecht (BGH NJW 1990, 1723, 1724), weil Rechte nicht Zubehör sein können, RG 83, 54, 56 (für entspr Anwendung des § 97 auf eine Apothekenkonzession jedoch RFH JW 1922, 835).

2b

c) Zubehör setzt das Vorhandensein einer Hauptsache voraus. Hauptsache können Grundstücke, bewegliche Sachen und grundstücksgleiche Rechte (RG 161, 206; BGH 17, 231) sein. Da das Unternehmen keine Sache im Rechtssinne ist (vgl Vor §§ 90ff Rn 7) kann es nicht Hauptsache iSd § 97 sein. Wohl aber kann ein Grundstück als „Kern des Betriebs oder des Unternehmens“ bewertet werden; das führt zu einer entspr weiten Bestimmung des Grundstückszubehörs, so ist zB nach RG 66, 356, 358 die „Materialreserve“ Zubehör des Grundstücks, auf dem der Betrieb installiert ist, dem die Ma216

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terialreserve dienen soll, vgl ferner RG JW 1907, 703 für den Fuhrpark eines Unternehmens als Zubehör des Grundstücks; RG 55, 281 für das Zubehör eines Ziegeleigrundstücks. Diese Betrachtung dehnt das Zubehör von Kraftwerksgrundstücken erheblich aus, so auf die Leitungen, Zähler in den anderen Grundstücken usw, vgl RG 168, 288, 290; BGH 37, 353, 357. Vgl zum Unternehmensbegriff im Zusammenhang mit § 97 ferner Siebert, FS Gieseke, 59, 66ff. d) Zubehör ist, was dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache zu dienen bestimmt ist. Der Be- 3 griff „wirtschaftlich“ ist jedoch nicht eng auszulegen. Auch ideellen und kulturellen Zwecken dienende Sachen können Zubehör sein, Staud/Jickeli/Stieper Rn 13; Orgel, Glocken und Läutewerk sind Zubehör zur Kapelle, BGH NJW 1984, 2277. Es muss aber in jedem Falle ein Unterordnungsverhältnis bestehen oder vorgesehen sein (vgl Rn 5). Dabei ist das Wertverhältnis nicht von entscheidender Bedeutung, RG 87, 43ff; HRR 1942, 1. – Dient die Sache einem Gebäude, so ist stets das Grundstück, dessen Bestandteil das Gebäude ist, die Hauptsache, RG 89, 63; JW 1938, 1390. Zur gemeinschaftlichen Waschmaschine vgl LG Dortmund MDR 1965, 740; BayObLG NJW 1975, 2296. Bei einem für einen gewerblichen Betrieb dauernd eingerichteten Grundstück wird das, was mit Rücksicht auf diesen Betrieb Zubehör ist, in der Rspr weitgehend als Zubehör des Grundstücks angesehen, Warn Rspr 1931, 40; DR 1942, 137 (dazu Soergel/Marly Rn 16, auch zur Frage der Anerkennung von Unternehmenszubehör). Zur Zubehöreigenschaft von Einbauküchen s § 93 Rn 9. aa) Ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis iSd § 97 besteht idR bei Maschinen einer Fabrik 4 (soweit sie keine Bestandteile sind), BGH 62, 49, 51; den Werkzeugen, den übrigen Gerätschaften eines Betriebs, RG JW 1938, 1390; den Schaukästen eines Geschäfts; den Fernleitungen von Versorgungsbetrieben auf fremdem Boden (vgl § 94 Rn 3); Feldbahn und Bagger einer Kiesgrube, RG HRR 1942, 1 (s aber Rn 8 aE); dem Hotelomnibus; den für den Gebrauch der Gäste eines Restaurationsbetriebes zur Verfügung gestellten Gondeln auf dem zum Betrieb gehörenden Teich, RG 47, 197; JW 1901, 184; Fahrzeugen eines Baugeschäfts, einer Brauerei und eines Fabrikbetriebs, die der Zu- oder Ablieferung von Gütern dienen, BGH WM 1980, 1384; Frankfurt HRR 1937, 692; nicht hingegen bei dem Kraftfahrzeugpark eines Transportunternehmers, BGH 85, 234, vgl BGH 124, 393. bb) Die wirtschaftliche Abhängigkeit muss bestimmt sein. Es muss seitens des Besitzers (Eigentü- 5 mer, Pächter, Nießbraucher, dh jeder tatsächliche Benutzer, BGH NJW 1969, 2135) ein Akt vorliegen, durch welchen die Nebensache dem Zweck der Hauptsache untergeordnet wird. Die Bestimmung ist kein Rechtsgeschäft, wohl aber ist natürliche Willensfähigkeit erforderlich, vgl Soergel/Marly Rn 26 mN. So wie der Wille für den Zweck maßgebend ist, so ist Willensänderung mit Beendigung der Zubehöreigenschaft als Folge möglich, vgl BGH NJW 1984, 2278. Dabei kommt es auf den Willen des tatsächlichen Benutzers der Hauptsache an; auch der Beginn der Vollstreckung eines Herausgabeurteils führt allein noch nicht zur Zweckänderung, BGH NJW 1969, 2135. Der Wille auf Zweckänderung reicht aber nicht aus, um die Zubehöreigenschaft so zu beenden, dass eine bestehende Hypothekenhaftung aufhört, vielmehr sind die besonderen Voraussetzungen der §§ 1120ff erforderlich. – Die Zubehöreigenschaft beginnt nicht erst mit der Verwendung für den Zweck der Hauptsache. Es genügt die durch Herstellung des entspr räumlichen Verhältnisses iVm anderen Umständen bekannt gegebene Absicht einer solchen Verwendung. So können die für den Notfall oder zur künftigen Benutzung bereitgehaltenen Ersatzstücke Zubehör sein, RG JW 1938, 1390; Zubehör sind solche Gegenstände auch, wenn ihre spätere Einfügung in die Hauptsache als Bestandteil beabsichtigt ist (RG 66, 357 betreffend Materialreserve einer Fabrik). Auch Pferde, welche infolge ihres Alters noch nicht zu Fuhrzwecken verwandt werden, können bereits Zubehör sein, Frankfurt HRR 1937, 692. Zubehör (nicht des unfertigen Hauses, sondern unmittelbar) des Baugrundstücks sind die auf dem Grundstück liegenden Baumittelstücke, RG 84, 285. Eine bewegliche Sache kann uU auch schon Zubehör sein, bevor die Hauptsache vollständig fertig gestellt und betriebsbereit ist, falls die Verkehrsanschauung aufgrund des Grades der Fertigstellung und der Art des Gebäudes die Zubehöreigenschaft bejaht, BGH NJW 1969, 36; 1958, 309, 312. Die Zubehöreigenschaft kann schon gegeben sein, bevor die Sache ihre unmittelbar nutzbare Gestalt erhalten hat. Auf dem Grundstück lagernde Masten, welche zu Schwellen für Feldbahnen zugeschnitten werden sollen, sind idR bereits Zubehör, Stettin OLG 45, 110f. Kein Zubehör dagegen sind die Vorräte an Rohstoffen zur Warenerzeugung, RG 86, 328, sowie die 6 zum Verkauf bestimmten Fertigwaren des Betriebs; anders die Gegenstände, welche der Beförderung dieser Waren dienen, zB Kannen und Gefäße zum Einfüllen, Brauereifahrzeuge, Lieferwagen. cc) Die Zweckbestimmung muss eine dauernde sein. Maschinen, Gerätschaften, Beleuchtungskör- 7 per und andere Gegenstände, welche vom Mieter, Nießbraucher pp nur für die Dauer der Miete usw angebracht bzw eingeordnet werden, sind kein Zubehör (dafür spricht wie bei § 95 II eine Vermutung, BGH NJW 1984, 2279), ebenso wenig die von einem Sportverein in Ausübung einer Dienstbarkeit auf einem Grundstück errichteten Anlagen, Breslau DJ 1938, 380, oder das Autotelefon eines Geschäftswagens, so jedenfalls Köln NJW-RR 1994, 51. Kein Zubehör sind ferner Sachen, deren Verwendung nur eine vorläufige ist, zB auf Probe gelieferte Maschinen; eine zur Erschließung eines Baugeländes bis zur Verlängerung der vorhandenen Vollbahn eingerichtete Straßenbahn, Staud/Jickeli/Stieper Rn 18; Sachen, die nur einem einmaligen vorübergehenden Bedürfnis Rechnung tragen, zB ein geliehenes Ersatzstück für eine in Reparatur gegebene Zubehörsache; geliehene Gerätschaften für eine besondere Veranstaltung. Werkzeugformen, die nach der Beendigung des Auftrags zurückgegeben werden müssen (Düsseldorf NJW-RR 1991, 1130, 1131). Dauernde Zweckbestimmung liegt jedoch vor, wenn solche Sachen ständig in zum Betrieb gehörenden Räumen lagern, um im Bedarfsfalle jeweilig Verwendung zu finden. Einbringungsgegenstände, die unter Eigentumsvorbehalt geliefert sind, will der Bauherr auf Dauer einfügen; daher werden sie Zubehör mit Bereitstellung im Gebäude, L. Michalski

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§ 97

Allgemeiner Teil

Sachen und Tiere

Frankfurt WM 1968, 1231; BGH 58, 309 (314); krit dazu Kuchinke JZ 1972, 658. Dauernde Zweckbestimmung auch bei verbrauchbaren Sachen, so der im Keller oder auf dem Hof lagernde Koksoder Holzvorrat eines Hauses mit Zentralheizung, uU für mehrere Heizperioden, Dresden Recht 1938, 7247, sowie der auf einem Fabrikgrundstück lagernde, für den Fabrikbetrieb bestimmte Kohlenvorrat, RG 77, 36ff. Heizöl ist weder Zubehör des Öltanks noch der Heizungsanlage. Es ist auch, solange der Bau, dessen Beheizung es dienen soll, noch nicht bezugsfertig ist, nicht Zubehör des Grundstücks, Düsseldorf NJW 1966, 1714. Auch die Instandhaltungsrücklage nach § 21 V Nr 4 WEG soll nach Röll NJW 1976, 937, als Zubehör behandelt werden. Dauernde Zweckbestimmung auch bei beabsichtigter späterer Einfügung als Bestandteil (Rn 5). 8

e) Die Zubehöreigenschaft erfordert weiter eine bestimmte räumliche Beziehung zw Haupt- und Nebensache. Das bedeutet, dass die Nebensache der Hauptsache so nahe sein muss, dass eine der Sachart entspr Nutzung möglich ist. Trotz räumlicher Trennung sind daher als Zubehör anzusprechen der auf fremdem Boden, aber zum Verbrauch in der eigenen Wirtschaft gestochene und aufgestapelte Torf; der auf einem Mietgrundstück gewonnene, zur Verarbeitung in der Ziegelei bestimmte Lehm; eine zu einer Fabrik gehörende, aber mit Rücksicht auf die Möglichkeit der Ausnutzung der Wasserkraft ein Kilometer entfernt auf fremden Boden befindliche Sauerstoffanlage, RG 157, 48; Lastwagen, die die Produkte der Fabrik abfahren, selbst wenn sie jeweils einige Tage auf der Fahrt sind; Gerätschaften, welche in einem Schuppen untergebracht sind und nur im Bedarfsfalle auf dem Fabrikgrundstück Verwendung finden, RG JW 1938, 1390. Ob solche Gerätschaften auch dann Zubehör sind, wenn sie nicht auf dem Fabrikgrundstück, sondern nur in erheblicher Entfernung davon gelegentlich Verwendung finden, bestimmt sich nach der Anschauung des Geschäftsverkehrs, RG JW 1938, 1390. Der Zubehöreigenschaft von Leitungen usw für Kraftwerksgrundstücke steht auch eine weite Entfernung vom Grundstück nicht entgegen. Auch eine Tankstelle, die der Eigentümer eines Hauses auf einem angrenzenden gemieteten Gelände betreibt, kann Zubehör des Hausgrundstücks sein, BGH MDR 1965, 561. Baumaschinen, die ausschließlich auf den Baustellen eingesetzt werden, gehören hingegen weder zum Zubehör des Betriebsgrundstücks, BGH 124, 380, noch zu dem des jeweiligen Standortgrundstücks, Koblenz BB 1989, 2139.

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Die vorübergehende räumliche Trennung, zB auf dem Transport oder zu Reparaturzwecken, hebt die Zubehöreigenschaft nicht auf; dgl nicht die vorübergehende Benutzungsunfähigkeit der Hauptsache. Wohl aber kann die Änderung der Widmung für den Zweck der Hauptsache die Zubehöreigenschaft aufheben, vgl Rn 7. Auch nicht die Stilllegung des Betriebs infolge behördlicher Maßnahme oder infolge eines Beschlusses der Konkursgläubiger, RG 69, 88; vgl auch Augsburg OLG 37, 212f; Reuther DJ 1940, 1346 (betreffend die Frage der Veräußerung solcher Zubehörstücke durch den Konkursverwalter).

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3. Beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 97 I S 1 kann eine entgegenstehende Verkehrsauffassung die Zubehöreigenschaft ausschalten, § 97 I S 2. Die Verkehrsanschauung kann gebietlich unterschiedlich sein. Eine entgegengesetzte Verkehrsanschauung besteht insb bei Sachen, welche allg beim Verkauf getrennt zu werden pflegen. Ladeneinrichtungen sowie das Inventar einer Gastwirtschaft oder eines Kaffeehauses werden, selbst wenn sie den besonderen räumlichen Verhältnissen des Geschäfts angepasst sind, im Verkehr nicht als Zubehör angesehen (str); es sei denn, dass die bauliche Ausgestaltung des Grundstücks nur einen bestimmten gewerblichen Zweck zulässt, Braunschweig HRR 1939, 869; weiter dazu RG JW 1909, 485; RG 48, 208; Hamm OLG 5, 78; Hamburg OLG 38, 30; Frankfurt HRR 1932, 2235. – Der Musikautomat in einer Gastwirtschaft ist allg wohl nur Zubehör, wenn er bei regelmäßigen Tanzveranstaltungen benutzt wird, dazu Stettin OLG 4, 204; Hamm OLG 5, 78. – Kochherde, eiserne Öfen, Badewannen können in bestimmten Gegenden Zubehör sein, in anderen Gegenden aber zufolge entgegenstehender Verkehrsauffassung nicht. Entscheidend sind dabei nicht die Anschauungen einzelner sachkundiger Personen, sondern die Lebens- und Geschäftsgewohnheiten, welche sich in einem bestimmten Gebiet gebildet haben, RG 77, 244. – Die Telefonanlage eines Wohnhauses wird allg nicht als dessen Zubehör angesehen, LG Mannheim JW 1937, 3305. Die Verkehrsanschauung wird auch die Zubehöreigenschaft von im Register eingetragenen Schiffen und Luftfahrzeugen verneinen. Die hauptsächlichsten Zubehörfolgen (§§ 1120ff, 314, 926) passen auch nicht oder schlecht für die Behandlung dieser Sachen, die bzgl der Verpfändung (Registerpfandrecht) den unbeweglichen Sachen gleichgestellt sind.

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Eine interessante Sonderlösung des Problems findet sich entspr der wirtschaftlichen Sonderlage für die Pfandrechte an registrierten Luftfahrzeugen. Hier haften auch vorübergehend eingebaute Bestandteile und Zubehörstücke für Pfandrechte; darüber hinaus kann die Haftung auf die für den Typ des verpfändeten Luftfahrzeugs gehaltenen Ersatzteillager ausgedehnt werden, vgl § 38 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen vom 26.2.1959 (BGBl I 1957).

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4. Zubehör mehrerer Sachen. a) Eine Sache kann Zubehör verschiedener Hauptsachen sein, insb mehrerer zu einem Sachinbegriff zusammengefasster Sachen. Zubehör verschiedener Hauptsachen sind auch Hilfsmittel, welche gleichzeitig mehreren Betrieben dienen, Frankfurt HRR 1937, 692 (betreffend Fuhrpark für zwei Betriebe).

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b) Sind mehrere grundbuchmäßig selbständige, aber einheitlich für einen Betrieb eingerichtete Grundstücke als Hauptsache ggü den beweglichen Einrichtungsgegenständen anzusehen, so ist lediglich das Grundstück Hauptsache, welches den Mittelpunkt der einheitlichen Bewirtschaftung oder des Betriebs bildet, RG 130, 266; JW 1931, 514; HRR 1942, 1. Bilden zwei Grundstücke in gleicher Weise den Mittelpunkt, so ist das Zubehör gemeinschaftliches Zubehör dieser beiden Grundstücke, Dresden OLG 35, 291. Für §§ 1120ff kann man sich das mehreren Grundstücken gewidmete Zubehörstück in ideelle Anteile zerlegt vorstellen oder nach Ranggrundsätzen entscheiden, vgl Rostosky 218

L. Michalski

Sachen und Tiere

§ 98

JherJb 74, 109; Westermann Sachenrecht § 98 II 2. Für § 311a ist mit der Methode der Auslegung, insb auch der erg, ein Weg zu suchen. Für § 926 kann die doppelte Zubehöreigenschaft zum Miteigentum führen, wenn nicht der Erwerber mit dem Alleinbesitz nach §§ 929ff auch Alleineigentum erwirbt. 5. Die Zubehöreigenschaft wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Sache nicht ausschließlich 13 der Hauptsache dient, sondern noch einen Nebenzweck hat, RG 157, 40, 47ff (betreffend eine Sauerstoffanlage, in welcher mehr Sauerstoff erzeugt wird, als der Betrieb erfordert). 6. Der Kraftfahrzeugbrief ist nicht Zubehör des Kraftwagens, LG München I DAR 1958, 267.

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7. Rechtliche Bedeutung. Die Rechtsfolgen der Zubehöreigenschaft sind in den §§ 97ff nicht gere- 15 gelt. Als selbständige bewegliche Sachen sind Zubehörstücke sonderrechtsfähig, dh sie können grds ohne die Hauptsache übereignet oder belastet werden. Da sie aus wirtschaftlicher Sicht jedoch in engem Zusammenhang mit der Hauptsache stehen, ordnet das Gesetz in einer Reihe von Vorschriften an, dass Zubehörstücke im Zweifel das rechtliche Schicksal der Hauptsache teilen. So zB in §§ 311c (Veräußerungs- oder Belastungsverpflichtung), 926 I (Grundstücksveräußerung), 1120 (Hypothek), 865 ZPO (Zwangsvollstreckung in unbewegliches Vermögen) und in den §§ 20, 21, 55 II ZVG (Beschlagnahme und Versteigerung; bei § 74a ZVG ist der Wert des mitversteigerten Zubehörs in die Berechnung der 7/10-Grenze einzubeziehen, BGH 117, 8). Beim Sachkauf begründet das Fehlen einzelner Zubehörstücke bei Gefahrübergang keinen Sachmangel der Gesamtheit, BGH NJW 92, 3224.

98

Gewerbliches und landwirtschaftliches Inventar Dem wirtschaftlichen Zwecke der Hauptsache sind zu dienen bestimmt: 1. bei einem Gebäude, das für einen gewerblichen Betrieb dauernd eingerichtet ist, insbesondere bei einer Mühle, einer Schmiede, einem Brauhaus, einer Fabrik, die zu dem Betrieb bestimmten Maschinen und sonstigen Gerätschaften, 2. bei einem Landgut das zum Wirtschaftsbetrieb bestimmte Gerät und Vieh, die landwirtschaftlichen Erzeugnisse, soweit sie zur Fortführung der Wirtschaft bis zu der Zeit erforderlich sind, zu welcher gleiche oder ähnliche Erzeugnisse voraussichtlich gewonnen werden, sowie der vorhandene, auf dem Gut gewonnene Dünger.

1. Grundsätzliches. Der vom wirtschaftlichen Entwicklungsstand der Wende des 19. zum 20. Jahr- 1 hundert ausgehende § 98 führt für Gewerbegebäude und Landgüter Bsp an, in denen das Unterordnungsverhältnis des § 97 als gegeben anzunehmen ist. Zubehör sind diese Sachen jedoch nur, wenn auch die übrigen Voraussetzungen des § 97 I, insb das entspr räumliche Verhältnis, vorliegen, RG 63, 418. § 98 setzt aber nicht voraus, dass die Zubehörsache dem Zweck der Hauptsache auf Dauer dienen soll (vgl Rn 6; aA Pal/Ellenberger Rn 1; Soergel/Marly Rn 2). Insoweit geht § 98 über § 97 hinaus. 2. Gewerbliches Zubehör (Nr 1). a) Ein Gebäude ist für einen bestimmten Betrieb dauernd einge- 2 richtet, wenn sich die Bauweise oder Einteilung des Gebäudes nach einem bestimmten Gewerbezweck richtet, BGH 62, 52; 124, 392, oder nach der Verkehrsanschauung die Verbindung zw Gebäude und Gewerbebetrieb als dauernd eingerichtete wirtschaftliche Einheit erscheint; vgl BGH 124, 392. Die ausschließliche Verwendung des Gebäudes für den Betrieb ist nicht erforderlich. Auch braucht der Verwendungszweck bei der Errichtung nicht als unabänderlich geplant zu sein, RG 48, 209; es darf nur nicht von vornherein ein bestimmter Endpunkt feststehen oder die Verbindung nur zur Befriedigung der Bedürfnisse des derzeitig Berechtigten bestimmt sein. Entscheidend für die Anwendung der §§ 97, 98 in den Fällen der Errichtung eines neuen gewerblichen Betriebs ist, ob im konkreten Fall durch wirtschaftliche Zweckbestimmung und räumliche Anordnung der Sache schon ein wirtschaftlicher Wert realisiert ist, den die Rechtsordnung durch die in § 97 Rn 15 aufgeführten Einzelbestimmungen erhalten will. Ein solcher Wert kann auch schon vor der Fertigstellung des Gebäudes und vor seiner vollständigen Ausstattung mit Betriebsinventar vorhanden sein, BGH NJW 1969, 36; BGH 58, 309. Maschinen, die der Pächter für seinen persönlichen Betrieb (im Gegensatz zum Betrieb, für den das Gebäude eingerichtet ist) einbringt, sind kein Zubehör, BGH DB 1971, 2113. b) Betriebe iSd § 98 I sind außer den in der Vorschrift genannten Betrieben Gast- und Schankwirt- 3 schaften, Kaffeehausbetriebe, Fremdenpensionen, Singspielhallen, Lichtspieltheater, Apotheken, Bankbetriebe, Elektrizitätswerke, Gasanstalten, Holzhandlungen, Sägewerke, Schlachthausbetriebe, Druckereien, Meiereien sowie handwerkliche Betriebe aller Art, wie Bäckereien, Metzgereien, Schlossereien, Schreinereien, Tischlereien, Kunstgärtnereien; Soergel/Marly Rn 7ff mwN. Zubehör sind also vorbehaltlich einer anderweitigen Verkehrsauffassung die wirtschaftlich für die genannten Betriebe bestimmten Maschinen, soweit sie ihre Selbständigkeit nicht verloren haben, sowie andere Gerätschaften, in Ausnahmefällen Inventar (vgl § 97 Rn 10). Bei Fabriken und anderen Geschäftsbetrieben mittleren Umfanges sind auch die Büroeinrichtungen unter Einschluss der für diesen Betrieb üblichen und in der Hauptsache für ihn benutzten Schreibmaschine(n) Zubehör des Betriebsgrundstücks, Augsburg OLG 45, 111 Anm 1; LG Lüneburg RPfleger 1954, 313 (Büroeinrichtung einer Mühle); ferner die Kleiderschränke für die Angestellten, Hamm DRZ 32 Nr 636; Anschlussgeleise zu Betrieben auch auf fremdem Gelände, dazu Soergel/Marly Rn 6. Zubehör des Betriebsgrundstücks sind idR die Bänke eines Lichtspieltheaters, die Kostüme einer Singspielhalle, KG OLG 30, 328; die Einrichtung der Apotheke, OVG JW 1920, 71 (nicht deren Warenbestand); die Betriebseinrichtung des Bankhauses; die Betriebseinrichtung einer Mühle, Schleswig SchlHA 1955, 127f; Maschinen und Geräte des Sägewerks; Anlagen des Schlachthofs; das Fernleitungsnetz eines Elektrizitätswerks; das Röhrenwerk einer Gasanstalt, Dresden OLG 30, 326f; Kannen und Lieferwagen der Molkereien und Meiereien; der zum Aufsuchen entlegener Baustellen bestimmte Personenkraftwagen eines Bauge-

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§ 98

Allgemeiner Teil

Sachen und Tiere

schäfts, Hamm JMBl NW 1953, 244; die in einer Bäckerei aufgestellte und benutzte Speiseeismaschine, LG Kassel MDR 1959, 487. 4

3. Landwirtschaftliches Zubehör (Nr 2). a) Landgut ist ein dem selbständigen Betrieb der Landwirtschaft dienendes Besitztum von gewisser Größe mit einem, wenn auch räumlich von ihm getrennten, Wohnhaus, Soergel/Marly Rn 14. Was zum Landgut gehört, bestimmt der Eigentümer durch Widmung, BGH 98, 386. – Zum Wirtschaftsbetrieb des Landguts bestimmtes Gerät sind ua Gabeln, Forken, Sensen, Ackerwagen, Tenneneinrichtungen, auch Dreschmaschine und Feldbahngeleise; der Hausrat in Räumen der im Wirtschaftsbetrieb des Guts beschäftigten Personen sowie die Einrichtung eines besonderen Büroraums mit Schreibmaschine, welche der Erledigung der sich aus dem Wirtschaftsbetrieb ergebenden Büroarbeiten dient; nicht dagegen der Hausrat der Räume des Personals, welches lediglich das Wohnhaus des Betriebsführers in Ordnung hält; auch nicht eine vorwiegend zu außerhalb des Rahmens des Gutes liegenden Arbeiten benutzte Büroeinrichtung, Königsberg HRR 1941, 924. S dazu auch Adam MDR 2004, 909, 911.

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b) Zum Vieh gehören die Arbeitstiere; Pferde, auch wenn sie nebenher zu Lohnfuhrzwecken oder zum Ausfahren und Sportreiten verwandt werden, München OLG 27, 176; ferner die zum Zwecke der Viehzucht gehaltenen und daraus gewonnenen Tiere, auch wenn sie zum Verkauf bestimmt sind, Stettin OLG 40, 413, unter Einschluss der Geflügelzucht, KG OLG 15, 327; RG SeuffA 64, 177, sowie der Wach- und Schäferhunde; idR auch Mastvieh, bis es nach dem Wirtschaftsplan des Landwirts schlachtreif ist, RG 142, 381. Die nur für den Verkauf bestimmten Tiere sind kein Zubehör. Anderes Vieh verliert die Zubehöreigenschaft, wenn es auf den Viehmarkt zum Verkauf gebracht wird, München JW 1934, 1802. Die Zubehöreigenschaft geht jedoch nicht schon dadurch verloren, dass der Besitzer in einem öffentlichen Ausschreiben sein sämtliches auf dem Landgut gehaltenes Vieh zum Verkauf anbietet, Augsburg OLG 35, 135. – Vorübergehende anderweitige Unterbringung von Tieren hebt die Zubehöreigenschaft nicht auf, RG Warn Rspr 1935, 16. Etwas anderes gilt jedoch, wenn ein Bauer, der zugleich Händler ist, Vieh als Handelsvieh vorübergehend auf seinem Hof unterstellt, RG 163, 105 (vgl Rn 6).

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c) Für die Zubehöreigenschaft von Geräten und Vieh eines Landguts ist nicht die wirtschaftliche Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit, sondern lediglich die Indienststellung durch den Besitzer maßgebend, Frankfurt HRR 1937, 692. Auch ist nicht erforderlich, dass die Sache dem Zwecke der Hauptsache auf Dauer dienen soll (anders die hM, vgl Rn 1). Nur der Betrieb muss auf die Dauer berechnet sein. Einbringung durch Mieter, Pächter pp kann also die Zubehöreigenschaft begründen.

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d) Zu den landwirtschaftlichen Erzeugnissen iSd § 98 gehören alle auf dem Gut oder einheitlich damit bewirtschafteten Pachtland gewachsenen Produkte sowie angekaufte landwirtschaftliche Erzeugnisse, soweit sie zur Fortführung der Wirtschaft bis zur nächsten Ernte erforderlich sind, insb also auch zugekauftes Saatgut, RG JW 1920, 552. Die Zubehöreigenschaft von Futtermitteln bemisst sich nach dem tatsächlichen Viehbestand, nicht nach der Möglichkeit der Haltung, München OLG 29, 245.

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e) Dünger ist auch der auf dem Gut gewonnene Kunstdünger. Zugekaufter Dünger ist nicht nach § 98, wohl aber idR nach § 97 Zubehör.

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4. Zu unterscheiden vom Zubehörbegriff der §§ 97, 98 ist das Zubehör eines Hofes nach § 3 HöfeO. Der Begriff des Hofzubehörs nach § 3 HöfeO ist jedoch im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht anwendbar. In der Zwangsvollstreckung bestimmt sich der Begriff des landwirtschaftlichen Zubehörs unabhängig davon, ob es sich um einen Hof oder sonstige landwirtschaftliche Grundstücke handelt, einheitlich nach §§ 97, 98. Näheres dazu Oldenburg NJW 1952, 671.

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Früchte (1) Früchte einer Sache sind die Erzeugnisse der Sache und die sonstige Ausbeute, welche aus der Sache ihrer Bestimmung gemäß gewonnen wird. (2) Früchte eines Rechts sind die Erträge, welche das Recht seiner Bestimmung gemäß gewährt, insbesondere bei einem Recht auf Gewinnung von Bodenbestandteilen die gewonnenen Bestandteile. (3) Früchte sind auch die Erträge, welche eine Sache oder ein Recht vermöge eines Rechtsverhältnisses gewährt.

1

1. Grundsätzliches. § 99 ist reine Definitionsnorm und bestimmt den Fruchtbegriff. Früchte und Gebrauchsvorteile gehören zu den Nutzungen einer Sache, § 100. Innerhalb des Fruchtbegriffs ist zw unmittelbaren Sachfrüchten, § 99 I, unmittelbaren Rechtsfrüchten, § 99 II, sowie mittelbaren Sachund Rechtsfrüchten, § 99 III, zu unterscheiden.

2

2. Rechtliche Bedeutung. Den Eigentumserwerb von Sachfrüchten regeln die §§ 953ff. Sind Früchte Rechte, so entstehen sie in der Person des Fruchtziehungsberechtigten. Das Recht zum Fruchtbezug folgt ua aus Pacht, §§ 581ff, und Nießbrauch, §§ 1030ff.

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Von den Erwerbstatbeständen zu trennen sind die Regelungen über die Fruchtverteilung beim Wechsel der Fruchtziehungsberechtigten. Den Grundsatz hierfür bestimmt § 101; speziellere Regelungen finden sich ua in den §§ 987ff, 1038f, 1214, 2133. Die Erstattung von Fruchtgewinnungskosten richtet sich nach § 102.

4

3. Unmittelbare Sachfrüchte (Abs I) sind a) die organischen Erzeugnisse einer Sache. Dieser Begriff wird nicht naturwissenschaftlich, sondern nach der Auffassung des Verkehrs und der Wirtschaft 220

L. Michalski

Sachen und Tiere

§ 100

bestimmt. Er umfasst Tier- und Bodenprodukte. Das Ei ist Frucht des Huhnes, die geschorene Wolle Frucht des Schafes; getrennte Pflanzen und Bäume sind Früchte des Bodens (RG 80, 232); doch wohl nur, wenn sie Wurzeln geschlagen hatten und dem Boden nicht lediglich zur Aufbewahrung, Konservierung oder zum Schutz gegen Untergang anvertraut waren. Früchte des Bodens sind ferner Obst und Getreide. – Alle organischen Erzeugnisse sind Früchte, ObFidKommG JW 1938, 203. Unerheblich ist, ob die Bestimmung der Muttersache darin besteht, derartige Produkte hervorzubringen. Die Perle ist Frucht der Auster, auch wenn ihre Entstehung die Einkapselung eines Fremdkörpers in sie zur Voraussetzung hatte. – Unerheblich ist ferner, durch wen die Gewinnung erfolgt (befugt oder unbefugt) und ob die Gewinnung den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft entspricht. Vom Unberechtigten geschlagenes, im Raubbau gewonnenes oder durch Naturkatastrophen getrenntes Holz ist Frucht des Bodens; auch ist die zur Unzeit geschorene Wolle Frucht des Schafes. b) die sonstige Ausbeute, dh Nutzungen, die weder Erzeugnisse noch Gebrauchsvorteile sind, je- 5 doch nur soweit sie bestimmungsgemäß gewonnen werden, dh wenn die Nutzung nach dem gegenwärtigen Zustand der Hauptsache naturgemäß oder verkehrsüblich ist. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob der Berechtigte oder ein Nichtberechtigter sie in diesen Zustand versetzt hat; auch kommt es auf das Maß und die Wirtschaftlichkeit der Ausbeute nicht an; Staud/Jickeli/Stieper § 99 Rn 8 (anders bei § 99 II). Ausbeute sind demgemäß Steine eines Steinbruchs, Kohlen, Sand, Lehm, Schiefer, Erz, Torf (Oldenburg NRpfl 1953, 124). Da die gewonnene Frucht selbst keine Sachqualität zu haben braucht, gehören auch die Elektrizität und andere Energien, wie Wasserkraft, zur sonstigen Ausbeute der Energiegewinnungsanlagen, aA Soergel/Marly Rn 9; MüKo/Holch Rn 5 und Staud/Jickeli/Stieper Rn 10, der allerdings gewonnene Elektrizität als Gebrauchsvorteil betrachtet. c) Unerheblich ist bei Rn 4 und 5, ob durch die Fruchtgewinnung die Substanz der Muttersache 6 verringert wird; doch muss die Muttersache als solche erhalten bleiben. Daher ist das Fleisch des Schlachttieres keine Frucht desselben. Auch Spezifikation (§ 950) erzeugt keine Früchte, sondern nur neue Sachen. 4. Unmittelbare Rechtsfrüchte (Abs II) sind die bestimmungsgemäßen Erträge des Rechts in den 7 Grenzen einer geordneten Wirtschaft, die selbständig neben dem Stammrecht bestehen, aus dem sie hervorgegangen sind, Soergel/Marly Rn 11, zB Nutzungen des Pächters, des Nießbrauchers, des Reallastberechtigten, des Inhabers einer Grunddienstbarkeit, einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit, des Bergwerkseigentümers (RG DJ 1938, 2049), des Verlegers, des Inhabers einer ausschließlichen Lizenz. Das Maß des Ertrags wird durch den Inhalt des Rechts, idR also durch Parteivereinbarung bestimmt. Früchte iSd § 99 II sind die Zinsen einer verzinslichen Forderung, Soergel/ Marly Rn 15, auch Zinszuschlag nach LAG; von der Realgemeinde zugeteiltes Holz und ausgeschüttete Überschüsse, BGH 94, 309; ferner die einzelnen Leistungen einer Leibrente. Frucht einer Aktie ist die Dividende (BGH 78, 177; Bremen DB 1970, 1436; dazu Mildner NZG 2004, 1025; s auch Rn 8), bei einem GmbH-Anteil der Gewinn, BGH NJW 1995, 1027. Auf den Ertrag eines Unternehmens sind die §§ 99, 100 analog anzuwenden (str), s dazu § 100 Rn 4. Zu den Früchten eines verpachteten Bordells vgl BGH NJW 1975, 638. Nicht unter § 99 II fallen Verzugszinsen (s Rn 9), Amortisationszahlungen und Liquidationsanteile 8 der Mitglieder bei Auflösung eines Vereins; im Aktienrecht das Stimmrecht und das Bezugsrecht auf neue Aktien, da sie keine bestimmungsgemäßen Erträge der Aktie selbst sind (anders Dividenden, s Rn 7), sowie die beim Aktienverkauf erzielten Kursgewinne (Bremen DB 1970, 1436). Die vermöge des Eigentums erzielten Früchte sind nicht Rechts-, sondern Sachfrüchte nach § 99 I. 5. Mittelbare Sach- und Rechtsfrüchte (Abs III) sind die Gegenleistungen für die Überlassung des 9 Gebrauchs oder der Nutzung an andere durch Rechtsgeschäft, Verwaltungsakt oder Gesetz, Soergel/ Marly Rn 14; so Verzugszinsen; die Überbaurente der §§ 912ff; die Vergütung, welche der Verfasser durch die Überlassung des Werks an den Verleger, der Dichter für die Überlassung des Aufführungsrechts und der Erfinder für die Gewährung einer Lizenz erhalten, Staud/Jickeli/Stieper Rn 20. Bei Miet- und Pachtforderungen (RG 105, 409 betreffend Vermietung beweglicher Sachen; Staud/Jickeli/ Stieper Rn 18 betreffend Verpachtung; RG DR 1940, 2169 betreffend Mietzinsen für Überlassung der Wohnung durch mehrere Berechtigte) ist zu differenzieren. Nutzungen, die der Pächter aus der Sache zieht, sind Früchte iSd § 99 II; Pachtzahlungen, die der Verpächter aus der Verpachtung der Sache erhält, sind ebenso Früchte iSd § 99 III wie die Untermiete und Entschädigungen für die Auflösung des Untermietverhältnisses (BGH BeckRS 2009, 24196 Tz 23) (zu Früchten bei unbefugter Untervermietung s BGH NJW 1996, 840). Nicht unter § 99 III fallen das Recht auf Rückgewähr bezahlter Kapitalbeträge, der Gegenwert für 10 die endgültige Überlassung einer Sache oder eines Rechts (Kaufpreis), das Ablösungskapital für die Rentenschuld, die Entschädigung für eine Enteignung.

100

Nutzungen Nutzungen sind die Früchte einer Sache oder eines Rechts sowie die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt. 1. Grundsätzliches. § 100 ist, wie § 99, reine Definitionsnorm. Der Begriff Nutzung umfasst außer 1 den Früchten des § 99, welche sämtlich Nutzungen iSd § 100 sind, die Gebrauchsvorteile der Sache oder des Rechts.

2. Gebrauchsvorteile sind die im Gebrauch liegenden natürlichen Vorteile, die im Wesentlichen 2 durch den Besitz des Gegenstands vermittelt werden, Hamburg MDR 1953, 614 mwN. Dazu gehören L. Michalski

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§ 100

Allgemeiner Teil

Sachen und Tiere

ua das Bewohnen eines Hauses, die Benutzung eines Kraftwagens, Gebäudes oder Platzes für gewerbliche Zwecke, das Tragen eines Anzugs, die Verwendung von Tieren zum Ziehen, Reiten oder für den Rennsport. Das Stimmrecht des Aktionärs in der Generalversammlung sowie das mit dem Geschäftsanteil einer GmbH verbundene Stimmrecht gehören nach hL zu den Vorteilen iSd § 100, RG 118, 268. Bei der Pacht zählen auch die Abnutzungsvorteile zu den „Nutzungen“ iSd § 100; dazu Loos NJW 1963, 991 Fn 4 Abs 2. Gebrauchsvorteil einer Maschine ist der Mehrertrag, welcher durch ihre Verwendung ggü der bei ihrem Besitzer bisher angewendeten Produktionsart (Handbetrieb, Gebrauch anderer Maschinen) erzielt wird, Soergel/Marly Rn 5. Bei der Vermietung einer fremden Sache sind Nutzungen die tatsächlich gezogenen Mietzinsen, BGH NJW 2002, 60, bei einem Grundstück auch die Zinsvorteile bei Nutzung ab Kreditunterlage, Gaier ZfJR 2002, 612. 3

3. Keine Nutzungen nach § 100 sind die sich aus dem Verbrauch, der Veräußerung und der Belastung ergebenden Vorteile, RG JW 1915, 324; Warn Rspr 1915, 70; auch nicht beim Verbrauch verbrauchbarer Sachen, wenngleich dieser in § 92 als Gebrauch bezeichnet wird. – Keine Nutzung ist das Bezugsrecht des Aktionärs auf junge Aktien, BayObLG 1936, 283; vgl § 99 Rn 8. Auch nicht ersparte Zinsen, RG 136, 135; wohl aber bei gewinnbringend angelegtem Geld die tatsächlich erzielten Zinsen oder der sonst erzielte Vorteil; die übliche Vergütung sollte hier nur als Anhalt für die Bewertung der Nutzung dienen (BGH 64, 322 für Investitionen in bäuerlichen Betrieb).

4

4. Das Unternehmen ist zwar keine Sache im technischen Sinn, wohl aber ist der Frucht- und Nutzungsbegriff auf das Unternehmen analog anzuwenden. Dabei bleibt es letztlich gleichgültig, ob der Gewinn des Unternehmens als Frucht oder als Nutzung behandelt wird, Soergel/Marly § 99 Rn 3; Baur JZ 1958, 465 (dort auch zur Berechnung des Gewinns). Zu den Nutzungen eines Gewerbebetriebs gehören auch die daraus gezogenen Gewinne, BGH 63, 368, abzüglich desjenigen Anteils, der auf den persönlichen Leistungen und Fähigkeiten des Unternehmers beruht, BGH NJW 1978, 1578.

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5. Rechtliche Bedeutung. § 100 ist als Definitionsnorm für viele BGB-Vorschriften von Bedeutung (zB §§ 446 S 2, 818, 987ff). Da Nutzungen idR nicht in natura herausgegeben werden können, begründet die Verpflichtung zur Herausgabe regelmäßig eine Pflicht zum Wertersatz. Die Bewertung von Gebrauchsvorteilen richtet sich nach dem objektiven Wert (BGH JR 1954, 460). Dieser ergibt sich aus der objektiven Möglichkeit der Nutzung, wobei es unerheblich ist, ob durch den Gebrauch ein Gewinn oder ein Verlust entstanden ist (BGH DB 1966, 739). Vorteile, die auf wertsteigernden Investitionen des Schuldners beruhen, sind nicht zu berücksichtigen (BGH 109, 191); die Beweislast für den nicht herausgabepflichtigen Investitionsmehrwert liegt beim Schuldner, BGH NJW 1995, 2627.

101

Verteilung der Früchte Ist jemand berechtigt, die Früchte einer Sache oder eines Rechts bis zu einer bestimmten Zeit oder von einer bestimmten Zeit an zu beziehen, so gebühren ihm, sofern nicht ein anderes bestimmt ist: 1. die in § 99 Abs. 1 bezeichneten Erzeugnisse und Bestandteile, auch wenn er sie als Früchte eines Rechts zu beziehen hat, insoweit, als sie während der Dauer der Berechtigung von der Sache getrennt werden, 2. andere Früchte insoweit, als sie während der Dauer der Berechtigung fällig werden; bestehen jedoch die Früchte in der Vergütung für die Überlassung des Gebrauchs oder des Fruchtgenusses, in Zinsen, Gewinnanteilen oder anderen regelmäßig wiederkehrenden Erträgen, so gebührt dem Berechtigten ein der Dauer seiner Berechtigung entsprechender Teil.

1

1. Grundsätzliches. § 101 besagt nicht, wem die Früchte gehören, sondern wem sie zustehen (gebühren). Die Vorschrift regelt also nicht die Eigentumsverhältnisse, sondern ordnet nur das schuldrechtliche Verhältnis der aufeinander folgenden Fruchtziehungsberechtigten untereinander. Sie findet Anwendung im Verhältnis ua zw Käufer und Verkäufer, Pächter und Verpächter, gutgläubigem Besitzer oder Nießbraucher und Eigentümer, Vorerben und Nacherben.

2

2. Nr 1. Bei den unmittelbaren Sachfrüchten, § 99 I, und den als Erzeugnissen oder Bestandteilen gewonnenen Rechtsfrüchten im Rahmen des § 99 II (natürliche Rechtsfrüchte) ist lediglich der Zeitpunkt der Trennung maßgebend, mag auch die Trennung entgegen den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft erfolgt sein.

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3. Nr 2. Andere Früchte iSd § 101 Nr 2 sind die mittelbaren Sach- und Rechtsfrüchte des § 99 III und diejenigen unmittelbaren Rechtsfrüchte, welche nicht natürliche Früchte sind. Diese gebühren dem im Zeitpunkt der Fälligkeit Bezugsberechtigten. Zu Gewinnansprüchen und Ausgleichsforderungen beim Erlöschen des Nießbrauchs an Geschäftsanteilen oder an Aktien s Koch ZHR 168 (2004), 55, 59ff.

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Bei regelmäßig wiederkehrenden Erträgen gebührt jedoch jedem der nacheinander Berechtigten ein der Dauer seiner Berechtigung entspr Teil. Dieses Verteilungssystem findet demnach Anwendung bei Miete und Pacht, Reallasten, Zinsen und Gewinnanteilen, RG 88, 46 (erg – auch im Hinblick auf Umsatzbeteiligung – Eckelt NJW 1953, 441). – Der Zeitpunkt der Festsetzung der Gewinnanteile ist ohne Bedeutung. Nicht erforderlich ist auch eine stets gleiche Höhe der wiederkehrenden Leistungen. Auch darf der Tag der Auszahlung wechseln. Nur muss die Entrichtung als solche regelmäßig wiederkehren.

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4. Rechtliche Bedeutung. § 101 hat nur subsidiäre Bedeutung und kommt grds nur in Frage, wenn weder durch Gesetz (ua §§ 987ff, 1038f, 1214, 2133) noch durch Parteiwillen (Vertrag oder letztwillige 222

L. Michalski

Sachen und Tiere

§ 103

Verfügung, RG JW 1913, 193f) anderes bestimmt ist. Im Gesellschaftsrecht hat der seinen Geschäftsanteil veräußernde GmbH-Gesellschafter grds einen schuldrechtlichen Anspruch nach § 101 Nr 2 Alt 2 gegen den Erwerber auf den während seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft entfallenden anteiligen Gewinn, sofern dieser ausgeschüttet wird; dies gilt jedoch nicht, wenn die GmbH den Anteil selbst erwirbt, BGH NJW 1995, 1027. Im BGB fehlen allg Regeln über den Erwerb mittelbarer Früchte im Falle des Übergangs des 6 Fruchtziehungsrechts. § 101 ist nicht unmittelbar anzuwenden, weil diese Vorschrift nur die schuldrechtliche Ausgleichspflicht mehrerer Fruchtziehungsberechtigter betrifft. Es ist anzunehmen, dass der neue Fruchtziehungsberechtigte, auch wo die §§ 566ff, 578 I, 578a I, 581 II iVm Nießbrauchsvorschriften nicht eingreifen, die mittelbaren Früchte mit dem Erwerb des Fruchtziehungsrechtes erwirbt.

102

Ersatz der Gewinnungskosten Wer zur Herausgabe von Früchten verpflichtet ist, kann Ersatz der auf die Gewinnung der Früchte verwendeten Kosten insoweit verlangen, als sie einer ordnungsmäßigen Wirtschaft entsprechen und den Wert der Früchte nicht übersteigen. 1. Grundsätzliches. § 102 ist lediglich Ergänzungsnorm zu gesetzlichen Bestimmungen, ua §§ 101, 1 292 II, 346 I, 818ff, 987ff, 2020, 2023, 2184, und zu Rechtsgeschäften, welche die Herausgabe von Früchten eben in dieser Eigenschaft, dh wegen ihrer Bewertung als Frucht (RG DJ 1938, 2049) und nicht schlechthin als Sache zum Gegenstand haben. Sie hat dispositiven Charakter und gilt nur, soweit weder vertraglich anderes bestimmt ist noch aus den Umständen anderes folgt. 2. Kosten sind Aufwendungen von unmittelbarem Vermögenswert, welche der Bestellung, Gewin- 2 nung, Erhaltung und Ernte der Früchte dienen; zu den Kosten des bergwerklichen Abbaues RG JW 1938, 3041 = DJ 1938, 2049. – Zu den Kosten gehören auch geldwerte Aufwendungen, welche die Steigerung der Fruchtgewinnung zum Ziele haben (aA KG OLG 22, 272). Kosten sind auch eigene geldwerte Leistungen und Aufwendungen von Familienangehörigen und eigenen Angestellten. Das gilt insb für die Früchte eines gewerblichen Unternehmens, bei dem die persönlichen Fähigkeiten und Leistungen ggü dem rein gegenständlichen Produkt des Betriebs im Vordergrund stehen, BGH MDR 1962, 556 (mit grds Ausführungen zu § 102); doch ist der Wert der aufgewandten Arbeitskraft nur dann zu ersetzen, wenn der Fruchtziehende seine Arbeitskraft auch andernfalls wirtschaftlich nutzbringend verwertet hätte, RGRK/Kregel Rn 2. Die Aufwendungen müssen nach der Verkehrsanschauung einer ordnungsmäßigen Wirtschaft entsprechen. In diesem Rahmen gehören zu den zu ersetzenden Kosten uU auch solche, die nicht den gewünschten Erfolg haben, sich nachträglich also als unnötig erweisen. – Die Ersatzpflicht hat ihre obere Grenze in dem Wert der herauszugebenden Früchte. 3. Rechtliche Bedeutung. Der Anspruch aus § 102 haftet dem Anspruch auf Herausgabe der Früch- 3 te an. Letzterer wird wertmäßig um die Gestehungskosten gemindert. Das gilt auch für den an seine Stelle getretenen Schadensersatzanspruch nach §§ 990, 989, der nicht höher sein kann als der Wert des Herausgabeanspruchs, RG 163, 360; HRR 1938, 1532. Nach heute hA (Soergel/Marly Rn 2; Staud/ Jickeli/Stieper Rn 2; MüKo/Holch Rn 6; BaRo/Fritzsche Rn 9; Pal/Ellenberger Rn 1) gewährt § 102 auch einen selbständig einklagbaren Anspruch; dem ist zuzustimmen: Der Wortlaut spricht für die Anspruchsnatur; die Begrenzung auf den Wert der Früchte (zZt der Wiedererlangung) und auf die Kosten, die einer ordnungsmäßigen Wirtschaft entspr aufgewandt sind, schützt den Pflichtigen ausreichend.

103

Verteilung der Lasten Wer verpflichtet ist, die Lasten einer Sache oder eines Rechts bis zu einer bestimmten Zeit oder von einer bestimmten Zeit an zu tragen, hat, sofern nicht ein anderes bestimmt ist, die regelmäßig wiederkehrenden Lasten nach dem Verhältnis der Dauer seiner Verpflichtung, andere Lasten insoweit zu tragen, als sie während der Dauer seiner Verpflichtung zu entrichten sind. 1. Grundsätzliches. § 103 regelt (entspr der Fruchtverteilung des § 101) die Lastenverteilung. Las- 1 ten sind die Belastungen öffentlich-rechtl oder privater Natur, welche den Besitzer einer Sache oder den Gläubiger eines Rechts als solchen zu einer Leistung verpflichten, NJW 1980, 2425. Die Verpflichtung kann auf gesetzlicher Vorschrift beruhen (ua §§ 446, 546, 2379) oder durch Rechtsgeschäft begründet sein. 2. § 103 unterscheidet regelmäßig wiederkehrende und andere Lasten. a) Zum Begriff der regel- 2 mäßig wiederkehrenden Lasten gehört nur die Wiederkehr der Entrichtung in bestimmten Zeiträumen, nicht die jeweils gleiche Höhe. Regelmäßig wiederkehrende Lasten sind ua Renten, Reallasten, Hypothekenzinsen, Kaminkehrgebühren, Steuern, Beiträge für öffentliche Versicherungsanstalten (bei privaten Versicherungen gilt § 70 III VVG), die Jahresgebühren zur Erhaltung von Patenten, Gebrauchs- und Geschmacksmusterrechten, Prämien auf Sachversicherungen eines Hausgrundstücks, Düsseldorf NJW 1973, 146. b) Andere Lasten sind einmalige oder in unbestimmten Zeiträumen wiederkehrende; zu entrichten 3 sind sie bei Fälligkeit, BGH NJW 1982, 1278. Dazu gehören Schul-, Kirchenbau- und Patronatslasten, RG 70, 263; Anliegerbeiträge, vgl Staud/Jickeli/Stieper Rn 7; Messer NJW 1978, 1406, Erschließungskosten; BGH NJW 1982, 1278; 1994, 2283; übernommene Steuern, RG 72, 395ff.

L. Michalski

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§ 103

Allgemeiner Teil

Sachen und Tiere

4

c) Keine Lasten iSd § 103 sind dingliches Vorkaufsrecht, Nießbrauch und Grunddienstbarkeit, weil es sich dabei lediglich um Einschränkungen des Eigentums und Verkaufsrechts handelt, RG 56, 316; die Bewirtschaftungs- und Erhaltungskosten; die in der Ansiedlungsgenehmigung auferlegten Leistungen, Soergel/Marly Rn 5; ganz allg Auflagen, an welche die Polizei die Genehmigung zur Benutzung einer Sache knüpft, RG 129, 14.

5

3. Rechtliche Bedeutung. Bei regelmäßig wiederkehrenden Leistungen bestimmt das Verhältnis der Zeitdauer die beiderseitigen Verpflichtungen zur Lastentragung; bei anderen Lasten (Rn 3) bestimmt der Zeitpunkt der Fälligkeit, nicht der Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung der jeweiligen Last den Verpflichteten, RG 70, 265.

6

§ 103 gilt nur, soweit weder Gesetz noch Parteivereinbarung (ausdr oder stillschw) anderes bestimmen. Fälle besonderer gesetzlicher Regelung und gesetzliche Anwendungsfälle des § 103 bei Staud/Jickeli/Stieper Rn 1, 2.

Abschnitt 3 Rechtsgeschäfte Einleitung I. Rechtsgeschäft 1

1. Grundsatz der Privatautonomie. Das BGB geht auf der Grundlage einer von den Gedanken der Gleichheit und der Freiheit der Menschen geprägten Vorstellung davon aus, dass jeder Mensch seine privaten Lebensverhältnisse regelmäßig in freier Selbstbestimmung und ohne staatliche Hilfe oder Bevormundung selbst am besten zu gestalten vermag. Deshalb gibt es dem Einzelnen grds die Freiheit, seine Lebensverhältnisse unter Anerkennung durch die Rechtsordnung – ggf im Zusammenwirken mit anderen, etwa durch Vertrag – nach den eigenen Vorstellungen selbst zu ordnen. Dieser Grundsatz der Privatautonomie folgt aus dem Prinzip des Selbstbestimmungsrechts des Menschen und wird im Kern durch Art 1, 2 GG geschützt (BVerfG 8, 274, 328; 72, 155; 89, 214). Ausprägungen des Grundsatzes der Privatautonomie finden sich in der Vertragsfreiheit (Vor § 145 Rn 26), der Vereinigungsfreiheit (Art 9 I GG), der Eigentumsfreiheit (§ 903) und der Testierfreiheit (§ 1937). Die Grenzen der Privatautonomie ergeben sich aus der verfassungsmäßigen Ordnung, der Gerechtigkeitsidee, dem Sittengesetz sowie der Schutzbedürftigkeit des Einzelnen und aus seiner sozialen Verantwortlichkeit; sie werden insb durch die Gesetze gezogen. Das wichtigste Mittel zur Verwirklichung der Privatautonomie ist das Rechtsgeschäft, von dem der Dritte Abschnitt des Ersten Buches des BGB (§§ 104–185) handelt. Das Rechtsgeschäft ist der Ausgangspunkt der Regeln etwa über die Geschäftsfähigkeit, die Willensmängel, die Formvorschriften, das Wirksamwerden, die Bedingung und die Stellvertretung.

2

2. Begriff des Rechtsgeschäfts. Das Rechtsgeschäft ist ein Tatbestand, der aus mindestens einer Willenserklärung sowie oft aus weiteren Elementen besteht und an den die Rechtsordnung den Eintritt des gewollten rechtlichen Erfolges knüpft. Grundlegend zum Verhältnis Rechtsgeschäft/Willenserklärung aus heutiger Sicht: Leenen, FS Canaris 2007, 699ff mwN.

3

a) Kern des Rechtsgeschäfts ist die Willenserklärung (Vor § 116 Rn 1ff). Sie ist nicht mit dem Rechtsgeschäft identisch. Dennoch verwendet das BGB die beiden Begriffe zT gleichbedeutend nebeneinander. Manchmal erschöpft sich der Tatbestand des Rechtsgeschäfts in einer Willenserklärung (zB Kündigungserklärung); häufig enthält ein Rechtsgeschäft mehrere Willenserklärungen (zB Vertrag).

4

b) Nicht immer wird der Rechtserfolg allein von einer oder mehreren Willenserklärungen herbeigeführt. Oft müssen noch als Wirksamkeitsvoraussetzungen andere Tatbestandsmerkmale hinzutreten. Dabei kann es sich etwa um einen tatsächlichen Vorgang (zB Übergabe bei der Übereignung gem § 929) oder um eine behördliche Mitwirkung (zB Eintragung im Grundbuch beim Erwerb von Grundstücksrechten gem § 873) handeln. Man spricht hier von einem Doppeltatbestand des Rechtsgeschäfts.

5

c) Die Rechtsfolge tritt nicht allein deshalb ein, weil sie gewollt ist. Erforderlich ist die Anerkennung der gewollten Rechtsfolge durch die Rechtsordnung. Missbilligt diese den Rechtserfolg, bleibt er trotz eines entspr Willens aus. So ist etwa ein Vertrag nichtig, wenn eine Vertragspartei geschäftsunfähig ist (§ 105), eine gesetzlich vorgeschriebene Form nicht eingehalten ist (§ 125) oder eine erforderliche Zustimmung (§ 182) verweigert worden ist. In diesen Fällen spricht man von Wirksamkeitsvoraussetzungen. Sie gehören nicht zum Tatbestand des Rechtsgeschäfts; dessen Tatbestand ist auch ohne sie gegeben; dem Rechtsgeschäft mangelt es allerdings an der Wirksamkeit (Pal/Ellenberger Überbl v § 104 Rn 3; Jauernig/Jauernig Vor § 104 Rn 3).

6

3. Abgrenzung. a) Nicht zu den Rechtsgeschäften zählen die Rechtshandlungen. Sie unterscheiden sich vom Rechtsgeschäft dadurch, dass ihre Rechtsfolgen unabhängig von einem entspr Willen des Handelnden kraft Gesetzes eintreten, während das Rechtsgeschäft Rechtswirkungen auslöst, weil

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L. Michalski/H.-F. Müller

§ 103

Allgemeiner Teil

Sachen und Tiere

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c) Keine Lasten iSd § 103 sind dingliches Vorkaufsrecht, Nießbrauch und Grunddienstbarkeit, weil es sich dabei lediglich um Einschränkungen des Eigentums und Verkaufsrechts handelt, RG 56, 316; die Bewirtschaftungs- und Erhaltungskosten; die in der Ansiedlungsgenehmigung auferlegten Leistungen, Soergel/Marly Rn 5; ganz allg Auflagen, an welche die Polizei die Genehmigung zur Benutzung einer Sache knüpft, RG 129, 14.

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3. Rechtliche Bedeutung. Bei regelmäßig wiederkehrenden Leistungen bestimmt das Verhältnis der Zeitdauer die beiderseitigen Verpflichtungen zur Lastentragung; bei anderen Lasten (Rn 3) bestimmt der Zeitpunkt der Fälligkeit, nicht der Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung der jeweiligen Last den Verpflichteten, RG 70, 265.

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§ 103 gilt nur, soweit weder Gesetz noch Parteivereinbarung (ausdr oder stillschw) anderes bestimmen. Fälle besonderer gesetzlicher Regelung und gesetzliche Anwendungsfälle des § 103 bei Staud/Jickeli/Stieper Rn 1, 2.

Abschnitt 3 Rechtsgeschäfte Einleitung I. Rechtsgeschäft 1

1. Grundsatz der Privatautonomie. Das BGB geht auf der Grundlage einer von den Gedanken der Gleichheit und der Freiheit der Menschen geprägten Vorstellung davon aus, dass jeder Mensch seine privaten Lebensverhältnisse regelmäßig in freier Selbstbestimmung und ohne staatliche Hilfe oder Bevormundung selbst am besten zu gestalten vermag. Deshalb gibt es dem Einzelnen grds die Freiheit, seine Lebensverhältnisse unter Anerkennung durch die Rechtsordnung – ggf im Zusammenwirken mit anderen, etwa durch Vertrag – nach den eigenen Vorstellungen selbst zu ordnen. Dieser Grundsatz der Privatautonomie folgt aus dem Prinzip des Selbstbestimmungsrechts des Menschen und wird im Kern durch Art 1, 2 GG geschützt (BVerfG 8, 274, 328; 72, 155; 89, 214). Ausprägungen des Grundsatzes der Privatautonomie finden sich in der Vertragsfreiheit (Vor § 145 Rn 26), der Vereinigungsfreiheit (Art 9 I GG), der Eigentumsfreiheit (§ 903) und der Testierfreiheit (§ 1937). Die Grenzen der Privatautonomie ergeben sich aus der verfassungsmäßigen Ordnung, der Gerechtigkeitsidee, dem Sittengesetz sowie der Schutzbedürftigkeit des Einzelnen und aus seiner sozialen Verantwortlichkeit; sie werden insb durch die Gesetze gezogen. Das wichtigste Mittel zur Verwirklichung der Privatautonomie ist das Rechtsgeschäft, von dem der Dritte Abschnitt des Ersten Buches des BGB (§§ 104–185) handelt. Das Rechtsgeschäft ist der Ausgangspunkt der Regeln etwa über die Geschäftsfähigkeit, die Willensmängel, die Formvorschriften, das Wirksamwerden, die Bedingung und die Stellvertretung.

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2. Begriff des Rechtsgeschäfts. Das Rechtsgeschäft ist ein Tatbestand, der aus mindestens einer Willenserklärung sowie oft aus weiteren Elementen besteht und an den die Rechtsordnung den Eintritt des gewollten rechtlichen Erfolges knüpft. Grundlegend zum Verhältnis Rechtsgeschäft/Willenserklärung aus heutiger Sicht: Leenen, FS Canaris 2007, 699ff mwN.

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a) Kern des Rechtsgeschäfts ist die Willenserklärung (Vor § 116 Rn 1ff). Sie ist nicht mit dem Rechtsgeschäft identisch. Dennoch verwendet das BGB die beiden Begriffe zT gleichbedeutend nebeneinander. Manchmal erschöpft sich der Tatbestand des Rechtsgeschäfts in einer Willenserklärung (zB Kündigungserklärung); häufig enthält ein Rechtsgeschäft mehrere Willenserklärungen (zB Vertrag).

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b) Nicht immer wird der Rechtserfolg allein von einer oder mehreren Willenserklärungen herbeigeführt. Oft müssen noch als Wirksamkeitsvoraussetzungen andere Tatbestandsmerkmale hinzutreten. Dabei kann es sich etwa um einen tatsächlichen Vorgang (zB Übergabe bei der Übereignung gem § 929) oder um eine behördliche Mitwirkung (zB Eintragung im Grundbuch beim Erwerb von Grundstücksrechten gem § 873) handeln. Man spricht hier von einem Doppeltatbestand des Rechtsgeschäfts.

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c) Die Rechtsfolge tritt nicht allein deshalb ein, weil sie gewollt ist. Erforderlich ist die Anerkennung der gewollten Rechtsfolge durch die Rechtsordnung. Missbilligt diese den Rechtserfolg, bleibt er trotz eines entspr Willens aus. So ist etwa ein Vertrag nichtig, wenn eine Vertragspartei geschäftsunfähig ist (§ 105), eine gesetzlich vorgeschriebene Form nicht eingehalten ist (§ 125) oder eine erforderliche Zustimmung (§ 182) verweigert worden ist. In diesen Fällen spricht man von Wirksamkeitsvoraussetzungen. Sie gehören nicht zum Tatbestand des Rechtsgeschäfts; dessen Tatbestand ist auch ohne sie gegeben; dem Rechtsgeschäft mangelt es allerdings an der Wirksamkeit (Pal/Ellenberger Überbl v § 104 Rn 3; Jauernig/Jauernig Vor § 104 Rn 3).

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3. Abgrenzung. a) Nicht zu den Rechtsgeschäften zählen die Rechtshandlungen. Sie unterscheiden sich vom Rechtsgeschäft dadurch, dass ihre Rechtsfolgen unabhängig von einem entspr Willen des Handelnden kraft Gesetzes eintreten, während das Rechtsgeschäft Rechtswirkungen auslöst, weil

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L. Michalski/H.-F. Müller

Rechtsgeschäfte

Einl § 104

sie gewollt sind (vgl Mot I 127). Zu den Rechtshandlungen zählt man allg die geschäftsähnlichen Handlungen und die Realakte. aa) Geschäftsähnliche Handlungen (Einzelh Ulrici NJW 2003, 2053ff) sind Willensäußerungen oder 7 Mitteilungen, an die das Gesetz Rechtsfolgen knüpft, selbst wenn sie nicht gewollt sind. Dadurch unterscheiden sie sich von den Rechtsgeschäften. Bsp für geschäftsähnliche Handlungen sind die Mahnung (§ 286 I S 1; BGH 47, 357), die Fristsetzung (§§ 281, 323 I), die Aufforderung zur Erklärung über die Genehmigung (§§ 108 II, 177 II, 1366 III), Mitteilungen und Anzeigen (§§ 149, 170, 171, 374 II, 409 I, 411, 415 I S 2, 416 BGB, § 377 I HGB), aber auch die Einwilligung in eine Rechtsgutverletzung: Operation (BGH 29, 36; anders BGH 90, 101f; vgl auch Rossner NJW 1990, 2292 sowie im Betreuungsrecht zu § 1904), mit einer Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung (BGH Warn Rspr 61 Nr 97; NJW 1964, 1177; vgl dazu auch Schwab FamRZ 1990, 687; Schumacher FamRZ 1991, 281; Coeppicus FamRZ 1992, 751). Über die geschäftsähnlichen Handlungen enthält das Gesetz keine allg Regelungen. Regelmäßig 8 werden sie indes in dem Bewusstsein oder gar in der Absicht vorgenommen, dass damit Rechtsfolgen ausgelöst werden. Insoweit besteht eine Ähnlichkeit mit den Rechtsgeschäften. Daher sind vielfach die Regeln über Rechtsgeschäfte entspr anzuwenden (vgl BGH 47, 357; NJW 1989, 1792). Das gilt etwa für die Geschäftsfähigkeit (§§ 104ff), das Wirksamwerden (§§ 130ff), die Auslegung (§ 133), die Stellvertretung (§§ 164ff), die Zustimmung (§§ 182ff). Jedoch werden unter den geschäftsähnlichen Handlungen sehr verschiedenartige Fallgruppen zusammengefasst. Deshalb ist jeweils zu prüfen, inwieweit sie einem Rechtsgeschäft ähneln und welche Bestimmungen daher einer analogen Anwendung fähig sind; eine Analogie darf also niemals schematisch vorgenommen werden (Larenz/Wolf AT § 22 Rn 17ff). bb) Realakte (Tathandlungen) sind solche Handlungen, bei denen das Gesetz die Rechtsfolge aus- 9 schließlich an einen tatsächlichen Vorgang und nicht an den Willen knüpft. Bei ihnen kommt es – im Gegensatz zu den geschäftsähnlichen Handlungen – auf eine Willensäußerung nicht an. Bsp für Realakte sind Verbindung, Vermischung, Verarbeitung (§§ 946ff), Besitzveränderungen (§§ 854, 856; ausgenommen § 854 II), Fund und Schatzfund (§§ 965ff, 984), der Widerruf von Behauptungen (BGH NJW 1952, 417) sowie die Schaffung urheberrechtlich geschützter Werke. Wegen der Bedeutungslosigkeit des Willens ist eine analoge Anwendung der Regeln über das Rechtsgeschäft grds selbst dann ausgeschlossen, wenn der Realakt auf einem Willen beruht, der auf den tatsächlichen Erfolg gerichtet ist. Auch hier kommen allerdings Ausnahmen für Elemente des Realakts in Betracht, die der Willens- 10 erklärung angenähert sind. Es gibt zB Realakte, die neben dem äußeren Tatbestand noch einen Willen erfordern (sog gemischte Realakte); dazu gehören zB die Wohnsitzbegründung und -aufhebung (§§ 7, 8), die Rückgabe der Pfandsache (§ 1253), das Einbringen von Sachen in Mieträume und bei Gastwirten (§§ 562, 704). Auf sie sind einige der für die Willenserklärung geltenden Vorschriften entspr anwendbar (zB über die Geschäftsfähigkeit, nicht jedoch über die Anfechtung). cc) Die Verzeihung (§§ 532, 1, 2337, 2343) ist eine Rechtshandlung eigener Art, durch die eine Gesin- 11 nung zum Ausdruck gebracht wird (vgl Flume § 9, 2c; Staud/Knothe Vorbem zu §§ 104–115 Rn 94; anders – Realakt – Erman/Palm12 Rn 9). Zwar sind die rechtsgeschäftlichen Regeln, insb die Vorschriften über Willensmängel, nicht analog anwendbar; jedoch setzt eine wirksame Verzeihung die Kenntnis der Verfehlung und ihrer Tragweite voraus (RG 154, 255f). b) Nach den Lehren vom fehlerhaften Vertrag (Vor § 145 Rn 39ff) und vom sozialtypischen Verhal- 12 ten (Vor § 145 Rn 42ff) sollen in bestimmten Fällen vertragliche Schuldverhältnisse auch ohne entspr Willenserklärungen allein durch ein tatsächliches („sozialtypisches“) Verhalten entstehen können (vgl etwa BGH 21, 319; 23, 175; 23, 261). Beim „fehlerhaften Vertrag“ geht es um die Abwicklung nichtiger Dauerschuldverhältnisse. Mit dem „sozialtypischen Verhalten“ soll ein rechtsgeschäftlicher Erfolg ohne Willenserklärungen begründet werden, weil außervertragliche Regelungen (unerlaubte Handlung, ungerechtfertigte Bereicherung, Geschäftsführung ohne Auftrag) vielfach nicht ausreichen sollen. Die Lehre vom sozialtypischen Verhalten ist abzulehnen, weil nach geltendem Recht allein durch 13 Tathandlungen kein Vertragsverhältnis entstehen kann und sich sachgerechte Ergebnisse auch ohne diese Lehre erreichen lassen: Bei der Inanspruchnahme von öffentlich angedienten Versorgungsleistungen (Gas, Wasser, Elektrizität, Verkehrsmittel, Parkplatz usw) wird vielfach eine konkludente Willenserklärung vorliegen. Selbst wenn ein Autofahrer dem Wärter eines gebührenpflichtigen Parkplatzes erklärt, er wolle zwar parken, aber keine Bewachung und er zahle auch nicht (BGH 21, 319), liegt eine Willenserklärung vor, da sein Verhalten keine andere Auslegung zulässt als die auf Abschluss eines Bewachungsvertrags (protestatio facto contraria). Die Lehre missachtet auch den Schutz des Nichtgeschäftsfähigen (§§ 104ff), weil sie ihn vertraglich bindet (vgl dazu Medicus NJW 1967, 354). In neuerer Zeit arbeitet die Rechtspraxis statt mit der Rechtsfigur des sozialtypischen Verhaltens zumeist mit allg Instrumenten der Rechtsgeschäftslehre (vgl BGH 55, 128; 95, 399; NJW 1965, 387; 1983, 1777; BGH NJW-RR 1991, 176; Frankfurt NJW-RR 1989, 889; Saarbrücken NJW-RR 1994, 436; Brandenburg OLG-NL 2001, 88; zur Kritik der Lehre vom sozialtypischen Verhalten zuletzt vor allem Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, Tübingen 1999, S 64ff, 302ff, 344f, der die Problematik mit einer Schadensersatzpflicht wegen der Verletzung eines Kontrahierungsgebots lösen will; ferner vgl Lehmann NJW 1958, 1; Bork AT Rn 744f; Flume § 8; Larenz/Wolf AT § 30 Rn 21ff; Staud/Knothe Vorbem zu §§ 104–115 Rn 31 u § 133 Rn 58; Brox/Walker Allg SchuldR § 4 Rn 70ff). H.-F. Müller

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Einl § 104 14

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

Bei fehlerhaften Dauerrechtsverhältnissen (zB Arbeitsvertrag, Gesellschaftsvertrag) reichen allerdings außervertragliche Regelungen nicht aus; deshalb sind bis zur Geltendmachung der Nichtigkeit die Nichtigkeitsfolgen teilw eingeschränkt (Staud/Knothe Vorbem zu §§ 104–115 Rn 32–40; vgl auch § 142 Rn 7; § 138 Rn 57). II. Arten der Rechtsgeschäfte

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1. Einseitige und mehrseitige Rechtsgeschäfte. a) Einseitige Rechtsgeschäfte sind solche Rechtsgeschäfte, die nicht auf eine andere – vorliegende oder erwartete – Willenserklärung bezogen sind (zB Kündigung, nicht Vertragsangebot). Meist enthalten sie die Willenserklärung nur einer Person. Einseitig ist ein Rechtsgeschäft aber auch dann, wenn mehrere Personen auf einer Seite des Rechtsverhältnisses stehen und gemeinsam das Rechtsgeschäft vornehmen (zB beim Rücktritt; § 351); solche Geschäfte werden als Gesamtakte bezeichnet. Streng einseitige Rechtsgeschäfte sind solche, bei denen die Willenserklärung nicht an eine andere Person gerichtet ist (nicht empfangsbedürftige Willenserklärung). Eine Empfangsbedürftigkeit hält das Gesetz dann für nicht erforderlich, wenn die Erklärung nicht unmittelbar auf einen fremden Rechtskreis einwirkt (zB Auslobung, § 657; Aufgabe des Eigentums, § 959; Testamentserrichtung, § 2247). Meist ist jedoch die Willenserklärung auch beim einseitigen Rechtsgeschäft an eine andere Person gerichtet (empfangsbedürftige Willenserklärung). Da der Erklärungsempfänger in der Lage sein muss, sich auf die durch die Erklärung geschaffene Rechtslage einzustellen, ist es zur Wirksamkeit der Erklärung erforderlich, dass er sie wahrnehmen kann; deshalb muss sie ihm zugehen (vgl § 130). Bsp: Anfechtung (§ 143), Rücktritt (§ 349), Vollmachtserteilung (§ 167), Zustimmung (§ 182), Kündigung, Widerruf. Ist eine Behörde Erklärungsempfängerin, spricht man von einer amtsempfangsbedürftigen Willenserklärung (vgl § 130 III; zB Aufgabe des Eigentums an einem Grundstück, § 928 I).

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b) Mehrseitige Rechtsgeschäfte sind solche Rechtsgeschäfte, welche korrespondierende, regelmäßig empfangsbedürftige (Ausnahme §§ 151, 152) Willenserklärungen mehrerer Personen enthalten. Dazu gehören vor allem die Verträge (Vor § 145 Rn 1ff); das sind die übereinstimmenden, wechselseitigen Willenserklärungen von mindestens zwei Personen. Mehrseitige Rechtsgeschäfte sind auch die Beschl (zB beim Verein und in Gesellschaften); sie enthalten gleichgerichtete Willenserklärungen von mehreren Personen in einer Personenvereinigung und dienen der Willensbildung in ihr.

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2. Rechtsgeschäfte unter Lebenden und von Todes wegen. a) Rechtsgeschäfte von Todes wegen sind Rechtsgeschäfte, die auf den Tod mindestens eines der Beteiligten abstellen und die Ordnung der mit dem Tode dieser Person entstehenden Rechtsverhältnisse bezwecken. Hier scheiden regelmäßig Verkehrsschutzinteressen aus; subjektive Gesichtspunkte sind in verstärktem Maße bestimmend. Solche Rechtsgeschäfte sind Testament (§§ 2064ff), Erbvertrag (§§ 2274ff) und Erbverzichtsvertrag (§§ 2346ff); für sie gelten besondere Formvorschriften.

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b) Rechtsgeschäfte unter Lebenden sind alle anderen Rechtsgeschäfte, auch wenn sie mit Rücksicht auf den Tod vorgenommen werden. – Besonderheiten ergeben sich bei den lebzeitigen Zuwendungen auf den Todesfall. Der Zuwendende bedient sich der Mittel, die das BGB für Rechtsgeschäfte unter Lebenden zur Verfügung stellt (zB Schenkungsvertrag, Vertrag zugunsten Dritter). Darin liegt für ihn eine Erleichterung, da er sich dem Form- und Typenzwang der Rechtsgeschäfte von Todes wegen entziehen kann. Da die lebzeitigen Zuwendungen auf den Todesfall sich wirtschaftlich als Zuwendungen aus dem Nachlass darstellen, können die Interessen von Nachlassgläubigern, Erben, Pflichtteilsberechtigten, Vermächtnisnehmern und Auflagebegünstigten beeinträchtigt werden. Diese Problematik hat der Gesetzgeber nicht in seiner ganzen Tragweite gesehen und nur in § 2301 I eine (unzulängliche) Regelung getroffen. Deshalb ist vieles str (Einzelheiten § 2301 Rn 2ff).

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3. Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte. a) Verpflichtungsgeschäfte sind solche Rechtsgeschäfte, durch welche die Verpflichtung zu einer Leistung begründet wird. Verpflichtungsgeschäfte sind meist Verträge (zB Kaufvertrag), ausnahmsweise einseitige Rechtsgeschäfte (zB Auslobung, § 657). Das Gesetz regelt die Typen der mehrseitigen Verpflichtungsgeschäfte in §§ 433ff nicht abschließend; es gilt insoweit Vertragsfreiheit. Auch die Fähigkeit, sich zu verpflichten, ist grds nicht beschränkt. So kann sich auch ein Nichteigentümer in einem Kaufvertrag zur Übereignung der (ihm nicht gehörenden) Sache verpflichten. Ausnahmsweise bedarf ein Ehegatte zu bestimmten Verpflichtungsgeschäften der Einwilligung seines Ehepartners (§§ 1365, 1369, 1423–1425).

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Das Verpflichtungsgeschäft begründet eine schuldrechtliche Rechtsbeziehung von Person zu Person. Der Verpflichtete ist zu einem Tun oder Unterlassen verpflichtet; der Berechtigte erhält den Anspruch (die Forderung), vom Verpflichteten das geschuldete Tun oder Unterlassen zu verlangen. Durch das Verpflichtungsgeschäft (zB den Kaufvertrag) ändert sich an der Rechtslage des Verpflichtungsgegenstandes nichts. So bleibt der Verkäufer trotz des Kaufvertrags weiterhin Eigentümer der Kaufsache; der Käufer erwirbt nur einen Anspruch auf Übereignung.

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b) Verfügungsgeschäfte sind solche Rechtsgeschäfte, durch die ein Recht unmittelbar übertragen, belastet, geändert oder aufgehoben wird (BGH 1, 304; 101, 26). Sie bestehen meist aus einem Vertrag (zB Abtretung einer Forderung, § 398; Erlass einer Forderung, § 397 I; Einigung gem §§ 929 S 1, 873 I), ausnahmsweise aus einem einseitigen Rechtsgeschäft (zB Eigentumsaufgabeerklärung, § 959). Oft setzen Verfügungen weitere Tatbestandsmerkmale voraus (zB verlangen §§ 929 S 1, 873 I außer der Einigung noch die Übergabe der Sache bzw die Eintragung in das Grundbuch).

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Die Wirksamkeit einer Verfügung hängt immer von der Verfügungsmacht des Verfügenden ab. Verfügender ist derjenige, der ein Recht aufhebt, belastet, ändert oder überträgt, nicht dagegen derjenige, der das Recht erwirbt. Unter der Verfügungsmacht versteht man die rechtliche Macht, über ein 226

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Recht zu verfügen. Sie steht regelmäßig dem Inhaber des Rechts (zB dem Eigentümer der Sache, dem Inhaber der Forderung) zu, sofern nicht ein Veräußerungsverbot (§§ 135ff) besteht oder die Verfügungsmacht beschränkt ist (zB §§ 1365, 2113, 2211). Ausnahmsweise ist ein anderer verfügungsbefugt; dafür ist Voraussetzung, dass ihm die Verfügungsmacht durch Gesetz oder Rechtsgeschäft eingeräumt ist (zB Insolvenzverwalter, § 80 InsO; Testamentsvollstrecker, § 2205). Fehlt dem Verfügenden die Verfügungsmacht, so ist die Verfügung grds unwirksam. Stimmt jedoch der Verfügungsberechtigte der Verfügung zu, ist diese wirksam (§ 185). Abgesehen davon kann ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten in Betracht kommen; dabei muss sich der gute Glaube darauf beziehen, dass der Verfügende Rechtsinhaber ist (zB §§ 932, 892); der gute Glaube an die Verfügungsmacht des Verfügenden wird regelmäßig nicht geschützt (Ausnahmen zB §§ 135 II, 161 III; § 366 HGB). Wegen der zuordnungsändernden Wirkung der Verfügung gilt der Bestimmtheitsgrundsatz, wonach die Verfügung sich auf einen bestimmten Gegenstand beziehen muss; aus demselben Grund strebt das BGB nach Offenlegung des Erfolgs. c) Der Unterschied zw Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften zeigt sich in Folgendem (vgl 23 Rüthers/Stadler AT § 16 Rn 14ff): aa) Das Verfügungsgeschäft setzt für seine Wirksamkeit eine besondere Macht des Verfügenden („Verfügungsmacht“) voraus; für das Verpflichtungsgeschäft ist eine besondere Macht des sich Verpflichtenden („Verpflichtungsmacht“) nicht erforderlich. bb) Bei Verfügungen gilt der Prioritätsgrundsatz; verfügt jemand mehrmals über einen Gegenstand, ist nur die zeitlich erste Verfügung wirksam, während alle späteren Verfügungen unwirksam sind (Besonderheiten bei gutgläubigem Erwerb vom Nichtberechtigten). Bei Verpflichtungen besteht eine solche Rangordnung nicht; eine mehrmalige Verpflichtung ggü verschiedenen Personen ist möglich, wobei die zeitlich erste Verpflichtung rangmäßig nicht besser steht als die zeitlich Letzte. d) Zu den Verfügungen werden gerechnet: aa) die durch Zwangsvollstreckung oder Arrestvollzie- 24 hung getroffene Verfügung (§§ 161 I S 2, 184 II, 458 S 2, 883 II S 2, 2115 S 1). Sie steht den rechtsgeschäftlichen Verfügungen gleich; jedoch sind die Gutglaubensregeln nicht anwendbar. Sie gelten nur für rechtsgeschäftlichen Erwerb. bb) die Gestaltungsgeschäfte (zB Anfechtung, § 143; Rücktritt, § 349; Aufrechnung, § 388 S 1; Kün- 25 digung, Widerruf). Sie sind Verfügungen, weil sie das bestehende Recht unmittelbar ändern. Da sie von einem bereits bestehenden Rechtsverhältnis abhängen, werden sie als abhängige Rechtsgeschäfte bezeichnet (RGRK/Krüger-Nieland Vor § 104 Rn 24). Auch die Genehmigung gehört hierher, da sie die schwebend unwirksame Verfügung wirksam macht. Dagegen sind die Einwilligung und die Vollmachtserteilung keine Verfügungen, da erst die spätere Verfügungshandlung, zu der die Einwilligung oder Vollmacht erteilt wurde, die Rechtsänderung herbeiführt; hier ist eine vorsichtige Analogie der Verfügungsregeln in einzelnen Punkten denkbar. Gestaltungsgeschäfte sind, weil sie die Rechtslage verändern und darüber Klarheit bestehen soll, regelmäßig bedingungsfeindlich. 4. Kausale und abstrakte Rechtsgeschäfte. a) Kausale Rechtsgeschäfte sind Geschäfte, die den 26 Rechtsgrund (die causa) einer Zuwendung enthalten. Rechtsgrund der Zuwendung sind nicht persönliche Beweggründe (Motive), von denen sich der Zuwendende bei der Zuwendung leiten lässt; sie sind rechtlich unbeachtlich. Vielmehr ist nur ein kleiner Kreis von typischen Zuwendungszwecken rechtlich bedeutsam; man nennt sie Rechtsgrund der Zuwendung. Nach römischer Rechtstradition unterscheidet man die causa donandi (zB Schenkung, § 516), die causa credendi (aquirendi, obligandi; zB Darlehenshingabe, §§ 488, 607 I) und die causa solvendi (zB Schuldtilgung durch Kaufpreiszahlung). Zu den kausalen Geschäften gehören die meisten Verpflichtungsgeschäfte, vor allem die gegenseitigen oder einseitig verpflichtenden Verträge. Da der Rechtsgrund ein Teil des Kausalgeschäfts ist, liegt kein gültiges Kausalgeschäft vor, wenn die Parteien sich nicht über den Rechtsgrund geeinigt haben. b) Abstrakte Rechtsgeschäfte sind solche Geschäfte, die vom Rechtsgrund der Zuwendung losge- 27 löst sind. Auch ihnen liegt regelmäßig ein Rechtsgrund zugrunde. Jedoch ist dieser nicht Inhalt des abstrakten Geschäfts. Die causa liegt vielmehr in dem einem abstrakten Geschäft zugrundeliegenden Kausalgeschäft. – Zu den abstrakten Geschäften zählen alle Verfügungsgeschäfte sowie einige im Gesetz besonders geregelte Verpflichtungsgeschäfte (zB Schuldversprechen, § 780; konstitutives Schuldanerkenntnis, § 781; Schuldverschreibung auf den Inhaber, § 793; Verpflichtungen aus Wechsel und Scheck). c) Der Unterscheidung zw kausalem und abstraktem Geschäft liegt das aus dem römischen Recht 28 stammende Abstraktionsprinzip zugrunde. Dabei geht es um eine rechtliche Trennung von kausalem und abstraktem Geschäft. So berührt das Fehlen oder die Nichtigkeit des Kausalgeschäfts (zB Kaufvertrags) grds nicht die Wirksamkeit des abstrakten Geschäfts (zB Übereignung der Kaufsache), das zur Erfüllung des Kausalgeschäfts abgeschlossen wird. Gesetzgeberischer Grund für diese Abstraktion ist es also, die Wirksamkeit des abstrakten Geschäfts von den Mängeln des Kausalgeschäfts unabhängig zu machen. Das Abstraktionsprinzip dient demnach der Sicherheit im Rechtsverkehr. Es hat sich – jedenfalls im Prinzip – bewährt (Rother AcP 169, 1; Peters Jura 1986, 449). Im Verhältnis der Beteiligten (zB Vertragsparteien des Kaufvertrags) zueinander folgt aus dem 29 Abstraktionsprinzip bei fehlendem Rechtsgrund eine Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht; so hat etwa der Verkäufer bei nichtigem Kaufvertrag ggü dem Käufer hins der bereits übereigneten Kaufsache keinen Anspruch aus § 985, sondern (nur) einen Anspruch aus § 812. Die eigentliche Bedeutung des Abstraktionsprinzips zeigt sich jedoch im Verhältnis zu Dritten. Da die Nichtigkeit des Kaufvertrags die Übereignung der Kaufsache an den Käufer nicht berührt, erwirbt ein Dritter das Eigentum vom Käufer als Berechtigtem; er braucht sich also nicht darüber zu informieren, ob das KauH.-F. Müller

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salgeschäft zw Verkäufer und Käufer gültig war. Auch die Gläubiger eines Schuldners werden durch das Abstraktionsprinzip geschützt. Sie können die Zwangsvollstreckung in Sachen ihres Schuldners betreiben, die dieser aufgrund von Kaufverträgen erworben hat, ohne Interventionen der Verkäufer, der Kaufvertrag sei nichtig geworden, befürchten zu müssen. 30

Das Abstraktionsprinzip hat vielfach Kritik erfahren. Man hat ihm entgegengehalten, die Trennung von kausalem und abstraktem Geschäft passe nicht für die Bargeschäfte des täglichen Lebens, die einen einheitlichen Vorgang darstellten. Außerdem werde die Sicherheit im Rechtsverkehr schon durch die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten weitgehend gewährleistet. Vor allem aber würden die Interessen des rechtsgrundlos Verfügenden durch das Abstraktionsprinzip nicht hinreichend geschützt, wenn der Verfügungsempfänger weiterveräußere oder wenn seine Gläubiger in den Verfügungsgegenstand die Zwangsvollstreckung betrieben.

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Deshalb neigen Theorie und Praxis zur Einschränkung des Abstraktionsprinzips. Richtig ist, dass eine Tatsache, die das Kausalgeschäft unwirksam macht, auch zur Unwirksamkeit des abstrakten Geschäfts führen kann (sog Fehleridentität). Das ist etwa bei mangelnder Geschäftsfähigkeit oder bei Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123; RG 66, 390; BGH DB 1966, 818; § 142 Rn 5) möglich, oft auch bei Sittenwidrigkeit (§ 138 Rn 53). Außerdem können die Parteien die Gültigkeit des Kausalgeschäfts zur Bedingung (§ 158) des abstrakten Geschäfts machen. Das setzt aber zunächst voraus, dass eine Bedingung überhaupt zulässig ist (zB nicht in § 925). Abgesehen davon ist eine (auch konkludent mögliche) Bedingung nur dann anzunehmen, wenn die Geschäftspartner mindestens über die Gültigkeit des Kausalgeschäfts im Ungewissen sind, woran es in aller Regel fehlt. Schließlich werden das kausale und das abstrakte Geschäft teilw auch als eine Einheit iSd § 139 angesehen (vgl § 139 Rn 14), so dass die Nichtigkeit des kausalen Geschäfts auch das abstrakte Geschäft nichtig macht. Diese Auslegung des § 139 ist jedoch als unzulässige Umgehung des Abstraktionsprinzips abzulehnen. Das Gesetz will durch die Trennung von kausalem und abstraktem Geschäft das abstrakte Geschäft von den Mängeln des Kausalgeschäfts unabhängig machen; dem widerspricht die Anwendung des § 139 (Flume § 12 III 4; Brox/Walker AT Rn 122f). III. Fehlerhafte Rechtsgeschäfte

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Fehlerhafte Rechtsgeschäfte sind solche Geschäfte, denen ein Mangel anhaftet. Verstößt das Rechtsgeschäft gegen Rechtsgrundsätze, deren Einhaltung im Interesse der verfassungsmäßigen Ordnung, etwa der Sozialordnung notwendig ist, tritt die beabsichtigte Rechtsfolge (zB nach §§ 134, 138) nicht ein. Das Geschäft ist für und gegen jedermann unwirksam; man spricht von absoluter, endgültiger Unwirksamkeit oder Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. An andere Mängel des Rechtsgeschäfts knüpft das Gesetz nicht so weitreichende Folgen. Verletzt das Rechtsgeschäft nur die Interessen einzelner Personen, so ist es nur diesen ggü, also relativ unwirksam, iÜ dagegen wirksam. Manche Rechtsgeschäfte bedürfen zu ihrer Wirksamkeit noch einer weiteren Voraussetzung, insb der Erklärung eines Dritten oder einer Behörde. Sobald diese Voraussetzung vorliegt, ist das Geschäft wirksam; solange sie fehlt, ist der Vertrag schwebend unwirksam (vgl Vor § 182 Rn 14). Der schwebend unwirksame Vertrag kann also – im Gegensatz zum nichtigen – noch wirksam werden. Schließlich gibt es Willensmängel (Irrtum, Drohung, §§ 119ff), welche die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts nur dann beeinflussen, wenn der durch die gesetzlichen Vorschriften Geschützte durch eine rechtzeitige Erklärung (Anfechtung) den Mangel geltend macht. Das anfechtbare Geschäft ist also wirksam, aber vernichtbar; es wird durch eine Anfechtung des Anfechtungsberechtigten nichtig.

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1. Nichtige Rechtsgeschäfte lassen die beabsichtigte Rechtsfolge grds nicht eintreten. In einigen Vorschriften wird anstelle von Nichtigkeit auch von Unwirksamkeit gesprochen (zB §§ 111, 174, 307ff, 388, 925 II, 1253 I, 1831, 1950, 2101 I, 2202 II). Nichtigkeit ist oft auch dann gemeint, wenn das Gesetz bestimmt, dass ein Geschäft nicht vorgenommen werden kann (zB §§ 35, 38, 137, 276 III). a) Gründe. Geschäftsunfähigkeit (§ 105), Scheingeschäft (§ 117 I), Scherzerklärung (§ 118), Formmangel (§§ 125ff), Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134) und gegen die guten Sitten (§ 138); außerdem zB §§ 248 I, 311b, 723 III, 749 III, 1136, 1229, 1297 II. b) Geltendmachung. Die Nichtigkeit muss nicht durch einen besonderen Rechtsakt geltend gemacht werden. Das Gericht hat sie zu beachten, sofern die entspr Tatsachen sich aus dem Parteivorbringen ergeben, selbst wenn keine Partei sich auf die Nichtigkeit beruft (BGH 107, 270). Wer die Nichtigkeit gerichtlich geltend machen will, kann auf Herstellung des Zustands klagen, der ohne die Folgen des Geschäfts bestehen würde; bei einem entspr Feststellungsinteresse kommt auch eine Feststellungsklage (§ 256 ZPO) in Betracht. Eine besondere Nichtigkeitsklage sieht das Gesetz nur in Spezialfällen vor, bei denen besondere öffentliche Interessen auf dem Spiel stehen (§§ 1313ff; §§ 246ff AktG; §§ 75ff GmbHG; §§ 94ff GenG); die Nichtigkeit tritt dann erst mit der Rechtskraft des Urt ein. c) Folgen. Die mit dem Rechtsgeschäft gewollte Rechtsfolge tritt sowohl im Verhältnis der Beteiligten zueinander als auch zu Dritten von Anfang an nicht ein. Eine Abwicklung ex nunc erfolgt jedoch bei in Vollzug gesetzten Dauerschuldverhältnissen (zB Arbeits- und Gesellschaftsverhältnis). Zur Einschränkung der Nichtigkeitsfolgen insgesamt vgl Cahn JZ 1997, 8ff. Vor allem bei Nichtigkeit wegen Formmangels kann die Berufung auf den Mangel gegen § 242 verstoßen (§ 125 Rn 27ff). Ist das Geschäft teilw nichtig, muss geprüft werden, ob damit das ganze Geschäft nichtig ist (§ 139). Möglicherweise kann das nichtige Geschäft in ein anderes, gültiges Geschäft umgedeutet werden (§ 140). – Die Bestätigung eines nichtigen Geschäfts ist nur durch Neuvornahme möglich (§ 141). Das Gesetz kennt grds keine Heilung des nichtigen Geschäfts; eine Heilung des Formmangels ist ausnahmsweise zB in §§ 311b I S 2, 518 II, 766 S 3 vorgesehen. – Das nichtige Rechtsgeschäft kann einen Schadensersatzanspruch etwa wegen cic/§ 311 II u III auslösen.

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Zu beachten ist, dass trotz eines nichtigen Verfügungsgeschäfts ein Dritter gutgläubig vom Nichtberechtigten erwerben kann. 2. Relativ unwirksame Rechtsgeschäfte sind solche Geschäfte, die nur ggü bestimmten Personen 34 unwirksam sind. Zweck der relativen Unwirksamkeit ist es, einerseits den Begünstigten zu schützen, andererseits aber den Gegenstand nicht durch Ausschluss der Verfügung dem Rechtsverkehr zu entziehen. Die entstehenden Schwierigkeiten der gleichzeitigen Gültigkeit und Unwirksamkeit des Geschäfts je nach der Person des Beteiligten werden in Kauf genommen. a) Gründe. Verstöße gegen ein gesetzliches oder behördliches Veräußerungsverbot (§§ 135 I, 136); außerdem zB §§ 465, 883 II, 1124 II, 1126, 3. b) Geltendmachung. Die relative Unwirksamkeit braucht nicht besonders geltend gemacht zu werden. Das Gericht muss sie auch ohne Geltendmachung berücksichtigen. c) Folgen. Die gewollte Rechtsfolge tritt nur ggü dem Geschützten nicht ein, wohl aber ggü allen anderen Personen. Die relative Unwirksamkeit kann durch Zustimmung des Geschützten geheilt werden. Nach § 135 II wird der gutgläubige Erwerber geschützt. 3. Schwebend unwirksame Rechtsgeschäfte sind solche Geschäfte, die zu ihrer Wirksamkeit noch 35 eines weiteren Erfordernisses (vor allem einer Genehmigung) bedürfen. Zweck der schwebenden Unwirksamkeit ist es, einerseits die Abhängigkeit des Geschäfts von dem betreffenden Erfordernis zu sichern, andererseits aber die Möglichkeit des Wirksamwerdens offen zu halten. a) Gründe. Verträge eines Minderjährigen ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters (§ 108), eines Vertreters ohne Vertretungsmacht (§ 177) oder – unter besonderen Voraussetzungen – eines Ehegatten (§§ 1365 I, 1366, 1423ff); außerdem zB §§ 181 (BGH 65, 125), 185, 415. Schwebend unwirksam sind ferner Rechtsgeschäfte bis zum Ablauf einer gesetzlichen Widerrufsfrist (etwa: § 355 iVm §§ 312, 312d, 485, 495; vgl für die Rechtslage vor der Schuldrechtsreform: BGH 119, 298; Zweibrücken NJW 1994, 203). Auch die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung (§ 1829 I) sowie sonstige erforderliche öffentlich-rechtl Genehmigungen gehören hierher. Ein bedingtes oder befristetes Rechtsgeschäft (§§ 158, 163) ist dagegen nicht schwebend unwirksam, sondern gültig; lediglich der Zeitpunkt der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit ist hinausgeschoben. Die Verfügungen eines Vorerben sind nach § 2113 schwebend unwirksam. b) Geltendmachung. Die schwebende Unwirksamkeit ist im Prozess zu beachten, sofern der Parteivortrag entspr Tatsachen enthält. Während des Schwebezustandes kann in der Hauptsache eine Leistungsklage nicht mit Erfolg erhoben werden, wohl aber eine Feststellungsklage. c) Folgen. Solange das erforderliche Wirksamkeitserfordernis (zB die Genehmigung) noch nicht gegeben ist, besteht ein Schwebezustand (näher dazu § 184 Rn 9). Das Geschäft ist unwirksam, so dass hins bereits erbrachter Leistungen ein Anspruch aus § 812 bestehen kann (BGH 65, 126). Andererseits besteht für die Beteiligten bereits eine Bindung an das Geschäft; sie können sich nicht grundlos vom Geschäft lossagen (Ausnahmen: §§ 81 II, 109, 178, 1830). Wegen der Bindung kann das Geschäft unter den Voraussetzungen der §§ 119ff angefochten werden. Während des Schwebezustandes besteht eine Pflicht der Beteiligten zu gegenseitiger Rücksichtnahme; sie sind danach etwa verpflichtet, alles zur Herbeiführung einer behördlichen Genehmigung Erforderliche zu tun (Pal/Ellenberger Überbl v § 104 Rn 31). – Der Schwebezustand endet, wenn das fehlende Erfordernis eintritt oder wenn das nicht mehr möglich ist. Die Erteilung der erforderlichen Genehmigung führt grds zur rückwirkenden Gültigkeit des Geschäfts (§ 184); die Verweigerung der Genehmigung macht das Geschäft endgültig unwirksam (vgl Vor § 182 Rn 15). 4. Anfechtbare Rechtsgeschäfte sind mit Mängeln behaftete Geschäfte, die gleichwohl gültig sind, 36 aber durch Anfechtung von Anfang an nichtig werden. Zweck der Anfechtbarkeit ist es, die Person, deren Willenserklärung auf einem bestimmten Mangel beruht, durch Einräumung eines Anfechtungsrechts zu schützen. Der Anfechtungsberechtigte hat die Wahlmöglichkeit, ob er das abgeschlossene Geschäft für und gegen sich gelten lassen oder ob er es durch Anfechtung vernichten will. Das Anfechtungsrecht ist vererblich, aber nicht selbständig übertragbar. Zur Anfechtung nichtiger Geschäfte: § 142 Rn 11. a) Gründe. Erklärungs-, Inhalts- und Eigenschaftsirrtum (§ 119), falsche Übermittlung (§ 120), arglistige Täuschung und widerrechtliche Drohung (§ 123); außerdem im Erbrecht §§ 2078f, 2281. b) Geltendmachung erfolgt durch formlose empfangsbedürftige Willenserklärung des Anfechtungsberechtigten (§ 143) innerhalb einer bestimmten Frist (§§ 121, 124). Besonderheiten gelten für die Anfechtung von Testamenten und Erbverträgen (§§ 2081f, 2281ff) sowie von Annahme und Ausschlagung der Erbschaft (§§ 1954ff). c) Folgen. Solange das Rechtsgeschäft nicht angefochten worden ist, ist es gültig. Mit fristgerechter Anfechtungserklärung ist das Geschäft rückwirkend vernichtet (§ 142 I). Die Nichtigkeit wirkt ggü jedermann. Keine Rückwirkung löst die Anfechtung bei den in Vollzug gesetzten Dauerrechtsverhältnissen aus (§ 142 Rn 7). IV. Anwendungsbereich 1. Privatrecht. Die Vorschriften des Dritten Abschnitts über die Rechtsgeschäfte gelten grds für 37 das ganze Privatrecht. Besonderheiten finden sich im Familienrecht (zB §§ 1310ff; §§ 1594ff) und im Erbrecht (zB §§ 1949, 1956, 2078ff, 2271, 2281ff). 2. Öffentliches Recht. a) Hoheitsakte (wie Verwaltungsakte, Gerichtsakte) sind keine Rechts- 38 geschäfte; deshalb sind die Bestimmungen über Rechtsgeschäfte grds nicht anwendbar. Das gilt auch dann, wenn die Hoheitsakte die Ordnung privater Verhältnisse zum Gegenstand haben (zB im Vereinsrecht §§ 22f, 33 II; im Eheschließungsrecht §§ 1303, 1308, 1309, 1310ff; bei der Annahme als Kind, §§ 1741ff; bei der familiengerichtlichen Genehmigung, §§ 1643, 1821ff; vgl RGRK/Krüger-Nieland Vor § 104 Rn 48). Bei Verwaltungsakten sind §§ 35ff VwVfG zu beachten. Für die Auslegung von Hoheitsakten werden sich vielfach die zu §§ 133, 157 entwickelten Grundsätze heranziehen lassen (vgl zu § 133 Rn 5). b) Für öffentlich-rechtl Verträge gelten §§ 54ff VwVfG; nach § 62 S 2 VwVfG sind beim H.-F. Müller

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Rechtsgeschäfte

Fehlen spezieller Vorschriften die des BGB entspr anzuwenden. c) Auf öffentlich-rechtl bedeutsame Erklärungen von Privatpersonen können die Vorschriften für Rechtsgeschäfte entspr angewendet werden, soweit sich nicht aus den sachnäheren öffentlich-rechtl Vorschriften etwas anderes ergibt, so etwa Ausschluss von Anfechtung oder Widerruf bei verfahrensrechtlichen Erklärungen (s zum Ganzen Kluth NVwZ 1990, 608; de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, 1999). 39

3. Prozessrecht. a) Prozesshandlungen sind keine Rechtsgeschäfte; sie werden im Prozessrecht geregelt. Sie können also nicht wegen Willensmangels nach §§ 119ff angefochten werden (BGH 80, 392). Das gilt zB für den Klageantrag (BGH NJW 1963, 957), die Klagerücknahme (BFH NJW 1970, 632), die Rechtsmitteleinlegung (RG HRR 1930 Nr 825; Karlsruhe NJW 1975, 1933), den Verzicht auf ein Rechtsmittel (RG 105, 355; 161, 359; BGH NJW 1985, 2534) und die Zurücknahme des Rechtsmittels (BGH 12, 285); im letzten Fall ist ein Widerruf zulässig, wenn die Voraussetzungen der Restitutionsklage (§ 581 ZPO) gegeben sind (BGH 12, 285; anders RG 150, 395). Möglich ist dagegen eine entspr Anwendung der §§ 133, 140, da die Regeln über die Auslegung und die Umdeutung Allgemeingültigkeit haben (BGH NJW 1987, 1204 zu § 140; Pal/Ellenberger Überbl Vor § 104 Rn 37; vgl auch zu § 133 Rn 4).

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Eine Gerichtsstandvereinbarung ist keine Prozesshandlung, sondern ein bürgerlich-rechtlicher Vertrag (BGH 49, 386; 57, 75; Wirth NJW 1978, 460; aA RG 159, 255); das gilt auch für den Schiedsvertrag (BGH 23, 200; 40, 322). Zu den Prozessverträgen vgl Teubner/Künzel MDR 1988, 720. b) Prozesshandlungen mit Doppelnatur sind solche, die sowohl Prozesshandlungen als auch Rechtsgeschäfte sind (zB Prozessvergleich; ebenso Anfechtung nach §§ 119ff, Rücktritt, Aufrechnung, Kündigung, wenn sie im Prozess erklärt werden). Materiellrechtliche und prozessrechtliche Wirksamkeit sind unabhängig voneinander zu beurteilen; sie bedingen sich nicht gegenseitig. Solche Prozesshandlungen können deshalb materiellrechtlich nichtig oder anfechtbar sein. Die Anfechtung oder andere Unwirksamkeitsgründe sind im bisherigen Rechtsstreit geltend zu machen (BGH 28, 174).

Titel 1 Geschäftsfähigkeit Vorbemerkung 1

1. Bedeutung. Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit, Rechtsgeschäfte (Einl § 104 Rn 2ff) selbständig wirksam vorzunehmen. Die Privatautonomie ermöglicht es dem einzelnen, Rechtsgeschäfte nach seinem eigenen Willen abzuschließen. Dies ist aber nur dann sinnvoll, wenn der Handelnde die Folgen seiner rechtsgeschäftlichen Erklärungen beurteilen kann. Deshalb muss er ein Mindestmaß an Einsichts- und Urteilsfähigkeit besitzen. Daran kann es wegen geringen Lebensalters oder Störung der Geistestätigkeit fehlen. Den §§ 104ff geht es vorrangig darum, die nicht (voll) Geschäftsfähigen vor den möglicherweise nachteiligen Folgen von Willenserklärungen zu schützen. Die von ihnen abgeschlossenen Rechtsgeschäfte werden vom Gesetz grds nicht als wirksam anerkannt. Dieser Schutz wird auch nicht im Interesse des Rechtsverkehrs durchbrochen, wenn etwa der Vertragspartner des nicht Geschäftsfähigen diesen für geschäftsfähig hält und das den Umständen nach darf (Rn 6). Die Interessen des Geschäftsgegners werden immerhin in den §§ 108 II, 109 I und 111 berücksichtigt. Die §§ 104–113 orientieren sich auch an den Erfordernissen der Rechtssicherheit. Es würde zu großer Unsicherheit führen, wenn jeder bei einem Vertragsschluss sich darüber vergewissern müsste, ob sein Vertragspartner im konkreten Einzelfall die erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit für den Geschäftsabschluss besitzt. Deshalb stellt das Gesetz starre, generelle Regeln auf. Es sagt zwar nicht positiv, wer geschäftsfähig ist, sondern bestimmt nur, wem die volle Geschäftsfähigkeit fehlt. Dabei macht es die fehlende Geschäftsfähigkeit von festen Altersstufen und bestimmten Störungen der Gesundheit abhängig. Damit wird eine konkrete Würdigung des einzelnen Geschäfts weitgehend vermieden, s zum Ganzen Czeguhn, Geschäftsfähigkeit, beschränkte Geschäftsfähigkeit, Geschäftsunfähigkeit, 2003, Rn 7ff.

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2. Abgrenzung. a) Rechtsfähigkeit ist die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Sie kommt jedem Menschen zu; sie beginnt mit der Vollendung der Geburt und endet mit dem Tod des Menschen (§ 1 Rn 1ff). b) Deliktsfähigkeit, die mit der Geschäftsfähigkeit unter dem Oberbegriff der Handlungsfähigkeit zusammengefasst wird, ist die Fähigkeit, für ein Tun oder Unterlassen haftungsrechtlich verantwortlich sein zu können (s §§ 827f). c) Verfügungsfähigkeit ist die Fähigkeit, über einen bestimmten Vermögensgegenstand zu verfügen. Regelmäßig kann der (geschäftsfähige) Rechtsinhaber über sein Recht auch verfügen. Ausnahmsweise ist ihm die Verfügungsbefugnis entzogen (zB dem Schuldner im Insolvenzverfahren, §§ 21ff, 81ff InsO; dem Erben bei der Nachlassverwaltung, § 1984 I, oder der Testamentsvollstreckung, § 2211 I). d) Ehefähigkeit und Testierfähigkeit sind Sonderfälle der Geschäftsfähigkeit. Ehefähigkeit ist die Fähigkeit, eine Ehe wirksam einzugehen (§§ 1303f). Testierfähigkeit ist die Fähigkeit, ein Testament wirksam zu errichten (§ 2229; vgl auch § 107 Rn 2).

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3. Stufen der Geschäftsfähigkeit. a) Geschäftsunfähig sind nach § 104 Kinder bis zu sieben Jahren und dauernd Geisteskranke. Ihre Willenserklärungen sind nichtig (§ 105 I; vgl aber § 105a). Nichtig 230

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Geschäftsfähigkeit

Vor § 104

sind auch Willenserklärungen, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben werden (§ 105 II). b) Beschränkt geschäftsfähig sind die Personen, die das siebente Lebensjahr vollendet, das 18. Le- 4 bensjahr aber noch nicht vollendet haben (§ 106). Sie sollen entspr ihrer mit zunehmendem Alter wachsenden Erfahrung allmählich an die selbständige Teilnahme am Rechtsverkehr herangeführt werden. Neben die Schutz- tritt also die Erziehungsfunktion. Das Gesetz trifft für diese Personengruppe folgende Regelung: aa) Lediglich rechtlich vorteilhafte Geschäfte kann der beschränkt Geschäftsfähige allein abschließen; sie sind gültig. bb) Geschäfte, durch die der beschränkt Geschäftsfähige nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, bedürfen zur Gültigkeit grds der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters (§ 107). cc) Ein ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters geschlossener Vertrag kann mit ex-tunc Wirkung genehmigt werden (§§ 108 I, 184 I) dd) Ein vom beschränkt Geschäftsfähigen ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossener Vertrag ist von Anfang an wirksam, wenn der Minderjährige die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zweck oder zu freier Verfügung von dem Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind (§ 110). ee) Das vom beschränkt Geschäftsfähigen vorgenommene einseitige Rechtsgeschäft bedarf der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters; ohne Einwilligung ist es unwirksam (§ 111 S 1). ff) Unter den Voraussetzungen der §§ 112, 113 ist der beschränkt Geschäftsfähige für alle dort genannten Geschäfte (selbständiger Betrieb eines Erwerbsgeschäfts, Dienst- oder Arbeitsverhältnis) unbeschränkt geschäftsfähig. c) Voll geschäftsfähig sind alle Personen, die nicht geschäftsunfähig oder beschränkt geschäfts- 5 fähig sind. Ihre Willenserklärungen sind wirksam, sofern nicht ein anderer Unwirksamkeitsgrund gegeben ist. 4. Auswirkungen des Schutzzwecks. Gegeneinander abzuwägen sind die Interessen des nicht voll 6 Geschäftsfähigen und die seines Geschäftsgegners. a) Der Geschäftsgegner wird grds in seinem guten Glauben an die Geschäftsfähigkeit nicht geschützt (BGH NJW 1977, 623; vgl dazu K. Schmidt JuS 1990, 517ff – teilw krit – mwN). In Anweisungsfällen gilt das auch zulasten des Leistungsempfängers, der die Unwirksamkeit der Anweisung ggü dem Anweisungsempfänger nicht kennt und beim Empfang der Leistung des Angewiesenen auf die Wirksamkeit der Anweisung vertraut (BGH 152, 307 = NJW 2003, 582; NJW 2004, 1315, 1316). Der Schutz des Geschäftsunfähigen und des beschränkt Geschäftsfähigen hat Vorrang vor dem Vertrauensschutz. Das gilt auch dann, wenn etwa die Geisteskrankheit oder die Minderjährigkeit nicht erkennbar ist (RG 120, 174). Besonderheiten Rn 10ff. aa) Ist das von einem beschränkt Geschäftsfähigen geschlossene und vom gesetzlichen Vertreter 7 nicht genehmigte Verpflichtungsgeschäft (zB Kauf) von beiden Parteien erfüllt worden, steht dem nicht Geschäftsfähigen grds ein Herausgabeanspruch nach § 985 zu, weil sein Verfügungsgeschäft (zB Übereignung der Kaufsache) nichtig ist. Demgegenüber ist das Verfügungsgeschäft des (voll geschäftsfähigen) Vertragspartners gültig, so dass dieser nur einen Bereicherungsanspruch hat. Zweifelhaft ist, ob der beschränkt Geschäftsfähige auch nach § 819 I verschärft haftet. Insoweit ist zu unterscheiden: Geht es – wie bei der Leistungskondiktion – um die Rückabwicklung eines fehlgeschlagenen Vertrags, widerspräche es dem Schutzzweck der §§ 104ff, wenn über die Haftung aus § 819 I der rechtsgeschäftlich unwirksamen Handlung des beschränkt Geschäftsfähigen letztlich doch Wirksamkeit zukäme; über § 819 würde nämlich die Kenntnis des beschränkt Geschäftsfähigen von der Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäftes den Einwand des Wegfalls der Bereicherung (§ 818 III) ausschließen. Deshalb kommt eine verschärfte Haftung des beschränkt Geschäftsfähigen nur dann in Betracht, wenn sein gesetzlicher Vertreter den Mangel des rechtlichen Grundes kannte (Derleder/Thielbar NJW 2006, 3233, 3238f; MüKo/Schmitt § 108 Rn 37 mwN; ebenso beim Geschäftsunfähigen Nürnberg WM 1990, 307; KG NJW 1998, 2911). Etwas anderes muss dann gelten, wenn der beschränkt Geschäftsfähige den Bereicherungsgegenstand durch eine unerlaubte Handlung erlangt hat, weil er zB bei Vertragsschluss seine Volljährigkeit vorgetäuscht hat; in diesem Fall ist die Verantwortlichkeit nach §§ 827f zu beurteilen. Deshalb kommt es für eine verschärfte Haftung nach § 819 in analoger Anwendung des § 828 II darauf an, ob der beschränkt Geschäftsfähige die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht besaß (vgl BGH 55, 136 = NJW 1971, 609). Steht dem beschränkt Geschäftsfähigen ein Bereicherungsanspruch gegen seinen Geschäftsgegner zu, so wäre dieser Anspruch nach der herrschenden Saldotheorie insoweit ausgeschlossen, als die erhaltene Gegenleistung bei ihm untergegangen ist. Auf Bereicherungsansprüche des nicht Geschäftsfähigen ist die Saldotheorie jedoch nicht anzuwenden. Denn aus dem Schutzzweck der §§ 104ff ist zu entnehmen, dass der nicht Geschäftsfähige vor den Folgen seines rechtsgeschäftlichen Handelns geschützt werden soll. Dieser gesetzlichen Wertung würde es nicht entsprechen, wenn der Bereicherungsanspruch um den Wert der Gegenleistung gekürzt und der nicht Geschäftsfähige auf diesem Wege faktisch doch an dem geschlossenen Vertrag festgehalten würde (vgl RG 86, 347). bb) Der Geschäftsgegner hat auch keinen Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss (§ 311 II), 8 da der nicht Geschäftsfähige vor den Folgen seines rechtsgeschäftlichen Handelns bewahrt bleiben soll (BGH NJW 1973, 1791; Canaris NJW 1964, 1987). cc) Dagegen steht dem Geschäftsgegner ein deliktischer Anspruch zu, wenn ein Tatbestand der 9 §§ 823ff erfüllt und der nicht Geschäftsfähige verantwortlich (§§ 827f) ist. dd) Das Rechtsscheinprinzip besagt generell, dass derjenige, der in zurechenbarer Weise einen 10 Rechtsschein veranlasst hat, weniger schutzwürdig ist als der auf den Schein redlich vertrauende

H.-F. Müller

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Vor § 104

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

Dritte. Daraus folgt für den Schutz des Geschäftsgegners eines nicht Geschäftsfähigen (allg zum Verhältnis Vertrauensschutz/Minderjährigenschutz: Nitschke JuS 1968, 541): 11

(1) Er wird in seinem Vertrauen auf die Richtigkeit des Grundbuchs (§§ 892f) und des Erbscheins (§ 2366) geschützt; denn bei diesen Tatbeständen kommt es auf eine Veranlassung nicht an. (2) Wenn eine in das Handelsregister einzutragende Tatsache unrichtig bekannt gemacht ist, so wirkt sie nach § 15 III HGB zuungunsten desjenigen, in dessen Angelegenheiten sie einzutragen war. Str ist, ob § 15 III HGB auch zulasten eines nicht Geschäftsfähigen wirkt (verneinend v Olshausen BB 1970, 142; Canaris HandelsR § 5 Rn 54; Baumbach/Hopt § 15 HGB Rn 19; Koller/Roth/Morck HGB § 15 Rn 30; aM K. Schmidt HandelsR § 14 III 3b; ders JuS 1977, 216f; Staub/J Koch HGB § 15 Rn 111 mwN). Aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergibt sich, dass ein umfassender Vertrauensschutz bezweckt ist ohne Rücksicht darauf, wie es zur falschen Bek gekommen ist (BTDrucks V/3862). Wenn es demnach auf den Grund der falschen Bek nicht ankommt, also auch eine Veranlassung des Betroffenen nicht erforderlich ist, steht auch die fehlende Geschäftsfähigkeit des Betroffenen der Anwendung des § 15 III HGB nicht entgegen, bei § 15 I HGB entspricht dies der ganz hM, s nur BGH 115, 80; Canaris HandelsR § 5 Rn 21f.

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(3) Die Anscheinsvollmacht muss der Betroffene durch sein Verhalten zurechenbar veranlasst haben. Der nicht Geschäftsfähige hat sie jedoch nicht zurechenbar veranlasst. Deshalb wird der vertrauende Dritte nicht geschützt (BGH NJW 1977, 623; Stuttgart MDR 1956, 673); andernfalls könnte der nicht Geschäftsfähige wie ein Geschäftsfähiger verpflichtet werden (MüKo/Schmitt Rn 12).

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(4) Im Wechselrecht kann der Einwand der mangelnden Geschäftsfähigkeit des Schuldners bei der Begebung jedem Wechselinhaber entgegengesetzt werden. Denn der Rechtsschein, den der nicht Geschäftsfähige gesetzt hat, wird diesem wegen der Schutzfunktion der §§ 104ff nicht zugerechnet (Baumbach/Hefermehl/Casper Art 17 WG Rn 35). Anders ist die Frage zu beantworten, ob jemand von einem nicht Geschäftsfähigen im guten Glauben an dessen Geschäftsfähigkeit gem Art 16 II WG den Wechsel erwirbt. Das ist mit der hM (vgl Baumbach/Hefermehl/Casper Art 16 WG Rn 16) im Interesse der Umlauffähigkeit des Wechsels zu bejahen (BGH WM 1968, 4; zum Scheck BGH NJW 1951, 402). Der Ausgleich zw dem Verkehrsinteresse und dem Schutz des nicht Geschäftsfähigen wird also dadurch erreicht, dass der Wechsel zwar vom Gutgläubigen erworben wird, aber keine Haftung des nicht Geschäftsfähigen begründet wird.

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(5) Die in den AGB der Banken und Sparkassen enthaltene Klausel, dass der Kunde den Schaden trägt, der daraus entsteht, dass die Bank oder Kasse von einem später eintretenden Mangel seiner Geschäftsfähigkeit unverschuldet keine Kenntnis erlangt, soll nach BGH 52, 61, der damals nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des AGBG zu entscheiden hatte, gültig sein. Die neuere Rspr nimmt zutr einen Verstoß gegen § 9 AGBG (seit dem 1.1.2002: § 307) an (BGH 115, 38ff = NJW 1991, 2414 mwN).

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b) Der nicht voll Geschäftsfähige wird im Allg durch die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit seiner Rechtsgeschäfte hinreichend geschützt. Diese Folge kann sich aber ausnahmsweise auch zum Nachteil des nicht Geschäftsfähigen auswirken. Das ist insb bei Dauerschuldverhältnissen der Fall, wenn der nicht voll Geschäftsfähige seine Leistung bereits erbracht hat. Dem Schutzgedanken der §§ 104ff entspricht es, bei Ansprüchen des nicht Geschäftsfähigen die Nichtigkeitsfolgen nur für die Zukunft eingreifen zu lassen. Deshalb erhält etwa der beschränkt geschäftsfähige Arbeitnehmer trotz der Nichtigkeit des Arbeitsvertrags für die Vergangenheit den vereinbarten Lohn (BAG AP § 611 Nr 1, 18; BaRo/Wendtland § 105 Rn 15; jurisPK-BGB/Lange § 105 Rn 11; Walker JA 1985, 138, 148f; Franzen JuS 1995, 233 alle mwN). Wird dagegen vom Arbeitgeber ein vertraglicher Schadensersatzanspruch geltend gemacht, kann der Arbeitnehmer sich auf die Nichtigkeit des Vertrags berufen. Nicht anwendbar sind die Grds des faktischen Arbeitsverhältnisses auch, wenn der nicht Geschäftsfähige als Arbeitgeber einen unwirksamen Arbeitsvertrag abschließt (LSG Rheinland-Pfalz NZA 1991, 40; aA MüKo/Schmitt § 105 Rn 57). Der beschränkt Geschäftsfähige, der sich ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bzw ohne vormundschaftsgerichtliche Genehmigung an einer Personengesellschaft beteiligt, ist weder im Innen- noch im Außenverhältnis verpflichtet; eine solche Verpflichtung unter dem Gesichtspunkt der fehlerhaften Gesellschaft widerspräche dem Schutzzweck der §§ 104ff (vgl BGH 17, 167; 38, 26; NJW 1983, 748; aA unter Berufung auf die Haftungsbegrenzung des 1629a C. Schäfer Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 2002, 269ff). Die geleistete Einlage kann er nach §§ 812ff, 985ff herausverlangen. Gewinnansprüche stehen ihm nicht zu, da eine Beteiligung am Gewinn ohne Teilnahme am Verlust widersinnig wäre (Soergel/Hefermehl Rn 15; § 705 Rn 76 mwN). Entspr gilt für den gem § 105 II vorübergehend geschäftsunfähigen Gesellschafter (BGH NJW 1992, 1503 m Anm K. Schmidt JuS 1992, 792).

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c) Nach dem durch das Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz v 25.8.1998 (BGBl I 2487) mit Wirkung v 1.1.1999 neu eingefügten § 1629a haftet der volljährig gewordene Minderjährige für bestimmte Verbindlichkeiten grds nur mit den Bestand des bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens (Einzelheiten bei § 1629a Rn 1ff). Weitere neue Bestimmungen zum Schutz des Minderjährigen finden sich in §§ 723 I und 1793. Die Neuregelung ist durch einen Auftrag des BVerfG an den Gesetzgeber veranlasst (vgl BVerfG 72, 155 = NJW 1986, 1859).

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5. Anwendungsbereich. Die §§ 104ff gelten unmittelbar nur für Deutsche. Für die Geschäftsfähigkeit ausländischer Staatsangehöriger verweist Art 7 EGBGB auf das Heimatrecht. Dies gilt nach ganz hM auch für die Rechtsfolgen mangelnder Geschäftsfähigkeit bei Ausländern (vgl § 106 Rn 3; aM Düsseldorf NJW-RR 1995, 755 = IPrax 96, 199 mit abl Anm Baetge IPrax 1996, 186 mwN). a) Im Privatrecht gelten §§ 104ff für alle Rechtsgeschäfte, sofern nicht Spezialregeln bestehen. Auf ge232

H.-F. Müller

Geschäftsfähigkeit

§ 104

schäftsähnliche Handlungen (Einl § 104 Rn 7) sind die Vorschriften grds auch anwendbar (Ulrici NJW 2003, 2053, 2054 mwN), nicht dagegen auf Realakte (Einl § 104 Rn 9f). b) Im Prozessrecht entspricht die Prozessfähigkeit der Geschäftsfähigkeit (§§ 51f ZPO; § 62 VwGO; § 71 SGG; vgl für Ausnahmen §§ 9, 60, 125 FamFG). Wer also geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig ist, kann zwar Prozesspartei sein, den Rechtsstreit aber nicht selbst führen; er wird im Prozess durch seinen gesetzlichen Vertreter vertreten. – Zur Handlungsfähigkeit im Verwaltungsverfahren vgl § 12 VwVfG sowie SGB I § 36 und § 79 AO; dazu Robbers DVBl 1987, 709; zur Wahrnehmung von Grundrechten Hohm NJW 1986, 3107. 6. Beweislast. Zwar ist die Geschäftsfähigkeit Voraussetzung für die Gültigkeit des Rechts- 18 geschäfts; aber entspr den tatsächlichen Verhältnissen ist das Fehlen der Geschäftsfähigkeit als Ausnahme anzusehen, die zu beweisen ist. Zu den Einzelfällen iÜ vgl § 104 Rn 8; § 108 Rn 9; § 109 Rn 6; § 110 Rn 6; § 111 Rn 6; § 112 Rn 10; § 113 Rn 19.

104

Geschäftsunfähigkeit Geschäftsunfähig ist: 1. wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat, 2. wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. 1. Bedeutung. § 104 regelt abschließend und zwingend, wer geschäftsunfähig ist (zum Begriff 1 Vor § 104 Rn 3; zu den Rechtsfolgen §§ 105, 105a). 2. Voraussetzungen der Geschäftsunfähigkeit. a) § 104 Nr 1. Die Geschäftsunfähigkeit von Kindern 2 ist rein formal nach dem Alter festgesetzt. Auf die individuelle geistige Entwicklung kommt es nicht an. Gem § 187 II S 2 wird das Kind um 0 Uhr des Tages, an dem es sein siebentes Lebensjahr vollendet, beschränkt geschäftsfähig.

b) § 104 Nr 2 setzt voraus: aa) Es muss eine dauernde krankhafte Störung der Geistestätigkeit vor- 3 liegen. Erfasst werden sowohl die Fälle der Geisteskrankheit als auch der bloßen Geistesschwäche; zw beiden besteht nur ein gradueller Unterschied (BAG NJW 2009, 3052). Auf die medizinische Einordnung kommt es für die rechtliche Beurteilung nicht an (RG 130, 71; 162, 229; BGH WM 1965, 896; Düsseldorf FamRZ 1998, 1064f; München NJW-RR 2009, 1600). Unerheblich ist ferner, ob die Krankheit bereits erkannt oder noch unerkannt ist, ob sie angeboren ist oder später entstand. Zur fortgeschrittenen Cerebralsklerose vgl BayObLG FamRZ 1996, 969; zu einer Demenzerkrankung BayObLG FamRZ 2003, 391 und Düsseldorf FamRZ 1998, 1064ff; zum Analphabetismus: Großfeld/Hülper JZ 1999, 430, 433; zur Bedeutung neurobiologischer Erkenntnisse Mankowski AcP 211, 153, 178ff. Der Krankheitszustand muss dauernd sein. Eine bloß vorübergehende Störung der Geistestätig- 4 keit reicht zur Begründung der Geschäftsunfähigkeit nicht aus. Bei Psychopathie, einem psychischen Erschöpfungszustand, Trunksucht oder Rauschgiftsucht ist idR keine dauernde Störung der Geistestätigkeit anzunehmen (BayObLG 56, 381ff; NJW 1990, 774, 775; 2003, 216, 219; FamRZ 2004, 1404, 1406; Naumburg NJW 2005, 2018, 2019; Düsseldorf FamRZ 2005, 216, 217; Wedemann JURA 2010, 587, 588). Willenserklärungen, die in „lichten Augenblicken“ abgegeben werden, sind gültig (zur Beweislast Rn 8). Ein nur periodisch Geistesgestörter ist somit während solcher Zwischenräume geschäftsfähig (vgl für den Fall des Altersschwachsinns RG HRR 1929 Nr 793; für einen Fall von manisch-depressivem Irresein BGH WM 1956, 1186). Der Ausschluss der Geschäftsfähigkeit nach § 104 Nr 2 erfasst grds alle von dem Geschäftsunfä- 5 higen vorgenommenen Rechtsgeschäfte. Jedoch kann sich die Geschäftsunfähigkeit ausnahmsweise auf einen gegenständlich begrenzten Lebensbereich beschränken (sog partielle Geschäftsunfähigkeit; st Rspr, vgl BGH NJW 1953, 1342; BGH 18, 187; 30, 118; BGH WM 1970, 1366; WM 1975, 1280; BayObLG NJW 1992, 2100; s auch Gebauer AcP 153, 332ff). Anerkannt ist eine solche partielle Geschäftsunfähigkeit zB bei Querulantenwahn für die Prozessführung (BVerwG 30, 25), bei krankhafter Eifersucht für Fragen der Ehe (RG 162, 229; BGH 18, 186; BGH FamRZ 1971, 244), beim Schock eines Anwalts über die Versäumung einer Frist für die Führung eines bestimmten Rechtsstreits (BGH 30, 112) und bei Spielsucht (BGH 174, 262). Der (nur) partiellen Geschäftsunfähigkeit entspricht eine partielle Geschäftsfähigkeit für die übrigen Lebensbereiche. In Betracht kommt ferner eine partielle Geschäftsfähigkeit für die Eheschließung (vgl BVerfG NJW 2003, 1382f), ob auch für die Erteilung einer Vorsorgevollmacht als Alternative zur Betreuung (München NJW-RR 2009, 1602), erscheint hingegen fraglich. Abzulehnen ist eine auf besonders schwierige Geschäfte beschränkte (relative) Geschäftsunfähigkeit (BGH NJW 1953, 1342; 1961, 261; 1970, 1680; WM 1975, 1280; BAG NJW 2009, 3052; BayObLG NJW 1989, 1678; Köln MDR 1975, 1017; aA Köln NJW 1960, 1389). Eine Beurteilung nach dem Schwierigkeitsgrad wäre zu unbestimmt und würde zu Unsicherheiten im Rechtsverkehr führen. bb) Die krankhafte Störung der Geistestätigkeit muss zu einem Ausschluss der freien Willens- 6 bestimmung führen. Er liegt vor, wenn jemand nicht imstande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von der gegebenen Geistesstörung zu bilden und nach den unter Abwägung des Für und Wider zutr gewonnenen Einsichten zu handeln. Bestimmte Vorstellungen oder Empfindungen oder aber Einflüsse dritter Personen müssen derart übermäßig den Willen beherrschen, dass eine Bestimmbarkeit des Willens durch vernünftige Erwägungen ausgeschlossen ist (RG 103, 401; 130, 71; 162, 228; BGH NJW 1953, 1342; 1970, 1680, 1681; 1996, 918; WM 1984, 1063; BAG NJW 2009, 3052; BayObLG H.-F. Müller

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§ 104

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

NJW 1992, 2101; NJW-RR 2000, 1029; FamRZ 2003, 391; Düsseldorf FamRZ 1998, 1064, 1065; Saarbrücken NJW 1999, 871, 872). Entscheidend ist, dass die freie Willensbestimmung völlig ausgeschlossen ist. Geringe Intelligenz (Düsseldorf VersR 1996, 1493; Köln MDR 1975, 1017), fehlende oder eingeschränkte Fähigkeiten zum Lesen, Schreiben oder Rechnen (BAG NJW 2009, 3052), bloßes Unvermögen zur Einschätzung der Tragweite der Erklärung (BGH NJW 1953, 1342; 1961, 261), Willensschwäche oder leichte Beeinflussbarkeit (BGH WM 1972, 972; RG JW 1936, 1205; 1937, 35) führen daher nicht ohne weiteres zum Ausschluss der freien Willensbestimmung. 7

c) Nach dem durch das BtG mit Wirkung v 1.1.1992 aufgehobenen § 104 Nr 3 war der wegen Geisteskrankheit Entmündigte ohne Rücksicht auf seinen Geisteszustand geschäftsunfähig. Seine bis zum 31.12.1991 abgegebene Willenserklärung war und bleibt nichtig (§ 105 I). Seine erst später abgegebene Willenserklärung ist wegen Geschäftsunfähigkeit nur dann nichtig, wenn die Voraussetzungen des § 104 Nr 2 vorliegen. Die Bestellung eines Betreuers (§ 1896) hat keinen Einfluss auf die Geschäftsfähigkeit des Betreuten (Oldenburg FamRZ 2000, 834f zur Testierfähigkeit; s aber auch § 1903; dazu § 108 Rn 10; zum Verhältnis der §§ 104, 105 zu § 1903 Enderlein JR 1998, 485 und Lipp FamRZ 2003, 721, 723; zur Gesamtproblematik vgl Müller, Betreuung und Geschäftsfähigkeit, 1998, sowie Pawlowski JZ 2004, 13ff).

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3. Beweislast. Wer sich auf die Geschäftsunfähigkeit beruft, hat sie zu beweisen (BGH FamRZ 1955, 358; VersR 1967, 341; NJW 1972, 681; BVerwG NJW 1994, 2633 für die wirksame Bekanntgabe von Verwaltungsakten; BAG NJW 2010, 2682; BayObLG Rpfleger 1982, 286 und 309; 1988, 1099; Düsseldorf FamRZ 1998, 1064, 1065; Koblenz FamRZ 2003, 541, 543). Gesetzlich wird das Fehlen der Geschäftsfähigkeit somit als zu beweisende Ausnahme behandelt. Zur Darlegungslast BGH NJW-RR 1993, 189; NJW 1995, 1958; 1996, 919. Zur Prüfung der Geschäftsfähigkeit oder Testierfähigkeit durch den Notar: Frankfurt NJW-RR 1996, 1159; Günther FamRZ 2000, 604f; Stoppe/Lichtenwimmer DNotZ 2005, 806; Müller DNotZ 2006, 325. Zur Prüfung der Ehegeschäftsfähigkeit: BayObLG FamRZ 2003, 373f. – Im Fall des § 104 Nr 2 hat bei feststehendem Dauerzustand derjenige, der sich auf einen lichten Augenblick beruft, dafür die Beweislast (BGH NJW 1988, 3011). Bei schwankendem Geisteszustand ist die Geschäftsunfähigkeit zu beweisen (Hamburg MDR 1954, 480). – Im Prozess gehen Zweifel an der Prozessfähigkeit zulasten des Klägers (BGH 18, 189; 86, 189; NJW-RR 2011, 284); falls die Prozessfähigkeit einer Partei nach Erschöpfung sämtlicher Beweismöglichkeiten nicht mit Sicherheit festzustellen ist, wird diese als prozessunfähig angesehen, so dass kein Sachurteil ergehen kann (BGH 86, 184, 189; NJW 1962, 1510; NJW-RR 2011, 284; BAG NJW 1958, 1699).

105

Nichtigkeit der Willenserklärung (1) Die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ist nichtig. (2) Nichtig ist auch eine Willenserklärung, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben wird. 1

1. Folgen der Geschäftsunfähigkeit (Abs I). a) Der Geschäftsunfähige muss vor rechtlichen Folgen seines Handelns im Rechtsverkehr geschützt werden; deshalb ist seine Willenserklärung nichtig. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob das Geschäft für ihn rechtlich oder wirtschaftlich vorteilhaft ist; daher ist auch die Annahme einer Schenkung durch den Geschäftsunfähigen nichtig. Zu den Zweifeln von Canaris an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung (JZ 1987, 993; 1988, 494) zutr abl: Bork AT Rn 989 mwN. Modifizierende Sonderregelungen für volljährige Geschäftsunfähige finden sich in § 105a (s dort) und für Wohn- und Betreuungsverträge in § 4 II WBVG, zu weitergehenden Reformüberlegungen Wedemann AcP 209, 669ff. – Der Geschäftspartner eines Geschäftsunfähigen wird in seinem guten Glauben an die Geschäftsfähigkeit nicht geschützt, weil der Geschäftsunfähige einen Rechtsschein nicht zurechenbar veranlasst haben kann (vgl Vor § 104 Rn 6). Das gilt trotz § 15 HGB auch im Handelsrecht (BGH 115, 79).

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b) Für den Geschäftsunfähigen handelt sein gesetzlicher Vertreter. Da die Willenserklärung des Geschäftsunfähigen nichtig ist, kann sie nicht durch eine Genehmigung des gesetzlichen Vertreters wirksam werden; in einem solchen Fall kann aber § 141 helfen. Schenkungen des gesetzlichen Vertreters an den Geschäftsunfähigen sind trotz § 181 wirksam, weil sie für den Vertretenen lediglich rechtlich vorteilhaft sind (BGH 59, 240; § 181 Rn 23).

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c) Nichtig ist auch eine Willenserklärung, die der Geschäftsunfähige für einen anderen (§ 165 Rn 5) oder für eine Personengesamtheit abgibt (RG 145, 155 – Handeln für eine OHG; BGH 115, 78 – Geschäftsführer einer GmbH). Das gilt trotz § 15 HGB auch, wenn die Beendigung einer Organstellung durch Geschäftsunfähigkeit nicht im Handelsregister eingetragen ist; in einem solchen Fall kommt allerdings eine Haftung der vertretenen Gesellschaft nach allg Rechtsscheinsgesichtspunkten in Betracht (BGH 115, 81). Ist bei einer Gesamtvertretung einer der Vertreter geschäftsunfähig, ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig (BGH 53, 213; vgl Ostheim AcP 169, 193; aA Hamm NJW 1967, 1041). Auch die Bevollmächtigung durch einen Geschäftsunfähigen ist nichtig; daher handelt der vom Geschäftsunfähigen rechtsunwirksam Bevollmächtigte als Vertreter ohne Vertretungsmacht, so dass eine Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter möglich ist (vgl BGH 53, 214f mwN). – Der Geschäftsunfähige kann Bote (Vor § 164 Rn 24ff) sein, da er keine eigene Willenserklärung abgibt, sondern nur eine fremde Erklärung überbringt.

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d) § 105 I betrifft nur die Abgabe, nicht den Empfang einer Willenserklärung; dem Geschäftsunfähigen kann eine Willenserklärung nicht wirksam zugehen (§ 131 I). Die Vorschrift ist ferner nicht auf Realakte, wohl aber auf rechtsgeschäftsähnliche Handlungen entspr anwendbar.

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H.-F. Müller

Geschäftsfähigkeit

§ 105a

2. Nichtigkeit nach Abs II (Sonderregelung für die Eheschließung § 1314 II Nr 1) tritt in zwei Fällen 5 ein: a) Bewusstlosigkeit bedeutet nicht ein völliges Fehlen des Bewusstseins (etwa: Ohnmacht, Schlaf); denn dann ist keine Handlung im Rechtssinne möglich. Vielmehr muss es sich um eine so hochgradige Bewusstseinstrübung handeln, dass eine Erkenntnis des Inhalts der Erklärung ausgeschlossen ist. Sie kann etwa bei starker Übermüdung, Fieberwahn, hochgradiger Trunkenheit (BGH WM 1972, 972; NJW 1991, 852; Nürnberg VersR 1978, 339) oder starkem Drogeneinfluss gegeben sein. § 105 II ist auch dann anwendbar, wenn die Bewusstlosigkeit vorsätzlich herbeigeführt wurde (Nürnberg NJW 1977, 1496). b) Eine vorübergehende Störung der Geistestätigkeit setzt – wie § 104 Nr 2 – eine geistige Anomalie 6 voraus; durch sie muss auch hier die freie Willensbestimmung ausgeschlossen sein (RG 105, 272; BGH FamRZ 1970, 641; Saarbrücken NJW 1999, 871, 872; LAG Köln NZA-RR 1999, 232). Im Unterschied zu § 104 Nr 2 stellt § 105 II auf eine vorübergehende Störung ab. Eine Beschränkung auf ein bestimmtes Lebensgebiet, nicht jedoch auf besonders schwierige Geschäfte, ist auch hier möglich (BGH NJW 1961, 261; OGHZ 4, 71).

105a

Geschäfte des täglichen Lebens Tätigt ein volljähriger Geschäftsunfähiger ein Geschäft des täglichen Lebens, das mit geringwertigen Mitteln bewirkt werden kann, so gilt der von ihm geschlossene Vertrag in Ansehung von Leistung und, soweit vereinbart, Gegenleistung als wirksam, sobald Leistung und Gegenleistung bewirkt sind. Satz 1 gilt nicht bei einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Geschäftsunfähigen. 1. Entstehungsgeschichte und Zweck. Die Vorschrift ist durch Art 25 I des OLGVertrÄndG v 1 23.7.2002 (BGBl I 2850) eingefügt worden und seit dem 1.8.2002 in Kraft. Der Regelungsgedanke ist dem Diskussionsentwurf des von der Bundesregierung ursprünglich geplanten, aber damals zunächst zurückgestellten Antidiskriminierungsgesetzes entnommen. Die Bestimmung soll die Integration von geistig Schwerbehinderten in die Gesellschaft fördern und ihre soziale Stellung verbessern. Sie ist jedoch nicht hinreichend in die Systematik des Gesetzes eingefügt, enthält zudem verschiedene unbestimmte Rechtsbegriffe und beschreibt die Rechtsfolgen nicht genau und vollständig. Das erschwert den praktischen Umgang mit der Neuregelung im Rechtsleben und dient nicht der gerade für die betroffenen Menschen wünschenswerten Rechtssicherheit. 2. Personenkreis. Die Vorschrift erfasst nur Geschäfte volljähriger Geschäftsunfähiger. Diese Vo- 2 raussetzung (§ 104 Nr 2) muss nach dem Schutzzweck der Regelung mindestens eine von zwei an einem Geschäft beteiligten Personen erfüllen. Nach Wortlaut und Zweck gilt die Bestimmung aber auch für Geschäfte, die zwei volljährige Geschäftsunfähige miteinander vereinbaren (ebenso Casper NJW 2002, 3425, 3426). Unter die Vorschrift fallen nur Geschäfte von Personen, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben (§ 2), nicht Geschäfte eines nach § 104 Nr 1 geschäftsunfähigen Minderjährigen (MüKo/Schmitt § 105a Rn 4; krit dazu Löhnig/Schärtl AcP 204, 25, 27). Die Erfüllung der Kriterien von § 105 II (Bewusstlosigkeit oder vorübergehende Störung der Geis- 3 testätigkeit) im Zeitpunkt des Geschäfts genügt nach dem Text der Vorschrift nicht (aM Casper NJW 2002, 3425, 3426). In den Einrichtungen für geistig Behinderte leben aber vielfach sowohl Geschäftsunfähige iSv § 104 Nr 2 als auch Personen mit nur vorübergehender Störung der Geistestätigkeit iSv § 105 II, die nicht generell geschäftsunfähig sind. Insb in solchen Einrichtungen kann die unterschiedliche rechtliche Behandlung dieser beiden Personengruppen (etwa bei Geschäften in den Verkaufsstellen oder der Bewohner untereinander, bei denen mindestens ein Beteiligter wegen § 105 II nicht rechtswirksam handelt) zu praktischen Schwierigkeiten und zu unausgewogenen Ergebnissen führen. Der Gedanke an eine entspr Anwendung von § 105a für solche Fälle liegt nahe (ebenso Lipp FamRZ 2003, 721, 725). 3. Sachliche Voraussetzungen. a) Die Vorschrift gilt nur für ein Geschäft des täglichen Lebens. Der 4 Begriff ist als solcher im Gesetz nicht definiert. Zu seiner Ausfüllung kann aber auf die zu dem Begriff „Angelegenheit des täglichen Lebens“ in § 1903 III entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden. Für den Begriffsinhalt wird im Interesse der Rechtssicherheit entscheidend auf die Verkehrsauffassung abzustellen sein. Als Abgrenzungsmerkmale bieten sich dabei vor allem der Geschäftsgegenstand und die Bedingungen des Geschäfts an. Das Geschäft muss sich nach allen in Betracht kommenden Merkmalen als nach der Verkehrsauffassung für einen Personenkreis wie diesen im Alltag üblich darstellen. Unerheblich ist, ob ein solches Geschäft (praktisch) „jeden Tag“ vorgenommen wird. Unter den Begriff fallen nach dem Geschäftsgegenstand in erster Linie alle Geschäfte zur Deckung 5 des persönlichen täglichen Bedarfs des Geschäftsunfähigen. Das gilt sowohl für den Erwerb von Gegenständen (Nahrungsmittel, Getränke, Kosmetika, Textilien) als auch für die Nutzung einfacher Dienstleistungen (Friseur, Post, Telefon, öffentlicher Verkehr, Pflege und Reparatur von Kleidung). Nach dem Zweck der Bestimmung wird man auch die Inanspruchnahme informatorischer und kultureller Dienstleistungen (etwa Presse, Film, Theater, Konzert) oder den Besuch von Sport- oder Unterhaltungsveranstaltungen als Geschäft des täglichen Lebens zu werten haben. Der Erwerb von Gegenständen in einer das übliche Maß überschreitenden Menge ist schon nach dem Geschäftsgegenstand kein Geschäft des täglichen Lebens. Auch Geschäfte, bei denen der Geschäftsunfähige wie ein Unternehmer (§ 14) handelt, fallen nicht unter die Vorschrift (Caspar NJW 2002, 3425, 3426; Lipp FamRZ 2003, 721, 725; Löhnig/Schärtl AcP 204, 25, 33).

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§ 105a

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

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Nach den Geschäftsbedingungen kommen als entgeltliche Geschäfte vor allem (kleinere) Bargeschäfte des täglichen Lebens zu Preisen und sonstigen Bedingungen, wie sie im Geschäftsverkehr jedermann angeboten werden, in Betracht. Nicht erfasst werden Geschäfte, bei denen zulasten des Geschäftsunfähigen Leistung und Gegenleistung nicht in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen oder bei denen die Umstände des Geschäftsabschlusses jedenfalls für den erfassten Personenkreis ungewöhnlich sind (etwa Haustürgeschäft; wohl auch Fernabsatzgeschäft). Kreditgeschäfte scheiden aus der Anwendung von § 105a ohnehin aus, solange sie nicht abgewickelt sind. Sind sie abgewickelt, dann wird es für die Bewertung einerseits auf die Üblichkeit als Alltagsgeschäft für diesen Personenkreis (vielfach wohl zu verneinen; zu bejahen am ehesten beim gewöhnlichen Versandhandel) und andererseits auch auf die Angemessenheit der Kredit- und sonstigen Bedingungen ankommen (ähnlich Lipp FamRZ 2003, 721, 727 mwN; MüKo/Schmitt Rn 13 für Abzahlungsgeschäft). Mit Dauerverpflichtungen verbundene Geschäfte (etwa Telefonanschluss, Fernsehanschluss; Abonnement von Presseerzeugnissen, Pay-TV, Theater, Konzert) wird man allenfalls mit großer Zurückhaltung noch als Geschäft des täglichen Lebens werten können; iÜ beschränkt sich die Wirkung des § 105a in solchen Fällen auf den bereits abgewickelten Teil solcher Geschäfte. Bei unentgeltlichen Geschäften zugunsten des Geschäftsunfähigen wird man nach den Geschäftsbedingungen eher von einem Geschäft des täglichen Lebens sprechen können, als bei Schenkungen, die der Geschäftsunfähige macht (vgl dazu Lipp FamRZ 2003, 721, 727 und Löhnig/Schärtl AcP 204, 25, 32 mwN).

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b) Es muss sich um ein Geschäft handeln, das mit geringwertigen Mitteln bewirkt werden kann. Auch für diese Voraussetzung ist der Begriffsinhalt dem Gesetz selbst nicht zu entnehmen, sieht man von den Überlegungen zum Begriff „geringfügige Angelegenheit“ in § 1903 III ab. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit muss der Begriffsinhalt objektiv bestimmt werden; auf die persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse des einzelnen Geschäftsunfähigen, die dem anderen Geschäftsbeteiligten häufig nicht bekannt sind und sein können, darf es bei der Normanwendung nicht ankommen (anders die hM zu § 1903 III). Es wird vielmehr auf der Grundlage der allg Preis- und Einkommensverhältnisse wiederum auf die Verkehrsanschauung abzustellen sein (ebenso Casper NJW 2002, 3425, 3426; Heim JuS 2003, 141, 143; MüKo/Schmitt Rn 8; Pal/Ellenberger Rn 4). Als Mittel, mit denen das Geschäft bewirkt werden kann, kommen – auch auf Seiten des Geschäftsunfähigen – sowohl Geldmittel als auch Sach- und Dienstleistungen in Betracht.

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c) Die Bestimmung erfasst nur Rechtsgeschäfte, die der Geschäftsunfähige selbst vornimmt. Die Bestellung eines Vertreters gestattet das Gesetz dem Geschäftsunfähigen nicht. Allenfalls kommt für die Geschäftsabwicklung die Einschaltung eines Boten in Betracht.

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d) Das Geschäft muss in Ansehung von Leistung und, soweit vereinbart, Gegenleistung bewirkt sein. Zur Anwendung dieses Merkmals ist zunächst zu klären, was als Leistung und ggf als Gegenleistung vereinbart ist. „Vereinbart“ in diesem Sinne ist, worüber sich die Geschäftsbeteiligten im natürlichen Sinne geeinigt haben. Auch für den Einigungsbeitrag des Geschäftsunfähigen müssen die Voraussetzungen einer wirksamen Willenserklärung, von § 105 I abgesehen, erfüllt sein. Eine Einigung, die etwa nach §§ 134 oder 138 nichtig wäre, reicht zur Anwendung von § 105a nicht aus. Die vereinbarten Leistungen müssen bewirkt sein. Erforderlich sind danach vollständige beiderseitige Erfüllungshandlungen. Auch insoweit kommt es aber für die Erfüllung der Voraussetzungen von § 105a nicht darauf an, ob die Erfüllungshandlungen zunächst ganz oder teilw wegen § 105 I rechtlich nicht wirksam sind; entscheidend ist vielmehr, dass sie tatsächlich bewirkt und nicht aus anderen Gründen als der Geschäftsunfähigkeit unwirksam sind.

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e) Das Geschäft darf nach Satz 2 nicht zu einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Geschäftsunfähigen führen. Nicht gefährdet werden darf durch das Geschäft einmal die Person des Geschäftsunfähigen. Bei dieser negativen Voraussetzung geht es um den Schutz gerade des am Geschäft beteiligten Geschäftsunfähigen. Der Maßstab für diese Gefährdung ist deshalb seiner individuellen Situation zu entnehmen. Als Quelle einer solchen Gefahr kommt insb die an den Geschäftsunfähigen bewirkte Leistung in Betracht. Zu denken ist vor allem an eine Leistung, die für ihn eine Gefahr für Leib oder Leben bedeuten kann; eine solche Gefahr kann etwa durch für ihn gefährliche Nahrungs- oder Genussmittel (zB Alkohol) entstehen, aber auch durch eine Dienstleistung, die – wie zB ein aufregender Film – für ihn zu einer erheblichen psychischen oder physischen Beeinträchtigung führen kann.

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Eine Gefährdung des Vermögens des Geschäftsunfähigen kann vor allem durch die Art oder die Höhe der von ihm erbrachten Leistung eintreten. Vielfach wird es in solchen Fällen allerdings schon an einem Geschäft des täglichen Lebens fehlen, das mit geringwertigen Mitteln bewirkt werden kann. Vorstellbar ist eine Vermögensgefährdung zB durch den mehrfachen Erwerb eines Gegenstandes, den der Geschäftsunfähige nur einmal benötigt oder sich vernünftigerweise nur einmal leisten kann, in nacheinander mit unterschiedlichen Beteiligten vereinbarten Geschäften (MüKo/Schmitt Rn 17; Staud/Knothe Rn 10; aM aus Verkehrsschutzgründen: Löhnig/Schärtl AcP 204, 25, 34).

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Die Regelung soll in beiden Varianten den Geschäftsunfähigen vor objektiv nicht hinnehmbaren Gefährdungen schützen. Der Schutzzweck verlangt, dass allein auf die objektiv durch das Geschäft verursachte Gefährdungslage abgestellt wird. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob der andere Beteiligte die Gefährdung erkennt oder infolge Fahrlässigkeit nicht erkennt.

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4. Rechtsfolgen. Bei Erfüllung der persönlichen und sachlichen Voraussetzungen iÜ gilt der von dem Geschäftsunfähigen geschlossene Vertrag in Ansehung von Leistung und, soweit vereinbart, Gegenleistung als wirksam, sobald die vereinbarten Leistungen bewirkt sind. Im Zeitpunkt des Bewir236

H.-F. Müller

Geschäftsfähigkeit

§ 106

kens treten („ex nunc“) die angeordneten Rechtsfolgen ein. Eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Vereinbarung („ex tunc“) sieht das Gesetz nicht vor. Mit dem Eintritt der Rechtsfolgen entfallen insb für Leistung und Gegenleistung die bei nichtigen Geschäften bestehenden bereicherungsrechtlichen Ansprüche auf Rückabwicklung. Darüber herrscht in der Lit Einigkeit. Unklar ist jedoch, ob die Wirkungen des § 105a sich auf das schuldrechtliche Geschäft beschränken. Dies legt der Wortlaut der Norm an sich nahe. Doch würden dann Eigentum und Besitz dauerhaft auseinander fallen, da der fingierte Vertrag ein Recht zum Besitz iSv § 986 BGB gibt (MüKo/Schmitt Rn 18). Um dieses Ergebnis zu vermeiden, sind die Rechtsfolgen des § 105a nach Sinn und Zweck der Vorschrift auch auf das Verfügungsgeschäft zu erstrecken (Casper NJW 2002, 3425, 3428; PWW/Völzmann-Stickelbrock § 105a Rn 7; aA Löhnig/Schärtl AcP 204, 25, 37ff; MüKo/Schmitt Rn 19). Umstr ist ferner, ob mit dem Eintritt der Rechtsfolgen auch über die Leistung und die Gegenleis- 14 tung hinausgehende vertragliche Rechte und/oder Pflichten, etwa ein Schadensersatzanspruch gem § 280 I (zB wegen sog pFV), ein Gewährleistungsanspruch (zB nach § 437) oder Gestaltungsrechte nach den Verbraucherschutzbestimmungen entstehen können. Dies wird teilw mit dem Arg bejaht, dem Geschäftsunfähigen müssten bei Geschäften des täglichen Lebens i Erg die Rechte und Ansprüche zustehen, die er hätte, wenn er voll geschäftsfähig wäre (Adena, Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens in Deutschland und Österreich, 2009, 74ff; Casper NJW 2002, 3425, 3427; MüKo/Schmitt Rn 21ff; Pal/Ellenberger Rn 6). Doch müssten ihn dann konsequenterweise auch die entspr Pflichten treffen (so in der Tat Erman/Palm12 Rn 14). Die Belastung nur einer Seite erscheint unausgewogen und nicht vertretbar; das zeigt sich besonders deutlich, wenn zwei Geschäftsunfähige, die etwa gemeinsam in einer betreuenden Einrichtung leben, miteinander ein Geschäft iSv § 105a mit Schadensfolgen tätigen. Überzeugender ist es, die Vorschrift von vorneherein nur bei ordnungsgemäß erbrachten Leistungen und Gegenleistungen zur Anwendung zu bringen (Heim JuS 2003, 141, 143f; Lipp FamRZ 2003, 721, 728; Ulrici Jura 2003, 520, 522; BaRo/Wendtland Rn 7; Jauernig/Jauernig Rn 6; Staud/Knothe Rn 12). Ansonsten bleibt es bei der Gesamtnichtigkeit des Vertrags. Die Rückabwicklung erfolgt über die §§ 812ff. Von dem Geschäftsunfähigen darüber hinaus zu erwarten, über die Ausübung von Rücktritts-, Widerrufs- und Nacherfüllungsrechten zu entscheiden, hieße, ihn zu überfordern (BaRo/Wendtland Rn 7). Eine solche Überforderung will § 105a gerade vermeiden. Der besonderen Problematik, dass ein geleisteter Gegenstand später wegen eines verborgenen Fehlers einen Folgeschaden bei dem Geschäftsunfähigen verursacht, ist über das Institut der cic (§§ 311 II, 241 II, 280) zu begegnen (Löhnig/Schärtl AcP 204, 25, 48f). Derartige Ansprüche können auch bei einem nichtigen Vertrag bestehen (Czeguhn, Geschäftsfähigkeit, beschränkte Geschäftsfähigkeit, Geschäftsunfähigkeit, 2003, Rn 180). Schon nach bisherigem Rechtsverständnis konnte der Geschäftsunfähige in sog lichten Augenbli- 15 cken bestimmte Rechtsgeschäfte wirksam vornehmen (allg M; § 104 Rn 4). Die Nichtigkeitsfolge des § 105 I tritt in diesen Fällen nicht ein. Diese Möglichkeit wird von der Neuregelung nicht berührt (ebenso: Jauernig/Jauernig Rn 3, 6; Lipp FamRZ 2003, 721, 725). 5. Beweislast. Wer sich auf die Wirksamkeit eines Geschäfts nach § 105a S 1 beruft, muss alle Vo- 16 raussetzungen nachweisen. Die Voraussetzungen von Satz 2 muss beweisen, wer die Unwirksamkeit eines Geschäfts nach dieser Bestimmung geltend macht.

106

Beschränkte Geschäftsfähigkeit Minderjähriger Ein Minderjähriger, der das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist nach Maßgabe der §§ 107 bis 113 in der Geschäftsfähigkeit beschränkt. 1. Bedeutung. Die §§ 106ff sollen den Minderjährigen, der das siebente Lebensjahr vollendet hat, ei- 1 nerseits vor den Folgen rechtlich bindender Willenserklärungen schützen, ihm aber andererseits in beschränktem Umfang die Teilnahme am Rechtsverkehr ermöglichen. Im Interesse der Rechtssicherheit stellen die §§ 106ff nicht individuell auf die Bedeutung des einzelnen Geschäfts oder auf die geistige Reife des Minderjährigen ab; vielmehr gilt ein abstrakt genereller Maßstab. Die Minderjährigkeit endet mit der Vollendung des 18. Lebensjahres (§ 2). 2. Überblick (§§ 107–113). a) Wirksam sind die Willenserklärungen des Minderjährigen auch ohne 2 Beteiligung des gesetzlichen Vertreters in den Fällen der §§ 107 (lediglich rechtlicher Vorteil), 110, 112 und 113. b) In allen anderen Fällen hängt die Wirksamkeit der Willenserklärung von der Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters ab: aa) Bei Verträgen bedarf die Willenserklärung der Zustimmung (Einwilligung – § 183 – oder Genehmigung – § 184) des gesetzlichen Vertreters (§§ 108f). bb) Bei einseitigen Rechtsgeschäften ist eine (vorherige) Einwilligung des gesetzlichen Vertreters erforderlich (§ 111). 3. Spezialregeln. a) Die Beschränkungen der §§ 106ff gelten nur, wenn der Minderjährige für sich 3 selbst handelt. Eine vom Minderjährigen als Stellvertreter abgegebene Willenserklärung ist wirksam (§ 165). Eine Haftung des Minderjährigen als Vertreter ohne Vertretungsmacht scheidet gem § 179 III S 2 aus. Handelt der Minderjährige zugleich in eigenem und fremdem Namen, ist § 139 zu beachten. b) Weitere Spezialvorschriften enthalten zB: §§ 8, 131 II, 210, 682, 828 II und III, 1303, 1411, 1516 II, 1596ff, 1600a II, 1746, 2229, 2233 I, 2247 IV, 2275 II, 2296 I, 2347 II, 2351. Bei Anordnung einer Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt hat der Betreute eine dem beschränkt Geschäftsfähigen ähnliche Rechtsstellung (§ 1903 I S 2, III). c) Beschränkt Geschäftsfähige sind prozessunfähig (§§ 51f ZPO). Im Verfassungsbeschwerdeverfahren kann aber unter dem Gesichtspunkt der Grundrechtsmündigkeit etwas anderes gelten (Kahl JuS 1995, 904). Im FamFG-Verfahren sind die §§ 9, 60, 125 FamFG zu beachten. Eine etwaige Verfahrensfähigkeit führt nicht dazu, dass der beschränkt Geschäftsfähige H.-F. Müller

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§ 106

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

wirksam einen Anwalt beauftragen kann (vgl AG Münster NJW 1994, 1124 für den Fall eines asylverfahrensfähigen Minderjährigen). d) Für Minderjährige mit fremder Staatsangehörigkeit ist umstr, ob sich die Rechtsfolgen mangelnder Geschäftsfähigkeit nach dem Heimatrecht richten (so die hM, vgl Baetge IPRax 1996, 185; Pal/Thorn zu Art 7 EGBGB Rn 5, beide mwN) oder nach dem Vertrags- oder Wirkungsstatut (so etwa Düsseldorf NJW-RR 1995, 755 = IPRax 1996, 199). Vgl Vor § 104 Rn 17 und Art 7 EGBGB Rn 14f.

107

Einwilligung des gesetzlichen Vertreters Der Minderjährige bedarf zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters.

1

1. Bedeutung. Der Minderjährige kann selbst wirksame Willenserklärungen nur abgeben, wenn er durch sie lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt. Rechtlich nachteilige Geschäfte bedürfen jedoch zum Schutz des Minderjährigen der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters. Für bestimmte außergewöhnliche Geschäfte ist daneben eine Genehmigung des FamG erforderlich (§§ 1643, 1821f; vgl auch § 1812f – Genehmigung des Gegenvormunds).

2

2. Anwendungsbereich. § 107 gilt für alle Willenserklärungen und findet auch auf rechtsgeschäftsähnliche Handlungen – nicht aber auf Realakte – entspr Anwendung (Vor § 104 Rn 17). Familienrechtliche Willenserklärungen (zB Verlöbnis; hM, RG 61, 272; 98, 15) fallen unter § 107, soweit nicht Spezialvorschriften eingreifen (zB §§ 1303f; 1596ff; 1746). Zur Testamentserrichtung durch einen Minderjährigen §§ 2229, 2233 I, 2247 IV (Brox ErbR Rn 90ff). Nicht unter § 107 fällt die Einwilligung des Minderjährigen zu einem tatsächlichen Eingriff in seine Rechtsgüter (zB Operation; BGH 29, 35); entscheidend ist in solchen Fällen die Einsichts- und Urteilsfähigkeit (BGH 29, 36; Trockel NJW 1972, 1494; Roßner NJW 1990, 2292; aA MüKo/Schmitt § 105 Rn 21ff).

3

3. Ob eine Willenserklärung lediglich rechtlich vorteilhaft ist, richtet sich allein nach der rechtlichen Wirkung, nicht jedoch nach den wirtschaftlichen Folgen des Geschäfts (BGH LM Nr 7; BGH 161, 178f; hM, aA Stürner AcP 173, 402ff; Köhler JZ 1983, 225); das Gesetz will nicht auf den für den Rechtsverkehr zu unsicheren Maßstab des wirtschaftlichen Vorteils abstellen. Entscheidend ist daher, ob durch die Willenserklärung selbst oder durch den Vertrag, zu dessen Abschluss sie abgegeben wird, rechtliche Verpflichtungen des Minderjährigen begründet oder seine Rechte vermindert werden. Soweit ein Geschäft einem Minderjährigen lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt, gilt für Insichgeschäfte der sorgeberechtigten Eltern das Verbot des § 181 nicht (BGH 94, 232).

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a) Einseitige Rechtsgeschäfte können rechtlich vorteilhaft sein (zB Kündigung eines zinslosen Darlehens durch den Minderjährigen als Darlehensgeber; zur Mahnung vgl BGH 47, 352, 357; 106, 163, 166; KG FamRZ 1989, 537; Köln NJW 1998, 320; Emmerich JuS 1995, 124); meist sind sie jedoch rechtlich nachteilig (zB Kündigung eines Mietvertrags, verzinslichen Darlehens; Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft).

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b) Verpflichtungsgeschäfte sind rechtlich vorteilhaft und folglich zustimmungsfrei, soweit der Minderjährige selbst keine rechtsgeschäftliche Verpflichtung übernimmt. Somit ist ein gegenseitiger Vertrag wegen seiner synallagmatischen Verpflichtung niemals lediglich rechtlich vorteilhaft. Das gilt auch dann, wenn der Vertrag für den Minderjährigen wirtschaftlich sehr günstig ist; entscheidend sind nicht die wirtschaftlichen sondern die rechtlichen Nachteile. Rechtliche Nachteile sind dabei auch solche, die kraft Gesetzes eintreten (zB die Haftung aus § 419 aF bei der Vermögensübernahme, BGH 53, 178). Der Abschluss eines Versicherungsvertrags (Bsp: BGH NJW 2003, 514 für Kfz-Haftpflichtversicherung) und Bankgeschäfte eines Minderjährigen sind in aller Regel nicht allein rechtlich vorteilhaft und deshalb zustimmungsbedürftig; im Einzelfall können §§ 110, 112, 113 eingreifen (eingehend zur Teilnahme Minderjähriger am Bankverkehr einschl der Benutzung von Scheckund Kundenkarten mwN: Hagemeister JuS 1992, 839 und 924; Vortmann WM 1994, 965ff; vgl auch LG Köln NJW-RR 1991, 968). Nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sind auch unvollkommen zweiseitig verpflichtende Verträge. Deshalb bedürfen sowohl der Leihvertrag (wegen der Verpflichtungen des Entleihers gem §§ 601, 604) als auch der Verwahrungsvertrag (wegen §§ 693, 694) als auch der Darlehensvertrag (vgl Düsseldorf NJW-RR 1995, 755) der Einwilligung. Einseitig verpflichtende Verträge kann der Minderjährige schließen, wenn die Verpflichtung den Vertragspartner und nicht ihn trifft. Der Abschluss eines Schenkungsvertrags mit einem Minderjährigen ist wirksam, auch wenn damit eine Ausgleichsanordnung (§ 2050 III) verbunden ist, weil damit keine Verpflichtung begründet wird (BGH 15, 171; Stuttgart FamRZ 1992, 1423). Dagegen ist die Schenkung unter einer Auflage wegen § 525 nicht lediglich vorteilhaft (Stuttgart aaO; Köln NJW-RR 1998, 363). Ist die Erfüllung eines lediglich rechtlich vorteilhaften Schenkungsversprechens für den Minderjährigen mit rechtlichen Nachteilen verbunden, bedarf nicht das schuldrechtliche, wohl aber das dingliche Geschäft der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters. Falls dieser als Schenker Vertragspartner des Minderjährigen ist, kann er zwar nach § 181 Hs 1 weder die Willenserklärung für den Minderjährigen abgeben noch die Erklärung des Minderjährigen durch Zustimmung wirksam machen; nach dem Wortlaut des § 181 letzter Hs wäre ihm das jedoch möglich, weil das dingliche Geschäft ausschließlich zur Erfüllung des Schenkungsversprechens erfolgt. Dadurch würde der von §§ 107, 181 Hs 1 bezweckte Minderjährigenschutz umgangen. Um das zu vermeiden, soll in diesen Fällen nach BGH 78, 28 (ebenso BayObLG 1998, 139) aufgrund einer Gesamtbetrachtung der rechtliche Nachteil des dinglichen Geschäfts dazu führen, das schon das schuldrechtliche Geschäft nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Diese vom BGH gewählte juristische Konstruktion ist abzulehnen. Für die Frage, ob eine Schenkung lediglich rechtlich vorteilhaft ist, hat das von dieser unabhängige dingliche Rechtsgeschäft keine Bedeutung 238

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Geschäftsfähigkeit

§ 107

(ebenso Bork AT Rn 1002f). Dem Minderjährigenschutz kann durch eine einschränkende Auslegung des § 181 letzter Hs Rechnung getragen werden (Jauernig JuS 1982, 576; Feller DNotZ 1989, 75; § 181 Rn 23, 31; offengelassen von BGH 161, 174f). c) Ein Verfügungsgeschäft kann der Minderjährige ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters 6 abschließen, wenn die Verfügung rechtlich zu seinen Gunsten wirkt. Eine Eigentumsübertragung oder Forderungsabtretung an einen Minderjährigen ist daher wirksam, wenn der Erwerber im Zusammenhang mit dem Erwerb nicht mit Verpflichtungen belastet wird, für die er nicht allein dinglich mit dem erworbenen Gegenstand, sondern auch persönlich mit seinem sonstigen Vermögen haftet (st Rspr seit BGH 78, 28, 33 = NJW 1981, 109; ebenso BayObLG 1979, 49, 53). Für die Bewertung, ob die Übertragung von Grundeigentum dem Minderjährigen lediglich einen 7 rechtlichen Vorteil bringt, stellt – abw von der bisherigen obergerichtlichen Rspr (zB BayObLG 1979, 49, 52; 1998, 139, 143 sowie Köln ZMR 2004, 189, 190) – die jüngste höchstrichterliche Rspr (grundlegend mwN BGH 161, 170ff = NJW 2005, 415ff mit zust Anm Lorenz in LMK 2005, 25; ferner mwN BGH 162, 137 = NJW 2005, 1430 mit zust Anm Berger in LMK 2005, 89; ebenso zB BayObLG NJW 2003, 1129; Bork AT Rn 1002f mwN; im Wesentlichen zust Preuß JuS 2006, 305; Schmitt NJW 2005, 1090 sowie Woijzik DNotZ 2005, 655; krit Führ/Menzel FamRZ 2005, 1729f, Reiß RNotZ 2005, 224, Staudinger Jura 2005, 547 und Wilhelm NJW 2006, 2353) insb auf folgende Kriterien ab: Lediglich rechtlich vorteilhaft ist die Übereignung eines zB mit einem Grundpfandrecht belasteten Grundstücks, da hierdurch der rechtliche Vorteil des Minderjährigen nur gemindert, jedoch kein sonstiges Vermögen belastet wird (anders bei Reallast wegen § 1108, LG Coburg MittBayNot 2008, 224). Die mit der Eigentumsübertragung regelmäßig verbundene Haftung des Erwerbers für die gewöhnlichen öffentlichen Lasten des Grundstücks ist ebenfalls nicht als rechtlicher Nachteil iSv § 107 zu werten, weil sie typischerweise keine Gefährdung des vom Gesetz bezweckten Schutzes des beschränkt Geschäftsfähigen mit sich bringt (schutzzweckorientierte einschränkende Auslegung von § 107); eine andere Bewertung kann bei außerordentlichen Lasten, etwa bei Erschließungs- oder Anliegerbeiträgen, in Betracht kommen; die Abgrenzung ist Frage des Einzelfalles. – Für die Belastung mit einem Nießbrauch gilt dieselbe Bewertung jedenfalls dann, wenn der Nießbraucher auch die Kosten außergewöhnlicher Ausbesserungen und Erneuerungen sowie die außergewöhnlichen Grundstückslasten zu tragen hat. Das dingliche Geschäft ist schließlich auch dann rechtlich vorteilhaft, wenn die zugrunde liegende schuldrechtliche Vereinbarung mit rechtlichen Nachteilen verbunden und deshalb (schwebend) unwirksam ist; auch bei einer solchen Konstellation ist (anders als bei dem in BGH 78, 28 = NJW 1981, 109 zu § 181 entschiedenen Sachverhalt) über das Vorliegen eines rechtlichen Vorteils oder Nachteils nicht in einer Gesamtbetrachtung von dinglichem und schuldrechtlichem Geschäft zu entscheiden. Die Übertragung eines vermieteten oder verpachteten Grundstücks ist hingegen wegen der mit dem Erwerb nach §§ 566 I, 581 II, 593b iVm zB § 535 I, 536a, 581 I, 585 II, 586 II verbundenen persönlichen Haftung – auch wenn der Veräußerer sich den Nießbrauch vorbehält – nicht lediglich rechtlich vorteilhaft. Das gilt wegen der Pflichten aus §§ 1041, 1045, 1047 auch für die Bestellung eines Nießbrauchs zugunsten des Minderjährigen (BFH NJW 1981, 141; offengelassen in BGH LM Nr 7). Die Übertragung eines Grundstücksanteils an einen Minderjährigen im Wege vorweggenommener Erbfolge kann rechtlich nachteilig sein, wenn sie mit der Vereinbarung eines nicht auf Rückgabe der Bereicherung beschränkten Rückforderungsrechts verknüpft ist (BayObLG FamRZ 2004, 1055f = Rpfleger 2004, 482f; Köln NJOZ 2005, 3046 = Rpfleger 2003, 570 m Anm Bestelmeyer in Rpfleger 2004, 162f). Der Erwerb von WE bringt wegen der Haftung nach § 10 VIII WEG rechtliche Nachteile mit sich (BGH NJW 2010, 3643; Hamm ZWE 2010, 370; München ZEV 2008, 246). Der Erwerb von Anteilen an einer Personengesellschaft ist zumeist mit Haftungsgefahren verbun- 8 den und dann nicht lediglich vorteilhaft (BGH 68, 231f). Anders liegt es bei der Einräumung eines voll eingezahlten Kommanditanteils (Bremen NZG 2008, 750; Führ/Nikoleycik BB 2009, 2105ff; Maier-Reimer/Marx NJW 2005, 3025, 3026; Weinbrenner FPR 2009, 265ff; aA Frankfurt NJW-RR 2008, 1568). Ebenfalls lediglich rechtlich vorteilhaft ist der Erwerb von voll eingezahlten Aktien (Maier-Reimer/ Marx aaO). Anders ist für die Beteiligung an einer GmbH wegen der Ausfallhaftung nach § 24 GmbHG zu entscheiden (Maier-Reimer/Marx aaO). d) Die Erfüllung eines Anspruchs des Minderjährigen durch Leistung an ihn ist nicht wirksam, da 9 durch die Erfüllung die Forderung erlischt und somit ein Rechtsnachteil entsteht. Die Eigentumsübertragung an den Minderjährigen ist zwar wirksam, jedoch kann in diesem Fall die Erfüllungswirkung erst mit Einwilligung des gesetzlichen Vertreters eintreten (hM; Brox/Walker AT Rn 286; BaRo/ Wendtland § 107 Rn 6; aA Harder JuS 1977, 151). e) Neutrale Geschäfte, dh solche, die für den Minderjährigen weder rechtlich vorteilhaft noch 10 nachteilig sind, bedürfen nach dem Schutzzweck des § 107 (vgl Bork AT Rn 997, 1008) zu ihrer Wirksamkeit nicht der Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters. Zu den neutralen Geschäften gehören das Handeln als Vertreter eines anderen (§ 165), die Verfügung über fremde Sachen zugunsten eines Gutgläubigen gem §§ 932ff oder mit Einwilligung des Berechtigten nach § 185 I, wie auch die Leistungsbestimmung gem § 317. 4. Einwilligungserklärung. a) Die Einwilligung ist eine empfangsbedürftige, formfreie Willenser- 11 klärung (Vor § 182 Rn 12), die bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts frei widerruflich ist (§ 183 I S 1). Der gesetzliche Vertreter kann sie ggü dem Minderjährigen oder dem Geschäftsgegner vor oder bei Geschäftsschluss erklären (bei einseitigen Rechtsgeschäften: § 111). Die Einwilligung kann sowohl ausdr als auch konkludent erteilt werden. So kann in der Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters bei dem Geschäft die Einwilligung liegen (RG 130, 128).

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§ 107

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

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b) Umfang. Die Einwilligung kann sowohl für ein einzelnes Geschäft als auch – allerdings nur in den Grenzen des Schutzzwecks des § 107 – als beschränkte Generaleinwilligung (vgl Bork AT Rn 1014ff), insb für einen begrenzten Kreis noch nicht feststehender, jedoch üblicherweise mit einem bestimmten Vorhaben (zB Studium, Reise, Kauf eines Kfz mit Abschluss einer Haftpflichtversicherung) verbundener Rechtsgeschäfte erteilt werden. Der Umfang eines solchen Generalkonsenses ist durch Auslegung zu ermitteln; im Interesse eines wirksamen Minderjährigenschutzes ist die Einwilligung eng auszulegen: der beschränkte Generalkonsens darf nämlich nicht zu einer partiell erweiterten Geschäftsfähigkeit über die Regelung der §§ 112, 113 hinaus führen (vgl BGH 47, 359; NJW 1977, 622). Unzulässig ist daher auch eine Einwilligung in Geschäfte jeglicher Art (Bork aaO; Scherner FamRZ 1976, 673ff). Die Einwilligung zur Ausbildung an einem anderen Ort umfasst idR Rechtsgeschäfte des Minderjährigen zur Deckung des Lebensbedarfs und zur Durchführung der Ausbildung. Erfolgt die Ausbildung am Wohnort der Eltern, deckt die Einwilligung nicht die Anmietung einer Wohnung (LG Mannheim NJW 1969, 239). Die Einwilligung zur Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel deckt idR keine Schwarzfahrten, so dass auch kein vertraglicher Anspruch auf ein erhöhtes Beförderungsentgelt entsteht (eingehend und überzeugend dazu Diekmann/Schneider ZfJ 2002, 161ff; ferner AG Bergheim NJW-RR 2000, 202 und AG Jena NJW-RR 2001, 1469 sowie Fielenbach NZV 2000, 358). In der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters zum Erwerb des Führerscheins liegt keine Einwilligung zum Abschluss eines Kfz-Mietvertrags (BGH NJW 1973, 1790). Die Einwilligung zum Abschluss eines Mobilfunkvertrags deckt nicht ohne Weiteres auch die Vereinbarung von zusätzlichen „Mehrwertdienstleistungen“ durch den Minderjährigen ab (Einzelheiten Derleder/Thielbar NJW 2006, 3233 mwN; vgl auch Klees CR 2005, 626, Mankowski/Schreier VuR 2006, 209 und Zagouras MMR 2006, 511; zur Verpflichtung auf Zahlung von Telefonkosten, die durch Entgegennahme von R-Gesprächen Dritter durch Minderjährige entstehen, vgl BGH NJW 2006, 1971; LG Potsdam NJW-RR 2006, 192; Schütz MMR 2006, 7 und Zagouras NJW 2006, 2368).

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c) Selbst bei einem wirtschaftlich günstigen Geschäft steht dem Minderjährigen kein Anspruch auf Erteilung der Einwilligung zu. Die Erteilung steht im pflichtgemäßen Ermessen des gesetzlichen Vertreters. Die Einwilligung kann nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen (etwa § 113 III, § 1666 III) durch das FamG ersetzt werden. Bei Verweigerung der Zustimmung kann ein Schadensersatzanspruch des Minderjährigen in Betracht kommen.

108

Vertragsschluss ohne Einwilligung (1) Schließt der Minderjährige einen Vertrag ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung des Vertreters ab. (2) Fordert der andere Teil den Vertreter zur Erklärung über die Genehmigung auf, so kann die Erklärung nur ihm gegenüber erfolgen; eine vor der Aufforderung dem Minderjährigen gegenüber erklärte Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung wird unwirksam. Die Genehmigung kann nur bis zum Ablauf von zwei Wochen nach dem Empfang der Aufforderung erklärt werden; wird sie nicht erklärt, so gilt sie als verweigert. (3) Ist der Minderjährige unbeschränkt geschäftsfähig geworden, so tritt seine Genehmigung an die Stelle der Genehmigung des Vertreters.

1

1. Schwebende Unwirksamkeit des Vertrags. Schließt ein Minderjähriger einen nicht lediglich rechtlich vorteilhaften Vertrag ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, so ist der Vertrag schwebend unwirksam; der gesetzliche Vertreter hat jedoch die Möglichkeit, durch nachträgliche Zustimmung (= Genehmigung, § 184 I) den Vertrag wirksam werden zu lassen (für einseitige Rechtsgeschäfte gilt § 111; jedoch nimmt ein einseitiges Rechtsgeschäft des Minderjährigen, das mit einem Vertrag eine rechtliche Einheit bildet, an der schwebenden Unwirksamkeit und der Genehmigungsfähigkeit des Vertrags teil, BGH 112, 363 = NJW 1990, 1721f für die Vollmacht). Während der schwebenden Unwirksamkeit (Einl § 104 Rn 35; Vor § 182 Rn 14; § 184 Rn 9) kann der Minderjährige aus dem Vertrag nicht in Anspruch genommen werden (vgl § 184 Rn 4). Der Schwebezustand endet mit der Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung (vgl Vor § 182 Rn 14) durch den gesetzlichen Vertreter (§ 108 I) oder durch den unbeschränkt geschäftsfähig gewordenen Minderjährigen (§ 108 III). Dem Interesse des Vertragspartners an der Abkürzung des Schwebezustands dient § 108 II; außerdem steht dem Vertragspartner das Widerrufsrecht nach § 109 zu. Der Minderjährige ist während des Schwebezustands an seine Erklärung gebunden; er hat kein Rücktritts- oder Widerrufsrecht. Vergleichbare Regelungen für ihren jeweiligen Problembereich enthalten § 177 (Genehmigung des Vertreters), § 1366 (Genehmigung des anderen Ehegatten) und § 1829 (Genehmigung des FamG).

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2. Beendigung des Schwebezustands durch den gesetzlichen Vertreter (Abs I). Der gesetzliche Vertreter kann den schwebend unwirksamen Vertrag nach freiem Ermessen genehmigen oder die Genehmigung verweigern.

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a) Die Genehmigung (§ 184; vgl § 184 Rn 1) ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die (§ 182 II) nicht der für den Vertrag erforderlichen Form bedarf (vgl BGH DNotZ 1981, 183; zu Ausnahmen § 182 Rn 7). Sie kann dem Minderjährigen oder dem Vertragspartner ggü (§ 182) ausdr oder durch schlüssiges Verhalten erteilt werden. Die Rspr verlangt als Voraussetzung der konkludenten Genehmigung bislang vielfach, dass der Genehmigende gewusst oder mit der Möglichkeit gerechnet hat, der Vertrag sei unwirksam (BGH 2, 152; 53, 178; NJW 1988, 1199f; BAG NJW 1964, 1643; Düsseldorf NJW-RR 1995, 755 = IPRax 1996, 200; Koblenz VersR 1991, 209). Mit der neueren Rspr, die das Vorliegen einer Willenserklärung nicht mehr vom Erklärungsbewusstsein abhängig macht (vgl 240

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Geschäftsfähigkeit

§ 109

Vor § 116 Rn 14ff), steht das nicht im Einklang. Es muss genügen, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen konnte, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte als Genehmigung aufgefasst werden durfte und dass der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (näher dazu § 182 Rn 8ff). – Der gesetzliche Vertreter kann den Vertrag nur so genehmigen, wie ihn der Minderjährige abgeschlossen hat. Eine Abänderung des Vertrags ist ihm nicht möglich; sie kann jedoch uU als Neuvornahme des Geschäfts oder als Einwilligung zu einem erneuten Vertragsschluss durch den Minderjährigen aufgefasst werden. – Die Genehmigung des gesetzlichen Vertreters hat rückwirkende Kraft (§ 184), dh der Vertrag ist von Anfang an gültig. Die einmal erklärte Entscheidung des gesetzlichen Vertreters ist wegen ihrer gestaltenden Wirkung nicht widerruflich (BGH 13, 187). b) Durch die Verweigerung der Genehmigung wird der schwebend unwirksame Vertrag endgültig 4 nichtig (vgl Vor § 182 Rn 15). Ein Widerruf der Verweigerung ist ausgeschlossen (RG 139, 127; RGRK/ Krüger-Nieland Rn 6). Bereits erbrachte Leistungen sind gem §§ 812ff zurückzugewähren. 3. Abkürzung des Schwebezustands durch den Vertragspartner (Abs II). Der Vertragspartner 5 kann den Schwebezustand abkürzen. a) Voraussetzung ist eine Aufforderung an den gesetzlichen Vertreter zur Erklärung über die Genehmigung. Die Aufforderung ist eine geschäftsähnliche Handlung, da ihre Rechtsfolgen kraft Gesetzes und unabhängig vom Willen des Erklärenden eintreten (Staud/Knothe Rn 12). b) Folge der Aufforderung. Der gesetzliche Vertreter kann die Genehmigung nur noch ggü dem 6 Vertragspartner erklären. Eine bereits vor der Aufforderung ggü dem Minderjährigen erklärte Genehmigung oder Verweigerung wird unwirksam. Der Schwebezustand wird somit durch die Aufforderung wiederhergestellt; der Vertreter erlangt erneute Entscheidungsfreiheit. Die Erklärung der Genehmigung ist gem § 108 II S 2 nur bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Empfang der Aufforderung möglich. Genehmigt der Vertreter während dieser Frist nicht, so ist der Vertrag endgültig unwirksam. Die Zweiwochenfrist kann durch einseitige Erklärung des Vertragspartners verlängert und durch Vereinbarung mit dem gesetzlichen Vertreter verkürzt werden (Prot I 60). c) Abs II spricht nur von der Genehmigung. Daraus schließt die hM, dass die Vorschrift auf eine vor 7 Vertragsschluss erteilte Einwilligung nicht anwendbar ist (MüKo/Schmitt Rn 23f; Soergel/Hefermehl Rn 8; Paal/Leyendecker JuS 2006, 25, 26 s auch Prot I 60). Da aber der Vertragspartner bei einer Einwilligung, die nur dem Minderjährigen ggü erteilt worden ist, ebenfalls ein berechtigtes Interesse an der Klärung der ungewissen Lage haben kann, wird Abs II teilw entspr angewendet (vgl Jauernig/ Jauernig Rn 3; Pal/Ellenberger Rn 7). 4. Beendigung des Schwebezustands durch den geschäftsfähig gewordenen Minderjährigen 8 (Abs III). Der schwebend unwirksame Vertrag wird nicht automatisch wirksam, wenn der Minderjährige während des Schwebezustands volljährig wird; vielmehr bleiben Schwebezustand und Genehmigungsbedürftigkeit bestehen. Der volljährig Gewordene kann nunmehr selbst genehmigen oder die Genehmigung verweigern. Eine Erteilung der Genehmigung durch schlüssiges Verhalten ist möglich, setzt jedoch nach der Rspr voraus, dass der bisher Minderjährige zumindest mit der schwebenden Unwirksamkeit gerechnet hat (BGH 47, 351; 53, 178; Düsseldorf NJW-RR 1995, 755 = IPrax 1996, 200); vgl zu den Bedenken Rn 3 und § 182 Rn 9. Zur Genehmigung eines Lebensversicherungsvertrags Koblenz VersR 1991, 209; Bayer VersR 1991, 130. Eine Aufforderung gem Abs II ist jetzt an den geschäftsfähig Gewordenen zu richten; die Genehmigung ist ihm ggü zu erklären (BGH NJW 1989, 1728). Führt ein inzwischen volljährig Gewordener einen weiterhin schwebend unwirksamen Vertrag über lange Zeit nach Eintritt der Volljährigkeit fort (Bsp: Versicherungsvertrag), kann der Berufung auf die (schwebende) Unwirksamkeit § 242 entgegenstehen (LG Regensburg VersR 2004, 722). Endet die gesetzliche Vertretung nicht durch Volljährigkeit, sondern durch den Tod des Minderjährigen, steht dessen Erben das Genehmigungsrecht zu (BaRo/Wendtland Rn 10). 5. Beweislast. Die Genehmigung und deren Rechtzeitigkeit (§ 108 II S 2) hat derjenige zu beweisen, 9 der sich auf die Gültigkeit des Vertrags beruft; für die Aufforderung ist der Vertragspartner beweispflichtig. Hat ein Minderjähriger nach Eintritt der Volljährigkeit einen von ihm früher geschlossenen Vertrag genehmigt und beruft er sich nun darauf, dass sein gesetzlicher Vertreter vor Eintritt der Volljährigkeit die Genehmigung verweigert hat, so trägt er dafür die Beweislast (BGH NJW 1989, 1728). 6. Entsprechende Anwendung des § 108. Wenn das BetrG gem § 1903 I S 1 eine Betreuung mit Ein- 10 willigungsvorbehalt angeordnet hat, ist das vom Betreuten im Aufgabenkreis des Betreuers vorgenommene Rechtsgeschäft dem Geschäft eines beschränkt Geschäftsfähigen vergleichbar. Deshalb gelten nach § 1903 I S 1 die §§ 108ff entspr. Der vom Betreuten geschlossene Vertrag bedarf der vorherigen oder nachträglichen Zustimmung des Betreuers (Einzelh § 1903 Rn 15ff, sowie § 104 Rn 7).

109

Widerrufsrecht des anderen Teils (1) Bis zur Genehmigung des Vertrags ist der andere Teil zum Widerruf berechtigt. Der Widerruf kann auch dem Minderjährigen gegenüber erklärt werden. (2) Hat der andere Teil die Minderjährigkeit gekannt, so kann er nur widerrufen, wenn der Minderjährige der Wahrheit zuwider die Einwilligung des Vertreters behauptet hat; er kann auch in diesem Falle nicht widerrufen, wenn ihm das Fehlen der Einwilligung bei dem Abschluss des Vertrags bekannt war.

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§ 109

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

1

1. Bedeutung. Während der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrags (§ 108 Rn 1) soll der Vertragspartner die Möglichkeit haben, sich vom Vertrag zu lösen. Deshalb räumt Abs I ihm ein Widerrufsrecht ein; das gilt jedoch nur, soweit er schutzwürdig ist (Abs II). Die Ausführungen zu den vergleichbaren Regelungen in §§ 178, 1366 II, 1830 lassen sich weitgehend auch hier heranziehen.

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2. Voraussetzungen des Widerrufsrechts. a) Der Vertrag muss noch schwebend unwirksam sein. Deshalb endet das Widerrufsrecht mit der (wirksamen) Genehmigung des gesetzlichen Vertreters. Unerheblich ist, ob eine erforderliche familiengerichtliche Genehmigung noch fehlt. Hat der gesetzliche Vertreter die Genehmigung bereits verweigert, ist der Vertrag unwirksam (vgl § 108 Rn 4, Vor § 182 Rn 15), so dass der Vertragspartner nicht mehr gebunden ist; dann bedarf er eines Widerrufsrechts nicht. Das Widerrufsrecht besteht aber auch dann, wenn die Genehmigung oder deren Verweigerung nur ggü dem Minderjährigen erklärt worden ist und der Vertragspartner durch seine Aufforderung zur Erklärung über die Genehmigung nach § 108 II S 1 den Schwebezustand wieder herbeigeführt hat (hM; Staud/Knothe Rn 4 mwN; einschränkend MüKo/Schmitt Rn 9; Paal/Leyendecker JuS 2006, 25, 27: Der Vertragspartner muss dem gesetzlichen Vertreter zuvor eine Bedenkzeit einräumen).

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b) Der Vertragspartner darf die schwebende Unwirksamkeit nicht bewusst in Kauf genommen haben (Abs II). Das ist der Fall, wenn er die Minderjährigkeit oder das Fehlen der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters beim Vertragsschluss gekannt hat. Fahrlässige Unkenntnis schadet nicht; den Vertragspartner trifft keine Erkundigungspflicht (Prot I 61). Trotz Kenntnis der Minderjährigkeit ist der Vertragspartner aber schutzwürdig, wenn der Minderjährige objektiv wahrheitswidrig die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters behauptet hat; deshalb steht dem Vertragspartner auch in diesem Falle das Widerrufsrecht zu.

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3. Ausübung des Widerrufsrechts. Das Recht wird durch eine empfangsbedürftige, formlose Willenserklärung ausgeübt. Diese kann ggü dem gesetzlichen Vertreter, aber auch ggü dem Minderjährigen (Abs I S 2 in Abweichung von § 131 II) abgegeben werden.

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4. Folge des erklärten Widerrufs. Der Vertrag ist endgültig unwirksam.

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5. Beweislast. Wer die Unwirksamkeit des Vertrags infolge Widerrufs geltend macht, muss den Zugang des Widerrufs während des Schwebezustands beweisen (BGH NJW 1989, 1728). Bringt der Gegner vor, der Widerruf sei nicht wirksam gewesen, da der Vertragspartner die Minderjährigkeit oder das Fehlen der Einwilligung gekannt habe, ist er dafür beweispflichtig. Demgegenüber hat der Vertragspartner zu beweisen, dass der Minderjährige der Wahrheit zuwider die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters behauptet habe.

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6. Entspr Anwendung des § 109 bei Rechtsgeschäften eines Betreuten mit Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 Rn 15ff; § 108 Rn 10).

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Bewirken der Leistung mit eigenen Mitteln Ein von dem Minderjährigen ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossener Vertrag gilt als von Anfang an wirksam, wenn der Minderjährige die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zweck oder zu freier Verfügung von dem Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind.

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1. Bedeutung des sogenannten Taschengeldparagraphen. Der Minderjährige soll einerseits vor Verträgen geschützt werden, die seine wirtschaftlichen Möglichkeiten übersteigen; andererseits soll ihm jedoch – auch aus Erziehungsgründen – eine gewisse Bewegungsfreiheit im Rechtsverkehr verschafft werden. Schließt der Minderjährige ohne die erforderliche Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters einen Vertrag, so treffen ihn, solange er die vereinbarte Leistung nicht erbracht hat, keine vertraglichen Verpflichtungen; der Vertrag ist vielmehr gem § 108 schwebend unwirksam. Bewirkt der Minderjährige allerdings die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln, die ihm zu diesem Zweck oder zu freier Verfügung überlassen worden sind, so wird der Vertrag nach § 110 von Anfang an wirksam. Die Wirksamkeit eines vom Minderjährigen geschlossenen Verpflichtungsgeschäfts sowie des Verfügungsgeschäfts hängt also von der vollständigen Erfüllung seitens des Minderjährigen ab. § 110 regelt einen Spezialfall der (konkludenten) Einwilligung nach § 107 (MüKo/Schmitt Rn 2–5). Ist in der Überlassung der Mittel eine (konkludente) Einwilligung zum Vertragsschluss zu sehen, ist der Vertrag nach § 107 bereits mit seinem Abschluss und nicht erst mit Bewirkung der Leistung wirksam. Für einen solchen Willen des gesetzlichen Vertreters bedarf es jedoch konkreter Anhaltspunkte (PWW/Völzmann-Stickelbrock Rn 1).

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2. Voraussetzungen. a) Der Minderjährige muss die vertragsmäßige Leistung bewirkt haben. Dafür genügen neben der Erfüllung (§ 362) auch die Erfüllungssurrogate wie Leistung an Erfüllungs Statt (§ 364), Hinterlegung (§ 378) und Aufrechnung (§ 389). Die Leistung muss jedoch vollständig erbracht worden sein. Eine Teilleistung ist daher grds keine Erfüllung gem § 110, so dass keine Teilwirksamkeit des Vertrags eintritt. Eine Ausnahme gilt dort, wo sowohl Leistung als auch Gegenleistung teilbar sind (Schilken FamRZ 1978, 643; MüKo/Schmitt Rn 13). Bei Abzahlungs- und Kreditgeschäften wird mit Zahlung einer Rate noch keine Teilwirksamkeit des Vertrags herbeigeführt; erst mit Zahlung der letzten Rate wird der gesamte Vertrag wirksam. Bei Versicherungsverträgen lassen sich Leistung und Gegenleistung uU zeitabschnittsweise trennen; daher ist der Vertrag mit Zahlung einer Jahresprämie für das laufende Versicherungsjahr wirksam (LG Bochum VersR 1970, 25). Nicht teilbar sind Lebensversicherungen auf den Todes- und Erlebensfall (Schilken FamRZ 1978, 643). Soll das Versicherungsverhältnis länger als ein Jahr nach Erlangung der Volljährigkeit fortdauern, ist auch im Falle des § 110 für die Wirksamkeit des Versicherungsvertrags gem § 1822 Nr 5 (§ 1643 I) die Genehmi242

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Geschäftsfähigkeit

§ 111

gung des FamG erforderlich (BGH VersR 1958, 506; MüKo/Schmitt Rn 15ff; aA Soergel/Hefermehl Rn 3). Teilbar sind auch die Leistungen eines Mietvertrags, so dass er für den Zeitraum wirksam ist, für den der Minderjährige mit ihm überlassenen Mitteln die Miete zahlt (Weimar JR 1969, 219). Zu den Möglichkeiten und Grenzen der Anwendung von § 110 bei Mobilfunkverträgen eingehend Derleder/Thielbar NJW 2006, 3233ff, Klees CR 2005, 626, Mankowski/Schreier VuR 2006, 209 und Zagouras MMR 2006, 511. b) Dem Minderjährigen müssen unter Beteiligung des gesetzlichen Vertreters die Mittel zu diesem 3 Zweck oder zu freier Verfügung überlassen worden sein. aa) Die Überlassung der Mittel kann ausdr oder stillschw erfolgen. Eine konkludente Überlassung liegt zB darin, dass der gesetzliche Vertreter dem Minderjährigen den Arbeitsverdienst nicht abverlangt (BGH FamRZ 1977, 45; Celle NJW 1970, 1850). Die Mittel können für einen bestimmten Zweck oder zu freier Verfügung überlassen worden sein. Bei Überlassung zu freier Verfügung können bestimmte Verwendungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden. Die Bestimmung des Verwendungszwecks liegt im Ermessen des gesetzlichen Vertreters; der Umfang ist jeweils durch Auslegung zu ermitteln. Auch wenn die Mittel ohne besondere Zweckbindung überlassen worden sind, ist ein im konkreten Fall für den Minderjährigen erkennbar dem Geschäft entgegenstehender Wille des gesetzlichen Vertreters zu beachten (Bsp AG Freiburg NJW-RR 1997, 637 – Pistolenkauf). Auch bei zunächst freier Überlassung der Mittel kann der gesetzliche Vertreter später den Verwendungszweck einschränken, solange die Leistung noch nicht bewirkt ist (vgl Wieser FamRZ 1973, 434 Fn 1; Lindacher FS Bosch, 1976, 542; aA Weimar MDR 1962, 273; Safferling Rpfleger 1972, 124). Im Einzelfall ist zu prüfen, ob die Überlassung der Mittel nicht bereits eine Einwilligung gem § 107 enthält, die sich auch auf andere als Bargeschäfte beziehen kann (Rn 1). Die Mittel können vom gesetzlichen Vertreter oder einem Dritten überlassen worden sein; letzterenfalls ist die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erforderlich. bb) Als Mittel gem § 110 kommen hauptsächlich Geld, aber auch andere Vermögensgegenstände 4 (zB Guthaben auf Bankkonten, vgl Hagemeister JuS 1992, 840f, 926, 927; Vortmann WM 1994, 967; sonstige Forderungen, Wertpapiere) in Betracht, nicht aber die Arbeitskraft des Minderjährigen (MüKo/Schmitt Rn 19f mN). Die Überlassung der jeweiligen Mittel muss jedoch rechtlich zulässig sein; soweit eine Veräußerung nach §§ 1644, 1824, 1812ff der Genehmigung des FamG oder des Gegenvormunds bedarf, ist eine solche auch zur Überlassung der betreffenden Mittel erforderlich. Überlassen die Eltern dem Minderjährigen Mittel zu einer Schenkung, die den Umfang einer Anstandsschenkung übersteigen, so kann die Schenkung unwirksam sein (vgl § 1641; Stuttgart FamRZ 1969, 39). – Auch Surrogate, die der Minderjährige mit anderen ihm überlassenen Mitteln erwirbt, können als überlassene Mittel iSd § 110 angesehen werden (zB beim Tausch). Das gilt jedoch nur dann, wenn sich durch Auslegung ermitteln lässt, dass die in der Überlassung der Mittel liegende Einwilligung sich auch auf das Surrogat bezieht. Geschäfte mit Surrogaten, die den Wert der überlassenen Mittel erheblich übersteigen, fallen regelmäßig nicht unter § 110, so dass dazu eine besondere Einwilligung des gesetzlichen Vertreters erforderlich ist. Der Kauf eines Lotterieloses mit überlassenen Mitteln fällt unter § 110, nicht dagegen die Verwendung des Lotteriegewinns, der den Einsatz erheblich übersteigt (RG 74, 236). 3. Rechtsfolge. Erfüllt der Minderjährige mit ihm überlassenen Mitteln den Vertrag, so ist dieser 5 von Anfang an wirksam. Dies gilt sowohl für das Verpflichtungs- als auch (entgegen Leenen FamRZ 2000, 863ff) für das Erfüllungsgeschäft (Bork AT Rn 1019 Fn 64). Zunächst ist das Geschäft schwebend unwirksam; es wird wirksam mit der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters (§ 108) oder mit dem Bewirken der Leistung durch den Minderjährigen (§ 110). Endgültig unwirksam wird das Geschäft, wenn der gesetzliche Vertreter vor dem Bewirken der Leistung sein in der Überlassung der Mittel liegendes Einverständnis widerruft (Celle NJW 1970, 1851; Rn 3). Dem Vertragspartner ist vor der Erfüllung entspr § 109 ein Widerrufsrecht zu gewähren (vgl MüKo/Schmitt Rn 34; aA Soergel/Hefermehl Rn 7). 4. Wer sich auf die Gültigkeit des Geschäfts beruft, hat die Voraussetzungen des § 110 zu beweisen.

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5. Entspr Anwendung des § 110 bei Verträgen eines Betreuten mit Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 7 Rn 15ff; § 108 Rn 10).

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Einseitige Rechtsgeschäfte Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das der Minderjährige ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vornimmt, ist unwirksam. Nimmt der Minderjährige mit dieser Einwilligung ein solches Rechtsgeschäft einem anderen gegenüber vor, so ist das Rechtsgeschäft unwirksam, wenn der Minderjährige die Einwilligung nicht in schriftlicher Form vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vertreter den anderen von der Einwilligung in Kenntnis gesetzt hatte. 1. Bedeutung. Beim einseitigen Rechtsgeschäft des Minderjährigen soll – anders als beim Vertrag 1 (§ 108) – im Interesse der Rechtssicherheit ein Schwebezustand vermieden werden. Deshalb ist das einseitige Rechtsgeschäft entweder von vornherein wirksam oder von vornherein unwirksam, damit Klarheit für die Personen besteht, die durch das Rechtsgeschäft betroffen, an dessen Vornahme aber nicht aktiv beteiligt sind. Wirksam ist das einseitige Rechtsgeschäft des Minderjährigen, wenn es für diesen lediglich rechtlich vorteilhaft ist (§ 107) oder wenn der gesetzliche Vertreter vorher in das Geschäft eingewilligt hat. Ansonsten ist das Rechtsgeschäft unwirksam (Satz 1), also nichtig; durch eine Genehmigung des gesetzlichen Vertreters kann es demnach nicht nachträglich wirksam gemacht werden. H.-F. Müller

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§ 111

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

Der Erklärungsempfänger wird besonders geschützt, wenn das einseitige Rechtsgeschäft aus einer empfangsbedürftigen Willenserklärung besteht. Auch wenn der gesetzliche Vertreter eingewilligt hat, kann der Erklärungsempfänger eine Ungewissheit beheben, indem er das Rechtsgeschäft zurückzuweist und es dadurch unwirksam macht. Das gilt jedoch dann nicht, wenn der Minderjährige die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters in schriftlicher Form vorlegt oder wenn dieser den Erklärungsempfänger vorher von der Einwilligung in Kenntnis gesetzt hatte (Sätze 2 und 3). Vgl auch die Ausführungen zu den ähnlichen Regelungen in §§ 180, 1367, 1831. 2

2. Unwirksamkeit wegen fehlender Einwilligung (Satz 1). a) Unter Satz 1 fallen alle einseitigen, nicht lediglich rechtlich vorteilhaften Rechtsgeschäfte eines Minderjährigen. Dazu gehören sowohl die streng einseitigen Rechtsgeschäfte (Einl § 104 Rn 15) wie die Auslobung (§ 657) und die Eigentumsaufgabe (§ 959) als auch die einem anderen ggü vorzunehmenden einseitigen Rechtsgeschäfte wie Kündigung, Anfechtung, Aufrechnung Rücktritt und Widerruf, aber auch die Vollmachtserteilung durch einen Minderjährigen (Paal/Leyendecker JuS 2006, 25, 29; MüKo/Schmitt Rn 10; anders Müller-Freienfels, Die Vertretung im Rechtsgeschäft, 1955, 245). Bildet jedoch die einseitige Willenserklärung, etwa eine von einem Minderjährigen erteilte Vollmacht, mit einem Vertrag eine rechtliche Einheit, nimmt die Bevollmächtigung an der Genehmigungsfähigkeit des Vertrags teil (BGH 112, 363 = NJW 1990, 1721). Auf geschäftsähnliche Handlungen (Einl § 104 Rn 7) ist die Vorschrift entspr anzuwenden (Staud/Knothe Rn 8).

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b) Nicht von Satz 1 erfasste Fälle. Die Anerkennung der Vaterschaft (§§ 1596ff) durch einen Minderjährigen bedarf zwar der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters; diese Zustimmung kann aber auch noch nach der Beurkundung der Anerkennungserklärung erteilt werden. – Die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung (§ 794 I Nr 5 ZPO) ist kein Rechtsgeschäft, sondern eine prozessuale Erklärung (BGH NJW 1985, 2423); demnach ist sie mit vorheriger Zustimmung des gesetzlichen Vertreters wirksam. Die wechselrechtliche Verpflichtung setzt – entgegen der Kreationstheorie – einen Begebungsvertrag voraus, so dass es sich nicht um ein einseitiges Rechtsgeschäft handelt; vielmehr greift § 108 ein. Die Einwilligung des Minderjährigen in eine tatsächliche Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter (zB Operation) fällt nicht unter § 111, da es sich nicht um ein Rechtsgeschäft handelt (hM; vgl BGH 29, 36; krit dazu Staud/Knothe Rn 6). – Abw von § 111 ist eine ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters abgegebene Willenserklärung doch einer Genehmigung zugänglich, wenn der Erklärungsempfänger mit dem Schwebezustand einverstanden ist (MüKo/Schmitt Rn 8; Bork AT Rn 1034). Darüber hinaus entfällt – entgegen der hM (vgl MüKo/ Schmitt Rn 5) – der Zweck des § 111 auch dann, wenn das Geschäft den Erklärungsempfänger lediglich begünstigt. Sofern also ausnahmsweise eine Genehmigungsmöglichkeit auch beim einseitigen Geschäft gegeben ist, sind §§ 108f, nicht § 111 anwendbar.

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3. Unwirksamkeit wegen Zurückweisung (Sätze 2 und 3). Das aus einer empfangsbedürftigen Willenserklärung bestehende Rechtsgeschäft kann trotz Einwilligung des gesetzlichen Vertreters durch Zurückweisung des Geschäfts seitens des Erklärungsempfängers unwirksam werden. a) Voraussetzungen. aa) Der Minderjährige hat eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung mit Einwilligung des gesetzlichen Vertreters abgegeben. bb) Der Minderjährige hat dem Erklärungsempfänger die Einwilligung nicht in schriftlicher Form vorgelegt. Die Vorlage wird regelmäßig vor oder bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts erfolgen; aber auch eine nachträgliche Vorlage steht einer späteren Zurückweisung entgegen (RGRK/Krüger-Nieland Rn 7). cc) Der gesetzliche Vertreter hat den Erklärungsempfänger von der Einwilligung nicht in Kenntnis gesetzt. Für die Kenntnisnahme genügt es, dass die Erklärung des gesetzlichen Vertreters dem Erklärungsempfänger zugegangen ist, da der gesetzliche Vertreter auf die tatsächliche Kenntnisnahme durch den Empfänger keinen Einfluss nehmen kann. Darüber hinaus ist der Erklärungsempfänger auch dann nicht schutzwürdig, wenn er auf andere Weise von der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters sichere Kenntnis erlangt hat; allerdings reicht die bloße Mitteilung des Minderjährigen, der gesetzliche Vertreter habe eingewilligt, nicht aus. dd) Der Erklärungsempfänger muss das Rechtsgeschäft des Minderjährigen wegen der Nichtvorlage einer schriftlichen Einwilligung unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121), zurückweisen. Ein schuldhaftes Zögern liegt nicht vor, wenn der Erklärungsempfänger die Zurückweisung für angemessene Zeit verschiebt, weil der Minderjährige die Vorlage einer schriftlichen Bestätigung des gesetzlichen Vertreters in Aussicht stellt. Die Zurückweisung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die ggü dem gesetzlichen Vertreter, aber auch ggü dem Minderjährigen (analog § 109 I S 2) abgegeben werden kann. Dabei muss dem Empfänger der Zurückweisungserklärung erkennbar gemacht werden, dass die Zurückweisung wegen der nicht formgerecht nachgewiesenen Einwilligung des gesetzlichen Vertreters erfolgt (vgl BAG ZIP 2003, 1161, 1162f).

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b) Folgen. Bei einer wirksamen Zurückweisung ist das Rechtsgeschäft trotz Einwilligung des gesetzlichen Vertreters nichtig. Ist die Zurückweisung (zB mangels Rechtzeitigkeit) unwirksam oder unterbleibt sie, ist das Rechtsgeschäft wirksam.

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4. Beweislast. Wer die Wirksamkeit eines einseitigen, für den Minderjährigen nachteiligen Rechtsgeschäfts geltend macht, hat die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters zu beweisen. Wer sich dagegen trotz der Einwilligung auf die Unwirksamkeit des Geschäfts beruft, muss die rechtzeitige Zurückweisung beweisen. Demgegenüber hat der sich auf die Gültigkeit des Geschäfts Berufende die Beweislast dafür, dass der Minderjährige vor der Zurückweisung die Einwilligung in schriftlicher Form vorgelegt oder der gesetzliche Vertreter den anderen von der Einwilligung in Kenntnis gesetzt hat.

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5. Entspr Anwendung des § 111 bei Rechtsgeschäften eines Betreuten mit Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 Rn 15ff; § 108 Rn 10). 244

H.-F. Müller

Geschäftsfähigkeit

§ 112

112

Selbständiger Betrieb eines Erwerbsgeschäfts (1) Ermächtigt der gesetzliche Vertreter mit Genehmigung des Familiengerichts den Minderjährigen zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts, so ist der Minderjährige für solche Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, welche der Geschäftsbetrieb mit sich bringt. Ausgenommen sind Rechtsgeschäfte, zu denen der Vertreter der Genehmigung des Familiengerichts bedarf. (2) Die Ermächtigung kann von dem Vertreter nur mit Genehmigung des Familiengerichts zurückgenommen werden. 1. Bedeutung. Um dem Minderjährigen die Möglichkeit zum selbständigen Betrieb eines Erwerbs- 1 geschäfts zu geben, kann ihm gem § 112 durch den gesetzlichen Vertreter mit Genehmigung des FamG (bis 31.8.2009 VormG) die volle Geschäftsfähigkeit für solche Rechtsgeschäfte eingeräumt werden, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt. § 112 führt somit zur teilw Erweiterung der Geschäftsfähigkeit des Minderjährigen und damit insoweit zum Ruhen der Vertretungsmacht des gesetzlichen Vertreters. Für Geschäfte, die nicht diesem Tätigkeitskreis unterfallen, bleibt der Minderjährige beschränkt geschäftsfähig. – Seit der Vorverlegung des Volljährigkeitsalters von 21 auf 18 Jahre ist § 112 jedoch ohne große praktische Bedeutung. 2. Voraussetzungen. a) Der gesetzliche Vertreter muss den Minderjährigen zum selbständigen Be- 2 trieb eines Erwerbsgeschäfts ermächtigen. aa) Die Ermächtigung ist eine formfreie, empfangsbedürftige Willenserklärung, die mit Zugang an den Minderjährigen wirksam wird. Sie steht im Ermessen des gesetzlichen Vertreters und kann regelmäßig nicht durch das FamG ersetzt werden (vgl § 107 Rn 13; Pal/Ellenberger Rn 2; MüKo/Schmitt Rn 10). bb) Erwerbsgeschäft ist jede berufsmäßig ausgeübte, selbständige, erlaubte und auf Gewinner- 3 zielung ausgerichtete Tätigkeit (vgl Scheerer BB 1971, 982). Darunter fallen der Betrieb eines landwirtschaftlichen Unternehmens, eines Handelsgeschäfts, eines Industrieunternehmens, eines Handwerks sowie eine freiberufliche Tätigkeit einschl einer künstlerischen oder wissenschaftlichen Betätigung (Mot I 142). Hierher gehört also auch die Tätigkeit eines selbständigen Schauspielers ohne festen Anstellungsvertrag (sonst § 113) oder die eines selbständigen Handelsvertreters gem § 84 I HGB (BAG NJW 1964, 1641; vgl auch Behrendt NJW 2003, 1563, 1564) und die Beteiligung als persönlich haftender Gesellschafter einer GbR, OHG oder KG (Staud/Knothe Rn 3; Larenz/Wolf AT § 25 Rn 64; vgl §§ 723 I 5, 1643, 1822 Nr 3). cc) Ein selbständiger Betrieb eines Erwerbsgeschäfts liegt vor, wenn der Minderjährige dieses – 4 nicht nur vorübergehend – selbst planmäßig führt. Sofern das Geschäft durch einen anderen oder in dessen Namen betrieben wird, fehlt es an einem selbständigen Betrieb. b) Die Ermächtigung bedarf der familiengerichtlichen Genehmigung. Die Erteilung der Genehmi- 5 gung kann der Ermächtigung vorausgehen oder ihr nachfolgen; letzterenfalls ist die Wirksamkeit der Ermächtigung aufschiebend bedingt. – Das FamG hat über die Erteilung der Genehmigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Ausschlaggebend ist, ob der Minderjährige die notwendige geistige Reife und die erforderlichen Fähigkeiten besitzt, sich im Wirtschaftsleben wie ein Volljähriger zu verhalten. Der Minderjährige muss in der Lage sein, die mit dem Geschäft verbundenen Verantwortungen und Verpflichtungen dritten Personen und der Allgemeinheit ggü eigenständig wahrzunehmen (KG JW 1937, 470; Köln NJW-RR 1994, 1450). Unerheblich soll sein, ob eine ausländische Rechtsordnung den Minderjährigen für den Betrieb eines im Ausland gegründeten Erwerbsgeschäfts als volljährig erachtet (BayObLG 31, 8). 3. Folgen. a) Unter den Voraussetzungen des § 112 ist der Minderjährige unbeschränkt geschäfts- 6 fähig für solche Rechtsgeschäfte, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt (Abs I S 1). Bei der Beurteilung des Umfangs ist von der Situation des konkreten Erwerbsgeschäfts auszugehen; entscheidend ist die Verkehrsanschauung. Die Geschäfte müssen in jedem Fall mit den betrieblichen Tätigkeiten zusammenhängen; nicht darunter fallen Geschäfte im privaten Bereich (zur Abgrenzung vgl BGH 83, 80). Der Gewinn aus dem Geschäftsbetrieb ist insoweit der Verwaltung des gesetzlichen Vertreters entzogen, als der Minderjährige darüber im Rahmen der Betriebstätigkeit verfügt. Nicht in den Kreis der Geschäfte, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt, gehört die Aufgabe des Betriebs (arg § 113 I S 1). Zu den Folgen bei Beteiligung des Minderjährigen an einer fehlerhaften Gesellschaft (s Vor § 104 Rn 15).

b) Die Erweiterung der Geschäftsfähigkeit führt gem § 52 ZPO und den entspr Regelungen der an- 7 deren Verfahrensordnungen (§§ 62 VwGO, 71 SGG, 56 FGO) in gleichem Umfange zur Prozessfähigkeit des Minderjährigen. c) Nicht voll geschäftsfähig ist der Minderjährige für solche Rechtsgeschäfte, zu denen der gesetzli- 8 che Vertreter selbst der Genehmigung des FamG bedarf (Abs I S 2; vgl §§ 1643, 1821f). In diesem Fall sind sowohl die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters als auch die Genehmigung des FamG erforderlich. So kann der Minderjährige zB keine eigenen Wechselverbindlichkeiten eingehen (§§ 1643 I, 1822 Nr 9). Da § 1643 nur auf einen Teil der in §§ 1821f geregelten Fälle verweist, können die Eltern eine größere Zahl von Geschäften ohne Genehmigung des FamG für den Minderjährigen tätigen als der Vormund. Daher ist die Geschäftsfähigkeit des Minderjährigen bei einer Ermächtigung nach § 112 durch die Eltern größer als bei einer solchen durch den Vormund. Diese Ungleichbehandlung ist im Schrifttum auf Kritik gestoßen (vgl Flume § 13, 2 „wenig sinnvoll“); de lege lata jedoch hinzunehmen (Staud/Knothe Rn 11; verfassungsrechtliche Bedenken aus Art 3 GG noch bei Erman/ Palm12 Rn 8). H.-F. Müller

245

§ 112

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

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4. Die Rücknahme der Ermächtigung steht im Ermessen des gesetzlichen Vertreters und erfolgt durch formlose Erklärung ggü dem Minderjährigen. Sie ist wie die Erteilung vom FamG zu genehmigen (Abs II). Zwar soll eine teilw Rücknahme nicht zulässig sein; idR wird eine entspr Erklärung aber als vollständige Rücknahme, verbunden mit einer neuen (eingeschränkten) Ermächtigung, aufzufassen sein.

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5. Beweislast. Das Vorliegen der Ermächtigung, der Rücknahme und der familiengerichtlichen Genehmigung hat derjenige zu beweisen, der sich auf sie beruft. Ist aber der Minderjährige selbst Prozesspartei und wird er nicht durch seinen gesetzlichen Vertreter vertreten, so ist bei der Prüfung der Prozessfähigkeit von Amts wegen zu ermitteln, ob die Voraussetzungen des § 112 vorliegen.

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6. Entspr Anwendung des § 112 bei Rechtsgeschäften eines Betreuten mit Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 Rn 15ff; § 108 Rn 10).

113

Dienst- oder Arbeitsverhältnis (1) Ermächtigt der gesetzliche Vertreter den Minderjährigen, in Dienst oder in Arbeit zu treten, so ist der Minderjährige für solche Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, welche die Eingehung oder Aufhebung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses der gestatteten Art oder die Erfüllung der sich aus einem solchen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen betreffen. Ausgenommen sind Verträge, zu denen der Vertreter der Genehmigung des Familiengerichts bedarf. (2) Die Ermächtigung kann von dem Vertreter zurückgenommen oder eingeschränkt werden. (3) Ist der gesetzliche Vertreter ein Vormund, so kann die Ermächtigung, wenn sie von ihm verweigert wird, auf Antrag des Minderjährigen durch das Familiengericht ersetzt werden. Das Familiengericht hat die Ermächtigung zu ersetzen, wenn sie im Interesse des Mündels liegt. (4) Die für einen einzelnen Fall erteilte Ermächtigung gilt im Zweifel als allgemeine Ermächtigung zur Eingehung von Verhältnissen derselben Art.

1

1. Bedeutung. Unter den Voraussetzungen des § 113 erlangt der Minderjährige durch die Ermächtigung des gesetzlichen Vertreters die volle Geschäftsfähigkeit für die Eingehung, Aufhebung oder Erfüllung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses. Anders als in § 112 bedürfen die Ermächtigung des gesetzlichen Vertreters sowie (Abs II) ihre Einschränkung oder Rücknahme zu ihrer Wirksamkeit nicht der Genehmigung des FamG.

2

2. Voraussetzungen. Der gesetzliche Vertreter muss den Minderjährigen ermächtigen, in Dienst oder in Arbeit zu treten. a) Die Ermächtigung erfolgt durch empfangsbedürftige, formfreie Willenserklärung ggü dem Minderjährigen (hM; MüKo/Schmitt Rn 15ff). Nur ausnahmsweise ist außerdem eine familiengerichtliche Genehmigung erforderlich (Abs I S 2; Rn 17).

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aa) Die Ermächtigung kann auch konkludent erteilt werden. Dem Verhalten des gesetzlichen Vertreters muss jedoch zu entnehmen sein, dass er mit dem selbständigen Abschluss eines Arbeits- oder Dienstvertrags und dessen Vollzug durch den Minderjährigen einverstanden ist. Im Einzelfall kann eine Ermächtigung im Schweigen des gesetzlichen Vertreters auf die Kenntnisnahme vom Abschluss eines Arbeitsvertrags durch den Minderjährigen gesehen werden. Das Gleiche gilt regelmäßig, wenn die Eltern die Weiterbeschäftigung des Minderjährigen nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses (vgl § 24 BBiG) dulden. Eine konkludente Ermächtigung lässt sich jedoch nicht daraus herleiten, dass die Eltern eine Tätigkeit des Minderjährigen in einem Nachtlokal resignierend hinnehmen (BAG DB 1974, 2062).

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bb) Soweit ein Vormund gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen ist, kann die Ermächtigung gem Abs III bei ihrer Verweigerung auf Antrag des Minderjährigen durch das FamG ersetzt werden. Dieses muss dem Antrag stattgeben, wenn die Ermächtigung objektiv im Interesse des Minderjährigen liegt.

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b) Es muss sich um eine Ermächtigung handeln, in Dienst oder Arbeit zu treten. Erfasst wird jede Art von entgeltlichen Dienst-, Arbeits- oder Werkverträgen. Auch Verpflichtungen zu Diensten höherer Art (zB Schauspielertätigkeit) fallen unter § 113. Erforderlich ist nicht, dass es sich im Gegensatz zu § 112 um unselbständige Tätigkeiten handelt (MüKo/Schmitt Rn 7; Staud/Knothe Rn 5, 6; Soergel/Hefermehl Rn 2). Bedeutsam ist dies insb für den selbständigen Handelsvertreter (§ 84 I HGB). Der Minderjährige kann dazu nach § 112 oder § 113 ermächtigt werden (BAG NJW 1964, 1642). Der Umfang der Geschäftsfähigkeit ist jedoch verschieden: Im Fall des § 112 kann der Minderjährige alle Rechtsgeschäfte vornehmen, die der Geschäftsbetrieb eines Handelsvertreters mit sich bringt. Im Fall des § 113 ist der Minderjährige zur Eingehung, Aufhebung und Erfüllung eines Handelsvertretervertrags befugt, nicht aber zu eigenen Geschäften mit Dritten (Soergel/Hefermehl Rn 2; MüKo/ Schmitt Rn 9f mwN). Soll ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis mit dem gesetzlichen Vertreter begründet werden, so bedarf es hierzu nach dem Rechtsgedanken des § 181 der Bestellung eines Ergänzungspflegers gem § 1909 (näher dazu MüKo/Schmitt Rn 11–13). Der Begriff der Dienst- oder Arbeitsverträge iSd § 113 umfasst keine Berufsausbildungsverträge (LAG Bremen BB 1958, 738; MüKo/Schmitt Rn 14). Hierbei steht der Ausbildungszweck im Vordergrund, so dass das Entscheidungsrecht über Abschluss und Beendigung des Vertrags dem sorgeberechtigten gesetzlichen Vertreter zustehen muss. Dgl werden Volontär- und Praktikantenverhältnisse nicht von § 113 erfasst. Der Abschluss solcher Verträge durch den Minderjährigen bedarf jeweils der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters; diese deckt regelmäßig auch die zur Durchführung des Ausbildungsverhältnisses erforderlichen Geschäfte.

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H.-F. Müller

Geschäftsfähigkeit

§ 113

§ 113 findet entspr Anwendung auf öffentlich-rechtl Dienstverhältnisse (Staud/Knothe Rn 8; BVerwG MDR 1970, 355; DVBl 1996, 1143; für den freiwilligen Wehrdienst OVG Münster NJW 1962, 758). 3. Rechtsfolge. Bei wirksamer Ermächtigung erlangt der Minderjährige die unbeschränkte Ge- 6 schäftsfähigkeit für solche Rechtsgeschäfte, welche die Eingehung, Aufhebung oder Erfüllung des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses betreffen. Fehlt es an einer wirksamen Ermächtigung, gelten §§ 107ff. Geschlossene Verträge sind schwebend unwirksam; die Regeln des faktischen Arbeitsvertrags sind zu beachten (s Vor § 104 Rn 15). a) Von der wirksamen Ermächtigung erfasst werden zunächst diejenigen Rechtsgeschäfte, die un- 7 mittelbar mit der Durchführung und Abwicklung des Vertrags in Zusammenhang stehen. aa) So kann der Minderjährige selbständig einen Dienst- oder Arbeitsvertrag der gestatteten Art abschließen und dabei Vereinbarungen über Lohn und Arbeitsbedingungen treffen, soweit sie im Rahmen des Verkehrsüblichen liegen. Ungewöhnliche, nicht mit dem konkreten Arbeitsverhältnis zusammenhängende Abreden werden nicht erfasst. Vereinbarte Wettbewerbsverbote und Vertragsstrafen sind dann von der Ermächtigung gedeckt, wenn sie branchenüblich sind (LAG Düsseldorf BB 1960, 905); auch dann berührt jedoch die Ermächtigung die Nichtigkeit von Wettbewerbsverboten nach § 74a II S 1 HGB bzw § 110 GewO nicht. bb) Geschäftsfähig ist der Minderjährige weiterhin für Rechtsgeschäfte, welche die Erfüllung des 8 jeweiligen Dienst- oder Arbeitsverhältnisses betreffen. Dazu gehören zB die Entgegennahme des Lohns, der Verzicht auf den Lohn in einer Ausgleichsquittung (LAG Niedersachsen DB 1964, 115; LAG Hamm DB 1971, 779), die Stundung, die Aufrechnung mit dem Lohnanspruch oder der Abschluss eines Vergleichs. cc) Die Ermächtigung deckt weiterhin die Aufhebung des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses. So ist 9 der Minderjährige zur ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung befugt; eine Kündigung des Arbeitsvertrags wird mit Zugang an den Minderjährigen wirksam. Aus der Befugnis zur Aufhebung des Vertrags folgt, dass der Minderjährige erst recht Vertragsänderungen vereinbaren kann. Außergewöhnliche Vereinbarungen sind von § 113 allerdings nicht erfasst, so der Aufhebungsvertrag einer minderjährigen schwangeren Arbeitnehmerin, durch den ihre Vorteile nach dem MuSchG verloren gehen (LAG Bremen DB 1971, 2318), oder eine Abrede, durch die der Minderjährige sich nach einer Kündigung zur Erstattung von Lehrgangskosten verpflichtet (ArbG Wilhelmshaven AuR 1963, 347; ArbG Celle ARST 1971, 2). b) Die Geschäftsfähigkeit des Minderjährigen erstreckt sich weiterhin auch auf solche Rechts- 10 geschäfte, die zwar nicht unmittelbar die Eingehung, Aufhebung und Erfüllung des Vertragsverhältnisses betreffen, jedoch notwendige Folge der Durchführung des Vertrags sind (Staud/Knothe Rn 17ff). aa) Dazu zählen zum Erreichen des Arbeitsplatzes notwendige Beförderungsverträge, Kaufverträ- 11 ge über Arbeitsmaterial und Berufskleidung und entgeltliche Verträge über Kost und Wohnung, sofern sich die Arbeitsstätte nicht am Wohnort des gesetzlichen Vertreters befindet. Dabei darf die Art der angemieteten Wohnung die Verdienstverhältnisse des Minderjährigen nicht in erheblichem Maße übersteigen (vgl LG Mannheim MDR 1969, 670). bb) Dem Minderjährigen steht grds kein Verfügungsrecht über den Lohn zu, da der Verdienst gem 12 §§ 1626ff der elterlichen Vermögenssorge unterliegt. Ausnahmen gelten insoweit, als der Minderjährige den Lohn zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses benötigt (vgl Rn 11). Auch darüber hinaus kann der Verdienst dem Minderjährigen gem § 110 zur freien Verfügung überlassen sein. Der Minderjährige kann wirksam ein zur Lohnzahlung erforderliches Girokonto eröffnen (Hagemeister JuS 1992, 842; Scheerer BB 1971, 983; Vortmann WM 1994, 966; H.P. Westermann FamRZ 1969, 649). Da der Minderjährige gem § 113 zur Entgegennahme des Lohns in bar berechtigt ist (Rn 8), muss er auch zur Barabhebung des Lohns ermächtigt sein (Hagemeister aaO). Da er aber zur Verfügung über den Lohn nicht befugt ist, darf er nicht mittels Banküberweisung oder Ausstellung eines Schecks zugunsten eines Dritten verfügen (Hagemeister aaO; H.P. Westermann aaO). cc) Auch der Gewerkschaftsbeitritt fällt unter § 113 (LG Essen NJW 1965, 2302; LG Düsseldorf 13 FamRZ 1967, 1680; Brill BB 1975, 287; Gilles/Westphal JuS 1981, 899), weil der Minderjährige hierdurch Anspruch auf die tariflichen Leistungen und den Schutz seiner Interessen durch die Gewerkschaft erhält. Nicht hierher gehört jedoch die Aufnahme eines Gewerkschaftsdarlehns (LG Münster MDR 1968, 146). dd) Geschäftsfähig ist der Minderjährige idR auch für die Nutzung tarifvertraglicher Gestaltungs- 14 möglichkeiten (BAG NZA 2000, 36) sowie im Bereich der Sozialversicherung (vgl § 36 SGB I) einschl der dort bestehenden Wahlmöglichkeiten (Pal/Ellenberger Rn 4). c) Gem § 113 IV erstreckt sich die Geschäftsfähigkeit des Minderjährigen auch auf die Eingehung 15 gleichartiger Beschäftigungsverhältnisse. Über die Gleichartigkeit entscheidet die Verkehrsanschauung. Entscheidend ist nicht die Rechtsnatur des Vertrags, sondern die Art der Tätigkeit mit Rücksicht auf die Wirkung für die Entwicklung des Minderjährigen. Nicht vergleichbar ist die Tätigkeit einer Kellnerin mit der einer Bardame in einem Nachtlokal, die einer Haushaltshilfe mit der einer Büroangestellten (LAG Altona Recht 1931 Nr 514) oder die Tätigkeit eines Büromaschinentechnikers mit der eines Kraftfahrers (ArbG Wilhelmshaven DB 1965, 1863).

H.-F. Müller

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§ 113

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

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d) Soweit der Minderjährige geschäftsfähig ist, erlangt er nach § 52 ZPO und den entspr Regelungen der anderen Verfahrensordnungen auch die Prozessfähigkeit für alle Prozesshandlungen, die zum Kreis der unter § 113 fallenden Geschäfte gehören (zB Lohnklage, Kündigungsschutzklage). Das gilt auch für die Zwangsvollstreckung.

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e) Die Geschäftsfähigkeit besteht nach Abs I S 2 jedoch nicht für solche Rechtsgeschäfte, zu denen der gesetzliche Vertreter der Genehmigung des FamG bedarf (zB §§ 1643, 1822 Nr 5; für den Vormund auch § 1822 Nr 7).

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4. Einschränkung und Rücknahme der Ermächtigung (Abs II) erfolgen durch empfangsbedürftige formlose Willenserklärung und bedürfen nicht der Genehmigung des FamG. Sie ist ggü dem Minderjährigen zu erklären, nicht ggü dem Arbeitgeber (BAG NZA 2000, 36; MüKo/Schmitt Rn 36; Staud/ Knothe Rn 28; aA Feller FamRZ 1961, 420). Einschränkung und Rücknahme können auch konkludent erklärt werden; so ist ein Eingriff des gesetzlichen Vertreters in das Arbeitsverhältnis des Minderjährigen idR als Einschränkung oder Rücknahme anzusehen (LAG Hamm DB 1971, 780). Die Entscheidung über Einschränkung und Rücknahme der Ermächtigung steht grds im Ermessen des gesetzlichen Vertreters (MüKo/Schmitt Rn 38f). Eine gem Abs III vom FamG erteilte Ermächtigung kann jedoch nur von diesem und nicht vom Vormund eingeschränkt oder zurückgenommen werden. – Einschränkung und Rücknahme bewirken, dass die Geschäftsfähigkeit für die Zukunft eingeschränkt wird oder ganz entfällt. Auf die Gültigkeit bereits getätigter Rechtsgeschäfte haben sie keinen Einfluss (BAG NZA 2000, 36).

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5. Beweislast. Wer sich auf die Wirksamkeit des von einem Minderjährigen vorgenommenen Rechtsgeschäfts beruft, muss das Vorliegen der Ermächtigung beweisen. Wer die Begrenzung der Ermächtigung auf einen Einzelfall behauptet, ist dafür nach der Vermutungsregel des § 113 IV beweispflichtig. Wer die Unwirksamkeit geltend macht, muss die Einschränkung oder Rücknahme der Ermächtigung dartun. – Zur Frage der Prozessfähigkeit s Rn 16 und § 112 Rn 7, 10.

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6. Entspr Anwendung des § 113 bei Rechtsgeschäften eines Betreuten mit Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 Rn 15ff; § 108 Rn 10).

114–115

(weggefallen)

Titel 2 Willenserklärung Vorbemerkung 1

1. Begriff. Das BGB definiert den Begriff der Willenserklärung nicht. Auch trennte der historische Gesetzgeber begrifflich nicht streng zw Rechtsgeschäft und Willenserklärung (s Mot I 126). So regeln etwa die §§ 119–124 die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen; § 142 spricht hingegen im Hinblick auf die Wirkung der Anfechtung vom anfechtbaren Rechtsgeschäft. Das Rechtsgeschäft war nach Vorstellung des Gesetzgebers eine Privatwillenserklärung, „gerichtet auf die Hervorbringung eines rechtlichen Erfolges, der nach der Rechtsordnung deswegen eintritt, weil er gewollt ist“ (Mot I 126). Der Begriff „Willenserklärung“ wurde insb da gewählt, wo die Willensäußerung als solche im Vordergrund stand oder wo zugleich der Fall behandelt werden sollte, dass eine Willenserklärung nur als ein Bestandteil eines rechtsgeschäftlichen Tatbestandes in Frage kommt (Mot I 126). Heute wird üblicherweise strenger zw den beiden Begriffen unterschieden. Dabei wird als Rechtsgeschäft der Tatbestand bezeichnet, der aus mindestens einer Willenserklärung sowie oft aus weiteren Elementen besteht und an den die Rechtsordnung den Eintritt des gewollten rechtlichen Erfolges knüpft (s Einl § 104 Rn 2). Der Begriff der Willenserklärung wird dagegen entspr dem Verständnis des historischen Gesetzgebers als Äußerung eines Willens verstanden, der unmittelbar auf die Herbeiführung einer Rechtswirkung gerichtet ist (s nur BGH NJW 2001, 289, 290; Larenz/Wolf § 24 Rn 1). Die Willenserklärung besteht somit aus zwei Elementen, nämlich dem (inneren) Willen und der Äußerung dieses Willens (= Erklärung).

2

2. Wille. Der Wille als innerer Tatbestand der Willenserklärung wird traditionellerweise in drei Komponenten unterteilt, den Handlungswillen, das Erklärungsbewusstsein und den Geschäftswillen. Dabei liegt der praktische Wert dieser Unterscheidung vorrangig in der Beantwortung der Frage, welche Konsequenzen bestimmte Willensmängel haben (s Flume, § 4, 3).

3

a) Unter dem Handlungswillen versteht man einen bewussten Willensakt, der auf die Vornahme eines äußeren Verhaltens gerichtet ist. An einem bewussten Handeln fehlt es bei bloßen Reflexbewegungen (im Schlaf, in Hypnose) oder bei einem Verhalten, das durch äußere unwiderstehliche Gewalt unmittelbar erzwungen wird (vis absoluta; zB gewaltsames Führen der Hand bei der Unterschrift). Diese „Handlung“ ist dem „Erklärenden“ nicht zuzurechnen. Er wird geschützt; das Vertrauen des Empfängers, dass eine Willenserklärung vorliege, wird nicht berücksichtigt. Diese Wertung ergibt

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H.-F. Müller/A. Arnold

Willenserklärung

Vor § 116

sich auch aus § 105 II. Anders ist die Rechtslage bei einer unter psychischem Druck abgegebenen Erklärung; es liegt ein bewusstes Handeln vor (vgl § 123). b) Beim Erklärungsbewusstsein (oder Rechtsbindungswillen) geht es um das Bewusstsein des 4 Handelnden, dass sein Verhalten irgendeine rechtserhebliche Erklärung darstellt. An dem Erklärungsbewusstsein fehlt es zB in dem berühmten Schulfall der Trierer Weinversteigerung, in dem jemand auf einer Auktion einem anderen zuwinkt in Unkenntnis dessen, dass das Handaufheben dort als ein höheres Kaufgebot angesehen wird. Die Folgen fehlenden Erklärungsbewusstseins sind umstr, s im Einz Rn 15. c) Als Geschäftswillen (Rechtsfolgewillen) bezeichnet man den Willen, mit der Erklärung eine be- 5 stimmte Rechtsfolge herbeizuführen. Im Gegensatz zum Erklärungsbewusstsein geht es beim Geschäftswillen darum, nicht irgendeine, sondern eine ganz konkrete Rechtsfolge herbeizuführen. Keine Voraussetzung ist, dass der Erklärende eine genaue Vorstellung davon hat, wie der angestrebte wirtschaftliche Erfolg rechtstechnisch verwirklicht wird. Es genügt, dass dieser als rechtlich gesichert und anerkannt gewollt ist (BGH NJW 1993, 2100). 3. Erklärungshandlung. a) Allgemeines. Die Erklärungshandlung ist die Äußerung des Geschäfts- 6 willens. Erforderlich ist ein äußeres Verhalten, das den Willen zum Ausdruck bringt, eine bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen. Grds kann eine Willenserklärung in jedem Verhalten eines Menschen liegen, durch das er seinen Willen erkennbar zum Ausdruck bringt. Neben Wort und Schrift kommen als Erklärungsmittel zB auch Gesten und jedes sonstige äußerlich erkennbare Verhalten in Betracht. Willenserklärungen können auch mit Hilfe elektronischer Medien abgegeben werden (s dazu nur statt vieler Borges, Verträge im elektronischen Rechtsverkehr, 2003; Dörner AcP 202 [2002], 363; Taupitz/Kritter JuS 1999, 839). Dies hat sich inzwischen auch in gesetzlichen Regelungen niedergeschlagen (vgl zB §§ 126a, 126b, 127, 312b, 312e). Möglich sind auch automatisierte Erklärungen. b) Konkludente Erklärungen. Willenserklärungen können auch durch schlüssiges Verhalten (kon- 7 kludent) abgegeben werden. In diesem Fall gibt der Erklärende seinen Willen nicht ausdr kund, sondern nimmt Handlungen vor, die aufgrund der Begleitumstände den Rückschluss auf seinen Willen zulassen (Flume, § 5, 3a; Larenz/Wolf AT § 24 Rn 17). Bsp sind etwa die Annahme eines Angebots oder das Einverständnis mit den vorher übersandten Geschäftsbedingungen des Leistenden durch Entgegennahme der Leistung oder der Abschluss eines Beförderungsvertrags durch Besteigen einer Straßenbahn (Einl § 104 Rn 13). Konkludente Willenserklärungen sind zulässig, soweit nicht die Parteien etwas Abw vereinbart haben oder das Gesetz für die Erklärung eine bestimmte Form vorsieht (BGH WM 1984, 243). Auf sie finden die gleichen Regeln Anwendung, die auch für ausdr Willenserklärungen gelten (Pal/Ellenberger Einf v § 116 Rn 6). c) Schweigen als Willenserklärung. Dagegen genügt Schweigen regelmäßig als Erklärungshand- 8 lung nicht: Es hat weder die Bedeutung einer Ablehnung noch einer Zustimmung (BGH 1, 353, 355; NJW 2002, 3629, 2630; Larenz/Wolf § 28 Rn 67). Allerdings sind von diesem Grundsatz eine Vielzahl von Ausnahmen anerkannt. So liegt eine Willenserklärung vor, wenn die Parteien vereinbart haben, dass Schweigen in einer bestimmten Situation Erklärungswert haben soll. Allerdings sind in AGB insoweit die Grenzen des § 308 Nr 5 zu beachten. Ferner soll Schweigen im Einzelfall auch dann als positive Erklärung zu werten sein, wenn aufgrund der Umstände nach Treu und Glauben eine ausdr Erklärung zu erwarten wäre. So kann etwa der Leiter einer Wohnungseigentümerversammlung das tatsächliche Ergebnis einer Abstimmung grds auch dadurch feststellen, dass er bereits nach der Abstimmung über zwei von drei – auf Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung gerichteten – Abstimmungsfragen die Zahl der noch nicht abgegebenen Stimmen als Ergebnis der dritten Abstimmungsfrage wertet (sog Subtraktionsmethode, BGH NJW 2002, 3629, 3630). Ebenso kann Schweigen als Annahme zu werten sein, wenn in einer bereits länger bestehenden Geschäftsbeziehung frühere Verträge ohne ausdr Annahme durchgeführt wurden (Larenz/Wolf § 28 Rn 72). Schließlich soll im Schweigen auf eine verspätete oder unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen erfolgte Annahme, die nach § 150 ein neues Angebot darstellt, eine Annahme liegen können, wenn die Verspätung nur geringfügig (RG 103, 11, 13; BGH NJW 1951, 313, 314; 1986, 1807, 1809) oder die Abweichung nur unwesentlich ist (BGH DB 1956, 474, s § 150 Rn 7). Zu weit geht es hingegen, einen Widerspruch auf eine Offerte bereits dann zu verlangen, wenn die Parteien schon vorher in Geschäftsverbindung standen, zw ihnen ein bis dahin noch nicht aufgelöster Vertrag besteht und der Gegner erkennbar ein Interesse an einer baldigen Antwort hat (so aber BGH 1, 353, 355f; dagegen zu Recht Flume § 35 II 4; Medicus Rn 392). Schweigen kann auch Erklärungswert kraft Verkehrssitte haben. Den wichtigsten Fall bildet inso- 9 weit das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben (s eingehend § 147 Rn 5ff). Gleiches soll beim Schweigen auf die Schlussnote des Handelsmaklers (§ 94 HGB) gelten (s nur Baumbach/Hopt, HGB § 94 Rn 2 mwN). Schließlich kann Schweigen nach verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen Rechtsfolgen haben. 10 So sehen die §§ 108 II S 2, 177 II S 2, 415 II S 2 vor, dass Schweigen auf eine Aufforderung zur Genehmigung als Ablehnung gilt. Freilich ist die Bedeutung dieser Regelungen begrenzt, da mit ihnen letztlich die Möglichkeit zu einer rechtserheblichen Erklärung nur zeitlich beschränkt wird (Staud/ Singer Vorbem zu §§ 116–144 Rn 62). Ähnliches gilt für die Genehmigungsfiktion des § 377 II HGB, die in der Sache eine Abkürzung der Mängelgewährleistungsfristen darstellt, und §§ 455 S 2, 1943, da diese Vorschriften in der Sache nur das Rücktritts- bzw Ausschlagungsrecht zeitlich begrenzen. Positive rechtsgeschäftliche Folgen hat das Schweigen dagegen in den Fällen der §§ 149 S 2, 416 I S 2, 516 II S 2 BGB, § 362 I HGB. A. Arnold

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Vor § 116

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

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Hat das Schweigen aufgrund gesetzlicher Anordnung Rechtsfolgen, fehlt es zwar am Tatbestand einer Willenserklärung. Die genannten Normen begründen aber die Fiktion einer Willenserklärung (Flume § 5, 2d; Larenz/Wolf § 28 Rn 77). Freilich wirft diese Konstruktion die Frage auf, inwieweit die für Willenserklärungen geltenden Vorschriften Anwendung finden können. Dies ist für die Fälle, in denen das Gesetz Schweigen als Ablehnung fingiert, zu verneinen: Eine Berufung auf fehlende Geschäftsfähigkeit oder Willensmängel scheidet daher aus (Pal/Ellenberger Rn 12; Hanau AcP 165 (1965), 220, 224). Eine differenziertere Betrachtung ist hingegen erforderlich, soweit das Gesetz an das Schweigen positive rechtsgeschäftliche Folgen knüpft. Hier sind die Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit anwendbar (Medicus AT Rn 352; Larenz/Wolf AT § 28 Rn 80). Ebenso wird man eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung zulassen müssen (Staud/ Singer Vorbem zu §§ 116–144 Rn 66). Ausgeschlossen ist dagegen eine Anfechtung wegen eines Irrtums über die Bedeutung des Schweigens (BGH NJW 1969, 1711, 1712; Medicus Rn 352). Eine Anfechtung wegen Irrtums über die Tatsachen, die die Erklärungswirkung des Schweigens begründen, ist dagegen nicht grds ausgeschlossen; allerdings wird man sie bei § 362 HGB bei einem schuldhaften Irrtum ausschließen müssen (Flume § 10, 2; Medicus AT Rn 352; aA Staud/Singer Vorbem zu §§ 116–144 Rn 68ff). Für die Annahme der Erbschaft gilt die Sonderregelung des § 1956, nach der die Versäumung der Ausschlagungsfrist in gleicher Weise wie die Annahme angefochten werden kann.

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4. Willensmängel. a) Allgemeines. Beim Auseinanderfallen von Willen und Erklärung (Willensmangel) ist es denkbar, entweder dem Willen des Betreffenden oder dem Vertrauen des Rechtsverkehrs auf den Bestand des Erklärten den Vorzug zu geben. Beide Lösungen wurden im 19. Jahrhundert intensiv diskutiert: Während die Willenstheorie beim Auseinanderfallen von Willen und Erklärung grds von der Nichtigkeit der Erklärung ausging, sollte nach der Erklärungstheorie prinzipiell auch das irrtümlich Erklärte gelten (eingehend zur Diskussion Flume § 4, 6 und Staud/Singer Einl zu §§ 116–144 Rn 15 mwN). Die Verfasser des BGB wollten den Einfluss des Auseinanderfalles von Willen und Erklärung nicht nach einer Theorie, sondern nach praktischen Gesichtspunkten regeln, die den verschiedenen Interessen gerecht werden; eine Festlegung auf eine Theorie war nicht beabsichtigt (Prot I 197; Denkschrift S 20; für ein willenstheoretisches Verständnis der BGB-Regelung Flume § 4, 8; s zur Problematik auch eingehend Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, 1999). In der Sache wurde für fast alle Konstellationen des Auseinanderfallens von Willen und Erklärung eine Bestimmung getroffen. Ungeregelt – und umstr – ist freilich der Fall des fehlenden Erklärungsbewusstseins geblieben (s Rn 15).

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aa) Bewusstes Auseinanderfallen von Willen und Erklärung. Behält sich der Erklärende insgeheim vor, das Erklärte nicht zu wollen (geheimer Vorbehalt), liegt nach § 116 S 1 dennoch eine wirksame Willenserklärung vor. Dies gilt nach § 116 S 2 allerdings nicht, wenn sie einem anderen ggü abzugeben ist und dieser den Vorbehalt kennt. Gleiches gilt nach § 117 I für den Fall des sog Scheingeschäfts, bei dem eine Willenserklärung, die einem anderen ggü abzugeben ist, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben wird. Schließlich ist nach § 118 auch eine nicht ernstlich gemeinte Willenserklärung (Scherzerklärung) nichtig, die in der Erwartung abgegeben wird, der Mangel der Ernstlichkeit werde nicht verkannt werden; allerdings kann der Erklärende dem anderen Teil nach § 122 zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichtet sein.

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bb) Fehlender Handlungswillen. Fehlt dem Erklärenden der Handlungswillen, liegt keine Willenserklärung vor, auch wenn das Verhalten nach außen wie eine rechtsgeschäftliche Erklärung wirkt. Der Handlungswillen ist unverzichtbare Voraussetzung für eine Zurechnung als Willenserklärung (Pal/Ellenberger Einf v § 116 Rn 16).

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b) Fehlendes Erklärungsbewusstsein. Die Frage, wie eine Erklärung ohne Erklärungsbewusstsein zu behandeln ist, wird vom BGB nur für den Fall der Scherzerklärung geregelt (§ 118). Darüber hinaus ist umstritten, wie der Fall zu behandeln ist, dass der Erklärende zwar keine rechtserhebliche Erklärung abgeben will, aber sein Verhalten objektiv den Anschein einer Willenserklärung erweckt. Schulbeispiel ist die „Trierer Weinversteigerung“, bei der eine Person einer anderen zuwinkt und damit ungewollt ein Gebot abgibt. Nach traditioneller Auffassung erfüllt ein derartiges Verhalten nicht den Tatbestand der Willenserklärung, da es an dem notwendigen Erklärungsbewusstsein fehlt (Wieacker JZ 1967, 385, 389; Canaris, Vertrauenshaftung, 427f; 548ff; ders NJW 1984, 2281; Staud/Singer Vorbem zu §§ 116–144 Rn 37ff); in Betracht komme lediglich eine Haftung des Handelnden entspr § 122. Demggü ist nach heute überwiegender Auffassung auch bei fehlendem Erklärungsbewusstsein eine Willenserklärung anzunehmen, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung als Willenserklärung aufgefasst werden konnte, und der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (BGH 91, 324, 329ff; 109, 171, 177; NJW 2002, 3629, 3630f; MüKo/Kramer § 119 Rn 99ff; Soergel/Hefermehl Vor § 116 Rn 13; Bydlinski JZ 1975, 1, 5; ohne die Einschränkung durch ein Verschuldenserfordernis auch Larenz/Wolf AT § 24 Rn 8; Medicus AT Rn 608 und für ausdr Erklärungen Flume § 20, 3 und § 23, 1). Allerdings soll der Erklärende entspr § 119 I berechtigt sein, sich von der Erklärung durch Anfechtung zu lösen. Bei rechtzeitiger Anfechtung droht dem Handelnden damit – nicht anders als nach traditioneller Auffassung – lediglich eine Haftung auf den Vertrauensschaden nach § 122. Erklärt er aber nicht unverzüglich die Anfechtung, bleibt er an die Erklärung gebunden.

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Entscheidend für die Beantwortung der Frage, welche Rechtsfolgen fehlendes Erklärungsbewusstsein hat, ist das Verständnis der §§ 118, 119. Die Autoren, die das Vorliegen einer Willenserklärung verneinen, sehen in ihm den Beleg, dass eine Willenserklärung Erklärungsbewusstsein voraussetzt; wenn schon eine Scherzerklärung, die bewusst ohne Erklärungsbewusstsein abgegeben werde, nichtig sei, müsse dies erst recht in den übrigen Fällen fehlenden Erklärungsbewusstseins gelten 250

A. Arnold

Willenserklärung

Vor § 116

(Canaris, Vertrauenshaftung, 550). Eine bloße Anfechtbarkeit, wie sie § 119 vorsehe, komme nicht in Betracht. Indes hat der historische Gesetzgeber in § 119 die von § 118 abw Rechtsfolge nicht angeordnet, weil es hier – anders als bei der Scherzerklärung – am Erklärungsbewusstsein fehlt. Maßgeblich für die in § 119 vorgesehene bloße Anfechtbarkeit der Erklärung war vielmehr, dass dem Erklärenden die Möglichkeit gegeben werden sollte, an seiner Erklärung festzuhalten (s Denkschrift S 22; vgl auch Prot I 221). Die von § 118 angeordnete Nichtigkeit der Scherzerklärung erklärt sich vor diesem Hintergrund damit, dass in diesem Fall der Erklärende die Nichtigkeit wünscht und ihm daher kein Wahlrecht eingeräumt werden muss (Flume § 20, 3 und dem folgend BGH 91, 324, 329). Dies gilt indes für die übrigen Fälle fehlenden Erklärungsbewusstseins nicht. Sie stehen denen der irrtümlichen, als rechtserheblich gewollten Erklärung sehr viel näher. Somit muss auch hier entspr § 119 eine wirksame, aber anfechtbare Erklärung vorliegen. Dabei kann es entgegen der hM nicht darauf ankommen, ob der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung als Willenserklärung aufgefasst werden konnte. Verschulden kann allein eine Zurechnung als Willenserklärung nicht begründen (s Staud/Singer Vorbem zu §§ 116–144 Rn 39). Dementspr ist der Gesetzgeber auch von seiner ursprünglichen Absicht abgerückt, die Scherzerklärung bei grober Fahrlässigkeit des Erklärenden als wirksam anzusehen (Prot I 207). Maßgeblich für die Annahme einer Willenserklärung ist vielmehr allein, dass dem Erklärenden die Gelegenheit gegeben werden soll, an seiner Erklärung festzuhalten. Dafür kann es aber keine Rolle spielen, ob der Erklärende seinen Irrtum nicht erkennen konnte. Entscheidend ist allein, dass seine Erklärung als Willenserklärung verstanden werden konnte. Hierdurch wird der Erklärende auch nicht unbillig belastet; denn die Anfechtungsfrist des § 121 beginnt erst zu laufen, wenn er seinen Irrtum erkannt hat. Auch schlüssiges Verhalten ohne Erklärungsbewusstsein kann nach diesen Grundsätzen als Wil- 17 lenserklärung zu behandeln sein (BGH 109, 171, 177; NJW 1991, 2084f; NJW 1995, 953; BKR 2005, 501, 503; aA Flume, § 23, 1). Allerdings muss das Verhalten vom anderen Teil bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eindeutig und zweifelsfrei als Willenserklärung aufzufassen sein (BGH NJW 1991, 2084f); der Äußernde muss beim Erklärungsempfänger das Vertrauen auf einen bestimmten Erklärungsinhalt seines Verhaltens geweckt haben. Zu weit geht es allerdings, wenn der BGH (NJW 1995, 953) hieraus ableiten will, dass eine Behandlung schlüssigen Verhaltens ohne Erklärungsbewusstsein als Willenserklärung nicht in Betracht kommen könne, wenn die Erklärung zulasten des Empfängers ginge; hat ein Verhalten einen eindeutigen Erklärungsgehalt, kann es hierauf nicht mehr ankommen (zu Recht krit schon Habersack JuS 1996, 585). Keine Willenserklärung liegt dagegen vor, wenn der Erklärungsempfänger den Erklärenden durch Täuschung zu seinem Verhalten veranlasst hat oder ihm bekannt ist, dass das entspr Verhalten nicht selten auf einem Irrtum des Erklärenden über dessen wahre Bedeutung beruht, da er in diesem Fall nicht mehr nach Treu und Glauben eindeutig von einer Willenserklärung ausgehen kann. Keine Willenserklärung liegt daher etwa vor, wenn der Betreiber einer Internetseite die Nutzer darüber täuscht, dass bestimmte, unverfänglich wirkende Handlungen wie zB eine Registrierung tatsächlich zum Abschluss eines kostenpflichtigen Vertrags führen sollen. Gleiches gilt bei sog Dialern, die der Internetnutzer unbewusst herunterlädt und die zu einer – ebenfalls unbewussten – Einwahl über einen regelmäßig äußerst teuren Einwahldienst führen, da Dialer regelmäßig vom Betreiber des Einwahldienstes stammen werden oder diesem die Existenz derartiger Dialer jedenfalls alsbald aufgrund von Reklamationen bekannt werden dürfte (gegen einen Vertragsschluss auch LG Kiel MMR 2003, 422, 423; AG Freiburg NJW 2002, 2959; ferner jurisPK-BGB/Gruber Rn 36 und MüKo/ Kramer Rn 99, die das Vorliegen einer Willenserklärung ablehnen, da der Nutzer nicht habe erkennen können, dass sein Verhalten als Willenserklärung verstanden werden konnte; hierauf kommt es aber nach der hier vertretenen Auffassung nicht an). c) Fehlender Geschäftswillen. War der Erklärende sich darüber bewusst, dass er eine rechtserheb- 18 liche Erklärung abgibt, stimmen aber der durch Auslegung ermittelte Inhalt der Erklärung und sein Wille nicht überein, ist die Willenserklärung wirksam. Der Schutz des Erklärenden wird dadurch gewährleistet, dass das Gesetz ihm die Möglichkeit einräumt, seine zunächst gültige Willenserklärung durch Anfechtung rückwirkend zu vernichten (§§ 119, 142 I). Im Interesse des Erklärungsempfängers muss die Anfechtung unverzüglich nach Aufdeckung des Irrtums erklärt werden (§ 121). Das Gesetz regelt drei Fälle, in denen die Erklärung unbewusst vom Geschäftswillen abweicht: (1) Beim Erklärungsirrtum (= Irrtum in der Erklärungshandlung) erklärt der Erklärende nicht das, was er erklären will (§ 119 I Fall 2). Er verspricht, verschreibt, vergreift sich. (2) Beim Inhaltsirrtum erklärt der Erklärende zwar, was er erklären will; er irrt aber über die rechtliche Bedeutung seiner Erklärung (§ 119 I Fall 1). Er misst seiner Erklärung einen anderen Sinn bei, als sie in Wirklichkeit hat. (3) Bei der unrichtigen Übermittlung des Willens durch eine Person (einen Boten) oder eine Übermittlungseinrichtung (zB Post) liegt ebenfalls ein Irrtum bei der Willensäußerung vor. Dieser Fall wird wie ein Erklärungsirrtum behandelt (§ 120). d) Mängel bei der Willensbildung. Stimmen Geschäftswille und Erklärung überein, so kann aber 19 ein Irrtum bei der Willensbildung (Motivirrtum) gegeben sein. Ein solcher Irrtum liegt vor, wenn der Erklärende irrtümlich von einem falschen Umstand ausgeht, der für den Geschäftswillen bedeutsam ist. Geht nur eine Partei (der Erklärende) von einem falschen Motiv aus (einseitiger Motivirrtum), so 20 ist dieser Irrtum im Interesse der anderen Partei (des Erklärungsempfängers) grds unbeachtlich. Die Erklärung ist gültig. Als Fehler bei der Willensbildung sind ausnahmsweise beachtlich: (1) Der Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften der Person oder der Sache berechtigt den Irrenden A. Arnold

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Vor § 116

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

zur Anfechtung (§ 119 II). (2) Der Motivirrtum, der auf einer arglistigen Täuschung beruht, berechtigt den Getäuschten ebenfalls zur Anfechtung (§ 123 I). In diesem Falle ist der Getäuschte besonders schutzwürdig. Deshalb ist die Anfechtungsfrist länger (§ 124); zum Ersatz des Vertrauensschadens ist der Getäuschte nicht verpflichtet. (3) Bei widerrechtlicher Drohung liegt zwar kein Irrtum des Erklärenden vor. Jedoch soll der Erklärende in der Freiheit der Willensentschließung geschützt werden. Deshalb kann er seine Willenserklärung, die auf der widerrechtlichen Drohung beruht, wie im Fall der arglistigen Täuschung anfechten (§ 123 I). 21

Gehen bei einem Vertragsschluss beide Vertragspartner von einem bestimmten unrichtigen Motiv aus, ist kein Raum für den Vertrauensschutz einer Partei. Die Parteien hätten ohne den beiderseitigen Motivirrtum den Vertrag überhaupt nicht oder jedenfalls nicht zu den vereinbarten Bedingungen geschlossen. Da beide von einem unrichtigen Motiv ausgegangen sind, besteht für eine Bindung an das Erklärte kein Grund. Daher ist in diesem Fall der Vertrag nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 II) anzupassen oder aufzulösen (s nur BT-Drucks 14/6040, 176 und § 313 Rn 30). Unklar ist freilich, ob dies auch dann gilt, wenn beide Parteien den Vertrag nach § 119 II anfechten können. Man wird insoweit einen Vorrang des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vor der Irrtumsanfechtung annehmen müssen (dahingehend wohl schon die Intention des Gesetzgebers, s BTDrucks 14/6040, 176; ferner BeckOK BGB/Unberath § 313 Rn 69; MüKo/Roth § 313 Rn 138; Pal/Ellenberger § 119 Rn 21a; aA AnwK-BGB/Krebs § 313 Rn 12); denn bei einem beiderseitigen Irrtum ist es nicht interessengerecht, einer Partei über den Schadensersatzanspruch nach § 122 die finanziellen Folgen des Irrtums aufzubürden.

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e) Sonderregelungen. Die Vorschriften über Willensmängel gelten grds für das gesamte Zivilrecht. Freilich gelten in bestimmten Bereichen Sonderregelungen. So sind etwa im Eherecht die §§ 1310ff, 1313ff zu beachten, die die Eheaufhebungsgründe im Einz regeln und für die Aufhebung eine richterliche Entscheidung verlangen. Im Erbrecht sind die Sonderregelungen der §§ 2078ff zu beachten. Einschränkungen bei der Berücksichtigung von Willensmängeln bestehen auch im Gesellschaftsrecht aufgrund der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft: Leidet beim Abschluss eines Vertrags über die Gründung einer Personengesellschaft die Erklärung eines Beteiligten an einem Willensmangel, so führt dieser Mangel nach Invollzugsetzung der Gesellschaft nicht mehr zur Nichtigkeit der Gesellschaft ex tunc; vielmehr ist die Gesellschaft aufzulösen und abzuwickeln (s nur statt vieler MüKoHGB/K. Schmidt § 105 Rn 228ff). Ist eine Kapitalgesellschaft bereits ins Handelsregister eingetragen worden und damit entstanden, sind Willensmängel eines Beteiligten bei der Gründung sogar regelmäßig unbeachtlich (KK-AktG/Arnold § 23 Rn 164ff mwN). Schließlich ergeben sich auch im Wertpapierrecht Einschränkungen: So können Willensmängel bei Inhaberpapieren regelmäßig nur dem Nehmer, nicht aber späteren gutgläubigen Erwerbern entgegengehalten werden (§ 796 BGB). Entspr gilt bei Wechsel und Scheck (eingehend MüKo/Kramer § 119 Rn 26).

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5. Beweislast. Wer Rechte aus einer Willenserklärung herleitet, hat die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Willenserklärung. Für die zur Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit führenden Tatsachen trägt der Behauptende die Beweislast (Pal/Ellenberger Rn 21).

116

Geheimer Vorbehalt Eine Willenserklärung ist nicht deshalb nichtig, weil sich der Erklärende insgeheim vorbehält, das Erklärte nicht zu wollen. Die Erklärung ist nichtig, wenn sie einem anderen gegenüber abzugeben ist und dieser den Vorbehalt kennt.

1

1. Normzweck und Abgrenzung. Die Vorschrift erklärt es im Interesse des Verkehrschutzes für unerheblich, wenn der Erklärende insgeheim seine Erklärung nicht gelten lassen will (geheimer Vorbehalt, Mentalreservation); die Erklärung ist dennoch wirksam. Der Verkehrschutz gebietet allerdings keine Wirksamkeit der Willenserklärung mehr, wenn dem anderen Teil der von der Erklärung abw Wille des Erklärenden bekannt ist. Daher ist in diesem Fall die Erklärung gem S 2 ausnahmsweise nichtig (zur rechtspolitischen Kritik MüKo/Kramer Rn 10 mwN).

2

Ein geheimer Vorbehalt liegt nach § 116 vor, wenn der der Erklärende sich insgeheim vorbehält, das Erklärte nicht zu wollen. Dies verbindet ihn mit der Scherzerklärung (§ 118). Anders als bei der Scherzerklärung geht der Erklärende beim geheimen Vorbehalt aber davon aus, dass der andere Teil die Erklärung ernst nimmt („böser Scherz“). Ebenso behält sich der Erklärende auch beim Scheingeschäft (§ 117) vor, das Erklärte nicht zu wollen. Anders als bei § 116 ist der Vorbehalt jedoch nicht geheim, da das Scheingeschäft beiden Beteiligten bekannt und von ihnen gewollt ist.

3

Abgrenzungsprobleme können sich zw dem geheimen Vorbehalt und § 123 BGB ergeben, wenn der Drohende weiß, dass der Bedrohte seine Willenserklärung nur unter geheimem Vorbehalt abgibt. Teilw wird hier für einen Vorrang des § 123 plädiert, da die Vorschrift andernfalls für den Fall der Drohung weitgehend leerliefe und dem Bedrohten ein Wahlrecht eingeräumt werden sollte, ob er seine Erklärung gelten lassen wolle (Staud/Singer Rn 12). Die besseren Gründe sprechen indes dafür, auch in diesem Fall § 116 S 2 anzuwenden (MüKo/Kramer Rn 15; Flume § 27, 1). Weder lässt sich ein Vorrang des § 123 dem Gesetz entnehmen noch erscheint ein Wahlrecht des Bedrohten sinnvoll, wenn er schon bei Abgabe der Willenserklärung das Erklärte nicht will.

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2. Satz 1. a) Willenserklärung. Satz 1 gilt für alle Arten von Willenserklärungen, ungeachtet dessen, ob es sich um ausdr oder konkludente, empfangsbedürftige oder nicht empfangsbedürftige handelt. Er ist damit insb auch auf letztwillige Verfügungen anwendbar (Frankfurt OLG 1993, 461, 466; Staud/

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A. Arnold

Willenserklärung

§ 117

Singer Rn 2; aA Lange/Kuchinke, Erbrecht § 35 I 1b): Auf geschäftsähnliche Handlungen ist sie entspr anwendbar. Ebenso gilt die Vorschrift im öffentlichen Recht (vgl. nur § 62 VwVfG). b) Geheimer Vorbehalt. § 116 setzt voraus, dass der Erklärende nicht gelten lassen will, was er er- 5 klärt hat. Dabei muss sich der Vorbehalt gerade auf die erklärte Rechtsfolge beziehen. Allerdings kann ein Fall des § 116 auch dann vorliegen, wenn der Erklärende bewusst eine mehrdeutige Erklärung abgibt und eine der möglichen Bedeutungen nicht gegen sich gelten lassen oder sich auf die Mehrdeutigkeit als Nichtigkeitsgrund berufen will (Flume § 20, 1). Voraussetzung ist allerdings, dass die Willenserklärung objektiv in einem vom Erklärenden nicht gewollten Sinn auszulegen ist: Ist die Erklärung objektiv mehrdeutig, liegt ohnehin keine Willenserklärung vor (MüKo/Kramer Rn 7). Der Vorbehalt muss nach dem Willen des Erklärenden geheim sein (hM, s nur MüKo/Kramer Rn 5, 6 13; aA für Satz 2 noch RG 78, 371, 376f). Erklärt er seinen Vorbehalt offen, gilt die Erklärung nur mit dieser Einschränkung, oder es liegt gar keine rechtsverbindliche Erklärung vor (s Staud/Singer Rn 8). Geheim ist der Vorbehalt dabei, wenn er vor demjenigen verheimlich wird, für den die Willenserklärung bestimmt ist (Pal/Ellenberger Rn 2). Dies ist entweder der Empfänger oder ein Dritter, in dessen Person die Wirkungen der Erklärung eintreten sollen. Unerheblich ist es, wenn der Erklärende einem unbeteiligtem Dritten seinen Vorbehalt offenlegt. Ebenso sind die Gründe des Erklärenden für den Vorbehalt unbeachtlich. Besonderheiten gelten für den Fall der Stellvertretung: Schließt der Vertreter ein Geschäft als eige- 7 nes ab, obwohl er eigentlich für den Vertretenen handeln will, ist dieser Vorbehalt bereits nach § 164 II unbeachtlich; dagegen ist § 116 einschlägig, wenn der Vertreter ein für den Vertretenen geschlossenes Geschäft insgeheim für sich abschließen will oder die Willenserklärung überhaupt nicht will (MüKo/Kramer Rn 6). Bei einem kollusiven Scheingeschäft zw Vertreter und Geschäftspartner ist § 116 im Hinblick auf den Vertretenen entspr anwendbar; ihm kann die Unwirksamkeit des Geschäfts nicht entgegengehalten werden (BGH NJW 1999, 2882; Flume § 20, 1). 3. Satz 2. a) Empfangsbedürftige Willenserklärung. Anders als Satz 1 gilt Satz 2 nach seinem Wort- 8 laut nur für empfangsbedürftige Willenserklärungen. Darüber hinaus ist eine entspr Anwendung auf die Auslobung (§ 657) möglich; sie führt indes nur dazu, dass die Erklärung lediglich ggü den Personen unwirksam ist, denen der Vorbehalt bekannt ist (Pal/Ellenberger Rn 5; PWW/Ahrens Rn 4; aA MüKo/Kramer Rn 12). Dagegen scheidet eine entspr Anwendung auf amtsempfangsbedürftige Willenserklärungen aus (so für die Erbausschlagung BayObLG DtZ 1992, 284, 285; ferner Jauernig/Jauernig Rn 2; dagegen Pohl AcP 177 [1977], 52, 62). Gleiches gilt für letztwillige Verfügungen (Frankfurt OLG 1993, 461, 466; LG Köln DtZ 1993, 215; Staud/Singer Rn 9) und für Prozesshandlungen (Soergel/ Hefermehl Rn 10; Staud/Singer Rn 9). Bei der Eheschließung ist Satz 2 nicht anwendbar, obwohl hier empfangsbedürftige Willenser- 9 klärungen vorliegen; denn die §§ 1310, 1313ff enthalten insoweit abw Sonderregelungen. Auch im Wertpapierrecht ist die Geltung der Vorschrift aufgrund der wertpapierrechtlichen Einwendungslehre begrenzt (s § 117 Rn 8). Schließlich erfährt die Regelung auch im Gesellschaftsrecht durch die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft eine Einschränkung (s § 705 Rn 73ff). b) Kenntnis. Die Erklärung ist nur dann nach Satz 2 nichtig, wenn der andere den geheimen Vor- 10 behalt kennt; Kennenmüssen genügt nicht. Unerheblich ist es dagegen, wie der andere Teil Kenntnis erlangt hat. Maßgebend ist dabei die Kenntnis desjenigen, für den die Erklärung bestimmt ist. Dies muss nicht notwendig allein der Erklärungsempfänger sein. So ist bei der Erteilung einer Innenvollmacht unter geheimem Vorbehalt auf den Geschäftsgegner abzustellen, ggü dem der Bevollmächtigte seine Erklärung abgeben soll: Ist diesem der geheime Vorbehalt nicht bekannt, ist das Geschäft wirksam, auch wenn der Bevollmächtigte den Vorbehalt kennt (BGH NJW 1966, 1915, 1916). Bei Erklärungen ggü einem Vertreter kommt es nach § 166 I auf dessen Kenntnis an; bei mehreren Vertretern ist die Kenntnis eines oder einiger Vertreter den anderen zuzurechnen (Soergel/Hefermehl Rn 8). 4. Beweislast. Wer sich auf die Nichtigkeit der Erklärung nach Satz 2 berufen will, muss sowohl das 11 Bestehen des geheimen Vorbehalts als auch die Kenntnis des anderen Teils von diesem Vorbehalt beweisen.

117

Scheingeschäft (1) Wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben, so ist sie nichtig. (2) Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so finden die für das verdeckte Rechtsgeschäft geltenden Vorschriften Anwendung. 1. Normzweck und Abgrenzung. Eine Scheinerklärung (simulierte Erklärung) liegt vor, wenn der 1 Erklärende mit Einverständnis des Erklärungsempfängers zwar den äußeren Schein einer wirksamen Willenserklärung hervorrufen will, die Erklärung aber keine Rechtswirkung herbeiführen soll (BGH 36, 84, 88; 67, 334, 339; MüKo/Kramer Rn 1). Anders als beim geheimen Vorbehalt und der Scherzerklärung (§§ 116, 118) ist also der andere Teil damit einverstanden, dass die Erklärung nicht ernst gemeint ist. Damit fehlt es bereits an einem äußeren Tatbestand, der auf einen Geschäftswillen schließen lässt, und es liegt – entgegen dem Wortlaut der Vorschrift – schon gar keine Willenserklärung vor (Soergel/Hefermehl Rn 1; Pal/Ellenberger Rn 1). Konsequenterweise werden derartigen Scheinerklärungen durch § 117 für rechtlich unerheblich erklärt. Das Verkehrsschutzinteresse ist hier von vorn-

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§ 117

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

herein nicht betroffen, weil der Erklärungsempfänger mit der Abgabe der Erklärung zum Schein einverstanden ist. 2

Kein Scheingeschäft stellt das Umgehungsgeschäft dar. Bei ihm versuchen die Parteien, mit einem Rechtsgeschäft einen rechtlichen Erfolg zu erreichen, der mit dem zur Regelung des Tatbestandes eigentlich vorgesehenen Rechtsgeschäft nicht oder nur mit Belastungen zu erreichen wäre (Soergel/ Hefermehl Rn 12). Anders als beim Scheingeschäft sind damit die vereinbarten Rechtsfolgen von den Parteien ernsthaft gewollt (BHG NJW-RR 2007, 1209; MüKo/Kramer Rn 19). Umgehungsgeschäfte sind damit nicht nach § 117 I nichtig; freilich kann sich diese Rechtsfolge aus anderen Vorschriften – etwa §§ 134, 138 – ergeben. Nicht dem § 117 unterfallen auch die Fälle der „falsa demonstratio“ (s § 133 Rn 18). Bei ihnen wählen die Parteien lediglich die falsche Bezeichnung, handeln aber mit Rechtsbindungswillen.

3

Auch Treuhandgeschäfte fallen nicht unter § 117. Zwar soll der Treunehmer von dem ihm übertragenen Recht nur nach Maßgabe der Vereinbarung mit dem Treugeber Gebrauch machen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Übertragung enrsthaft gewollt ist (MüKo/Kramer Rn 15; Soergel/ Hefermehl Rn 10). Gleiches gilt idR auch für das Strohmanngeschäft: Bei ihm handelt es sich letztlich nur um ein Treuhandverhältnis besonderer Art, bei dem ein vorgeschobener „Strohmann“ nach außen in Erscheinung tritt und allein aus dem Geschäft berechtigt und verpflichtet werden soll, aber auf Rechnung und im Interesse des Hintermanns handelt. Da sich die mit dem Vorschieben des Strohmanns verfolgten Zwecke in den meisten Fällen nur bei Wirksamkeit des Geschäfts erreichen lassen, ist dieses von den Parteien idR ernsthaft gewollt; dabei spielt es keine Rolle, ob der dritte Vertragspartner die Strohmanneigenschaft kannte (BGH 21, 378, 381; NJW 1959, 332, 333; 1980, 1572; 2002, 2030, 2031; Soergel/Hefermehl Rn 11). Ein Scheingeschäft liegt nur dann vor, wenn der Strohmann die sich aus dem Rechtsgeschäft ergebenden Rechte und Pflichten im Außenverhältnis nicht übernehmen will und der Vertragspartner dies weiß (BGH NJW 1982, 569, 570; NJW-RR 1997, 238; 2007, 1209, 1210; BAG NJW 1993, 2767).

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2. Unwirksamkeit des Scheingeschäfts (Abs I). a) Voraussetzungen. aa) Empfangsbedürftige Willenserklärung. Es muss sich bei der Scheinerklärung um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handeln; andernfalls würde es an einem Erklärungsempfänger fehlen, der mit dem Scheincharakter einverstanden sein könnte. Daher gilt § 117 nicht für Testamente (BayObLG FamRZ 1977, 348; Düsseldorf FamRZ 1969, 677; Frankfurt OLG 1993, 461, 467); ein Testament ist daher auch dann wirksam, wenn der Erblasser davon ausging, dass die Nichternstlichkeit nicht verkannt werden würde (MüKo/ Leipold Vor § 2064 Rn 3; aA Erman/Palm12 Rn 2; MüKo/Kramer Rn 2 Fn 5; Brox/Walker ErbR Rn 259, da kein Bedürfnis für einen Vertrauensschutz Dritter bestehe). Ausgeschlossen ist die Anwendung des § 117 bei der Eheschließung (vgl § 1314 II Nr 5) und der Anerkennung der Vaterschaft, da hier vorrangige Sonderregeln bestehen.

4a

Besonderheiten gelten, wenn eine Behörde beteiligt ist. Bedarf eine empfangsbedürftige Willenserklärung der Beteiligung der Behörde (Beurkundung, Eintragung), ist die Vorschrift zwar anwendbar; indes ist das Einverständnis der – nur formal beteiligten – Amtsperson unerheblich, sondern es kommt auf den Empfänger an (MüKo/Kramer Rn 7). Dagegen findet § 117 auf (nur) amtsempfangsbedürftige Willenserklärungen keine Anwendung; sie sind also wirksam, auch wenn die zuständige Amtsperson mit der Scheinerklärung einverstanden ist (MüKo/Kramer Rn 7; Staud/Singer Rn 3). Dies folgt daraus, dass die Behörde auch hier nur formalrechtlicher Adressat und daher ihr Einverständnis bedeutungslos ist. Weiterhin ist es auch nicht möglich, auf das Einverständnis der materiellrechtlich Beteiligten abzustellen, da dieser Personenkreis kaum abgrenzbar wäre (so überzeugend Staud/Singer Rn 3; aA Pohl AcP 177 [1977], 52, 64). Kann eine Erklärung zuletzt wahlweise ggü einer anderen Person oder der Behörde abgegeben werden (§§ 875 I S 2, 876 S 3, 880 II S 3, 1168 II S 2, 1180 I S 2), so ist sie bei Einverständnis des anderen Teils mit dem Scheincharakter auch dann nach Abs I nichtig, wenn sie ggü der Behörde abgegeben wird (Flume § 20, 2a; Staud/Singer Rn 3).

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bb) Fehlender Rechtsbindungswille. Ein Scheingeschäft iSd Abs I liegt vor, wenn Erklärender und Erklärungsempfänger einvernehmlich zwar den äußeren Schein eines Rechtsgeschäfts erzeugen wollen, die mit dem Rechtsgeschäft verbundenen Rechtsfolgen aber nicht eintreten sollen; ein Rechtsbindungswille fehlt (s Rn 1). Der Absicht, einen Dritten zu täuschen, bedarf es nicht (RG 90, 273, 277; 95, 160, 162; Soergel/Hefermehl Rn 8; MüKo/Kramer Rn 13). Die unrichtige Angabe einer Tatsache (zB eine Falschdatierung) genügt dagegen allein nicht (MüKo/Kramer Rn 4; Pal/Ellenberger Rn 3). Wird in einem Vertrag nur ein Teil der dort geregelten Pflichten zum Schein übernommen, bestimmt es sich nach § 139, ob die gesamte Vereinbarung nichtig ist (BGH NJW-RR 2002, 1527).

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Kein Scheingeschäft liegt vor, wenn der von den Parteien bezweckte Erfolg gerade die Gültigkeit des Geschäfts voraussetzt (BGH 36, 84, 88; NJW-RR 2006, 1555, 1556). Ein Scheingeschäft kann daher insb dann nicht angenommen werden, wenn die von den Parteien mit dem Geschäft angestrebten steuerlichen Vorteile die Wirksamkeit des Geschäfts voraussetzen, da eine vertragliche Regelung nicht gleichzeitig steuerlich gewollt und zivilrechtlich nicht gewollt sein kann (BGH 67, 334, 338; NJW-RR 1990, 386, 387; NJW-RR 2006, 1555, 1556). Abw gilt allein dann, wenn die Parteien die steuerlichen Vorteile lediglich durch Vortäuschung einer entspr Vereinbarung ggü den Finanzbehörden erreichen wollen: In diesem Fall ist die zivilrechtliche Regelung nicht ernsthaft gewollt, und es liegt ein Scheingeschäft mit dem Ziel der Steuerhinterziehung vor (BGH 67, 334, 337f; NJW-RR 2006, 283). Ebenso stellen Arbeitsverträge, mit denen einer Partei der Zugang zur Arbeitslosen- und Krankenversicherung eröffnet werden soll, kein Scheingeschäft dar (BAG NJW 2007, 1485). Dient ein Arbeitsvertrag zw geschiedenen Ehegatten dagegen allein dazu, der Ehefrau den geschuldeten Unterhalt als Arbeitslohn zuzuwenden, und wird mit ihm keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung angestrebt, liegt 254

A. Arnold

Willenserklärung

§ 117

ein Scheingeschäft vor (BGH NJW 1984, 2350). Ebenso ist ein Architektenvertrag als Scheingeschäft nichtig, wenn die Parteien lediglich durch den äußeren Schein eines wirksamen Vertrags Versicherungsschutz durch die Haftpflichtversicherung des Architekten erstreben (Hamm NJW-RR 1996, 1233). cc) Einverständnis. Der Empfänger muss mit der Scheinerklärung einverstanden sein; anders als 7 bei § 116 S 2 ist also mehr als die bloße Kenntnis des Vorbehalts erforderlich (Staud/Singer Rn 7). Das Einverständnis ist aber keine mit der eigentlichen Erklärung einhergehende eigenständige Willenserklärung; vielmehr müssen sich beide Teile nur bewusst sein, dass ihren Erklärungen kein Wille entsprechen soll (RG 134, 33, 37; BGH NJW 1999, 2882; 2000, 3127, 3128). Dieser Scheingeschäftswille muss grds bei den vertragschließenden Parteien selbst bestehen. Daher liegt kein Scheingeschäft vor, wenn eine Vertragspartei den Vertrag selbst schließt und dabei die vorherige Abrede ihres Verhandlungsbevollmächtigten mit der anderen Seite zum Abschluss eines Scheingeschäfts nicht kennt; über eine Wissenszurechnung analog § 166 läßt sich der fehlende Scheingeschäftswille nicht ersetzen (BGH 144, 331, 333; NJW 2001, 1062; Staud/Singer Rn 9; vgl auch Thiessen NJW 2001, 3025). Ist die Erklärung ggü mehreren Personen abzugeben, ist das Einverständnis aller erforderlich; andernfalls ist die Erklärung wirksam (Celle NJW 1965, 399, 400). Wird für eine Partei ein Vertreter tätig, so ist ihr allerdings grds nach § 166 I dessen Einverständnis zuzurechnen. Bei Gesamtvertretung genügt es für das Einverständnis, wenn lediglich ein Vertreter wusste, dass der Vertragspartner seine Erklärung nur zum Schein abgeben wollte (RG 134, 33, 37; BGH NJW 1996, 663, 664; 1999, 2882; Staud/Singer Rn 8; aA MüKo/Kramer Rn 11; von Hein ZIP 2005, 191, 197). Allerdings kann der Vertragspartner den Einwand des Scheingeschäfts entspr § 116 dem Vertretenen nicht entgegenhalten, wenn die Simulationsabrede ggü diesem kollusiv mit dem Vertreter geheimgehalten werden sollte (RG 134, 33, 37; BGH NJW 1999, 2882, 2883; Medicus AT Rn 599). b) Rechtsfolge. Scheingeschäfte sind nach § 117 ohne weiteres nichtig. Dies gilt grds auch im Ge- 8 sellschaftsrecht. Die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft finden auf eine zum Schein gegründete Gesellschaft keine Anwendung (BGH NJW 1953, 1220; MüKo/Ulmer § 705 Rn 377f; aA Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 206ff). Ist eine GmbH oder AG bereits ins Handelsregister eingetragen worden, bleibt allerdings nur noch die Klage auf Nichtigerklärung nach § 275 I AktG bzw § 75 I GmbHG wegen Nichtigkeit der Bestimmungen über den Unternehmensgegenstand (s nur Baumbach/Hueck/Haas, GmbHG, § 75 Rn 15; vgl auch BGH 21, 378, 381). Einschränkungen bestehen auch im Wertpapierrecht. So kann bei Inhaberpapieren der Einwand des Scheingeschäfts nur dem Nehmer, nicht aber späteren gutgläubigen Erwerbern entgegengehalten werden (§ 796 BGB). Entspr gilt bei Wechsel und Scheck, da es sich um ausschließbare Gültigkeitseinwendungen handelt (eingehend MüKo/Kramer § 119 Rn 26). Die Nichtigkeit nach § 117 wirkt auch ggü Dritten. Einen allg Schutz gutgläubiger Dritter vor 9 Scheingeschäften sieht die Vorschrift nicht vor. Allerdings trägt eine Vielzahl von Einzelregelungen im BGB den Interessen des Dritten, der auf die Wirksamkeit des Scheingeschäfts vertraut hat, Rechnung. So kann eine deliktische Haftung der an dem Scheingeschäft Beteiligten ggü dem gutgläubigen Dritten nach §§ 823 II, 826 in Betracht kommen. Erwirbt der Dritte rechtsgeschäftlich von einem Veräußerer eine Sache, die dieser selbst nur zum Schein erworben hat, schützen ihn die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb (§§ 932ff, 892f). Entspr gilt wegen §§ 1032, 1207 bei der Einräumung eines Nießbrauchs oder Pfandrechts. Wird eine Forderung unter Vorlegung einer vom Schuldner ausgestellten Urkunde abgetreten, so kann sich dieser nach § 405 dem neuen Gläubiger ggü nicht darauf berufen, dass die Eingehung oder Anerkennung des Schuldverhältnisses nur zum Schein erfolgt ist. Zeigt der Gläubiger dem Schuldner eine Abtretung an, die tatsächlich nur zum Schein erfolgt ist, oder fertigt er hierüber eine Urkunde an, in der der angebliche neue Gläubiger bezeichnet ist, muss er dies nach § 409 dem Schuldner ggü gegen sich gelten lassen. Ebenso muss nach § 566e der Vermieter, der dem Mieter die – tatsächlich nur zum Schein erfolgte – Übertragung des Eigentums an dem vermieteten Wohnraum angezeigt hat, dies in Ansehung der Mietforderung dem Mieter ggü gegen sich gelten lassen. Schließlich darf der Dritte auf Scheinvollmachten nach Maßgabe der § 171f vertrauen. Über diese gesetzlich geregelten Fälle des Drittschutzes hinaus nimmt Flume (§ 20, 2) an, der 10 Rechtsinhaber ermächtige mit der Scheinübertragung den anderen Teil, über das Recht im eigenen Namen zu verfügen. In diesem Sinne hat auch bereits das RG angenommen, dass der Gläubiger einer Briefhypothek, der dem Zessionar eine privatschriftliche Urkunde über die Abtretung der Hypothek und den Hypothekenbrief ausgehändigt habe, sich einem dritten Erwerber ggü nicht darauf berufen könne, dass es sich in Wirklichkeit um ein Scheingeschäft gehandelt habe (RG 90, 273, 278f). Demgegenüber will Canaris dem Rechtsinhaber den Einwand des Scheingeschäfts ggü einem gutgläubigen Dritten immer dann nach Rechtsscheinsregeln versagen, wenn dieser die Gültigkeit des Geschäfts irgendwie nach außen kundgetan habe (Canaris, Vertrauenshaftung, 89ff; dem folgend MüKo/Kramer Rn 26; Staud/Singer Rn 22). Diese Ansätze überzeugen indes nicht. Die Annahme einer Ermächtigung zugunsten des Scheinerwerbers stellt letztlich eine Fiktion dar, da die Parteien beim Scheingeschäft gerade keine rechtlich erheblichen Handlungen vornehmen wollen (s schon Canaris aaO, 89f). Aber auch der Rückgriff auf Rechtsscheinsregeln überzeugt nicht. Der Gesetzgeber hat sich ausdr gegen einen generellen Drittschutz bei Scheingeschäften entschieden (Mot I 193; Prot I 204). Auch ist nicht ersichtlich, dass hieraus unerträgliche Schutzlücken resultierten. Dies zeigt der vom RG entschiedene Fall des Hypothekenerwerbs sehr anschaulich. Das Vertrauen eines Dritten auf den Erwerb der Briefhypothek ist generell nicht geschützt, wenn der Veräußerer nur durch eine privatschriftliche Urkunde über die Abtretung der Hypothek an ihn legitimiert ist. Die ArgumentatiA. Arnold

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§ 117

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

on mit allg Rechtsscheinsgrundsätzen überspielt letztlich das differenzierte System des Gesetzes beim gutgläubigen Erwerb und den insoweit hinreichenden Rechtsscheinsträgern. Ein über die gesetzlichen Regelungen hinausgehender Vertrauensschutz des Dritten bei Scheingeschäften ist daher abzulehnen. 11

3. Verdecktes Geschäft (Abs II). Vielfach wird mit dem Scheingeschäft ein anderes Geschäft verdeckt. Abs II stellt klar, dass dieses Geschäft nicht deshalb nichtig ist, weil die Parteien versucht haben, es durch ein Scheingeschäft zu verbergen (BGH NJW 1983, 1843, 1844; MüKo/Kramer Rn 26). Vielmehr ist es wirksam, sofern seine Gültigkeitsvoraussetzungen vorliegen. Eine Nichtigkeit des verdeckten Geschäfts kann sich freilich insb aus §§ 125, 134, 138 BGB ergeben. Das verdeckte Geschäft verstößt aber nicht bereits deshalb gegen ein gesetzliches Verbot, weil mit dem Scheingeschäft eine Steuerhinterziehung beabsichtigt wird, da die Steuerverkürzung nicht den Hauptzweck des Vertrags darstellt (BGH NJW 1983, 1843, 1844; Staud/Singer Rn 25).

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Der praktisch bedeutendste Anwendungsfall des Abs II ist der sog Schwarzkauf, bei dem ein niedrigerer als der vereinbarte Kaufpreis beurkundet wird. In diesem Fall ist der notariell beurkundete Vertrag über den niedrigeren Preis nach Abs I nichtig, während der verdeckte mündliche Vertrag wegen Formmangels nach §§ 125, 311b I nichtig ist (RG 78, 115, 120). Dies gilt auch dann, wenn der Käufer wusste, dass der Verkäufer den Vertrag nur abzuschließen bereit war, wenn er von Seiten eines wirtschaftlich interessierten Dritten – der später Mieter der Wohnung geworden ist – eine Schwarzgeldzahlung erhält (BGH NJW-RR 1998, 950). Die Nichtigkeit des nur mündlich vereinbarten Kaufvertrags wird nach § 311b I S 2 durch Auflassung und Eintragung ins Grundbuch geheilt (RG 104, 102, 105; BGH NJW-RR 1991, 613, 615). Eine zur Sicherung des Auflassungsanspruchs aus dem Scheingeschäft eingetragene Vormerkung erstreckt sich auch bei späterer Heilung des Formmangels des daneben mündlich abgeschlossenen Vertrags nicht auf den mündlich vereinbarten Auflassungsanspruch (BGH 54, 56, 64; MüKo/Kramer Rn 27). Kein Fall des Schwarzkaufs liegt vor, wenn die Parteien lediglich infolge eines Versehens bei der Beurkundung einen falschen Kaufpreis erklären. Es handelt sich vielmehr um eine unschädliche einverständliche Falschbezeichnung (falsa demonstratio, s § 133 Rn 18). Der Kaufvertrag ist wirksam mit dem tatsächlich gewollten Kaufpreis zustande gekommen (RG 60, 338, 340; 109, 334, 336; MüKo/Kramer Rn 28; Flume § 20, 2a).

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4. Beweislast. Wer sich auf die Nichtigkeit des Scheingeschäfts berufen will, muss den fehlenden Rechtsbindungswillen beweisen, da grds von der Ernstlichkeit rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen auszugehen ist (BGH NJW 1988, 2597, 2599; 1991, 1617, 1618; 1999, 3481; BAG NJW 2003, 2930, 2931). Wer sich auf das verdeckte Geschäft beruft, muss einen entspr Willen der Parteien beweisen (BGH JZ 1977, 341, 342; Pal/Ellenberger Rn 9). Dabei kann für die Ermittlung des Willens der Parteien auch ihr nachträgliches Verhalten von Bedeutung sein (BGH NJW-RR 1997, 238; Staud/Singer Rn 28).

118

Mangel der Ernstlichkeit Eine nicht ernstlich gemeinte Willenserklärung, die in der Erwartung abgegeben wird, der Mangel der Ernstlichkeit werde nicht verkannt werden, ist nichtig.

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1. Normzweck und Abgrenzung. Die praktisch nicht sehr bedeutsame Regelung sieht vor, dass Scherzerklärungen nichtig sind. Diese Rechtsfolge ist rechtspolitisch umstr, da der Erklärende – anders als beim Irrtum – nicht zur unverzüglichen Anfechtung verpflichtet ist (s nur MüKo/Kramer Rn 1). Dem Verkehrschutz wird freilich dadurch Rechnung getragen, dass der andere Teil nach § 122 Schadensersatz verlangen kann.

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Bei der Scherzerklärung geht der Erklärende davon aus, dass der andere die Nichternstlichkeit erkennen wird. Anders als beim geheimen Vorbehalt (§ 116) will er die Nichternstlichkeit also gerade nicht geheimhalten („guter Scherz“). Vom Scheingeschäft unterscheidet sich die Scherzerklärung dadurch, dass sich bei § 117 beide Seiten über die fehlende Ernstlichkeit einig sind, während bei § 118 nur eine entspr Erwartung des Erklärenden besteht. Damit wird von der Vorschrift insb auch das misslungene Scheingeschäft erfasst, bei dem der andere Teil die Erklärung entgegen der Erwartung des Erklärenden ernst nimmt.

3

2. Anwendungsbereich. § 118 gilt gleichermaßen für empfangsbedürftige wie für nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen, also zB auch für ein Testament (RG 104, 320, 322). Die Vorschrift gilt auch bei beurkundeten Erklärungen (BGH 144, 331, 334; Thiessen NJW 2001, 3025f; aA etwa RG 68, 204, 205f; München NJW-RR 1993, 1168, 1169). Allerdings ist § 118 selbstverständlich nicht einschlägig, wenn der Erklärende in Täuschungsabsicht handelte, also gerade nicht erwartete, dass die fehlende Ernstlichkeit erkannt werden würde. Dagegen ist die Vorschrift auf die Willenserklärungen bei einer Eheschließung (§§ 1310ff) und bei einer Anerkennung der Vaterschaft (§§ 1594ff) wegen der abschließenden Spezialregelungen in diesen Bereichen nicht anzuwenden. Auch im Gesellschaftsrecht gilt sie wegen der Grundsätze zur fehlerhaften Gesellschaft nur eingeschränkt (s schon § 117 Rn 8); Ähnliches gilt im Wertpapierrecht (§ 117 Rn 8). Zur Bedeutung von § 118 für Willenserklärungen, die ohne Erklärungsbewusstsein abgegeben werden, s Vor § 116 Rn 15.

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3. Voraussetzungen. a) Nichternstlichkeit bedeutet, dass der für die Willenserklärung kennzeichnende Wille fehlt, den Rechtserfolg herbeizuführen. Als Motiv für die nicht ernstliche Erklärung kommt nicht nur ein Scherz in Betracht; unter § 118 fallen zB auch Erklärungen in spöttischer Übertreibung, aus Ironie, Prahlerei, bloßer Höflichkeit oder aus Gründen einer reißerischen Reklame. Hingegen kommt eine Ausweitung des Anwendungsbereichs auf Willenserklärungen, die in einem Zu256

A. Arnold

Willenserklärung

§ 119

stand der Provokation oder der Demütigung abgegeben werden, nicht in Betracht, da diese idR ernst gemeint sind (Weiler NJW 2008, 2608; aA Tscherwinka NJW 1995, 308; Staud/Singer Rn 1). b) Der Erklärende muss bei der Erklärung die Erwartung haben, dass das Fehlen der Ernstlichkeit 5 nicht verkannt werden wird. Diese Erwartung muss uneingeschränkt bestehen. Es ist aber nicht erforderlich, dass sie objektiv berechtigt ist; ein Verschulden des Erklärenden bei der Fehleinschätzung ist unbeachtlich (MüKo/Kramer Rn 4). Dementsprechend muss die Erwartung, die fehlende Ernstlichkeit werde erkannt werden, nicht erkennbar geworden sein; der unerkannte Wille reicht aus (Flume § 20, 3; Staud/Singer Rn 3). Umstr sind die Konsequenzen, wenn der Erklärende nachträglich erkennt, dass derjenige, der an der Erklärung interessiert ist, den Mangel der Ernstlichkeit verkennt, und er diesen trotzdem nicht darüber aufklärt. Teilw wird angenommen, dass dann aus dem „guten Scherz“ ein „böser Scherz“ werde, der nach § 116 I unbeachtlich sei (Flume § 20, 3; MüKo/Kramer Rn 8). Andere nehmen an, der Erklärende könne sich in diesem Fall nach Treu und Glauben auf den Mangel der Ernstlichkeit nicht berufen (Larenz/Wolf AT § 35 Rn 18; Pal/Ellenberger Rn 2). Diese Einschränkungen des § 118 sind jedoch abzulehnen; die aus ihnen folgende Aufklärungsobliegenheit käme einer Obliegenheit zur Anfechtung der Scherzerklärung nahe, die §118 jedoch gerade nicht vorsieht (überzeugend Staud/Singer Rn 8). IÜ ergäbe sich das merkwürdige Ergebnis, dass die Erklärung nachträglich wirksam würde. Es muss daher auch in diesem Fall bei der Schadensersatzpflicht des Erklärenden nach § 122 bleiben. 4. Folgen. Die Scherzerklärung ist nichtig. Den Erklärenden trifft aber – unabhängig von seinem 6 Verschulden – nach § 122 die Verpflichtung, demjenigen, der auf die Gültigkeit der Erklärung vertraute, den Vertrauensschaden bis zur Höhe des Erfüllungsinteresses zu ersetzen. 5. Beweislast. Wer sich auf die Nichtigkeit der Willenserklärung beruft, muss die Nichternstlichkeit 7 sowie die Erwartung des Erklärenden, die Nichternstlichkeit werde erkannt, beweisen. Da es sich hierbei um eine innere Tatsache handelt, ist dieser Beweis naturgem schwierig. IÜ wird man im Prozess bereits konkreten Vortrag erwarten müssen, weshalb nur eine scheinbare Verpflichtung begründet werden sollte; die allg, unsubstantiierte Behauptung, das Rechtsgeschäft sei nicht gewollt, ist von vornherein unbeachtlich (Staud/Singer Rn 9).

119

Anfechtbarkeit wegen Irrtums (1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde. (2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden. A. Bedeutung. Das Gesetz misst mit Rücksicht auf den Verkehrsschutz nicht jedem bei der Wil- 1 lenserklärung unterlaufenen Irrtum Bedeutung im Hinblick auf die Wirksamkeit der Erklärung bei (Denkschrift S 21). Auch wenn bei der Abgabe einer Willenserklärung der Wille des Erklärenden durch einen Irrtum verfälscht ist, die Erklärung also nicht dem wahren oder nur einem fehlerhaft gebildeten Willen entspricht, ist der Erklärende daher grds an die Willenserklärung gebunden. Die Erklärung gilt im Interesse des Erklärungsempfängers so, wie dieser sie verstanden hat und bei Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt verstehen durfte (Rn 4, 5). Lediglich bestimmte Irrtümer erklärt das Gesetz für beachtlich. In § 119 ist das für den Irrtum in der Erklärungshandlung (§ 119 I zweiter Fall), den Irrtum über den Erklärungsinhalt (§ 119 I erster Fall) sowie den Irrtum über wesentliche Eigenschaften der Person oder Sache (§ 119 II) geschehen. Vorausgesetzt wird dabei stets, dass ein beachtlicher Ursachenzusammenhang zw Irrtum und Erklärung besteht. Zur Beseitigung der fehlerhaften Willenserklärung ist eine Anfechtungserklärung erforderlich. Auch soweit ein nach § 119 beachtlicher Irrtum vorliegt, ist die Erklärung also nicht ohne weiteres nichtig. Vielmehr muss der Erklärende die Anfechtung erklären, um sich von der Erklärung rückwirkend zu befreien. Hiermit soll dem Erklärenden die Möglichkeit gegeben werden, an seiner Erklärung festzuhalten (s Denkschrift S 22; vgl auch Prot I 221). B. Anwendungsbereich. Die Anfechtung nach § 119 ist grds bei allen privatrechtlichen Willens- 2 erklärungen zulässig, soweit keine vorrangigen Spezialregeln eingreifen (vgl Rn 8ff). Für reine Prozesshandlungen gilt § 119 nicht (BGH 80, 389, 392; BFH NJW 1970, 631, 632; BVerwG NJW 1980, 135, 136; 1997, 2897; BayObLG DB 1990, 168f für das Registerverfahren). Sie sind keine rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen. Irrtümer bei Prozesshandlungen sind vielmehr ausschließlich nach prozessualen Grundsätzen zu behandeln (vgl Einl § 104 Rn 39). Dagegen ist der Prozessvergleich wegen seiner Doppelnatur (Willenserklärung und Prozesshandlung) durch Fortsetzung des bisherigen Rechtsstreits anfechtbar, soweit nicht § 779 als Spezialvorschrift entgegensteht; mit der Anfechtung entfallen auch die prozessualen Wirkungen (BGH 16, 388, 390; 28, 171, 174; 41, 310, 311; 51, 141, 144). Gem § 62 VwVfG finden die Vorschriften über die Irrtumsanfechtung auf öffentlich-rechtl Verträge 3 entspr Anwendung. Anfechtbar sind auch die verwaltungsrechtlichen Willenserklärungen eines Bürgers (vgl OVG Koblenz NVwZ 1984, 316, 317; VG Frankfurt aM NVwZ-Beil 1997/11, 88; Kluth NVwZ 1990, 608, 613). Auf Hoheitsakte, insb Verwaltungsakte, sind die §§ 119ff hingegen nicht einmal entspr anwendbar (AnwK-BGB/Feuerborn Rn 10; PWW/Ahrens Rn 11; vgl für eine Baulast auch VGH Mannheim NJW 1985, 1723).

A. Arnold

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§ 119

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

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C. Abgrenzung. Verhältnis von Anfechtung und Auslegung. Die Auslegung (§ 133 Rn 14) geht der Anfechtung stets vor. Eine Anfechtung kommt nur in Betracht, wenn sich der Erklärende an seinem vom Willen abw Erklärten, wie es sich mit Hilfe der Auslegung ergibt, festhalten lassen muss. Das ist der Fall, wenn der Erklärungsempfänger den wahren Willen des Erklärenden nicht erkannt hat und auch bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht erkennen konnte. Eine Anfechtung scheidet hingegen aus, wenn sich durch Auslegung ergibt, dass das Gewollte – und nicht das Erklärte – als Inhalt der Erklärung gilt. Erkannte der Erklärungsempfänger den Willen, gilt das Gewollte und nicht das irrtümlich Erklärte (erkannter oder erkennbarer Irrtum, s BGH NJW-RR 1995, 859).

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Kein Raum für eine Anfechtung bleibt danach bei der falsa demonstratio (vgl zu § 133 Rn 18); der Erklärende gebraucht (bewusst oder unbewusst) hier einen unzutreffenden Erklärungstatbestand, der vom Erklärungsempfänger richtig verstanden wird. Nur der hinter dem unzutreffenden Erklärungstatbestand stehende Wille gilt. Führt beim Vertragsschluss die Auslegung nicht zu einer Übereinstimmung der Willenserklärungen, zB weil eine Erklärung auch nach der Auslegung objektiv mehrdeutig ist, so liegt ein versteckter Dissens (§ 155) vor; da ohnehin keine vertragliche Bindung eintritt, bedarf es keiner Anfechtung. Anders als bei einem zur Anfechtung berechtigenden Irrtum bezieht sich die Fehlvorstellung beim Dissens auf die Erklärung des anderen Teils; diese stimmt mit der eigenen Erklärung nicht überein (Pal/Ellenberger Rn 8).

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D. Sonderregelungen und Ausschluss der Anfechtung. I. Sondervorschriften. Das BGB enthält teilw Spezialbestimmungen, die die §§ 119ff modifizieren. So ist nach § 779 ein Vergleich unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden wäre, ohne dass es einer Anfechtung durch eine Partei bedürfte. IÜ schließt § 779 die Irrtumsanfechtung grds nicht aus (eingehend § 779 Rn 33). Unzulässig ist die Anfechtung allein, soweit sich der Irrtum auf den Gegenstand des Vergleichs bezieht, da sie mit dem Zweck des Vergleichs, der auf eine endgültige Streitbeilegung ohne weitere Sachverhaltsaufklärung gerichtet ist, nicht vereinbar wäre (RG 162, 198, 201; BGH NJW 2007, 838).

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Auch das Familien- und Erbrecht enthalten Bestimmungen, die die allg Regelungen der Irrtumsanfechtung modifizieren. So können Willensmängel bei der Eheschließung nur nach Maßgabe des § 1314 im Wege der Aufhebung geltend gemacht werden. Ähnliches gilt im Hinblick auf die Anerkennung der Vaterschaft (§ 1592 Nr 2): Bei ihr ist eine Berufung auf Irrtümer nur im Wege der Vaterschaftsanfechtung (§§ 1599ff) möglich. Modifiziert werden die §§ 119ff auch durch die Regelungen über die Anfechtung letztwilliger Verfügungen (§§ 2078ff) und die Vorschriften über die Anfechtung der Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft (§§ 1954ff).

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II. Ausschluss oder Modifikation durch Sonderwertungen. 1. Schuldrecht. Neben diesen ausdr Sonderregelungen werden aus vielen weiteren Vorschriften innerhalb und außerhalb des BGB eine Beschränkung oder der Ausschluss der Irrtumsanfechtung abgeleitet. Derartige Sonderwertungen finden sich namentlich im Schuldrecht. So kann sich der Schuldner bei anfänglicher Unmöglichkeit seiner Haftung nach § 311a II nicht entziehen, indem er den Vertrag wegen Irrtums über seine Leistungsfähigkeit anficht (BT-Drucks 14/6040, 65; Canaris JZ 2001, 499, 506; AnwK-BGB/Dauner-Lieb § 311a Rn 28). Ferner wird die Irrtumsanfechtung bei beiderseitigen Irrtümern über verkehrswesentliche Eigenschaften durch § 313 II ausgeschlossen (str, s Vor § 116 Rn 21). Ebenso geht die Unsicherheitseinrede nach § 321 BGB der Anfechtung nach § 119 II vor: Verpflichtet sich also in einem Vertrag die eine Seite zur Vorleistung und irrt sich dabei über die mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit des anderen Teils, so kann sie nur unter den Voraussetzungen des § 321 die Leistung verweigern oder vom Vertrag zurücktreten (AnwK-SchuldR/Dauner-Lieb § 321 Rn 7; BeckOK BGB/Grothe § 321 Rn 2; zum alten Recht auch schon Flume § 24, 3b). Die hL steht freilich im Anschluss an die Gesetzesbegründung (BT-Drucks 14/6040, 179) auf dem Standpunkt, dass der Vorleistungspflichtige wählen könne, ob er sich auf § 321 oder die Irrtumsanfechtung beruft (AnwK-BGB/Tettinger § 321 Rn 15; MüKo/Emmerich § 321 Rn 39; PWW/Medicus § 321 Rn 13; Staud/Otto § 321 Rn 29). Dem ist indes aus systematischen Gründen nicht zu folgen. § 321 erlaubt dem Vorleistungspflichtigen die Berufung auf die anfängliche Leistungsunfähigkeit des anderen Teils nur dann, wenn diese erst nach Vertragsschluss erkennbar wurde, und gibt ihm regelmäßig erst nach Ablauf einer angemessenen Nachfrist das Recht, sich vom Vertrag durch Rücktritt zu lösen. Diese Einschränkungen wären bedeutunglos, wenn sich der Vorleistungspflichtige unabhängig von der Erkennbarkeit der mangelnden Leistungsfähigkeit des anderen Teils sofort nach § 119 II vom Vertrag lösen könnte.

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Praktisch erhebliche Bedeutung hat die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis zw Anfechtung und Gewährleistung. Sie stellt sich insb im Kaufrecht. Hier wird überwiegend angenommen, dass eine Anfechtung des Käufers wegen eines Irrtums über verkehrswesentliche Eigenschaften durch die §§ 434ff jedenfalls ab Gefahrübergang ausgeschlossen wird (s nur Vor § 437 Rn 23; MüKo/H. P. Westermann § 437 Rn 53; aus der Rspr zum alten Recht nur BGH 60, 319, 320; vgl auch BGH NJW-RR 2008, 222, 223 zum Erwerb im Rahmen der Zwangsversteigerung; aA etwa BeckOK BGB/Faust § 437 Rn 182). Dem ist zu folgen; denn mit einer Anfechtung könnte der Käufer eine Vertragsauflösung herbeiführen, ohne dass er die kurze Frist des § 437 I Nr 3 beachten oder dem Verkäufer zuvor die Gelegenheit zur Nacherfüllung geben müsste; auch käme es entgegen § 442 nicht mehr darauf an, ob dem Käufer der Mangel aufgrund grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist. Problematisch ist freilich, ob die Anfechtung nach § 119 II auch vor Gefahrübergang ausgeschlossen ist. Dabei kann, soweit es sich um einen behebbaren Mangel handelt und der Verkäufer auch zur Behebung des Mangels bereit ist, nicht mit dem Vorrang des Gewährleistungsrechts argumentiert werden; denn in diesem Fall gelten die §§ 437ff unstr nicht (s nur § 434 Rn 67 und Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, 258

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Willenserklärung

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Rn 70). Jedoch kann sich der Verkäufer auch hier den Kaufpreis noch verdienen, indem er mangelfrei leistet. Diese Möglichkeit würde ihm durch die Anfechtung genommen. Daher kann eine Berufung auf § 119 II nicht zulässig sein (MüKo/H. P. Westermann § 437 Rn 53; Staud/Matusche-Beckmann § 437 Rn 28). Erheblich komplizierter liegen die Dinge dagegen, wenn der Mangel unbehebbar ist oder der Verkäufer ernsthaft und endgültig die mangelfreie Leistung verweigert. Hier kann nicht damit argumentiert werden, dass dem Verkäufer die Möglichkeit erhalten werden muss, mangelfrei zu leisten. Zudem ist umstr, ob die Gewährleistungsvorschriften in solchen Fällen bereits ausnahmsweise vor Gefahrübergang gelten (so etwa § 434 Rn 67; dagegen etwa Pal/Weidenkaff § 437 Rn 50; Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, Rn 70). Freilich ist dieser Streit letztlich für das Problem der Anwendbarkeit des § 119 II irrelevant: So wird im Anschluss an die Rspr des BGH zum alten Recht (s nur BGH 34, 32, 37) teilw angenommen, dass die Anwendung der Gewährleistungsvorschriften vor Gefahrübergang die Anfechtung nach § 119 II nicht ausschließe (Vor § 437 Rn 25), während umgekehrt auch Autoren, die vor Gefahrübergang allein die Regeln des allg Leistungsstörungsrechts anwenden wollen, dem Käufer den Rückgriff auf § 119 II verwehren (Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, Rn 210). I Erg sprechen die besseren Gründe auch in diesem Fall für einen Ausschluss der Anfechtung. Selbst wenn man die §§ 437ff auch bei unbehebbaren Mängeln vor Gefahrübergang nicht anwenden will, müsste man jedenfalls die Wertung des § 442 berücksichtigen (vgl dazu Looschelders, Schuldrecht BT, Rn 174). Andernfalls stünden dem Käufer, der aus grober Fahrlässsigkeit den Mangel verkannt hat, vor Gefahrübergang die Rechte nach dem allg Leistungsstörungsrecht und das Anfechtungsrecht nach § 119 II zu. Er würde diese Rechte aber mit Gefahrübergang verlieren. Vor diesem Hintergrund erscheint es vorzugswürdig, die Anfechtung nach § 119 II bereits generell vor Gefahrübergang auszuschließen. Dagegen sperrt das Mängelgewährleistungsrecht nicht die Anfechtung nach §§ 119 I, 120, 123 (ein- 10 gehend Vor § 437 Rn 20, 30). Gleichfalls ist eine Anfechtung durch den Verkäufer grds nicht ausgeschlossen; die Berufung auf § 119 II kommt freilich dann nicht in Betracht, wenn der Verkäufer sich damit seiner Gewährleistungspflicht entziehen könnte (BGH NJW 1988, 2597, 2598). Die kaufrechtlichen Grundsätze für das Verhältnis von Mängelgewährleistung und Anfechtung 11 nach § 119 II gelten auch im Werkvertragsrecht (MüKo/Kramer Rn 39; PWW/Leupertz § 633 Rn 8; Pal/ Sprau vor § 633 Rn 15; für das alte Recht auch BGH NJW 1967, 719). Im Mietrecht ist es hingegen umstr, ob die Gewährleistungsregeln § 119 II verdrängen (dafür etwa Flume, § 24, 3b; BeckOK BGB/ Ehlert § 536 Rn 13 und – auch für die Zeit vor der Übergabe – MüKo/Häublein vor § 536 Rn 24; aA Emmerich NZM 1995, 692, 694f; Fischer NZM 2005, 567, 570). Das RG (157, 173) hat einen Vorrang des Mietmängelgewährleistungsrechts abgelehnt, sah allerdings entspr § 539 aF (§ 536b) eine Anfechtung bei grob fahrlässiger Unkenntnis des Mieters über den Mangel als unzulässig an; der BGH hatte über die Frage bislang nicht zu entscheiden. Indes sprechen auch im Mietrecht die besseren Gründe für einen Ausschluss des § 119 II, da andernfalls dem Vermieter die Gelegenheit zur Nachbesserung genommen würde. Darüber hinaus bleibt eine Anfechtung etwa nach §§ 119 I, 120, 123 und nach § 119 II wegen Eigenschaften, die keinen Sachmangel begründen, auch nach Gefahrübergang möglich (BGH NJW 2009, 1266, 1268). Zur Frage, ob die Anfechtung nach Übergabe nur noch ex nunc wirkt, s Rn 13. 2. Außerhalb des BGB enthält etwa § 19 VVG eine Sonderregelung im Hinblick auf Irrtümer des 12 Versicherers über gefahrerhebliche Umstände. Beim Irrtum über wesentliche Eigenschaften eines Schiedsrichters gehen die Vorschriften über die Ablehnung (§§ 1036ff ZPO) § 119 vor (BGH 17, 7, 8). 3. Einschränkungen der Irrtumsanfechtung bestehen teilw bei Dauerrechtsverhältnissen. So sind 13 im Gesellschaftsrecht die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft zu beachten: Leidet beim Abschluss eines Vertrags über die Gründung einer Personengesellschaft die Erklärung eines Beteiligten an einem Willensmangel, so führt dieser Mangel nach Invollzugsetzung der Gesellschaft im Hinblick auf den notwendigen Schutz des Verkehrs nicht mehr zur Nichtigkeit der Gesellschaft ex tunc; vielmehr ist die Gesellschaft aufzulösen und abzuwickeln (s nur statt vieler MüKo-HGB/K. Schmidt § 105 Rn 228ff). Ist eine Kapitalgesellschaft bereits ins Handelsregister eingetragen worden und damit entstanden, sind Willensmängel eines Beteiligten bei der Gründung sogar regelmäßig unbeachtlich (KK-AktG/Arnold § 23 Rn 164ff mwN). Ebenso wirkt bei in Vollzug gesetzten Arbeitsverträgen die Anfechtung wegen der besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers idR nur ex nunc (Einzelheiten § 611 Rn 267ff). Dagegen ist die Anfechtung eines Mietvertrags auch nach Übergabe der Mietsache uneingeschränkt möglich, da die Schwierigkeiten, die sich bei der Rückabwicklung ergeben, keine Ausnahme von der gesetzlich vorgesehenen Rückwirkung der Anfechtung rechtfertigen können (BGH NJW 2009, 1266, 1268 mwN). Zur Anfechtung einer bereits betätigten Innenvollmacht s § 167 Rn 44. 4. Schließlich ist die Anfechtung auch im Wertpapierrecht nur eingeschränkt möglich: Irrtümer 14 können bei Inhaberpapieren regelmäßig nur dem Nehmer, nicht aber späteren gutgläubigen Erwerbern entgegengehalten werden (§ 796 BGB). Entspr gilt bei Wechsel und Scheck (eingehend MüKo/ Kramer § 119 Rn 26). 5. Die Anfechtbarkeit einer Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 schließt die 15 Anfechtung nach § 119 nicht aus, vielmehr kann in der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung auch eine Anfechtung wegen Irrtums enthalten sein (RG 57, 358, 362; 100, 205, 207; BGH 34, 32, 38f). Ob der Erklärende wegen Irrtums oder wegen arglistiger Täuschung anfechten will, ist – mangels entspr ausdr Erklärung – durch Auslegung zu ermitteln. Liegen beide Anfechtungsgründe vor und hat der Erklärende wegen Irrtums angefochten, ist bei seiner Ersatzpflicht nach § 122 zu berücksichtigen, dass er die Möglichkeit hatte, nach § 123 ohne entspr Ersatzpflicht anzufechten.

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6. Besteht für den Erklärenden ein Rücktrittsrecht oder ein Widerrufs- oder Rückgaberecht (etwa nach §§ 355ff iVm §§ 312, 312d, 485, 495), so wird dadurch die Anfechtung nach § 119 nicht ausgeschlossen. Auch wenn der Erklärende das Rücktritts-, Widerrufs- oder Rückgaberecht bereits ausgeübt hat, besteht noch die Möglichkeit der Anfechtung (s nur Schreiber AcP 211 [2011], 35, 52). Ein Widerrufs- oder Rückgaberecht wird allerdings vielfach im Vergleich zur Irrtumsanfechtung der einfachere Weg sein, sich auch von den Folgen einer irrtumsbedingten Willenserklärung zu lösen; iÜ führt die Ausübung dieser Rechte nicht zur Schadensersatzpflicht aus § 122.

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E. Voraussetzungen. I. Willenserklärung. Alle Tatbestände des § 119 setzen das Vorliegen einer Willenserklärung voraus. Allerdings soll die Vorschrift auf geschäftsähnliche Handlungen grds entspr Anwendung finden (BGH NJW 1989, 1792; Ulrici NJW 2003, 2053, 2054f; Medicus Rn 198; differenzierend MüKo/Kramer Vor § 116 Rn 37), nicht aber auf Realakte (AnwK-BGB/Feuerborn Rn 8). Keine Rolle spielt es, ob es sich um eine empfangsbedürftige oder nicht empfangsbedürftige Willenserklärung handelt (Pal/Ellenberger Rn 4). Ebenso ist es unerheblich, ob eine ausdr oder stillschw Willenserklärung vorliegt (RG 134, 195, 197; BGH 11, 1, 5). Zu differenzieren ist dagegen hins der Anfechtbarkeit bloßen Schweigens. Grds hat Schweigen keinen Erklärungswert; die Nichtabgabe einer Willenserklärung stellt keine Willenserklärung dar und ist daher nicht anfechtbar (Celle NJW 1970, 48; Soergel/Hefermehl Rn 7). Das Gleiche gilt, wenn das Gesetz Schweigen als Ablehnung behandelt (zB §§ 108 II, 177 II); denn eine Anfechtung könnte nur zur Beseitigung der Ablehnung, nicht aber zu einer Zustimmung führen (AnwK-BGB/Feuerborn Rn 7; Hanau AcP 165 (1965), 220, 224). Soweit Schweigen dagegen ausnahmsweise positive Erklärungswirkung hat, ist eine Anfechtung grds möglich (s Vor § 116 Rn 11).

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II. Beachtlicher Irrtum. 1. Irrtum. Der Irrtum ist die unbewusst unrichtige Vorstellung von der Wirklichkeit. Er muss nicht nur auf einer falschen, sondern kann auch auf einer fehlenden Vorstellung von einem Sachverhalt beruhen (BAG NJW 1960, 2211, 2212). Ein Irrtum liegt dagegen nicht vor, wenn der Erklärende die Möglichkeit bewusst in Kauf nimmt, dass seine Vorstellung unrichtig oder lückenhaft ist, zB weil er sich darüber im Klaren ist, dass er die wirtschaftliche und rechtliche Tragweite der Erklärung nicht übersieht oder weil er bewusst die Unkenntnis des Inhalts in Kauf nimmt (BGH NJW 1951, 705). Daher kann der Unterzeichner einer Urkunde nicht anfechten, wenn er bewusst weder Kenntnis von dem Inhalt genommen hat noch eine Vorstellung über den Inhalt der Urkunde hat; denn es ist kein Geschäftswille vorhanden, der von der Erklärung abweichen könnte (RG 77, 309, 312; BAG NJW 1971, 639, 640; BGH NJW 2002, 956, 957). Dies soll auch dann gelten, wenn die Unkenntnis darauf beruht, dass der Erklärende die Sprache nicht versteht, in der die Urkunde abgefasst worden ist (Köln VersR 2000, 243; LG Memmingen NJW 1975, 451, 452). Dagegen ist eine Anfechtung möglich, wenn der Erklärende zwar ein Schriftstück unterzeichnet hat, ohne es zu lesen, aber über dessen Inhalt eine Vorstellung hatte, die sich als falsch heraussstellt (BAG NJW 1971, 639, 640; BGH 1995, 190, 191; differenzierend Flume, § 23, 2b). Praktisch führt diese Abgrenzung dazu, dass eine Anfechtung jedenfalls dann in Betracht kommen wird, wenn die Urkunde einen Inhalt hatte, mit dem der Unterzeichner unter keinen Umständen rechnen musste; denn gewisse Mindestvorstellungen über den Inhalt der Urkunde wird der Erklärende stets haben (Staud/Singer Rn 11f). Möglich ist eine Anfechtung entspr diesen Grundsätzen ferner dann, wenn der Unterzeichnende eine Urkunde in der irrigen Annahme, es handele sich um eine gegenständlich andere Urkunde, unterschreibt, oder eine nach seinem Diktat fehlerhaft abgefasste Urkunde ohne weitere Prüfung abzeichnet (Flume, § 23, 2b). Ging der Erklärende schließlich irrtümlich davon aus, die von ihm ungelesen unterschriebene Urkunde enthalte keine rechtserhebliche Erklärung, kann er bereits entspr § 119 wegen fehlenden Erklärungbewusstseins anfechten (s Vor § 116 Rn 15).

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Die gleichen Grundsätze gelten bei der Vereinbarung von AGB, die der Erklärende zuvor nicht gelesen hat (Pal/Ellenberger Rn 9). Hat der Vertragspartner des Verwenders von dem Inhalt der AGB weder konkrete Vorstellungen noch Kenntnis, so liegt kein zur Anfechtung berechtigender Irrtum vor, wenn die AGB von seinen Vorstellungen abweichen. Handelt es sich allerdings um überraschende Klauseln, werden sie nicht Vertragsbestandteil (§ 305c), so dass es einer Anfechtung nicht bedarf. Hatte der Erklärende dagegen konkrete Vorstellungen vom Inhalt der AGB und stimmten diese Vorstellungen nicht mit dem tatsächlichen Inhalt überein, liegt ein Inhaltsirrtum vor (Soergel/Hefermehl Rn 14; Staud/Singer Rn 26).

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Abw sind dagegen die Fälle eines abredewidrig unterzeichneten Blanketts zu behandeln. Zwar hat auch hier die Urkunde einen anderen Inhalt, als der Erklärende annimmt, und der Erklärende ist dieses Risiko bewusst eingegangen, indem er die vollständige Urkunde nicht vor der Unterzeichnung gelesen hat. Jedoch ergibt sich die Haftung des Blankettausstellers ggü (gutgläubigen) Dritten bei abredewidriger Ausfüllung des Blanketts entspr § 172 aus dem von ihm durch die Weitergabe gesetzten Rechtsschein (BGH 40, 65, 68; 40, 297, 304f; 113, 48, 53; BGH NJW 1996, 1467, 1469; Staud/Singer Rn 31; Medicus AT Rn 913); eine Anfechtung scheidet daher aus (aA noch RG 105, 83, 185). Ist der Blankettnehmer zugleich Erklärungsempfänger, erwirbt dieser durch die abredewidrige Ausstellung von vornherein keine Rechte; einer Anfechtung bedarf es nicht (Soergel/Hefermehl Rn 16). Eine Anfechtung kommt entspr § 166 I allerdings in Betracht, wenn der Blankettnehmer nicht absichtlich, sondern irrtümlich falsch ausfüllt (Staud/Singer Rn 31f).

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2. Beachtlichkeit des Irrtums. Nicht alle Irrtümer des Erklärenden sind relevant. Beachtlich sind nach § 119 drei Fälle des Irrtums. § 119 I behandelt den Fall, dass jemand „bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war“ (Inhaltsirrtum) und den Fall, dass der Erklärende „eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte“ (Erklärungsirrtum). Nach § 119 II ist

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dem Inhaltsirrtum der Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften der Person oder der Sache gleichgestellt. a) Erklärungsirrtum (Abs I Fall 2). Beim Erklärungsirrtum wählt der Erklärende unbewusst ein fal- 22 sches Erklärungszeichen. Er äußert tatsächlich etwas anders, als er äußern wollte, zB weil er sich verspricht, verschreibt oder vergreift. Notwendig ist also ein Fehler bei der Erklärung. Kein Erklärungsirrtum liegt daher vor, wenn der Erklärende ein Preisschild falsch abliest und deswegen in seinem Angebot einen zu niedrigen Preis nennt (Staud/Singer Rn 34; Habersack JuS 1991, 548, 551; aA LG Hannover NJW-RR 1986, 156; Pal/Ellenberger Rn 10); der Irrtum erfolgt in diesem Fall bereits im Vorfeld der Erklärung und stellt daher einen unbeachtlichen Motivirrtum dar. Gleiches gilt, wenn der Erklärende einen zu niedrigen Preis angibt, weil er eine veraltete Preisliste benutzt (LG Bremen NJW 1992, 915). Bei elektronischen (automatisierten) Willenserklärungen sind dagegen teilw auch Fehler im Vorfeld der Erklärung beachtlich: So soll ein Erklärungsirrtum auch dann vorliegen, wenn sich der Erklärende bei der Eingabe der Daten in das System vertippt (Hamm NJW 1993, 2321; AG Lahr NJW 2005, 991; Mehrings MMR 1998, 30, 31) oder die Erklärung durch einen Computerfehler verfälscht wird (BGH NJW 2005, 976, 977, wo allerdings wohl eher ein Inhaltsirrtum vorlag, s Singer LMK 2005, 67, 68). Dagegen liegt ein unbeachtlicher Motivirrtum vor, wenn die falschen Daten in das System eingegeben werden (BGH NJW-RR 2009, 1641, 1643; Staud/Singer Rn 36f; Mehrings MMR 1998, 30, 32). Ebenso bilden Softwarefehler keinen Erklärungs-, sondern einen Motivirrtum (Frankfurt BKR 2005, 117, 119; skeptisch Spindler JZ 2005, 793, 794). b) Inhaltsirrtum (Abs I Fall 1). Beim Inhaltsirrtum (Bedeutungsirrtum) verwendet der Erklärende 23 zwar die Erklärungszeichen, die er gebrauchen will; er misst diesem Erklärungstatbestand aber einen anderen Sinn (Bedeutung, Tragweite) bei, als ihm objektiv (am Erklärungsort) zukommt. Bei objektiver Mehrdeutigkeit liegt hingegen bei Verträgen Dissens vor; zur Abgrenzung vgl Rn 5. Um festzustellen, ob der in der Erklärung nicht zum Ausdruck gekommene Wille von dem objektiven Erklärungstatbestand abweicht, ist zunächst durch Auslegung (§§ 133, 157) zu ermitteln, was Inhalt der abgegebenen Willenserklärung ist (zum Verhältnis von Auslegung und Anfechtung vgl Rn 4 sowie Staud/Singer Rn 39ff). Typischer Fall für einen Inhaltsirrtum ist der sog Verlautbarungsirrtum, bei dem der Erklärende ei- 24 nen Begriff in Unkenntnis seiner objektiven Bedeutung in einem anderen als dem objektiven Sinne verwendet. Hierunter fällt etwa die Verwechselung von Münzbezeichnungen oder Gewichts- oder Maßeinheiten (LG Hanau NJW 1979, 721: 25 Gros Rollen Toilettenpapier). Ferner kommt die falsche Verwendung fach- oder fremdsprachlicher Ausdrücke in Betracht (BeckOK BGB/Wendtland Rn 41). Freilich ist der Anwendungsbereich des Abs I Fall 1 nicht auf die Fälle des Verlautbarungsirrtums beschränkt. Ein Inhaltsirrtum ist vielmehr auch dann möglich, wenn der Erklärende die Erklärungszeichen zwar in ihrem objektiv richtigen Sinn verwendet, aber sich bei der Auslegung ein vom Willen des Erklärenden abw Inhalt der Erklärung ergibt. aa) Identitätsirrtum. Eine Erklärung ist auch dann nach Abs I Fall 1 anfechtbar, wenn sich der 25 Erklärende über die Identität des Geschäftspartners oder des Geschäftsgegenstands (error in persona/error in objecto) irrt. So liegt ein derartiger Identitätsirrtum etwa vor, wenn die falsche Grundbuchbezeichnung für ein Grundstück verwendet wird oder versehentlich der falsche Handwerker beauftragt wird (Pal/Ellenberger Rn 11, 13; Staud/Singer Rn 45). Ebenso kann der Irrtum über den Inhalt des erworbenen Rechts nach Abs I beachtlich sein (RG 95, 112, 115). Im Einzelfall kann sich hier allerdings das Problem der Abgrenzung zum Eigenschaftsirrtum nach Abs II ergeben. Insoweit wird man unterscheiden müssen, ob mit der Erklärung der Geschäftsgegenstand oder -gegner körperlich zutr identifiziert worden ist (Flume, § 23, 4b; Larenz/Wolf AT § 36 Rn 56f; Jauernig/Jauernig Rn 9): Ist bereits dies nicht gelungen, liegt ein Inhaltssirrtum vor. Ist dagegen der Gegenstand bzw die Person körperlich zutr identifiziert worden, weist aber nicht die erwarteten Eigenschaften auf, so kann sich eine Anfechtbarkeit allein aus Abs II ergeben. Entspr muss bei Gattungskäufen gelten: Eine Anfechtung nach Abs I kann nur in Betracht kommen, wenn das benutzte Erklärungszeichen nicht die Gattung kennzeichnet, die der Erklärende meinte. Dagegen genügt es nicht, wenn der Erklärende bei seiner Erklärung die Vorstellung hatte, die Gattung weise Eigenschaften auf, die diese tatsächlich nicht hat (vgl Flume, § 23, 4c; Medicus AT Rn 766; teilw abw wohl MüKo/Kramer Rn 81 und die sogleich zu erörternde Lehre von der Sollbeschaffenheit). bb) Irrtum über die Sollbeschaffenheit? Zu abw Ergebnissen kommt in diesem Zusammenhang 26 freilich die sog Lehre vom Irrtum über die Sollbeschaffenheit. Ein solcher soll vorliegen, wenn die Eigenschaften, die die Person oder Sache nach dem Inhalt der Willenserklärung haben sollen, nicht mit den Eigenschaften übereinstimmen, die der Erklärende zum Inhalt seiner Erklärung machen wollte (s nur Soergel/Hefermehl Rn 25f). Eine derartige Erweiterung des Inhaltsirrtums ist indes abzulehnen (Flume § 23, 4c; Staud/Singer Rn 48). Der Erklärende irrt sich in diesen Fällen nicht über die Bedeutung des von ihm benutzten Erklärungszeichens, sondern nur über die Beschaffenheit des damit beschriebenen Erklärungsgegenstands. Dies ist aber kein Irrtum bei der Erklärungshandlung, sondern ein bloßer Motivirrtum. cc) Irrtum über den Geschäftstyp. Der Irrtum des Erklärenden kann sich auch auf den Geschäfts- 27 typ beziehen. So kann ein Patient anfechten, der sich über die wahre Bedeutung des von ihm unterzeichneten Krankenhausvertrags geirrt hat (LG Köln NJW 1988, 1518). Geht der Erklärende irrtümlich davon aus, dass durch seine Erklärung kein Vertrag, sondern lediglich ein Gefälligkeitsverhältnis begründet wird, liegt ein Fall fehlenden Erklärungsbewusstseins vor, und die Anfechtung ist entspr § 119 I möglich (s Vor § 116 Rn 15; aA Karlsruhe NJW 1989, 907, 908; Pal/Ellenberger Rn 12, die eine Anfechtung für ausgeschlossen halten). Soweit der Erklärende iÜ über die Geschäftsart irrt, handelt A. Arnold

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Rechtsgeschäfte

es sich vielfach um einen – sogleich zu behandelnden – Irrtum über die Rechtsfolge (s dazu auch Jauernig/Jauernig Rn 8). 28

dd) Irrtum über die Rechtsfolge. Irrtümer über die Rechtsfolge stellen einen unbeachtlichen Motivirrtum dar, wenn der Erklärende über Rechtsfolgen irrt, die das Gesetz zusätzlich an seine Willenserklärung knüpft (RG 88, 278, 284; BGH 70, 47, 48, 134, 152, 156; NJW 2008, 2441, 2443; Staud/Singer Rn 68; Flume § 23, 4d). Da die Rechtsfolge in diesem Fall nicht Inhalt der rechtsgeschäftlichen Erklärung geworden ist, fallen Wille und Erklärung nicht auseinander. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob der Erklärende die fragliche Rechtsfolge überhaupt nicht kennt oder irrtümlich Tatsachen annimmt, bei deren Vorliegen die gesetzliche Rechtsfolge nicht einträte (Flume, § 23, 4d). Unbeachtlich ist daher der Irrtum über das Bestehen eines gesetzlichen Rücktrittsrechts (BGH NJW 2002, 3100, 3103). Kein Anfechtungsrecht besteht ferner, wenn der Verkäufer irrtümlich der Ansicht ist, er hafte nicht für Mängel (Flume § 23,4d; Larenz/Wolf AT § 36 Rn 76), oder der Übernehmer über einzelne Regelungen des übernommenen Vertrags irrt (BGH NJW 1999, 2664, 2665). Ebenso ist es unerheblich, wenn den Parteien ein bestehendes Vorkaufsrecht nicht bekannt ist (Stuttgart NJW 1987, 571, 572) oder jemand in das Handelsgeschäft eines Einzelkaufmanns eintritt, ohne die damit verbundene Haftung für die Altschulden nach § 28 HGB zu kennen (RG 76, 439, 440; Flume, § 23, 4d). Kein Anfechtungsrecht soll auch bestehen, wenn eine schwangere Arbeitnehmerin nicht weiß, dass sie durch den Aufhebungsvertrag oder die eigene Kündigung auch ihre Ansprüche nach dem Mutterschutzgesetz verliert (BAG NJW 1983, 2958; 1992, 2173; anders Staud/Singer Rn 75). Bei einer Zwangsversteigerung kann der Bieter sein Gebot nicht wegen eines Irrtums über den Umfang der nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden Rechte anfechten (BGH NJW 2008, 2442, 2443).

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Bildet dagegen der erstrebte rechtliche Erfolg einen Bestandteil der Erklärung, stellt eine irrige Vorstellung von dieser Rechtsfolge einen Inhaltsirrtum dar (RG 88, 278, 284; 89, 29, 33f; BGH NJW 2006, 3353, 3355; Soergel/Hefermehl Rn 24; Staud/Singer Rn 67f); denn die Erklärung hat einen anderen Sinn, als der Erklärende mit ihr verbindet. Daher ist derjenige zur Anfechtung berechtigt, der eine Sache in der irrigen Annahme „verleiht“, dass damit eine entgeltliche Gebrauchsüberlassung gemeint sei (Staud/Singer Rn 69). Wer vertragliche Erklärungen abgibt oder ihnen zustimmt, ohne zu wissen und zu wollen, dass hierdurch ein bereits bestehender Vertrag abgeändert wird, kann ebenso anfechten (Pal/Ellenberger Rn 15). Ein Inhaltsirrtum liegt ferner vor, wenn eine Hypothek in der irrigen Annahme bestellt wird, sie erhalte die zweite Rangstelle, während sie tatsächlich die erste Rangstelle erhält (RG 89, 29, 33f; Flume § 23, 4d). Gleiches soll gelten, wenn der Inhaber einer erstrangigen Eigentümergrundschuld diese löschen lässt und gleichzeitig beantragt, dass hierdurch eine drittrangige Hypothek den ersten Rang erhalten soll (RG 88, 278, 284ff; Pal/Ellenberger Rn 15; anders Flume, § 23, 4d, der den Fall bereits im Wege Auslegung lösen will). Im Erbrecht soll ein Anfechtungsrecht nach § 119 I bestehen, wenn der Erblasser die gesetzlichen Erben als Erben einsetzt und dabei über den Kreis der gesetzlichen Erben irrt (RG 70, 391, 394; i Erg auch Flume, § 23, 4d). Zur Anfechtung der Annahme der Erbschaft s § 1954 Rn 3ff.

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ee) Kalkulationsirrtum. Beim Kalkulationsirrtum (Berechnungsirrtum) irrt der Erklärende entweder über einen Umstand (Rechnungsfaktor), den er seiner Berechnung (Kalkulation) zugrunde legt, oder er irrt bei der Berechnung selbst. Wird dem Geschäftsgegner in einer Willenserklärung lediglich das Ergebnis einer Berechnung bekannt gegeben, nicht aber die Kalkulationsgrundlage (interner bzw verdeckter Kalkulationsirrtum), so handelt es sich nur um einen unbeachtlichen Motivirrtum; eine Anfechtung ist nicht möglich (BGH 139, 177, 180f; NJW-RR 1986, 569, 570; 2003, 921, 923; NJW 2002, 2312; Staud/Singer Rn 51; Pawlowski JZ 1997, 741; aA Birk JZ 2002, 446, 449f). Hat der andere Teil den Fehler erkannt, kann ihn jedoch eine Pflicht treffen, den anderen Teil auf den Berechnungsfehler hinzuweisen; andernfalls haftet er nach §§ 311 II, 280 I (BGH 139, 177, 184; NJW 1980, 180; NJWRR 1986, 569; für teleologische Extension der Irrtumsvoschriften Staud/Singer Rn 64). IÜ kann der Empfänger wegen unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) die Durchführung des Vertrags nicht verlangen, wenn er ein Vertragsangebot annimmt und auf der Durchführung des Vertrags besteht, obwohl er weiß (oder sich treuwidrig der Kenntnisnahme entzieht), dass dem Angebot ein Kalkulationsirrtum des Erklärenden zugrunde liegt, und die Vertragsdurchführung für den Erklärenden schlechthin unzumutbar ist (BGH 139, 177, 184; München NJW 2003, 367; Larenz/Wolf AT § 36 Rn 67).

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Für den Fall, dass die fehlerbehaftete Kalkulation im Zusammenhang mit der Willenserklärung offengelegt wird (offener oder externer Kalkulationsirrtum) und damit der Fehler für den Geschäftsgegner erkennbar war, ließ das RG die Anfechtbarkeit wegen Inhaltsirrtums zu, da die Kalkulation Inhalt der Erklärung geworden sei (RG 64, 266, 268; 90, 268, 271; 162, 198, 201). Das sollte zB für einen Kaufpreis gelten, der nach einem unrichtigen Börsenkurs (RG 116, 15, 17) oder nach einem falschen Devisenkurs (RG 105, 406, 407) berechnet wurde, oder auch für den Fall, dass der Kalkulationsirrtum auf einem Rechenfehler beruhte, der bei der Preisberechnung in Gegenwart des Geschäftsgegners unterlief (RG 101, 107, 108). Diese Ansicht ist indes überholt. Inzwischen hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass es sich bei dem erkennbaren externen Kalkulationsfehler ebenfalls um einen schon zum Stadium der Willensbildung des Erklärenden gehörenden (einseitigen) Irrtum im Beweggrund handelt, der von keinem der gesetzlichen Anfechtungsgründe erfasst wird (BGH 139, 177, 182f; Staud/Singer Rn 53; Flume, § 23, 4e; Larenz/Wolf AT § 36 Rn 58ff; Medicus AT Rn 757ff). Dem ist zuzustimmen: Nicht jede Information, die ein Teil in Vertragsverhandlungen einbringt, ist schon dadurch Inhalt seiner Willenserklärung. Der externe Kalkulationsirrtum ist idR wie der interne ein Irrtum im Motiv. Das Motiv wird nicht ohne weiteres schon dadurch zum Inhalt der Erklärung, dass der Erklärende es dem Erklärungsempfänger mitteilt. Die gewollte und die objektive Bedeutung der Erklä-

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rungshandlung stimmen in diesen Fällen überein. Das Risiko einer einseitigen unrichtigen Kalkulation muss im Regelfall der Erklärende tragen. IÜ lässt sich der Schutz des Erklärenden beim offenen Kalkulationsirrtum auch ohne Rückgriff auf 32 die Irrtumsanfechtung sicherstellen. Insb kann die Auslegung vielfach bereits zu dem Ergebnis führen, dass die Parteien nicht zu dem falsch berechneten Endbetrag abschließen wollten; die Angabe des unrichtigen Betrags stellt in diesem Fall eine unschädliche falsa demonstratio dar (Frankfurt WM 2001, 565; LG Aachen NJW 1982, 1106; MüKo/Kramer Rn 91; Larenz/Wolf AT § 36 Rn 60f; vgl auch BGH NJW 2006, 3139). Voraussetzung ist freilich, dass beide Parteien übereinstimmend nicht das konkrete Ergebnis, sondern die Berechnungsgrundlagen für wesentlich halten. Dem nah verwandt sind Fälle, in denen sich beide Parteien gemeinschaftlich über die Berechnungsgrundlage geirrt haben. Sie lassen sich unschwer über die Grundsätze zum Fehlen der Geschäftsgrundlage (§ 313) lösen (BGH 46, 268, 273; Staud/Singer Rn 60; Larenz/Wolf AT § 36 Rn 62ff). Handelt es sich dagegen um eine einseitige Kalkulation, soll § 313 nur anwendbar sein, wenn der Vertragspartner sich die unrichtige Kalkulation soweit zu eigen gemacht hat, dass eine Verweigerung der Anpassung gegen das Verbot des venire contra factum proprium verstoßen würde (BGH NJW-RR 1995, 1360; s auch BGH NJW 1981, 1551, 1552). Bestand zw den Parteien kein Einvernehmen hins der Berechnungsgrundlagen, so kann bei offen- 33 gelegter Kalkulation zunächst eine Perplexität der Erklärung des Irrenden in Betracht kommen (Medicus Rn 759). Ergibt die Auslegung der Erklärung des einen Teils, dass dieser nur zum korrekten Preis kontrahieren wollte, während der andere Teil zum – falsch berechneten – Endpreis abschließen wollte, ist infolge Dissenses bereits kein Vertrag zustande gekommen (Pal/Ellenberger Rn 21; Larenz/ Wolf AT § 36 Rn 61). IÜ sind die Grundsätze über das Verschulden bei Vertragsverhandlungen heranzuziehen: Hat der Erklärungsgegner selbst in zurechenbarer Weise den Kalkulationirrtum herbeigeführt, haftet er dem Erklärenden nach §§ 311 II, 280 I auf Vertragsaufhebung (Larenz/Wolf § 36 Rn 67, Medicus Rn 761; für Anfechtungsrecht Staud/Singer Rn 59). Ferner kann ein derartiger Anspruch aus cic im Einzelfall bestehen, wenn der Erklärungsgegner es unterlassen hat, den Erklärenden auf einen erkannten Kalkulationsirrtum hinzuweisen (s schon oben Rn 30). Zuletzt kann es dem Erklärungsgegner nach Treu und Glauben verwehrt sein, bei einem erkannten Kalkulationsirrtum Vertragdurchführung zu verlangen (s oben Rn 30). Notwendig ist freilich stets die Kenntnis des Irrtums; bloße Erkennbarkeit genügt nicht (BGH 139, 177, 184; NJW 1980, 180). Dem soll es allerdings gleichstehen, wenn der Erklärungsempfänger sich bewusst einer Kenntnisnahme verschlossen hat (BGH 139, 177, 180; Staud/Singer Rn 66). c) Eigenschaftsirrtum (Abs II). Anders als bei den in Abs I geregelten Irrtümern fallen bei Eigen- 34 schaftsirrtum gem Abs II Wille und Erklärung nicht auseinander. Vielmehr irrt der Erklärende über außerhalb der Erklärung liegende Umstände, die ihn zur Abgabe der Erklärung bewegt haben. Daher liegt es nahe, den Erklärungsirrtum als ausnahmsweise beachtlichen Motivirrtum anzusehen (so Larenz/Wolf AT § 36 Rn 37; Pal/Heinrichs Rn 23; Staud/Singer Rn 79). Freilich ist diese Einordnung nicht unstr. Nach anderer Auffassung soll es sich um einen Erklärungsirrtum eigener Art handeln (Schmidt-Rimpler FS Lehmann 213, 220ff; Soergel/Hefermehl Rn 35). § 119 II diene als Auslegungsregel nur der Klarstellung, dass Eigenschaften einer Person oder Sache auch dann zum gewollten Inhalt der Willenserklärung gehörten, wenn der Erklärende es unterlassen habe, die Eigenschaft, die er sich vorstelle, „unmittelbar“ in seiner Erklärung zu bezeichnen. Schließlich wird vertreten, dass auch die Vorstellungen über die Eigenschaften einer Person oder Sache Bestandteil der Willenserklärung sein könnten; beachtlich sei der Eigenschaftsirrtum nicht infolge des Irrtums, sondern aufgrund der Tatsache, dass der Gegenstand oder die Person hins ihrer Eigenschaften nicht dem Rechtsgeschäft entspreche (Lehre vom geschäftlichen Eigenschaftsirrtum, s Flume § 24, 2b). Konsequenzen hat diese Kontroverse für den Anwendungsbereich der Vorschrift und dabei insb für das Merkmal der „Verkehrswesentlichkeit“ (Medicus AT Rn 768). Allerdings haben sich hier inzwischen praktisch die unterschiedlichen Standpunkte weitgehend angenähert (s sogleich Rn 36). aa) Eigenschaften. Unter den Eigenschaftsbegriff des Abs II fallen neben den auf der natürlichen 35 Beschaffenheit beruhenden Merkmalen auch die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse der Sache oder der Person zur Umwelt, soweit sie nach der Verkehrsanschauung Bedeutung für die Wertschätzung oder Verwendbarkeit haben (BGH 16, 54, 57; 34, 32, 41; 88, 240, 245). Ganz vorübergehende Erscheinungen scheiden regelmäßig als Eigenschaften iSd § 119 II aus (Pal/Ellenberger Rn 23); ebenso zählen zukünftige Umstände nicht zu den Eigenschaften (RG 85, 322, 324f; Stuttgart MDR 1983, 751). Zudem sollen die Beziehungen einer Sache zu ihrer Umwelt nach Auffassung der Rspr nur dann eine Eigenschaft darstellen, wenn sie in der Sache selbst ihren Grund haben, von ihr ausgehen und den Kaufgegenstand kennzeichnen oder näher beschreiben (BGH 16, 54, 57; 70, 47, 48; aA Staud/Singer Rn 85). bb) Verkehrswesentlichkeit. Das Merkmal der Verkehrswesentlichkeit bildet die entscheidende 36 Grenze für die Irrtumsanfechtung. Seine Auslegung wurde lange kontrovers diskutiert (s Staud/Singer Rn 80f und Erman/Palm12 Rn 43). Inzwischen dürfte freilich im Grundsatz Einigkeit darüber bestehen, dass der Begriff weder rein subjektiv noch rein objektiv bestimmt werden kann. So sind nach Auffassung der Rspr zwar grds nur solche Eigenschaften als verkehrswesentlich anzusehen, die infolge ihrer Beschaffenheit und vorausgesetzten Dauer nach den Anschauungen des Verkehrs Einfluss auf die Wertschätzung der Person oder Sache auszuüben pflegen (BGH 16, 54, 57; 88, 240, 245f). Doch verlangt der BGH weiterhin, dass auf das angefochtene Geschäft und seine Zielsetzung abgestellt wird. Als verkehrswesentlich dürften „nur solche Eigenschaften … berücksichtigt werden, die von dem Erklärenden in irgendeiner Weise erkennbar dem Vertrag zugrunde gelegt worden sind“ (BGH A. Arnold

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Rechtsgeschäfte

88, 240, 246; s auch schon BGH 16, 54, 57). Damit kommt die Rspr regelmäßig zu den gleichen Ergebnissen wie die Lehre vom geschäftlichen Eigenschaftsirrtum, die nur solche Eigenschaften als verkehrswesentlich ansieht, auf welche sich das Rechtsgeschäft kraft besonderer Bestimmung oder nach der Art des Geschäftstypus bezieht (Flume, § 24, 2d; s zur Abgrenzung auch Staud/Singer Rn 80 und zu möglichen Unterschieden im Detail Medicus AT Rn 768). Gehört eine Eigenschaft zu dem (durch Auslegung ermittelten) Inhalt der Erklärung, so kann damit auch ein nur subjektiv erheblicher Umstand eine verkehrswesentliche Eigenschaft darstellen (s nur BGH 88, 240, 245f: Werkvertrag mit einem nicht in die Handwerksrolle eingetragenen gewerblichen Bauhandwerker). Liegt keine entspr Erklärung vor, gelten die typischen Eigenschaften als vereinbart. Einschränkungen hins Verkehrswesentlichkeit könnten sich freilich im Anwendungsbereich des AGG ergeben (vgl dazu auch Pal/Ellenberger Rn 26): Wenn dieses eine Benachteiligung aufgrund bestimmter Umstände verbietet, liegt es nahe, auch eine auf entspr Gründe gestützte Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums nicht zuzulassen (s dazu schon Erman/Palm12 Rn 45). 37

cc) Person. Als Person iSv Abs II ist zunächst derjenige anzusehen, auf den sich die fehlerhafte Willenserklärung bezieht; es kann aber auch ein Dritter sein (RG 98, 206, 207; 158, 166, 170; Staud/Singer Rn 86), wenn es nach dem Sinn und Zweck des Geschäfts um dessen Eigenschaften geht, zB bei einem Vertrag zugunsten Dritter. Ausnahmsweise kann es auch auf die Eigenschaften des Erklärenden selbst ankommen, zB wenn er bei einem Vertrag über eine persönliche Leistung irrtümlich annimmt, dass er die zur Erbringung der Leistung erforderlichen persönlichen Eigenschaften besitzt (Flume § 24, 4; MüKo/Kramer Rn 127), oder wenn er bei der Übernahme einer Nebentätigkeit nicht wusste, dass sie mit seiner Haupttätigkeit nicht vereinbar ist (Düsseldorf JW 1921, 537).

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Als verkehrswesentliche Eigenschaften einer Person kann etwa der Gesundheitszustand in Betracht kommen; dies gilt jedoch nur, soweit dadurch die Erfüllung der Vertragspflichten ausgeschlossen wird (BAG AP Nr 3 zu § 119; skeptisch Staud/Singer Rn 90). Schon im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung begründen dagegen bei Arbeitsverträgen grds weder die Schwangerschaft (EuGH NJW 1996, 2077) noch das Geschlecht (Staud/Singer Rn 91) eine verkehrswesentliche Eigenschaft. Auch die Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit können relevant sein (RG 90, 342, 344; MüKo/Kramer Rn 128). Ist eine jur Pers Vertragspartner, kommt es dabei auf ihren maßgeblichen Vertreter an (Soergel/Hefermehl Rn 40). Voraussetzung für eine Anfechtbarkeit ist aber, dass der Vertrag eine vertrauensvolle Zusammenarbeit voraussetzt. Verkehrswesentlichkeit ist daher bei Baubetreuungsverträgen (BGH WM 1970, 906f), Miet- und Pachtverträgen (RG 102, 225, 226) und Maklerverträgen (Staud/Singer Rn 87; Pal/Ellenberger Rn 26) zu bejahen, regelmäßig aber nicht bei Güteraustauschverträgen (RG 107, 208, 212). Vorstrafen können eine verkehrswesentliche Eigenschaft eines Arbeitnehmers darstellen, wenn sie einen Bezug zu seiner Tätigkeit haben (BAG AP Nr 2 zu § 123; Staud/Singer Rn 88). Irrelevant soll mangelnde Wahrheitsliebe bei einem ungelernten Arbeiter sein (BAG NJW 1970, 1565, 1566). Beim Abschluß eines Personalberatungsvertrags soll die Zugehörigkeit der eingestellten Person zur Scientology-Sekte eine verkehrswesentliche Eigenschaft darstellen (LG Darmstadt NJW 1999, 365, 366). Verkehrswesentlich kann schließlich auch die fehlende berufliche Qualifiktion sein. So kann ein Werkvertrag mit einem Handwerkerbetrieb, der nicht in die Handwerkerrolle eingetragen ist, anfechtbar sein, wenn der Betrieb als Meisterbetrieb dargestellt wird und es dem Kunden gerade darauf ankam (Hamm NJW-RR 1990, 523). Hat der Besteller nicht deutlich gemacht, dass er hierauf Wert legt, scheidet eine Anfechtung jedoch aus (BGH 88, 240, 246; LG Görlitz NJW-RR 1994, 117, 118).

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Die Zahlungsfähigkeit und Kreditwürdigkeit eines Darlehensnehmers sollen eine verkehrswesentliche Eigenschaft darstellen (RG 66, 385, 389; Staud/Singer Rn 89; MüKo/Kramer Rn 129; Soergel/Hefermehl Rn 42). Soweit es um Vorleistungspflichten im gegenseitigen Vertrag geht, ist dabei allerdings der Vorrang des § 321 zu beachten (s Rn 8). Bei Bargeschäften spielt die Kreditwürdigkeit dagegen regelmäßig keine Rolle (RG 105, 206, 208f). Ferner kann die Übernahme einer Bürgschaft nicht wegen Irrtums über die Solvenz des Hauptschuldners angefochten werden, da der Bürge nach dem Sinn des Vertrags gerade auch für dieses Risiko einstehen soll (RG 134, 126, 129; MüKo/Habersack § 765 Rn 37; Flume § 24, 4). Ebenso sind der Irrtum des Bürgen über die Verwendung des Kredits, das Bestehen von Ausgleichsansprüchen bei Zahlung oder andere Sicherheiten unbeachtlich (Staud/Singer Rn 86). Dagegen berechtigt den Gläubiger der Irtum über die Zahlungsfähigkeit des Bürgen zur Anfechtung des Kreditgeschäfts mit dem Hauptschuldner (MüKo/Kramer Rn 129; Medicus/Petersen, BürgRecht, Rn 137).

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dd) Sachen. Der Sachbegriff des Abs II ist nicht mit dem des § 90 identisch. Erfasst sind nicht nur körperliche Gegenstände, sondern jeder Gegenstand, der von der Verkehrsanschauung als Objekt des Rechtsverkehrs anerkannt ist (RG 149, 235, 238; BGH WM 1963, 252, 253; BGH LM § 779 Nr 2; Staud/Singer Rn 92), zB Forderungen, Rechte oder auch Sachgesamtheiten wie Unternehmen. Die Sache muss aber Objekt des Rechtsgeschäfts sein (Pal/Ellenberger Rn 27).

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Verkehrswesentliche Eigenschaften einer Sache sind etwa: ihr Alter (BGH 78, 216, 221; NJW 1979, 160, 161); ihre Herkunft oder ihre Echtheit (BGH NJW 1989, 2597, 2599) sowie das Vorhandensein eines Gutachtens, das die Echtheit bestätigt (BGH NJW 1972, 1658), nicht aber die gemeinsame Überzeugung der Vertragsparteien von der Echtheit (Düsseldorf NJW 1992, 1326); Stoff und Bestand (RG 101, 64, 68); der Umfang eines Nachlasses (BGH 106, 359, 363; Düsseldorf NJWE-FER 1999, 242; BayObLG NJW-RR 1999, 590, 592) und die Höhe einer Forderung, die Gegenstand eines Rechtsgeschäfts ist (str, Soergel/Hefermehl Rn 53; Pal/Ellenberger Rn 27; aA BGH LM Nr 2 zu § 779). Keine wesentlichen Eigenschaften bilden dagegen zB künftige Änderungen in der Rspr oder der Gesetze in einer Frage, die die Sache betreffen (RG 112, 329, 332); behauptete, wissenschaftlich aber nicht belegte Ge264

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sundheitsgefahren (LG Karlsruhe MMR 2005, 860, 862); das Eigentum an einer Sache (BGH 34, 32, 41) sowie die Nichtexistenz der Sache; im Gegensatz zu den wertbildenden Faktoren der Wert oder Marktpreis einer Sache (BGH 16, 54, 57; WM 1963, 252, 253); die Kaufkraft des Geldes (RG 11, 257, 259). Bei Grundstücken und Grundstücksrechten sind – bezogen auf den Käufer – die Grenzen (RG 42 Recht 1912 Nr 2797), der Umfang und die Lage (RG 161, 330, 333), die Bebaubarkeit (BGH 34, 32, 41), die Freiheit des Grundstücks von Baubeschränkungen und Straßenbaukosten (RG JW 1912, 850) oder von öffentlichen Lasten, Festlegungen eines Bebauungsplans (Köln VersR 2000, 243), das Recht, die Bebauung des Nachbargrundstücks zu verbieten (RG 61, 84, 87), oder die Kinderfreundlichkeit einer vermieteten Wohnung (LG Essen NZM 2006, 294 = WuM 2005, 47) als wesentliche Eigenschaften angesehen worden. Aus der Sicht des Verkäufers sollen die Genehmigungsfähigkeit des Grundstückskaufpreises und die Höhe von Grundstücksbelastungen keine verkehrswesentlichen Eigenschaften sein (Schleswig VIZ 1993, 34, 35f). Für die Eigenschaft eines Grundpfandrechts kommt es nur auf das Recht selbst, nicht aber auf die wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse des belasteten Grundstücks an (RG 149, 235, 238). d) Motivirrtum. Außerhalb des Abs II berechtigten Irrtümer im Beweggrund (Motivirrtümer) 43 nicht zur Anfechtung. Vielmehr ist der einseitige Motivirrtum regelmäßig unbeachtlich (s schon Vor § 116 Rn 19; anders für vom Geschäftspartner verschuldete oder erkannte Motivirrtümer Staud/Singer Rn 78). Ausnahmen von diesem Grundsatz sieht das Erbrecht in den §§ 2078 II, 2079, 2308 vor. Unerhebliche Motivirrtümer sind demnach etwa Irrtum über den Wert einer Sache (s Rn 41), ein Irrtum über die Entwicklung der Kaufkraft des Geldes (RG 111, 257, 260), der Irrtum über das Bestehen einer Verpflichtung beim Anerkenntnis (RG 156, 70, 74), Kalkulationsirrtümer (s Rn 38) oder Irrtümer über eine kraft Gesetzes eintretende Rechtsfolge (Rn 28). Grds beachtlich sind dagegen beiderseitige Motivirrtümer. Hier gehen beide Vertragspartner über- 44 einstimmend von einem bestimmten unrichtigen Motiv aus. Derartige Irrtümer sind gem § 313 II nach den Grundsätzen über das Fehlen der Ggeschäftsgrundlage zu beurteilen (s Vor § 116 Rn 21). III. Kausalzusammenhang. Voraussetzung für das Anfechtungsrecht nach § 119 ist, dass der Irren- 45 de seine Erklärung bei Kenntnis der Sachlage und verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde (§ 119 I). Damit stellt das Gesetz auf die subjektive und objektive Erheblichkeit des Irrtums ab (s auch Staud/Singer Rn 98). Auf ein Verschulden des Erklärenden kommt es nicht an, so dass auch ein grob fahrlässiger Irrtum eine Anfechtung nicht ausschließt. Die Kausalität des Irrtums für die Willenserklärung ist demnach zunächst subjektiv zu ermitteln. 46 Die subjektive Erheblichkeit des Irrtums ist zu verneinen, wenn der Erklärende auch ohne den Irrtum die Erklärung abgegeben hätte. Hat der Erklärende zB bei seiner Erklärung ein Risiko bewusst in Kauf genommen und verwirklicht sich dieses Risiko, so fehlt es bereits an der subjektiven Kausalität. Ist die subjektive Erheblichkeit gegeben, ist das objektive Element der verständigen Würdigung zu prüfen. Hierfür kommt es darauf an, ob der Erklärende aus nachvollziehbaren Motiven, also „frei von Eigensinn, subjektiven Launen und törichten Anschauungen“ (RG 62, 201, 206; BGH NJW 1988, 2597, 2599; BAG NJW 1991, 2723, 2726) gehandelt hat. Notwendig ist also eine Beurteilung der individuellen Umstände des Erklärenden aus der Sicht eines vernünftigen Dritten. Die objektive Kausalität wird idR fehlen, wenn der Erklärende wegen des Irrtums wirtschaftlich keine Nachteile erleidet (RG 128, 116, 121; Zweibrücken FGPrax 1996, 113, 114). Doch kann etwa beim Verkauf von Kunstgegenständen eine abw Beurteilung geboten sein (BGH NJW 1988, 2597, 2599). An der objektiven Erheblichkeit fehlt es ferner, wenn der Irrtum sich lediglich auf unwesentliche Vertragspunkte bezieht (RG Recht 1915 Nr 2214; Staud/Singer Rn 98) oder wenn der Anfechtende zur Abgabe der entspr Willenserklärung verpflichtet war (München WRP 1985, 237, 238). F. Verzicht, Abdingbarkeit und Verwirkung. Der Erklärende kann auf ein bereits entstandenes An- 47 fechtungsrecht verzichten (s nur Staud/Singer Rn 102). Große praktische Bedeutung hat dies wegen der kurzen Anfechtungsfrist freilich nicht. Möglich ist auch eine nachträgliche Bestätigung (§ 144). Daneben kann die Irrtumsanfechtung auch individualvertraglich im Voraus abbedungen werden (MüKo/Kramer Rn 141; Staud/Singer Rn 86). Dagegen wird ein Verzicht in AGB regelmäßig an § 307 I scheitern (so für den Ausschluss des Einwandes von Preis- und Kalkulationsirrtümern im Bauträgervertrag BGH NJW 1983, 1671; ferner Pal/Ellenberger Rn 3; Staud/Singer Rn 102). Wird vertraglich die Gewährleistung wegen Sachmängeln wirksam ausgeschlossen, so ist damit auch eine Irrtumsanfechtung nach § 119 II ausgeschlossen (BGH 63, 376f; Soergel/Hefermehl Rn 73); denn der Vorrang der §§ 434ff vor der Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtum muss auch dann bestehen, wenn im konkreten Fall keine Rechte wegen eines Sachmangels geltend gemacht werden können (vgl Staud/Singer Rn 102). Nach allg Grundsätzen kann auch eine Verwirkung eines bereits entstandenen Anfechtungsrechts 48 in Betracht kommen (vgl § 242 Rn 101ff; ferner MüKo/Kramer Rn 141). Daneben kann ein Anfechtungsrecht wegen eines Irrtums von vornherein nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein. Das Anfechtungsrecht scheidet insb aus, wenn der Erklärungsempfänger damit einverstanden ist, dass das vom Erklärenden Gewollte statt des irrtümlich Erklärten gilt (Verbot des venire contra factum proprium); die Anfechtung gewährt dem Irrenden kein Reurecht (Pal/Ellenberger Rn 2; Flume § 21, 6; Lobinger, AcP 195 (1995), 274ff). G. Beweislast. Wer sich auf die Nichtigkeit einer Willenserklärung wegen Irrtumsanfechtung beruft, 49 muss sämtliche Voraussetzungen der Anfechtung beweisen (LAG Düsseldorf NZA-RR 2002, 12, 14; AnwK-BGB/Feuerborn Rn 80). Dazu zählt neben dem Vorliegen des Irrtums auch die Erheblichkeit A. Arnold

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des Irrtums. Für den Nachw, dass der Erklärende die irrtumsbedingte Willenserklärung bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung nicht abgegeben haben würde, reicht es aus, wenn er die Tatsachen beweist, die diesen Schluss rechtfertigen (RG HRR 1935 Nr 1372; Staud/Singer Rn 113).

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Anfechtbarkeit wegen falscher Übermittlung Eine Willenserklärung, welche durch die zur Übermittlung verwendete Person oder Einrichtung unrichtig übermittelt worden ist, kann unter der gleichen Voraussetzung angefochten werden wie nach § 119 eine irrtümlich abgegebene Willenserklärung.

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1. Bedeutung. Benutzt der Erklärende eine Mittelsperson oder eine Einrichtung, um seine Willenserklärung zu übermitteln, und wird die Erklärung unrichtig übermittelt, so behandelt das Gesetz diesen Übermittlungsfehler wie einen Irrtum in der Erklärungshandlung nach § 119 I Fall 2. Die Erklärung ist anfechtbar; solange sie nicht angefochten ist, bleibt sie wirksam. Das Risiko der Falschübermittlung trifft also im Verkehrsschutzinteresse den Erklärenden; das gilt unabhängig davon, ob der Erklärende sich der Übermittlung auf eigenen Wunsch bedient oder ob er dabei nach den Vorstellungen des Erklärungsempfängers handelt.

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2. Voraussetzungen. a) Zur Übermittlung einer fremden Willenserklärung muss eine Übermittlungsperson oder Einrichtung eingesetzt werden. Als Übermittlungspersonen kommen auch Dolmetscher (BGH WM 1963, 165, 166) in Betracht. Die Übermittlungsperson überbringt keine eigene, sondern eine fremde Willenserklärung. Deshalb greift § 120 nicht ein, wenn die Erklärung durch einen Stellvertreter abgegeben wird; dieser gibt eine eigene Erklärung ab (§ 164). In diesem Fall kommt es nur auf die Willensmängel des Vertreters an (§ 166 I). Ebenso ist die Vorschrift nicht auf die Falschübermittlung durch einen Empfangsboten anwendbar; dieses Risiko trägt der Empfänger.

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Der Begriff Einrichtung soll eine umfassende Regelung auch für die Fälle sicherstellen, in denen sich der Erklärende zur Übermittlung seiner Willenserklärung nicht einer bestimmten Person, sondern einer organisatorischen Einheit bedient. Der Begriff ist entspr weit zu interpretieren. Er umfasst unabhängig von der jeweiligen Organisation und Übermittlungstechnik alle – öffentlichen und privaten – Einrichtungen, die – auf welche Weise auch immer – eine fremde Willenserklärung an den Adressaten übermitteln. Dazu gehören insb Post und Telekom und alle anderen Anbieter, die Briefe, E-Mails, Fax, SMS etc übermitteln (vgl Fritzsche/Malzer DNotZ 1995, 3, 13f). Unter § 120 fallen auch automatisierte, von einem Computer erstellte Erklärungen (Frankfurt MMR 2003, 405, 406; Hamm NJW 2004, 2601; Hoffmann NJW 2003, 2576, 2577); auch solche Erklärungen haben ihren Ursprung in einer willensgetragenen menschlichen Handlung. Eine fernmündliche Erklärung (zB über Telefon) ist hingegen regelmäßig nach § 119 zu behandeln, weil keine Fremdübermittlung stattfindet.

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b) Der Bote oder die Einrichtung müssen die Erklärung unrichtig übermitteln. Dabei spielt das Maß der Verfälschung im Interesse des Verkehrsschutzes keine Rolle. Eine unrichtige Übermittlung liegt daher selbst dann vor, wenn die Erklärung völlig verändert wird (Soergel/Hefermehl Rn 5). Ebenso liegt eine unrichtige Übermittlung auch noch bei einer Übermittlung an den falschen Empfänger vor (Pal/Ellenberger Rn 3). Allerdings wird in derartigen Fällen vielfach die Erklärung aus Sicht des Empfängers keinen Sinn ergeben, so dass es bereits an einer Willenserklärung fehlt. Die Unrichtigkeit freilich muss gerade im Übermittlungsprozess verursacht sein (vgl auch BGH NJW 2005, 976, 977 zum Fortwirken eines Fehlers bei der Übermittlung einer Aufforderung zum Angebot). Bei der Übermittlung an einen falschen Empfänger ist daher eine Berufung auf § 120 nicht möglich, wenn dieser vom Erklärenden selbst versehentlich benannt worden ist. Ebenso werden Fehler bei der Erklärung, die auf technischen Mängeln des Eingabegeräts oder die vom Erklärenden verwendete Software zurückzuführen sind, von der Vorschrift nicht erfasst; in diesen Fällen kommt aber ggf eine Anfechtung gem § 119 I in Betracht (Hamm NJW 1993, 2321).

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Die Falschübermittlung muss unbewusst erfolgt sein. Bei der bewussten Falschübermittlung (zB bei vorsätzlicher Verfälschung oder freier Erfindung der Willenserklärung) ist § 120 dagegen nicht anwendbar; denn in diesem Fall gibt der „Bote“ eine eigene Willenserklärung ab, die dem Erklärenden nicht zurechenbar ist. Deshalb wird der Geschäftsherr nicht gebunden; eine Anfechtung ist nicht erforderlich (hM, vgl BGH BB 1963, 204; Hamm VersR 1984, 173; Koblenz BB 1994, 819, 820; Oldenburg NJW 1978, 951; aA Marburger AcP 173 [1973], 137, 143ff; ähnlich MüKo/Kramer Rn 4). Der Bote wird in diesem Fall wie ein vollmachtloser Vertreter behandelt (Oldenburg NJW 1978, 951; Pal/Ellenberger Rn 4); wenn also der Erklärende die unrichtige Erklärung nicht genehmigt (§ 177), haftet der bewusst falsch Übermittelnde nach § 179. Entspr gilt, wenn der Bote gar nicht zur Übermittlung der Erklärung beauftragt worden war oder der Übermittlungsauftrag noch vor Weiterleitung der Willenserklärung widerrufen worden ist (BGH NJW 2008, 2702, 2705). Im letzten Fall wird man aber nach dem Rechtsgedanken des § 172 II dennoch eine Bindung des Erklärenden annehmen müssen, wenn der Bote von einer urkundlich verkörperten Willenserklärung Gebrauch macht (Staud/Singer Rn 2).

6

c) Der Erklärungsempfänger darf keine Kenntnis vom wahren Willen des Geschäftsherrn haben. Denn dann liegt eine falsa demonstratio vor (§ 133 Rn 18), so dass für eine Anfechtung kein Bedürfnis besteht. Dagegen soll nach verbreiteter Auffassung die Anwendbarkeit des § 120 nicht ausgeschlossen sein, wenn der Empfänger den Übermittlungsfehler erkennen hätte können oder müssen (so Erman/Palm12 Rn 4; ferner AnwK-BGB/Feuerborn Rn 9; Beck OK BGB/Wendtland Rn 7); das Kennenmüssen des Erklärungsempfängers sei allein im Rahmen des § 122 II von Bedeutung. Dies trifft freilich in dieser Allgemeinheit nicht zu. Wenn der Empfänger den Übermittlungsfehler erkennen konnte, wird die Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont vielfach dazu führen, dass die 266

A. Arnold

Willenserklärung

§ 121

Erklärung in dem vom Erklärenden gemeinten Sinn auszulegen ist oder es bereits an einer eindeutigen Erklärung fehlt. Dann bedarf es aber gar keiner Anfechtung mehr. Ebenso bedarf es selbstverständlich keiner Anfechtung mehr, wenn die Erklärung aufgrund der Verfälschung bei der Übermittlung keinen Sinn mehr ergibt. 3. Rechtsfolge. a) Die Willenserklärung ist vom Geschäftsherrn anfechtbar. Macht er von seinem 7 Anfechtungsrecht rechtzeitig Gebrauch (§ 121), ist die Willenserklärung rückwirkend vernichtet (§ 142). b) Der Anfechtende ist dem Anfechtungsgegner nach § 122 zum Ersatz des Vertrauensschadens 8 verpflichtet; dabei kommt es auf ein Verschulden des Boten nicht an. Es kann auch eine Haftung des Geschäftsherrn aus cic (§ 311 II) in Betracht kommen, wenn er sich bei der Übermittlung einer unzuverlässigen Person bedient hat oder sonstige ihm zurechenbare Fehler vorliegen (skeptisch Staud/ Singer Rn 3). c) Der Übermittler haftet dem Geschäftsherrn aus dem Rechtsverhältnis, das die Übermittler- 9 stellung begründet (Soergel/Hefermehl Rn 10); bei bewusster Entstellung kommt auch eine Schadensersatzpflicht nach § 826 in Betracht (RG SeuffA 94 Nr 70). Auch ggü dem Erklärungsempfänger kann sich eine Haftung des Boten aus unerlaubter Handlung ergeben. Bei der Haftung der Anbieter von Telekommunikationsleistungen wegen unrichtiger Übermittlung einer Willenserklärung ist § 44a TKG zu beachten.

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Anfechtungsfrist (1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist. (2) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.

1. Bedeutung. Die Vorschrift setzt dem Wahlrecht des Anfechtungsberechtigten, ob er sich von sei- 1 ner irrtumsbedingten Erklärung lösen will, in den Fällen der §§ 119, 120 zeitliche Grenzen. Die von der Norm angeordneten äußerst kurzen Fristen sollen den Anfechtungsgegner schützen und verhindern, dass der Anfechtungsberechtigte zB bei Verträgen über Waren, die starken Preisschwankungen unterliegen, auf Kosten des Anfechtungsgegners spekulieren kann (Prot S 235). Erfolgt die Anfechtung nicht innerhalb der von § 121 bestimmten Fristen, so ist der Erklärende an seine Erklärung gebunden. Es handelt sich um eine Ausschlussfrist: Der Verlust des Anfechtungsrechts durch Zeitablauf ist im Prozess von Amts wegen zu beachten (MüKo/Kramer Rn 10). 2. Ausschlussfrist des Abs I. a) Kenntnis des Anfechtungsgrundes. Der Anfechtungsberechtigte 2 muss nach Abs I die Anfechtung unverzüglich erklären, sobald er positive Kenntnis vom Anfechtungsgrund erlangt hat. Dabei ist ihm die Kenntnis seines Vertreters gem § 166 zuzurechnen, soweit dieser auch zur Anfechtung berechtigt ist (BGH MDR 1965, 646; BVerwG NJW 2010, 3048, 3049). Die Kenntnis des Anfechtungsgrundes muss freilich nicht den Grad voller Wahrheitsüberzeugung erreicht haben (Larenz/Wolf § 36 Rn 87; zu § 1954 auch BayObLG NJW-RR 1998, 797, 798; KG NJW-RR 2004, 941, 942f). Ggf soll der Anfechtungsberechtigte daher auch zu einer Eventualanfechtung verpflichtet sein (Pal/Ellenberger Rn 2; Larenz/Wolf § 36 Rn 87; vgl zu einer derartigen vorsorglichen Anfechtung BGH NJW 1968, 2099; 1979, 765). Einfache Zweifel, Vermutungen sowie das bloße Bestehen von Verdachtsgründen genügen dagegen ebenso wenig wie die fahrlässige Unkenntnis des Irrtums (BGH WM 1973, 750, 751; vgl ferner ebenso zu § 123 BAG NJW 1984, 446, 447 und zu § 1954 BayObLG NJW-RR 1998, 797, 798; MüKo/Kramer Rn 5). Den Anfechtungsberechtigten trifft auch keine Nachforschungspflicht. Positive Kenntnis ist aber ausnahmsweise dann anzunehmen, wenn der Anfechtungsberechtigte vor dem sich aufdrängenden Anfechtungsgrund geradezu die Augen verschlossen hat (Staud/Singer Rn 5; MüKo/Kramer Rn 5). Relevant ist iÜ allein die Kenntnis des Anfechtungsgrundes, nicht aber der Anfechtungsbedürftigkeit: Kennt der Anfechtungsberechtigte also die die Anfechtbarkeit begründenden Tatsachen, irrt aber über die Anfechtungsbedürftigkeit, ist seine Kenntnis zu bejahen (RG 134, 29, 32; zu § 1954 auch BayObLG NJW-RR 1997, 72, 74; DNotZ 1999, 78, 80; MüKo/Kramer Rn 5). Liegen mehrere Anfechtungsgründe vor, so beginnt die Frist jeweils mit Kenntnis des einzelnen Grundes (BGH NJW 1966, 39; Staud/Singer Rn 4). b) Unverzüglichkeit. Die Anfechtung muss unverzüglich, dh ohne schuldhaftes Zögern, erklärt 3 werden. Hierbei handelt es sich um eine Legaldefinition, die für das gesamte Privatrecht wie auch für das öffentliche Recht gilt (zB § 377 I, III HGB, § 92 I AktG, § 9 I MuSchG, § 216 II ZPO, § 68b I Nr 8 StGB, § 23 II 3 VwVfG). Die Definition des § 121 I S 1 ist im Zweifel auch dann maßgeblich, wenn der Begriff „unverzüglich“ in einem Rechtsgeschäft verwendet wird (RG 75, 354, 357; Bamberg NJW 1993, 2813, 2814; Hamm NJW-RR 2004, 58, 59; s ferner etwa zu § 2 VIII Nr 2 VOB/B BGH NJW 1994, 1108, 1109). Ob ein Zögern schuldhaft, dh vorsätzlich oder fahrlässig ist, lässt sich nur nach einer Würdigung al- 4 ler Umstände des Einzelfalles entscheiden; dabei müssen die Interessen des Anfechtungsgegners nach Beschleunigung mit der für den Anfechtenden gegebenen Notwendigkeit zur Prüfung und Überlegung abgewogen werden. Unverzüglich bedeutet nicht „sofort“ (s nur RG 124, 116, 118); vielmehr steht dem Anfechtungsberechtigten eine nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessende Prüfungs- und Überlegungsfrist zu (BGH NJW 2005, 1869; Staud/Singer Rn 9). Soweit dies erforderA. Arnold

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§ 121

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

lich ist, kann der Anfechtungsberechtige vorher Rechtsrat einholen (BAG NJW 1991, 2723, 2725; Oldenburg NJW 2004, 168). Allerdings wird in diesen Fällen als zeitliche Obergrenze vielfach eine Frist von zwei Wochen angenommen (Düsseldorf NJOZ 2004, 2078; Hamm NJW-RR 1990, 523; Oldenburg NJW 2004, 168; LG Hamburg NJW-RR 2004, 1568, 1569; skeptisch Staud/Singer Rn 9). Darüber hinaus kann eine Verzögerung durch einen Rechtsirrtum über die Anfechtungsbedürftigkeit gerechtfertigt sein (RG 152, 232); jedoch ist hier beim Verschulden ein strenger Maßstab anzulegen. IÜ soll bei der Anfechtung von Arbeitsverträgen generell die in § 626 II für die außerordentliche Kündigung festgelegte Frist von zwei Wochen heranzuziehen sein; dabei soll es sich allerdings nur um eine Höchstfrist handeln, die nicht generell ausgeschöpft werden darf (BAG NJW 1980, 1302, 1303; 1991, 2725, 2726 mwN; WM 1984, 353; vgl § 611 Rn 266). Muss für den minderjährigen Erklärungsgegner ein Pfleger bestellt werden, hat dies ebenfalls unverzüglich zu erfolgen (RG 156, 334, 336f). 5

c) Relevanter Zeitpunkt für die Anfechtungserklärung. Für die Anfechtung unter Abwesenden enthält Abs I S 2 zur Risikoverteilung eine Sonderregelung: Abw von sonstigen empfangsbedürftigen Willenserklärungen kommt es für die Rechtzeitigkeit der Anfechtungserklärung nicht auf den Zugang, sondern auf deren unverzügliche Absendung an den Anfechtungsgegner (§ 143 II–IV) an; das Verzögerungsrisiko trägt in diesem Fall der Anfechtungsgegner. Diese Regelung gilt allerdings dann nicht, wenn der Anfechtende schuldhaft einen umständlichen Übermittlungsweg wählt; nicht rechtzeitig ist daher die Anfechtung in einer bei Gericht eingereichten Klageschrift (BGH NJW 1975, 39; BVerwG NJW 2010, 3048, 3050; Staud/Singer Rn 11). Die Anfechtungserklärung wirkt nach allg Regeln erst mit dem Zugang; erst zu diesem Zeitpunkt tritt die (rückwirkende) Nichtigkeit ein. § 121 I S 2 betrifft nur die Verzögerungsgefahr, nicht aber die Verlustgefahr. Bei Verlust der Anfechtungserklärung soll aber der Erklärende sich dennoch von seiner Erklärung lösen können, indem er die Anfechtung unverzüglich erneut erklärt (Pal/Ellenberger Rn 4; Soergel/Hefermehl Rn 10; ähnlich auch die hM beim entspr § 355 I S 2, s nur Dresden NJW-RR 2000, 354; MüKo/Masuch § 355 Rn 38).

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d) Die Beweislast für Kenntnis des Anfechtungsberechtigten vom Anfechtungsgrund und für Verzögerung der Anfechtungserklärung trägt der Anfechtungsgegner (BGH NJW 1983, 2034, 2035; BAG NJW 1980, 1302, 1303). Für mangelndes Verschulden hins der Verzögerung ist der Anfechtende beweispflichtig (BGH WM 1959, 348, 349; BAG NJW 1980, 1302, 1304; München NJW-RR 1988, 497, 498; Brandenburg NJW-RR 2002, 578, 580).

7

3. Ausschlussfrist nach Abs II. Das Anfechtungsrecht erlischt endgültig mit Ablauf der in Abs II bestimmten Frist; diese betrug entspr der Höchstfrist der regelmäßigen Verjährung bis zum 31.12.2001 30 Jahre, seither 10 Jahre (Überleitungsvorschrift Art 229 § 6 I, V EGBGB). Die Rechtsfolge tritt unabhängig davon ein, ob der Anfechtungsberechtigte den Anfechtungsgrund kannte oder nicht. Die Frist kann weder gehemmt noch unterbrochen werden; sie wird nur gewahrt, wenn die Anfechtungserklärung innerhalb der Höchstfrist nach Abgabe der Willenserklärung zugeht. Abs I S 2 ist auf diese Ausschlussfrist auch nicht entspr anwendbar.

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Schadensersatzpflicht des Anfechtenden (1) Ist eine Willenserklärung nach § 118 nichtig oder aufgrund der §§ 119, 120 angefochten, so hat der Erklärende, wenn die Erklärung einem anderen gegenüber abzugeben war, diesem, andernfalls jedem Dritten den Schaden zu ersetzen, den der andere oder der Dritte dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut, jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere oder der Dritte an der Gültigkeit der Erklärung hat. (2) Die Schadensersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Beschädigte den Grund der Nichtigkeit oder der Anfechtbarkeit kannte oder infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte (kennen musste).

1

1. Bedeutung. § 122 schützt das Vertrauen auf die Gültigkeit einer gem § 118 nichtigen Scherzerklärung oder einer nach §§ 119, 120 mit Erfolg angefochtenen Willenserklärung. Zum Ausgleich dafür, dass der Erklärende nicht (mehr) an den objektiven Erklärungstatbestand gebunden ist, hat derjenige, der auf die Gültigkeit der Willenserklärung vertraut hat, unabhängig vom Verschulden des Erklärenden einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens. Der Grund für diese Haftung nach dem Veranlassungsprinzip (BGH NJW 1969, 1380) liegt in der Risikoverteilung; der Mangel der Erklärung gehört zum Risikobereich des Erklärenden. Kennt der Anspruchsteller den Grund der Nichtigkeit oder der Anfechtbarkeit oder musste er ihn kennen, so tritt die Schadensersatzpflicht nach Abs II nicht ein, da kein schutzwürdiges Vertrauen zu berücksichtigen ist.

2

2. Anwendungsbereich. Die Schadensersatzpflicht besteht nach dem Gesetzeswortlaut nur, wenn die Willenserklärung nach § 118 (Scherzerklärung) nichtig ist oder wenn sie durch Anfechtung nach §§ 119, 120 rückwirkend vernichtet wurde. Dies gilt allerdings nicht, wenn neben den §§ 118, 119 oder 120 zugleich andere Nichtigkeits- oder Anfechtungsgründe vorliegen. Für die Testamentsanfechtung ist die Vorschrift aufgrund der ausdr Anordnung des § 2078 III nicht anwendbar.

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Von jeher wird aber über eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschrift durch Analogie diskutiert. Weitgehend unstr ist eine entspr Anwendung inzwischen bei fehlendem Erklärungsbewusstsein (s Vor § 116 Rn 15). Möglich soll eine analoge Anwendung der Vorschrift auch in Fällen einer abhanden gekommenen Willenserklärung sein, in denen der Erklärende die Erklärung noch zurückhalten wollte, diese aber aufgrund eines in seine Risikosphäre fallenden Umstands dennoch abgeschickt worden ist (MüKo/Kramer Rn 5; Larenz/Wolf § 26 Rn 7; Canaris JZ 1976, 134; für cic aber wohl Medicus Rn 266 iVm 608). Ebenso soll die Vorschrift entspr angewendet werden, wenn eine Gutschrift von der Bank storniert werden kann (eingehend Staud/Singer Rn 5). Dagegen kann der Regelung nicht der allg Grundsatz entnommen werden, dass derjenige, der auf die Wirksamkeit eines 268

A. Arnold

Willenserklärung

§ 122

Rechtsgeschäfts vertraut hat, vom anderen Teil Schadensersatz verlangen kann, wenn das Rechtsgeschäft aufgrund eines allein in dessen Person liegenden Grundes nichtig ist (Soergel/Hefermehl Rn 2; Pal/Ellenberger Rn 2; aA noch RG 170, 65, 69). Daher lässt sich etwa über eine entspr Anwendung der Vorschrift keine Haftung des Vertretenen bei Geschäftsunfähigkeit des Vertreters herleiten (ebenso Staud/Singer Rn 5; aA Ostheim AcP 169 [1969], 193, 222; MüKo/Kramer Rn 5). Vielmehr trägt nach der gesetzlichen Regelung grds jeder das Risiko dafür, dass der mit ihm Verhandelnde geschäftsfähig ist. Eine Haftung des Vertretenen lässt sich nur aus Verschulden bei Vertragsschluss ableiten, wenn er schuldhaft die Geschäftsunfähigkeit des Vertreters übersehen hat. Ebenso ist eine analoge Anwendung des § 122 bei absichtlicher Falschübermittlung durch den Boten abzulehnen (aA Marburger AcP 173 [1973], 137, 155f; MüKo/Kramer § 120 Rn 4; s zu der Problematik auch § 120 Rn 5). Schließlich ist eine entspr Anwendung beim Dissens nicht zu begründen, da in diesem Fall kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Inhalt einer Erklärung denkbar ist (Staud/Singer Rn 6; aA RG 104, 265, 268). 3. Anspruchsberechtigter. Bei einer empfangsbedürftigen Willenserklärung (Einl § 104 Rn 15) ist 4 immer nur der Erklärungsempfänger anspruchsberechtigt. Das gilt auch für den Vertrag zugunsten Dritter. Ebenso besteht bei der Anfechtung einer Forderungsabtretung für den Schuldner, der an den vermeintlichen Gläubiger gezahlt hat, kein Anspruch nach § 122; er ist aber durch §§ 409f geschützt. Bei einer amtsempfangsbedürftigen oder nicht empfangsbedürftigen Willenserklärung ist jeder ersatzberechtigt, der auf die Gültigkeit der Willenserklärung vertraut und deshalb einen Schaden erleidet. Daher kann auch der Gläubiger des Eigentümers eines zwangsversteigerten Grundstücks Anspruchsberechtigter sein, wenn der Meistbietende sein Gebot angefochten hat und dem Gläubiger ein Vertrauensschaden entstanden ist (BGH NJW 1984, 1950). 4. Ersatzpflicht. a) Umfang. Der Anspruch richtet sich auf den Vertrauensschaden (das negative 5 Interesse). Der Ersatzberechtigte ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er nicht auf die Gültigkeit der Willenserklärung vertraut hätte. Erfasst werden also zB die Aufwendungen des Ersatzberechtigten im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss wie Beurkundungskosten, die eigenen Ersatzleistungen, die der Anspruchsteller ggü Dritten erbringen muss, oder die Aufwendungen, die mit der Durchführung des Vertrags entstanden sind. Auch die Kosten eines Prozesses, der infolge der Anfechtung verloren wird, sind zu ersetzen, wenn die Anfechtung im Prozess erklärt wird (Pal/Heinrichs Rn 4; Staud/Singer Rn 13; BeckOK/Wendtland Rn 8; AnwK/Feuerborn Rn 10; abl BGH NJW 1962, 1670; Celle OLG 1972, 193, 195 unter Hinw auf den Vorrang der §§ 91ff ZPO). Ferner sind im Vertrauen auf die Gültigkeit des angefochtenen Geschäfts ausgeschlagene Gewinnmöglichkeiten durch ein anderes Geschäft zu den als Vertrauensschaden ersatzfähigen Positionen zu rechnen (BGH NJW 1984, 1950, 1951; Hamm NJW 2004, 2601, 2602). Allerdings besteht zugunsten des Geschädigten keine Vermutung, dass dieser ein anderweitiges Geschäft hätte abschließen können, mit dem er den gleichen Gewinn wie mit dem angefochtenen Geschäft hätte erzielen können, da damit aus § 122 praktisch eine Haftung auf das Erfüllungsinteresse abgeleitet würde (für eine derartige Vermutung aber Harke JR 2003, 1, 3ff; dagegen zu Recht Staud/Singer Rn 14). Hat der Ersatzberechtigte in Erfüllung eines nichtigen Vertrags etwas geleistet, kann er das Geleis- 6 tete nach § 122 zurückfordern (s nur Flume, § 21, 7). Dieser Anspruch geht weiter als der ebenfalls bestehende Bereicherungsanspruch nach § 812, da der Anspruch nach § 122 auch den Ersatz zufälliger Beschädigungen des geleisteten Gegenstandes umfasst. Dem Anfechtenden, der in Vollzug des angefochtenen Vertrags geleistet hat, steht dagegen nur der durch § 818 III gefährdete Anspruch aus § 812 zu. b) Maßgeblicher Zeitpunkt. Für den Umfang des zu ersetzenden Vertrauensinteresses ist der Zeit- 7 punkt maßgebend, in dem der Ersatzberechtigte von der Unwirksamkeit der Willenserklärung erfährt oder in dem er bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt die Unwirksamkeit hätte erkennen können. Das ergibt sich aus § 122 II (RG Gruch 57, 907; Staud/Singer Rn 15). Schäden, die nach der Kenntnis entstehen, sind also nicht zu ersetzen. c) Begrenzung durch das Erfüllungsinteresse. Begrenzt wird der Ersatz des Vertrauensschadens 8 durch das Erfüllungsinteresse. Dieses richtet sich auf den Zustand, der bei Gültigkeit der Erklärung und ordnungsgemäßer Erfüllung der versprochenen Leistung eingetreten wäre. Eine Ersatzpflicht nach § 122 besteht damit nicht, wenn das angefochtene Geschäft beim Geschädigten lediglich zu einem Vermögensverlust geführt hätte. 5. Ausschluss der Ersatzpflicht nach Abs II. Die Ersatzpflicht tritt nach Abs II nicht ein, wenn der 9 Geschädigte den Grund der Nichtigkeit oder der Anfechtbarkeit kannte oder kennen musste, da in diesem Fall das Vertrauen in die Wirksamkeit der Willenserklärung nicht schutzwürdig ist. Die praktische Bedeutung der Vorschrift für den Fall der Kenntnis ist freilich gering: Hat der Anspruchsteller den Irrtum erkannt, so wird die Erklärung regelmäßig unabhängig von dem objektiven Erklärungstatbestand bereits so gelten, wie sie gewollt (und verstanden) war, und eine Anfechtung ausscheiden. Für das Kennenmüssen genügt jede Form von Fahrlässigkeit (RG 83, 348, 353). Es reicht zB aus, dass der Anspruchsteller ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Erklärungsübermittlung hat, aber nicht beim Erklärenden rückfragt. Durch § 122 II wird § 254 teilw verdrängt. § 254 findet aber unstr Anwendung, soweit es um den Um- 10 fang des Anspruchs geht, zB wenn der Ersatzberechtigte ihm mögliche Maßnahmen zur Minderung des Schadens unterlassen hat (RG 116, 15, 19; Staud/Singer Rn 18). Unklar ist, ob darüber hinaus entspr § 254 der Anspruch aus § 122 zu kürzen ist, wenn der Geschädigte den Anfechtungsgrund zwar nicht kannte und nicht kennen musste, er aber den Irrtum des Anfechtungsberechtigten durch sein A. Arnold

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§ 122

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

(schuldloses oder schuldhaftes) Verhalten mit veranlasst hat (so BGH NJW 1969, 1380; Soergel/Hefermehl Rn 6). Vorzugswürdig dürfte die Auffassung sein, nach der in diesen Fällen der Anspruch aus § 122 nicht gekürzt wird, sondern aus teleologischen Gründen ganz entfallen muss (MüKo/Kramer Rn 12; Staud/Singer Rn 18; Flume § 21, 7; ähnlich auch schon RG 81, 395, 399, das mit der exceptio doli argumentierte). 11

6. Verhältnis zur cic. Da der Ersatzanspruch nach § 122 keinen Fall der Verschuldenshaftung darstellt, ist er von der Haftung aus cic zu trennen. Beide Ansprüche schließen einander nicht aus (s nur MüKo/Kramer Rn 6; Staud/Singer Rn 19). Die schuldhafte Abgabe der nichtigen oder anfechtbaren Erklärung kann daher eine Verletzung der vorvertraglichen Sorgfaltspflicht sein. Dabei soll auch im Überschneidungsbereich mit § 122 keine Begrenzung der Haftung aus cic auf das Erfüllungsinteresse bestehen, und statt Abs II soll § 254 gelten (MüKo/Kramer Rn 6; Pal/Ellenberger Rn 6; Larenz/Wolf § 36 Rn 121; aA mit beachtlichen Gründen Staud/Singer Rn 19ff).

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7. Verjährung. Vor der Schuldrechtsreform wurde angenommen, dass der Anspruch aus § 122 derselben Verjährung unterliegt wie der Erfüllungsanspruch aus dem angefochtenen Geschäft (BGH 57, 191, 196). An diesem Grundsatz wird man auch jetzt festhalten müssen (Staud/Singer Rn 22; aA Erman/Palm12 Rn 11). Andernfalls wäre es wegen § 199 I Nr 2 möglich, dass der Schadensersatzanspruch später verjährte und damit weiter reichen würde als der Erfüllungsanspruch.

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8. Beweislast. Wer den Anspruch aus § 122 geltend macht, muss die Nichtigkeit der Erklärung nach § 118 bzw die wirksame Anfechtung nach §§ 119f, seine Zugehörigkeit zum Kreis der Anspruchsberechtigten, die Kausalität der Erklärung für den Schaden und die Schadenshöhe beweisen. Der Anspruchsgegner hat die Voraussetzungen für einen Wegfall des Anspruchs zu beweisen sowie die Behauptung, das Erfüllungsinteresse sei geringer als der geltend gemachte Schadensersatzanspruch (MüKo/Kramer Rn 16).

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Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung (1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten. (2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

1

I. Bedeutung. § 123 will die Freiheit der rechtsgeschäftlichen Willensentschließung schützen (vgl Mot I, 204). Die Vorschrift beruht auf dem Gedanken, dass sich eine rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung, wie sie von der Privatautonomie vorausgesetzt wird, nur verwirklichen lässt, wenn sich die Willensbildung frei von Täuschung und Zwang vollziehen kann. Sie schützt nicht das Vermögen, setzt also keinen Vermögensschaden voraus (BGH 51, 141, 147). Freilich ist die auf arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung beruhende Willenserklärung nicht von vornherein (etwa nach § 134, § 138) nichtig. Vielmehr kann der Getäuschte oder Bedrohte sich entscheiden, ob er die Willenserklärung gelten lassen will oder nicht. Will er sich von seiner Erklärung lösen, muss er sie anfechten (§ 123 I); dafür stellt ihm § 124 eine längere Frist als in den übrigen Anfechtungsfällen zur Verfügung. Auch ein Ersatz des Vertrauensschadens (§ 122 I) entfällt. Bei der Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen von Erklärendem und Erklärungsempfänger macht § 123 zw den beiden Tatbeständen einen Unterschied: Bei arglistiger Täuschung wird der Erklärende grds nur dann geschützt, wenn der Erklärungsempfänger die Täuschung selbst begangen hat; bei Täuschung durch einen Dritten greift der Schutz des Erklärenden nur ausnahmsweise ein (§ 123 II). Demgegenüber spielt es bei der widerrechtlichen Drohung keine Rolle, von wem sie verübt wurde.

2

II. Anwendungsbereich. Die Anfechtung nach § 123 ist grds bei allen privatrechtlichen Willenserklärungen, bei öffentlich-rechtl Verträgen (62 VwVfG), sowie bei Willenserklärungen des Bürgers ggü der Verwaltung, auch bei einem gerichtlichen Vergleich (OVG Hamburg NJW 2004, 2111), nicht aber bei reinen Prozesshandlungen und Verwaltungsakten zulässig (Einzelheiten § 119 Rn 2f).

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III. Abgrenzung. 1. Spezialvorschriften. Im Erbrecht (vgl auch § 119 Rn 7) gelten für die Anfechtung der Verfügungen von Todes wegen die Vorschriften der §§ 2078ff, 2281ff. Bei Annahme und Ausschlagung sind §§ 1949, 1954, 2308 zu beachten. Im Familienrecht ist die Aufhebung der Ehe wegen Täuschung oder widerrechtlicher Drohung spezialgesetzlich geregelt (§§ 1313ff). Für den Versicherungsvertrag gelten hins der aufklärungspflichtigen Gefahrumstände die Regeln der §§ 19ff VVG; eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist aber nicht ausgeschlossen (§ 22 VVG; Koblenz VersR 1992, 229). Spezialregelungen können sich auch aus den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft ergeben (s schon § 119 Rn 13).

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2. Konkurrenzen. a) Irrtumsanfechtung. Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und eine solche wegen Drohung schließen sich nicht gegenseitig aus (BGH NJW-RR 1996, 1281, 1282). Neben § 123 kann zugleich ein Anfechtungsrecht nach § 119 gegeben sein: Da eine auf arglistige Täuschung gestützte Anfechtung zugleich die Behauptung eines Irrtums über diejenigen Tatsachen enthält, über die getäuscht worden sein soll, kann sie regelmäßig – auch ohne ausdr Erklärung – eine Irrtumsanfechtung nach § 119 enthalten (BGH 34, 32, 38f; 78, 216, 221; NJW 1979, 160, 161; 1981, 224, 225). Ob dies der Fall ist, muss durch Auslegung ermittelt werden.

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Willenserklärung

§ 123

b) Sittenwidriges Rechtsgeschäft. Eine arglistige Täuschung ggü dem Vertragspartner allein 5 macht ein Rechtsgeschäft noch nicht iSv § 138 sittenwidrig. Kommen neben der arglistigen Täuschung oder der widerrechtlichen Drohung weitere Umstände hinzu, kann jedoch Sittenwidrigkeit nach § 138 vorliegen (Staud/Singer/v. Finckenstein Rn 92). c) Rücktritts- und Kündigungsrechte. Das Anfechtungsrecht gem § 123 wird auch durch etwaige 6 Rücktrittsrechte (zB §§ 323f, §§ 19, 21 VVG), das Bestehen eines Verbraucherwiderrufsrechts (§ 355) und – bei Dauerschuldverhältnissen – durch ein Kündigungsrecht (zB § 543) nicht ausgeschlossen. Diese Rechte können vielmehr wahlweise anstelle der Anfechtung geltend gemacht werden (MüKo/ Kramer Rn 32; Staud/Singer/v. Finckenstein Rn 93). Dabei wird durch die Erklärung des Rücktritts oder der Kündigung eine nachträgliche Anfechtung nicht ausgeschlossen (s nur Schreiber AcP 211 [2011], 35, 52). Diese Grundsätze gelten insb auch für Arbeitsverhältnisse: Bei ihnen wird die Anfechtung nach § 123 nicht durch das Recht zur außerordentlichen Kündigung ausgeschlossen (BAG NJW 1980, 1302, 1303; NJOZ 2006, 2031, 2034). Ferner wird auch im Mietrecht die Anfechtung nach § 123 nicht durch die Gewährleistungs- und Kündigungsregeln (§ 543) verdrängt (BGH NJW 2009, 1266, 1268). Entspr gilt im Kaufrecht: Die Anfechtung nach § 123 wird nicht durch die §§ 434ff verdrängt (vgl BGH NJW 2006, 2839 und – zur entspr Lösung bei der cic – BGH NJW 2009, 2120, 2122; ferner MüKo/Westermann § 437 Rn 55; Looschelders, SchR BT, Rn 17; für das alte Schuldrecht s nur BGH 110, 220, 222). Ist der Vertrag wirksam angefochten, so sind Gewährleistungsansprüche allerdings grds ausgeschlossen (BGH NJW 1960, 237; Soergel/Hefermehl Rn 62; aM Flume, § 31, 6; Derleder NJW 2004, 969, 970). Wird gleichzeitig neben der Anfechtung auch Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend gemacht, wird das dahin auszulegen sein, dass der Erklärende nicht anfechten, sondern unter Ablehnung der Erfüllung das positive Interesse verlangen will (MüKo/Kramer Rn 47). Wird eine Klage auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags wegen eines Mangels abgewiesen, so soll die Rechtskraft dieser Entscheidung eine spätere, auf eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gestützte Klage ausschließen (BGH NJW 2004, 1252, 1253; krit Schulze-Schröder NJW 2004, 1364). d) Deliktische Haftung. Das Anfechtungsrecht nach § 123 konkurriert häufig mit einem Anspruch 7 auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung gem §§ 823 II (§§ 263, 240 StGB), 826. Bedeutsam ist das insb wegen der im Vergleich zu § 124 längeren Frist (§ 195); zudem kann der Geschädigte auch nach Fristablauf gem § 853 die Leistung verweigern. Deliktische Ansprüche führen idR nur zum Ersatz des Vertrauensschadens (BGH 57, 137, 139; NJW 1998, 983, 984). Der Geschädigte kann also verlangen, so gestellt zu werden, wie wenn die Täuschung oder Drohung nicht verübt worden wäre. Hat er wegen des durch Täuschung oder Drohung zustande gekommenen Geschäfts es unterlassen, ein anderes Geschäft abzuschließen, so ist ihm im Rahmen des ngativen Interesses auch der dadurch entgangene Gewinn zu ersetzen. Darüber hinaus soll ausnahmsweise das Erfüllungsinteresse geschuldet sein, wenn die Täuschung sich auf eine werterhöhende Eigenschaft bezog (RG 103, 154, 160; BGH NJW 1960, 237, 238; krit Flume, § 31, 6). Hat ein Dritter getäuscht oder gedroht, kann – abgesehen von §§ 830f – nur von diesem ein Ersatz des Interesses verlangt werden. e) Verschulden bei Vertragsschluss. Neben einer Anfechtung nach § 123 kann wegen Verletzung 8 vorvertraglicher Informationspflichten auch ein Schadensersatzanspruch aus cic iVm § 311 II in Betracht kommen. Problematisch ist, ob dieser Anspruch auch auf Befreiung von der Vertragspflicht gehen kann. Das wird von der Rspr mit Billigung durch einen Teil der Lit seit langer Zeit bejaht, und zwar auch für Fälle nur fahrlässiger Irreführung (BGH NJW 1962, 1196, 1198; NJW 1968, 986, 987; 1998, 302, 303f; 1998, 898, 899; 2001, 436, 438; 2006, 845, 847; NZM 2008, 379; im Grundsatz zust etwa Canaris, AcP 200 [2000], 273, 304ff; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, 426ff; Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997; ähnlich auch Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, 1997, der eine rechtsfortbildende Ausweitung des § 123 vorschlägt). Diese Rspr ist indes im Hinblick auf die gesetzliche Wertung der §§ 123f höchst problematisch (abl etwa Lieb FS RechtswFak Köln 252, 261ff, nach dem ein Anspruch aus cic nicht auf Vertragsaufhebung, sondern nur auf Geldersatz gerichtet sein könne; s auch Erman/Palm12 Rn 8). Sie lässt sich schwer mit der aus § 123 folgenden Wertung vereinbaren, dass allein die vorsätzliche Täuschung zur Vertragsaufhebung berechtigen soll. Zudem gerät sie in Konflikt mit § 124, da der auf cic gestützte Anspruch auf Vertragsauflösung nach Auffassung der Rspr der längeren Regelverjährung des § 195 unterliegen soll (s nur BGH NJW 1962, 1196, 1198; 1979, 1983, 1984; NJW-RR 1988, 744, 745; für eine entspr Anwendung des § 124 dagegen etwa Hamm NJW-RR 1995, 205, 206; Canaris, AcP 200 [2000], 273, 319; Fleischer, AcP 200 [2000], 91, 119; Staud/Singer/von Finckenstein Rn 95). Diesen Bedenken ist der BGH indes mit dem Hinw entgegengetreten, dass eine Aushöhlung der §§ 123, 124 schon deshalb nicht gegeben sei, weil das Anfechtungsrecht die freie Selbstbestimmung schütze, während eine Vertragsaufhebung aus cic das Bestehen eines Vermögensschadens voraussetze; ein solcher liege allerdings nicht nur dann vor, wenn der Vertragsgegenstand den Kaufpreis nicht wert sei, sondern auch, wenn der Betroffene in seinen Vermögensdispositionen beeinträchtigt werde (BGH NJW 1998, 302, 304; 898, 899; abl etwa Lieb, FS Medicus, 337, 342ff; ferner krit gegen diese Abgrenzung und für einen generellen Schutz der Entscheidungsfreiheit auch im Rahmen der cic etwa Canaris, AcP 200 [2000], 273, 314; Fleischer, AcP 200 [2000], 91, 108ff; Grigoleit, NJW 1999, 900, 901f; Lorenz, ZIP 1998, 1053, 1055ff). An dieser Linie hält die Rspr auch nach der Schuldrechtsreform fest (s nur BGH NJW 2006, 845, 9 847; NZM 2008, 379; NJW-RR 2008, 564, 565). Unverändert sollen dabei allerdings Ansprüche wegen Verschuldens bei Vertragsschluss im Sachbereich der §§ 434ff nach Gefahrübergang ausgeschlossen sein, soweit der Verkäufer den Käufer über die Beschaffenheit der Sache nicht arglistig getäuscht hat (BGH NJW 2009, 2120, 2120; zum alten Recht s schon BGH 136, 102, 109; aA BeckOK/Faust § 437 Rn 190). Dies entspricht wohl auch im Grundsatz der Intention des Gesetzgebers, der mit der KodifiA. Arnold

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Rechtsgeschäfte

kation der cic in § 311 II auch die Fallgruppe des nicht erwartungsgerechten Vertrags erfassen wollte. Insb wird die Problematik nicht durch § 324 erfasst, da diese Vorschrift vorvertragliche Schutzpflichtverletzungen nicht erfasst und es überdies nicht sachgerecht wäre, eine Vertragsauflösung nur bei Unzumutbarkeit für den Betroffenen zuzulassen (AnwK-BGB/Dauner-Lieb § 324 Rn 9; Mankowski ZGS 2003, 91ff; aA BeckOK/Grothe § 324 Rn 5; Grunewald, FS Wiedemann, 75ff). Fraglich erscheint es indes, ob noch am Erfordernis eines Vermögenssschadens festgehalten werden kann; denn nach der Gesetzesbegründung soll zu den nach § 241 II geschützten Interessen auch die Entscheidungsfreiheit gehören (BT-Drucks 14/6040, 126, 163); folgt man dem, müsste ein Anspruch aus §§ 311 II, 241 II wegen Herbeiführung eines nicht erwartungsgerechten Vertrags unabhängig vom Vorliegen eines Vermögensschadens eröffnet sein (vgl auch Staud/Singer/v Finckenstein Rn 95; Kersting JZ 2008, 714, 717f). 10

IV. Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. 1. Willenserklärung. Dem Erklärenden steht ein Anfechtungsrecht zu, wenn er durch ein Verhalten des Erklärungsgegners arglistig zu der Abgabe einer Willenserklärung motiviert worden ist, die er sonst nicht oder mit anderem Inhalt abgegeben hätte. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine ausdr oder eine stillschw oder empfangsbedürftige oder nicht empfangsbedürftige Willenserklärung handelt. Auch eine gesetzlich fingierte Willenserklärung ist anfechtbar (MüKo/Kramer Rn 5). Verfügungsgeschäfte sind anfechtbar, wenn sie selbst auf einer arglistigen Täuschung beruhen (Grigoleit AcP 199 [1999], 379, 404f, 419). Eine Tatsachenerklärung (zB Widerruf ehrenkränkender Behauptung) ist hingegen kein Rechtsgeschäft; deshalb greift § 123 nicht ein (BGH NJW 1952, 417).

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2. Täuschungshandlung. § 123 setzt keine besondere Art von Täuschungshandlung voraus. Man versteht darunter – wie beim Betrug (§ 263 StGB) – jedes Verhalten (Vorspiegelung falscher, Entstellung bzw Unterdrückung wahrer Tatsachen), das in dem Erklärenden eine unrichtige Vorstellung hervorrufen, bestärken oder unterhalten soll (s Staud/Singer/v Finckenstein Rn 6). Die Täuschung kann durch positives Tun oder durch Unterlassen begangen werden.

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a) Täuschung durch positives Tun. Die Täuschung durch positives Tun liegt in der – ausdr oder konkludenten – wahrheitswidrigen Behauptung von Tatsachen. Als Tatsachen kommen dabei alle objektiv nachprüfbaren – auch rechtlichen – Umstände in Betracht, die für den Entschluss des Erklärenden, das Geschäft vorzunehmen, von Bedeutung gewesen sind; bloße Werturteile oder marktschreierische Anpreisungen genügen nicht (BGH NJW 2007, 357, 359; NJW-RR 2007, 1202, 1204). IÜ kann es sich sowohl um äußere, sinnlich wahrnehmbare Umstände wie auch sog innere, die Einstellung eines Menschen betreffende Tatsachen wie etwa die Absicht, den Vertrag nicht erfüllen zu wollen, handeln (BGH LM Nr 12 zu § 123; AnwK-BGB/Feuerborn Rn 26). Ob der Erklärungsgegner verpflichtet war, bestimmte Umstände zu offenbaren, ist dagegen ohne Belang; macht er von sich aus Angaben über bedeutsame Umstände, müssen diese der Wahrheit entsprechen (BGH NJW 1964, 811). Der täuschende Inhalt der vom Erklärungsgegner gemachten Angaben ist durch Auslegung zu ermitteln. Er kann sich nicht nur aus objektiv unrichtigen oder unvollständigen Angaben, sondern – vor allem bei schriftlichen Äußerungen – auch aus der Aufmachung der Äußerung und/oder aus einer unklaren, irreführenden, verzerrenden oder entstellenden Darstellungsweise ergeben (BGH NJW-RR 1998, 904, 905; 2005, 1082, 1083f; vgl auch BGH NJW 2001, 2187, 2188 zu § 263 StGB). Getäuscht werden kann etwa über den Namen des Geschäftspartners (vgl RG Recht 1918 Nr 471), seine berufliche Stellung oder seine Qualifikation, über Eigenschaften des Geschäftsgegenstandes (BGH NJW 1960, 237 – Kilometerstand eines Pkw; NJW 1995, 955 = LM Nr 76 „generalüberholt“; NJW 2006, 2839 – „unfallfrei“; KG OLG 1972, 402, 403 – Bezeichnung als „neu“; Düsseldorf NJW-RR 1995, 686 – Qualität einer Ferienwohnanlage bei Time-sharing), selbst wenn sie nicht verkehrswesentlich (§ 119 II) sind, über die Erfolgsaussichten bei der Rechtsverfolgung aus einer Forderung (BGH VIZ 2001, 485, 487), über die Möglichkeit, den Erwerb einer Immobilie durch Erträge und Steuervorteile zu finanzieren (KG NJW 1998, 1082, 1083), durch unrichtige Angaben über die Schutzrechtslage bei einem Lizenzvertrag (BGH NJW-RR 1998, 904, 905), über die Echtheit und/oder das Alter eines Kunstwerks oder einer Antiquität, durch die Bezeichnung eines wesentlich überhöhten Preises als „ordentlicher Preis“ (Saarbrücken OLG 1981, 248, 249) oder die unrichtige Vorspiegelung eines günstigen Preises aufgrund der Herkunft eines Kunstwerks (Hamm NJW-RR 1993, 628, 629), durch irreführende unwahre Werbung (Frankfurt NJW-RR 2005, 1145), durch die Bezeichnung eines über der Preisempfehlung des Herstellers liegenden Preises als „Sonderpreis“ (Frankfurt DAR 1982, 294), durch Anpreisen überteuerter Diamanten als Ersatzwährung (LG Frankfurt aM NJW-RR 1994, 241), durch Verteuerung eines Darlehens durch verstecktes „packing“ (Stuttgart NJW 1985, 2597, 2598; vgl § 138 Rn 96ff), durch Äußerung einer falschen Rechtsansicht (KG OLG 1972, 257, 261; vgl auch Karlsruhe ZIP 2006, 557, 558). Eine Täuschungshandlung liegt auch darin, dass ein Stellenbewerber, von dem ein handgeschriebener Lebenslauf erbeten wird, einen Lebenslauf einreicht, den er nicht eigenhändig geschrieben hat (BAG AP Nr 24).

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b) Täuschung durch Unterlassen (Aufklärungspflichten). Die Täuschungshandlung kann auch in einem Unterlassen (Verschweigen) liegen, wenn ggü dem Vertragspartner – trotz der gegensätzlichen Interessen, die sich bei Vertragsverhandlungen gegenüberstehen – eine Offenbarungspflicht hins des verschwiegenen Umstandes besteht. Aufklärungspflichten sind teilw gesetzlich geregelt (zB Art 246ff EGBGB, §§ 4ff BGB-InfoV, § 19 VVG). Darüber hinaus bestehen aber auch in vielen Bereichen (ungeschriebene) Aufklärungspflichten, wenn der Erklärende nach Treu und Glauben und den im Verkehr herrschenden Anschauungen im Einzelfall wegen der Bedeutung des verschwiegenen Umstandes für seine Entschließung mit einer Aufklärung rechnen durfte (BGH NJW 1970, 653, 655; 1971, 1795, 1799; 1989, 763, 764; 1998, 1315, 1316; NJW-RR 1991, 439, 440; 2008, 258, 259; BAG NZA 1991, 719; NJOZ 2004, 272

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4096, 4098). Freilich besteht keine allg Pflicht, ungefragt alle Umstände offenzulegen (s nur BGH NJW 1983, 2493, 2494; MüKo/Kramer Rn 18). Vielmehr muss jede Partei grds die für ihre Entscheidung maßgeblichen Umstände selbst ermitteln. Eine Aufklärungspflicht kann sich daher immer nur aus besonderen Gründen anhand der Umstände des Einzelfalles ergeben (statt vieler BGH NJW 1983, 2493, 2494). Dabei kann der Pflicht zur Aufklärung auch eine Untersuchungspflicht vorausgehen (Köln NJW-RR 1997, 1214). Bestand und Umfang der jeweiligen Aufklärungspflicht werden auch vom Kenntnisstand der anderen Seite bestimmt (vgl zB Brandenburg NJOZ 2003, 3104, 3108). Eine Aufklärung kann nicht erwarten, wer über die erforderlichen Informationen in eigenen Akten oder Datenspeichern verfügt oder etwa den Mangel einer Kaufsache bei einer Aufmerksamkeit, wie sie im eigenen Interesse geboten ist, selbst feststellen kann (BGH 132, 30, 34; NJW 2001, 64). Keine Aufklärungspflicht besteht überdies allg bei Geschäften mit spekulativem Charakter hins der spezifischen Risiken derartiger Geschäfte (AnwK-BGB/Feuerborn Rn 36; Pal/Ellenberger Rn 5c). aa) Gezielte Nachfrage. Zu einer wahrheitsgemäßen Aufklärung ist der Erklärungsgegner stets ver- 14 pflichtet, wenn eine Nachfrage zu einem bestimmten Punkt oder zu einem Fragenkomplex erfolgt (BGH 74, 383, 392; NJW 1977, 1914, 1915; BAG NJW 1994, 1363, 1364). Durch ein solches Verhalten bringt der Erklärende zum Ausdruck, dass dieser Umstand für seine Entschließung von Bedeutung ist. Dem Befragten steht es zwar frei, die Beantwortung ausdr abzulehnen. Schon die unvollständige Beantwortung kann aber eine Täuschungshandlung begründen (Mankowski JZ 2004, 121; Nürnberg DAR 1978, 198; LG Köln VersR 1978, 957); freilich wird es sich hierbei regelmäßig bereits um eine Täuschung durch positives (konkludentes) Tun handeln. Bei einer objektiv unrichtigen oder unvollständigen Antwort liegt gleichwohl keine Täuschung vor, soweit die Nachfrage über die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen aufmerksamen und gewissenhaften Adressaten einer solchen Frage hinausgeht (Celle NJW-RR 2006, 681, 682). Keine Täuschung liegt auch in der wahrheitswidrigen Antwort auf die Frage eines Arbeitgebers nach einer Schwerbehinderung, wenn diese offensichtlich war (BAG NJW 2001, 1885). Zur unwahren Beantwortung einer unzulässigen Frage vgl Rn 20. bb) Besonderes Vertrauensverhältnis. Besteht zw dem Erklärungsempfänger und dem Erklären- 15 den ein besonderes Vertrauensverhältnis, kann dies auch für das Bestehen einer Offenbarungspflicht sprechen (AnwK-BGB/Feuerborn Rn 34; Pal/Ellenberger Rn 5c). Ein solches Verhältnis ist aber stets nur aus besonderen Gründen anzunehmen. Es kann vorliegen bei persönlicher, familiärer Verbundenheit der Geschäftspartner (BGH NJW 1992, 300, 302), bei langjähriger Geschäftsbeziehung der Parteien, bei Dauerschuldverhältnissen mit enger, persönlicher Vertrauensbeziehung und innerhalb von Gesellschaftsverhältnissen, insb bei Personengesellschaften (AnwK-BGB/Feuerborn Rn 34). cc) Besondere Stellung des Erklärenden. Aufklärungspflichten können sich auch aus der besonde- 16 ren Stellung des Erklärenden und des Erklärungsgegners im Wirtschaftsverkehr ergeben. Das ist einmal der Fall, wenn dem Erklärungsgegner aufgrund seiner Fachkunde eine besondere Vertrauensstellung zukommt, auf die sich der nicht sachkundige und/oder unerfahrene Erklärende verlassen darf (zB Architekt: BGH MDR 1978, 1009; Bankier: RG 111, 233, 234; gewerblicher Vertreiber von Warentermin- oder Optionsgeschäften uÄ: BGH 80, 80, 82; 124, 151, 155; NJW 1994, 997; NJW-RR 1996, 947; 1997, 176; 1998, 1271, 1272; Gebrauchtwagenhändler: Düsseldorf VersR 1993, 1027; Köln NJW-RR 1997, 1214). Aus dieser Stellung kann die Pflicht folgen, über die maßgeblichen fachlichen Umstände aufzuklären und einen zutr Rat zu erteilen. Zum anderen kann diese Pflicht auch aus einer besonderen Schutzbedürftigkeit des Erklärenden folgen. Ist für den Erklärungsgegner erkennbar, dass die Erklärung maßgeblich auf der geschäftlichen Unerfahrenheit des Erklärenden beruht, trifft den Erklärungsgegner nach Treu und Glauben die Pflicht, Rücksicht zu nehmen und den unerfahrenen Geschäftspartner zunächst aufzuklären (BGH 47, 207, 211; NJW 1992, 300, 302; 1997, 3230, 3231). Auch im Arbeitsverhältnis können sich Aufklärungspflichten des Arbeitgebers aus der besonderen Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers ergeben (BAG NJW 1989, 247 – Aufklärungspflicht bei Aufhebungsvertrag). Allerdings begründet die besondere fachliche Kenntnis oder Erfahrung eines Vertragsteils keine Pflicht, einen Kunden, der sich erfahren gibt und eine Aufklärung ausdr nicht wünscht, vor sich selbst zu schützen (BGH NJW-RR 1996, 947, 948; 1997, 176, 177). dd) Offensichtliche Bedeutung für den anderen Teil. Eine Aufklärungspflicht kann auch für solche 17 Umstände bejaht werden, die nach der Interessenlage der Parteien und den Verkehrserfordernissen eine herausragende Bedeutung für den Vertrag haben. Das sind die für die Entschließung des anderen Teils offensichtlich bedeutsamen Umstände, insb solche, die den Vertragszweck vereiteln oder gefährden können (BGH NJW 1979, 2243; NJW-RR 1998, 1406). Sie müssen so bedeutsam sein, dass der Erklärungsempfänger vernünftigerweise nicht davon ausgehen konnte, der Erklärende lege auf deren Vorhandensein keinen Wert. So hat etwa der Übernehmer von Dienstleistungen, Werkleistungen oder Geschäftsbesorgungen, bei dem nach Rechtsvorschriften oder der Verkehrsüblichkeit eine bestimmte Qualifikation erwartet werden kann, den Vertragspartner darüber aufzuklären, wenn er diese Qualifikation nicht hat (Bsp bei Übernahme von Architektenleistungen: Düsseldorf NJW-RR 1993, 1173, 1175; Nürnberg NJW-RR 1998, 1713, 1714). Beim Kaufvertrag hat der Verkäufer den Käufer über solche Eigenschaften des Vertragsgegenstan- 18 des aufzuklären, die nach der Verkehrsauffassung Voraussetzung für eine sachgemäße Benutzung sind. Hiernach besteht bei Verträgen über gebrauchte Fahrzeuge, Maschinen oÄ eine Aufklärungspflicht über einen begründeten Verdacht auf Unfallschäden (Frankfurt NJW-RR 1999, 1064), über Schwere und Ausmaß von Unfallschäden (BGH 29, 148, 150; 63, 382, 386; Köln NJW-RR 1995, 51; nicht dagegen bei bloßen Bagatellschäden: BGH NJW 1982, 1386), über Umstände, welche die Verkehrssicherheit und Verkehrszulassung betreffen, im Einzelfall auch über die uneingeschränkte Brauchbarkeit (BGH NJW 1971, 1795, 1799) oder über ungewöhnliche Besonderheiten der Ausstattung A. Arnold

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Rechtsgeschäfte

(Düsseldorf NJW-RR 1993, 1463), nicht aber ohne weiteres über die Herstellung im Ausland (Köln NZV 1995, 485, 486; anders bei einem Gebrauchtwagen Saarbrücken NJW-RR 1999, 1063) oder über die bisherige Nutzung (Düsseldorf NJW-RR 1997, 427). Zu informieren ist ferner: über den fabrikneuen oder nicht fabrikneuen Zustand des Kaufgegenstandes (Zweibrücken NJW-RR 1998, 1211, 1212); über das Fehlen einer notwendigen öffentlich-rechtl Genehmigung (BGH NJW 1979, 2243; 1990, 1661, 1662; 2003, 2380, 2381); über bestandskräftige öffentlich-rechtl Nutzungsbeschränkungen (BGH NJW-RR 1988, 1290); beim Verkauf eines Grundstücks über massive alte Fundamentreste (Köln NJW-RR 2000, 1264, 1265); über die Lage eines Grundstücks im Landschaftsschutzgebiet (Oldenburg NJW-RR 2003, 448, 449); über Feuchtigkeitsschäden eines Hauses (KG MDR 2006, 200; vgl auch BGH NJW 1993, 1703, 1704); über das Fehlen einer notwendigen Hochwasserabsicherung (BGH NJW-RR 1992, 334); über Mängel der Fäkalienhebeanlage eines Hauses (BGH NJW 1990, 847); über schikanöses Verhalten von Nachbarn oder Miteigentümern (BGH NJW 1991, 1673, 1675; Hamm NJW-RR 1997, 1168); bei einem Vertrag über ein Mietobjekt über mangelnde Bonität eines Mieters (BGH NJW-RR 2003, 700, 701), nicht hingegen über eine bereits einige Zeit zurückliegende bordellähnliche Nutzung eines Gebäudes (Hamm NJW-RR 2000, 1183); über die Kontaminierung eines Grundstücks mit Altölrückständen (BGH NJW 2001, 64); über die vorherige Nutzung eines Grundstücks als wilde Müllkippe oder Deponie (BGH NJW 1991, 2900, 2901; 1995, 1549, 1550), nicht dagegen ohne weiteres über den vorherigen Betrieb einer chemische Reinigung (Celle NJW-RR 1997, 848); über erheblichen Holzbockbefall (vgl BGH NJW 1965, 34), nicht dagegen über die Gefahr eines Befalls mit Hausschwamm, wenn der Käufer die gefahrbegründenden Umstände kennt (BGH NJW-RR 2003, 772). Bei einem Unternehmenskauf ist der Stand der Verbindlichkeiten zu offenbaren, wenn ihr Umfang zur Insolvenz führen und die Überlebensfähigkeit des Unternehmens gefährden kann (BGH NJW-RR 1998, 1406, 1407; NZG 2002, 644, 645). Nimmt ein Verkäufer an, dem Käufer sei es möglich, aus Indizien auf einen Mangel der Kaufsache zu schließen, so muss er von sich aus tätig werden, wenn er erkennt, dass der Käufer gleichwohl eine entspr Untersuchung der Kaufsache unterlässt (BGH NJW-RR 1997, 270). 19

Bei Bauherrenmodellen ist über die Anhängigkeit eines finanzgerichtlichen Verfahrens hins der Steuervorteile (Düsseldorf NJW-RR 1986, 320, 321; vgl auch Nürnberg NJW-RR 2002, 1705, 1706), nicht hingegen ohne weiteres über die Risiken des Beitritts zu einem Mietpool zu informieren (BGH NJW 2007, 2396, 2397; BKR 2008, 243, 244). Beim Beitritt zu einem Fonds ist darüber zu informieren, wenn höhere Vertriebsprovisionen anfallen, als es im Prospekt angegeben ist (BGH NJW 2007, 2407, 2408; 3272, 3273; NZG 2009, 710, 713). Der (Unter-)Vermieter hat ggü dem Untermieter einen Mietrückstand im Hauptmietverhältnis zu offenbaren (BGH NJW-RR 1999, 882). Beim Abschluss von Versicherungsverträgen, die mit der Gesundheit des Versicherten zu tun haben (Lebensversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung, Krankenversicherung), bestehen weitgehende Offenbarungspflichten zu Vorerkrankungen, auch wenn nach diesen nicht gefragt worden ist (Bsp: BGH NJW-RR 1995, 216, 217; NJW 2010, 289, 290; Köln VersR 1996, 831; Saarbrücken VersR 1996, 488; KG r + s 2008, 209). Beim Abschluss einer Feuerversicherung ist über ernsthafte Brandstiftungsdrohungen aufzuklären (KG NJW-RR 1999, 100). Dabei verlieren Versicherer das Anfechtungsrecht in den genannten Fällen auch nicht dadurch, dass sie ihrer Nachfrageobliegenheit nicht nachgekommen sind (BGH NJW-RR 2007, 1519). Bei Abschluss eines Unterhaltsvergleichs ist der Unterhaltsgläubiger zur Offenlegung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse verpflichtet (BGH NJW 1999, 2804).

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3. Widerrechtlichkeit der Täuschung. Nach dem Gesetzeswortlaut wird nur bei der Anfechtung wegen Drohung, nicht dagegen bei der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung Widerrechtlichkeit vorausgesetzt. Dieser Unterschied erklärt sich daraus, dass der Gesetzgeber davon ausging, eine vorsätzliche Täuschung sei stets widerrechtlich (Mugdan I, 965). Dabei hat der Gesetzgeber eine Fallgruppe übersehen, die besonders im Arbeitsvertragsrecht eine Rolle spielt: Fragen des Arbeitgebers an den (zukünftigen) Arbeitnehmer sind grds nur zulässig, soweit der Arbeitgeber ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Antwort im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis hat (BAG NJW 1958, 516, 517; 1985, 645; 1994, 1363, 1364; 1996, 2323, 2324; 2001, 1885). Da der Bewerber, wenn er eine nach diesen Grundsätzen unzulässige Frage wahrheitsgemäß beantwortete oder die Antwort verweigerte, im Regelfall die Stelle nicht bekäme, muss er zur Lüge berechtigt sein. Eine Chance, eingestellt zu werden, hat er nur, wenn er die unzulässige Frage bewusst wahrheitswidrig beantwortet. Wird er daraufhin eingestellt, kann der Arbeitgeber nicht mit Erfolg wegen arglistiger Täuschung anfechten. Das BAG hat in derartigen Fällen zunächst eine Anfechtung nach § 123 mangels Arglist abgelehnt (BAG NJW 1958, 516, 517; 1962, 74, 75). Richtigerweise fehlt es indes an der Widerrechtlichkeit der Täuschung (hL, s nur Staud/Singer/von Finckenstein Rn 30; ebenso wohl jetzt auch BAG NJW 1991, 2723, 2724).

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Eine Täuschung durch Unterlassen ist stets rechtswidrig, da sie eine Offenbarungspflicht voraussetzt. Bei einer Täuschung durch positives Tun scheidet eine Rechtswidrigkeit dagegen aus, wenn eine unzulässige Frage wahrheitswidrig beantwortet wird. Unzulässig ist eine Frage, wenn der andere Teil an der wahrheitsgemäßen Beantwortung der Frage kein „berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse“ hat (s die Nachw in der vorherigen Rn). Dabei kommt es regelmäßig darauf an, ob der Umstand für den angestrebten Arbeitsplatz von Bedeutung ist (s schon BAG NJW 1968, 516, 517; ferner BAG NJW 1984, 645). Andernfalls überwiegt das Interesse des Arbeitnehmers am Schutz seines Persönlichkeitsrechts und an der Unverletzlichkeit seiner Individualsphäre. IÜ sind aber auch die aus speziellen Arbeitnehmerschutzgesetzen folgenden Wertungen sowie die Vorgaben des AGG zu beachten; auf Fragen, die sich auf die nach § 1 AGG unzulässigen Differenzierungsmerkmale beziehen, darf auf jeden Fall eine falsche Antwort gegeben werden (ErfK-Preis, § 611 BGB Rn 272; Wisskirchen/Bissels NZA 2007, 169, 170f, dort auch zu dem Problem, ob bereits die Frage § 7 AGG unterfällt). Im Einz ist nach diesen Grundsätzen bei Begründung eines Arbeitsverhältnisses 274

A. Arnold

Willenserklärung

§ 123

die Frage nach früheren Arbeitgebern und der Dauer der Beschäftigung stets zulässig (LAG Köln NZA-RR 1996, 403, 404). Nach Vorstrafen darf nur gefragt werden, wenn dies objektiv für die Eigenart des zu besetzenden Arbeitsplatzes erforderlich ist (BAG NJW 1958, 516, 517; 1999, 3653, 3654). Werden die Vorstrafen nach §§ 33ff BZRG nicht in das Führungszeugnis aufgenommen oder sind sie getilgt (§§ 45ff BZRG), darf sich der Arbeitnehmer insoweit als unbestraft bezeichnen (ErfK/Preis § 611 BGB Rn 281). Nach der Behinderung bzw Schwerbehinderung darf der Arbeitgeber dagegen im Hinblick auf die Regelungen des AGG und § 81 SGB IX grds nicht fragen (LAG Hamm v 19.10.2006 – 15 Sa 740/06; ErfK-BGB/Preis § 611 BGB Rn 274; Pal/Weidenkaff Rn 6; Joussen NJW 2003, 2857, 2859f; aA noch BAG NZA 1996, 371, 372; NJW 2001, 1885). Dies soll allerdings nicht gelten, wenn die Behinderung die Erbringung der Arbeitsleistung unmöglich macht (ErfK/Preis § 611 BGB Rn 274). Dagegen sind Fragen nach Krankheiten in weiterem Umfang zulässig (zur Abgrenzung ErfK/Preis, § 611 BGB Rn 274). Zwar darf nach ausgeheilten früheren Krankheiten vom Arbeitgeber nicht gefragt werden (Soergel/Hefermehl Rn 18); im Hinblick auf bestehende Krankheiten sind dagegen Fragen zulässig, soweit sie der Erfüllung der Arbeitspflicht entgegenstehen können (BAG NJW 1964, 1197, 1198; 1985, 645). Zulässig soll auch die Frage nach einer AIDS-Erkrankung sein (Richardi NZA 1988, 73, 74). Unzulässig ist dagegen die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit (BAG NZA 2000, 1294, 1295). Auch Fragen, die in die Intimsphäre eingreifen, müssen nicht beantwortet werden (LAG Düsseldorf BB 1972, 706). Nach einer Bereitschaft zum Wechsel des Wohnortes darf nur gefragt werden, wenn eine Vereinbarung über den zukünftigen Wohnort rechtswirksam wäre (LAG Nürnberg NZA-RR 2004, 298). Unzulässig ist auch die Frage nach dem in der vorherigen Stellung bezogenen Gehalt, wenn die bisherige Vergütung für die erstrebte Stelle keine Aussagekraft und der Bewerber sich bei seiner Gehaltsforderung auch nicht auf sein bisheriges Gehalt bezogen hat (BAG AP Nr 25). Unzulässig ist die Frage nach einer bestehenden Schwangerschaft (EuGH NJW 1991, 628; 2001, 123, 124; 2003, 1107; BAG NJW 1993, 1154, 155; NZA 2003, 848, 849). Im Zusammenhang mit einem Vergleich im Kündigungsschutzprozess soll auch die Frage nach einer Anschlussbeschäftigung unzulässig sein (ArbG Rheine BB 1993, 1810; aA Liebscher BB 1993, 2236, 2237). Fragen nach einer früheren MfS-Tätigkeit in der DDR sind bei Einstellung im öffentlichen Dienst grds zulässig (BVerfG NJW 1997, 2307, 2308; BAG NZA 1994, 25, 26; 1998, 1052; NJOZ 2006, 2031, 2035f; für private Arbeitgeber skeptisch ErfK/ Preis § 611 BGB Rn 285). Abw gilt allerdings im Hinblick auf das allg Persönlichkeitsrecht des Betroffenen für Vorgänge, die vor dem Jahr 1970 abgeschlossen waren (BVerfG NJW 1997, 2307, 2309; anders bei schwerwiegender Mitarbeit BAG NJW 2001, 701, 702). Auch außerhalb des Arbeitsrechts kann eine Frage gelegentlich unzulässig sein. In Betracht 22 kommt dies insb im Mietrecht. Auch hier wird man das Persönlichkeitsrecht des Mieters berücksichtigen müssen und nur solche Fragen für berechtigt halten können, die für das Mietverhältnis relevant sind (eingehend Staud/Singer/v. Finckenstein Rn 44; Fischer NZM 2005, 567, 573). Zulässig können danach etwa Fragen über die Bonität des Mieters sein (LG Köln ZMR 1984, 278, 279; AG Bonn WuM 1992, 597; AG Wolfsburg NZM 2001, 987, 988). Unzulässig ist dagegen etwa die Frage nach dem Familienstand (überzeugend Staud/Singer/v. Finckenstein Rn 44; aA LG Landau WuM 1986, 133; Fischer NZM 2005, 567, 574). Ebenso besteht keine Pflicht zur wahrheitsgemäßen Auskunft über die Aufenthaltsberechtigung (AG Wiesbaden WuM 1992, 597; Staud/Singer/v. Finckenstein Rn 44). Fragen zum höchstpersönlichen Bereich wie Religionszugehörigkeit, nach Heiratsabsichten oder Kinderwünschen, Vereins- oder Parteizugehörigkeit müssen ebenfalls nicht beantwortet werden (Emmerich NZM 1998, 692, 696; Fischer NZM 2005, 567, 574). Gleiches gilt für Fragen über vorangegangene Mietverhältnisse (AG Kerpen WuM 1990, 62; Staud/Singer/v. Finckenstein Rn 44). 4. Verursachung eines Irrtums. Der Erklärende muss zur Abgabe der Willenserklärung durch Täu- 23 schung bestimmt worden sein. Erforderlich ist also, dass die Täuschung für einen Irrtum des Getäuschten und dieser Irrtum für die Abgabe der Willenserklärung ursächlich ist. a) Irrtum ist die Abweichung der Vorstellung von der Wirklichkeit. An einem Irrtum fehlt es, wenn 24 derjenige, der getäuscht werden soll, die Wahrheit kennt. Dem steht es gleich, wenn der Erklärende mit dem Vorliegen einer Täuschung rechnet und dies bei Abgabe der Erklärung in Kauf nimmt oder die Erklärung bewusst auf die Gefahr einer Täuschung hin abgibt (MüKo/Kramer Rn 12; Soergel/Hefermehl Rn 21). Ein Irrtum ist allerdings in diesem Fall dennoch möglich, wenn die Fehlvorstellung erheblich über das hinausgeht, was bei Abgabe der Willenserklärung erwartet werden konnte (BGH NJW-RR 1986, 1258, 1259; BAG NZA 1998, 33, 34; MüKo/Kramer Rn 12). Anders liegt es, wenn der Getäuschte an der Gewissheit der behaupteten Umstände zweifelt, trotz seines Zweifels aber die Willenserklärung abgibt, weil er nach Abwägung der Risiken auf die Wahrheit der behaupteten Umstände vertraut. Ein Irrtum ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Getäuschte die wahre Sachlage nur aus Fahrlässigkeit oder grober Fahrlässigkeit nicht kannte (BGH NJW 1971, 1795, 1798; 1989, 287, 288; 1997, 1845, 1847). Auch ist keine objektive Erheblichkeit des Irrtums erforderlich, sondern es ist auf die Sicht des Erklärenden abzustellen (BGH WM 1978, 221, 222; MüKo/Kramer Rn 12). b) Kausalität. Der Irrtum ist nur dann durch die Täuschungshandlung verursacht, wenn die Fehl- 25 vorstellung beim Erklärenden sich auf Umstände bezieht, über die der Erklärungsgegner getäuscht hat. Der Irrtum muss also der Täuschungshandlung entsprechen. Eine reine „Selbsttäuschung“, der der Erklärende unterliegt, ist dem Erklärungsgegner nicht zuzurechnen. Ferner muss der Irrtum für die Abgabe der Willenserklärung kausal sein. Dies ist nicht nur dann 26 der Fall, wenn der Getäuschte die Willenserklärung ohne den Irrtum überhaupt nicht abgegeben hätte. Vielmehr genügt es, wenn der Erklärende ohne die Täuschung die Willenserklärung nicht zu dieser Zeit abgegeben hätte und damit die Täuschung das Geschäft beschleunigt hat (BGH NJW 1964, 811; MüKo/Kramer Rn 12). Auch muss der Irrtum nicht allein auf der Täuschung beruhen, sondern es geA. Arnold

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§ 123

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

nügt, dass der durch die Täuschung hervorgerufene Irrtum für die Willenserklärung mit ursächlich gewesen ist (RG 77, 309, 314; Soergel/Hefermehl Rn 20). Keinesfalls genügt eine Täuschung nach Abgabe der Willenserklärung, da sie nicht mehr kausal werden kann (Staud/Singer/v. Finckenstein Rn 26). 27

5. Arglist. Für die Arglist des Täuschenden ist keine Absicht notwendig, vielmehr genügt auch bedingter Vorsatz (BGH 7, 301, 302; NJW 2007, 3057, 3059; Staud/Singer/v. Finckenstein Rn 28). Dies setzt bei der Täuschung durch aktives Handeln zunächst voraus, dass der Täuschende die Unrichtigkeit seiner Tatsachenbehauptung kennt oder zumindest für möglich hält (BGH NJW 2006, 2839, 2840; 2007, 3057, 3059). Dies ist auch dann der Fall, wenn er ohne hinreichende Erkenntnisgrundlage „ins Blaue hinein“ Angaben macht und folglich mit der Möglichkeit rechnet, dass seine Behauptungen unrichtig sind (BGH 63, 382, 288; NJW 1981, 1441, 1442; 2006, 2839, 2840; 2008, 644, 648). Der gute Glaube an die Richtigkeit des Erklärten soll dabei die Arglist nicht ausschließen (BGH NJW 1980, 2460, 2461). Dagegen kann bei einem Rechtsirrtum der Vorsatz ausnahmsweise ausgeschlossen sein (BGH NJW 2007, 2407, 2409; NJW-RR 2011, 270, 274). Geht es um eine Täuschung durch Unterlassen, so müssen dem Untätigen die Tatsachen bekannt sein, die seine Aufklärungspflicht begründen (AnwK-BGB/Feuerborn Rn 57). Nicht arglistig handelt insb derjenige, dem die offenbarungspflichtigen Tatsachen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht mehr bekannt sind (BGH NJW 2001, 2326, 2327).

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Weiterhin muss der Vorsatz auf die Erregung eines Irrtums und die Abgabe einer irrtumsbedingten Willenserklärung gerichtet sein. Auch insoweit genügt bedingter Vorsatz. Der Handelnde muss also wissen oder es für möglich halten, dass aufgrund seiner unrichtigen Tatsachenbehauptung der Erklärende eine falsche Vorstellung von der Wirklichkeit erhält und deswegen eine Erklärung abgibt, die er bei Kenntnis der wahren Sachlage nicht oder nicht mit diesem Inhalt abgegeben hätte (BGH NJW 1957, 988; 1974, 1505, 1506; NJW-RR 2005, 1082, 1083; Hamm NJW-RR 1995, 286, 287). Geht es um eine Täuschung durch Unterlassen, so muss der Untätige wissen oder es für möglich halten, dass der Erklärende die betreffenden Umstände nicht kennt und deswegen eine Willenserklärung abgibt, die er bei Kenntnis der wahren Umstände nicht oder nicht so abgegeben hätte (BGH NJW 1995, 1549, 1550; NJW-RR 1996, 690; NJW 1998, 1315, 1316; Koblenz NJW-RR 2003, 119, 120). Arglist ist dabei selbst dann zu bejahen, wenn der Schweigende zwar davon ausgeht, dass der Erklärende aufgrund von Indizien die wahren Umstände erkennen kann, es aber für möglich hält, dass der Erklärende eine entspr Prüfung unterlässt (BGH NJW 1990, 42f; NJW-RR 1997, 270).

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Nicht erforderlich ist eine verwerfliche Gesinnung (Soergel/Hefermehl Rn 25; MüKo/Kramer Rn 9; Staud/Singer/v Finckenstein Rn 27; aA BGH LM Nr 9). Nach dem Schutzzweck der Vorschrift kommt es nicht auf die Gesinnung des Täuschenden, sondern auf die Beeinflussung der Entschließungsfreiheit des Erklärenden an. Auch die Täuschung in „wohlmeinender Absicht“ ist deshalb arglistig, selbst wenn der Täuschende nur das Beste gewollt hat. Da die Vorschrift auch nicht den Schutz des Vermögens bezweckt, ist eine Schädigungs- oder Bereicherungsabsicht ebenso wenig erforderlich (BGH NJW 1974, 1505, 1506; WM 1977, 343).

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6. Besonderheiten bei Täuschung durch Dritte (§ 123 II S 1). a) Nicht empfangsbedürftige Willenserklärung. Handelt es sich um eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung, so spielt es für die Anfechtbarkeit wegen arglistiger Täuschung keine Rolle, wer die Täuschung verübt hat (hL, s nur Staud/Singer/v Finckenstein Rn 45; teilw für eine entspr Anwendung des § 123 II Windel, AcP 199 [1999], 422, 439ff); denn es sind in diesem Fall keine schutzwürdigen Interessen anderer Beteiligter zu berücksichtigen.

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b) Empfangsbedürftige Willenserklärungen. Ein vollständiger Schutz der Willensentschließungsfreiheit des Erklärenden kann dagegen bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen mit den schutzwürdigen Interessen des Erklärungsempfängers kollidieren. Unbillige Ergebnisse würden sich hier ergeben, wenn der Erklärungsempfänger an der Willensbeeinflussung des Erklärenden nicht beteiligt war (Mot I, 206). In diesem Fall soll daher nach Abs II das Vertrauen des Erklärungsempfängers auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts grds nicht enttäuscht werden In zwei Fällen ist die Täuschung durch eine andere Person als den Erklärungsempfänger jedoch beachtlich:

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aa) Bösgläubigkeit des Erklärungsempfängers. Kannte der Erklärungsempfänger die Täuschung des Erklärenden durch einen Dritten oder musste er sie kennen, ist die Willenserklärung stets anfechtbar (§ 123 II S 1). Auf die Frage, ob der Täuschende tatsächlich „Dritter“ war, kommt es in diesem Fall nicht an. Fahrlässige Unkenntnis kann sich dabei auch daraus ergeben, dass der Erklärungsempfänger sich nicht nach dem Verhalten des Dritten erkundigt hat, obwohl dazu Anlass bestand (BGH NJW-RR 1992, 1005; Staud/Singer/v Finckenstein Rn 56; aA Flume § 29, 3).

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bb) Zurechnung der Täuschung. Bei einem gutgläubigen Erklärungsempfänger ist entscheidend, ob die Täuschung als die eines „Dritten“ angesehen werden kann. Ist die Täuschung dagegen dem Erklärungsempfänger zuzurechnen, ist sie unbeschadet seiner Gutgläubigkeit möglich. Nach allg Ansicht liegt die Täuschung eines „Dritten“ dabei nur dann vor, wenn sie durch einen am Geschäft Unbeteiligten verübt wurde (vgl schon Mot. I, 206). Str ist, unter welchen Voraussetzungen beim Erklärungsempfänger eine Zurechnung des arglistigen Verhaltens möglich ist. Die Rspr stellt darauf ab, ob das Verhalten des Täuschenden dem des Anfechtungsgegners gleichzusetzen ist; iÜ soll eine Zurechnung aber auch dann in Betracht kommen, wenn der Erklärungsempfänger sich die Täuschung „nach Billigkeitsgesichtspunkten unter Berücksichtigung der Interessenlage zurechnen lassen muss“ (BGH NJW 1990, 1661, 1662, s ferner etwa BGH NJW 1978, 2144f; 1996, 1051). Nach anderer Auffassung soll es etwa darauf ankommen, ob der Täuschende bei wertender Betrachtung auf Seiten 276

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Willenserklärung

§ 123

des Erklärungsempfängers steht (Flume § 29, 3; ähnlich auch Soergel/Hefermehl Rn 32). Schließlich wird vorgeschlagen, für die Zurechnung allein auf § 278 abzustellen (Schubert AcP 168 [1968], 471; 476ff; MüKo/Kramer Rn 22f). In den praktischen Ergebnissen kommen die verschiedenen Ansätze freilich vielfach zu gleichen Ergebnissen. IÜ dürfte Einigkeit bestehen, dass der Begriff des „Dritten“ eher restriktiv zu bestimmen und im Zweifel eine Zurechnung anzunehmen ist (s nur Pal/Ellenberger Rn 13; Staud/Singer/v Finckenstein Rn 46). Im Einz ist dem Erklärungsempfänger zunächst die Täuschung durch einen Vertreter zuzurechnen 34 (s nur RG 76, 107, 108; BGH 20, 36, 39). Dabei genügt auch Vertretung ohne Vertretungsmacht, sofern sie nachfolgend vom Erklärungsempfänger genehmigt wird (BGH WM 1979, 237). Ebenso sind die vertretungsberechtigten Gesellschafter von Personengesellschaften und die Organe jur Pers im Verhältnis zur Gesellschaft keine Dritten (Staud/Singer/v Finckenstein Rn 48). Dritte sollen ferner nicht vom Erklärungsempfänger beauftragte Verhandlungsführer oder -gehilfen sein (BGH 47, 224, 229; NJW 1962, 2195; 1978, 2144; 1989, 2879, 2880; 2001, 358, 359), und zuvor wohl auch bei nachträglicher Billigung eines auftragslosen Auftretens als Verhandlungsgehilfe (Schubert AcP 168 [1968], 470, 482; vgl dazu BGH NJW 1996, 1051). Gleiches gilt für mittelbare Stellvertreter und Strohmänner (Staud/Singer/v Finckenstein Rn 48). Auch der Versicherungvermittler ist bei Abschluss eines Versicherungsvertrags in Bezug auf den Versicherer nicht Dritter, wohl aber in Bezug auf den Versicherungsnehmer, wenn er den Antrag falsch ausfüllt, um sich eine Provision zu verschaffen (Hamm VersR 1974, 562). Ein Makler ist dagegen grds als Dritter anzusehen (BGH 33, 302, 309). Dies gilt aber nicht, wenn er Aufgaben übernimmt, die typischerweise einer Partei obliegen (BGH NJW 1996, 451; 2001, 358). Nicht als Dritter wurde ferner der Alleingesellschafter einer GmbH angesehen, der aufgrund seiner Weisungsbefugnis einen Geschäftspartner der GmbH in mittelbarer Täterschaft arglistig täuscht (BGH NJW 1990, 1915; Grunewald ZGR 1991, 452, 455). In den Fällen eines finanzierten Geschäfts ist der Verkäufer, der das Darlehen an den Kunden ver- 35 mittelt, im Verhältnis zur Bank nicht als Dritter anzusehen (BGH 20, 36, 40f; 33, 302, 308; 47, 224, 227f; NJW 1978, 2144, 2145; 1979, 1593, 1594). Auch die von einem gemeinschaftlichen Vertreter von Verkäufer und Kreditgeber verübte Täuschung berechtigt ohne weiteres zur Anfechtung (BGH NJW 1978, 2144, 2145). Ebenso ist beim Finanzierungsleasing der Lieferant, der für den Leasinggeber die Verhandlungen führt und dabei den Leasingnehmer täuscht, kein Dritter iSv § 123 II (BGH NJW 1989, 287, 288). Beim verbundenen Geschäft iSv §§ 358f ist der täuschende Anlagevermittler für die kreditgebende Bank von vornherein nicht Dritter iSv § 123 II (BGH NJW 2006, 1955, 1957; 2007, 2407, 2408; 2010, 596, 598; 602, 603). Liegt kein verbundenes Geschäft vor, soll bei einem „institutionellen Zusammenwirken“ von Veräußerer/Vertreiber und Bank widerleglich vermutet werden, dass die Bank Kenntnis von der arglistigen Täuschung durch die Fondsinitiatoren hatte, und damit eine Aufklärungspflicht der Bank anzunehmen sein, deren Verletzung sie zum Schadensersatz verpflichten kann (BGH NJW 2006, 2099, 2103ff; 2007, 357, 358; 2008, 640, 643; NJW-RR 2009, 1275, 1278). Dieselben Grundsätze gelten unter bestimmten Voraussetzungen auch bei einem verbundenen Geschäft im Hinblick auf Täuschungen durch außerhalb des Verbunds stehende Personen (BGH NJW 2007, 1127, 1129; 2407, 2408). Demgegenüber ist ein den Sicherungsgeber täuschender Schuldner Dritter iSd Abs II, da er regel- 36 mäßig eigene Interessen verfolgt und nicht auf Seiten des Sicherungsnehmers (Gläubigers) steht (BGH NJW 1962, 1907, 1908; 1968, 986, 987); das gilt auch dann, wenn der Gläubiger die Bürgschaftsurkunde entworfen und den Anstoß für die Verhandlungen mit dem Bürgen gegeben hat (BGH NJWRR 1992, 1005, 1006). Der Schuldner soll in diesen Fällen allein dann nicht als Dritter anzusehen sein, wenn er vom Gläubiger mit den Verhandlungen beauftragt worden war (BGH NJW 1962, 2195, 2196; Köln OLG 1968, 130, 131). Ebenfalls Dritter iSd Abs II ist in Bezug auf den Gläubiger ein Schuldner, der den Schuldübernehmer täuscht, um diesen zum Abschluss eines Schuldübernahmevertrags mit dem Gläubiger zu bewegen (§ 414, s nur Soergel/Hefermehl Rn 38). Im Fall einer genehmigten Schuldübernahme nach § 415 scheint bei einer Täuschung des Schuldners dagegen eine Anfechtung nach Abs I möglich, auch wenn der Gläubiger gutgläubig war (so in der Tat BGH 31, 321, 324ff; MDR 1976, 388). Indes ist auch in diesem Fall schon im Hinblick auf die Wertung des § 417 II eine Anfechtung ggü dem nicht beteiligten Gläubiger nur zuzulassen, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste (Flume, § 29, 3; Staud/Singer/v Finckenstein Rn 59; MüKo/Kramer Rn 26). Bei der Vertragsübernahme durch Vereinbarung zw dem ausscheidenden und dem eintretenden Vertragspartner soll der im Vertrag verbleibende Teil seine Zustimmungserklärung ebenfalls nur anfechten können, wenn in der Person beider Adressaten der Zustimmungserklärung ein Anfechtungsgrund iSv § 123 I/II gegeben ist; beide Partner der Übernahmevereinbarung müssen also entweder selbst arglistig handeln oder aber mindestens bösgläubig iSv § 123 II sein (BGH 137, 255, 261). 7. Anfechtung gegenüber dem Begünstigten (Abs II S 2). § 123 II S 2 lässt eine Anfechtung zu, wenn 37 ein anderer aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat und dieser Begünstigte die Täuschung kannte oder kennen musste. Im Regelfall des § 123 II S 2 sind damit vier Personen beteiligt: Der Erklärende gibt ggü dem Erklärungsempfänger eine Erklärung ab, wodurch ein „anderer“ unmittelbar ein Recht erwirbt. Diese Erklärung beruht auf der arglistigen Täuschung eines Unbeteiligten. Der Erklärende kann dann nach § 123 II S 2 durch Erklärung ggü dem Begünstigten anfechten, soweit dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Täuscht der Begünstigte selbst den Erklärenden, kann dieser erst recht nach § 123 II S 2 anfechten 38 (Flume § 29, 3; BGH NJW-RR 2006, 1210, 1212), auch wenn der Erklärungsempfänger die Täuschung weder kannte noch kennen musste. Täuscht ein Unbeteiligter und kannte der Erklärungsempfänger A. Arnold

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Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

die Täuschung oder musste er sie kennen, ist eine Anfechtung nach § 123 II S 1 ggü dem Erklärungsempfänger möglich, selbst wenn der Begünstigte gutgläubig war. Täuscht der Erklärungsempfänger selbst oder eine Person, deren Verhalten dem Erklärungsempfänger zuzurechnen ist, ist § 123 II nicht anwendbar. Die Anfechtung richtet sich nach § 123 I. 39

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Hauptanwendungsfälle des § 123 II S 2 sind Verträge zugunsten Dritter, insb Lebensversicherungsverträge, wenn der Erklärungsempfänger gutgläubig und der Begünstigte bösgläubig ist. Kein Anfechtungsrecht soll allerdings ggü dem bloß widerruflich Bezugsberechtigten bestehen (Hamm NJW 1987, 1170, 1172). Mit der Anfechtung ggü dem Begünstigten verliert dieser seinen Anspruch gegen den Erklärenden (Versprechenden, Versicherer). Dessen Verpflichtung ggü dem Erklärungsempfänger (Versprechensempfänger) bleibt zwar wegen der nur teilw Wirkung der Anfechtung („soweit“) grds bestehen. Doch ist insoweit § 139 anzuwenden (Soergel/Hefermehl Rn 37; Staud/Singer/v Finckenstein Rn 57). Einstweilen frei.

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V. Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung. 1. Drohung. Unter einer Drohung versteht man das Inaussichtstellen eines zukünftigen Übels, auf dessen Eintritt der Drohende Einfluss zu haben vorgibt (BGH 2, 287, 295; NJW 1988, 2599, 2600f; NJW-RR 1996, 1281, 1282; BAG NZA 2002, 731, 732; NJW 2004, 2401, 2402). Als Übel genügt jeder Nachteil. Die strafrechtliche Unterscheidung zw Drohung (zukünftiges Übel) und gegenwärtiger Gewalt (vis compulsiva) ist ohne Bedeutung. Gewalt ist zivilrechtlich zugleich auch immer eine Drohung mit der Fortsetzung des gegenwärtigen Übels (Mot I 207). Erforderlich ist nur, dass der Erklärende durch das Übel in eine Zwangslage versetzt wird. Nicht in Betracht kommt freilich die Anwendung physischer, unwiderstehlicher Gewalt (vis absoluta), da es in diesem Fall schon an einer Willenserklärung fehlt. IÜ spielt es keine Rolle, ob das Übel materieller oder ideeller Natur ist, ob es sich auf den Erklärenden selbst oder auf andere Personen (vgl BGH 25, 217, 218) bzw auf Sachen bezieht oder ob es durch Tun oder Unterlassen verwirklicht werden soll.

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Aus der Sicht des Bedrohten muss das Übel vom Willen des Drohenden abhängig sein. Eine Willensbeeinflussung ist deshalb auch gegeben, wenn die Drohung nicht ernst gemeint ist, der Bedrohte sie aber für ernst gemeint hält und halten soll (BGH NJW 1982, 2301, 2302; NJW-RR 1996, 1281, 1282). Ebenso genügt eine „versteckte Drohung“ (BGH NJW 1988, 2599, 2601; Staud/Singer/v Finckenstein Rn 62), sofern das Übel für den Bedrohten erkennbar wird. Erweckt der Drohende den Eindruck, er könne einen Dritten zur Verwirklichung eines Übels veranlassen, kann darin eine Drohung liegen (RGRK/Krüger-Nieland Rn 41). Der bloße Hinw auf eine vom Willen des Drohenden unabhängige Zwangslage genügt jedoch nicht (BGH 6, 348, 351). Keine Drohung ist deshalb auch die Mitteilung bereits vollzogener Maßnahmen (Soergel/Hefermehl Rn 40). Wird die Zwangslage nicht vom Drohenden herbeigeführt, ist die bloße Ausnutzung der Not – soweit nicht eine „versteckte Drohung“ vorliegt, den Zwangszustand aufrechtzuerhalten oder pflichtwidrig nicht zu verkürzen – nicht ausreichend (BGH NJW 1988, 2599, 2601). Es kann dann aber § 138 eingreifen.

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2. Kausalität. Der Erklärende muss zur Abgabe der Willenserklärung durch Drohung bestimmt worden sein. Die Drohung muss also für die Zwangslage des Bedrohten und diese wiederum für die Willensbildung ursächlich gewesen sein. Mitursächlichkeit genügt (st Rspr, BGH NJW 1991, 1673, 1674). Ebenso reicht es aus, wenn der Bedrohte die Erklärung ohne die Drohung mit einem anderen Inhalt oder zu einer anderen Zeit abgegeben hätte (BGH 2, 287, 299). Die bestimmende Wirkung der Zwangslage auf die Willensbildung hängt allein von der individuellen Wirkung auf den Erklärenden ab. Eine objektive Erheblichkeit iSd Wirkung der Drohung auf einen „besonnenen Menschen“ ist nicht erforderlich (Mot I, 208). Kausal kann die Drohung deshalb auch dann sein, wenn gerade nur der Erklärende aufgrund seiner psychischen Verfassung die Zwangslage als bestimmend empfinden musste. Gibt der Erklärende die Willenserklärung aber aufgrund eigener, selbständiger Überlegung ab, fehlt es an der Ursächlichkeit (BGH WM 1974, 1023). Kausalität ist jedoch gegeben, wenn der Drohende dies durch die Zwangslage gerade erreichen wollte, da er dann auch für diesen Willensentschluss eine Ursache gesetzt hat (vgl Soergel/Hefermehl Rn 43). Keine Rolle spielt es grds, ob dem widerrechtlich Bedrohten Bedenkzeit eingeräumt wurde (BAG NZA 2008, 348, 354).

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3. Widerrechtlichkeit. Die Drohung muss den Erklärenden widerrechtlich zur Abgabe der Willenserklärung bestimmt haben. Soweit ein Recht besteht, einen anderen zur Abgabe der Erklärung zu nötigen, ist die abgenötigte Erklärung nicht anfechtbar (Mot I, 207); greift also ein allg Rechtfertigungsgrund (zB §§ 227ff) ein, kann der Erklärende sich von der abgegebenen Willenserklärung nicht lösen. Ansonsten ist die Widerrechtlichkeit positiv festzustellen. Sie kann sich aus dem angedrohten Übel (Mittel), dem erstrebten Erfolg (Zweck) oder aus dem Verhältnis von beiden zueinander (Mittel-Zweck-Relation) ergeben.

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a) Widerrechtlichkeit des Mittels. Widerrechtlich ist die Willensbeeinflussung schon dann, wenn das Nötigungsmittel gegen die Rechtsordnung verstößt; das ist zB der Fall, wenn das in Aussicht gestellte Übel eine strafbare Handlung darstellt oder die Androhung sonst gegen Rechtsvorschriften verstößt. Auch wenn das angedrohte Mittel (nur) einen Verstoß gegen die Sittenordnung (zB Drohung mit Selbsttötung) oder einen bloßen Vertragsbruch begründet, ist die Willensbeeinflussung bereits deshalb widerrechtlich (BGH WM 1983, 1017, 1019; NJW 1995, 3052, 3053). Die Drohung eines Richters, er werde ein der Partei nachteiliges Urt erlassen müssen, falls es nicht zu einem Vergleichsabschluss komme, soll widerrechtlich sein (so BGH NJW 1966, 2399; krit Schneider NJW 1966, 2401; Kubisch NJW 1967, 1605). Rechtmäßig ist der Einsatz von Mitteln, welche die Rechtsordnung vorsieht oder jedenfalls nicht verbietet (zB BGH WM 1972, 947 – Klageerhebung; BGH WM 1985, 1249 – 278

A. Arnold

Willenserklärung

§ 123

Zwangsvollstreckung; BAG NJW 1977, 318, 319 – Boykottaufruf im Arbeitskampf; BAG NJW 1999, 2059: Strafanzeige). b) Widerrechtlichkeit des Zwecks. Ist der mit der Drohung angestrebte Zweck rechtswidrig, folgt 46 bereits daraus die Widerrechtlichkeit der Drohung, selbst wenn diese hierzu ein erlaubtes Mittel darstellt. Mit dem Zweck ist zunächst die subjektive Zielsetzung des Drohenden gemeint. Wird bspw „mutwillig“ ein aussichtsloser Prozess angedroht, kann – trotz Rechtmäßigkeit des angedrohten Mittels – wegen des verfolgten Schädigungszwecks Widerrechtlichkeit vorliegen (BGH 79, 131, 143, MüKo/Kramer Rn 42). Der Zweck kann aber auch durch den objektiv erstrebten Erfolg bestimmt werden. So ist zB die Androhung einer ordentlichen Kündigung, um die Mitwirkung an einer Steuerhinterziehung zu erreichen, wegen des objektiv widerrechtlichen Erfolgs rechtswidrig. Nicht ausreichend ist es, dass der Drohende keinen Rechtsanspruch auf die angestebte Willenserklärung hat (BGH 25, 217, 219; BAG NJW 1970, 775). c) Widerrechtlichkeit der Mittel-Zweck-Relation. Wird die Drohung mit Hilfe eines erlaubten Mit- 47 tels zu einem nicht verbotenen Zweck eingesetzt, kann die Bestimmung des Erklärenden zur Abgabe der Willenserklärung gleichwohl rechtswidrig sein. Es kommt dann darauf an, ob im Einzelfall der Einsatz des konkreten Mittels zur Erreichung des konkreten Zwecks unangemessen (inadäquat) ist (s nur BGH NJW 1983, 384f; Staud/Singer/v Finckenstein Rn 70). aa) Die Verwerflichkeit ergibt sich – wie im Strafrecht (§ 240 StGB) – aus der sozial-ethischen Miss- 48 billigung der Verbindung von Mittel und Zweck. Hierfür sind die Grundsätze von Treu und Glauben sowie die herrschenden Anschauungen (Verkehrssitte, Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden; BGH 25, 217, 221; NJW 1983, 384, 385) im Rahmen einer Gesamtwürdigung heranzuziehen. So verstößt es etwa gegen die Billigkeit und die guten Sitten, die – sonst erlaubte – Drohung einzusetzen, um eine bestehende Notsituation oder eine Unerfahrenheit beim Geschäftsgegner auszunutzen. bb) Neben diesem allg Maßstab ist aber zu fragen, ob die Entschließungsfreiheit des Erklärenden 49 konkret so beeinträchtigt ist, dass man dem Bedrohten zum Schutze seiner Selbstbestimmung das Recht einräumen muss, sich von dem Rechtsgeschäft zu lösen. Dies ist nur bei Berücksichtigung der konkreten Belange des Bedrohten und des Drohenden zu entscheiden (vgl BGH 25, 217, 223). Die Widerrechtlichkeit hängt deshalb insoweit auch von der Abwägung der Interessen dieser Beteiligten ab (vgl Soergel/Hefermehl Rn 47). Besteht etwa ein Rechtsanspruch auf den erstrebten Erfolg oder hat der Drohende daran ein berechtigtes Interesse, besteht idR keine Inadäquanz von Mittel und Zweck. Deshalb ist zB die durch Androhung der Mandatsniederlegung erreichte Vergütungserhöhung nicht widerrechtlich (BGH MDR 1978, 558; anders aber BGH NJW 2010, 1364, 1367 für die Androhung der Mandatsniederlegung unmittelbar vor der Hauptverhandlung). Ebenso liegt keine widerrechtliche Drohung vor, wenn der Grundstücksverkäufer dem Makler erklärt, er werde den Grundstückskauf nur abschließen, wenn der Makler auf die Verkäuferprovision verzichte und sich mit der Käuferprovision begnüge (BGH NJW 1969, 1627). Widerrechtlichkeit soll dagegen zu bejahen sein, wenn die Übergabe eines Hauses von der Anerkennung einer Forderung (BGH NJW 1982, 2301, 2302), nicht dagegen, wenn sie von der Abnahme durch den Bauherrn (BGH NJW 1983, 384, 385) abhängig gemacht wird. cc) Einzelfälle. (1) In einer privatrechtlichen Auseinandersetzung ist die Drohung, die Presse zu in- 50 formieren, nicht widerrechtlich, wenn damit auf die Erfüllung eines vertretbar für berechtigt gehaltenen Anspruchs hingewirkt werden soll und der angedrohte Pressebericht seinerseits nicht rechtswidrig wäre; so weit die Pressefreiheit reicht (Art 5 II 2 GG), ist auch die Information der Presse durch die Meinungsäußerungsfreiheit des Informanten (Art 5 I 1 GG) gedeckt (BGH NJW 2005, 2766, 2768). (2) Die Drohung mit einer Strafanzeige ggü dem Täter ist nicht inadäquat, wenn sie ihn zu einer Ersatzleistung wegen seiner verübten Straftat anhalten soll (BGH WM 1963, 511, 512). Nicht widerrechtlich ist insb im Allg bei begründetem Anfangsverdacht die Drohung des Arbeitgebers mit einer Strafanzeige, um einen Arbeitnehmer zur Wiedergutmachung des angerichteten Schadens zu veranlassen (BAG AP § 781 Nr 1; NZA 1999, 417, 418; NJW 1999, 2059). Dasselbe gilt in einer solchen Lage, wenn der Arbeitgeber mit der Drohung auf den Abschluss eines Aufhebungsvertrags hinwirkt (LAG Köln NZA-RR 1999), nicht jedoch, wenn der mit der Anzeige Drohende die Erfüllung eines Geschäfts verlangt, bei dem er den Täter übervorteilt hat (BGH WM 1964, 1296, 1297). Fehlt es an einem inneren Zusammenhang zw Straftat und geltend gemachter Forderung, liegt Widerrechtlichkeit vor, so zB bei der Drohung mit einer Anzeige wegen eines zufällig beobachteten Verkehrsdelikts, um die Bezahlung einer fälligen Schuld zu erreichen (Larenz/Wolf AT § 37 Rn 40). (3) Die Drohung mit einer Strafanzeige ggü einem Dritten kann rechtmäßig sein, wenn der Dritte 51 in einer strafrechtlich oder zivilrechtlich nicht erfassbaren Weise an der Straftat mitgewirkt hat, durch die der Schaden verursacht worden ist oder wenn er Vorteile daraus gezogen hat (BGH 25, 217, 221; WM 1973, 36). Die Drohung mit einer Strafanzeige gegen den Täter ist aber jedenfalls dann widerrechtlich, wenn sie sich gegen einen Dritten allein mit Rücksicht auf dessen persönliche Beziehung zum Täter richtet (Beispiel: Die Ehefrau des Betrügers wird durch Drohung mit einer Strafanzeige gegen den Ehemann zur Bürgschaft für den durch den Betrug entstandenen Schadensersatzanspruch gezwungen); denn der Drohende missbraucht die verwandtschaftlichen Beziehungen des Dritten zum Täter zu eigennützigen Zwecken (Karlsruhe VersR 1992, 703; MüKo/Kramer Rn 45; aA Flume § 28, 2c). (4) Die Drohung mit einer (außerordentlichen) Kündigung ist widerrechtlich, wenn sie etwa den 52 Zweck verfolgt, schlechtere Vertragsbedingungen für den Arbeitnehmer zu erreichen, obwohl die Kündigung jeder Grundlage entbehrt und ein verständiger Arbeitgeber sie nicht ernsthaft in ErwäA. Arnold

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§ 123

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

gung ziehen durfte (BAG NJW 1970, 775; 1994, 1021; 2004, 2410, 2402; 2006, 3020, 3021). Glaubt der Arbeitgeber, eine außerordentliche Kündigung sei möglich, obwohl sie aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers nicht „ernsthaft in Erwägung“ gezogen werden kann, ist die Drohung mit ihr rechtswidrig, wenn sie den Zweck verfolgt, den Arbeitnehmer zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eigene Kündigung oder Aufhebungsvertrag zu bestimmen. Das gilt insb, wenn der Arbeitgeber kein berechtigtes Interesse an der erstrebten ordentlichen Kündigung des Arbeitsnehmers hat oder die Androhung sich nicht (mehr) als angemessenes Mittel zur Verfolgung des erstrebten Ziels darstellt. Anders ist es, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung in Betracht gezogen hätte (für Einzelheiten zum Vorstehenden BAG NJW 1980, 2213; 1997, 676, 677; NZA 2003, 1055). Einen Verdachtsgrund, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könnte, muss der Arbeitgeber aufzuklären versuchen, ehe er eine fristlose Kündigung androht (BAG NJW 1997, 676). 53

4. Subjektiver Tatbestand. § 123 I setzt voraus, dass jemand zur Abgabe einer Willenserklärung durch Drohung „bestimmt“ worden ist. Daraus folgt, dass der Drohende bewusst den Zweck verfolgen muss, den Willen des Bedrohten zu beeinflussen (BGH NJW-RR 1996, 1281, 1282; BAG NZA 2006, 841, 843; 2008, 348, 353). Er muss sich darüber bewusst sein, dass sein Verhalten geeignet ist, den Willen des anderen Teils zu beeinflussen (RG 104, 79, 80). Nicht erforderlich ist die Absicht, die Drohung zu verwirklichen oder den Bedrohten zu schädigen.

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Bei einem Irrtum des Drohenden über die Widerrechtlichkeit der Drohung wird zw Sachverhaltsund Wertungsirrtum unterschieden. Bei einem Sachverhaltsirrtum irrt der Drohende über tatsächliche Umstände, die der Drohung den sittlich anstößigen Charakter geben. Hier soll es darauf ankommen, ob der Irrtum des Drohenden verschuldet oder nicht verschuldet ist. Ein verschuldeter Sachverhaltsirrtum, der dann vorliegt, wenn der Drohende die Umstände zwar nicht kennt, aber doch kennen muss, soll den Bedrohten zur Anfechtung berechtigen. Dagegen soll ein unverschuldeter Sachverhaltsirrtum nicht so schwerwiegend sein, dass dem Drohenden deswegen der „Makel“ einer rechtswidrigen Drohung angelastet werden müsse (so BGH 25, 217, 224; JZ 1963, 318, 319; vgl auch RG 108, 102, 104). Diese Rspr ist abzulehnen. Eine schuldlose Unkenntnis ändert nichts an der Rechtswidrigkeit. Es geht hier nicht darum, den Drohenden vor einem „Makel“ zu bewahren, sondern den Bedrohten in seiner Entschließungsfreiheit zu schützen (gegen die Rspr zB Flume § 28, 3; Larenz/Wolf AT § 37 Rn 44; Jauernig/Jauernig Rn 16; Medicus AT Rn 820).

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Bei einem Wertungsirrtum zieht der Drohende aus den tatsächlichen Umständen einen falschen rechtlichen Schluss. Ein solcher Rechtsirrtum ist anerkanntermaßen unbeachtlich. Ein Bewusstsein der Rechtswidrigkeit wird von § 123 nicht vorausgesetzt (RG 104, 79, 80; 108, 102, 104; vgl auch BGH 25, 217, 223; NJW 1982, 2301, 2302; Flume § 28, 3). Etwas anderes hat für die Androhung einer Klage zu gelten (vgl BGH WM 1972, 946). Diese stellt die Rechtsordnung jedem auch dann zur Verfügung, wenn sein Recht nicht besteht oder nicht bewiesen werden kann. Deshalb ist die Drohung mit einer Klage grds nicht rechtswidrig. Ausnahmsweise ist eine solche Drohung rechtswidrig, wenn der Drohende weiß, dass das Recht nicht besteht (vgl Flume § 28, 3 aE; Soergel/Hefermehl Rn 53 mwN).

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5. Drohung durch Dritte. Anders als bei der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung kommt es für die Anfechtung wegen Drohung nach dem Gesetzeswortlaut und der hM nicht darauf an, ob der Erklärungsempfänger oder ein Dritter droht (BGH NJW 1966, 2399, 2401; MüKo/Kramer Rn 48; einschränkend Martens, AcP 207 [2007], 371ff und Erman/Palm12 Rn 72). Ist der Erklärungsempfänger hins der widerrechtlichen Drohung gutgläubig, ist danach gleichwohl § 123 I anwendbar. Das folgt im Umkehrschluss aus § 123 II und ist sachlich dadurch gerechtfertigt, dass die Regelung einen allg Schutz der rechtsgeschäftlichen Entschließungsfreiheit gegen Zwang bezweckt (Prot I 120). Demnach kann auch eine politische Kollektivdrohung zur Anfechtung ggü dem Erklärungsempfänger berechtigen (Pal/Ellenberger Rn 18). War der Erklärungsempfänger gutgläubig, ist ihm gleichwohl nicht analog § 122 der Vertrauensschaden zu ersetzen (aA MüKo/Kramer Rn 48). Das Gesetz hat gerade wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit des Bedrohten auf den Schutz des guten Glaubens beim Erklärungsempfänger verzichtet (Prot I, 120).

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VI. Folgen der Anfechtung. Grds ist die wirksam angefochtene Willenserklärung als von Anfang an nichtig anzusehen (§ 142 I). Die Einschränkungen der Anfechtungsmöglichkeit bei in Vollzug gesetzten Dauerrechtsverhältnissen gelten auch im Fall einer arglistigen Täuschung und widerrechtlicher Drohung (vgl § 119 Rn 13). Die Anfechtung kann auch das Erfüllungsgeschäft betreffen (vgl § 142 Rn 5). Betrifft die Anfechtung nur den selbständigen Teil eines einheitlichen Rechtsgeschäfts, ist nach § 139 zu entscheiden, ob das gesamte Geschäft unwirksam ist (vgl zB beim Arbeitsvertrag BAG NJW 1970, 1941, 1942).

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Der wegen arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung Anfechtende braucht keinen Ersatz des Vertrauensschadens zu leisten. Das ergibt sich aus Wortlaut und Stellung des § 122. Aus der Täuschung bzw Drohung folgen allerdings regelmäßig Ansprüche des Anfechtenden. So kommen, soweit das dingliche Erfüllungsgeschäft unwirksam ist, Ansprüche nach §§ 985ff in Betracht. Daneben sind aus §§ 812ff Bereicherungsansprüche begründet, wobei der arglistig Täuschende bzw widerrechtlich Drohende nach § 819 vom Zeitpunkt des Empfanges der Leistung an verschärft haftet. Ferner soll für den arglistig Getäuschten die Saldotheorie nicht gelten: Dem Anfechtungsberechtigten steht damit auch dann noch ein Bereicherungsanspruch zu, wenn er selbst die empfangene Leistung nicht mehr zurückgewähren kann (Einzelheiten § 818 Rn 41ff, 46). Schließlich bestehen regelmäßig auch Schadensersatzansprüche aus §§ 823ff oder aus §§ 311 II, 241 II, 280 I.

280

A. Arnold

Willenserklärung

§ 124

VII. Ausschluss der Anfechtung. Die Frage der Abdingbarkeit des § 123 kann sich nur im Hinblick 59 auf die arglistige Täuschung stellen (Flume, § 19). Gestaltungsspielraum besteht hier allenfalls in engen Grenzen. Unwirksam ist ein solcher Ausschluss auf jeden Fall, wenn die Täuschung von dem Geschäftspartner selbst oder von einer Person verübt worden ist, die nicht Dritter iSv § 123 II ist (BGH NJW 2007, 1058f; Staud/Singer/v Finckenstein Rn 87). Aber auch bei einer Täuschung durch einen Dritten muss ein vertraglicher Ausschluss der Anfechtung unzulässig sein, wenn dem Erklärungsempfänger die Täuschung bekannt war (Flume, § 19; MüKo/Kramer Rn 28; enger Staud/Singer/v Finckenstein Rn 87, die auch bei fahrlässiger Unkenntnis einen Ausschluss der Anfechtung für unzulässig halten). IÜ kann das Anfechtungsrecht im Einzelfall wegen Verzichts oder Verwirkung (s § 124 Rn 2) ausgeschlossen sein. VIII. Beweislast. Die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche Anfechtungsvoraussetzungen trägt 60 derjenige, der sich auf die Anfechtung beruft (BGH NJW 1957, 988; BAG NZA 2008, 348, 354; Staud/ Singer/v Finckenstein Rn 81). Das gilt auch für die Fälle einer nicht gehörigen Aufklärung (BGH NJW 2001, 64, 65; Pal/Ellenberger Rn 30). Allerdings müssen nur konkret in Betracht kommende Ursachen einer unrichtigen/unvollständigen Angabe oder Möglichkeiten für eine Aufklärung ausgeräumt werden (BGH NJW 2001, 64, 65). Da die Ursächlichkeit der Täuschung häufig von unbestimmten, nach außen nicht in Erscheinung tretenden, individuellen Umständen abhängt, ist dafür ein Beweis des ersten Anscheins nur im Ausnahmefall möglich (so BGH NJW 1957, 988f; 1958, 177; 1968, 2139; 1996, 1051; tendenziell großzügiger BGH NJW 1995, 2361, 2362; WM 1976, 111, 112; eingehend Staud/Singer/ v Finckenstein Rn 81), so zB bei typischen Umsatzgeschäften (vgl BGH NJW 1958, 177). Es genügt aber, dass der Getäuschte Umstände dargetan hat, die für seinen Entschluss bedeutsam sein konnten, und dass die arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Geschäfts Einfluss auf die Entschließung hat. Dafür kann auch von Bedeutung sein, dass ein Umstand zugleich Gegenstand einer vertraglichen Zusicherung war (BGH NJW 1995, 2361, 2362). Ebenso hat derjenige, der sich auf die Anfechtung wegen Drohung beruft, grds alle Tatsachen zu 61 beweisen, aus denen sich das Anfechtungsrecht ergibt; das gilt auch für die Tatsachen, welche die Widerrechtlichkeit der Drohung begründen (BGH NJW 1983, 1266, 1267; BAG NZA 2008, 348, 354). Wird mit der Drohung ein Rechtsstandpunkt verfolgt, ist dessen sachliche Vertretbarkeit primär vom Drohenden darzulegen und zu beweisen (BGH NJW 2005, 2766, 2768). Für die Kausalität ist bei einem objektiv geeigneten Übel ein Beweis des ersten Anscheins möglich (vgl Pal/Ellenberger Rn 30).

124

Anfechtungsfrist (1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen. (2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung. (3) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind. 1. Bedeutung. Bei arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung ist die Anfechtungsfrist 1 länger bemessen als in den übrigen Anfechtungsfällen (vgl § 121); der Getäuschte oder Bedrohte verdient besonderen Schutz; er soll deshalb besser gestellt werden. Andererseits soll das Geschäft im Interesse des Rechtsverkehrs nicht zu lange in der Schwebe bleiben. Bei den Anfechtungsfristen des § 124 I, III handelt es sich – wie bei denen des § 121 – um Ausschlussfristen. Das Anfechtungsrecht geht also mit Fristablauf ersatzlos unter; der Ablauf ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Die Vorschrift gilt auch für die Anfechtung von Arbeitsverträgen (BAG ZIP 1984, 210, 211f). Der Erklärende kann die ihm von § 124 eingeräumte Anfechtungsfrist grds voll ausschöpfen; der 2 Anfechtungsgegner ist nicht berechtigt, ihm eine Frist zur Erklärung der Anfechtung zu setzen (aA Flume, § 27, 3 für den Fall, dass ein anderer als der Drohende oder Täuschende Anfechtungsgegner ist oder durch die Anfechtung betroffen wird). Allerdings kann das Anfechtungsrecht ausnahmsweise bereits vorher durch Verwirkung ausgeschlossen sein. Dies ist zu bejahen, wenn in der Ausübung ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt, zB weil der Anfechtungsgegner schon vor Ablauf der Jahresfrist mit einer Anfechtung nicht mehr zu rechnen brauchte (BGH NJW 1971, 1795, 1800). Bei Arbeitsverträgen kann die (fristgerechte) Anfechtung ausgeschlossen sein, wenn der Anfechtungsgrund für die Vertragsdurchführung keine Bedeutung mehr hat (BAG NJW 1970, 1565, 1566; ZIP 1984, 210, 212). Nicht gegen Treu und Glauben verstößt es hingegen, wenn der Anfechtungsberechtigte sich auf einen zwischenzeitlich vorübergehend weggefallenen Anfechtungsgrund beruft (BGH NJW 1992, 2346, 2347). IÜ ist eine Anfechtung selbstverständlich auch bei Bestätigung des anfechtbaren Geschäfts (§ 144) ausgeschlossen. 2. Ausschlussfrist des Abs I. a) Beginn bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen. Der nach 3 § 123 Anfechtungsberechtigte muss die Anfechtung binnen Jahresfrist erklären. Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen beginnt diese Frist im Fall der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in dem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt (§ 124 II S 1). Die Frist wird also erst mit der positiven Kenntnis in Lauf gesetzt. Dabei genügt nicht die Kenntnis des Irrtums, sondern der Erklärende muss auch dessen arglistige Herbeiführung erkannt haben (RG 59, 94, 96; 65, 86, 89). Bloße Verdachtsmomente oder fahrlässige Unkenntnis reichen nicht aus (BGH WM 1973, 750, 751; Koblenz WM 2000, 616, 717; MüKo/Kramer Rn 2). Auch ist der Erklärende nicht gehalten, nähere NachforA. Arnold

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§ 124

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

schungen anzustellen (RG JW 1936, 1950). Allerdings soll ein Versicherer, der einen Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung (Verschweigen von Krankheiten beim Abschluss) anficht, verpflichtet sein, seine Datenbanken und Akten darauf zu überprüfen, ob weitere Versicherungsverträge von dem Anfechtungsgrund betroffen sind (BGH NJW-RR 2003, 1603) Nicht erforderlich ist es, dass der Anfechtungsberechtigte alle Einzelheiten der Täuschung kennt; es entscheidet der Gesamteindruck (BGH NJW 2009, 2532, 2534; Soergel/Hefermehl Rn 2). Auch beginnt die Frist bereits mit der erforderlichen Kenntnis und nicht erst mit der Beschaffung der notwendigen Beweismittel (Staud/ Singer/von Finckenstein Rn 4). 4

Im Fall der widerrechtlichen Drohung beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt, in dem die Zwangslage aufhört (§ 124 II S 1). Entscheidend ist also der Augenblick, in dem der Erklärende nicht mehr unter dem Einfluss des angedrohten Übels steht (RG 90, 411); dies muss vom subjektiven Standpunkt des Bedrohten aus beurteilt werden (RG JW 1929, 242; Staud/Singer/v Finckenstein Rn 5). Demnach kann die Zwangslage enden, wenn der Bedrohte eine Erstattung der angedrohten Strafanzeige nicht mehr glaubt fürchten zu müssen (RG 90, 411) oder wenn er weiß, dass die Anzeige bereits erstattet worden ist (RG 60, 371, 374).

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b) Beginn bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen. Für eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung, die auf Täuschung oder Drohung beruht, enthält das Gesetz bewusst keine Regelung über den Fristbeginn (Mot I, 209). Anfechtungsgegner ist in einem solchen Fall derjenige, der aufgrund des anfechtbaren Rechtsgeschäfts unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt hat (§ 143 Rn 11). Deshalb kann die Anfechtungsfrist des § 124 II S 1 erst dann beginnen, wenn dem Anfechtungsberechtigten die Person des Anfechtungsgegners bekannt ist (Staud/Singer/v Finckenstein Rn 6).

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c) Zugang der Anfechtungserklärung. Die Anfechtungserklärung muss innerhalb der Frist dem Anfechtungsgegner zugegangen sein (§ 130). Es genügt also – anders als bei § 121 I S 2 – für die Rechtzeitigkeit nicht, dass die Anfechtungserklärung an den Anfechtungsgegner fristgemäß abgesandt worden ist. Auch das rechtzeitige Vorbringen in einem an das Gericht gerichteten Schriftsatz reicht nicht aus, wenn der Schriftsatz dem Anfechtungsgegner erst nach Fristablauf zugestellt wird (LG Nürnberg-Fürth MDR 2006, 413).

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d) Fristberechnung. Die Frist gem Abs I berechnet sich nach §§ 187 I, 188 II. IÜ bestimmt Abs II S 2, dass auf den Lauf der Frist §§ 206, 210, 211 anwendbar sind. Die Frist ist damit gehemmt bei Verhinderung durch höhere Gewalt; ferner besteht eine Ablaufhemmung bei einer geschäftsunfähigen oder beschränkt geschäftsfähigen Person ohne gesetzlichen Vertreter sowie in Nachlassfällen. Andere als die in § 124 II S 2 genannten Hemmungsgründe sind nicht anwendbar (Soergel/Hefermehl Rn 4).

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3. Ausschlussfrist des Abs III. Entspr § 121 I erlischt das Anfechtungsrecht nach § 124 III spätestens zehn Jahre nach Abgabe der Willenserklärung (Frist bis zum 31.12.2001: 30 Jahre, Übergangsregelung Art 229 § 6 EGBGB), sofern es nicht schon früher nach Abs I, II erloschen ist. Anders als bei Einjahresfrist sind dabei Hemmungstatbestände nicht entspr anwendbar (MüKo/Kramer Rn 8).

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4. Folgen des Fristablaufs. Nach Fristablauf ist eine Anfechtung ausgeschlossen. Jedoch bleiben dem Getäuschten oder Bedrohten Schadensersatzansprüche aus cic, die nach der Rspr auch auf Vertragsaufhebung gerichtet sein können (vgl näher dazu § 123 Rn 8), und aus unerlaubter Handlung (§§ 823 II, 826), die auch mit der Einrede gem § 853 geltend gemacht werden können (BGH NJW 1969, 604, 605). Liegt nicht zugleich eine unerlaubte Handlung vor, kann der Getäuschte oder Bedrohte dagegen die Erfüllung nicht unter Hinw auf die Arglisteinrede verweigern, wenn lediglich der Tatbestand des § 123 verwirklicht ist; denn damit würde § 124 umgangen. Der Arglisteinwand kann jedoch dann durchgreifen, wenn über den Tatbestand des § 123 hinaus noch weitere Umstände gegeben sind, die eine Berufung auf den Fristablauf als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (MüKo/Kramer Rn 7; Staud/Singer/v Finckenstein Rn 11; vgl auch BGH NJW 1969, 604f; s aber BGH NJW 1979, 1983 zur Verweigerung der Vertragsdurchführung wegen eines Anspruchs aus cic).

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5. Beweislast. Wer den Verlust des Anfechtungsrechts durch Fristablauf geltend macht, ist dafür beweispflichtig (Nürnberg VersR 2001, 1368). Wird also etwa wegen arglistiger Täuschung angefochten, so hat der Anfechtungsgegner zu beweisen, dass der Anfechtende bereits länger als ein Jahr vor seiner Anfechtungserklärung Kenntnis von der Täuschung hatte (vgl BGH NJW 1992, 2346, 2347f).

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Nichtigkeit wegen Formmangels Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, ist nichtig. Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge.

1

I. Zwecke des Formzwangs. Rechtsgeschäfte sind nach dem Gesetz grds formfrei wirksam; die Erklärenden sind also in der Wahl des Erklärungsmittels frei. Die Einhaltung einer bestimmten Form ist nur ausnahmsweise – kraft Gesetzes oder kraft Rechtsgeschäfts – erforderlich. Dabei kann die Formbedürftigkeit eines Rechtsgeschäfts sehr verschiedenen Zwecken dienen, die nicht selten nebeneinander bestehen. Die gesetzgeberischen Motive für die Anordnung eines Formzwangs sind aber nicht Tatbestandsvoraussetzung der jeweiligen Normen; das Rechtsgeschäft ist daher auch dann formbedürftig, wenn den Formzwecken bereits auf andere Weise genügt ist (BGH 53, 189, 195; BAG NJW 2005, 844; MüKo/Einsele Rn 11).

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A. Arnold

Willenserklärung

§ 125

1. Warnfunktion. Der Erklärende soll bei für ihn riskanten Geschäften vor einer unüberlegten oder 2 übereilten Bindung gewarnt werden. Deshalb bedarf zB die Willenserklärung des Bürgen beim Bürgschaftsvertrag der Schriftform (§ 766); diese Form ist entbehrlich, wenn für den Bürgen die Übernahme der Bürgschaft ein Handelsgeschäft ist, § 350 HGB; ein Kaufmann ist wegen seiner vom Gesetz vorausgesetzten Geschäftserfahrung nicht schutzbedürftig. 2. Klarstellungs- und Beweisfunktion. Durch das Formerfordernis soll gesichert werden, dass und 3 mit welchem Inhalt das Geschäft zustande gekommen ist. Die Form führt zur Klarstellung des Erklärten und zu einer leichteren Beweisbarkeit (Bsp: die in § 311b geregelte Formbedürftigkeit ua von Grundstücksgeschäften; zur Beweiskraft von Urkunden vgl a §§ 415ff ZPO). Ausnahmsweise kann die Form in dieser Funktion auch Interessen Dritter dienen. So bedarf ein Wohnungs- oder Grundstücksmietvertrag, der für eine bestimmte Zeit von mehr als einem Jahr geschlossen wird, der Schriftform (§§ 550, 578); dadurch soll bei einer Veräußerung des Grundstücks dem Erwerber, der anstelle des Vermieters in dessen Rechte und Pflichten eintritt (§§ 566, 578), sicherer Aufschluss über den Inhalt des Mietvertrags gegeben werden. Im Hinblick auf das Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift wird der Inhalt der Beweisfunk- 4 tion weiter konkretisiert (BT-Drucks 14/4987, 16): Danach wird durch die eigenhändige Unterschrift der Aussteller der Urkunde erkennbar (Identitätsfunktion). Ferner gewährleistet sie, dass die Erklärung vom Unterzeichner stammt (Echtheitsfunktion) und erlaubt es dem Empfänger zu überprüfen, ob die Unterschrift echt ist (Verifikationsfunktion). 3. Beratungsfunktion. Mit der Formvorschrift kann auch eine Beratung über die Auswirkungen des 5 Geschäfts angestrebt werden. Deshalb bedürfen zB Eheverträge (§ 1410) und Erbverträge (§ 2276) der notariellen Beurkundung. Ein Minderjähriger, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, kann zwar ein Testament errichten (§ 2229), aber nur in den Formen, bei denen ihm eine Amtsperson beratend zur Seite steht. Deshalb kommt für ihn ein eigenhändiges Testament nicht in Betracht (§ 2247 IV). Da eine Beratung beim öffentlichen Testament auch dann fehlt, wenn der Minderjährige dem Notar eine verschlossene Schrift übergibt, kann der Minderjährige ein notarielles Testament nur durch mündliche Erklärung oder durch Übergabe einer offenen Schrift errichten (§§ 2232, 2233 I). 4. Kontrollfunktion. Ausnahmsweise soll die gesetzlich vorgeschriebene Form auch eine behördli- 6 che Kontrolle des Geschäfts ermöglichen. Ein Bsp bildet heute etwa noch das Schriftformerfordernis für Vereinbarungen über vertikale Preisbindungen bei Zeitungen und Zeitschriften gem § 30 II GWB (MüKo/Einsele Rn 10). II. Arten der Formen. Die gesetzlichen Formen sind abschließend geregelt. Die rechtsgeschäftlich 7 vereinbarten Formen können aufgrund der Privatautonomie frei bestimmt werden; meist wird dabei aber eine der gesetzlichen Formen vereinbart. Neben Sonderregelungen für bestimmte Bereiche (zB Auflassung, § 925; Eheschließung, § 1310; eigenhändiges Testament, § 2247) kennt des Gesetz allg folgende Formarten: 1. Schriftform. Es muss eine Urkunde erstellt und von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder durch notariell beglaubigtes Handzeichen unterzeichnet werden (Einzelh § 126). Für die rechtsgeschäftlich vereinbarte Schriftform enthält das Gesetz ggü der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform oder der elektronischen Form gewisse Erleichterungen (Einzelh § 127 II und III). 2. Elektronische Form. Sie kann die schriftliche Form ersetzen, soweit sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt (§ 126 III). Der Aussteller muss seiner elektronischen Erklärung seinen Namen beifügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten Signatur nach dem Signaturgesetz (SigG) versehen (Einzelh § 126a). 3. Textform. Sie besteht aus einer in einer Urkunde oder in einer auf dauerhafte Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise abgegebenen Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht wird. Es handelt sich um einen neuen unterschriftslosen Formtyp, der lesbar ist (Einzelh § 126b). 4. Öffentliche Beglaubigung. Die Erklärung muss schriftlich abgefasst und die Unterschrift oder das Handzeichen des Erklärenden von einem Notar beglaubigt werden (Einzelh § 129). 5. Notarielle Beurkundung. Die Erklärung wird nach Beratung durch einen Notar diesem ggü abgegeben, niedergeschrieben, dem Erklärenden vorgelesen, von ihm genehmigt und unterschrieben; der Notar unterzeichnet anschließend die Niederschrift (vgl §§ 8, 13 BeurkG). III. Gesetzliche Form. 1. Anwendungsbereich. § 125 S 1 gilt für alle gesetzlichen Formvorschriften. 8 Erfasst sind damit zunächst die Formvorschriften des BGB. Darüber hinaus gilt § 125 S 1 aber grds auch für alle weiteren Formvorschriften in Gesetzen in formellem Sinn und Rechtsverordnungen; denn der Begriff des Gesetzes ist iSd Art 2 EGBGB zu verstehen und erfasst daher jede Rechtsnorm (BGH NJW 2001, 600, 601). Erfasst sind namentlich auch die Formvorschriften im Arbeitsrecht. So verlangen etwa § 1 II TVG, § 77 II BetrVG die Schriftform für Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen. Ebenso bedarf bei der Arbeitnehmerüberlassung der Vertrag zw Entleiher und Verleiher gem § 12 I AÜG der Schriftform. Auch die Kündigung eines Arbeitsvertrags hat nach § 623 BGB schriftlich zu erfolgen; andernfalls ist sie unwirksam. Schließlich können auch Formerfordernisse, die Tarifverträge für den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverträgen vorsehen, gesetzliche Formvorschriften iSd des § 125 sein (BAG NJW 1958, 397, 398; NZA 1999, 602, 603; NJOZ 2003, 2480, 2482; s dazu aber sogleich Rn 9). § 125 ist auf eine gesetzliche Formvorschrift aber nur anwendbar, wenn diese die Gültigkeit des 9 Rechtsgeschäfts von der Einhaltung der Form abhängig machen will (BGH NJW 2001, 600, 601; Pal/ Ellenberger Rn 8). Teilw stellt das Gesetz bereits selbst klar, dass die Verletzung einer Formvorschrift nicht zur Nichtigkeit des betreffenden Rechtsgeschäfts führt. So gilt nach § 550 ein MietverA. Arnold

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§ 125

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

trag, der für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen wird, als für unbestimmte Zeit geschlossen. Wird das Schriftformerfordernis für die Befristung eines Arbeitsvertrags (§ 14 IV TzBfG) nicht eingehalten, gilt der Vertrag nach § 16 TzBfG als auf unbestimmte Zeit geschlossen. IÜ ist durch Auslegung der jeweiligen Bestimmung zu ermitteln, ob die Verletzung des Formerfordernisses die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge haben soll. Daher führt etwa die Verletzung des § 1 S 1 VerstV nicht zur Nichtigkeit des Versteigerungsauftrags (BGH NJW 2001, 600, 602). Ebenso bedarf es bei tarifvertraglichen Bestimmungen, die für den Abschluss oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses Formerfordernisse vorsehen, der Auslegung, ob ein Verstoß zur Nichtigkeit führt oder ob die Formvorschrift nur Beweiszwecken dient und lediglich ein Anspruch auf schriftliche Festlegung besteht (BAG AP § 32 AOG Tarifordnung Nr 1; ErfK/Preis §§ 125–127 Rn 32). Ebenso soll das Unterbleiben der in § 74 I HGB vorgeschriebenen Aushändigung der Originalurkunde über ein vertraglich vereinbartes Wettbewerbsverbot keinen Formmangel iSv § 125 S 1 darstellen (BAG NJW 2005, 2732, 2733). 10

2. Sonderproblem: Öffentlich-rechtliche Formvorschriften. Besondere Zweifelsfragen wirft die Anwendung des § 125 auf, soweit Vorschriften des öffentlichen Rechts für den Abschluss von Rechtsgeschäften Formerfordernisse vorsehen. Für privatrechtliche Geschäfte von jur Pers des öffentlichen Rechts (insb von Gemeinden und Gemeindeverbänden, aber auch von Kirchen) ist im Landesrecht vielfach Schriftform vorgeschrieben. Teilw ist außerdem vorgesehen, dass zB das Dienstsiegel beizufügen ist, zwei oder mehrere Organpersonen zu unterzeichnen haben, die Amtsbezeichnung angegeben werden muss, ein zust Beschl eines weiteren Organs der Körperschaft vorliegen muss oder eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde erforderlich ist. Diese Vorschriften dienen zwar dem besonderen Sicherheitsbedürfnis zum Schutze der Körperschaft oder Anstalt; insofern deckt sich ihr Zweck teilw mit dem Zweck bürgerlich-rechtlicher Formvorschriften. Die Nichtbeachtung solcher Vorschriften fällt aber gleichwohl nicht unter § 125. Es handelt sich nicht um bürgerlich-rechtliche Bestimmungen über die Form von Rechtsgeschäften. Dem Landesgesetzgeber wäre der Erlass derartiger Vorschriften nach Art 55 EGBGB verwehrt; seine Kompetenz beschränkt sich hins der privatrechtlichen Willenserklärungen jur Pers des öffentlichen Rechts auf die Regelung der Zuständigkeit und der Vertretungsmacht ihrer Organe, also auf öffentliches (Organisations-)Recht. Die in Rede stehenden Vorschriften enthalten demnach Zuständigkeits- oder Vertretungsregelungen (st Rspr, vgl etwa BGH DtZ 1997, 222, 223 und NJW 1998, 3058, 3060; 2001, 2626; krit MüKo/Einsele Rn 31). Ihre Verletzung führt demnach nicht zur Formnichtigkeit iSd § 125, sondern es liegt ein Mangel in der Vertretungsmacht vor. Eine Haftung des handelnden Organs nach § 179 I soll aber nicht in Betracht kommen (BGH NJW 2001, 2626, 2627). IÜ soll es wegen der gleichartigen Interessenlage, wie sie bei der Missachtung von Formvorschriften besteht, geboten sein, den Grundsatz von Treu und Glauben auch hier in demselben Umfang wie bei der eigentlichen Formnichtigkeit eines Rechtsgeschäfts (Rn 30) anzuwenden (BGH 21, 59, 65; NJW 1980, 117, 118; 1984, 606, 607; 1994, 1528; 1998, 3058, 3060).

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Erst recht betrifft es nicht die privatrechtliche Form des Rechtsgeschäfts, sondern die organisationsrechtliche Vertretungsmacht, wenn für das Handeln des Vertretungsorgans nicht nur im Innenverhältnis, sondern mit Außenwirkung die Zustimmung eines anderen Organs (etwa der gewählten Gemeindevertretung) erforderlich ist, wie das die Rspr der Instanzgerichte insb für das Bayerische Kommunalrecht (BayObLG NJW-RR 1986, 1080; 1998, 161; NVwZ-RR 1998, 510, 512) und zunächst auch für einen Teil der Länder im Beitrittsgebiet angenommen hat (vgl die Hinw auf Lit und Rspr dazu in der 10. Aufl § 125 Rn 13). Häufig soll freilich der Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Gemeinderats die Vertretungsmacht des Bürgermeisters ohnehin im Außenverhältnis nicht beschränken (so für Baden-Württemberg BGH MDR 1966, 669 und – für den Landrat – BAG NJW 1986, 2271, 2272; für die Kommunalverfassung der DDR BGH 137, 89, 93f; DtZ 1997, 358; NJW 1998, 3056, 3057; 3058, 3059). Ist die Regelung auch für das Außenverhältnis relevant und sind ihre Vorgaben nicht eingehalten worden, liegt ein Handeln ohne Vertretungsmacht vor. Es kommt aber eine Genehmigung des Vertretenen oder des zunächst nicht beteiligten weiteren Organvertreters oder Organs in Betracht (BGH 32, 375, 381; NJW 1966, 2402, 2403; 1982, 1036, 1037; 1999, 3335, 3337). Dagegen kann das Fehlen der Vertretungsmacht nicht nach § 242 überwunden werden (BGH 47, 30, 39; 92, 162, 174). Auch eine Anwendung der Grundsätz zur Duldungs- und Anscheinsvollmacht soll nicht generell zulässig sein, sondern voraussetzen, dass das duldende Organ zu einer formlosen Bevollmächtigung berechtigt ist (BGH NJW 1972, 940, 941; MüKo/Schramm § 167 Rn 49). In Betracht kommen kann allerdings eine Haftung der Körperschaft aus §§ 311 II, 241 II, 280 I (s nur BGH 6, 330, 332f; NJW 1999, 3335, 3338f).

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Die Ausführungen zur rechtlichen Bedeutung der formalen und materiellen Bindungen für die Organe öffentlich-rechtl Körperschaften des Landesrechts gelten entspr für das Handeln von Vertretungsorganen im kirchlichen Bereich (Frankfurt NVwZ 2001, 958; Peglau NVwZ 1996, 767 mwN). Landesrechtliche Formvorschriften für das rechtsgeschäftliche Handeln von Sparkassen sind dagegen wegen Art 99 EGBGB wirksam (Pal/Ellenberger Rn 15).

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3. Umfang des Formzwangs. a) Formbedürftigkeit des gesamten Rechtsgeschäfts. Der gesetzlich vorgeschriebene Formzwang erstreckt sich seinem Umfang nach auf das ganze Rechtsgeschäft, so dass bei einem formbedürftigen Vertrag sowohl das Angebot als auch die Annahme formbedürftig sind. Ausnahmsweise unterwirft das Gesetz nur die Willenserklärung einer Vertragspartei der Form (zB §§ 766, 780, 781, 1154). Enthält ein an sich formfreier Vertrag eine formbedürftige Einzelverpflichtung, so bedarf der ganze Vertrag der Form (MüKo/Einsele Rn 32). Formbedürftig sind alle Abreden, die den Vertragsinhalt bilden sollen (BGH 40, 252, 262; WM 1978, 846, 847; NJW 2005, 1356; AnwKBGB/Noack Rn 11). Ferner erstreckt sich das Formerfordernis auch auf die Bezeichnung der Parteien (BGH NJW 2002, 3389, 3391). 284

A. Arnold

Willenserklärung

§ 125

b) Nebenabreden. Formbedürftig sind insb auch Nebenabreden, die für den Vertragsschluss nicht 14 unmittelbar wesentlich sind (s nur – zu § 15 GmbHG – BGH NJW 2002, 142, 143; Soergel/Hefermehl Rn 5; Staud/Hertel Rn 58). Das gilt allerdings nicht für solche Abreden, deren Inhalt sich bereits aus dem Gesetz ergibt (BGH 84, 124, 126; NJW 2000, 354, 357; MüKo/Einsele Rn 32). Gleiches soll wegen § 139 auch gelten, wenn die Parteien den Vertrag auch ohne die Abrede geschlossen hätten (BGH NJW 1981, 222). Zudem unterliegen auch bloße Erläuterungen nicht der Form (BGH NJW 1997, 2192, 2183; 1999, 2591, 2592). IÜ kann sich im Einzelfall eine Einschränkung der Formbedürftigkeit von Nebenabreden aus dem Zweck der jeweiligen Formvorschrift ergeben (vgl BGH 57, 53, 57; 67, 267, 269). So gilt etwa das Formerfordernis nach § 55 I GmbHG nicht für schuldrechtliche Nebenabreden (BGH NJW 1977, 1151). Beim Mietvertrag sollen völlig unwesentliche Nebenpunkte nicht der Form des § 550 bedürfen (BGH NJW 2008, 1661, 1662). Dagegen ist bei Grundstücksgeschäften ein eher strenger Formzwang anzunehmen (s AnwK-BGB/Noack Rn 19). Im Einz bedarf etwa die Zusicherung einer Eigenschaft des verkauften Grundstücks der notariellen 15 Beurkundung (RG 52, 1, 3; Soergel/Hefermehl Rn 5), ebenso Verrechnungsabreden zum Grundstückskaufpreis (BGH 85, 315, 518; NJW 2000, 2100; krit MüKo/Einsele Rn 32 Fn 122), eine Freistellungsvereinbarung beim Kauf eines GmbH-Anteils (BGH NJW 2002, 142, 143), Bedingungen (BGH NJW 1996, 2792, 2793) oder ein Verzicht auf das Recht zur Kündigung wegen Eigenbedarfs im Wohnungsmietrecht (BGH NJW 2007, 1742). Ergibt sich der Umfang der Pflichten einer Vertragspartei aus einer Baubeschreibung oder aus Bauplänen, so fallen auch diese unter den Beurkundungszwang (BGH 69, 266, 268; 74, 346, 349; NJW 2002, 1050, 1051; NJW 2005, 1356). c) Geschäftseinheit. Ein grds formfrei mögliches Rechtsgeschäft kann dadurch formbedürftig wer- 16 den, dass es mit einem anderen rechtlich zu einem Geschäft verbunden wird (sog „Geschäftseinheit“, s BGH 78, 346, 349; 84, 322, 324; 101, 393, 396; NJW-RR 1998, 1502f; NJW 2004, 3330). Entscheidend ist hier der Verknüpfungswille der Parteien; er muss darauf gerichtet sein, dass die verbundenen Geschäfte miteinander „stehen und fallen“ sollen (BGH 76, 43, 49; 101, 393, 396; NJW 2000, 951). Damit ist keine wechselseitige Abhängigkeit gemeint. Vielmehr kommt es darauf an, ob das formbedürftige Rechtsgeschäft auch ohne das grds nicht formbedürftige Rechtsgeschäft abgeschlossen worden wäre (AnwK-BGB/Noack Rn 17; MüKo/Einsele Rn 33). Umgekehrt genügt die einseitige Abhängigkeit des grds formfreien Rechtsgeschäfts vom formbedürftigen nicht (BGH NJW 2000, 951; 2001, 226, 227; 2002, 2559, 2560). Praktische Bedeutung hat die Figur der Geschäftseinheit insb im Hinblick auf § 311b I erlangt (s eingehend § 311b Rn 43). Dabei hat die Rspr teilw sogar ein zusammengesetztes einheitliches Grundstücksgeschäft angenommen, wenn das Geschäft von (zusätzlichen) Leistungen eines nicht unmittelbar beteiligten Dritten abhängen soll (Bsp: Schwarzgeldzahlung eines Dritten beim Grundstückskauf, BGH NJW-RR 1998, 950, 951). In Betracht gezogen wird die Annahme einer Geschäftseinheit daneben etwa weiterhin bei der GmbH-Anteilsveräußerung (s nur BGH NJW 1986, 2642, 2643) und bei Erb- und Eheverträgen (krit Kanzleiter NJW 1997, 217ff). d) Vorvertrag. Der Vorvertrag zu einem formbedürftigen Vertrag unterliegt grds ebenfalls dem 17 Formzwang, da sonst der Zweck der Form auf dem Umweg über die Bindung an den formlos gültigen Vorvertrag vereitelt werden könnte (BGH 61, 48; NJW 1975, 1170; 1981, 2293; 2004, 3626; 2006, 2843, 2844; vgl auch eingehend Freitag, AcP 207 [2007], 288, 294ff). Jedoch kann sich aus dem Zweck der Vorschrift ergeben, dass der Vorvertrag formlos gültig ist; so bedarf der Vorvertrag zum Abschluss eines Mietvertrags (§ 550, 578) nicht der Schriftform, weil der Erwerber des Grundstücks in den Vorvertrag nicht eintritt (RG 86, 30, 32; BGH NJW 1954, 71; 2007, 1817; Heile NJW 1991, 6ff; aM etwa Derleder/Pellgrino NZM 1998, 550, 554). Formbedürftig soll auch die Ausübung einer Mietoption sein, wenn auch der Mietvertrag, aus dem sich das Optionsrecht ergibt, formbedürftig war (Frankfurt NZM 1998, 1006). Dagegen bedarf die Ausübung eines Vorkaufsrechts nach § 464 I S 2 nicht der für den Kaufvertrag bestimmten Form. e) Vollmacht und Zustimmung. Formfrei ist grds auch die Erteilung einer Vollmacht zu einem 18 formbedürftigen Geschäft (§ 167 II). Von diesem Grundsatz gibt es inzwischen jedoch bedeutsame Ausnahmen (eingehend § 167 Rn 4ff). Ebenso bedarf nach § 182 II die Zustimmung nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form. f) Nachträgliche Änderungen und Ergänzungen. Formbedürftig sind grds auch spätere Änderun- 19 gen oder Ergänzungen eines formbedürftigen Vertrags (BGH NJW 1974, 271; NJW-RR 1988, 185, 186; AnwK-BGB/Noack Rn 13). Da die Formvorschrift des § 311b I beide Seiten schützen soll, gilt dies auch bei Änderungen zugunsten des Veräußerers (BGH NJW 1974, 271). Kein Formzwang besteht, wenn durch die Änderung entweder nur unerwartet aufgetretene Abwicklungsprobleme behoben werden, die beurkundeten Rechte und Pflichten in ihrem Kern aber nicht berührt werden oder die Verpflichtung desjenigen, der durch die Form geschützt wird (zB des Bürgen; § 766 S 1), nur eingeschränkt werden soll (RG 71, 415, 416; BGH NJW 1973, 37; 1976, 1842; 1996, 452; 2001, 1932, 1933; NJWRR 1988, 185, 186). Der Neuabschluss eines aufgehobenen formbedürftigen Vertrags ist immer formbedürftig. Ebenso besteht immer Formzwang für die Bestätigung eines formnichtigen Vertrags; allerdings sind Bezugnahmen erlaubt (vgl § 141 Rn 5). Bei formgerecht vereinbartem Vermieterwechsel in einem langfristigen Mietvertrag bedarf die Zustimmung der Mieter keiner Form (BGH NJW 2003, 2158, 2160f); dasselbe gilt für die Zustimmung des Neumieters, wenn Vermieter und Altmieter einen Übergang des Mietverhältnisses vereinbaren (BGH NJW-RR 2005, 958, 959). g) Aufhebung. Die Aufhebung eines Rechtsgeschäfts ist grds formlos möglich (s nur BAG AP Nr 5 20 zu § 1 TVG Form; MüKo/Einsele Rn 15). Ausnahmen bestehen aber zB nach § 2290 IV für die vertragliche Aufhebung eines Erbvertrags und nach §§ 2351, 2348 für die vertragliche Aufhebung eines Erbverzichts. Ferner bedarf auch die Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses nach § 623 BGB der SchriftA. Arnold

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§ 125

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

form (s nur ErfK/Müller-Glöge § 623 BGB Rn 4f mwN). Ausnahmen können sich überdies aus dem Zweck der Formvorschrift ergeben. So ist etwa die Aufhebung eines Grundstückskaufvertrags formbedürftig, wenn der Vertrag bereits vollzogen und damit das Grundstück übereignet wurde, weil damit eine Verpflichtung zur Rückabwicklung des Grundstück begründet wird; gleiches gilt, wenn der Erwerber bereits ein Anwartschaftsrecht an dem Grundstück erworben hat (BGH 83, 395, 397ff). 21

4. Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung einer gesetzlichen Formvorschrift. a) Nichtigkeit. Die Nichtbeachtung einer gesetzlichen Formvorschrift macht das Rechtsgeschäft grds nichtig (§ 125 S 1). Das gilt wegen § 139 grds auch dann, wenn einer Nebenabrede die gesetzlich vorgesehene Form fehlt. Auf die Nichtigkeit kann sich jede Vertragspartei, aber auch jeder Dritte (RG 93, 76) berufen. Im Rechtsstreit ist die Nichtigkeit wegen Formmangels selbst dann zu beachten, wenn beide Prozessparteien den formwidrig geschlossenen Vertrag als wirksam behandelt wissen wollen. Wegen der Nichtigkeit besteht auch kein Erfüllungsanspruch und kein Anspruch auf formgerechten Abschluss des Geschäfts. Hat bereits eine Partei den formnichtigen Vertrag erfüllt, kann sie das Geleistete nach § 812 I zurückverlangen, sofern nicht § 814 entgegensteht (zur Heilung des Formmangels durch Erfüllung: Rn 23). Außerdem können Schadensersatzansprüche aus § 311 II, 241 II, 280 I oder §§ 823ff in Betracht kommen (MüKo/Einsele Rn 54f).

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b) Abweichende gesetzliche Regelung. Ausnahmsweise führt der Verstoß gegen eine gesetzliche Formvorschrift nicht zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. So gilt ein Mietvertrag über Wohnraum, der ohne Einhaltung der Schriftform für längere Zeit als ein Jahr geschlossen wird, als für unbestimmte Zeit geschlossen (§ 550). Diese Folge tritt auch dann ein, wenn die Vertragsparteien diese Rechtsfolge des Formmangels nicht gekannt (RG JW 1929, 3226) oder eine zeitliche Unbestimmtheit nicht gewollt haben (RG JW 1929, 318). Für Mietverhältnisse über Grundstücke und Räume gilt das entspr (§ 578). Ähnliches gilt für den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags: Wird der Form des § 14 IV TzBfG nicht genügt, gilt der Vertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen (§ 16 TzBfG). Ist ein formnichtiger Gesellschaftsvertrag in Vollzug gesetzt worden, wirkt sich die Formnichtigkeit nur für die Zukunft aus; ist eine Kapitalgesellschaft trotz eines formunwirksamen Gesellschaftsvertrags ins Handelsregister eingetragen worden, ist der Formmangel sogar unbeachtlich (eingehend KKAktG/Arnold, § 23 Rn 160, 165). Ebenso kann bei einem in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnis die Formnichtigkeit nur für die Zukunft geltend gemacht werden (s nur BAG NJW 1958, 397, 398).

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c) Heilung des Formmangels. Für bestimmte Fälle sieht das Gesetz eine Heilung des Formmangels vor (zB §§ 311b I S 2; § 494 II; 518 II; 766 S 3; 2301 II BGB; § 15 IV S 2 GmbHG). Werden die formnichtigen Rechtsgeschäfte erfüllt, erledigen sich die Hauptzwecke mancher Formvorschriften (Warn- und Beweisfunktion). Aber auch dann, wenn die Formvorschrift ihre Warnfunktion nicht erfüllt, weil etwa der Schuldner sich irrtümlich aufgrund des formwidrigen Vertrags zur Leistung verpflichtet glaubt und deshalb leistet, tritt die Heilung aus Gründen der Praktikabilität ein (Mugdan II, 741). Die Heilung lässt, soweit das Gesetz keine Einschränkungen vorsieht (zB § 494), das gesamte Geschäft einschl aller Nebenabreden wirksam werden. Eine teilw Erfüllung (zB des Bürgen) bewirkt auch nur eine teilw Heilung des Geschäfts. Immer betrifft die Heilung nur den Formmangel, nicht andere Nichtigkeitsgründe (zB §§ 105, 134, 138). Die Heilung wirkt nicht auf den Zeitpunkt des Abschlusses des formnichtigen (Verpflichtungs-)Geschäfts zurück; jedoch haben die Parteien sich entspr § 141 II das zu gewähren, was sie haben würden, wenn der Vertrag von Anfang an gültig gewesen wäre (BGH 32, 11, 13; 54, 56, 63f).

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Eine entspr Anwendung der Heilungsvorschriften auf andere Fälle der Erfüllung kommt grds nicht in Betracht, da die entspr Einzelregeln keinen allg Rechtsgedanken enthalten (hM, s nur BGH NJW 1967, 1128, 1131; MüKo/Einsele Rn 48 mwN). Allerdings sollen im Einzelfall Ausnahmen möglich sein. So soll ein formunwirksamer Vorvertrag über eine Grundstücksveräußerung durch den formgerechten Abschluss des entspr Vertrags analog § 311b I 2 geheilt werden (BGH 82, 398, 403; s aber auch BGH NJW 2004, 3626ff). Gleiches gilt bei einer formlosen Verpflichtung zur Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts bei Einigung und Eintragung in das Grundbuch (BGH WM 1967, 935, 936). Ferner wird die Formunwirksamkeit eines Maklervertrags, der nach § 311b I formbedürftig ist, weil ein unangemessener Druck zum Erwerb eines Grundstücks ausgeübt wird, durch die Auflassung und Eintragung der Auftraggeberin als Eigentümerin geheilt (BGH NJW-RR 1989, 760). Bei einer formlosen Verpflichtung zur Übertragung des Erbbaurechts wurde § 11 II ErbbauRG iVm § 313 S 2 aF entspr angewandt, wenn der Erwerber nicht als Inhaber des Erbbaurechts eingetragen wurde, er aber, nachdem er inzwischen Eigentümer des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks geworden war, den im Grundbuch als Erbbauberechtigten eingetragenen Veräußerer mit Erfolg veranlasst hatte, das Erbbaurecht löschen zu lassen (BGH 32, 11, 12). Hat der Ehemann seiner Frau Geld zum Kauf eines bestimmten Grundstücks geschenkt und mit ihr mündlich vereinbart, ihr Erbe müsse ihm das Grundstück zurückübereignen, wenn die Frau vor dem Mann sterbe, so wird diese mündliche Abrede in analoger Anwendung des § 311b S 2 wirksam, wenn die Frau mit Auflassung und Eintragung Eigentümerin des Grundstücks geworden und das Grundstück mittelbar Gegenstand der unentgeltlichen Zuwendung gewesen ist (BGH NJW 1952, 1171; Fall der mittelbaren Schenkung). Dagegen wird der Formmangel eines Kaufvertrags über den Anteil eines Miterben am Nachlass durch ein formgerechtes Erfüllungsgeschäft nicht geheilt (RG 137, 171, 175; BGH NJW 1967, 1128, 1131; aA MüKo/Einsele Rn 49). Eine § 311b I nicht genügende Vereinbarung zw künftigen Miteigentümern über Realteilung eines gemeinschaftlich zu erwerbenden Grundstücks wird durch dessen Auflassung an sie und ihre Grundbucheintragung als Miteigentümer nicht geheilt (BGH NJW 2002, 2560, 2561). Ebenso soll bei einem Leibrentenvertrag (§ 761) der Formmangel nicht durch vollständige beiderseitige Erfüllung geheilt werden (RG 67, 208, 212). 286

A. Arnold

Willenserklärung

§ 125

IV. Rechtsgeschäftlich vereinbarte Form. 1. Bedeutung des Formzwangs. Bei einer rechtsgeschäft- 25 lich bestimmten Form ergibt sich der Umfang des Formzwangs aus der getroffenen Vereinbarung. Die Form kann vereinbarungsgemäß Wirksamkeitsvoraussetzung sein, also konstitutive Bedeutung haben, so dass bei Nichteinhaltung der Form das Geschäft nichtig ist (§ 125 S 2). Sie kann auch nur zur Sicherung des Beweises gewollt sein, also nur deklaratorische Bedeutung haben, so dass das Geschäft auch formlos gültig ist, jede Partei aber einen Anspruch darauf hat, dass das Geschäft urkundlich festgelegt wird. Was die Parteien im Einzelfall gewollt haben, ist durch Auslegung (§§ 133, 157) zu ermitteln. Ergibt die Auslegung, dass nur eine Beweissicherung oder Klarstellung beabsichtigt war, spricht das für eine lediglich deklaratorische Bedeutung der Form. Ist vereinbart, dass eine Kündigung mit Einschreiben zu versenden sei, hat idR allein die Schriftform konstitutiven Charakter, während die Versendung als eingeschriebener Brief nur den Zugang sichern soll (BGH NJW-RR 1996, 866, 867; NJW 2004, 1320; BAG NJW 1980, 1304). Wenn gerichtliche Protokollierung eines Vergleichs in einer Familiensache vereinbart ist, ist die vorhergehende mündliche Einigung über den Inhalt des Vergleichs nicht wirksam (Karlsruhe NJW 1995, 1561, 1562). Dagegen haben Schriftformklauseln in Gesellschaftsverträgen idR nur Klarstellungsfunktion (BGH 49, 364, 366). Unter die Vereinbarung eines Formzwangs für Vertragsänderungen oder -ergänzungen (sog einfache Schriftformklausel) fällt im Zweifel nicht die Zustimmung zu einer Vertragsübernahme (BGH DtZ 1996, 56, 58). Führt die Auslegung zu keinem Ergebnis, greift die Auslegungsregel des § 125 S 2 ein, wonach das formlose Geschäft im Zweifel nichtig ist (vgl auch § 154 II). 2. Aufhebung der vereinbarten Form. Der rechtsgeschäftlich bestimmte Formzwang kann durch 26 Vereinbarung der Parteien wieder aufgehoben werden (hM, vgl BGH 66, 378, 381; Flume § 15 III 2). Gleiches gilt auch für Schriftformklauseln in AGB (vgl § 305b). Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Aufhebung durch eine die Form wahrende Vereinbarung erfolgt (BGH NJW 1962, 1908). Die Aufhebung kann auch konkludent (zB Bewirken der Leistungen durch die Parteien) erfolgen; dabei genügt es, dass die Parteien die mündliche Vereinbarung übereinstimmend als maßgeblich wollen, selbst wenn sie an die früher vereinbarte Formklausel nicht mehr denken (BGH 162, 164; WM 1974, 105; NJW 2006, 138, 139; BAG NJW 1989, 2149, 2150; NZA 2007, 801, 803; Flume § 15 III 2; krit MüKo/ Einsele Rn 70); denn die Parteien müssen ggü ihrer eigenen Bestimmung einer Form, wenn sie einverständlich handeln, frei sein. Bei Vereinbarung einer qualifizierten Schriftformklausel, die entweder allg für Vertragsänderungen oder aber für eine Änderung oder Aufhebung der Formvereinbarung ausdr Schriftform verlangt, ist eine mündliche Abrede dagegen unwirksam (BGH 66, 378, 380; BAG NJW 2003, 3725, 3727; BFH BB 1992, 51; aA Erman/Palm12 Rn 9). In AGB verstoßen derartige Klauseln aber gegen §§ 305b, 307; damit haben individuelle mündliche Abreden Vorrang (BGH NJW 1995, 1488, 1489; 2006, 138, 139; BAG NJW 2009, 316, 317). Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung einer rechtsgeschäftlichen Formvorschrift. Entscheidend ist zu- 27 nächst, ob die rechtsgeschäftlich bestimmte Form konstitutive oder lediglich deklaratorische Bedeutung haben soll (Rn 25). Im letzten Fall ist das formlose Geschäft gültig. Sofern eine konstitutive Bedeutung gewollt ist, was im Zweifel anzunehmen ist, ist das formlos geschlossene Geschäft nichtig (§ 125 S 2). Jedoch ist dann zu prüfen, ob mit dem formlosen Abschluss des Geschäfts die rechtsgeschäftlich bestimmte Form aufgehoben worden ist (vgl Rn 26), so dass das Geschäft gültig ist. V. Inhalt der Urkunde. 1. Auslegung. Der Inhalt des in der Urkunde enthaltenen Geschäfts wird 28 durch den Willen des oder der Erklärenden bestimmt. Dieser Wille ist durch Auslegung der Urkunde zu ermitteln. Dafür gelten dieselben Grundsätze wie für die Auslegung formfreier Erklärungen (vgl §§ 133, 157). Es ist also der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (§ 133 Rn 15). Dabei sind auch die außerhalb der Urkunde liegenden Umstände (zB Vorkorrespondenz, Entwürfe, Besprechungen, sonstiges Verhalten der Erklärenden, Sinn und Zweck) mit zu berücksichtigen (BGH 63, 359, 362; NJW 1969, 131, 132; 1995, 1886, 1887; 1996, 2792, 2793). Allerdings wird von der Rspr die Auffassung vertreten, die außerhalb der Urkunde liegenden Umstände seien nur dann zu berücksichtigen, wenn der sich daraus ergebende Wille irgendeinen, wenn auch noch so unvollkommenen Ausdruck in der Urkunde gefunden habe („Andeutungstheorie“, BGH 63, 359, 362; 87, 150, 154; NJW 1993, 724, 725; 1996, 2792, 2793; 2000, 1569, 1570; BAG NJW 2007, 250, 252; krit etwa Flume, § 16, 2a; s auch Medicus AT Rn 330). Dies soll allerdings nicht für die erg Vertragsauslegung gelten (Pal/Ellenberger § 133 Rn 19); sie bleibt auch bei formbedürftigen Erklärungen möglich. IÜ soll die Andeutungstheorie der Anwendung der Grundsätze zur irrtümlichen Falschbezeichnung (falsa demonstratio; § 133 Rn 18) nicht entgegenstehen: In diesem Fall gilt nicht das Erklärte, sondern das Gewollte; dieses ist formgerecht zum Ausdruck gebracht (BGH 74, 116, 119; 87, 150, 153; NJW 2008, 1658, 1659; Medicus AT Rn 331). Bezeichnen dagegen die Parteien in einem notariellen Grundstückskaufvertrag den Kaufpreis bewusst falsch, ist das beurkundete Geschäft wegen Scheins (§ 117 I), das verdeckte Geschäft wegen Formmangels (§§ 117 II, 311b I) nichtig (§ 117 Rn 12). 2. Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Urkunde. Die Auslegung einer formgebunde- 29 nen Willenserklärung hat von der Urkunde auszugehen. Diese hat, wenn sie nach Wortlaut und innerem Zusammenhang unter Berücksichtigung der Verkehrssitte einen bestimmten Geschäftsinhalt zum Ausdruck bringt, die Vermutung für sich, dass sie das Rechtsgeschäft richtig und vollständig wiedergibt, also insb keine weiteren Abreden getroffen worden sind (BGH NJW 1980, 1680, 1681; 1989, 898; 2000, 207; 2002, 3164, 3165). Diese Vermutung erstreckt sich auf alle Erklärungen in der Urkunde, die Regelungen enthalten (BGH NJW-RR 1998, 1470). Sie gilt nicht, wenn die Parteien unstr eine Nebenabrede außerhalb der Urkunde getroffen haben (BGH NJW 1989, 898). IÜ ist die Vermutung widerlegbar. Wer ein bestimmtes Auslegungsergebnis auf Umstände außerhalb der Urkunde stützt, A. Arnold

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§ 125

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

muss diese aber beweisen (BGH NJW 1999, 1702f). Wer behauptet, dass die Urkunde das Rechtsgeschäft unzutreffend darstelle oder eine getroffene Nebenabrede nicht enthalte, ist dafür ebenfalls beweispflichtig. An diesen Beweis sind strenge Anforderungen zu stellen (Köln WM 1976, 362). Es reicht nicht der Beweis aus, dass eine mündliche Nebenabrede überhaupt getroffen wurde; erforderlich ist ferner der Beweis, dass die Parteien die Nebenabrede auch noch bei Errichtung der Urkunde als Vertragsbestandteil wollten (RG WarnRsp 1918 Nr 50).Bei ungewöhnlichen Abreden oder solchen von erheblicher Bedeutung ist auch darzulegen, weshalb eine Aufnahme in die Urkunde unterblieben ist. 30

VI. Formnichtigkeit und Treu und Glauben. 1. Grundlagen. Die Formnichtigkeit nach § 125 steht regelmäßig nicht im Widerspruch zu dem das ganze Recht beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242). Im Einzelfall können aber die Folgen der Formstrenge mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht vereinbar sein. Dafür genügt es aber nicht, dass die Ergebnisse für den Betroffenen hart sind; vielmehr darf nach der Rspr nur „zur Vermeidung schlechthin untragbarer Ergebnisse“ aufgrund des § 242 von der Nichtigkeit abgesehen werden (BGH 26, 142, 151; 29, 6, 10; 85, 315, 319; 121, 224, 233; 138, 339, 348; NJW 2004, 3330, 3331f; NJW-RR 1990, 519; BAG NJW 2005, 844). Eine Korrektur der Nichtigkeitsfolge des § 125 durch § 242 ist nur dann erforderlich, wenn nicht auf einem anderen Wege ein sachgemäßer Interessenausgleich geschaffen wird. Das ist zB der Fall, wenn durch Erfüllung eine Heilung des Geschäfts eintritt, einem Bereicherungsanspruch § 814 entgegensteht oder ein Schadensersatzanspruch (aus §§ 311 II, 241 II, 280 I oder unerlaubter Handlung) gegeben ist (Larenz/Wolf § 27 Rn 68; vgl auch BGH 12, 286, 304; aA MüKo/Einsele Rn 68; AnwK-BGB/Noack Rn 45). IÜ können Entscheidungskriterien für eine Überwindung der Formnichtigkeit gem § 242 die schwere Treuepflichtverletzung des einen Vertragsteils und die bei Nichtigkeit drohende Existenzgefährdung des anderen Vertragsteils sein (vgl etwa BGH NJW 1989, 166, 167; 2007, 3202, 3203; 2008, 2181, 2183). Bedeutsam kann es ferner sein, dass eine Seite über längere Zeit aus dem formunwirksamen Vertrag unmittelbar oder mittelbar Vorteile gezogen hat (vgl etwa BGH 121, 224, 233 = NJW 1993, 1126; NJW 1997, 3169, 3170f; 1999, 2664, 2667). Ist ein Formmangel unbeachtlich, ist dies von Amts wegen zu beachten (Pal/Ellenberger Rn 22).

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2. Fallgruppen. Es lassen sich folgende Fallgruppen bilden, die nicht abschließend sein können (eingehend Armbrüster NJW 2007, 3317ff):

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a) Bewusster Verstoß gegen das Formgebot. Haben beide Parteien die Formbedürftigkeit gekannt und dennoch die Formvorschrift nicht eingehalten, so ist das Geschäft nichtig. Der durch den Formmangel Geschädigte verdient nicht den Schutz, dass das Geschäft als wirksam angesehen wird, da er den Formmangel kannte (BGH NJW 1969, 1167, 1170; 1973, 1455, 1456). Das gilt auch dann, wenn der Geschädigte sich auf das Wort des Vertragspartners als eines „Edelmannes“ oder auf den Hinw „kaufmännischer Ehrbarkeit“ verlässt und deshalb in Kenntnis der Formvorschrift einen formgerechten Abschluss des Vertrags nicht durchsetzt (RG 117, 121, 124; anders BGH 48, 396, 399, dagegen mit Recht Medicus/Petersen BürgR Rn 181; MüKo/Einsele Rn 61). Auch wenn auf beiden Seiten ein gesetzwidriges Verhalten (zB Schwarzkauf) vorliegt, kommt eine Durchbrechung der Nichtigkeitsfolge gem § 242 nicht in Betracht (BGH NJW 1980, 451).

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b) Arglistige Täuschung über die Formbedürftigkeit. Hat eine Partei die andere über die Formbedürftigkeit des Vertrags arglistig getäuscht, so muss die getäuschte Partei geschützt werden. Dazu reichen Schadensersatzansprüche aus §§ 311 II, 280 I oder unerlaubter Handlung nicht aus, da sie auf Ersatz des negativen Interesses gehen; dieses deckt sich nicht mit dem Erfüllungsinteresse, weil die arglistige Partei den Vertrag nicht formgerecht geschlossen hätte. Deshalb ist der formnichtige Vertrag nach § 242 wie ein gültiger zu behandeln (BGH NJW 169, 1167, 1169; anders in der Begründung Flume § 15 III 4c cc). Allerdings gilt das nur dann, wenn die Aufrechterhaltung des formnichtigen Geschäfts dem Willen der getäuschten Partei entspricht; der Täuschende kann vom Getäuschten nicht gegen dessen Willen Vertragserfüllung verlangen (Flume § 15 III 4c cc; D. Reinicke, Rechtsfragen formwidrig abgeschlossener Verträge, 1969, 38f; Medicus/Petersen BürgR Rn 182).

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c) Fahrlässige Unkenntnis der Form. Haben beide Parteien die Formbedürftigkeit nicht gekannt, bleibt es bei der Nichtigkeit, selbst wenn eine Partei fahrlässig in der anderen den Irrtum erweckt oder erhalten hat, das Geschäft bedürfe keiner Form (BGH NJW 1965, 812; 1969, 1169; 1989, 166, 167; aA wohl BGH WM 1972, 1027). Es kann jedoch ein Schadensersatzanspruch aus §§ 311 II, 280 I in Betracht kommen (MüKo/Einsele Rn 61f); der Anspruchsberechtigte ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er nicht auf die Gültigkeit des Geschäfts vertraut hätte. Jedoch kann das negative Interesse sich mit dem positiven decken, wenn ohne Verschulden des anderen Vertragspartners ein formgültiger Vertrag geschlossen worden wäre. Allerdings hat in einem solchen Fall zB der Käufer eines formnichtigen Kaufvertrags keinen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks; vielmehr soll er in Geld so zu entschädigen sein, dass er sich ein gleichwertiges anderes Grundstück verschaffen kann (BGH NJW 1965, 812; 69, 1167; str).

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d) Fürsorgepflicht. Beruht die Nichtbeachtung der Formvorschrift auf der Verletzung einer besonderen Fürsorgepflicht/Treupflicht des einen Vertragspartners ggü dem anderen, so muss die Nichtigkeitsfolge bei dessen Existenzgefährdung ggü dem Grundsatz von Treu und Glauben zurücktreten (BGH NJW 2004, 3330, 3331f; MüKo/Einsele Rn 58). Ein solches Betreuungsverhältnis hat die Rspr zw Siedlungsunternehmen und Siedler (BGH 16, 338; 20, 173), Behörde und Bürger (BGH DNotZ 1972, 526; BezG Potsdam VersR 1992, 1525 für einen Fall aus der DDR), gemeinnütziger Wohnbaugesellschaft und Eigenheimbewerber (BGH NJW 1972, 1189) angenommen. Beim sozialen Wohnungsbau besteht dagegen ein solches Verhältnis regelmäßig nicht (BGH NJW 1965, 812; 1969,

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A. Arnold

Willenserklärung

§ 126

1169; vgl aber auch BGH NJW 1972, 1189). Auch aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht folgt keine Fürsorgepflicht idS (BGH NJW 1989, 166, 167). e) Einseitige Rechtsgeschäfte. Bei einseitigen Rechtsgeschäften (etwa Kündigung) wird sich der 36 Erklärungsempfänger ggü dem Formmangel auf § 242 berufen können, wenn er in seinem Vertrauen auf die Wirksamkeit der formlosen Erklärung Schutz verdient und der Erklärende sich in einer mit Treu und Glauben unvereinbaren Weise zu seinem Verhalten bei und/oder nach Vornahme des Rechtsgeschäfts in Widerspruch setzt (vgl das Bsp einer formunwirksamen außerordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers in BAG NJW 1998, 1659, 1660f). f) Besonderheiten bei Verfügungen. Bei Verfügungen kann der Formzwang nicht durch § 242 37 durchbrochen werden; denn sie wirken absolut und berühren die Interessen Dritter. Hier geht das Interesse an der Verkehrssicherheit vor (hM; AnwK-BGB/Noack Rn 46; Flume § 15 III 4a; Medicus/Petersen BürgR Rn 186; anders Soergel/Teichmann § 242 Rn 177).

126

Schriftform (1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. (2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet. (3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. (4) Die schriftliche Form wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt.

1. Bedeutung. § 126 bestimmt die Voraussetzungen für die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebe- 1 nen Schriftform. Für die rechtsgeschäftlich vereinbarte Schriftform gilt § 127. Die gesetzliche Bezeichnung des Schriftformerfordernisses ist uneinheitlich (vgl MüKo/Einsele Rn 3): schriftliche Erklärung (zB § 32 II), schriftliche Form (zB § 550), Ausstellung einer Urkunde (zB § 409), schriftliche Mitteilung (§ 416 I), schriftliche Erteilung einer Erklärung (zB § 766). 2. Anwendungsbereich. § 126 gilt für Rechtsgeschäfte. Darüber hinaus ist die Vorschrift aber auch 2 auf rechtsgeschäftsähnliche Handlungen zumindest entspr anzuwenden (MüKo/Einsele Rn 4; Röger NJW 2004, 1764, 1765; Ulrici NJW 2003, 2053, 2055; aA BAG NJW 2001, 989, 990; 2003, 843, 844). Das BGB sieht die Schriftform zB in folgenden Fällen vor: §§ 32 II, 37 I, 81 I, 111 S 2, 368, 409 I, 410 I und II, 416 II, 484, 492, 550, 568, 574b, 577, 585a, 594f, 623, 655b, 761, 766, 780, 781, 792 I, 793 I, 1154 I, 1906 V. Die Regelung des § 126 gilt auch für andere gesetzliche Schriftformerfordernisse des Privatrechts, etwa im Arbeitsrecht (zB § 12 AÜG, §§ 77 II, 112 III BetrVG, § 14 IV TzBfG), in den gesetzlichen Gebührenregelungen der freien Berufe (zB § 7 I HOAI, § 2 II GOÄ, § 2 II GOZ) oder im Handelsund Gesellschaftsrecht (zB §§ 74 II, 86b HGB, § 32 AktG, §§ 5, 76 GenG, § 3 PartGG). § 126 gilt ferner bei öffentlich-rechtl Verträgen, §§ 57, 62 VwVfG (vgl OVG Lüneburg NJW 1992, 1404, 1405; 1998, 2921; OVG Saarlouis NJW 1993, 1612); iÜ ist die Vorschrift aber im öffentlichen Recht nicht entspr anwendbar (MüKo/Einsele Rn 5). Ebenso gelten im Prozessrecht vorrangig die Sondervorschriften des Verfahrensrechts (vgl BGH 107, 129, 131; GmS-OBG NJW 2000, 2340). Für das Schriftformerfordernis nach Europäischem Gemeinschaftsrecht gilt § 126 nicht (BGH NJW 1983, 519, 521; 2006, 681, 683). 3. Erfordernisse der Schriftform. a) Urkunde. Die rechtsgeschäftliche Erklärung muss in einer Ur- 3 kunde, also schriftlich niedergelegt sein. Die Art und Weise der Herstellung ist nicht vorgeschrieben. Die Urkunde kann nach Belieben von den Parteien oder einem Dritten handschriftlich, mit Schreibmaschine oder PC, durch Druck oder Vervielfältigung erstellt werden. Jeder Stoff, der geeignet ist, die schriftliche Erklärung auf Dauer festzuhalten, kann benutzt werden (vgl RG DJZ 1910, 594: Testament auf Schiefertafel). Zulässig ist auch die Benutzung einer alten, inzwischen unwirksam gewordenen Urkunde (RG 78, 26, 31). Die Angabe von Ort und Zeit der Abfassung ist nicht erforderlich (LG Frankfurt WM 2009, 947). IÜ muss die Urkunde auch nicht in deutscher Sprache abgefasst sein (Pal/ Ellenberger Rn 2). aa) Inhalt der Urkunde. In der Urkunde muss die formbedürftige, rechtsgeschäftliche Erklärung 4 grds vollständig und bestimmt, zumindest bestimmbar enthalten sein. Danach sind alle Einzelheiten, die nach dem Willen der Parteien den Vertrag kennzeichnen, schriftlich niederzulegen (MüKo/Einsele Rn 7; vgl auch BGH NJW 2003, 1248). Teilw regelt auch das Gesetz im Einz selbst, welchen Inhalt die Urkunde enthalten muss (zB §§ 484, 492). IÜ ist der notwendige Inhalt unter Berücksichtigung der Formzwecke zu ermitteln (vgl BGH 57, 53, 57; ferner Pal/Ellenberger Rn 3). So muss die Bürgschaftserklärung außer dem Willen, für eine fremde Schuld einzustehen, den Gläubiger, den Schuldner und die gesicherte Forderung nennen (BGH 132, 119, 122f). Dagegen soll beim Mietvertrag der Form des § 550 bereits genügt sein, wenn die Parteien des Mietvertrags, die vermieteten Räume und der Mietbeginn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestimmbar sind (BGH NJW 1999, 3257, 3259; 2006, 139, 140; 140, 141). IÜ sollen erforderliche Zustimmungserklärungen zu einem Mieter- bzw. Vermieterwechsel ohne Wahrung der Form wirksam sein (BGH NJW 2003, 2158, 2160; NJW-RR 2005, 958, 959). Gleichgültig ist, ob die Urkunde neben der formbedürftigen noch andere Erklärungen enthält (zB im Privatbrief). bb) Einheitlichkeit der Urkunde. Die gesamte rechtsgeschäftliche Erklärung muss in einer Urkun- 5 de enthalten sein. Besteht die Urkunde aus mehreren Blättern, setzt dies nach der neueren, zu § 550 A. Arnold

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§ 126

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

ergangenen Rspr allerdings nicht mehr voraus, dass eine von den Vertragsparteien übereinstimmend hergestellte dauernde äußere (körperliche) Verbindung (zB Anheften mit einem Faden, Zusammenleimen, Heften) besteht (dahingehend noch BGH 40, 255, 263). Vielmehr soll es ausreichend sein, wenn sich die Einheit der Urkunde etwa aus fortlaufender Seitenzahl, fortlaufender Nummerierung der einzelnen Bestimmungen, einheitlicher graphischer Gestaltung, inhaltlichem Zusammenhang des Textes oder vergleichbaren Merkmalen zweifelsfrei ergibt (BGH 136, 357, 363ff; NJW-RR 2004, 586, 587; s zu § 34 GWB aF auch schon BGH NJW 1997, 2182, 2183; eingehend zur Entwicklung der Rspr s Erman/Palm12 Rn 6). Zulässig ist es auch, wenn sich der formbedürftige Inhalt erst aus mehreren Urkunden (zB Vertrag mit Anlagen, Nachtrags- und Ergänzungsvereinbarungen) ergibt. Dabei ist es nicht erforderlich, dass beide Urkunden verbunden sind. Vielmehr soll es nach der – wiederum zu § 550 ergangenen – Rspr des BGH genügen, wenn der Vertrag auf die Anlage Bezug nimmt und diese so genau kennzeichnet, dass eine eindeutige Identifizierung möglich ist (BGH NJW 1999, 1104, 1105; 2003, 1248, 1249; 2007, 288, 290; 3202, 3203; 2009, 2195, 2196; eingehend Lindner-Figura NZM 2007, 705, 709; ähnlich für Tarifverträge BAG NJW 1981, 1574; enger für § 112 BetrVG aber offensichtlich BAG NJW 2007, 266, 269). Eine Rückverweisung der Anlage auf den eigentlichen Vertrag ist dagegen nicht erforderlich (BGH NJW 2000, 354, 357; 2003, 1248, 1249). Ferner muss die Anlage von den Parteien nicht unterschrieben oder paraphiert worden sein (BGH NJW 2003, 1248, 1249, noch offenlassend BGH NJW 1999, 1104, 1105; 2000, 354, 357). Daher ist es auch unschädlich, wenn die Anlage in einem Vertrag besteht, der von anderen Parteien geschlossen worden ist (BGH NJW 2003, 1248, 1249). Unproblematisch sind iÜ von vornherein solche Anlagen, die für den Inhalt des Vertrags lediglich von nebensächlicher Bedeutung sind oder den Inhalt der eigentlichen Vertragsurkunde nicht ergänzen oder modifizieren, sondern lediglich erläutern oder veranschaulichen sollen, da für sie das Schriftformerfordernis nicht gilt (BGH NJW 1999, 2591, 2592; 2000, 354, 357f). 6

Bei nachträglichen Änderungen und Ergänzungen ist es zur Wahrung der Schriftform erforderlich, dass die Nachtragsurkunde auf den ursprünglichen Vertrag Bezug nimmt und zum Ausdruck bringt, es solle unter Einbeziehung des Nachtrags bei dem verbleiben, was früher bereits formgültig niedergelegt war, und von beiden Parteien unterzeichnet ist (BGH NJW 1992, 2283, 2284; 1999, 2517, 2519; NJW-RR 2000, 744, 745). Entspr gilt auch für die Vereinbarung eines Parteiwechsels (BGH NJW 1998, 62). Ist die ursprüngliche Vereinbarung wegen unzureichender Angaben formunwirksam, so kann dieser Mangel durch eine Nachtragsvereinbarung geheilt werden, die die erforderlichen Angaben enthält und auf die ursprüngliche Abrede Bezug nimmt (so zu § 550 BGH NJW 2007, 3273, 3275; 2009, 2195, 2196).

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b) Unterzeichnung der Urkunde. aa) Abschluss der Urkunde. Die Urkunde muss die Unterschrift des Ausstellers enthalten. Die Unterschrift muss die ihr voranstehende Erklärung decken (Abschluss- und Deckungswirkung). Erforderlich ist daher, dass die Unterschrift des Ausstellers sich unter der Urkunde befindet und den Text räumlich abschließt (RG 52, 277, 280; 57, 66, 67; 110, 166, 168); eine „Oberschrift“ reicht – selbst bei entspr gestalteten Vordrucken (Bsp zeitweilig üblicher Vordruck für Banküberweisungen) – für die gesetzlich geforderte Schriftform nicht aus (BGH 113, 48, 51; aA Köhler JZ 1991, 408, 409). Nicht ausreichend ist ferner die Unterzeichnung am Rand des Urkundentextes (BGH NJW 1992, 829, 830) oder auf einem offenen oder verschlossenen Briefumschlag, es sei denn, dass es sich bei dem Text des Umschlags um die Fortsetzung des Urkundentextes handelt (RG 110, 166, 168f). Dagegen liegt eine wirksame Unterschrift vor, wenn die Erklärung räumlich aE der Urkunde unterzeichnet wird, sich aber erst danach ergibt, in welcher rechtlichen Eigenschaft der Erklärende gehandelt hat (BGH NJW 1995, 43). Nachträge zu einer urkundlichen Erklärung müssen erneut unterschrieben werden (BGH NJW-RR 1990, 518). Bei nachträglicher Änderung des über der Unterschrift stehenden Urkundeninhalts ist eine neue Unterschrift entbehrlich, falls die Parteien sich über die Verbindlichkeit der bestehenden Unterschrift einig sind (BGH WM 1973, 386, 387; NJW 1994, 2300, 2301; vgl auch Flume § 15 II 1a). Bei Urkunden mit mehreren Seiten genügt die Unterschrift am Textende.

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bb) Blankounterschrift. Die Unterschrift kann auch zeitlich vor Abfassung des Urkundentextes geleistet werden. Es ist somit zulässig, ein zunächst unausgefülltes Blatt mit einer Blankounterschrift zu versehen und die Erklärung später hinzuzufügen (RG 78, 26, 30; BGH 22, 128, 132; BGH NJW 1984, 798). Mit Ausfüllung der Blankourkunde durch den Aussteller oder einen Dritten ist die Schriftform gewahrt. Auf eine abredewidrige Ausfüllung der Urkunde durch Dritte kann sich der Unterzeichnende regelmäßig nicht berufen (BGH 40, 65, 68; Medicus AT Rn 913). Eine formbedürftige Bürgschaftserklärung kann indes nicht in der Weise erteilt werden, dass der Bürge ein Blankett ausfüllt und einen Dritten mündlich ermächtigt, dieses auszufüllen; vielmehr soll hier eine schriftliche Ermächtigung zur Ausfüllung des Blanketts erforderlich sein (BGH 132, 119, 125ff; krit Pawlowski JZ 1997, 309, 311f). Ebenso genügt dem Schutzzweck der von § 492 geforderten Schriftform eine Blankounterschrift nicht (BGH 132, 119, 126f; 140, 167, 171; BGH NJW-RR 2005, 1141, 1142). Auch beim Antrag auf Abschluss einer Lebensversicherung reicht entspr dem Rechtsgedanken von § 150 II S 1 VVG eine Blankounterschrift nicht aus (BGH 140, 167, 171f). Dagegen bedarf die Ermächtigung zum Ausfüllen eines Wechselblanketts keiner besonderen Form (Hamburg NJW-RR 1998, 407); die Zulässigkeit derartiger Blankowechsel folgt bereits aus Art 10 WG.

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cc) Namensunterschrift oder Unterschrift mittels notariell beglaubigten Handzeichens. Die Urkunde muss entweder mit dem Namen des Unterzeichnenden oder durch notariell beglaubigtes Handzeichen unterschrieben werden. Mit der Namensunterschrift soll die Person des Unterzeichnenden zur Unterscheidung von anderen Personen erkennbar gemacht werden. Unterzeichnet wird daher idR mit dem Familiennamen. Die Hinzufügung des Vornamens ist selbst bei Verwechslungs290

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Willenserklärung

§ 126

gefahr nicht erforderlich (so zur notariellen Beurkundung BGH NJW 2003, 1120; ferner nur MüKo/ Einsele Rn 16). Die Angabe des Vornamens allein genügt hingegen nur, wenn er die Person des Unterzeichnenden im Verkehr eindeutig kennzeichnet wie zum Bsp bei kirchlichen Würdenträgern und Angehörigen des Hochadels (so für die notarielle Beurkundung BGH NJW 2003, 1120; weiterhin Soergel/Hefermehl Rn 15; teilw weiter Staud/Hertel Rn 141, der den Vornamen auch bei Geschäften unter nahen Angehörigen genügen lassen will). Ebenso ist die Unterschrift mit dem Vornamen und dem Anfangsbuchstaben des Nachnamens idR nicht ausreichend (Stuttgart NJW 2002, 832). Bei Kaufleuten ist die Angabe ihrer Firma ausreichend (vgl § 17 I HGB), sofern sie vollständig verwendet wird (Pal/Ellenberger Rn 10). Zulässig ist auch die Verwendung eines Pseudonyms (Deckname, Künstlername), das der Unterzeichnende tatsächlich führt und durch welches er im Rechtsverkehr individualisierbar ist (MüKo/Einsele Rn 16; Flume § 15 II 1; enger für notarielle Urkunden BGH NJW 2003, 1120, 1121). Die versehentliche Verwendung eines falschen Familiennamens (Bsp: Ehegatte unterzeichnet mit dem Namen, den er nur bis zur Ehe geführt hat) ist unschädlich, sofern die Identität des Unterzeichnenden feststellbar bleibt (BayObLG NJW 1956, 24, 25). Ebenso reicht es aus, wenn nur mit einem Teil eines Doppelnamens unterzeichnet wird (BGH NJW 1996, 997). Unzureichend ist hingegen die Angabe einer Verwandtschaftsstellung (RG 134, 308, 310), einer Rechtsstellung oder eines Titels. Für eigenhändige Testamente gilt jedoch die Ausnahme des § 2247 III S 2. Der Name muss ausgeschrieben sein; die Verwendung von Anfangsbuchstaben/Initialen oder sons- 10 tigen Buchstabenfolgen sowie Namenskürzeln reicht nicht (BGH NJW 1967, 2310; 1978, 1255; 1994, 55; NJW-RR 2007, 351). Die Namensunterschrift kann auch in ausl – etwa arabischen – Schriftzeichen erfolgen (VGH München NJW 1978, 510, 511; Staud/Hertel Rn 136). Auf die Leserlichkeit der Unterschrift kommt es nicht an (BGH NJW 1987, 1333, 1334; BAG NJW 2008, 2521). Nach der – zumeist zur Wahrung der Schriftform bei Prozesshandlungen ergangenen – Rspr (BGH NJW 1974, 1090; 1982, 1467; 1985, 1227; 1987, 1333, 1334; 1992, 243; 1994, 55; 1997, 3380, 3381; 2005, 3773, 3774; 2005, 3775; NJW-RR 2007, 351; BAG NJW 1982, 1016; 1996, 3164; BFH DB 1983, 1694; skeptisch E. Schneider, NJW 1998, 1844ff) genügt es für eine Namensunterschrift, dass ein Schriftzug vorliegt, der nach dem objektiven Erscheinungsbild individuell und einmalig ist, entspr charakteristische Merkmale aufweist und sich so als eine die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnende Unterschrift seines Namens darstellt. Wenn die Autorenschaft gesichert ist, soll dabei ein großzügiger Maßstab angelegt werden (BGH NJW 1997, 3380, 3381; 2005, 3775; NJW-RR 2007, 351). Allerdings wird es für notwendig gehalten, dass einzelne Buchstaben wenigstens andeutungsweise erkennbar sind (BGH NJW 1974, 1090; 1988, 1227; 1988, 1333, 1334; BAG NJW 1996, 3164). Ausgehend von diesen Grundsätzen soll etwa eine Unterschrift nach Art einer „Wellenlinie“ wirksam sein, wenn die ersten beiden „Wellen“ den Buchstaben „W“ und damit den Anfangsbuchstaben des Namens ergeben und wenn die weiteren „Wellen“ ersichtlich für den Rest dieses Namens stehen (Köln NJW-RR 2005, 1252); ein aus drei steil und gerade verlaufenden Ab- und Aufstrichen bestehendes handschriftliches Gebilde kann nicht nur als „K“, sondern als gesamter Name zu deuten sein (BGH NJW 1997, 3380, 3381). IÜ kann es für die Anerkennung als Unterschrift auch von Bedeutung sein, ob der Schriftzug mit einer Namensangabe in Druckschrift versehen ist (BGH NJW 1992, 243, 244; NJW 1997, 3380, 3381). Der übereinstimmenden Auffassung der Parteien, dass die Unterschrift als bloßes Handzeichen anzusehen ist, kommt dagegen keine Bedeutung zu (BGH NJW 1978, 1255). Wahlweise kann die Unterschrift auch mit einem Handzeichen erfolgen. Dieses bedarf allerdings 11 der notariellen Beglaubigung. Die Art des verwendeten Handzeichens ist gleichgültig (Kreuze, Initialen). Da § 126 I die Unterzeichnung mit Namensunterschrift oder mittels beglaubigten Handzeichens zur freien Wahl stellt, ist die Schreibunkundigkeit keine Voraussetzung für die Verwendung eines Handzeichens (Hamm NZG 2001, 942, 943). dd) Eigenhändigkeit. Die Urkunde muss vom Aussteller zwar nicht vollständig eigenhändig erstellt 12 werden (anders etwa § 2247), wohl aber eigenhändig (handschriftlich) unterzeichnet werden. Aussteller ist dabei derjenige, von dem die Erklärung herrührt, der sie also selbst oder als Vertreter für einen anderen abgegeben hat (MüKo/Einsele Rn 12). Eine Schreibhilfe (zB Führen der Hand) ist aber soweit zulässig, als der Aussteller lediglich unterstützt wird und die Unterzeichnung noch auf seinem Willen beruht (BGH 47, 68, 71; NJW 1981, 1900, 1901; BayObLG DNotZ 1986, 299). Unzureichend ist hingegen die Unterzeichnung durch Maschinenschrift, Stempel oder Faksimile (RG 74, 339, 340f; BGH NJW 1970, 1078, 1080; Staud/Hertel § 126 Rn 133; Larenz/Wolf AT § 27 Rn 40; Medicus AT Rn 618; vgl aber auch Köhler AcP 182 [1982], 126, 147ff). Ebenso fehlt es bei einem Telegramm (BGH 24, 297, 298; Flume § 15 II 1b) und einem Telefax (BGH 121, 224, 229; NJW 1997, 3169, 3170) an der eigenhändigen Unterschrift. Zuletzt genügt auch ein elektronisches Dokument nicht (BGH NJW 2008, 506f). Freilich kann die Schriftform nach Abs III durch die elektronische Form ersetzt werden, soweit das Gesetz dies nicht ausschließt. In diesem Fall muss das elektronische Dokument aber mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden (§ 126a). IÜ trägt das Gesetz teilw den Bedürfnissen des Massenverkehrs dadurch Rechnung, dass es auf die Eigenhändigkeit der Unterschrift verzichtet und die Verwendung einer mechanisch vervielfältigten Unterschrift zulässt: so zB bei der Schuldverschreibung auf den Inhaber (§ 793 II), bei Aktien und Zwischenscheinen (§ 13 S 1 AktG). ee) Unterschrift durch einen Vertreter. Wird die formbedürftige Erklärung durch einen Vertreter 13 abgegeben, so muss dieser als Aussteller nach dem Gesetzeswortlaut die Urkunde mit seinem Namen unterzeichnen. Freilich wird es auch für zulässig gehalten, dass der Vertreter mit dem Namen des Vertretenen unterzeichnet (RG 74, 69, 70ff; 76, 99, 100; BGH 45, 193, 195; Soergel/Hefermehl Rn 18; Larenz/Wolf § 27 Rn 39; skeptisch MüKo/Einsele Rn 12; Staud/Hertel Rn 149). Unterschreibt der Vertreter mit seinem eigenen Namen, muss seine Vertreterstellung sich aus einem Zusatz oder dem A. Arnold

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§ 126

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

sonstigen Inhalt der Urkunde entnehmen lassen (RG 96, 286, 289; BGH 125, 175, 178f; NJW 2002, 3389, 3391; 2008, 2178, 2180; BAG NJW 2005, 2572). Hierfür kann es indes bereits ausreichen, dass der Vertreter nach dem Inhalt der Urkunde nicht Vertragspartei werden sollte, da seine Unterschrift in diesem Fall nur bedeuten kann, dass er eine Vertragspartei vertreten wollte (BGH NJW 2005, 2225, 2226; 2007, 3346). Bei Prokuristen reicht der Zusatz „ppa“ (LAG Hamm NZA-RR 2005, 428, 429; Köln MDR 2006, 145). Ausreichend kann auch eine Zeichnung mit dem Zusatz „i.A.“ (im Auftrag) statt „i.V.“ (in Vertretung) sein, da sich hieraus noch nicht zwingend ergibt, dass der Erklärende als Bote gehandelt hat (BAG NJW 2008, 1243, 1244). 14

Will der Vertreter die Erklärung sowohl für den Vertretenen als auch für sich abgeben, genügt zwar eine einzige Unterschrift (RG 75, 1, 4). Allerdings muss die Urkunde in diesem Fall erkennen lassen, ob auch für den Vertretenen gehandelt werden sollte, da andernfalls nicht klar ist, ob noch eine Unterschrift fehlt (BGH 125, 175, 178ff für den Fall der Unterzeichnung eines Vertrags mit Eheleuten nur durch den Ehemann; BGH NJW 2002, 3389, 3391 für den Vertragsschluss durch einen Miterben für alle Mitglieder einer Erbengemeinschaft). Entspr gilt für den Fall der Gesamtvertretung: Vertritt ein Gesamtvertreter beim Vertragsschluss für den Vertretenen zugleich den anderen, so genügt zwar eine Unterschrift (so schon RG 106, 268, 269); doch muss in der Urkunde zum Ausdruck kommen, dass auch für den oder die anderen Gesamtvertreter gehandelt werden sollte, womit es regelmäßig eines entspr Vertretungszusatzes bedarf (so – jew für die GbR – BGH NJW 2003, 3053, 3054; 2004, 1103; BAG NJW 2005, 2572, 2573; BAG NZA 2008, 348, 349; für die AG BGH NJW 2010, 1453f; krit zur Rspr für die Vertretung einer GbR Weitemeyer NZG 2006, 10ff).

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c) Empfangsbedürftige Erklärungen. Ist die Erklärung, die schriftlich erfolgen muss, empfangsbedürftig, so muss dem Empfänger eine formgerechte Erklärung zugehen. Daher genügt – anders als im Prozessrecht (vgl nur § 130 Nr 6 ZPO und zu bestimmenden Schriftsätzen iÜ Musielak/Stadler, § 129 ZPO Rn 11) – etwa die Übermittlung per Telefax nicht (BGH 121, 224, 228f; NJW 1997, 3169, 3170; MüKo/Einsele Rn 20; aA Schippers DNotZ 2006, 726ff). Denn dem Empfänger wird elektronisch nur eine Kopie übermittelt. Erst recht genügt es nicht, wenn – wie etwa bei Telegramm oder Fernschreiben – nicht einmal eine Kopie der Unterschrift, sondern nur der Text der Urkunde übermittelt wird (BGH 24, 297, 298f). Wirksam wird die Erklärung in diesen Fällen erst, wenn das Original der Kopie nachgesandt wird und dem Adressaten zugeht. Etwas anderes gilt nur, wenn auf den fehlenden Zugang im Original wirksam verzichtet wurde, da die Zugangsregeln – anders als gesetzliche Formvorschriften – von den Parteien grds abbedungen werden können (dazu nur BGH 130, 71, 75 und – zu § 34 GWB aF – BGH NJW-RR 1986, 1300, 1301). Doch wird man, wenn der Schriftform eine Warnfunktion zukommt, es für unabdingbar halten müssen, dass die Abgabe der formbedürftigen Erklärung im Original erfolgt ist (so überzeugend MüKo/Einsele Rn 20 unter Hinw auf BGH 121, 224, 228ff).

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d) Besonderheiten beim Vertrag (Abs II). Bei einem Vertrag ist die Unterzeichnung aller Vertragsparteien auf derselben Urkunde erforderlich. Dies gilt freilich nur, wenn der Vertrag insgesamt der Schriftform bedarf. Die in § 126 II geregelten Besonderheiten gelten hingegen nicht, sofern nur eine Vertragserklärung formbedürftig ist (zB § 766); hier ist eine Unterzeichnung durch die andere Partei nicht erforderlich (MüKo/Einsele Rn 19). Eine Ausnahme enthält überdies § 492 I für Verbraucherdarlehensverträge. Danach ist der Schriftform genügt, wenn Antrag und Annahme durch die Vertragsparteien jeweils getrennt schriftlich erklärt werden. Die Erklärung des Darlehensgebers bedarf zudem keiner Unterzeichnung, wenn sie mit Hilfe einer automatischen Einrichtung erstellt wird.

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§ 126 II verlangt, dass der gesamte Inhalt des Vertrags von der Unterschrift der Parteien gedeckt wird. Es reicht somit nicht aus, dass jeder Vertragspartner nur die von ihm abgegebene Erklärung (Angebot, Annahme) unterzeichnet (BGH NJW-RR 1989, 786, 787; 1994, 280, 281; Hamm NJW-RR 1998, 811, 812; anders § 127 II für die gewillkürte Schriftform). Ebenso genügt es nicht, wenn eine Partei das in Form eines fertigen, bereits unterschriebenen Vertragsentwurfs gemachte Angebot nur mit Änderungen annimmt und der Vertragspartner diesen Änderungen mit einem gesonderten Schreiben zustimmt (BGH NJW 2001, 221, 222f). Ausreichen soll dagegen ein Schreiben einer Vertragspartei, das die Vertragsbestimmungen vollständig enthält und das die andere Vertragspartei mit unterzeichnet; ihr uneingeschränktes Einverständnis muss sie dabei nicht ausdr vermerken (BGH NJW 2004, 2962, 2963f; BAG NJW 2007, 315, 316; Koblenz NJOZ 2005, 2919, 2923; aA noch RG 105, 60, 62). Dabei soll dem Formerfordernis des § 550 selbst dann genügt sein, wenn das Angebot verspätet angenommen wird (§ 147 II) und damit der Vertrag erst durch die konkludente Annahme des in der verspäteten Annahme liegenden neuen Angebots (§ 150 I) zustande kommt (BGH NJW 2010, 1518, 1519f; aA etwa KG NZM 2007, 517). Bei der Abfassung eines Vertrags auf verschiedenen Blättern ist erforderlich, dass die Unterschrift den Gesamtinhalt deckt (RG JW 1924, 796). Bei Ausstellung mehrerer gleich lautender Urkunden genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet (§ 126 II S 2). Die Urkunden müssen aber den gesamten Vertragsinhalt enthalten. Gleichzeitige Unterzeichnung in Gegenwart des Vertragspartners ist nicht erforderlich.

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4. Ersetzung der Schriftform (Abs III und IV). Die Schriftform kann stets durch notarielle Beurkundung der Erklärung (§ 126 IV; § 128) und damit auch durch protokollierten gerichtlichen Vergleich (§ 127a) ersetzt werden. Die elektronische Form (§ 126a) kann an die Stelle der Schriftform treten, soweit im Gesetz nichts anderes bestimmt ist (§ 126 III). Die Textform (§ 126b) ersetzt die gesetzliche Schriftform hingegen nicht.

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Willenserklärung

§ 126a

126a

Elektronische Form (1) Soll die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, so muss der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen. (2) Bei einem Vertrag müssen die Parteien jeweils ein gleichlautendes Dokument in der in Absatz 1 bezeichneten Weise elektronisch signieren. 1. Allgemeines. Die Regelung stellt in ihrem Anwendungsbereich die elektronische Form gleichwer- 1 tig neben die Schriftform des § 126. Damit soll es ermöglicht werden, dass die Vorteile des elektronischen Geschäftsverkehrs auch da genutzt werden können, wo das Gesetz die Schriftform verlangt (BT-Drucks 14/4987, 15); denn die elektronische Form soll gewährleisten, dass sowohl die Authentizität des Geschäftspartners als auch die Unverfälschtheit der Erklärung mit hoher Sicherheit festgestellt werden können (Hk-BGB/Dörner Rn 1). Der Bestimmung liegen die EU-RL 1999/93/EG über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen (ABl EG 2000 Nr L 13 S 12) und 2000/31/EG über den elektronischen Rechtsverkehr (ABl EG 2000 Nr L 178 S 1) zugrunde. 2. Anwendungsbereich. Die elektronische Form kann im gesamten Bereich des Privatrechts an die 2 Stelle der Schriftform treten, wenn sich nicht aus dem Gesetz etwas anderes ergibt (§ 126 III). Ausdr ausgenommen ist die Anwendung von § 126a aus unterschiedlichen Gründen in den §§ 623, 630, 761, 766, 780, 781 BGB, § 2 I S 3 NachweisG. 3. Allgemeine Voraussetzungen. a) Elektronische Erklärung. Der Aussteller muss eine (elektroni- 3 sche) Erklärung abgeben. Die Erklärung muss also in digitaler Gestalt vorliegen (AnwK-BGB/Noack/ Kremer Rn 44; Staud/Hertel Rn 40). In Betracht kommen insoweit etwa Textdateien oder eine E-Mail. Allerdings soll es erforderlich sein, dass die Erklärung in Schriftzeichen dargestellt werden kann (Staud/Hertel Rn 41; MüKo/Einsele Rn 3; aA AnwK-BGB/Noack/Kremer Rn 44). Zudem muss die Erklärung auf einem Datenträger gespeichert werden können, so dass eine dauerhafte Wiedergabe möglich ist (MüKo/Einsele Rn 3). Andernfalls wäre die Beweisfunktion der Form nicht gewahrt. Aus dieser folgt weiterhin, dass – wie bei der Schriftform – das elektronische Dokument die gesamte formbedürftige Erklärung einschl etwaiger Nebenabreden enthalten muss (AnwK-BGB/Noack/Kremer Rn 40). b) Hinzufügung des Namens. Der Aussteller muss der Erklärung seinen Namen (nicht wie bei § 126 4 seine Namensunterschrift) hinzufügen. Aussteller ist dabei derjenige, der die Erklärung in eigener Verantwortung abgibt; bei Stellvertretung ist daher der Vertreter Aussteller (MüKo/Einsele Rn 5). Die unter diesem Gesichtspunkt an die Namensunterschrift gem § 126 I gestellten Anforderungen (§ 126 Rn 9) gelten für Inhalt und Umfang der Namensangabe gem § 126a entspr. Der Name muss – anders als die Namensunterschrift gem § 126 I – nicht unter der Erklärung stehen. Das Gesetz legt nicht fest, an welcher Stelle der Erklärung der Name hinzugefügt werden muss. Der Aussteller ist in der Wahl des Standortes der Namensangabe im Grundsatz frei; sie muss nur – auch nach der Wahl des Standortes – dem Identifikationszweck genügen. c) Qualifizierte elektronische Signatur. Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten 5 elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz (SigG) versehen werden (vgl § 2 Nr 3 SigG). Die Nutzung der elektronischen Form setzt damit den Besitz der zur Erzeugung einer entspr Signatur erforderlichen Hard- und Software voraus. Zudem muss bei einem „Zertifizierungsdiensteanbieter“ iSv §§ 4ff SigG ein qualifiziertes Zertifikat (Voraussetzungen § 7 SigG) erworben werden. Als Zertifizierungsdiensteanbieter sind etwa die Deutsche Post AG, die Telekom AG, die Datev eG und die Bundesnotarkammer tätig. Das Zertifikat kann zB in monetärer Hinsicht beschränkt werden (vgl § 7 I Nr 7 SigG). Hiermit kann der Erklärende seine Möglichkeiten, formwirksame elektronische Erklärungen abzugeben, von vornherein nach Art und Umfang beschränken (Hk-BGB/Dörner Rn 7). Doch soll eine derartige monetäre Beschränkung der Wirksamkeit einer elektronisch übermittelten Klageerhebung nicht entgegenstehen (BFH DStRE 2007, 515, 516; Fischer-Dieskau/Hornung, NJW 2007, 2897f). Signiert der Erklärende ein elektronisches Dokument, so wird aus dem Dokument zunächst eine 6 Prüfsumme („Hashwert“) ermittelt; diese wird sodann mit dem – nur dem Signaturschlüsselinhaber zugänglichen – privaten Schlüssel verknüpft. Das Ergebnis dieses Vorgangs wird mit der elektronischen Signatur versendet, die dem elektronischen Dokument beigefügt wird (eingehend zu diesen technischen Zusammenhängen AnwK-BGB/Noack/Kremer Rn 29). Erhält der Empfänger die Erklärung, so kann er deren Authentizität überprüfen, indem er selbst den Hashwert des ihm zugegangenen Dokuments durch geeignete Software ermittelt und mit dem ihm in der Signatur verschlüsselt übermittelten Hashwert, den er mittels eines öffentlichen Schlüssels (Signaturprüfschlüssel) entschlüsseln kann, vergleicht (s MüKo/Einsele Rn 10; Dörner, AcP 202 [2002], 363, 384f). Stimmen beide Werte überein, ist davon auszugehen, dass die Erklärung vom Absender stammt und bei der Übermittlung nicht verfälscht wurde (AnwK-BGB/Noack/Kremer Rn 29). Durch die qualifizierte elektronische Signatur wird damit der auch für die Schriftform wesentlichen 7 Beweisfunktion genügt (s nur MüKo/Einsele Rn 23); denn es wird sichergestellt, dass die Erklärung vom Unterzeichner stammt und nicht verändert worden ist. Weiterhin soll das Verfahren aber auch der Warnfunktion genügen. Da der Erklärende zur Signierung des Dokuments eine Chipkarte in ein Kartenlesegerät einlegen, eine PIN-Nr eingeben und den Signiervorgang auslösen muss, wird ihm durch einen aufwendigen Vorgang die Bedeutung seines Verhaltens vor Augen geführt (BT-Drucks 14/4987, 17; Pal/Ellenberger Rn 5). A. Arnold

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Rechtsgeschäfte

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d) Einverständnis des anderen Teils. Über die im Gesetz enthaltenen Voraussetzungen hinaus ist zu verlangen, dass der Adressat des elektronischen Dokuments sich (formlos, auch konkludent) mit der Verwendung der elektronischen Form einverstanden erklärt (BT-Drucks 14/4987, 41; Pal/Ellenberger § 126a Rn 6; Rossnagel NJW 2001, 1817, 1825; Steinbeck DStR 2003, 644, 645; str., teilw anders MüKo/Einsele § 126 Rn 27ff). Bei Verträgen folgt das i Erg schon aus den in § 126a II gestellten Anforderungen. Es muss aber auch für einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen gelten. Dafür spricht schon, dass technische Voraussetzung für die Verwendung der elektronischen Form die erforderlichen Empfangseinrichtungen beim Adressaten sind. Überdies muss der Adressat die Möglichkeit haben, den Empfang einer Erklärung in elektronischer Form davon abhängig zu machen, dass er die Überprüfungsmöglichkeiten des SigG für ausreichend hält und/oder dass er die elektronische Form für das konkrete Dokument in seiner Einschätzung für hinnehmbar hält oder nicht.

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4. Elektronische Form beim Vertrag. Um einen Vertrag in elektronischer Form zu schließen, müssen zumindest im Regelfall beide Vertragsparteien jeweils ein gleich lautendes Dokument in der in § 126a I bezeichneten Weise elektronisch signieren (§ 126a II) und dieses der anderen Seite übermitteln. Die Bestimmung entspricht sachlich der Regelung des § 126 II S 2. Eine Kombination von Schriftform (§ 126 II S 2) auf der einen Seite und elektronischer Form (§ 126a I) auf der anderen Seite erfüllt bei einem Vertrag die Funktionen der Form und erscheint deshalb möglich (Pal/Ellenberger Rn 10). Darüber hinaus wird man es auch für zulässig halten müssen, dass beide Parteien ein elektronisches Dokument, das den Vertrag enthält, signieren, auch wenn § 126a keine § 126 II S 1 entspr Regelung enthält (AnwK-BGB/Noack/Kremer Rn 50).

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5. Beweiskraft. Gem § 371a I S 1 ZPO finden auf private elektronische Dokumente, die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind, die Vorschriften über die Beweiskraft privater Urkunden entspr Anwendung (s dazu nur Rossnagel/Fischer-Dieskau, NJW 2006, 806ff). Ferner kann, wenn für ein privates elektronisches Dokument die im SigG vorgesehene Prüfung den Anschein der Echtheit einer in elektronischer Form abgegebenen Willenserklärung ergibt, dieser Anschein nach § 371a I S 2 ZPO nur durch Tatsachen erschüttert werden, die ernsthafte Zweifel daran begründen, dass die Erklärung von dem Signaturschlüsselinhaber abgegeben worden ist. Gelingt es, den Anschein der Echtheit zu erschüttern, dann muss die Partei die Echtheit beweisen, die aus dem elektronischen Dokument Rechte herleitet. Öffentliche elektronische Dokumente sind in § 371a II ZPO öffentlichen Urkunden gleichgestellt.

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6. Rechtsfolgen bei Missbrauch. Benutzt ein Dritter mit Einverständnis des Schlüsselinhabers den Schlüssel, so wird letzterer entspr § 164 aus dem Geschäft berechtigt und verpflichtet (Dörner AcP 202 [2002], 363, 287; Larenz/Wolf AT § 27 Rn 49; zweifelnd im Hinblick auf den Formzweck MüKo/Einsele Rn 21). Gibt der Schlüsselinhaber den Schlüssel an einen Dritten, nutzt dieser ihn aber abredewidrig, haftet der Schlüsselinhaber aus dem Geschäft infolge des zurechenbar gesetzten Rechtscheins entspr den Grundsätzen der Duldungsvollmacht, auch wenn er das Handeln des Dritten nicht genehmigt (AnwK-BGB/Noack/Kremer Rn 62; Dörner, AcP 202 [2002], 363, 388). Entspr muss für den Fall gelten, dass der Schlüsselinhaber den Schlüssel nicht willentlich weitergegeben hat, aber durch fahrlässiges Verhalten die unbefugte Schlüsselbenutzung durch den Dritten ermöglicht hat, wenn man nach den Regeln der Anscheinsvollmacht auch eine Erfüllungshaftung bei fahrlässig gesetztem Rechtsschein bejaht (Pal/Ellenberger Rn 12; MüKo/Einsele Rn 21). Der weiterhin diskutierten Haftung nach §§ 311 II, 280 I, 241 II (s nur Larenz/Wolf AT § 27 Rn 49) dürfte neben dieser Erfüllungshaftung keine besondere Bedeutung mehr zukommen, zumal die Annahme eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses in diesen Fällen nicht unproblematisch erscheint (s dazu Dörner AcP 202 [2002], 363, 391). IÜ wird der Nachw des Missbrauchs für den Schlüsselinhaber wegen § 371a ZPO ohnehin häufig schwierig sein.

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In Missbrauchsfällen kommt auch eine Haftung des Zertifizierungsanbieters in Betracht. Verletzt dieser die Anforderungen des SigG oder der Rechtsverordnung nach § 24 SigG oder versagen seine Produkte, so hat er nach § 11 SigG einem Dritten den Schaden zu ersetzen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf die Angaben in einem qualifizierten Zertifikat vertraut. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Dritte die Fehlerhaftigkeit der Angabe kannte oder kennen musste. § 12 SigG regelt eine Deckungsvorsorge für eine solche Ersatzpflicht.

126b

Textform Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden.

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1. Allgemeines. Die Vorschrift regelt die Form einer lesbaren, aber unterschriftslosen Erklärung (AnwK/Noack/Kremer Rn 1). Von allen in den §§ 126ff geregelten Formen stellt sie damit die geringsten Anforderungen. Durch den Verzicht auf eine eigenhändige Unterschrift iSv § 126 I oder eine Signatur iSv § 126a I soll es dem Geschäftsverkehr vor allem ermöglicht werden, bestimmte rechtserhebliche Erklärungen als Serienbrief (etwa per Fax, als computergefertigten Ausdruck oder als E-Mail) ohne Unterschrift zu versenden. Der Sicherheitsstandard der Textform bleibt insgesamt deutlich hinter dem anderer gesetzlicher Formen zurück. Die üblichen Formzwecke (§ 125 Rn 2ff) erfüllt die Textform deshalb nicht oder nur in geringem Maße (Pal/Ellenberger Rn 1). Ihr kommt vorrangig Informations- und Dokumentationsfunktion zu (BT-Drucks 14/4987, 19).

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Willenserklärung

§ 127

2. Anwendungsbereich. Die Bestimmung gilt für alle „Erklärungen“ im Rechtsverkehr; ihr Anwen- 2 dungsbereich geht also über rechtsgeschäftliche Willenserklärungen hinaus und erstreckt sich damit insb auch auf rechtsgeschäftsähnliche Handlungen (Röger NJW 2004, 1764, 1765f). Sie lässt den Einsatz der Textform aber nur zu, wo sie enumerativ im Gesetz vorgeschrieben ist. Das ist im BGB etwa in §§ 355, 357, 477, 505, 554 III, 556a II, 556b II, 557b III, 558a I, 559b I, 560 I und IV, § 613a V und 655b I der Fall; zu nennen sind in diesem Zusammenhang auch Art. 246 § 2, Art. 247 § 1, Art. 248 §§ 3, 5, 12 EGBGB, die die Informationspflichten bei bestimmten Geschäften konkretisieren. Ferner ist die Textform zB in §§ 410 I, 438 IV, 455 I und 468 I HGB, § 24 IV WEG und einer Vielzahl von Vorschriften im VVG (vgl nur §§ 3, 5, 6, 8, 15, 19) vorgesehen. 3. Anforderungen. a) Dauerhafte Wiedergabe. Die formbedürftige Erklärung muss in einer Urkun- 3 de oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben werden. Der Urkundenbegriff deckt sich mit dem in § 126 (vgl § 126 Rn 3). Zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen sind alle mit elektronischen Medien (etwa Fax, PC-online, E-Mail) übermittelten Erklärungen geeignet, die beim Adressaten gespeichert werden (können) und von ihm am Bildschirm und/oder durch Ausdruck lesbar gemacht werden können (LG Kleve NJW-RR 2003, 196; MüKo/Einsele Rn 4; Pal/Ellenberger Rn 3). Ob der Adressat die Erklärung ausdruckt oder nicht, entscheidet er nach seinem Ermessen; der Ausdruck ist nicht Voraussetzung für die Wahrung der Form (MüKo/Einsele Rn 4). Texte, die ins Internet eingestellt, dem Empfänger aber nicht übermittelt worden sind, sollen der Textform nach verbreiteter Auffassung aber nur genügen, wenn der Empfänger sie tatsächlich abspeichert (KG NJW 2006, 3215, 3216; MMR 2007, 185, 186; Hamburg NJW-RR 2007, 839, 840; Pal/Ellenberger Rn 3; Bonke/Gellmann NJW 2006, 3169, 3170). Weitergehend wird teilw die Schriftform selbst dann nicht als gewahrt angesehen, wenn die Internetseite tatsächlich gespeichert wird (Naumburg NJW-RR 2008, 776, 777f; Zenker JZ 2007, 816ff). Die besseren Gründe sprechen indes dafür, auch eine abspeicherbare Internetseite genügen zu lassen; denn das Gesetz fordert dauerhafte Wiedergabe, nicht Unveränderbarkeit (so überzeugend AnwK-BGB/Noack/Kremer Rn 16; ferner LG Paderborn MMR 2007, 191; LG Flensburg MMR 2006, 686; MüKo/Einsele Rn 9). Nicht ausreichend sind dagegen Erklärungen im Videotext eines Fernsehsenders, da diese nicht gespeichert werden können (AnwK-BGB/Noack/Kremer Rn 14). Ebenso genügen gesprochene Mitteilungen (Hinterlassen der Erklärung auf dem Anrufbeantworter, Audiofiles) nicht, da es hier an Schriftzeichen fehlt (BT-Drucks 14/4987, 20). b) Nennung der Person des Erklärenden. Anders als bei der Schriftform nach § 126 ist eine (eigen- 4 händige) Unterschrift des Ausstellers nicht erforderlich. Es reicht aus, dass die Person des Erklärenden genannt wird. Dabei ist der Begriff des Erklärenden mit dem des Ausstellers identisch (MüKo/ Einsele Rn 5). Wie der Erkärende genannt wird, bleibt diesem überlassen: Er kann seine Person sowohl zu Beginn oder aE der Erklärung als auch im Text angeben. Im Regelfall wird und sollte er im Interesse der sicheren Information über seine Person seinen Namen nennen. Zwingend notwendig ist das aber nicht; vielmehr genügt es, dass sich die Person des Erklärenden aus dem Gesamtinhalt der Erklärung bestimmen lässt (Bsp: Jemand gibt eine Erklärung als der dem Adressaten bekannte Vermieter ab). Ein unleserlicher Schriftzug genügt aber als Nennung der Person des Erklärenden nicht (LG Berlin WuM 2003, 568). c) Abschluss der Erklärung. Der Abschluss der Erklärung muss erkennbar gemacht werden. Die 5 Mittel dafür legt das Gesetz nicht fest. Als markantes Bsp nennt es die Nachbildung der Namensunterschrift, wie sie sich etwa bei der Übermittlung einer unterschriebenen Urkunde durch Fax oder bei einem PC-Fax mit eingescannter Unterschrift findet. Zwingend ist eine derartige Unterschriftsnachbildung aber nicht (vgl auch Hamm NJW-RR 2007, 852). Vielmehr genügt auch jede andere Gestaltung der Erklärung, die deren Abschluss hinreichend deutlich erkennen lässt (etwa maschinenschriftliche Namensangabe; Datumszeile; Grußformel; abschließende Formulierung wie: „Diese Erklärung wird nicht unterschrieben“.). d) Zugang. Auch bei der Übermittlung in Textform müssen die allg Anforderungen für den Zugang 6 einer Willenserklärung gem § 130 erfüllt sein; dazu gehört, dass der Adressat sich ausdr oder konkludent, allg oder für den Einzelfall mit der Übermittlung auf das gewählte Empfangs- und/oder Speichermedium einverstanden erklärt hat (Staud/Hertel Rn 34; differenzierend MüKo/Einsele Rn 10). 4. Ersatz der Textform. Die vorgeschriebene Textform wird nach dem übertragbaren Rechtsgedan- 7 ken des § 126 IV durch Abgabe der Erklärung in einer anderen Form, die höhere Anforderungen stellt, insb in Schriftform oder in notarieller Beurkundung, gewahrt. 5. Beweislast. Wer aus einer Erklärung in Textform Rechte herleitet, muss alle Voraussetzungen für 8 die Wahrung der Textform darlegen und beweisen (MüKo/Einsele Rn 11). Die prozessualen Regeln über den Nachw der Echtheit und über die Beweiskraft von Privaturkunden (§§ 416, 440 ZPO) gelten für Erklärungen in Textform nicht.

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Vereinbarte Form (1) Die Vorschriften des § 126, des § 126a oder des § 126b gelten im Zweifel auch für die durch Rechtsgeschäft bestimmte Form. (2) Zur Wahrung der durch Rechtsgeschäft bestimmten schriftlichen Form genügt, soweit nicht ein anderer Wille anzunehmen ist, die telekommunikative Übermittlung und bei einem Vertrag der Briefwechsel. Wird eine solche Form gewählt, so kann nachträglich eine dem § 126 entsprechende Beurkundung verlangt werden.

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§ 127

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

(3) Zur Wahrung der durch Rechtsgeschäft bestimmten elektronischen Form genügt, soweit nicht ein anderer Wille anzunehmen ist, auch eine andere als die in § 126a bestimmte elektronische Signatur und bei einem Vertrag der Austausch von Angebots- und Annahmeerklärung, die jeweils mit einer elektronischen Signatur versehen sind. Wird eine solche Form gewählt, so kann nachträglich eine dem § 126a entsprechende elektronische Signierung oder, wenn diese einer der Parteien nicht möglich ist, eine dem § 126 entsprechende Beurkundung verlangt werden. 1

1. Allgemeines. Die Formbedürftigkeit eines Rechtsgeschäfts kann auch rechtsgeschäftlich begründet werden. In diesem Fall greift die Auslegungsvorschrift des § 127 I ein. Danach gelten grds die Regeln über die gesetzliche Schriftform, die elektronische Form und die Textform (§§ 126, 126a, 126b). Es steht den Parteien jedoch frei, ihre Anforderungen an die Form eines (kraft Gesetzes formlos gültigen) Rechtsgeschäfts autonom selbst zu bestimmen; sie können von §§ 126, 126a und 126b abweichen und dabei sowohl Erleichterungen als auch Erschwerungen vorsehen. Soweit für die Schriftform keine Besonderheiten vereinbart werden, gewährt § 127 II als Ausnahme zu § 126 Erleichterungen für die Einhaltung der Form. Die praktische Bedeutung des § 127 wird dadurch vermindert, dass auch ein ohne Einhaltung der rechtsgeschäftlich bestimmten Form geschlossenes Geschäft wirksam sein kann (vgl Rn 5). Auch die Berufung auf eine rechtsgeschäftlich bestimmte Form kann im Einzelfall aus ähnlichen Gründen wie bei der gesetzlichen Form gegen Treu und Glauben verstoßen (BGH NJW-RR 1987, 1073, 1074; Koblenz NJW-RR 2006, 554, 555; vgl § 125 Rn 30).

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2. Rechtsgeschäftliche Begründung des Formerfordernisses. Die Formbedürftigkeit wird idR durch vertragliche Vereinbarung der Parteien festgelegt. Sie kann in den Grenzen der §§ 307ff (vgl etwa § 309 Nr 13) auch durch AGB bestimmt werden (vgl nur BGH NJW 1999, 1633, 1634 für den Versicherungsvertrag). Sofern ein Handelsbrauch (§ 346 HGB) die Schriftform eines Rechtsgeschäfts vorsieht, gilt diese Form als vereinbart, soweit die Parteien nicht die formlose Gültigkeit des Geschäfts bestimmt haben (BGH NJW 1964, 1269, 1270). Eine Formvereinbarung wird jedoch nicht schon dadurch entbehrlich, dass für bestimmte Geschäfte im Rechtsleben ein schriftlicher Abschluss üblich ist (BGH BB 1966, 140). Eine einseitige Bestimmung der Form ist dagegen grds nicht möglich. So kann in einem Vertrag zulasten eines nicht am Vertrag beteiligten Bürgen keine Form begründet werden (BGH NJW 1986, 1681, 1682). Allerdings kann der Antragende beim Vertragsangebot bestimmen, in welcher Form die Annahme zu erfolgen hat (Flume § 15 II 2a). Erklärt der Vollmachtgeber bei der Vollmachtserteilung, dass das Vertretergeschäft schriftlich abgeschlossen werden müsse, so ist der Vertreter nur zum schriftlichen Geschäftsabschluss bevollmächtigt.

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3. Ausgestaltung des Formerfordernisses. Die Regel des § 127 I greift nur „im Zweifel“ ein. Die Parteien können also sowohl strengere als auch schwächere Voraussetzungen als die gesetzlichen Formen vereinbaren. Die Art der gewollten Form ist durch Auslegung der Vereinbarung, ggf unter Berücksichtigung des mit dem Formzwang beabsichtigten Zwecks, zu ermitteln. So kann etwa bei Massenschreiben eine Formerleichterung wegen der Verkehrsüblichkeit konkludent vereinbart sein; deshalb kann eine – für die Textform des § 126b ohnehin ausreichende – Faksimileunterschrift (RG 106, 330, 332) oder eine gedruckte Unterschrift (RG 125, 68, 74) ausreichen (zu weitgehend aber wohl Saarbrücken VersR 2004, 773, 775, wonach dies die Regel darstellen soll; generell zweifelnd AnwKBGB/Noack Rn 9). Die vereinbarte Schriftform einer Erklärung kann trotz Fehlens einer Unterschrift im Einzelfall auch dann gewahrt sein, wenn die mit der Formvereinbarung bezweckte Klarheit erreicht wird (BGH NJW-RR 1996, 641, 642). Ferner kann es ausreichen, dass einem Arbeitnehmer die Kopie einer Kündigung übergeben und zugleich Einsicht in das vorliegende schriftliche Original gewährt wird (BAG NZA 1998, 1330; LAG Hamm NZA-RR 2004, 189, 191). IdR wird man indes wie bei der gesetzlichen Form mit den aus § 127 II ersichtlichen Modifikationen die Unterzeichnung der Erklärung fordern müssen (vgl zB Koblenz NJOZ 2005, 2919, 2923 zur Änderung wesentlicher Bestimmungen eines Pachtvertrags; LAG SchlH NZA-RR 1998, 102 zur Ergänzung eines schriftlichen Arbeitsvertrags).

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Soweit ein Gesellschaftsvertrag die Schriftform für Vertragsänderungen vorsieht, soll die Form bereits durch die bloße privatschriftliche Protokollierung gewahrt sein, falls es sich um solche Änderungen handelt, die durch Mehrheitsbeschluss getroffen werden können; die Protokollierung ersetzt die Schriftform jedoch nicht bei der Verpflichtung eines Gesellschafters zur Erhöhung seiner Einlage (BGH 66, 82, 86f). Klauseln, nach denen „Änderungen und Ergänzungen“ des Vertrags der Schriftform bedürfen, beziehen sich nicht ohne weiteres auch auf die Vereinbarung einer Vertragsbeendigung/eines Aufhebungsvertrags (BAG NJW 2000, 3155; Düsseldorf NJOZ 2004, 35, 38).

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4. Wirkung des rechtsgeschäftlich bestimmten Formerfordernisses. Das Formerfordernis kann nach dem Willen der Parteien konstitutive oder nur deklaratorische Bedeutung haben; entscheidend ist, ob die Einhaltung der Form Voraussetzung für die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts sein oder lediglich dessen Abschluss und Inhalt zu Beweiszwecken festhalten soll (§ 125 Rn 25). Haben die Parteien die Beurkundung eines Vertrags vorgesehen, so hat dieses Formerfordernis gem § 154 II im Zweifel konstitutive Bedeutung. Die Nichteinhaltung der konstitutiven Form führt gem § 125 S 2 zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. Demgegenüber stellt das rein deklaratorische Formerfordernis keine Wirksamkeitsvoraussetzung dar; es begründet lediglich einen Anspruch auf Einhaltung der Form. Ist vereinbart, dass eine Kündigung mit Einschreiben zu versenden sei, hat idR allein die Schriftform konstitutiven Charakter, während die Versendung als eingeschriebener Brief nur den Zugang sichern soll (BGH NJW-RR 1996, 866, 867; NJW 2004, 1320; BAG NJW 1980, 1304). Auch bei vereinbarter konstitutiver Form ist die Zustimmung zur Vertragsübernahme aber nicht formgebunden (BGH DtZ 1996, 56, 57).

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Willenserklärung

§ 127a

5. Aufhebung des Formerfordernisses. Die Parteien können eine einmal getroffene Vereinbarung 6 über die Form einverständlich aufheben. Bei der Annahme, eine qualifizierte Schriftformvereinbarung sei formfrei aufgehoben worden, ist jedoch regelmäßig Zurückhaltung geboten (BGH 66, 378, 381; Koblenz NJOZ 2005, 2919, 2923). Formerleichterungen (§ 127 II und III). Gem § 127 II und III werden die Anforderungen an die 7 Schriftform oder die elektronische Form durch Ausnahmen erleichtert, sofern nicht ein anderer Wille anzunehmen ist; die Vorschriften sind also dispositiv. Im Unterschied zu § 126 I kann die Schriftform auch durch telekommunikative Übermittlung der Erklärung gewahrt werden. Hierzu zählt etwa die Übermittlung durch Fernschreiben, Telefax oder E-Mail. Eine telefonische Durchsage reicht aber nicht (s schon BT-Drucks 14/4987, 43). Notwendig ist vielmehr, dass die Erklärung dauerhaft aufbewahrt werden kann. Entbehrlich wird durch die Vorschrift nur die eigenhändige Unterschrift. Ein Vertragsschluss ist nach § 127 II S 1 durch Briefwechsel möglich. Die Unterzeichnung gleich- 8 lautender Urkunden durch die Parteien (vgl § 126 II) ist also nicht notwendig. Vielmehr reicht die gesonderte Erklärung von Angebot und Annahme im Briefverkehr aus. Ein formgerechter Vertragsschluss ist über den Wortlaut hinaus auch durch Austausch von Telefaxschreiben oder E-Mails möglich (Hk-BGB/Dörner Rn 6; MüKo/Einsele Rn 11). Ferner ist die Verwendung eines Briefs von einer Partei und eines Telefax/einer E-Mail von der anderen Partei zulässig. Erfolgt ein Briefwechsel, soll nach überwiegender Auffassung allerdings die eigenhändige Unterzeichnung des Briefs erforderlich sein (RG 106, 268, 269; Soergel/Hefermehl Rn 6; Staud/Hertel Rn 28, 45; ähnlich Flume § 15 II 2b; aM AnwK-BGB/Noack Rn 19; MüKo/Einsele Rn 11). Dies erscheint freilich inkonsequent, wenn man über den Wortlaut hinaus auch den Austausch von E-Mails etc genügen lässt. Richtigerweise ist daher eine eigenhändige Unterschrift regelmäßig entbehrlich (so überzeugend AnwK-BGB/Noack Rn 18f). Zur Wahrung einer vereinbarten elektronischen Form genügt nach § 127 III S 1 im Zweifel auch ei- 9 ne andere als die in § 126a bestimmte qualifizierte elektronische Signatur; in Betracht kommen dafür insb die einfache oder die fortgeschrittene elektronische Signatur nach § 2 Nr 1 und 2 SigG. Die Vertragsparteien können aber entspr ihrer Gestaltungsfreiheit auch einen vollständigen Verzicht auf eine Signatur vereinbaren. Für einen Vertragsschluss in vereinbarter elektronischer Form genügt abw von § 126a II und entspr der Regelung zur vereinbarten Schriftform in § 127 II S 1 der elektronisch bewirkte Austausch von Angebot und Annahme; auch hier ist eine Kombination der in § 127 II S 1 und III S 1 geregelten Formen ausreichend. Wenn von den Formerleichterungen des § 127 II S 1 und III S 1 Gebrauch gemacht worden ist, kann 10 jede Partei bei vereinbarter Schriftform eine dem § 126 entspr Beurkundung, bei vereinbarter elektronischer Form eine dem § 126a entspr Signierung und hilfsweise ebenfalls eine dem § 126 entspr Beurkundung verlangen (§ 127 II S 2 und III S 2). Eine solche nachträgliche Beurkundung/Signierung dient lediglich Beweiszwecken; denn das Rechtsgeschäft war bereits vor der Beurkundung wirksam. 6. Beweislast. Wer einen Anspruch aus einem Vertrag geltend macht, für den kraft Gesetzes keine 11 Form vorgeschrieben ist, muss behaupten und notfalls beweisen, dass eine Form zw den Parteien vereinbart war (Pal/Ellenberger Rn 7; Staud/Hertel Rn 84). Ebenso ist beweispflichtig, wer behauptet, dass für die Form von § 127 abw Vereinbarungen erfolgt seien (RG JW 1919, 304).

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Gerichtlicher Vergleich Die notarielle Beurkundung wird bei einem gerichtlichen Vergleich durch die Aufnahme der Erklärungen in ein nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung errichtetes Protokoll ersetzt. 1. Bedeutung. Nach dem BeurkG sind für die öffentliche Beurkundung grds nur noch die Notare 1 zuständig; eine gerichtliche Beurkundung ist nicht mehr vorgesehen. § 127a gibt jedoch entspr einer bereits vorher anerkannten Praxis weiterhin die Möglichkeit, Erklärungen, die der öffentlichen Beurkundung bedürfen, in einen gerichtlichen Vergleich aufzunehmen. Danach ersetzt die Protokollierung in einem wirksamen Prozessvergleich die notarielle Beurkundung. Dies hat wegen §§ 126 IV, 129 II zur Konsequenz, dass auch die Schriftform wie die Form der öffentlichen Beglaubigung durch den gerichtlichen Vergleich gewahrt werden können. Entspr Regelungen gelten für Schiedssprüche mit vereinbartem Inhalt (§ 1053 II) und Erklärungen in Insolvenzplänen (§ 254 I 2 InsO). 2. Voraussetzungen. a) Bei einem Gericht anhängiges Verfahren. § 127a erfordert einen formell und 2 materiell wirksamen Prozessvergleich. Dies setzt zunächst voraus, dass der Vergleich in einem bei einem Gericht anhängigen Verfahren geschlossen wird. In Betracht kommt insoweit nicht nur ein ordentliches Gericht, sondern auch ein Gericht einer Fachgerichtsbarkeit, zB ArbG, FG, SozG, VerwG (s BVerwG NJW 1995, 2179 für einen Vergleich vor dem VerwG im Hinblick auf § 925 I S 3). Es braucht sich nicht um ein Streitverfahren zu handeln; die anzuwendende Verfahrensordnung muss aber den Abschluss eines Vergleichs gestatten (vgl zB §§ 54 ArbGG, 101 SGG, 106 VwGO, 36 FamFG, 19f LwVfG); der Vergleich ist damit zB zulässig im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, vor dem Landwirtschaftsgericht (BGH NJW 1999, 2806) oder im Adhäsionsverfahren (§§ 403ff StPO; Stuttgart NJW 1964, 110). Ebenso in Betracht kommen Vergleiche im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens (§ 118 I ZPO), des einstw Rechtsschutzes (Staud/Hertel Rn 7), im Zwangsvollstreckungsverfahren (RG 165, 161, 162), vor dem ersuchten oder beauftragten Richter (BGH 14, 381, 387) und vor dem Rechtspfleger, sofern diesem nach dem RpflG das Verfahren übertragen worden ist (vgl Nürnberg RPfleger 1972, 305; MüKo/Einsele Rn 4). Schließlich kann auch der Vergleich vor einem ausl A. Arnold

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§ 127a

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Rechtsgeschäfte

Gericht genügen, wenn der Beurkundungsvorgang gleichwertig ist (Bamberg NJW-RR 2002, 1153, 1154). Mangels eines gerichtlichen Verfahrens erfüllen dagegen ein Vergleich vor der Gütestelle (vgl § 794 I Nr 1 ZPO; Staud/Hertel Rn 9), der Vergleich in einem verwaltungsrechtlichen Vorverfahren (vgl VGH Kassel NVwZ 1997, 618, 619) und ein Anwaltsvergleich (§§ 796a ff ZPO; Ziege NJW 1991, 1580, 1581) die Voraussetzungen des § 127a nicht. 3

Es ist nicht notwendig, dass der Vergleich den Rechtsstreit ganz oder teilw beendet; es reicht aus, wenn er jedenfalls im inneren Zusammenhang mit dem Rechtsstreit steht (BGH 84, 333, 335). Daher kann auch ein Vergleich genügen, der Vereinbarungen enthält, die über den Streitgegenstand hinausgehen (BGH 35, 309, 316). Unerheblich ist es ferner, dass das Gericht nicht zuständig ist (LAG Bremen BB 1964, 1125), dass es fehlerhaft besetzt ist (BGH 35, 309, 315f) oder dass andere Prozessvoraussetzungen fehlen (Staud/Hertel Rn 13). Erforderlich ist es allerdings, dass der Rechtsstreit noch anhängig ist. Ist das gerichtliche Verfahren rechtskräftig abgeschlossen, scheidet daher ein Abschluss durch Vergleich aus (BGH 15, 190, 195; einschränkend München NJW 1997, 2331, 2332, nach dem auch ein erst nach Berufungsrücknahme protokollierter, von den Parteien aber bereits vorher gewollter Vergleich für § 127a genügen soll).

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b) Prozessrechtliche Wirksamkeit. Bei der Protokollierung müssen die Vorschriften der ZPO (§§ 159ff) beachtet werden. Danach muss der ganze Wortlaut des Vergleichs in das Protokoll aufgenommen (§ 160 III Nr 1 ZPO) sowie den Beteiligten vorgelesen (bei vorläufiger Aufzeichnung gem § 160a ZPO auch: vorgespielt) oder zur Einsicht vorgelegt und von diesen genehmigt werden, wobei im Protokoll zu vermerken ist, dass dies geschehen ist (§ 162 ZPO). Die Wirkung des § 127a tritt allerdings auch dann ein, wenn dieser Vermerk fehlt (BGH 142, 84, 88; anders Düsseldorf NJW 2007, 1290 für den Fall, dass der protokollierte Vergleich einen Erbvertrag enthält). Schließlich ist das Protokoll vom Vorsitzenden und ggf vom Urkundsbeamten zu unterschreiben (§ 163 ZPO).

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Weil § 127a von einer gerichtlichen Protokollierung des Vergleichs ausgeht, ist zweifelhaft und str, ob die Bestimmung auch für einen gem § 278 VI ZPO schriftlich geschlossenen Vergleich gilt. Teilw wird dafür plädiert, § 127a in diesem Fall zumindest entspr anzuwenden (Hk-BGB/Dörner Rn 2; Jauernig/Jauernig Rn 2; s auch BAG NJW 2007, 1831, 1832f, wo es freilich im konkreten Fall nur um die Erfüllung der Schriftform – §§ 126 IV, 127a – ging; teilw auch Deckenbrock/Dötsch MDR 2006, 1325ff). Nach aA kann ein derartiger Vergleich dagegen die notarielle Beurkundung nicht ersetzen (PWW/Ahrens Rn 2; Staud/Hertel Rn 20; MüKo-ZPO/Prütting, § 278 Rn 3). Die besseren Gründe sprechen indes für eine entspr Anwendung des § 127a. Hat das Gericht den Parteien einen derartigen Vergleich unterbreitet, gibt es keinen Grund, diesen anders zu behandeln als einen in der Verhandlung geschlossenen Vergleich. Anders könnten die Dinge dagegen bei einem von den Parteien initiierten Vergleich liegen, da hier kaum eine Beratung durch das Gericht stattfinden dürfte. Da das Belehrungserfordernis indes auch nach § 17 BeurkG nur eine Sollvorschrift darstellt, besteht auch in diesem Fall kein Anlass, § 127a nicht entspr anzuwenden. Die notarielle Beurkundung wird also auch durch einen schriftlich geschlossenen Vergleich iSd § 278 VI ZPO ersetzt. Dagegen kann in einem derartigen Vergleich nicht wirksam die Auflassung erklärt werden, da es an der Anwesenheit beider Parteien fehlt (Düsseldorf NJW-RR 2006, 1609, 1610).

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Weiterhin ist es erforderlich, dass die Parteien wirksame prozessuale Erklärungen abgeben. Das können sie nur, wenn sie selbst postulationsfähig sind. Deshalb müssen die Erklärungen im Anwaltsprozess (§ 78 ZPO) von einem Rechtsanwalt abgegeben werden (BGH NJW 1991, 1743; Köln NJW-RR 1997, 965, 966). Dagegen soll der Anwaltszwang nicht für einen Dritten gelten, der sich an einem Prozessvergleich beteiligt (BGH 86, 160, 163; krit Bergerfurth JR 1983, 371).

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c) Materiellrechtliche Voraussetzungen. Da der gerichtliche Vergleich eine Doppelnatur hat (Prozesshandlung und privatrechtlicher Vertrag, BGH 16, 388, 390; 46, 277, 278), müssen auch die materiellrechtlichen Voraussetzungen eines Vergleichs gegeben sein; insb muss es sich um ein gegenseitiges Nachgeben (§ 779) handeln. Dafür genügt es jedoch, dass eine Partei zB einen Teil der Kosten übernimmt oder Ratenzahlungen einräumt. Ist nach materiellem Recht die Erklärung persönlich abzugeben (§§ 2274, 2347 II), muss die Prozesspartei beim Vergleich selbst – ggf mit dem Rechtsanwalt gemeinsam – handeln (BayObLG NJW 1965, 1276; Düsseldorf NJW 2007, 1290, 1291; Staud/Hertel Rn 28). Wird ein Erbvertrag im Wege des Vergleichs geschlossen, so kann damit gleichzeitig eine Testamentsaufhebung verbunden sein (Köln OLG 1970, 115). Dagegen sollen die Testamentserrichtung und der einseitige Widerruf eines Testaments in einem Vergleich nicht möglich sein (BGH FamRZ 1960, 30; Staud/Hertel Rn 31; aA MüKo/Einsele Rn 2; Pal/Ellenberger Rn 3).

128

Notarielle Beurkundung Ist durch Gesetz notarielle Beurkundung eines Vertrags vorgeschrieben, so genügt es, wenn zunächst der Antrag und sodann die Annahme des Antrags von einem Notar beurkundet wird.

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1. Anwendungsbereich. § 128 greift ein bei Verträgen, für die gesetzlich eine notarielle Beurkundung von Angebot und Annahme vorgeschrieben ist, und lässt eine sukzessive Beurkundung – auch an verschiedenen Orten und durch verschiedene Notare – ausreichen. Hierher gehören etwa §§ 311b I, III, V, 1491 II, 1501 II, 2033 I, 2348, 2351, 2371, 2385, § 11 II ErbbauRG, §§ 2, 15 GmbHG. In den Fällen der §§ 873 II, 877 besteht zwar kein Beurkundungszwang, jedoch ist die Bindung an die Erklärung von der Beurkundung abhängig; deshalb ist § 128 auch hier anwendbar. Keine Rolle spielt die Vorschrift demgegenüber naturgemäß in Fällen, in denen nur die Willenserklärung einer Partei der notariellen Beurkundung bedarf wie etwa bei §§ 518, 1516 II, 2282 III, 2291 II, 2296 II, 2301. Ferner gilt sie dann nicht, wenn das Gesetz ausdr die notarielle Beurkundung des Vertrags bei gleichzeitiger Anwesen298

A. Arnold

Willenserklärung

§ 129

heit beider Parteien vorschreibt (§§ 1410, 2276, 2290 IV). Bei einer rechtsgeschäftlich vereinbarten notariellen Beurkundung ist § 128 ebenfalls nicht direkt anwendbar. Hier ist jedoch durch Auslegung zu ermitteln, ob eine sukzessive Beurkundung zulässig sein soll, was im Zweifel anzunehmen ist. 2. Beurkundungsverfahren. Zuständig ist jeder Notar in Deutschland und – im Rahmen von 2 Art 11 I EGBGB – auch ein Notar im Ausland. Selbst wenn der Notar die Beurkundung außerhalb seines Amtsbezirks vorgenommen hat, so ist sie nicht deshalb unwirksam (§ 2 BeurkG). Ein gerichtlicher Vergleich ersetzt die notarielle Beurkundung (§ 127a). Über die Verhandlung vor dem Notar muss eine Niederschrift aufgenommen werden (§ 8 BeurkG); diese muss die Bezeichnung des Notars und der Beteiligten sowie deren Erklärungen enthalten (§ 9 I BeurkG). Die Niederschrift muss in Gegenwart des Notars den Beteiligten vorgelesen, von ihnen genehmigt und von ihnen und dem Notar eigenhändig unterschrieben werden (§ 13 I, III BeurkG). Beim Fehlen einer dieser Wirksamkeitsvoraussetzungen (Mussvorschriften) ist der Beurkundungsakt nichtig. Die Verletzung von Sollvorschriften (zB §§ 9 II, 10 II S 1, 13 III S 2 BeurkG) führt hingegen nicht zur Unwirksamkeit der Beurkundung. Dies gilt auch, wenn die besonderen Pflichten bei der Beurkundung von Verbraucherverträgen (§ 17 IIa BeurkG) nicht beachtet werden. Der Wirksamkeit einer in eine notariell beurkundete Erklärung aufgenommenen Klausel steht es ferner nicht ohne weiteres entgegen, dass der Notar die Klausel eingefügt und der Erklärende sie bei der Verlesung durch den Notar überhört hatte; vielmehr kann erst eine Irrtumsanfechtung zur Nichtigkeit führen (BGH 71, 260, 263). 3. Zustandekommen des Vertrags. Der Vertrag kommt nach § 152 mit der Beurkundung der Annah- 3 me zustande, wenn nicht ein anderes bestimmt ist. Dies kann insb dann der Fall sein, wenn im Antrag eine Frist für die Annahme gesetzt ist. Eine derartige Fristbestimmung kann dahingegend auszulegen sein, dass die Annahmeerklärung innerhalb der Frist dem Antragenden zugehen muss. Doch wird man dies nicht ohne weiteres, sondern nur bei Hinzutreten weiterer Umstände annehmen können (s § 152 Rn 3; ferner nur Flume § 35 II 1; weiter RG 49, 127, 132; 76, 364, 366; 96, 273, 275, wo angenommen wird, dass in derartigen Fällen § 152 regelmäßig abbedungen sei; offenlassend BGH NJWRR 1989, 198, 199). 4. Beweiskraft. Die Beweiskraft einer ordnungsgemäß beurkundeten Erklärung richtet sich nach 4 § 415 ZPO. Sie erbringt damit den vollen Beweis dafür, dass die in ihr bezeichneten Erklärungen von den bezeichneten Personen vor dem beurkundenden Notar abgegeben worden sind (MüKo/Einsele Rn 8). Der Beweis einer unrichtigen Beurkundung bleibt freilich nach § 415 II ZPO möglich.

129

Öffentliche Beglaubigung (1) Ist durch Gesetz für eine Erklärung öffentliche Beglaubigung vorgeschrieben, so muss die Erklärung schriftlich abgefasst und die Unterschrift des Erklärenden von einem Notar beglaubigt werden. Wird die Erklärung von dem Aussteller mittels Handzeichens unterzeichnet, so ist die in § 126 Abs. 1 vorgeschriebene Beglaubigung des Handzeichens erforderlich und genügend. (2) Die öffentliche Beglaubigung wird durch die notarielle Beurkundung der Erklärung ersetzt. 1. Begriff. Die öffentliche Beglaubigung ist das Zeugnis eines Notars darüber, dass die Unterschrift 1 oder das Handzeichen von dem herrührt, der die Erklärung wirklich abgegeben hat. In seinem Beglaubigungsvermerk bezeichnet der Notar die Person, welche die Unterschrift oder das Handzeichen vollzogen hat (§§ 39, 40 III BeurkG). Die Beglaubigung bezieht sich also nur auf die Echtheit der Unterzeichnung und den Zeitpunkt der Beglaubigung (nur insoweit ist sie öffentliche Urkunde iSv § 415 ZPO), nicht dagegen auf den Inhalt der schriftlichen Erklärung (BGH 37, 79, 86). 2. Zweck. Die öffentliche Beglaubigung soll dazu dienen, die Echtheit der Unterschrift (des Hand- 2 zeichens) zu beweisen. Deshalb ist sie gesetzlich vor allem für Erklärungen ggü dem Gericht oder einer Behörde vorgeschrieben, zB: §§ 77, 411, 1355 IV, 1491 I, 1492 I, 1560, 1617, 1617a II, 1617b II, 1617c I, 1618, 1945, 1955, 2198 I; § 12 HGB; §§ 29, 30–32 GBO; §§ 726 I, 727 I, 750f, 756 ZPO; §§ 71, 81 II, 84 II, 91 II, 143, 144 ZVG. Auch im eigenen Interesse kann ein Beteiligter eine öffentliche Beglaubigung verlangen, zB §§ 371, 403, 1035, 1155, 2120, 2121 I, 2215 II. Schließlich ist es möglich, eine öffentliche Beglaubigung rechtsgeschäftlich zu vereinbaren. Bei empfangsbedürftigen Erklärungen ist zur Wirksamkeit Zugang in der Form des § 129 nötig. Die Zusendung einer beglaubigten Abschrift ist nicht ausreichend (BayObLG DtZ 1992, 284, 285; Pal/Ellenberger Rn 1). 3. Beglaubigungsverfahren. Zuständig sind grds nur Notare. Freilich enthalten verschiedene bun- 3 desrechtliche Regelungen Sonderzuständigkeiten (§ 6 BtBG, § 2 PStG), und landesrechtlich können weitere Zuständigkeiten begründet sein (§§ 1 II, 63 BeurkG). Entspr Beglaubigungen sind auch außerhalb des entspr Bundeslandes wirksam (LG Bonn RPfleger 1983, 309). Eine Beglaubigung durch Behörden und öffentliche Körperschaften genügt hingegen im Allg nur für den Behördenverkehr (vgl § 34 VwVfG); sie ist hingegen ohne besondere Regelung keine Beglaubigung iSv § 129. Allerdings bedürfen die Erklärungen öffentlicher Behörden, die diese im Rahmen ihrer besonderen Amtstätigkeit in amtl Eigenschaft formell abgeben, keiner weiteren Beglaubigung (BGH 45, 362, 365; Staud/Hertel Rn 49ff mwN; str). Der Beglaubigungsvermerk muss das Zeugnis (insb auch die Bezeichnung der Person, welche die 4 Unterschrift – das Handzeichen – vollzogen oder anerkannt hat), die Unterschrift und das Siegel des Notars enthalten (§§ 39, 40 III BeurkG). Möglich ist auch die elektronische Beglaubigung (§ 39a BeurkG). Blankounterschriften sollen nur beglaubigt werden, wenn dargelegt wird, dass die Beglaubigung vor der Festlegung des Urkundeninhalts benötigt wird (§ 40 V BeurkG; Sollvorschrift, deren Verletzung die Gültigkeit nicht beeinträchtigt). Auch nachträgliche Textänderungen sind ohne erA. Arnold

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§ 129

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

neute Unterschriftsbeglaubigung zulässig (BayObLG DNotZ 1985, 220, 222; Frankfurt DNotZ 2006, 767; LG Itzehoe DNotZ 1990, 519, 520; Staud/Hertel Rn 128ff; Reithmann DNotZ 1999, 27, 36; aM Flume § 15 II 4). Allerdings mag dadurch der Beweiswert der Urkunde beeinträchtigt werden (vgl § 440 II ZPO); die Beweiskraft der öffentlichen Beglaubigung bezieht sich jedoch ohnehin nur auf die Echtheit der Unterschrift. Unterzeichnet ein Vertreter mit seinem eigenen Namen, wird die Unterschrift des Vertreters beglaubigt; die Vertretungsmacht muss auf andere Weise nachgewiesen werden. Auch die Unterschrift des Vertreters mit dem Namen des Vertretenen oder des Kaufmanns mit seiner vom Namen abw Firma ist beglaubigungsfähig; dann muss der Notar in seinem Beglaubigungsvermerk den Namen der unterzeichnenden Person angeben (§ 40 III S 1 BeurkG). 5

4. Verhältnis zur notariellen Beurkundung. Da die öffentliche Beglaubigung der Unterschrift als ein Weniger in der notariellen Beurkundung enthalten ist, wird sie durch diese ersetzt (§ 129 II). Das gilt auch im Verhältnis zum gerichtlichen Vergleich, der die notarielle Beurkundung ersetzt (§ 127a).

130

Wirksamwerden der Willenserklärung gegenüber Abwesenden (1) Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht. (2) Auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ist es ohne Einfluss, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird. (3) Diese Vorschriften finden auch dann Anwendung, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben ist.

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1. Überblick. Ob und wann eine Willenserklärung wirksam wird, hängt zunächst davon ab, ob es sich um eine nicht empfangsbedürftige oder um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handelt.

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a) Nicht empfangsbedürftige Willenserklärung. Eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung (Einl § 104 Rn 15) wird regelmäßig bereits mit ihrer Abgabe wirksam. Dazu ist erforderlich, dass der Erklärende sich der Erklärung willentlich entäußert (sie vollendet, fertiggestellt) hat; auf die Kenntnisnahme durch einen anderen kommt es nicht an (MüKo/Einsele Rn 5; Flume § 14, 1).

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b) Empfangsbedürftige Willenserklärung. Eine empfangsbedürftige Willenserklärung (zB Kündigungserklärung, Vertragsangebot) wird durch Abgabe und Zugang beim Erklärungsempfänger wirksam.

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aa) Abgabe. Für die Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung reicht es nicht aus, dass der Erklärende sich der Erklärung entäußert; sie muss vielmehr mit seinem Willen in den Verkehr gelangen. Erforderlich ist dazu, dass der Erklärende die Erklärung willentlich in Richtung auf den Empfänger in Bewegung setzt und dass er mit der Empfangnahme durch den Adressaten rechnet und bei Zugrundelegung normaler Verhältnisse rechnen darf (BGH 65, 13, 14f; WM 1983, 712; München NJWRR 2005, 1470f). Der Erklärende muss davon ausgehen, dass die Willenserklärung den gewollten Empfänger, wenn auch auf Umwegen, erreicht (BGH NJW 1979, 2032, 2033; Pal/Ellenberger Rn 4). Bei Einsatz moderner technischer Kommunikationsmittel ist die Willenserklärung abgegeben, sobald der Erklärende die vollständige Übermittlung an den Adressaten veranlasst hat („willentlicher endgültiger Sendebefehl“; vgl Fritzsche/Malzer DNotZ 1995, 3, 11; Ultsch NJW 1997, 3007). Gelangt eine Erklärung – sei sie schriftlich, elektronisch oder auf sonstige Weise verkörpert – ohne Wissen und Willen des Erklärenden in den Verkehr, so fehlt es grds an einer Abgabe der Erklärung (hM, s nur BGH 65, 13, 14; MüKo/Einsele Rn 13; s auch schon Motive I, 157f). Dies gilt aber nach neuerer, zutr Auffassung nicht, wenn die Erklärung aufgrund eines fahrlässigen Verhaltens des Erklärenden in den Verkehr gelangt ist; in diesem Fall ist entspr der Grundsätze, die für Erklärungen ohne Erklärungsbewusstsein gelten (s Vor § 116 Rn 15) eine wirksame Erklärung anzunehmen, die vom Erklärenden analog § 119 I innerhalb der Frist des § 121 angefochten werden kann. Erklärt der Erklärende die Anfechtung, bleibt er dem Erklärungsempfänger aber nach Maßgabe des § 122 zum Schadensersatz verpflichtet. (AnwKBGB/Faust Rn 9; Pal/Ellenberger Rn 4; Larenz/Wolf AT § 26 Rn 7; Medicus AT Rn 266; aA noch Erman/Palm12 Rn 4: keine wirksame Erklärung, aber Haftung des Erklärenden entspr § 122).

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bb) Zugang. Die empfangsbedürftige Willenserklärung wird nach ihrer Abgabe erst mit dem Zugang beim Erklärungsempfänger wirksam (§ 130 I S 1). Die Abgabe der Willenserklärung reicht zu deren Wirksamkeit nicht aus, weil der Erklärungsempfänger wenigstens in die Lage versetzt werden muss, die Erklärung wahrzunehmen. Hinge andererseits das Wirksamwerden einer empfangsbedürftigen Willenserklärung von der wirklichen Kenntnisnahme durch den Erklärungsempfänger ab, müsste der Erklärende zB die Gefahr einer Verspätung oder eines Verlustes tragen. Deshalb stellt § 130 I S 1 auf den Zugang der Erklärung beim Erklärungsempfänger ab. Damit wird eine interessengerechte Risikoabgrenzung (vgl schon Motive I, 157) erzielt: Der Verlust (die Veränderung, Verfälschung, Zerstörung) der Erklärung auf dem Wege zum Empfänger und Zugangshindernisse außerhalb des Einwirkungsbereichs des Empfängers gehen zulasten des Erklärenden. Andererseits ist für das Wirksamwerden der Erklärung die Kenntnisnahme durch den Empfänger nicht erforderlich; es genügt vielmehr, dass die Erklärung in den Bereich des Empfängers gelangt und dieser die Möglichkeit hat, von ihr Kenntnis zu nehmen. Nimmt er keine Kenntnis, geht das zu seinen Lasten (Larenz/ Wolf AT § 26 Rn 21). Abw vertragliche Regelungen des Zugangs von Willenserklärungen sind grds zulässig. Für Regelungen in AGB sind insb die Grenzen der §§ 308 Nr 6 und 309 Nr 13 zu beachten.

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c) Anwendungsbereich der Vorschrift. § 130 betrifft nur Erklärungen unter Abwesenden. Abgrenzungskriterium ist dabei allerdings im Zweifelsfall nicht die räumliche Distanz, sondern die Speiche300

A. Arnold

Willenserklärung

§ 130

rung der Erklärung (AnwK-BGB/Faust Rn 12; Medicus AT Rn 291). Daher sind telefonische Erklärungen solche unter Anwesenden, es sei denn, der Erklärende spricht auf einen Anrufbeantworter. Ebenso sind elektronische oder elektronisch übermittelte Willenserklärungen in aller Regel (Ausnahme nur bei direkter Kommunikation, etwa bei einer Videokonferenz, uU auch im Internet, vgl dazu Larenz/Wolf AT § 26 Rn 17) Erklärungen ggü Abwesenden. Für geschäftsähnliche Handlungen gilt § 130 entspr (Pal/Ellenberger Rn 3). Die Vorschrift ist auch auf Erklärungen anwendbar, die ggü dem Gericht erfolgen müssen (zB Widerruf eines gerichtlichen Vergleichs, BGH NJW 1980, 1752, 1753), nicht aber auf Prozesshandlungen (vgl AnwK-BGB/Faust Rn 16). 2. Wirksamwerden der Willenserklärung gegenüber einem Abwesenden (Abs I). a) Allgemeine Vo- 7 raussetzungen des Zugangs. Für den Zugang ist es zunächst erforderlich, dass die Erklärung in den Machtbereich des Erklärungsempfängers gelangt ist. Das ist vielfach der räumliche Machtbereich (Wohnung, Geschäftsräume). In Betracht kommt auch die Übermittlung an den Adressaten an einem anderen Ort sowie an etwaige vom Empfänger getroffene Empfangsvorkehrungen (zB Hausbriefkasten, vgl BGH NJW 1979, 2032, 2033; Postschließfach, vgl Celle NJW 1974, 1386). Notwendig ist nur, dass der Empfänger grds in der Lage ist, von dem Inhalt der Willenserklärung Kenntnis zu nehmen. Das ist zB auch der Fall, wenn jemand beim Empfänger mit einem telefonischen Anrufbeantworter verbunden wird und seine Erklärung auf das angeschlossene Band spricht; denn damit ist die Erklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangt. Die Möglichkeit der Kenntnisnahme genügt für den Zugang jedoch allein noch nicht; erforderlich 8 ist ferner, dass mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme unter normalen Umständen gerechnet werden kann (BGH 67, 271, 275; 137, 205, 208; NJW 2004, 1320; BAG NJW 1989, 606; 1993, 1093; Larenz/ Wolf AT § 26 Rn 19ff). Deshalb ist ein Brief, der am späten Nachmittag oder gar zur Nachtzeit in einen Hausbriefkasten geworfen wird, erst am nächsten Morgen zugegangen. Ein außerhalb der Geschäftsstunden von einem Telefonanrufbeantworter aufgezeichnetes Gespräch geht erst mit Beginn der Geschäftszeit zu. Dasselbe gilt für andere, etwa zur Entgegennahme eines Fernschreibens, eines Telefax oder einer E-Mail bestimmte technische Empfangsgeräte (vgl BGH VersR 1994, 586; Rostock NJWRR 1998, 526, 527; vgl aber für einen Telefaxeingang in größeren Anwaltskanzleien München NJOZ 2005, 2883, 2887). Nimmt der Empfänger aber vor dem Zeitpunkt, an dem unter gewöhnlichen Umständen die Kenntnisnahme erwartet werden kann, Kenntnis, ist die Erklärung bereits in diesem Moment zugegangen (Medicus AT Rn 276). Abw davon wird in der Lit teilw zw dem Zugang und seiner Rechtzeitigkeit unterschieden. Für den Zugang soll es danach ausreichen, dass die Erklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangt; nur für die Rechtzeitigkeit des Zugangs soll es auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme ankommen (Soergel/Hefermehl Rn 8; Flume § 14, 3b). Diese Unterscheidung erscheint indes unnötig kompliziert; zudem wäre mit ihr ein zu weitreichender Schutz des Empfängers verbunden, da der Erklärende nach Zugang seine Erklärung nicht mehr widerrufen könnte (vgl AnwK-BGB/Faust Rn 26; Medicus AT Rn 275). Gerade bei der Nutzung moderner Kommunikationsmittel setzt die Erwartbarkeit der Kenntnis- 9 nahme weiterhin voraus, dass der Empfänger mit einer Erklärung auf diesem Weg rechnen musste. Der Empfänger muss Erklärungen über von ihm selbst geschaffene technische Einrichtungen (etwa der Telekommunikation, zB Telefon-, Telefaxanschluss, E-Mailadresse) nur gegen sich gelten lassen, wenn er diese allg oder im Einzelfall bekannt gegeben und dadurch für den Rechtsverkehr angeboten („gewidmet“) hat (AnwK-BGB/Faust Rn 41f). Individuelle Kenntnisnahmehindernisse, die ihre Ursache in der Sphäre des Empfängers haben 10 und mit denen der Erklärende nicht zu rechnen braucht, bleiben unberücksichtigt. So ist es für den Zeitpunkt des Zugangs zumindest im inl Rechtsverkehr regelmäßig unerheblich, dass der der deutschen Sprache nicht mächtige (oder leseunkundige; vgl dazu Großfeld/Hülper JZ 1999, 430, 431f) Adressat sich die Erklärung erst noch durch einen Dolmetscher übersetzen lassen muss (LAG Köln NJW 1988, 1870, 1871; für einen Zugang erst nach einer ausreichenden Zeit zur Übersetzung dagegen LAG Hamm NJW 1979, 2488). Allg wird bei sprachlichen Verständnisproblemen entscheidend sein müssen, ob die Erklärung in einer vereinbarten Sprache gehalten ist und ob – mangels einer solchen Vereinbarung – von dem Adressaten die Kenntnis der benutzten Sprache zumutbarerweise erwartet werden kann (vgl auch AnwK-BGB/Faust Rn 43; Medicus AT Rn 295f mwN). Ist keine dieser Voraussetzungen erfüllt, wird ein Zugang erst für den Zeitpunkt einer zumutbaren Übersetzungsmöglichkeit anzunehmen sein. Die Ortsabwesenheit des Empfängers – etwa infolge von Urlaub oder Krankheit – ist, weil es auf die 11 üblicherweise zu erwartende Möglichkeit der Kenntnisnahme ankommt, für den Zugang einer Willenserklärung, etwa der Kündigung des Arbeitsvertrags, grds unerheblich (BGH NJW 2004, 1320f; BAG NJW 1989, 2213; 1993, 1093f; NZA 2004, 1330, 1331 in Abkehr von der früher gegenteiligen Rspr). Dies soll auch für Fälle gelten, in denen der Erklärende die Abwesenheit des Adressaten, evtl auch seinen tatsächlichen vorübergehenden Aufenthalt, zB die Urlaubsanschrift, kennt (BAG NZA 1988, 875, 876; 2004, 1330, 1331). Doch kann ein Arbeitnehmer, der wegen Abwesenheit von der Kündigung zu spät erfährt, um rechtzeitig Kündigungsschutzklage erheben zu können, uU eine nachträgliche Klagezulassung gem § 5 KSchG mit Erfolg beantragen (BAG NZA 1988, 875, 876; eingehend ErfK/Kiel § 5 KSchG Rn 16). Einzelfälle: Ist die Willenserklärung in einem Brief enthalten, geht sie dem Empfänger mit dessen 12 Aushändigung zu. Bei dem Einwurf in einen Haus- oder Geschäftsbriefkasten (auch in einen für alle Bewohner eines Hauses bestimmten Briefschlitz in der Haustür, LAG Düsseldorf NZA 2001, 408) tritt Zugang zu dem Zeitpunkt ein, in dem mit der Leerung nach der Verkehrsauffassung zu rechnen ist; das ist bei Einwurf während der Nacht oder am späten Nachmittag (16.30) der nächste Morgen (RG A. Arnold

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§ 130

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

Warn Rspr 1921, 131; BAG NJW 1984, 1651, 1652; Hamm NJW-RR 1995, 1187, 1188) bzw der Wiederbeginn der Geschäftsstunden (RG 99, 20, 23; 142, 402, 407f). Anderes kann gelten, wenn der Adressat mit einem Zugang zu ungewöhnlicher Zeit rechnen musste (LAG Berlin NZA-RR 2004, 528, 529). Wird der Brief unter der Eingangstür durchgeschoben oder an die Eingangstür gesteckt, gelangt er in den Machtbereich des Empfängers, so dass er zugeht, wenn normalerweise mit der Entdeckung zu rechnen ist (LAG Hamm NZA 1994, 32, 33). Mit dem Einlegen in ein Postschließfach des Empfängers ist der Brief zu dem Zeitpunkt zugegangen, in dem das Fach verkehrsüblicherweise nachgesehen werden kann (RG 142, 402, 408f), nicht also kurz vor Schließung der Post. Die Einsortierung in ein falsches Fach bewirkt keine Zustellung. Bei einer postlagernden Sendung kommt ein Zugang nur in Betracht, wenn der Empfänger mit dieser Art der Zustellung einverstanden war. Dann gilt das zum Postschließfach Gesagte. Die Zustellung ist selbst dann erfolgt, wenn der Empfänger den Brief nicht abholt und dieser nach Ablauf der Lagerfrist an den Absender zurückgeht (RG 144, 289, 293). Eine bei der Post aufbewahrte briefliche Erklärung geht spätestens zu, wenn der Adressat den Brief bei der Post abholt oder abholen lässt (LG Stade NJOZ 2003, 2359, 2360). Hat der Empfänger wegen seiner Abwesenheit einen Nachsendeantrag gestellt, so ist der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem die Erklärung an der ursprünglichen Adresse zugegangen wäre (s unten Rn 31). Bei undeutlicher oder mehrdeutiger Anschrift ist der Brief erst bei Zustellung an den richtigen Empfänger zugegangen. 13

Für ein „Einwurfeinschreiben“, das dem Empfänger von der Post mit der übrigen Briefpost – etwa durch Einwurf in den Briefkasten – übermittelt wird, gelten für den Zugang dieselben Regeln wie beim gewöhnlichen Brief (Dübbers NJW 1997, 2503, 2504). Beim Übergabeeinschreiben (mit oder ohne Rückschein) ist der Zugang erfolgt, wenn die Sendung dem Empfänger übergeben wird; dagegen genügt die Hinterlassung des Benachrichtigungsscheins nicht (BGH 67, 271, 275; 137, 205, 208; aA Flume, § 14, 3c). Vielmehr geht die Erklärung erst zu, wenn der Empfänger das Schreiben vom Postamt abholt. Das gilt auch dann, wenn der Einschreibebrief in der gegebenen Frist nicht abgeholt wird und die Sendung als unzustellbar an den Absender zurückgeht. Ausnahmsweise muss sich der Empfänger jedoch unter dem Gesichtspunkt der Zugangsverzögerung so behandeln lassen, wie wenn das Einschreiben in der Abholfrist zugegangen wäre (s Rn 29f).

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Die in einem – heute freilich vollkommen ungebräuchlich gewordenen - Telegramm enthaltene Willenserklärung ist mit Aushändigung an den Empfänger zugegangen. Wird diesem der Text vorher telefonisch durchgesagt, so ist sie bereits zu diesem Zeitpunkt zugegangen (RG 105, 255, 256). Die Willenserklärung in einem Telefongespräch mit dem Erklärungsempfänger wird vom Gesetz wie eine Erklärung unter Anwesenden behandelt (vgl § 147 I S 2). Zur Entgegennahme eines Telefongesprächs mit einem Anrufbeantworter vgl Rn 6f. Ein Fernschreiben oder Telefax gelangt in den Machtbereich des Empfängers, wenn es auf dem Empfangsapparat ausgedruckt ist (BGH NJW 2004, 1320; MüKo/ Einsele Rn 20; Soergel/Hefermehl Rn 13a und b). Soweit das Empfangsgerät über eine Speichermöglichkeit verfügt, genügt insoweit auch die Speicherung (Burgard AcP 195 (1995), 74, 123f). Hinzu kommen muss allerdings auch in diesem Fall, dass nach gewöhnlichen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist (BGH NJW 2004, 1320). Ein Fax geht im Geschäftsverkehr daher nur sofort zu, wenn es während der Geschäftsstunden eingeht, sonst mit dem nächsten Geschäftsstundenbeginn (BGH VersR 1994, 586; Larenz/Wolf AT § 26 Rn 28; MüKo/Einsele Rn 20; Pal/Ellenberger Rn 7; krit dazu Staud/Singer/Benedict Rn 73ff). Ebenso wird man annehmen müssen, dass ein zur Nachtzeit an eine Privatperson gesendetes Fax erst am nächsten Morgen zugeht (AnwK-BGB/Faust Rn 56). Entspr gilt für die Übermittlung mit einer anderen Einrichtung der Telekommunikation (E-Mail, SMS etc); dabei ist für den Zugang auf die mit dem vollständigen Eintreffen der Sendesignale im Empfangsgerät verbundene Möglichkeit der Speicherung und/oder des vollständigen Ausdrucks oder sonstigen Abrufs beim Empfänger zu verkehrsüblicher Zeit abzustellen; ob der Adressat speichert und/ oder abruft, liegt nicht mehr im Risikobereich des Erklärenden (Staud/Singer/Benedict Rn 51; Herwig MMR 2001, 145, 146; Ultsch NJW 1997, 3007).

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Der Aushang (zB am Schwarzen Brett im Betrieb oder in einem Mietshaus) bewirkt den Zugang, sofern die Adressaten in der Lage sind, davon Kenntnis zu nehmen. Damit scheidet ein Zugang an die (wegen Krankheit, Urlaub) nicht anwesenden Personen aus. Da aber § 130 abdingbar ist, kann anstelle des Zugangs ein Anschlag im Betrieb als Wirksamkeitserfordernis (zB durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung) vereinbart werden; dann ist die Erklärung mit dem Anschlag ggü allen Arbeitnehmern wirksam (Soergel/Hefermehl Rn 14).

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b) Übermittlung durch eine Mittelsperson. Beim Zugang einer Willenserklärung, die über eine Mittelsperson an den Empfänger gelangen soll, ist zu unterscheiden. aa) Handelt es sich bei der Mittelsperson um einen Empfangsvertreter (§ 164 III), so ist die Erklärung mit dem Zugang beim Vertreter dem Vertretenen zugegangen (BGH NJW 1965, 965, 966; 2003, 3270). Auf eine Weitergabe an den Adressaten kommt es nicht an (BAG AP Nr 8).

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bb) Ist die Mittelsperson ein Empfangsbote, dann ist die Erklärung dem Adressaten zu dem Zeitpunkt zugegangen, zu dem regelmäßig die Weitergabe an den Empfänger zu erwarten ist (BGH NJW 1965, 965, 966; NJW-RR 1989, 757f). Übermittelt der Empfangsbote die Erklärung falsch, verspätet oder überhaupt nicht an den Erklärungsempfänger, so geht das zu dessen Lasten (Hamm VersR 1980, 1164). Empfangsbote ist, wer vom Empfänger zur Entgegennahme von Erklärungen bestellt worden ist oder (ohne besondere Vollmacht oder Ermächtigung) nach der Verkehrsanschauung als dazu bestellt und geeignet anzusehen ist (allg M). Bei einer verkörperten Erklärung sind an die Geeignetheit der Mittelsperson geringere Anforderungen zu stellen als bei einer nicht verkörperten (mündlichen) Erklärung. Regelmäßig sind nach der Verkehrsanschauung der Ehegatte (BGH NJW 1951, 313; allerdings nicht ohne weiteres, wenn sich der Empfänger auf hoher See befindet, BGH NJW 302

A. Arnold

Willenserklärung

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1994, 2613), die in der Wohnung des Empfängers oder im selben Hause lebenden Familienangehörigen und Haushaltsmitglieder (RG 60, 334, 336; BAG NJW 1993, 1093, 1094), der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft (BGH NJW 1990, 1666), die Zimmervermieterin (BAG AP Nr 7) und die Angestellten eines Geschäftsmanns (RG 102, 295, 296; BGH NJW 1965, 965, 966) als zum Empfang ermächtigt anzusehen, ferner auch der Mitarbeiter eines Unternehmens, der anstelle des an sich zuständigen Mitarbeiters eine telefonische Erklärung im Wege der intern veranlassten Anrufweiterschaltung erhält und entgegennimmt (BGH NJW 2002, 1565, 1566), nicht aber ohne weiteres beim Leasing der Lieferant im Verhältnis zum Leasinggeber (Koblenz BB 1994, 819f). Bei einer mündlichen Erklärung muss die Mittelsperson fähig sein, die Erklärung richtig zu erfassen und weiterzugeben. Das ist bei erwachsenen Haushaltsmitgliedern oder Angestellten regelmäßig der Fall (RG 60, 334, 337; enger Medicus AT Rn 286). Wird die Erklärung ggü einer ungeeigneten Person (zB einem Kind) oder einer aus einem sonstigen Grunde nicht als ermächtigt anzusehenden Person (zB einem in der Wohnung des Empfängers arbeitenden Handwerker) abgegeben und wird sie dem Empfänger richtig übermittelt, ist sie diesem im Zeitpunkt der Übermittlung zugegangen (RG 60, 334, 337); unterbleibt eine richtige Weitergabe, fehlt es an einem Zugang. Kein Zugang soll nach der Rspr des BAG ferner anzunehmen sein, wenn ein Empfangsbote die Entgegennahme der Erklärung ablehnt; dies soll nur nicht gelten, wenn Empfangsbote und Adressat bei der Annahmeverweigerung zusammenwirken (BAG NJW 1993, 1093; 1094; aA Draschka BB 1993, 1290; Schwarz NJW 1994, 891). cc) Ist die Mittelsperson weder Empfangsvertreter noch Empfangsbote, trägt der Erklärende die 18 Gefahr der richtigen und rechtzeitigen Übermittlung. Die Mittelsperson ist als Erklärungsbote des Erklärenden anzusehen. Bei einer Falschübermittlung kommt eine Anfechtung nach § 120 in Betracht. c) Zugang bei formbedürftigen Erklärungen. Formbedürftige Willenserklärungen gehen nur dann 19 zu, wenn der Empfänger sie in der vorgeschriebenen Form übermittelt (BGH NJW 1962, 1388, 1389; 1997, 3169, 3170; BAG NJW 2007, 250, 253). Notwendig ist also der Zugang des Originals oder – bei öffentlichen Urkunden – einer Ausfertigung (BGH 31, 5, 7; 130, 71, 73). Die Zustellung einer beglaubigten Abschrift oder einer Kopie reicht nicht aus (BGH 31, 5, 7; 48, 374, 377; 121, 224, 229f; Koblenz MittBayNot 2006, 35; Hamm NJOZ 2006, 428, 431f). Allerdings soll im Rahmen einer Parteivereinbarung über die Zugangsvoraussetzungen auch ein Verzicht auf einen formgerechten Zugang möglich sein (BGH 130, 71, 75; Armbrüster NJW 1996, 438). Ist jemand zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilt, so gilt die Erklärung mit der Rechtskraft des Urt als abgegeben (§ 894 I S 1 ZPO), aber nicht als zugegangen. Für den Zugang genügt es, dass dem Gegner das Urt zugestellt wird oder dass er bei der Verkündung anwesend war (RG 160, 321, 325). d) Widerruf. Trotz des Zugangs wird die Willenserklärung nicht wirksam, wenn dem Empfänger 20 vor dem Zugang oder gleichzeitig mit diesem ein Widerruf zugeht (§ 130 I S 2). Dieser Widerruf ist vom Widerruf bei Verbraucherverträgen (§ 355) zu unterscheiden. Entscheidend für die Wirksamkeit des Widerrufs nach § 130 I S 2 ist allein dessen Zugang. Der Widerruf ist also auch dann wirksam, wenn er gleichzeitig mit der Willenserklärung dem Empfänger zugeht, dieser aber von der Willenserklärung früher Kenntnis nimmt (BGH NJW 1975, 382, 384). Geht der Widerruf später als die Willenserklärung zu, bleibt diese wirksam. Das gilt auch dann, wenn der Empfänger tatsächlich den Widerruf vor der widerrufenen Erklärung zur Kenntnis nimmt (RG 91, 63; Pal/Ellenberger Rn 11; Soergel/Hefermehl Rn 29; aA Erman/Palm12 Rn 15). Ausgehend von diesen Grundsätzen stellt etwa die vorzeitige Auktionsbeendigung keinen wirksamen Widerruf des in der Veranlassung einer Internetauktion liegenden Kaufvertragsangebots dar (LG Koblenz NJW 2010, 159, 160). Ebenso lässt die in den eBay-Grundsätzen vorgesehene „Löschung“ der Bieterangebote die Wirksamkeit des zuvor abgegebenen Verkaufsangebots unberührt (KG NJW 2005, 1053, 1054). 3. Wirksamwerden der Willenserklärung gegenüber einem Anwesenden. Für das Wirksamwerden 21 einer empfangsbedürftigen Willenserklärung ggü einem Anwesenden fehlt eine gesetzliche Regelung. Hier ist der Grundgedanke des § 130 zu berücksichtigen und danach zu unterscheiden, ob es sich um eine verkörperte (schriftliche) oder eine nichtverkörperte (mündliche) Erklärung handelt. a) Verkörperte Erklärung. Bei einer verkörperten Erklärung kommt es auf den Zugang beim Emp- 22 fänger an. Demnach wird die Erklärung regelmäßig mit der Übergabe an den Empfänger wirksam (RG 61, 414, 415; BGH NJW-RR 1996, 641, 642; NJW 1998, 3344); denn damit kommt die Erklärung in den Machtbereich des Empfängers, und dieser hat in diesem Zeitpunkt die Möglichkeit der Kenntnisnahme; dauerhafte Verfügungsgewalt über das Schriftstück ist nicht erforderlich (BAG NJW 2005, 1533). Wird aber die schriftliche Erklärung dem Empfänger heimlich in die Tasche gesteckt, ist sie zwar in seinen Machtbereich gelangt, aber doch nicht zugegangen, weil der Empfänger mit einer solchen „Art der Zustellung“ nicht zu rechnen braucht. b) Nicht verkörperte Erklärung. Eine nicht verkörperte Erklärung ggü einem Anwesenden wird 23 mit der Abgabe regelmäßig auch wirksam, da der Adressat die Erklärung normalerweise in diesem Zeitpunkt empfängt und zur Kenntnis nimmt. Ob er sie (richtig) verstanden hat, ist idR unerheblich; nicht gelten kann das allerdings, wenn der Adressat taub ist oder die Sprache nicht versteht. Nach der Vernehmungstheorie soll es insoweit darauf ankommen, ob der Erklärungsempfänger die Erklärung wahrgenommen hat (s nur BGH WM 1989, 652f; BAG ZIP 1982, 1466, 1467). Die genannten Risiken gingen also ausnahmslos zulasten des Erklärenden. Dem ist für den Regelfall zuzustimmen. Wenn jedoch die Erklärung vom Empfänger nicht vernommen worden ist, sie aber für ihn vernehmbar war und der Erklärende annehmen konnte, dass der Empfänger sie verstanden habe, wäre die Erklärung nach der Vernehmungstheorie nicht zugegangen. Diese Entscheidung zuungunsten des Erklärenden ist nicht interessengerecht und widerspricht der Wertung des § 130 I. Danach kommt es A. Arnold

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Rechtsgeschäfte

auch nicht auf die Kenntnisnahme der Erklärung durch den Erklärungsempfänger, sondern darauf an, ob dieser unter normalen Umständen Kenntnis nehmen kann. Wendet man diesen Gedanken hier an, muss ein Zugang jedenfalls dann angenommen werden, wenn der Erklärende vernünftigerweise keinen Zweifel daran haben kann, dass der Empfänger die Erklärung verstanden hat (so auch MüKo/ Einsele Rn 28; Pal/Ellenberger Rn 14). 24

4. Tod oder Geschäftsunfähigkeit des Erklärenden (Abs II). Stirbt der Erklärende nach Abgabe der Willenserklärung oder wird er geschäftsunfähig, so wird die Erklärung dennoch durch Zugang beim Erklärungsempfänger wirksam (§ 130 II). Die Erben des Verstorbenen oder der gesetzliche Vertreter des Geschäftsunfähigen sind an die Erklärung gebunden. Sie haben bis zum Zugang der Erklärung das Recht zum Widerruf nach § 130 I S 2. Ob ein wirksames Angebot des Erklärenden vom Erklärungsempfänger noch angenommen werden kann, richtet sich nach § 153.

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§ 130 II ist entspr anwendbar, wenn der Erklärende zw Abgabe und Zugang seiner Willenserklärung beschränkt geschäftsfähig wird; das gilt auch für die Beschränkung der Geschäftsfähigkeit durch Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts gem § 1903 (Celle NJW 2006, 3501f; Pal/Ellenberger Rn 12). Wenn der Eintritt der Geschäftsunfähigkeit auf die Wirksamkeit der Erklärung keinen Einfluss hat, so muss das im Falle des Eintritts der beschränkten Geschäftsfähigkeit erst recht gelten. Verliert dagegen der Erklärende zw Abgabe und Zugang seiner Erklärung seine Verfügungsbefugnis (zB durch ein Insolvenzverfahren), scheidet eine analoge Anwendung des § 130 II aus (BGH 27, 360, 366; MüKo/ Einsele Rn 43), da die Verfügungsbefugnis im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verfügung bestehen muss.

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5. Amtsempfangsbedürftige Willenserklärung (Abs III). Die Willenserklärung, die ggü einer Behörde (zB Hinterlegungsstelle, Stiftungsbehörde, Grundbuchamt, VormG, Nachlassgericht; Planfeststellungsbehörde) abzugeben ist, wird wie eine empfangsbedürftige Willenserklärung unter Abwesenden behandelt; denn § 130 III verweist auf § 130 I, II. Das gilt auch für eine Willenserklärung, die wahlweise ggü einer Privatperson oder ggü einer Behörde (zB Grundbuchamt, § 876, S 3, § 880 II S 3) abgegeben werden kann, sofern sie tatsächlich ggü der Behörde abgegeben wird. Nicht gemeint ist die Willenserklärung, die vor einer Behörde, aber ggü einem privaten Erklärungsempfänger abzugeben ist (zB §§ 925, 2276 I). Für den Zugang bei der Behörde reicht es aus, dass die Erklärung bei der für den Empfang von Erklärungen eingerichteten Stelle angelangt ist (etwa Posteingangsstelle); der weitere Verbleib liegt im Risikobereich der Behörde. Dagegen tritt die Zugangswirkung nicht ein, wenn ein unzuständiger Bediensteter die Erklärung in Empfang nimmt (RG JW 1925, 2444). Der Berufung auf die Versäumung einer Frist kann jedoch § 242 entgegenstehen, wenn eine zur Entgegennahme der Erklärung selbst unzuständige Behörde zur rechtzeitigen Weiterleitung an die zuständige Behörde in der Lage und verpflichtet war (KG NJW-RR 1997, 643, 644).

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6. Zugangshindernisse. a) Annahmeverweigerung. Gesetzlich nicht geregelt sind die Fälle, in denen die Willenserklärung dem Empfänger wegen seines eigenen Verhaltens oder wegen eines Störfaktors in seinem Risikobereich nicht oder verspätet zugeht (krit gegen entspr Sonderregeln aber Staud/Singer/Benedict Rn 83ff). Verweigert der Empfänger die Annahme der schriftlichen oder das Anhören der mündlichen Erklärung berechtigterweise, so geht das zulasten des Erklärenden. Die Erklärung ist nicht zugegangen (OVG Hamburg NJW 1995, 3137, 3138; MüKo/Einsele Rn 36). Das ist etwa der Fall, wenn der Adressat wegen ungenügender Frankierung Strafporto bezahlen soll, das Schreiben eine mehrdeutige Anschrift aufweist (RG 125, 68, 75) oder die mündliche Erklärung Beleidigungen des Erklärungsempfängers enthält und dieser sich deshalb die Ohren zuhält. Dagegen geht eine unberechtigte Verweigerung zulasten des Erklärungsempfängers. Die Erklärung ist ihm zugegangen; denn er war in der Lage, sich vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu verschaffen, und damit konnte unter normalen Umständen auch gerechnet werden (BGH 137, 205, 209; NJW 1983, 929, 930). Ein wiederholter Zustellungsversuch des Erklärenden ist in diesem Fall sinnlos und daher entbehrlich.

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b) Zugangsstörung. Bei einer Zugangsstörung im Einflussbereich des Empfängers verdient dieser keinen Schutz, wenn er den Zugang bewusst vereitelt (Rechtsgedanke der §§ 162, 815 II; Larenz/Wolf AT § 26 Rn 46; Medicus AT Rn 282). Auch in diesem Fall ist ein erneuter Zustellungsversuch des Erklärenden sinnlos und daher entbehrlich (BGH 137, 205, 209f).

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Der Empfänger ist aber auch dann nicht schutzwürdig und muss das Risiko eines (verspäteten) Zugangs tragen, wenn er es unterlässt, Vorkehrungen zur Ermöglichung des Zugehens zu treffen, sofern ihn dafür eine Obliegenheit trifft. So ist etwa der Kaufmann gehalten, für die Zeit seiner Abwesenheit einen Empfangsbevollmächtigten zu bestellen (RG 95, 315, 317) Der Geschäftsmann muss die Verlegung seines Geschäftslokals der Post ordnungsgemäß anzeigen (Hamm NJW-RR 1986, 699). Auch aus einem Arbeitsvertrag kann sich bei entspr Vereinbarung die Verpflichtung ergeben, Empfangsvorrichtungen bereitzuhalten (LAG Hamm ZIP 1993, 1109, 1110). Dagegen besteht keine allg Pflicht, Empfangsvorkehrungen für den Eingang von Erklärungen zu treffen; doch hat derjenige, der mit dem Eingang rechtsgeschäftlicher Erklärungen rechnen muss, dafür zu sorgen, dass die Erklärungen ihn auch erreichen (BGH 67, 271, 278; NJW 1996, 1967, 1968; BAG NZA 2006, 204, 205). Ferner ist derjenige, der ein Benachrichtigungsschreiben erhält, nach dem ihm ein Einschreibebrief nicht zugestellt werden konnte, gehalten, dieses abzuholen (vgl BGH 137, 205, 210). Technische Störungen bei den Empfängereinrichtungen der Telekommunikation gehen unter den genannten Voraussetzungen zulasten des Empfängers (Burgard AcP 195 [1995], 74, 104, 111f; Fritzsche/Malzer DNotZ 1995, 3, 14; Ultsch NJW 1997, 3007, 3008). Auf ein Verschulden des Adressaten kommt es nicht an; es genügt, dass die Zugangsstörung in seiner Sphäre liegt und ihm zuzurechnen ist (LAG Hamm ZIP 1993, 1109, 1110; Flume § 14, 3e).

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A. Arnold

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Geht unter den genannten Voraussetzungen die Erklärung dem Empfänger nicht zu, hat nach heu- 30 te hM (BGH 137, 205, 209; Larenz/Wolf AT § 26 Rn 48; Medicus AT Rn 278; skeptisch für den Fall der Nichtabholung eines Einschreibens MüKo/Einsele Rn 38) der Erklärende eine Wahlmöglichkeit: Bemüht er sich nicht um eine Zustellung, treten die Rechtsfolgen der Erklärung nicht ein. Will er aber, dass seine Erklärung wirksam wird, muss er alles ihm Zumutbare und nach der Sachlage Erforderliche unternehmen, um die Willenserklärung in den Machtbereich des Erklärungsempfängers gelangen zu lassen (BGH 137, 205, 209; BAG NZA 2006, 204, 205). Er muss also so schnell wie möglich den Zugang bewirken; notfalls kommt eine Zustellung nach § 132 in Betracht. Einen verspäteten Zugang muss der Erklärungsempfänger dann nach Treu und Glauben als rechtzeitig gegen sich gelten lassen (BGH 137, 205, 209). Geht die Erklärung aufgrund eines Zugangshindernisses im Bereich des Empfängers verspätet zu, 31 bedarf es hierfür aber keines weiteren Zustellungsversuchs durch den Empfänger, kann sich der Empfänger auf die entstandene Verzögerung nicht berufen. Daher gehen Verzögerungen, die dadurch entstehen, dass der Empfänger einen Nachsendeauftrag gestellt hat, zulasten des Empfängers (AnwK-BGB/Faust Rn 69; MüKo/Einsele Rn 37; aA BGH NJW 1996, 1967, 1968; Erman/Palm12 Rn 7). Die gegenteilige Auffassung würde gerade in den viel diskutierten Fällen der Kündigung während des Urlaubs des Empfängers kaum zu rechtfertigende Konsequenzen haben. Der Zeitpunkt, zu dem die Kündigung wirksam würde, hinge davon ab, ob der Empfänger zufällig einen Nachsendeauftrag gestellt hat oder nicht. 7. Abweichende Vereinbarungen. Eine von § 130 abw Regelung kann sich aus dem Gesetz und aus 32 der getroffenen Parteivereinbarung ergeben. Für die Rechtzeitigkeit der Erklärung stellen etwa §§ 121 I S 2, 355 I S 2 und § 377 IV HGB auf die Absendung ab; ein Zugang ist dennoch erforderlich. Nach § 151 S 1, § 152 S 1 ist ein Zugang zur Wirksamkeit nicht erforderlich. Die Voraussetzungen und der Zeitpunkt des Zugangs können auch durch Parteivereinbarung abw geregelt werden (RG 108, 91, 96; BGH 130, 71, 75; Armbrüster NJW 1996, 438). Bei Regelungen in AGB sind die § 308 Nr 6 und § 309 Nr 13 zu beachten. 8. Beweislast. Wer sich auf die Wirksamkeit einer empfangsbedürftigen Willenserklärung beruft, 33 muss deren Zugang beweisen (Saarbrücken NJW 2004, 2908, 2909; Rostock NJOZ 2004, 2121ff). Die Grundsätze über den Anscheinsbeweis sind regelmäßig nicht anwendbar. Insb ist durch den Beweis, dass der Brief bei der Post eingeliefert wurde, der Beweis des Zugangs nicht geführt (anders uU bei Serienbriefen, vgl das Bsp LG Hamburg VersR 1992, 85). Es bestehen keine Vermutung und kein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass eine zur Post gegebene Sendung den Empfänger auch erreicht (BGH NJW 1964, 1176; BAG NJW 1961, 2132; Frankfurt VersR 1996, 90); denn es kommt vor, dass Postsendungen beim Adressaten nicht ankommen. Auch der Einlieferungsbeleg beim Einschreibebrief erbringt keinen Anscheinsbeweis für den Zugang (BGH 24, 308, 313; NJW 1996, 2033, 2035). Beim Einwurfeinschreiben sollen Einlieferungs- und Auslieferungsbeleg keine ausreichende Grundlage für einen Anscheinsbeweis hins des Zugangs der Sendung beim Empfänger bilden (LG Potsdam NJW 2000, 3722; AG Kempen NJW 2007, 1215; Bauer/Diller NJW 1998, 2795, 2796; aA AG Paderborn NJW 2007, 3722; Pal/Ellenberger Rn 21). Dagegen begründet beim Einschreiben mit Rückschein der Rückschein den Anscheinsbeweis für den Zugang (Pal/Ellenberger Rn 21); der Inhalt des Schreibens bleibt freilich vom Erklärenden zu beweisen. Bei der Übermittlung mit Telefax begründet das Sendeprotokoll keinen Anscheinsbeweis für den Zugang (BGH NJW 1995, 665; BAG NZA 2003, 158, 159; KG NJW 1994, 3172; Dresden NJW-RR 1994, 1485; aA München NJW 1994, 527; MDR 1999, 286). Ist die Rechtzeitigkeit des Zugangs str, muss derjenige, der sich auf sie beruft, auch die Rechtzei- 34 tigkeit beweisen (BGH NJW 1978, 886). Durch Anscheinsbeweis kann nicht dargetan werden, dass eine Postsendung nach einer bestimmten Zeit beim Adressaten abgeliefert zu werden pflegt (BGH NJW 1964, 1176, 1177; Braunschweig NJOZ 2004, 1866, 1868).

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Wirksamwerden gegenüber nicht voll Geschäftsfähigen (1) Wird die Willenserklärung einem Geschäftsunfähigen gegenüber abgegeben, so wird sie nicht wirksam, bevor sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht. (2) Das Gleiche gilt, wenn die Willenserklärung einer in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person gegenüber abgegeben wird. Bringt die Erklärung jedoch der in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person lediglich einen rechtlichen Vorteil oder hat der gesetzliche Vertreter seine Einwilligung erteilt, so wird die Erklärung in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihr zugeht. 1. Bedeutung. § 131 regelt das Wirksamwerden einer empfangsbedürftigen Willenserklärung, die 1 ggü einem nicht voll Geschäftsfähigen abgegeben wird; er gilt auch für geschäftsähnliche Handlungen (AG Melsdorf NJW 1989, 2548; MüKo/Einsele Rn 1). Die Vorschrift dient dem Schutz dieser Personen und entspricht den Regeln über die Wirksamkeit der Willenserklärung eines nicht voll Geschäftsfähigen. Wie die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ohne Rechtswirkung ist (§ 105 I), so kann auch die ggü einem Geschäftsunfähigen abzugebende Willenserklärung nicht durch Zugang an ihn wirksam werden (§ 131 I). Wie die Willenserklärung eines beschränkt Geschäftsfähigen idR ebenfalls unwirksam und nur in Ausnahmefällen wirksam ist (§§ 106ff), so kann auch die ggü einem beschränkt Geschäftsfähigen abzugebende Willenserklärung idR nicht durch Zugang an ihn wirksam werden (§ 131 II S 1); in Ausnahmefällen genügt jedoch der Zugang an ihn (§ 131 II S 2). 2. Willenserklärung ggü einem Geschäftsunfähigen (vgl § 104 Rn 2–7). Sie wird wirksam, wenn sie 2 dem gesetzlichen Vertreter zugeht (§ 131 I). Bei gesetzlicher Vertretung von Kindern genügt der Zugang an einen Elternteil. Es spielt keine Rolle, ob es sich um eine Erklärung unter Anwesenden oder A. Arnold

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Rechtsgeschäfte

Abwesenden handelt. Mit dem Zugang an den gesetzlichen Vertreter wird die Willenserklärung ggü dem Geschäftsunfähigen wirksam; der Zeitpunkt des Zugangs an den gesetzlichen Vertreter ist auch für eine Fristwahrung maßgebend. 3

Die Willenserklärung ist an den gesetzlichen Vertreter zu richten. Der Geschäftsunfähige kann jedoch Erklärungsbote des Erklärenden sein; leitet er die Erklärung an seinen gesetzlichen Vertreter weiter, gelangt sie in dessen Machtbereich, und hat der gesetzliche Vertreter die Möglichkeit der Kenntnisnahme (vgl § 130 Rn 18), ist sie diesem zugegangen und damit wirksam. Dagegen reicht es nicht aus, dass der gesetzliche Vertreter nur zufällig vom Inhalt der an den Geschäftsunfähigen gerichteten Erklärung Kenntnis erlangt, weil er etwa mit dem Geschäftsunfähigen im selben Haushalt lebt (Düsseldorf VersR 1961, 878; Berlin MDR 1982, 321; MüKo/Einsele Rn 3; aA Staud/Singer/Benedict Rn 3). Als Empfangsbote seines gesetzlichen Vertreters ist der Geschäftsunfähige nur dann anzusehen, wenn er vom gesetzlichen Vertreter dazu bestellt worden ist (Soergel/Hefermehl Rn 3; aA Staud/Singer/Benedict Rn 4, nach denen der beschränkt Geschäftsfähige generell nicht Empfangsbote sein kann). Eine Bestellung zum Empfangsvertreter ist nicht möglich (Pal/Ellenberger Rn 2).

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3. Willenserklärung ggü einem beschränkt Geschäftsfähigen (§ 106). Hier ist zu unterscheiden: a) Grds gilt das Gleiche wie bei der Willenserklärung ggü einem Geschäftsunfähigen (§ 131 II S 1); zur Wirksamkeit der Willenserklärung ist es also erforderlich, dass diese dem gesetzlichen Vertreter zugeht (Rn 2).

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b) Ausnahmsweise wird die Willenserklärung mit dem Zugang an den beschränkt Geschäftsfähigen wirksam (§ 131 II S 2). aa) Ebenso wie ein beschränkt Geschäftsfähiger eine wirksame Willenserklärung abgeben kann, wenn diese ihm einen lediglich rechtlichen Vorteil bringt (§ 107), so ist auch eine Willenserklärung ggü dem beschränkt Geschäftsfähigen, die für ihn lediglich rechtlich vorteilhaft ist, mit dem Zugang an ihn wirksam. So ist zB das dem beschränkt Geschäftsfähigen ggü gemachte Vertragsangebot – unabhängig vom Inhalt – immer lediglich rechtlich vorteilhaft, weil dem Empfänger damit die Möglichkeit gegeben wird, es anzunehmen und dadurch den Vertrag zustande zu bringen. Hierher gehören ferner die rechtlich neutralen Geschäfte (§ 107 Rn 10); deshalb wird die Bevollmächtigung eines beschränkt Geschäftsfähigen mit dem Zugang der Erklärung an diesen wirksam (Frankfurt MDR 1964, 756; Staud/Singer/Benedict Rn 5). Dagegen ist die Annahme eines Vertrags lediglich erfasst, wenn dieser für den beschränkt Geschäftsfähigen rechtlich vorteilhaft ist (Flume, § 14, 3g).

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bb) Wenn der gesetzliche Vertreter seine Einwilligung erteilt, ist der beschränkt Geschäftsfähige ebenfalls hinreichend geschützt. Deshalb wird auch in diesem Fall die Erklärung mit Zugang an den beschränkt Geschäftsfähigen wirksam. Mit der Einwilligung ist die vorherige Zustimmung gemeint (§ 183 S 1). Dem ist angesichts des Wortlauts des § 131 II S 2 und des Strebens nach Rechtssicherheit die Genehmigung (nachträgliche Zustimmung; § 184 I) nicht gleichzustellen. Geht jedoch dem beschränkt Geschäftsfähigen die Annahme eines Vertragsangebots zu, so kann der gesetzliche Vertreter dem auch noch nachträglich zustimmen, weil sonst die Anwendbarkeit des § 108 ausgeschlossen würde (BGH 47, 352, 358; Flume, § 14, 3g).

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Die Einwilligung kann in schlüssigem Verhalten liegen. Liegt zugunsten des Minderjährigen eine Einwilligung zum Abschluss eines Vertrags vor, liegt darin auch eine Einwilligung zum Zugang von Vertragserklärungen an den beschränkt Geschäftsfähigen (MüKo/Einsele Rn 6). Dagegen deckt eine derartige Einwilligung den Zugang von Erklärungen, die der Abwicklung des Vertrags dienen, grds nicht mehr ab (Staud/Singer/Benedict Rn 5). Daher lässt die Einwilligung zum Abschluss eines Versicherungsvertrags regelmäßig solche Erklärungen des Versicherers, die dessen Leistungsfreiheit zur Folge haben, nicht mit Zugang an den beschränkt Geschäftsfähigen wirksam werden (BGH 47, 352, 359).

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Auch wenn eine Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vorliegt und deshalb die Willenserklärung durch Zugang an den beschränkt Geschäftsfähigen wirksam wird, kann das Wirksamwerden auch durch Zugang an den gesetzlichen Vertreter erreicht werden; denn durch die Ermächtigung wird die Vertretungsmacht des gesetzlichen Vertreters nicht eingeschränkt (anders in den Fällen der §§ 112, 113).

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cc) Kraft gesetzlicher Vorschrift können der Widerruf (§ 109 I S 2) und die Zurückweisung (§ 111) ggü dem beschränkt Geschäftsfähigen erfolgen, so dass hier ein Zugang an diesen zum Wirksamwerden genügt.

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c) § 131 II gilt gem § 1903 I S 2 entspr, wenn die Willenserklärung einem Betreuten ggü abgegeben wird und sie zum Bereich des Einwilligungsvorbehalts gehört. Die Willenserklärung ist dann an den Betreuer zu richten (LG Dresden WuM 1994, 377).

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4. Willenserklärung ggü einem Bewusstlosen oder vorübergehend Geistesgestörten (§ 105 II). Ist der Erklärungsempfänger bewusstlos oder liegt eine vorübergehende Störung der Geistestätigkeit vor, so ist zu unterscheiden, ob es sich um eine Willenserklärung unter Abwesenden handelt oder nicht. Bei einer Erklärung unter Abwesenden kommt es nach § 130 auf den Zugang der Erklärung an. Beim Einwurf einer schriftlichen Willenserklärung in den Hausbriefkasten ist damit zB entscheidend, wann der Empfänger unter normalen Umständen davon Kenntnis nehmen kann, gleichgültig, ob er zu diesem Zeitpunkt bewusstlos ist oder ob eine vorübergehende Störung der Geistestätigkeit vorliegt (MüKo/Einsele Rn 2). Bei einer Erklärung unter Anwesenden gilt das zu § 130 Rn 23 Gesagte. Ist die Erklärung nicht verkörpert, kann der Empfänger die Erklärung wegen seines Zustandes regelmäßig nicht verstehen, was für den Erklärenden auch erkennbar ist, so dass die Erklärung nicht wirksam ist. 306

A. Arnold

Willenserklärung

§ 132

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Ersatz des Zugehens durch Zustellung (1) Eine Willenserklärung gilt auch dann als zugegangen, wenn sie durch Vermittlung eines Gerichtsvollziehers zugestellt worden ist. Die Zustellung erfolgt nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung. (2) Befindet sich der Erklärende über die Person desjenigen, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben ist, in einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Unkenntnis oder ist der Aufenthalt dieser Person unbekannt, so kann die Zustellung nach den für die öffentliche Zustellung geltenden Vorschriften der Zivilprozessordnung erfolgen. Zuständig für die Bewilligung ist im ersteren Fall das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Erklärende seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines inländischen Wohnsitzes seinen Aufenthalt hat, im letzteren Fall das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Person, welcher zuzustellen ist, den letzten Wohnsitz oder in Ermangelung eines inländischen Wohnsitzes den letzten Aufenthalt hatte. 1. Zweck. Die Vorschrift stellt die Zustellung der Willenserklärung als Ersatz für den Zugang zur 1 Verfügung. Dabei kann der Erklärende frei entscheiden, ob er die Willenserklärung unter Vermittlung des Gerichtsvollziehers zustellen lässt, während die öffentliche Zustellung nach Abs II nur unter zusätzlichen Voraussetzungen möglich ist. Wird die Zustellung gewählt, wird die Willenserklärung wirksam, auch wenn die Voraussetzungen für den Zugang iSd § 130 (Möglichkeit der Kenntnisnahme) nicht vorliegen. Die Zustellung macht damit den Zugang vom Verhalten des Empfängers (zB Verweigerung der Annahme) unabhängig und bietet eine verhältnismäßig sichere Möglichkeit, den Zugang nachzuweisen. Setzt aber ein Tatbestand (zB § 407) Kenntnisnahme des Empfängers voraus, so genügt eine Zustellung nicht (RG 87, 412, 417; vgl auch RG 135, 247, 251; MüKo/Einsele Rn 1). 2. Zustellungsarten. a) Zustellung durch Vermittlung des Gerichtsvollziehers (Abs I). Abs I gibt 2 dem Erklärenden ein Wahlrecht, ob er die Erklärung durch Vermittlung des Gerichtsvollziehers zustellen lässt. Dabei kann ein Anwalt aber verpflichtet sein, im Interesse seiner Mandantschaft nach § 132 vorzugehen (Nürnberg NJW-RR 1991, 414). Die Einschaltung des Gerichtsvollziehers ist unverzichtbar; eine Zustellung im Parteiauftrag genügt nicht (BGH 67, 271, 277). Ebenso soll die Zustellung von Anwalt zu Anwalt (§ 195 ZPO) nicht genügen (BeckOK/Wendtland Rn 4; MüKo/Einsele Rn 2; aA für eine Prozessbürgschaft LG Augsburg NJW-RR 1998, 1368, 1369). Zugestellt werden muss die Erklärung in der vorgeschriebenen Form. Bei öffentlichen Urkunden ist daher eine Ausfertigung zuzustellen (BGH 31, 5, 7; 36, 201, 206; NJW 1981, 2299, 2300; KG DGVZ 1994, 154; Hamm DNotZ 1992, 261, 263). Bei Erklärungen, die in Schriftform erfolgen müssen, soll nach hM die Zustellung einer beglaubigten Abschrift genügen (so im Anschluss an BGH NJW 1967, 823, 824 etwa BeckOK/Wendtland Rn 5; MüKo/Einsele Rn 4; Pal/Ellenberger Rn 2; aA wegen der Aufhebung des § 170 II aF ZPO PWW/ Ahrens Rn 2). Das Verfahren der Zustellung unter Vermittlung des Gerichtsvollziehers richtet sich iÜ nach §§ 192ff ZPO iVm den Bestimmungen der §§ 166ff ZPO über die Zustellung von Amts wegen, § 191 ZPO. Die Zustellung ist an den Erklärungsgegner, bei nicht voll Geschäftsfähigen an den gesetzlichen Vertreter zu richten (Pal/Ellenberger Rn 1). Der Gerichtsvollzieher kann die Zustellung selbst ausführen (§ 193 ZPO) oder die Post mit der Ausführung der Zustellung beauftragen (§ 194 ZPO). Unter den Voraussetzungen der §§ 178ff ZPO kommt auch eine Ersatzzustellung in Betracht, nicht hingegen eine Zustellung gegen Empfangsbekenntnis oder durch Einschreiben mit Rückschein (§§ 174, 175 ZPO); diese Zustellungsarten sind der Geschäftsstelle des Gerichts vorbehalten (AnwK-BGB/ Faust Rn 6). Zustellungsmängel werden nach § 189 ZPO geheilt (MüKo/Einsele Rn 5; zweifelnd AnwK-BGB/Faust Rn 7). b) Öffentliche Zustellung (Abs II). Die öffentliche Zustellung (§§ 185ff ZPO) ist nicht ins Belieben 3 des Erklärenden gestellt. Sie ist nur möglich bei unverschuldeter Unkenntnis über die Person des Erklärungsempfängers (zB des unbekannten Erben) oder bei Unkenntnis über den Aufenthalt des Empfängers (vgl § 185 ZPO). Letzteres setzt voraus, dass der Aufenthalt nicht nur dem Erklärenden, sondern generell unbekannt ist. Den Erklärenden trifft insoweit eine Nachforschungspflicht. Er wird den unbekannten Aufenthalt dem Gericht zumindest durch eine ergebnislose Auskunft beim Einwohnermeldeamt nachzuweisen haben (MüKo/Einsele Rn 6). Sind die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung nicht dargetan, wird der Antrag durch Beschl abgelehnt, gegen den die Beschwerde nach § 567 ZPO zulässig ist. Die öffentliche Zustellung bewirkt die Fiktion des Zugangs. Auch eine durch unzutreffende Anga- 4 ben erschlichene öffentliche Zustellung ist wirksam. In Anlehnung an die Grundsätze, die die Rspr für die Unwirksamkeit einer öffentlichen Zustellung im Prozess entwickelt hat (BGH NJW 2002, 827, 828ff; 2007, 303), gilt dies jedoch nicht, wenn das Gericht bei der Bewilligung hätte erkennen können, dass die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung nicht vorlagen (KG NJW-RR 2006, 1380, 1381; Pal/Ellenberger Rn 3; aA AnwK-BGB/Faust Rn 10; PWW/Ahrens Rn 3). Bei einer danach wirksamen öffentlichen Zustellung kann zudem der Berufung auf die eingetretene Rechtsfolge der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen (BGH 64, 5, 8; KG NJW-RR 2006, 1380, 1381f; einschränkend Staud/Singer/Benedict Rn 8). Das gilt nicht nur ggü dem, der die öffentliche Zustellung arglistig veranlasst hat, sondern kann im Einzelfall auch ggü einem Dritten gelten. Hat etwa ein Ehegatte den Widerruf eines wechselbezüglichen gemeinschaftlichen Testaments durch erschlichene öffentliche Zustellung bewirkt, so kann ggü dem, der Rechte aus einer nach der öffentlichen Zustellung errichteten Verfügung von Todes wegen geltend macht, der Arglisteinwand durchgreifen (BGH 64, 5, 8).

A. Arnold

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§ 133

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

133

Auslegung einer Willenserklärung Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

1

1. Bedeutung. Mit der im Rechtsgeschäft enthaltenen Willenserklärung will der Erklärende einen bestimmten Rechtserfolg herbeiführen. Der (innere) Geschäftswille (Vor § 116 Rn 5) erscheint in der (äußeren) Gestalt der Erklärung. Ziel der Auslegung ist es, den hinter der Erklärung stehenden Geschäftswillen des Erklärenden zu ermitteln. Auf diesen Willen kommt es nach dem Grundsatz der Privatautonomie zunächst an; denn der Einzelne soll seine privaten Lebensverhältnisse nach seinem Willen selbst gestalten können. In den meisten Fällen geht es aber nicht nur um die Interessen des Erklärenden, sondern auch um die des Erklärungsempfängers. Dieser verdient Schutz, wenn er den wahren Willen des Erklärenden nicht erkennt und nicht erkennen kann; dann muss der Erklärende sich an dem festhalten lassen, was der Empfänger der Erklärung vernünftigerweise als Willen des Erklärenden entnehmen konnte.

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Die Auslegung, die in §§ 133, 157 und in einigen Spezialvorschriften geregelt ist, hat zunächst für die Frage Bedeutung, ob überhaupt eine Willenserklärung vorliegt. Ferner kommt es auf die Auslegung an, wenn es darum geht, ob durch Willenserklärungen ein Vertrag zustande gekommen ist. Schließlich sind auch der abgeschlossene Vertrag und das einseitige Rechtsgeschäft auszulegen, um dadurch festzustellen, welchen Inhalt sie haben und welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben.

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2. Anwendungsbereich des § 133. a) Zivilrecht. Die Vorschrift gilt für alle Willenserklärungen. Bei der Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen ist auf den Schutz des Erklärungsempfängers Bedacht zu nehmen (Rn 19). Formgebundene Erklärungen sind ebenso auslegungsfähig (vgl § 125 Rn 28; AnwK-BGB/Looschelders Rn 74; MüKo/Busche Rn 29; zur Bürgschaft BGH NJW 1995, 959; NJW-RR 1998, 259f) wie schlüssige (konkludente) Erklärungen. Der Auslegung zugänglich sind auch die Willenserklärungen in einem abstrakten Rechtsgeschäft (zB Wechsel, BGH 21, 155, 161; Schuldversprechen BGH NJW-RR 1996, 1458), in Verfügungen (zB Auflassung, RG 152, 189, 192) und in einem Normenvertrag (zB Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, MüKo/Busche Rn 38) sowie in einer Satzung und sonstigen normähnlichen Regelungen des Privatrechts (vgl BayObLG WuM 1996, 362 – Gemeinschaftsordnung nach dem WEG; s auch Rn 34). Auch geschäftsähnliche Handlungen wie Mahnungen, Fristsetzungen, Mitteilungen und Anzeigen sind der Auslegung zugänglich, um das Gewollte zu ermitteln (BGH NJW 1995, 45, 46).

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b) Prozessrecht. Auch auf Prozesshandlungen/Prozesserklärungen einer Partei (zB Klageantrag, Geständnis, Anerkenntnis, Rechtsmittelverzicht, Rechtsmitteleinlegung, Rechtsmittelbegründung) ist § 133 anwendbar (BGH 22, 267, 269; NJW-RR 1994, 568; 1996, 1210; 1998, 507; BVerwG NJW 1990, 508, 509; Naumburg NStZ-RR 1997, 340; für Anmeldung zum Handelsregister BayObLG NJW-RR 2000, 990, 991); dabei sind alle – insb aus den Akten – erkennbaren Umstände zu beachten (Rosenberg/Schwab/Gottwald § 65 Rn 22; Staud/Singer Rn 27f); unklare Erklärungen sind im Zweifel so auszulegen, dass das Ergebnis dem Willen eines verständigen Prozessbeteiligten entspricht (BFH/NV 2006, 1852 und 2269). Auszulegen sind auch Prozesshandlungen des Gerichts, insb Entscheidungen (BGH 5, 189, 192; 34, 337, 339; NJW 1997, 3447, 3448; Staud/Singer Rn 28) und Registereintragungen (BGH 47, 190, 195; 59, 205, 208; zum Grundbuch vgl Rn 36). Zur Auslegung eines Urteilstenors sind Tatbestand und Entscheidungsgründe heranzuziehen (BGH 2, 164, 170; 5, 189, 192); bei Divergenz gebührt dem Tenor idR der Vorzug (BGH NJW 1997, 3447, 3448; Celle OLG 1979, 194, 196).

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c) Öffentliches Recht. Für die Auslegung eines öffentlich-rechtl Vertrags ist § 133 schon nach § 62 S 2 VwVfG anzuwenden. Die Grundsätze des § 133 gelten aber auch sowohl für Erklärungen des Bürgers (BVerwG DVBl 1963, 894; NJW 1990, 1926, 1928; BFH WM 1982, 1138, 1139) als auch für die der Behörde (BVerwG 12, 87, 91; NJW 1976, 304). Bei der Erklärung eines rechtsunerfahrenen Bürgers hat die Behörde ohne Formalismus das Gewollte zu ermitteln (BVerwG DVBl 1963, 894). Verbleiben bei der Erklärung einer Behörde trotz der Auslegung Unklarheiten, müssen diese zulasten der Verwaltung gehen (BVerwG 41, 305, 306).

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3. Abgrenzungen. § 157 behandelt nach seinem Wortlaut die Auslegung von Verträgen, § 133 die Auslegung von Willenserklärungen. Daraus folgt jedoch kein materieller Unterschied. Vielmehr sind Treu und Glauben sowie die Verkehrssitte auch für § 133 von Bedeutung (RG 169, 122, 124; BGH 21, 319, 328). § 133 und § 157 ergänzen sich (Flume § 16, 3a). § 133 will die Ermittlung des Willens des Erklärenden ermöglichen; § 157 behandelt die Zusammenfassung und Anpassung der Erklärungen und ermöglicht eine Lückenausfüllung durch erg Auslegung (vgl Rn 20ff).

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§ 242 regelt nach seinem Wortlaut, wie der Schuldner leisten soll. Dieses rechtliche Sollen kann erst bestimmt werden, wenn zuvor die Frage nach dem rechtlichen Wollen beantwortet ist, das durch Auslegung zu ermitteln ist. § 242 greift danach erst nach § 133 und § 157 ein (vgl BGH 16, 4, 8); gleichwohl ist allg anerkannt, dass der in § 242 enthaltene Grundsatz von Treu und Glauben das ganze Privatrecht beherrscht, also auch bei der Auslegung zu berücksichtigen ist (vgl § 157 Rn 3).

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§ 139 ist eine Auslegungsregel. Danach ist bei Nichtigkeit eines Teils des Rechtsgeschäfts das ganze Rechtsgeschäft nichtig, „wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde“. Zunächst ist also durch Auslegung (§§ 133, 157) zu ermitteln, ob die Parteien für den Fall der Teilnichtigkeit eine Regelung getroffen haben. Führt diese Auslegung zu einem positiven Ergebnis, bleibt kein Raum für § 139. Nur wenn die Auslegung nicht weiterhilft, greift § 139 ein.

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§ 140 sieht die Umdeutung eines nichtigen Rechtsgeschäfts vor, „wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde“. Maßgebend ist der hypothetische Wil308

A. Arnold

Willenserklärung

§ 133

le der Parteien, der durch erg Auslegung (Rn 20ff) zu ermitteln ist. Die Auslegung nach § 133 stellt dagegen zunächst auf den wirklichen Willen ab. Spezialvorschriften gibt es für die Auslegung von Testamenten (§ 2084) und von AGB (§ 305c II). 10 Führt in diesem Fällen die Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis, ist beim Testament im Zweifel diejenige Auslegung vorzuziehen, bei der die Verfügung Erfolg haben kann. Zweifel bei der Auslegung von AGB gehen zulasten des Verwenders. 4. Gegenstand der Auslegung. Nach § 133 ist die Willenserklärung Gegenstand der Auslegung. Die- 11 se muss aber schon vorher ansetzen. Aus dem Verhalten eines Menschen ist zunächst zu ermitteln, ob es sich dabei um eine Willenserklärung handelt. Das ist wichtig für die Frage, ob zB ein Nichtstun (Schweigen) als Willenserklärung oder ob ein Tun als rechtsgeschäftliches oder außerrechtliches zu qualifizieren ist (BGH 21, 102, 106f; 91, 324, 330; 109, 171, 177; NJW 1984, 721; 1994, 188, 189; 1996, 2574, 2575; Jauernig/Jauernig Rn 1). Erst wenn nach dem Ergebnis der Auslegung die Existenz einer Willenserklärung feststeht, folgt als nächster Schritt die Ermittlung des Inhalts dieser Willenserklärung. In der Praxis lassen sich die Prüfung der Existenz und die des Inhalts der Willenserklärung allerdings meist nicht scharf voneinander trennen. Zwar unterliegen nur auslegungsbedürftige Willenserklärungen der Auslegung. Jedoch ist im 12 Grunde jede Willenserklärung auslegungsbedürftig, da stets der mit ihr verbundene Sinn ermittelt werden muss. Die Ansicht, bei absoluter Eindeutigkeit der Erklärung sei kein Raum für die Auslegung (so etwa BGH NJW 1996, 2648, 2650; Pal/Ellenberger Rn 6), ist abzulehnen (Staud/Singer Rn 9; MüKo/Busche Rn 50; Soergel/Hefermehl Rn 27; s auch BGH NJW 2002, 1260, 1261; NJW-RR 1996, 1458; BAG NJW 2005, 1144, 1145; ferner BayObLG NJW-RR 1997, 329f). Ob eine Erklärung eindeutig ist, kann nur durch Auslegung ermittelt werden. Auch bei einem eindeutigen Wortlaut können Umstände vorliegen, die der Erklärung einen anderen als den Wortsinn geben. Nur auslegungsfähige Willenserklärungen sollen der Auslegung zugänglich sein. Damit sollen 13 mehrdeutige, widersprüchliche und unverständliche Erklärungen von einer Auslegung ausgeschlossen sein (RG 59, 217, 219; JW 1910, 801). Auch dem ist nicht zu folgen (BGH 20, 109, 110f; MüKo/Busche Rn 49; Staud/Singer Rn 10; Jauernig/Jauernig Rn 2). Hinter einem widersprüchlichen Wortlaut muss nicht auch ein widersprüchlicher Sinn stecken. So kann sich aus den Umständen ergeben, dass trotz widersprüchlichen Wortlauts ein eindeutiger Sinn vorhanden ist (BGH 20, 109, 110; NJW 2005, 2618, 2619). Ob tatsächlich ein widersprüchlicher Sinn vorliegt, muss durch Auslegung ermittelt werden. Erst wenn diese ergibt, dass der Sinn unverständlich bleibt, entfaltet die Willenserklärung keine Rechtsfolgen. 5. Arten der Auslegung. a) Einfache (erläuternde) Auslegung. Dabei geht es um die Ermittlung des 14 rechtlich maßgebenden Sinns der Willenserklärung. Aufgabe der Auslegung ist es, die richtige Entscheidung zu finden im Streit zw dem Interesse des Erklärenden, nur nach Maßgabe seines subjektiven Willens gebunden zu sein, und dem Interesse des Erklärungsempfängers, den Erklärenden an den ersichtlichen, objektiven Gehalt der Erklärung zu binden. Stellt man nur auf die Interessen des Erklärenden ab, ermittelt man dessen wirklichen Willen; stellt man dagegen auf die Interessen des Erklärungsempfängers ab, ermittelt man einen normativen Willen, der nicht mit dem wirklichen Willen des Erklärenden übereinzustimmen braucht. Dementsprechend kann man im ersten Fall von einer natürlichen, im Zweiten von einer normativen Auslegung sprechen (Pal/Ellenberger Rn 7, vgl auch Staud/Singer Rn 11, der statt natürlicher von „empirischer“ Auslegung spricht). aa) Natürliche Auslegung. Es wird der wirkliche Wille des Erklärenden festgestellt (vgl § 133). Da- 15 mit wird nur den Erfolgsinteressen des Erklärenden Rechnung getragen, während die Interessen des Erklärungsempfängers (Schutz seines Vertrauens auf das Erklärte) unberücksichtigt bleiben. Das ist dann berechtigt, wenn außer dem Erklärenden keine Person vorhanden ist, deren Interessen geschützt werden müssten, oder wenn zwar generell eine andere Person (der Erklärungsempfänger) zu schützen ist, diese aber im Einzelfall ausnahmsweise nicht schutzbedürftig bzw nicht schutzwürdig ist. Es gibt Rechtsgeschäfte, bei denen immer nur die Interessen des Erklärenden auf dem Spiel ste- 16 hen. Hauptbeispiel ist das Testament. Hier gibt es keine Person, die geschützt werden muss. Auch der im Testament Bedachte (Erbe, Vermächtnisnehmer) ist in seinem Vertrauen auf das im Testament Erklärte nicht schutzwürdig. Er ist nicht Erklärungsempfänger; er erwirbt unentgeltlich, da er keine Gegenleistung erbringt, und zwar auch dann nicht, wenn er etwa mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert ist. Deshalb ist bei der Testamentsauslegung nur auf die Interessen des Erklärenden abzustellen und dessen wirklicher Wille zu ermitteln, gleichgültig, ob dieser im Wortlaut des Testaments zum Ausdruck kommt oder nicht (BGH 86, 41, 46; NJW-RR 2009, 1455, 1457; BayObLG NJW-RR 1997, 327, 328; Soergel/Hefermehl Rn 11). Allerdings soll nach der Rspr im Hinblick auf die Formbedürftigkeit von Testamenten der so ermittelte wirkliche Wille nur berücksichtigungsfähig sein, wenn er im Testament wenigstens einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat (sog Andeutungstheorie, s nur BGH 80, 246, 248; 86, 41, 47; NJWE-FER 1997, 252; ferner § 125 Rn 28). Bei den meisten Rechtsgeschäften kommt es außer auf die Interessen des Erklärenden auf die Inte- 17 ressen des Erklärungsempfängers an. Die empfangsbedürftigen Willenserklärungen berühren auch die Interessen des Empfängers, da dieser in der Lage sein muss, sich auf die durch die Erklärung geschaffene Rechtslage einzustellen. Deshalb ist er regelmäßig in seinem Vertrauen auf das Erklärte zu schützen (Rn 19).

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§ 133

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

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Der Erklärungsempfänger ist aber dann nicht schutzbedürftig, wenn er trotz der vom Willen des Erklärenden abw Erklärung richtig erkennt, was der Erklärende gewollt hat (BGH 71, 243, 247; NJW 1984, 721; NJW-RR 1987, 1284; MüKo/Busche Rn 14; Pal/Ellenberger Rn 8; Larenz/Wolf AT § 28 Rn 29). Dabei spielt es keine Rolle, ob der Erklärende bewusst oder irrtümlich einen Wortlaut gewählt hat, der seinem wirklichen Willen nicht entspricht. Wenn der Erklärungsempfänger weiß, was der Erklärende will, vertraut er nicht auf das Erklärte, so dass trotz seiner grds Schutzbedürftigkeit entgegen dem Wortlaut das vom Erklärenden Gewollte gelten kann. Der übereinstimmende Wille von Vertragsparteien geht danach sowohl einem völlig eindeutigen Wortlaut als auch jeder anderen möglichen Interpretation vor. Hauptbeispiel ist der Fall der irrtümlichen oder absichtlichen Falschbezeichnung (falsa demonstratio, RG 99, 147, 148; BGH 71, 243, 247; 87, 150, 152; NJW 2008, 1658, 1659; Staud/Singer Rn 13f). Diese Grundsätze gelten auch für formgebundene Geschäfte: Sie dürfen gleichfalls nicht in einem anderen als dem von den Parteien übereinstimmend gewollten Sinne ausgelegt werden (BGH 74, 116, 119; 87, 150, 153; NJW 1988, 265; 2008, 1658, 1659); das gilt auch für die Auflassung als Grundlage einer Grundbucheintragung (BGH NJW 2002, 1038, 1039). Die Grundsätze der falsa demonstratio sind ferner auch auf In-sich-Geschäfte anwendbar (BGH LM § 166 Nr 5; NJW 1991, 1730, 1731). Mangels eines feststellbar übereinstimmenden Parteiwillens kann auf einseitige Vorstellungen einer Partei abzustellen sein, wenn der Erklärungsempfänger den wirklichen Willen des Erklärenden erkennt und in dieser Kenntnis den Vertrag abschließt; nicht erforderlich ist, dass er sich den erkannten Willen des anderen auch zu eigen macht (BGH NJW-RR 1989, 931; NJW 1997, 1778, 1779; 1998, 3196).

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bb) Normative Auslegung. Hier wird nicht der wirkliche Wille des Erklärenden, sondern die objektive Bedeutung der Erklärung ermittelt. Grund für diese Auslegung ist es, den Interessen des Erklärungsempfängers gerecht zu werden. Dieser muss zwar auch die Erklärung auslegen, um den wirklichen Willen des Erklärenden zu ermitteln; er hat dabei alles zur Auslegung geeignete Material (zB die Vorkorrespondenz) heranzuziehen. Gelangt der Empfänger i Erg trotzdem zu einem anderen als dem wirklichen Willen des Erklärenden, so ist es interessengerecht, dem Vertrauensschutz des Empfängers den Vorrang vor den Erfolgsinteressen des Erklärenden zu geben, zumal dieser den Fehler bei der Erklärung verursacht hat. Deshalb gilt nicht das vom Erklärenden wirklich Gewollte, sondern ausschließlich das, was der Empfänger aufgrund der Erklärung als das vom Erklärenden Gewollte ansehen kann. Demnach ist für die normative Auslegung entscheidend, wie die Erklärung bei der dem Erklärungsempfänger zumutbaren Sorgfalt zu verstehen ist (Auslegung nach dem Empfängerhorizont, RG 119, 21, 25; BGH 36, 30, 33; 47, 75, 78; 103, 275, 280; NJW-RR 1997, 669; Pal/Ellenberger Rn 9; Soergel/Hefermehl Rn 14; Staud/Singer Rn 18ff). Maßgeblich sind nur solche Umstände, die dem Erklärungsempfänger bekannt oder zumindest für ihn erkennbar waren (BGH NJW 2006, 3777, 3778). Dies bedeutet freilich auch, dass der Erklärungsempfänger gehalten ist, unter Berücksichtigung aller für ihn erkennbaren Umstände zu ermitteln, in welchem Sinn die Erklärung gemeint ist (BAG NJW 2006, 2284, 2286; Pal/Ellenberger Rn 9).

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b) Ergänzende Auslegung. Sie bedeutet die Ergänzung des lückenhaften Rechtsgeschäfts. Ergänzt werden kann sowohl ein Vertrag als auch ein einseitiges Rechtsgeschäft (zB Testament, vgl etwa BayObLG NJW 1988, 2744; NJW-RR 1997, 1438). Die erg Auslegung des Vertrags setzt erst ein, nachdem durch natürliche oder normative Auslegung der einzelnen Willenserklärung ein Vertragsschluss bejaht worden ist. Die erg Auslegung darf allerdings weder zu einer Erweiterung des Vertragsgegenstandes führen (BGH 9, 273, 278; 40, 91, 103; NJW 1982, 2190, 2191) noch in sonstiger Weise von der erkennbaren Gestaltung der vertraglichen Beziehungen durch die Parteien abweichen. Der geäußerte Wille der Parteien ist stets zu respektieren; er ist bei der erg Auslegung konsequent weiterzudenken (BGH NJW 1995, 1212, 1213; Medicus AT Rn 343).

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Die erg Auslegung setzt eine Lücke im Rechtsgeschäft = planwidrige Unvollständigkeit voraus (BGH 40, 91, 103; 77, 301, 304; NJW 2002, 1261, 1262; NJW-RR 2007, 687, 690). Ob das der Fall ist, muss durch Auslegung des Rechtsgeschäfts ermittelt werden. Sie darf jedoch nicht bei der Ermittlung des Geschäftswillens stehen bleiben; sie muss darüber hinaus die Motive und Umstände erforschen, die zu dem Geschäftswillen geführt haben. Eine Lücke liegt dann vor, wenn das Rechtsgeschäft eine Regelung nicht enthält, die notwendig ist, um den ihm zu Grunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre (BGH NJW 2001, 600, 602; NJW-RR 2005, 205, 206; 2007, 687, 690). Eine Lücke liegt nicht vor, wenn die Regelung nach dem Willen der Parteien abschließend sein sollte (BGH 2, 379, 385; Pal/Ellenberger § 157 Rn 8). Keine Rolle spielt es, ob die Lücke von Anfang an bestand oder erst später entstand (BGH 84, 1, 7; NJW-RR 2008, 562, 563).

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Eine erg Auslegung kommt nur dann in Betracht, wenn die Lücke nicht durch Anwendung des dispostiven Gesetzesrechts geschlossen werden kann (BGH 40, 91, 103; 77, 301, 304; NJW 1982, 2190, 2191; AnwK-BGB/Looschelders § 157 Rn 20). Für die erg Vertragsauslegung ist daher nur Raum, wenn das dispostive Gesetzesrecht keine oder keine interessengerechte Lösung für das Problem enthält (Pal/Ellenberger Rn 6) oder der Rückgriff auf das dispositive Gesetzesrecht dem mutmaßlichen Parteiwillen widerspricht (BGH NJW 1975, 1116, 1117; NJW-RR 1990, 817, 818f).

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Für die Schließung der regelungsbedürftigen Lücke ist bei einem Vertrag zu ermitteln, was beide Parteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen gewollt hätten, wenn sie den nicht bedachten Umstand berücksichtigt und hierbei die Gebote von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte beachtet hätten (BGH 9, 273, 278f; NJW 2002, 2310, 2311; NJW 2006, 54, 55; NJW-RR 2008, 562, 563; § 157 Rn 20ff). Entscheidend ist also nicht der wirkliche, sondern der hypothetische Wille beider Vertragsparteien. Zur Ermittlung dieses Willens ist von den im Vertrag getroffenen Wertungen der Parteien 310

A. Arnold

Willenserklärung

§ 133

auszugehen (BGH NJW 2002, 2310, 2311; NJW-RR 2005, 1421, 1422). Ausnahmsweise ausgeschlossen ist die erg Auslegung, wenn die Lücke auf verschiedene Weisen geschlossen werden kann und keine Anhaltspunkte bestehen, welche Alternative die Parteien gewählt hätten (BGH 62, 83, 89f; NJW-RR 2005, 1619, 1621; AnwK-BGB/Looschelders Rn 26). 6. Einzelheiten zur Auslegung. a) Maßgeblichkeit des Wortlauts und der Begleitumstände. Für die 24 Auslegung der Willenserklärung ist letztlich das Gesamtverhalten des Erklärenden maßgeblich (MüKo/Busche Rn 48). Den Ausgangspunkt bildet dabei der Wortlaut der Erklärung (BGH 124, 39, 44f; NJW 1998, 900, 901; 2001, 144; BAG NJW 2010, 394, 396). Diese wird regelmäßig im üblichen Wortsinn zu verstehen sein (BGH 121, 14, 16; München NJW-RR 1996, 239). Jedoch warnt § 133 selbst vor einer Überschätzung des Wortlauts; es hat keine „Buchstabeninterpretation“ zu erfolgen (BAG NJW 2010, 394, 396; Pal/Ellenberger Rn 14). Spracheigentümlichkeiten des Erklärenden, insb mangelnde Beherrschung von Fachterminologie bei Laien, sind zu berücksichtigen (BGH NJW-RR 1996, 1044). Auch die Verwendung juristischer Fachausdrücke zwingt nicht zu der Annahme eines entspr präzisierten Willens, insb nicht bei der Erklärung eines juristischen Laien (vgl RG 89, 398, 400 – Rücktritt als Kündigung; BAG NJW 1998, 3515, 3516f – kein Ausschluss des außerordentlichen Kündigungsrechts durch Vereinbarung eines Kündigungsrechts aus bestimmten, als wichtig bezeichneten Gründen; vgl aber auch LAG Köln NZA 1996, 319 – Bezeichnung eines Vertrags als „Arbeitsvertrag“ als bindend). Die Auslegung hat nicht beim Wortlaut der Erklärung stehenzubleiben. Vielmehr sind auch die 25 Begleitumstände zu berücksichtigen (BGH NJW-RR 2000, 1002, 1003; MüKo/Busche Rn 48). Das gilt auch für die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen, soweit der Erklärungsempfänger die Umstände kannte oder erkennen konnte (BGH NJW 2006, 3777, 3778; Pal/Ellenberger Rn 15). In Betracht kommen alle, auch außerhalb der Erklärung liegenden Umstände wie Äußerungen ggü anderen Personen, Prospekte, Inhalt der Vertragsverhandlungen (BGH 86, 41, 47; NJW 2002, 1260, 1261; 2004, 2232, 2233), Entwürfe, die Entstehungsgeschichte insgesamt (BGH NJW 1987, 2437, 2438; 1999, 3191) sowie dem Vertragsschluss nachfolgendes Verhalten von Beteiligten, soweit es Rückschlüsse auf den wirklichen Vertragswillen erlaubt (BGH NJW 2005, 3205, 3207; NJW-RR 1997, 238; 1998, 259). b) Zweck. Der Zweck des Geschäfts ist für die Auslegung von besonderer Bedeutung (BGH 2, 379, 26 385; 109, 19, 22; NJW 2007, 2320, 2322). Es ist von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass die Vertragsparteien auch bei einem unzulänglichen oder widerspruchsvollen Wortlaut mit dem Vertragsabschluss einen bestimmten wirtschaftlichen Zweck ins Auge gefasst und verfolgt haben (BGH 20, 109, 110). c) Interessenlage. Die Interessen der Beteiligten sind als Motive der Erklärung von besonderer Be- 27 deutung zur Aufklärung von Zweifelsfragen (BGH 21, 319, 328; 109, 19, 22). Auch Treu und Glauben erfordern die Berücksichtigung der von den Beteiligten mit der Erklärung verfolgten billigenswerten Interessen als Abgrenzungsmerkmal. Verträge sind deshalb beiderseits interessengerecht auszulegen (BGH 131, 136, 138; 146, 280, 284; NJW 1994, 2228, 2229; 2002, 747, 748). Bestehen mehrere Möglichkeiten der Auslegung, so ist derjenigen der Vorrang einzuräumen, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragsparteien gerecht werdenden Ergebnis führt (BGH NJW-RR 2006, 237, 238). Abzustellen ist dabei auf den Einfluss, den das Interesse beider Seiten auf den objektiven Erklärungswert ihrer Äußerungen hatte (BGH NJW 1998, 3268, 3269f; 2001, 1928f; NJW-RR 2010, 773, 774). Maßgebend ist die Interessenlage bei Abgabe der auszulegenden Willenserklärung, nicht die Interessenlage bei der späteren richterlichen Entscheidung (BGH NJW 1998, 3268, 3269f; 2001, 1928f). d) Verkehrssitte. Die Verkehrssitte (§ 157 Rn 8ff) ist auch im Rahmen des § 133 bedeutsam. Dabei 28 kann es sich um einen allg, aber auch um einen örtlich (betrieblich) begrenzten Brauch der beteiligten Kreise handeln. Erforderlich für die Annahme einer Verkehrssitte ist es allerdings, dass diese bei den beteiligten Verkehrskreisen Zustimmung gefunden und während eines längeren Zeitraums bestanden hat (BGH NJW 1952, 257; 1990, 1723, 1724). Bei Kaufleuten sind die Handelsbräuche zu beachten (vgl § 346 HGB), beim Börsenhandel die dortigen Bräuche (vgl RG JW 1922, 707; BGH 28, 259, 264). Verkehrssitten sind bei der Auslegung nicht zu berücksichtigen, wenn ein entgegenstehender Wille der Parteien erkennbar ist (RG 114, 9, 12). Dagegen spielt es keine Rolle, dass eine Partei die Verkehrssitte nicht kannte (vgl Frankfurt NJW-RR 1986, 911, 912). e) Gesetzeskonforme Auslegung. Willenserklärungen sind möglichst gesetzeskonform auszulegen. 29 Der Erklärende will im Zweifel im eigenen wohlverstandenen Interesse den angestrebten rechtlichen Erfolg mit rechtswirksamen Mitteln herbeiführen. Dem entspricht nur eine Auslegung, die zwingend vorgegebenen rechtlichen Möglichkeiten Rechnung trägt (BGH NJW 2003, 819, 820; 2004, 1240; BAG ZIP 1996, 1912, 1913). Allerdings müssen bei diesem Ansatz die Grenzen der (erg) Auslegung beachtet werden. Nicht jeder Konflikt einer Willenserklärung mit zwingenden rechtlichen Vorgaben lässt sich mit Hilfe der (erg) Auslegung ausräumen (vgl Tiedtke ZIP 1987, 1089, 1092). f) Vernünftige Auslegung. Zu berücksichtigen sind auch der Regelungszusammenhang, die Syste- 30 matik, die Grundtendenzen sowie das Gesamtbild eines Vertrags und/oder sonstiger Vertrags- oder Geschäftsbeziehungen zw den Beteiligten. Komplexe Regelungen – etwa eines Bauvertrags – sind als sinnvolles Ganzes auszulegen (BGH NJW 1999, 2432, 2433; 2005, 2618, 2619). Im Zweifel ist davon auszugehen, dass die Parteien das Vernünftige gewollt haben (BGH 79, 16, 18; NJW-RR 2003, 1136). g) Sonderregeln für formgebundene Rechtsgeschäfte? Die vorstehenden Grundsätze gelten auch 31 für die Auslegung formgebundener Erklärungen; eine Andeutung in der Urkunde ist nicht erforder-

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§ 133

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

lich (gegen die Andeutungstheorie: § 125 Rn 28; vgl zur Auslegung formgebundener Erklärungen auch oben Rn 3). 32

7. Besondere Auslegungsregeln. Das Gesetz hält für Einzelfälle besondere Auslegungsregeln bereit. Ihr Zweck kann ua darin liegen, ein bestimmtes Auslegungsergebnis zu erreichen, wenn die Erklärung von den Beteiligten in verschiedener Bedeutung gemeint und verstanden war und keine dieser Bedeutungen sich zweifelsfrei als maßgebende erkennen lässt (sog materiale Auslegungsregeln; Larenz/Wolf AT § 28 Rn 99ff). Bsp: §§ 186ff; 311c; 364 II.

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a) Normenverträge. Tarifverträge gelten nicht nur für die Vertragsparteien, sondern hins ihres normativen Teils für eine große Zahl von Personen. Deshalb sollen insoweit die Regeln über die Gesetzesauslegung Anwendung finden (BAG NJW 1961, 1837; NZA 1989, 351, 352). Jedenfalls ist bei einer Auslegung vom Empfängerhorizont aus darauf abzustellen, wie jeder beliebige Normadressat das Erklärte verstehen musste (MüKo/Busche Rn 38), so dass idR solche Verträge aus sich selbst heraus auszulegen sind (BAG AP Nr 121, 124 zu § 1 TVG Auslegung). Eine erg Auslegung von Tarifverträgen bei zwischenzeitlich geänderten Umständen kommt im Regelfall nicht in Betracht; denn die Anpassung der Tarifregelungen an die veränderten Umstände ist grds Sache der Tarifpartner (BAG DB 1967, 820; 1982, 608). Die gleichen Grundsätze gelten für die Auslegung des normativen Teils von Betriebsvereinbarungen (ErfK/Kania § 77 BetrVG Rn 31; Pal/Ellenberger Rn 28).

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b) Vereins- und Gesellschaftsrecht. Die körperschaftlichen (materiellen) Regelungen in Satzungen von Vereinen (BGH 47, 173, 180; 96, 245, 250) und Aktiengesellschaften (BGH 123, 347, 350; KK-AktG/ Arnold § 23 Rn 20 mwN) sowie in GmbH-Gesellschaftsverträgen (s nur Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, GmbhG, § 2 Rn 29 mwN) sind objektiv auszulegen: Maßgeblich sind damit Wortlaut, systematische Stellung und Zweck der fraglichen Bestimmung (BGH 96, 247, 259; 123, 347, 350). Daneben können auch Unterlagen, die zum Handels- oder Vereinsregister eingereicht wurden und damit der Allgemeinheit zugänglich sind, für die Auslegung herangezogen werden (BGH 116, 359, 366; skeptisch Grunewald ZGR 1995, 68, 84). Dagegen können außerhalb der Satzung liegende Umstände nur berücksichtigt werden, wenn ihre Kenntnis allg vorausgesetzt werden kann (BGH 63, 282, 290; 123, 357, 350). Der Wille der Gründer ist also grds irrelevant. Diese Grundsätze gelten allerdings nicht für lediglich formelle Satzungsbestimmungen (s eingehend KK-AktG/Arnold § 23 Rn 19). Objektiv auszulegen sind auch die Gesellschaftsverträge von Publikumspersonengesellschaften (BGH NJW-RR 2005, 1347, 1348; 2008, 419, 420).

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c) Wertpapierrecht. Bei Wechseln und anderen Umlaufpapieren muss der Erwerber sich regelmäßig auf den Inhalt der Urkunde verlassen können; nur ausnahmsweise dürfen bei der Auslegung Umstände außerhalb der Urkunde herangezogen werden, wenn sie dem Erwerber mutmaßlich bekannt sind oder von ihm ohne Schwierigkeit erkannt werden können (BGH 21, 155, 162; 64, 11, 14).

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d) Grundbuchverkehr. Für Grundbucherklärungen gelten nach hM wegen des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs einschränkende Grundsätze. Die Eintragung selbst ist einer Auslegung nur zugänglich, soweit sie unklar oder widersprüchlich ist (BGH 123, 297, 301f; NJW-RR 1998, 158). Zur Auslegung dürfen neben der Eintragung selbst nur die offenkundigen und die aus den Eintragungsunterlagen, insb aus der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung ersichtlichen Umstände herangezogen werden; die außerhalb dieser Urkunden liegenden Umstände dürfen nur berücksichtigt werden, wenn sie für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGH 47, 190, 196; 59, 205, 209; 92, 351, 355; 113, 374, 378). Für die Auslegung von Vollmachten zur Abgabe von Grundbucherklärungen gelten die für diese Erklärungen selbst aufgestellten Grundsätze entspr (BayObLG NJW-RR 1995, 209, 210; 1998, 737, 738).

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e) Zur Auslegung von AGB und Formularverträgen § 157 Rn 26; § 305c Rn 19ff; § 306 Rn 13f. f) Unterlassungsverpflichtungen. Die Auslegung von Unterlassungsverträgen richtet sich nach den allg Grundsätzen der Vertragsauslegung (BGH 121, 13, 16; NJW 1997, 3087). Auf die Grundsätze zur Auslegung eines Unterlassungstitels ist hingegen nicht zurückzugreifen (BGH NJW-RR 1991, 1318, 1319). Der Zweck des Unterlassungsvertrags, nach einer Verletzungshandlung eine Wiederholungsgefahr durch eine vertragsstrafenbewehrte Unterlassungserklärung auszuräumen, spricht vielfach für eine Auslegung des Vertrags, durch die auch gleichartige Verletzungsformen erfasst werden (BGH NJW 1996, 723, 724; NJW 1997, 3087f).

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8. Auslegung im Rechtsstreit. a) Allgemeines. Die Auslegung der Willenserklärung ist rechtliche Würdigung (BGH NJW 1984, 721) und im Prozess von Amts wegen vorzunehmen (RG 131, 343, 350). Der Richter ist insoweit an das Vorbringen der Parteien nicht gebunden (RG LZ 1930, 513); die Prozesspartei hat keine Behauptungs- und Beweislast für eine bestimmte Auslegung (RG Recht 1931 Nr 840), sondern nur für die von ihr geltend gemachten auslegungsrelevanten tatsächlichen Umstände (Rn 39). Bei widersprüchlich erscheinenden Willenserklärungen muss der Richter zu ergründen versuchen, welche Überlegungen und Vorstellungen ihnen zugrunde lagen (BGH NJW 1986, 1035).

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Behauptet eine Partei einen für die Auslegung relevanten Umstand (zB ein vor Vertragsschluss geführtes Telefongespräch, einen übereinstimmenden Parteiwillen, eine Verkehrssitte) und wird dieser vom Gegner bestr, so hat sie dafür die Beweislast (BGH 20, 109, 111); denn es handelt sich um eine Tatsachenbehauptung. Ist die Existenz einer Urkunde unstr oder zur Überzeugung des Gerichts bewiesen und bringt der Urkundentext nach Wortlaut und innerem Zusammenhang unter Berücksichtigung der Verkehrssitte einen bestimmten Geschäftsinhalt zum Ausdruck, so greift die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Urkunde ein (BGH NJW 2002, 3164, 3165; s auch § 125 Rn 29); wer also – gestützt auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände – behauptet, dass die Urkunde das Geschäft unrichtig darstelle oder eine Nebenabrede nicht enthalte, ist für diese Umstände beweis312

A. Arnold

Willenserklärung

§ 134

pflichtig (BGH NJW 1999, 1702f; NJW 2002, 3164, 3165). Das gilt auch für den, der eine Abweichung von einer gesetzlichen Auslegungsregel vorbringt. b) Besonderheiten in der Revisionsinstanz. Für die Nachprüfung in der Revisionsinstanz gilt auch 40 hier die Unterscheidung zw nicht revisiblen Tatsachenfeststellungen und revisiblen Rechtsausführungen. Danach ist die Auslegung als rechtliche Würdigung überprüfbar. Sofern es sich um eine individuelle, nichttypische Erklärung handelt, wird vom Revisionsgericht aber nur geprüft, ob (gesetzlich oder allg anerkannte) Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind (RG 131, 347, 350; BGH NJW 1992, 1967, 1968; 2001, 1859, 1861; 2010, 64, 65; BAG NZA 2003, 149, 153; NJW 2006, 1832, 1833; 2007, 250, 253). Zu den Erfahrungssätzen wird auch ein allg Sprachgebrauch gerechnet (RG 105, 417, 419). Überprüfbar ist ebenfalls, ob der Tatrichter das wesentliche Auslegungsmaterial berücksichtigt hat (BAG AP Nr 2; BGH NJW 1995, 45, 46; NJW 1998, 3268, 3269f; 2010, 2648). Wenn das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler zu einem bestimmten Auslegungsergebnis gekommen ist, darf das Revisionsgericht kein anderes Ergebnis an dessen Stelle setzen (BGH NZM 1998, 196, 197). Falls der Tatsachenrichter in einer Auslegungsfrage fehlerhaft rechtlich gewertet oder eine abgegebene Erklärung überhaupt nicht ausgelegt hat, kann das Revisionsgericht die Auslegung selbst vornehmen, wenn die Feststellung weiterer Umstände sowie von Erfahrungswissen oder Verkehrssitten durch die Tatsacheninstanz nicht mehr in Betracht kommt (BGH 65, 107, 112; NJW 1974, 1082; 1997, 652); ansonsten ist der Rechtsstreit an den Tatrichter zurückzuverweisen. Das gilt auch für die erg Vertragsauslegung (BGH NJW 1998, 1219f). Bei einer typischen Erklärung (zB AGB, Formularabrede, Vordruck, im Geschäftsverkehr häufig 41 verwendete Klausel) soll dagegen im Interesse der Rechtssicherheit eine uneingeschränkte Überprüfung erfolgen, wenn die Klausel nicht nur im Bezirk eines OLG (vgl § 549 I ZPO) verwandt wird (BGH 62, 251, 254; 105, 24, 27; NJW 2001, 1270, 1271; 2009, 2054, 2055; BAG NZA 2000, 771, 772; NZA-RR 2005, 672). Ebenso ist bei Satzungen jur Pers eine vollständige Überprüfung möglich (BGH 14, 25, 36; NJW 1994, 184, 185).

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Gesetzliches Verbot Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung a) Spezialvorschriften . . . . . . . . . . . . b) Personenbezogene Einschränkungen der Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . c) Relative Veräußerungsverbote . . . . . . d) Öffentlich-rechtliche Genehmigung . . . e) Öffentliches Recht . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen a) Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . b) Verbotsnorm aa) Verbotsgesetz . . . . . . . . . . . . . bb) Verbot . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Objektiver Verstoß . . . . . . . . . .

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4. Rechtsfolgen a) Rechtsgeschäft gültig . . . . . . . . . . . . b) Rechtsgeschäft nichtig . . . . . . . . . . . aa) Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Teil- und Gesamtnichtigkeit . . . . . cc) Nachträgliche Aufhebung des Verbots dd) Ungerechtfertigte Bereicherung . . . ee) Ersatz des negativen Interesses . . . . 5. Umgehungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . 6. Einzelbeispiele – Übersicht dort . . . . . . .

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1. Bedeutung. § 134 schränkt die Privatautonomie zum Schutze der Allgemeinheit ein (BGH 13, 1 182). In der Regelung schlägt sich das Prinzip nieder, dass es Vertragsfreiheit nur in den Grenzen der ihr vorgegebenen Rechtsordnung geben kann. Deshalb wird einem Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt – unabhängig vom Willen der Beteiligten (RG 111, 28; 131, 364; BGH 58, 235) – die Wirksamkeit versagt. Das gilt jedoch nur, „wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt“. 2. Abgrenzung. a) Spezialvorschriften, die ein Rechtsgeschäft ausdr als nichtig oder unwirksam be- 2 zeichnen (zB im BGB §§ 248 I, 306ff, 311b II und IV, 451, 723 III, 925 II, 1136, 1229, 2289 I S 2) oder eine andere Regelung treffen (zB § 1313ff), fallen nicht unter § 134. Auch der Ausschluss der Übertragbarkeit bestimmter Rechte (zB §§ 399, 400, 473, 719, 1059) wird von § 134 nicht erfasst. Dasselbe gilt, wenn die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts von der (privatrechtlichen) Zustimmung (Einwilligung/ Genehmigung) einer weiteren Person oder Stelle abhängt (Bsp: §§ 1365f). b) Personenbezogene Einschränkungen der Verfügungsbefugnis (zB §§ 21ff, 80 InsO; §§ 1984, 2211) 3 verbieten Rechtsgeschäfte nicht wegen ihres Inhalts, sondern entziehen die Rechtsmacht, sie vorzunehmen, so dass § 134 nicht eingreift. c) Relative Veräußerungsverbote (§§ 135f) bezwecken – im Gegensatz zum absoluten Veräuße- 4 rungsverbot – nicht den Schutz der Allgemeinheit, sondern den Schutz bestimmter Personen. Deshalb ist § 134 nicht anwendbar. d) Ist zur Gültigkeit des Rechtsgeschäfts eine öffentlich-rechtl Genehmigung erforderlich, so dient 5 dies zwar ebenfalls öffentlichen Interessen. Jedoch soll das Erfordernis der Genehmigung nicht – wie ein Verbotsgesetz oder zB das absolute Veräußerungsverbot – den Abschluss des Rechtsgeschäfts verhindern; vielmehr soll eine Überprüfung sichergestellt werden mit dem Ziel, zu klären, ob das Geschäft mit den Allgemeininteressen übereinstimmt. Deshalb ist zumindest das mehrseitige Geschäft H. Palm/A. Arnold

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§ 134

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

bis zur Entscheidung schwebend unwirksam (st Rspr, vgl BGH NJW 1995, 318, 320; zum einseitigen Rechtsgeschäft, etwa der von der Zustimmung des Betriebsrats abhängigen Kündigung, vgl Staud/ Sack Rn 167). Das gilt auch für einen kirchlichen Genehmigungsvorbehalt (BayObLG BB 1989, 2425). Erst bei bestandskräftiger Versagung der Genehmigung liegt ein der Regelungssituation des § 134 vergleichbarer Sachverhalt vor (Verbotsgesetz mit Genehmigungsvorbehalt); die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts folgt dann idR freilich nicht aus § 134, sondern aus dem Fehlen der Genehmigung als einer gesetzlichen Wirksamkeitsvoraussetzung. Auch ohne Bestandskraft soll nach BGH 127, 368 Nichtigkeit eintreten, wenn die oberste Genehmigungsbehörde förmlich bekanntmacht, dass Genehmigungen der betr Art generell versagt würden, deswegen sicher feststehe, dass die Genehmigung nicht mehr erteilt werde und an der Rechtmäßigkeit der Versagung keine Zweifel bestünden; krit dazu mit überzeugender Begr K. Schmidt NJW 1995, 2255. 6

e) Bei Handlungen jur Pers des öffentlichen Rechts, die ihren Wirkungskreis überschreiten, ist für § 134 kein Raum. Jedoch findet § 134 über § 59 I VwVfG auf öffentlich-rechtl Verträge Anwendung (vgl BVerwG DVBl 1960, 106f; NJW 1976, 686; Schenke JuS 1977, 288; Weides JuS 1978, 841, 847; str, vgl zB Bullinger DÖV 1977, 812, 815; Götz NJW 1976, 1425, 1430). Daneben gilt die Vorschrift auch für sonstige Erklärungen im öffentlichen Recht (vgl Einl § 104 Rn 38).

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3. Voraussetzungen. a) § 134 gilt für alle Rechtsgeschäfte. Darunter fallen Verträge aller Art, auch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen, Beschl von Vereinen oder Gesellschaften sowie einseitige Rechtsgeschäfte, etwa ein Testament oder eine Kündigung.

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b) Das Rechtsgeschäft muss gegen eine Verbotsnorm verstoßen. aa) Verbotsgesetz (zum Gesetzesbegriff Beater AcP 197, 505) kann jede Rechtsnorm (Art 2 EGBGB) sein; mithin werden nicht nur Gesetze, sondern auch Rechtsverordnungen und öffentlich-rechtl Satzungen – etwa von Selbstverwaltungskörperschaften – erfasst (Bsp: BGH NJW 1986, 2360; Hamm NJW 1985, 679, 681). Insb für Satzungen gilt dies freilich nur, soweit sie nach der Kompetenz des Satzungsgebers die Gültigkeit privater Rechtsgeschäfte wirksam regeln können; deshalb scheiden zB öffentlich-rechtl berufsständische Satzungen – etwa der Kammern – als Verbotsgesetze weitgehend aus (vgl auch Rn 50 „berufsständische Satzungen“; näher dazu Taupitz JZ 1994, 221ff). Erst recht kommen interne Regelungen der Verwaltung oder öffentlich-rechtl Anstalten oder Körperschaften nicht als Verbotsgesetze in Betracht (Bsp: LG Rostock OLG-NL 1999, 123 – Insiderregeln der Treuhandanstalt). Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen fallen in ihrem normativen Teil unter § 134 (vgl §§ 4 I TVG, 77 IV BetrVG; BAG 1, 348, 352; 4, 240, 250ff; BAG NJW 1999, 2541 – Tarifvertrag; BAG 3, 1, 4f – Betriebsvereinbarung). Auch ungeschriebene Verbote genügen; sie können aus dem Sinn einer geschriebenen Rechtsnorm folgen (BGH 51, 262), aber auch aus dem Gewohnheitsrecht, sofern es ein bestimmtes Rechtsgeschäft unmissverständlich verwirft (BGH NJW 2007, 2106, 2108). Vorschriften des Völkerrechts (vgl etwa Art 25 S 1 GG; MüKo/Armbrüster Rn 39) können ebenso wie das unmittelbar geltende Europäische Gemeinschaftsrecht (vgl näher Rn 56 „Europarecht“; § 138 Rn 106 „Europarecht“; Staud/Sack Rn 43–45 mwN; Hefermehl FS Nipperdey II, 1965, 793; Hauschka DB 1990, 874; Ulmer JZ 1992, 1; Veelken JuS 1993, 265) Verbotsnormen darstellen. Keine Verbotsgesetze sind privatrechtliche Satzungen, etwa von Vereinen oder sonstigen jur Pers des Privatrechts (Hamm NJW 1976, 331; Taupitz JZ 1994, 221, 223f; vgl auch Karlsruhe NJW 1978, 324). Da es sich um ein generelles Verbot handeln muss, genügt auch ein Verwaltungsakt nicht (Soergel/Hefermehl Rn 5).

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bb) Ob eine Rechtsnorm ein Verbot enthält, lässt sich nicht aus § 134 entnehmen, sondern ist durch Auslegung der einzelnen Rechtsvorschrift zu ermitteln (BGH 85, 39, 43). Anhaltspunkt kann der Wortlaut sein. So deuten idR Formulierungen wie „kann nicht“, „darf nicht“ auf eine Verbotsnorm hin, während „soll nicht“ regelmäßig kein Verbot bedeutet; jedoch ist stets zu prüfen, ob zB mit den Worten „kann nicht“ schon das Können, also die Rechtsmacht, eingeschränkt wird. Soweit eine Vorschrift abdingbar ist, handelt es sich nicht um ein Verbotsgesetz. Andererseits darf aus dem zwingenden Charakter einer Rechtsnorm nicht allg auf das Vorliegen eines Verbotsgesetzes geschlossen werden (Mayer-Maly FS Hefermehl, 1976, 103, 111). Ein Verbotsgesetz iSv § 134 kann auch vorliegen, wenn sich das Verbot nur an einen von mehreren Beteiligten eines Rechtsgeschäfts richtet (vgl Staud/Sack Rn 134 mwN). Zu den zeitlichen Grenzen einer Auslegung als Verbotsgesetz Medicus NJW 1995, 2578. In den meisten Fällen ist das Vorliegen eines Verbotsgesetzes verhältnismäßig leicht festzustellen. Viel schwieriger ist die – davon unabhängige – Frage zu beantworten, ob das Verbotsgesetz zur Nichtigkeit des dagegen verstoßenden Rechtsgeschäfts führt oder ob es die Gültigkeit des Geschäfts unberührt lässt. Diese beiden Fragen sind jedoch voneinander zu trennen. Aus dem Vorliegen eines Verbotsgesetzes folgt nämlich noch nicht in jedem Fall die Nichtigkeit des Geschäfts (vgl dazu Rn 11ff).

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cc) Ein objektiver Verstoß gegen das Verbotsgesetz reicht zur Anwendung des § 134 grds aus (st Rspr, vgl BGH 37, 363, 366; 122, 115, 122); auf die Kenntnis der Verbotswidrigkeit kommt es nicht an. Bei einem Verstoß gegen eine Strafvorschrift muss allerdings idR der Straftatbestand objektiv und subjektiv erfüllt sein (BGH NJW 1996, 1812; Flume § 17, 3); dies kann jedoch nicht gelten, wenn es – wie zB bei § 203 StGB – mit dem Schutzzweck des Gesetzes nicht vereinbar wäre, das Rechtsgeschäft mit seinen vertraglichen Pflichten wegen fehlenden Verschuldens gelten zu lassen (vgl Staud/Sack Rn 84f).

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4. Rechtsfolgen. a) Nicht jeder Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot führt zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. Nach § 134 ist ein Rechtsgeschäft wegen Gesetzesverstoßes nur dann nichtig, „wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt“. Ob trotz Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot das Rechtsgeschäft gültig ist, muss durch Auslegung der Verbotsnorm ermittelt werden. Dabei 314

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Willenserklärung

§ 134

ist entscheidend auf den Sinn und Zweck der Verbotsnorm abzustellen (vgl BGH 37, 258, 261 und 363, 365; 45, 322, 326; 53, 156; 65, 368, 370; 71, 361; 78, 263, 265; 85, 43; 88, 240, 242; 89, 369, 372; 93, 264, 267; 100, 230, 240; 115, 123, 125; 118, 142, 144; NJW 1996, 926, 928; 2000, 1186; Medicus AT Rn 646; Staud/ Sack Rn 57ff mwN). § 134 greift vor allem ein, wenn ein Rechtsgeschäft einen verbotenen Inhalt hat. Ein Verpflichtungsgeschäft wird deshalb regelmäßig gegen § 134 verstoßen, wenn seine Ausführung, also die geschuldete Handlung, dem gesetzlichen Verbot widerspräche. Richtet ein Verbotsgesetz sich hingegen nur gegen die Art und Weise des Abschlusses des Rechtsgeschäfts, so führt ein Verstoß im Zweifel (Ausnahme: Das Gesetz will Geschäfte, die unter solchen Umständen abgeschlossen werden, von vornherein und unabhängig von ihrem Inhalt verhindern; Bsp: Darlehensvertrag im Reisegewerbe, § 56 I Nr 6 GewO) nicht zur Nichtigkeit des Geschäfts (zB Verkauf nach gesetzlicher Ladenschlusszeit, etwa am Sonntag, RG 60, 276; Ausschank nach Polizeistunde, RG 103, 264; Verkauf rezeptpflichtiger Arznei ohne Rezept, BGH NJW 1968, 2286; Geschäfte aufgrund eines Verstoßes gegen § 1 UWG, BGH 110, 156, 175). Dasselbe gilt idR, wenn sich ein Verbotsgesetz – wie etwa bei Bankgeschäften ohne Erlaubnis nach §§ 32, 54 KWG – nur gegen einen Vertragspartner richtet (RG 100, 39, 40f; 170, 156; BGH 37, 258, 262; 46, 24, 26; 53, 152, 157; 71, 358, 360f; 78, 263, 271; 89, 373; 93, 264, 267; 115, 123, 125; 118, 142, 145; NJW 1968, 2286f; 1981, 1204, 1205; 1984, 230, 231; 1994, 728f; 2000, 1186), es sei denn, dass es mit Sinn und Zweck des Verbots nicht vereinbar wäre, die durch das Geschäft getroffene Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen (BGH 37, 258, 262; 46, 24, 26; 53, 156; 65, 368, 370; 71, 358, 360f; 78, 263, 265; 88, 240, 243; 93, 264, 267; 110, 235, 246; 115, 123, 125; 118, 142, 145; NJW 1992, 2108; 1992, 2560; 1996, 928; 2000, 1186). Danach ist ein Rechtsgeschäft grds wirksam, wenn die Handlung nur eines Vertragspartners unter Strafe gestellt ist. Allerdings kann sich auch hier aus Sinn und Zweck des Gesetzes, vor allem aus dem angestrebten Schutz des Vertragsgegners (BGH 89, 369, 373; 93, 264, 267; NJW 1979, 2092) oder Dritter (BGH 115, 123, 129f; BGH VersR 1992, 448f) oder der Allgemeinheit die Nichtigkeit des Geschäfts ergeben. So verstößt nur der Rechtsberater, nicht aber sein Vertragspartner gegen das RDG. Dennoch kann das Gesetz seinen Zweck, eine unsachgemäße Beratung und Vertretung des Rechtssuchenden zu verhindern, nur erreichen, wenn dessen Erfüllungsanspruch vernichtet wird. Anderenfalls wäre der Rechtsberater gehalten, seine unerlaubte und strafbare Tätigkeit auszuüben oder fortzusetzen (BGH 37, 262); deshalb ist der Vertrag nichtig (vgl Rn 85 „Rechtsdienstleistungsgesetz“). b) Der Verstoß gegen ein Verbotsgesetz führt zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts von Anfang an, 12 wenn und soweit sich nichts anderes aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes ergibt (BGH 93, 264, 267; NJW 1996, 928). Die Nichtigkeit ist danach die regelmäßige, nicht von weiteren Voraussetzungen abhängige Folge des Gesetzesverstoßes; sie tritt nur ausnahmsweise dann nicht ein, wenn das Verbotsgesetz die Folgen des Verstoßes anders regelt oder die strenge Sanktion der Nichtigkeit nach Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes nicht erforderlich ist, um den Schutzzweck der Norm zu erreichen, etwa weil sonstige Sanktionen genügen. Gelegentlich vermittelt die Judikatur den Eindruck, die Nichtigkeit bedürfe einer über den Gesetzesbefehl des § 134 hinausgehenden Begründung; wenn ein Gesetzesverstoß feststeht, ist demgegenüber allein zu begründen, dass sich aus dem Gesetz keine andere Rechtsfolge als die (volle) Nichtigkeit ergibt. Allerdings soll die Berufung auf die Nichtigkeit im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstoßen, so etwa, wenn ein Vertrag über Schwarzarbeit bereits weitgehend abgewickelt worden ist (BGH 85, 39, 48) oder wenn ein Vertrag über ärztliche Wahlleistungen zwar unwirksam ist, die Leistungen jedoch über einen langen Zeitraum abgerufen, beanstandungsfrei erbracht und honoriert worden sind (BGH NJW-RR 2007, 710, 711). Ebenso soll sich ein Bauunternehmer treuwidrig verhalten, wenn er die Beseitigung von Baumängeln unter Hinw auf die Nichtigkeit des Vertrags wegen einer „Ohne-Rechnung-Abrede“ verweigert (BGH NJW-RR 2008, 1050). aa) Der Verstoß gegen das Verbotsgesetz kann zur Nichtigkeit des Verpflichtungs-, aber auch des 13 Verfügungsgeschäfts führen. (1) Richtet sich das Verbotsgesetz gegen den Inhalt des Rechtsgeschäfts (BGH 46, 25), führt ein Gesetzesverstoß grds zur Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts. Verbietet das Gesetz etwa eine bestimmte Tätigkeit (zB grds die Beschäftigung Jugendlicher unter 15 Jahren; § 7 I JArbSchG), so ist ein darauf gerichtetes Rechtsgeschäft (zB Arbeitsvertrag mit einem solchen Jugendlichen) nichtig. (2) Wenn durch das Verbotsgesetz nicht allein der Inhalt des Verpflichtungsgeschäfts missbilligt, sondern darüber hinaus auch eine Verschiebung der Güter untersagt wird, führt das zur Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäfts; typisches Bsp ist die Nichtigkeit von Forderungsabtretungen, die in ihrem Kontext mit § 203 StGB unvereinbar sind (BGH 115, 123, 130f; NJW 1983, 636; 1992, 2348; 1993, 1638, 1912 und 2795; 1995, 516; BAG NJW 1993, 2701; vgl Rn 43 „Arzt“, Rn 80 „Patentanwalt“, Rn 84 „Rechtsanwalt“, Rn 92 „Steuerberater“). Die Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäfts erfasst idR auch das Verpflichtungsgeschäft (BGH 116, 268, 276f; NJW 1995, 2026, 2027; 2000, 1186). Wenn das Verbotsgesetz selbst allein das Verpflichtungsgeschäft betrifft, kann dessen Nichtigkeit überdies im Einzelfall auch unter den Voraussetzungen von § 139 die Nichtigkeit des Verfügungsgeschäfts bewirken. bb) Der Umfang der Nichtigkeit ist durch Auslegung des Verbotsgesetzes zu ermitteln. Im Zweifel 14 führt der Verstoß gegen das Verbot nicht nur zur Teilnichtigkeit, sondern zur Gesamtnichtigkeit des Geschäfts (vgl Staud/Sack Rn 62, 64ff). Es entfällt also nicht nur der Anspruch auf die verbotene Vornahme der Leistungshandlung; vielmehr ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig (BGH LM Nr 70 gegen Flume § 17, 4). Der Gesetzeswortlaut „wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt“ bedeutet allerdings auch „soweit sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt“. Die Regelung eröffnet damit die MögH. Palm/A. Arnold

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§ 134

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

lichkeit zu Lösungen zw den Alternativen Gesamtnichtigkeit und Gesamtwirksamkeit. Der in dem Verbotsgesetz liegende Eingriff in die Vertragsfreiheit darf (Verhältnismäßigkeitsprinzip) letztlich nicht weitergehen, als Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes es erfordern. Teilw genügt eine – etwa quantitative oder zeitliche – Beschränkung der Nichtigkeit dem Sinn und Zweck des Verbots (hierzu insb mit unterschiedlicher Begründung Canaris NJW 1985, 2404 und FS Steindorff, 1990, 519, 523ff; Damm JZ 1986, 913, 916ff; Krampe, Aufrechterhaltung von Verträgen und Vertragsklauseln, AcP 194, 1, 8f, 28f; Cahn, Zum Begriff der Nichtigkeit im Bürgerlichen Recht, JZ 1997, 8, 12f, 15f, 17; Staud/Sack Rn 87ff; krit zur Beschränkung der Nichtigkeitswirkung Köhler JR 1983, 106; Tiedtke NJW 1983, 713 und ZIP 1987, 1089; Hager JuS 1985, 264, 270; Honsell ZHR 148, 298f und JA 1986, 573f; Pakirnus ZMR 1984, 329, 332; Zimmermann, Richterliches Moderationsrecht oder Totalnichtigkeit, 1979, 74, 114ff). Manche Verbotsgesetze geben allerdings keinen sicheren Aufschluss über den mit ihnen verfolgten Zweck; insb wird nicht immer deutlich, ob und wieweit das Verbot (auch) einem spezial- und/oder generalpräventiven Zweck dient und dieser Zweck Gesamtnichtigkeit fordert. In solchen Fällen kann es sich auswirken, dass das Gesetz als Regel die volle Nichtigkeit vorsieht (vgl Rn 12). Die Rechtspraxis kommt zu einer quantitativen Beschränkung der Nichtigkeit vor allem im Preisrecht. So kann der Verstoß gegen eine Preisvorschrift dazu führen, dass das Rechtsgeschäft als zum zulässigen Preis abgeschlossen gilt (BGH 51, 181; 89, 316, 319; WM 1977, 346; Einzelheiten vgl Rn 81 „Preisrecht“). Ferner schließt die Nichtigkeit von Dienst- und Arbeitsverträgen für die Vergangenheit uU den Vergütungsanspruch desjenigen nicht aus, der ohne Kenntnis der Verbotsvorschrift seine Dienste geleistet hat (vgl Rn 28 „Arbeitsrecht/Arbeitsvertrag“); in diesen Fällen wird die Nichtigkeitsfolge zumindest für die zu schützende Vertragspartei zeitlich (auf die Zukunft) verschoben (Nichtigkeit ex nunc; vgl Staud/Sack Rn 102). Zu einer zeitlichen Einschränkung der Nichtigkeit führen auch, wenn ein Gesellschaftsvertrag gegen ein Verbotsgesetz verstößt, die Grundsätze zur fehlerhaften Gesellschaft (vgl Rn 59 „Gesellschafts- und Vereinsrecht“). 15

cc) Das nichtige Geschäft bleibt auch bei nachträglicher Aufhebung des Verbots nichtig (RG 138, 55; BGH 11, 59f; Brandenburg MDR 1995, 30; LG Hamburg MDR 1976, 402). Etwas anderes gilt, wenn das Rechtsgeschäft für den Fall der Aufhebung des Verbots geschlossen wurde (BGH LM Nr 7). Nach Aufhebung des Verbots ist jedoch eine – auch konkludente – Bestätigung des nichtigen Geschäfts möglich (§ 141; BGH 11, 60; vgl auch BGH NJW 1961, 1204; Brandenburg aaO). Wird das Verbotsgesetz erst nach Abschluss des Rechtsgeschäfts erlassen, so führt das nur bei zulässiger Rückwirkung zur Nichtigkeit (vgl BGH 45, 326; RG 102, 203; Medicus NJW 1995, 2578; Einzelheiten Staud/ Sack Rn 85).

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dd) Als Folge der Nichtigkeit kommen neben dinglichen Ansprüchen insb Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung in Betracht, wenn sich der Leistende nicht bewusst war, dass er gegen ein gesetzliches Verbot verstieß (vgl dazu vor allem BGH NJW 2000, 1560, 1562f m Anm Lorenz in LM § 134 Nr 169). Dabei haftet der Empfänger verschärft nach § 817 S 1 und § 819 II, wenn er durch die Annahme der Leistung im Bewusstsein der Gesetzwidrigkeit (BGH NJW 1958, 1725; WM 1978, 949) gegen das gesetzliche Verbot verstoßen hat. Die Rückforderung kann jedoch nach § 817 S 2 ausgeschlossen sein, wenn sich der Leistende ebenfalls des Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot bewusst war (BGH 50, 92). Allerdings bezieht sich der Ausschluss der Rückforderung nur auf das, was aus den vom Gesetz missbilligten Vorgängen geschuldet wird; an sich erlaubte, aber gem § 139 nichtige Nebenleistungen fallen nicht darunter (BGH 19, 205; 50, 92). § 817 S 2 ist dann nicht anwendbar, wenn der Ausschluss des Rückforderungsrechts dem Zweck des gesetzlichen Verbots widerspricht, weil § 817 S 2 etwa zu einer Aufrechterhaltung der Güterverschiebung führen würde, die das Verbotsgesetz gerade verhindern will (vgl Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger und verbotener Geschäfte, 1974, 23ff, 145ff; BGH 111, 308, 311ff). Zum Spannungsverhältnis zw § 134 und § 817 S 2 vgl Dauner JZ 1980, 495.

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ee) Wer auf die Wirksamkeit des verbotenen Geschäfts vertraut hat, kann uU wegen vorvertraglichen Verschuldens der anderen Seite (§ 311 II und III) Ersatz des negativen Interesses von demjenigen verlangen, der die Verbotswidrigkeit kannte oder kennen musste.

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5. Umgehungsgeschäfte sind Rechtsgeschäfte, die unter Ausnutzung der rechtsgeschäftlichen Gestaltungsfreiheit den vom Verbotsgesetz missbilligten Erfolg auf einem Weg zu erreichen suchen, den jedenfalls der Wortlaut der Verbotsnorm nicht erfasst. Die Parteien können grds alle zulässigen rechtlichen Mittel für ihre Ziele einsetzen. Deshalb ist einem derartigen Geschäft nur dann die Wirksamkeit zu versagen, wenn die Verbotsnorm den mit dem Geschäft angestrebten Erfolg schlechthin – dh unabhängig von dem gewählten rechtlichen Mittel – verhindern will; die gewählte Gestaltung darf nicht den Zweck einer Rechtsnorm vereiteln (vgl etwa RG 155, 138, 146; BGH NJW 1959, 332, 334; 1991, 1060f; Brox/Walker AT Rn 328). Teilw ordnet das Gesetz die Unwirksamkeit von Umgehungsgeschäften auch an (§ 506; § 8 FernUSG; § 75d S 2 HGB). In der Praxis ergeben sich Schwierigkeiten vor allem dann, wenn das Gesetz nicht klar und deutlich zum Ausdruck bringt, ob ein bestimmter Erfolg, oder (nur) ein bestimmter Weg zu einem rechtlichen Erfolg oder beides verboten sein soll. Die Problematik der Umgehungsgeschäfte ist weitgehend eine Auslegungsproblematik (Flume § 17, 5; Medicus AT Rn 660; BGH 110, 47, 64). Wo eine ausdr Regelung fehlt, ist daher zunächst durch eine an Sinn und Zweck der Verbotsnorm orientierte Auslegung im Einzelfall zu ermitteln, ob diese das Rechtsgeschäft wegen des mit ihm erstrebten Erfolgs ohne Rücksicht auf den konkret beschrittenen rechtlichen Weg schlechthin untersagt oder nicht (Soergel/Hefermehl Rn 37; Staud/Sack Rn 146 – „extensive Auslegung“). Bei dieser Auslegung ist insb zu fragen, ob mit dem jeweiligen Rechtsgeschäft der Zweck des Verbotsgesetzes vereitelt würde (vgl etwa BGH 44, 176; 51, 262; 56, 289; 58, 65; 59, 348; 85, 46; NJW 1991, 1060; Frankfurt NJW 316

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Willenserklärung

§ 134

2001, 1504, 1505; BAG 39, 70; DB 1982, 122). Ergibt die Auslegung, dass das Gesetz nur eine bestimmte rechtliche Gestaltung, nicht aber generell den angestrebten Erfolg verbieten will, dann liegt kein Umgehungsgeschäft vor, sofern die Beteiligten einen anderen zulässigen rechtlichen Weg beschritten haben. Fällt der erstrebte Erfolg nach der Auslegung nicht unter das Verbotsgesetz, dann kann sich im Einzelfall die Nichtigkeit eines Umgehungsgeschäfts aber auch aus der analogen Anwendung eines Verbotsgesetzes ergeben (Teichmann, Die Gesetzesumgehung, 1962, 78ff). Das gilt nicht, wenn für den jeweiligen Regelungsbereich, wie etwa im Strafrecht, Art 103 II GG, eine Analogie unzulässig ist. Für die Nichtigkeit eines Umgehungsgeschäfts genügt der objektive Verstoß gegen die umgangene Verbotsvorschrift (BGH 51, 255, 262; 56, 285, 289; WM 1990, 222, 227; BAG 10, 65, 70; 13, 129, 134: 39, 67, 70; OVG Berlin VIZ 1998, 349); es sind weder Umgehungsabsicht noch das Bewusstsein der Umgehung erforderlich; es genügt, dass ohne die Sanktion der Nichtigkeit der Gesetzeszweck nicht zu erreichen ist (Dubischar DNotZ 1993, 419, 424; Petersen DNotZ 2000, 739, 747; Teichmann aaO, 69f; Staud/Sack Rn 145; Soergel/Hefermehl Rn 40; anders MüKo/Armbrüster Rn 17). Ist ein Rechtsgeschäft nach § 134 nichtig, sind auch ein auf Herbeiführung des erstrebten wirtschaftlichen Erfolges gerichteter Vergleich (RG Recht 1921 Nr 2137) sowie ein zum Ausgleich eingeräumter Schadensersatz unwirksam (RG 90, 306). Rspr-Bsp: BAG 65, 86; NZA 1995, 30 – Befristung eines Arbeitsverhältnisses ohne sachlichen Grund 19 zur Ausschaltung der Kündigungsschutzbestimmungen; Aufhebung eines Arbeitsvertrags mit dem alleinigen Ziel, die Wirkungen des § 613a auszuschalten (BAG NZA 1999, 422); Vereinsbeitritt als Umgehung der Vorschriften über den Haustürwiderruf (München ZIP 1991, 756 dazu Teske ZIP 1991, 758); LG Hanau NJW 1995, 1100 – Time-Sharing-Vertrag im Treuhandmodellals Umgehung der Vorschriften über den Haustürwiderruf; zur Umgehung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften VGH Kassel NJW 1996, 2746 mwN. – Anwendungsbeispiele sind iÜ unter Rn 21ff zu den Einzelbereichen dargestellt. 6. Einzelbeispiele Abtreibung 21 Abtretung 22 Adoptionsvermittlungsgesetz 23 Allgemeines Gleichstellungsgesetz 23a Apothekengesetz 24 Arbeitsrecht 25 Arbeitsrecht/Arbeitsvermittlung 26 Arbeitsrecht/Arbeitnehmerüberlassung 27 Arbeitsrecht/Arbeitsvertrag 28 Arbeitsrecht/Arbeitszeitrecht 29 Arbeitsrecht/Ausbildung 30 Arbeitsrecht/ausländischer Arbeitnehmer 31 Arbeitsrecht/Gesellschaftsrecht 32 Arbeitsrecht/Gesundheitsrecht, Krankheit 33 Arbeitsrecht/Gleichbehandlung 34 Arbeitsrecht/Jugendarbeitsschutz 35 Arbeitsrecht/Kündigung, Befristung 36 Arbeitsrecht/Tarifrecht, Betriebsverfassungsrecht 37 Arbeitsrecht/Urlaub 38 Arbeitsrecht/Vergütung, Lohn 39 Arbeitsrecht/Versorgungsregelung 40 Architekt/Ingenieur 41 Arzneimittelrecht 42 Arzt oder Zahnarzt 43 Außenwirtschaftsverkehr 44 Bank/Geldinstitut 45 Bauordnungsrecht 46

Bauplanungsrecht 47 Bauträgerverträge/Baubetreuungsverträge 48 Beamtenrecht/öffentlicher Dienst 49 Berufsständische Satzungen 50 Betäubungsmittelgesetz 51 Bundesnotarordnung 51 Datenschutzrecht 52 Embryonenschutzgesetz 53 Energiewirtschaftsgesetz 54 Erschließungsvertrag 55 Europarecht 56 Fernunterricht 57 Gentherapie 58 Gesellschafts- und Vereinsrecht 59 Gewerberecht/Handwerksrecht 60 Glücksspielvertrag 61 Grundgesetz 62 Güterkraftverkehrserlaubnis 63 Handelsrechtliche Vorschriften 64 Haushaltsrecht 65 Heilbehandlung 66 Heimgesetz 67 HOAI/Ingenieur 68 Infektionsschutzgesetz 68, 33 Jagdrecht 69 Jugendschutz 70 Kartellrecht 71 Klonen von Menschen oder Tieren 72 Koppelungsvertrag 73 Kreditwesen 74 Kündigung 75 Ladenschlussgesetz 75 Lebensmittelrecht 75 Leihmuttervertrag 75 Lohnfortzahlung 75 H. Palm/A. Arnold

Maklervertrag 76 Mietrecht 77 Mutterschutzrecht/Mutterschutzgesetz 78 Öffentliches Recht 79 Patentanwalt 80 Preisrecht 81 Presserecht 82 Rabattgesetz 83 Rechtsanwalt 84 Rechtsdienstleistungsgesetz 85 Saatgutverkehrsgesetz 86 Sammlung 87 Scheckeinlösungszusage 88 Schwarzarbeit 89 Sozialgesetzbuch IX/Schwerbehindertenrecht 90 Sportrecht 91 Steuerberater 92 Steuerstraftat 93 Strafrecht 94 Subventionierung 95 Telekommunikationsrecht 96 Transplantationsgesetz 97 Umgehung eines Verbotsgesetzes 98 UWG 99 Vergaberecht 100 Versicherungsrecht 101 Versteigerung 102 Währungsrecht 103 Wohnungsbindungsgesetz 104 Wohnungseigentumsrecht 104 Wohnungsvermittlungsgesetz 105 ZugabeVO 106 Zwangsversteigerung 107 Zwangsvollstreckung 108

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§ 134

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

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(Die Darstellung ist zur besseren Orientierung durchgängig alphabetisch nach Stichworten geordnet. Die Stichworte umfassen sowohl die Anwendung von § 134 bei einzelnen Geschäftstypen oder zusammengehörigen Gruppen von Rechtsgeschäften als auch geschäftsübergreifende allg Gesichtspunkte. Auf die entspr Stichworte zu § 138 Rn 65 wird Bezug genommen.):

21

P Abtreibung. Ein Vertrag über eine nach §§ 218ff StGB strafbare Abtreibung ist nach § 134 nichtig (Bremen VersR 1984, 288; AG Bad Oeynhausen NJW 1998, 1799 – für Vertrag vor Beratung durch anerkannte Beratungsstelle; Staud/Sack Rn 292; Deutsch NJW 1993, 2361). Dagegen erfasst § 134 Vereinbarungen über einen rechtswidrigen, aber nicht strafbaren Schwangerschaftsabbruch nicht (Deutsch aaO).

22

P Zur Abtretung von Vergütungsforderungen unter Verstoß gegen § 203 StGB vgl Rn 43 „Arzt“, Rn 80 „Patentanwalt“, Rn 84 „Rechtsanwalt“, Rn 92 „Steuerberater“, zur Abtretung im Rahmen unzulässiger Rechtsberatung unten zu Rn 85 – „Rechtsdienstleistungsgesetz“ und ferner – zur Abtretung des Vergütungsanspruchs eines Verfahrenspflegers – Dresden NJW 2004, 1464. Die Abtretung von Kundenforderungen eines Mobilfunkanbieters soll wegen Verstoßes gegen das Fernmeldegeheimnis unwirksam sein (München NJW-RR 1998, 758; dazu Hey/Hermeler WM 2002, 213). Nach der Rspr des BGH zur Abtretung von Forderungen gegen Kunden durch ein Kreditinstitut (vgl dazu Rn 52 – Datenschutz) erscheint das in dieser Allgemeinheit fraglich. Zur Nichtigkeit der Abtretung als Erfüllungsgeschäft vgl Rn 13.

23

P Ein Rechtsgeschäft über die Vermittlung einer Ersatz- oder Leihmutter ist wegen §§ 13a–d Adoptionsvermittlungsgesetz (BGBl I 1989, 2014) nichtig (vgl Liermann FamRZ 1990, 857, 860; Lüderitz NJW 1990, 1633; Coester-Waltjen FamRZ 1992, 370).

23a

P Allgemeines Gleichstellungsgesetz – AGG. Hierzu ist auf die ausf Kommentierung des AGG zu verweisen. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich deshalb auf wenige allg Hinw: Ziel des AGG (Gesetz v 14.8.2006, BGBl I S 1897; letzte Änderung durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz v 5.2.2009, BGBl. 2009 I S 160) ist es (§ 1 AGG), Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Neben den allg Bestimmungen enthält das Gesetz Regelungen zum Schutz von Beschäftigten vor Benachteiligung (§§ 6–18 AGG; vgl dazu unter Rn 25 – „Arbeitsrecht“) sowie Regelungen zum Schutz vor Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr (§§ 19–21 AGG). Diese Vorschriften finden (§ 19 IV AGG) von vornherein keine Anwendung auf familien- und erbrechtliche Schuldverhältnisse. Soweit das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot (§§ 19, 20 AGG) reicht, ergeben sich die Rechtsfolgen in erster Linie aus dem AGG selbst (§ 21 AGG). Die Bestimmung ist ggü § 134 die jüngere und speziellere Norm. Sie ordnet aber selbst – anders als § 134 – nicht die Nichtigkeit von verbotswidrig benachteiligenden Rechtsgeschäften an; vielmehr ist bestimmt, dass der Benachteiligende sich nicht auf eine Vereinbarung berufen kann, die von dem Benachteiligungsverbot abweicht (§ 21 IV AGG). Indes bestehen die Rechte aus § 21 AGG „unbeschadet weiterer Ansprüche“ (§ 21 I 1 AGG); auch verbietet es § 31 AGG, von den Vorschriften des Gesetzes zu Ungunsten der geschützten Personen abzuweichen. Schon deshalb bleibt § 134 neben § 21 AGG weiter anwendbar (vgl Bauer/Göpfert/Krieger AGG § 21 Rn 8). Überdies passt § 21 IV AGG weder nach dem Wortlaut noch nach der angeordneten Rechtsfolge auf verbotswidrige einseitige Rechtsgeschäfte (etwa Anfechtung, Kündigung, Widerruf usw). Daher wird jedenfalls in diesen Fällen § 134 neben § 21 IV AGG erg anzuwenden sein. Für Einzelheiten vgl § 21 AGG Rn 27; Bauer/Göpfert/Krieger AGG zu § 31 Rn 1ff. Erwogen werden kann es, je nach den Umständen des Einzelfalles § 134 iVm §§ 19ff AGG auch auf Rechtsgeschäfte anzuwenden, die mit einem Dritten geschlossen werden und deren Ziel eine Benachteiligung einer geschützten Person iSv §§ 19f AGG ist (dazu: Derleder/Sabetta WuM 2005, 3, 8). Andernfalls käme insoweit § 138 in Betracht (vgl zu § 138 Rn 85 – „Benachteiligung Dritter pp“).

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P Apothekengesetz (ApG): Zur Sicherung einer umfassenden ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung (§ 1 I ApG) und des Prinzips der verantwortlichen und unabhängigen persönlichen Leitung einer Apotheke durch einen Apotheker (§ 7 ApG) sind dem Apotheker bestimmte Rechtsgeschäfte untersagt (vgl Rotta NJW 1995, 755). Nach § 8 S 2 ApG darf die Vergütung für Darlehen und sonst überlassene Vermögenswerte nicht am Umsatz oder Gewinn der Apotheke ausgerichtet werden (Bsp: BGH NJW-RR 1998, 804). Eine Verpachtung der Apotheke ist nur in den in § 9 ApG beschriebenen Ausnahmefällen zulässig (zur Verpachtung nur von Räumen und Einrichtungsgegenständen BGH NJW-RR 1998, 804). Das Arzneimittelangebot der Apotheke darf nach § 10 ApG nicht durch Vereinbarungen eingeschränkt werden. § 11 ApG enthält ein Ärztebevorzugungsverbot. Rechtsgeschäfte, die gegen diese Regelungen verstoßen, sind gem § 12 ApG unwirksam; das gilt insb auch für Rechtsgeschäfte mit inländischen wie ausländischen Nichtapothekern (auch Vereinigungen oder Gesellschaften), die nach ihrem gesamten Inhalt das Prinzip der verantwortlichen und unabhängigen persönlichen Leitung durch einen Apotheker beeinträchtigen oder die Begrenzung der Zahl der zulässigen Zweigstellen unterlaufen. In den dadurch gezogenen Grenzen ist aber die Vereinbarung einer umsatzabhängigen Rente als Gegenleistung für die Veräußerung des Apothekengrundstücks und die Überlassung der Apotheke wirksam; eine solche Rentenklausel fällt nicht unter § 8 S 2 ApG (BGH NJW 1997, 3091). Zur Wirksamkeit einer Umsatzmietzinsvereinbarung vgl BGH NJW 1979, 2351. Eine stille Beteiligung an einer Apotheke ist ebenfalls gültig, wenn sie sich im Rahmen der §§ 230ff HGB hält (BGH NJW 1972, 338; BGH 75, 214, 217; NJW 1983, 937). Ob und inwieweit die in jüngster Zeit entwickelten neuen Vertriebssysteme (etwa: Apotheke im Ausland vertreibt apothekenpflichtige Arzneimittel im Versand über Drogeriemärkte im Inland) mit den geltenden Grundsät-

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Willenserklärung

§ 134

zen des Apothekenrechts vereinbar sind, ist umstr und wird vor allem öffentlich-rechtl zu klären sein (vgl dazu zB OVG Münster NJOZ 2006, 2484). Vgl auch zu Rn 42 – Arzneimittelrecht. P Arbeitsrecht. Neben den Normen des deutschen Rechts hat als Grundlage gesetzlicher Verbote 25 im Arbeitsleben inzwischen das Europarecht erhebliche Bedeutung gewonnen, auch soweit es (noch) nicht in nationales Recht umgesetzt ist; das gilt insb für das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Nationalität in Art 18f AEUV (dazu: Jochum ZRP 1999, 279), für die Arbeitnehmerfreizügigkeit gem Art 45 AEUV, für die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gem Art 49, 56 AEUV und für die Regelungen zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Art 157 AEUV sowie in den dazu erlassenen RL (vgl dazu unten zu Rn 56 – Europarecht sowie EuGH NJW 1997, 1839; EuGH NJW 1998, 969; EuZW 1998, 118; EuZW 2000, 468; NJW 2002, 3160; NJW 2004, 3547; NJW 2005, 1099 und dazu ua Bauer/Arnold NJW 2006, 6, 9ff mwN; ferner etwa die Darstellungen von Cirkel NJW 1998, 3332; Erasmy MDR 1995, 109; Freis NJW 1998, 2779; Hohmeister BB 1998, 1790; Körner NZA 2001, 1046; Montag NJW 1998, 2088, 2092f und NJW 2001, 1613, 1615f; Röthel NJW 1999, 611; Streinz/Leible EuZW 2000, 459; Tödtmann DB 1998, 2322; Weber NJ 1998, 458; Zwanziger DB 1998, 1330). Nationale Vorschriften, die europarechtliche Vorgaben umsetzen, sind stets im Geist der Vorgabe euraparechtskonform – insb richtlinienkonform – auszulegen (BAG NZA 2004, 375; sehr nachdrücklich und instruktiv EuGH NJW 2004, 3547). Zur Bedeutung des deutschen Verfassungsrechts für Arbeitsverträge vgl die Darstellung bei Zachert BB 1998, 1310ff mwN; s ferner unten zu Rn 62 – Grundgesetz sowie § 138 Rn 99 „Diskriminierung“). Angestoßen durch verschiedene EU-RL (ua 2000/43/EG, 2000/78/EG, 2002/73/EG und 2004/113/EG; vgl auch 2006/54/EG) verbietet inzwischen das Allg Gleichbehandlungsgesetz – AGG v 14.8.2006 (BGBl I 1897; letzte Änderung vom 5.2.2009, BGBl I 160; vgl auch zu Rn 23a) insb auch zugunsten der in einem Arbeitsverhältnis Beschäftigten und der ihnen gleichgestellten Personen (§ 6 AGG) Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschaung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität (AGG §§ 1, 7 I mit den Einschränkungen nach §§ 8ff). Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, sind unwirksam (AGG § 7 II iVm § 31 AGG). Neben dem AGG behält erg der aus der Verfassung abgeleitete arbeitsrechtliche – auch betriebsverfassungsrechtliche – Gleichbehandlungsgrundsatz (vgl dazu Zachert aaO 1310, 1312) außerhalb des zeitlichen, sachlichen und persönlichen Geltungsbereichs des AGG als Verbotsgesetz für das gesamte Arbeitsvertragsrecht grds seine Bedeutung. Allerdings geht das AGG als jüngeres und spezielleres Gesetz dem allg Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Deshalb wird in jedem Einzelfall zu prüfen sein, ob die geltend gemachte Benachteiligung nicht bereits durch das AGG abschließend geregelt ist. Soweit dies zu verneinen ist, verbietet der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz weiterhin sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen als auch eine sachfremde Differenzierung zw Arbeitnehmern einer bestimmten Ordnung (vgl zB BAG 71, 195; BB 1993, 1807; NJW 1994, 959; BAG 81, 207; BB 1996, 1724; 1997, 364; NZA 1997, 1177; 98, 1212; NZA 1998, 762; NJW 2001, 2276; BAG 111, 8; NZA 2005, 773; NZA-RR 2006, 30). IÜ werden sich die bisher bei der Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes in Rspr und Lit im Einz gewonnenen Erkenntnisse weitgehend auf die neue Rechtslage übertragen lassen. Vgl für die Rechtslage vor dem AGG zum Gleichbehandlungsgrundsatz im Verhältnis Vollbeschäftigte/Teilzeitbeschäftigte: BAG NJW 1997, 962; bei Altersteilzeitarbeit: BAG FD-ArbR 2007, 216900; bei nebenberuflicher Tätigkeit: BAG NZA 1997, 728; bei der Vergütung: BAG NZA 2005, 183; bei einem Arbeitsvertrag mit beamtenrechtlicher Besoldung und Versorgung: BAG NJW 2006, 2875; beim 13. Monatsgehalt und sonstigen Sonderzahlungen: BVerfG DB 1997, 2438; BAG NZA 1996, 531; DB 1998, 2421; NZA 1998, 1297; 1999, 474; 1999, 606, 700; ArbG Gelsenkirchen NZA-RR 1997, 458; BAG NJW 2004, 3652; bei Zulagen zur Gewinnung von Arbeitnehmern in einer Mangelsituation BAG NJW 2001, 2276 mwN; bei freiwilligen Lohnerhöhungen: BAG NJW 2007, 2939; bei freiwilligen Leistungen: BAG NZA 1998, 1297 und BAG 105, 266; NZA 2005, 1117; NJW-RR 2006, 253; LAG Hamm NZA-RR 1998, 293; Weber/Ehrich ZIP 1997, 1681; im Tarifrecht: BAG NZA 1998, 153; Etzel NJW 1998, 1190; LAG Berlin NZA-RR 1998, 189; bei unterschiedlichen Vergütungssätzen nach sachgerechter Gruppenbildung: BAG NJW 1997, 2000; NZA 1999, 490; bei Entgeltkürzungen für Krankheitszeiten EuGH EuZW 2005, 627; BVerfG NJW 1998, 391; bei Teilzeitnebentätigkeit (vgl auch § 2 I, II BeschFG): BVerfG NZA 1993, 741; BAG NZA 1995, 936; NJW 1996, 2810 und 2812; beim Sozialplan: BAG BB 1998, 1211; BAG NZA 2007, 756; LAG Düsseldorf NZA-RR 1998, 404; Schrader DB 1997, 1714; Weber/Ehrich BB 1997, 1530; bei Beiträgen zu Sozialkassen BAG NJOZ 2004, 3322; bei der Tarifgeltung für Studierende BAG NZA 1996, 1280. Zu den Grenzen der Verpflichtung zur Gleichbehandlung bei unterschiedlichen Betriebsbereichen: BAG NZA 1998, 438; 1999, 606; bei einer Betriebsabspaltung BAG NJW 2007, 1548; bei einer freiwilligen Lohnerhöhung: BAG DB 1998, 2372; bei der Lohnbemessung für einzelne Arbeitnehmer BAG NJW 2003, 2333; LAG Köln NZA 1998, 313 L. Aus dem BGB sind – nach Aufhebung der §§ 611a und 611b mit dem Inkrafttreten des AGG – insb noch §§ 612a, 613a, 617ff Verbotsgesetze iSv § 134. Zu § 613a als Verbotsgesetz vgl BAG 27, 291; 32, 326; 48, 40, 49ff; 55, 228, 232f = NZA 1988, 198; AP § 613a Nr 4, 5; BB 1986, 1644; NJW 1996, 213; NZA 1997, 148; 90, 260 = NZA 1999, 422; NZA 1999, 262; NZA 2005, 405. P Arbeitsrecht/Arbeitsvermittlung. Seit der weitgehenden gesetzlichen Freigabe der Arbeitsver- 26 mittlung (BGBl 1993 I 2353 und 1994 I 1786; dazu Wertenbruch NJW 1995, 223) und insb seit der Aufhebung des AFG mit Wirkung v 1.1.1998 (G v 24.3.1997, BGBl I 594/720) sowie der Übernahme der Vorschriften zur Arbeitsvermittlung in das SGB (vgl jetzt SGB III §§ 292, 296ff) hat § 134 in diesem Bereich praktische Bedeutung nur noch für die Beurteilung von Sachverhalten aus der Zeit vor den

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§ 134

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

Gesetzesänderungen (vgl dazu etwa EuGH NJW 1991, 2891; BGH WM 1991, 2029; NJW-RR 1999, 1449, 1450). Für die spätere Zeit enthält § 297 SGB III wie zuletzt auch § 24a AFG aF eine eigenständige und abschließende Regelung zur Unwirksamkeit von Vereinbarungen mit verbotenem Inhalt. Die Wirksamkeit eines vermittelten Arbeitsvertrags wird durch eine unerlaubte Vermittlung idR nicht berührt (BAG NJW 1972, 973, 975; Immenga BB 1972, 807). 27

P Arbeitsrecht/Arbeitnehmerüberlassung. Das in den letzten Jahren vielfach geänderte Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG; zuletzt geändert durch das AÜGÄndG v 28.4.2011, BGBl I 642) bildet den rechtlichen Ordnungsrahmen für die sog Leiharbeit oder Zeitarbeit. Das Gesetz enthält eigene Normen, in denen die Unwirksamkeit von bestimmten Verträgen/Vereinbarungen (§ 9 AÜG) und die Rechtsfolgen der Unwirksamkeit (§ 10 AÜG) geregelt werden. § 134 ist insoweit nicht anzuwenden. Nach § 9 Nr 3 AÜG ist es nicht (mehr) unzulässig, wenn sich der Verleiher formularmäßig vom Entleiher eine Provision für den Fall versprechen lässt, dass der Entleiher den Leiharbeitnehmer im Anschluss an die Überlassung übernimmt (BGH NJW 2007, 764 unter Aufgabe von BGH 155, 311). § 1b AÜG schränkt die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung in Betriebe des Baugewerbes ein. Die jetzige Fassung geht auf eine ab 1.1.2003 geltende Gesetzesänderung (BGBl I 2002, 4607) zurück, die wiederum vor allem durch eine Entscheidung des EuGH (EuZw 2001, 757; dazu Kort NZA 2002, 1248) veranlasst worden ist. Zu früheren Regelungen für diesen Bereich hatte der BGH bei einem Verstoß die Anwendung von § 134 in Betracht gezogen (NJW 2000, 1557; dazu Weyer WM 2002, 627). Bei einem Verstoß gegen die jetzige Regelung dürfte auch in diesem Bereich § 9 AÜG ggü § 134 Vorrang haben. Zu beachten ist, dass ein Arbeitseinsatz von Arbeitnehmern in einem fremden Unternehmen auch auf einem Dienst- oder Werkvertrag dieses Unternehmens mit dem Arbeitgeber beruhen kann (BAG NZA 2004, 1182; dazu von Steinau-Steinrück NJW-Spezial 2006, 81). Insoweit gilt das AÜG nicht; § 134 ist im Prinzip anwendbar.

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P Arbeitsrecht/Arbeitsvertrag. Ein Arbeitsvertrag kann nach § 134 – etwa wegen Verletzung von Schutzvorschriften, die für Arbeitnehmer schlechthin oder für bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern gelten (zB Frauen, Jugendliche, Kranke, Schwerbehinderte, bestimmte Berufe), oder wegen der Vereinbarung von Tätigkeiten, die gegen ein Strafgesetz oder ein sonstiges Verbot verstoßen – nichtig sein. Ob ein Verbotsgesetz vorliegt und ob der Verstoß zur Nichtigkeit führt, lässt sich nicht allg, sondern nur durch Auslegung der jeweiligen Schutznorm nach den allg Grundsätzen bestimmen; vielfach ist Rechtsfolge eines Verstoßes nur ein Beschäftigungsverbot, das die Wirksamkeit der vertraglichen Vereinbarung zumeist nicht berührt. Für Verträge über Teilzeitarbeit und für befristete Arbeitsverträge enthält das seit dem 1.1.2001 geltende Teilzeit- und Befristungsgesetz – TzBfG (BGBl 2000 I S 1966, letzte Änderung BGBl 2007 I 538) einige besondere Verbotsnormen: §§ 4, 5, 11, 13, 14, 21, 22 TzBfG. ZT sind die Folgen von Verstößen im Gesetz selbst geregelt (§§ 11, 13, 16 TzBfG). IÜ ist bei Verstößen § 134 in Betracht zu ziehen; vgl auch BAG NZA 1998, 151 und Rn 36 – „Arbeitsrecht/Kündigung pp“. Im Falle der Nichtigkeit von arbeitsvertraglichen Regelungen sind stets die Grundsätze des fehlerhaften Arbeitsvertrags zu beachten (vgl auch § 138 Rn 57 und 76 „Arbeitsverhältnis“; § 139 Rn 7): Das vollzogene Arbeitsverhältnis ist idR für die Rechte und Pflichten aus der Vergangenheit wie ein wirksames zu behandeln; die Nichtigkeitswirkungen treten erst für die Zukunft ein; zu einer Nichtigkeit ex tunc wird man nur im Ausnahmefall kommen, etwa bei bewusstem Gesetzesverstoß beider Vertragsseiten (BAG 8, 47, 50; BGH 53, 152, 158; für Einzelheiten vgl Staud/ Sack Rn 99–102, 120–127; Brox/Rüthers/Henssler ArbR Rn 163ff, 173ff).

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P Arbeitsrecht/Arbeitszeitrecht. Das – in den letzten Jahren mehrfach geänderte – Arbeitszeitgesetz (ArbZG) v 6.6.1994 (BGBl I S 1170; letzte Änderung BGBl 2009 I S 1939) enthält ua zum Schutz der Arbeitnehmer Regelungen über Höchstarbeitszeiten und ein grds Verbot der Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertragen. Ob Vereinbarungen, die – auch bei Berücksichtigung der im ArbZG vorgesehenen Sonderregelungen, abw Regelungen und Ausnahmen – nicht im Einklang mit diesen Arbeitszeitvorschriften stehen, unwirksam sind oder ob nur ein für die Wirksamkeit der Vereinbarung bedeutungsloses Beschäftigungsverbot besteht, ist umstr (vgl die Darstellung bei Staud/Sack Rn 199ff). Nach der hM ist jedenfalls die Vereinbarung einer erheblichen Überschreitung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit für die Zukunft unwirksam (BAG 8, 47, 50; BGH NJW 1986, 1486f; 2005, 3447, 3448; Staud/Sack Rn 200; Pal/Ellenberger Rn 15; Brox/Rüthers/Henssler ArbR Rn 163). Ebenso soll das Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit (§ 9 ArbZG) ein Verbotsgesetz darstellen, wenn keine Ausnahmebewilligung der Aufsichtsbehörde vorliegt (BAG NJW 2010, 394, 395f). Gültig soll es hingegen sein, wenn die vereinbarte Überschreitung nur vorübergehend ist (BAG AP Nr 2 zu § 1 AZO). Dem Schutzzweck der Arbeitszeitvorschriften wird es zumeist genügen, nur die Arbeitszeitvereinbarung im Umfang der Überschreitung der höchstzulässigen Arbeitszeit, nicht aber (Frage des § 139) den gesamten Arbeitsvertrag für unwirksam zu halten und Nichtigkeit nur für die Zukunft (so BAG 8, 47, 50; BGH NJW 1986, 1486; Staud/Sack Rn 200) anzunehmen; eine Unwirksamkeit des gesamten Arbeitsvertrags wird nur ausnahmsweise und nur ex nunc in Betracht kommen (Staud/ Sack Rn 201; BAG 8, 47, 49f). – Die Abrede, nach der bei arbeitszeitabhängiger Vergütung der Arbeitgeber berechtigt ist, die zunächst festgelegte Arbeitszeit später einseitig zu reduzieren, stellt eine objektive Umgehung von zwingenden Vorschriften des Kündigungs-(schutz)rechts dar und ist daher nach § 134 nichtig (BAG NJW 1985, 2151). Zur Umgehung des Altersteilzeitgesetzes vgl Schmidt/Borovsky NZA 1999, 411.

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P Arbeitsrecht/Ausbildung. Die Berufsbildung ist im Berufsbildungsgesetz (BBiG, BGBl 2005 I S 931; letzte Änderung BGBl 2009 I S 160) geregelt. Es enthält in § 12 eine eigene Bestimmung über nichtige Vereinbarungen. Die Regelung geht § 134 vor. Obergerichtliche Rspr liegt bisher zu § 12

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Willenserklärung

§ 134

BBiG nF kaum vor (Ausnahme: LAG Hamm NZA-RR 2007, 64). Zum BBiG aF vgl Erman/Palm11 und Staud/Sack Rn 212. P Arbeitsvertrag/ausländischer Arbeitnehmer. Ausländische Arbeitnehmer dürfen idR nicht ohne 31 Arbeitserlaubnis beschäftigt werden (vgl für Bürger aus den neuen EU-Staaten § 284 SGB III iVm § 13 FreizügigkeitsG/EU; für andere Ausländer §§ 4, 18, 39 AufenthaltsG; § 284 SGB III; Angehörige der alten EU-Staaten bedürfen keiner Arbeitserlaubnis). Bei Fehlen einer Arbeitserlaubnis ist ein geschlossener Arbeitsvertrag gleichwohl nur gem § 134 nichtig, wenn beide Beteiligten gegen das Beschäftigungsverbot absichtlich verstoßen (Nichtigkeit von Anfang an, vgl BAG 22, 22; Staud/Sack Rn 284) oder wenn eine erforderliche Erlaubnis bestandskräftig verweigert wird oder aus anderen Gründen ausgeschlossen ist (ebenso Staud/Sack Rn 284 gegen BAG NZA 1991, 341, 343). Ist hingegen eine erforderliche Arbeitserlaubnis zwar beantragt, aber noch nicht erteilt, oder soll sie beantragt werden oder läuft sie während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses aus, dann soll der Arbeitsvertrag nach der in der Rspr vorherrschenden Meinung wirksam sein, aber gekündigt werden können (BAG 22, 22; NJW 1977, 1023, 1608; AP § 19 AFG Nr 2, 3; NZA 1991, 341, 343; LAG Hamm NZA-RR 1999, 240; Marschner BB 1998, 370; MüKo/Armbrüster Rn 79; aA Staud/Sack Rn 284 iVm Rn 167ff). P Arbeitsrecht/Gesellschaftsrecht. Es kann sich (etwa im Bereich der sog ‚Scheinselbständigkeit‘) 32 ergeben, dass ein Gesellschafter einer Personengesellschaft in Wahrheit Arbeitnehmer ist. Für diesen Fall ist die Auffassung vertreten worden, der Gesellschaftsvertrag sei wegen Unvereinbarkeit mit dem „arbeitsrechtlichen Rechtsformzwang“ nichtig, ein wirksamer Arbeitsvertrag sei zudem nicht gewollt (Lieb RdA 1975, 49, 50ff). Diese Auffassung hat sich nicht durchgesetzt; zumindest den Gesellschaftsvertrag wird man als typengemischten Vertrag grds als wirksam zu behandeln haben (Einzelheiten v. Hoyningen-Huene NJW 2000, 3223ff mwN). P Arbeitsrecht/Gesundheitsrecht, Krankheit. Ob ein Arbeitsvertrag wirksam ist, der entgegen 33 §§ 42, 43 Infektionsschutzgesetz (IfSG, BGBl 2000 I S 1045; letzte Änderung BGBl 2009 I S 2091) ohne Vorlage des vorgeschriebenen Gesundheitszeugnisses abgeschlossen wurde, ist im Einzelfall zu prüfen. Für die ähnliche Vorgängerregelung in §§ 17, 18 BSeuchG war die Frage str (bejahend: LAG Frankfurt DB 1966, 1023; LAG Hamm DB 1969, 1995;s für den Fall, dass nicht nur das erforderliche Gesundheitszeugnis fehlt, sondern auch die gesundheitlichen Voraussetzungen für seine Erteilung, auch Staud/Sack Rn 253; verneinend BAG AP Nr 1, 2 zu § 18 BSeuchG; für das IfSG Nichtigkeit bejahend MüKo/Armbrüster Rn 76). – Gerade wegen der Bedeutung des (strafbewehrten) Verbotes für den Gesundheitsschutz ist in der Rspr ein Vertrag eines Handelsvertreters, der auf die Verletzung von Vorschriften der Heilmittelwerbung gerichtet war, für nichtig erachtet worden (BGH 53, 156). Zur Kürzung von Prämien wegen Krankheit vgl BAG 39, 67 (sehr str). Nicht gegen ein Verbotsgesetz (hier § 5 I S 3 iVm § 12 EFZG) verstößt eine arbeitsvertragliche Verpflichtung, eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits für den ersten Krankheitstag beizubringen (BAG 86, 357). P Arbeitsrecht/Gleichbehandlung. Zur Gleichbehandlung der Arbeitnehmer und zum Diskriminie- 34 rungsverbot allg vgl bereits unter Rn 25 „Arbeitsrecht“. Das Verbot geschlechtsbezogener Benachteiligung (Art 157; Art 3 GG) wird für Arbeitsverhältnisse seit dessen Inkrafttreten durch das Allg Gleichstellungsgesetz (AGG, BGBl 2006 I 1897; vgl auch Rn 23a) gesichert. Auf die Rspr und Lit zu diesem Gesetz ist zu verweisen. Die aus der Zeit vor der Neuregelung stammende Rspr und Lit zur Gleichbehandlung von Mann und Frau im Arbeitsverhältnis (vgl dazu die Hinw Erman/Palm11 Rn 34) behält ihre Bedeutung sowohl für Fälle aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des AGG als auch für die Interpretation des AGG. – Unwirksam ist ein Arbeitsvertrag, der gegen ein gesetzliches Beschäftigungsverbot für Frauen (vgl Staud/Sack Rn 207) verstößt. – Ist ein Arbeitsvertrag durch den Eintritt einer Krankheit, der Eheschließung oder einer Schwangerschaft auflösend bedingt, ist diese Bedingung wegen Verstoßes gegen das EFZG (vorm LohnfortzG; vgl LAG Berlin BB 1961, 95) bzw gegen Art 1, 2, 6 GG (BAG 4, 285; BB 1957, 1036; 59, 160) bzw das MuSchG (BAG DB 1959, 174) unwirksam. Zulässig ist hingegen eine Probezeitabrede mit einer Schwangeren (LAG Hannover NJW 1978, 605). Die Verpflichtung, empfängnisverhütende Medikamente zu nehmen, ist allerdings nichtig (LAG Hamm DB 1969, 2354). P Arbeitsrecht/Jugendarbeitsschutz. Ein Arbeitsvertrag unter Verletzung des Beschäftigungsver- 35 bots für Kinder (§§ 5, 7 JArbSchG) ist ex nunc nichtig (BAG JZ 1973, 382; Staud/Sack Rn 256). Allerdings sind insoweit die Grundsätze über fehlerhafte Arbeitsverhältnisse (Nichtigkeit idR nur für die Zukunft, vgl Rn 14 und Rn 25 „Arbeitsrecht“) zu beachten. Bei einem Verstoß gegen die vielfältigen Beschäftigungsverbote und -beschränkungen der §§ 22ff JArbSchG wird Nichtigkeit nur in solchen Ausnahmefällen und in dem Ausmaß in Betracht kommen, in denen der Zweck der den Jugendlichen schützenden Norm diese Rechtsfolge erfordert. Zu den Bestimmungen über Arbeitszeit und Freizeit von Jugendlichen (§§ 8ff JArbSchG) vgl Staud/Sack Rn 256 und Zmarzlik DB 1988, 442. P Arbeitsrecht/Kündigung, Befristung. Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Ar- 36 beitgeber ohne die erforderliche ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrates durch den Arbeitgeber gem § 102 I S 1, 2 BetrVG (vgl dazu etwa: BAG NZA 2006, 990; 2005, 1233; 2004, 1330; 2003, 927) ist schon nach § 102 I S 3 BetrVG unwirksam; einer Heranziehung des § 134 bedarf es nicht. Das gilt auch bei Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes entgegen §§ 15 KSchG, 103 I BetrVG. Unwirksam sind auch die Kündigung eines Schwerbehinderten ohne die nach §§ 85, 90 oder 91 SGB IX erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes (früher §§ 15, 18 SchwbG; vgl dazu: BAG 84, 133; NJW 2005, 2796 und 3514; 2006, 1614; Bitzer NZA 2006, 1082; Deibel NVwZ 2006, 63; Gaumann NJW 2006, 1110; Thüsing/Wege NZA 2006, 136; dasselbe gilt für die sonstige Beendigung eines Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten bei erweitertem Beendigungsschutz gem § 92 SGB IX; vgl ferner auch Rn 90

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§ 134

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

„SGB IX“), die Erschwerung einer Kündigung ggü den gesetzlichen Voraussetzungen des § 626 (BGH NJW 2000, 2983; NJW-RR 2008, 1488 – Vereinbarung, nach der im Fall einer außerordentlichen Kündigung ein Übergangsgelds zu zahlen ist; BAG 99, 24; NJW 2005, 3230, 3231) sowie die Verträge, die der Umgehung des Kündigungsschutzes (etwa §§ 620ff; KSchG) dienen (vgl BAG 26, 417 – bedingter Aufhebungsvertrag; BAG 10, 65; 13, 129; DB 1982, 121; 26, 417; LAG Hamm AuR 1997, 494; Enderlein RdA 1998, 90 – auflösende Bedingung; BAG 10, 65; 25, 125; 47, 314; 82, 101; 83, 82; NJW 1998, 1350; 1998, 2237; NJW 1999, 597; NZA 1997, 313; 1997, 941; 1997, 1222; 1998, 1118 – unzulässige Befristung; NJW 2001, 532; LAG Brandenburg NZA-RR 1997, 127 – Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers; LAG Hessen NZA-RR 2000, 413 – vorzeitige Pensionierung; BGH NJW 2000, 2983 – Vereinbarung einer Abfindung für den Fall einer Kündigung nach § 626; zur Problematik insgesamt Bickel JuS 1987, 861). – Zu beachten ist, dass das Gesetz für die Teilzeitarbeit ein eigenständiges Kündigungsverbot mit Regelung der Unwirksamkeit enthält (§ 11), das neben das allg Kündigungsrecht tritt. Eine Änderungskündigung ist (§ 4 IV TVG, § 13 III KSchG) unwirksam, wenn sie auf den Abbau tarifvertraglich gesicherter Leistungen oder eine sonstige tarifwidrige Gestaltung des Arbeitsvertrags abzielt (BAG NJW 1999, 2541 mwN aus der früheren Rspr; vgl auch BAG NZA 1999, 255). 37

P Arbeitsrecht/Tarifrecht, Betriebsverfassungsrecht. Keine Verbotsgesetze im Verhältnis Arbeitgeber/Arbeitnehmer sind § 75 BetrVG – Grundsätze für die Behandlung von Betriebsangehörigen (vgl Boemke JuS 1995, 522) und § 99 BetrVG – Mitbestimmung des Betriebsrates bei personellen Einzelmaßnahmen (MüKo/Armbrüster Rn 82; Staud/Sack Rn 215). Dagegen ist § 134 bei Verstößen von Betriebsvereinbarungen gegen vorrangiges Tarifrecht iSv § 77 III BetrVG anzuwenden. Für Einzelheiten muss insoweit auf die umfangreiche Spezialliteratur verwiesen werden (vgl etwa Kort NZA 2005, 620; Thon NZA 2005, 858; Goethner NZA 2006, 303). Zu §§ 102 und 103 BetrVG – Mitbestimmung des Betriebsrates bei Kündigungen vgl Rn 36 – „Arbeitsrecht/Kündigung, Befristung“. – Zu § 10 BAT als Verbotsgesetz eingehend BGH NJW 2000, 1186 mwN – keine Nichtigkeit durch tarifvertragswidrige Annahme eines Geschenks, BayObLG NJW 1995, 3260 und Hamm NJW-RR 1999, 424.

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P Arbeitsrecht/Urlaub. Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) regelt den Anspruch eines Arbeitnehmers weitgehend zwingend. Von den Regelungen kann zwar in den Grenzen von § 13 I 1, 2, II und III BUrlG durch Tarifvertrag abgesehen werden (dazu ua Vossen RdA 2006, 382). IÜ sind aber vertragliche Abweichungen zuungunsten des Arbeitsnehmers – durch Tarifvertrag wie durch Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag, von § 7 II 2 abgesehen, unzulässig (§ 13 I 3 BUrlG). Vereinbarungen, die gegen die zwingenden Bestimmungen des Urlaubsrechts verstoßen, sind – auch wenn sie sich erst auf die Zeit nach Ende des Arbeitsverhältnisses beziehen – gem § 134 unwirksam (BAG 20, 24, 25; vgl auch BAG DB 1985, 48; BB 1988, 1744; NJW 2001, 460, 461). – Ob Arbeitsverträge wirksam sind, die Arbeitnehmer für die Dauer des Urlaubs unter Verstoß gegen § 8 BUrlG schließen, ist str (für Nichtigkeit, mE zutr, Staud/Sack Rn 224 mwN; aA Dieckhoff DB 1966, 1235; vgl auch BAG AP § 8 BUrlG Nr 3).

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P Arbeitsrecht/Vergütung, Lohn. In einem Arbeitsvertrag kann die Vergütung für den Arbeitnehmer (§§ 611, 612) zwar grds bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit (dazu § 138 Rn 76) frei vereinbart werden. Allg gesetzliche Mindestlöhne werden politisch diskutiert, sind aber bisher nicht eingeführt. Die Vereinbarungsfreiheit ist jedoch vor allem durch das Tarifrecht weitgehend beschränkt. Für tarifgebundene Arbeitnehmer ist die vertragliche Unterschreitung des Tariflohnes oder die einzelvertragliche Vereinbarung von Ausschlussfristen für tarifliche Rechte schon nach § 4 III, IV S 3 Tarifvertragsgesetz (TVG) unzulässig (st Rspr seit BAG 1, 348, 352; vgl auch zB BAG NJW 2000, 1186, 1187 und NZA 2005, 1320; diese Regelung geht als Spezialregelung § 134 vor. Ein für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag (§ 5 TVG) enthält – vorbehaltlich etwaiger Ausnahmen – für seinen Geltungsbereich ein allg gesetzliches Verbot (dazu: Staud/Sack Rn 24 mwN) für die Vereinbarung von Arbeitslöhnen, die unter den Tariflöhnen liegen. Nichtig ist ferner eine Vergütungsabrede, die gegen § 4 TzBfG verstößt, wonach der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nicht wegen der Teilzeitarbeit ggü vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschiedlich behandeln darf (BAG DB 1989, 1726; NZA 1995, 936; NJW 1996, 2810 und 2812; vgl auch BVerfG NZA 1993, 741). Zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Arbeitslohn vgl iÜ Rn 34 „Arbeitsrecht/Gleichbehandlung“; zu unterschiedlichen Vergütungssätzen bei sachgerechter Gruppenbildung: BAG NJW 1997, 2000; Söllner NZA 1996, 847; zur Gleichbehandlung bei der Vergütung im Verhältnis altes Bundesgebiet/ Beitrittsgebiet: BAG ZIP 2000, 1680. Vgl iÜ Rn 25 „Arbeitsrecht“. – Ungültig ist auch ein Verzicht auf Lohnfortzahlung entgegen §§ 2ff iVm § 12 EFZG (BAG 24, 1; NJW 1980, 2325; 1981, 1061; NJW 2002, 1819; NZA 2002, 1163). Das gilt jedoch dann nicht, wenn ein vergleichsweiser Verzicht auf eine bereits entstandene Forderung vorliegt (BAG NJW 1977, 1213); ähnlich § 4 IV S 1 TVG für einen Verzicht auf tarifliche Rechte.

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P Arbeitsrecht/Versorgungsregelung. Das – seit dem Erlass am 19.12.1974 vielfach geänderte – Betriebsrentengesetz (BetrAVG, BGBl I 1974 S 3610; letzte Änderungen BGBl I 2008 S 2940) schränkt die Zulässigkeit von Vereinbarungen über eine Abfindung (§ 3) oder eine Übertragung unverfallbarer Anwartschaften (§ 4) ein; ein Verstoß gegen diese Regelungen fällt unter § 134 (für Abfindung: BAG 44, 29 = WM 1984, 856; BB 2002, 2333; NZA 2007, 278; zur Abgrenzung BAG DB 2006, 959 = NZA-RR 2006, 336. Zur Übertragung gem § 4 id jetzigen Fassung Kock BB 21004, 1162; Reichel/Volk DB 2005, 886; Rolfs NZA 2005, 745; str ist vor allem die Übertragbarkeit bei Unternehmensspaltungen; dazu: BAG NZA 2005, 639; Bahnsen NJW 2005, 3328; Langohr-Plato NZA 2005, 966).

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P Architekt/Ingenieur. Beim Grundstückserwerb oder beim Erwerb eines Erbbaurechts (Custodis DNotZ 1973, 526, 534f) sind die Vereinbarung einer Architektenbindung, die Verpflichtung zur Übernahme eines vom Veräußerer eingegangenen Architektenvertrags oder die Bindung an Pläne eines

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Willenserklärung

§ 134

bestimmten Architekten wegen § 3 IngALG nichtig (dazu allg Pauly BauR 2006, 769); erfasst wird dabei jede Gestaltung, die den Erwerb eines Grundstücks rechtlich oder tatsächlich unmittelbar oder mittelbar von dem Auftrag an einen bestimmten Architekten abhängig macht (BGH 70, 55, 60; 89, 240, 243; NJW 1982, 2189; 1983, 227; NJW-RR 1992, 1372; NJW-RR 1998, 952; dazu auch Lauer BB 1998, 1969; BGH NJW 2000, 2354; NJW-RR 2006, 1249; KG NJW-RR 1992, 916); das gilt auch nach Architektenwettbewerben der öffentlichen Hand (Hamm NJW-RR 1996, 662 abw v Köln NJW-RR 1989, 1110) oder wenn das Grundstück dem Architekten selbst gehört (BGH 70, 55, 59) oder wenn der Erwerber die Planung des Architekten nicht verwerten muss (BGH NJW 2000, 2354), nicht hingegen bei Verträgen mit Bauträgern (vgl BGH 63, 302; 96, 275, 278f; NJW-RR 1989, 147). Das Verbot greift auch ein, wenn eine Architektenbindung anlässlich einer Auftragserteilung zur Grundstücksvermittlung eingegangen wird (BGH WM 1979, 759f; 80, 17f; Hamm BauR 1974, 135) oder ein Grundstücksnachweis vom Abschluss eines Architektenvertrags abhängig gemacht wird (BGH 64, 173; NJW-RR 1998, 952). Dagegen gilt das Koppelungsverbot grds nicht, wenn ein Käufer ein Grundstück von einem Architekten erwirbt und sich ein Dritter aus Eigeninteresse an dem Geschäft verpflichtet, an den Architekten ein Honorar zu zahlen (BGH NJW-RR 2006, 1249 und dazu NJW-Spezial 2006, 360). Zur Abgrenzung verbotener von zulässigen Vereinbarungen vgl auch BGH NJW 1993, 2240; 2000, 2354; BauR 2000, 1213; Hamm BauR 1993, 494 (Haß), Frankfurt NJW 1995, 1484 und LG Kiel NJW-RR 1995, 981. Eine Verletzung berufsordnungsrechtlicher Bestimmungen durch den Architekten (etwa Nichteintragung in die Architektenliste) führt idR nicht zu einer Nichtigkeit eines mit dem Architekten geschlossenen Vertrags (Naumburg IBR 2006, 1249; Kesselring/Hennig NJW 2006, 3472, 3474). Für die Vergütung von Architekten- und Ingenieurleistungen sind durch die HOAI bindende Mindest- und Höchstsätze festgesetzt (§ 7 I HOAI). Sie bilden den preisrechtlichen Rahmen, in dem Honorarvereinbarungen zulässig sind. Ausnahmen sind nur in engen Grenzen gestattet (etwa § 7 III, IV und VII HOAI). Die Regelung ist im Grundsatz verfassungskonform; die Mindestsätze gelten allerdings nicht für Architektenwettbewerbe (BVerfG NJW 2006, 495; dazu Schwenker BauR 2005, 1046). Umstr sind die Vereinbarkeit der Regelung mit dem EG-Wettbewerbsrecht und der EG-Dienstleistungsfreiheit sowie die Anwendbarkeit bei grenzüberschreitenden Architekten- und Ingenieurverträgen (vgl dazu EU-Kommission NZBau 2005, 71; BGH NJW 2003, 2020; Fetsch NZBau 2005, 71; Hartung NZBau 2003, 353; Hettich NZBau 2005, 190; Hök BauR 2002, 1471; Quack ZfIR 2003, 419; Wenner ZfIR 2003, 421). Jedenfalls im Inland verstößt eine unzulässige vertragliche Unterschreitung der Mindestsätze oder Überschreitung der Höchstsätze gegen das in dieser Regelung liegende gesetzliche Verbot. Das Verbot erfasst auch Unterschreitungen oder Überschreitungen des preisrechtlichen Rahmens durch die Vereinbarung von zu niedrigen oder zu hohen Bemessungsfaktoren, etwa einer zu niedrigen Honorarzone. Ein preisrechtlicher Verstoß liegt aber nicht vor, solange sich das Honorar, das sich insgesamt aus den vereinbarten Bemessungsregelungen ergibt, noch in dem vorgegebenen Rahmen hält. Darlegen muss einen Verstoß gegen § 7 HOAI, wer daraus für sich eine günstige Rechtsfolge ableitet (BGH NJW-RR 2002, 159, 160 mwN). Rechtsfolge eines Verstoßes ist, dass an die Stelle der unzulässigen Vergütungsvereinbarung die Mindest- bzw Höchstvergütung nach der HOAI tritt (vgl auch § 7 VI S 1 HOAI). Zum Ganzen und zu wichtigen Einzelfragen vgl vor allem: BGH 60, 199, 205; 133, 399, 401f; 136, 1; 136, 125, 136; 159, 376; 160, 267; BGH BauR 1990, 239; NJW 1993, 661; 1997, 2329; NJW-RR 1997, 1448; NJW 1998, 2672; NJW 2000, 1114; NJW-RR 2002, 159; NJW-RR 2003, 593; NJW-RR 2004, 233; NJW-RR 2005, 669, 671; NJW-RR 2005, 749; BVerwG NJW-RR 1999, 1542; Averhaus ZfIR 2005, 414; Jagenburg NJW 1997, 2277, 2282; Kesselring NJW 2006, 3472, 3478: Neuenfeld BauR 1998, 458 und NZBau 2005, 15; Steeger BauR 2003, 794. Nicht unter das Verbot fallen Honorarvereinbarungen für untypische Leistungen eines Architekten, die vom Regelungsbereich der HOAI nicht erfasst werden (BGH NJW 1998, 1228; Kesselring/Hennig NJW 2004, 3535, 3539f und NJW 2006, 3472, 3477), sowie Vereinbarungen über die geschuldete Vergütung, die nach Beendigung der Architektentätigkeit getroffen werden (etwa Erlass, Vergleich; BGH NJW-RR 2001, 1384; NJW 2003, 200; Düsseldorf NJW-RR 1998, 1099; Hamm NJW-RR 1998, 811; Naumburg NZBau 2003, 44). Wenn der Architekt nach einer unter den Mindestpreisen liegenden Pauschalpreisvereinbarung später den Mindestpreis berechnen will, kann ihm der Auftraggeber uU § 242 (widersprüchliches Verhalten) entgegensetzen (BGH 136, 1). Zu § 242 vgl aus jüngerer Zeit ferner Celle NZBau 2005, 470; Koblenz NZBau 2005, 466 und BauR 2006, 551; Köln NZBau 2005, 467 und BauR 2005, 582; Für weitere Einzelheiten muss auf die Spezialliteratur zur HOAI verwiesen werden. P Arzneimittelrecht. Verträge zum Erwerb apotheken- oder rezeptpfl Arzneimittel sind nach wohl 42 hM idR auch dann wirksam, wenn dabei Bestimmungen des Arzneimittelrechts über die Abgabe von Arzneimitteln (etwa §§ 43ff, 56ff AMG) verletzt werden; etwaige Verstöße werden insoweit in erster Linie nicht zivilrechtlich, sondern öffentlich-rechtl (Bsp: OVG Münster NJOZ 2006, 2484; VGH München NJW 2006, 715) zu sanktionieren sein (BGH NJW 1968, 2286; dazu Hoschbach NJW 1973, 446; aM MüKo/Armbrüster Rn 90; differenzierend Staud/Sack Rn 203). Seit einer zum 1.1.2004 in Kraft getretenen Neufassung von §§ 43, 73 I Nr 1a AMG und §§ 11a/11b ApG ist auch der Versandhandel mit (rezeptfreien und rezeptpflichtigen) Arzneimitteln durch Apotheken grds nicht mehr verboten; das gilt auch für den Versandhandel (nicht für die Versteigerung) apothekenpflichtiger Arzneimittel, VGH München NJW 2006, 715) über das Internet (dazu: Bücker/Gabriel JuS 2007, 60; Hösch GewA 2004, 14; Koch EuZW 2004, 50; Marwitz MMR 2004, 218; zur Bedeutung der Warenverkehrsfreiheit gem Art 28 EGV für den Versandhandel vgl EuGH NJW 2004, 131; König/Meurer/Enelmann EWS 2004, 65; Lenz NJW 2004, 332; Mand MMR 2004, 149; Streinz JuS 2004, 518). Die ältere Rspr und Lit zum Verbot des Versandhandels (auch Internethandels) mit Arzneimitteln ist durch die Rechtsentwicklung weitgehend überholt. Im Zusammenhang mit der Freigabe des Versandhandels wird auch die früher verbotene Abgabe von Arzneimitteln an einem Außenschalter nicht mehr als unzulässig ange-

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§ 134

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

sehen (BVerwG NVwZ 2005, 1198). Ein Verbotsgesetz enthält hingegen die durch G v 7.9.1998 (BGBl I 2649) neu eingefügte Bestimmung des § 6a I AMG (dazu: Lippert NJW 1999, 837; Mayer SpuRt 2002, 97), die es bei Strafandrohung (§ 95 I Nr 2a AMG; dazu Heger SpuRt 2001, 92; Leipold NJW-Spezial 2006, 423) untersagt, Arzneimittel zu Dopingzwecken im Sport in den Verkehr zu bringen, zu verschreiben oder bei anderen anzuwenden (aM Staud/Sack Rn 203). Bei einem strafbaren Verstoß (vgl dazu etwa BayObLG NJW 1996, 1606; Hamburg NStZ 1995, 598; AG Solingen NJW 1996, 1607) kommt iÜ § 138 in Betracht. Nach wie vor iSv § 134 verboten ist ein Arzneimittelverkauf im Reisegewerbe unter Verstoß gegen § 51 I (früher § 36) AMG (Staud/Sack Rn 203; LG Stuttgart NJW 1965, 354 zu § 36 aF; LG Düsseldorf, NJW 1980, 647). Ferner kann ein Verstoß gegen das Importverbot für nicht zugelassene bzw registrierte Arzneimittel gem § 73 AMG zur Nichtigkeit gem § 134 führen (Karlsruhe NJW-RR 2002, 1206; vgl auch KG MMR 2005, 246 = WRP 2005, 514). Vgl auch Rn 24 „Apothekengesetz“. 43

P Arzt/Bundesärzteordnung (BÄrzteO): Wer in Deutschland einen ärztlichen Beruf ausüben will, bedarf (von Sonderregelungen für Ärzte aus der EU und aus Vertragsstaaten abgesehen, §§ 2 III, 10b BÄrzteO) der Approbation als Arzt (§ 2 I BÄrzteO) oder – für eine vorübergehende oder eine auf bestimmte Tätigkeiten beschränkte Ausübung des ärztlichen Berufs – einer Erlaubnis (§§ 2 II, 10 BÄrzteO). Die Regelung soll Patienten vor einer nicht sachgemäßen ärztlichen Behandlung durch eine dafür nicht qualifizierte Person schützen. Deshalb ist diesen Bestimmungen nach ihrem Sinn und Zweck zu entnehmen, dass sie die vertragliche Übernahme ärztlicher Leistungen durch eine Person, der die erforderliche Approbation oder Erlaubnis weder erteilt ist noch erteilt werden kann, iSv § 134 verbieten. Damit unvereinbare Verträge sind nichtig; das gilt sowohl für Heilbehandlungsverträge mit einem Patienten (Staud/Sack Rn 206) als auch für Arbeitsverträge, die (etwa zw einem Krankenhaus und einer solchen Person oder zw einem niedergelassenen Arzt und einer solchen Person als Vertreter) auf eine ärztliche Tätigkeit gerichtet sind (BAG MedR 2005, 362; Düsseldorf NJW 1988, 2308; Spickhoff NJW 2006, 1630, 1632), als auch für einen Gesellschaftsvertrag, in dem eine solche Person die Verpflichtung zu ärztlichen Leistungen übernimmt (vgl München MedR 2006, 172 zu einem Gemeinschaftspraxisvertrag; Spickhoff NJW 2006, 1630, 1632; vgl auch zu Kooperationsformen ärztlicher Tätigkeit: Saenger NZS 2001, 234). Unwirksam ist auch – wegen Verstoßes gegen die Zulassungsverordnung für Vertragsärzte – die Übernahme einer kassenärztlichen Praxis durch einen Arzt ohne Kassenzulassung (München NJW-RR 1998, 1441). Als Vergütung für die ärztliche Tätigkeit sieht die GOÄ (§§ 3ff) Rahmengebühren mit Höchst- und Mindestsätzen vor; die Bestimmungen gelten auch für die Abrechnung medizinisch nicht indizierter kosmetischer Operationen (BGH NJW 2006, 1879; Stuttgart NJW-RR 2002, 1604, 1605). Für die Vereinbarung einer von dem Rahmen der GOÄ abw Höhe ist Schriftform mit zusätzlichen Modifikationen vorgeschrieben (§ 2), bei Nichteinhaltung der Form tritt Nichtigkeit schon nach § 125 ein. Für Vergütungsvereinbarungen nach der GOZ gilt dies entspr (zu den inhaltlichen Anforderungen an eine wirksame Vereinbarung nach der GOZ sehr instruktiv BGH NJW 1998, 1786ff sowie – einschränkend – BVerfG NJW 2005, 1036). Zur Anwendung von § 4 bei Abrechnung wahlärztlicher Leistungen im Krankenhaus: LG Konstanz VersR 2003, 867; Krämer ArztR 2003, 181; Schulte/Eberz MedR 2003, 388 und Spickhoff NJW 2004, 1710, 1712f. Zur Abgrenzung einer verbotenen Provision von zulässiger Vergütung Bonvie MedR 1999, 64. Zur Wirksamkeit von grenzüberschreitenden Vergütungsvereinbarungen für ärztliche Leistungen (zB Arzt im Inland/Patient im Ausland oder umgekehrt) Spickhoff NJW 2004, 1710 und Spoerr/Uwer MedR 2003, 668, 673. Ein Arzt oder Zahnarzt kann ohne Zustimmung seines Patienten seinen aus privatärztlicher Behandlung entstehenden Anspruch auf Vergütung oder Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns nicht wirksam unter Übergabe der Abrechnungsunterlagen zur Rechnungserteilung und Einziehung an eine (gewerbliche oder auch privatärztliche) Verrechnungsstelle abtreten, weil er damit unter Verletzung von § 203 I Nr 1 StGB gegen seine ärztliche Schweigepflicht verstößt (vgl BGH 115, 123; NJW 1992, 2348; LM Nr 145; NJW 1996, 775 für den Schadensersatzanspruch; der Auffassung des BGH ist die obergerichtliche Rspr einhellig gefolgt, vgl zB Bremen NJW 1992, 757; Düsseldorf NJW 1994, 2421; Hamm NJW 1993, 791; Karlsruhe NJW 1998, 831; Köln MDR 1992, 447; NJW 1993, 793; MedR 1996, 369; Oldenburg NJW 1993, 758; zur Abgrenzung vgl Celle NJW 1995, 786 und LG Dortmund NJW-RR 2006, 779 – Tierarzt – und LG Bonn NJW 1995, 2419 – Einzugsermächtigung bei Krankenhausbehandlung; s auch Berger NJW 1995, 1584; Brötel NJW 1998, 3387 – zur Bedeutung der neueren Rspr für § 807 ZPO; Gramberg-Danielsen/Kern NJW 1998, 2708 – insb zutr gegen eine unterschiedliche Beurteilung der Abtretung an gewerbliche Verrechnungsstellen einerseits und privatärztliche Verrechnungsstellen andererseits; Hohenstatt AnwBl 1993, 603 und 94, 60; Körner-Dammann NJW 1992, 729; Taupitz MDR 1992, 421; zur formularmäßigen Einwilligung des Patienten Fischer/Uthoff MedR 1996, 115; zum notwendigen Inhalt der Einwilligung Karlsruhe NJW 1998, 831; LG Stuttgart NJW-RR 1997, 1068; zum Verhältnis von § 203 StGB und § 302 II SGB V sowie zur Abtretbarkeit von Vergütungsforderungen nichtärztlicher Leisungserbringer: Hamm NJW 2007, 849 und dazu krit Lips/Schönberger NJW 2007, 1567). – Ebenfalls wegen Verstoßes gegen § 203 I Nr 1 StGB nichtig ist die bei Veräußerung einer Arztpraxis übernommene Verpflichtung, dem Erwerber – auch ohne Zustimmung der betroffenen Patienten – die Patienten- und Beratungskartei zu übergeben (abw von der früheren Rspr, vgl BGH NJW 1974, 602: BGH 116, 268, 272; NJW 1992, 1545; KG NJW-RR 1996, 431; vgl auch BGH NJW 1995, 2026; dazu Hohenstatt AnwBl 1994, 60; Hülsmann/Maser MDR 1997, 111; Kamps NJW 1992, 1545; Körner-Dammann NJW 1992, 1543). Die Nichtigkeit trifft in diesen Fällen gerade auch das Erfüllungsgeschäft. Die Nichtigkeit der Vereinbarung zur Übergabe der Kartei kann über § 139 trotz einer salvatorischen Klausel zur Gesamtnichtigkeit des Veräußerungsvertrags führen (BGH NJW 1996, 774 mwN; KG NJW-RR 1996, 431). – Verträge zw Ärzten über die gegenseitige Patientenzuweisung sind

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§ 134

bei Verstoß gegen die Berufsordnung für Ärzte nichtig (BGH NJW 1986, 2360; LG Heidelberg MedR 1998, 273; aM Taupitz JZ 1994, 226f mwN). Zu den gesetzlichen Grenzen für die Gentherapie, die Fortpflanzungsmedizin und die Transplantationsmedizin – und damit auch für Rechtsgeschäfte in diesem Bereich – Laufs NJW 1998, 1750, 1754 und NJW 1999, 1758, 1762ff mwN. Vgl ferner Rn 97 – „Transplantationsgesetz.“ Vgl auch Rn 21 „Abtreibung“, Rn 50 „berufsständische Satzung“, Rn 53 „Embryonenschutzgesetz“, und Rn 66 „Heilbehandlung“ sowie zur Nichtigkeit bei Verstoß gegen § 203 StGB auch Rn 80 „Patentanwalt“, Rn 84 „Rechtsanwalt“, Rn 92 „Steuerberater“ und zum Gebührenrecht auch Rn 41 „Architekt/Ingenieur – HOAI“. P Im Außenwirtschaftsverkehr kommt eine Unwirksamkeit gem § 134 zumindest für solche Ver- 44 träge in Betracht, die deutschem Recht unterliegen und mit Bestimmungen des Außenwirtschaftsgesetzes oder der auf dieser Grundlage ergangenen Verordnungen oder sonstigen für den Außenwirtschaftsverkehr maßgebenden Rechtsvorschriften (etwa: völkerrechtlich verbindliche Embargobestimmungen, Kriegswaffenkontrollgesetz) schlechthin nicht im Einklang stehen; genehmigungsfähige Verträge sind bis zur bestandskräftigen Entscheidung über die Genehmigung hingegen nur schwebend unwirksam (vgl Rn 5). P Bank/Geldinstitut. Zur Kündigung von Giroverträgen mit rechtsextremen politischen Parteien 45 (DVU, NPD) vgl § 138 Rn 82 „Bankkonto“. Zur Abtretung von Darlehnsforderungen gegen Bankkunden vgl Rn 52 – „Datenschutz“; zur Unwirksamkeit von Bankgeschäften vgl iÜ Rn 74 „Kreditwesen“. P Bauordnungsrecht. Ein Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften führt grds nicht über 46 § 134 zur Unwirksamkeit des Vertrags über Werkleistungen an einem Bauwerk (BGH 75, 368; KG JW 1938, 2349; Köln NJW 1961, 1024). Insb ist ein Bauvertrag trotz (noch) fehlender Baugenehmigung wirksam (zu den privatrechtlichen Konsequenzen einer Verweigerung der Baugenehmigung Miersch JuS 2001, 1083). Nichtigkeit kommt in Betracht, wenn von vornherein vereinbart wird, ohne Baugenehmigung oder gegen Bauordnungsrecht zu bauen. Ein Mietvertrag ist auch bei Verstoß gegen ein bauordnungsrechtliches Nutzungsverbot wirksam (BGH 75, 366; VGH Kassel NJW 1964, 2444; OVG Lüneburg DÖV 1968, 699; LG Frankfurt NJW 1977, 1885; aM AG Celle NZM 1999, 473; AG Hamburg NZM 1999, 460; vgl auch zu § 306 BGH NJW 1980, 777; zu § 536 Düsseldorf ZMR 1993, 275 und NJOZ 2006, 2978). P Nach dem Bauplanungsrecht kann ein Anspruch auf Aufstellung oder Änderung einer Bauleitpla- 47 nung entgegen § 1 III 2 BauGB durch Vertrag mit einer Gemeinde nicht wirksam begründet werden (BGH 76, 16, 22; BVerwG NJW 1980, 2538; VGH Mannheim NVwZ 1993, 773). Auch darf eine Gemeinde die Änderung eines Bebauungsplanes nicht davon abhängig machen, dass der bauwillige Eigentümer anstelle eines nicht mehr festsetzbaren Erschließungsbeitrags an sie einen Geldbetrag für einen gemeinnützigen Zweck leistet (BVerwG 111, 162; dazu Grziwotz ZfIR 2000, 720 und Hermanns JA 2001, 200). Bei einer (freiwilligen) Baulandumlegung darf der nach dem Umlegungsrecht zu leistende Flächenbeitrag eines Grundeigentümers nicht durch Vereinbarung eines unangemessen hohen Geldbeitrags ersetzt werden (BVerwG BauR 2002, 57). Zulässig sind aber Vereinbarungen über die Rechtsfolgen des Scheiterns einer vorausgesetzten gemeindlichen Planung (vgl Oerder NVwZ 1997, 1190, 1192). Städtebauliche Verträge mit Privaten sind nach dem Bau- und RaumordnungsG 1998 (BGBl I 1997, 2081) nun in § 11 BauGB geregelt und in den Grenzen dieser Bestimmung (dazu Oerder NVwZ 1997, 1190ff; Busse BayVerwBl 2003, 129; vgl auch Molitor ZfBR 1998, 72) zulässig. Unwirksamkeitsgründe können ein Verstoß gegen § 11 II 2 BauGB oder die Unangemessenheit der vereinbarten Leistung iSv § 11 II 1 BauGB sein (BGH NJW 2003, 888, 889; NJW 2010, 297; Grziwotz DNotZ 2003, 341; Pützhoven NotBZ 2003, 235; Reidt BauR 2004, 941; vgl auch Grziwotz BauR 2005, 812 und Reicherzer KommJur 2004, 327; ferner München NJOZ 2006, 4075; OVG Lüneburg BauR 2006, 1703; LG München NVwZ 2005, 119 m Bespr von Bleuthge MittBayNot 2005, 100; Busse MittBayNot 2005, 103; Reicherzer ZfIR 2004, 981; Roithmaier NVwZ 2005, 56). Ein Erschließungsvertrag mit einer Gemeinde ist insoweit nichtig, als er unter Verstoß gegen § 129 BauGB eine zu geringe Beteiligung der Gemeinde an den Erschließungskosten vorsieht (BGH 65, 368, 370ff; Celle OLG 1971, 16). Dasselbe gilt für eine Vereinbarung zur Ablösung des Erschließungsbeitrags iSv § 133 III 5 BauGB, wenn es an einer wirksamen Ablösungsbestimmung fehlt (VGH Mannheim VBl BW 2004, 224; VGH München BayVerwBl 2005, 438; Naumburg NVwZ-RR 2007, 122). Zur Gültigkeit eines „Vergleichsvertrags“ zw einer Gemeinde und einem Wohnungsbauunternehmen – Verzicht auf Ankaufsrecht und Vorkaufsrecht; Verpflichtung zur Erteilung einer Sanierungsgenehmigung bei Rückerstattung einer Subvention VGH Mannheim NJW 1998, 1089. Vgl auch unter „Koppelungsvertrag“, Rn 73. P Bauträgerverträge/Baubetreuungsverträge, die gegen § 34c I Nr 4 GewO (vgl Frieke GewA 1975, 48 255) oder gegen die zu § 34c III GewO ergangene Makler- und BauträgerVO verstoßen, sind in der Vergangenheit vielfach als gültig angesehen worden (Bremen NJW 1977, 639; Frankfurt NJW 1979, 879 mwN). Eine § 3 MaBV widersprechende Fälligkeitsvereinbarung soll hingegen nach der neueren Rspr (BGH 146, 250; BGH NJW 2007, 1947; Naumburg NJW-RR 2010, 1323, 1324; vgl auch Koblenz NJW-RR 2003, 1173, 1174) gem § 12 MaBV, § 134 mit der Wirkung nichtig sein, dass an ihre Stelle die Regelung des § 641 I tritt. Bei von § 3 MaBV abw Fälligkeitsvereinbarungen lässt sich Nichtigkeit vermeiden, wenn der Bauträger dem Erwerber vor Leistung einer Vorauszahlung vertragsgemäß eine Bürgschaft iSv § 7 MaBV stellt (BGH NZBau 2005, 461; NZBau 2005, 394; vgl dazu auch: EuGH NZBau 2004, 321 und BGH Hinw in NZBau 2005, 488; Einzelh bei Pause NZBau 2006, 342, 344ff mwN). Wegen Verstoßes gegen §§ 3, 12 MaBV nichtig ist ferner die in einem Bauträgervertrag getroffene Vereinbarung, nach der sich der Erwerber der Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unter-

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§ 134

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

wirft und der Notar die Vollstreckungsklausel ohne besonderen Nachw erteilen darf (vgl mit eingehender Darstellung des Meinungsstandes: BGH 139, 387; zur Problematik ferner BGH NJW 2002, 138; Celle BauR 2000, 588; Dresden DNotZ 2000, 126; Frankfurt BauR 2000, 739; Hamm BauR 2000, 1509; Köln NJW-RR 1999, 22 und VersR 2000, 74; Zweibrücken BauR 2000, 1209; LG Mainz NJW-RR 2000, 167; Blomeyer NJW 1999, 472, 473f; Drasdo NZM 1998, 256 – zu BGH aaO – und NZM 1999, 1 sowie Jagenburg/Weber NJW 2001, 3454, 3457 und Pause NJW 2000, 769). 49

P Beamtenrecht/öffentlicher Dienst. Die Nebentätigkeit eines Beamten oder Angestellten ohne die nach dem Beamtenrecht oder dem BAT erforderliche Erlaubnis führt nicht zur Nichtigkeit des über die Nebentätigkeit geschlossenen Vertrags (BGH NJW 1974, 1377; Schleswig SchlHA 1974, 205). Dagegen folgt aus einem Verstoß gegen das Verbot der Vorteilsannahme (§ 43 BRRG, § 70 BBG, § 331 StGB) die Unwirksamkeit der Vereinbarung (Stach NJW 1988, 943; vgl zu § 10 BAT aber Rn 37 „Arbeitsrecht/Tarifrecht“; zur Abgrenzung einer verbotenen Vorteilsannahme von einer zulässigen erbrechtlichen Zuwendung vgl BayObLG NJW 1995, 3260).

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P Berufsständische Satzungen. Durch öffentlich-rechtl berufsständische Satzungen, die aufgrund einer entspr gesetzlichen Regelung erlassen worden sind, kann in den sog freien Berufen die Berufsausübung verbindlich geregelt werden. Die Satzungsregelungen müssen allerdings wie ihre gesetzliche Grundlage im Hinblick auf Art 12 GG durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen; sie müssen sich an den gesetzlichen Vorgaben für das jew Berufsbild ausrichten; Vorgaben für das berufliche Verhalten – insb für das Wettbewerbsverhalten einschl der beruflichen Werbung – dürfen allein dem Zweck dienen, eine ordnungsgemäße Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben zu sichern und das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand zu wahren; dies alles ist auch für die Auslegung der Satzungen zu beachten (st Rspr des BVerfG, vgl zB BVerfG 34, 293; 71, 162; 71, 183; 85, 248; NJW 1993, 2988; 2002, 1864 – Berufsordnungen für Ärzte; ZMR 1997, 169 und 170 – Standesrecht für Architekten; 94, 372 – Berufsrecht der Apotheker; NJW 1997, 2510 – Standesrecht der Notare; 57, 121, 130f; 76, 171; 76, 196; 92, 18 – anwaltliches Standesrecht; 36, 212, 217; 60, 215, 229 – Standesrecht der Steuerberater; NJW 2000, 2734; 2002, 3091 – Berufsordnung der Tierärzte; vgl zum Verhältnis Verfassungsrecht/Berufsrecht auch Eickhoff NJW 1998, 798, Lorz NJW 2002, 169ff und Zuck NJW 2001, 2055, jeweils mwN). Inwieweit solche berufsrechtlichen Satzungsregelungen als gesetzliches Verbot für Rechtsgeschäfte in Betracht kommen, lässt sich nicht allgemeingültig entscheiden; bedeutsam ist aber in diesem Zusammenhang, dass den Satzungsgebern idR eine durch Gesetz eingeräumte Kompetenz zur unmittelbaren Regelung des Privatrechtsverkehrs fehlt (vgl Rn 8 sowie Staud/Sack Rn 27 und 309). Ob die gegenteilige ältere Rspr des BGH (etwa NJW 1986, 2360, 2361) noch dem heutigen Stand – insb der Rspr des BverfG – entspricht, erscheint zweifelhaft (vgl Taupitz JZ 1994, 221, 226f). In Betracht kommen daher mE allenfalls mittelbare Verbote (vergleichbar mit der Verbotswirkung von Strafgesetzen, des UWG oder ähnlicher Sanktionsnormen). Im Regelfall wird eher an eine Anwendung von § 138 zu denken sein (vgl dazu Staud/Sack Rn 27; ferner zu § 138 Rn 86 „Berufsrecht“). Soweit eine Berufsordnungsregelung überhaupt als Verbotsgesetz in Betracht kommt (Bsp: BayObLG 2000, 301 = MedR 2001, 206), wird in der Grundlinie Ähnliches zu gelten haben, wie etwa bei Verstößen gegen das UWG im Wirtschaftsverkehr (vgl Rn 99 „UWG“): Das Verbot erfasst idR nur Rechtsgeschäfte, die selbst einen Verstoß gegen die Berufspflicht zum Inhalt haben. Rechtsgeschäfte mit Dritten hingegen, die (nur) durch den Verstoß gegen die Berufspflicht zustande gekommen sind, sind im Allg wirksam.

51

P Betäubungsmittelgesetz. Bei einem Verstoß gegen §§ 29, 29a, 30, 30a, 30b iVm mit der Erlaubnispflicht gem §§ 3ff BetäubungsmittelG ist sowohl das Verpflichtungsgeschäft als auch das Erfüllungsgeschäft nichtig (vgl BGH NJW 1983, 636; Staud/Sack Rn 223; MüKo/Armbrüster Rn 10). P Bundesnotarordnung. Ein vorläufig seines Amtes enthobener Notar kann nicht wirksam über Geld verfügen, das sich auf einem Notaranderkonto befindet, weil § 55 II 3 BNotO eine absolut wirkende Verfügungsbeschränkung enthält.

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P Auch das Datenschutzrecht enthält für den Zivilrechtsverkehr bedeutsame Verbotsgesetze. Verfassungsrechtlich ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu beachten (vgl BVerfG 35, 202, 220; 65, 1, 41; 80, 367; 84, 192, 194); es kann durch ein damit unvereinbares Rechtsgeschäft verletzt sein (Bsp: BVerfG NJW 2002, 2164 – Mitteilung von Prämienrückständen bei einer Versicherung an einen Dritten). Nach den Bestimmungen des Datenschutzrechts selbst sind die unerlaubte Übermittlung geschützter Daten an Dritte (§ 4 I iVm § 3 IV Nr 3 und § 43 BDSG) und die unerlaubte Verarbeitung oder Nutzung geschützter Daten im Auftrag (§ 11 iVm § 3 V, VI und § 43 BDSG) unzulässig; damit unvereinbare Rechtsgeschäfte sind gem § 134 nichtig. Zu beachten ist, dass bereichsspezifische Regelungen (etwa § 43a BRAO iVm § 203 StGB für den Rechtsanwalt) Vorrang ggü den Regelungen des BDSG haben (Härting NJW 2005, 1248, 1250). In der zivilrechtlichen Vertragspraxis wird den datenschutzrechtlichen Verbotsgesetzen bisher verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit geschenkt; zu den bisher in der Lit vornehmlich erörterten Aspekten vgl Gola/Klug NJW 2001, 3747, 3749, NJW 2006, 2454 und NJW 2007, 2452; höchstrichterliche Rspr zu § 134 iVm dem BDSG fehlt noch weitgehend. Zum Verkauf von geschützten Kundendaten im Insolvenzfall Hoeren NJW 2002, 37. Nicht verboten sind Rechtsgeschäfte, die zum Übergang geschützter Daten auf einen anderen Rechtsträger im Wege der Gesamtrechtsnachfolge führen (so zutr für das Beisp einer Verschmelzung von Banken Lüttge NJW 2000, 2463; Schaffland NJW 2002, 1539 gegen Wengert/Widmann/Wengert NJW 2000, 1289 und Widmann NJW 2000, 2463). Ob das Datenschutzrecht iVm dem Bankgeheimnis die Abtretung von Darlehnsrückzahlungsansprüchen einer Bank gegen ihre Kunden ohne deren Zustimmung verbietet, war lange umstr (vgl mwN bejahend: Frankfurt NJW 2004, 3266; verneinend Celle BKR 2004, 335 und Köln NJW-RR 2006, 263, 265f; vgl auch Bruchner BKR 2004, 394; Langenbucher

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Willenserklärung

§ 134

BKR 2004, 333; Nobbe WM 2005, 1537; Rinze/Heda WM 2004, 1557, 1562; Rögner NJW 2004, 3230, 3231). Der BGH hat nunmehr mit grundlegenden Ausführungen zum Bankgeheimnis und zum Datenschutzrecht einen Verstoß solcher Abtretungen gegen ein gesetzliches Verbot verneint (BGH NJW 2007, 2106). Ebenso verstößt die Abtretung von Darlehensforderungen durch eine als Anstalt des öffentlichen Rechts organisierte Sparkasse nicht gegen § 203 II 1 Nr 1 StGB (BGH NJW 2010, 361, 362). P Das Embryonenschutzgesetz (ESchG) stellt in §§ 1–7 und 9 ua die missbräuchliche Anwendung 53 von Fortpflanzungstechniken, die missbräuchliche Verwendung von menschlichen Embryonen, eine verbotene Geschlechtswahl, eine eigenmächtige Befruchtung, die künstliche Veränderung menschlicher Keimbahnzellen, die Chimären- und Hybridbildung sowie das Klonen von Menschen unter Strafe. Eine inhaltlich gleichlaufende Regelung zum Klonen enthält das Zusatzprotokoll zur Bioethik-Konvention des Europarates v 12.1.1998. Die Strafbestimmungen des ESchG sind Verbotsgesetze iSv § 134; gegen sie verstoßende Rechtsgeschäfte sind nichtig. Zu Einzelheiten vgl Staud/ Sack Rn 226 mwN; Coester-Waltien FamRZ 1992, 369ff; Kienle ZRP 1998, 186; Neidert ZRP 2002, 467; Schulz ZRP 2002, 487 und 2003, 362; Taupitz ZRP 2002, 111. Zum Klonen von Tieren in der Bundesrepublik: Vesting/Simon ZRP 1998, 261. – Nach § 134 (jedenfalls nach § 138 I) unwirksam sind außerhalb einer besonderen Ausnahmeerlaubnis (vgl §§ 1, 3, 4, 6 Stammzellengesetz v 28.6.2002, BGBl I 2002, 2277; letzte Änderung BGBl I 2008 S 1708; dazu Taupitz ZRP 2002, 111, 112f; Ipsen NJW 2004, 268; Kress ZRP 2006, 219) wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot der Einfuhr oder Verwendung embryonaler Stammzellen und zugleich wegen Unvereinbarkeit mit Art 1 GG (Menschenwürde) Rechtsgeschäfte, die dem Erwerb oder der Verwertung von embryonalen menschlichen Stammzellen dienen. P Auch das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG, letzte Änderung BGBl 2011 I S 338) enthält Verbots- 54 gesetze iSd § 14. Die in den letzten Jahren verstärkte Regulierung insb des Netzzugangs sowie der Zugangsentgelte (§§ 20ff iVm §§ 29ff EnWG) mag praktisch das Anwendungsfeld für § 134 verringern. Gleichwohl könnte auch insoweit im Einzelfall – etwa im Zusammenhang mit dem Gebot des diskriminierungsfreien Netzzugangs (§ 20 I EnWG) – die Anwendung von § 134 in Betracht kommen. § 134 greift ferner ein, wenn die Bindungsdauer oder die Ausgestaltung der Vertragsbedingungen von Energiebezugsverträgen, Energielieferungsverträgen oder Konzessionsverträgen nicht im Einklang mit dem EnWG oder kartellrechtlichen Vorgaben steht (Bsp: Düsseldorf WuW 2006, 916; vgl zur Problematik auch Thomas RdE 2007, 11). Unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten können insb auch – in der Praxis nicht selten umstr – sog „Endschaftsklauseln“, die in Wegenutzungsverträgen/Konzessionsverträgen (§ 46 EnWG) zw Gemeinden und Engergieversorgern die Bestimmung des Preises für die Übernahme des Netzes nach Auslaufen des Konzessionsvertrags regeln, gem § 134 unwirksam sein (vgl etwa BGH 143, 128, dazu Scholtka NJW 2000, 548, 549; Ballwieser BB 2001, 1519; Theobald NJW 2000, 1399; weitere Bsp: BGH VIZ 2002, 437; NVwZ-RR 2006, 808; Schleswig NVwZ-RR 2006, 811). – Die im Wege der Regulierung für den Netzzugang (§ 23a) und für Letztverbraucher (§ 39) festgesetzten Preise sind idR Höchstpreise, deren vertragliche Überschreitung die Voraussetzungen von § 134 erfüllt (vgl dazu näher unter Rn 81 – „Preisrecht“). P

Zum Erschließungsvertrag vgl Rn 47 „Bauplanungsrecht“.

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P

Im Europarecht (vgl dazu auch zu § 138 Rn 106 „Europarecht“) ergibt sich bei einem Verstoß ge- 56 gen Art 101 AEUV (Kartellverbot) die Unwirksamkeit des Vertrags bereits aus der Verbotsnorm selbst. Aus dem übrigen primären Gemeinschaftsrecht hat ferner das Verbot bestimmter Beihilfen in Art 107f AEUV (früher: Art 87f EGV) den Charakter eines unmittelbar geltenden Verbotsgesetzes iSv § 134 (str; ebenso BGH EuZw 2003, 444; 2004, 252 m Bespr Pütz NJW 2004, 2199; 2004, 254; NJW-RR 2007, 1693, 1695; Kiethe RIW 2003, 782; Steindorff EuZw 1997, 7ff; MüKo/Armbrüster Rn 37 mit einer knappen und übersichtlichen Darstellung des Diskussionsstandes; aM im Hinblick auf die nach Art 108 AEUV gebotene Umsetzung zB: Koenig EuZw 2003, 417; Quardt/Nieland EuZw 2004, 201, Schmidt-Räntsch NJW 2005, 106, 107). Als unmittelbar geltendes Gemeinschaftsrecht können schließlich auch die gem Art 288 AEUV – etwa zur Marktordnung – erlassenen Verordnungen ein Verbotsgesetz iSv § 134 enthalten (vgl als Bsp: BGH NJW 1994, 858 und BVerwG 70, 41). Ob und inwieweit andere Bestimmungen des AEUV (etwa die Regelungen zu den sog Grundfreiheiten, Art 28f, 34ff, 45ff, 49ff, 56ff, 102, 157) unmittelbar für den Privatrechtsverkehr der EU-Bürger geltende Verbotsgesetze oder mittelbar, zB über die Auslegung von Generalklauseln (etwa als die Sittenordnung iSv § 138 prägende rechtliche Grundwertungen, vgl § 138 Rn 106 „Europarecht“) auf den Privatrechtsverkehr einwirken, ist umstr und zweifelhaft. Der EuGH hat teilw eine unmittelbare Drittwirkung angenommen (etwa EuGH 1974, 1405ff; NJW 1996, 505ff). Vieles spricht hingegen dafür, grds wie bei den Grundrechten des GG von einer mittelbaren Drittwirkung auszugehen (wie hier MüKo/Armbrüster Rn 38 mit Darstellung des Diskussionsstandes uwN; grundlegend dazu Benecke, Grundfreiheiten und Privatrecht, Tübingen 2004, und Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2002). Die von der EU gem Art 288 AEUV erlassenen RL wenden sich primär an die Mitgliedstaaten. Sie können aber gleichwohl Verbotsgesetze sein, soweit sie ausnahmsweise unmittelbar geltendes Recht enthalten; iÜ sind sie jedenfalls bei nicht rechtzeitiger Umsetzung als Verbotsgesetze in Betracht zu ziehen (vgl dazu EuGH 86, 723, 748ff; NJW 1994, 2373; EuZW 2001, 153 m Anm Gündel; EuZW 2001, 143; BVerwG 70, 41, 49; Staud/Sack Rn 45; Sack VersR 1984, 1386f; Streinz JuS 2001, 809, 810f); schließlich gilt für alle nationalen Rechtsnormen das Gebot richtlinienkonformer Auslegung; das wiederum kann Bedeutung dafür haben, ob und mit welchem Inhalt nationale Normen Verbotsgesetze sind.

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Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

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P Verträge über Fernunterricht mit einem Veranstalter ohne die Erlaubnis nach § 12 FernUSG sind schon gem § 7 FernUSG nichtig (Bsp: LG München NJW-RR 1988, 1086); § 134 ist nicht mehr heranzuziehen. § 8 FernUSG verbietet ausdr die Umgehung des FernUSG durch Verträge, die auf Vereinbarung einer anderen Rechtsform abzielen. § 10 FernUSG verbietet Vereinbarungen, die zum Nachteil des Teilnehmers von der gesetzlichen Vorgabe abweichen.

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P Gentherapie. Zu den gesetzlichen Grenzen, auch für Rechtsgeschäfte aus diesem Bereich Laufs NJW 1998, 1750, 1754 und 1999, 1758, 1762ff.

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P Im Gesellschafts- und Vereinsrecht ist § 134 insb von Bedeutung, wenn der Gesellschafts- oder Vereinszweck oder der Unternehmensgegenstand einem Verbotsgesetz zuwiderläuft (Bsp: Verstoß gegen gesetzliche Berufsordnungen; BGH 62, 234, 240 – Inkassotätigkeit/RBerG; BGH 75, 214 – Apothekenrecht; BGH 97, 243 – Berufsrecht für Vermessungsingenieure; BGH WM 1967, 229 – Güterfernverkehr; Verstoß gegen Strafgesetze; Hamm NJW-RR 2000, 1565 – Umgehung der Handwerksordnung; Koblenz WM 1979, 1435f – Steuerhinterziehung; Vereinbarung einer mit dem Kartellverbot (§§ 1ff GWB) nicht im Einklang stehenden Gesellschaft. Zu beachten ist, dass bei manchen Gesellschaften eine Nichtigkeit aus diesem Grund nur mit einer befristeten Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden kann (vgl zB § 94 GenG, § 75 GmbHG, § 275 AktG. IÜ können auch einzelne gesellschaftsrechtliche Vertragsgestaltungen durch zwingende Vorschriften des Gesellschaftsrechts verboten sein; vielfach sind allerdings die Rechtsfolgen eines Verstoßes in diesen Normen selbst geregelt (Bsp: § 723 III, verbotener Kündigungsausschluss). Bei Nichtigkeit des gesamten Gesellschaftsvertrags einer in Vollzug gesetzten Gesellschaft sind die Grundsätze von der fehlerhaften Gesellschaft zu beachten (vgl dazu § 138 Rn 57 sowie BGH 55, 5, 9; 63, 338, 345; NJW-RR 1988, 1369). Die Nichtigkeitswirkungen beziehen sich danach idR nur auf die Zukunft; rückwirkende Nichtigkeit ist nur anzunehmen, wenn der Schutz gewichtiger Interessen der Allgemeinheit oder Dritter dies fordert; dies kann vor allem bei einem verbotswidrigen Gesellschaftszweck in Betracht kommen (vgl BGH 3, 285; 17, 160; 55, 5, 9; 62, 234, 241; 75, 214, 217; 97, 243, 250). – Ein unwirksamer Geschäftsführeranstellungsvertrag bei einer GmbH ist entspr den zum fehlerhaften Arbeitsverhältnis entwickelten Grundsätzen (vgl § 138 Rn 55 und § 142 Rn 7) zu behandeln (BGH NJW 2000, 2983 mwN). Vgl auch Rn 32 „Arbeitsrecht/Gesellschaftsrecht“ und Rn 36 „Arbeitsrecht/ Kündigung“. – Beraterverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern einer AG, die sich auf die Aufsichtsratstätigkeit beziehen, sind nach § 134 wegen Verstoßes gegen § 113 I S 2 nichtig (BGH NZG 2006, 712, 716; NZG 2007, 103). Dies gilt auch dann, wenn der Vertrag von der AG mit einer Gesellschaft geschlossen wird, an der das Aufsichtsratsmitglied – nicht notwendig maßgeblich – beteiligt ist.

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P Gewerberecht/Handwerksrecht. Ein Verstoß gegen gewerberechtliche Vorschriften führt nach der Rspr grds nicht zur Nichtigkeit (BGH 53, 152, 157; 78, 269, 272; 88, 240, 243; 93, 264, 267; 108, 364, 368; NJW 1968, 2286; 1990, 1354; WM 1972, 853), weil diese Vorschriften weitgehend nur eine allg Ordnungsfunktion erfüllen, ohne das einzelne Rechtsgeschäft treffen zu wollen (krit dazu Staud/Sack Rn 77; Stober GewA 1981, 313ff). Gültig sind nach der hM insb Verträge von Kunden mit Gewerbetreibenden, die nicht Inhaber einer zur Ausführung ihres Gewerbes notwendigen Erlaubnis sind (zB §§ 29ff, 55ff GewO; § 2 GastG; § 3 GüKG; §§ 1, 6ff HandwO; hierzu BGH 88, 240; 1989, 369; NJW 1985, 2403; NJW-RR 2002, 557; Düsseldorf NJW-RR 1996, 661; Hamm NJW-RR 1990, 523; LG Görlitz NJW-RR 1994, 117; Schmidt MDR 1966, 463; Buchner GewA 1990, 41). ZT schützt heute das Verbraucherschutzrecht mit seinen Widerrufsmöglichkeiten die von unerlaubten Tätigkeiten (etwa nach § 56 GewO) Betroffenen; insoweit bedarf es der Nichtigkeitssanktion des § 134 nicht (MüKo/Armbrüster Rn 88). Die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts wird sich iÜ nicht ohne weiteres annehmen lassen, wenn die Erfüllung des Vertrags auf eine unerlaubte Tätigkeit hinausläuft, vor der nicht nur die Allgemeinheit, sondern gerade auch der Vertragspartner, insb als Person, geschützt werden soll (vgl etwa BGH 37, 258; 53, 152; 89, 369); dies hat die Rspr bisher zu Recht insb bei den – nicht unter das Gewerberecht fallenden – Tätigkeiten unter Verstoß gegen das RBerG angenommen (vgl dazu Rn 85 „Rechtsberatungsgesetz“); weitere Bsp: BGH NJW 1999, 1636 – Verstoß gegen das frühere gewerberechtliche Kreditvermittlungsverbot; BGH NJW 1996, 1954 sowie Koblenz NJW 1991, 431 – Steuerberater, näher dazu Rn 92 „Steuerberater“; München NJW 1984, 1826 m krit Anm Hahn – Heilbehandlungsvertrag ohne Erlaubnis nach § 1 HeilpraktikerG; näher dazu Rn 66 – „Heilbehandlung“; BGH 108, 364 = NJW 1990, 1354 und Frankfurt ZfS 2002, 272 – Übertragung einer Taxikonzession entgegen § 2 III PBefG; Hamm NJW-RR 1994, 546 – Versteigerungstätigkeit entgegen § 34b I GewO (vgl hierzu auch Rn 102 „Versteigerung“); anders BGH 78, 263, 267; 78, 269, 271ff – Maklertätigkeit entgegen § 34c GewO, aber str (vgl zu Rn 76 – „Maklervertrag“). Im Einzelfall muss man indes bei der Auslegung der Verbotsnorm neben ihrer Zielrichtung im Hinblick auf ihre Wirkungen bedenken, dass sich der zu schützende Vertragspartner bei Gültigkeit des Vertrags wegen der vertraglichen Haftung der Gegenseite vielfach günstiger steht als bei Unwirksamkeit. Die volle Nichtigkeit würde dann gerade den benachteiligen, der neben der Allgemeinheit geschützt werden soll. Das wird sich nur bei einem bewussten Gesetzesverstoß beider Seiten oder bei einer sehr schwerwiegenden Verletzung von Allgemeininteressen vertreten lassen. In anderen Fällen kann es angemessener sein, den bereits vollzogenen Vertrag aufrechtzuerhalten und dem Vertragspartner bei einem nicht oder nicht vollständig vollzogenen Vertrag – über § 242, sofern im Vertragsrecht keine konkrete andere Möglichkeit wie etwa § 123 zur Verfügung steht – das Recht zu geben, sich einseitig und ohne nachteilige Folgen von dem Vertrag zu lösen. Nach § 134 unwirksam sind Verträge, deren Ziel es ist, das Erfordernis einer öffentlich-rechtl Erlaubnis für eine Tätigkeit zu umgehen (in der Praxis besonders häufig bei Verträgen zum Betrieb von Gastwirtschaften – Kastellanvertrag, vgl Hamm NJW 1986, 2440; LG Berlin NJW 1977, 1826; dazu

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§ 134

Lammel NJW 1978, 110; vgl auch Koblenz NJW-RR 1994, 493 und Hamm NJW-RR 2000, 1565 – Gesellschaftsvertrag, mit dem eine rechtswidrige Eintragung in die Handwerksrolle erreicht werden soll; RG 155, 138 – vorgetäuschtes Vertreterverhältnis zur Umgehung der Staatsaufsicht im Versicherungswesen; BGH WM 1967, 229; NJW 1990, 1354; Hamm BB 1988, 236; ArbG Ludwigshafen DB 1996, 1527 – zum konzessionierten Güterkraftverkehr). Wirksam sind Rechtsgeschäfte, bei denen die Rechtsordnung zwar den Abschluss eines Rechtsgeschäfts aus Ordnungsgründen verhindern will, das Ergebnis des gleichwohl vollzogenen Geschäfts aber nicht missbilligt (vgl allg für gewerbepolizeiliche Regelungen BGH NJW 1968, 2286 mwN); das gilt zB für Geschäfte, die unter Verstoß gegen Ladenschlussvorschriften, § 18 GastG (Sperrzeit; vgl RG 103, 264) oder § 5 LFGB (Inverkehrbringen verdorbener oder irreführend bezeichneter Lebensmittel; vgl RG 100, 39; 170, 156) zustande kommen. Ebenso zu bewerten sind Geschäfte, die an die Verletzung von Preisauszeichnungsvorschriften anschließen (vgl etwa BGH NJW 1982, 2436; ZIP 1982, 1044 sowie Rn 81 „Preisrecht“), der Verkauf einer Sache, die nicht den Anforderungen des MaschinenschutzG bzw des GerätesicherheitsG entspricht (BGH NJW 1981, 2640; LG Augsburg MDR 1970, 760) oder unter Verstoß gegen das Saatgutverkehrsgesetz (Köln NJW-RR 2000, 136). Anders urteilt mit vertretbarer Begründung LG Karlsruhe NJW-RR 1999, 1284 für einen Vertrag über die Lieferung von Geräten, die den Anforderungen des Gesetzes über die elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten (EMVG; BGBl I 1998, 2882, aufgehoben und ersetzt mWv 1.3.2008 durch das Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln vom 26.2.2008, BGBl I 220, letzte Änderung BGBl 2009 I 2409) nicht genügen; die Arg der Entscheidung dürften sich auf das Verbot des Inverkehrsbringens von nicht stoffverbotskonformen Elektrogeräten in § 5 Elektro- und ElektronikgeräteG – ElektroG v 16.3.2005 (BGBl I 762; letzte Änderung BGBl 2010 I 1163) übertragen lassen. P Bei Haustürgeschäften im Reisegewerbe ist zu unterscheiden: Nach der früheren Rechtslage (vor 61 dem 1.5.1986) waren der Abschluss und die Vermittlung von Darlehensverträgen unter Verstoß gegen § 56 I Nr 6 GewO grds nichtig (BGH 71, 358, 360, 362f; 93, 264, 267; NJW 1993, 2108; st Rspr). Seit der Einführung eines Widerrufsrechts für Verbraucher bei Haustürgeschäften (nunmehr in § 312 geregelt) ist für § 134 bei einem Verstoß gegen die auf die entgeltliche Vermittlung beschränkte Bestimmung des § 56 I Nr 6 GewO kaum noch Raum (BGH 131, 385; 133, 254; München NJW-RR 1990, 1528; Hamm NJW 1994, 2159; aber str, vgl Staud/Sack Rn 238). Ob es im verbleibenden Anwendungsbereich des § 56 I Nr 6 GewO für die Nichtigkeitsfolge auf das konkrete Schutzbedürfnis des Vertragspartners ankommt, ist umstr (vgl dazu Staud/Sack Rn 235ff). Vgl auch Rn 66 „Heilbehandlung“, Rn 67 „Heimgesetz“, Rn 74 „Kreditwesen“, Rn 76 – „Maklervertrag“ und Rn 102 „Versteigerung“. P Das Grundgesetz (vgl dazu auch § 138 Rn 120 „Grundgesetz“) und landesrechtliche Verfassungs- 62 normen, insb die Grundrechte, binden in ihrem jew Geltungsbereich unm in erster Linie alle Träger der öffentlichen Gewalt. Insofern enthält das Grundgesetz Verbotsnormen für normsetzende Verträge, etwa für Tarifverträge (BAG 1, 348; 4, 240, 250ff; 4, 275; vgl auch 1, 258, 269; vgl auch Dieterich, Die Grundrechtsbindung für Tarifverträge, und Schlachter, Gleichheitswidrige Tarifnormen, FS Schaub, 1998); die Unwirksamkeit ergibt sich aber schon aus dem allg Vorrang übergeordneten Rechts; § 134 greift insoweit nicht ein. – Ferner kommen wegen der Bindung aller Träger der öffentlichen Gewalt Verfassungsnormen als gesetzliche Verbote iSv § 134 für öffentlich-rechtl Verträge (über § 59 VwVfG) und für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben mit Hilfe der Instrumente des Privatrechts in Betracht (vgl dazu zB BGH 29, 76; 36, 91; 52, 325; 65, 284; 154, 146, 149ff; NJW 2004, 1031f; NJW 2006, 1054ff). Verbotsgesetz können Verfassungsnormen ferner sein, sofern ein privates Rechtsgeschäft den Status und die Tätigkeit der Verfassungsorgane oder ihrer Mitglieder betrifft. So ist eine die Ausübung eines Bundestagsmandates behindernde privatrechtliche Verpflichtung wegen Art 48 II GG unwirksam (BGH 43, 387), ebenso eine mit Art 38 unvereinbare Verpflichtung, das Mandat bei Parteiwechsel niederzulegen (LG Braunschweig DVBl 1970, 592). Ein ausdr Verbot iSv § 134 findet sich in Art 9 III S 2 GG (Bsp: AG Ahrensburg NJW 1996, 2516). Darüber hinaus haben vor allem die Arbeitsgerichtsbarkeit (BAG 1, 185, 191; 1, 258, 269; 4, 274, 285; 11, 342; 13, 168, 178f; 14, 61; 34, 89ff; NJW 1962, 1981; vgl auch Rn 25 „Arbeitsrecht“) und ein Teil des Schrifttums (Enn/Nipperdey § 15 II 4c; Staud/Coing11 Rn 12a) eine unmittelbare Drittwirkung von Grundrechten auf Privatrechtsgeschäfte anerkannt (vgl dazu allg zuletzt Classen AöR 97 [122], 65; Gostomzyk JuS 2004, 949ff; Guckelberger JuS 2003, 1151; BGH NJW 1999, 1326 – zu Art 9 I). Das erscheint allenfalls für das Diskriminierungsverbot des Art 3 III GG sachgerecht (vgl auch Rädler NJW 1998, 1621 sowie § 138 Rn 99 „Diskriminierung“). IÜ ist eine unmittelbare Drittwirkung für den Privatrechtsverkehr abzulehnen (vgl § 138 Rn 120 „Grundgesetz“ sowie BVerfG 66, 116, 135; 73, 261, 269; 81, 242, 256; 84, 192, 194; Canaris AcP 184, 201, 203ff; Hager JZ 1994, 373; Medicus AcP 192, 35, 42; Röthel JuS 2001, 424ff mwN; Schapp, Grundrechte als Wertordnung, JZ 1998, 913ff, 918); die in den Grundrechten zum Ausdruck kommende Wertordnung (vgl BVerfG 7, 198, 205; 24, 251; 35, 79, 114; 39, 1, 41) ist nach richtiger Ansicht nur über die wertausfüllungsbedürftigen Zivilrechtsnormen, insb die Generalklauseln (zB §§ 138, 242), die Beurteilung der Widerrechtlichkeit von Handlungen im Privatrechtsverkehr (Bsp: Drohung mit Presseveröffentlichung, BGH NJW 2005, 2766 m Bespr Lorenz LMK 2005, 151073) und allg über eine verfassungskonforme Auslegung der für den Privatrechtsverkehr geltenden Gesetze (zur Bindung der Gesetzgebung im Privatrecht vgl Looschelders/Roth JZ 1995, 1037 und Röthel JuS 2001, 424ff) – jeweils verbunden mit einer Schutzpflicht der staatlichen Rechtsanwender, etwa der Richter, für die Wahrung der Verfassungsnormen (hierzu: BVerfG 89, 214, 229ff; 97, 169ff) – zu verwirklichen (MüKo/Armbrüster Rn 34; Soergel/Hefermehl Rn 7; Dürig FS Nawiasky, 157); insoweit handelt es sich bei Verfassungsnormen, insb bei den Grundrechten, nicht um ge-

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§ 134

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

setzliche Verbote iSd § 134 (vgl zB BGH 26, 84ff – zu Art 19 IV; 79, 131ff; Staud/Sack Rn 41, 241ff; MüKo/Armbrüster Rn 34). Zur Bedeutung von Verfassungsnormen im Arbeitsvertragsrecht vgl Rn 25 „Arbeitsrecht“. 63

P Eine für den gewerblichen Güterkraftverkehr erforderliche Güterkraftverkehrserlaubnis (§ 3 GüKG) wird einem Unternehmer höchstpersönlich erteilt und ist nicht übertragbar. Der Verkauf und die Übertragung einer solchen Genehmigung sind daher stets nichtig.

64

P Zum Verstoß gegen handelsrechtliche Vorschriften vgl allg Mayer-Maly FS Hefermehl, 1976, 103. Unwirksam ist wegen §§ 238ff, 257ff HGB, 162 AO die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts an Teilen von Handelsbüchern (KG Rpfleger 1972, 442) sowie die Bestellung eines nach § 319 II HGB ausgeschlossenen Abschlussprüfers (BGH NJW 1992, 2021; NZG 2010, 410, 412). Auch die Übernahme einer Verpflichtung zu einem Verstoß gegen die Gebote lauteren Wettbewerbs kann unter besonderen Umständen zur Vertragsnichtigkeit führen (vgl Rn 99 „UWG“). Verbotsgesetz ist ferner § 89b HGB insoweit, als die Regelung einem Vorausverzicht des Handesvertreters auf seinen Ausgleichsanspruch entgegensteht (BGH 152, 121, 133). – Zum Gesellschaftsrecht vgl Rn 59 „Gesellschaftsrecht/Vereinsrecht“.

65

P Das öffentliche Haushaltsrecht enthält in Bund und Ländern für öffentlich-rechtl Körperschaften ein weitgehendes Verbot von unentgeltlichen Zuwendungen (§§ 44, 23 BHO) und weitere zwingende Vorschriften für die Veräußerung von Gegenständen (§ 63 BHO). Ob es sich insoweit um ein Verbotsgesetz iSv § 134 handelt, wird in der Rspr bisher nicht einheitlich beantwortet (verneinend BAG 85, 394; bejahend BayObLG 95, 225; offen mit bejahender Tendenz: BGH 47, 30, 40; BGH 36, 395 arbeitet in einem Fall dieser Art mit § 138; vgl dazu auch § 138 Rn 143 „Öffentliche Verwaltung“). – Die Vergabe eines privatrechtlichen Auftrags durch einen Träger öffentlicher Gewalt soll nach der inzwischen durch das neue Vergaberecht (Rn 100 „Vergaberecht“) geänderten Rechtslage wirksam sein, auch wenn gegen öffentlich-rechtl (haushaltsrechtliche) Vergabevorschriften verstoßen wurde (VGH Mannheim NVwZ 1998, 652).

66

P Verträge über eine Heilbehandlung, die mit einer nicht als Arzt, Psychologe oder Heilpraktiker ausgebildeten und/oder zugelassenen Person abgeschlossen werden und gegen die Bundesärzteordnung oder das Heilpraktikergesetz verstoßen, sind nichtig; diese Gesetze dienen nicht nur ordnungspolitischen Zielen, sondern auch dem Schutz der Bevölkerung vor unseriösen Heilmethoden (Düsseldorf NJW 1988, 2308 zu § 2 II BÄrzteO; zu § 5 HeilpraktikerG: BVerfG NJW 1988, 2290ff; München NJW 1984, 1826 m abl Anm Hahn; LG Saarbrücken VersR 1981, 585; Eberhardt NJW 1985, 664). – Die Abtretung von Honoraransprüchen aus nichtärztlicher Heilbehandlung ohne Zustimmung der behandelten Person ist aus denselben Gründen verboten und deshalb unwirksam wie die Abtretung ärzlicher Honoraransprüche (vgl dazu unter Rn 43 – „Arzt“). Das gilt auch für Honoraransprüche für Pflegeleistungen und auch für die Honorierung von Leistungen zugunsten gesetzlich Versicherter (Hamm NJW 2007, 849; aM Lips/Schönberger NJW 2007, 1567; vgl dazu auch Foerster NZS 2000, 337).

67

P Heimgesetz (HeimG, idF v 5.11.2001 BGBl I 2970; letzte Änderung BGBl 2009 I 2319). § 14 I und V HeimG (Verbot der Gewährung oder des Versprechens von Geld oder geldwerten Leistungen) enthalten ein Verbotsgesetz iSv § 134. Die dort untersagten Rechtsgeschäfte von Heimbewohnern oder Bewerbern um einen Heimplatz zugunsten des Heimträgers, der Heimleitung oder des Heimpersonals sind nichtig (BGH 110, 235 zu § 14 aF). Auch letztwillige Verfügungen können nach dieser Bestimmung unwirksam sein (vgl BGH 110, 235, 240; NJW-RR 1995, 1272; BVerwG NJW 1990, 2268; 1999, 2268; BayObLG NJW 1992, 55; 93, 1143; 2000, 1875; NJW 2001, 295; NJW-RR 2004, 1591; KG NJW-RR 1999, 2; Frankfurt NJW-RR 1994, 312; VGH Mannheim NJW 2004, 3792; zur Gesamtproblematik Krug FPR 2006, 154; zur Gestaltung von Testamenten im Hinblick auf § 14 HeimG Suyter ZEV 2003, 104; zur Bestellung der in § 14 erfassten Personen zum Testamentsvollstrecker Everts ZEV 2006, 544). Das Verbot gilt auch für die Umgehung der Regelung durch Zuwendungen an/durch Personen, die mit den im Gesetz genannten Empfängern bzw mit dem Heimbewohner verbunden sind (Bsp: BayObLG NJW 2000, 1875 und dazu Petersen DNotZ 2000, 739 – Erbeinsetzung des Alleingesellschafters einer GmbH als Heimträgerin oder dessen Ehefrau; Düsseldorf NJWE-FER 1997, 253 – Einsetzung der Kinder des Heimleiters als Nacherben; Frankfurt NJW 2001, 1504 – Erbeinsetzung der Ehefrau eines Heimbediensteten; vgl auch BayObLG NJW 2000, 1959 für eine mittelbare Begünstigung durch Zuwendung an einen Dritten; München NJW 2006, 2642 – Vermächtnis zugunsten des Heimträgers durch einen Angehörigen des Heimbewohners; zur Abgrenzung BayObLG FamRZ 2003, 1882 – letztwillige Zuwendung an eine Stiftung, von der das Heim gemietet ist, fällt nicht unter das Verbot). Auf das Verhältnis zw Betreuer und Betreutem ist § 14 HeimG nicht analog anwendbar (BayObLG NJW 1998, 2369; dazu Hohloch JuS 1998, 953; vgl ferner Müller ZEV 1998, 219), ebenfalls nicht auf die häusliche Pflege (BayObLG NJW-RR 1999, 1454; Düsseldorf NJW 2001, 2328; LG Bonn NJW 1999, 2977; Niemann ZEV 1998, 419). Es gilt auch nicht für Träger und Personal von Heimen im Ausland (Oldenburg NJW 1999, 2448).

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P HOAI/Ingenieur (vgl Rn 41 „Architekt/Ingenieur“). §§ 42, 43 Infektionsschutzgesetz (IfSG, vgl Rn 33 – „Arbeitsrecht/Gesundheitsrecht, Krankheit“).

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P Jagdrecht. Ein Jagdpachtvertrag, mit dem sich der Verpächter einen Anteil von 50 % am Jagdausübungsrecht vorbehält, ist mit § 11 BJagdG unvereinbar und deshalb nichtig (BGH 115, 116). Vereinbarungen, in denen ein Teil sich dazu verpflichtet, gegen sachliche Verbote des § 19 BJagdG zu handeln, sind idR ebenfalls gem § 134 unwirksam.

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Willenserklärung

§ 134

P Jugendschutz. Rechtsgeschäfte, die gegen Vorschriften des Jugendschutzes verstoßen, sind nich- 70 tig. Nichtig ist etwa ein Kinobesuchsvertrag eines Jugendlichen entgegen § 11 JuSchG (vgl Soergel/ Hefermehl Rn 19; Staud/Sack Rn 256). Vgl auch zu Rn 35 – „Arbeitsrecht/Jugendarbeitsschutz“. P Kartellrecht. Unzulässige Kartellverträge sind nach Maßgabe von Art 101f AEUV unwirksam. 71 Diese Verbotsnormen regeln die Folgen eines Verstoßes selbst; daher ist § 134 insoweit nicht anzuwenden. Das durch die Neufassung v 15.7.2005 (BGBl I 2114) und durch weitere Änderungen in der Folgezeit erheblich umgestaltete deutsche Kartellrecht im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) enthält zwar weiterhin Verbotsgesetze, verzichtet aber auf eine eigenständige Regelung der unmittelbaren Rechtsfolgen von Verstößen. Insoweit ist – unbeschadet etwaiger Eingriffsmöglichkeiten der Kartellbehörden (etwa nach §§ 32ff GWB) – § 134 anzuwenden. Verbotsgesetze iSv § 134 sind das allg Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen (§ 1 GWB) und die Verbote des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (§ 19 GWB), das Diskriminierungsverbot und das Verbot unbilliger Behinderung (§ 20 GWB), das Boykottverbot sowie das Verbot sonstigen wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens (§ 21 GWB). Keine gesetzlichen Verbote enthalten demgegenüber die Eingriffsmöglichkeiten der Kartellbehörden bei nachträglicher Feststellung von Zuwiderhandlungen (§§ 32ff GWB) und die Regelungen über die Zusammenschlusskontrolle (§§ 35ff GWB). Umstr ist, ob für eine Preiskontrolle etwa bei Energiepreisen neben § 19 GWB auch § 315 angewendet werden kann (bejahend ua: BGH 164, 336; NJW-RR 2006, 915; verneinend ua: Kühne NJW 2006, 655 und 2520 mwN). Ob eine Nichtigkeit auch Ausführungs- bzw Folgeverträge erfasst, ist Frage des Einzelfalles (grundlegend Mailänder, Privatrechtliche Folgen unerlaubter Kartellpraxis, 1964; vgl ferner BGHSt 8, 221, 224 und krit dazu Fikentscher DB 1956, 793, 794). Die Verträge mit Lieferanten und Kunden sind idR wirksam; für kartellrechtswidrig benachteiligte Kunden kommt jedoch ein Schadensersatzanspruch aus § 33 GWB in Betracht. Grundlegend zum Verhältnis Kartellrecht/Zivilrecht in jüngster Zeit K. Schmidt AcP 206 (2006), 169. Zur Anwendung von §§ 20f GWB bei der Überlassung gewerblicher Räume oder Flächen durch einen Träger öffentlicher Gewalt und zur Bedeutung von § 1 GWB für Einkaufsgemeinschaften der öffentlichen Hand vgl Rn 79 „öffentliches Recht“. Vgl auch Rn 100 „Vergaberecht“. P Zu Rechtsgeschäften über das Klonen von Menschen oder Tieren vgl Rn 53 „Embryonen- 72 schutzG“. P Koppelungsvertrag. Ein Träger öffentlicher Gewalt darf die Erfüllung seiner gesetzlichen Auf- 73 gaben grds nicht von wirtschaftlichen Gegenleistungen eines Antragstellers – auch nicht von einer Zuwendung für einen gemeinnützigen Zweck – abhängig machen („Koppelungsverbot“; vgl BGH 26, 84, 87; 94, 125, 127; LM § 134 Nr 50; NJW 1972, 1657; NJW 1975, 1019; NJW 1999, 209; BVerwG NVwZ 2001, 1285; ferner Grziwotz IBR 2006, 231; Lauer IBR 2000, 562; vgl auch §§ 56, 59 II Nr 4 VwVfG; § 11 BauGB). Bei einem Verstoß ergibt sich die Nichtigkeit eines öffentlich-rechtl Vertrags aus § 59 II Nr 4 VwVfG, bei einem zivilrechtlichen Rechtsgeschäft aus § 134. Auch bei Fehlen einer gesetzlichen Ermächtigung ist ein Koppelungsgeschäft aber gleichwohl nicht immer unwirksam (BGH NJW 1972, 1657; 1975, 1019). Eine Gemeinde darf mit einem Vertrag dieser Art ihre städtebaulichen Ziele verfolgen (BVerwG NJW 1993, 2695, 2696ff). Sie darf auch – öffentlich-rechtl wie kartellrechtlich – als Grundstückseigentümerin in einem Neubaugebiet den Verkauf an Bauinteressenten mit der Verpflichtung verbinden, den Heizenergiebedarf aus einem von einer kommunalen Gesellschaft betriebenen Heizkraftwerk zu decken (BGH NJW 2002, 3779 mit – mE zu Recht – krit Anm von Emmerich LMK 2003, 93 gegen Schleswig NJWE-WettbR 2000, 253). Zur Zulässigkeit einer Vereinbarung einer Denkmalbehörde mit einem Investor, der im Zusammenhang mit einem geplanten Großprojekt eine finanzielle Beteiligung an den Kosten denkmalpflegerischer Maßnahmen auf den Baugelände verspricht OVG Koblenz BauR 2003, 1373. Verkauft ein Grundstückseigentümer im Rahmen eines Einheimischenmodells einen Teil eines Grundstücks im Außenbereich zu einem marktgerechten Preis für Bauerwartungsland an eine Gemeinde und stellt sie ihm dafür in Aussicht, das ganze Grundstück in einen Bebauungsplan aufzunehmen, so liegt darin kein unzulässiges Koppelungsgeschäft (BGH NJW 1999, 208). Die Gegenleistung muss aber den gesamten Umständen nach angemessen sein und in sachlichem Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde stehen. Andernfalls greift uU auch § 138 ein (vgl § 138 Rn 133 „Koppelungsgeschäfte“). – Zum Koppelungsverbot des § 3 IngALG vgl ferner Rn 41 „Architekt“ und Rn 47 „Bauplanungsrecht“. P Kreditwesen. Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und weitere Unternehmen aus dem 74 Finanzdienstleistungsbereich iSv §§ 1ff KWG bedürfen für ihre Geschäftstätigkeit gem § 32 KWG einer Erlaubnis; der Abschluss von Geschäften mit Kunden ohne diese Erlaubnis ist gem § 54 KWG verboten. Die hM sieht aber in dieser Regelung kein Verbotsgesetz iSv § 134, weil es sich um eine Ordnungsregelung für die Finanzdienstleistungsbranche handele, die nur einen der beiden Geschäftspartner betreffe (BGH WM 1966, 1101; 1972, 853; WM 1978, 1268; 1980, 374; Köln VersR 1974, 1185); §§ 32, 54 KWG werden jedoch als Schutzgesetz iSv § 823 II gewertet (BGH 162, 49, 57; NJW 2005, 2703; NJW-RR 2006, 630 und 1713; NJOZ 2006, 4083; München NJOZ 2007, 601, 606; eingehend: Dempewolf zu LG Köln NJW 1964, 252, 253; vgl auch Tettinger DStR 2006, 849). Für Kreditgeschäfte aller Art ist der hM zu folgen. Bei Einlagengeschäften spricht hingegen der gebotene Schutz der Kunden für die Anwendung von § 134 für die Zukunft mit der Rechtsfolge, dass der Kunde seine Einlage sofort zurückfordern kann (so Staud/Sack Rn 258 mwN aus der Lit; ähnlich Stuttgart NJW 1980, 1800 für einen Aussteueransparvertrag; vgl ferner Prost NJW 1977, 230). Eine Vereinbarung, durch die das Verbot, die jederzeitige Abhebung von Bareinlagen auszuschließen (§ 3 KWG), verletzt wird, ist unwirksam (Stuttgart NJW 1980, 1800; vgl zur Abgrenzung auch BGH 129, 90 und dazu Wallat NJW 1995, 3236 mwN). Dagegen enthält § 18 KWG kein Verbot der Kreditvergabe (München WM 1984,

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§ 134

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

469); keine Verbotsgesetze sind auch §§ 13ff, 15 KWG. § 22 KWG, in dem früher ein Verbotsgesetz gesehen wurde (BGH 64, 278), gilt in der damaligen Fassung nicht mehr; die Vorschrift enthält jetzt eine Verordnungsermächtigung. Eine Darlehensvereinbarung, die gegen ein von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nach § 46 I KWG angeordnetes Kreditgewährungsverbot verstößt, ist nicht nach § 134 nichtig (BGH NJW 1990, 1356 zu einem Verbot des früher zuständigen Bundesaufsichtsamtes f d Kreditwesen). – Zu Bankgeschäften im Reisegewerbe vgl Rn 60 „Gewerberecht“. 75

P

Zur Kündigung vgl unter Rn 36 „Arbeitsrecht/Kündigung“. Zu Verstößen gegen das Ladenschlussrecht und das Lebensmittelrecht vgl unter Rn 60 „Gewerberecht“. P Zum Leihmuttervertrag vgl § 138 Rn 137 „Leihmuttervertrag“. P Zu Vereinbarungen über die Lohnfortzahlung vgl Rn 25 „Arbeitsrecht“. P

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P Wirksam ist ein Maklervertrag auch dann, wenn der Makler sein Gewerbe ohne die gem § 34c GewO erforderliche Erlaubnis ausführt (BGH 78, 269, 271ff; NJW 1998, 62, 64; vgl auch Fricke GewA 1975, 255; Hepp NJW 1977, 617; Weishaupt JuS 2003, 1166, 1168; ebenso BGH 78, 263 für die Maklertätigkeit eines Steuerberaters unter Verstoß gegen § 57 IV, II StBerG). Str ist, ob die Wohnungsvermittlung ohne den dazu gem § 6 I WoVermRG vorgeschriebenen Auftrag nichtig (so MüKo/Armbrüster Rn 85; Tonner JZ 2003, 158, 159f; Windisch WM 1999, 265; LG Hannover NJW-RR 1991, 1295) oder wirksam ist (so BGH 152, 10, 11; Karlsruhe NJW 1976, 1408; vgl auch LG Waldshut WuM 1994, 500 m Anm Harsch). Nichtig ist jedoch der gegen § 14 IV BNotO verstoßende Maklervertrag des beurkundenden Notars (BGH WM 1990, 1250) und – auch wegen §§ 45 III, 46 III BRAO – des mit einem Anwaltsnotar zu gemeinsamer Berufsausübung verbundenen Rechtsanwalts (BGH 147, 39). Beim Kreditvermittlungsvertrag (§§ 655a–655e) und etwaigen Umgehungsgeschäften (§ 655e I 2) sind Vereinbarungen unwirksam, die zum Nachteil des Verbrauchers von den gesetzlichen Bestimmungen abweichen (§ 655e I 1; vgl dazu Kothe VuR 2003, 187). Zum Honoraranspruch des Maklers bei verbotener Koppelung eines Grundstücksgeschäfts mit einer Architektenbindung vgl Rn 41 „Architekt“. Zur Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in einem Bauträgervertrag unter Verstoß gegen §§ 3, 12 MaBV vgl Rn 48 „Bauträgerverträge“.

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P Mietrecht. Zur Frage, ob und inwieweit das geltende Mietrecht Verbotsgesetze iSv § 134 enthält, ist auf die Kommentierung zu §§ 535ff zu verweisen. – Ein Vertrag, insb ein Mietvertrag, über die Nutzung einer dem Zweckentfremdungsverbot unterliegenden Wohnung ist allein wegen des Fehlens der erforderlichen Genehmigung der zuständigen Behörde noch nicht nach § 134 iVm Art 6 § 1 Mietrechtsverbesserungsgesetz - MRVerbG nichtig (BGH NJW 1994, 320 mwN; Köln VersR 1992, 361; VGH München NJW-RR 1993, 1422; Staud/Sack Rn 264). Auch ein Mietvertrag, der gegen das zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen erlassene Wohnungsbindungsgesetz verstößt (§§ 4, 7 WoBindG; Abschluss mit einem nicht wohnberechtigten Mieter; vgl auch zu Rn 46), ist wirksam (LG Aachen ZMR 1973, 379; Weimar MDR 1967, 806). – Zur mietweisen Nutzung von Räumen entgegen dem Bauordnungsrecht vgl Rn 46 „Bauordnungsrecht“. – Zum Mietpreisrecht vgl Rn 81 „Preisrecht“, zum Wohnungseigentumsrecht vgl Rn 104.

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P Das Mutterschutzrecht/Mutterschutzgesetz (MuSchG, idF der Bek vom 20.6.2002, BGBl I 2318, letzte Änderung BGBl 2009 I 550) verbietet (§§ 3–6, 8) die Beschäftigung einer schwangeren Frau mit bestimmten schweren und gefährlichen Arbeiten und zu bestimmten Zeiten sowie generell eine Beschäftigung in den gesetzlichen Schutzfristen. Die Wirksamkeit des Arbeitsvertrags wird durch diese Beschäftigungsverbote nicht berührt; unwirksam kann allerdings zB eine Vereinbarung über Nacharbeit als Teil des Arbeitsvertrags sein. Das gilt aufgrund der Rspr des EuGH (EuGH NJW 1994, 2077, 2078) – entgegen der in der Vergangenheit von der arbeitsgerichtlichen Rspr vertretenen Auffassung (BAG AP § 4 MuSchG Nr 2, § 9 MuSchG Nr 24; in BAG AP § 8 MuSchG Nr 1 offengelassen) – auch für einen nach Eintritt der Schwangerschaft abgeschlossenen Arbeitsvertrag. – Eine Kündigung des Arbeitsvertrags, die gegen das MuSchG (§ 9 I) verstößt, ist unzulässig und daher nichtig (vgl BAG 101, 138), sofern nicht (§ 9 III) die zuständige Behörde die Kündigung ausnahmsweise für zulässig erklärt hat; auf die Bestandskraft der behördlichen Zulassung kommt es für die Wirksamkeit der Kündigung nicht an „schwebende Wirksamkeit“; vgl BAG 106, 293 und NZA 2004, 1064; dazu Schäfer NZA 2004, 833). Nach europäischem Recht (RL 76/207 und 92/85) gilt das Kündigungsverbot auch bei einem befristeten Arbeitsverhältnis, wenn die Schwangere den Arbeitgeber bei Beginn über die ihr bekannte Schwangerschaft nicht informiert hat und feststeht, dass sie für einen wesentlichen Teil der vereinbarten Tätigkeitszeit als Arbeitskraft ausfallen wird (EuGH NJW 2002, 123 mwN; vgl auch EuGH NJW 2002, 125 zur Nichterneuerung eines während der Schwangerschaft auslaufenden befristeten Arbeitsvertrags).

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P Öffentliches Recht. Ein öffentlich-rechtl Vertrag ist nach § 59 I VwVfG nichtig, wenn sich die Nichtigkeit aus der entspr Anwendung von Vorschriften des BGB ergibt; insoweit kommt auch die entspr Anwendung von § 134 in Betracht (Staud/Sack Rn 14 mwN). Eigenständige weitere Nichtigkeitsgründe finden sich in den Sonderregungen des § 59 II VwVfG. Ob und inwieweit das maßgebende öffentliche Recht – vor allem das besondere Verwaltungsrecht – ein Verbot iSv § 134 enthält, ist durch Auslegung nach den allg Regeln zu bestimmen. Die Frage nach dem Verstoß gegen ein Verbotsgesetz ist zu unterscheiden von der nach dem Vorliegen besonderer öffentlich-rechtl Wirksamkeitsvoraussetzungen (etwa ordnungsgemäße Vertretung der Behörde; erforderliche Genehmigung der Aufsichtsbehörde oder Mitwirkung einer weiteren Behörde; Form usw; Bsp dazu: BVerwG NJW 1996, 608, 609ff – Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung).

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Willenserklärung

§ 134

Gegen ein gesetzliches Verbot verstößt es auch, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt in einen Arbeitsvertrag mit einem Angestellten Regelungen für ein zukünftiges Beamtenverhältnis aufnimmt, die zu Zahlungspflichten des Angestellten führen und über die zudem allein hoheitlich zu entscheiden gewesen wäre (Bsp: BVerwG NVwZ-RR 2003, 874; OVG Lüneburg NdsRpfl 2002, 301; zur Abgrenzung OVG Koblenz NVwZ 2006, 1318). Für eine wettbewerbswirksame rechtsgeschäftliche Betätigung der öffentlichen Hand kann sich ein gesetzliches Verbot ua aus §§ 20, 21 GWB (Diskriminierungsverbot, Boykottverbot, Verbot sonstigen wettbewerbswidrigen Verhaltens) ergeben. Praktisch bedeutsam geworden ist das zB für die Überlassung von Flächen oder Räumen der öffentlichen Hand in der Nähe von Kfz-Zulassungsstellen für die gewerblichen Zwecke von Unternehmen, die Kfz-Kennzeichen prägen (vgl BGH NJW 1998, 3778; NJW 2000, 809; 2003, 752; 2006, 1979; Düsseldorf NJW-RR 2002, 1404; Köln GRUR 2007, 349; VGH Mannheim NVwZ-RR 2006, 714; LG Dortmund NZV 2007, 93; vgl zur Gesamtproblematik auch BGH NJW 2003, 2684; Joachim NZM 2004, 57; Kraus IBR 2000, 362). Auf vergleichbare andere wettbewerbswirksame Tätigkeiten der öffentlichen Hand wird sich die hierzu entwickelte Rspr in ihrer Grundlinie übertragen lassen. Kartellrechtswidriges Verhalten (§ 1 GWB) kommt ferner in Betracht, wenn Gemeinden durch Bildung von Einkaufsgemeinschaften ihre Nachfrage auf dem Markt bündeln (BGH 152, 347; dazu: Bunte LMK 2003, 152; Hermann VergabeR 2004, 193; Lotze ZIP 2003, 1813; Schnelle/Hübner WRP 2003, 1205). Vgl auch Rn 47 „Bauplanungsrecht“, Rn 62 „Grundgesetz“, Rn 65 „Haushaltsrecht“ und Rn 73 „Koppelungsvertrag“. P Der Patentanwalt unterliegt nach § 203 StGB derselben Schweigepflicht wie zB Ärzte, Rechts- 80 anwälte und Steuerberater. Die notwendig mit der Preisgabe von Mandantendaten verbundene Abtretung von Honorarforderungen ist deshalb wie bei diesen Berufsgruppen (vgl Rn 43 „Arzt“, Rn 84 „Rechtsanwalt“, Rn 92 „Steuerberater“) nach § 134 ebenfalls nichtig (Düsseldorf NJW-RR 1999, 1583, 1584). P Im Preisrecht haben gesetzliche Verbote nach der weitgehenden Liberalisierung der Märkte, insb 81 nach der vollständigen Aufhebung der Tarifbindung für den Güterkraftverkehr und die Versicherungswirtschaft, praktische Bedeutung vor allem noch im Wohnungsmietrecht (§ 8 WoBindG; § 5 WiStG), im Kleingartenpachtrecht (§ 5 KleingartenG; verfassungsgemäß, vgl BVerfG NJW-RR 1998, 1166), in der BundespflegesatzVO (BGH MDR 2001, 1430) und im Bereich der staatlichen Gebührenordnungen (etwa: RVG, HOAI, GOÄ, GOZ, KostO; vgl auch die BauprVO). Rechtsgrundlagen für eine Tarif- oder Entgeltregulierung finden sich ferner im Energiewirtschaftsgesetz v 7.7.2005 (BGBl I 3621, letzte Änderung BGBl 2011 I 338; vgl etwa § 39 ENWG), in §§ 19ff, 23 PostG und im Telekommunikationsrecht (vgl §§ 27–43 TKG v 22.6.2004, BGBl I 1190, letzte Änderung BGBl 2011 I 506; s dazu etwa BGH MMR 2010, 427); inwieweit in diesen Bereichen neben der Tätigkeit der jeweiligen Regulierungsbehörde Spielraum für eine Anwendung von § 134 bleibt, lässt sich nur im Einzelfall entscheiden. Allg anerkannt ist heute, dass preisrechtliche Vorschriften nur die Vereinbarung eines unzulässigen Preises verhindern wollen, nicht jedoch das Rechtsgeschäft insgesamt. Dieser Verbotszweck bedeutet, dass die Nichtigkeitsfolge des § 134 – mangels abw Regelungen im Einzelfall – auf die verbotswidrige Preisvereinbarung zu beschränken ist und dass es für den Fortbestand des Rechtsgeschäfts insgesamt – abw von der Regel des § 139 – nicht auf den (hypothetischen) Parteiwillen des Vertragsteils ankommen darf, der einen unzulässigen Preis durchgesetzt hat (MüKo/Armbrüster Rn 63, 107f; Staud/Sack Rn 269ff; zur früheren, teilw abw Rspr des BGH vgl BGH LM § 134 Nr 8). Eine Überschreitung des zulässigen Preises führt deshalb grds nicht zur Gesamtnichtigkeit des Rechtsgeschäfts; nichtig ist vielmehr nur der über den zulässigen Preis hinausgehende Teil der Preisvereinbarung (vgl BGH 51, 174, 181 – zu § 5 BaupreisVO; 60, 199, 205 und NJW 2008, 55 – zu § 4 HOAI; 89, 316, 319ff – zu § 5 WiStG; 108, 147, 150 – zu § 5 KleingartenG; Hamburg NJW-RR 2000, 458 und Hamm WuM 1982, 302 – zu § 5 WiStG; vgl auch BGH 116, 77, 85 zu einem devisenrechtlich genehmigten Preis; MüKo/Armbrüster Rn 107; Staud/Sack Rn 269, 270). Im Wohnungsmietpreisrecht ist für die Fälle des Mietwuchers allerdings str, ob die vereinbarte Miete auf den höchstzulässigen Betrag (so, von BVerfG NJW 1994, 993 gebilligt: BGH 89, 321; BGH NJW 2004, 1740; NZM 2006, 291; Frankfurt ZMR 2000, 753; Staud/Sack Rn 93ff, 269; krit Hager JuS 1985, 264; vgl die ausdr Regelung in § 8 II WoBindG und § 7 HOAI sowie dazu BGH NJW-RR 1990, 276 und KG NJW-RR 1990, 91) oder auf den angemessenen, marktüblichen oder ortsüblichen Betrag (so Stuttgart NJW 1981, 2365; Karlsruhe NJW 1982, 1161; Hamburg ZMR 1983, 100, 102; MüKo/Armbrüster Rn 107; Kohte NJW 1982, 2803) zu reduzieren ist. Der Verbotszweck, der sich allein gegen die Vereinbarung einer unzulässig hohen Miete richtet, rechtfertigt nach richtiger Ansicht nur die Zurückführung der Miete auf den höchstzulässigen Betrag; deshalb ist der erstgenannten Meinung zu folgen. Überschreitet etwa die Miete für Wohnraum die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 20 % (vgl § 5 WiStG), ist diese Abrede daher nur bzgl des die höchstzulässige Vereinbarung übersteigenden Betrages unwirksam; auf vergleichbare Situationen in anderen Preisregelungsbereichen, etwa bei Festlegung von Unter- oder Obergrenzen, ist das zu übertragen. – Der Grundsatz der Preisanpassung nach unten gilt für die heute noch geltenden Preisbestimmungen uneingeschränkt. Darauf, ob es sich um ein „normales“ Umsatzgeschäft des täglichen Lebens oder ein über den täglichen Bedarf hinausgehendes Anlagegeschäft handelt, kommt es – entgegen einer früher teilw vertretenen Ansicht – nicht an (vgl: Staud/Sack Rn 270 mwN). Für die Fälle der Vereinbarung eines unzulässig niedrigen Preises gibt es eine dem aufgehobenen § 23 I GüKG entspr Regelung (Ersetzung des zu niedrigen Preises durch den vorgeschriebenen Preis; öffentlich-rechtl abgesicherte Nachforderungspflicht) im sonstigen Preisrecht nicht (vgl etwa § 140

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§ 134

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

KostO für die Notarkosten – insoweit achtet allerdings hier die Dienstaufsicht auf die Einhaltung des Kostenrechts; § 7 HOAI), wenn man von 23 II PostG und § 37 II TKG absieht, nach denen anstelle des vereinbarten das genehmigte Entgelt gilt. Entspr dem Verbotszweck ist auch hier davon auszugehen, dass sich die Nichtigkeitswirkung nur auf die Vereinbarung einer zu niedrigen Vergütung erstreckt, während der Vertrag iÜ – wiederum unabhängig von den Voraussetzungen des § 139 – einschl der Vereinbarung einer Vergütungspflicht dem Grunde nach erhalten bleibt; die Höhe der Vergütung folgt dann etwa über §§ 612 II, 632 II (direkt oder analog) aus dem jeweiligen Preisrecht, etwa der staatlichen Gebührenordnung. Es bleibt allerdings – anders als nach § 23 GüKG aF – allein Sache des Gläubigers, ob er den danach gegebenen höheren Vergütungsanspruch wirklich durchsetzt. Nach dem Normzweck kann sich im Einzelfall überdies ergeben, dass eine unzulässige Preisvereinbarung i Erg gültig bleibt; dies ist etwa angenommen worden bei der Vereinbarung eines ggü den Gebühren der BRAGO niedrigeren Erfolgshonorars für einen Rechtsanwalt (BGH 18, 340). Bei unzulässigen Preisunterschreitungen kann der Zahlungspflichtige einer etwaigen Nachforderung uU mit dem Einwand aus § 242 (widersprüchliches Verhalten) begegnen (vgl BGH NJW 1997, 2329 zu § 4 HOAI). Im Güternahverkehr ist der Arglisteinwand jedoch ausgeschlossen worden, wenn der Pflichtige die Tarifwidrigkeit der zuvor berechneten niedrigeren Vergütung gekannt hat oder hätte kennen müssen (BGH NJW-RR 1996, 355; 97, 1393; st Rspr). Wenn beide Vertragsparteien bewusst gegen eine materielle Preisvorschrift verstoßen, soll nach einer früher vertretenen Ansicht eine Preisanpassung ausscheiden und das gesamte Rechtsgeschäft nichtig sein (RG DR 1939, 1633; 1942, 1409). Nach dem Verbotszweck ist das weder geboten noch sinnvoll. Die Rspr des RG erscheint in diesem Punkt überholt. Verstöße gegen Vorschriften des Preisordnungsrechts (vgl dazu Völker NJW 1997, 3405 und 2000, 2787) führen nicht zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. Ein unter Nichtbeachtung der Preisangabeverordnung geschlossener Kaufvertrag ist daher wirksam. Preiserhöhungsklauseln in AGB und Formularverträgen sind an § 309 Nr 1 (früher § 11 Nr 1 AGBG) zu messen. Vgl auch Rn 41 „Architekt“ (zu § 7 HOAI), Rn 43 „Arzt“ (zu GOÄ und GOZ) und Rn 84 „Rechtsanwalt“. 82

P Presserecht. Ein auf eine redaktionelle Veröffentlichung von Werbeanzeigen ohne besondere Kennzeichnung gerichteter Vertrag ist wegen Verstoßes gegen § 10 PresseG NW nichtig (Düsseldorf NJW 1975, 2018; zu § 9 BayPresseG vgl Köln MDR 1970, 673). Wegen Verstoßes gegen die Gebote lauteren Wettbewerbs nichtig sind Verträge, die zur Werbung im redaktionellen Teil von Presse, Rundfunk, Fernsehen verpflichten (München GRUR 1992, 641; MüKo/Armbrüster Rn 91; Staud/Sack Rn 311; zum Verstoß einer derartigen Werbung gegen § 1 UWG vgl auch BGH NJW-RR 1997, 1401). Inseratverträge über Kontaktanzeigen, in denen auf Gelegenheiten zu entgeltlichen sexuellen Handlungen hingewiesen wird, können wegen Verstoßes gegen § 120 I Nr 2 OWiG unwirksam sein, wenn die Werbung konkret geeignet ist, die Schutzinteressen der Allgemeinheit, vor allem von Kindern und Jugendlichen, zu beeinträchtigen (vgl BGH NJW 2006, 3490, 3491; strenger noch BGH 118, 182, 185ff). – Vgl auch Rn 99 „UWG“.

83

P Das Rabattgesetz und die Zugabeverordnung sind mit Wirkung v 25.7.2001 aufgehoben worden (BGBl I 1663; dazu Heil/Dübbers ZRP 2001, 207 und Nordemann NJW 2001, 2505) und kommen schon deshalb als Verbotsgesetze nicht mehr in Betracht. Schon vorher wurden in der jüngeren Rspr abw von einer früher verbreiteten Auffassung Verträge mit gesetzwidrigen Rabattzusagen als wirksam angesehen (BGH NJW 1994, 728f mwN). Für die Vereinbarung von Zugaben oder Werbegeschenken (Verstoß gegen die aufgehobene ZugabeVO und/oder § 1 UWG) gilt das Gesagte entspr. Vgl auch Rn 99 „UWG“.

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P Rechtsanwalt. Auch bei einem Rechtsanwalt verstößt die Abtretung von Honoraransprüchen ohne Zustimmung des Mandanten idR – wie bei einem Arzt oder einem Steuerberater, vgl Rn 43 „Arzt“ bzw Rn 92 „Steuerberater“ – gegen § 203 I Nr 3 StGB und gegen das Recht des Mandanten auf informationelle Selbstbestimmung; die Abtretung und die zugrundeliegende Verpflichtung sind deshalb unwirksam (s § 49 IV BRAO, vgl ua BGH 122, 115, 119; 148, 97, 101; NJW 2005, 507). Abtretungen mit Zustimmung des Mandanten sind dagegen auch bereits vor der entspr Neuregelung § 49b BRAO aus dem Jahr 2007 (BGBl I 2840) unbedenklich (BGH NJW-RR 2008, 1647, 1648). Die Abtretung von Vergütungsforderungen oder die Übertragung ihrer Einziehung an Rechtsanwälte oder rechtsanwaltliche Berufsausübungsgemeinschaften wird nunmehr von § 49b IV 1 BRAO ebenfalls ausdr für zulässig erklärt (ebenso schon auf Grundlage der Vorgängerregelung BGH NJW 2007, 1196ff; zur vorherigen Diskussion s auch Erman/Palm12 Rn 84). Aus denselben Gründen wie die Abtretung einer Honorarforderung ist auch die Verpflichtung eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters zur Überlassung von Handakten und Mandantenunterlagen verboten, vor allem bei einem Praxisverkauf (BGH NJW 1995, 2026 im Anschluss an BGH 116, 268; BGH NJW 1995, 2915; NJW 1996, 2087; NJW 1999, 2592, 2593; NJW 2001, 2462; Gienapp/v Hugo BB 1997, 2229). Im Einzelfall kann aber beim Praxisverkauf eine andere Bewertung angezeigt sein (Bsp: BGH NJW 1995, 2915, dazu Michalski/Römermann NJW 1996, 1305; BGH NJW 1997, 188). Ob und inwieweit § 49b IV BRAO auch beim Praxisverkauf aus den vom BGH für die Zulässigkeit der Abtretung einer Honorarforderung angeführten Gründen (BGH NJW 2007, 1196ff) zu einer von der bisherigen Praxis abw Bewertung führen wird, bleibt abzuwarten. Nicht unter das Verbot fallen Verträge, die nicht mit einer Preisgabe geschützter Daten des Mandanten verbunden sind; dies wird in der neueren Rspr zu Recht auch bejaht, wenn ein Rechtsanwalt seine Praxis an einen anderen Rechtsanwalt veräußert, mit dem er in einer Außensozietät verbunden war oder in Zukunft – als freier Mitarbeiter – verbunden bleibt (BGH 124, 47, 51; 148, 97, 102; aM Mün-

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Willenserklärung

§ 134

chen NJW 2000, 2592; dazu Henssler/Kilian MDR 2001, 1274 und Hüffer NJW 2002, 1382). Dasselbe wird für die Praxisveräußerung zB an einen Abwickler zu gelten haben. Ein Anwaltsvertrag, den ein Anwaltsnotar unter Verstoß gegen § 14 I S 2, IV BNotO oder ein Rechtsanwalt unter Verstoß gegen § 45 I Nr 4, III, § 46 II Nr 1 BRAO mit einem Mandanten schließt, ist nichtig (BGH 141, 69, 79 – zu § 46 II Nr 1 BRAO; NJW 2001, 1569, 1570f m Anm Lauda LM § 14 BNotO Nr 22 – zum Verbot eines Maklervertrags für einen mit einem Anwaltsnotar zu gemeinsamer Berufsausübung verbundenen Rechtsanwalt; Hamm DNotZ 1989, 397, 632, 634; Köln AnwBl 1980, 70 – beide zu § 45 Nr 4 BRAO; Hamm NJW 1992, 1174 – zu § 14 I S 2 BNotO). Auch bei einem Verstoß gegen § 146 S 1 StPO (Verbot der Mehrfachvertretung) kommt Nichtigkeit des Anwaltsvertrags in Betracht (München NJW 1983, 1688; AG Arnsberg NJW-RR 1999, 63; von BGH NStZ 1991, 398 offengelassen; Wasmuth NStZ 1989, 348). Die Nichtigkeit erfasst aber nicht die aufgrund des Vertrags erteilte Prozessvollmacht (Hamm DNotZ 1989, 634; AnwBl 1989, 397; NJW 1992, 1174 mwN gegen Hamm DNotZ 1989, 632; Köln MDR 1974, 310). Ein entgegen dem Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Interessen (§ 43a IV BRAO sowie § 3 II BORA) geschlossener Anwaltsvertrag ist nach § 134 nichtig (KG NJW 2008, 1458, 1459; München NJW-RR 2010, 131, 132; Deckenbrock AnwBl 2010, 221, 224; offenlassend BGH NJW 2009, 3297, 3299; NJW-RR 2010, 67). Die im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz für die Vergütung von Anwaltstätigkeiten nach der Freigabe des Honorars für Beratung, Gutachten und Mediation durch die Neufassung von § 34 RVG seit dem 1.7.2006 (dazu ua: Kilian BB 2006, 225; Streck AnwBl 2006, 149) noch festgelegten Gebühren sind bindende Mindestsätze (§ 49b I S 1 BRAO); Vereinbarungen über niedrigere Gebühren sind unzulässig und damit iSv § 134 verboten, soweit nicht ein Ausnahmetatbestand (wichtig insoweit neben der Freigabe in § 34 vor allem § 4 II und III RVG für außergerichtliche Angelegenheiten) eingreift. Nach dem Verbotszweck ist idR nicht der Anwaltsvertrag insgesamt, sondern nur die unzulässige Gebührenvereinbarung unwirksam (München NJW 2002, 3641, 3642 mwN). Die Vereinbarung höherer Gebühren ist formbedürftig (§ 4 RVG; dazu BGH NJW 2004, 2818, Heinze NJW 2004, 3670; Jungbauer JurBüro 2006, 171 und Kilian NJW 2005, 3104) und kann im Einzelfall sittenwidrig sein (dazu § 138 Rn 146 „Rechtsanwalt“). Zur Gültigkeit von Vereinbarungen über eine Gebührenteilung zw Prozessbevollmächtigtem und Terminsvertreter vgl BGH NJW 2006, 3569 m Anm Teplitzky LMK 2006, 196898 und NJOZ 2006, 4454. Ein Verbotsgesetz stellte auch das Verbot der Vereinbarung von Erfolgshonoraren nach § 49b II aF BRAO dar (BGH NJW 2009, 3297, 3298; zur rechtspolitischen Diskussion über die Vorschrift s Erman/Palm12 Rn 84). Verboten ist auch eine Vereinbarung von Vorteilen für die Vermittlung von Aufträgen (§ 49b III 1 BRAO). P Der Bereich der Rechtsberatung hat durch das Rechtsdiensleistungsgesetz (RDG, BGBl I 2007, 85 2840; letzte Änderung BGBl I 2010, 2248), das mit Wirkung vom 1.7.2008 das alte Rechtsberatungsgesetz abgelöst hat, eine grundlegende Neuregelung erfahren. Während § 1 RBerG an die „Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten“ anknüpfte, geht § 2 RDG nunmehr vom Begriff der „Rechtsdienstleistung“ aus. Er wird in § 2 I RDG definiert als jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Erfasst werden nach § 2 II RDG auch Inkassodienstleistungen, gem § 2 III RDG aber etwa nicht die Erstattung wissenschaftlicher Gutachten, die Tätigkeit als Schiedsrichter, Schlichter oder Mediator, die Erörterung von arbeitsrechtlichen Fragen in von Beschäftigten gewählten Interessenvertretungen (Betriebs- oder Personalräte) sowie die Darstellung von Rechtsfragen und Rechtsfällen in den Medien. Geregelt wird vom RDG gem § 1 RDG nur die Befugnis, außergerichtliche Rechtsdienstleistungen zu erbringen. Diese Befugnis besteht nach § 3 RDG nur in dem Umfang, in dem sie durch das RDG oder durch andere Gesetze erlaubt wird; ein anderes Gesetz in diesem Sinne ist insb § 3 BRAO, der Rechtsanwälten die Beratung und Vertretung in allen Rechtsangelegenheiten erlaubt. Gestattet sind gem § 5 RDG von vornherein Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören; als erlaubte Nebenleistungen gelten dabei gem § 5 II RDG insb Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit der Testamentsvollstreckung, Haus- und Wohnungsverwaltung und der Fördermittelberatung. IÜ unterscheidet das Gesetz zw Rechtsdienstleistungen durch nicht registrierte Personen (§§ 6–9 RDG) und registrierte Personen. Ohne Registrierung sind danach insb unentgeltliche Dienstleistungen zulässig (§ 6 RDG); außerhalb familiärer, nachbarschaftlicher oder ähnlich enger persönlicher Beziehungen muss allerdings sichergestellt sein, dass die Rechtsdienstleisung durch eine Person, der die entgeltliche Erbringung dieser Rechtsdienstleistung erlaubt ist, durch eine Person mit Befähigung zum Richteramt oder unter Anleitung einer solchen Person erfolgt. Ferner erlaubt das Gesetz Rechtsdienstleistungen durch nicht registrierte Personen bei Berufs- und Interessenvereinigungen (§ 7 RDG) und durch öffentliche und öffentlich anerkannte Stellen (§ 8 RDG). Daneben erlaubt § 10 RDG die Erbringung von Rechtsdienstleistungen von registrierten Personen aufgrund besonderer Sachkunde bei Inkassodienstleistungen, in der Rentenberatung und bei Rechtsdienstleistungen in einem ausl Recht. Die grundlegende Änderung der Vorschriften über die Rechtsberatung führen dazu, dass die bisherige Rspr zum RBerG nicht ohne weiteres auf das RDG übertragen werden kann (eingehend zur Reichweite des RBerG als Verbotsgesetz s Erman/Palm12 Rn 85). Es unterliegt jedoch im Grundsatz keinem Zweifel, dass auch die Regelungen des RDG Verbotsgesetze iSd § 134 darstellen und daher Verträge, die unter Verstoß gegen die Vorgaben des RDG geschlossen werden, nichtig sind (s nur LG Stuttgart NZV 2011, 131; jurisPK/Nasall Rn 149; bisher zum RBerG nur BGH 37, 258, 261; 70, 12, 17; NJW 2008, 3069, 3070); denn auch wenn sich das Verbot nur gegen die beratende Person richtet, kann der Zweck des RDG, eine unsachgemäße Beratung der Rechtssuchenden zu verhindern, nur durch die Nichtigkeit entspr Vereinbarungen erreicht werden. Die Nichtigkeit erstreckt sich auch auf eine

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§ 134

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

mit der verbotenen Rechtsbesorgung verbundenen Vollmacht; allerdings kommt uU eine Rechtsscheinshaftung nach §§ 171, 172 in Betracht (BGH NJW 2002, 66; 2002, 2325; 2003, 1252; 2003, 2088 sowie 2091; 2004, 59, 60; 2004, 2378; 2006, 1957; NZG 2007, 179; NJW-RR 2007, 395). Ferner wird man wie bisher annehmen müssen, dass der Vertrag gem § 139 als Ganzes nichtig ist, auch wenn er zugleich erlaubte Tätigkeiten enthält (so zum RBerG etwa BGH 50, 90, 92; NJW 2000, 1560, 1562). Wird eine Rechtsdienstleistung ohne die entspr Erlaubnis erbracht, so wird die Beratung auch nicht dadurch zulässig, dass der Handelnde sich dabei der Hilfe eines Anwalts bedient (BGH NJW 2009, 3242, 3244). 85a

Schwierig ist vor allem die Bewertung von solchen (inhaltlich „gemischten“) Rechtsgeschäften, die neben der Wahrnehmung rechtlicher Interessen auch anderen Leistungsinhalt etwa kaufmännisch-wirtschaftlicher Art haben. In diesen Fällen muss letztlich vor allem mit der durch Art 12 GG geschützten Berufsfreiheit abgewogen werden, ob sich die angebotene Dienstleistung in einer wertenden Gesamtschau (noch) als überwiegend nicht-rechtliche, etwa wirtschaftliche Interessenwahrnehmung oder im Wesentlichen (schon) als erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung darstellt (vgl zum RBerG BGH NJW 2002, 2877; 2003, 3046; 2005, 969). Diese verfassungsrechtlich vorgegebene Abgrenzung liegt letztlich auch § 5 RDG zugrunde, der darauf abstellt, ob die Rechtsdienstleistung als Nebenleistung zum Berufs- und Tätigkeitsbild einer anderen Tätigkeit gehört (vgl BT-Drucks 16/3655, 51). Daher ist bei gefestigten Berufsbildern mit nur kleinen und leicht beherrschbaren Elementen rechtlicher Interessenwahrnehmung regelmäßig keine ohne Erlaubnis verbotene Tätigkeit anzunehmen. Entspr den bisherigen Grundsätzen werden daher auch in Zukunft nicht erlaubnispflichtig sein: Überwachung, Mitteilung der Fälligkeit, Berechnung der Höhe und Einzahlung der von Patentinhabern geschuldeten Aufrechterhaltungsgebühren (BVerfG 97, 12, 16); Rechtsberatung von Kunden durch einen zugelassenen Inkassounternehmer darüber, ob und unter welchen rechtlichen Gesichtspunkten ihnen die zum Inkasso abgetretene Forderung zusteht (BVerfG NJW 2002, 1190); Einholung eines Gutachtens zu einem Kfz-Schaden, Mitteilung des Gutachtens an den Unfallgegner und Reservierung eines Ersatzwagens durch den Inhaber einer Kfz-Werkstatt (BGH NJW 2000, 2108); Beschaffung von Informationen und Tatsachenmaterial im Rahmen der Erbensuche durch ein Unternehmen oder sonstige berufsmäßige Erbenermittler (BVerfG NJW 2002, 3541; BGH NJW 2003, 3046; s ferner auch zu § 5 RDG BT-Drucks 16/3655, 53); Zeichnungsschein mit Vollmacht zur Beschaffung eines Darlehens (BGH 167, 223; NZG 2007, 179, 180; NJW-RR 2007, 395); fachtechnische Überprüfung von Architektenleistungen und der Berechnung durch ein Architekturbüro (BGH NJW 2007, 842, 843); Hilfe eines Bausachverständigen bei der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen (Düsseldorf NJW-RR 2006, 562); die gewerbliche Baubetreuung (BGH 70, 12, 17; 145, 265, 272); nicht aber ein Geschäftsbesorgungsvertrag zur Abwicklung des Erwerbs eines Grundstücks oder von WE im Rahmen eines steuerlich begünstigten Bauträger- oder Bauherrenmodells, wenn der Abschluss von Kauf-, Finanzierungs- und Mietgarantievereinbarungen, die dingliche Belastung des Eigentums und ggf die Bildung der WE-Gemeinschaft im Vordergrund stehen (BGH 145, 265, 269ff; ferner BGH NJW 2001, 756; 2002, 66; 2002, 2325; 2007, 1130; NJW-RR 2007, 395). Entspr gilt für einen Treuhandvertrag, der den Treuhänder nicht primär zur Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange des Treugebers verpflichtet, sondern ihm umfassende Befugnisse zur Vornahme und Änderung von Rechtsgeschäften im Zusammenhang mit dem Beitritt des Treugebers zu einem geschlossenen Immobilienfonds einräumt (BGH NJW 2001, 3774f; 2003, 1252, 1253).

85b

Verneint worden ist eine unerlaubte Rechtsberatung schon nach bisherigem Recht ferner: Wenn der Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage Ansprüche der WE mit deren Ermächtigung geltend macht (BGH 122, 327); wenn eine Gemeinschaft von WE in Prozesstandschaft bestimmte Ansprüche von Erwerbern von WE geltend macht (BGH NJW 2007, 1957, 1959; vgl auch BGH NJW 2007, 842); wenn für eine Gesellschaft ein Treuhandgesellschafter bestellt wird (BGH NJW-RR 2006, 1182); wenn eine Gesellschaft zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen die Führung ihrer Geschäfte – verbunden mit der Erteilung einer umfassenden Vollmacht – einem Geschäftsbesorger überträgt, der selbst nicht Gesellschafter ist (BGH NJW 2004, 839; ZIP 2005, 1361; NJW 2006, 2980; NZG 2007, 140, 142 – jeweils mwN; aA dazu vor allem Ulmer ZIP 2005, 1341, 1345f; vgl auch Altmeppen ZIP 2006, 1, 4; Habersack BB 2005, 1695, 1697; Schimansky WM 2005, 2209); für den Betrieb einer Telefonhotline, über die bundesweit Rechtsberatung durch Rechtsanwälte eingeholt werden kann (München NJW 1999, 150; vgl dazu aber auch München NJW 2000, 1651 zu § 1 UWG); für die Übernahme der Veröffentlichung von Titelschutzanzeigen in dafür üblichen Veröffentlichungsblättern (BGH NJW 1998, 3563); für die öffentliche Ausschreibung eines Auftrags durch ein Bundesland, der die auch rechtliche Klärung von Restitutionsansprüchen zum Gegenstand hat (BGH NJW 1999, 497).

85c

Bei einem Wirtschaftsprüfer fällt eine rechtliche Beratung nicht unter das Verbot, soweit sie im unmittelbaren Zusammenhang mit Aufgaben stattfindet, die zum anerkannten herkömmlichen Berufsbild des Wirtschaftsprüfers gehören (BGH NJW 1988, 561, 562; Koblenz NJW-RR 1998, 1675).

85d

Häufig findet sich eine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Zusammenhang mit der Abwicklung von Verkehrsunfällen (vgl dazu allg Bartels VersR 1995, 362 und Pamer DAR 1998, 460). Geschäftsbesorgungsverträge, Einziehungsermächtigungen und Forderungsabtretungen, die Schadensersatzansprüche aus Kfz-Unfällen und sonstigen Vorgängen im Straßenverkehr zum Gegenstand haben, waren unter Geltung des RBerG unwirksam, wenn sie auf eine geschäftsmäßige Durchsetzung des Anspruchs auf fremde Rechnung oder auf eine geschäftsmäßige Schadensregulierung – etwa durch einen Autovermieter (st Rspr seit BGH 47, 364, 366 und 61, 317, 320f; BGH NJW 2003, 1938; 2004, 2516; 2005, 135f; NJW 2005, 3570; 2006, 1726f; 2006, 1804) oder einen sog Unfallhelferring (vgl dazu Buschbell AnwBl 1994, 108) – abzielten (BGH 47, 369; 61, 318; NJW 1974, 558; 1985, 1223; 2003, 1938; NJW-RR 1994, 1081; Hamm BB 1991, 2329; vgl auch BVerwG NJW 1978, 234; vgl auch BGH 336

H. Palm/A. Arnold

Willenserklärung

§ 134

NJW 2006, 2910). Sie waren gültig, wenn sie auf eigene Rechnung erfolgten, zB wenn die Abtretung im Wesentlichen der Sicherung des Forderungserwerbers = Unternehmers und der Verwirklichung seiner Forderung gegen den Zessionar dienten (BGH NJW 1974, 1246; 2005, 135f; NJW-RR 2005, 1371; NJW 2005, 3570; NJW 2006, 1726). Für die Tätigkeit von anderen im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall eingeschalteten Unternehmern (etwa Abschleppunternehmen; Reparaturwerkstatt; Unfallsachverständiger; Transportversicherer – Saarbrücken NJOZ 2004, 347) galt dies entspr, ebenso im Regelfall für das Anbieten von „Schadensmangement“ (Frankfurt NJW-RR 2005, 786; vgl auch Naumburg NJW-RR 2006, 764). Nichtig war auch die Abtretung an eine Bank im Rahmen der Vorfinanzierung (BGH 61, 324) und ein mit einer Bank im Rahmen einer organisierten Unfallhilfe geschlossener Kreditvertrag (BGH VersR 1977, 251; 1978, 1041; NJW 1977, 40), dies selbst dann, wenn die Ersatzforderung aus dem Verkehrsunfall nicht an die Bank abgetreten worden war (BGH NJW 1977, 431). Etwas anderes galt jedoch, wenn die Einziehung dem Unfallgeschädigten überlassen blieb (München AnwBl 1974, 84). Nach dem RDG ist nunmehr gem § 2 I RDG darauf abzustellen, ob es sich um eine Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten handelt, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Dies dürfte in den genannten Fällen zu bejahen sein. Auch die unerlaubte Hilfe in Steuersachen (vgl § 5 I StBerG) stellt ein Verbotsgesetz dar (vgl Rn 92 85e „Steuerberater“ sowie BGH NJW 1996, 1954f; Koblenz NJW 1991, 430; Naumburg DStR 1994, 1248; LG Berlin NJW-RR 1993, 434; Chemnitz EWiR 1997, 11 mwN). P Das Saatgutverkehrsgesetz (SaatG, BGBl 2004 I 1673, letzte Änderung BGBl 2010 I 1934) enthält 86 insb Bestimmungen zum Inverkehrbringen sowie zur Einfuhr und Ausfuhr vom Saatgut und Vermehrungsmaterial. Das Gesetz richtet sich einseitig allein an den Händler (Importeur). Es ordnet einen Teilbereich des Wirtschaftslebens und wendet sich – wie andere Regelungen dieser Art – nach seiner Zielsetzung nicht gegen die Wirksamkeit und den wirtschaftlichen Erfolg eines unter Verletzung des Gesetzes von dem Händler abgeschlossenen Rechtsgeschäfts; es ist deshalb kein Verbotsgesetz iSv § 134 (Köln NJW-RR 2000, 136 mwN). Vgl auch Rn 60 „Gewerberecht“. P Verträge über die Durchführung einer öffentlichen Sammlung – etwa von Geld, gebrauchten Ge- 87 genständen usw – können nach § 134 iVm der in den Sammlungsgesetzen der Länder angeordneten Erlaubnispflicht nichtig sein (vgl zu § 138 Rn 148 „Sammlung“). P Eine Scheckeinlösungszusage, die gegen das Scheckrückgabeabkommen verstößt, ist gültig 88 (Karlsruhe WM 1971, 877), dgl eine über Art 4 ScheckG hinausgehende Einlösungsvereinbarung (BGH WM 1956, 1293; BGH 64, 79, 81) sowie die schuldrechtliche Verpflichtung des Bezogenen, entgegen Art 32 ScheckG einen Widerruf vor Ablauf der Vorlegungsfrist zu beachten (BGH 35, 217, 220); insb gilt dies für die Vereinbarung einer Verpflichtung, eine Schecksperre (= Scheckwiderruf) vor Ablauf der Vorlegungsfrist zu beachten (BGH NJW 1988, 3149; dazu ua Ahlers NJW 1990, 1149 und Huff NJW 1990, 1160). P Das Gesetz zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung v 89 23.7.2004 (BGBl I 1842, letzte Änderung BGBl 2009 I, 818), m Wirkung v 1.8.2004 an die Stelle des früheren Schwarzarbeitsgesetzes getreten, enthält eine neue, im Vergleich zur früheren Regelung umfassendere Definition der Schwarzarbeit (§ 1 II; vgl dazu auch Berwanger BB-Spezial 2004, 10 und Laitenberger NJW 2004, 2703) und umfangreiche Bußgeldvorschriften (§§ 8–11). Auch die jetzige Gesetzesfassung untersagt es, Schwarzarbeit zu erbringen, sie ausführen zu lassen und für sie zu werben. Das Verbot richtet sich wie bisher an alle jew Beteiligten, also nicht nur an den „Auftragnehmer“ (BGH 85, 39, 43f; 89, 369; 111, 308, 313; Canaris NJW 1985, 2405; Staud/Sack Rn 275; MüKo/Armbrüster Rn 77 mwN). Der Zweck des Verbotsgesetzes – Verhinderung von Schwarzarbeit aus wirtschafts-, gesellschafts- und sozialpolitischen Gründen – verlangt, dass Rechtsgeschäften, die dem Verbotszweck zuwiderlaufen, die rechtliche Anerkennung versagt wird (Tiedtke NJW 1983, 713ff, DB 1990, 2307ff). Solche Rechtsgeschäfte sind deshalb idR jedenfalls dann von Anfang an nichtig, wenn beide Vertragspartner dem Gesetz bewusst zuwiderhandeln (st Rspr, vgl BGH 85, 44; 111, 308; Karczewski IBR 2007, 181) oder wenn ein Vertragspartner den Verstoß des anderen kennt und billigend in Kauf nimmt; das gilt auch bei vollständiger Erfüllung durch beide Seiten (ähnlich zB Hänsel IBR 2004, 1095; Köhler JZ 1990, 466, 467; Staud/Sack Rn 276). Dagegen soll ein einseitiger Verstoß des Auftragnehmers nach wohl überwiegender Meinung nur dann zur vollen Nichtigkeit führen, wenn der Auftraggeber ihn kannte und bewusst zum eigenen Vorteil ausnutzte; denn nach dem Schutzzweck des Verbotsgesetzes müssten dem gesetzestreuen Auftraggeber die Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüche verbleiben (BGH 89, 375; NJW 1985, 2403, 2404 m krit Anm Canaris; NJW-RR 2002, 557; Düsseldorf NJW-RR 1993, 884 und 1998, 1710; Medicus AT Rn 651). Dem ist mit der Einschränkung zuzustimmen, dass auch der in grob fahrlässiger Unkenntnis handelnde Auftraggeber keinen Schutz verdient; eine Ausnahme von den Wirkungen des Verbotsgesetzes erscheint nur zugunsten gutgläubiger Auftraggeber gerechtfertigt (ebenso Staud/ Sack Rn 279, 281). Ob auch dem Auftragnehmer bei einseitigem Verstoß seine vertraglichen Rechte zu belassen sind, ist nach dem Zweck des Verbotsgesetzes zumindest zweifelhaft (verneinend LG Bonn NJW-RR 1991, 180f; LG Mainz NJW-RR 1998, 48; Canaris NJW 1985, 2405; Staud/Sack aaO: MüKo/Armbrüster Rn 77; aA Nürnberg BauR 2000, 1494, 1496). Bei einem Arbeitsverhältnis, das den Tatbestand der Schwarzarbeit erfüllt, erfasst die Nichtigkeit mit Rücksicht auf die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers idR nur die verbotswidrige Abrede, keine Steuern und/oder Sozialabgaben abzuführen (sofern diese nicht der Hauptzweck der Vereinbarung war), nicht hingegen den eigentlichen Arbeitsvertrag (BAG 105, 187, 190ff = BB 2004, 447, 448

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§ 134

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

m Bespr Schimmel/Sehrbrock JA 2004, 352; MüKo/Armbrüster Rn 77; zur Abgrenzung von der Beurteilung bei einem Dienstvertrag BAG NZA 2004, 808 = NJOZ 2004, 2595). Bei voller Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts bestehen weder Erfüllungsansprüche (BGH 111, 308; Düsseldorf BauR 1993, 487; Koblenz DB 1975, 2125; Sonnenschein aaO; Tiedtke aaO) noch Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung (BGH 85, 39, 49) oder pFV (§§ 280ff; vgl auch § 311 II und III sowie Celle JZ 1973, 246: Anspruch aus pFV) noch Gewährleistungsansprüche (BGH 111, 308, 314; NJW 1990, 2543; Düsseldorf BauR 1987, 562; Karlsruhe NJW 1977, 2076). Ansprüche des Schwarzarbeiters aus §§ 677ff scheiden mangels Erforderlichkeit seiner Aufwendungen iSv § 670 aus (BGH 111, 308, 311; Canaris NJW 1985, 2405; Köhler JZ 1990, 469; Sonnenschein JZ 1976, 497, 501). Zum – in der Höhe von vornherein eingeschränkten (vgl Staud/Sack Rn 277) – Bereicherungsanspruch (eingehend dazu Staud/Sack Rn 278 mwN) vgl einerseits Koblenz DB 1975, 2125, Oldenburg GewA 1978, 228f, Schmidt MDR 1966, 463f, Tiedtke NJW 1983, 715 und DB 1990, 2310 (verneinend wegen § 817 S 2), andererseits Düsseldorf BauR 1978, 412; NJW-RR 1993, 884; BGH 111, 311 (mit Einschränkungen bejahend wegen § 242; abl Tiedtke DB 1990, 2307; Köhler JZ 1990, 466, 469; Sonnenschein JZ 1976, 497, 501f). Haben beide Seiten das Verbotsgesetz verletzt, sind sie aber nach fast vollständiger Erfüllung an einer Rückgewähr der Leistungen nicht mehr interessiert, soll sich der Auftragnehmer nach § 242 auf eine (nichtige) Festpreisgarantie berufen können (BGH 85, 48f; Pal/Ellenberger Rn 22; abl Medicus AT Rn 651; Fenn ZIP 1983, 466; Köhler JR 1983, 106; Tiedtke NJW 1983, 713). 90

P Sozialgesetzbuch IX/Schwerbehindertenrecht. Die nach §§ 85ff SGB IX erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes zu einer Kündigung eines schwerbehinderten Beschäftigten durch den Arbeitgeber ist Wirksamkeitsvoraussetzung; ihr Fehlen führt nicht zur Anwendung von § 134. Für einen Verstoß gegen das Verbot, schwerbehinderte Beschäftigte wegen ihrer Behinderung zu benachteiligen (SGB IX § 81 II), gelten nach der jetzigen Rechtslage die Sonderregelungen des AGG (vgl zu Rn 23a). Ob und inwieweit die umfangreichen Schutzbestimmungen für die Beschäftigung von Schwerbehinderten (SGB IX §§ 71ff, 80ff) Verbotsgesetze iSv § 134 enthalten, lässt sich nur im Einzelfall beurteilen; iÜ sind diese Bestimmungen aber als prägende gesetzliche Wertentscheidung bei § 138 zu beachten.

91

P Sportrecht. Im Sport kommen für die Anwendung von § 134 nicht nur individuelle Rechtsgeschäfte, sondern vor allem auch normähnliche Regelungen (Satzungen, Spielordnungen usw) von Sportvereinen und -verbänden und darauf beruhende Einzelentscheidungen in Betracht. Gesetzliche Verbote finden sich sowohl im Europarecht als auch im nationalen Recht. Regelungen für Berufssportler können insb mit den europarechtlichen Bestimmungen zur Freizügigkeit von Arbeitnehmern und zur Dienstleistungsfreiheit (Art 45ff und 56ff AEUV, früher Art 39ff und 49ff EGV) unvereinbar sein, die der EuGH insoweit unmittelbar anwendet (Bsp: Das „Bosman-Urt“, EuGH NJW 1996, 505 und im Anschluss daran EuGH NJW 2000, 2011 und EuGH EuZW 2000, 375; zu dieser Rspr – tw krit: Hobe/ Tietje JuS 1996, 486; Söffing BB 1996, 523; Trautwein JA 1996, 457; Wertenbruch EuZW 1996, 91 und Palme JZ 1996, 238). – Regelungen zum Berufssport können ferner kartellrechtlich (etwa nach Art 101f AEUV oder nach §§ 1, 20 GWB) bedenklich sein (vgl Fleischer WuW 1996, 473ff; Kelber NZA 2001, 11; Oberthür NZA 2003, 462; Wertenbruch EuZw 1996, 91); das gilt etwa für die rechtsgeschäftliche Verknüpfung der Teilnahme an einer Sportveranstaltung mit Vereinbarungen über eine bestimmte Werbung oder einen Verzicht auf eine bestimmte Werbung oder mit Vereinbarungen über sonstige Werbebeschränkungen (dazu Rauste SpuRt 1998, 7). Ob eine Kollision – etwa von Transferregelungen, auch im Amateursport – mit der verfassungsrechtlichen Ordnung zur Berufsfreiheit (Art 12 GG) sowie zur Vereinigungsfreiheit von § 134 erfasst wird oder unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit zu würdigen ist, ist str (dazu § 138 Rn 167 „Sport“). Zu den Maßstäben für (sportrechtliche) Verbandsregelungen mit grundrechtsbeschränkender Wirkung BGH NJW-RR 2000, 758. Ein zur Gesetzwidrigkeit führender Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (vgl dazu Rn 85 „Rechtsdienstleistungsgesetz“) kann vorliegen, wenn ein Sportmanagementvertrag dem Manager eines Sportlers auch rechtsberatende Aufgaben zuweist (vgl Buchberger AnwBl 2000, 637; Schlosser NZA 2001, 16, 17f; Wertenbruch NJW 1995, 223, 224f). Durch § 6a AMG idF v 12.12.2005 (BGBl I 3394, letzte Änderung BGBl 2010 I 2262) ist es verboten, Arzneimittel zu Dopingzwecken im Sport in den Verkehr zu bringen, zu verschreiben oder bei anderen anzuwenden; zur Anwendung von § 134 auf damit unvereinbare Rechtsgeschäfte und zu neuerlichen Änderungen des AMG mit dem Ziel besserer Bekämpfung des Doping vgl oben Rn 42.

92

P Steuerberatungsgesetz. § 5 II StBerG verbietet die unbefugte geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen. Die Regelung schützt nicht nur die Interessen der ratsuchenden Steuerpflichtigen, sondern darüber hinaus wichtige Gemeinschaftsgüter. Sie ist deshalb Verbotsgesetz iSv § 134. Ein Vertrag, durch den sich eine dazu nach §§ 2ff, 6 StBerG nicht befugte Person zur Hilfeleistung in Steuersachen verpflichtet, ist nichtig (BGH NJW 1996, 1954; NJW-RR 2005, 1290 für einen Vertrag mit einem Kontierer iSv § 6 Nr 4 StBerG; Düsseldorf NJOZ 2002, 527). Das gilt auch für einen Vertrag mit einem Steuerberater aus einem EU-Staat, der in Deutschland keine Zulassung als Steuerberater hat und für einen Vertrag mit einer Steuerberatungssozietät, wenn nicht alle Sozien zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen befugt sind (BGH NJW-RR 2006, 1071). Zur Wirksamkeit eines nach Anruf bei einer Steuerberater-Hotline zustandegekommenen Beratungsvertrags BGH NJW 2005, 1268. Zur Unschädlichkeit mangelnder Berufszulassung für Verträge mit Kunden im handwerklichen oder gewerblichen Bereich vgl Rn 60 „Gewerberecht“. Auch ein Steuerberater kann im Hinblick auf § 64 II StBerG und § 203 I Nr 3 StGB – wie ein Arzt oder ein Rechtsanwalt, vgl Rn 43 „Arzt“ bzw Rn 84 „Rechtsanwalt“ – ohne Zustimmung seiner Man-

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Willenserklärung

§ 134

danten weder Honoraransprüche wirksam abtreten noch eine wirksame Verpflichtung zur Honorarabtretung oder zur Übergabe von Handakten, Mandantenunterlagen usw eingehen (vgl BGH NJW 1996, 2087 unter Hinw auf die Rspr zum Praxisverkauf bei Ärzten und Rechtsanwälten für einen Vertrag über die Veräußerung einer Steuerberaterkanzlei; ebenso Rostock NJOZ 2006, 1263; BGH NJW 1999, 1544, 1546; Jena MDR 2005, 1180; LG Konstanz NJW 1992, 1241 für die Abtretung des Honoraranspruchs; Frankfurt DB 2006, 1839 für die Abtretung an eine Sozietät aus Steuerberatern und Rechtsanwälten; München NJW-RR 2001, 1145 für die Abtretung an eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft; AG Schleiden NJW-RR 1999, 502 für die Abtretung an einen zur Sozietät gehörenden Rechtsanwalt; Gienapp/v Hugo BB 1997, 2229). Dagegen ist die Pfändung von Honorarforderungen wirksam (BGH 141, 173). P Eine auf eine Steuerstraftat (§§ 369 AO), insb auf eine Steuerhinterziehung (§ 370 AO) oder Steu- 93 erhehlerei (§ 374 AO), gerichtete Vereinbarung ist nach der hM nur dann nichtig, wenn die Steuerstraftat Hauptzweck des Vertrags war (Bsp: BGH 14, 25, 30f; WM 69, 163, 164; NJW 1983, 1843; BGH 136, 125, 132; NJW 2003, 2742; NJW-RR 2001, 380; 2008, 1051f; Hamm BB 1989, 651; Koblenz WM 1979, 1435; Köln MDR 1957, 34; MüKo/Armbrüster Rn 57; Staud/Sack Rn 287, 288). Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, wenn etwa bei einem Grundstückskaufvertrag oder bei einem Mietvertrag der vereinbarte Preis mit dem Ziel der Steuerersparnis zu niedrig angegeben wird, lässt sich sachgerecht nur nach den Umständen des Einzelfalles entscheiden (BGH NJW 2003, 2742 – für Mietvertrag; für Grundstückskaufvertrag idR verneinend BGH NJW-RR 2002, 1527; vgl zur Gesamtproblematik der Simulation im Steuer- und Zivilrecht Heuermann DB 2007, 416 sowie zu § 117 Rn 6). Eine Schwarzgeldabrede in einem Arbeitsvertrag bewirkt Nichtigkeit idR nur für die Vereinbarung, keine Steuern und Sozialabgaben abzuführen, nicht für den Vertrag iÜ (BAG NZA 2004, 313; 2010, 881, 882; MüKo/Armbrüster Rn 57). Soll ein Geschäft „ohne Rechnung“ abgewickelt und dadurch zB Umsatzsteuer erspart werden, kann es unwirksam sein, wenn die Abrede den Preis beeinflusst hat (BGH MDR 1968, 834; Hamm NJW-RR 1997, 722); auch hier kommt es aber letztlich auf die Umstände des Einzelfalles an (BGH NJW-RR 2008, 1050). Ob eine Steuerordnungswidrigkeit (§§ 377ff AO) zur Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts führt, lässt sich nur im Einzelfall beurteilen. P Strafrecht. Vereinbarungen, die auf die gemeinsame Begehung einer Straftat oder auf die strafba- 94 re Teilnahme eines Vertragsteils an einer Straftat des anderen Vertragsteils zum Nachteil der Allgemeinheit oder eines Dritten abzielen, sind in aller Regel als beiderseitige Verletzung des allg in den Strafgesetzen liegenden Verbots, Straftaten zu begehen, gem § 134 unwirksam (MüKo/Armbrüster Rn 53). Ein Vertrag, der auf die Übernahme von Geldstrafen für eine zukünftige Straftat durch einen Dritten gerichtet ist, kann wegen psychischer Beihilfe zu der Straftat unwirksam sein (vgl Kapp NJW 1992, 2796, 2797); die frühere Auffassung (Unwirksamkeit wegenVerstoßes gegen §§ 257, 258 StGB, vgl BGH 41, 223; BAG 9, 243, 249; Staud/Sack Rn 293) ist durch die neuere Rspr (BGH NJW 1991, 990, 992; dazu Kapp NJW 1992, 2796 und Scholl NStZ 1999, 599) überholt. Wirksam ist auch die Vereinbarung, für eine bereits entrichtete Geldstrafe Ersatz zu leisten, es sei denn, man sieht darin eine Vollstreckungsvereitelung nach § 258 StGB (vgl BGH 41, 223). Nicht alle (BGH 53, 152, 157), aber doch die meisten Strafnormen sind nach ihrer Zweckbestimmung inhaltlich Verbotsgesetze iSv § 134. Ein strafbewehrtes Verbot führt aber grds nur dann zur Nichtigkeit des mit dem Inhalt der Verbotsnorm unvereinbaren Rechtsgeschäfts insgesamt, wenn der Straftatbestand von allen Vertragsbeteiligten objektiv und subjektiv erfüllt wird (BGH 89, 369, 373; 115, 123, 125; 132, 313, 318). Verstößt hingegen nur ein Vertragsteil mit einem Vertrag gegen ein Strafgesetz, dann ist zu unterscheiden: Nichtigkeit tritt allein dann ein, wenn der Verbotszweck nur so erreicht werden kann (BGH aaO; Bsp: Nichtigkeit von Vereinbarungen, mit denen ein Teil gegen § 203 StGB verstößt; vgl Rn 43 „Arzt“, Rn 80 „Patenanwalt“, Rn 84 „Rechtsanwalt“, Rn 92 „Steuerberater“). Keine Nichtigkeit ist idR anzunehmen, wenn das strafbare Verhalten des einen Teils für den anderen Teil eine Möglichkeit eröffnet, sich einseitig vom Vertrag zu lösen (Bsp: Anfechtbarkeit aus § 123 bei Betrug; anders, wenn zwei zum Nachteil eines Dritten einen Betrug vereinbaren, vgl Karlsruhe DAR 1990, 183; MüKo/Armbrüster Rn 53; Staud/Sack Rn 15); in diesen Fällen überlässt das Gesetz dem durch die Straftat benachteiligten Vertragspartner durch § 123 die Entscheidung, ob der Vertrag gelten soll oder nicht (teilw aM für einen Submissionsbetrug München NJW-RR 2002, 886, 887). Anwendungsbeispiele: Verträge, die eine wegen eines Berufsverbotes nach § 70 StGB verbotene Tätigkeit zum Inhalt haben, sind ungültig, da sie gegen § 145c StGB verstoßen (Staud/Sack Rn 290). Zu § 168 StGB als Verbotsgesetz vgl BGH NJW 1994, 2613 – Vertrag über die Bergung eines gesunkenen U-Bootes. Unwirksam sind Rechtsgeschäfte zur Verbreitung von pornographischen Schriften pp iSd §§ 184–184c StGB (Hamburg MDR 1972, 237; 1975, 226; Staud/Sack Rn 291), nicht dagegen ein Leihvertrag über einen Pornofilm (BGH NJW 1981, 1439; vgl § 184 I Nr 7 StGB) oder ein Bierlieferungsvertrag mit einem Bordell (BGH WM 1987, 1106f). Zur Nichtigkeit von Verträgen, mit denen ein Teil gegen § 203 StGB verstößt, vgl Rn 43 „Arzt“, Rn 84 „Rechtsanwalt“, Rn 92 „Steuerberater“). Die Veräußerung einer unterschlagenen oder veruntreuten Sache (§§ 246, 266 StGB) an einen Gutgläubigen ist wirksam (RG 78, 353); dagegen ist schon das Verpflichtungsgeschäft nichtig, wenn der Erwerber Hehler (§ 259 StGB) ist oder zu der vorausgegangenen Unterschlagung oder der Untreue Beihilfe geleistet hat (MüKo/Armbrüster Rn 53; Soergel/Hefermehl Rn 24); keine Nichtigkeit dürfte allerdings in diesen Fällen eintreten, wenn und soweit eine Genehmigung des dinglichen Geschäfts (§ 185) in Betracht kommt (vgl Staud/Sack Rn 293). Eine mittelbare Falschbeurkundung (§ 271 StGB) in einer Vertragsurkunde führt ebenfalls nicht zur Nichtigkeit des Vertrags (RG HRR 1931 Nr 579). Ein Rechtsgeschäft, das wegen Gläubigerbegünstigung oder Schuldnerbegünstigung unter §§ 283c oder

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§ 134

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

283b StGB oder wegen Zwangsvollstreckungsvereitelung unter § 288 StGB fällt und nach den Sonderregeln der §§ 129ff InsO, §§ 1ff AnfG angefochten werden kann, ist idR nicht nach § 134 nichtig (vgl für die Gläubigerbenachteiligung BGH NJW-RR 2002, 1359, 1361; 2007, 121; MüKo/Armbrüster Rn 58; Staud/Sack Rn 255, 294). IÜ sind aber wegen Verstoßes gegen § 288 StGB Vereinbarungen nichtig, die darauf abzielen, eine Zwangsvollstreckung zu vereiteln (vgl RG 142, 377; Schleswig SchlHA 1957, 96; MüKo/Armbrüster Rn 58), sofern nicht ein Gutgläubiger beschenkt wird (Staud/Sack Rn 295 mwN). Ungültig ist ein Vertrag, der gegen §§ 284 oder 286 StGB verstößt (Köln OLG 1971, 392; Nürnberg MDR 1978, 669; Staud/Sack Rn 295; zur Abgrenzung BGH 47, 393, 397f – keine Nichtigkeit bei Verstoß gegen Auflagen oder Zulassungsbedingungen). Eine wucherische Vereinbarung unter Verstoß gegen § 291 StGB ist idR nur ungültig, wenn entweder die Leistung des Bewucherten nicht teilbar ist oder eine Beschränkung der Nichtigkeit auf den über das höchstzulässige Maß hinausgehenden Teil seiner Leistung (vgl dazu Rn 81 „Preisrecht“) im Einzelfall nicht in Betracht kommt (aM bis 9. Aufl; s auch Staud/Sack Rn 295; Schmidt-Futterer JR 1972, 133; Kohte JuS 1984, 509 mwN will sogar den nur objektiven Verstoß ausreichen lassen, da Zweck der Vorschrift die Ausschaltung normwidrigen Verhaltens sei). Nichtig sind die einer Bestechung oder unzulässigen Vorteilsannahme (§§ 331ff StGB; § 12 UWG aF/§§ 299ff StGB) dienenden Rechtsgeschäfte (BGH 141, 357, 359; BFH NJW 2001, 2280; Karlsruhe BB 2000, 635f; Soergel/Hefermehl Rn 25; Staud/Sack Rn 295, 299). Zu Steuerstraftaten Rn 93 „Steuerstraftat“. 95

P Staatliche Subventionierung ohne gleichzeitige Verfolgung gesetzlich zugelassener Ziele kann zur Nichtigkeit der Subventionsabrede führen (BGH 47, 30).

96

P Zu preisrechtlichen Regelungen im Telekommunikationsrecht vgl Vander NJW 2007, 2580 und Rn 81 „Preisrecht“.

97

P Das Transplantationsgesetz (BGBl 1997 I 2631, durch Gesetz vom 20.7.2007 BGBl I 1574 erheblich geändert und weitgehend neu gefasst, letzte Änderung BGBl 2009 I 1990) stellt den nach § 17 verbotenen Handel mit menschlichen Organen oder Geweben, die einer Heilbehandlung eines anderen zu dienen bestimmt sind, sowie die Entnahme oder Übertragung solcher Organe oder Gewebe umfassend unter Strafe (§§ 18ff TPG); das gilt auch für deutsche Täter im Ausland (§ 24 TPG iVm § 5 StGB). Als Organhandel strafbare Rechtsgeschäfte sind damit verboten und gem § 134 nichtig.

98

P Zur Unwirksamkeit von Rechtsgeschäften bei Umgehung eines Verbotsgesetzes vgl Rn 18 sowie zu den einzelnen Verbotsgesetzen unter Rn 19.

99

P UWG. Rechtsgeschäfte, die selbst zu unlauterem Wettbewerb unter Verstoß gegen zwingende Verbote etwa des UWG verpflichten, sind – unabhängig von einer etwaigen Sittenwidrigkeit, vgl § 138 Rn 184 „Unlauterer Wettbewerb“ – regelmäßig nach § 134 nichtig (Bsp: BGH 110, 156, 175; BGH 141, 357, 360f; NJW 1998, 2531, 2533; Düsseldorf NJW 1975, 2108; München AfP 1995, 655f; NJW-RR 2006, 768f; Stuttgart BB 1996, 2060; NJW-RR 1997, 236; MüKo/Armbrüster Rn 67; Staud/Sack Rn 298ff; Körner WRP 1979, 774, 775; Sack WRP 1974, 445, 447; vgl auch BGH NJW 2002, 2093, 2094f). Dagegen sind Rechtsgeschäfte, die mit Hilfe wettbewerbsrechtlich unlauteren Verhaltens zustande kommen („Folgeverträge“), nicht ohne weiteres unwirksam; das gilt insb, wenn das Verbotsgesetz, wie es die Regel ist, nicht gerade den Abschluss von Rechtsgeschäften mit diesem Inhalt verhindern will (Bsp: BGH 110, 156, 174f; BGH 123, 330, 336; Sack GRUR 2004, 625; MüKo/Armbrüster Rn 67; Staud/Sack Rn 301ff, 304ff); Voraussetzung für eine Nichtigkeit gem § 134 aus wettbewerbsrechtlichen Gründen ist in diesen Fällen, dass der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung selbst die Wettbewerbswidrigkeit des Verhaltens innewohnt (BGH 110, 156, 175; NJW 1998, 2531; 1999, 2266, 2267). Möglicherweise kann der unlauter geworbene Vertragspartner sich allerdings je nach Lage des Einzelfalles nach den hierfür vorgesehenen Regeln – etwa durch Anfechtung oder Widerruf nach den besonderen Bestimmungen für Verbraucherverträge, einseitig aus dem Vertrag lösen; auch kann den noch nicht erfüllten vertraglichen Ansprüchen desjenigen, der unlauteren Wettbewerb betrieben hat, uU der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegenstehen (vgl Staud/Sack Rn 305). Allg zu wettbewerbswidrigen Folgeverträgen: Schockenhoff NJW 1995, 500. – Zur Nichtigkeit bei Verstößen gegen §§ 299ff StGB (früher § 12 UWG aF) vgl Rn 49 „Beamtenrecht“ und Rn 94 „Strafrecht“.

100

P Im Vergaberecht (§§ 97ff GWB; VergabeVO – VgV, BGBl I 2001, 110, letzte Änderung BGBl 2010 I 2262) führen materielle oder verfahrensmäßige Rechtsverstöße regelmäßig nicht zur Anwendung von § 134. Ihre Auswirkungen sind vielmehr in Nachprüfungsverfahren von den Vergabekammern (§§ 104ff GWB) und den zuständigen Gerichten (§§ 116ff GWB) zu klären (Einzelheiten Byok NJW 2002, 2295, 2299ff und Jagenburg/Brück NJW 2002, 2677, jeweils mwN). Denkbar ist, dass eine Bietergemeinschaft vom Wettbewerb ausgeschlossen wird, wenn der Zusammenschluss etwa gegen § 1 GWB verstößt und daher gem § 134 unwirksam ist (vgl BGH NZBau 2006, 809 mwN; Düsseldorf NZBau 2006, 810; Byok NJW 2004, 199, 200; Kämper/Hesshaus NZBau 2003, 303 und Wiedemann ZfBR 2003, 240). Während des Vergabeverfahrens und des Verfahrens vor der Vergabekammer gelten zur (EU-rechtlich gebotenen, vgl EuGH NJW 2000, 569) Sicherung eines effektiven Rechtsschutzes für unterlegene Bieter befristete Zuschlagsverbote (§ 101a S 3 GWB für das Vergabeverfahren; § 115 I GWB für das Verfahren vor der Vergabekammer), die als gesetzliche Verbote unter § 134 fallen (vgl dazu Diekmann VergabeR 2005, 10; Hailbronner NZBau 2002, 474; Kau NZBau 2003, 310; Kus NZBau 2005, 96). Verbotswidrig vergebene Aufträge sind nichtig; allerdings wird in § 101b GWB die Nichtigkeitsfolge unmittelbar angeordnet und von einer Feststellung des Verstoßes im Nachprüfungsverfahren abhängig gemacht (s Dreher/Hoffmann NZBau 2010, 201; Bsp für § 115 I GWB: BayObLG 2004, 229; Frankfurt NZBau 2004, 173; München ZfBR 2005, 714 m Anm Weihrauch VergabeR 2005, 802. – Bsp zu § 13 S 5f VgV: BGH NZBau 2004, 229 und 2005, 530 = DB 2005, 1026). – Nichtigkeit analog § 115 GWB/§ 101a S 3 GWB kommt ferner in Betracht (analoge Anwendung der Bestimmungen über das Vergabeverfah-

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Willenserklärung

§ 134

ren), wenn ein Auftrag insgesamt ohne Durchführung eines vorgeschriebenen Vergabeverfahrens (de-facto-Vergabe) erteilt wird (BGH 162, 116; Celle ZfBR 2006, 818; Düsseldorf NZBau 2003, 400, 405; NZBau 2004, 343 und NZBau 2005, 535, 536 und 537; Frankfurt NZBau 2004, 692; München ZfBR 2005, 597; einschr, wenn keine weiteren Interessenten zu schützen sind: BGH NZBau 2005, 530; Düsseldorf NJW 2004, 1331 und NZBau 2005, 484 m Bespr Raabe NJW 2004, 1284, Rosenkötter NZBau 2004, 136 und v. Gehlen NZBau 2005, 503; Jena VergabeR 2004, 113; vgl auch EuGH NZBau 2003, 393; EuZW 2005, 86 und KG NZBau 2005, 538 m Bespr Hausmann/Bultmann ZfBR 2005, 302; vgl auch Pape/Holz NJW 2005, 2264, 2267 sowie Rn 65 „Haushaltsrecht“) Nichtigkeit nach § 134 (oder § 138) kann im Einzelfall ferner begründet sein, wenn durch wettbewerbsbeschränkende Abreden bei der Ausschreibung strafbar oder im kollusivem Zusammenwirken gehandelt wird (§§ 263, 298 StGB; Bsp: BGH NJW 2001, 3718; München NZBau 2002, 509; Antweiler DB 2001, 1975, 1979f; Portz VergabeR 2002, 211, 218). – Bei einem festgestellten Verstoß gegen europarechtliches Vergaberecht wird im Anschluss an eine Entscheidung des LG München (NZBau 2006, 269) anstelle von Nichtigkeit die Einräumung eines außerordentlichen Kündigungsrechts diskutiert (Bitterich NJW 2006, 1845; Prieß/Gabriel NZBau 2006, 219). P Versicherungsrecht. Auch ein Versicherungsvertrag kann wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches 101 Verbot nichtig sein (vgl die Übersicht bei Prölss/Martin VVG § 1 Rn 77). Das Schwergewicht der Inhaltskontrolle von Versicherungsverträgen liegt in der Rechtspraxis aber nicht bei der Prüfung von Verbotsgesetzen iSv § 134, sondern im AGB-Recht sowie bei der verfassungskonformen Auslegung von einzelnen Vertragsregelungen, etwa unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des informationellen Selbstbestimmungsrechts des Versicherungsnehmers. Die in der Vergangenheit sehr umstr Frage, ob bei einer Lebensversicherung Provisionsteilungsvereinbarungen wegen des Verbots der Gewährung von Sondervergütungen unwirksam sind (bejahend Celle VersR 1994, 856; Köln VersR 1991, 1373; AG Hamburg NJW-RR 1993, 1372; eingehend Schwarz NJW 1995, 491; Staud/Sack Rn 306; verneinend Frankfurt VersR 1995, 92, 94; Hamburg VersR 1995, 817; Hamm VersR 2003, 446, 447; Karlsruhe NVersZ 2002, 455, 456; LG Karlsruhe NJW-RR 2003, 1470) ist inzwischen vom BGH (159, 334: keine Verletzung eines Verbotsgesetzes) entschieden (zust MüKo/Armbrüster Rn 68). – Zur Wirksamkeit der Vereinbarung einer Gebäudeversicherung trotz Vermögensbeschlagnahme nach § 290 StPO Düsseldorf NJW-RR 2004, 468. Zur Unwirksamkeit der Entbindung von der Schweigepflicht in Versicherungsanträgen Werner NVZ 2001, 1. P Unwirksam ist ein Vertrag über eine Versteigerung ohne die nach § 34b I GewO erforderliche Ge- 102 nehmigung (Hamm NJW-RR 1994, 546; vgl zur Abgrenzung – keine Nichtigkeit bei Verletzung von Vorschriften für die Versteigerung RG 60, 273; BGH NJW 1981, 1205; Celle NJW 1969, 1764). Umstr ist, ob § 34b I GewO auch für die sog Internetauktionen gilt (bejahend LG Hamburg MMR 1999, 678; Klinger DVBl 2002, 810; verneinend KG NJW 2001, 3272; Hösch GewA 2002, 257; Merten GewA 2006, 55; vgl auch Krugmann NVwZ 2001, 651). Zur Wirksamkeit eines bei einer Internetauktion geschlossenen Kaufvertrags BGH MMR 2002, 95; Hamm NJW 2001, 1142. Vgl auch Rn 60 „Gewerberecht“. P Im Währungsrecht wird nunmehr die Zulässigkeit der Wertsicherung von Geldforderungen durch 103 automatisch wirkende Indexierungsklauseln und ähnliche Vertragsregelungen durch das Preisklauselgesetz (PreisklG) v 7.9.2007 (BGBl I 2246, zuletzt geändert durch Gesetz v 29.7.2009 (BGBl I 2355) geregelt. Nach § 1 I PreisklG darf der Betrag von Geldschulden nicht unmittelbar und selbsttätig durch den Preis oder Wert von anderen Gütern oder Leistungen bestimmt werden, die mit den vereinbarten Gütern oder Leistungen nicht vergleichbar sind. §§ 2–7 PreisklG enthalten allerdings etliche Ausnahmeregelungen. Die Unwirksamkeit von Preisklauseln, die nicht nach Maßgabe der §§ 2–7 PreisklG zulässig sind, wird in § 8 PreisklG angeordnet; sie tritt allerdings grds erst ein, wenn der Verstoß gegen das PreisklG rechtskräftig festgestellt worden ist. Die Rechtswirkungen der Preisklausel bleiben bis zum Zeitpunkt der Unwirksamkeit unberührt. P Zum Wohnungsbindungsgesetz vgl Rn 77 „Mietrecht“. Im Wohnungseigentumsrecht kann die Ei- 104 gentümerversammlung (§ 23 WEG) durch Mehrheitsbeschluss weder ein Sondernutzungsrecht an Gemeinschaftseigentum vergeben oder entziehen noch in den Kernbereich der gesetzlichen Rechte des WE (§ 13) eingreifen. Gegenteilige Beschl sind unwirksam (die seit dem 1.7.2007 geltende Neufassung von § 23 IV enthält eine eigene Nichtigkeitsregelung mit allerdings begrenzter Anwendbarkeit; nach dem bisherigen Recht vgl zur Begründung oder Entziehung von Sondernutzungsrechten BGH 145, 158 und Düsseldorf NJOZ 2003, 2925 – allerdings nicht auf § 134, sondern auf fehlende Beschlusskompetenz gestützt). Bsp für nichtigen Eingriff in den Kernbereich des Einzeleigentums: Celle NZM 2005, 184 – Ausschluss der Feriengastvermietung; Düsseldorf NJW-RR 2001, 877 – Beschl, wonach der Verwalter der Anlage Mieten aus einer etwaigen Vermietung der Eigentumswohnung einzuziehen hat; Saarbrücke!n NJW 2007, 779; dazu Blank NJW 2007, 729 – generelles Haustierhaltungsverbot entgegen § 15 I WEG. P Das Wohnungsvermittlungsgesetz (Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung – WoVerm- 105 RG) gilt (§ 1 I) für die Vermittlung des Abschlusses von Mietverträgen über Wohnräume sowie für den Nachw der Gelegenheit zum Abschluss solcher Verträge. Es enthält in § 4a WoVermRG eine eigene Unwirksamkeitsregelung; sie geht § 134 vor (Bsp zur Anwendung von § 4a BGH NJW-RR 2006, 728; Düsseldorf NZM 1998, 805; Köln NZM 2001, 481). § 6 I WoVermRG ist kein Verbotsgesetz (eingehend BGH NJW 2002, 3015). P

Zur ZugabeVO vgl Rn 83 „Rabattgesetz“.

106

P

Die Verpflichtung zum Nichtbieten im Rahmen der Zwangsversteigerung kann gegen den Zweck 107 des ZVG verstoßen und deshalb gem § 134 unwirksam sein (Brox/Walker ZwVR Rn 907). Nicht unH. Palm/A. Arnold

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§ 134

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

wirksam ist hingegen ein Mietvertrag, der darauf abzielt, die Rechtslage des § 93 ZVG auszuschalten und die Rechte des Erstehers aus dieser Vorschrift zu vereiteln (Düsseldorf NJW-RR 1996, 720). Nichtig ist eine unter Verstoß gegen § 56 S 2 ZVG in die Teilungserklärung zur Begründung von Wohneigentum aufgenommene Bestimmung, wonach auch ein Erwerber im Wege der Zwangsvollstreckung für Wohngeldrückstände des Voreigentümers haften soll (BGH 99, 358). 108

P Zur Nichtigkeit von Vereinbarungen über die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in Bauträgerverträgen vgl Rn 48 „Bauträgervertrag“. – Zur strafbaren Vereitelung einer Zwangsvollstreckung gem § 288 StGB vgl Rn 94 „Strafrecht“.

135

Gesetzliches Veräußerungsverbot (1) Verstößt die Verfügung über einen Gegenstand gegen ein gesetzliches Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt, so ist sie nur diesen Personen gegenüber unwirksam. Der rechtsgeschäftlichen Verfügung steht eine Verfügung gleich, die im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung erfolgt. (2) Die Vorschriften zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, finden entsprechende Anwendung.

136

Behördliches Veräußerungsverbot Ein Veräußerungsverbot, das von einem Gericht oder von einer anderen Behörde innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassen wird, steht einem gesetzlichen Veräußerungsverbot der in § 135 bezeichneten Art gleich.

1

1. Allgemeines. Die §§ 135f regeln über ihren Wortlaut hinaus nicht nur die Rechtsfolgen von Veräußerungsverboten, sondern allg von – praktisch freilich kaum vorkommenden (s Rn 5) – gesetzlichen und behördlichen relativen Verfügungsverboten (allgM). Diese dienen dem Schutz bestimmter (einzelner) Personen. Deshalb ist die Verfügung, die gegen ein solches Verbot verstößt, nur ggü den geschützten Personen unwirksam, ggü anderen aber wirksam; sie ist also nach §§ 135, 136 relativ unwirksam.

2

2. Abgrenzung. a) Absolute Verfügungsverbote. Nicht anwendbar sind die § 135f auf absolute Verfügungsverbote. Sie dienen idR dem Schutz überragender Interessen der Allgemeinheit und verbieten mit ihnen unvereinbare Rechtsgeschäfte; sie wirken ggü jedermann. Deshalb ist eine Verfügung, die gegen ein absolutes Veräußerungsverbot verstößt, nach § 134 nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt (BGH 19, 355, 359; NJW 1983, 636). Bsp für absolute Verfügungsverbote bilden etwa § 111b StPO, § 290 StPO (Düsseldorf NJW-RR 2004, 468), §§ 43, 50–52 AMG (MüKo/Armbrüster Rn 9), § 3 BtMG und § 55 II 3 BNotO (BGH NJW 2006, 294, 296). Auch § 81 InsO enthält ein absolutes Verfügungsverbot (s nur Müko-InsO/Ott/Vuia § 81 Rn 13; zur Diskussion zur KO s Erman/ Palm11 Rn 5); dasselbe gilt für § 88 InsO (BGH NJW 2006, 1286f). Als absolute Verfügungsverbote werden insb von der Rspr auch die §§ 1365, 1369 angesehen (s nur BGH 40, 218, 219f; zum Streitstand s § 1365 Rn 29, § 1369 Rn 9 mwN). Demgegenüber wird in der Literatur vielfach angenommen, es handele sich um sog Verfügungsbeschränkungen (s Rn 3), da durch die Regelungen nicht das Allgemeininteresse geschützt werde (MüKo/Armbrüster Rn 22; Medicus AT Rn 670). Praktische Konsequenzen hat die Kontroverse freilich nicht, da die §§ 1366f die Rechtsfolgen von gegen §§ 1365, 1369 verstoßenden Verfügungen gesondert regeln.

3

b) Verfügungsbeschränkungen. Von den relativen Verfügungsbeschränkungen zu unterscheiden sind auch die sog Verfügungsbeschränkungen, die zwar nur dem Schutz individueller Interessen dienen, aber – im Gegensatz zu den relativen Verfügungsbeschränkungen – absolut wirken, weil dem Verfügenden die erforderliche Verfügungsmacht fehlt. Eine dagegen verstoßende Verfügung ist absolut unwirksam; nicht nur der Geschützte, sondern jedermann kann sich auf die Unwirksamkeit berufen. Hierher gehören zB die Verfügungsbeschränkungen der Eltern (§§ 1643ff), des Vormundes (§§ 1804ff), des Vorerben (§ 2113) und des Erben bei Testamentsvollstreckung (§ 2211; BGH 48, 214, 219). Auch §§ 717, 719, die Verfügungen eines Gesellschafters über seine Mitgliedschaftsrechte an einer Personengesellschaft oder über seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen ausschließen, stellen Verfügungsbeschränkungen dar (BGH 13, 179, 183; 24, 106, 114). Gleiches gilt für Verfügungen über vereinbarungsgemäß nicht abtretbare Forderungen oder Rechte, §§ 399, 413 (BGH 56, 228, 231; Jauernig/Jauernig Rn 3).

4

c) Verpflichtungsbeschränkungen. Erst recht nicht von §§ 135f erfasst werden Verpflichtungsbeschränkungen, wie sie zB § 311b II, IV für Verträge über künftiges Vermögen oder den Nachlass eines lebenden Dritten vorsehen. Soweit in den Fällen des § 311b IV auch das Verfügungsgeschäft unwirksam ist (s nur BGH 37, 319, 324f), beruht dies darauf, dass Verfügungen über den Nachlass eines Dritten zu dessen Lebzeiten nach den Grundsätzen des BGB von vornherein ausgeschlossen ist; mit § 135 hat daher auch dieser Fall nichts zu tun (vgl MüKo/Armbrüster § 135 Rn 14).

5

3. Relative Verfügungsverbote. a) Gesetzliche Verfügungsverbote. Relative Veräußerungsverbote können auf Gesetz (§ 135) oder auf gerichtlicher bzw behördlicher Anordnung (§ 136) beruhen; durch Rechtsgeschäft können sie dagegen nicht begründet werden. Gesetzliche relative Verfügungsverbote sind freilich äußerst selten. Zwar stellen etwa die §§ 1124ff relative Verfügungsverbote dar; doch enthalten sie zugleich eigene Regelungen hins der Rechtsfolgen, so dass für die Anwendung des § 135 kein Raum bleibt. Letztlich wird für das BGB eine Anwendung des § 135 allein im Hinblick auf § 473 diskutiert (s RG 114, 105, 111; Pal/Weidenkaff § 473 Rn 2; aA MüKo/Armbrüster Rn 16f). Bsp für ge342

H. Palm/A. Arnold

Willenserklärung

§ 136

setzliche relative Verfügungsverbote außerhalb des BGB sollten nach verbreiteter Auffassung allein verschiedene Vorschriften des VVG (§§ 98, 156 aF VVG) bilden (s nur Medicus AT Rn 671). Von den genannten Normen ist nach der Reform des VVG freilich allein § 108 VVG übrig geblieben (s Prölss/ Martin/Lücke § 108 Rn 15). b) Behördliche Verfügungsverbote. Der Hauptanwendungsbereich der §§ 135, 136 liegt daher bei 6 den gerichtlichen oder behördlichen Verfügungsverboten. Die wichtigsten Bsp bilden die Beschlagnahmen im Zwangsvollstreckungsrecht (§§ 829, 857 ZPO, s BGH 58, 25, 26; 100, 36, 45; NJW 1998, 746; 2007, 81) sowie nach ZVG (§§ 23, 146 ZVG, s BGH NJW 1997, 1582), die Zahlungssperre nach § 480 FamFG und die einstw Verfügungen (vgl § 938 II ZPO), durch die ein relatives Veräußerungsverbot ausgesprochen wird. In Betracht kommen auch entspr strafprozessuale Maßnahmen gem §§ 111c V StPO und §§ 73, 73e, 74, 74e StGB, etwa die Beschlagnahme von Geld (Düsseldorf NJW 1995, 2239) oder von Wertpapieren (Düsseldorf NJOZ 2004, 1213, 1218). c) Entsprechende Anwendung auf Erwerbsverbote. Gesetzliche Erwerbsverbote sieht das BGB 7 nicht vor. Dagegen werden gerichtliche Erwerbsverbote von der Rspr (RG 117, 287, 291; 120, 118, 119; BGH NJW 1983, 565) zugelassen (ebenso MüKo/Armbrüster § 136 Rn 8f; aA Flume § 17, 6e; Medicus AT Rn 665; Staud/Kohler § 136 Rn 29ff). Sie sollen zB verhindern, dass der Grundstückskäufer bei einem formnichtigen Kaufvertrag und bereits erfolgter Auflassung als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen wird, wodurch der Formmangel des Kaufvertrags nach § 311b S 2 geheilt würde. Durch einstw Verfügung (§§ 935, 938 ZPO) wird dem Käufer verboten, das Grundstück zu erwerben. Das Verbot bildet ein Eintragungshindernis (BayObLG NJW-RR 1997, 913, 914). Wird der Käufer dennoch als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen, so ist in entspr Anwendung der §§ 135, 136 der Erwerb des Eigentums dem durch das Verbot geschützten Verkäufer ggü relativ unwirksam; das gilt auch für die Heilung des Kaufvertrags (RG 117, 287, 294). 4. Folgen relativer Unwirksamkeit. Besteht kraft Gesetzes, gerichtlicher oder behördlicher Anord- 8 nung ein relatives Veräußerungs- oder Verfügungsverbot, so darf der Rechtsinhaber über den Gegenstand nicht zum Nachteil des durch das Verbot Geschützten verfügen. Tut er es doch, ist die Übereignung ggü jedermann wirksam, ggü dem Geschützten jedoch unwirksam. Die Verbotswirkung endet und die verbotswidrige Verfügung wird in vollem Umfang wirksam, wenn das Verbot aufgehoben wird, der von ihm Geschützte die Verfügung genehmigt oder das durch das Verbot geschützte Recht entfällt (BGH NJW 1997, 1581, 1582; 2007, 81; Staud/Kohler Rn 64). Verpflichtungsgeschäfte über den Gegenstand, der einem relativen Verfügungsverbot unterliegt, 9 sind wirksam. Werden sie nicht erfüllt, kommen Ansprüche wegen Nichterfüllung in Betracht. Auch Verfügungsgeschäfte über den Gegenstand, der einem relativen Verfügungsverbot unterliegt, sind trotz des Verbots möglich. Dieses bewirkt keinen Verlust der Verfügungsmacht und – selbst wenn es im Grundbuch eingetragen ist – keine Grundbuchsperre (BGH NJW 1997, 1581, 1582). Durch die verbotswidrige Verfügung treten die gewöhnlichen Wirkungen der Verfügung ein, so dass der Erwerber Eigentümer der Sache oder Inhaber des Rechts wird. Die Verfügung ist aber relativ, dh nur dem Geschützten ggü, unwirksam (anders beim gutgläubigen Erwerb; vgl Rn 12ff). Über die Geltendmachung der relativen Unwirksamkeit ergibt sich aus §§ 135f nichts. Eine direktes 10 Vorgehen des Geschützten gegen einen nicht gutgläubigen Dritten, der durch eine verbotswidrige Verfügung ggü dem Geschützten relativ unwirksam erworben hat, wird jedoch abgelehnt (s nur BGH 111, 364, 368; AnwK-BGB/Looschelders Rn 25). Vielmehr muss der Geschützte gegen den verbotswidrig Verfügenden vorgehen. Gegen diesen hat der Geschützte regelmäßig aufgrund des zw beiden bestehenden Rechtsverhältnisses (zB Kaufvertrag) weiterhin einen Anspruch auf Übertragung des Rechts, da wegen der relativen Unwirksamkeit der Verfügende im Verhältnis zum Geschützten immer noch Inhaber des Rechts ist. Der Verfügende hat daher die ihm verbliebene Rechtsmacht auf den Geschützten zu übertragen. Hierzu soll bei beweglichen Sachen eine dingliche Einigung zw dem Verfügenden und den Geschützten genügen; dagegen soll die Abtretung von – ohnehin idR nicht gegebenen – Ansprüchen gegen den Erwerber gem § 931 nicht erforderlich sein (BGH 111, 364, 368; anders Erman/Palm12 Rn 10 und Staud/Kohler Rn 121, der anninmmt, ein entspr Anspruch des Verfügenden gegen den Erwerber folge aus leistungsstörungsrechtlichen Grundsätzen; krit auch Jauernig/Jauernig Rn 6). Sodann kann der Geschützte vom Dritten die Herausgabe der Sache verlangen. Ist über ein Grundstück relativ unwirksam verfügt worden, kann der Geschützte vom Verfügenden die Auflassung verlangen und hat gegen den Erwerber einen Anspruch auf Zustimmung zu seiner Eintragung und zur Löschung des Erwerbs (§ 888 II, Pal/Ellenberger Rn 7). Bei der verbotswidrigen Abtretung einer Forderung kann der Geschützte von dem Verfügenden, der trotz der Abtretung ihm ggü noch Inhaber der Forderung ist, Abtretung der Forderung verlangen (AnwK-BGB/Looschelders Rn 29). Hat allerdings der Schuldner, der das Verfügungsverbot nicht kannte, inzwischen an den, der durch die verbotswidrige Verfügung relativ unwirksam erworben hat, geleistet, wird er in analoger Anwendung der §§ 407f geschützt (BGH 86, 337, 339; Staud/Kohler Rn 65; Flume § 17, 6d). Den Verfügungsgeschäften stehen Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung und der Arrest- 11 vollziehung gleich (§§ 135 I S 2, 136). Die Zwangsvollstreckungsmaßnahme, die gegen ein Verfügungsverbot verstößt, ist relativ unwirksam. Der Geschützte hat nach § 772 ZPO die Möglichkeit, Drittwiderspruchsklage zu erheben (§ 771 ZPO). Daneben soll auch die Erinnerung (§ 766 ZPO) zulässig sein (AnwK-BGB/Looschelders Rn 17; MüKo/Armbrüster Rn 17). Im Insolvenzverfahren ist nach § 80 II S 1 InsO ein Verfügungsverbot dagegen wirkungslos. 5. Gutglaubensschutz des Erwerbers (§ 135 II). a) Grund. Die relative Unwirksamkeit kann den In- 12 teressen dessen zuwiderlaufen, der durch eine verbotswidrige Verfügung erwirbt. Wenn das Gesetz A. Arnold

343

§ 136

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

schon denjenigen schützt, der gutgläubig vom Nichtberechtigten erwirbt, dann muss erst recht derjenige geschützt werden, der vom Berechtigten, dessen Verfügung nur relativ unwirksam ist, erwirbt. Deshalb sind nach § 135 II die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb (§§ 892f, 932ff, 1032, 1138, 1155, 1207, 1244; § 366 HGB) entspr anwendbar. 13

b) Voraussetzungen. Es muss sich um einen rechtsgeschäftlichen Erwerb handeln. § 135 II ist also nicht bei einem Erwerb im Wege der Zwangsvollstreckung anwendbar, da das Gesetz für solche Fälle keinen Gutglaubensschutz vorsieht (RG 90, 335, 338; Pal/Ellenberger Rn 9; Soergel/Hefermehl Rn 22; aA AnwK-BGB/Looschelders Rn 31f; Larenz/Wolf AT § 44 Rn 68; MüKo/Armbrüster § 135 Rn 49). Wie in jedem Fall des gutgläubigen Erwerbs ist ein Verkehrsgeschäft erforderlich.

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Der Erwerber muss gutgläubig in Bezug auf das Nichtbestehen des relativen Verfügungsverbots sein (RG 90, 335, 338). Demnach schadet beim Erwerb von Rechten an beweglichen Sachen Kenntnis und grobfahrlässige Unkenntnis (vgl §§ 932ff, 1032, 1207, 1244; § 366 HGB), beim Erwerb von Grundstücken oder Grundstücksrechten nur positive Kenntnis (vgl §§ 892, 893, 1138, 1155). Ein gutgläubiger Erwerb von Grundstücken oder Grundstücksrechten kann durch Eintragung des relativen Verfügungsverbots im Grundbuch ausgeschlossen werden (§ 892 I S 2). Für das ZVG kommt es auf die Kenntnis der Beschlagnahme an, der die Kenntnis des Versteigerungsantrags gleichsteht (vgl § 23 II ZVG).

137

Rechtsgeschäftliches Verfügungsverbot Die Befugnis zur Verfügung über ein veräußerliches Recht kann nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder beschränkt werden. Die Wirksamkeit einer Verpflichtung, über ein solches Recht nicht zu verfügen, wird durch diese Vorschrift nicht berührt.

1

1. Bedeutung. § 137 S 1 soll den numerus clausus der Sachenrechte und die Zwangsvollstreckung sichern (eingehend dazu BGH 134, 182, 186). Die Vorschrift soll verhindern, dass Gegenstände durch Rechtsgeschäft dem Rechtsverkehr entzogen werden. Damit dient sie der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit; im Rechtsverkehr muss man sich darauf verlassen können, dass der Rechtsinhaber an der Verfügung über das Recht zumindest durch Parteivereinbarung nicht wirksam gehindert ist. Ferner soll durch die Vorschrift vermieden werden, dass der Schuldner durch Vereinbarung eines Verfügungsverbots mit einem Dritten Vermögensstücke dem Zugriff des Gläubigers in der Zwangsvollstreckung entzieht (Staud/Kohler Rn 11). Dagegen schützt die Vorschrift nicht auch die Verfügungsfreiheit des Inhabers (BGH 134, 182, 186; AnwK-BGB/Looschelders Rn 4; aA BayObLG NJW 1978, 700, 701; Pal/Ellenberger Rn 1 und Erman/Palm12 Rn 1); denn Satz 1 verbietet eine Verfügungsbeschränkung nur mit Wirkung gegen Dritte; dagegen ist nach Satz 2 eine bloß schuldrechtliche Verpflichtung, nicht zu verfügen, wirksam. Eine Verletzung dieser Verpflichtung kann einen Schadensersatzanspruch gegen den Verfügenden auslösen. Nach § 137 kann also nicht das rechtliche Können, wohl aber das rechtliche Dürfen durch Rechtsgeschäft beschränkt werden.

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2. Unzulässigkeit einer rechtsgeschäftlichen Verfügungsbeschränkung (Satz 1). a) Voraussetzungen. Die Vorschrift erfasst grds alle veräußerlichen Rechte, auch Anwartschaftsrechte (BGH NJW 1970, 699; Liebs AcP 175 (1975), 1, 41). Kraft Gesetzes unveräußerliche Rechte wie das Vorkaufsrecht (§ 473), der Nießbrauch (§ 1059), eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (§ 1092 I) und eine Vereinsmitgliedschaft (§ 38) werden dagegen von der Vorschrift nicht erfasst. Gleiches gilt auch für den Anspruch auf eine Dienstleistung, wenn dieser – wie im Zweifel (§ 613 S 2) – nicht übertragbar ist.

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Unzulässig sind nach § 137 S 1 rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen. Zu den Rechtsgeschäften gehören dabei auch die Verfügungen von Todes wegen (MüKo/Armbrüster Rn 13; vgl aber Rn 5). Auf Verfügungsbeschränkungen kraft Gesetzes oder gerichtlicher bzw behördlicher Anordnung (§§ 135f) findet § 137 keine Anwendung. Ein rechtsgeschäftlich vereinbartes Erwerbsverbot fällt nicht unter § 137 S 1 (Koblenz NJW-RR 2005, 570).

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b) Folgen. Rechtsgeschäftliche Verfügungsverbote mit dinglicher Wirkung gegen Dritte sind nichtig. Die Nichtigkeit kann über § 139 auch zur Nichtigkeit der mit dem Verfügungsverbot verknüpften Verfügung selbst führen (BGH NJW 1993, 1640). Die verbotswidrige Verfügung ist wirksam. Der Dritte erwirbt trotz des Verbots und unabhängig von seinem guten oder bösen Glauben in Bezug auf das Verbot.

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c) Spezialnormen. Nach § 399 kann die Abtretung einer Forderung durch Vereinbarung ausgeschlossen werden. Eine vereinbarungswidrige Abtretung ist absolut unwirksam (BGH 102, 293, 301; zur Frage, ob hierin eine wirkliche Ausnahme von § 137 liegt MüKo/Armbrüster Rn 20). Das gilt auch für eine Vereinbarung, dass eine Hypothek oder Grundschuld nicht oder nur beschränkt übertragbar sein soll; hier sind §§ 413, 399, nicht § 137 S 1 einschlägig (Stuttgart OLG 1965, 96, 97; Staud/Kohler Rn 21). Im Erbrecht werden Verfügungsbeschränkungen durch Anordnung einer Testamentsvollstreckung (§ 2211) sowie einer Vor- und Nacherbschaft (§§ 2113ff), nicht dagegen andere Verfügungsbeschränkungen zugelassen. Der Erblasser kann etwa nicht wirksam ausschließen, dass Vor- und Nacherbe oder Testamentsvollstrecker und Erbe gemeinsam über einen Nachlassgegenstand verfügen (BGH 40, 115, 118; 56, 278, 280).

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d) Einzelfälle. Beim Treuhandverhältnis ist ein Verfügungsverbot oder eine Verfügungsbeschränkung des Treuhänders wegen Verstoßes gegen § 137 S 1 unwirksam (BGH 11, 37, 43; NJW 1968, 1471; BB 1982, 890, 891; MüKo/Armbrüster Rn 18; Henssler AcP 196 [1996], 37, 66; aM Schlosser NJW 1970, 681, 684f; Assfalg NJW 1970, 1902). Eine Verfügung des Treuhänders ist daher auch dann unwirksam, wenn der Erwerber die Abrede zw Treuhänder und Treugeber kennt (BGH NJW 1968, 1471; MüKo/ 344

A. Arnold

Willenserklärung

§ 138

Armbrüster Rn 18; Medicus/Petersen BürgR Rn 502; Henssler AcP 196 [1996], 37, 68; aA unter Heranziehung der Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht etwa Gruber AcP 202 [2002], 435ff; Kötz NJW 1968, 1471f). Zulässig ist nur eine Verpflichtung des Treuhänders ggü dem Treugeber, über das Treugut nicht oder nur in bestimmter Weise zu verfügen (§ 137 S 2). Eine verdrängende unwiderrufliche Vollmacht oder Verfügungsermächtigung verstößt wegen der dinglichen Bindungswirkung gegen § 137 S 1 (BeckOK/Wendtland Rn 11; Soergel/Hefermehl Rn 10; Flume § 53, 6; Medicus AT Rn 936). Ebenso bleibt eine Sperrkonto-Abrede, wonach ein Kontoinhaber nur mit Zustimmung eines Dritten über die Guthabenforderung verfügen kann, wegen § 137 S 1 ohne dingliche Wirkung (Pal/Ellenberger Rn 2; Kollhosser ZIP 1984, 389, 391ff). Dagegen verstößt eine auflösende Bedingung für den Fall einer vereinbarungswidrigen Verfügung mit der Folge, dass das Recht bei Eintritt der Bedingung an den Übertragenden zurückfällt, nicht gegen § 137 (MüKo/Armbrüster Rn 15; Soergel/Hefermehl Rn 14; Kohler DNotZ 1989, 339ff; aA Erman/Palm12 Rn 5; Flume § 17, 7; differenzierend Medicus AT Rn 852). Zulässig ist bei Grundstücken auch die Vereinbarung eines durch eine unzulässige Verfügung aufschiebend bedingten, durch Vormerkung gesicherten Rückübereignungsanspruchs (BGH 134, 182, 186f; BayObLG NJW 1978, 700; DNotZ 1996, 374, 377; Düsseldorf OLG 1984, 90, 91; AnwK-BGB/Looschelders Rn 16; aA Erman/Palm12 Rn 9). Eine derartige Abrede kann nicht nur mit der Übertragung eines Grundstücks, sondern auch mit einem Erbvertrag verbunden werden, um zu verhindern, dass der Erblasser noch zu Lebzeiten über das Grundstück verfügt (vgl den Fall BGH NJW 2011, 224). 3. Zulässigkeit einer rechtsgeschäftlichen Verpflichtung, nicht zu verfügen (Satz 2). a) Allgemei- 7 nes. Zulässig sind nach Satz 2 regelmäßig Abreden, in denen sich der Rechtsinhaber – lediglich schuldrechtlich – verpflichtet, nicht über ein Recht zu verfügen. Sie erklärt das Gesetz allein in den Fällen des § 1136 (Verpflichtung des Eigentümers ggü dem Hypothekengläubiger, das belastete Grundstück nicht zu veräußern oder nicht weiter zu belasten) und § 2302 (Beschränkungen der Testierfreiheit) für unzulässig. Regelmäßig bedürfen Vereinbarungen, in denen sich ein Teil verpflichtet, über ein Recht nicht zu verfügen, keiner besonderen Form; das gilt auch dann, wenn die Unterlassungsverpflichtung ein Grundstück betrifft (BGH 103, 235, 238; NJW 1963, 1602, 1603). Abw soll nur ausnahmsweise gelten, wenn die Verpflichtung, nicht zu verfügen, mit einem formbedürftigen Geschäft eine rechtliche Einheit bildet (BGH FamRZ 1967, 470; Pal/Ellenberger Rn 5). b) Einzelfälle. Der Vermieter kann sich ggü dem Mieter verpflichten, das vermietete Grundstück 8 nicht an einen Dritten zu veräußern (BGH DB 1958, 1070). Auch die schuldrechtliche Verpflichtung des Vorbehaltskäufers ggü dem Verkäufer, über das Anwartschaftsrecht nicht zu verfügen, ist wirksam (BGH NJW 1970, 699). Zwar wird durch einen Erbvertrag das Recht des Erblassers, über sein Vermögen durch Rechtsgeschäft unter Lebenden zu verfügen, nicht beschränkt (§ 2286); der Erblasser kann sich aber schuldrechtlich verpflichten, über Vermögensgegenstände auch unter Lebenden nicht zu verfügen (BGH 31, 13, 19; NJW 1963, 1602, 1603). Wirksam ist auch die schuldrechtliche Verpflichtung des Treuhänders ggü dem Treugeber, über das Treugut nicht oder nur in bestimmter Weise zu verfügen. c) Folgen. Die wirksame Verpflichtung begründet einen Unterlassungsanspruch des Gläubigers ge- 9 gen den Schuldner der Unterlassungspflicht. Verletzt der Schuldner diese Verpflichtung, ist die Verfügung zwar wirksam; der Schuldner haftet dem Gläubiger der Unterlassungspflicht aber auf Schadensersatz (BGH 31, 13, 19; Medicus AT Rn 677). Ansprüche des Gläubigers ggü dem Erwerber des Gegenstandes bestehen dagegen grds nicht. Abw gilt allein dann, wenn der Erwerber sich selbst iSv § 137 S 2 verpflichtet hat (Köln NJW-RR 1996, 327) oder die Voraussetzungen des § 826 BGB gegeben sind. Möglich ist auch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe zw Schuldner und Gläubiger. Der Unterlassungsanspruch des Gläubigers soll durch ein Verfügungsverbot im Wege der einstw 10 Verfügung (§§ 935ff ZPO) gesichert werden können (BGH LM Nr 2; 134, 182, 187; BayObLG NJW 1978, 700, 701; BeckOK/Wendtland Rn 15; Soergel/Hefermehl Rn 13; aA MüKo/Armbrüster Rn 31; Staud/ Kohler Rn 53); ein solches gerichtliches Veräußerungsverbot fällt unter § 136 und kann ins Grundbuch eingetragen werden. Dagegen kann der Anspruch auf Unterlassung einer Verfügung über ein Grundstück nicht durch eine Vormerkung gesichert werden, weil es sich nicht um einen Anspruch auf dingliche Rechtsänderung iSd § 883 I handelt (AnwK-BGB/Looschelders Rn 21). Möglich ist aber die Vereinbarung eines durch die unzulässige Verfügung aufschiebend bedingten Rückübereignungsanspruchs, der durch die Eintragung einer Vormerkung gesichert werden kann (s Rn 6).

138

Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher (1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. (2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. I. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. 1. 2. 3.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . Kündigung eines Arbeitsverhältnisses

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1 2 3 4 5

4. Arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gläubigeranfechtung . . . . . . . . . . . . . 6. AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Haustürgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . 8. § 134 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

H. Palm/A. Arnold

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6 7 8 9 10

345

§ 138

Allgemeiner Teil

III. Das wucherische Rechtsgeschäft . . . . . . . 1. Objektive Voraussetzungen . . . . . . . . . . a) Austauschverhältnis vermögensrechtlicher Art . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auffälliges Missverhältnis . . . . . . . . . 2. Subjektive Voraussetzungen . . . . . . . . . . a) Ausbeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Objektiv vorliegende besondere Situation 3. Rechtsfolgen a) Verpflichtungsgeschäft . . . . . . . . . . . b) Verfügungsgeschäft . . . . . . . . . . . . . c) Vollzogenes Dauerschuldverhältnis . . . . d) Späterer Eintritt oder Wegfall der Wuchervoraussetzungen . . . . . . . . . . IV. Das sittenwidrige Rechtsgeschäft 1. Anwendungsbereich . . . . . . . 2. Voraussetzungen a) Begriff der guten Sitten . . . . b) Sittenverstoß . . . . . . . . .

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11 12

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Rechtsgeschäfte aa) Umstände beim Zustandekommen des Rechtsgeschäfts . . . . . . . . . . bb) Objektiver Inhalt sittenwidrig . . . . cc) Sonstige objektive Umstände . . . . . dd) Ein- oder beiderseitiger Sittenverstoß ee) Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Grundgesichtspunkte . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen a) Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts . . . . . . b) Gesamtnichtigkeit . . . . . . . . . . . . . c) Keine Bestätigung des sittenwidrigen Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Heilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Dauerrechtsverhältnis . . . . . . . . . . . f) Änderung von Bewertungsmaßstäben oder Sachverhalten . . . . . . . . . . . . . 4. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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37 38 41 46 49 50

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V. Einzelgesichtspunkte – Übersicht dort . . . . .

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1

I. Bedeutung. § 138 beschränkt die Privatautonomie. Die Vorschrift knüpft an den allg, im Ursprung außerrechtlichen Wertmaßstab der guten Sitten an. Sie macht die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften von der Einhaltung dieses Maßstabes abhängig und begrenzt dadurch jede private Rechtsgestaltung. Sie trägt als Generalklausel dem Umstand Rechnung, dass die Grenzen der Privatautonomie durch spezielle gesetzliche Verhaltensanforderungen nicht abschließend normiert werden können. § 138 hat damit einen spezifisch rechtlichen Ordnungszweck. Er dient nicht etwa der umfassenden Durchsetzung der Sittlichkeit im Sinne einer positiven Verwirklichung ethischer Forderungen (RG 130, 5). Die Bestimmung will vielmehr allein verhindern, dass Rechtsgeschäfte in den Dienst des Unsittlichen gestellt werden (Medicus AT Rn 680). Deshalb spricht sie negativ nur solchen Rechtsgeschäften die Wirksamkeit ab, die im Widerspruch zu den Grundprinzipien der Rechtsund Sittenordnung stehen. In Abs II sind beispielhaft Sonderfälle eines Verstoßes gegen die guten Sitten angeführt.

2

II. Abgrenzungen. Der Anwendung von § 138 muss die (ggf erg) Auslegung des Rechtsgeschäfts nach den allg Grundsätzen (§§ 133, 157) vorausgehen. Bei Auslegungsalternativen sollte tunlichst die Möglichkeit gewählt werden, die einen Sittenverstoß vermeidet; das zur möglichst gesetzeskonformen Auslegung Gesagte (§ 133 Rn 29) gilt hier entspr. Wenn die Auslegung ergibt, dass das Rechtsgeschäft – vielleicht entgegen dem ersten äußeren Anschein – die Grenzen des sittlich Erlaubten doch (noch) einhält, scheidet § 138 I aus. Auch einer nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242) möglichen Korrektur oder Ergänzung des Rechtsgeschäfts wird nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit regelmäßig der Vorzug zu geben sein, wenn dadurch ein Sittenverstoß mit der scharfen Folge der Nichtigkeit entfällt (vgl etwa BGH JZ 1952, 366; BayObLG NJW-RR 1992, 15; BAG 16, 21, 25; NJW 2001, 2994, 2995; Pal/Ellenberger Rn 14; aM: MüKo/Armbrüster Rn 5; Staud/Sack Rn 154ff). Erst recht gilt das, wenn das Gesetz selbst eine Möglichkeit vorsieht, eine unangemessene Verpflichtung auf ein angemessenes Maß zurückzuführen, wie etwa bei der Vertragsstrafe (§ 343) oder bei einem in unangemessener Höhe vereinbarten Rechtsanwaltshonorar (§ 4 IV RVG). In diesen Fällen ist § 138 nicht anzuwenden. Unabhängig hiervon schließen etwaige Spezialregeln § 138 aus.

3

1. Die Nichtigkeit einer Ehe kann wegen der abschließenden Regelung der §§ 1313ff nicht unmittelbar aus § 138 hergeleitet werden.

4

2. § 138 ist auch nicht für die Beurteilung der Wirksamkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen einer AG heranzuziehen. Insoweit sind ausschließlich §§ 241 Nr 4, 242 II, 249 AktG anzuwenden. Für Gesellschafterbeschlüsse einer GmbH gilt das Gleiche (BGH 15, 385; Einzelheiten bei Roth/Altmeppen GmbHG § 47 Rn 99). Die Rechtsfolge der Nichtigkeit ist auch für eine sittenwidrige Beitrittserklärung zu einer Kapitalgesellschaft nicht unmittelbar aus § 138 abzuleiten (für GmbH: RG 123, 108; Genossenschaft: RG 147, 270; zur Personengesellschaft vgl Rn 115 „Gesellschaftsvertrag“); die Unwirksamkeit ist vielmehr durch Nichtigkeitsklage geltend zu machen.

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3. Die Unwirksamkeit einer Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, die iSd § 1 KSchG sozial ungerechtfertigt ist, und grds auch die Unwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung können nur durch eine sog Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht geltend gemacht werden (§§ 4, 7, 13 I 2 KSchG). § 138 findet wegen dieser Spezialregelung unmittelbar nur insoweit Anwendung, als die Kündigung nicht dem KSchG unterfällt (vgl §§ 1 I, 14, 23, 25 KSchG; BAG NJW 1973, 77) oder der Sittenverstoß aus einem Umstand folgt, der über den für die Sozialwidrigkeit maßgebenden Sachverhalt hinausgeht (vgl § 13 II KSchG; BAG 16, 26; 20, 319; Schwerdtner JZ 1973, 378 mwN; Staud/Sack Rn 408; aA Bötticher MDR 1952, 263f).

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4. Wenn jemand einen anderen durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt hat, führt dieser Sittenverstoß allein nicht über § 138 zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. Vielmehr räumt § 123 dem Getäuschten oder Bedrohten ein (befristetes, § 124; vgl dazu Krampe JZ 1974, 594f) Wahlrecht ein, ob er das Rechtsgeschäft durch Anfechtung vernichten will oder nicht. Erschöpft sich das sittenwidrige Verhalten in der Täuschung oder Drohung beim Zustandekommen des Rechtsgeschäfts, wird § 138 also durch die Spezialvorschrift 346

H. Palm/A. Arnold

Willenserklärung

§ 138

des § 123 verdrängt (RG 114, 342; 115, 383; BGH 60, 104; WM 1966, 589; 77, 394; NJW 1988, 2601; 1995, 1425, 1428; 1995, 3315; 2002, 2774; NJW-RR 1990, 1521; BAG NJW 1994, 1022). Treten neben die unzulässige Willensbeeinflussung jedoch weitere sittenwidrige Umstände und prägen sie das Gesamtbild des Rechtsgeschäfts, ist § 138 anwendbar (RG 115, 383; BGH 60, 104; WM 1972, 766; 1977, 394; NJW 1988, 903 und 2601; 2008, 982, 983; NJW-RR 1990, 1522; BAG NJW 1999, 2059, 2061f mwN; zu eng Krampe JZ 1974, 574f); dies wird insb in Betracht kommen, wenn solche Umstände über das Zustandekommen hinaus den Inhalt des Rechtsgeschäfts betreffen (ähnlich Staud/Sack Rn 151ff) oder wenn schutzwürdige Interessen (nicht anfechtungsberechtigter) Dritter oder der Allgemeinheit verletzt sind. 5. Das Verhältnis des § 138 zu den Vorschriften der Gläubigeranfechtung (§§ 129ff InsO) richtet sich 7 nach den gleichen Grundsätzen wie unter Rn 6 aufgezeigt. Diese Vorschriften schließen also die Anwendung des § 138 aus, soweit nicht besondere, über diese Anfechtungstatbestände hinausgehende Umstände hinzukommen (BGH 53, 174, 180; 56, 339, 355; 60, 104; 130, 314, 331; 138, 291, 299f; NJW 1973, 513; 93, 2041f; 95, 1668 – Globalzession eines konkursreifen Unternehmens ohne sonstiges pfändbares Vermögen; NJW-RR 1987, 1401; 1990, 143; 2002, 1359, 1361). – Vgl auch Rn 117 „Gläubigerbenachteiligung“ und Rn 159 „Sicherungsgeschäfte“). 6. Die Wirksamkeit von Allg Geschäftsbedingungen ist vorrangig nach §§ 305ff zu beurteilen (Mü- 8 Ko/Armbrüster Rn 5; Pal/Ellenberger Rn 16; aM Staud/Sack Rn 161ff mwN; zur Abgrenzung des Vorranges einerseits BGH 136, 347, 355f = NJW 1997, 3372 und NJW 2001, 2466, 2468, andererseits Bruse BB 1986, 478, 482). In diese Prüfung muss auch ein etwaiger Verstoß einer Klausel gegen die guten Sitten als Prüfungselement einfließen, soweit die Gründe der Sittenwidrigkeit im Schutzbereich der §§ 305ff liegen. Eine aus solchen Gründen sittenwidrige Klausel wird in aller Regel auch zumindest mit § 307 unvereinbar ein. Bedeutsam ist der Vorrang von §§ 307ff für die Rechtsfolgen (§ 306). Die speziellen Maßstäbe der §§ 305ff dienen indes nur dem Schutz des Vertragspartners (vgl etwa BGH NJW 1994, 1798); sie schließen deshalb die unmittelbare Anwendung von § 138 nur insoweit aus, als für die Sittenwidrigkeit daran angeknüpft wird, dass der Verwender gerade den Vertragspartner durch die AGB unangemessen benachteiligt. Soweit ein Sittenverstoß hingegen den Individualvertrag oder ein nicht in den persönlichen oder sachlichen Geltungsbereich (§ 310; vgl etwa BGH NJW 2001, 1270) fallendes Rechtsgeschäft betrifft oder einschl der unangemessenen AGB-Klauseln in seinen Gründen über den Schutzbereich von §§ 307ff hinausgeht, etwa wegen der Benachteiligung dritter Personen oder der Allgemeinheit, ist § 138 unmittelbar anzuwenden (vgl auch Rn 72 „AGB“). 7. Die Gültigkeit von Haustürgeschäften richtet sich in erster Linie nach den Vorschriften der 9 §§ 312ff. Nur soweit diese Regelungen nicht einschlägig sind (vgl § 312 III) oder besondere Umstände hinzutreten, ist § 138 anzuwenden (BGH ZIP 1988, 582; Frankfurt NJW-RR 1988, 501; vgl auch BGH NJW 1982, 1457; für eine umfassende Anwendung von § 138 auch neben § 312 Staud/Sack Rn 168). 8. Von § 134 unterscheidet § 138 sich insoweit, als § 134 Verstöße gegen gesetzliche Verbote, § 138 10 hingegen auch Verstöße gegen sonstige Wertungen in der Rechtsordnung, die keine Verbotsgesetze iSv § 134 sind, sowie gegen die nicht kodifizierte Ordnung erfassen will. Ein Verstoß gegen § 134 macht ein Rechtsgeschäft nicht notwendig auch sittenwidrig (RG 115, 325; BAG NJW 1993, 2703); umgekehrt kann ein Sittenverstoß vorliegen, während die Voraussetzungen von § 134 nicht erfüllt sind. Die beiden Vorschriften überschneiden sich immer dann, wenn ein nach § 134 zur Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts führender Gesetzesverstoß zugleich einen Sittenverstoß iSd § 138 I darstellt. In diesem Fall ist § 134 vorrangig anwendbar (aM, von einer Reduktion der Nichtigkeitsfolge bei § 138 ausgehend, Staud/Sack Rn 96ff, 146f), da kein Bedürfnis für eine zusätzliche Begründung der Nichtigkeit über § 138 I besteht (BGH NJW 1983, 869f; BAG NJW 1993, 2703). Bedeutsam ist dieser Vorrang von § 134 für die Rechtsfolge, weil § 138 – anders als § 134 (vgl § 134 Rn 12ff) – grds stets zur Nichtigkeit führt (vgl dazu Rn 51ff). Ausschließlich nach § 138 beurteilt sich die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts, wenn lediglich ein Verstoß gegen die guten Sitten, nicht aber gegen ein gesetzliches Verbot in Betracht kommt. Demnach ist § 138 zB dann einschlägig, wenn ein Rechtsgeschäft im Widerspruch zu den durch die Grundrechte normierten Wertentscheidungen des Grundgesetzes steht (sog mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, vgl Rn 120 „Grundgesetz“ und § 134 Rn 62 „Grundgesetz“) oder wenn es unter Verstoß gegen ausländische Rechtsnormen zustande gekommen ist (vgl Rn 80 „Auslandsbezug“ sowie § 134 Rn 8). § 138 kommt ferner in Betracht, wenn ein Rechtsgeschäft als solches nicht von einem Verbotsgesetz erfasst wird, aber andere Umstände (etwa der Abschlussvorgang und/oder die Durchführung) zum Verstoß gegen die guten Sitten führen. § 134 ist ggü § 138 I, weil der Norm eine Entscheidung des Gesetzgebers über einen konkreten Verbotstatbestand zugrunde liegt, die speziellere Norm (MüKo/Armbrüster Rn 4). Die Anwendung von § 138 I darf nicht dazu führen, dass die in den Grenzen eines gesetzlichen Verbotes zum Ausdruck kommende rechtspolitischen Wertung des Gesetzgebers allg überschritten und damit faktisch umgangen wird; deshalb ist die einzelfallbezogene Feststellung anstößiger und über den gesetzlichen Verbotstatbestand hinausgehender belastender Umstände im Einzelfall als Grundlage für die Anwendung von § 138 I von erheblicher Bedeutung. Der Vorrang von § 134 gilt nicht für ein nach § 138 II nichtiges wucherisches Rechtsgeschäft, dessen Abschluss zugleich die Tatbestandsvoraussetzungen des § 291 StGB erfüllt. Hier wird § 138 II nicht von § 134 iVm § 291 StGB verdrängt (Pal/Ellenberger Rn 65); beide Vorschriften finden vielmehr nebeneinander Anwendung (aA – nur § 138 II – mit unterschiedlicher Begr MüKo/Armbrüster Rn 4, 140; aA Jauernig/Jauernig Rn 19: § 138 II wegen §§ 134 BGB, 291 StGB gegenstandslos).

H. Palm/A. Arnold

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§ 138

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

III. Das wucherische Rechtsgeschäft (§ 138 II) 11

Bei dem in § 138 II geregelten Wuchergeschäft handelt es sich um einen Spezialfall eines gegen die guten Sitten verstoßenden Rechtsgeschäfts; deshalb ist § 138 II vor § 138 I zu prüfen. Liegen die Voraussetzungen des § 138 II vor, ist die zusätzliche Prüfung des § 138 I entbehrlich (RG 72, 69; 97, 254; 150, 4). Ist der Wuchertatbestand hingegen nicht erfüllt, ist weiter zu prüfen, ob das Rechtsgeschäft iSd § 138 I gegen die guten Sitten verstößt. Für die Bejahung der Sittenwidrigkeit ist dann das Vorliegen weiterer – in § 138 II nicht geregelter – Umstände erforderlich (RG 83, 112; 97, 254; 103, 37; 150, 4; BGH NJW 1951, 397; LM [Ba] Nr 2; Einzelh unter Rn 199 „Wucher/wucherähnliches Geschäft“). – § 138 II enthält objektive und subjektive Tatbestandsmerkmale.

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1. Objektive Voraussetzungen. Objektiver Anknüpfungspunkt für § 138 II ist ein Rechtsgeschäft, durch welches jemand sich selbst oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zur Leistung stehen.

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a) Da § 138 II auf das Verhältnis zw Leistung und Gegenleistung abstellt, fällt nur ein Austauschverhältnis vermögensrechtlicher Art unter diese Vorschrift (BGH NJW 1982, 2767; FamRZ 1990, 1344; NJW 1998, 590, 591). § 138 II umfasst sowohl Verpflichtungs- („Vermögensvorteile versprechen“) als auch Erfüllungsgeschäfte („gewähren“). – Mangels Austauschverhältnisses fallen Rechtsgeschäfte, in denen sich lediglich eine Partei verpflichtet (zB Bürgschaft, BGH 106, 271; NJW 1988, 2599, 2601; 1991, 1952; Schenkung, RG JW 1907, 167) nicht unter den Wuchertatbestand. Das Gleiche gilt für die Fälle vorweggenommener Erbfolge, in denen kein Austausch von Leistungen bezweckt ist (RG SeuffA 96 Nr 3; zum Erbverzichtsvertrag vgl RG JW 1907, 167). IÜ kann Wucher bei jeder Geschäftsart (Einzelh unter Rn 65 zu den entspr Stichworten) vorkommen, so zB beim Arbeitsvertrag (BAG AP Nr 30), Darlehen, Grundstücksgeschäften, Kauf, Miete/Pacht und Vergleich. Über § 59 I VwVfG findet § 138 II auch auf öffentlich-rechtl Verträge Anwendung.

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b) Zw Leistung und Gegenleistung muss ein auffälliges Missverhältnis bestehen. aa) Bei der Ermittlung der auszutauschenden Leistungen muss sich die Würdigung im Schwerpunkt auf die Hauptleistungen beziehen; sonstige Pflichten können aber daneben von Bedeutung sein (BGH 80, 171), ebenso eine völlig einseitige Verteilung von Rechten und Pflichten. Es sind nicht nur die dem Vertragspartner ggü zu erbringenden Vermögensvorteile zu berücksichtigen, sondern auch solche Leistungen, die eine Vertragspartei aufgrund der zu beurteilenden Vereinbarung an einen Dritten (etwa den Erfüllungsgehilfen des Partners, München NJW 1966, 837) zu leisten hat. Str ist, ob auch Leistungen einbezogen werden dürfen, die aufgrund eines anderen als des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts zu erbringen sind. Eine solche Einbeziehung wird teilw im Hinblick auf die Additionsklausel des § 291 I S 2 StGB bejaht (Müller-Emmert/Maier NJW 1976, 1664; Pal/Ellenberger Rn 66; Soergel/ Hefermehl Rn 74; Staud/Sack Rn 178; vgl auch BGH NJW 1980, 1156). Danach ist bei Mitwirkung mehrerer Personen (sei es als Leistende, Vermittler oder in anderer Weise) auf sämtliche Vermögensvorteile abzustellen. Gegen eine Berücksichtigung der Wertung des StGB im Rahmen des § 138 II wird hingegen geltend gemacht, dass § 138 II für die Beurteilung eines auffälligen Missverhältnisses nur an ein Rechtsgeschäft anknüpfe und die Formulierung des StGB bei der Anpassung des § 138 II an diese Vorschrift nicht übernommen worden sei. Dem ist nicht zu folgen. Die Additionsklausel hat nur deshalb keinen Eingang in § 138 II gefunden, weil bei den Novellierungsberatungen davon ausgegangen wurde, dass die Gerichte bei der Rspr zu § 138 II ohnehin den gesamten Sinngehalt der strafrechtlichen Regelung berücksichtigen würden (BT-Drucks 7/5291, 20; vgl Freund NJW 1977, 636). Demnach sind zB bei einem Darlehensvertrag auch solche Aufwendungen einzubeziehen, die der Darlehensnehmer aufgrund eines im Zusammenhang mit der Kreditaufnahme geschlossenen Vermittlungs- oder Versicherungsvertrags zu erbringen hat (BGH NJW 1979, 808; vgl Rn 96 „Darlehen“).

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bb) Um das Wertverhältnis zw den auszutauschenden Leistungen bestimmen zu können, sind die einzelnen Leistungen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (vgl Rn 17) zu bewerten. Dabei ist ein objektiver Maßstab („verkehrsübliches Äquivalent“, vgl MüKo/Armbrüster Rn 144) anzulegen; auf die subjektiven Wünsche und Vorstellungen der Vertragsparteien ist nicht abzustellen (BGH LM [Ba] Nr 1, 4, 4a; NJW 1988, 130; 1996, 1204; 2002, 429, 431; NJW-RR 1990, 950; 93, 198). Der objektive Wert einer Leistung bestimmt sich dabei nach dem Preis, welcher der zu bewertenden Leistung üblicherweise im sonstigen Geschäftsverkehr zukommt (marktüblicher Preis; vgl BGH 125, 135; WM 1976, 289). Diese Ermittlung kann teilw schwierig sein, insb dann, wenn der Wert von der augenblicklichen Konjunkturlage abhängt (vgl BGH LM [Ba] Nr 4). Zu Einzelheiten in der Bestimmung der Wertverhältnisse für die verschiedenen Austauschverträge vgl Rn 65ff.

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cc) Die für die einzelnen Leistungen ermittelten objektiven Werte sind miteinander zu vergleichen. Anhand dieses Vergleichs ist dann festzustellen, ob zw den auszutauschenden Leistungen ein auffälliges Missverhältnis besteht. Die Disparität von Leistung und Gegenleistung kann sowohl in einem völlig überhöhten Preis (Bsp: Mietwucher) als auch in einem unvertretbar niedrigen Preis (Bsp: Lohnwucher) zum Ausdruck kommen. Der wertende Vergleich muss einzelfallbezogen vorgenommen werden. Allgemeingültige Kriterien scheitern vor allem an der Typenvielfalt der Geschäfte und an der gegenständlichen, örtlichen und zeitlichen Unterschiedlichkeit der als Maßstab bedeutsamen Marktbedingungen. Stets sind wertend sämtliche Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu berücksichtigen. Von Bedeutung sind insb die allg Marktlage (BGH DB 1956, 1010) sowie die mit dem Geschäft verbundenen Risiken (BGH 69, 300; NJW 1982, 2767; BB 1990, 1509). Beachtet werden muss, dass § 138 die freie Preisbildung als Funktionsprinzip der Marktwirtschaft nicht ausschalten darf und soll; die Vorschrift ist weder bestimmt noch geeignet, durch Verengung marktwirtschaftlicher Spielräume ein stets völlig ausgewogenes Verhältnis zw Leistung und Gegenleistung positiv zu sichern. 348

H. Palm/A. Arnold

Willenserklärung

§ 138

Die Anwendung von § 138 kommt vielmehr erst und nur in Betracht, wenn die Grenzen des noch Hinnehmbaren überschritten sind. IdR wird ein auffälliges Missverhältnis jedenfalls dann vorliegen, wenn der Wert der einen Leistung etwa doppelt so hoch ist wie der Wert der anderen (BGH NJW-RR 1991, 589; NJW 1992, 899; 1994, 1344, 1347; 1995, 1022). Besondere Umstände des Einzelfalles können aber auch zu einer anderen Bewertung führen; iÜ hat die Rechtspraxis für bestimmte Vertragstypen andere Maßstäbe entwickelt, etwa für die Wohnungsmiete, vgl Rn 139 „Miete/Pacht“. Zu Einzelfällen Rn 65ff sowie Staud/Sack Rn 191ff. dd) Für die Beurteilung, ob ein auffälliges Missverhältnis vorliegt, ist der Zeitpunkt des Vertrags- 17 schlusses maßgebend (BGH 80, 153, 171; NJW 1983, 2692; 100, 353, 359; 107, 92, 96f; NJW 2002, 429, 431; 1996, 261; aA Stuttgart BB 1972, 1202: Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung). Nachträgliche Wertveränderungen sind grds bedeutungslos (RG SeuffA 80 Nr 2; BGH WM 1968, 1248; vgl auch Rn 29, 49f, 58–60). Übernimmt jedoch eine Vertragspartei nach Abschluss eines nicht wucherischen Vertrags weitere mit diesem Geschäft im Zusammenhang stehende Leistungen (zB Bestellung nachträglicher Sicherheiten), so sind diese für die Frage des Leistungsmissverhältnisses mit einzubeziehen (BGH WM 1977, 399); für das Verhältnis der Gesamtleistungen ist dann auf den Zeitpunkt der Zusatzvereinbarung abzustellen (RG 86, 299). Die Einbeziehung nachträglicher Leistungen wird aber teilw davon abhängig gemacht, dass sie schon bei Abschluss der ursprünglichen Vereinbarung in Rechnung gezogen worden sind (RG 128, 259; vgl Rn 49, 58ff). 2. Subjektive Voraussetzungen. Erforderlich ist, dass der Wucherer entweder eine Zwangslage des 18 Bewucherten, dessen Mangel an Urteilsvermögen oder seine erhebliche Willensschwäche ausbeutet. Nach einer teilw vertretenen Ansicht soll ein Defizit bei der Prüfung der subjektiven Tatbestandsmerkmale durch eine Übererfüllung des objektiven Tatbestandsmerkmals – auffälliges Leistungsmissverhältnis – ausgeglichen werden können („Sandhaufentheorem“, vgl Stuttgart NJW 1979, 2412; Bender, Gedächtnisschrift Rödig, 1978, 38ff; s auch Staud/Sack Rn 217). Danach soll zB bei einem besonders auffälligen Missverhältnis ein geringerer Grad an Unerfahrenheit für die Bejahung des § 138 II ausreichen. Dieser Ansicht ist nicht zu folgen (BGH 80, 159f; NJW 1979, 758 und Hamburg WM 1984, 1423 zu § 138 I; Medicus AT Rn 711). Sie vermengt in unzulässiger Weise die vom Gesetz kumulativ aufgestellten Tatbestandserfordernisse. Eine andere Frage ist es indes, ob das eindeutige Vorliegen des objektiven Tatbestandsmerkmals eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer subjektiven Voraussetzung rechtfertigt (vgl Rn 19 aE). a) Unter Ausbeutung versteht man das bewusste Ausnutzen der ungünstigen Situation des Ge- 19 schäftspartners oder einer anderen Person. Wenn der Wucherer auch regelmäßig die Erzielung eines übermäßigen Gewinns bezwecken wird, ist doch für die Ausbeutung keine besondere Ausbeutungsabsicht (RG 60, 11; 86, 300; BGH NJW 1982, 2768; 1985, 3006; 1994, 1276; BB 1990, 1510) oder Gewinnerzielungsabsicht (RAG 16, 35) erforderlich. Der Wucherer braucht auch nicht arglistig zu handeln (RG JW 1905, 366). Ebenso wenig muss von ihm der Anstoß zu dem Geschäft ausgegangen sein; die Annahme eines Angebotes genügt (RAG 9, 244; BGH LM [Ba] Nr 3; WM 1985, 1269), selbst wenn das Angebot des Bewucherten auf Dankbarkeit beruht (RG HRR 1930, 695). Der Wucherer muss aber Kenntnis von dem auffälligen Leistungsmissverhältnis (Rn 14ff) und der Ausbeutungssituation (zB der Zwangslage des Bewucherten) haben und sich diese Situation vorsätzlich zunutze machen; dabei reicht bedingter Vorsatz aus (BGH NJW 1982, 2767, 2768; 1985, 3006, 3007; 1994, 1275, 1276; NJW-RR 1990, 1199). Das Wissen von Hilfspersonen ist dem Wucherer entspr § 166 I zuzurechnen (BGH WM 1992, 442). Fahrlässiges Nichterkennen der wucherischen Situation stellt hingegen keine Ausbeutung dar (BGH NJW 1985, 3006); ggf kommt jedoch bei Hinzutreten weiterer sittenwidriger Umstände eine Anwendung des § 138 I in Betracht (BGH aaO, ferner: BGH BB 1962, 156; WM 1971, 858). Bei einem besonders groben Missverhältnis zw Leistung und Gegenleistung kann eine tatsächliche Vermutung für eine Ausbeutung sprechen (BGH NJW 1979, 758; 82, 2768; 94, 1275 = LM § 138 Ba Nr 13 – Grunewald; WM 1990, 1323; NJW-RR 1990, 1199; 91, 589). b) Der Wucherer muss eine objektiv vorliegende besondere Situation auf Seiten des Bewucherten 20 oder eines Dritten (vgl Rn 21 aE) ausbeuten. Ob eine Zwangslage, Unerfahrenheit, ein Mangel an Urteilsvermögen oder eine erhebliche Willensschwäche vorliegt, ist, da es sich dabei um Rechtsbegriffe handelt, in der Revision nachprüfbar (RG JW 1905, 75). aa) Eine Zwangslage ist zu bejahen, wenn wegen einer erheblichen Bedrängnis ein zwingendes Be- 21 dürfnis nach Sach- oder Geldleistungen besteht. Eine solche Bedrängnis liegt – anders als eine „Notlage“ nach der früheren Fassung – nicht nur bei Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz vor; es reicht vielmehr aus, wenn zB schwere wirtschaftliche Nachteile drohen (BGH NJW 1994, 1276 = LM § 138 Ba Nr 13 – Grunewald). Auch jede andere Bedrängnis genügt, sei sie auch etwa gesundheitlicher (BGH WM 1981, 1051), politischer oder sonstiger Art. Wucherisch handelt also auch zB derjenige, der einem Kranken ein dringend benötigtes Medikament nur gegen einen unverhältnismäßig hohen Preis verkauft. Eine Zwangslage kann auch auf einer plötzlich auftretenden besonderen Problemsituation beruhen, die aus anerkennenswerten Gründen schnell überwunden werden muss (zB Brand, Unfall, Wasserrohrbruch usw). In jedem Fall muss der Bedarf für die Leistung des Wucherers aber in einer gegenwärtigen Notsituation seinen Grund haben; es genügt regelmäßig nicht, wenn das Bedürfnis auf bloßen Zukunftsplänen beruht (BGH NJW 1957, 1274; 94, 1275 = LM § 138 [Ba] Nr 13 mit krit Anm Grunewald zu den Abgrenzungsproblemen). Nimmt etwa jemand lediglich zu spekulativen Zwecken einen Kredit auf, ist eine Zwangslage zu verneinen (RG JW 1919, 102). Die Zwangslage muss stets auf den individuellen Verhältnissen einer Person beruhen; eine ungünstige Marktlage, die für einen unbestimmten größeren Personenkreis besteht, reicht nicht aus (BGH H. Palm/A. Arnold

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§ 138

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Rechtsgeschäfte

NJW 1957, 1274). Dass der Bewucherte vermögend ist, steht einer Notlage nicht entgegen (BGH NJW 1987, 2767); auch eine vorübergehende Geldverlegenheit kann eine Notlage darstellen (BGH NJW 1982, 2768; Hamm WM 1984, 1448). Die individuelle Zwangslage muss objektiv vorliegen; die irrtümliche Annahme genügt nicht (RGSt 28, 290; zweifelnd BGH WM 1968, 331; aM Staud/Sack Rn 204). Darauf, ob die Zwangslage verschuldet ist, kommt es nicht an (BGH BB 1954, 175; 58, 1153). Eine Zwangslage kann auch bei einer jur Pers eintreten (RG SeuffA 80 Nr 2; enger RG 98, 324). Es ist auch möglich, dass sie bei einer anderen Person als beim Bewucherten (zB bei Familienangehörigen oder einem engen Freund) besteht (vgl RG JW 1915, 574; RAG 17, 292; BGH 80, 157f). 22

bb) Unerfahrenheit bedeutet einen Mangel an allg Lebens- oder Geschäftserfahrung (RAG JW 1930, 3009; BGH DB 1958, 1241; BB 1966, 226; WM 1982, 849). Sie ist eine persönliche Eigenschaft und liegt dann vor, wenn der Betroffene die Vor- und Nachteile des Geschäfts nicht abzuwägen vermag. Eine genaue Abgrenzung zum Mangel am Urteilsvermögen und einer erheblichen Willensschwäche ist weder möglich noch notwendig. Unerfahrenheit kann insb bei alten, mit dem Rechtsverkehr nicht mehr vertrauten Menschen, bei Jugendlichen (BGH NJW 1966, 1451), bei geistig Behinderten (RG 67, 393), aber auch bei Ausländern oder Aussiedlern (Hamm JMBl NRW 74, 33; Meier/Wehlau VuR 1991, 141), bei langjährig Kranken oder auch bei längere Zeit Inhaftierten vorliegen. Unerfahrenheit ist nicht – jedenfalls nicht ohne weiteres – gegeben, wenn es dem Bewucherten lediglich auf bestimmten Lebens- oder Wirtschaftsgebieten an Erfahrungen und Geschäftskenntnissen mangelt (BGH LM [Ba] Nr 2; BB 1958, 571; 1966, 226; NJW 1957, 1274; 1979, 758; WM 1982, 849; Hamm NJW-RR 1993, 629; aM Staud/Sack Rn 208). Fehlende Branchenkunde (BGH DB 1966, 226) bedeutet somit ebenso wenig Unerfahrenheit wie mangelnder technischer oder wirtschaftlicher Sachverstand (BGH NJW 1979, 758; WM 1982, 849; Köln VersR 1957, 433). Andererseits soll jedoch bei mangelnder Erfahrung im Bereich von Maklerverträgen Unerfahrenheit zu bejahen sein (Köln DB 1961, 1129).

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cc) Ein Mangel an Urteilsvermögen besteht, wenn in erheblichem Maße die Fähigkeit fehlt, sich bei seinem rechtsgeschäftlichen Handeln von vernünftigen Beweggründen leiten zu lassen oder die beiderseitigen Leistungen und die wirtschaftlichen Folgen des Geschäfts richtig zu bewerten. Kein Mangel an Urteilsvermögen liegt vor, wenn der Betroffene nach seinen Fähigkeiten in der Lage wäre, Inhalt und Folgen eines Rechtsgeschäfts sachgemäß einzuschätzen, er diese Fähigkeiten aber nicht oder nur unzureichend einsetzt und deshalb ein für ihn unwirtschaftliches Rechtsgeschäft abschließt (BGH NJW 2006, 3054). Ob ein Mangel an Urteilsvermögen vorliegt, ist im Hinblick auf das konkret zu beurteilende Geschäft festzustellen; darauf, ob der Bewucherte ansonsten vernünftige Überlegungen anstellt, kommt es nicht an. Es ist auch nicht erforderlich, dass der Mangel an Urteilsvermögen auf Verstandesschwäche beruht; selbst einer durchschnittlich intelligenten Person kann bei einem schwierigen und unklar formulierten Geschäft das nötige Urteilsvermögen fehlen (Stuttgart FamRZ 1983, 499). Das Urteilsvermögen dürfte regelmäßig fehlen, wenn jemand Anschaffungen macht, die zu seinem Leistungsvermögen oder zu seinen Bedürfnissen in keinem Verhältnis stehen (MüKo/Armbrüster Rn 151). Ein Mangel an Urteilsvermögen liegt jedoch nicht vor, wenn jemand in der spekulativen, irrtümlichen Erwartung über die Bebaubarkeit eines im Landschaftsschutzgebiet gelegenen Grundstücks einen außergewöhnlichen Kaufpreis zahlt (BGH WM 1976, 926).

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dd) Eine erhebliche Willensschwäche liegt vor, wenn der Betroffene zwar die Vor- und Nachteile des Rechtsgeschäfts richtig bewertet, seine psychische Widerstandsfähigkeit aber soweit vermindert ist, dass er sich trotz richtiger Einsicht nicht sachgerecht verhalten kann (Köln OLG 1993, 193; MüKo/Armbrüster Rn 152; Staud/Sack Rn 210 mwN). Hierher gehört insb die infolge dauernder Sucht (zB Drogenabhängigkeit, Alkohol) verursachte Beeinträchtigung der Entschlusskraft, bei der auch schon § 105 II eingreifen kann. Ein Krankheitszustand ist aber nicht notwendig (BGH NJW-RR 1988, 764). Eine erhebliche Willensschwäche kann auch bei Jugendlichen oder alten Menschen vorliegen. In Betracht kommt auch, dass ein psychisch Gesunder – etwa anlässlich einer „Kaffeefahrt“ – als Opfer einer verführerischen Werbung einem besonders starken psychischen Druck ausgesetzt wird (Staud/Sack Rn 211; LG Trier NJW 1974, 152 zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Regelungen zum Haustürwiderruf; beachte heute Rn 9).

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3. Rechtsfolgen. a) Das wucherische Verpflichtungsgeschäft ist nichtig; eine Anpassung des Vertragsinhalts unter Korrektur des Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung scheidet grds aus (BGH 44, 162; 68, 207; NJW 1958, 1772; 1994, 1275; Celle NJW 1959, 1972; aA Staud/Sack Rn 218f iVm 122ff – geltungserhaltende Reduktion; Stuttgart JZ 1975, 573). Ausnahmen von der Nichtigkeitsfolge sind bislang nur anerkannt beim Lohnwucher (vgl Rn 28, 76 „Arbeitsverhältnis“) und beim Mietwucher (vgl Rn 139 „Miete/Pacht“). Im Einzelfall kann der Wucherer gem § 242 gehindert sein, sich ggü dem Bewucherten, der am Geschäft festhalten will, auf die Nichtigkeit zu berufen (Staud/ Sack Rn 220).

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b) Nach dem Wortlaut des § 138 II („oder gewähren lässt“) ist auch das Verfügungsgeschäft des Bewucherten nichtig, wenn beim Erfüllungsgeschäft die Wuchervoraussetzungen vorliegen; von der Nichtigkeit werden dann auch Leistungen erfüllungshalber (Wechsel, Scheck) und die Gewährung von Sicherheiten erfasst (BGH NJW 1982, 2767; 1990, 384; 1994, 1275 = LM § 138 [Ba] Nr 13 mit krit Anm Grunewald zur Erstreckung auf die Sicherheiten; 1994, 1470). Der Bewucherte kann also seine Leistung zB nach § 985 (auch nach § 826, ferner evtl nach den Grundsätzen der cic [§ 311 II und III]) zurückfordern und ist nicht auf den schwächeren (§ 818 III) Bereicherungsausgleich angewiesen. Ist in Erfüllung des Wuchergeschäfts eine Grundbucheintragung erfolgt, kann der Bewucherte nach § 894 Grundbuchberichtigung verlangen (vgl BGH WM 1984, 1546).

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Demgegenüber ist nach hM das Verfügungsgeschäft des Wucherers wirksam (Pal/Ellenberger Rn 75; Soergel/Hefermehl Rn 57), da sich § 138 II nur auf die Leistung des Bewucherten, nicht aber 350

H. Palm/A. Arnold

Willenserklärung

§ 138

auf die Leistung des Wucherers bezieht. Die Mindermeinung, wonach sich die Nichtigkeit der Leistung des Wucherers aus § 138 I bzw § 139 ergibt (so Enn/Nipperdey § 192 III 1), ist abzulehnen (Flume § 18, 7). Der Wucherer hat deshalb nur einen Bereicherungsanspruch (§ 812), der vielfach durch § 817 S 2 ausgeschlossen sein wird (RG 161, 57; BGH NJW 1983, 1423; 1993, 2108; 1995, 1152; vgl § 817 Rn 16ff). Beim wucherischen Darlehen steht § 817 S 2 der Rückforderung des Darlehens durch den Wucherer jedoch nur bis zum Ablauf der vereinbarten Darlehenszeit entgegen (BGH 99, 338; NJW 1995, 1153); ferner kann der Wucherer sich nicht aus etwaigen Sicherheiten befriedigen (BGH NJW 1994, 1275); Zinsen soll er nicht, auch nicht in angemessener Höhe, verlangen können (BGH NJW 1983, 1422; Köln ZIP 1985, 26; anders Medicus/Petersen BürgR Rn 700 mwN). c) Bei vollzogenen Dauerschuldverhältnissen (vgl Einl § 104 Rn 33) können die Nichtigkeitsfolgen 28 eingeschränkt sein (vgl Rn 57, 76, 139). Bei einem wegen Lohnwucher nichtigen Arbeitsvertrag bestimmt sich die Höhe des Lohnes entspr den Grundsätzen für den fehlerhaften Arbeitsvertrag bei Tarifbindung nach dem Tarifvertrag, ansonsten nach § 612 II (BAG AP Nr 2; LAG Düsseldorf DB 1978, 175). d) Bei späterem Eintritt oder Wegfall der Wuchervoraussetzungen gilt Folgendes: Treten die Vo- 29 raussetzungen des Wuchertatbestandes erst nach Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts ein (entsteht zB ein auffälliges Leistungsmissverhältnis erst durch spätere Wertänderungen), bleibt das Verpflichtungsgeschäft wirksam (vgl Rn 17). Dem Anspruch auf Erfüllung kann aber der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242) entgegenstehen (vgl Soergel/Hefermehl Rn 75 mN). Im Einzelfall können auch die Regeln über die Geschäftsgrundlage anwendbar sein. Fallen die Voraussetzungen des Wuchertatbestandes nach Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts weg, ändert das nichts an der Unwirksamkeit dieses Geschäfts, so dass kein Anspruch auf Erfüllung besteht. Erbringen die Vertragsparteien jedoch die (unwirksam) vereinbarten Leistungen, ist § 141 zu beachten. Liegen dessen Voraussetzungen nicht vor und greift auch nicht ausnahmsweise § 242 ein, sind die Leistungen nach § 812 zurückzugewähren. IV. Das sittenwidrige Rechtsgeschäft (§ 138 I) § 138 I stellt keinen fest abgrenzbaren Tatbestand, sondern eine Generalklausel auf; für deren aus- 30 füllende Anwendung sind außerhalb dieser Norm liegende Maßstäbe heranzuziehen (vgl Rn 1, 32ff) und letztlich jeweils die zu bewertenden Umstände des Einzelfalles bestimmend. 1. Anwendungsbereich. § 138 I gilt für alle Rechtsgeschäfte, im Unterschied zu § 138 II also nicht 31 nur für Verträge über einen Leistungsaustausch, sondern auch für alle anderen Verträge sowie für Beschl in Vereinen, Gesellschaften usw, für einseitige Rechtsgeschäfte und (entspr) für geschäftsähnliche Handlungen. Auch Verfügungen von Todes wegen unterliegen dem § 138 I. Über § 59 I VwVfG findet § 138 I auf öffentlich-rechtl Verträge Anwendung (vgl auch BGH NJW 1972, 1657); daneben gilt die Vorschrift auch für sonstige Willenserklärungen im öffentlichen Recht, die keine Verwaltungsakte (hierfür gilt § 44 II Nr 6 VwVfG) sind (vgl Einl § 104 Rn 38). § 138 I findet ebenfalls auf Rechtsgeschäfte Anwendung, die zugleich eine Prozesshandlung darstellen (zB Prozessvergleich, BGH 16, 390; 28, 172). Auf reine Prozesshandlungen ist § 138 indes nicht anwendbar. 2. Voraussetzungen. § 138 erfordert einen Verstoß des Rechtsgeschäfts gegen die guten Sitten. 32 a) Begriff der guten Sitten. Der Ausdruck „gute Sitten“ ist ein ausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriff. aa) Was den guten Sitten entspricht, bestimmt die Rspr in Anlehnung an die Entstehungsgeschichte des BGB nach dem Rechts- und Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden (Mot II 727; RG 48, 124; BGH 69, 297; NJW 1994, 187f; krit zu der Formel Rüthers NJW 1992, 879). Diese Umschreibung ist zwar ihrerseits wiederum ausfüllungsbedürftig. Sie verdeutlicht aber doch, dass der Begriff im Gesetz weder an die strengen Anforderungen einer umfassenden Sittlichkeit im gesinnungsethischen Sinne noch allein an das rein tatsächliche Verhalten in der Gesellschaft und an die darin zum Ausdruck kommende tatsächlich herrschende Sozialmoral anknüpft. Deshalb ist der Begriffsinhalt auch nicht durch demoskopische Umfragen zu ermitteln (instruktiv dazu: BVerwG NJW 1996, 1423 – zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit einer Peep-Show; Breithaupt JZ 1964, 284), sondern als Teil der rechtlichen Sollensordnung objektiv-normativ zu bestimmen. Für die inhaltliche Ausformung des Begriffs der guten Sitten ist mithin ein objektiver Maßstab an- 33 zulegen. Auf die subjektiven Moralanschauungen des Richters kommt es nicht an (Wieacker JZ 1961, 342), ebenso nicht auf die rein subjektiven Vorstellungen bei sonstigen Beteiligten oder in der Allgemeinheit; die in der NS-Zeit geübte Anknüpfung an das „gesunde Volksempfinden“ (vgl etwa RG 150, 1, 4) ist mit einem objektiv-normativ geprägten Begriffsverständnis nicht zu vereinbaren. Die Inhaltsbestimmung muss in erster Linie auf den in der Gesamtrechtsordnung – insb in der Verfassung (vgl dazu Rn 120 „Grundgesetz“) sowie im Europarecht (vgl Rn 106 „Europarecht“) – enthaltenen oder ihr zugrunde gelegten rechtlich/ethischen Grundwertungen aufbauen (vgl BVerfG 7, 198, 206; 8, 329; 24, 251; 42, 143, 148; 81, 254; 89, 214, 229; BGH 68, 4; 70, 313, 324; 80, 158; 106, 336, 338; NJW 1972, 1415; 1986, 2944; 2000, 1028; Larenz/Wolf AT § 41 Rn 13; Mayer-Maly AcP 194 [1994], 105, 136ff). Hier findet sich ein großer Teil der Prinzipien, die aus Gründen des allg Wohls in der Rechtsgemeinschaft als rechtlicher Ausschnitt einer ethischen Ordnung auch für die Gestaltung der Rechtsbeziehungen zw den Einzelnen verbindlich sein sollen (BGH NJW 1986, 2944; vgl auch BGH NJW 1990, 567). Ein nach diesen Grundwertungen zu billigendes Rechtsgeschäft kann im Regelfall nicht sittenwidrig sein. Nur in den nach der Gesamtrechtsordnung verbleibenden Wertungsfreiräumen kommen für die Inhaltsbestimmung außerrechtliche Kriterien in Betracht. Es ist dabei abzustellen auf die Auffassung eines am Recht orientierten anständigen Durchschnittsmenschen. Im Gesamtbild muss die äuH. Palm/A. Arnold

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§ 138

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

ßerste Grenze des danach sittlich noch Hinnehmbaren überschritten sein, ehe ein Rechtsgeschäft als sittenwidrig bewertet wird; insoweit decken sich dann rechtliches Sollensgebot und Sittengebot. Moralisch besonders hoch stehende Anschauungen dürfen nicht zum Maßstab gemacht werden (vgl BGH 21, 350; 60, 33; NJW 1967, 873). Es dürfen aber auch keine besonders laxen Ansichten, missbräuchliche Praktiken und Unsitten zugrunde gelegt werden, selbst wenn diese weit verbreitet sind (RG 120, 148; BGH 10, 232; 16, 4, 12; NJW 1994, 188; BAG NJW 1976, 1958). 34

bb) Infolge seiner Anknüpfung an Grundwertungen in der Gesamtrechtsordnung und an außerrechtliche Kriterien ist der Begriff der guten Sitten offen für Veränderungen im Anknüpfungsbereich. Er ist deshalb zeitgebunden und wandelbar. Am deutlichsten zeigt sich dies am bedrückenden Bsp nationalsozialistischer Rspr (vgl Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 5. Aufl 1997, 216ff).

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cc) Ob für die Ermittlung des Inhalts der guten Sitten auch auf den Begriff der öffentlichen Ordnung bzw des ordre public zurückzugreifen ist, wird unterschiedlich beurteilt (bejahend Simitis, Gute Sitten und ordre public, 1960, 168ff; abl Larenz/Wolf AT § 41 Rn 9f; Flume § 18, 1). Diese Frage kann jedoch dahinstehen; i Erg wirkt sich die Antwort nicht aus, da der Begriff der guten Sitten primär nicht an die außerrechtliche, rein gesellschaftliche Sozialordnung, sondern an die Grundwertungen der Gesamtrechtsordnung (Rn 33) anknüpft. Die vom ordre public vornehmlich geschützten Grundlagen des geordneten Zusammenlebens in einem freiheitlich-demokratischen sozialen Rechtsstaat einschl der Tätigkeit seiner Institutionen gehören damit zu den vom Begriff der guten Sitten umfassten Schutzgütern (ähnlich Bezzenberger AcP 196 [1996], 395, 399ff mwN).

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b) Sittenverstoß. Der für § 138 I erforderliche Verstoß gegen die guten Sitten kann sich aus dem Inhalt des Geschäfts, aber auch aus dem mit ihm verfolgten Zweck oder den Beweggründen der Beteiligten ergeben. Häufig wird erst der Gesamtcharakter des Geschäfts, wie er sich aus Inhalt, Zweck und Beweggründen entnehmen lässt, zur Sittenwidrigkeit führen (RG 56, 231; 154, 103; JW 1931, 928; BGH 107, 97; 125, 218, 228; NJW 1990, 704).

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aa) Sittenwidrig sein muss immer das Rechtsgeschäft selbst. Mit den Umständen beim Zustandekommen des Rechtsgeschäfts allein lässt sich deshalb eine Anwendung von § 138 I grds nicht begründen. Diese Umstände, insb eine ausgeprägt ungleiche Verhandlungsstärke, können aber Anlass geben, eine Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts selbst näher zu prüfen, weil ihnen im Widerspruch zu den Grundvoraussetzungen der Vertragsfreiheit eine Tendenz zur Einschränkung oder Beseitigung des Selbstbestimmungsrechts des schwächeren Beteiligten („Fremdbestimmung statt Selbstbestimmung“) innewohnt. Ungleiche Verhandlungspositionen können sich aus ganz unterschiedlichen Gründen ergeben (etwa: Wirtschaftskraft, Fachkompetenz, Geschäfts- und Verhandlungserfahrung, sonstige Persönlichkeitsmerkmale usw). Sie sind in einer freien Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung normal und im Allg kein Grund, von vornherein an Sittenwidrigkeit zu denken. Erhöhte Aufmerksamkeit fordern sie dann, wenn die Ungleichheit sehr ausgeprägt und zugleich der Inhalt des Rechtsgeschäfts für eine Seite sehr ungünstig ist. Durchweg besonders stark in Verhandlungen sind Monopole und andere Teilnehmer am Rechtsverkehr mit einer vergleichbar gewichtigen Marktposition (vgl dazu Rn 140 „Monopolstellung“). Schon eine herausgehobene örtliche oder regionale Marktstellung kann für die Frage nach einem Sittenverstoß bedeutsam sein, wenn ihr ein mehr oder minder ortsgebundener Bedarf etwa an lebenswichtigen Versorgungsleistungen (zB Wohnung, Nahrungsmittel, Energie, Gesundheitsfürsorge, Verkehr usw) gegenübersteht. Eine besonders günstige eigene und eine besonders ungünstige fremde Verhandlungsposition korrespondieren zumeist miteinander. Deshalb kann ein derartiger Bedarf zugleich die Verhandlungsposition des Abnehmers besonders ungünstig gestalten. Andere Gründe hierfür können sich aus den in § 138 II beschriebenen Lebenssituationen (Zwangslage, Unerfahrenheit, mangelndes Urteilsvermögen, erhebliche Willensschwäche), aber auch aus besonderen rechtlichen oder sittlichen Pflichten oder ähnlichen Bindungen – etwa ggü Angehörigen oder nahe stehenden Personen – ergeben. Eine objektiv ungleiche Verhandlungslage kann durch das Verhalten einer Seite bei den Verhandlungen, etwa durch eine Überrumpelung (vgl zB BGH NJW 1997, 1980 und dazu Lorenz NJW 1997, 2578), zumindest verstärkt werden. Der vom BVerfG in diesem Zusammenhang geprägte Begriff des strukturellen Ungleichgewichts zulasten einer Verhandlungsseite (vgl BVerfG 89, 214ff; näher dazu unter Rn 90 „Bürgschaft“) ist wohl nicht als selbständiges Merkmal dieser Art, sondern als schlagwortartiger Sammelbegriff zur Beschreibung einer ggü dem Verhandlungspartner ausgeprägt ungünstigen Verhandlungsposition zu werten (vgl dazu etwa Schimansky WM 1995, 461, 466). Das Ungleichgewicht der Verhandlungspartner wird in aller Regel nur zur Sittenwidrigkeit des Geschäfts führen, wenn es von einer Seite herbeigeführt, gefördert oder ausgenutzt worden ist, um ein für die eigene Seite unangemessen günstiges, für die andere Seite unangemessen ungünstiges und in der Gesamtwürdigung nicht mehr hinnehmbares Verhandlungsergebnis zu erreichen. Ein so begründetes Unwerturteil kann dabei zB sowohl wegen der Einzelausgestaltung des Rechtsgeschäfts – etwa auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung (vgl dazu Rn 12ff und Rn 199 „wucherähnliches Geschäft“) – als auch wegen des Geschäftsabschlusses überhaupt – etwa: Bürgschaftsvertrag mit einer vermögenslosen Person (Rn 90 „Bürgschaft“) oder Vertrag mit einer hilflosen Person über eine für sie unsinnige Leistung – in Betracht kommen.

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bb) Ein Rechtsgeschäft kann schon deshalb gegen die guten Sitten verstoßen, weil (nur) sein objektiver Inhalt sittenwidrig ist. Dieses gilt allerdings regelmäßig nur für Verpflichtungsgeschäfte. Der Inhalt von Erfüllungsgeschäften ist demgegenüber gemeinhin sittlich indifferent (anders zB bei erfüllungshalber übernommenen Verpflichtungen). Ein sittlich zu missbilligender Inhalt kann sich sowohl aus dem mit dem Geschäft erstrebten Erfolg als auch aus der Einzelausgestaltung des Geschäfts als auch aus dessen Auswirkungen ergeben. 352

H. Palm/A. Arnold

Willenserklärung

§ 138

Wie der Gegenschluss aus § 138 II zeigt, führt ein bloßes auffälliges Missverhältnis zw Leistung und 39 Gegenleistung (Rn 14ff) nicht dazu, dass das Rechtsgeschäft allein wegen seines Inhalts sittenwidrig ist (BGH 87, 318; aA Stuttgart NJW 1979, 2412; vgl Rn 18). Für einen Sittenverstoß sind vielmehr weitere objektive und/oder subjektive Umstände erforderlich, wie etwa die Ausnutzung einer Machtoder Monopolstellung (BGH 19, 89) oder auch die Ausnutzung einer Vertrauensstellung (BGH LM [Bc] Nr 1; [Aa] Nr 19). IÜ reicht es nach st Rspr aus, wenn das Leistungsmissverhältnis auf einer verwerflichen Gesinnung des Begünstigten beruht, wobei im Einzelfall allein das krasse/grobe Leistungsmissverhältnis eine tatsächliche Vermutung für eine solche Gesinnung darstellen kann (BGH 146, 298, 305; NJW-RR 2008, 1436, 1438; zu Einzelheiten vgl Rn 199 „wucherähnliches Geschäft“). Ist ein Rechtsgeschäft bereits seinem objektiven Inhalt nach sittenwidrig, bedarf es insb keiner 40 Prüfung mehr, mit welchen subjektiven Vorstellungen, insb zu welchem Zweck und aus welchen Beweggründen, die Beteiligten das Geschäft geschlossen haben. Nach ganz hM müssen die Beteiligten eines sittenwidrigen Rechtsgeschäfts nämlich nicht in dem Bewusstsein handeln, dass das Rechtsgeschäft sittenwidrig ist (st Rspr, vgl BGH 94, 2723; NJW 1988, 1374; 1993, 1588; 1994, 187; BAG 1991, 861; Medicus AT Rn 689). Vielmehr reicht es aus, wenn die Parteien von den die Sittenwidrigkeit begründenden Umständen Kenntnis haben (Flume § 18, 3; Larenz/Wolf AT § 41 Rn 23; zweifelnd Medicus AT Rn 690); dieses ist aber stets der Fall, wenn sich die Sittenwidrigkeit schon allein aus dem objektiven Inhalt des Rechtsgeschäfts ergibt (BGH 94, 273; Staud/Sack Rn 62f). cc) Ergibt sich die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts nicht bereits allein aus dessen objekti- 41 vem Inhalt, ist zu prüfen, ob ein Sittenverstoß wegen sonstiger objektiver Umstände, die außerhalb des Inhalts des Rechtsgeschäfts liegen (etwa Umstände des Zustandekommens; über den Inhalt hinausgehende Auswirkungen, auch auf Dritte und/oder die Allgemeinheit), und/oder wegen subjektiver Merkmale (etwa Beweggründe der Parteien, Geschäftszweck) bejaht werden kann. Dabei wird sich die Sittenwidrigkeit des Geschäfts vielfach nicht allein aus einzelnen Merkmalen, sondern erst aus der Gesamtschau sämtlicher objektiven und subjektiven Momente ergeben (BGH 86, 88; 107, 92, 97; 125, 218, 228; 146, 298, 301; NJW 1990, 704; LM [Cb] Nr 6; BAG NZA 2006, 1354, 1355; Köln ZIP 1985, 1472). (1) Allein das Vorliegen sonstiger objektiver Umstände, die nicht Inhalt des Rechtsgeschäfts sind, 42 reicht regelmäßig nicht aus, um einen Verstoß gegen die guten Sitten zu begründen. Hinzukommen muss die subjektive Zurechenbarkeit der Umstände, aus denen die Sittenwidrigkeit folgt (BGH LM [Ba] Nr 2). Ergibt sich etwa ein objektiver Sittenverstoß daraus, dass ein seinem Inhalt nach sittlich indifferentes Verfügungsgeschäft (zB Sicherungsabtretung) eine objektive Benachteiligung anderer Gläubiger zur Folge hat, muss hinzukommen, dass dies den Vertragsparteien auch subjektiv zurechenbar ist. Das Gleiche gilt zB auch für die Vereinbarung einer Globalzession, die mit dem verlängerten Eigentumsvorbehalt eines Lieferanten des Zedenten konkurriert. Wenn darüber hinaus jedoch gefordert wird, dass die Parteien in verwerflicher Gesinnung gehandelt haben (BGH 32, 366; vgl auch RG 150, 5), kann dem nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Insoweit ist zu unterscheiden: Ergibt sich bereits bei Würdigung allein der objektiven Umstände des Rechtsgeschäfts (Inhalt zu- 43 sammen mit allen sonstigen Umständen) ein Verstoß gegen die guten Sitten, reicht es für die subjektive Zurechenbarkeit in jedem Fall aus, wenn die Beteiligten Kenntnis von den zur Sittenwidrigkeit führenden objektiven Umständen haben (so auch BGH LM [Ca] Nr 1; NJW 1993, 1587; 94, 188; Soergel/Hefermehl Rn 35). § 166 ist dabei anzuwenden. Weder das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit noch eine besonders verwerfliche Gesinnung sind erforderlich (MüKo/Armbrüster Rn 129). So ist eine auf Täuschung eines Dritten hinauslaufende Vereinbarung selbst dann sittenwidrig, wenn die Täuschung den Vertragsparteien zwar bewusst, aber nicht deren Hauptmotiv für den Vertragsschluss war. Der Kenntnis der Umstände wird es idR gleichstehen, wenn jemand sich der Kenntnis der maßgebenden objektiven Umstände bewusst oder leichtfertig/grob fahrlässig entzieht oder verschließt (RG 150, 5; BGH 10, 233; 20, 52; 80, 153; 146, 298, 301; NJW 1980, 445; 2002, 429, 430; 432; NJWRR 1998, 590; WM 1982, 849f; Köln ZIP 1985, 24, 1474). Nicht selten machen allerdings erst die subjektiven Absichten ein Geschäft sittenwidrig. Reichen 44 die objektiven Umstände allein nicht aus, sondern ergibt sich die Sittenwidrigkeit erst aus dem Gesamtcharakter des Geschäfts unter Berücksichtigung der subjektiven Merkmale (Ausnutzung von Vorteilen der Verhandlungsposition, Zweck, Beweggrund), ist es hingegen gerechtfertigt, eine verwerfliche Gesinnung der Beteiligten zu verlangen (MüKo/Armbrüster Rn 124, 130; vgl auch BGH WM 1980, 597; NJW 1985, 3007). Jedoch ist auch in diesem Fall ein Bewusstsein der Sittenwidrigkeit nicht erforderlich (vgl Rn 40). Allg dürfte die Entwicklung auf eine Objektivierung des Sittenverstoßes hinauslaufen (vgl Staud/Sack Rn 62ff; Stuttgart NJW 1979, 2412). (2) Auch soweit im Rahmen der Gesamtschau die Begründung der Sittenwidrigkeit von vornherein 45 vollständig oder vorwiegend an subjektive Merkmale wie sittenwidrige Beweggründe (Absichten, Motive) oder den mit dem Geschäft verfolgten unsittlichen Zweck angeknüpft wird, kommt es auf eine unanständige, verwerfliche Gesinnung der Parteien an. dd) Für die Frage, ob beide Teile sittenwidrig handeln müssen oder ob ein einseitiger Sittenver- 46 stoß ausreicht, gilt Folgendes: (1) Bei einseitigen Rechtsgeschäften kommt es nur auf die Person des Erklärenden an (RG 142, 412; 154, 102; BAG DB 1964, 1057). (2) Bei Verträgen ist zu unterscheiden: Beide Teile müssen sittenwidrig handeln, wenn der Sitten- 47 verstoß sich gegen die Allgemeinheit oder gegen Dritte richtet (RG 78, 353; 98, 79; 140, 190; BGH NJW 1990, 568; 1995, 2284). Liegt ein solcher Sittenverstoß in objektiven Umständen begründet, müssen also beide Teile hiervon Kenntnis haben oder sich doch zumindest einer solchen Kenntnis grob fahrH. Palm/A. Arnold

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Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

lässig/leichtfertig verschlossen haben (BGH aaO). § 166 gilt. Wird für einen Sittenverstoß an subjektive Merkmale (Zweck, Beweggrund) angeknüpft, müssen diese subjektiven Vorstellungen bei beiden Beteiligten vorhanden sein. 48

Ausnahmsweise genügt ein einseitiger Sittenverstoß, wenn die Sittenwidrigkeit gerade in dem Verhalten ggü dem Vertragspartner zum Ausdruck kommt (RG 93, 30; 120, 149; BGH 50, 70).

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ee) Maßgebend für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit ist nach hM grds der Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts, etwa des Vertragsschlusses (BGH 7, 111; 100, 353, 359; 107, 92, 96; 120, 276; 123, 281; 125, 209; 126, 226, 239; 130, 314, 331f; 138, 291, 300; NJW 1990, 1356; 1994, 1442; 1995, 1886, 1887 und 2350, 2352; NJW-RR 2002, 1359, 1362; 2003, 1116, 1117; ZIP 1995, 1026; WM 1996, 262; Medicus NJW 1995, 2578; Soergel/Hefermehl Rn 40; Staud/Sack Rn 80f), bei Ergänzungs- oder Zusatzvereinbarungen deren Zeitpunkt (BGH 100, 359). Zum Einfluss späterer Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse oder der Bewertungsmaßstäbe auf die Wirksamkeit des Geschäfts vgl Rn 58ff.

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ff) In Rspr und Wissenschaft ist eine Reihe von Grundgesichtspunkten (oder Fallgruppen) entwickelt worden, die jedenfalls zu einer Prüfung unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit des Geschäftsinhalts Anlass geben; dies sind insb: (1) Die Rechtsgeschäfte zulasten der Grundlagen des Staatswesens und des Zusammenlebens der Menschen in der Gesellschaft. Hierzu gehören insb Rechtsgeschäfte, die mit der Menschenwürde und anderen für das Zusammenleben in der Gemeinschaft wesentlichen Grundwertungen der Verfassung, mit den Grundlagen von Ehe und Familie und mit der Funktionsfähigkeit des freiheitlich-demokratischen und sozialen Rechtsstaates nicht vereinbar sind (vgl dazu insb Rn 120). Auch die unsachliche Diskriminierung von Personen oder Personengruppen (vgl Rn 99) hat hier ihren Ort. Vielfach enthalten solche Rechtsgeschäfte auch eine (2) unzulässige Kommerzialisierung von Vorgängen und/oder Verhaltensweisen, die in einer vom Sittengesetz geprägten Rechtsordnung nicht von einer vermögenswerten Gegenleistung abhängig sein dürfen. Bsp: Erwerb von Adelsbezeichnungen sowie öffentlichen Ämtern, Auszeichnungen usw gegen Geld (Rn 70); Verknüpfung des Abstimmungsverhaltens im Parlament (Rn 120 „Grundgesetz“), des Verhaltens als Beweisperson in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren (Rn 114 „gerichtliches Verfahren“), der Eheschließung (Rn 100 „Ehe und Familie“), des Geschlechtsverkehrs (Rn 158 „sexueller Bezug“) mit einer finanziellen Zuwendung. Eine weitere Gruppe bilden (3) die Rechtsgeschäfte zum Nachteil der Allgemeinheit, etwa der öffentlichen Sozialkassen, (vgl Rn 84 „Benachteiligung der Allgemeinheit pp“), oder des Steuerfiskus, (Rn 171 „Steuerhinterziehung“) oder Dritter (Bsp: Rn 129 „Kollusiver Eingriff in Rechte Dritter/Verleitung zum Vertragsbruch“; Rn 117 „Gläubigerbenachteiligung“). In der Rechtspraxis nimmt einen großen Raum ein die (4) sittenwidrige Benachteiligung des Geschäftspartners, etwa durch sittenwidrige Ausnutzung einer strukturell ungleichen Verhandlungslage (zB bei einer Bürgschaft, Rn 90 „Bürgschaft“), durch ein wucherähnliches Geschäft (Rn 199 „Wucher/Wucherähnliches Geschäft“) oder durch eine im Interesse des Selbstbestimmungsrechts und der persönlichen, beruflichen und/oder wirtschaftlichen Freiheit nicht hinnehmbare übermäßige zeitliche, örtliche und/oder sachliche Bindung (Bsp: Rn 97 „Dauerschuldverhältnisse“; Rn 196 „Wettbewerbsverbote“) bis hin zur Knebelung (Rn 128 „Knebelung“).

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3. Rechtsfolgen. a) Ein Verstoß gegen die guten Sitten führt grds zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts von Anfang an (Ausnahmen Rn 57ff). Die Nichtigkeit ist von Amts wegen zu beachten und kann von jedermann geltend gemacht werden, auch von Dritten oder – in den Grenzen von § 817 S 2 – von dem/den für die Sittenwidrigkeit Verantwortlichen selbst (BGH 27, 180; 60, 105; BAG NJW 1976, 1959). Nur in Ausnahmefällen (vgl dazu BGH NJW 1981, 1439; 1986, 2945; BAG NJW 1968, 1648; 76, 1959) kann § 242 die Berufung auf die Sittenwidrigkeit durch den/die Verantwortlichen ausschließen; sonst würde auf diesem Umweg die Nichtigkeitsfolge unter den Beteiligten praktisch ausgeschaltet. Zur Begründung eines Verstoßes gegen Treu und Glauben reicht es nicht aus, dass der, welcher sich auf die Nichtigkeit des Geschäfts beruft, bereits die Vorteile des Geschäfts in Anspruch genommen hat (Soergel/Hefermehl Rn 61).

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aa) Gem § 138 I ist grds nur das Verpflichtungsgeschäft nichtig (BGH NJW 1973, 615; 1990, 385; DtZ 1997, 229).

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bb) Das Verfügungsgeschäft (vgl näher dazu Zimmermann JR 1985, 48) ist nur dann nichtig, wenn es seinerseits sittenwidrig ist. Das ist der Fall, wenn das dingliche Geschäft selbst sittenwidrige Zwecke verfolgt oder der Sittenverstoß gerade in der Zuwendung bzw der Änderung der dinglichen Rechtslage liegt (BGH 41, 341; NJW 1985, 3007; NJW-RR 1992, 594; 2006, 888, 889; Larenz/Wolf AT § 41 Rn 67ff; Flume § 18, 8a). Dies kommt etwa in Betracht, wenn (erst oder gerade) durch das Verfügungsgeschäft Dritte (zB durch Täuschung über die Kreditwürdigkeit bei Sicherungsgeschäften [Rn 160ff] oder durch Wechselreiterei, vgl Rn 195) oder die Allgemeinheit (zB durch eine Vermögensverlagerung zulasten des Sozialhilfeträgers, vgl Rn 84) benachteiligt werden.

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cc) Die Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts erstreckt sich nicht ohne weiteres über § 139 auf das Verfügungsgeschäft, da Grund- und Verfügungsgeschäft gemeinhin nicht Teile eines einheitlichen Rechtsgeschäfts sind (vgl BGH NJW 1985, 3007; 1990, 385; zur rechtsgeschäftlich begründeten Geschäftseinheit Eisenhardt JZ 1991, 271ff). Eine solche generelle Annahme liefe nämlich auf eine Missachtung des Abstraktionsprinzips hinaus. Die Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts erfasst auch nicht ohne weiteres die vereinbarte Bestellung von Sicherheiten (BGH NJW-RR 1992, 594) oder Verpflichtungen, die erfüllungshalber übernommen wurden. Eine Wechsel- oder Scheckbegebung ist deshalb idR wirksam (vgl aber Rn 73 „Animierlokal“); allerdings kann dem ersten Nehmer uU ein Verstoß gegen Treu und Glauben entgegengehalten werden (BGH NJW 1990, 385).

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H. Palm/A. Arnold

Willenserklärung

§ 138

b) Grds ist ein sittenwidriges Rechtsgeschäft in seinem gesamten Umfang nichtig (BGH NJW 1989, 55 26; zu Ausnahmen gem § 139 bei Abtrennbarkeit von nichtigen Teilen vgl BGH 52, 74; NJW 1972, 1459; 79, 1609; WM 1973, 357). Ist lediglich eine einzelne Klausel eines Rechtsgeschäfts oder eine damit im Zusammenhang stehende Nebenabrede (BGH WM 1967, 231) sittenwidrig, findet § 139 Anwendung. Für den Fall, dass die Sittenwidrigkeit sich nur auf Teile eines Vertrags bezieht, ist eine salvatorische Klausel zulässig und zweckmäßig (vgl zu § 139 Rn 10). Wegen des mit § 138 verfolgten Straf- und Abschreckungszwecks lässt die Rspr keine Umdeutung (§ 140) des sittenwidrigen Geschäfts zu (BGH 68, 206; Staud/Sack Rn 112). In der Lit wird ggü der in der Rechtspraxis hM zunehmend die Auffassung vertreten, die harte und undifferenzierte Folge der generellen Nichtigkeit sei, insb bei quantitativ geprägten Missgriffen der Vertragsgestaltung, einzuschränken, etwa durch einschränkende Auslegung des § 138 I oder durch teleologische Reduktion bzw Extension der Rechtsfolgen nach dem Normzweck; die volle Nichtigkeit sei häufig kein angemessenes Ergebnis; einer Einschränkung stehe auch der von § 134 abw Wortlaut des § 138 nicht entgegen (vgl die eingehende Darstellung der Problemdiskussion bei Staud/Sack Rn 92–138). Die für die Einschränkung der Gesamtnichtigkeit angeführten Gründe sind teilw sehr beachtlich. Die Rspr hat jedoch eine generelle Möglichkeit zur Einschränkung der Nichtigkeitsfolge bisher nicht anerkannt. Nur in bestimmten Einzelfällen kommt sie unter Zuhilfenahme der §§ 139, 242 zu einer Aufrechterhaltung sittenwidriger Geschäfte unter Zurückführung von Vertragspflichten auf ein mit den guten Sitten vereinbares Maß; Bsp sind die Aufrechterhaltung von Testamenten, langfristigen Lieferverträgen oder Wettbewerbsverboten unter Verminderung sittenwidriger Verpflichtungen auf ein sachlich, örtlich und zeitlich vertretbares Maß (vgl Rn 97 „Dauerschuldverhältnis“ mwN; einschränkend BGH NJW 1997, 3089; dazu Römermann WiB 1997, 1028) und die Beschränkung der Nichtigkeit von Arbeits- und Gesellschaftsverträgen auf die Zukunft (vgl Rn 57 und ferner Rn 76 „Arbeitsvertrag“; Rn 115 „Gesellschaftsrecht“) sowie die Aufrechterhaltung von Wohnungsmiet- bzw Arbeitsverträgen unter Veränderung der Entgelte bei Mietwucher (vgl BGH NJW 2006, 1059 und § 134 Rn 81 „Preisrecht“) und beim Lohnwucher (Rn 76 „Arbeitsvertrag“). Für die Fälle des Miet-/ Pachtwuchers und der wucherähnlichen Überhöhung von Miete/Pacht für gewerbliche Räume hat die Rspr bisher keine Teilnichtigkeit angenommen (BGH NJW-RR 2006, 16, 17f). Stets abgelehnt worden ist bislang die Zurückführung sittenwidrig hoher Darlehenszinsen oder Kaufentgelte auf ein vertretbares Maß (BGH 44, 162; 68, 207; NJW 1994, 1275; Flume § 18, 9). Der in der Lit erhobene krit Einwand (vgl nur Staud/Sack Rn 123f, 135ff), die Rspr behandle damit die Frage der Aufrechterhaltung von Rechtsgeschäften unter Einschränkung sittenwidriger Regelungen nicht für alle Anwendungsbereiche des § 138 nach einheitlichen Kriterien, erscheint nicht ganz unberechtigt. c) Solange der Tatbestand der Sittenwidrigkeit erfüllt bleibt, ist keine Bestätigung (§ 141) des sittenwidrigen Vertrags möglich (BGH 60, 108). d) Eine Heilung des sittenwidrigen Geschäfts durch Zeitablauf oder Verwirkung der Geltendma- 56 chung der Nichtigkeit ist ausgeschlossen (RAG DR 1942, 1607). Eine Heilung ist auch nicht durch Schuldumschaffung möglich (BGH MDR 1959, 35). Zur Wirksamkeit eines Vergleichs über ein evtl sittenwidriges Geschäft vgl BGH NJW 1963, 1198; BB 1966, 1323. e) Bei in Vollzug gesetzten Dauerrechtsverhältnissen sind die Nichtigkeitsfolgen des § 138 I zT ein- 57 geschränkt. – Die Nichtigkeit eines sittenwidrigen Arbeitsvertrags kann, wenn das Arbeitsverhältnis bereits vollzogen ist, grds nur für die Zukunft geltend gemacht werden (vgl auch Rn 26). Die Grundsätze des faktischen/fehlerhaften Arbeitsverhältnisses sind jedoch dann nicht anzuwenden, wenn die dem Arbeitsvertrag entspr Beschäftigung nach ihrem Inhalt und Zweck selbst unsittlich ist, so zB bei einem auf öffentliche Vorführung des Geschlechtsverkehrs gerichteten Arbeitsverhältnis (BAG NJW 1976, 1958; vgl Rn 76). – Liegt einer vollzogenen Gesellschaft ein sittenwidriger Gesellschaftsvertrag zugrunde, so tritt im Normalfall Nichtigkeit ebenfalls nur für die Zukunft ein (BGH 55, 5; WM 1973, 901f). Eine Anwendung der Grundsätze zur fehlerhaften Gesellschaft kommt aber nicht in Betracht, wenn die Gesellschaft auf einen sittenwidrigen Zweck gerichtet ist (BGH 62, 234, 241 = NJW 1974, 1201; 75, 214, 217 = NJW 1989, 638; NJW-RR 1988, 1379 mwN; Rn 115 „Gesellschaft“) oder gewichtige Interessen der Allgemeinheit oder bestimmter, besonders schutzwürdiger Personen der Einschränkung der Nichtigkeitsfolgen entgegenstehen (vgl BGH 3, 288; 17, 167; 26, 335; 55, 9). Einzelheiten zur fehlerhaften Gesellschaft MüKo/Ulmer § 705 – zu den Voraussetzungen Rn 326ff, zu den Rechtsfolgen Rn 342ff. f) Eine Änderung der Bewertungsmaßstäbe oder des die Sittenwidrigkeit tragenden Sachverhalts 58 nach Abschluss des Rechtsgeschäfts kann Einfluss auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts haben (allg dazu Medicus NJW 1995, 2578; Ulmer/Schäfer ZGR 1995, 134; Lecheler WM 1994, 2049). aa) Ist ein Rechtsgeschäft bereits abgewickelt (so bei allen Verfügungsgeschäften), wirkt sich eine spätere Änderung der Umstände auf die Wirksamkeit bzw Nichtigkeit des Geschäfts nicht aus (BGH NJW 1983, 2692). Ob das Geschäft wirksam ist, beurteilt sich allein nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Vornahme (BGH NJW 1989, 1277 mN; vgl auch Rn 17). Es kommt daher auch nicht darauf an, wann ein Wandel dieser Verhältnisse von der Rspr erstmals festgestellt wird (BVerfG NJW 1984, 2345; BGH NJW 1983, 2692; krit Bunte NJW 1983, 2674; NJW 1985, 705). bb) Ist ein Rechtsgeschäft noch nicht abgewickelt, steht also der Rechtserfolg noch aus, lassen 59 sich zwei Fälle unterscheiden: (1) Ein im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses wirksames Rechtsgeschäft kann durch eine spätere Änderung der Bewertungsmaßstäbe oder des Sachverhalts nicht zu einem sittenwidrigen Rechtsgeschäft werden (BGH NJW 1993, 3193; ZIP 1995, 1026; Staud/Sack Rn 82). Einem Erfüllungsverlangen kann jedoch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegengehalten werden, wenn das zugrundeliegende Rechtsgeschäft im Hinblick auf die geänderten H. Palm/A. Arnold

355

§ 138

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

Maßstäbe oder Umstände nunmehr sittenwidrig wäre (BGH 126, 241; NJW 1983, 2692f; Larenz/Wolf AT § 41 Rn 30; Staud/Sack Rn 83; vgl aber auch Rn 98 „DDR“ zur Übergangssituation DDR/Bundesrepublik). Möglicherweise kommt auch eine Anpassung an veränderte Umstände durch erg Vertragsauslegung oder gem § 242 in Betracht (BGH 126, 226, 241). 60

(2) War das Geschäft bei seiner Vornahme wegen Sittenverstoßes nichtig und wandeln sich zB die Maßstäbe in der Zeitspanne zw der Vornahme des Geschäfts und dem Eintritt des Rechtserfolgs, so ist entgegen der hM der letztere Zeitpunkt maßgebend (für eine differenzierende Betraqchtung: MüKo/Armbrüster Rn 135, 137 mwN); nach der hM ist demgegenüber eine (ggf formgerechte) Bestätigung iSv § 141 nötig. Im Gegensatz zur Rspr des BGH und der hL ist also für die Beurteilung der Wirksamkeit eines Testamentes nicht auf den Zeitpunkt der Errichtung (BGH 20, 75), sondern auf den Zeitpunkt des Erbfalls abzustellen (Hamm OLG 1979, 427 = MDR 1980, 53; Brox/Walker AT Rn 332; Flume § 18, 6; Gernhuber FamRZ 1960, 326ff; Larenz/Wolf AT § 41 Rn 29f; Medicus AT Rn 692; i Erg auch Staud/Sack Rn 86ff).

61

g) Wer den Abschluss eines wegen Benachteiligung des anderen Teils sittenwidrigen Vertrags herbeiführt, kann wegen schuldhafter Verletzung der vorvertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme auf seinen Vertragspartner aus cic zum Ersatz derjenigen Aufwendungen verpflichtet sein, die der Partner im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Vertrags tätigt (BGH 99, 101, 106f; 142, 51, 61; NJW-RR 2005, 1290, 1291 = WM 2005, 1334).

62

h) Da § 138 weitgehend die gleichen Voraussetzungen hat wie § 826, kann das sittenwidrige Handeln, insb das einseitige sittenwidrige Handeln ggü dem Geschäftspartner, auch einen Ersatzanspruch aus § 826 auslösen (BGH 99, 107; NJW 1970, 658).

63

i) Ist das Verfügungsgeschäft nichtig, bestehen dingliche Ansprüche (zB § 985). Verstößt nur das Verpflichtungsgeschäft gegen die guten Sitten, kommt ein Ausgleich nach Bereicherungsrecht (§§ 812ff) in Betracht. Ein Bereicherungsanspruch kann aber durch § 817 S 2 ausgeschlossen sein (vgl im Einz § 817).

64

4. Beweislast. Dem Zweck des § 138 und dem Begriff der Nichtigkeit entspricht es, dass § 138 zu beachten ist, auch wenn keine Partei sich darauf beruft. Zu beweisen sind nur die eine Sittenwidrigkeit begründenden objektiven und subjektiven tatsächlichen Umstände. Diese hat derjenige zu beweisen, der sich auf die Nichtigkeit beruft (BGH 95, 85; NJW 1979, 2089; 1995, 1429; MüKo/Armbrüster Rn 132 für die subj Voraussetzungen; krit Staud/Sack Rn 76). Im Einzelfall kann jedoch allein das Vorliegen eines objektiven Merkmals (zB Leistungsmissverhältnis) eine Vermutung für subjektive Umstände (zB Benachteiligungsabsicht) begründen (vgl Rn 199 sowie BGH NJW 1979, 758; zu weitgehend Stuttgart NJW 1979, 2412, vgl dazu Rn 18). Die vom Gericht durchzuführende Würdigung ist Rechtsfrage, also revisibel (BGH WM 1969, 1257; NJW 1991, 354). V. Einzelgesichtspunkte Abfindung 66 Abtretung 67 Abtretungsverbot 68 Abwerbung 69 Adelsbezeichnungen, öffentliche Ämter, Auszeichnungen, Orden oder Titel 70 Adoption 71 AGB 72 Animierlokal 73 Anstreben eigener Vorteile 74 Apotheke 75 Arbeitsverhältnis 76 Arzt, Zahnarzt, Tierarzt oder Angehörige eines anderen Heilberufs 77 Auflassung, Übereignung 78 Ausbildungsvertrag 79 Auslandsbezug 80 Automatenaufstellungsvertrag 81 Bankkonto 82 „Behindertentestament“ 83 Benachteiligung der Allgemeinheit/Geschäfte zulasten der Allgemeinheit 84 Benachteiligung Dritter/Eingriff in Rechte Dritter/Verleiten zum Vertragsbruch 85 Berufsrecht 86 Bestechung 87 Betreutes Wohnen 87 Bierbezugsverträge 88 356

Bietungsabkommen 89 Bürgschaft 90 Bürgschaft von Angehörigen 91 Bürgschaft von Ausländern 92 Bürgschaft von Kindern 93 Bürgschaften anderer nat Pers 94 Bürgschaft/Einzelfragen 95 Darlehensverträge und sonstige Kreditgeschäfte 96 Dauerschuldverhältnis 97 DDR 98 Diskriminierung von Personen oder Gruppen/Ungleichbehandlung 99 Ehe und Familie, Unterhaltsrecht 100 Eigenhändlervertrag 101 Einkaufsausweis 102 Energieversorgung 103 Erbbaurechtsvertrag 104 Erbrecht 105 Europarecht 106 Factoring 107 Fernlehrgang/Fernlehrvertrag/ Fernunterrichtsvertrag 108 Fiduziarische Geschäfte 109 Fluchthelfervertrag 110 Franchisevertrag 111 Freizügigkeit 112 „Geliebtentestament“ 113 Gerichtliches Verfahren 114 H. Palm/A. Arnold

Gesellschaftsvertrag 115 Girovertrag 116 Gläubigerbenachteiligung 117 Globalabtretung/Globalübereignung 118 Glücksspiel 119 Grundgesetz 120 Grundpfandrecht 121 Grundstücksverkehr 122 Haftungsausschluss 123 Handelsvertreter 124 Insolvenzverschleppung/Konkursverschleppung 125 Kartellrecht 126 Kaufvertrag 127 Knebelung 128 Kollusion 129 Kommunale Selbstverwaltungskörperschaft 130 Konfessionswahl 131 Konkurrenzklausel 132 Koppelungsgeschäfte 133 Krankenhausaufnahmevertrag 134 Kreditkarte 135 Leasingvertrag 136 Leihmuttervertrag 137 Maklervertrag 138 Miet- und Pachtrecht 139 Monopolstellung 140 Naturalobligationen 141 Nichteheliche Lebensgemeinschaft 142

Willenserklärung Öffentliche Verwaltung 143 Poolvereinbarung 144 Praxisverkauf 145 Rechtsanwalt 146 Reversvertrag 147 Sammlung 148 Scheckverkehr 149 Schiedsvertrag 150 Schmiergeldverträge 151 Schmuggelgeschäfte 152 Schneeballsystem 153 Schriftsteller 154 Schuldanerkenntnis/Schuldbeitritt/Schuldübernahme/ Mitschuldnerschaft 155 Schuldenbereinigung 156 Schweigevertrag 157 Sexueller Bezug 158 Sicherungsgeschäfte 159 Sicherungsgeschäfte/Übersicherung 160 Sicherungsgeschäfte/unangemessene Einschränkung der wirtschaftlichen Freiheit des Schuldners 161 Sicherungsgeschäfte/Globalzession/Eingriff in Eigentumsvorbehalt und sonstige Dritten vorbehaltene Rechte 162

Sicherungsgeschäfte/Täuschung Dritter über die Kreditwürdigkeit des Schuldners 163 Sicherungsgeschäfte/Benachteiligung anderer Gläubiger, Insolvenzverschleppung 164 Sozialleistungen 165 Spielbank 166 Sport 167 Standesrecht 168 Sterilisation 169 Steuerberater 170 Steuerhinterziehung 171 Stimmrechtsbindungsvertrag 172 Straftat 173 Studienplatzabrede 174 Tankstellenvertrag 175 Telekommunikation 176 Testament 177 Time-Sharing-Vertrag 178 Treuhandvertrag 179 Überforderung des Schuldners 180 Übersicherung des Gläubigers 181 Übertragungs- und Leibrentenvertrag 182

§ 138 Umgehungsgeschäft 183 Unlauterer Wettbewerb 184 Unterhaltsrecht 185 Unterricht/Schule/Aus- und Fortbildung 186 Verein 187 Vergaberecht 188 Vergleich 189 Verlängerter Eigentumsvorbehalt 190 Verleitung zum Vertragsbruch 191 Versicherungsvertrag 192 Vertragsstrafe 193 Verwaltungsverfahren 194 Wechsel 195 Wettbewerbsverbot 196 Wohnsitzverbot 197 WE 198 Wucher/wucherähnliches Geschäft 199 Zahnarzt 200 Zeuge in einem gerichtlichen Verfahren 200 Zölibatsklausel 200 Zuwendung unter Lebenden 201 Zwangsversteigerung, Zwangsvollstreckung 202

(Die Darstellung ist zur besseren Orientierung durchgängig alphabetisch nach Stichworten geord- 65 net. Die Stichworte umfassen sowohl die Anwendung von § 138 bei einzelnen Geschäftstypen oder zusammengehörigen Gruppen von Rechtsgeschäften als auch geschäftsübergreifende allg Gesichtpunkte. Auf die entspr Stichworte zu § 134 Rn 20ff wird Bezug genommen): P

Zur Abfindung beim Ausscheiden aus einer Gesellschaft vgl unter Rn 115 „Gesellschaftsrecht“.

66

P

Die Wirksamkeit der Abtretung einer Forderung oder eines Rechts als Verfügungsgeschäft wird 67 von der Sittenwidrigkeit des Verpflichtungsgeschäfts idR nicht berührt (BGH NJW 1997, 3370; 2002, 429, 432). Etwas anderes gilt, wenn (auch) die Abtretung selbst gegen die guten Sitten verstößt (Rn 53). Das kommt insb in Betracht, wenn gerade in der Abtretung eine sittenwidrige Benachteiligung der Allgemeinheit oder Dritter (Bsp: Düsseldorf NJW-RR 2001, 1025 – Verhinderung oder Erschwerung einer Aufrechnung mit Gegenansprüchen) liegt; vgl dazu Rn 84f. Nicht zu beanstanden ist die zeitlich unbegrenzte Abtretung des gesamten pfändbaren (zukünftigen) Arbeitseinkommens, wenn der Zweck die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger ist (BAG DB 1980, 835). Ebenfalls als solche nicht sittenwidrig ist die Abtretung aller (zukünftigen) Ansprüche aus einem Geschäftsbetrieb (Stuttgart NJW 1964, 666; aM RG 67, 168); dagegen ist eine solche Abtretung sittenwidrig, wenn sie zB zu einer sittenwidrigen Gläubigerbenachteiligung (vgl Rn 117; ferner: BGH DB 1979, 301; LG Stuttgart WM 1992, 983), zu einer Kollision mit einem verlängerten Eigentumsvorbehalt (vgl Rn 159ff „Sicherungsgeschäfte“ und Rn 190 „verlängerter Eigentumsvorbehalt“) oder zu einer Knebelung des Zedenten (vgl Rn 128 „Knebelung“) führt. Vgl auch Rn 96 – „Darlehen“ und Rn 114 „gerichtliches Verfahren“. P Ein Abtretungsverbot in einem Bauvertrag, durch welches die Abtretung des Vergütungsan- 68 spruchs des Bauunternehmers ausgeschlossen wird, ist grds nicht sittenwidrig (BGH 51, 119 m Anm Stötter NJW 1969, 1064; vgl auch BGH NJW 1988, 1210 und 1997, 3434), auch wenn eine Kollision mit einem verlängerten Eigentumsvorbehalt von Materiallieferanten zu erwarten ist. Vgl auch Rn 67 „Abtretung“ und § 399 Rn 13. P Die Abwerbung von Arbeitnehmern oder Kunden mag im Einzelfall gegen §§ 3, 4 UWG (vgl etwa 69 § 4 Nr 10 UWG; dazu Grobys NJW-Spezial 2007, 225) verstoßen. Der mit dem abgeworbenen Arbeitnehmer oder Kunden geschlossene Vertrag ist jedoch nur bei zusätzlichen sittenwidrigen Umständen – etwa bei Verleitung zum Vertragsbruch, vgl Rn 85 „Benachteiligung Dritter/Verleiten zum Vertragsbruch“, oder bei einem den Umständen nach anstößigen gezielten Eingriff in ein anderes Unternehmen – nichtig (für Arbeitnehmer: BAG 13, 284 = NJW 1963, 125; Bremen und Frankfurt NJW 1963, 862; Karlsruhe GRUR 2002, 459, 338 sowie NJW-RR 2002, 397; Braun DB 2002, 2326; Busch/Dendorfer BB 2002, 301; Luft NJW 1961, 2000; aM Schmiedl BB 2003, 1120; für Kunden: Celle NJW-RR 1999, 550). Sittenwidrig können wegen unangemessener Beschränkung der beruflichen Freiheit vertragliche Regelungen sein, die unabhängig von schutzwürdigen eigenen Interessen eines Unternehmers darauf abzielen, einen Mitarbeiter an einem Wechsel zu einem Wettbewerber zu hindern (vgl LAG Thüringen ZIP 2002, 587 zu § 74a HGB).

H. Palm/A. Arnold

357

§ 138

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

70

P Adelsbezeichnungen, öffentliche Ämter, Auszeichnungen, Orden oder Titel sind – wenn überhaupt – nicht im rechtsgeschäftlichen Verkehr, sondern nur in einem – idR öffentlich-rechtl geordneten – Verleihungsverfahren zu erlangen. Auf den Erwerb oder dessen Vermittlung oder Unterstützung gerichtete Verpflichtungsgeschäfte, insb der Erwerb gegen Bezahlung („Titelkauf“), und normalerweise auch die Erfüllungsgeschäfte sind sittenwidrig. Dies gilt selbst bei grenzüberschreitenden Geschäften dieser Art, wenn die ausländische Rechtsordnung den Titelhandel zulässt. Die Anstößigkeit ergibt sich sowohl aus der Störung der rechtlichen Ordnung öffentlicher Aufgaben als auch aus der nach dem Verständnis unserer Rechts- und Sittenordnung sachfremden, ethischen Prinzipien widersprechenden Verknüpfung der Verleihung mit einer Gegenleistung in Geld (BGH NJW 1994, 187 – Ernennung zum Honorargeneralkonsul; BGH NJW 1997, 47 – Vermittlung einer Adoption zum Zwecke des Erwerbs eines Adelstitels; Stuttgart NJW 1996, 666 – Dr hc; Koblenz NJW 1999, 2904 – Promotion; MüKo/Armbrüster Rn 127; Hospach NJW 1996, 643; Prieß NVwZ 1991, 111; Weiler NJW 1997, 1053; vgl auch Koblenz NJW 1996, 665 und Köln NJW-RR 1994, 1540 – Hilfe zur Promotion).

71

P Die Adoption erfolgt nicht mehr durch Vertrag, sondern durch gerichtlichen Ausspruch (§ 1752 I). Wird mit der Annahme ein sittenwidriger Zweck verfolgt, soll sie auch ohne Antrag aufgehoben werden können (Köln NJW 1980, 63; krit Lüderitz, NJW 1980, 1087). – Vgl auch Rn 70 „rechtsgeschäftlicher Erwerb von Adelsbezeichnungen durch Adoption“ sowie Rn 100 „Ehe und Familie“.

72

P Die Wirksamkeit von AGB ist zunächst nach §§ 305ff zu beurteilen; zur Frage, ob und inwieweit die gesetzliche Regelung der AGB ggü § 138 lex specialis ist, vgl Rn 8. Neben §§ 305ff ist § 138 selbständig anwendbar; für die Ausfüllung des Begriffs „gute Sitten“ sind aber die gesetzlichen Wertungen zu AGB einschl des EU-Rechts zu berücksichtigen. Praktische Bedeutung hat § 138 bei Formularverträgen vor allem, soweit § 310 die Anwendbarkeit des AGB-Rechts beschränkt, soweit die Maßstäbe des § 138 im Einzelfall strenger als die des AGB-Rechts sind, soweit im AGB-Recht nicht bewertete Umstände die Sittenwidrigkeit ergeben oder die AGB sittenwidrig schützenswerte Interessen Dritter oder der Allgemeinheit verletzen. Nichtigkeit wegen eines Sittenverstoßes kommt insb in Betracht bei Ausnutzung einer Monopolstellung oder sonstigen Machtüberlegenheit (vgl Rn 140 „Monopolstellung“) dessen, der die AGB aufstellt. Bei Unwirksamkeit einer AGB-Klausel bleibt der Vertrag iÜ gem § 306 I und II (Ausnahme § 306 III) wirksam. Nach dem AGB-Recht unwirksame Klauseln sind jedoch bei einem Formularvertrag in die bei der Prüfung zu § 138 gebotene Gesamtschau einzubeziehen (st Rspr, vgl BGH 80, 153, 172, 98, 174, 177; 99, 333, 335; 110, 336, 341; NJW 1989, 1373; 1988, 1375; 1997, 3272, 3274; aM Staud/Sack Rn 161ff, 231, 252 mwN). – Zur Kollision von § 306 I und II und § 138 bei langfristigen Verträgen vgl Rn 97 „Dauerschuldverhältnisse“.

73

P Wird in einem Animierlokal ein weit überhöhter Getränkepreis vereinbart, so kann ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegen (Nürnberg MDR 1977, 1016; vgl aber zu den für einen überhöhten Preis erforderlichen Feststellungen BayObLG NJW 1985, 873 – zu § 302a I S 1 Nr 3 StGB aF). Das Gleiche kann auch für die Begebung eines für die Verzehrkosten hingegebenen Schecks oder Wechsels (LG Hamburg MDR 1974, 50; Kollhosser JuS 1977, 513) oder für die Abgabe eines Schuldanerkenntnisses (Schleswig NJW 2005, 225) gelten; letztlich ist das indes eine Frage der Würdigung aller Umstände im Einzelfall (vgl BGH NJW 1980, 1742). Sittenwidrigkeit liegt besonders dann nahe, wenn wegen der Höhe des anerkannten Betrages der Gast mit der Begebung eines Wertpapiers oder der Abgabe eines Anerkenntnisses durch die Umkehr der Beweislast in Beweisnot gebracht wird (BGH NJW 1987, 2014). Ferner kommt Sittenwidrigkeit in Betracht, wenn hohe Verzehrkosten zugleich eine versteckte Gegenleistung für sexuelle Handlungen in dem Lokal tätiger Personen enthalten (Hamm NJW-RR 1986, 547; Köln NJW-RR 2002, 620, 621; Schleswig aaO). – Vgl auch Rn 135 – „Kreditkarte“, Rn 158 „Sexueller Bezug“ und – Rn 195 „Wechsel“.

74

P Das Anstreben eigener Vorteile und die Wahrnehmung eigener Interessen sind an sich nicht sittenwidrig (RG 128, 97; BGH NJW 1955, 586; NJW 2001, 1414, 1415), auch wenn dies mit Nachteilen für andere verbunden ist. In einer von dem Grundsatz der Privatautonomie geprägten Rechts- und Wirtschaftsordnung darf jeder auch im rechtsgeschäftlichen Verkehr mit zulässigen Mitteln seinen Vorteil suchen. Selbst ein in der Gesamtschau für eine Seite sehr günstiges, für die andere sehr ungünstiges Geschäft ist deshalb noch nicht ohne weiteres sittenwidrig. Sittenwidrigkeit kommt aber in Betracht, wenn der Erwerbssinn eines Beteiligten auf ein allg als anstößig empfundenes Maß gesteigert wird, so bei einem in verwerflicher Gesinnung vereinbarten auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung (vgl dazu unter Rn 11ff (Wucher) und Rn 199 „wucherähnliches Geschäft“) oder bei einer rücksichtslosen Verfolgung eigener Interessen zum Nachteil der Allgemeinheit oder Dritter (vgl Rn 84 „Benachteiligung der Allgemeinheit“, Rn 85 „Benachteiligung Dritter“).

75

P Ein Vertrag (etwa Miet- oder Pachtvertrag, Geschäftsbesorgungsvertrag, Gesellschaftsvertrag), der einem Nichtapotheker durch Mitverwaltungsrechte Einfluss auf die Leitung einer Apotheke gibt und dadurch entgegen § 7 ApG die berufliche Entscheidungsfreiheit und Verantwortlichkeit des Apothekers und die sachgerechte Wahrnehmung der ihm übertragenen öffentlichen Aufgabe beeinträchtigt, ist – soweit nicht schon nach dem Apothekenrecht verboten (vgl § 134 Rn 24) – sittenwidrig. Weder generell verboten noch sittenwidrig ist es hingegen, über eine umsatzorientierte Gegenleistung (etwa Miete oder Pacht, Kaufpreisrente, stille Beteiligung) einen Nichtapotheker maßvoll an den Erträgen der Apotheke zu beteiligen (vgl BGH NJW 1972, 338; 75, 214; NJW 1983, 937 – stille Gesellschaft nach §§ 335ff HGB; NJW 1979, 2351 – Umsatzmiete; NJW 1997, 3091 – umsatzorientierte Rente als Kaufpreis; Blaurock NJW 1972, 1119). – Zu den Grundwertungen der Rechtsordnung zum Werbeverhalten von Apothekern, die wiederum ein Maßstab für die Vereinbarkeit von entspr Rechts-

358

H. Palm/A. Arnold

Willenserklärung

§ 138

geschäften mit den guten Sitten sind, vgl BVerfG NJW 1996, 3067 und 3070 sowie Ring NJW 1997, 768. – Vgl auch Rn 86 „Berufsrecht“ und Rn 196 „Wettbewerbsverbot“. P Im Arbeitverhältnis ist eine den guten Sitten entspr Vertragsgestaltung inzwischen in großem 76 Umfang durch zwingende Vorschriften des europäischen und nationalen Rechts sowie durch – zT für allgemeinverbindlich erklärte – Tarifregelungen abgesichert (vgl auch Rn 5). Der Schutz der Beschäftigten vor unberechtigter Benachteiligung („Diskriminierung“), der in der Vergangenheit vielfach über § 138 gesucht wurde, ist inzwischen durch §§ 6ff AGG (dazu dort selbst und § 134 Rn 23a) gesetzlich geregelt. Seit der Schuldrechtsreform kommt zudem auch eine Inhaltskontrolle arbeitsvertraglicher Bestimmungen nach dem AGB-Recht (§§ 307ff) in Betracht (dazu Zundel NJW 2006, 1237; Hromadka NJW 2002, 2523; vgl auch Rolfs RdA 2006, 349); praktisch erledigt sich dadurch vielfach die bislang insb nach § 138 beurteilte Frage, ob zB Ausschlussklauseln (vgl BAG BB 2002, 2285; NJW 2005, 3305 = NZA 2005, 1111 m Anm Bayreuther NZA 2005, 1337; NJW 2006, 795; Lakies NZA 2004, 569; Preis/Roloff RdA 2005, 144; Zundel aaO, 1238) oder Abgeltungsklauseln für Überstunden (vgl BAG NJW 1956, 607; Zundel aaO, 1241) wirksam vereinbart sind. Neben den einschlägigen Bestimmungen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts iVm § 134 (vgl § 134 Rn 25ff „Arbeitsrecht“) besteht deshalb für § 138 als Prüfungsmaßstab für die Wirksamkeit von arbeitsvertraglichen Rechtsgeschäften in der Praxis nur noch eingeschränkt Bedarf. Zur Zulässigkeit individueller Vertragsinhalte bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit vgl Rolfs RdA 2006, 349 und – für Zielvereinbarungen – Hümmerich NJW 2006, 2294. Große Bedeutung hat § 138 weiterhin für die arbeitsvertragliche Umsetzung von Grundwertungen der Verfassung, die selbst keine gesetzlichen Verbote enthalten (etwa: Menschenwürde und Persönlichkeitsrecht – Bsp: BAG DB 1983, 2780; BB 1983, 1727 m Anm Schlund; 1988, 137; 1995, 204; 1998, 431; Gewissensfreiheit – BAG BB 1985, 1853; 90, 212; Meinungsfreiheit; Schutz von Ehe und Familie; vgl zur Problematik insgesamt Zachert BB 1998, 1310ff). Ein Arbeitsvertrag, der zu einer sittenwidrigen Arbeitsleistung verpflichtet, etwa zur Mitwirkung an einer strafbaren Handlung, auch unterhalb der Schwelle der eigenen Strafbarkeit des Arbeitnehmers (vgl in diesem Zusammenhang auch Schulz NJW 2006, 183 zur Strafbarkeit der Beschäftigung von Scheinselbständigen), zur Prostitution (BGH 67, 119; AP § 138 BGB Nr 35; Düsseldorf NJW 1970, 1852; vgl auch BVerwG NJW 1982, 665; NVwZ 1990, 668) oder gar zur öffentlichen Vorführung des Geschlechtsverkehrs (BAG NJW 1976, 1958) verpflichtet, ist – wenn nicht schon nach § 134 – jedenfalls nach § 138 von Anfang an ungültig, nicht jedoch zB ein Arbeitsvertrag mit einer Stripteasetänzerin (BGH UFITA 74, 337; vgl auch BVerwG NVwZ 1985, 826; NJW 1982, 664). Auch eine arbeitsvertragliche Verpflichtung, an einer Peep-Show mitzuwirken, wird regelmäßig sittenwidrig sein (vgl dazu Staud/Sack Rn 397). Sexuelle Beziehungen zw den Vertragsparteien machen hingegen einen Arbeitsvertrag nicht ohne weiteres sittenwidrig; § 138 kommt in Betracht, wenn ausschließlich die sexuelle Hingabe entlohnt wird (vgl dazu Rn 158 „Sexueller Bezug“). Wenn zw der geschuldeten Arbeitsleistung und dem individuell vereinbarten Lohn ein auffälliges Missverhältnis besteht, kann bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer (bei Tarifbindung besteht Anspruch auf den Tariflohn, BAG DB 1990, 2023) ein Arbeitsvertrag unter den weiteren Voraussetzungen von § 138 II wegen Lohnwuchers nichtig sein. Ausgangspunkt für die Feststellung eines solchen Missverhältnisses ist der Vergleich zw dem vereinbarten Lohn und dem (regionalen und/oder branchenüblichen) Marktpreis der geschuldeten Arbeitsleistung (vgl dazu BGH NJW 1997, 2689, 2690 mwN – zu § 302a I S 1 aF StGB, heute § 291 StGB); zweifelhaft erscheint, ob – so BGH aaO – ein in der Branche und Region geltender Tariflohn zum Maßstab für den Marktpreis genommen werden kann (vgl auch BAG AP Nr 30; vermittelnd BAG NZA 2004, 971); mehr spricht für eine Anknüpfung an die für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer ortsübliche Vergütung iSv § 612 II, um individuelle Lohnbemessungsmerkmale (etwa eine Unterqualifikation infolge unzureichender Ausbildung oder individueller Eignungsbeschränkungen) und regionale Unterschiede im Lohnniveau angemessen berücksichtigen zu können. Gegen eine ausschließliche oder vorzugsweise Anknüpfung an den Tariflohn spricht nicht zuletzt, dass die Tariflöhne in manchen Branchen oder Regionen selbst bisweilen sehr niedrig sind. Ein Missverhältnis nimmt die Rechtspraxis teilw an, wenn der vereinbarte Lohn 20–30 % des Vergleichslohnes unterschreitet (vgl etwa BGHSt 43, 54; LAG Berlin AuR 1998, 468; Peter AuR 1999, 289, 293; Reinecke NZA 2000 Beilage zu Heft 3, S 23; verneinend bei 70 % aber BAG EzA Nr 29; s aber auch BAG NZA 2006, 1354, 1356: Sittenwidirigkeit einer Entgeltvereinbarung für angestellte Lehrer an Privatschulen bei entspr landesrechtlicher Regelung, wenn das Entgelt 75 % der Vergütung einer Lehrkraft im öffentlichen Dienst unterschreitet). Letztlich wird es auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles (zB auch auf die absolute Höhe des vereinbarten Lohnes und auf die Produktivität der konkreten Arbeitsleistung im Beschäftigungsunternehmen) ankommen (Hanau EWiR 2002, 420). Lohnwucher kann auch bei Vereinbarung eines überhöhten Entgelts gegeben sein (BAG AP Nr 1 und 30). – Bei einem auffälligen Missverhältnis bei der Bemessung des Arbeitslohnes kann auch nach § 138 I Sittenwidrigkeit gegeben sein, wenn in der Vertragsregelung eine verwerfliche Gesinnung verwirklicht wird. Die bloße Unterschreitung des Tariflohnes (BAG AP § 138 Nr 30 m krit Anm Konzen) oder des marktüblichen Lohnes um einen bestimmten Prozentsatz reicht allein für einen Sittenverstoß weder bei § 138 I noch bei § 138 II aus (Pal/Ellenberger Rn 79). Von Bedeutung mag dabei im Einzelfall sein können, ob das Entgelt trotz angemessener Arbeitsleistung für den Unterhalt der Familie nicht ausreicht („Hungerlohn“; BAG AP Nr 30; bedenklich, wenn nach den Marktverhältnissen, etwa wegen der begrenzten individuellen Leistungskraft des Arbeitnehmers, ein höherer Lohn nicht in Betracht kommt) oder wenn der Lohn außer Verhältnis zum wirtschaftlichen Wert der Arbeit steht. Die individuellen Voraussetzungen, die neben dem Vorliegen eines Missverhältnisses für Sittenwidrigkeit iSv § 138 I oder II vorliegen müssen, werden sich letztlich schwerlich feststellen

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§ 138

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

lassen, wenn die Produktivität des konkreten Beschäftigten in seinem Unternehmen keine höhere Vergütung erlaubt. Insgesamt dürfte § 138 deshalb kein geeignetes Mittel sein, um generell in einer Branche, einer Region oder einem Unternehmen zu niedrige Löhne zu verhindern. Nicht ohne weiteres zu beanstanden sind Kombinationen einer angemessenen Festvergütung mit erfolgsabhängigen Vergütungselementen; bedenklich ist allerdings ein Dienstvertrag eines Geschäftsführers einer GmbH, der als Vergütung nur eine Tantieme vorsieht (KG GmbHR 1996, 613). Nicht mit den guten Sitten vereinbar ist es, die Vergütungspflicht für eine Probezeit von zwei Wochen vom endgültigen Abschluss eines Arbeitsvertrags abhängig zu machen (LAG Köln AuR 1999, 461). Sittenwidrig können auch Vertragsregelungen sein, die ohne wirtschaftlichen Ausgleich Arbeitgeberrisiken auf den Arbeitnehmer verlagern. Die Grenzen sind vielfach umstr (vgl für Einzelheiten Staud/Sack Rn 390–393 mwN). Bsp für Sittenwidrigkeit: Abhängigkeit des Entgelts von einem schwer erreichbaren Mindesterfolg (LAG Hamm ZIP 1990, 880; vgl auch LAG Hamm BB 1980, 105f); Verlustbeteiligung ohne Gegenleistung (BAG NJW 1991, 860); Mankoabrede ohne wirtschaftlichen Ausgleich (BAG NJW 1974, 1155; Bleistein DB 1971, 2213); Delkrederehaftung bei unzureichender Provision (LG Heidelberg BB 1958, 7); ein Vergütungsausschluss bei Ausschussarbeit (Sack RdA 75, 171); Verpflichtung des Arbeitnehmers zum Ersatz von Unfallschäden ohne Vereinbarung einer angemessenen Gegenleistung (ArbG Marburg BB 1969, 1479); Verpflichtung zur Weiterzahlung von Leasingraten für einen zur Privatnutzung überlassenen Dienstwagen nach Ende des Arbeitsverhältnisses und Rückgabe des Fahrzeuges (BAG NJW 2004, 1754). Nichtig ist der vertragliche Ausschluss des Kündigungsrechts einer Minderjährigen auf die Dauer von zwei Jahren, wenn der Bindung an den Arbeitsvertrag kein Äquivalent gegenübersteht (LAG Berlin AP Nr 23), ebenso ein Lohnverzicht für den Fall einer Kündigung des Arbeitsvertrags. Große Bedeutung hat § 138 in der Praxis für die Überprüfung der Wirksamkeit von einseitigen Rechtsgeschäften und rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen des Arbeitgebers, insb von Kündigungen und betrieblichen Weisungen. Allerdings kann vielfach schon die vorrangige Prüfung der Unangemessenheit gem § 242 (Bsp: eingehend BAG NJW 2001, 2994 mwN – Kündigung zur Unzeit; 2002, 532, 534f) oder – neuerdings – gem §§ 307ff und/oder die Anwendung des AGG dazu führen, dass eine Kündigung oÄ als unwirksam bewertet wird. Der einzelvertragliche Ausschluss einer ordentlichen Kündigung ist aber – auch für längere Zeit – zulässig und nicht von vornherein sittenwidrig (BAG AP § 138 Nr 60). Zur Anwendung des § 138 auf die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses vgl schon Rn 5; praktische Bedeutung hat § 138 vor allem, soweit das KSchG nicht anwendbar ist und die Angemessenheitskontrolle nach §§ 242, 307ff und/oder die Anwendung des AGG nicht greifen. Das BVerfG weist § 138 – gemeinsam mit den übrigen zivilrechtlichen Generalklauseln – insb die Funktion des durch Art 12 I GG gebotenen Mindestschutzes für Arbeitnehmer zu, soweit die gesetzlichen Kündigungsschutzregelungen keinen hinreichenden Schutz bieten (BVerfG NJW 1998, 1475; zur Beweislast insoweit BAG NJW 2002, 532 mwN). Zu § 138 bei einer Kündigung wegen einer AIDS-Erkrankung BAG AP Nr 46 (zust Kramer); LAG Düsseldorf NZA 1988, 658. – Die Rspr des BVerfG zur Bedeutung der strukturellen Unterlegenheit einer Vertragsseite zB für die Wirksamkeit von Bürgschaftsverträgen (vgl Rn 90 „Bürgschaft“) und von Eheverträgen (Rn 100 – „Ehe und Familie“) hat in der Lit zu Erörterungen über eine entspr Anwendbarkeit auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge geführt (Bauer/ Diller DB 1995, 1810; Bengelsdorff BB 1995, 978; Dieterich RdA 95, 129; Lorenz JZ 1997, 277, 281; Zwanziger DB 1994, 982); das BAG verneint für den Regelfall zutr eine zur Sittenwidrigkeit führende Lage, weil der Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag mit einem schlichten „nein“ ablehnen könne (BAG NJW 1996, 2593; vgl auch BAG DB 1994, 279). – Ein zurückdatierter Aufhebungsvertrag soll grds auch dann nicht gegen die guten Sitten verstoßen, wenn die Rückdatierung ein Ruhen des Arbeitslosengeldes nach § 117 AFG aF – jetzt §§ 143ff SGB III – verhindern will (Bauer, Arbeitsrechtl Aufhebungsverträge, 8. Aufl 2007 Rn 210f; Schaub/Linck; Arbeitsrechtshdb, 13. Aufl 2009, § 122 Rn 16; LAGE BW § 611 BGB Aufhebungsvertrag; vgl auch Bauer EWiR 1997, 344 zu BAG ZIP 1997, 603); ähnlich LAG Berlin NZA-RR 2000, 460 für eine Vereinbarung, die möglicherweise einen Subventionsbetrug enthält); nach den unter Rn 84 „Benachteiligung der Allgemeinheit“ dargestellten Gesichtspunkten erscheint das zumindest dann nicht unbedenklich, wenn die Erhaltung oder Verschaffung einer Berechtigung auf öffentliche soziale Leistungen wesentliches Ziel der Vertragsgestaltung ist (Bsp LAG Hamm BB 1998, 541). Hinzunehmen und nicht sittenwidrig ist es allerdings, wenn anstelle einer möglicherweise berechtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsgebers eine Aufhebung des Arbeitsvertrags vereinbart wird und daraus letztlich als Nebenwirkung auch Ansprüche auf öffentliche soziale Leistungen entstehen (LAG Niedersachsen NZA-RR 2005, 415; vgl auch den besonders gelagerten Sachverhalt in BAG ZIP 1999, 1572). – Sittenwidrig sind Zusagen des Arbeitgebers über die Erstattung von etwaigen Geldbußen wegen Überschreitung der zulässigen Lenkzeiten im Güterfernverkehr (BAG NJW 2001, 1962; LAG Hamm NJW 1991, 861; Holly/Friedhofen NZA 1992, 145, 148ff, 153; vgl hierzu auch § 134 Rn 94). Zur Sittenwidrigkeit bei einem den angerichteten Schaden wesentlich überschreitenden notariellen Schuldanerkenntnis eines Auszubildenden nach einem Diebstahl im Betrieb: Düsseldorf NZA-RR 1999, 397; zur Vereinbarkeit eines Schuldanerkenntnisses wegen der Folgen einer strafbaren Handlung mit den guten Sitten vgl zu Rn 173 – „Straftat“. – Vgl auch zu Rn 69 „Abwerbung“, Rn 186 „Unterricht pp“ sowie Rn 196 „Wettbewerbsverbote und ähnliche Klauseln“. 77

P Zu Rechtsgeschäften, die bei einem Arzt, Zahnarzt, Tierarzt oder einem Angehörigen eines anderen Heilberufs mit der Berufstätigkeit im Zusammenhang stehen, insb auch zur Bedeutung des Standesrechts, vgl Rn 86 „Berufsrecht“). In vorformulierten Honorarvereinbarungen dieser Berufe werden unangemessene Bestimmungen vielfach schon nach dem AGB-Recht unwirksam sein (vgl das Bsp BGH NJW 1998, 1786ff); § 138 I wird daneben nur ausnahmsweise Bedeutung haben. – Sitten-

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Willenserklärung

§ 138

widrig sein kann eine Skontoabrede zw Zahnarzt und Zahntechniker bei ungekürzter Abrechnung im Verhältnis Zahnarzt/Patient (Frankfurt NJW-RR 2001, 1634). Zur Sittenwidrigkeit einer mit einem privaten Krankenhausträger vereinbarten Vergütung Stuttgart NVersZ 2001, 221, einer Verknüpfung von Arzthonorar und Grundstücksübertragung Karlsruhe NJW 2001, 2804, zur Vereinbarkeit eines Haftungsverzichts vor einer Amputation mit den guten Sitten Saarbrücken NJW 1999, 871. Zur Sittenwidrigkeit von Vergütungsvereinbarungen für die Tätigkeit ausländischer Ärzte in Deutschland: Spickhoff NJW 2004, 1710, 1712f; von Vereinbarungen über die honorarmäßige Abwicklung wahlärztlicher Leistungen Spickhoff: NJW 2004, 1710, 1712f; von Klauseln in einem Gesellschaftsvertrag für eine ärztliche Gemeinschaftspraxis: Spickhoff NJW 2006, 1630, 1632f, jeweils mwN. P Auflassung, Übereignung. Das zur Abtretung Gesagte (Rn 67 „Abtretung“) gilt entspr. Vgl auch 78 Rn 122 „Grundstücksgeschäfte“. P

Zum Ausbildungsvertrag vgl unter Rn 76 „Arbeitsverhältnis“ und Rn 186 „Unterricht“.

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P

Auslandsbezug. § 138 gilt grds nur für Rechtsgeschäfte, die nach den Regeln des IPR deutschem 80 Recht unterliegen. Ggü ausländischem Recht können die im im Inland zur Sittenwidrigkeit entwickelten Maßstäbe nur nach Maßgabe von Art 6 EGBGB („ordre public“) durchgesetzt werden (BGH 135, 124; dazu: Ebke IPRax 1998, 263; Tonner VuR 1997, 399; vgl auch Mankowski RIW 1996, 8 mwN). Für die Sittenwidrigkeit von Rechtsgeschäften mit Auslandsbezug, die dem deutschen Recht unterliegen, insb für Verträge zu grenzüberschreitenden Leistungen oder Lieferungen, gelten zwar keine grds anderen Maßstäbe als bei reinen Inlandsgeschäften. Jedoch wirkt sich hier faktisch stärker aus, dass die (nationale) Sittenordnung auch von den innerstaatlich verbindlichen (vgl Art 25 GG) rechtlichen Grundwertungen des internationalen Rechts einschl der anerkannten internationalen Handelsbräuche und des übernationalen Rechts, insb des Rechts der EU, geprägt wird. Bei der Ausfüllung des Begriffs der guten Sitten sind diese Grundwertungen heranzuziehen. Was nach diesen Regeln erlaubt ist, kann gemeinhin im grenzüberschreitenden Verkehr nicht sittenwidrig sein, sofern nicht zusätzliche anstößige Umstände das Rechtsgeschäft im Einzelfall insgesamt sittenwidrig prägen. Ein Verstoß gegen ausländisches Recht kann insb zur Sittenwidrigkeit führen, wenn wenn seine Beachtung auch in deutschem Interesse liegt (BGH 94, 268, 270, 272; NJW 1991, 634; Fikentscher/ Waibl IPRax 1987, 86; Staud/Sack Rn 481) oder wenn das ausländische Recht auch nach den im Inland geltenden Rechts- und Sittenanschauungen als Maßstab anzuerkennen ist (BGH 94, 268, 271), etwa wegen Übereinstimmung mit grundlegenden deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen (vgl Mayer-Maly AcP 194, 105, 145; Staud/Sack Rn 481; vgl auch BGH GRUR 1980, 858) oder mit den gemeinsamen sittlich-rechtlichen Vorstellungen aller Kulturstaaten (BGH 59, 82, 85; 69, 295, 298; 94, 268, 271). Ausländische Zoll-, Ausfuhr- und Einfuhrbestimmungen können nach diesen Gesichtspunkten auch Bestandteil der Sittenordnung iSv § 138 sein (vgl auch BGH NJW 1962, 1436; VersR 1976, 678; 82, 93), soweit sie sich nicht gezielt gegen den Wirtschaftsverkehr mit Deutschland richten oder auf unsachlichen Gründen beruhen (Staud/Sack Rn 481). IÜ wird, soweit der Leistungsort für Lieferungen oder Leistungen im Ausland liegt, im Rahmen der Prüfung von § 138 angesichts der zunehmenden Globalisierung des Wirtschaftsverkehrs auch die nationale Rechts- und Sittenordnung des zuständigen Staates nicht unberücksichtigt bleiben können. – Grds nicht abzustellen ist auf ausländisches Recht, das gegen deutsche Interessen gerichtet ist oder das sich mit den Grundwertungen innerstaatlichen deutschen Rechts nicht verträgt (RG 108, 241; BGH 34, 169, 176; 69, 295, 298). Zur Wirksamkeit von Absprachen über Bestechungs- oder Schmiergelder im Rahmen von Auslandsgeschäften vgl Rn 87 „Bestechung“, Rn 151 „Schmiergeldvereinbarungen“ und Rn 152 „Schmuggel“. P Beim Automatenaufstellungsvertrag (zum Begriff BGH 47, 202) werden sich nach der heutigen 81 Rechtslage unangemessene formularmäßige Vertragsbestimmungen in der Praxis vielfach schon nach AGB-Recht ohne Anwendung von § 138 überwinden lassen. Gleichwohl bleibt für die Anwendung auch heute noch Spielraum. Ein Automatenaufstellungsvertrag ist wegen Wuchers (§ 138 II) nichtig, wenn sich der Automatenaufsteller neben einer der Vorfinanzierung dienenden „Sicherheit“ eine Mietvergütung versprechen lässt, die den Anschaffungswert des Automaten um das Doppelte übersteigt (KG NJW 1964, 1475; vgl aber BGH NJW 1979, 758). Die Sittenwidrigkeit eines Aufstellungsvertrags (§ 138 I) kann sich iÜ vor allem aus der Gesamtheit der Vertragsbestimmungen ergeben; ein Sittenverstoß kann insb vorliegen, wenn die Belastungen für den Gastwirt, in dessen Gaststätte Automaten aufgestellt werden, in ihrer Gesamtwirkung nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zu den Investitionen des Aufstellers stehen und/oder wenn die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit etwa des Wirts, in unvertretbarem Maße eingeschränkt wird; von Bedeutung können dabei zB die Laufzeit des Vertrags und/oder die Vereinbarung sehr langer Kündigungsfristen mit Verlängerungsklausel sein (vgl BGH 51, 55; NJW 1971, 1034; 1983, 159; WM 1971, 243; 1977, 112; 1982, 1354; 1983, 159; Celle WuW 1975, 609; v Olshausen/K. Schmidt, Automatenrecht, 1972, B 29ff, 53). Die ordentliche Kündigung eines laufenden Gaststättenpachtvertrags mit dem Ziel, in einem neuen Vertrag (auch) das alleinige Recht zur Automatenaufstellung zu erhalten, ist grds nicht sittenwidrig (BGH NJW 1998, 76). Zur Zulässigkeit der Verpflichtung, bei Eröffnung eines weiteren Lokals wiederum Automatenaufstellverträge mit demselben Aufsteller abzuschließen, vgl BGH NJW 1983, 159. Im Einzelfall (zB hins der Vertragsdauer) kann auch eine Vertragsanpassung nach §§ 139, 242 (vgl Rn 55) erfolgen. Zur Zulässigkeit einer Rechtsnachfolgevereinbarung vgl Düsseldorf MDR 1973, 224; zur Frage der Sittenwidrigkeit eines formularmäßig geschlossenen Automatenaufstellvertrags vgl BGH MDR 1980, 50.

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§ 138 82

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

P Bankkonto. Ein Vertrag über ein Konto bei einem Kreditinstitut (etwa Girovertrag) kann nach den AGB der Banken und Sparkassen idR ohne Begründung gekündigt werden. Bei Wahrung der vereinbarten oder einer angemessenen Frist ist auch eine vertragsgemäße, wenn auch ohne plausiblen Grund ausgesprochene Kündigung regelmäßig wirksam. Ausnahmsweise kann nach den allg Kriterien Sittenwidrigkeit in Betracht kommen, etwa wenn das Kreditinstitut eine strukturelle Machtposition in anstößiger Weise ausnutzt (Parallele zur Bürgschaft). Bei der stets erforderlichen Gesamtabwägung kann ggü der rechtsgeschäftlichen Gestaltungsfreiheit des Kreditinstituts neben beiderseitigen Interessen und den objektiven nachteiligen rechtlichen und tatsächlichen Auswirkungen für den Kontoinhaber von Bedeutung sein, ob die Kündigung verfassungsrechtlich gesicherte Rechtspositionen (etwa Art 4, Art 9 III S 2, Art 21, möglicherweise iVm Art 3 III GG) beeinträchtigt und/oder die Beweggründe der Kündigung nach verfassungsrechtlichen Grundwertungen zu missbilligen sind. Dies wird man insb anzunehmen haben, wenn Motiv für die Kündigung allein die nach Meinung des Kreditinstituts verfassungsfeindliche Politik einer extremen, aber nicht verbotenen politischen Partei ist (näher dazu Boemke NJW 2001, 43und WiB 1997, 617, 622 und Köndgen NJW 2004, 1288, 1291f sowie aus der Rspr einerseits Dresden NJW 2001, 1433 und 2002, 757; LG Leipzig NJW 2001, 80 und andererseits Brandenburg NJW 2001, 450; Köln NJW 2001, 452; AG Essen NJW-RR 1994, 1330; gegen Boemke: Eicholt NJW 2001, 1400; vgl auch LG Stuttgart NJW 1996, 3347 – Kündigung ggü Scientology). Für öffentlich-rechtl Banken und Sparkassen kommt statt § 138 I die Anwendung von § 134 iVm dem Willkürverbot des GG in Betracht (BVerfG NJW 2003, 1658f; EuGRZ 2001, 333, 334 und 335; BGH 154, 146; NJW 2004, 1031; Köndgen NJW 1996, 558, 559 und 2004, 1288; Steuer WM 1998, 439). Vgl auch Rn 96 „Darlehnsverträge“ pp.

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P

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P

Benachteiligung der Allgemeinheit/Geschäfte zulasten der Allgemeinheit. Sittenwidrig sind aus eigennützigen Gründen getroffene Vereinbarungen, die geeignet sind, zum Schutz gewichtiger Interessen der Allgemeinheit erlassenen Rechtsvorschriften durch Herabsetzung der Hemmschwelle ihre Wirksamkeit zu nehmen (Bsp: Zusage eines Arbeitgebers über die Erstattung von etwaigen Geldbußen für Verstöße des Arbeitnehmers gegen Vorschriften über Lenkzeiten im Güterkraftverkehr, BAG NJW 2001, 1962; vgl auch LAG Hamm NJW 1991, 861; Holly/Friedhofen NZA 1992, 145, 148ff, 153). Mit den guten Sitten unvereinbar sind ferner Rechtsgeschäfte, die dazu dienen, in missbilligenswerter Weise private Lasten auf die Allgemeinheit abzuwälzen (allg hierzu Guldi VwPraxBW 1996, 10). Dies gilt insb für Vermögensdispositionen (Abtretung von Forderungen oder Rechten, Übereignung von beweglichen Sachen, Auflassung von Grundstücken) mit dem prägenden Zweck, die sonst nicht oder nicht im gleichen Ausmaß gegebenen Voraussetzungen für Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln (etwa: Subventionen, Sozialhilfe und sonstige soziale öffentliche Leistungen, Wohngeld, auch Prozesskostenhilfe) zu schaffen oder Rückgriffsmöglichkeiten öffentlicher Träger von solchen Leistungen zu verkürzen (s zuletzt BGH NJW 2009, 1346, 1347); in diesem Fall erfasst die Sittenwidrigkeit gerade auch das Verfügungsgeschäft (Bsp: Stuttgart NJW 2001, 3484; Schleswig SchlHA 1998, 48; VGH Mannheim NJW 1993, 2953; OVG Münster NJW 1989, 2834; 1997, 2901; VG Gießen NJW 2000, 1515; Frank BWNotZ 1983, 153; Schwarz JZ 1997, 545). Ein Unterhaltsverzicht oder eine sonstige Unterhaltsvereinbarung ist zB jedenfalls dann sittenwidrig, wenn sie bewusst die Notwendigkeit öffentlicher sozialer Hilfe herbeiführt (vgl näher dazu Rn 100 „Ehe und Familie“). Dasselbe gilt für Aufhebungsverträge und sonstige arbeitsrechtliche Vertragsgestaltungen, die im Wesentlichen darauf angelegt sind, sonst nicht gegebene Ansprüche auf öffentliche soziale Leistungen zu begründen oder zu sichern (vgl dazu auch Rn 76 – „Arbeitsverhältnis“), und auch für die Abtretung einer str Forderung einer nicht armen Partei mit dem Ziel, sie durch den Zedenten im Wege der Prozesskostenhilfe verfolgen zu lassen (BGH LM [Ca] Nr 3a); die Prozesskostenhilfe ist in einem solchen Fall nicht wegen Rechtsmissbrauchs (BGH 47, 292), sondern schon wegen mangelnder Erfolgsaussicht zu versagen. Den guten Sitten widersprechen ferner Verfügungsgeschäfte mit dem ausschließlichen Ziel, durch Vermögensdispositionen öffentliche Pflichten (etwa Steuern, Abgaben) rechtswidrig, also jenseits zulässiger Gestaltungsmöglichkeiten, zu vermeiden oder zu vermindern. Umstr ist die Frage der Sittenwidrigkeit von letztwilligen Verfügungen, die zulasten öffentlicher Hilfe gehen (vgl näher Rn 105 „Erbrecht“). Zur Sittenwidrigkeit des Kaufvertrags über ein Radarwarngerät vgl Rn 143 – „Öffentliche Verwaltung“. – Vgl ferner Rn 85 „Benachteiligung Dritter“, Rn 114 „gerichtliches Verfahren“, Rn 125 „Insolvenzverschleppung“, Rn 159 „Sicherungsgeschäfte“ und Rn 188 – „Vergaberecht“.

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P Benachteiligung Dritter/Eingriff in Rechte Dritter/Verleiten zum Vertragsbruch. Die Privatrechtsordnung verbietet ein Verpflichtungsgeschäft nicht, dessen Inhalt mit einem anderen Verpflichtungsgeschäft einer Vertragspartei kollidiert (Bsp: Dasselbe Grundstück wird vom Verkäufer mehrfach an unterschiedliche Käufer verkauft). Ein Teilnehmer am Privatrechtsverkehr muss nicht ohne weiteres bei der Vornahme von Rechtsgeschäften die Verfolgung seiner eigenen Interessen ggü drittbezogenen schuldrechtlichen Pflichten seines Geschäftspartners zurückstellen (st Rspr, vgl BGH 12, 308, 317; NJW 1979, 1704; 1981, 2184f; 1992, 2152f; 1994, 128, 129). Selbst Verfügungsgeschäfte, mit denen in Rechte Dritter eingegriffen wird, werden vom Gesetz nicht von vornherein ausgeschlossen (gutgläubiger Erwerb, § 185). Für eine Kollision von Verpflichtungsgeschäften und auch für jede andere Verletzung privater Pflichten enthält das Gesetz eigene Regelungen. Schlichte Pflichtwidrigkeiten eines Geschäftsbeteiligten und die objektive Mitwirkung eines Geschäftspartners daran verdienen deshalb das qualifizierte Unwerturteil der Sittenwidrigkeit nicht; Sittenwidrigkeit verlangt ein höheres Maß an Anstößigkeit. Deshalb sind Rechtsgeschäfte, deren Vollzug i Erg bei mindestens einem Beteiligten zu einem Konflikt mit anderen privatrechtlichen Pflichten führen würde, nicht ohne weiteres sittenwidrig; es müssen besondere anstößige Umstände hinzukommen (BGH NJW 1981,

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Zum sog „Behindertentestament“ vgl unter Rn 105 „Erbrecht“.

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Willenserklärung

§ 138

2183f; 1992, 2152f; 1994, 128, 129). Erst recht ist es nicht sittenwidrig, durch Rechtsgeschäft einseitig auf eine im Gesetz vorgesehene Weise einen Vertrag ordnungsgemäß zu beenden (Bsp: Kündigung eines Miet-/Pachtvertrags), um einen günstigeren Anschlussvertrag zu ermöglichen und durch die Vertragsbeendigung mittelbar auch auf Pflichten des anderen Teils ggü Dritten einzuwirken (Bsp: Ein Untermietvertrag, ein Automatenaufstellvertrag oder eine Bezugsverpflichtung für das Miet-/ Pachtobjekt laufen mit der Kündigung des Hauptmietvertrags aus; vgl BGH NJW 1998, 76 für Kündigung eines Gaststättenpachtvertrags). Sittenwidrigkeit kann in Betracht kommen, wenn ein Rechtsgeschäft – bezogen auf privatrechtliche Pflichten mindestens eines Partners – eine Pflichtverletzung ggü einem Dritten zum Inhalt hat (Bsp: Ein Beteiligter wird, möglicherweise mit einer Vertragsstrafe bewehrt, zur Verletzung von Vertragspflichten ggü einem Dritten verpflichtet). Dieser Fall ist in der Praxis selten. Praktisch häufiger sind Sachverhalte, in denen die Beteiligten mit einem inhaltlich zumeist neutralen Rechtsgeschäft gemeinsam in anstößiger Weise (durch kollusives Zusammenwirken) auf eine Beeinträchtigung von Rechten oder schuldrechtlichen Ansprüchen Dritter abzielen (BGH 60, 102, 104ff; NJW 1981, 2184f; 1988, 902). Hier steht im Vordergrund der Sittenwidrigkeit die für den Dritten nachteilige Zweckverfolgung durch bewusstes Zusammenwirken der Geschäftspartner (Bsp: Mit dem Rechtsgeschäft soll, häufig unter Täuschung des Dritten, ein Vorkaufsrecht, ein Wiederkaufsrecht, eine schuldrechtliche Nutzungsberechtigung des Dritten, ein Vermächtnis, ein Vollziehungsanspruch gem § 2194, eine Kostenerstattungspflicht gem §§ 91ff ZPO, die Weitergabe einer Skontoermäßigung ausgeschaltet werden; vgl BGH NJW 1964, 540; WM 1970, 321, 1318; NJW-RR 2005, 1534 – Vorkaufsrecht; für einen anderen Weg – analoge Anwendung von § 162 I – insoweit BGH NJW 1992, 236; vgl zum Eingriff in ein fremdes Vorkaufsrecht auch München NJW-RR 1999, 1314; BGH NJW 1985, 2953 mwN – Wiederverkaufsrecht; BGH 84, 91, 95 – Untermietvertrag; BGH NJW 1992, 2152 – Vermächtnis; BGH 121, 357, 366 – Vollziehungsanspruch gem § 2194; BGH 60, 102, 104f; BGH NJW 1988, 902f, sowie – zu § 826 – BGH NJW-RR 1999, 1186 und München NZM 1999, 797 – Vereitelung schuldrechtlicher Ansprüche; BGH NJW-RR 2009, 1207, 1208 – Missbrauch des Lastschriftverfahrens zur risikolosen Kreditgewährung an den Lastschriftgläubiger unter Abwälzung des Kreditrisikos auf die Gläubigerbank; Düsseldorf NJW-RR 2001, 1025 – Abtretung, um Aufrechnung mit Gegenansprüchen aus demselben Geschäft zu vereiteln oder zu erschweren; Karlsruhe NJW-RR 1995, 1310 – kollusives Zusammenwirken bei der Übernahme eines Handelsgeschäfts zur Ausschaltung der Haftung gem § 25 HGB; BGH NJW 1980, 991 und MDR 1959, 999 – Kostenerstattungspflicht gem §§ 91ff ZPO; Frankfurt NJW-RR 2001, 1634 – Nichtweitergabe einer Skontoermäßigung; vgl auch Düsseldorf NJWRR 1996, 270 – Vereitelung von zukünftigen Rechten des Erstehers aus § 93 ZVG nicht sittenwidrig). Vgl auch zur Kollusion zulasten einer Haftpflichtversicherung bei einem gerichtlichen Geständnis Düsseldorf NJW-RR 1998, 606 und Karlsruhe ZfS 1998, 59. Sittenwidrige Kollusion bei der Vertragsanbahnung und/oder beim Vertragsschluss kommt in Betracht, wenn die eine Seite mit einem (gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen) Vertreter, Mitarbeiter, oder sonstigen (auch freiberuflichen) Sachwalter (etwa Handelsvertreter, Versicherungsagent) oder Berater (etwa Anwalt, Architekt, Baubetreuer, Makler, Steuerberater) der anderen Seite zu deren Nachteil in anstößiger Weise zusammenwirkt. Ob und wann ein Zusammenwirken dieser Art anstößig ist, lässt sich nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände beurteilen. IdR wird der Vertreter pp/Sachwalter/Berater durch sein Verhalten interne Pflichten verletzen, sei es durch inhaltlich pflichtwidrige Aufgabenwahrnehmung, sei es durch Annahme von Vorteilen, von denen der Vertragspartner selbst nichts erfahren soll; ein solcher Vorteil kann auch in einer – als solche unbedenklichen – Provision oder sonstigen Vergütung für das angebahnte Geschäft liegen, die dem Vertragspartner verheimlicht wird. Häufig werden bei kollusiven Geschäften Vorteile für den Sachwalter mit erstrebten oder in Kauf genommenen Nachteilen für den Vertragspartner verbunden, etwa mit der Unterdrückung wichtiger Informationen (Bsp, zT aus Entscheidungen zu § 826: BGH NJW-RR 1989, 642 – kollusives Zusammenwirken mit Testamentsvollstrecker zum Nachteil des Nachlasses; BGH NJW 1994, 2357 – kollusives Zusammenwirken eines Bankangestellten mit dem Gutschriftempfänger bei der Ausführung eines gefälschten Überweisungsauftrags; Frankfurt ZIP 2003, 1192 – kollusives Zusammenwirken eines Bankangestellten mit dem Verkäufer einer kreditfinanzierten Wohnung; BGH NJW-RR 1996, 869 – kollusives Zusammenwirken eines Gesellschafters mit dem Käufer eines Miteigentumsanteils zum Nachteil der Gesellschaft; BGH NJW-RR 2004, 247 – kollusives Zusammenwirken der Geschäftsführer von zwei Gesellschaften zum Nachteil mindestens einer Gesellschaft bei der Erfüllung gegenseitiger Vertragspflichten; BGH BauR 2004, 337 – kollusives Zusammenwirken eines Angestellten einer Vertragsseite mit der anderen Vertragsseite zum Nachteil seines Geschäftsherrn bei der Abwicklung eines Werkvertrags; BGH 84, 91, 95 – einvernehmliche Beendigung einer an sich noch länger laufenden Gaststättenpacht, um einem vom Pächter geschlossenen Automatenaufstellvertrag die Grundlage zu entziehen; BGH NJW 2000, 2896 – Absprache über Erteilung einer fingierten Rechnung zw einem Mitarbeiter des Geschädigten und dem Schädiger; BAG NJW 1997, 1940 – kollusives Zusammenwirken des geschäftsführenden Gesellschafters mit einer Angestellten bei einem Aufhebungsvertrag zum Nachteil der Gesellschaft). Der Nachteil für den Vertragspartner muss aber nicht notwendig in einer für ihn letztlich ungünstigen Vertragsgestaltung oder in einer Vermögensgefährdung liegen, wie die unten dargestellten Fälle der Schmiergeldzahlung zeigen. Es genügt, dass der Vertragspartner durch die Kollusion von einer von ihm selbst beteiligten Person hintergangen und dass zugleich auf diese Weise in seinen inneren Entscheidungsprozess eingegriffen wird. Schmiergeldzahlungen und ähnliche Vorgänge (vgl dazu auch Rn 80 „Ausländisches Recht“ und Rn 87 „Bestechung“) sind besonders ausgeprägte Formen des kollusiven Zusammenwirkens. Sie können Gegenstand eines dem abzuschließenden Hauptgeschäft vorgelagerten selbständigen H. Palm/A. Arnold

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§ 138

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

Rechtsgeschäfts (Vereinbarung der Schmiergeldzahlung, nicht selten in einer verdeckten Form, etwa einer Provision) sein. Gewöhnlich beziehen sie sich nicht auf das aE stehende Rechtsgeschäft selbst, sondern auf den vorausgehenden Entscheidungsprozess beim Vertragspartner, der günstig im Sinne eines Abschlusses oder einer bestimmten Gestaltung des Hauptgeschäfts beeinflusst werden soll. Das Anstößige liegt in dem Einsatz personenbezogener Zuwendungen mit dem Ziel, den internen Vorgang der Vertragsentscheidung des Geschäftspartners von außen zum eigenen Vorteil zu beeinflussen. Es wird dabei in Kauf genommen, dass die begünstigte Person einen Vorteil dieser Art im Innenverhältnis zum Vertragspartner gar nicht annehmen darf oder ihn pflichtwidrig nicht offen legen wird und dass die interne Vertragsentscheidung statt von normalen Sachkriterien von zuwendungsbedingtem Wohlwollen bestimmt wird. Die Vereinbarung einer solchen Zahlung oder eines vergleichbaren anderen Vorteils selbst ist zweifelsfrei wegen Sittenwidrigkeit nichtig (soweit nicht schon § 134 iVm §§ 299ff StGB eingreift; vgl dazu Sethe WM 1998, 2309, 2310ff), wenn der Versprechende weiß oder in Kauf nimmt, dass der zukünftige Vertragspartner von ihr nichts erfahren soll (st Rspr, vgl BGH NJW 1962, 1099 – Schmiergeld für Vertreter des Geschäftsherrn; BGH WM 1976, 1306 – Honorarabrede zw einem Bankkunden und dem Mitarbeiter einer Bank; BGH NJW 1973, 363 – Schmiergeld für Vermittlungsvertreter; BGH 78, 263, 268 sowie BGH 95, 81, 85 – nicht offen gelegte Provisionsabrede mit Steuerberater für Gewinnung von Vermögensanlegern; BGH 114, 87, 91ff – nicht offen gelegte Provisionsabrede mit Baubetreuer; Düsseldorf BauR 1997, 122 – Schmiergeldzahlungen durch Geschäftsführer einer GmbH mit dem Ziel, Bauaufträge zu beschaffen; weitere Bsp: BGH 76, 1306; NJWRR 1987, 42; 1990, 443; NJW 2001, 1065; Düsseldorf MDR 1998, 1283; Köln NJW-RR 1998, 1431; Hamburg MDR 1970, 47; Hamm ZIP 1993, 468; Köln NJW-RR 1988, 144; Stuttgart NJW 1985, 1401; Sethe WM 1998, 2309, 2312f), und wenn sie nicht schon von §§ 134, 299ff iVm §§ 331ff StGB oder erfasst wird (vgl § 134 Rn 94); ob zugleich Nachteile für den Geschäftsgegner erstrebt oder in Kauf genommen werden, ist unerheblich. Im Prinzip wird das Gesagte auch für Auslandsgeschäfte gelten müssen, soweit sie nicht ohnehin von § 134 iVm §§ 299ff StGB erfasst werden. Die mit dem Angestellten eines ausländischen Geschäftspartners getroffene Schmiergeldabrede mag zwar im Einzelfall wirksam sein können (Düsseldorf NJW 1974, 417); dies wird indes letztlich davon abhängen, ob die jeweilige Rechts- und Sittenordnung und die auf dem ausländischen Markt herrschenden Auffassungen Schmiergeldabreden dieser Art missbilligen oder nicht (vgl auch BGH NJW 1968, 1572 sowie Rn 80 „Auslandsbezug“ und Rn 87 – „Bestechung“). Allg zur Problematik bei grenzüberschreitenden Geschäften: Pieth/Eigen, Korruption im Internationalen Geschäftsverkehr, 1999; Sethe WM 1998, 2309, 2322ff; Zieschang NJW 1999, 105ff. Fraglich ist, ob nicht nur das Schmiergeldgeschäft, sondern auch das im Gefolge eines kollusiven Zusammenwirkens – etwa einer Bestechung/Schmiergeldzahlung – vorgenommene Hauptrechtsgeschäft sittenwidrig und damit nichtig ist (eingehend dazu Sethe WM 1998, 2309, 2313ff mwN). Das wird in der Rspr zumeist bejaht (BGH NJW 1989, 26 im Anschluss an RG 136, 359f; NJW 2000, 511; Köln NJW-RR 1992, 624; zurückhaltender BGH 141, 357, 363f; vgl ferner BGH NJW 2001, 1065 und Hamm NJW-RR 1997, 737; Pal/Ellenberger Rn 63). Eine Ausnahme soll gelten, wenn sich positiv feststellen lässt, dass die Vorteilsgewährung auf das Rechtsgeschäft keinen Einfluss gehabt haben kann (BGH NJW-RR 1990, 443); in der Praxis wird eine solche Feststellung zumeist nicht möglich sein. Naheliegend ist der (allerdings mit der strikten Rechtsfolge des § 138 schwer vereinbaren) Gedanke, dass in solchen Fällen dem hintergangenen Geschäftspartner analog § 177 die Möglichkeit gegeben werden sollte, das Geschäft gelten zu lassen (vgl Staud/Sack Rn 473; Pal/Ellenberger Rn 63; krit dazu Sethe WM 1998, 2309, 2313ff mwN). Im Einzelfall ist § 177 ohnehin anwendbar, wenn nämlich der Bestochene als Vertreter des Geschäftsherrn seine Vertretungsmacht missbraucht und deshalb ohne Vertretungsmacht gehandelt hat (vgl BGH 141, 357, 363f). Zur Pflicht, Schmiergelder herauszugeben, vgl BGH NJW 2001, 2476. Zur Sittenwidrigkeit kann es schließlich auch führen, wenn – ohne kollusives Zusammenwirken – ein Beteiligter im Zusammenhang mit einem Rechtsgeschäft um des eigenen Vorteils willen eine Verletzung wichtiger Pflichten des anderen Teils ggü einem Dritten in anstößiger Weise veranlasst, fördert oder ausnutzt (anstößige Mittel-Zweck-Relation; „Verleiten zum Vertragsbruch“). Das Schwergewicht des anstößigen Verhaltens liegt hier – anders als bei der Kollusion – auf einer Seite; die Drittbenachteiligung ist meist nicht Zweck, sondern nur in Kauf genommene Folge des Rechtsgeschäfts; die Grenzen zur Kollusion sind aber fließend. Anstößig handelt insb, wer seinen eigenen Vorteil rücksichtslos, ohne Respekt vor den berechtigten Interessen anderer und illoyal ggü den Grundanforderungen der Rechtsordnung verfolgt (BGH NJW 1981, 2185f); das kann etwa geschehen durch Versprechen von Vorteilen, durch Ankündigung von Nachteilen oder durch Ausnutzen einer ungünstigen Lage des Vertragspartners. Dessen Pflichtverletzung muss nicht Ziel des Handelns sein; es genügt, wenn sie billigend in Kauf genommen wird. Bsp: Versprechen der Freistellung von Ersatzpflichten durch einen Käufer ggü dem Verkäufer bei Doppelverkauf eines Grundstücks (BGH 60, 102, 104f; NJW 1981, 2184f – zu § 826); Versprechen einer überhöhten Gegenleistung mit dem Ziel, den/die Empfänger zur Verletzung vertraglicher Pflichten als Miteigentümer zugunsten eines Dritten zu veranlassen (BGH NJW-RR 1999, 1186); zeitlich unbegrenzte Reservierungsvereinbarung eines Grundstücksmaklers mit einem Kaufinteressenten im Widerspruch zu Pflichten des Maklers ggü dem Eigentümer (BGH 103, 241); Hinwirken auf das Sistieren von Aufträgen (BGH NJW-RR 1994, 728); Benachteiligung des Wechsel-Ausstellers durch die diskontierende Bank im Wechsel/Scheckverfahren (Hamm NJW-RR 1995, 617); Einwirken zur Veranlassung eines Steuerberaterwechsels (Stuttgart NJW-RR 1997, 362); Überlassung eines Kontos zur Überweisung von veruntreuten Fremdgeldern (Düsseldorf NJW-RR 1998, 1717); Kündigung eines Kredits durch eine Bank unter bewusster und gewollter Ausnutzung ihrer dominierenden Stellung zulasten von Mitgläubigern des Schuldners (Köln 364

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Willenserklärung

§ 138

ZIP 2000, 742). Hierher gehören auch die Gläubigerbenachteiligung und die Gläubigertäuschung sowie der sittenwidrige Eingriff in einen verlängerten Eigentumsvorbehalt bei Sicherungsgeschäften (vgl Rn 159 „Sicherungsgeschäfte“) und in sonstigen Fällen (vgl Rn 117 „Gläubigerbenachteiligung“). Zur Schädigung Dritter durch verbotene Absprachen bei Ausschreibungen Rn 89 „Bietungsabkommen“. P Die im Berufsrecht (früher Standesrecht) – vor allem der sog freien Berufe (Bsp: Apotheker, Ar- 86 chitekt, Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer) – und im berufsbezogenen Strafrecht (etwa § 203 StGB) enthaltenen gesetzlichen Verbote führen primär zur Anwendung von § 134 (vgl § 134 Rn 41 „Architekt“, Rn 24 „Apotheker“, Rn 43 „Arzt“, Rn 80 „Patentanwalt“, Rn 84 „Rechtsanwalt“, Rn 92 „Steuerberater“). Die Frage, ob einem Freiberufler untersagt ist, durch Rechtsgeschäft eine berufsfremde Tätigkeit (Bsp: Architekt oder Rechtsanwalt als Makler) zu übernehmen, ist ebenfalls in erster Linie durch Auslegung des Berufsrechts als Verbotsgesetz und nicht über § 138 zu beantworten. Praktische Bedeutung hat § 138 im Berufsrecht vornehmlich dort, wo ein gesetzliches Verbot fehlt. Dabei ist zu beachten, dass die Berufsausübung wirksam nur durch oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden kann (Art 12 I S 2 GG). Das sog interne, also nicht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erlassene Standesrecht bestimmt deshalb als solches auch den Inhalt der rechtlich geschützten allg Sittenordnung nicht (mehr), soweit es weder an rechtssatzmäßige Regelungen des Berufsrechts anknüpft noch eine allg Rechtsüberzeugung wiedergibt (vgl dazu die bei § 134 Rn 50 „berufsständische Satzungen“ mitgeteilte Rspr des BVerfG). Auch deshalb ist nicht jedes standeswidrige Rechtsgeschäft sittenwidrig (BGH 39, 142, 148; 60, 28, 33; 78, 263, 267; NJW 1967, 873; 1980, 2407; 1999, 2360f; 2000, 3067; NJW-RR 1989, 1385; WM 1990, 1250; 1995, 1064; Sack WRP 1985, 1, 7; Taupitz NJW 1989, 2871). Bei der Anwendung von § 138 in diesem Bereich ist darauf zu achten, dass die Wahrung standesrechtlich verfestigter Interessen eines bestimmten Berufsstandes nicht notwendig in dem durch die Sittenordnung zu schützenden Allgemeininteresse liegt. Sittenwidrigkeit kommt vor allem in Betracht, wo ein auf die berufliche Tätigkeit bezogenes Rechtsgeschäft geeignet ist, gewichtige, durch die Rechts- und Sittenordnung insgesamt anerkannte und abgesicherte Allgemeininteressen zu beeinträchtigen oder zu gefährden. Das ist insb bei Rechtsgeschäften zu bejahen, die unmittelbar oder mittelbar in die sachliche Unabhängigkeit und die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung des Freiberuflers oder in andere allg anerkannte Grundelemente der freiberuflichen Tätigkeit, etwa in das Ansehen und die Vertrauenswürdigkeit des Berufsstandes im Allg, eingreifen (vgl § 134 Rn 50 „berufsständische Satzungen“ und oben Rn 75 „Apotheke“; ferner aus der Judikatur: BGH NJW 1965, 2005 – Arzt; 1987, 3203; 1992, 682; 1996, 2500; NJW-RR 1990, 948; Frankfurt NJW 1990, 2131 – Rechtsanwalt; NJW 2000, 1797 – Bindung eines Zuschusses zur Errichtung einer Arztpraxis daran, dass der Arzt sich verpflichtet, für eine im gleichen Haus gelegene neue Apotheke durch seine Verschreibungen einen bestimmten Kassenrezeptumsatz zu sichern; BGH NJW 1996, 1956 – Steuerberater; Nürnberg MDR 1988, 861 – Zahnarzt). Verträge über eine mehr oder weniger weitgehende Zusammenarbeit mit anderen Freiberuflern sind nicht zu beanstanden, wenn die vereinbarte Zusammenarbeit nicht weitergeht als ein nach dem Berufsrecht erlaubter vollständiger Zusammenschluss etwa zu einer Sozietät, Gemeinschaftspraxis, Bürogemeinschaft oÄ (Frankfurt NJW-RR 1995, 372 – Bürogemeinschaft Anwalt/Notar/Steuerberater mit Vergütungsregelung für vermittelte Mandanten). Auch eine mehrjährige Vertragsbindung verstößt nicht ohne weiteres gegen die guten Sitten (vgl BGH NJW 1995, 1425, 1430 – fünfjähriger Beratervertrag zw RA mit Kanzlei im alten Bundesgebiet und Unternehmen im Beitrittsgebiet). In der Vergangenheit ist vielfach geprüft worden, ob sich Vergütungsvereinbarungen von Angehörigen freier Berufe im Rahmen der Sittenordnung halten. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Vereinbarung über die Vergütung für eine freiberufliche Tätigkeit zulässig oder verboten ist, muss nach heutigem Verständnis indes in erster Linie nach § 134 iVm den durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes getroffenen einschlägigen Gebührenregelungen (etwa RVG, GOÄ, GOZ; HOAI usw) beurteilt werden. Fehlt eine zwingende Regelung dieser Art, dann gilt grds Vertragsfreiheit. Für § 138 bleibt vor allem die Funktion, den Vertragspartner des Freiberuflers vor Gebührenvereinbarungen zu schützen, die zu einer anstößigen Übervorteilung (Bsp: BGH NJW 1980, 445; 1997, 2388 – verneinend) oder zu einer nicht hinnehmbaren Fremdbestimmung führen. Je nach den Umständen des Einzelfalles kann § 138 auch eine Vergütungsvereinbarung erfassen, die mit rechtlich ausgeformten Grundwertungen des jeweiligen Berufsrechts, insb mit den Grundprinzipien der Eigenverantwortlichkeit und rein sachbezogenen Wahrnehmung der berufsspezifischen Aufgaben, nicht im Einklang steht; darunter fällt es, wenn für die Gewinnung von Mandanten/Patienten eine Provision oder ein sonstiger Vorteil versprochen wird (Bsp: BGH NJW 1965, 2005 – Arzt; 1980, 2407 – Provision für die Vermittlung von Anwaltsmandanten; 1996, 2499 – RA als Abwickler einer AG; NJW 1985, 2523 und NJW-RR 1987, 1108 – Provision für die Vermittlung einer Vermögensanlage durch Steuerberater; NJW 1996, 1954, 1957 – verschleierte Vermittlungsprovision für Steuerberater entgegen § 9 StBerG; vgl dazu auch umgekehrt BGH 78, 263 zum Provisionsanspruch eines Steuerberaters für Vermittlung von Kunden an einen Baubetreuer; vgl auch Sittenwidrigkeit bejahend KG NJW 1989, 2893 und dazu i Erg zust, in der Begr abl Taupitz NJW 1989, 2371 – Provisionsvereinbarung eines Rechtsanwalts mit einem Nichtanwalt für die Vermittlung von Mandanten; Frankfurt NJW 1990, 2131 – Rechtsanwalt als Hausverwalter und Makler für Handwerkerleistungen; Hamm NJW 1985, 679 – entgeltliche Vermittlung von Arztpatienten; verneinend: Frankfurt NJW-RR 1995, 373 – Vergütungsregelung im Rahmen einer gemischten Bürogemeinschaft Notar/Rechtsanwalt/Steuerberater). Hingegen ist, wo nach dem Gesetz Spielräume für Vergütungsvereinbarungen bestehen, § 138 kein geeignetes und zulässiges Mittel zur Steuerung und Regulierung der Vergütung und damit zugleich des Preiswettbewerbs zw Freiberuflern etwa nach Mindestsätzen oder sonstigen Maßstäben, die nicht durch Gesetz oder auf-

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§ 138

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

grund eines Gesetzes festgelegt, sondern – von Kammern oder Verbänden – berufsintern entwickelt worden sind. § 138 baut auf der allg, nicht auf einer berufsständischen Sittenordnung auf; StandesRL können insoweit nur Auslegungshilfen zur Beurteilung von Honorarvereinbarungen unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit sein (BGH NJW 1995, 1425, 1427 mit eingehender Darstellung der früheren Rspr – Rechtsanwalt). Sittenwidrig sein kann ein zeitlich überzogener Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung in einer Praxisgemeinschaft/Sozietät von Freiberuflern (Einzelheiten vgl zu Rn 115 – „Gesellschaftsrecht“). Zum Wettbewerbsverhalten des Freiberuflers gelten die durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erlassenen rechtssatzmäßigen Verhaltensvorschriften (zu deren Inhalt und Auslegung vgl § 134 Rn 50 „berufsständische Satzungen“ sowie Papier/Netz NJW 1994, 1543 und Ring NJW 1997, 768 und AnwBl 1998, 57) und iÜ die allg Maßstäbe redlichen Verhaltens (vgl zu Rn 184 „unlauterer Wettbewerb“): Bei der rechtlichen Bewertung des Wettbewerbsverhaltens ist davon auszugehen, dass Konkurrentenschutz und Schutz vor Umsatzverlagerungen keine legitimen Zwecke sind, die eine Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit – etwa über § 138 – rechtfertigen (BVerfG NJW 2003, 3472); auch werbende wahre Informationen sind – gleich in welchem Medium – nicht als berufsrechtswidrig zu beanstanden, soweit sie interessengerecht und sachangemessen sind (BVerfG 2003, 3470). Nur idS auf berufsrechtswidrigen Wettbewerb gerichtete Rechtsgeschäfte können nach den Umständen des Einzelfalles sittenwidrig und nichtig sein. Durch berufsrechtswidrigen Wettbewerb zustande gekommene Rechtsgeschäfte sind aber regelmäßig wirksam und nur dann unwirksam, wenn besondere sittenwidrige Umstände hinzukommen. Vom jeweiligen Berufsrecht in seiner verfassungskonformen Interpretation geprägt sind dabei die Maßstäbe für berufswidriges Verhalten des Freiberuflers im Wettbewerb. In diesem Zusammenhang kann das interne Standesrecht als Auslegungshilfe eine den Handelsbräuchen für den kaufmännischen Verkehr ähnliche Funktion haben. Der Verkauf einer Praxis, etwa von Ärzten und Rechtsanwälten, wurde in der früheren Rspr (RG 66, 142; 161, 155) grds als sittenwidrig bewertet. Schon in der Nachkriegszeit haben sich aber die Maßstäbe gelockert (vgl BGH 7, 27; Köln NJW 1956, 346). Nach heutiger Ansicht ist ein Praxisverkauf generell nicht sittenwidrig, sofern nicht besonders anstößige Umstände – etwa eine übermäßige wirtschaftliche Beschränkung des Praxisübernehmers oder eine unangemessene Kaufpreisregelung – hinzukommen (BGH 16, 74; NJW 1989, 763 – Arztpraxis; 43, 46; NJW 1973, 99 – Anwaltspraxis; BB 1958, 496 – Steuerberatungspraxis; Naumburg NJW-RR 2006, 421 – Steuerberaterpraxis [Kaufpreisreduzierung bei Umsatzrückgang]; Tiefenbacher BB 1959, 473; Schmitz NJW 1963, 1288). Eine Bemessung des Entgelts nach den Einnahmen ist zulässig (BGH NJW 1973, 100). Der Vertrag darf aber nicht die dem Allgemeininteresse widersprechende Gefahr begründen, dass die verkaufte Praxis von dem Übernehmer – etwa im Hinblick auf die vertragliche Gestaltung seiner Pflichten – nicht ausschließlich in sachlicher Unabhängigkeit und Eigenverantwortung fortgeführt wird (vgl BGH NJW 1989, 763 – Arzt; 43, 46, 49; NJW 1973, 98, 100 – Rechtsanwalt). Auch beim Verkauf einer Praxis ist iÜ die berufsbezogene Verschwiegenheitspflicht des § 203 StGB zu beachten (vgl dazu § 134 Rn 43 „Arzt“, Rn 80 „Patentanwalt“, Rn 84 „Rechtsanwalt“, Rn 92 „Steuerberater“). Zur Vereinbarung von Wettbewerbsverboten, Schutzklauseln oÄ – auch beim Praxisverkauf – vgl Rn 196 „Wettbewerbsverbot“). Vgl ferner unter Rn 75 „Apotheke“). 87

P Bestechung. Rechtsgeschäfte über eine als Täterschaft oder Teilnahme mit Strafe bedrohte Bestechung oder Bestechlichkeit, Vorteilsannahme oder Vorteilsgewährung (§§ 299ff, 331–337 StGB) sind idR schon nach § 134 nichtig;zu beachten ist dabei, dass § 299 I StGB auch „für Handlungen im ausländischen Wettbewerb“ gilt (dazu zB: Fietz/Weidlich RiW 2005, 423; Kiesel DStR 2000, 949; Randt BB 2000, 1006 und 2002, 2252; Walter wistra 2001, 321). Von § 134 nicht ohne weiteres erfasst wird hingegen das durch die Straftat zustande gekommene Geschäft; insoweit kann § 138 in Betracht kommen (Bsp: Karlsruhe BB 2000, 135). Näher dazu Rn 85 „Benachteiligung Dritter“ und Rn 151 „Schmiergeldvereinbarungen“. Unter § 134 und/oder § 138 fallen auch dem Heimatrecht oder internationalen Abkommen widersprechende Vereinbarungen zur Bestechung von ausländischen Amtsträgern oder Amtsträgern supranationaler oder internationaler Organisationen (BGH 94, 268, 274f; Hamburg NJW 1992, 635; vgl auch BGH VersR 1982, 93); zu Schmiergeldabreden mit Angestellten ausländischer Geschäftspartner vgl auch Rn 80 „Auslandsbezug“, und Rn 85 „Benachteiligung Dritter“. P Betreutes Wohnen. Die Verbindung von Mietvertrag und Dienstleistungsvereinbarung („Servicevertrag“) ist idR nicht als sittenwidrige Koppelung verschiedener Geschäfte zu werten (BGH NJW 2006, 1276 = NZM 2006, 290).

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P Bei langfristigen Bierbezugsverträgen und vergleichbaren anderen Getränkelieferungsverträgen ist das Bestreben der Brauereien/Lieferanten, sich durch eine Bezugsverpflichtung dauerhaft die Absatzgrundlage zu sichern, grds nicht zu beanstanden. Insb ist es nicht anstößig, über die reine Getränkelieferung hinausgehende Leistungen, die der Lieferant im Zusammenhang mit der Eröffnung oder dem Betrieb einer Gaststätte erbringt (etwa Beratung vor, bei oder nach der Betriebsaufnahme; Bereitstellung von Einrichtungsgegenständen; Kredite oder sonstige finanzielle Hilfen zur Einrichtung, zur Renovierung oder zum Betrieb; Werbungs- oder Marketingmaßnahmen) für längere Zeit mit Abnahmeverpflichtungen zu verknüpfen (BGH NJW 1970, 2243; 1972, 1459; 1974, 2089; WM 1981, 687; 1984, 88; BGH 147, 279). Das gilt ganz besonders, wenn der Lieferant durch seine Hilfen dem Gastwirt erst die Existenzgründung ermöglicht. Der Lieferant muss zudem die Rückzahlung etwaiger Kredite in geeigneter Weise sichern können. Sittenwidrigkeit setzt eine grobe Interessenverletzung von erheblicher Stärke ggü einer Vertragsseite voraus (BGH ZIP 1996, 957); sie kommt vornehmlich in Betracht, wenn Leistung und Gegenleistung nicht in einem angemessenen Verhältnis

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Willenserklärung

§ 138

zueinander stehen und/oder die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Gastwirtes über Gebühr eingeschränkt wird und er dadurch ggü dem Lieferanten in eine wirtschaftliche Abhängigkeit gerät (BGH 54, 145; NJW 1970, 2243; 1972, 1459; 1974, 2089; 1979, 2149; 1985, 2693; WM 1973, 357; 1973, 1360; 1975, 850; 1981, 687; 1984, 88). Für die Bewertung als sittenwidrig ist auch hier die Gesamtwürdigung aller Vertragsbedingungen und sonstigen Umstände maßgeblich, also etwa der inhaltliche und zeitliche Umfang der Bezugsbindung, die Höhe einer etwaigen Vertragsstrafe (BGH WM 1977, 641; 80, 1309; vgl auch BGH NJW 1993, 64), die Vereinbarung einer Rechtsnachfolgeklausel (vgl einerseits BGH NJW 1966, 652; GRUR 1984, 298; Köln NJW-RR 2007, 498; LG Berlin NJW-RR 1990, 820; andererseits LG Koblenz WuW 1955, 217) sowie ein etwaiges Lösungsrecht der Brauerei mit Fortdauer der Verpflichtung des Gastwirts. Von Bedeutung kann sein, ob der Vertrag die Absatzmöglichkeiten der Gaststätte angemessen berücksichtigt und Spielraum sowohl für den Bezug anderer Getränke als auch für eine Umstellung entspr den sich ändernden Publikumswünschen lässt (BGH NJW 1970, 2243; 1974, 2089; 1979, 865). Je intensiver die Bindung und je länger der Zeitraum ist, für den der Gastwirt eine Bezugsverpflichtung übernimmt, desto näher liegt der Schluss, dass die wirtschaftliche Freiheit des Wirts in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise beschränkt wird (BGH NJW 1970, 279). Wenn auch allein die Bezugspflicht über längere Jahre noch keine Sittenwidrigkeit des Bierlieferungsvertrags begründet (RG 67, 103; BGH NJW 1970, 2243), insb eine Erstreckung der Abnahmepflicht über die Rückzahlung eines Kredits des Lieferanten hinaus zulässig ist, wird jedoch als Höchstgrenze eine Bezugsbindung von 15 Jahren (BGH 74, 293; WM 1981, 687; NJW 1985, 2693; 1992, 2145) oder von 20 Jahren (BGH 68, 1, 5; 74, 293; NJW 1970, 2243; 1972, 1459; 1974, 2089; 1979, 865; 1985, 2693; 1989, 2362; 1992, 2145; NJW-RR 1990, 816; WM 1973, 357 und 925; 1975, 307 und 850; 1981, 687; 1984, 88; GewA 1977, 235; Frankfurt NJW 1977, 1157) angenommen; in engen Ausnahmefällen wird sogar eine kurze Überschreitung dieser Frist zugelassen (BGH DB 1973, 1843; WM 1975, 307; NJW 1979, 865). Je stärker unter Berücksichtigung aller Umstände im jeweiligen Einzelfall die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Gastwirts sachlich eingeschränkt wird, um so kürzer muss die Bindungsdauer sein, wenn der Vertrag mit den guten Sitten im Einklang stehen soll; je größer im Wert die Leistungen des Lieferanten sind, um so einschneidender und längerfristig können im Einzelfall die Bindungen sein (vgl BGH 54, 156; 147, 279, 280f; NJW 1968, 1574; 1970, 279 und 2243; 1972, 1459; 1973, 363; 1974, 2089; 1979, 865; 1985, 2393; WM 1970, 99; 1973, 357; 1975, 850; 1981, 687; 1984, 88; Köln NJW-RR 1995, 1516 und NJW-RR 2007, 498, 499; Bedenken dagegen München NJW 1968, 650). Zeitlich unbegrenzte Bezugsverpflichtungen sind aber in jedem Fall mit den guten Sitten unvereinbar (BGH 68, 1, 5; NJW 1979, 2150; 1988, 2362). Zur Frage der Sittenwidrigkeit eines Bierlieferungsvertrags, der während seiner Laufzeit verlängert worden ist: BGH NJW 1974, 2089; Götz BB 1990, 1217; zum Eintritt eines Nachfolgers in die Bezugsbindung BGH NJW 1988, 2362. Bei einer zu langen Vertragsdauer kann diese nach dem tatsächlichen oder vermuteten Willen der Parteien unter Aufrechterhaltung des Vertrags iÜ nach §§ 139, 242 gekürzt werden (BGH 68, 1, 5 und 204, 206f; NJW 1972, 1459; 1979, 866; 1985, 2693; 1992, 2145; NJW-RR 1990, 816; WM 1973, 357; 1974, 1042; 1975, 850; 1984, 88; Pal/Ellenberger Rn 81; Staud/Sack Rn 279ff; aA Lindacher AcP 173, 129; krit ferner Meilicke/Weyde DB 1994, 821; vgl auch Rn 55f, 57). Ergibt sich die Bezugsverpflichtung aus einem Vertrag zugunsten der Brauerei, so muss diese sich bei der Prüfung, ob diese Bindung gegen § 138 verstößt, so behandeln lassen, als sei sie selbst Vertragspartnerin des Gastwirts (BGH 54, 145; NJW 1970, 279 m Anm Lempfuhl GRUR 1970, 197; Bernhardt WRP 1970, 241). Zur Sittenwidrigkeit von Bierbezugsverträgen vgl auch Klaas BB 1974, 1098; Hiddemann WM 1975, 945; zum Bierverlagsvertrag BGH NJW-RR 1987, 629. Die Nichtigkeit einer langfristigen Lieferantenbindung kann sich überdies aus Vorschriften des GWB ergeben (§ 19f GWB; vgl noch zu §§ 18, 34 GWB aF: BGH NJW 1993, 64; NJW 1997, 2182). Zur Nichtigkeit von Bezugsverträgen mit ausländischen Unternehmen wegen „Schmiergeldgewährung“ vgl BGH NJW 1968, 1572. Zum EG-Recht: BGH NJW 1992, 2145; NJW-RR 1992, 593; Jehle EuZW 1991, 372 und die begrenzte Gruppenfreistellung durch VO (EG) Nr 2790/1999 ABl EG 1999 Nr L 336, 21; dazu v Braunmühl NJW 1985, 2071; Pal/ Ellenberger Rn 81. Nicht sittenwidrig ist die Vereinbarung einer unbefristeten oder jedenfalls über 20 Jahre hinausgehenden (Mindest-)Laufzeit einer (beschränkt persönlichen) Dienstbarkeit, die der Sicherung einer Bierbezugsverpflichtung dient und nach welcher ohne Zustimmung des Berechtigten der Betrieb einer Gast- und Schankwirtschaft oder einer sonstigen Bierabsatzstätte nicht gestattet ist; denn es handelt sich bei ihr nur um ein von der Bestellungsverpflichtung und der Sicherungsabrede unabhängiges dingliches Geschäft (BGH NJW 1981, 343; 1988, 2364; NJW-RR 1992, 593; dazu Walter/Maier NJW 1988, 377; München NJW-RR 2004, 164; vgl Rn 54f; aA noch BGH NJW 1979, 2149 und 2150). – Vgl auch Rn 97 „Dauerschuldverhältnis“. P Ein Bietungsabkommen, das sich auf eine Zwangsvollstreckung/Zwangsversteigerung, eine sons- 89 tige Versteigerung oder eine ähnliche, auf Wettbewerb von Interessenten angelegte Veranstaltung bezieht, ist nur sittenwidrig, wenn besondere anstößige Umstände vorliegen (BGH NJW 1961, 1012; WM 1965, 203; BGH 72, 234; Celle NJW 1969, 1764 m Anm Franzen NJW 1970, 662; Frankfurt WM 1989, 1104; Koblenz NJW-RR 2002, 1504 = WM 2003, 378; Köln NJW 1978, 47). Mit den guten Sitten unvereinbar sind insb Verträge, die dazu dienen, den Wettbewerb von Bietern zu vereiteln oder abzuschwächen, um selbst den Versteigerungsgegenstand besonders günstig erwerben zu können (BGH, Frankfurt, Köln aaO); anstößig ist dabei vornehmlich, dass solche Vereinbarungen mit systemstörenden Mitteln einseitig den eigenen Vorteil zulasten des Anbieters anstreben. – Bieteabkommen zw Unternehmen können auch gegen § 1 GWB oder Art 101 AEUV verstoßen (Frankfurt aaO).

H. Palm/A. Arnold

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§ 138

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

Das Gesagte gilt entspr für Absprachen zw (potentiellen) Bietern bei einer Ausschreibung von Lieferungen oder Leistungen, etwa im Baugewerbe, soweit heute nicht schon §§ 134 iVm 298 StGB oder iVm demVergaberecht zur Nichtigkeit führt (zur Strafbarkeit als Submissionsbetrug nach altem Recht BGH NJW 1995, 737 m Anm Rutkowsky NJW 1995, 705; zur Schadensersatzpflicht bei wettbewerbswidrigen Preisabsprachen BGH NJW 1995, 735; vgl auch Boesen NJW 1997, 345). 90

P Bürgschaft. Die Vereinbarkeit eines Bürgschaftsvertrags (§§ 765ff) mit den guten Sitten ist nur nach § 138 I zu beurteilen. § 138 II kommt nicht in Betracht, weil der gesetzliche Tatbestand ein – bei der Bürgschaft fehlendes – Austauschverhältnis voraussetzt (BGH 106, 271; NJW 1988, 2599, 2601; 1991, 1952; 2001, 2466, 2467; aM Wochner BB 1989, 1354ff; BB 1996, 1405). Eine Erfüllung der subjektiven Voraussetzungen von § 138 II (vgl Rn 18ff) liefert aber auch bei der Bürgschaft als Teil der gebotenen Gesamtwürdigung wichtige Hinw auf eine Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts. Bis 1993 sind die Voraussetzungen des § 138 I für einen Bürgschaftsvertrag in der Rechtspraxis gegen die wohl überwiegende Meinung in der Rechtswissenschaft nur sehr zurückhaltend bejaht und ganz überwiegend verneint worden (vgl dazu Erman/Brox, 9. Aufl, Rn 71a). Auf diesem Hintergrund hatte sich im Kreditgeschäft eine recht weitgehende, zT stark formalisierte Nutzung der Bürgschaft als Sicherungsmittel entwickelt. Vor allem im Anschluss an Entscheidungen des BVerfG über die Pflicht der Zivilgerichte zur Inhaltskontrolle und zum korrigierenden Eingriff bei Verträgen, die einen der beiden Vertragspartner ungewöhnlich stark belasten und das Ergebnis strukturell ungleicher Verhandlungsstärke sind (BVerfG 89, 214; BVerfG NJW 1994, 2749), hat sich in der höchstrichterlichen Rspr seither eine weitgehend neue Sicht ergeben. Insb die Übernahme einer Bürgschaft durch Angehörige des Hauptschuldners mit geringem Vermögen und/oder Einkommen wird nunmehr vielfach als sittenwidrig beurteilt, wenn die erforderliche Gesamtschau aller Umstände ergibt, dass die Grenzen der privaten Gestaltungsfreiheit überschritten sind (vgl BGH 120, 272; 124, 39; 125, 206; NJW 1994, 1341; NJW 1994, 1726; NJW 1994, 2146; BGH 128, 230; 129, 259; NJW 1996, 513; NJW 1996, 1274; dazu bestätigend BVerfG NJW 1996, 2021; BGH NJW 1996, 1341; NJW 1996, 1470; BGH 132, 328; NJW 1996, 3205; NJW 1997, 52; BGH NJW 1997, 257; BGH NJW 1997, 940; BGH 134, 325; NJW 1997, 1005; NJW 1997, 1773; für Mithaftung BGH NJW 1997, 1980; NJW 1997, 3230; BGH 136, 346; NJW-RR 1997, 1199; 1997, 1381; NJW 1998, 450; BGH 137, 329; ferner dazu Klaas EWiR § 765 1/02, 13; Probst JR 1998, 369 und Foerste JZ 1998, 570; BGH 137, 292; NJW 1999, 58; dazu Schmidt EWiR § 765 1/00, 73; BGH NJW 1999, 135; NJW 1999, 2584 – nach Rücknahme der Revision ohne Entscheidung erledigte Vorlage des XI. ZS an den GrZS; dazu BGH – IX. ZS – NJW 2000, 1185; NJW 2000, 362; 2000, 1182; BGH 146, 37; dazu: Görtz-Leible/Leible JA 2001, 737, Roth JZ 2001, 1036 und Tiedtke EWiR § 138 1/01, 301; BGH NJW 2001, 2466; ZIP 2001, 1954; ZIP 2002, 167; NJW 2002, 744; NJW 2002, 746; NJW 2002, 956; NJW 2002, 1337; BGH 151, 34; NJW 2002, 2230; NJW 2002, 2633; NJW 2002, 2634; NJW 2002, 2705; NJOZ 2003, 1044; BGH 156, 302; NJW-RR 2004, 337; NJW-RR 2004, 924; NJW 2005; NJW 2005, 973, 975. Die neue Rspr hat mit ihrer Grundtendenz in der Rechtswissenschaft weitgehend Zustimmung gefunden; Kritik ist vornehmlich an der Einzelausformung geübt worden (vgl etwa Aden NJW 1999, 3763; Adomeit NJW 1994, 2467; Albers-Frenzel, Die Mithaftung naher Angehöriger für Kredite des Hauptschuldners, 1996; Bales BKR 2004, 264; Diedrichsen Jura 1999, 229ff; Ernst ZVI 2007, 558; Fellner MDR 2005, 368; Fischer WM 1998, 1795ff, 1749ff; WM 2001, 1049; Frank JuS 1996, 389; Frey WM 1996, 1612; Ganter WM 1996, 1705, 1710ff; Gernhuber JZ 1995, 1086; Grün NJW 1994, 2935 und WM 1994, 713; Habersack/Giglio WM 2001, 1100; Hasselbach JuS 1999, 329ff; Honsell NJW 1994, 565; Horn ZIP 2001, 98; Klanten DStR 2001, 1666; Kulke ZIP 2001, 985; Leible JA 2002, 1; Loewe ZIP 1993, 1759; Martis MDR 1998, 936; Medicus JuS 1999, 833 und NJW 2000, 2921, 2925; Oberhammer DZWIR 2000, 45; Odersky ZGR 1998, 169, 176ff; Probst JR 1998, 201; Rehbein JR 1995, 45; Roth JZ 2001, 1139; Schimansky WM 2001, 1889; Seidel/Brink DB 1997, 1961; DB 1998, 661; Tiedtke WiB 1996, 982, 987f; NJW 1999, 1201; JZ 2000, 677; NJW 2001, 1015; 2003, 1359, 1360ff; Tonner ZIP 1999, 901; JuS 2003, 325; 2000, 17; Wiedemann JZ 1994, 411; Zöllner WM 2001, 1). Die Grundtendenz der Rspr entspricht einer in der Rechtswissenschaft vielfach erhobenen Forderung und ist zu billigen, auch wenn den einzelnen Arg oder Wertungen nicht immer zuzustimmen sein mag. Die in der Vergangenheit vielfach erhobenen Bedenken wegen mangelnder Klarheit und Übersichtlichkeit des sehr differenzierten Gesamtsystems (vgl etwa Schmidt-Salzer zu BGH LM § 765 Nr 91: „entsetzlich komplizierte Konstruktion“; ferner Eike Schmidt EWiR 1997, 398 und Pape NJW 1997, 980 zu II.) haben durch die Rspr der letzten Jahre und die Überwindung der meisten Auffassungsunterschiede zw dem IX. und dem XI. ZS des BGH deutlich an Gewicht verloren. Die Gefahr, dass – sei es durch die Unsicherheit der Maßstäbe, sei es durch zu weitgehende Anforderungen an die Vereinbarkeit mit den guten Sitten – die Bürgschaft und die sonstige Mithaftung als Sicherungsmittel (vor allem für das Kleingewerbe und den mittelständischen Bereich, insb auch für Existenzgründer) stark entwertet werden, ist allerdings noch nicht vollständig ausgeräumt (vgl auch Bales BKR 2004, 264). Der von Medicus (JuS 1999, 833, 836, 837ff) vorgetragene und von Wagner (NJW 2005, 2956, 2958ff mwN) vertiefend aufgegriffene Gedanke, in geeigneten Fällen primär andere und in der Rechtsfolge flexiblere Mittel des Zivilrechts – insb die Schadensersatzverpflichtung wegen Verschuldens beim Vertragsschluss – einzusetzen, um ohne Anwendung von § 138 I unangemessene Ergebnisse zu vermeiden, ist in der Praxis bisher nicht übernommen worden

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P Bürgschaft von Angehörigen. Für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit von Bürgschaften (oder einer Mithaftung), die von Ehegatten (BGH 120, 272; 128, 230; 132, 328; 136, 346; NJW 1996, 513; 1996, 1274; 1997, 1003; 1997, 1773; 1997, 3230; 1999, 58; 1999, 135; 1999, 2584; Karlsruhe NJW-RR 1995, 434;), Verlobten/nichtehelichen Lebenspartnern (BGH 128, 230; NJW 1997, 1005 und 3372; NJW 2000, 1182, 1184; NJW 2002, 744, 745; NJW 2009, 2671, 2672; Zweibrücken NJW-RR 1995, 433) oder sonstigen Angehörigen des Hauptschuldners (BGH NJW 1997, 3230 – Vetter/Cousine; allerdings wohl nur bei engen

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Willenserklärung

§ 138

persönlichen Beziehungen, die denen zu einem Ehegatten oder zu Eltern vergleichbar sind, BGH NJW 1998, 597, 598 – Geschwister; vgl zu Geschwisterbürgschaften auch Schmidt-Salzer in LM § 765 Nr 91) mit unzureichendem Vermögen und/oder Einkommen übernommen werden, hat die Rspr in den letzten Jahren folgende Grundsätze herausgearbeitet (zu Kindern vgl Rn 93): Anlass für die Prüfung, ob eine Bürgschaft mit den guten Sitten vereinbar ist, besteht stets bei einem Missverhältnis zw der übernommenen Verpflichtung und der absehbaren wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bürgen (BGH 125, 206, 211; 136, 347, 351; 137, 329, 333f; 146, 37, 42; NJW 2001, 2466; 2002, 746; BGH 156, 302, 307; zur Bestimmung der Leistungsunfähigkeit vgl König NJW 1997, 3290). Ob ein Missverhältnis vorliegt, ist in einem wertenden Vergleich der übernommenen Verpflichtung einerseits mit der Leistungsfähigkeit des Bürgen andererseits zu entscheiden; die Höhe des verbürgten Betrages ist idR nur in diesem Kontext von Bedeutung (Celle NJW-RR 2006, 131; Frankfurt NJW 2004, 2392, LG Mönchengladbach NJW 2006, 67; die Gegenmeinung – etwa: Koblenz NJW-RR 2000, 639 und Köln BKR 2001, 150 = WM 2002, 1549 – überzeugt nicht). Umstr war – zumindest in der Vergangenheit –, ob es bei Angehörigenbürgschaften allein auf die Leistungsfähigkeit des Bürgen (so zB BGH NJW 1997, 257 und 1773) oder auf die Gesamtschau der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners und des Bürgen (so zB BGH 132, 328, 339; NJW 1996, 1274; 1997, 3230) ankommt. Nach dem heutigen Stand ist – vielleicht mit Ausnahme der bei kleinen Einzelhändlern und Gewerbetreibenden nicht ganz seltenen Strohmannfälle – allein auf die Leistungsfähigkeit des Bürgen abzustellen (BGH 146, 37, 43; NJW 2000, 1182 mwN; 2001, 815; 2002, 2705, 2706; zust Kulke ZIP 2001, 985, 987f). Die Leistungskraft des Hauptschuldners = Kreditnehmers ist nicht zu berücksichtigen, weil die Bürgschaft gerade für den Fall seiner mangelnden Leistungsfähigkeit übernommen wird. Die Gesamtsituation der Partner kann aber Bedeutung für die Frage haben, ob auch der Bürge aus der Eingehung der verbürgten Schuld einen wirtschaftlichen Vorteil hat (vgl dazu unten). – Ob ein Missverhältnis vorliegt, richtet sich nach den bei Vertragsschluss absehbaren Vermögens- und Einkommensverhältnissen im Fälligkeitszeitpunkt (BGH 132, 328; 140, 395, 399), bei laufenden Verpflichtungen in den Fälligkeitszeitpunkten während der Laufzeit (BGH 146, 37, 43; NJW 1994, 1726; 2002, 744, 745; 2002, 746). Der Wert eines von dem Bürgen bewohnten Eigenheimes ist – auch bei Miteigentum – bei der Prüfung seiner Leistungsfähigkeit einzubeziehen (BGH NJW 2001, 2466; vgl auch BGH NJW 2002, 2633). Valutierende dingliche Belastungen eines im Eigentum/Miteigentum des Bürgen stehenden Grundstücks sind aber – entgegen einer früheren Rspr (BGH NJW 1996, 1470; 1998, 450) – vermögensmindernd dabei abzusetzen (BGH 151, 34 = NJW 2002, 2228, 2229; BKR 2010, 63, 64). Hinreichend konkretisierbare zukünftige Entwicklungen der Einkommens- und/oder Vermögensverhältnisse sind in der Prognose zu berücksichtigen; insb kann die normale Entwicklung des Arbeitseinkommens einkalkuliert werden (BGH 146, 37; NJW 2005, 971, 972; 2002, 746; 1997, 1006; vgl auch BGH NJW 1997, 940 – für die Berücksichtigung der zukünftigen Einkommensentwicklung bei einem Jurastudenten und GmbH-Geschäftsführer); vage Aussichten und Hoffnungen – etwa auf eine Erbschaft (vgl dazu Karlsruhe NJW-RR 1997, 1200) oder auf mögliche Zuwendungen anderer Angehöriger (Bsp: BGH NJW 2002, 2705, 2706) – müssen außer Betracht bleiben (BGH 132, 328, 336; NJW 1997, 1003; 1999, 58); das gilt insb, wenn sie bei Abgabe der Bürgschaftserklärung kein Verhandlungsgegenstand waren (BGH NJW 2002, 2705, 2706). In der Vergangenheit ist die Auffassung vertreten worden, ein Mangel der Leistungsfähigkeit sei für die Beurteilung der Vereinbarkeit mit den guten Sitten schon dann ohne Bedeutung, wenn das tatsächliche Risiko einer Inanspruchnahme für den Bürgen von vornherein mit genügender Sicherheit auf eine mit seinen Einkommensverhältnissen noch vereinbare Größenordnung begrenzt sei (BGH 129, 259). Das wurde bejaht, wenn zu erwarten war, dass der Hauptschuldner (oder beide Eheleute gemeinsam, BGH NJW 1996, 1276) nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen seine Verpflichtungen mit hoher Wahrscheinlichkeit erfüllen könne und erfüllen werde (BGH 125, 206) oder der Bürge infolge der dem Gläubiger iÜ gewährten Sicherheiten davor geschützt war, in einem seine Leistungsfähigkeit übersteigenden Umfang tatsächlich in Anspruch genommen zu werden (BGH 136, 346; NJW 1996, 1274; 1999, 58, 59). Ob die Rspr dies heute noch in dieser Allgemeinheit gelten lässt, erscheint nicht sicher. In den jüngeren Entscheidungen wird durchgehend darauf hingewiesen, dass neben der Bürgschaft dem Kreditgeber zur Verfügung stehende andere Sicherheiten grds nur zu berücksichtigen sind, wenn sie das Haftungsrisiko des Bürgen in rechtlich gesicherter Weise auf ein vertretbares Maß beschränken (BGH 136, 347, 352f; BGH 146, 37, 44; BGH NJW 1999, 58 und 2584; 2000, 1182; NJW 2002, 2705, 2707; 2009, 2671, 2673f). Unerheblich für die Beurteilung ist in jedem Fall die spätere tatsächliche Vertragspraxis des Gläubigers. Ein erhebliches Missverhältnis zw Verpflichtung und absehbarer Leistungsfähigkeit ist in der Vergangenheit ua angenommen worden, wenn der Bürge nicht über ein zur Deckung der Schuld ausreichendes Vermögen (vgl dazu BGH WM 1993, 1504) verfügt und sein pfändbares Einkommen nicht ausreicht, um in fünf Jahren wenigstens ein Viertel der Hauptsumme abzutragen (BGH 132, 328; 134, 325; 136, 346; NJW 1997, 1006; 1999, 2372). Diese Rspr ist seit BGH NJW 2000, 1182 überholt (vgl auch BGH 146, 37). In der inzwischen gefestigten neueren Rspr wird ein krasses Missverhältnis angenommen, wenn das pfändbare Einkommen und Vermögen des Bürgen nicht einmal ausreichen würden, um die laufende Zinslast aus dem verbürgten Kredit abzudecken (BGH NJW 1996, 514; 1996, 1276; 135, 66, 70; NJW 1999, 2584, 2586f; 2000, 1182; BGH 146,). Ein schon im Verhältnis von möglicher Zahlungspflicht und Leistungsfähigkeit des Bürgen angelegtes Missverhältnis kann durch die Vertragsgestaltung iÜ, etwa durch Verminderung gesetzlicher Schutzrechte des Bürgen, noch über die Grenze zur Sittenwidrigkeit hinaus verstärkt (Bsp: Düsseldorf NJW 1996, 620), aber auch, etwa durch rechtliche Regelungen zur Risikobegrenzung, vermindert werden (BGH 136, 346). – Von den das Missverhältnis und die enge persönliche Beziehung begründenden tatsächlichen Umständen muss der Gläubiger keine positive Kenntnis haben. Es genügt, wenn er sich dieser Kenntnis dadurch verschließt, dass er nach der persönlichen Beziehung sowie – unter Verzicht auf eine übliche Bonitätsprüfung – nach den VerH. Palm/A. Arnold

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§ 138

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

mögens- und Einkommensverhältnissen des Angehörigen nicht fragt (BGH 125, 206, 212f; 128, 230; 146, 37, 45; NJW 1994, 1341; 1996, 514; 1997, 52; 1997, 1774; 1999, 58; 2000, 1182; zur Aufklärungspflicht vgl unten; zu den subjektiven Voraussetzungen vgl iÜ Rn 40ff). Die in der Lit zT vertretene Meinung, auf ein etwaiges Missverhältnis zw der Verpflichtung des Bürgen und seiner Leistungsfähigkeit sei für § 138 wegen der Möglichkeit der Restschuldbefreiung nach §§ 286ff InsO nicht mehr abzustellen (zB Kapitza ZGS 2005, 133 und NZI 2004, 14; Schnabl WM 2006, 706), ist vom BGH zu Recht verworfen worden (BGH NJW 2009, 2671, 2673f; noch offenlassend BGH 156, 302; NJW 2002, 744, 745; ebenso Frankfurt NJW 2004, 2392, 2393f und in der Tendenz Celle NJWRR 2006, 131; ferner etwa Tiedtke NJW 2005, 2498 und Wagner NJW 2005, 2596ff). Auch die in diesem Zusammenhang gelegentlich als Arg erwähnte Anhebung der Pfändungsfreigrenzen (vgl etwa Schnabl WM 2006, 706) dürfte die Anwendung von § 138 nicht berühren. Ein Missverhältnis zw Verpflichtung und Leistungsfähigkeit allein genügt für das Unwerturteil des § 138 I nicht. Bei krasser Überforderung eines Angehörigen als Bürge wird aber widerleglich vermutet, dass die Bürgschaft allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen wurde und dass der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (BGH 136, 346, 351; 137, 292; 137, 329, 333f; 146, 37, 42; NJW 1999, 135; 2000, 362, 362; 2000, 1182; 2001, 815, 816; 2001, 2466, 2467; 2002, 744; 2002, 746; 2002, 2228, 2229; 2002, 2230; 2002, 2705, 2706; NJW-RR 2002, 1130; NJW 2003, 967; NJOZ 2003, 10454; BGH 156, 302, 307; NJW-RR 2004, 337; NJW 2005, 971, 972); das gilt auch, wenn der bürgende Ehegatte geschäftsgewandt und nicht unerfahren ist (BGH NJW 2000, 1182; 2002, 746; 2002, 2230, 2231). Die hieran in der Lit geübte Kritik, diese Auffassung stelle neben der krassen Überforderung zu sehr auf die emotionale Nähe zum Hauptschuldner und nicht genügend auf die strukturelle Unterlegenheit ggü dem Kreditgeber und auf die Umstände der Begründung der Verpflichtung ab (vgl etwa Habersack/Giglio WM 2001, 1100, 1103; Medicus JuS 1999, 853, 855f; Roth JZ 2001, 2039; Zöllner WM 2001, 1100, 1103) weist der BGH im Hinblick auf das regelmäßig erhebliche wirtschaftliche Übergewicht des Kreditgebers mit dem zutr Arg zurück, je stärker das Übergewicht, je gravierender die Belastung und je enger die persönlichen Beziehungen seien, desto wahrscheinlicher sei es, dass es an einer nüchtern abwägenden, selbstbestimmten Entschließung des Bürgen fehle (BGH NJW 2002, 744, 745 unter Hinw auf Tiedtke JZ 2000, 677; Nobbe/Kirchhof BKR 2001, 5, 6; Kulke ZIP 2001, 985, 989). Die Umstände des Einzelfalles sind bei diesem Weg nicht unerheblich; sie behalten ihre Bedeutung für die dem Bürgschaftsgläubiger obliegende Widerlegung der Vermutung einer unzulässigen Willensbeeinflussung (BGH 146, 37, 45; NJW 2002, 744, 745). Zweifel an emotionaler Verbundenheit als tragendes Motiv der Bürgschaftsübernahme können sich bei der Widerlegung der Vermutung aus einem objektivierbaren gemeinsamen wirtschaftlichen Interesse von Hauptschuldner und Bürge an der Kreditgewährung oder aus wirtschaftlichen Vorteilen der Kreditgewährung für den Bürgen ergeben. Umstr ist, ob nur unmittelbare Vorteile (BGH 120, 272, 278; 146; NJW 1994, 1726; 1997, 257 und 1773; 1999, 135 und 2584; 2000, 1182; 2002, 744; 2002, 2705; Kulke ZIP 2001, 985, 989f) – vergleichbar der Lage bei gemeinsamer Darlehensaufnahme – oder auch mittelbare Vorteile (so BGH 128, 230, 233f; NJW 1996, 1274; 1997, 1005; NJW-RR 2004, 337; NJW 2005, 971, 973; Koblenz BB 1997, 755 und NJW-RR 2000, 639; Köln BKR 2001, 150 = WM 2002, 1549) zu berücksichtigen sind (vgl dazu den ohne Entscheidung des GrZS erledigten Vorlagebeschluss BGH NJW 1999, 2584, 2585, 2588). Gegen die Orientierung an den etwas formalen Kriterien unmittelbar/ mittelbar spricht, dass in der Praxis eine verlässliche und zugleich sachgerechte Abgrenzung kaum möglich ist (ähnlich Frankfurt NJW 2004, 2392f; Scholz DRiZ 2003, 27); entscheidend wird allein sein können, ob sich in einer Gesamtschau aller Umstände die Kreditgewährung auch für den bürgenden Angehörigen als eigener wirtschaftlicher Vorteil und damit als Wahrung eines eigenen rechtlichen Interesses darstellt; das kann zutreffen, wenn die Kreditmittel der Finanzierung eines Eigentumsobjekts, an dem der bürgende Partner nach einem vorliegenden Vertragsentwurf beteiligt werden soll, der Beschaffung eines Familien-PKW oder der Ablösung gemeinsamer Verpflichtungen der Eheleute dienen, die für die eheliche Lebensführung eingegangen worden sind (Bsp: BGH NJW-RR 2004, 337; NJW-RR 2004, 924 und Frankfurt FamRZ 2006, 334 m Bespr in NJW-Spezial 2006, 252); nicht ausreichend ist, dass der bürgende Ehegatte an verantwortlicher Stelle in dem Gewerbebetrieb mitarbeiten soll, der mit dem verbürgten Existenzgründungsdarlehen für den anderen Ehegatten finanziert werden soll (BGH NJW 2005, 971); bei auf den ersten Blick nur mittelbaren Vorteilen wird jedenfalls stets eine sehr vorsichtige Bewertung ratsam sein. Soweit bei einem objektiven Missverhältnis die von der Rspr für die Fälle krasser Überforderung des Bürgen angenommene Vermutung nicht eingreift, müssen für die Bewertung als sittenwidrig weitere – vom Bürgen darzulegende und zu beweisende – negative/erschwerende Umstände hinzukommen, die dem Gläubiger zuzurechnen sind. Sie müssen letztlich ein unerträgliches Ungleichgewicht zw den Vertragspartnern und damit eine unvertretbare Fremdbestimmung des Bürgen ergeben und die Übernahme der Bürgschaft im Gesamtbild als sittenwidrig erscheinen lassen (BGH 120, 272, 276; 125, 206, 209f; 128, 230; 132, 328, 329f; 134, 325; 136, 347, 350f; 137, 329, 332f; NJW 1994, 1342; 1996, 513; 1996, 1275f; 1996, 1470; 1997, 52; 1997, 940; 1997, 1003; 1997, 1005; 1997, 1773; 1997, 3231; ZIP 2002, 167; vgl auch BGH NJW 1997, 1981 – für Minderheitsgesellschafter einer GmbH; Düsseldorf ZIP 1997, 2005). Je deutlicher das Missverhältnis zw Verpflichtung und Leistungsfähigkeit und je ungünstiger für die Bürgen die übrige Vertragsgestaltung (zur Wirksamkeit einzelner Klauseln vgl BGH NJW 1999, 3195; 2000, 1566, 1568f und 2580, 2583; 2001, 2466, 2468) ist, um so geringeres Gewicht werden die übrigen Umstände in der Gesamtwürdigung haben müssen. Bei Bürgschaften, die erst nach der Kreditgewährung vereinbart werden, kann Sittenwidrigkeit besonders naheliegen (vgl BGH NJW 1996, 513; Alisch EWiR 1996, 537). Sittenwidrigkeit ist bei einem Missverhältnis zw Verpflichtung und Leistungsfähigkeit auch ohne krasse Überforderung idR zu bejahen, wenn der Gläubiger die Bürgschaftsverpflichtung mit unan370

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Willenserklärung

§ 138

gemessenen Mitteln herbeiführt, denn der Bürge darf in seiner Entscheidungsfreiheit/seinem Selbstbestimmungsrecht nicht unzulässig beeinträchtigt sein oder werden (BGH 98, 178; 120, 278; 125, 209f, 216f; 128, 230, 232; 132, 328, 330; 136, 346; NJW 1996, 513; 1996, 1274; 1997, 52; 1997, 257; 1997, 1003; 1997, 1005; 1997, 1774; 1997, 3231; vgl auch NJW 1997, 1981 – für GmbH-Minderheitsgesellschafter; vgl auch Heinrichsmeier FamRZ 1994, 129, 132; krit zu der stark subjektiven Ausrichtung der Kriterien vor allem Gernhuber JZ 1995, 1086; s auch Pape NJW 1996, 890). Als unangemessene Mittel bei der Begründung der Bürgschaftsverpflichtung kommen etwa in Betracht: Verharmlosung des Risikos durch Gläubiger oder Hauptschuldner, pflichtwidriges Verschweigen unbekannter Risiken, etwa der wirtschaftlich ungünstigen Lage des Hauptschuldners (BGH 120, 272; 125, 206; 132, 328, 330; NJW 1994, 1341, 1343; 1997, 1005f; 1997, 3231; 1998, 597; 1999, 135, 136; 2001, 2466, 2467; 2002, 956; 2002, 2634, 2635; NJW-RR 1996, 814; 2004, 337; Brandenburg LKV 2001, 239); Überrumpelung des Bürgen (BGH NJW 1996, 1276; ZIP 2002, 167; vgl auch NJW 1997, 1982 – für Minderheitsgesellschafter einer GmbH); unvertretbarer Druck auf den Bürgen (etwa durch Vertreterbesuch des Gläubigers an der Arbeitsstelle des Bürgen, BGH NJW 1997, 1775); Einschaltung des Hauptschuldners in eine nachhaltige „Überzeugungsarbeit“ ggü dem zunächst nicht einverstandenen Ehegatten unter Einsatz von Appellen an die eheliche Solidarität oder Drohung mit finanziellen Nachteilen (BGH 120, 272; NJW 1997, 1003; vgl auch BGH NJW 1996, 1276). Auch das Schaffen einer Zwangslage durch nachträgliche Forderung einer Bürgschaft des Ehegatten für einen schon gewährten Kredit kann ein unzulässiges Druckmittel sein (BGH NJW 1996, 514). Ein unangemessener Druck liegt aber nicht schon darin, dass der Gläubiger in Wahrung seiner legitimen Sicherungsinteressen den Angehörigen als Bürgen ins Gespräch bringt oder ihn zur Übernahme der Bürgschaft auffordert, die Kreditgewährung von einer Bürgschaft abhängig macht oder die Rückforderung eines bereits gewährten Kredits ankündigt (BGH NJW 1996, 1274; NJW 1997, 1005). Das gilt insb dann, wenn der Bürge geschäftserfahren ist, im Betrieb/Geschäft des Hauptschuldners arbeitet und einen gewissen Einblick in die Chancen und Risiken der zukünftigen Unternehmensentwicklung und damit der Kreditrückzahlungsmöglichkeiten hat. Bei einem Kredit für ein Familienunternehmen (Geschäft/Betrieb), das dem gemeinsamen Lebensunterhalt des Hauptschuldners und des Bürgen dient, oder für Haus/Wohnung sowie sonstigen Bedarf der Familie darf der Kreditgeber idR auch davon ausgehen, dass die Eheleute über die Kreditaufnahme gemeinsam entscheiden (BGH 128, 230) und dass dabei – zumindest für den nicht geschäftsunerfahrenen Bürgen – als Motiv die Sicherung oder Förderung der beruflichen oder wirtschaftlichen Tätigkeit des Angehörigen und damit zugleich der wirtschaftlichen Grundlage der Familie, insgesamt also ein wohlverstandenes Eigeninteresse im Vordergrund steht (BVerfG NJW 1996, 2021; BGH 128, 233; 132, 328; NJW 1996, 1274ff; 1997, 1005f; 1999, 135; Hamm NJW RR 1992, 1007; Karlsruhe NJW-RR 1995, 434;). Der Kreditgeber muss seine Mittel stets so wählen, dass der Bürge sich nach ruhiger Prüfung des Für und Wider in eigener Verantwortung für oder gegen die Bürgschaft entscheiden kann (vgl auch BGH NJW 1997, 1982 – für Minderheitsgesellschafter einer GmbH). Insb darf der Gläubiger eine ungünstige Verhandlungs- und/oder Entscheidungslage des Bürgen nicht in anstößiger Weise zu einer Fremdbestimmung ausnutzen (BGH 126, 206; NJW 1964, 1341; 1994, 1726). Er darf sich einen unzureichenden Informationsstand des Bürgen, dessen mangelnde Geschäftsgewandtheit oder ungenügende Sprach- und/oder Schriftkenntnisse (vgl BGH NJW 1997, 3231) nicht zunutze machen. Er darf sich den existenziellen Belangen des Bürgen nicht verschließen (BGH NJW 1996, 1276) und nicht aus einer psychischen Zwangslage des Bürgen seinen Vorteil ziehen. Die Sorge des Bürgen etwa um die wirtschaftliche Grundlage der Familie und/oder die familiär bedingte starke emotionale Bindung des Bürgen an den Hauptschuldner, durch die eigenständige Erwägungen und die unabhängige Wahrung der eigenen wirtschaftlichen Interessen des Bürgen vielfach zurückgedrängt werden, darf er nicht für sich ausnutzen. Das kann etwa geschehen durch betonte Einbindung des Bürgen in die Verantwortung für die weitere wirtschaftliche oder berufliche Entwicklung des Angehörigen oder durch Hinw auf die schwerwiegende Bedeutung der Mithaftung für die weitere Entwicklung. Auch unangemessenes Verhalten eines Dritten, etwa des Ehegatten als Hauptschuldner, darf der Kreditgeber nicht zu seinen Gunsten einsetzen oder wirken lassen (BGH 125, 206; 128, 230; NJW 1994, 1343; 1994, 1726; 1996, 514). Auch wenn die Übernahme der Bürgschaft nicht auf einem unangemessenen Verhalten des Gläubigers beruht, kann ein Missverhältnis zw Verpflichtung und Leistungsfähigkeit zur Sittenwidrigkeit führen, wenn der mangelnden Leistungsfähigkeit des Bürgen kein wie auch immer geartetes rechtlich vertretbares und damit schutzwürdiges Interesse des Kreditgebers an der konkret vereinbarten Bürgschaftsverpflichtung gegenübersteht und die Vereinbarung der Bürgschaft – jedenfalls einer Bürgschaft dieses Umfanges – deshalb wirtschaftlich in jeder Hinsicht sinnlos ist (BGH 125, 206; 128, 230; 129, 259; 132, 328; 136; NJW 1996, 1274; 1997, 1003; 1997, 1005f; 1999, 58, 59 – für Schuldbeitritt der Ehefrau). Das im Grundsatz anzuerkennende Interesse des Gläubigers, sich vor Vermögensverlagerungen vom Schuldner auf einen Angehörigen zu schützen oder Vorsorge für zukünftigen Vermögenserwerb zu treffen (vgl dazu auch Herrmann DStR 1997, 1691), ändert grds an der Sittenwidrigkeit der Bürgschaft nichts. Es lässt sich durch eine entspr vertragliche Gestaltung absichern. Sofern nichts anderes wirksam vereinbart ist, führt eine vertragliche Anerkennung dieses Interesses im Normalfall dazu, dass der Anspruch des Gläubigers gegen den Angehörigen entspr der Einschränkung der Haftung erst im Zeitpunkt des Vermögenserwerbs fällig wird (BGH 128, 230, 235f; 134, 325, 328ff; NJW 2000, 362; 151, 34); mit dieser Einschränkung verstößt die Mithaftung in einem solchen Fall nicht gegen § 138 I (aM für den Fall der Vorsorge gegen eine Vermögensverschiebung Tiedtke NJW 2001, 1015, 1023 mwN). Erforderlich ist aber grds eine ausdr vertragliche Haftungsbeschränkung auf diesen Fall; eine stillschw, allenfalls durch Auslegung als schlüssiges Verhalten feststellbare Haftungseinschränkung genügt dagegen nicht; das gilt auch – entgegen der früheren Rspr (BGH NJW 1999, 58; vgl auch H. Palm/A. Arnold

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Vorlagebeschluss NJW 1999, 2584ff; eingehend dazu Tiedtke NJW 1999, 1209, 1210ff) – für die vor dem 1.1.1999 übernommenen Bürgschaften (BGH 151, 34 und 2002, 2230, 2231 – XI. ZS, insoweit ausdr abw von der Auffassung des vormals für das Bürgschaftsrecht zuständigen IX. ZS; BGH NJW 2002, 2634, 2635). – Fehlt eine vertragliche Anerkennung, dann genügt das behauptete Interesse des Gläubigers nach der Rspr nicht mehr, um eine den Angehörigen überfordernde Bürgschaft mit den guten Sitten für vereinbar zu halten (krit dazu Tonner JuS 2000, 17, 21f; Reinicke/Tiedtke NJW 1995, 1449 und Wochner BB 1996, 1405). Die Wahrung berechtigter Interessen des Gläubigers muss sich iÜ in den Grenzen des bei Vereinbarung der Bürgschaft nach Berücksichtigung des Wertes sonstiger Sicherheiten verbleibenden Restrisikos halten (vgl dazu Vorlagebeschluss BGH NJW 1999, 2584, 2587 mwN). Ein etwaiges Interesse des Gläubigers, den Hauptschuldner durch die Mitverpflichtung des Ehegatten vor finanzieller Überforderung durch diesen zu schützen, wird idR nur vorgeschoben sein und kann jedenfalls ggü einem objektiven Missverhältnis der Verpflichtung ggü der Leistungsfähigkeit des bürgenden (mithaftenden) Ehegatten kein ausgleichendes Gewicht beanspruchen (BGH NJW 1997, 1775). Letztlich wird es vielfach ratsam sein, den Höchstbetrag der Bürgschaft für den Fall unveränderter Vermögens- und Einkommensverhältnisse dem Leistungsvermögen des Bürgen anzupassen (vgl Wiedemann JZ 1994, 413, der für Nichtkaufleute generell die Festlegung eines Höchstbetrags fordert). Eine etwaige Verletzung von Aufklärungspflichten ggü dem Bürgen führt nicht ohne weiteres zur Sittenwidrigkeit. Sie kann aber einen Anspruch wegen Verschuldens beim Vertragsschluss rechtfertigen, mit dem sich die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft abwehren lässt. Ungefragt soll der Gläubiger jedoch idR nicht verpflichtet sein, sich über seine Einschätzung des Bürgenrisikos zu äußern (BGH 125, 206; WM 1966, 944; NJW-RR 1986, 210; NJW 1988, 3205; 1989, 1605; 1994, 2146; zu Recht krit dazu Tiedtke JZ 1994, 910 mwN; Schmidt-Salzer zu BGH 125, 206 in LM § 765 Nr 91; von einer stärkeren Aufklärungspflicht geht wohl BGH NJW 1996, 1274, 1276 aus). Die sittlichen Mindestanforderungen, die im Rechtsverkehr bei der Vereinbarung von Bürgschaften an den Gläubiger zu stellen sind, gelten uneingeschränkt nicht nur für Kreditinstitute, sondern auch für andere Kreditgeber mit einem wirtschaftlichen Übergewicht, darunter auch (vgl BGH NJW 2002, 746, 747 = WM 2002, 125) für andere „Unternehmer“ iSd Verbraucherkreditrechts (vgl § 491) sowie für die öffentliche Hand als Gläubiger (BGH NJW 1997, 257; NJW 1997, 1774 – für Mithaftung bei einem öffentlichen Eigenkapitalhilfedarlehen). Dagegen hat der BGH (NJW 1998, 2138, 2140) die Anwendung der für Angehörigenbürgschaften entwickelten Grundsätze zugunsten einer leistungsschwachen Gemeinde offengelassen. 92

P Bürgschaft von Ausländern. Die zur Sittenwidrigkeit der Bürgschaft von Angehörigen entwickelten Grundsätze sind – soweit deutsches Recht gilt – auch auf Ausländer anzuwenden (BGH NJW 1997, 3230).

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P Bürgschaft von Kindern. Die Bürgschaftsübernahme durch Minderjährige bedarf der Genehmigung des VormG (§§ 1643 I, 1822 Nr 10); das verhindert gemeinhin für diese Gruppe sittenwidrige Verträge. Für Bürgschaften von erwachsenen Kindern, die noch in der Ausbildung oder am Beginn des Berufslebens stehen und finanziell unselbständig sind, war die Berechtigung eigener Maßstäbe, die von den Kriterien für die Beurteilung von Bürgschaften anderer Angehöriger abweichen, umstr (vgl dazu Vorlagebeschluss BGH NJW 1999, 2584, 2585f mwN). Heute wird in den Kriterien der Sittenwidrigkeit zw Kindern und sonstigen Angehörigen grds nicht mehr unterschieden. Aus der bisherigen Rspr ergeben sich aber für die Beurteilung von Kinderbürgschaften im Wesentlichen folgende zusätzliche Gesichtspunkte: Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist grds isoliert von der der Eltern zu betrachten, weil sie mit den Eltern keine dauernde Wirtschaftsgemeinschaft bilden (BGH NJW 1994, 1341; 1996, 1274; 1997, 52). Bei der Prognose zur Leistungsfähigkeit ist mangels konkreter gegenteiliger Anhaltspunkte anzunehmen, dass solche Kinder weder über nennenswertes Vermögen noch über erhebliche Einkünfte verfügen (BGH 125, 206; NJW 1994, 1341). Wer von einem solchen jungen Erwachsenen für einen Kredit an einen Elternteil oder dessen Unternehmen eine Bürgschaft entgegennimmt, muss – auch wenn es an einer krassen Überforderung fehlt – von folgender Grundsituation ausgehen (BGH 125, 206; NJW 1997, 52ff; dazu Bülow in LM § 765 Nr 110): Kinder in der Ausbildung haben gewöhnlich keinen umfassenden Einblick in die wirtschaftliche Situation, in der es zur Gewährung des verbürgten Kredits kommen soll. Sie sind auf Informationen der Eltern oder Dritter angewiesen. Schon das erschwert ein eigenständiges Urt über die Chancen und Risiken des Geschäfts. Zudem fehlt jungen Erwachsenen in dieser Lebensphase vielfach noch die für eine kritische Bewertung nötige Lebens- und Geschäftserfahrung. Auf die Verwendung und die Rückzahlung des Kredits durch den Schuldner haben sie kaum Einfluss. Eine Bürgschaft belastet den jungen Erwachsenen – unterschiedlich nach Höhe und Laufzeit – in die Zukunft hinein. Sie beschränkt damit die zukünftigen eigenen wirtschaftlichen Dispositionsmöglichkeiten mehr oder minder stark. Im wohlverstandenen Interesse des jungen Erwachsenen in der Ausbildung liegt es in aller Regel, eine bei vernünftiger Abwägung nicht vertretbare Belastung seiner zukünftigen wirtschaftlichen Lage und Gestaltungsfreiheit möglichst zu vermeiden, sie zumindest gering zu halten. Wenn er auf diesem Hintergrund gleichwohl eine Bürgschaft übernimmt, handelt er zumeist gegen sein eigenes Interesse. Das gilt bei einer unvertretbaren Höhe der Bürgschaft selbst dann, wenn er auf die Dauer in das kreditnehmende elterliche Unternehmen eingebunden werden soll (BGH NJW 1997, 52) oder wenn er vielleicht einmal ein größeres Vermögen erben wird (BGH 125, 206). Entscheidend für die Bereitschaft zur Übernahme der Bürgschaft ist bei jungen Erwachsenen in dieser Lage fast immer nicht das Eigeninteresse, sondern die wirtschaftliche und soziale Abhängigkeit von den Eltern, denen sie sich emotional verbunden und verpflichtet fühlen und denen sie helfen wollen. Wenn Eltern eine solche Bürgschaft veranlassen oder hinnehmen, handeln sie regelmäßig gegen ihre Pflicht zu Beistand

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und Rücksichtnahme (§ 1618a), auch wenn sie keinen Druck auf das Kind ausüben (BGH NJW 1994, 1341; 1997, 53). Ein Kreditgeber, der die finanzielle Abhängigkeit des Kindes von den Eltern sowie die voraussichtliche wirtschaftliche Überforderung durch die Bürgschaft kennt oder – etwa durch eine Bonitätsprüfung – erfahren kann und in dieser Grundsituation eine Bürgschaft des Kindes entgegennimmt oder gar fordert, handelt sittenwidrig. Er kann nicht von einer ruhig überlegten, eigenverantwortlich getroffenen Entscheidung des Kindes ausgehen. Es ist seine Sache, diese regelmäßig bestehenden Bedenken in geeigneter Weise durch Aufklärung des Sachverhalts und Information auszuräumen. Ein Eigeninteresse des Gläubigers, sich vor Vermögensverlagerungen auf das Kind zu schützen, reicht dafür wegen der Möglichkeit einer entspr vorsorgenden Vertragsgestaltung nicht aus (BGH NJW 1997, 52). Erst recht spricht es gegen eine Vereinbarkeit einer Bürgschaft mit den guten Sitten, wenn Elternteile als Hauptschuldner auf das Kind unangemessenen Druck ausüben und der Gläubiger dies zumindest erkennt (BGH NJW-RR 1997, 1199) oder wenn ein Mitarbeiter des Kreditgebers Tragweite und Risiko der Bürgschaft ggü dem jungen Erwachsenen verharmlost (BGH NJW 1994, 1341). Andererseits kann ein in der Überprüfung abgesichertes Eigeninteresse des jungen Erwachsenen an dem Geschäft letztlich zum Ausschluss der Sittenwidrigkeit führen (BGH 125, 206; zweifelnd Tiedtke JZ 1994, 909). – IÜ gelten die allg für Angehörigenbürgschaften entwickelten Grundsätze für Bürgschaften von Kindern entspr (BGH 125, 206; NJW 1994, 1341; 1997, 52). P Bürgschaften anderer natürlicher Personen (Arbeitnehmer, Gesellschafter, Organpersonen von 94 Gesellschaften). Ob und inwieweit die Rspr für die Vereinbarkeit von Bürgschaften anderer Personen mit den guten Sitten von grds anderen Gesichtspunkten als bei Bürgschaften von Angehörigen ausgeht, ist bislang allg nicht sicher abzuschätzen. Anerkannt ist inzwischen wegen der vergleichbaren Abhängigkeit die weitgehende Anwendung der für die Bürgschaften von Angehörigen entwickelten Grundsätze, wenn Arbeitnehmer für Kreditverpflichtungen ihres Arbeitsgebers eine Bürgschaft übernehmen (Ausnahme vor allem: Keine Vermutung der Ausnutzung einer emotionalen Verbundenheit bei krasser Überforderung des Bürgen; vgl BGH 156, 302; KG MDR 1998, 334; vgl ferner: Pape NJW 1997, 984; Siller/Kohlhase EWiR 2002, 613; Tiedtke NJW 2005, 2498, 2499). Eine formularmäßige Bürgschaft des Arbeitnehmers zur Sicherung aller künftigen Forderungen aus dem eigenen Arbeitsverhältnis ist iÜ schon nach AGB-Recht unangemessen und daher unwirksam (BAG NJW 2000, 3299; vgl auch Zweibrücken NJW-RR 2005, 1652); andernfalls käme auch insoweit § 138 I in Betracht. Für Geschäftsführer einer GmbH als der eigentlichen Kreditschuldnerin und für die GmbH-Gesellschafter ist bislang die Anwendung der Grundsätze für Angehörigenbürgschaften überwiegend abgelehnt worden (BGH 137, 292; 137, 329, 336; NJW 1996, 1341; NJW-RR 1997, 1381; NJW 2000, 1179; ZIP 2002, 167; NJW 2002, 956; 2002, 1337; NZG 2003, 288; LG Zweibrücken NJW-RR 1995, 311; vgl auch LG Berlin NJW-RR 1996, 1140: Anwendung in einem besonderen Ausnahmefall; ferner BGH NJW 1994, 2146 = LM § 765 Nr 94/95 (Grunewald). Grds gilt das auch für einen Kommanditisten, der eine Bürgschaft für eine Verbindlichkeit der KG übernimmt (BGH NJW 2002, 2634, 2635) und für einen Minderheitsgesellschafter, der nicht an der Geschäftsführung beteiligt ist (Ausnahme: Bagatell- oder Splitterbeteiligung, vgl BGH NZG 2003, 288). Wenn Hauptgläubiger eine Gesellschaft ist, an der der bürgende Ehegatte als Gesellschafter beteiligt ist, lässt auch eine krasse wirtschaftliche Überforderung nur ausnahmsweise den Schluss zu, der Bürge habe seine Verpflichtung aus einer unterlegenen Position heraus übernommen (BGH NJW 1997, 1980; NJW 1998, 894). Allerdings kann auch bei Gesellschaftern oder Organpersonen von Gesellschaften im Einzelfall in ähnlicher Weise wie bei Angehörigenbürgschaften eine von einer emotionalen Bindung geprägte Konfliktsituation bestehen, die den Bürgen schutzbedürftig macht (vgl BGH 137, 329, 336; NJW 2002, 1337, 1338). So hat der BGH (NJW 1997, 1980; dazu Lorenz NJW 1997, 2578) für einen zugleich bei der Hauptschuldnerin angestellten GmbH-Minderheitsgesellschafter, dessen Leistungsfähigkeit weit überschritten war, ähnlich wie bei der Beurteilung von Angehörigenbürgschaften argumentiert und Sittenwidrigkeit bejaht. Dasselbe soll gelten, wenn ein Angehöriger ohne eigenes wirtschaftliches Interesse aus persönlicher Verbundenheit als Strohmann-Gesellschafter in eine GmbH oder eine KG eintritt und die persönliche Mithaftung für deren Verbindlichkeiten übernimmt und dem Kreditgeber die auf eine emotionale Abhängigkeit hinweisenden Umstände bekannt sind (BGH NJW 1998, 597; NJW 2002, 956, 279; NJW 2002, 1337 – für GmbH; NJW 2002, 2634, 2635 – für KG). Die für Angehörigenbürgschaften entwickelte widerlegliche Vermutung zulasten des Kreditgebers greift hier jedoch nicht ein; vielmehr muss der Bürge die Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit beweisen (BGH ZIP 2001, 1954; NJW 2002, 956 und 1337, 1338; 2002, 2634; NJW-RR 2002, 1130; Tiedtke EWiR 2002, 197f). Für den Nachw können die zu Angehörigenbürgschaften gemachten Ausführungen über erschwerende Umstände, die – unabhängig von der emotionalen Bindung des Bürgen an den Hauptschuldner – eine Bürgschaft bei einem Missverhältnis zw Verpflichtung und Leistungsfähigkeit sittenwidrig machen können (etwa Ausnutzung mangelnder Erfahrung oder einer deutlichen Verhandlungsunterlegenheit; Einsatz unangemessener Mittel), herangezogen werden (BGH NJW 2002, 956, 957 und 2634, 2635 mwN). P Bürgschaft/Einzelfragen. Das Verbot einer Verfallabrede (§ 1149) lässt sich auch über § 138 I 95 nicht auf einen Bürgschaftsvertrag übertragen (BGH 130, 101). I Erg zu einer Einschränkung des Wirkungsbereichs von § 138 I bei der Bürgschaft führt die ebenfalls neuere Rspr des BGH zur Unwirksamkeit formularmäßig zu weit gefasster Zweckerklärungen nach dem AGB-Recht. Wird eine Bürgschaft aus einem bestimmten Anlass übernommen (etwa Erwerb eines Hausgrundstücks) und geht die formularmäßige Bürgschaftserklärung über die aus diesem Anlass erwachsenen Verpflichtungen des Hauptschuldners hinaus (etwa Bürgschaft für alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten des Hauptschuldners ohne sachliche Einschränkung), so kann die Bürgenhaftung gem §§ 305c ff auf die Kreditschuld aus dem konkreten Anlass zu beschrän-

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§ 138

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

ken sein; eine weitergehende Verbürgung wäre möglicherweise auch gem § 307 unwirksam (BGH 126, 174; 130, 19; BGH 132, 6; NJW 1995, 190; 1996, 1470; NJW 1996, 2369; BGH 137, 153; 1998, 2815; 1998, 3708 =; BGH 143, 95; BGH 151, 374). Bei einer nach § 307 unzulässigen formularmäßigen Ausdehnung der Bürgenhaftung für einen offenen Kontokorrentkredit kommt die Rspr mit Hilfe einer erg Vertragsauslegung ebenfalls zu einer Haftungsbeschränkung (BGH NJW 1998, 450). Der Bürgschaftsvertrag bleibt in diesen Fällen, soweit nicht besondere sittenwidrige Umstände hinzutreten, (nur) in dem beschränkten Umfang wirksam. Zum unwirksamen Ausschluss der Einrede der Aufrechenbarkeit des Bürgen in AGB: BGH 153, 293 und dazu: Habersack JZ 2003, 845. IÜ lehnt die Rspr bislang aber eine geltungserhaltende Reduktion von Bürgschaftsverträgen, die durch Übermaß sittenwidrig sind, ab (BGH NJW 1997, 52, 54; Düsseldorf BB 1997, 118; Koblenz BB 1997, 118). Bei Teilnichtigkeit kommt jedoch unter den Voraussetzungen von § 139 die Aufrechterhaltung des von der Sittenwidrigkeit nicht betroffenen Teils der Verpflichtung in Betracht (BGH 146, 36; krit dazu Kulke ZIP 2001, 985, 990ff). Zur Erstreckung der Sittenwidrigkeit einer Erstbürgschaft auf eine für sich genommen nicht zu beanstandende Zweitbürgschaft vgl Köln ZIP 2002, 844; LG Bremen NJW 1996, 1544. Die Änderung der Rspr zur Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft wurde bislang nicht als hinreichende Grundlage für eine mit Sittenwidrigkeit der materiellen Forderung begründete Vollstreckungsgegenklage gegen eine bereits titulierte Bürgschaftsforderung und im Allg auch nicht für eine auf § 826 gestützte Klage gegen die Vollstreckung angesehen (BGH 151, 316; Köln NJW-RR 2001, 139; dazu krit Tiedtke NJW 2003, 1359, 1360f m überzeugender Argumentation und Wesser NJW 2001, 475; ferner Stuttgart NJW 1996, 1683; krit dazu Melzer NJW 1996, 3192; anders Nürnberg ZIP 1999, 918 und LG Köln ZIP 1999, 920; vgl auch Pape NJW 1997, 982). Die bisherige Praxis wird sich so nicht mehr halten lassen, seit das BVerfG (am 5.12.2005, vgl BVerfG 115, 51) entschieden hat, dass die Vollstreckung gegen einen rechtskräftig zur Zahlung verurteilten Schuldner verfassungswidrig ist, wenn das zugrunde liegende Urt auf der Auslegung und Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe beruht, die vom BVerfG für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden sind (dazu: Brehm JZ 2006, 968; Ernst ZVI 2006, 558; Haas EuGRZ 2006, 174; Raab KTS 2006, 299). Die zur Bürgschaft entwickelten Grundsätze lassen sich vielfach, aber nicht generell auf andere Rechtsgeschäfte, in denen ein Dritter ohne Gegenleistung neben dem Hauptschuldner Leistungs-, Sicherungs- oder Garantiepflichten übernimmt (etwa Mitschuldnerschaft, Schuldbeitritt, Verpflichtung zur Bestellung von Sicherheiten, Garantievertrag), übertragen; vgl dazu Rn 155 „Schuldbeitritt“. 96

P Darlehensverträge und sonstige Kreditgeschäfte. Bei Kreditwucher wird das Darlehensgeschäft idR schon nach § 134 iVm § 291 I 1 Nr 2, 3 StGB unwirksam sein. Die Anwendung von § 138 II ist aber nicht ausgeschlossen (Bsp: BGH NJW 1994, 1275 = LM § 138 [Ba] Nr 4 [Grunewald]). Das nachfolgend zum auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung im Rahmen von § 138 I Gesagte gilt im Rahmen von § 291 StGB auch beim Kreditwucher. – Bei der Anwendung von § 138 I auf Kreditgeschäfte sind zu unterscheiden: Verbraucherkreditverträge; Kreditverträge zw gewerblichen oder beruflichen Darlehensgebern und Kaufleuten, Freiberuflern und sonstigen im Geschäftsleben stehenden Darlehensnehmern; Kreditverträge von sonstigen Darlehensgebern (Gelegenheitsdarlehen). Das Problem der Sittenwidrigkeit von Verbraucherkreditverträgen hat sich für die Rechtspraxis durch die Schutzwirkung des VerbrKrG und der mit der Schuldrechtsreform an seine Stelle getretenen Bestimmungen (§§ 491ff) sowie durch die seit Jahren gefestigte Rspr (vgl dazu Steinmetz NJW 1991, 881) deutlich entschärft. Ein Verbraucherkreditvertrag ist nach § 138 I sittenwidrig, wenn zw der geschuldeten Leistung des Kreditnehmers und der Gegenleistung des Kreditgebers ein auffälliges Missverhältnis besteht und der Kreditgeber entweder die schwächere wirtschaftliche Lage des Kreditnehmers bei der Festlegung der Vertragsbestimmungen bewusst zu seinem Vorteil ausnutzt oder sich leichtfertig der Erkenntnis verschließt, dass der Kreditnehmer sich nur wegen seiner ungünstigen Lage auf die für ihn belastende Kreditregelung einlässt (BGH 80, 160; NJW 1995, 1020; allg hierzu Kohte JuS 1984, 509, 510f, 514ff; krit zur Entwicklung der Rspr H.P. Westermann NJW 1997, 1, 5f). Das Missverhältnis zw Leistung und Gegenleistung ist in erster Linie durch einen Vergleich zw dem effektiven Jahreszins als Vertragszins (BGH BB 1975, 1129) und dem zZ der Kreditgewährung marktüblichen Zins (BGH NJW 1983, 1420) festzustellen. Erg kommt es auf die Vertragsgestaltung insgesamt an. Zu der Gesamtbelastung (= Gesamtkreditkosten) gehören neben den vereinbarten eigentlichen Zinsen auch die sonstigen Kreditkosten wie Bearbeitungs- und Verwaltungsgebühren sowie Inkassospesen (vgl § 6 III PAngV sowie zum alten Recht BGH NJW 1979, 805 und 808; 1980, 2074 und 2076; 1982, 2433). Bei Einschaltung eines Kreditvermittlers muss auch dessen Vermittlungsprovision einbezogen werden. Selbst wenn diese vom Darlehensnehmer aufgrund einer besonderen Vereinbarung direkt an den Vermittler gezahlt wird, ist sie – entspr dem Additionsgedanken des § 291 I S 2 StGB – den Kreditkosten hinzuzurechnen (BGH 104, 102; NJW 1987, 181; 1987, 2220; 1988, 1659; 1988, 1661; 1990, 1048; aA Canaris ZIP 1980, 709, 718; Kozio AcP 188, 183, 214f). Sofern auch der Darlehensgeber dem Vermittler eine Provision zahlt und diese auf den Darlehensnehmer umlegt („packing“), erhöht sie ebenfalls den Effektivzins, zumal die Einschaltung eines Kreditvermittlers im überwiegenden Interesse der darlehensgewährenden Bank liegt, die sich Aufwendungen für Zweigstellen und für die Kundenbetreuung erspart (BGH 80, 167; NJW 1988, 1662; WM 1989, 167). Etwas anderes kann gelten, wenn der Vermittler vornehmlich im Interesse des Kunden – etwa wegen seiner schwachen Bonität – oder ohne Kenntnis des Kreditgebers eingeschaltet wurde (BGH NJW 1987, 181; NJW-RR 1989, 303; WM 1987, 1331; Köln ZIP 2002, 563 m Anm Vortmann EWiR 2002, 556).

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Willenserklärung

§ 138

Ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung liegt idR vor, wenn der effektive Jahreszins den Marktzins um rund 100 % übersteigt (BGH 104, 102, 105; 110, 336, 338f; NJW 1991, 834; NJW 1995, 1019 und 1146). Diese Grenze ist allerdings nur ein Regelwert; entscheidend ist im Einzelfall eine Gesamtwürdigung aller Kreditbedingungen und Geschäftsumstände (BGH 104, 105; 110, 336, 338f; NJW 1988, 696; 1988, 818; 1988, 1661; Canaris NJW 1978, 1895; Reifner DB 1984, 2179). So reicht in einer Hochzinsphase (Marktzins über 13 %) eine geringere Überschreitung aus, um ein auffälliges Missverhältnis zu bejahen; BGH 104, 102; ZIP 1990, 499); in einer Niedrigphase (unter 9 %) ist dazu eine höhere Überschreitung erforderlich (vgl BGH WM 1988, 654; 1989, 1719; NJW 1991, 834 = BB 1991, 297; Hamm NJW-RR 1993, 1326). Bei einem Schuldner mit schwacher Bonität ist auch das bestehende besondere Rückzahlungsrisiko zu berücksichtigen (BGH NJW-RR 1990, 1199). Zum Zinsvergleich bei Umsatzbeteiligung Stuttgart NZG 2001, 750. Bejaht worden ist ein grobes Missverhältnis im Einzelfall schon bei Überschreitungen um 60,403 % (Oldenburg VuR 1988, 200), 67,64 % (Frankfurt WM 1985, 116), 87,79 % (Koblenz ZIP 1984, 571), 91 % (BGH NJW 1982, 2433), 98,2 % (Schleswig WM 1985, 882), bei ca 24 % Effektivzins und 11,3 % Marktzins (vgl Stuttgart WM 1985, 643), bei 26,73 % Effektivzins und 14,01 % Marktzins (Celle WM 1985, 995) und bei einem mindestens 12 % (absolut) über dem Vergleichszins liegenden Effektivzins (KG MDR 1985, 582). Sittenwidrig ist auch der Effektivzins eines Kfz-Finanzierungsleasingvertrags, der um 91,18 % den Marktzins bei Ratenkreditverträgen übersteigt (Karlsruhe DB 1986, 107). Für sittenwidrig gehalten wurden schon früher ein Geschäftskredit zu 40 % (BGH WM 1971, 857), ein Ratenkredit zu 54 % (BGH WM 1976, 423), zu über 35,2 % (BGH NJW 1979, 2090, bei erschwerenden Umständen), zu fast 29 % (Köln NJW 1979, 554) und zu 25,37 % (LG Bielefeld BB 1980, 14). Zumindest ein starkes Indiz für ein auffälliges Missverhältnis sieht die Rspr in einem absoluten Zinsunterschied zw Vertragszins und Marktzins von 12 oder mehr Prozentpunkten (BGH 110, 336, 5; zur Abgrenzung bei 11,5 Prozentpunkten Unterschied: BGH WM 1989, 1675). Kein auffälliges Missverhältnis nimmt die Rspr iÜ im Regelfall bei einem relativen Zinsunterschied von bis zu 90 % an (BGH 99, 333, 336; 104, 102, 105f; 110, 336, 338; NJW 1988, 1661; 1989, 829; Düsseldorf NJW-RR 1987, 1335). Verneint worden ist eine Sittenwidrigkeit bei einer Vergleichszinsüberschreitung von 37,36 % (Hamm WM 1985, 1338), 53,79 % (KG WM 1985, 15f), 61,95 % (Hamm WM 1986, 286), 62,98 % (Frankfurt WM 1985, 1104), 70,75 % (Hamburg WM 1984, 1445), 72,88 % (Düsseldorf WM 1985, 17) und 77,2 % (Hamm WM 1985, 1524). Als effektive Zinssätze wurden für zulässig erachtet 29,96 % (für Ratenkredit, Köln NJW 1979, 221), 27,33 % (Frankfurt MDR 1978, 139), 26,16 % (KG WM 1980, 73), 24,68 % (BGH NJW 1979, 541f), 24 % (Köln NJW 1968, 1934) und 22 % (BGH DB 1980, 251). Da bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit des Vertrags sämtliche Kreditbedingungen zu berücksichtigen sind, kann Sittenwidrigkeit trotz eines für sich allein hinnehmbaren Effektivzinses gegeben sein, falls noch weitere Belastungen hinzutreten. Das ist etwa der Fall, wenn aE der Kreditlaufzeit eine (überaus hohe) Ballonrate zu zahlen ist, damit zu rechnen war, dass der Kreditnehmer sie nicht würde aufbringen können, und der Kreditgeber sich dieser Erkenntnis leichtfertig verschloss (Karlsruhe NJW-RR 1987, 299; Köln ZIP 1985, 22f; anders, wenn eine künftige Zuwendung an den Kreditnehmer in den Tilgungsplan einbezogen worden ist: BGH NJW 1989, 829). Gewürdigt werden können ferner falsche Angaben über den Effektivzins (BGH NJW 1980, 2302; 1982, 2437; Frankfurt WM 1985, 116) und eine unangemessene Häufung übermäßiger Belastungen im Fall des Zahlungsrückstandes des Darlehensnehmers (BGH 80, 171), zB Fälligkeit des Restsaldos auch bei unverschuldetem teilw Zahlungsrückstand von weniger als zwei Monatsraten (BGH 96, 191), Verzugszinsenberechnung vom Gesamtkreditbetrag ohne Gebührenrückerstattung (BGH NJW 1982, 2433; 1988, 679; vgl auch BGH NJW-RR 1989, 1320) oder die unangemessene Höhe der Verzugszinsen (zum angemessenen Verzugszins BGH NJW 1988, 1967; 1971) oder der Prämie für die Restschuldversicherung (Emmerich JuS 1988, 927). Die Vereinbarung eines Kontokorrents für die Abrechnung des Kredits stößt ebenfalls auf starke Bedenken, da der Kreditnehmer wegen des Anfalls von Zinseszinsen stark belastet wird, sobald er mit seinen Zahlungen in Rückstand gerät (vgl BGH BB 1991, 294; Wahl VuR 1987, 241; aA Canaris WM 1987, Sonderbeil 4). Auch übermäßige Straffolgen bei unzutreffender Selbstauskunft (BGH NJW 1980, 2078) oder die (unwirksame: BGH NJW 1986, 46) Schufa-Klausel können berücksichtigt werden. Dasselbe gilt für Vertragsbedingungen, die als AGB möglicherweise unwirksam sind (BGH NJW 1987, 183; 1988, 696; Bruse BB 86, 478). Bei der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen ist auch das für den Gläubiger nach den ihm gewährten Sicherheiten verbleibende Ausfallrisiko (BGH NJWRR 1989, 1068; 1990, 1199; BB 1990, 1510). Die Sittenwidrigkeit kann sich auch daraus ergeben, dass die Kreditgewährung von der Umschuldung günstigerer Altdarlehen abhängig gemacht wird (BGH 104, 102; NJW-RR 1991, 502). Umschuldungsnachteile sind bei der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen (BGH NJW 1988, 818; NJW-RR 1991, 502; Stuttgart NJW-RR 1988, 427). Dagegen kann ein Sittenverstoß nicht allein daraus gefolgert werden, dass ein durch den neuen Kredit abzulösender Vorkredit sittenwidrig war (vgl dazu Canaris WM 1986, 1453; Derleder JZ 1987, 679; BGH 99, 333). Bei interner Umschuldung sind die Ansprüche des Darlehensgebers aber gem § 242 auf dasjenige beschränkt, was bei Berücksichtigung der Unwirksamkeit des ersten Vertrags vereinbart worden wäre (BGH 99, 333; NJW 1990, 1597; NJW-RR 1987, 679; 1988, 363; Köln NJW-RR 1991, 1456). Bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit eines Zusatzkredits sind die Kosten gegenüberzustellen, die entstanden wären, wenn das bisherige Kreditverhältnis ganz beendet und ein neuer Kredit zu marktüblichen Bedingungen aufgenommen worden wäre (vgl BGH BB 1990, 1294). Für die Bejahung der Sittenwidrigkeit ist außer einem objektiven Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung zum subjektiven Tatbestand erforderlich, dass der Darlehensgeber die schwächere wirtschaftliche Lage des Darlehensnehmers bei der Festlegung der Vertragsbestimmungen in verwerflichem Gewinnstreben bewusst zu seinem Vorteil ausnutzt. Hieran ist selbst bei Übererfüllung H. Palm/A. Arnold

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Rechtsgeschäfte

des objektiven Tatbestandes im Prinzip festzuhalten; allerdings kann bei grobem Leistungsmissverhältnis in aller Regel auf die verwerfliche Gesinnung geschlossen werden (tatsächliche Vermutung; vgl BGH 98, 178; NJW 1979, 758; 1984, 2292; 1994, 1275 = LM § 138 Ba Nr 13 m Anm Grunewald; NJW 1995, 1022; Rn 16). IÜ reicht es aus, wenn sich der Darlehensgeber als der objektiv sittenwidrig Handelnde zumindest leichtfertig (grob fahrlässig) der Erkenntnis verschließt, dass sich der Darlehensnehmer nur aufgrund seiner wirtschaftlich schwächeren Lage auf die ihn beschwerenden Darlehensbedingungen einlässt (BGH 80, 153, 160; 98, 178; WM 1989, 1461; NJW 1995, 1020). Bei einer Objektfinanzierung durch ein Kreditinstitut muss, um die Sittenwidrigkeit (auch) des Finanzierungsvertrags festzustellen, auch die Kenntnis des Kreditinstituts von der sittenwidrigen Überteuerung des Objekts nachgewiesen werden (Frankfurt BeckRS 2006, 11572 = DB 2006, 1371 L). Auf Sonderformen der Kreditgewährung an Verbraucher – etwa beim Kontokorrentkredit für Privatkunden – ist das zu den Verbraucherkreditverträgen Gesagte unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Kreditgeschäfts sinngemäß zu übertragen (Bsp: BGH NJW 1991, 833; Hamm NJW-RR 1988, 937; Köln WM 1992, 435; LG Bremen NJW-RR 1989, 171; LG Dortmund NJW 1988, 269). Die Rückabwicklung des sittenwidrigen Darlehensvertrags erfolgt nach Bereicherungsrecht (Einzelheiten Bodenbenner JuS 2001, 1172ff). Zur Verzinsung des Rückzahlungsbetrags beachte Rn 25, 27. Der Anspruch des Darlehensnehmers auf Erstattung überzahlter Beträge verjährt in der Frist des § 195. Die für Verbraucherkredite entwickelten Grundsätze lassen sich nicht schematisch auf Kredite für einen Geschäftsbetrieb oder eine freiberufliche Praxis (§§ 488ff) übertragen. Insb gilt das bei Krediten mit ausreichender Absicherung. Auch bei solchen Krediten weist aber eine Überschreitung des Marktzinses um rund 100 % auf ein regelmäßig nicht hinnehmbares Missverhältnis hin. Jedoch greift die tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen nicht ein (BGH NJW 1982, 2767; 1983, 1420; 1987, 181; 1991, 1810; 1995, 1022). – Die Kündigung eines Darlehens mit der Folge, dass durch die Rückführung des Kredits andere Gläubiger einen Nachteil erleiden könnten oder dass ein Unternehmen insolvent werden kann und die im Vertrauen auf das Darlehen leistenden Lieferfirmen geschädigt werden, ist nicht sittenwidrig (BGH NJW 1956, 945; Köln ZIP 2000, 742). Zur Sittenwidrigkeit des Verhaltens einer Bank in besonderen Fällen vgl BGH NJW 2001, 2632 und 2001, 2880. Besonderheiten sind beim Gelegenheitsdarlehen eines nicht gewerbsmäßig/geschäftsmäßig handelnden Darlehensgebers zu berücksichtigen (BGH WM 1990, 1322). Die Vermutung, dass aus einem Leistungsmissverhältnis auf eine verwerfliche Gesinnung geschlossen werden kann, gilt nicht bei einem aus familiärer Verbundenheit gewährten Darlehen (Naumburg BeckRS 2006, 07200 = ZIP 2006, 1485 L) und iÜ nur bei einem krassen Missverhältnis (BGH NJW-RR 1990, 1199; NJW 1991, 1810; 1994, 1275 = LM § 138 [Ba] Nr 4 [Grunewald]; 1995, 1022; vgl auch BGH NJW 1994, 1056). Auch die 100 %-Regel ist nicht uneingeschränkt anwendbar (BGH NJW-RR 1990, 1199; NJW 1994, 1057). Ein absoluter Effektivzins von 28 % rechtfertigt selbst für ein nur mit nachrangigen Sicherheiten ausgestattetes Privatdarlehen noch nicht die Feststellung eines groben Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung (BGH NJW 1994, 1275 = LM § 138 [Ba] Nr 4 [Grunewald]). Zur Vereinbarkeit der vertraglichen Aufhebung von laufzeitgebundenen Darlehensverträgen mit den guten Sitten und zur Höhe der mit der Aufhebung vereinbarten Vorfälligkeitsentschädigung vgl Hamm NJW-RR 1996, 302; München WM 1996, 1132; AG Dortmund WM 1996, 1136; Beckers WM 1991, 2049; Reifner NJW 1995, 86 und 2945; Weber NJW 1995, 2951; Wenzel WM 1995, 1433. Zu Bankgeheimnis und Datenschutz bei der Abtretung von Darlehensforderungen: Beucher/Räther/Stock AG 2006, 277 und Nobbe WM 2005, 1537 mwN. Vgl auch Rn 90 – „Bürgschaft“, Rn 136 „Leasingvertrag“, Rn 155 „Schuldbeitritt von Familienangehörigen“, Rn 166 „Spielbank“ und Rn 195 „Wechsel“. 97

P Dauerschuldverhältnisse und langfristige Vertragsbindungen: Grds steht es im Rahmen der Vertragsfreiheit jedermann frei, bei der rechtsgeschäftlichen Gestaltung seiner Rechtsbeziehungen auch sehr langfristige Bindungen einzugehen (BGH 64, 288). Solche Vertragsbindungen (auch in der Form des Ausschlusses oder der Beschränkung von Kündigungsmöglichkeiten) können aber (unabhängig von einer etwaigen Kartellrechtswidrigkeit, vgl zB Markert WRP 2003, 356) sittenwidrig sein, wenn sie – entgegen den Grundwertungen von Art 2, 12 GG (vgl dazu Rn 120 „Grundgesetz“) – die persönliche, berufliche oder wirtschaftliche Freiheit des Verpflichteten unangemessen einengen. Dabei muss das Maß der Knebelung (Rn 128 „Knebelung“) nicht erreicht sein. Es genügt ein nach Abwägung der beiderseitigen schützenswerten Interessen nicht mehr hinnehmbares Übermaß (BGH NJW-RR 1986, 982). Wann eine zeitliche Bindung unangemessen lang ist, lässt sich sachgemäß nicht allg, sondern nur für den jeweiligen Regelungsbereich unter Berücksichtigung seiner Struktur und der Besonderheiten des Einzelfalles beurteilen; die für bestimmte Fallgruppen entwickelten Grundsätze sind nicht schematisch auf andere Sachverhalte zu übertragen (BGH 64, 288; NJW-RR 1993, 1460; NJW 1995, 2351). Auch sehr langfristige Bindungen können sachangemessen sein, wenn die Vertragsdurchführung nicht unerhebliche Investitionen und Vorhaltekosten voraussetzt; das ist zB für einen Kabelanschluss, einen Wäschereivertrag und einen Wärmelieferungsvertrag angenommen worden (vgl BGH 64, 288, 292; 100, 1; NJW 1993, 1133; NJW-RR 1993, 1460, vgl auch Rn 103 „Energieversorgungsvertrag“). Für die Vereinbarkeit einer langfristigen vertraglichen Bindung mit den guten Sitten kann es auch von Bedeutung sein, wenn der andere Teil seinerseits zum Ausgleich über die Lieferbeziehung hinausgehende verpflichtende Leistungen, insb die Bereitstellung von Kapital und/oder sonstigen Hilfen, übernimmt. Bejaht worden ist Sittenwidrigkeit wegen unangemessener zeitlicher Bindung ua bei Automatenaufstellverträgen (Rn 81 „Automatenaufstellungsvertrag“), bei Bier- und

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Willenserklärung

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Getränkebezugsverpflichtungen (Rn 88 „Bierbezugsvertrag“), bei einem Managementvertrag (BGH WM 1982, 394, 399), bei Tankstellenverträgen (Rn 175 „Tankstellenvertrag“), bei Unterrichts- und Internatsverträgen (BGH 120, 108, 115, 118f; NJW 1985, 2585; vgl Rn 186 „Unterricht/Schule/Aus- und Fortbildung“) sowie bei Wettbewerbsverboten (Rn 196 „Wettbewerbsverbot“). Sehr langfristige Bindungen werden vielfach auch im AGB-Recht als unangemessene Benachteiligung iSv § 307 I gewertet (Bsp: BGH NJW 2003, 886 – Zehnjahreslaufzeit für einen Wartungsvertrag für eine gekaufte Telefonanlage; BGH NJW-RR 2005, 1170 – Zehnjahreslaufzeit für Mietvertrag über Verbrauchserfassungsgeräte; KG NJOZ 2002, 2309 – 25 Jahre Laufzeit für Vertrag über Grundstücksnutzung zur Errichtung und zum Betrieb von Breitbandkabelverteilungsanlagen). Dagegen ist der langfristige Abschluss eines Miet- oder Pachtvertrags im Hinblick auf § 544 idR unbedenklich. Bei einem Handelsvertretervertrag ist der langfristige Ausschluss der Kündigung des Unternehmers nicht zu beanstanden, wenn nicht sonstige sittenwidrige Umstände hinzukommen (BGH NJW 1995,). Ganz besonders bei langfristigen Vertragsbindungen kann es – unabhängig von der Vertragsart – zur Sittenwidrigkeit führen, wenn ein Teil beim Vertragsschluss die Verhandlungsunterlegenheit der anderen Seite in anstößiger Weise ausnutzt und durch einseitige Vertragsgestaltung seine Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchsetzt, ohne dessen Interessen hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich für die langfristige Bindung zu gewähren (so zu § 307 BGB, aber auch zu § 138 zutr: BGH 143, 103ff). Auch eine sehr langfristige dingliche Bindung (etwa: beschränkte persönliche Dienstbarkeit), der kein angemessener Ausgleich ggü steht, kann im Einzelfall sittenwidrig sein. Eine sittenwidrige langfristige Vertragsbindung bewirkt idR keine Gesamtnichtigkeit; vielmehr kommt, soweit die Sittenwidrigkeit sich nicht auch auf den Inhalt der Bindung bezieht, eine Verkürzung der Bindungsfrist auf ein noch hinnehmbares Maß in Betracht (vgl dazu Rn 55 und die Darstellung bei den einzelnen Vertragstypen). Eine geltungserhaltende Reduktion der überlangen Bindung soll allerdings nicht möglich sein, wenn die Zeitdauer der Bindung auch gegen das AGB-Recht (§ 306) verstößt (BGH 143, 103ff). P DDR. Die politische, rechtliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Umbruchsituation nach 98 dem Scheitern des politischen Systems in der DDR und dem Beitritt der mitteldeutschen Länder zur Bundesrepublik hat in erheblichem Umfang auch die Gerichte unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit von Rechtsgeschäften aus der DDR-Zeit und der Übergangszeit beschäftigt. Eine umfassende Darstellung der Rspr der letzten Jahre dazu ist hier nicht möglich. Hervorzuheben sind die nachfolgenden Entscheidungen: Bei Rechtsgeschäften aus der Zeit vor Inkrafttreten des DDR-ZGB (1.1.1976) soll – trotz der Auswirkungen des herrschenden politischen Systems – der Begriff der guten Sitten iSd bis dahin geltenden § 138 aF nach der im Zeitpunkt des Geschäfts in der DDR herrschenden Auffassung ausgefüllt werden (BGH 123, 65, 68; DtZ 1995, 365 – zur schenkweisen Übereignung von Grundstücken an Angehörige, um sie nicht in eine LPG einbringen zu müssen; krit dazu und zu den Feststellungen des BGH über die seinerzeit herrschenden Auffassungen Ranieri JZ 1996, 209ff; wie der BGH zur Frage der Unwirksamkeit von Altkreditverträgen aus der Zeit der DDR nach § 68 ZGB-DDR LG Frankfurt/O WM 1996, 1957). Eine gemischte Schenkung (Übereignung eines Grundstücks gegen Einräumung eines Wohnrechts bei deutlich geringerem Wert des Wohnrechts) verstieß im Jahre 1984 nach den damaligen Maßstäben nicht gegen § 68 ZGB-DDR (Brandenburg DtZ 1997, 364). Bei Grundstücksgeschäften aus der Zeit der DDR scheidet Sittenwidrigkeit wegen eines auffälligen Missverhältnisses zw Leistung und Gegenleistung aus, wenn der vereinbarte – preisrechtlich gebundene – Kaufpreis von einem Sachverständigen ermittelt und preisrechtlich genehmigt worden ist; ein erheblicher Wandel der Wertmaßstäbe nach dem Ende der DDR kann allenfalls ggü noch nicht erfüllten Vertragsansprüchen gem § 242 den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begründen; bei erfüllten Verträgen kommt hingegen auch eine Vertragsanpassung wegen Änderung der Geschäftsgrundlage regelmäßig nicht in Betracht (BGH DtZ 1996, 80; 131, 209; ähnlich Naumburg DtZ 1997, 132). Nichtig gem § 138 I wegen seiner gemeinschaftsschädlichen Wirkung ist ein 1990/1991 zw einer Gemeinde und einem Gemeindemitglied vereinbarter Grundstücksverkauf (vgl dazu Rn 122 „Grundstücksverkehr“) zu einem Preis von 1 DM/qm bei einem Marktwert von 117 DM/qm (Rostock DtZ 1997, 389); dasselbe gilt gem § 68 ZGB-DDR wegen unredlichen, auch mit dem damaligen Haushaltsrecht nicht vereinbarten Verhaltens für den 1990 vereinbarten Verkauf eines Grundstücks zu einem erheblich unter dem Wert liegenden Preis durch ein DDR-Ministerium an einen ehemals höheren Staatsbediensteten (BezG Potsdam DtZ 1994, 33; BGH DtZ 1995, 169). Auf Grundstückskaufverträge, die in der DDR unmittelbar nach Aufhebung der Preisvorschriften geschlossen worden sind, ist grds die Rspr zum wucherähnlichen Rechtsgeschäft (vgl Rn 122 „Grundstücksverkehr“) anzuwenden; allerdings sind vor einem aus dem objektiven Wertverhältnis gezogenen Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung die tatsächlichen Umstände besonders zu würdigen (BGH NJW 2000, 1487). Der Begriff der „Unerfahrenheit“ in § 138 II ist bei Großunternehmen, die in erheblichem Umfang am Wirtschaftsleben teilnehmen, in den neuen wie in den alten Bundesländern einheitlich zu verstehen (BGH NJW-RR 1997, 942). – Vgl ferner BGH 129, 237 zur Sittenwidrigkeit eines von einem Lizenznehmer in der DDR vor deren Zusammenbruch mit einem Lizenzgeber in der Bundesrepublik geschlossenen Lizenzvertrags als wucherähnliches Geschäft; BGH NJW 1995, 1425 zur Sittenwidrigkeit eines auf fünf Jahre geschlossenen Beratervertrags zw einem Unternehmen im Beitrittsgebiet und einem Rechtsanwalt mit Kanzleisitz in den alten Bundesländern; BGH NJW 1995, 1886 zur Sittenwidrigkeit einer von einem DDR-Bürger übernommenen Leasingvertragssicherungsbürgschaft; BGH DtZ 1996, 26 – Übertragung eines DDR-Grundstücks auf Treuhänder; BGH NJW 1996, 1545 – Zweitbürgschaft eines DDR-Bürgers zur Vorteilsrettung aus sittenwidriger Erstbürgschaft; BGH VIZ 2001, 572 – Sittenwidrigkeit eines drei Tage vor der Wirtschafts- und Währungsunion geschlossenen Gerüstbauvertrags.

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Rechtsgeschäfte

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P Diskriminierung von Personen oder Gruppen. Die frühere Diskussion zu nach § 138 unzulässigen Diskriminierungen ist durch das Inkrafttreten des Allg Gleichbehandlungsgesetzes – AGG weitgehend gegenstandslos geworden. Das AGG regelt nunmehr für Beschäftigungsverhältnisse und für den allg Zivilrechtsverkehr umfassend und abschließend die Benachteiligungsverbote und die Rechtsfolgen von Verstößen (Einzelheiten in der Kommentierung zum AGG und zu § 134 Rn 23a). Das Gesetz ist dabei zT über die europarechtlichen Vorgaben hinaus gegangen. Zu einer Normierung noch weiter gehender Benachteiligungsverbote für den rechtsgeschäftlichen Privatrechtsverkehr ist es im Gesetzgebungsverfahren nicht gekommen. Daraus folgt, dass in der Zivilrechtsordnung die Entwicklung von allg eigenständigen Diskriminierungsverboten außerhalb des AGG und ohne besondere gesetzliche Grundlage nicht in Betracht kommt. Dies schließt es freilich nicht aus, dass in einem besonderen Einzelfall ein diskriminierendes Rechtsgeschäft sittenwidrig ist, ohne zugleich einen Tatbestand des AGG zu erfüllen. Als Voraussetzung dafür ist allerdings zu verlangen, dass zu einer Diskriminierung weitere anstößige Umstände hinzutreten, die das Rechtsgeschäft in seinem Gesamtcharakter sittenwidrig machen. Dies wird sich für eine nicht vom AGG erfasste Diskriminierung nur ausnahmsweise unter besonderen Umständen feststellen lassen. Bei der Bewertung eines Rechtsgeschäfts unter diesem Gesichtspunkt ist zu berücksichtigen: Für ein allg Verbot sachwidriger Differenzierung entspr dem an die Träger der öffentlichen Gewalt als Adressaten gerichteten Art 3 I, III iVm Art 1 I, 2 I GG ist jedenfalls über das AGG hinaus in einer auf freie Gestaltung der Rechtsbeziehungen durch Privatpersonen angelegten Privatrechtsordnung grds kein Raum. Eine generelle Aussage darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen gleichwohl die gegen eine Diskriminierung gerichteten Grundwertungen des Europäischen Rechts und des GG nicht bereits vom AGG erfasste Rechtsgeschäfte als sittenwidrig erscheinen lassen könnten, ist noch weniger als in anderen Anwendungsfeldern des § 138 I möglich. Insgesamt wird eine in der Vertragsgestaltung liegende Gruppendiskriminierung einen deutlicheren Hinw auf einen Sittenverstoß enthalten als ein individuelles Geschäft, weil die Gruppendiskriminierung nicht konkret aus der Person des jeweiligen Vertragspartners begründet werden kann. Bei stark individuell geprägten Rechtsgeschäften, vor allem Bereich der persönlichen Lebensführung sowie im Familien- und Erbrecht, wird der Gesichtspunkt der Diskriminierung in der gebotenen Abwägung mit den Freiheitsgrundrechten des Bürgers eher zurückzutreten haben. Besonders gilt das in dem vom Prinzip der Testierfreiheit bestimmten Bereich der Rechtsgeschäfte von Todes wegen (vgl zur Diskriminierung in Ausübung der Testierfreiheit bei letztwilligen Verfügungen BGH NJW 1999, 564, 569). Ein Rechtsgeschäft kann offen durch den Vertragsinhalt diskriminieren (etwa durch eine ggü dem Normalfall ungünstigere Bemessung der Gegenleistung, durch eine insgesamt ungünstigere Vertragsgestaltung oder durch eine offen diskriminierende Begründung eines einseitigen Rechtsgeschäfts, etwa einer Kündigung); praktisch häufiger sind versteckte Diskriminierungen (etwa nach außen anders begründete Kündigung eines Vertrags aus einem diskriminierenden Grund). In solchen Fällen wird regelmäßig erst die Feststellung und Würdigung der Beweggründe das Urt der Sittenwidrigkeit erlauben.

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P Ehe und Familie, Unterhaltsrecht. Aus der Lit: Göppinger/Börger, Vereinbarungen anlässlich der Ehescheidung, 9. Aufl 2009; Langenfeld, Hdb der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen, 6. Aufl 2011; Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, 3. Aufl 2010. Ob eine Ehe geschlossen wird oder nicht, ob man Kinder haben möchte oder nicht, ob eine Ehescheidung betrieben wird oder nicht, haben nach unserer Rechts- und Sittenordnung, insb auch nach den Grundwertungen der Art 1 I, 2 I und 6 GG, ausschließlich und höchstpersönlich die unmittelbar Beteiligten zu entscheiden (von den eherechtlichen Ausnahmefällen der notwendigen Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters und/oder des Gerichts abgesehen); damit unvereinbare Rechtsgeschäfte sind sittenwidrig. Das gilt einmal für alle Verträge mit Dritten, die Verpflichtungen in der einen oder anderen Richtung enthalten, insb für die Vereinbarung einer sog „Zölibatsklausel“ etwa in einem Arbeitsvertrag, die eine Eheschließung generell, auf Zeit oder mit einem bestimmten Partner verbietet (vgl BAG 4, 275). Sittenwidrig sind aber auch Verträge mit Dritten oder einseitige Rechtsgeschäfte Dritter (Bsp: Kündigung eines Arbeits-, Dienst-, Mietvertrags), die nach ihrem prägenden Gesamtcharakter ausschließlich oder vorwiegend dazu dienen, in anstößiger Weise unmittelbar oder mittelbar – etwa durch nachteilige oder belohnende wirtschaftliche Maßnahmen – auf die höchstpersönliche Entscheidung einzuwirken. Freilich ist es nicht zu beanstanden, wenn rechtsgeschäftlich – insb in personenbezogenen Verträgen, etwa in einem Gesellschaftsvertrag, oder in Rechtsgeschäften zur Regelung der Erbfolge – Vorsorge für zukünftige Entwicklungen (Heirat, Wiederheirat, Scheidung, Kinder usw) getroffen wird. Wo die Grenze zw sachlich begründbarer Vorsorge und unzulässiger Einwirkung auf die Entscheidungsfreiheit liegt, ist abstrakt nicht zu beschreiben und letztlich nur in einer Gesamtschau aller Umstände des einzelnen Falles herauszufinden; bei rechtsgeschäftlichen Zuwendungen unter Lebenden oder von Todes wegen muss in der Gesamtschau auch der große Spielraum berücksichtigt werden, den jedermann bei seinen Vermögensdispositionen – etwa durch die Eigentümerrechte und die Testierfreiheit – hat (vgl auch Rn 105 „Erbrecht“). Eine Erbeinsetzung unter der Bedingung, dass der Erbe sich scheiden lasse, soll nicht gegen § 138 verstoßen (BGH LM [Cd] Nr 5); das ist nach der hier vertretenen Grundauffassung bedenklich (vgl Keuk FamRZ 1972, 9; Brox/Walker ErbR Rn 263; Medicus AT Rn 687; Staud/Sack Rn 466; vgl auch unten zum Stichwort „Scheidung“). Sittenwidrig ist die arbeitsvertragliche Verpflichtung, empfängnisverhütende Mittel zu benutzen (BGH NJW 1986, 2043; vgl auch LAG Hamm DB 1969, 2353 – zu § 1324). Sittenwidrig und damit nichtig sind auch Rechtsgeschäfte, die dem Wesen der durch Art 6 GG geschützten Ehe widersprechen (RG 158, 294; BayObLG NJW 1983, 831). Insb gilt das für: einen Ver-

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trag, der (etwa zwecks Täuschung der Ausländerbehörde) eine Scheinehe vorbereiten soll (Düsseldorf FamRZ 1983, 1023); eine Vereinbarung, deren Inhalt der Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 I) zuwiderläuft (zB: Eheversprechen einer verheirateten Person, vgl RG 170, 72, 76 sowie Karlsruhe NJW 1988, 3023, 3024; s dazu auch BayObLG NJW 1983, 831 zu § 11 I Nr 1 lit a StGB; nach RG 105, 245 auch ein Eheversprechen eines bereits mit einer anderen Person Verlobten); einen Vertrag, der eine Verpflichtung zum Getrenntleben enthält (vgl RG 61, 51 und JW 1920, 640); einen Vertrag, der geeignet ist, ein dauerndes Getrenntleben zu fördern oder zu verfestigen und/oder die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu erschweren (vgl RG 158, 297; BayObLG aaO; Düsseldorf FamRZ 1981, 545 m abl Anm Knütel). Nicht mit dem Wesen der Ehe vereinbar sind Vereinbarungen, die eine nach dem Gesetz mögliche Scheidung ausschließen oder wesentlich erschweren, etwa durch eine Abfindungsverpflichtung in existenzvernichtender Höhe oder ein Vertragsstrafeversprechen (BGH 97, 304; NJW 1990, 703; FamRZ 1978, 881; Hamm FamRZ 1991, 443; vgl dazu auch Herb FamRZ 1988, 123; Knütel FamRZ 1985, 1089; aM Hattenhauer FamRZ 1988, 229 und ZRP 1985, 200). Ebenso sittenwidrig ist ein Rechtsgeschäft, das eine nach den gesetzlichen Voraussetzungen nicht zulässige Scheidung ermöglichen soll, etwa eine Absprache über unrichtige Angaben zur Dauer des Getrenntlebens beim FamG. Auch eine Unterhaltsvereinbarung, die ein Ehegatte mit einem Dritten schließt, ist sittenwidrig, wenn sie die wirtschaftliche Grundlage für einen noch nicht gefassten Scheidungsentschluss legen soll (BGH NJW 1951, 269; Soergel/Hefermehl Rn 220). Etwas anderes mag gelten, wenn die Abrede mit dem Dritten lediglich eine Ergänzung der zw den Ehegatten nach § 1585c in zulässiger Weise getroffenen Regelung der Unterhaltspflicht darstellt. Nicht sittenwidrig sind hingegen der Verzicht auf ein bereits entstandenes Scheidungsrecht (BGH 97, 304) sowie eine Vereinbarung, die im Falle der Scheidung der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz eines Ehepartners oder einer angemessenen Wiedergutmachung dient (BGH NJW 1990, 703; WM 1974, 967). Schon während bestehender Ehe und zT auch bereits vor Eheschließung können insb für den Fall der Scheidung wirksame Vereinbarungen zum Unterhalt, zum Sorgerecht für gemeinsame Kinder, zum VersA, zur Hausratsteilung und zum Zugewinnausgleich bis hin zum Verzicht eines Teils getroffen werden, §§ 1378 III, 1408 II iVm §§ 6 und 8 VersAusglG, 1585c, 1671 II. Rechtsgeschäfte mit diesem Inhalt sind nach dem bis vor wenigen Jahren in der Rspr vorherrschenden Verständnis im Normalfall auch dann nicht als Verstoß gegen die guten Sitten gewertet worden, wenn ohne ihren von einem Partner verlangten Abschluss eine Eheschließung oder der Fortbestand der Ehe gefährdet worden wäre oder eine etwaige Scheidung objektiv ermöglicht oder erleichtert wurde (vgl etwa BGH NJW 1997, 192 – für Unterhaltsverzicht und Ausschluss des VersA; BGH NJW 1985, 1833; 1985, 1835; 1990, 703; 1991, 913; 1992, 3164 = LM § 138 [Ca] Nr 23 [Langenfeld] – alle zum Unterhaltsverzicht; NJW 1997, 126 – VersA; NJW 1997, 192 – Unterhalt und VersA; NJW 1997, 2239 – Zugewinnausgleich; s a Diederichsen NJW 1977, 217, 222 – Ehevereinbarungen; Walter NJW 1981, 1409 – Vereinbarungen von Verlobten über einen nachehelichen Unterhaltsanspruch). Insb sollte es für § 138 nicht ausreichen, dass sich der begünstigte Teil von allen Nachteilen einer Scheidung freizeichnet oder dass sich der verzichtende Teil bei Vertragsschluss in einer psychisch schwierigen Lage befand, etwa weil der andere Teil trotz Schwangerschaft die Eheschließung oder in einer Ehekrise die Fortführung der Ehe von dem Verzicht abhängig machte. Demgegenüber verlangt die verfassungsgerichtliche Rspr in jüngster Zeit wie bei der Bürgschaft auch bei Eheverträgen eine strengere Inhaltskontrolle. Sie soll sich an den Schutzpflichten aus Art 2 I und 6 GG orientieren und mit Hilfe zivilrechtlicher Generalklauseln (auch des § 138) den strukturell unterlegenen Vertragsteil (zB eine schwangere Frau, wenn der Mann eine Eheschließung von einem ehevertraglichen Verzicht auf Unterhalt und/oder VersA abhängig macht) vor einer unangemessenen Benachteiligung bewahren (BVerfG NJW 2001, 957; BVerfG NJW 2001, 2248; dazu eingehend und zust: Dauner-Lieb AcP 201, 295ff; ferner, teilw krit: Bergschneider FamRZ 2001, 1337; Büttner/Niepmann NJW 2001, 2215, 2221; Dörr/Hansen NJW 2001, 3230 und NJW 2002, 3140, 3147f; Langenfeld DNotZ 2001, 272; Röthel NJW 2001, 1334; Schubert FamRZ 2001, 733; zur strukturellen Unterlegenheit der Frau einerseits Schwenzer AcP 196, 88, 104ff, andererseits Grziwotz FamRZ 1997, 585, 588f). Im Anschluss an diese verfassungsgerichtlichen Vorgaben hat sich das Gesamtbild der Rspr zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Aus der inzwischen – trotz einiger offener und umstr Punkte – im Wesentlichen gefestigten höchstrichterlichen Rspr lassen sich nach dem heutigen Stand folgende Grundlinien entnehmen (grundlegend BGH 158, 81 zu München NJW 2003, 592; dazu: Dauner-Lieb JZ 2004, 1021; Finger LMK 2004, 108; Henkel JR 2005, 102; Hohloch JuS 2004, 539; Rakete-Dombek NJW 2004, 1273; ferner aus der Rspr der Folgezeit: BGH FamRZ 2004, 1275 – zur Umdeutung eines unwirksamen Ehevertrags; BGH NJW 2004, 2675 – Ehevertrag mit Vereinbarungen zur Berechnung des Unterhalts unter Berücksichtigung einer Abfindungszahlung an den Verpflichteten und Ausschluss des Zugewinnausgleichs; BGH NJW 2005, 137 – Ehevertrag mit Vereinbarung der Gütertrennung, Verzicht auf VersA und Regelungen zum nachehelichen Unterhalt; BGH NJW 2005, 139 – Ausübungskontrolle bei wirksamem Ausschluss des VersA; BGH NJW 2005, 1370 – zur Wirksamkeit eines Ehevertrags zw zwei berufstätigen Partnern, die nicht erwarteten, dass aus der Ehe Kinder hervorgehen würden; BGH NJW 2005, 2386 – Inhaltskontrolle bei Schwangerschaft der Ehefrau; BGH NJW 2005, 2391 – zur Bedeutung der Ranfolge von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen bei der Inhaltskontrolle; BGH NJW 2006, 3142, 3145 – ergangen zu Koblenz FamRZ 2004, 273 betr Unterhaltsverzicht bei Schwangerschaft; BGH NJW 2007, 904 – Unterhaltsverzicht bei Bezug von Sozialhilfe; BGH NJW 2007, 907 – Unterhaltsverzicht einer ausländischen Ehefrau; BGH NJW 2008, 1076 – Verzicht auf Zugewinnausgleich; BGH NJW 2008, 3426 – Ausschluss des VersA bei vereinbarter Hausfrauenehe; BGH NJW 2009, 2124 – Ausschluss des Versorgungsausgleichs):

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In den Entscheidungen wird – wie schon vorher in der Rspr des BGH (vgl einerseits NJW 1991, 913 m Bespr Hohloch JuS 1991, 602 und andererseits NJW-RR 1997, 744) – unterschieden zw einer Wirksamkeitskontrolle, die vor allem nach der Übereinstimmung der getroffenen Vereinbarungen mit den guten Sitten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses fragt, und einer die weitere Entwicklung einschließenden Ausübungskontrolle, die – bei bejahter Wirksamkeit – auf eine an den Geboten von Treu und Glauben ausgerichtete Vertragsanwendung abzielt (vgl auch § 1372 Rn 6; § 1408 Rn 5). Die Wirksamkeitskontrolle muss davon ausgehen, dass (zukünftige) Eheleute in den Grenzen zwingender gesetzlicher Vorgaben grds frei sind sowohl in der eigenverantwortlichen und von ihren eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen geprägten vertraglichen Gestaltung ihres Lebens während der Ehe als auch in Vereinbarungen, die die Rechtsfolgen im Falle des Scheiterns der Ehe regeln. Das Recht gewährt keinen unverzichtbaren Mindestgehalt an Ansprüchen für den Fall einer Scheidung. Bei der Regelung von Scheidungsfolgen darf die vertragliche Gestaltungsfreiheit aber insb nicht dazu führen, dass der in den gesetzlichen Regelungen zu den Scheidungsfolgen angelegte Schutzzweck durch Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Durch die Vereinbarungen darf sich keine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung ergeben, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten – bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Teils und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede – bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint. Erforderlich ist eine Gesamtschau der getroffenen Vereinbarungen, der Gründe und Umstände ihres Zustandekommens sowie der beabsichtigten und/oder verwirklichten Gestaltung des ehelichen Lebens. Die einseitige Belastung des einen Ehegatten wird im Rahmen dieser Gesamtschau um so höher zu gewichten und die Belange des anderen Teils werden um so genauer zu prüfen sein, je unmittelbarer und nachhaltiger die Vereinbarung durch Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift. Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle ist in einer ersten Stufe zu prüfen, ob die Vereinbarung über den Ausschluss oder die Beschränkung einer Scheidungsfolge allein oder im Zusammenhang mit den übrigen ehevertraglichen Regelungen schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig im Scheidungsfall zu einer derart einseitigen Belastung eines der beiden Ehegatten führt, dass ihr schon deshalb – losgelöst von der künftigen Entwicklung in der Ehe – wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die rechtliche Anerkennung versagt werden muss. Für eine solche Einschätzung kann als ein Faktor von Bedeutung sein, ob der benachteiligte Ehegatte sich bei Vertragsschluss in einer Zwangslage befand, die ihn veranlasste, der für ihn ungünstigen vertraglichen Regelung zuzustimmen. Letztlich kommt es aber auch in einem solchen Fall auf eine Gesamtwürdigung der individuellen Verhältnisse bei Vertragsschluss (etwa: berufliche Situation der Vertragschließenden, Einkommens- und Vermögensverhältnisse, geplanter oder bereits verwirklichter Zuschnitt der Ehe; Berücksichtigung etwaiger Kinder) und der unterschiedlichen Stärke der Verhandlungspositionen beider Seiten an. Die Gesamtwürdigung muss sich auch auf die mit der Abrede von den Vertragschließenden subjektiv verfolgten Zwecke und auf die beiderseitigen Motive für das Verlangen nach einer solchen Vertragsregelung einerseits und für die Zustimmung zu der verlangten Vertragsgestaltung andererseits erstrecken. In diesem Rahmen ist es nicht von vornherein zu beanstanden, wenn im Ehevertrag bei Vertragsschluss bereits vorhandene oder erkennbare zukünftige Lebensrisiken eines Partners (etwa: Erkrankung bereits vor der Ehe, als Lebensgrundlage unzureichende Ausbildung, mangelnde Sprachkenntnisse) für den Scheidungsfall aus der Verantwortung des anderen Partners ausgenommen werden. Andererseits ist – im Hinblick auf die gebotene nacheheliche Solidarität – jedenfalls eine völlige vertragliche Freizeichnung des wirtschaftlich stärkeren Ehegatten von einer Verantwortung für den anderen, wirtschaftlich deutlich schwächeren Teil anstößig und nicht hinnehmbar, wenn nach dessen Ausgangssituation (etwa Zuwanderung aus dem Ausland im Zusammenhang mit der Eheschließung, mangelnde Ausbildung, mangelnde Sprachbeherrschung) das Risiko zukünftigen Unterhaltsbedarfs im Falle der Scheidung bekannt oder erkennbar war und in Kauf genommen worden ist. Am deutlichsten ausgeprägt ist in der neueren höchstrichterlichen Rspr die Tendenz, den einseitigen Verzicht eines Teils auf nachehelichen Unterhalt in den Fällen vollständig oder zT als sittenwidrig zu bewerten, in denen sich der Verzicht auf eine ehebedingte Bedürftigkeit erstreckt, etwa Verzicht auf Unterhalt trotz der Betreuung von Kindern (§ 1570). Die Unterhaltspflicht bei Erwerbslosigkeit (§ 1573), den Krankenvorsorge- und Altersvorsorgeunterhalt (§ 1578 II und III) sieht der BGH eher als verzichtbar an. Das geringste Gewicht misst er den Ansprüchen auf Aufstockungs- und Ausbildungsunterhalt (§§ 1573 II, 1575) bei (BGH 158, 81; vgl insgesamt zur Bedeutung der Rangfolge von Unterhaltspflichten für den Verzicht: BGH 158, 81; NJW 2007, 2851, 2853); auf Krankheitsunterhalt (§ 1572) und/oder auf Altersunterhalt (§ 1571; dazu BGH 158, 81; NJW 2005, 2386, 2388; NJW 2005, 2391; NJW 2006, 3142, 3145; Dauner-Lieb AcP 201, 295, 319f). Für die Bewertung eines Verzichts auf einen Teil der in Betracht kommenden Unterhaltsansprüche kann von Bedeutung sein, ob im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nach den gemeinsamen Vorstellungen der Eheleute geplant war und erwartet werden konnte, dass der verzichtende Teil nach Ende der Kinderbetreuung seinen früher ausgeübten Beruf wieder werde aufnehmen können (BGH 158, 81) oder dass mit Fortsetzung der Berufstätigkeit beider Partner gerechnet wurde und Kinder nicht (mehr) zu erwarten waren (BGH NJW 2005, 1370). Ein Verzicht auf die Anpassung der Unterhaltsverpflichtung bei künftigen Einkommenssteigerungen ist idR nicht sittenwidrig (BGH NJW 2007, 2848). – Auch bei einseitigem vollständigen oder teilw Verzicht auf den VersA liegt – insb bei Zusammentreffen mit einem Unterhaltsverzicht – je nach den Einzelumständen (trotz leicht gegenteiliger Tendenz in BGH 158, 81; vgl auch BGH NJW 2005, 139 – Ausübungskontrolle bei wirksamem Ausschluss des VersA; anders zB NJW 2005, 137; NJW 2006, 2331, 2333; dazu Bergschneider FamRZ 2006, 1097; vgl auch NJW 2005, 1194) Sittenwidrigkeit nicht ganz fern. Hingegen wird allein der Verzicht auf einen Zugewinnausgleich, der 380

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nach den gesetzlichen Vorstellungen weniger der Risikovorsorge für den Scheidungsfall als der Teilhabegerechtigkeit dient (krit Dauner-Lieb AcP 210, 580, 600ff), als solcher von der Rspr – wiederum vorbehaltlich einer besonderen Lage im Einzelfall – regelmäßig nicht als sittenwidrig gewertet (vgl etwa: BGH 158, 81; NJW 2004, 2675; 2007, 2851, 2853; 2008, 1076, 1078; 2008, 3426, 3428; Schwab DNotZ 2001, 9, 16). In der Gesamtbewertung tendiert eine vertragliche Regelung der Scheidungsfolgen um so stärker zur Sittenwidrigkeit, als zulasten des sozial und/oder wirtschaftlich schwächeren Teils gesetzliche Ansprüche abbedungen und zusätzliche Pflichten übernommen worden sind (vgl Finger zu BGH 158, 81 in LMK 2004, 108). Ob allein der in einer Schwangerschaft der Ehefrau im Zeitpunkt des Vertragsschlusses liegende Druck einen vollständigen oder teilw Verzicht auf gesetzliche Ansprüche sittenwidrig macht, ist zweifelhaft, solange nicht weitere Umstände hinzukommen, die den Verzicht im Gesamtbild als anstößig und nicht hinnehmbar erscheinen lassen; die Schwangerschaft indiziert jedoch eine ungleiche Verhandlungsposition und eine Disparität beim Vertragsschluss (Bsp: BGH NJW 2005, 2386; 2006, 3142, 3145). Für weitere Scheidungsfolgenvereinbarungen behalten die in der Vergangheit entwickelten Rechtsgrundsätze auch nach dem Wandel der Rspr ihre Bedeutung: Eine für den Fall der Scheidung getroffene Vereinbarung über die Zuweisung des Sorgerechts für gemeinsame Kinder an einen Teil wird nach der früheren Rspr nicht allein dadurch sittenwidrig, dass dieser zugleich den anderen Teil von Unterhaltspflichten ggü den Kindern freistellt (BGH NJW 1986, 1167). Sittenwidrigkeit kommt aber in Betracht, wenn sich eine derartige Vereinbarung – etwa durch Verknüpfung der Freistellung mit einem Verzicht auf die Ausübung des elterlichen Umgangsrechts – bewusst über das Wohl der Kinder hinwegsetzt (vgl BGH aaO; ferner NJW 1984, 1951; Frankfurt FamRZ 1986, 596; s auch Stuttgart NJW 1981, 1743). Sittenwidrig ist ferner der Verzicht auf die elterliche Sorge gegen Entgelt (Hamburg FamRZ 1984, 1223). Eine Scheidungsfolgenvereinbarung kann überdies insgesamt nichtig sein, wenn sie einem Vertragsteil die Zahlung von Schweigegeld für den Fall zusagt, dass wegen einer gemeinschaftlich begangenen Steuerhinterziehung eine Selbstanzeige beim Finanzamt unterlassen wird (Nürnberg NJW-RR 2001, 1587). – Nicht mit den guten Sitten vereinbar ist es schließlich, für die Zeit nach der Scheidung die Freizügigkeit eines Ehegatten durch ein Wohnsitzverbot zu beschränken (BGH NJW 1972, 1414f; vgl dazu auch krit Merten NJW 1972, 1799, und Schwabe NJW 1973, 229). Nicht ohne weiteres nichtig soll dagegen eine Vereinbarung sein, in der sich ein Ehegatte verpflichtet, nach einer Scheidung wieder seinen Geburtsnamen anzunehmen (BGH NJW 2008, 1528, 1529). Ob ein Unterhaltsverzicht schon deshalb sittenwidrig ist, weil bereits im Zeitpunkt der Vereinbarung erkennbar ist, dass der geschiedene Ehegatte sich voraussichtlich nicht selbst wird unterhalten können und deshalb Sozialhilfe in Anspruch nehmen wird, lässt sich bislang nicht zuverlässig beantworten. Der BGH hat in der Vergangenheit Sittenwidrigkeit angenommen, wenn die Vertragschließenden durch die Vereinbarung eines Unterhaltsverzichts bewusst eine Unterstützungsbedürftigkeit zulasten der Sozialhilfe herbeiführen, auch wenn sie eine Schädigung des Trägers der Sozialhilfe nicht gerade beabsichtigen (BGH 86, 82, 88; NJW 1983, 1833; BGH 111, 36, 40ff; NJW 1991, 306 und 913; 1994, 248; 2007, 904, 905). Dagegen hat er die Frage verneint, wenn durch den Unterhaltsverzicht die zukünftige Bedürftigkeit eines Ehegatten und damit dessen Risiko, für seinen Lebensunterhalt auf Sozialhilfe angewiesen zu sein, nicht erhöht wird (BGH NJW 1992, 3164). Eingehend zur bisherigen Praxis: Münder NJW 2001, 2201, 2202f, Schwarz JZ 1997, 545 und Staud/Sack Rn 359ff. In seiner neueren Rspr hat der BGH die Problematik bisher offengelassen (NJW 2007, 904 und 907, 908). – Für einen Unterhaltsverzicht, der iVm der eine Berufstätigkeit ganz oder teilw ausschließenden Betreuung eines gemeinsamen Kindes zu Sozialhilfebedürftigkeit führen würde, hat die Rspr iÜ schon in der Vergangenheit die Anwendung von § 138 vermieden, indem sie dem Unterhaltspflichtigen über § 242 zeitweilig die Berufung auf den Verzicht versagt, wenn und soweit das Wohl des Kindes den Bestand der Unterhaltspflicht erforderte (BGH NJW 1985, 1833 und 1835; 1991, 913; 1992, 3164; Koblenz FamRZ 2001, 227); dieser Weg ist zu billigen (vgl hierzu auch Herb NJW 1987, 1525); er sollte auch bei vergleichbaren anderen Sachverhalten in Betracht gezogen werden (vgl etwa KG FamRZ 2001, 1002). Sittenwidrig kann ein Ehevertrag iÜ nicht nur dann sein, wenn er die Ansprüche eines Ehepartners unbillig beschränkt. Eine Inhaltskontrolle kann vielmehr auch zugunsten des auf Unterhalt in Anspruch genommenen Ehegatten angezeigt sein. Nach § 138 unwirksam soll daher eine Vereinbarung sein, die einem Ehegatten über seine gesetzliche Unterhaltspflicht derart weitgehende Zahlungspflichten auferlegt, dass dieser nicht mehr seinen eigenen Lebensunterhalt bestreiten kann und deshalb erg Sozialleistungen bedarf (BGH NJW 2009, 842, 844). Der BGH räumt der Wirksamkeitskontrolle (§ 138) weiterhin den Vorrang vor der Ausübungskontrolle (§ 242) ein (158, 81; NJW 2005, 2386, 2388ff; 2007, 904, 905; 2007, 907, 908). Dogmatisch ist das wohl in Ordnung. Es bleibt aber wegen der Rechtsfolgen des § 138 unbefriedigend, soweit sich schon mit Hilfe der Ausübungskontrolle der anstößige Gehalt der vereinbarten Regelung auf ein noch hinnehmbares Maß reduzieren ließe, wie das vergleichsweise etwa bei der verfassungskonformen Auslegung geschieht (Rechtsgedanke der Verhältnismäßigkeit des Mittels; vgl dazu etwa einerseits Goebel FamRZ 2003, 1513, 1519, andererseits Dauner-Lieb AcP 201, 295, 328). Ebenfalls noch nicht abschließend geklärt erscheint die Frage, ob ein Verstoß ehevertraglicher Regelungen gegen § 138 zu einer auf die sittenwidrigen Vertragsbestimmungen beschränkten Teilnichtigkeit oder zur Gesamtnichtigkeit des Vertrags führt. Gesamtnichtigkeit soll aber jedenfalls anzunehmen sein, wenn die Gesamtwürdigung des Vertrags ergibt, dass der Inhalt für den einen Ehepartner ausnahmslos nachteilig ist und wenn dies nicht durch berechtigte Belange des anderen Ehepartners gerechtfertigt wird (BGH NJW 2006, 2331; 2008, 3426, 3428; s ferner zur Problematik Sanders FPR 2007, 205, 207f).

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§ 138

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

Die Oberlandesgerichte sind der neuen höchstrichterlichen Rspr weitgehend gefolgt. In der Vielfalt der Fallgestaltungen sind zusätzliche Überlegungen und Lösungsansätze hinzugefügt worden. Wegen des großen Umfanges der Rspr ist eine Darstellung und Erörterung im Einz hier nicht möglich. Hingewiesen sei nur aus der jüngsten Zeit schlagwortartig auf: Braunschweig FamRZ 2005, 2071 – Schwangerschaft der Ehefrau; Celle FamRZ 2004, 1489 – Schwangerschaft der Ehefrau; Wohnen im Haus und Mitarbeit im Geschäft der Schwiegereltern; Celle NJW 2004, 1961 – Inhaltskontrolle einer Scheidungsfolgenvereinbarung zu Unterhalt, VersA und Zugewinnausgleich; Dresden FamRZ 2006, 1546 – Ausschluss des VersA bei Schwangerschaft der Frau und drei betreuungsbedürftigen Kindern; Düsseldorf NJW 2006, 234 und 2049 – nachträgliche Berufung auf Sittenwidrigkeit eines Ausschlusses des VersA; Frankfurt NJW-RR 2005, 1597 – Teilnichtigkeit bei Vereinbarung von Gütertrennung und unwirksamem Ausschluss des VersA bzw des nachehelichen Unterhalts; Frankfurt FamRZ 2005, 457 und NJW-RR 2007, 289 sowie Köln NJW-RR 2006, 1513 – unzulässiger isolierter Antrag, die Unwirksamkeit eines Ehevertrags festzustellen; Hamm FamRZ 2005, 1567 – Inhaltskontrolle bei einem während einer Ehekrise geschlossenen Vertrag mit wechselseitigem Unterhaltsverzicht, Ausschluss des VersA und Vereinbarung der Gütertrennung; Hamm FamRZ 2005, 1181 – Inhaltskontrolle bei einer kurz vor der Trennung geschlossenen Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung; Hamm NJWRR 2006, 941 – Inhaltskontrolle bei einem während der Ehe geschlossenen Ehevertrag mit Vereinbarung der Gütertrennung und Ausschluss etwaiger Ansprüche auf Zugewinn; Hamm NJW-RR 2006, 793 – Vereinbarung der Gütertrennung bei Schwangerschaft der Ehefrau; Hamm NJW 2006, 3012 – Vereinbarung einer Herabsetzung des Trennungsunterhalts und eines Verzichts auf Aufstockungsunterhalt; Karlsruhe FamRZ 2005, 1747 und 2006, 1607 – Vereinbarungen zum VersA; Karlsruhe FamRZ 2007, 477 – Inhaltskontrolle bei Ehevertrag mit einseitig belastender Unterhaltsregelung ohne erkennbaren Grund; Koblenz NJW-RR 2004, 1445 – Inhaltskontrolle bei Ehevertrag mit Ausschluss des nachehelichen Unterhalts und des VersA ohne Kompensation; Koblenz NJW-RR 2005, 1675 – Inhaltskontrolle bei einem Ehevertrag mit Ausschluss des VersA, Unterhaltsverzicht und Vereinbarung der Gütertrennung; Koblenz FamRZ 2006, 428 – unter Ausbeutung der Zwangslage der Frau abgeschlossener nachteiliger Ehevertrag; Koblenz NJW 2007, 2052 – Verzicht auf Trennungsund nachehelichen Unterhalt; München FamRZ 2006, 1449 – Nichtigkeit eines Ehevertrags mit Vereinbarung des Wegfalls des Unterhaltsanspruchs bei Aufnahme einer eheähnlichen Beziehung; Nürnberg FamRZ 2005, 454 – Ehevertrag mit einer schwangeren Ausländerin, in dem auf nachehelichen Unterhalt sowie den VersA verzichtet wird; Schleswig SchlHA 2006, 233 – Gesamtwürdigung eines Ehevertrags; Stuttgart FamRZ 2005, 455 – Inhaltskontrolle bei einem Ehevertrag, in dem die schwangere Ehefrau auf nachehelichen Unterhalt verzichtet und der VersA ausgeschlossen wird; Zweibrücken NJW-RR 2007, 73 – Wirksamkeitskontrolle und Ausübungskontrolle bei einem Ehevertrag, in dem der Ausschluss des VersA mit einer Kompensationsregelung verbunden ist. Die Gesamtproblematik der Inhaltskontrolle von Eheverträgen hat auch in der Aufsatzliteratur der letzten Jahre zu einer Fülle von Abhandlungen geführt. Sie sind ein Spiegelbild der praktischen Bedeutung des Themas und der mit ihm verbundenen zahlreichen Einzelprobleme. Hingewiesen sei auf: Adam BWNotZ 2006, 29; Bergschneider FamRZ 2004, 1757; Brambring FGPrax 2004, 175 und FPR 2005, 130 sowie NJW 2007, 865; Bredthauer NJW 2004, 3072; Dauner-Lieb AcP 210, 580; DaunerLieb/Sanders FPR 2005, 141; Dorsel RNotZ 2004, 496; Gageik RNotZ 2004, 295 und FPR 2005, 122; Grziwotz MDR 2005, 73; Hahne DNotZ 2004, 84; Hauß FPR 2005, 135; Koch NotBZ 2004, 147; Kornexl FamRZ 2004, 1609; Langenfeld ZEV 2004, 311 und FPR 2005, 134; Münch ZNotP 2004, 122, DNotZ 2005, 819 und FamRZ 2005, 570; Oppermann RNotZ 2004, 566; Rauscher DNotZ 2004, 524; Sanders FuR 2005, 104; Sarres FPR 2006, 4; Volmer ZNotP 2005, 242; Wachter ZNotP 2004, 264. Rechtsgeschäfte, welche die Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs eines außerehelich geborenen Kindes gegen seinen Vater erschweren oder ausschließen, verstoßen gegen die guten Sitten. So ist etwa eine Verpflichtung der Mutter, den Namen des Kindesvaters zu verschweigen, sittenwidrig (Düsseldorf DAV 1967, 287; vgl auch BVerfG NJW 1988, 3010). Sittenwidrig sind auch entgeltliche Geschäfte über die Anfechtung der Vaterschaft (vgl Celle NdsRpfl 1962, 188). Wirksam ist die Verpflichtung des leiblichen Vaters zu Unterhaltszahlungen, auch wenn die nach § 1592 Nr 1 begründete gesetzliche Vaterschaft nicht angefochten ist (BGH 46, 56, 59f). – Vgl ferner Rn 71 „Adoption“, Rn 105 „Erbrecht“, Rn 114 „gerichtliches Verfahren“, Rn 137 „Leihmuttervertrag“, Rn 142 „Nichteheliche Lebensgemeinschaft“. 101

P Ein zw Großhändlern geschlossener Eigenhändlervertrag kann wegen unzumutbarer Behinderung der Auflösung des Vertrags durch Kündigung nichtig sein (BGH LM § 138 [Bb] Nr 33 = MDR 1972, 846).

102

P Die Klausel in Einkaufsausweisen eines Großmarktes für Wiederverkäufer, nach der im Falle der Benutzung des Ausweises zum Zwecke eines Testkaufes eine Vertragsstrafe verwirkt sein soll, ist sittenwidrig (LG Berlin WRP 1976, 195).

103

P Energieversorgung. Für die Verträge mit Energieabnehmern wird – wie in der Vergangenheit – ein Verstoß gegen die guten Sitten wegen Monopolmissbrauchs vor allem in Betracht kommen, wenn – ggf trotz öffentlichrechtl Regulierung – ein überhöhter Preis gefordert wird und der Abnehmer wegen (faktisch) monopolartiger Versorgungsverhältnisse an seinem Standort auf den Vertragsschluss mit einem bestimmten Versorger angewiesen ist; für die subjektive Seite genügt dabei die Kenntnis der für die Sittenwidrigkeit bedeutsamen Umstände. Ggf kommt eine Anpassung des überhöhten Preises über § 315 III S 2 in Betracht (BGH LM § 315 Nr 12; AG Bad Neuenahr-Ahrweiler NJW 1998, 2540). Sittenwidrig kann im Einzelfall auch der sehr langfristige Abschluss von Energielieferungsverträgen unter Ausschluss der Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung sein (vgl Kühne BB 1997 Beil 19; Kuhnt/

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Willenserklärung

§ 138

Slabschi RdE 1997, 174ff; Markert WRP 2003, 356; Schwintowski WuW 1997, 769ff; Baur RdE 1997, 41ff). Bei der Bewertung solcher Vertragsregeln nach § 138 I sind die zur Versorgung des jeweiligen Kunden erforderlichen Investitionen und Kosten für den laufenden Unterhalt der Versorgungseinrichtungen zu berücksichtigen (BGH 64, 288, 290ff; 100, 1, 3 für Wärmeversorgungsvertrag; bestätigt in NJW 1995, 2350). – Vgl auch Rn 97 „Dauerschuldverhältnis“ und Rn 140 „Monopolstellung“. P Ob die in einem Erbbaurechtsvertrag vereinbarte Verpflichtung zum Ankauf des Grundstücks 104 auf Verlangen des Eigentümers sittenwidrig ist, hängt von den Umständen ab. Sittenwidrigkeit kommt vor allem in Betracht, wenn eine Ankaufsverpflichtung über die gesamte Vertragsdauer des Erbbaurechts von 99 Jahren geht oder dem Erbbauberechtigten keine genügende Frist eingeräumt wird, um sich wirtschaftlich auf den Ankauf einzustellen; eine zeitlich unangemessen ausgestaltete Ankaufsverpflichtung ist jedoch nicht insgesamt nichtig, sondern geltungserhaltend auf ein noch hinnehmbares Maß zu reduzieren (BGH 68, 1, 5; 75, 15, 19; WM 1980, 877; NJW 1989, 2131; Hamm NJW 1977, 203; grds für Sittenverstoß Kollhosser NJW 1974, 1302). Sittenwidrig kann ein Kaufvertrag über ein Erbbaurecht sein, wenn der Kaufpreis fast das Doppelte des Verkehrswertes des Erbbaurechts beträgt und die Wertdifferenz und/oder weitere Umstände auf eine verwerfliche Gesinnung des Verkäufers schließen lassen (BGH NJOZ 2001, 272). Zur Sittenwidrigkeit wegen eines wucherähnliches Geschäfts bei Aufgabe einer wirtschaftlich einem Erbbaurecht gleichkommenden Rechtsposition: BGH NJW 2002, 429, 430ff; dazu Vierhuß NJ 2002, 205. – Vgl auch zu Rn 122 „Grundstücksverkehr“. P Erbrecht. Wegen der unter dem Schutz der Erbrechtsgarantie des Art 14 I S 1 GG stehenden (vgl 105 BVerfG 58, 377, 398; 67, 329, 341; 91, 346, 359; 99, 341, 350f; NJW 2000, 2495; NJW 2004, 2008; DNotZ 2004, 798) Testierfreiheit, die das deutsche Erbrecht beherrscht, ist es in aller Regel nicht sittenwidrig, wenn der Erblasser in einem Testament oder Erbvertrag die gesetzlich erbberechtigten Personen, insb Ehefrau und Kinder, nicht oder nicht voll (etwa nur mit einem Nacherbrecht oder einem Vermächtnis) bedenkt. Das gilt grds auch bei einer ungleichen Behandlung von Angehörigen untereinander im Vergleich zum gesetzlichen Erbrecht und selbst bei der Erbeinsetzung von Dritten anstelle von Angehörigen (Bsp: BayObLG FamRZ 1985, 1082 – Einsetzung des behandelnden Arztes; BayObLG NJW 1987, 910; BGH NJW 1990, 2056 sowie BayObLG FamRZ 1992, 227 – jeweils Freund; Hamm OLG 1979, 425 – Einsetzung des nichtehelichen Kindes; BayObLG DNotZ 2003, 439 – Einsetzung einer Person zum Alleinerben, der der Erblasser eine umfassende Vorsorgevollmacht erteilt hat; BayObLG 97, 374 – Einsetzung des Kindes des Betreuers durch Betreuten; vgl dazu Hohloch JuS 1998, 953 und Müller ZEV 1998, 219). Es genügt auch nicht für § 138, wenn der Erblasser durch seine letztwillige Verfügung mehr oder minder berechtigte Erwartungen enttäuscht, die etwa auf die konkrete familiäre Situation, auf Äußerungen der Erblassers oder auf die Entgegennahme von Geschenken oder unentgeltlichen Leistungen durch den Erblasser zurückgehen. Dankbarkeitserweise lassen sich nicht über § 138 erzwingen. Grds ist es ohne Bedeutung, welche Motive den Erblasser veranlasst haben, von der gesetzlichen Erbregelung abzuweichen; der Erblasser muss sich nicht nach allg gesellschaftlichen Überzeugungen oder den Anschauungen der Mehrheit richten (BVerfG NJW 2000,); sein Wille ist selbst dann zu respektieren, wenn seine Motive keine Achtung verdienen. Das berechtigte Interesse der zurückgesetzten Angehörigen wird meistens mit dem Pflichtteilsrecht und – bei Ehefrauen – dem Anspruch auf Zugewinnausgleich hinreichend geschützt (BGH 52, 17, 19f; 53, 369, 374; NJW 1968, 932; BayObLG NJW 1987, 910). Nur in einem ganz besonders schwerwiegenden Ausnahmefall kann die Zurücksetzung eines nahen Angehörigen gegen die guten Sitten verstoßen (BGH 123, 368, 378; NJW 1983, 674; 1999, 564, 568). Dafür kommt es auf die gesamten Umstände an, die die letztwillige Verfügung im Zeitpunkt der Testamentserrichtung prägen; sie müssen eine unredliche, verwerfliche Gesinnung des Erblassers ergeben; entscheidend ist dabei das Gesamtbild von Inhalt, Zweck und Beweggründen der letztwilligen Regelung. An Sittenwidrigkeit ist vor allem zu denken, wenn eine Zuwendung für den Bedachten mit einer unzumutbaren Bedingung oder Auflage oder einem unvertretbaren Zwang zu einem bestimmten Verhalten verbunden ist. Bei erbrechtlichen „Heiratsklauseln“ (einschl der Wiederverheiratungsklauseln) ist nach der neueren Rspr des BVerfG im Hinblick auf die ebenfalls verfassungsrechtlich gesicherte Eheschließungsfreiheit des Erben insb zu prüfen, ob diese nach den Umständen des Einzelfalles durch die erbrechtliche Regelung in einer nicht mehr hinnehmbaren Weise beeinträchtigt wird (BVerfG NJW 2000 zu einer erbvertraglichen Heiratsklausel; NJW 2004, 2008 zu einer Ebenbürtigkeitsklausel in einem Erbvertrag gegen BGH NJW 1999, 564, 569). Diese neuere Entwicklung der verfassungsgerichtlichen Rspr hat nicht unerhebliche allg Bedeutung sowohl für die notarielle Gestaltung von erbrechtlichen Heiratsklauseln als auch für deren Beurteilung in der gerichtlichen Praxis (näher dazu – zT krit ggü dem BVerfG –: Gaier ZEV 2006, 2; Gutmann NJW 2004, 2347; Horsch Rpfleger 2005, 285; Otte ZEV 1997, 119 und 1998, 185; Scheuren-Brandes ZEV 2005, 185; Staudinger FamRZ 2004, 765; allg zu den Grenzen erbrechtlicher Auflagen und Bedingungen: Otte JA 1985, 192, 199; Smid NJW 1990, 409, jeweils mwN). Eine erbrechtliche Zuwendung kann ferner sittenwidrig sein, wenn sie ausschließlich der Förderung oder Entlohnung von sittenwidrigem Handeln dient. Dies wurde früher sehr weitgehend beim „Geliebtentestament“ angenommen. Die neuere Rspr bewertet ein solches Testament hingegen nur noch dann als sittenwidrig, wenn für die Zuwendung allein die Förderung oder Belohnung geschlechtlicher Hingabe ausschlaggebend waren; das muss im Streitfall bewiesen werden; bei einer auf längere Zeit angelegten Partnerschaft, etwa in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, wird sich der Beweis zumeist nicht führen lassen; eine tatsächliche Vermutung für eine ausschließlich sexuelle Motivation besteht nicht (BGH 52, 17, 20; 53, 369, 376; FamRZ 1971, 638; NJW 1973, 1645 und 1983, 674; NJW 1984, 797; BayObLG FamRZ 1984, 1154 und 1992, 226; vgl auch BGH 77, 55, 59 und 112, 259 sowie NJW 1984, 2150 – jeweils für Zuwendungen unter Lebenden – sowie BAG DB 1984, 887 – für eine Hinterbliebe-

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§ 138

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

nenklausel zugunsten einer Lebensgefährtin in einem Versorgungsvertrag; ferner Düsseldorf NJWEFER 1998, 85). Ob die bisherige Linie der Rspr zum Geliebtentestamtent durch die Wertungen des ProstG generell in Frage gestellt wird (so etwa Armbrüster NJW 2002, 2763, 2765), erscheint zweifelhaft. Der soziale Schutzgedanke des ProstG mag im Einzelfall zu einer anderen Bewertung als bisher führen; er lässt sich aber nicht ohne weiteres auf alle bei einem Geliebtentestament in Betracht kommenden Sachverhalte übertragen. Zur Frage sittenwidriger Zuwendungen vgl ferner Diederichsen NJW 1983, 1024; Johannsen WM 1971, 918; Müller-Freienfels JZ 1968, 441; Otte Jura 1985, 192; Otto JA 1985, 192; Smid NJW 1990, 409; Speckmann JZ 1969, 733 und 1970, 401; Steffen DRiZ 1970, 347. Das Gesagte gilt sinngemäß auch für das „Behindertentestament“: Die Zurücksetzung bei der erbrechtlichen Regelung ist regelmäßig nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände allein deshalb sittenwidrig, weil sie bei einem mit öffentlichen Mitteln unterstützten Angehörigen, etwa einem behinderten Kind, dazu führt, dass der Träger öffentlicher Sozialleistungen nicht auf den bei gesetzlicher Erbfolge anfallenden Erbteil zurückgreifen kann (BGH 111, 36; 123, 368; vgl auch OVG Bautzen NJW 1997, 2898, OVG Saarlouis NotBZ 2006, 330 und VG Lüneburg NJW 2000, 1885). Etwas anderes mag – auch im Hinblick auf die Sozialpflichtigkeit des Eigentums, Art 14 II GG – gelten, wenn die erbrechtliche Regelung, insb bei einem großen Nachlass, auf eine sittenwidrige Umgehung des Rückgriffsrechts des Sozialhilfeträgers hinausläuft (vgl VGH Mannheim NJW 1993, 2953). Zulässig soll grds auch ein vom behinderten Kind mit seinen Eltern abgeschlossener Pflichtteilsverzichtsvertrag sein (Köln ZEV 2010, 85, 87; krit Armbrüster ZEV 2010, 88). Krit zur Rspr vor allem Raiser MDR 1995, 237; Eichenhofer JZ 1999, 226 und auch Staud/Sack Rn 363ff, 365; zum Behindertentestament vgl ferner: Förster FF 1999, 169; Hohloch Jus 1990, 937; Krampe AcP 191, 526; Kuchinke FamRZ 1992, 362; Mayer DNotZ 1994, 347; Nieder NJW 1994, 1264; Otte JZ 1990, 1027; Pieroth NJW 1993, 173; Reimann DNotZ 1992, 245; Renk NJW 1993, 2727; Sasse JA 1996, 160; Schubert JR 1991, 106; van de Loo NJW 1990, 2852. Mit den erbrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten für Sachverhalte dieser Art befassen sich: Damrau/Mayer ZEV 2001, 293; Engelmann MittBayNot 1999, 509; Hartmann ZEV 2001, 89; TrilschEckardt ZEV 2001, 229; Weidlich ZEV 2001, 95; vgl auch zur Sittenwidrigkeit der Ausübung eines vereinbarten Anspruchs auf Rückübertragung eines vererbten Grundstücks VG Gießen NJW 2000, 1515 und zu der Ausschlagung eines Erbteils zur Vermeidung eines Zugriffs des Sozialhilfeträgers Stuttgart NJW 2000, 1515. Bei einem Erbvertrag kann sich Sittenwidrigkeit auch daraus ergeben, dass der Vertragserbe eine psychische Zwangslage des Erblassers ausgenutzt hat (BGH 50, 70); ein Sachverhalt, der eine Anfechtung nach §§ 2281, 2285 iVm § 2078 rechtfertigen würde, genügt allein für § 138 aber nicht. Eine zu Lebzeiten vorweggenommene Erbregelung, etwa in einem Übertrags- und Leibrentenvertrag, ist wie eine letztwillige Verfügung nicht bereits deshalb sittenwidrig, weil die Eltern einem einzelnen Kind unter Übergehung der übrigen Abkömmlinge ihr gesamtes Vermögen zuwenden (BGH DB 1972, 624). Zur Sittenwidrigkeit eines Übergabevertrags zw Arzt und Patient Karlsruhe NJW 2001, 2804. – Vgl auch Rn 201 „Zuwendungen unter Lebenden“. 106

P Europarecht. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und das gesamte Recht der Europäischen Gemeinschaft bzw Union sind Bestandteil unserer Rechts- und Sittenordnung (vgl für das EG/EU-Recht und dessen Vorrang vor dem nationalen Recht die st Rspr des EuGH seit NJW 1964, 2371); deshalb ist das Europarecht mit seinen Grundwertungen bei der Ausfüllung des Begriffs der guten Sitten wie nationales Recht zu beachten. Das gilt insb für die Grundfreiheiten des EG-Vertrags (dazu Montag NJW 2001, 1613ff), aber auch, soweit sich dieses Recht unmittelbar nicht an die Teilnehmer am Privatrechtsverkehr, sondern an die Mitgliedsstaaten wendet. Das zum innerdeutschen Verfassungsrecht Gesagte (vgl Rn 120 „Grundgesetz“) gilt insoweit entspr. Insb sind für § 138 auch noch nicht in innerstaatliches Recht umgesetzte, aber bereits in Kraft getretene EG-RL von Bedeutung; § 138 ist richtlinienkonform auszulegen (Staud/Sack Rn 44; Auer NJW 2007, 1106 im Anschluss an EuGH NJW 2006, 2465; Ehricke EuZW 1999, 553; Grundmann JuS 2002, 768 – auch zur Direktwirkung von RL; Thüsing NJW 2003, 3441; vgl auch EuGH NJW 1997, 3365, 3367 mwN und Odersky, Harmonisierende Auslegung und Europäische Rechtskultur, ZEuP 1994, 1ff). Das für § 138 bedeutsame Europarecht berührt nicht allein grenzüberschreitende Rechtsgeschäfte; in weitem Umfang binden vor allem die EMRK, der AEUV und die RL inzwischen auch rein innerstaatliche Rechtsvorgänge. – Für Einzelheiten muss auf die einschlägige Spezialliteratur verwiesen werden; vgl aus der Aufsatzliteratur Basedow, Das BGB im künftigen Europäischen Privatrecht, AcP 200, 445; Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Stuttgart 2005; Hommelhoff, Zivilrecht unter dem Einfluss europäischer Rechtsangleichung, AcP 192, 72ff; Masing, Vorrang des Europarechts bei umsetzungsgebundenen Rechtsakten, NJW 2006, 264; Müller-Graff, Europäisches Gemeinschaftsrecht und Privatrecht, NJW 1993, 13ff; Odersky aaO; Rittner, Das Gemeinschaftsrecht und die Europäische Integration, JZ 1995, 851; Schulze, Allg Rechtsgrundsätze und Europäisches Privatrecht, ZEuP 1993, 442ff; ders, Deutsche Rechtseinheit und Europäisches Privatrecht, DRiZ 1997, 369ff; ders, Grundzüge eines kohärenteren europäischen Vertragsrechts, ZRP 2006, 155; Ulmer, Vom deutschen zum Europäischen Privatrecht, JZ 1992, 1ff.

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P Beim echten Factoring (§ 398 Rn 24) ist die globale Vorausabtretung (vgl auch Rn 67 „Abtretung“) aller künftigen Forderungen des Anschlusskunden gegen seine Kunden pp an die FactoringBank unter der aufschiebenden Bedingung, dass diese die jeweiligen Forderungen zu einem um ihre Provision geminderten Preis ankauft, nicht sittenwidrig (BGH NJW 1977, 2207; abl Bähr NJW 1979, 1281). Das gilt, anders als bei der Sicherungszession (vgl Rn 159 „Sicherungsgeschäfte“) auch bei einem Zusammenzutreffen mit einem verlängerten Eigentumsvorbehalt (BGH 69, 257), selbst wenn die Factoring-Vereinbarung der Vereinbarung des verlängerten Eigentumsvorbehalts nachfolgt (BGH 72, 20; 82, 288; einschränkend Koblenz NJW-RR 1988, 568; vgl auch Haertlein JA 2001, 808). In

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den Fällen, in denen die Abtretung ohne Zustimmung des Schuldners gem § 134 iVm § 203 I StGB nichtig ist (etwa bei unerlaubter Abtretung ärztlicher Honorarforderungen), kann allerdings auch ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegen (Köln NJW 1991, 753; aM Karlsruhe CR 1991, 473; vgl ferner auch BGH 115, 123; Hamm NJW 2007, 849 und dazu krit Lips/Schönberger NJW 2007, 1567). Für das unechte Factoring, bei dem das Risiko der Forderungseinziehung beim ursprünglichen Gläubiger verbleibt, gilt das zur Sicherungszession Gesagte (Rn 162; vgl BGH 82, 56; Serick NJW 1981, 794; aM MüKo/Roth § 398 Rn 168ff, 173). Zu dem Fall, dass der Factoring-Vertrag die Globalübertragung von Ansprüchen einer Publikums-GmbH & Co KG auf Zahlung der Kommanditeinlage zum Gegenstand hat, vgl BGH DB 1979, 301; allg zum Factoring vgl Blaurock ZHR 142, 340; 143, 71; Canaris NJW 1981, 250; Wolf WM 1979, 1374ff. P

Zum Fernlehrgang/Fernlehrvertrag/Fernunterrichtsvertrag vgl Rn 186 „Unterricht“.

108

P

Zu fiduziarischen Geschäften vgl unter Rn 179 „Treuhandverträge“.

109

P

Fluchthelfervertrag. Ob sich die von der speziellen deutsch-deutschen Situation geprägte Rspr 110 der vergangenen Jahre (vgl 10. Aufl, § 138 Rn 105) auf die vereinbarte Hilfe zur Flucht aus einem anderen Staat – etwa bei Asylbewerbern – übertragen lässt, bedarf der krit Prüfung im Einzelfall. Unvereinbar mit den guten Sitten sind Fluchthelferverträge jedenfalls dann, wenn eine – zB politisch bedingte – Zwangslage des Flüchtlings oder eine Vertrauensstellung ausgenutzt wird, um eine überhöhte Vergütung zu vereinbaren (Staud/Sack Rn 492; letztlich Frage des Einzelfalls; bei 15 000 DM verneint von KG NJW 1976, 198) oder wenn durch den vereinbarten Fluchtplan unbeteiligte Dritte gefährdet werden können (KG NJW 1976, 1211). Dagegen wird eine Verletzung ausländischer Einund Ausreisebestimmungen – auch bei Drittstaaten – idR zumindest dann nicht zur Sittenwidrigkeit führen, wenn ein anerkennenswerter Fluchtgrund vorliegt und ohne den Verstoß eine Flucht voraussichtlich nicht möglich gewesen wäre (vgl auch KG NJW 1976, 197). P Bei Franchiseverträgen wird in der Praxis Sittenwidrigkeit ua aus einem auffälligen Missverhält- 111 nis von Leistung und Gegenleistung hergeleitet (Grundlage: BGH 146, 298). Dafür können ua bedeutsam sein: Höhe der Einstandsgebühr (Frankfurt NJW-RR 1995, 1395); Höhe der Franchisegebühr (LG Karlsruhe NJW-RR 1989, 822); Laufzeit (Rostock DB 1995, 2006); Einfügung in ein „Schneeballsystem“ (Böhner NJW 1994, 635); Gesamtheit der Beschränkungen des Franchisenehmers zugunsten des Franchisegebers (Haager NJW 2002, 1463, 1468 unter Hinw auf LG Freiburg). Ein Sittenverstoß kann aber auch in einer übermäßigen Beschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Franchisenehmers durch ungleichgewichtige Verteilung von Vorteilen und Risiken liegen, die dem Vertrag ein mit den Anschauungen des redlichen Verkehrs nicht mehr vereinbares Gepräge geben (Haager NJW 2002, 1463, 1470f; BGH NJW 1997, 2184, 2185; 99, 101; WM 1976, 181, 182; Hamm NZG 2000, 1170; München BB 2002, 2521; vgl auch Rn 128 „Knebelung“). P Vereinbarungen, die die Freizügigkeit (Art 11 GG) beschränken, sind etwa bei Arbeits- und 112 Dienstverträgen unbedenklich, wenn und soweit sie nach dem Vertragsinhalt sachlich geboten erscheinen. Vgl iÜ unter Rn 197 „Wohnsitzverbot“. P

Zum sog „Geliebtentestament“ vgl unter Rn 105 „Erbrecht“.

113

P

Gerichtliches Verfahren. Jedenfalls sittenwidrig – wenn nicht von § 134 erfasst – ist eine Abrede, 114 die darauf abzielt, dass in einem gerichtlichen Verfahren nicht, unrichtig oder in einem wesentlichen Punkt prozessordnungswidrig entschieden oder die für den Bestand des Rechtsstaates wesentliche Funktionsfähigkeit der Justiz beeinträchtigt wird. Das gilt insb für Vereinbarungen, die zugleich auf eine strafbare Handlung hinauslaufen (etwa Aussagedelikt, Bestechung, Prozessbetrug, Nötigung; vgl zB Hamm BeckRS 2006, 00041) und für Absprachen über einen bewusst unrichtigen Sachvortrag. Es genügt aber auch ein kollusives Zusammenwirken der Parteien zum Nachteil eines Dritten, etwa einer Haftpflichtversicherung (vgl das Bsp in Düsseldorf NJW-RR 1998, 606 – zur Unwirksamkeit eines gerichtlichen Geständnisses). In dem Versprechen eines Entgelts für eine unrichtige Zeugenaussage oder die Ausübung eines Zeugnisverweigerungsrechts liegt zugleich eine sittenwidrige Kommerzialisierung (RG 79, 371). Dasselbe kann gelten, wenn einem Beteiligten ein Rechtsbehelfsverzicht „abgekauft“ wird. Die Entscheidung BGH 79, 131 (Rechtsbehelfsverzicht einer Bürgerinitiative gegen einen Kraftwerksbau bei Übernahme von Zahlungspflichten durch den Betreiber; zu der Entscheidung abl Knothe JuS 1983, 18; krit auch Medicus AT Rn 705) scheint damit nicht ganz im Einklang zu stehen; sie dürfte aber einen nicht ohne weiteres übertragbaren Sonderfall betreffen; iÜ wird eine Verpflichtung zum Rechtsbehelfsverzicht, die im Rahmen eines Vergleichs übernommen wird, idR nicht sittenwidrig sein. Ein Rechtsmittelverzicht vor Ausspruch des Scheidungsurteils ist dann sittenwidrig, wenn er ein auf anstößige Weise, etwa durch bewusst unrichtigen Sachvortrag, zustande gekommenes Scheidungsurteil aufrechterhalten soll (BGH 28, 45). Unvereinbar mit den guten Sitten ist ferner eine Abtretung, mit deren Hilfe Prozesskostenhilfe erlangt oder ein Kostenerstattungsanspruch einer anderen Partei unterlaufen werden soll (BGH NJW 1980, 991; WM 1987, 1408; vgl auch BGH 47, 289, 292 und Rn 85). Vereinbarungen mit Dritten zur Finanzierung von Prozessen sind nicht sittenwidrig, soweit nicht im Einzelfall der Vertragsinhalt oder die besonderen Umstände des Vertragsschlusses mit den guten Sitten unvereinbar sind (Conrad MDR 2006, 848; Dethloff NJW 2000, 2225; Frechen/Kochheim NJW 2004, 1213; Fritzsche/Schmidt NJW 1999, 2998, 3002; Grunewald BB 2000, 729 und AnwBl 2001, 540; Staud/Sack Rn 479; abw M Bruns JZ 2000, 232; vgl auch LG Bonn NJW-RR 2007, 132 – aber gestützt auf § 134 iVm § 203 I StGB). – Dass jemand seinen str Anspruch an einen Dritten abtritt, um im Prozess als Zeuge vernommen werden zu können, reicht für sich aber nicht aus, die Sittenwidrigkeit der Abtretung zu begründen (BGH WM 1976, 424; NJW 1980, 991;

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Rechtsgeschäfte

Frankfurt VersR 1982, 1079; Karlsruhe NJW-RR 1990, 753; München BauR 1985, 210; Nürnberg VersR 1969, 46). Vgl auch Rn 67 „Abtretung“, Rn 120 „Grundgesetz“, Rn 150 „Schiedsvertrag“ und Rn 202 „Zwangsvollstreckung“. 115

P Beim Gesellschaftsvertrag (vgl auch Rn 4) lässt die Vertragsfreiheit einen weiten Gestaltungsspielraum. Eine Nichtigkeit des gesamten Vertrags ex tunc wegen Verstoßes gegen § 138 wird nur ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn gewichtige Interessen der Allgemeinheit oder einzelner schutzwürdiger Personen verletzt sind (vgl BGH 3, 285; 17, 167; 26, 330, 335) oder der Gesellschaftszweck insgesamt von vornherein mit den guten Sitten unvereinbar ist; das wird sich nur selten feststellen lassen (vgl die Bsp in BGH NJW 1967, 36; 1970, 1540; WM 1973, 900; DB 1976, 2106; NJW-RR 1988, 1379; 2003, 1116; dazu Schmidt JuS 2003, 1125). Bei allen anderen Verstößen gegen § 138 sind die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft anzuwenden (BGH 55, 1, 5; vgl auch die oben zitierten Entscheidungen sowie Rn 57). Für eine Gesamtnichtigkeit ex tunc reicht es auch nicht aus, wenn ein Gesellschafter durch einzelne Bestimmungen sittenwidrig geknebelt oder übervorteilt wird (BGH WM 1973, 900) oder die Gesellschaft sich teilw sittenwidrig betätigt (BGH DNotZ 1977, 416). Die Regeln zur fehlerhaften Gesellschaft gelten nach dem heutigen gefestigten Stand der Rspr auch für die stille Gesellschaft (BGH NZG 2005, 472; NJW 2005, 1784; NZG 2005, 476; NJW-RR 2006, 178; ZIP 2006, 1388; Celle NJW-RR 2005, 545; vgl aber auch BGH NZG 2004, 961; zur Gesamtproblematik: Gehrlein WM 2005, 1489; Geibel BB 2005, 1009; Hey NZG 2004, 1097; Hirte NJW 2005, 718, 721; Kiethe DStR 2005, 924; Rohlfing NZG 2003, 854; Schubert WM 2006, 1328; Wälzholz DStR 2003, 1533; Wagner NZG 2005, 499; Wertenbruch NJW 2005, 2823 und NZG 2006, 408, 421). Zur Sittenwidrigkeit des Beitritts zu atypischen stillen Beteiligungsmodellen: Thum VuR 2003, 49. Zur Nichtigkeit eines Verschmelzungsvertrags bei unverhältnismäßigem Gewinn der Gesellschafter der übertragenden GmbH und Übertragung der Schulden auf die aufnehmende AG vgl LG Mühlhausen DB 1996, 1967. Zur Frage der Sittenwidrigkeit eines Gesellschaftsvertrags zw zwei Künstlern über die Zusammenarbeit bei der Schaffung von Unterhaltungsmusik und deren Verwertung vgl BGH NJW-RR 1998, 1639. Für die einzelnen Regelungen eines Gesellschaftsvertrags kann Sittenwidrigkeit ua in Betracht kommen, wenn sie die Rechte des Gesellschafters auf freie Berufsausübung unangemessen beschränken; dies kommt insb bei Gesellschaften in freien Berufen in Betracht, etwa durch einen übermäßig langen Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung (für eine Rechtsanwaltssozietät unter Wertung des Ausschlusses für einen Zeitraum von 30 Jahren als sittenwidrige Knebelung: BGH NJW 2007, 295; vgl auch Römermann NJW 2007, 2209, 2210; anders für eine bis zu 30-jährige Bindung an eine stille Gesellschaft: BGH WM 1967, 315). Ob unter dem Aspekt der Berufsfreiheit die Verpflichtung eines neu zugelassenen Vertragsarztes mit § 138 I vereinbar ist, bei Ausscheiden aus einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis die Ausschreibung seines bisherigen Kassenarztsitzes zu beantragen, hängt von den Umständen des Einzelfalles – zB von der Dauer seiner Mitarbeit in der Gemeinschaftspraxis – ab (BGH NJW 2002, 3538). Um eine rechtlich problematische unausgewogene Vertragsgestaltung zu vermeiden, sollten Kündigungsregelungen einerseits und Abfindungsregelungen andererseits aufeinander abgestimmt werden (vgl Jickeli/Urban LMK 2007, 212170). Wegen unangemessener Beeinträchtigung der Entschließungsfreiheit als Gesellschafter sind idR – selbst bei Anspruch auf angemessene Abfindung – Vertragsbestimmungen nichtig, die dazu berechtigen, die Gesellschaft nach freiem Ermessen zu kündigen und deren Geschäft mit Aktiven und Passiven ohne Liquidation zu übernehmen (BGH 81, 263; NJW 1985, 2441) oder einen (einzelne) Gesellschafter ohne sachlich rechtfertigenden Grund aus einer Personengesellschaft oder einer GmbH auszuschließen („hinauszukündigen“) (BGH 68, 212, 215; 81, 263, 269; 84, 11, 14f; 104, 50, 57f; 105, 213, 216f; 107, 351, 353; 112, 103; 123, 281; 125, 74, 79; WM 1996, 133, 135; NJW-RR 1996, 234; NJW 2004, 2013; NZG 2005, 479; vgl zu dieser Rspr ua Bunte ZIP 1983, 8; Ebenroth/Müller BB 1993, 1152; Flume DB 1986, 629; Huber ZGR 1980, 177; Krämer NJW 1981, 2553; Lange NZG 2001, 635; Mayer ZGR 1995, 93, Mecklenbrauck BB 2000, 2001; Notthoff DStR 1998, 210; Piltz BB 1994, 1021; jeweils mwN). Nur unter besonderen Umständen lassen sich solche Regelungen halten (etwa Kündigungsrecht ggü Erben bei Tod eines Gesellschafters, vgl BGH 105, 213, 217f; WM 1971, 1338, 1340; Ausschließungsrecht ggü einem neu in eine Personengesellschaft mit wenigen weiteren Gesellschaftern – etwa in eine freiberufliche Sozietät – eintretenden Gesellschafter für eine Art zeitlich angemessen begrenzter „Probezeit“, vgl BGH NJW 2004, 2013 für eine Gemeinschaftspraxis von Laborärzten; dazu Römermann NJW 2007, 2109, 2110 und K. Schmidt NJW 2005, 2801, 2803; ferner Frankfurt NJW-RR 2006, 405; vgl auch Hamm MedR 2005, 234). Nicht gegen die guten Sitten verstößt es, wenn der Fortbestand einer gesellschaftsrechtlichen Minderheitsbeteiligung von Organmitgliedern oder Mitarbeitern von dem Fortbestehen der Organstellung bzw des Anstellungsvertrags abhängig gemacht wird (BGH 164, 98; 164, 167; Düsseldorf NZG 2005, 352; aM noch Celle GmbHR 2003, 1428 und Frankfurt NZG 2004, 914; zur Problematik dieser sog „Manager- und Mitarbeitermodelle“ vgl aus jüngerer Zeit: Battke/Grünberg GmbHR 2006, 225; Benecke ZIP 2005, 1437; Binz/Sorg GmbHR 2005, 893; Böttcher NZG 2005, 992; Bütter/Tonner BB 2005, 283, 285f und MDR 2006, 21; Drinkguth NJW 2006, 410; Gehrlein BB 2005, 2430; Habersack/Verse ZGR 2005, 451, 461ff; Hohaus/Weber NZG 2005, 961; Kästle/Heuterkes NZG 2005, 289; Kowalski/Bormann GmbHR 2004, 1438, 1440f; Peltzer ZGR 2006, 702; Roth LMK 2005, 163327; Schmidt JuS 2006, 178; Sosnitza DStR 2005, 72; Werner WM 2006, 213). Zulässig ist auch eine Klausel, dass der Schwiegersohn eines Gesellschafters ausscheiden muss, falls seine Ehe mit der Gesellschafterin geschieden oder durch Tod aufgelöst wird (BGH BB 1965, 1167 für Ausscheiden bei Wiederverheiratung). Eine Ausnahme von der Regel soll auch bei Begründung von Gesellschafterstellungen durch erbrechtliche Regelungen in Betracht kommen (BGH NZG 2007, 422; dagegen zu Recht Budzikiewicz AcP 209, 354, 364ff). Weitere Bsp für eine Ausnahme: BGH 112, – nichteheliche Lebensgemein-

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schaft – sowie BGH NZG 2005, 479 – mit Kooperationsvertrag verbundene Gesellschafterstellung; dazu: Goette DStR 2005, 798; Hohaus DB 2005, 937; Schmidt JuS 2005, 657; Schwarz LMK 2005, 151035; Wagner EWiR 2005, 599; Werner GmbHR 2005, 620). Ebenfalls unwirksam sind Vertragsregelungen, die an die Ausübung des als solchen gem § 723 (vgl auch § 133 III HGB) nicht abdingbaren Kündigungs- oder Austrittsrechts des Gesellschafters nachteilige vermögensrechtliche Folgen von so hohem Gewicht knüpfen, dass der Gesellschafter in der Freiheit der Entscheidung über die Kündigung unvertretbar eingeengt und das Kündigungsrecht damit faktisch ausgeschlossen wird (BGH NJW 1985, 192; 1989, 3272; 1993, 2101; BGH 126, 226; vgl dazu H.P. Westermann, ZGR 1996, 273; ebenso für die vergleichbare Lage bei der GmbH BGH 116, 359; ferner BGH 123; dazu Anm Ulmer/Schäfer ZGR 1995, 134; Bamberg NZG 1998, 897; für die Zulässigkeit erbrechtlicher Sanktionen aber München NJW-RR 2007, 913f, dagegen aber zu Recht Budzikiewicz, AcP 209, 354, 390). In der Verpflichtung des Ausscheidenden, seinen Gesellschaftsanteil zunächst den verbleibenden Gesellschaftern anzubieten, liegt aber idR kein solcher unvertretbarer Nachteil (BGH 126, 226; weitere Fundst aaO). In Betracht kommt jedoch für eine Beurteilung als sittenwidrig zB ein grobes Missverhältnis zw vertraglich festgelegter Abfindung und wirklichem Anteilswert. Grds hat ein ausscheidender Gesellschafter Anspruch auf Abfindung iHd Verkehrswertes seines Anteils (BGH 9, 157, 168; 16, 317, 322; 116, 359, 364; NZG 2002, 176; NJW 2005, 3644. Zwar lässt § 738 nach der Rspr die Vereinbarung von Abfindungsbeschränkungen ggü dem vollen Verkehrswert – etwa in der Form von Buchwertklauseln – zu (BGH 116, 359; NJW 1989, 2686; 1989, 3272; 1993, 2102; 2005, 3644, 3646 mwN). Bei einem rein ideellen Zweck kann für eine GbR eine Abfindung sogar vollständig oder weitgehend ausgeschlossen werden (BGH NJW 1997, 2592; dazu Goette DStR 1997, 1378; Grunewald JZ 1997, 1066). Bei einem Sozietätsvertrag in einem freien Beruf bestehen Einschränkungsmöglichkeiten insb, wenn der Ausscheidende anteilig Mandanten/Patienten in seine neue Tätigkeit „mitnehmen“ darf (Schleswig NJOZ 2001, 1549). Abfindungsbeschränkungen können jedoch sittenwidrig sein, wenn sie sich im Einzelfall unangemessen weit von dem Leitbild einer wertgerechten Abfindung in § 738 entfernen. Erforderlich ist jeweils eine Abwägung aller Umstände; bedeutsam sein können insb: Höhe der Abfindung im Vergleich zum Verkehrswert; Ermittlung der Abfindung nach dem Ertragswert bei erheblich höherem Liquidationswert (BGH NZG 2006, 425); Zahlungsfristen und sonstige Zahlungsmodalitäten; Dauer der Mitgliedschaft des Ausscheidenden; sein Anteil an der Unternehmensentwicklung in der Vergangenheit; Gründe der Abfindungsbeschränkung und/oder des Ausscheidens; wirtschaftliche Lage des Unternehmens und Interesse an der Unternehmenserhaltung (Bsp aus der jüngeren, freilich nicht immer auf § 138 gestützten und in der Wirkung zT über die Ausschaltung sittenwidriger Folgen hinausgehenden Rspr, soweit nicht bereits in diesem Abschnitt mitgeteilt, mwN: BGH NJW 1979, 104 m Anm Ulmer NJW 1979, 81ff; 1989, 2685; WM 2000, 1762; Hamm NZG 2003, 440; Naumburg NZG 2000, 698 und 2001, 658; Oldenburg GmbHR 1997, 503; Schleswig NZG 2001, 658; vgl auch Dauner-Lieb ZHR 158, 271, 274ff und GmbHR 1994, 836). Zur Ermittlung des wahren Anteilswertes Hülsmann ZIP 2001, 450. Maßgebend für die Beurteilung ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (BGH NJW 1993, 2101; 123, 281; 126, 226; Oechsler LMK 2006, 181970 mwN). Würden bei zunächst wirksamer Abfindungsregelung erst Änderungen der Sachlage nach Vertragsschluss zu einem sittenwidrigen Ergebnis führen, soll dem nach der neueren Rspr ggf durch eine Vertragsanpassung mittels erg Auslegung Rechnung zu tragen sein (BGH 116, 359; 123, 281; 126, 226; NJW 1993, 2101). Der Weg ist dogmatisch fragwürdig (vgl Oechsler aaO); näher liegt es, sittenwidrige Ergebnisse der zunächst wirksamen Abfindungsbeschränkung nach den Regeln über die unzulässige Rechtsausübung auszuschließen (eingehend dazu Müller ZIP 1995, 1561ff mwN) und die ursprünglich gültige Regelung ggf über § 313 I zu korrigieren (MüKo/Ulmer § 738 Rn 55; Oechsler aaO). – Eine Abrede, nach der die Erben eines verstorbenen Gesellschafters keine Abfindungsansprüche haben sollen, ist nicht etwa wegen Verstoßes gegen die Pflichtteilsregelung sittenwidrig (BGH WM 1971, 1338). Ferner ist es nicht sittenwidrig, bei Beendigung von Gesellschaften in freien Berufen oder beim Ausscheiden einzelner Gesellschafter – ggf neben einer Aufteilung des Inventars – anstelle einer Abfindung die Überlassung der weiteren Betreuung von Mandanten, Patienten usw zu vereinbaren (BGH WM 1979, 1064f und NJW 2000, 2584 für Anwaltssozietät; NJW 1994, 796 für ärztliche Gemeinschaftspraxis). Zur Gesamtproblematik der Abfindungsbeschränkungen vgl aus der neueren Aufsatzliteratur, zT mit deutlicher Kritik an der Rspr, ua Dauner-Lieb ZHR 158, 271 und GmbHR 1994, 836; Ebenroth/Müller BB 1993, 1152; Engel NJW 1986, 345; Esch NJW 1979, 1390; Flume NJW 1979, 902 und DB 1986, 629; Geßler GmbHR 1984, 29; Goette DStR 2001, 533; Haack GmbHR 1994, 437; Hennerkes/Binz DB 1983, 2669; Heß NZG 2001, 648; Hülsmann GmbHR 2001, 409, NZG 2001, 625ff und NJW 2002, 1673; Huber ZGR 1980, 205; Koller DB 1984, 545; Lange NZG 2001, 635; Mayer DB 1990, 1319; Mecklenbrauck BB 2000, 2001; Müller ZIP 1995, 1561; Notthoff DStR 1998, 210; Rasner NJW 1983, 2905 und ZHR 158, 292; Reinicke/Tiedtke DB 1984, 703; Römermann NJW 2007, 2209, 2213f; K. Schmidt DB 1983, 2401; Sigle ZGR 28 (1999) 659; Ulmer ZHR 161, 102; Ulmer/Schäfer ZGR 1995, 134; Volmer DB 1998, 2507; Wangler DB 2001, 1763. – Eine Regelung des Gesellschaftsvertrags, die für den ausscheidenden Gesellschafter zu einer deutlich über den tatsächlichen Wert hinausgehenden Abfindung führt, ist nicht allein deshalb sittenwidrig (München NJOZ 2006, 2198); anders für einen besonderen Sachverhalt Brandenburg VIZ 2002, 709. Die Übertragung der gesamten Gesellschafterstellung in einer OHG an einen Treuhänder, auf dessen Auswahl, Tätigkeit und Abberufung der Gesellschafter keinen Einfluss hat, ist wegen zu großer Bindung der persönlichen Freiheit sittenwidrig (BGH 44, 158, 161); das Gleiche gilt für eine sehr langfristige und weitgehende Übertragung von Aufgaben der Geschäftsführung an Dritte (BGH 36, 293; DB 1982, 846). Unwirksam ist ferner die von dem geschäftsführenden Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft übernommene Verpflichtung, auf eine Dauer von 30 Jahren Einnahmen aus anderweitiger Tätigkeit an die Gesellschaft abzuführen (BGH 37, 385) oder uU die Entbindung des geH. Palm/A. Arnold

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Rechtsgeschäfte

schäftsführenden Gesellschafters von der Pflicht zur Rechnungslegung (BGH Warn 1965, 126). Zur Sittenwidrigkeit bei Koppelung der Abberufung eines Organs mit einer Kündigung des Anstellungsvertrags Bauer/Diller GmbHR 1998, 809. Ob ein Ausschluss einzelner Gesellschafter von Stimm- und Teilnahmerechten sittenwidrig ist, entscheidet sich nach den Umständen des Einzelfalles (verneinend RG 80, 390; bejahend RG 88, 220; vgl auch Coing NJW 1948, 213). Zum Stimmrechtsbindungsvertrag vgl Rn 172 „Stimmrechtsbindungsverträge“. Zur Abtretung von Vergütungsansprüchen des Geschäftsführers einer GmbH vgl § 134 Rn 59 „Gesellschafts- und Vereinsrecht“, zum gesellschaftsrechtlichen Wettbewerbsverbot vgl Rn 196 „Wettbewerbsverbot“. 116

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Girovertrag. Zur Kündigung vgl Rn 82 „Bankkonto“.

Eine Gläubigerbenachteiligung kann gem §§ 129ff InsO zur Anfechtung eines Rechtsgeschäfts führen; zum Verhältnis dieser Vorschriften zu § 138 vgl Rn 7. Danach haben die §§ 129ff InsO Vorrang vor der Anwendung von § 138. Rechtsgeschäfte, durch die (zukünftige) Gläubiger eines Schuldners benachteiligt, gefährdet oder getäuscht werden, können aber dann sittenwidrig und damit nichtig sein, wenn sie besondere, über die Gläubigerbenachteiligung hinausgehende anstößige Umstände aufweisen (vgl die zu Rn 7 zitierte Rspr sowie Koller JZ 1985, 1013). Die zu den Sicherungsgeschäften (Rn 159 „Sicherungsgeschäfte“) dargestellten Gesichtspunkte gelten für solche Rechtsgeschäfte entspr. Sittenwidrigkeit kommt insb in Betracht, wenn dem Schuldner durch ein Rechtsgeschäft zugunsten eines Geschäftspartners und zum Nachteil der Gläubiger die Haftungsmasse weitgehend entzogen, das Vermögen des Schuldners also ausgehöhlt wird, oder wenn zukünftige Gläubiger durch ein nicht offen gelegtes Rechtsgeschäft über das wirtschaftliche Leistungsvermögen, die Liquidität und/oder die weitere Kreditwürdigkeit des Schuldners getäuscht werden (Bsp aus jüngerer Zeit: Brandenburg NJ 2005, 84). Zur Sittenwidrigkeit einer Gläubigerbenachteiligung durch Übertragung von Geschäftsanteilen: Dresden NJW-RR 2001, 1690. Als Gläubigerbenachteiligung sittenwidrig ist zB auch die allein für den Fall eines Gesellschafterkonkurses oder der Vollstreckung in einen Gesellschaftsanteil getroffene Vereinbarung einer Abfindungsbeschränkung (Staud/Sack Rn 377).

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Glücksspiel. Ein Rechtsgeschäft, das sich nach Inhalt und/oder Zweckbestimmung auf eine Förderung oder Beteiligung bei strafbarem Glücksspiel (§§ 284–286 StGB) oder bei einer unerlaubten Lotterie oder einer Ausspielung (§ 287 StGB) richtet, ist idR schon iSv § 134 verboten und deshalb nichtig. Das gilt im Grundsatz auch für Rechtsgeschäfte, die sich auf Straftaten gem §§ 284–287 StGB im Internet beziehen, auch wenn solche Straftaten aus dem Ausland begangen werden (Hamburg CR 2004, 925; MMR 2005, 471; Hamm MMR 2002, 551; Köln ZUM 2006, 648; Stögmöller K & R 2002, 57); allerdings kann die Unerlaubtheit – insb bei Vorgängen innerhalb der EU – im Einzelfall zweifelhaft sein. § 138 hat Bedeutung vor allem für Rechtsgeschäfte im für sich nicht strafbaren Umfeld der Veranstaltung von strafbedrohten Glücksspielen, Lotterien oder Ausspielungen sowie bei erlaubtem Glücksspiel (vgl auch §§ 33c–33i GewO). Ein zum Zwecke der (weiteren) Beteiligung an einem Glückspiel hingegebenes Darlehen ist jedenfalls dann sittenwidrig, wenn der Darlehensgeber aus Gewinnstreben die Spielleidenschaft des Darlehensnehmers ausnutzt und es sich um Beträge handelt, die für den Darlehensnehmer nicht unbedeutend sind (RG 67, 356; 70, 3; BGH WM 1961, 530; 1991, 1941; NJW 1974, 1821; Hamm NJW-RR 1988, 871; Köln WM 1983, 1072). Das gilt auch dann, wenn das Spiel behördlich genehmigt ist. – Vgl auch Rn 153 „Schneeballsystem“ und Rn 166 „Spielbank“.

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P Das Grundgesetz und die Landesverfassungen binden unmittelbar nur die Staatsgewalten (Gesetzgebung, Verwaltung und Rspr) selbst (Ausnahme zB Art 9 III S 2 GG); die ursprünglich vertretene Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte auf den Privatrechtsverkehr hat sich nicht durchgesetzt (vgl Classen AöR 122 [1997], 65). Die grundlegenden Wertentscheidungen der Verfassung prägen aber auch die ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffe des Privatrechts, insb die Generalklauseln wie §§ 138 und 242. Diese sind verfassungskonform auszulegen. Als Teil der Rechtsund Sozialordnung insgesamt sind die Wertentscheidungen der Verfassung einschl der Entscheidung für einen freiheitlichen und sozialen Rechtsstaat damit auch bestimmendes Element der rechtlich anzuerkennenden Sittenordnung; sie wiederum ergibt in ihrer Gesamtheit den Inhalt des Begriffs der „guten Sitten“ (mittelbare Drittwirkung; vgl BVerfG 7, 198, 206; 8, 329; 24, 251; 35, 79, 114; 39, 1, 41; 42, 143, 148; 66, 116, 135; 73, 261, 269; 81, 242, 254; 1984, 192; 1989, 214; NJW 1990, 911 und 1470; 1994, 2749; 1998, 1475, 1476; 2001, 957 und 1587; BGH 70, 324; NJW 1999, 564, 568). Allerdings gewährleistet die Verfassung gerade auch die Privatautonomie, insb die Vertragsfreiheit und die Testierfreiheit; dies gilt zudem für alle an einem Rechtsgeschäft unmittelbar oder mittelbar Beteiligten. Daraus ergibt sich zwangsläufig die Notwendigkeit, die Freiheit der verschiedenen Beteiligten in der privatautonomen Gestaltung ihrer Verhältnisse auf dem Hintergrund der von der Verfassung festgelegten Ordnung des Gemeinwesens wertend gegeneinander abzuwägen und voneinander abzugrenzen; zugleich sind – auch über § 138 – die in der Verfassung anerkannten schützenswerten Interessen der Allgemeinheit zur Geltung zu bringen (vgl mit unterschiedlichen Akzenten bei im Wesentlichen einheitlicher Grundlinie Canaris AcP 184, 201, 212; AcP 185, 9; JZ 1987, 993; JuS 1989, 161; Diederichsen Jura 1997, 57; Dreier Jura 1994, 505, 509; Erichsen Jura 1996, 527; Gaier ZEV 2006, 2; Gostomzyk JuS 2004, 949; Hager JZ 1994, 372; Hesse/Kaufmann JZ 1995, 219; Hillgruber AcP 191, 69, 71; Klein NJW 1989, 1633, 1639; Looschelders/Roth JZ 1995, 1034, 1037; Medicus AcP 192, 35, 42; Röthel JuS 2001, 424; Schapp, Grundrechte als Wertordnung, JZ 1998, 913ff; Schwabe DVBl 1971, 689; AöR 100 [1975], 442; AcP 185, 1ff; Sendler NJW 1994, 709; Singer JZ 1995, 1133; Zöllner AcP 196, 1; jeweils mwN; ferner zum Verhältnismäßigkeitsprinzip Bleckmann JuS 1994, 177).

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Zu Globalabtretung/Globalübereignung/Globalzession vgl Rn 159 „Sicherungsgeschäfte“.

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Willenserklärung

§ 138

Daraus ergibt sich für die Anwendung von § 138 im Privatrechtsverkehr: Mit den guten Sitten unvereinbar, sofern nicht schon von § 134 erfasst, sind Rechtsgeschäfte, die sich nach Inhalt und/oder Zweck mit dem Bestand der verfassungsmäßigen Ordnung des Staatswesens nicht vertragen oder darauf abzielen, die verfassungsmäßige Tätigkeit der Staatsgewalten und ihrer Träger zu beeinträchtigen, etwa den Zugang zu einem öffentlichen Amt abw von Art 33 II GG zu ermöglichen, das freie Mandat eines Abgeordneten entgegen Art 38 I S 2 GG einzuschränken oder eine an den Art 97 I, 103, 104 GG ausgerichtete Tätigkeit eines Gerichts zu behindern. Als sittenwidrig zu missbilligen sind ferner Rechtsgeschäfte, die sich mit den Grundentscheidungen der Verfassung zur Wahrung der Menschenwürde (Art 1 I GG), zur Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit (Art 4 GG), und zum Schutz von Ehe und Familie (Art 6 GG; vgl dazu Rn 100 „Ehe und Familie“) nicht vertragen. Vor allem aus der Grundwertung des Art 1 I GG ergeben sich auch Maßstäbe für die Vereinbarkeit von Verträgen zum Handel mit menschlichen Organen sowie zur Anwendung moderner naturwissenschaftlich-medizinischer Methoden (Biotechnik, Gentechnik) auf den Menschen und den menschlichen Embryo mit den guten Sitten. Im Bereich dieser Grundwertungen wird iÜ auch eine Kommerzialisierung von rechtsgeschäftlichen Dispositionen vor der Sittenordnung keinen Bestand haben können (vgl zB Rn 100 „Ehe und Familie“ und Rn 131 „Konfessionswahl“). Schwieriger und nur in einer abwägenden Wertung zu bestimmen ist die Grenze für Rechtsgeschäfte, die i Erg einer über den jeweiligen Gesetzesvorbehalt und seine Ausformung hinausgehenden Einschränkung der Freizügigkeit (Art 11 GG), der Berufsfreiheit (Art 12 GG) oder der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art 13 GG) gleichkommen; idR wird die Sittenordnung Rechtsgeschäfte nicht hinnehmen können, die einen Beteiligten über ein aus dem jeweiligen Geschäft hinaus sachlich begründbares Maß binden; Bsp bieten insoweit etwa die Behandlung von Dauerschuldverhältnissen (Rn 97 „Dauerschuldverhältnis“), von Vermieterrechten ggü Wohnungsmietern (Rn 139 „Miet- und Pachtrecht“) und von Wettbewerbsverboten (Rn 196 „Wettbewerbsverbot“). Auch aus dem Sozialstaatsprinzip und der Sozialbindung des Eigentums können sich im Einzelfall Grenzen der Sittenordnung für die privatrechtliche Gestaltungsfreiheit (etwa im Arbeitsrecht oder im Mietrecht) ergeben (Bsp: BAG NZA 2006, 1354). Bei Rechtsgeschäften, die als staatliches Handeln den Schutzbereich etwa der Art 5 (Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Wissenschaftsfreiheit), 8 (Versammlungsfreiheit) sowie 9 GG (Vereinigungsfreiheit) berühren würden, ist für den Inhalt des Begriffs der guten Sitten zu berücksichtigen, dass hier nicht allein die individuelle Freiheit, sondern auch für die freiheitliche Demokratie wichtige Allgemeininteressen geschützt werden. IÜ hat § 138 – erg zu anderen Instrumenten des Privatrechts, etwa zu § 123 – auch dem Schutz der Beteiligten vor Fremdbestimmung – als verfassungsrechtlicher Grundwert gem Art 1, 2 GG und zugleich als Grundlage der Privatautonomie zu dienen und dem Missbrauch wirtschaftlicher Macht entgegenzuwirken. Praktische Bedeutung hat dieser Gesichtspunkt besonders dort, wo ein Rechtsgeschäft in einer ausgeprägt ungleichen Ausgangslage (Bsp: Rn 140 „Monopolmissbrauch“; Rn 11ff „Wucher“; vgl auch die neue Rspr zur Bürgschaft von mittellosen Angehörigen, Rn 90 „Bürgschaft“) zustande kommt oder in seiner Wirkung zur weitgehenden Reduzierung des Selbstbestimmungsrechts führt (Bsp: Rn 128 „Knebelung“). – Zu Art 3 s Rn 99 „Diskriminierung“). P Die zur Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft entwickelten Grundsätze sind auf die Bestellung eines 121 Grundpfandrechts zur Sicherung einer Forderung grds nicht anzuwenden (BGH NJW 2002, 2633 zur Sicherungsgrundschuld). Bedenkenswerte Kritik an dieser Rspr äußert Wagner (AcP 205, 715). P Grundstücksverkehr. Ein Kaufvertrag über ein – bebautes oder unbebautes – Grundstück oder 122 eine Eigentumswohnung kann vor allem bei einem auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung und Hinzutreten weiterer anstößiger Umstände als Wucher (Rn 11ff) oder wucherähnliches Geschäft (vgl Rn 199 „Wucher/wucherähnliches“ Geschäft) sittenwidrig sein. Die Rspr ist aber in der Bejahung einer objektiv unangemessenen Preis-Leistungs-Relation zu Recht eher zurückhaltend. Hohe Preise sind gerade bei Grundstücken häufig die normale marktwirtschaftliche Folge eines knappen Angebots, auffällig niedrige Preise nicht selten der Ausdruck der allg Marktlage (etwa bei einem Überangebot an Eigentumswohnungen), besonderer Risiken des Geschäfts oder ungünstiger Bewertungsfaktoren bei dem einzelnen Objekt. Zudem spielen gerade bei Grundstücksgeschäften für den Preis nicht selten spekulative Erwartungen und/oder Liebhaberinteressen eine Rolle. Selbst ungewöhnlich hohe Preise verstoßen dann nicht gegen die guten Sitten (vgl etwa BGH DNotZ 1977, 103 für ein in einem Landschaftsschutzgebiet gelegenes, in der fehlgeschlagenen Erwartung zukünftiger Bebaubarkeit erworbenes Grundstück). Ein Missverhältnis zw Grundstückswert und Preis ist verschiedentlich bejaht worden, wenn der vereinbarte Preis rund fast das Doppelte (überhöhter Preis) oder nur etwa die Hälfte des Marktpreises des Grundstücks (zu niedriger Preis) betrug (Bsp: BGH NJW 1992, 899; WM 1980, 597; 1981, 404; 1984, 874; 1994, 1275; 1995, 2635; 1996, 262; 1996, 1204; 2000, 1487, 1488; NJW-RR 1990, 950; 1991, 589; 1993, 198; 2000, 1431; 2000, 1487; 2001, 1127; ZIP 1997, 931; Hamm NJW-RR 2002, 128 – für eine Eigentumswohnung; Brandenburg VersR 1996, 1020; vgl auch BGH DtZ 1997, 66 – für einen Rückübertragungsanspruch in Bezug auf ein Grundstück im Beitrittsgebiet; BGH 160, 240 – für einen sog Komplettierungsverkauf gem § 8 VZOG im Beitrittsgebiet; Brandenburg OLG-NL 2005, 252 – für den Ankauf eines Mauer- und Grenzgrundstücks, Naumburg OLG-NL 2003, 243 – für ein Grundstücksgeschäft zw Treuhand und Gemeinde sowie Rostock DtZ 1997, 389 – für einen gemeinschaftsschädlichen Unterwertverkauf eines gemeindlichen Grundstücks). Bei Fehlen eines Marktpreises (etwa bei Eigentumswohnungsanlagen oder Ferienobjekten) kann sich die Überhöhung des vereinbarten Preises auch aus anderen Umständen ergeben; ein auffälliges Missverhältnis zw Leistung und Gegenleistung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass andere Erwerber – etwa im Rahmen eines Steuersparmodells in einer Eigentumswohnungsanlage – vergleich-

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§ 138

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

bare Preise gezahlt haben (BGH NJW 2005, 820; NJW-RR 2005, 1418). Zur Abgrenzung (keine Sittenwidrigkeit): BGH 130, 1001. Für ein grobes Missverhältnis genügt im Grundstücksverkehr, dass der objektive Wert der Leistung der einen Seite fast (knapp) doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung. Ein solches Missverhältnis erlaubt idR den Schluss auf eine bewusste oder grobfahrlässige Ausnutzung eines den Vertragspartner in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstandes und damit auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten (BGH 146, 298). Dies gilt allerdings nur dann, wenn das grobe Missverhältnis durch einen direkten Vergleich mit dem maßgeblichen Markt gewonnen wird; ergibt sich das krasse Missverhältnis aus einer Wertermittlung nach dem Ertragswertverfahren, bedarf es weiterer Anhaltspunkte dafür, dass es dem Verkäufer bekannt war oder er sich ihm leichtfertig verschlossen hat (BGH NJW-RR 2008, 1436, 1438). Dagegen soll der Schluss von einem verwerflichen Missverhältnis auf eine verwerfliche Gesinnung auch dann möglich sein, wenn dem Begünstigten das für ihn besonders vorteilhafte objektive Wertverhältnis nicht bewusst ist und auch keine weiteren belastenden Umstände vorliegen (BGH 146, 298; krit vor allem Bork JZ 2001, 1138; Eckert ZfIR 2001, 884; Flume ZIP 2001, 1621; Maaß, NJW 2001, 3467). Zur Widerlegung der Vermutung für eine verwerfliche Gesinnung genügen sachgerechte Bemühungen um ein angemessenes Leistungsverhältnis (BGH NJW 2002, 3165, 3166 mwN) oder – bei einem in absoluter Höhe geringen Wert – objektive Schwierigkeiten der Werteinschätzung (BGH NJW 2003, 283). Zur Sittenwidrigkeit eines unter anstößigen Umständen zustande gekommenen Erlassvertrags über einen erheblichen Teil des Kaufpreises BGH NJW-RR 1998, 590. Wenn die Sittenwidrigkeit des Grundstückskaufs auch den Vertrag über dessen Finanzierung durch ein Kreditinstitut erfassen soll, muss dessen eigene Kenntnis von der sittenwidrigen Überteuerung des Grundstücks nachgewiesen werden (Frankfurt BeckRS 2006, 11572 = DB 2006, 1371 L). Die Wirksamkeit der Auflassung wird von der Sittenwidrigkeit des Kaufvertrags regelmäßig nicht berührt (BGH WM 1997, 1155, 1156; NJW 2001, 1127, 1129). Veräußert der durch das Geschäft benachteiligte Käufer das Grundstück weiter, dann hat er gegen den Verkäufer aus §§ 311 II, 280, 241 II nur einen Schadensersatzanspruch auf den Vertrauensschaden (BGH NJW 1996, 1204; 1999, 101, 106). Die einseitige Erwerbsverpflichtung eines Eigenheiminteressenten ist, selbst wenn sie mit einem Strafversprechen verbunden ist, nicht ohne weiteres nichtig (BGH WM 1974, 1045). Mangels Sittenverstoßes ist eine einseitige Kaufverpflichtung zum Erwerb eines ausländischen Feriengrundstücks wirksam (Köln NJW 1968, 2199). Zur (verneinten) Sittenwidrigkeit eines Landbeschaffungsvertrags für Verteidigungszwecke vgl Düsseldorf NVwZ 1998, 773. Zu § 138 bei einer Teilungserklärung nach dem WEG BayObLG NJW-RR 1999, 523, 525. – Vgl auch unter Rn 98 „DDR“ und Rn 104 „Erbbaurecht“. 123

P Ein zw Kraftfahrer und Fahrgast vereinbarter Haftungsausschluss für den Fall, dass ein Dritter dem Fahrgast haftet, ist sittenwidrig (RG DR 1939, 1318).

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P Handelsvertreter. Ein angemessener Mindeststandard in den Vertragsbeziehungen von Handelsvertreter und Unternehmer ist zT schon durch zwingende gesetzliche Regelungen (vgl etwa § 86a III, § 90a IVHGB) und durch das AGB-Recht gesichert; insoweit wird die Anwendung von § 138 allenfalls ausnahmsweise in Betracht kommen (vgl etwa BGH NJW 2003, 1670 zu § 88 HGB aF; Köln VersR 1998, 97 sowie die Erörterungen bei Evers BB 1992, 1365). Verpflichtet ein ausscheidender Handelsvertreter seinen Nachfolger, ihn für die Dauer von zehn Jahren an künftig anfallenden Provisionen zu beteiligen, liegt hierin idR noch kein Sittenverstoß, wenn der Ausscheidende den Abschluss des Handelsvertretervertrags mit seinem Nachfolger vermittelt und diesen bei der Kundschaft eingeführt hat (BGH NJW 1975, 1926). Die Dauer der Bindung ist in der Entscheidung nicht problematisiert; nach der heutigen Rspr zu Dauerschuldverhältnissen (vgl Rn 97 „Dauerschuldverhältnis“) sind Bedenken gegen eine zehnjährige Bindung dieser Art – je nach den Umständen des Einzelfalles – nicht auszuschließen, sofern die Verpflichtung nicht in der Sache ein zeitlich gestreckter Kaufpreis für den ideellen Wert der übernommenen Vertretung ist. – Die Vereinbarkeit von Kündigungseinschränkungen mit den guten Sitten hängt vom Gesamtbild der wirtschaftlichen Stellung und der wirtschaftlichen Beziehungen der Vertragspartner zueinander ab (BGH NJW 1995, 2350). Vgl auch zu Rn 196 – „Wettbewerbsverbot“.

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P Insolvenzverschleppung. Rechtsgeschäfte, mit denen ein Außenstehender ein nicht mehr dauerhaft sanierungsfähiges insolventes Unternehmen vorübergehend vor dem Insolvenzverfahren bewahren will, um zunächst für eigene Forderungen eine Erfüllung oder Sicherung zu erhalten, verstoßen idR gegen die guten Sitten. Solche Geschäfte dienen in Wahrheit nämlich nur dem eigenen Vorteil zulasten der schutzwürdigen Interessen der sonstigen Gläubiger und der Allgemeinheit. Sittenwidrigkeit aus diesem Grund kommt in erster Linie bei Kredit- und Sicherungsgeschäften in Betracht (vgl näher dazu Rn 159 „Sicherungsgeschäfte“), ist aber auch bei anderen Rechtsgeschäften nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl aus der Zeit vor Inkrafttreten des neuen Insolvenzrechts Staud/ Sack Rn 269, 336, 351; Hamm NJW-RR 1995, 618 – Wechsel-Scheckverfahren).

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P Kartellrecht. Für die Wirksamkeit eines Kartellvertrags sowie sonstiger wettbewerbsbeschränkender Verträge gelten bestimmte Sonderregeln (zB §§ 1ff GWB; Art 101f AEUV); sie enthalten gesetzliche Verbote, die – ggf iVm § 134 – zur Nichtigkeit von Rechtsgeschäften führen können (vgl zB Markert WRP 2003, 356, zu langfristigen Energiebezugsbindungen). Der Schutzzweck des Kartellrechts deckt sich aber nicht voll mit dem des § 138 (BGH NJW 1994, 384). § 138 findet deshalb im Grundsatz neben den Vorschriften des (dazu § 134 Rn 71 und Bechtold/Buntscheck NJW 2005, 2966) deutschen Kartellrechts Anwendung, soweit für die Sittenwidrigkeit solcher Rechtsgeschäfte an einen anderen Umstand als den Tatbestand der kartellrechtlich verbotenen Wettbewerbsbeschränkung als solcher angeknüpft wird (Bsp, die allerdings aus der Zeit vor der Novellierung des Kartell-

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Willenserklärung

§ 138

rechts stammen und deren Übertragbarkeit auf die heutige kartellrechtliche Lage jeweils hinterfragt werden muss: BGH BB 1971, 1177; NJW 1976, 711; 1979, 1605; NJW-RR 1989, 900; NJW 1994, 384). Das europäische Kartellrecht hat Vorrang vor der Anwendung von § 138 (Staud/Sack Rn 170). Bei der Ausfüllung des Begriffs der guten Sitten sind die Wertentscheidungen sowohl des deutschen als auch des europäischen Kartellrechts zu berücksichtigen (vgl zB Ulmer NJW 1979, 1585, 1586 zum Wettbewerbsrecht). Zur Nichtigkeit von Folgeverträgen, die an kartellrechtliche Verstöße anschließen, vgl Celle NJW 1963, 2126 mwN; s auch zu Rn 85 „Benachteiligung Dritter/Schmiergeldzahlungen“ bzw Rn 184 „Unlauterer Wettbewerb“. P Auch bei Kaufverträgen über bewegliche Sachen pp kommt Sittenwidrigkeit vor allem unter den 127 Voraussetzungen des Wuchers (Rn 11ff) oder eines wucherähnlichen Geschäfts (Rn 199 „Wucher/wucherähnliches Geschäft“) in Betracht. Bei welcher Überschreitung des Marktpreises ein Missverhältnis zw vereinbartem Preis und Wert des Kaufgegenstandes vorliegt, lässt sich nicht allgemeingültig sagen. Wenn der Wert der Leistung doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung, wird nach dem heutigen Verständnis regelmäßig schon ein krasses Missverhältnis vorliegen (BGH BB 1998, 393; NJW 2000, 1254, 1255 – Münzkauf; NJW-RR 2003, 558 = WM 2003, 1533 – Kauf eines Reitpferdes; vgl auch Düsseldorf NJW-RR 1999, 408; KG NJW-RR 1995, 1422; Kohte VuR 2003, 114), bei dem aus dem objektiven Wertverhältnis auf eine verwerfliche Gesinnung des begünstigten Vertragsteils geschlossen werden kann. Tendenziell kann bei einem objektiv hohen Kaufpreis auch schon eine Überteuerung um weniger als 100 % zu beanstanden sein (vgl Nürnberg BB 1996, 659 – Preis einer EDVAnlage). Von krassen Überschreitungen des Marktpreises abgesehen (vgl etwa LG Bremen NJW-RR 1988, 570), wird es für die Bewertung stets auf die abwägende Würdigung aller Vertragsbedingungen und Umstände ankommen. Zur Sittenwidrigkeit beim Kauf eines GmbH-Anteils vgl München BB 1995, 2235. Kaufverträge, die etwa anlässlich einer sog Kaffeefahrt oder bei einer ähnlichen Verkaufsveranstaltung abgeschlossen werden, können wegen des auf den Käufer ausgeübten psychologischen Kaufzwangs als Wucher oder wucherähnliches Geschäft nichtig sein, wenn der Kaufgegenstand völlig überteuert ist (LG Trier NJW 1974, 152; Sack NJW 1974, 564; beachte Rn 9). Sittenwidrigkeit kommt aber auch in Betracht, wenn Kaufverträge bei erheblichem psychologischen Druck, unter Einsatz anstößiger Mittel (etwa arglistige Täuschung; wiederholtes Drängen auf Bestellung iVm Gewinnzusagen) und vielfach unter Ausnutzung der Unerfahrenheit des Kunden abgeschlossen werden (Bsp aus jüngster Zeit: BGH NJW 2005, 2991, 2992); dies gilt nicht zuletzt, wenn unter solchen Umständen Dinge verkauft werden, mit denen der Käufer nichts anfangen oder die er nicht bezahlen kann, mag der Preis als solcher auch nicht zu beanstanden sein (Medicus AT Rn 708; Bsp: BGH NJW 1966, 1451; 1988, 1373; vgl auch Frankfurt NJW-RR 1988, 501; KG MDR 1984, 405). Zur Sittenwidrigkeit von sog Aussteueranschaffungsverträgen vgl BGH NJW 1982, 1455 und 1457. Unwirksam ist ein mit einem Aussiedler geschlossener Kaufvertrag, wenn dessen geschäftliche Unerfahrenheit ausgenutzt wird (Hamm JMBl NRW 1974, 32). Zur Sittenwidrigkeit eines Automatenkaufvertrags vgl BGH NJW-RR 1998, 1065 = LM § 138 [Bb] Nr 83. Beim finanzierten Kauf oder beim sog Mietkauf ergibt sich ein auffälliges Missverhältnis zw vereinbartem (Gesamt-)Preis und Marktpreis vielfach aus einer sehr ungünstigen Gestaltung der einheitlich zu betrachtenden Finanzierungs- und Zahlungsbedingungen (Bsp: BGH NJW 1980, 1155 – finanzierter Kauf einer Heißmangel; NJW 1979, 758 – Mietkauf eines Spielgeräts). Nicht ohne weiteres sittenwidrig ist hingegen der Verkauf überteuerter Eintrittskarten für besonders begehrte Sport- oder Unterhaltungsveranstaltungen auf dem „grauen Markt“ (Köln OLG 1993, 193). Bei Kaufverträgen zw Privaten ist ein (allerdings praktisch durch § 444 eingeschränkter) Gewährleistungsausschluss grds zulässig (vgl dazu im Einz Tiedtke NJW 2005, 1153, 1156f) und nur im Einzelfall bei Hinzutreten anstößiger Umstände sittenwidrig. Zur Sittenwidrigkeit des Kaufvertrags über ein Radarwarngerät vgl Rn 143 – „Öffentliche Verwaltung“. – Vgl auch Rn 70 „Adelsbezeichnungen, Titel usw“ Rn 86 „Berufsrecht/Praxisverkauf“, Rn 98 „DDR“, Rn 102 „Einkaufsausweis“ und Rn 122 „Grundstücksverkehr“ sowie zu langfristigen Lieferverträgen Rn 88 „Bierbezugsvertrag“, Rn 97 „Dauerschuldverhältnis“, Rn 103 „Energieversorgung“ und Rn 175 „Tankstellenvertrag“. P Knebelung eines anderen. Verträge, die die wirtschaftliche Freiheit des Vertragspartners so be- 128 schränken, dass er seine Eigenständigkeit ganz oder im Wesentlichen einbüßt und praktisch zum Werkzeug des anderen Teils wird, sind sittenwidrig (RG 82, 313; 130, 143, 145; 136, 247, 253f; BGH 7, 111ff; 19, 12, 18; 22, 347; 44, 158, 161; 83, 313, 316; NJW 1962, 102; 1967, 1043; 1970, 657; 1976, 181; 1993, 1587; WM 1976, 183; LM § 138 [Bc] Nr 13; Celle ZIP 1982, 942; Stuttgart NJW 1964, 667; Köln ZIP 1985, 1474; Frankfurt NJW 1967, 1043). Sittenwidrigkeit tritt allein schon wegen der objektiv knebelnden Wirkung ein; weitere subjektive Voraussetzungen sind nicht zu erfüllen; insb ist eine Knebelungsoder Schädigungsabsicht nicht erforderlich (Staud/Sack Rn 259). In erster Linie ist die rechtliche Bindung entscheidend; jedoch kann auch eine tatsächliche Zwangslage ein Sittenwidrigkeitsurteil begründen. Allerdings ist nicht schon jede Beschränkung der wirtschaftlichen Freiheit, wie sie im Wirtschaftsleben vielfach aus Verträgen folgt, sittenwidrig (vgl RG 165, 14; BGH NJW 1967, 1042; BAG BB 2004, 2303 – zum einzelvertraglichen Ausschluss der ordentlichen Kündigung für einen längeren Zeitraum; Brandenburg BB 1999, 655 – für ein Darlehen mit 17 Jahren Tilgungsfrist; Dresden WM 2000, 1689 – Globalzession mit Verbleib der Einziehungsbefugnis beim Schuldner; Hamm NJW 1977, 203 – Erbbaurechtsvertrag mit Kaufzwangklausel; Hamm NJW-RR 1988, 117 – übermäßige Sicherungsabtretung). Ein Vertrag verstößt aber dann gegen die guten Sitten, wenn der Vertragspartner (fast) ganz der geschäftlichen Dispositions- und Handlungsfreiheit beraubt wird; dies kann sich auch infolge der Einräumung weitgehender Mitwirkungs- und/oder Kontrollrechte für einen Außenstehenden ergeben (BGH NJW 1993, 1587; Hamm BB 1970, 374; zu Eingriffsmöglichkeiten aus wichtigem Grund BGH WM 1961, 1297, 1299; zu weiteren Einzelheiten Rn 159 „Sicherungsgeschäfte“). Die

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Rechtsgeschäfte

Freiheitsbeschränkung bei einem Knebelungsvertrag bezieht sich auf Personen, jur Pers eingeschlossen (RG 130, 145); die Bindung von Vermögen reicht als solche nicht; jedoch kann auch eine weitgehende Überlassung des pfändbaren Vermögens an einen Gläubiger zur Sicherheit für den Schuldner knebelnde Wirkung haben (BGH NJW 1967, 1043; RG 136, 247, 253f). Eine übermäßige wirtschaftliche Bindung wird zur Begründung des Sittenwidrigkeitsurteils zB bei Automatenaufstellungsverträgen (Rn 81), Bierbezugsverträgen (Rn 88) sowie vor allem bei Sicherungsgeschäften (Rn 159) herangezogen. Eine Knebelung kann aber auch bei einem Gesellschaftsvertrag (RG 82, 308; 163, 391; BGH NJW 1992, 3035), einem Finanzierungsvertrag (RG 131, 213; BGH 19, 12, 18; NJW 1962, 102), einem Franchisevertrag (vgl Rn 111 – „Franchisevertrag“), einem Mietoder Pachtvertrag (vgl RG JW 1929, 3161; BGH WM 1976, 181 – Unternehmenspacht; Hamm BB 1970, 374 – Mietvertrag über Gewerbeobjekt; Nürnberg BB 1958, 892; vgl auch Rn 139 „Miet- und Pachtrecht“), einer weder zeitlich noch gegenständlich beschränkten verlagsrechtlichen Optionsvereinbarung (BGH 22, 347; vgl Rn 154 „Schriftsteller“) oder einem Treuhandvertrag (BGH 44, 158; NJW 1967, 1043; vgl Rn 179 „Treuhandverträge“) erfolgen. Zur Knebelung durch aufeinander folgende Verträge vgl BGH NJW 1952, 1169 (dazu Nebelung/Borchart NJW 1953, 57ff), zur Sittenwidrigkeit sog Sanierungs-Knebelungsverträge vgl RG 85, 346; JW 1931, 515; HRR 1931 Nr 1429; Neuhof NJW 1999, 20, 22. 129

P Die Kollusion, das bewusste und gewollte (kollusive) Zusammenwirken von mindestens zwei Beteiligten zum Nachteil Dritter oder der Allgemeinheit, macht ein Rechtsgeschäft sittenwidrig. Die Benachteiligungswirkung muss nicht gewollt sein, es genügt, wenn sie billigend in Kauf genommen wird oder sich der durch das Rechtsgeschäft Begünstigte grobfahrlässig/leichtfertig über die Benachteiligungsmöglichkeit hinwegsetzt (BGH NJW 1995, 1668). Im Rahmen von § 138 bedeutsame Erscheinungsformen der Kollusion sind etwa (vgl dazu Rn 85 „Benachteiligung Dritter“ und Rn 87 „Bestechung“) die Bestechungs- und Schmiergeldvereinbarungen und die kollusive Beeinträchtigung von Rechten oder Ansprüchen Dritter durch Rechtsgeschäft, ferner die Gläubigertäuschung (Rn 163 „Sicherungsgeschäfte/Täuschung“), die Vereinbarung mit der Wirkung der Insolvenzverschleppung (Rn 125 „Insolvenzverschleppung“) und sonstige Formen des rechtsgeschäftlichen Zusammenwirkens zur Beeinträchtigung von Rechten, Ansprüchen oder sonstigen schützenswerten Interessen der Allgemeinheit (Rn 84 „Benachteiligung der Allgemeinheit“). Vgl auch Rn 149 – „Vergaberecht“.

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P Zu Verträgen kommunaler Selbstverwaltungskörperschaften vgl unter Rn 143 „öffentliche Verwaltung“.

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P Eine rechtsgeschäftliche Verknüpfung der Konfessionswahl (auch eines Konfessionswechsels oder eines Kirchenaustritts) mit dem Versprechen oder der Gewährung von Vermögensvorteilen oder mit Austauschgeschäften ohne sachlichen Bezug zur Religionszugehörigkeit (etwa Mietvertrag; regelmäßig, außer zB bei sog Tendenzbetrieben der Kirchen – vgl § 118 I BetrVG, auch Arbeitsvertrag) verträgt sich nicht mit der verfassungsrechtlichen Grundwertung zur Religionsfreiheit (Art 4 GG) und ist sittenwidrig (vgl auch Rn 120 „Grundgesetz“). Darauf gerichtete Verträge (RG SeuffA 69 Nr 48; Braunschweig OLG 1976, 52; vgl auch KG HRR 1933 Nr 1830) oder letztwillige Verfügungen (RG JW 1913, 1100) sind schon ihrem Inhalt nach nichtig. Bei letztwilligen Verfügungen ist allerdings Rücksicht auf die als Grundwert der Verfassung ebenfalls anerkannte (Art 2 I, 14 I GG) Testierfreiheit zu nehmen (näher vgl Smid NJW 1990, 409). Deshalb ist es nicht zu beanstanden, wenn eine letztwillige Verfügung Sicherungen dagegen trifft, dass das Erblasservermögen letztlich einer bestimmten Religionsgemeinschaft zufällt, ohne dass die Religionsfreiheit des Erben unmittelbar berührt wird (Düsseldorf NJW 1988, 2615; Smid aaO).

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P

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Die Wirksamkeit von Koppelungsgeschäften (der Abschluss eines Rechtsgeschäfts wird von dem Abschluss eines Rechtsgeschäfts mit anderem Inhalt abhängig gemacht) beurteilt sich teilw nach Spezialregeln. So ist für Koppelungsgeschäfte der öffentlichen Hand § 56 VwVfG zu beachten; bei Verletzung greift § 134 ein (vgl § 134 Rn 73 „Koppelungsvertrag“). Diese Vorschrift regelt als solche zwar nur die Zulässigkeit öffentlich-rechtl Austauschverträge; sie gibt jedoch darüber hinaus einen allg Anhalt für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit anderer Koppelungsgeschäfte. Dadurch wird die bisherige Rspr (vgl etwa BGH 26, 84; MDR 1966, 915; NJW 1975, 1020) konkretisiert. Bspw ist ein Baulandsicherungsvertrag zw einem Grundstückeigentümer und einer Gemeinde sittenwidrig, wenn die Leistung der Gemeinde in der Erteilung eines rechtswidrigen Einvernehmens nach § 36 BauGB bestand (VG München NJW 1998, 2070; weiteres Bsp aus dem Bereich öffentlich-rechtl beeinflusster Grundstücksgeschäfte: VG Darmstadt NJW 1998, 2073). Das Finanzamt darf die Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht davon abhängig machen, dass der Bewerber ihm zur Sicherung künftiger Steueransprüche Forderungen abtritt (BGH 94, 125). – Vgl auch Rn 143 „öffentliche Verwaltung“ und § 134 Rn 73 „Koppelungsvertrag“. Bei Verträgen über das „betreute Wohnen“ ist die Verbindung eines Mietvertrags mit einem Dienstleistungsvertrag („Servicevertrag“) idR nicht sittenwidrig (BGH NJW 2006, 1276).

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P Ein Krankenhausaufnahmevertrag mit einem zwar pflege-, aber nicht behandlungsbedürftigen Patienten, hinter dem kein Kostenträger steht und der nur über bescheidene Mittel verfügt, ist wegen des Missverhältnisses zw Leistung und Gegenleistung sowie der Unvereinbarkeit mit der Pflichtenstellung des Krankenhausträgers ggü dem Patienten sittenwidrig (BGH 102, 110). Aus den zur Bürgschaft und zum Schuldbeitritt dargestellten Gründen ist es sittenwidrig, bei der Aufnahme eines Patienten von dem ihn begleitenden einkommens- und vermögenslosen Familienangehörigen eine Kostenübernahmeerklärung zu verlangen (Hamm NJW 2001, 1797; vgl dazu auch Schwarz/Matterne MDR 2001, 674). Zur Feststellung eines auffälligen Missverhältnisses zw den Leistungen einer

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Zu Konkurrenzklauseln vgl Rn 196 „Wettbewerbsverbot“.

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§ 138

Privatklinik und den von ihr berechneten Pauschalvergütungen BGH 154, 154; dazu: Bold MedR 2003, 407; Hütt VersR 2003, 981; Schwintowski VuR 2003, 270. P Wickelt ein Arbeitnehmer Geschäftsspesen über eine Kreditkarte ab, die seine Arbeitgeberin ihm 135 zur Verfügung gestellt hat, und haften nach den Kreditkartenbedingungen der Arbeitnehmer und die Arbeitgeberin als Gesamtschuldner ggü dem Kreditkartenherausgeber, so ist eine solche Mithaftungsklausel nicht sittenwidrig (BAG 27, 127). Zur Frage der Wirksamkeit eines mittels Kreditkarte dem Kartenunternehmen wegen einer sittenwidrig hohen Zeche in einem Animierlokal erteilten Belastungsauftrags: BGH 152, 75; Köln NJW-RR 2002, 620; LG Berlin NJW 1986, 1939. Vgl auch zu Rn 73 – „Animierlokal“. P Für finanzierte Leasingverträge mit Verbrauchern bietet das teilw entspr anwendbare Verbrau- 136 cherkreditrecht (§ 500 iVm §§ 358f und §§ 491ff; früher VerbrKrG) mittelbar einen gewissen Schutz gegen sittenwidrige Rechtsgeschäfte (zum Verhältnis Leasing/Verbraucherdarlehensrecht in jüngster Zeit: Peters WM 2006, 1183). Daneben gilt aber uneingeschränkt § 138. Im Einzelfall kann sich Sittenwidrigkeit aus der Gesamtgestaltung der Vertragsbedingungen ergeben (vgl Bamberg NJW 1972, 1993; Köln NJW-RR 1987, 371). In der Praxis kommt Sittenwidrigkeit aber vornehmlich in Betracht, wenn zw dem Marktwert der Nutzungsmöglichkeit des Leasingnehmers und der vereinbarten Leasingrate ein auffälliges Missverhältnis besteht und entweder die Wuchervoraussetzungen erfüllt sind oder sonstige sittenwidrige Umstände hinzutreten. In Lit und Rspr war lange Zeit umstr, ob bei finanzierten Leasingverträgen über bewegliche Sachen ein auffälliges Missverhältnis durch Vergleich der vereinbarten Leasingrate mit einer marktüblichen Leasingrate (vgl dazu Bunte EWiR 1986, 115; Celle NdsRpfl 1990, 249; Hamm NJW-RR 1994, 1467; München NJW 1981, 1104; Saarbrücken NJW-RR 1988, 243), durch entspr Anwendung der Rspr zum Ratenkredit (so Karlsruhe NJW-RR 1986, 217; Schmidt/Schumm DB 1989, 2109) oder etwa durch Vergleich des Gewinnanteils der Leasingrate mit einem üblichen Gewinn (so für Kfz-Leasing Reinking/Nießen NZV 1993, 49ff) zu ermitteln ist (vgl auch Graf v Westphalen NJW 1993, 3225; Wolf NJW 1994, 298; Zahn DB 1994, 617). Seit BGH 128, 255, ergänzt durch BGH NJW 1995, 1146 (ähnlich inzwischen Düsseldorf BB 1996, 1687 = WM 1996, 1693; krit zu beiden BGH-Entscheidungen Krebs NJW 1996, 1177; vgl auch: Assies WiB 1995, 435; Beckmann CR 1996, 147; Treier WM 1995 Beil 4; Graf v Westphalen WiB 1995, 434; und BGH CR 1995, 527) gilt in der Rspr bei Leasing von beweglichen Sachen (ob auch bei Immobilienleasing, ist ausdr offengelassen): Die tatsächlich vereinbarte Leasingrate ist in erster Linie mit einer marktüblichen Leasingrate zu vergleichen; ein auffälliges Missverhältnis ist jedenfalls ab einer ggü der marktüblichen Leasingrate um 100 % höheren tatsächlichen Leasingrate anzunehmen. Lässt sich eine marktübliche Leasingrate nicht feststellen (instruktiv dazu Bülow aaO), ist zum Vergleich hilfsweise auf die bei Ratenkreditverträgen angewandte Methode unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Leasinggeschäfts (Restverwertungsrisiko, dazu Dresden NJW-RR 2000, 1305; höhere Refinanzierungskosten und evtl Verwaltungskosten des Leasinggebers; unterschiedliche steuerliche Auswirkungen) zurückzugreifen (krit dazu Krebs aaO mit beachtlichen Arg für eine ausschließlich leasingspezifische Vergleichsmethode; zur Methodik des Wertvergleichs auch Köln NJW-RR 1997, 1549). Neben einem auffälligen Missverhältnis ist für § 138 I die Feststellung einer verwerflichen Gesinnung des Leasinggebers oder sonstiger sittenwidriger Umstände nötig.– Zur Berechnungsmethode beim Vergleich von Leasingraten mit einem marktüblichen Zins ist auf die zitierten Entscheidungen Bezug zu nehmen. Zu den Auswirkungen einer Sittenwidrigkeit des Kaufvertrags Lieferant/Leasingnehmer auf den Leasingvertrag: Nürnberg WM 1996, 497. – Die einzige bisher zum Immobilienleasing ergangene höchstrichterliche Entscheidung befasst sich mit der Sittenwidrigkeit eines mit einer Kommune unter Verletzung öffentlichen Haushaltsrechts abgeschlossenen Immobilienleasingvertrags (BGH NZBau 2006, 590, 707); vgl dazu unter Rn 143 – „öffentliche Verwaltung“. Zur Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft für Ansprüche aus einem Leasingvertrag: BGH NJW 1995, 1886. P Ein Leihmuttervertrag macht Kind und Mutterschaft entgegen den Grundwertungen von Art 1 I, 137 6 GG (vgl Rn 120 „Grundgesetz“) zum Gegenstand eines Rechtsgeschäfts; er führt zudem zu erheblichen Statusproblemen für das Kind; daher ist er – wenn nicht schon nach § 134 iVm § 1747; vgl dazu Medicus AT Rn 706b mwN – jedenfalls nach § 138 I nichtig (Hamm NJW 1986, 781; LG Freiburg NJW 1987, 1488; vgl auch Deutsch NJW 1986, 1971; Kollhosser JZ 1986, 446; aM Coester-Waltjen NJW 1982, 2528, 2533; JuS 1987, 193; Jura 1987, 629). Die Vermittlung einer „Leihmutter“ verstößt schon gegen das gesetzliche Verbot in §§ 13a–d Adoptionsvermittlungsgesetz (abgedruckt 11. Aufl. Vor § 1741 Rn 20; dazu Lüderitz NJW 1990, 1633 und § 134 Rn 23 „Adoptionsvermittlungsgesetz“). P Auch beim Maklervertrag ist Sittenwidrigkeit vor allem bei einem auffälligen Missverhältnis von 138 Maklerleistung und vereinbarter Provision in Betracht zu ziehen, sofern zusätzlich die subjektiven Voraussetzungen von § 138 II erfüllt sind oder andere, auch den subjektiven Voraussetzungen von § 138 I genügende sittenwidrige Umstände hinzukommen (BGH 125, 135, 137; NJW 2000, 2669). Um ein etwaiges Missverhältnis zu ermitteln, sind zunächst vereinbarte und marktübliche Provision einander gegenüberzustellen (BGH WM 1976, 289; BGH 125, 135). Eine feste Provisionsobergrenze, von der an ein Missverhältnis beginnt, ergibt sich aus der Rspr bisher nicht. Vielmehr ist bislang im Hinblick auf die Vielgestaltigkeit der Sachverhalte einzelfallbezogen – unter Berücksichtigung auch des Schwierigkeitsgrades der Maklertätigkeit – entschieden worden. Eine Provision von 3 %–5 % des Wertes des vermakelten Gegenstandes bzw von 6 % beim Doppelmakler wird von der Rspr regelmäßig nicht beanstandet (vgl BGH 125, 135, 139; NJW 2000, 2669f). Dagegen ist die Vereinbarung einer Provision, die das Übliche um etwa das Fünffache übersteigt, sittenwidrig (BGH NJW 2000, 2669; BGH DB 1976, 573; weitere Bsp: Oldenburg NJW-RR 1986, 857f – Provision von 6 % für die Vermittlung eines höheren Kredits bei ortsüblicher Provision von 1 %; LG Aachen NJW-RR 1987, 741 – Provision

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Rechtsgeschäfte

von 50 000 DM für die Vermittlung eines Kredits von 450 000 DM; LG München NJW-RR 1989, 197; AG Eltville FamRZ 1989, 1299; verneinend Nürnberg NJOZ 2002, 85 bei Provision von 11 % des Kaufpreises für Bauerwartungsland). Ein besonderes Problem bilden die sog Übererlösklauseln, bei denen der Makler als Provision ganz oder zT den ggü den Ausgangsvorstellungen des Auftraggebers erzielten Mehrerlös erhält. Solche Klauseln sind bei individualvertraglicher Vereinbarung nicht sittenwidrig, wenn im Zeitpunkt der Vereinbarung objektiv unsicher ist, ob überhaupt, in welchem Umfang und mit welchem Aufwand ein Übererlös erzielt werden kann; Risiko und Chancen des Maklers halten sich in einem solchen Fall die Waage (vgl etwa BGH WM 1969, 886; NJW 1969, 1628; 1994, 1475; NJW-RR 1994, 559; KG NZM 2001, 481 L; Düsseldorf NJW-RR 1999, 1140, 1141; 1996, 1012). Übererlösklauseln sind aber mit den guten Sitten nicht vereinbar, wenn sie zu einer objektiv unverhältnismäßig hohen Vergütung führen und ihrerseits unter missbilligenswerten Umständen zustande gekommen sind; das gilt insb, wenn der Makler bei Vertragsschluss die konkrete Möglichkeit eines Übererlöses in beträchtlicher Höhe bereits kannte und den Auftraggeber pflichtwidrig darüber nicht informiert hat (BGH 125, 135 – erwarteter Erlös 200 000 DM, tatsächlicher Erlös 450 000 DM, Provision 125 000 DM; krit dazu Martinek JZ 1994, 1048, und Hoeren WiB 1994, 487; vgl auch Düsseldorf MDR 1968, 494). Schon allein aus einem auffälligen Missverhältnis ist regelmäßig auf die für § 138 I zusätzliche erforderliche verwerfliche Gesinnung zu schließen (BGH 125, 135). Ist – etwa aus subjektiven Gründen – Sittenwidrigkeit zu verneinen, bleibt die Herabsetzung des überhöhten Mäklerlohnes gem § 655 zu prüfen. Unwirksam ist auch ein durch Formularvertrag eingeräumtes, erfolgsunabhängiges Maklerlohnversprechen (BGH 61, 24; Lopau NJW 1973, 1971; Breloer NJW 1974, 347; krit Schulte NJW 1974, 1221); beim Doppelmakler verstößt eine solche Klausel insb gegen die von ihm zu fordernde Unparteilichkeit (BGH 48, 348). Die Individualvereinbarung einer erfolgsunabhängigen Maklerprovision ist hingegen grds wirksam (BGH DB 1976, 189). Das einem Makler bewusst zeitlich unbegrenzt eingeräumte Alleinverkaufsrecht ist sittenwidrig (BGH WM 1976, 533), nicht dagegen eine Maklerbindung für fünf Jahre (BGH WM 1974, 257). Zur Sittenwidrigkeit einer Reservierungsvereinbarung zw Makler und Kaufinteressent für ein Grundstück BGH 103, 235. Ein Maklervertrag kann ferner sittenwidrig sein, wenn es anstößig ist, den Gegenstand des Maklerauftrags zu kommerzialisieren (BGH NJW 1999, 2360 – verneinend für Provisionsabrede bei Vermittlung von Aufträgen durch einen Makler an einen Architekten). Zur Sittenwidrigkeit eines Ehemäklervertrags vgl BGH 87, 317. 139

P Miet- und Pachtrecht. Ein Miet- oder Pachtvertrag kann als Ganzes sittenwidrig sein, wenn er auf einen anstößigen und unerlaubten Zweck gerichtet ist. Das kommt zB in Betracht, wenn das Mietoder Pachtobjekt als Standort für Straftaten (etwa Drogenhandel) oder für einen öffentlich-rechtl unerlaubten Zweck (etwa Standort für verbotene Vereinigung) bestimmt ist. Die Unerlaubtheit des Zwecks darf bei Vertragsschluss aber nicht ernsthaft zweifelhaft sein. Wenn die Erlaubtheit umstr ist – etwa in einem Straf- oder Verwaltungsstreitverfahren –, sollte das Risiko der späteren Klärung idR nicht den Vermieter als Vertragspartner treffen. Der Nutzungszweck muss nicht unbedingt insgesamt anstößig und unerlaubt sein. Bei gemischter – teils neutraler, teils sittenwidriger – Zweckrichtung muss der anstößige und/oder unerlaubte Teilzweck aber qualitativ oder quantitativ so gewichtig sein, dass er das Gesamtbild des Vertrags prägt und ihn insgesamt als sittenwidrig erscheinen lässt. Kein anstößiger und unerlaubter Zweck ist nach heutigem Verständnis (vgl Rn 158; anders noch BGH 41, 341) die Nutzung eines Miet- oder Pachtobjekts als Bordell, soweit nicht die Voraussetzungen des § 180a StGB erfüllt werden (BGH 63, 365; NJW-RR 1988, 1379; 1990, 750; Hamm NJW 1975, 653), oder für Zwecke der Prostitution (BGH NJW 1970, 1179). Erst recht kann man die Vermietung von Räumen an Nichtverheiratete heute idR nicht mehr als sittenwidrig werten (Staud/Sack Rn 457 mwN). Für eine unangemessene Höhe einer Wohnungsmiete, insb für den Mietwucher, enthält das Preisrecht iVm § 5 WiStG die erforderlichen Regelungen (vgl § 134 Rn 81 „Preisrecht“); im Einzelfall kann aber auch § 138 in Betracht kommen (Bsp: Koblenz NZM 1998, 479 – überhöhte Miete für die Wohnung einer Prostituierten). Um ein auffälliges Missverhältnis der vereinbarten Miete im Vergleich zur ortsüblichen Miete für entspr Wohnraum festzustellen, sind als Vergleichsbasis idR die Verhältnisse im gesamten Stadtgebiet, nicht in einem einzelnen Ortsteil maßgebend (BGH NJW 2005, 2156; NJWRR 2006, 591). Bei anderen Miet- oder Pachtobjekten, etwa Gewerbeimmobilien und Geschäftsräumen, wird man ein auffälliges Missverhältnis zw dem Nutzungswert eines Objekts nach den örtlichen Marktbedingungen und der vereinbarten Miete/Pacht idR jedenfalls dann annehmen müssen, wenn das vereinbarte Nutzungsentgelt den objektiven Nutzungswert um etwa 100 % übersteigt (Michalski ZMR 1996, 1, 5 mwN; BGH NJW-RR 2002, 1521; NJW 2004, 3553, 3554f; KG NJW-RR 2001, 1092; Naumburg NZM 1999, 965; aM KG MDR 2002, 999; AG Berlin-Schöneberg GE 2000, 1477; vgl auch Stuttgart NJW-RR 1993, 654 und Naumburg NZM 1999, 965: besonders krasses Missverhältnis bei Überschreitung um 145 % bzw 140 %; Karlsruhe NJWE-MietR 1997, 151: Kein krasses Missverhältnis bei Überschreitung um 68 %). Bei einem gewerblichen Objekt muss auch eine unüblich hohe Mietkaution nicht zu Sittenwidrigkeit führen (Brandenburg ZMR 2006, 854). – Auch dann, wenn ein auffälliges Missverhältnis zur Marktmiete oder -pacht festzustellen ist, scheitert der Wuchertatbestand des § 138 II in der Praxis häufig daran, dass sich die subjektiven Wuchervoraussetzungen, insb eine Ausnutzung von geschäftlicher Unerfahrenheit des Vertragspartners, nicht feststellen lassen. Zu § 138 I soll auch ein besonders krasses Missverhältnis – anders als im Allg in anderen Anwendungsbereichen (dazu etwa: BGH 144, 343) – wegen der bei solchen Objekten vielfach bestehenden Bewertungsunsicherheiten einen Schluss auf die verwerfliche Gesinnung des Begünstigten nur zulassen, wenn dem Vermieter ohne weiteres erkennbar war, wie hoch die marktübliche Miete oder Pacht in etwa war

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und er sich danach leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass ein auffälliges Missverhältnis vorliegt (BGH NJW 2002, 55, 57f; vgl auch BGH NJW 2004, 3553; Brandenburg NZM 2006, 743; Fritz NJW 2006, 742, 744); bei stark schwankendem Marktwerten wird diese Voraussetzung nicht ohne weiteres erfüllt sein (BGH NJW-RR 2002, 8). Sittenwidrigkeit kann sich aber stets daraus ergeben, dass der Vermieter/Verpächter subjektiv zurechenbar eine ungünstige Ausgangslage des Mieters/Pächters in anstößiger Weise zu seinem Vorteil ausnutzt (vgl BGH NJW 1990, 567, 568f). – Ferner kann sich eine sehr hohe Miete/Pacht iVm der Vertragsgestaltung insgesamt uU als eine sittenwidrige Knebelung (vgl dazu Rn 128 „Knebelung“) darstellen; das kommt etwa in Betracht, wenn sich in dem gewerblichen Miet-/Pachtobjekt ein zumindest bescheidener Gewinn oder gar die vereinbarte Miete/Pacht nachhaltig nicht erwirtschaften lässt (Michalski ZMR 1996, 5f; BGH 83, 315; WM 1976, 181, 184; Hamm BB 70, 374; LG Frankfurt NJW-RR 1988, 344; LG Wuppertal ZMR 1996, 440 m Anm Blümer; vgl auch Düsseldorf NZM 1999, 461; Hamm NJW-RR 1995, 205; München ZMR 1996, 550; München NZM 1999, 224). Wenn in einem Mietvertrag über gewerbliche Räume eine (in der Tendenz steigende) Staffelmiete vereinbart ist, verstößt die dadurch eintretende Mieterhöhung selbst dann nicht gegen die guten Sitten, wenn die Marktmiete inzwischen erheblich gesunken ist (BGH NJW-RR 2005, 236; vgl auch BGH NJW 2002, 2384; bei Vereinbarung einer Staffelmiete für Wohnraum ist die Begrenzung des Kündigungsausschlusses in § 557a III, IV auf vier Jahre zu beachten; dazu BGH NJW 2006, 1059; NJW-RR 2006, 1236; NJW 2006, 2696). Zur Methodik der Feststellung eines auffälligen Missverhältnisses bei gewerblichen Mietobjekten vgl BGH 141, 257; NJW 2002, 55, 56; NJW-RR 2002, 1521; München NZM 1999, 224 und 617 sowie NZM 2000, 70 und 2000, 1059 – alle zu der vom BGH abgelehnten sog EOP-Methode (an der Ertragskraft orientierte Pachtwertfindung); zu anderen methodischen Fragen des Miet- oder Pachtvergleichs: BGH NJW-RR 2002, 1521; NJW-RR 2005, 1603 = NZM 2005, 823; Koblenz NZM 1999, 1100; München NZM 2000, 1059; Naumburg NZM 1999, 965; ferner Bub ZMR 1995, 509; Bülow JZ 1999, 1057; Seitter ZMR 1999, 806; Usinger NZM 1998, 641; Walterspiel NZM 2000, 70; Michalski ZMR 1996, 1ff – auch zu weiteren Einzelheiten sittenwidriger Miet-/Pachtverträge über gewerbliche Objekte. – Zur Sittenwidrigkeit des Entgelts bei der Miete von Ersatzfahrzeugen nach Verkehrsunfällen vgl LG Bonn NJW-RR 1999, 464; zur Sittenwidrigkeit einer Bürgschaftsübernahme zu einem Gaststättenpachtvertrag: LG Dortmund NJOZ 2007, 681. Für andere Vertragsklauseln kommt § 138 I in Betracht (vgl zB BGH WM 1972, 882; zur Abgrenzung BGH RdL 65, 104), soweit nicht schon das Miet-/Pachtrecht selbst oder das AGB-Recht (vgl aber § 307, früher § 8 AGBG) ihre Geltung hindert. Das gilt insb auch für die Wohnungsmiete. Mietwohnungen sind ein sozial bedeutsames Wirtschaftsgut; für den Mieter ist die Wohnung wesentliche Grundlage seines täglichen Lebens. Die Sozialbindung des Eigentums (Art 14 II GG) als Grundwertung der Verfassung verdient deshalb bei Mietwohnungen besondere Beachtung. Darum dürfen die einzelnen Vertragsregelungen und die Gesamtgestaltung des Vertrags den Mieter nicht übermäßig in seiner persönlichen Freiheit (Art 2 I GG) einengen. Verbote und Verhaltensregeln, die sich weder mit den schützenswerten Interessen des Eigentümers/Vermieters noch mit denen der Mitmieter und Nachbarn sachlich rechtfertigen lassen, sind daher idR nicht hinnehmbar und mit den guten Sitten unvereinbar (vgl BGH NJW 1993, 1061 – generelles Verbot der Haltung von Haustieren nach § 307 unangemessen; BGH NJW 1995, 2036 – keine Sittenwidrigkeit bei Verbot der Hundehaltung in einer Wohnanlage; ferner zur Hundehaltung: KG NJW 1992, 2577; BayObLG NJW-RR 1994, 658; ZMR 1995, 167). Neben dem freiheitsschützenden Aspekt konnte in der Vergangenheit für die Vereinbarkeit der Gestaltung insb von Wohnungsmietverträgen mit den guten Sitten der Gesichtspunkt verbotener Diskriminierung Bedeutung haben. Insoweit enthält heute das AGG ein eigenständiges Benachteiligungsverbot (§§ 19ff AGG); Sittenwidrigkeit wegen Diskriminierung wird im Hinblick hierauf im Mietrecht nur noch ausnahmsweise unter besonderen Umständen in Betracht kommen (vgl dazu Rn 99 „Diskriminierung“). Sittenwidrige Einzelregelungen sind nichtig. Vor Anwendung von § 138 ist jedoch zu prüfen, ob nicht als Rechtsfolge – wie bei manchen anderen Fällen der Sittenwidrigkeit – eine auf das Übermaß der Teilregelung beschränkte Teilnichtigkeit als Sanktion genügt und sachgerecht ist (vgl Rn 55 und § 139 Rn 6). Eine regelmäßige volle Nichtigkeit würde den zugunsten des Mieters gedachten Schutzzweck der Sozialbindung, der Wahrung der persönlichen Freiheit und der Nichtdiskriminierung unterlaufen. Sie wäre bei der Wohnungsmiete im Vergleich zu der rechtlichen Behandlung der Fälle einer unangemessen hohen Miete (vgl § 134 Rn 81 „Preisrecht“) auch inkonsequent und nicht ausgewogen. Sittenwidrig kann auch eine Kündigung des Mietverhältnisses über eine Wohnung sein, wenn sie den zur Würdigung einzelner Vertragsklauseln dargestellten Grundgesichtspunkten nicht gerecht wird. Nicht sittenwidrig ist die Kündigung eines Miet-/Pachtvertrags über ein Objekt, um einen für den Vermieter günstigeren, aber inhaltlich unbedenklichen Anschlussvertrag zu ermöglichen, auch wenn durch die Vertragsbeendigung mittelbar auch auf Pflichten des anderen Teils ggü Dritten eingewirkt wird (Bsp: Ein Untermietvertrag, ein Automatenaufstellvertrag oder eine Bezugsverpflichtung für das Miet-/Pachtobjekt laufen mit der Kündigung des Hauptmietvertrags aus; vgl BGH NJW 1998, 76 für Kündigung eines Gaststättenpachtvertrags). Vgl iÜ BGH NJW 1970, 855 – Kündigung eines Tankstellenvertrags. Scheidet ein Mieter aus einem langfristigen Mietverhältnis vorzeitig aus und schließt der Vermieter einen neuen Mietvertrag mit einem vom bisherigen Mieter gestellten Nachmieter, dann kann der neue Mietvertrag sittenwidrig sein, sofern er zu einer Konkurrenzschutzverletzung ggü den vorhandenen Mietern führt (BGH NZM 2005, 340). Zur Vereinbarung von Konkurrenzschutz im Mietrecht allg vgl Gather DWW 2007, 94. Für Abstandsvereinbarungen und Ablösungsvereinbarungen beim Wechsel des Mieters einer Wohnung enthält § 4a WoVermRG eine spezielle Regelung, die § 138 vorgeht (zu § 4a WoVermRG vgl BGH NJW 1997, 1845). Zur Vereinbarung eines sog verlorenen Zuschusses bei einem Luxusmietobjekt

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Rechtsgeschäfte

München NJWE-MietR 1996, 9 = ZMR 1995, 538. – Für weitere Einzelheiten wird auf die Ausführungen zu §§ 535ff verwiesen. Für eine Vereinbarung eines „Unfallersatztarifs“, zu dem nach Verkehrsunfällen üblicherweise Mietwagen überlassen werden, hat der BGH bisher keinen Verstoß gegen die guten Sitten festgestellt (BGH NJW 2007, 1448f; 2007, 2181; 2007, 2758 und 2759; vgl dazu auch Herrler NZV 2007, 337 und Wagner NJW 2007, 2149, 2150). 140

P Eine sittenwidrige Ausnutzung einer Monopolstellung ist gegeben, wenn eine allg Vormachtstellung (rechtlicher oder tatsächlicher Art; räumlicher, sachlicher oder zeitlicher Art; auch marktbeherrschende Oligopole können hierunter fallen) dazu benutzt wird, dem Verkehr aus Eigennutz unbillige Opfer aufzuerlegen (RG 62, 266; BGH 19, 84, 95; BB 1971, 1177; NJW 1976, 710; 1998, 3191; Jena NJWE-WettbR 1998, 118). Der Missbrauch der Marktmacht wird dabei häufig eingesetzt, um ein übermäßiges Entgelt (vgl dazu Rn 39, 199 „Wucher/Wucherähnliches Geschäft“), einen Verzicht auf gesetzliche Schutzrechte (zB Freizeichnungsklauseln; vgl BGH NJW 1956, 1065; KG NJW 1977, 854f) oder sonstige unangemessene rechtsgeschäftliche Vorteile zu erzielen (vgl etwa Rn 103 „Energieversorgung“). Entscheidend wird regelmäßig sein, dass der Vertragspartner praktisch nicht auf eine andere rechtsgeschäftliche Bedarfsdeckung zu angemessenen Bedingungen ausweichen kann. Ein Monopolmissbrauch kommt auch bei (ggf öffentlich-rechtl) Verträgen von Trägern öffentlicher Gewalt in Betracht, etwa bei vertraglicher Einräumung von Sondernutzungsrechten durch Gemeinden oder bei öffentlich-rechtl organisierten Versorgungsbetrieben (Bsp: BGH 19, 94; 65, 284, 289; NJW 1958, 1772; 1976, 709 und 710; dazu Ebel NJW 1976, 700; BGH BB 1971, 1177; WM 1984, 1253). Sittenwidrig kann auch die sachlich nicht gerechtfertige Ablehnung der Aufnahme in einen Verein mit einer Monopolstellung sein (Bsp: LG München NJW-RR 1993, 890. Bergwacht im Bayerischen Roten Kreuz). Eine Knappheitslage auf dem Markt kann, muss aber nicht auf einer monopolartigen Marktmacht beruhen; wenn sie – etwa für Grundstücke – zu entspr hohen Preisen führt, ist das für sich als normale marktwirtschaftliche Reaktion auf die Knappheit eines Wirtschaftsgutes noch nicht zu beanstanden; erst das anstößige Übermaß ist sittenwidrig (vgl Rn 143 „öffentliche Verwaltung“ sowie zB BGH 65, 284, 289; BB 1971, 1177; NJW 1976, 710; LM § 138 [Cc] Nr 4). Unerheblich ist, ob die Initiative zum Vertragsschluss von dem Monopolisten oder dem anderen Teil ausgegangen ist. – § 138 kann in den Fällen des Monopolmissbrauchs mit einer kartellrechtlichen Kontrolle konkurrieren (vgl BGH NJW 1976, 711; BGH 65, 289; Jena NJWE-WettbR 1998, 118). Viele Sachverhalte, die von der Rspr früher als sittenwidriger Monopolmissbrauch bei der Gestaltung von Vertragsbedingungen gewertet wurden (vgl dazu Staud/Sack Rn 252), werden iÜ heute schon vom Verbraucherschutzrecht, insb vom AGBRecht, erfasst.

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P Ein gegenseitiger Vertrag, in dem sämtliche Verpflichtungen der einen Seite als Naturalobligationen, dh unklagbare Forderungen, vereinbart sind, ist idR sittenwidrig (Celle OLG 1969, 1). Zu den Voraussetzungen, unter denen ein auf Eheanbahnung gerichteter Vertrag wegen überhöhter Vergütung (Naturalobligation iSv § 656) als sittenwidrig angesehen werden kann: BGH 87, 309.

142

P Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft, die auf Dauer angelegt und von innerer Bindung getragen ist, wird heute von der Sittenordnung nicht mehr missbilligt. Durch die Lebensgemeinschaft veranlasste oder auf sie bezogene Rechtsgeschäfte (Bsp: Wohnungsmiete, Regelung des Unterhalts, der gemeinsamen Wirtschaftsführung und/oder – etwa für den Fall der Trennung – der Vermögensverhältnisse; Zuwendungen des einen Teils an den anderen; zu den Gestaltungsmöglichkeiten: Grziwotz FamRZ 1994, 1218 und FPR 2005, 156 sowie Schreiber NJW 1993, 624) sind deshalb nicht sittenwidrig (BGH 77, 55, 59; 112, 259, 262; WM 1965, 793; NJW 1973, 1645; 1984, 797; 1984, 2150; BayObLG FamRZ 1984, 1153;-Hamm FamRZ 2000, 95; Diederichsen NJW 1983, 1024; vgl auch Frankfurt NJW-RR 1995, 265). Dies gilt auch dann, wenn ein Partner noch verheiratet ist (BGH 77, 55, 59; 112, 259, 262; NJW 1984, 2150). Sittenwidrig ist ein Vertrag, der bezweckt, einen der Partner durch Verhängung wirtschaftlicher Sanktionen zur Aufrechterhaltung der Gemeinschaft zu zwingen (Hamm NJW 1988, 2475); dasselbe gilt wegen Unvereinbarkeit mit den Persönlichkeitsrechten des anderen Teils für einen Vertrag, mit dem ein Detektiv wegen des Verdachts sexueller Untreue mit der Observation des anderen Teils beauftragt wird (AG Siegburg NJW-RR 2004, 1695).

143

P Öffentliche Verwaltung. Wie die Gerichte, so verdient auch die öffentliche Verwaltung in allen Erscheinungsformen im Interesse der Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen Schutz vor anstößigen Rechtsgeschäften, die ein ordnungsgemäßes Verwaltungshandeln beeinträchtigen oder verhindern. Rechtsgeschäfte, die allein oder in ihrem prägenden Schwergewicht gerade diesen Zweck verfolgen oder diese Wirkung haben, sind deshalb sittenwidrig. Die Anmerkungen zum gerichtlichen Verfahren (vgl Rn 114 „gerichtliches Verfahren“) gelten hier entspr, soweit sie nicht auf den Besonderheiten gerichtlicher Tätigkeit beruhen. Sittenwidrig ist zB eine Vereinbarung, die auf eine Täuschung einer Behörde über einen verwaltungserheblichen Sachverhalt hinausläuft (Bsp: Vereinbarung über eine nach der maßgeblichen Prüfungsordnung unzulässige Beteiligung eines Dritten an einer eigenständig zu erbringenden Prüfungsleistung, etwa „Kauf“ einer schriftlichen Prüfungsarbeit). Auch der Kauf eines Gegenstandes, der praktisch allein dazu dienen kann und nach dem beiden Parteien erkennbaren Vertragszweck darauf gerichtet ist, ein Eingreifen der Behörden im Interesse der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu verhindern oder zu erschweren und dadurch ein ordnungswidriges Verhalten des Bürgers zu erleichtern oder zu verdecken, ist sittenwidrig (Bsp: Kauf eines Radarwarngerätes; die dazu früher vertretenen unterschiedlichen Auffassungen sind durch BGH NJW 2005, 1490; 2010, 610, 611 überholt; dazu: Diehl ZfS 2005, 440, Emmerich JuS 2005, 746 und Singer LMK 2005, 159254; für den Kauf anderer Gegenstände mit vergleichbarer Zweckrichtung gelten die Ausführungen des BGH entspr).

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Willenserklärung

§ 138

Zur ordnungsmäßigen Verwaltungstätigkeit gehört auch die Beachtung des öffentlichen Haushaltsrechts; deshalb können Rechtsgeschäfte, die das öffentliche Haushaltsrecht missachten oder umgehen, ebenfalls sittenwidrig sein, sofern der Verstoß beiden Seiten auch subjektiv zuzurechnen ist (Bsp aus jüngster Zeit: BGH NZBau 2006, 590 – Abschluss eines Immobilienleasingvertrags durch eine Gemeinde unter grober Verletzung von Haushaltsgrundsätzen; BGH 36, 398; vgl auch § 134 Rn 65 „Haushaltsrecht“). Einer vertraglichen Verknüpfung von öffentlich-rechtl Handeln der Verwaltung mit einer Gegenleistung des Bürgers sind durch §§ 56, 36 VwVfG enge Grenzen gesetzt (vgl auch zu Rn 133 „Koppelungsverbot“ – sowie § 134 Rn 73 „Koppelungsvertrag“). Zwar bezieht sich § 56 VwVfG ausdr nur auf öffentlich-rechtl Verträge; schon zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen werden aber auch privatrechtliche Verträge der öffentlichen Hand diese Grenzen einhalten müssen, um Gesetzwidrigkeit oder Sittenwidrigkeit zu vermeiden. Ein Verwaltungshandeln, auf das ein Anspruch besteht, darf nicht durch Vertrag mit einer im Gesetz nicht vorgesehenen Gegenleistung verknüpft werden (§ 56 iVm § 36 I VwVfG; vgl auch BGH LM § 134 Nr 50). Bei einem Handeln, das im Ermessen der Verwaltung liegt, steht die Vereinbarung einer Gegenleistung mit § 56 VwVfG nicht im Einklang, wenn ein sachlicher Zusammenhang mit der Verwaltungsleistung fehlt (Bsp: BGH 26, 84; 94, 125; NJW 1972, 1657; 1975, 1019; 1985, 1892 – Verknüpfung einer bauplanungsrechtlichen oder bauordnungsrechtlichen Entscheidung mit der Abtretung von Grundstücksanteilen; BGH 94, 125, 127; NJW 1979, 642; 1983, 2823; WM 1981, 179; 1983, 713 – Ablösungsvereinbarung für öffentlich-rechtl Stellplatzverpflichtung; BGH 26, 84; 94, 125, 127 – Ausnahme von einer Bausperre; BGH 94, 125, 127f; NJW 1975, 1019; BVerwG 73, 1895 – Folgekostenverträge im Zusammenhang mit einem Bauplanungs- oder Baugenehmigungsverfahren; BGH 94, 125, 129, 131 – Verknüpfung von steuerlicher Unbedenklichkeitsbescheinigung mit der Sicherung künftiger Steueransprüche). Auch darf die Verwaltung sich nicht im Hinblick auf Leistungen eines Bürgers – etwa die Übereignung von Grundstücken – zu bestimmten bauplanungsrechtlichen Maßnahmen – etwa Aufstellung eines Bebauungsplanes – für andere Grundstücke verpflichten. Abreden in einem mit einer Gemeinde geschlossenen Pachtvertrag verstoßen ebenfalls gegen die guten Sitten, wenn sie auf eine unzulässige Ausweitung der Steuerpflicht hinauslaufen (BGH 66, 201). Nicht sittenwidrig ist ein von einer Gemeinde bei Veräußerung eines Grundstücks verlangter Rücktrittsvorbehalt für den Fall, dass das Grundstück nicht in einem bestimmten Sinne genutzt wird (BGH WM 1984, 1252), oder die Verpflichtung, sich bei einem Bauvorhaben an einen noch nicht bestandskräftigen Bebauungsplan zu halten (BGH NJW 1985, 1892f). – Zur Vereitelung des Vorkaufsrechts einer Gemeinde vgl Rn 85 „Benachteiligung Dritter“. – Vgl auch zu Rn 133 „Koppelungsgeschäfte“, § 56 VwVfG sowie zu Rn 140 – „Monopolstellung“. P Gegen die rechtliche Zulässigkeit einer „Poolvereinbarung“ zur Bündelung von Sicherungsrech- 144 ten bestehen keine Bedenken, wenn sie nur zur Beseitigung tatsächlicher Beweisschwierigkeiten geschlossen wurde (Einzelh Karlsruhe NJW 1979, 2317 mwN). Zu einem Sicherheitenpoolvertrag ferner: BGH 138, 291; NJW-RR 2005, 1636; Serick KTS 1989, 743. Zu Lieferantenpools: Smid NZI 2000, 505. P Zum Praxisverkauf bei sog freien Berufen, etwa bei Ärzten, Patentanwälten, Rechtsanwälten, 145 Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern usw, vgl unter Rn 86 „Berufsrecht“. P Die Honorarvereinbarung eines Rechtsanwalts mit seinem Klienten, etwa eines weit über die 146 BRAGO- bzw RVG-Gebühren hinausgehenden Pauschalhonorars, kann sittenwidrig sein, wenn zw der Leistung des Anwalts und der Vergütung ein auffälliges Missverhältnis besteht und der Anwalt eine Unterlegenheit seines Mandanten bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt hat (BGH NJW 1995, 1425, 1429; 2000, 2669, 2671; 2003, 3486 = FamRZ 2003, 1642; Eicken/Madert NJW 2002, 1993, 1395; zur Abgrenzung – keine Sittenwidrigkeit: BGH NJW 2003, 2386; zum Strafverteidigerhonorar vgl auch BGH NJW 2005, 2142 und dazu Luthje NJW 2005, 2490 sowie München NJW-RR 2004, 1573). Sittenwidrig kann auch eine an einem Zeittakt ausgerichtete Zeithonorarvereinbarung sein (Düsseldorf NJW-RR 2007, 129; dazu NJW-Spezial 2007, 574; vgl auch Frankfurt NJW-RR 2000, 1367). Zu berufsbezogenen vertraglichen Regelungen bei einem Rechtsanwalt Rn 86 „Berufsrecht“, zu Sozietätsverträgen Rn 115 – „Gesellschaftsrecht“. P Ein Reversvertrag, in dem der Ablader sich verpflichtet, den Verfrachter von allen aus der Bege- 147 bung eines unrichtigen (vordatierten) Konnossements entstehenden Schäden freizustellen, ist nichtig (BGH 60, 104). P Eine öffentliche Sammlung – etwa von Geld, gebrauchten Gegenständen usw – bedarf nach Lan- 148 desrecht teilw einer öffentlich-rechtl Erlaubnis. Ein Vertrag, der sich auf eine unerlaubte Sammlung richtet oder mit Nebenbestimmungen einer Erlaubnis unvereinbar ist, kann schon nach § 134 nichtig sein, vgl § 134 Rn 87. Ob er stets gegen die guten Sitten verstößt, ist zweifelhaft, da nicht jeder Verstoß gegen die öffentliche Ordnung zugleich einen Sittenverstoß bedeutet. Jedenfalls ist aber wegen Verletzung wichtiger und rechtlich durch das Sammlungsrecht geschützter Allgemeininteressen ein Vertrag sittenwidrig, mit dem ein gewerblicher Unternehmer für einen gemeinnützigen Träger die Durchführung einer Sammlung übernimmt, deren Erlös ganz überwiegend nicht dem nach außen herausgestellten gemeinnützigen Zweck, sondern dem durchführenden Unternehmer zufällt (Hamm NJW-RR 1995, 1010, 1011f; vgl auch Saarbrücken NJW-RR 1987, 500). P Scheckverkehr. Die zum Zwecke der „Scheckreiterei“ getroffene Vereinbarung, Schecks zur Kre- 149 ditbeschaffung auszutauschen, und die darauf beruhenden jeweiligen abstrakten Scheckbegebungsverträge sind idR sittenwidrig (BGH WM 1961, 1381; 1969, 334; 1970, 663; BGH 121, 279; vgl auch Rn 195 „Wechsel“). – Im Einzelfall – etwa bei kollusivem Zusammenwirken der Vertragschließenden zum Nachteil eines Dritten – kann der Scheckbegebungsvertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein (Hamm NJW-RR 1998, 628). Die Nichtigkeit eines Darlehensvertrags berührt grds die Wirksamkeit

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Rechtsgeschäfte

eines im Zusammenhang mit der Darlehenshingabe – etwa zur Sicherung der Rückzahlung – abgeschlossenen Scheckbegebungsvertrags nicht ohne weiteres; anderes gilt bei einem wucherischen Darlehensvertrag (BGH NJW 1990, 384). IdR nicht sittenwidrig, sondern nur anfechtbar ist der Scheckbegebungsvertrag zw einem betrogenen Kunden und einer betrügerischen Anlagegesellschaft (Hamm NJW-RR 1998, 337). Nur wenn gerade in der Begebung eines Schecks auch der Vollzug einer betrügerischen Wertverschiebung liegt, erfasst die Sittenwidrigkeit auch den Begebungsvertrag (LG München WM 1996, 1982). 150

P Ein Schiedsvertrag wurde in der Vergangenheit als sittenwidrig bewertet, wenn er eine Partei einseitig benachteiligte und ihr den notwendigen Rechtsschutz praktisch entzog (BGH 106, 339). Das seit dem 1.1.1998 geltende Schiedsverfahrensrecht (§§ 1025ff ZPO) enthält zahlreiche eigenständige Regelungen zur Sicherung einer ausgewogenen Besetzung des Schiedsgerichts und eines unparteiischen Verfahrens. § 138 wird deshalb nur noch in Betracht zu ziehen sein, wenn diese Regelungen im Einzelfall ausnahmsweise keinen ausreichenden Schutz gegen eine im Schiedsvertrag angelegte einseitige Nichtberücksichtigung der schutzwürdigen Interessen einer Partei bieten sollten oder der Gesamtinhalt der Schiedsvereinbarung gar auf eine sittenwidrige Knebelung einer Partei hinauslaufen sollte (ebenso: Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, S 35 [Kap 4, Rn 14f]; K. Schmidt ZHR 162, 281f; vgl auch BGH NZBau 2007, 298 zu § 307 BGB). – Vgl auch unter Rn 114 „gerichtliches Verfahren“.

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Schmuggelgeschäfte, die gegen inländische Zollvorschriften oder sonstige Bestimmungen des Außenwirtschaftsrechts verstoßen, werden idR bereits nach § 134 nichtig sein (§ 134 Rn 44 „Außenwirtschaftsverkehr“). IÜ sind Schmuggelgeschäfte jedenfalls sittenwidrig, weil sie auf Schädigung der Allgemeinheit abzielen (vgl aus dem Strafrecht das Bsp BGH NJW 2007, 1294). Das kann auch für Geschäfte im Umfeld des eigentlichen Schmuggels (etwa Kreditierung des Schmuggelgeschäfts; Beschaffung von verkaufter Ware durch Schmuggel, RG JW 1929, 244; Lagerung oder Transport von Schmuggelware) gelten; insoweit wird es entscheidend auf die gemeinsame Zweckrichtung des Vertrags (Förderung des Schmuggels) ankommen; die bloße Kenntnis des am Schmuggel selbst nicht beteiligten Vertragspartners von den Absichten des Schmugglers wird allein gewöhnlich nicht ausreichen. – Ein Sittenverstoß kann auch in der Verletzung ausländischer Zollvorschriften (Schricker, Gesetzesverletzung und Sittenverstoß, 1970, 73) oder in der Missachtung ausländischer Aus- oder Einfuhrverbote (BGH 34, 169, 177f; 59, 86; NJW 1962, 1436; 1991, 634 sowie BGH NJW 1993, 194 – jeweils zu § 826; v Hoffmann IPRax 1991, 345; Staud/Sack Rn 487ff) liegen. – Vgl auch Rn 80 „Auslandsbezug“.

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P Auf dem Schneeballsystem aufbauende Vertriebsverträge verstoßen wegen der Irreführung über die Gewinn- und Absatzaussichten gegen die guten Sitten (BGH WM 1978, 877; Köln BB 1971, 1210; München NJW 1986, 1880 = EWiR 1985, 843 – Gilles; vgl auch § 4 Nr 5 und 6 UWG; aus der Zeit vor Neufassung des UWG BGH NJW 1994, 1344, 1346f zum Schneeballsystem beim Vertrieb von Timesharing-Verträgen sowie BGH NJW 1998, 390 zu § 6c UWG aF – Unternehmer-Life-Spiel). Wegen ihrer Sozialschädlichkeit sind Verträge über die mit einem Geldbeitrag, nicht jedoch mit einem Warenoder Leistungsaustausch verbundene Teilnahme an einem nach dem Schneeballsystem angelegten Gewinnspiel ebenfalls sittenwidrig, weil nach der Grundkonzeption derartiger Spielsysteme die Masse der späteren Teilnehmer keinen Gewinn erzielen kann, sondern sogar den Einsatz zu verlieren droht, und weil das Spielsystem damit auf den Vorteil weniger Teilnehmer zulasten vieler anderer in ihrer Unerfahrenheit, Leichtgläubigkeit, Spiellust und finanziellen Begehrlichkeit ausgerichtet ist (BGH NJW 1997, 2314 – World-trading-System; Celle NJW 1996, 2660 – Life-Spiel; dazu Willingmann NJW 1997, 2932 und Notthoff WiB 1996, 1123; vgl auch: LG Düsseldorf NJW-RR 1997, 306 – Take-OffSpiel; LG Gießen NJW-RR 1996, 796f; LG Hamburg NJW-RR 1996, 796; LG Nürnberg-Fürth NJW-RR 1998, 1519; LG Karlsruhe NJW-RR 2007 – thailändisches Share-Spiel). Sittenwidrig ist insb die Teilnahme an einem der nach dem Schneeballsystem aufgebauten „Schenkkreise“, die in den letzten Jahren vielfach die Rspr beschäftigt haben (BGH NJW 2006, 45, 46 m Bespr Lorenz LMK 2006, 164413 unter eingängiger Darstellung des Systems und K. Schmidt JuS 2006, 265; 2008, 1942; Köln NJW 2005, 3290 und NJW 2006, 3288; LG Freiburg NJW-RR 2005, 491). Dies gilt auch dann, wenn die Teilnehmer über die Abwicklung des Spiels vorab informiert werden (München NJW-RR 2009, 1648, 1649). Der BGH wendet in diesen Fällen – anders als noch Köln NJW 2005, 3290 – auch die Kondiktionssperre des § 817 S 2 nicht an. Dem ist zu folgen (ebenso ua: Köln NJW 2006, 3288; Lorenz aaO und Möller NJW 2006, 268; dagegen Armgardt NJW 2006, 2070). – Nicht ohne weiteres sittenwidrig sind Verträge, mit denen die Teilnahme an einem Spiel im Schneeballsystem vermittelt und kreditiert wird; jedoch steht dem Darlehensanspruch uU § 242 entgegen (LG Nürnberg-Fürth NJW-RR 1998, 1519). – Vgl auch Rn 119 „Glücksspiel“ und Rn 166 – „Spielbank“.

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P Eine zw einem Schriftsteller und einem Verleger getroffene Optionsvereinbarung, wonach sämtliche künftigen Werke ohne zeitliche und/oder gegenständliche Beschränkung zunächst dem Verleger anzubieten sind, ist bei Fehlen einer angemessenen Gegenleistung unwirksam (BGH 22, 347; anders RG 79, 156ff). Zur Frage der Sittenwidrigkeit einer Vereinbarung, durch die sich der Verfasser eines Manuskripts über ein Fernsehspiel verpflichtet, das Manuskript wiederholt ganz oder zT zu ändern, wobei die Abnahme des Werkes als „sendefertig“ im eigenen billigen Ermessen der Rundfunkanstalt steht, vgl BGH UFITA 62, 255. Eine mit dem Urheber für die Zeit nach Vertragsbeendigung vereinbarte Sperrfrist für die Benutzung eines Verlags- oder Sammelpseudonyms ist nicht sittenwidrig (Hamm UFITA 50, 1025). Auch in diesem Bereich ist iÜ stets zu prüfen, ob die getroffenen vertraglichen Regelungen möglicherweise deshalb sittenwidrig sind, weil sie der verfassungsrechtlich gewähr-

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Zu Schmiergeldverträgen vgl Rn 85 „Benachteiligung Dritter“ und Rn 87 „Bestechung“.

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§ 138

leisteten Privatautonomie für einen der beiden Vertragsbeteiligten nicht genügend Rechnung tragen (BVerfG NJW 2006, 596). P Bei Schuldbeitritt/Schuldmitübernahme/Mitschuldnerschaft zu einer Kreditverpflichtung eines 155 Angehörigen ist zu unterscheiden zw einem Angehörigen als „echtem Mitdarlehensnehmer“ und einer bloßen einseitig verpflichtenden Mithaftung; Unterscheidungsmerkmal soll sein, ob der vertraglich mithaftende Angehörige nach den internen Verhältnissen der Darlehensschuldner und für den Darlehnsgeber erkennbar „ein eigenes sachliches und/oder persönliches Interesse an der Kreditaufnahme“ hat und als im Wesentlichen gleichberechtigter Partner über die Auszahlung und die Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden darf; auf die Vertragsgestaltung durch den Kreditgeber und die Vertragsbezeichnung des Mithaftenden soll es hingegen nicht entscheidend ankommen (BGH 146, 37, 41; NJW 1999, 135; NJW 2002, 744; NJW 2002, 2705f; NJW 2002, 746; NJW-RR 2004, 924; NJW 2005, 973; Celle NJW 2004, 2598; Frankfurt FamRZ 2006, 334). Die Unterscheidung ist – wie die Bsp aus der Rspr zeigen – nur mit einigem Aufwand bei der Tatsachenfeststellung zu treffen und gleichwohl häufig unsicher (zust Kulke ZIP 2001, 985, 987) Sie ist nicht ohne Grund umstr (vgl die einleuchtende Kritik von Tiedtke EWiR 2001, 301 und 2002, 417 sowie NJW 2003, 1359, 1363 und 2005, 2498, 2500 mwN). In der vorsorgenden Rechtspflege führt die Unterscheidung zudem bei der Vertragsgestaltung zu Schwierigkeiten (vgl Volmer DNotZ 2001, 691ff; vgl dazu auch Derleder EWiR 2002, 137). Für Angehörige, die nach dem Willen der Vertragschließenden – gleich unter welcher Bezeichnung – nur eine einseitig verpflichtende Mithaftung übernehmen, sind nach der zitierten Rspr die zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften entwickelten Grundsätze (Rn 90ff „Bürgschaft“; vgl auch Schimansky WM 2002, 2437) entspr anzuwenden. Entspr kann auch für ein Schuldanerkenntnis gelten (Bsp: Koblenz NJW-RR 2003, 1559 = WM 2004, 179). Bei Verbraucherkrediten bietet neben § 138 I die Anwendbarkeit des Verbraucherkreditrechts auf Mitschuldner (vgl BGH 133, 71; NJW 1996, 2865; NJW 1997, 654; NJW 1997, 1442; Ulmer/Masuch JZ 1997, 654) einen gewissen Schutz vor sittenwidrigen Geschäften. – Vgl auch zu Rn 96 „Darlehen“. Auch ein (konstitutives oder deklaratorisches) Schuldanerkenntnis kann gegen die guten Sitten verstoßen; bei einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis gilt das auch, wenn es sich auf ein sittenwidriges Ausgangsschuldverhältnis bezieht (Bsp: BGH 104, 18, 24; NJW 1987, 2014, 2015; 2005, 2991, 2993; Schleswig NJW 2005, 225). P Ein zur Schuldenbereinigung geschlossener Vertrag ist sittenwidrig, wenn die Interessen des 156 Schuldners nicht berücksichtigt sind und der Vertrag kaum eine reale Chance der Schuldenbereinigung bietet (LG Berlin MDR 1969, 217; Köln ZIP 1985, 24); zur Wirksamkeit einer zum Zwecke der Schuldenbereinigung vereinbarten Treuhänderbestellung vgl Frankfurt NJW 1967, 1044. Zu Sanierungsvereinbarungen vgl Rn 163. P Ein Schweigevertrag, zB die Verpflichtung zu einer Geldleistung für das Unterlassen einer Straf- 157 anzeige, ist dann nicht sittenwidrig, wenn die Geldleistung eine Wiedergutmachung für den aus der nicht angezeigten Straftat entstandenen Schaden darstellt (vgl auch BGH NJW 1957, 598, 1796; 1991, 1046). Bei sachwidriger Koppelung des Verzichts auf eine Anzeige, eine Selbstanzeige beim Finanzamt bei Steuerverkürzung oder auf eine ähnliche Maßnahme mit einer geldwerten Gegenleistung ist der Vertrag hingegen nichtig, weil er den Verzicht auf eine Anzeige und damit zugleich die Verhinderung oder Erschwerung einer Sanktion für ein Fehlverhalten sittenwidrig kommerzialisiert; vielfach wird auch eine psychische Zwangslage oder eine persönliche Verstrickung des eigenen Vorteils wegen ausgenutzt (vgl RG 58, 205; BGH NJW 1991, 1046 – Verzicht auf Strafanzeige; BAG NJW 1968, 1647f und Nürnberg NJW-RR 2001, 1587 – Verzicht auf Offenlegung einer Steuerhinterziehung; Staud/ Sack Rn 476; zur Frage der Anfechtbarkeit vgl § 123 Rn 50f). Zur Wirksamkeit der Verpflichtung, eine Strafanzeige zurückzunehmen, als solcher vgl BGH aaO; Frankfurt MDR 1975, 585. Sittenwidrig ist eine entgeltliche Verpflichtung ggü einem Ehebrecher, über dessen Ehebruch zu schweigen (BGH LM § 134 Nr 18).– Vgl auch Rn 100 „Ehe und Familie“ und Rn 114 „gerichtliches Verfahren“). P Bei der Beurteilung von Rechtsgeschäften mit sexuellem Bezug wird die Wandelbarkeit der Sit- 158 tenordnung besonders deutlich. Die heute noch anerkannt besonders sozialschädlichen Rechtsgeschäfte aus diesem Bereich sind vielfach schon durch das Jugendschutzrecht, das Strafrecht und auch das Ordnungswidrigkeitenrecht verboten und daher gem § 134 nichtig. Über diese Bestimmungen geht § 138 vor allem dadurch hinaus, dass er auch nicht durch Gesetz verbotene Rechtsgeschäfte erfasst, die mit der Menschenwürde als Grundwert der Verfassung (Art 1 I GG) und damit als Bestandteil der Sittenordnung (Rn 120 „Grundgesetz“) nicht vereinbar sind. Wegen Unvereinbarkeit mit der Menschenwürde sittenwidrig sind alle Rechtsgeschäfte, die zu sexuellen Handlungen (zum Begriff vgl auch § 184f StGB) ggü anderen verpflichten oder solche sexuellen Handlungen belohnen. Eine etwaige Bereitschaft zu einem sexuellem Verhalten muss stets unabhängig von einer Gegenleistung oder einer Belohnung und sie muss jederzeit widerrufbar, darf also nicht rechtlich verpflichtend sein. Zuwendungen an Geschlechtspartner unter Lebenden oder von Todes wegen werden aber von § 138 nur dann erfasst, wenn die Förderung oder Belohnung der geschlechtlichen Hingabe ihre prägende Zweckbestimmung ist (vgl für Zuwendungen unter Lebenden Rn 201 „Zuwendungen unter Lebenden“ sowie BGH NJW 1984, 2150; für Zuwendungen von Todes wegen BGH 53, 346; NJW 1973, 1646; 1983, 675; vgl zum „Geliebtentestament“ im Erbrecht auch Rn 105 „Erbrecht“ und Staud/Sack Rn 438ff). Gegen die Menschenwürde verstößt besonders eine entgeltliche, das Sexualverhalten kommerzialisierende Verpflichtung zum Geschlechtsverkehr sowie eine rechtsgeschäftliche Belohnung von Geschlechtsverkehr (BGH 67, 119, 122; AP § 138 Nr 35; Düsseldorf NJW 1970, 1852; krit dazu Wesel NJW 1998, 120 und NJW 1999, 2865). Auch ein Rechts-

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Rechtsgeschäfte

geschäft, das eine öffentliche Darbietung von Geschlechtsverkehr zum Gegenstand hat, ist menschenunwürdig und damit sittenwidrig (BAG NJW 1979, 1958; BVerwG NJW 1982, 776; NVwZ 1990, 668; Staud/Sack Rn 454; aM für die Rechtslage nach Inkrafttreten des ProstG ua: MüKo/Armbrüster zu ProstG § 1 Rn 24 mwN). Dasselbe gilt für jede vertragliche Regelung anderer sexueller Handlungen, die über eine reine Schaustellung („Striptease“) hinausgehen. Sittenwidrig sind sowohl die Rechtsgeschäfte zw den Anbietern und Empfängern sexueller Dienstleistungen persönlich (Bsp: Vertrag Prostituierte/Freier), als auch die Verträge der einen oder anderen Seite mit entspr „Unternehmern“ (Bsp: Verträge Prostituierte/Bordellbetreiber – vgl für einen „Sauna-Club“ LAG Hessen NZA 1998, 221 –, Bordellbetreiber/Freier). Nichtig ist auch ein Rechtsgeschäft, in dem einer Prostituierten eine Gegenleistung dafür versprochen wird, dass sie sich von dem Bordellbetreiber „freikauft“, um ausschließlich dem Kunden sexuell zur Verfügung zu stehen (Köln NJW-RR 1998, 1518; vgl auch Düsseldorf NJW-RR 1998, 1517). Wirksam soll allerdings das Verfügungsgeschäft über Dirnenlohn sein (BGHSt 6, 379; Düsseldorf NJW 1970, 1852). Auch Verträge über eine sog „Peep-Show“ sind menschenunwürdig und daher mit den guten Sitten nicht vereinbar; sie zielen nicht allein auf eine Betrachtung des nackten menschlichen Körpers ab; vielmehr sind sie – ohne Einbettung in eine persönliche Beziehung der Beteiligten – darauf angelegt, durch eine entspr aufreizende Darbietung gegen Entgelt sexuelles Verhalten zu stimulieren, und sie bieten dafür den Besuchern auch räumliche Gelegenheit (BVerwG NJW 1982, 664f; NJW 1982, 665f; NVwZ 1990, 668f; NJW 1996, 1423ff; VGH Mannheim NVwZ 1992, 76; zweifelnd Pal/Ellenberger Rn 52a). Das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (ProstG) v 20.12.2001 (BGBl I 3983) hat die dargestellte Rechtslage nicht grds verändert (str; wie hier Schleswig NJW 2005, 225, 227; Kurz GewA 2002, 142, 143f; Larenz/Wolf AT § 41 Rn 47; Medicus AT Rn 701; Pal/Ellenberger Rn 52 und Anh zu § 138 Rn 2; Staud/Sack Rn 454f; aM – einseitig verpflichtender Vertrag: BeckOK/Wendtland ProstG § 1 Rn 5; MüKo/Armbrüster zu ProstG § 1 Rn 19 mit ausf Begr uwN; ferner: Armbrüster NJW 2002, 2763ff mwN; Bergmann JR 2003, 270ff; Dehner NJW 2002, 3747, 3748; Hk/Dörner § 138 Rn 9; Rautenberg NJW 2002, 650, 651; nach dieser Auffassung ist § 138 nur bei Hinzutreten weiterer anstößiger Umstände anzuwenden, vgl MüKo/Armbrüster aaO Rn 20ff). Zwar begründet nach § 1 S 1 ProstG die Vereinbarung, wenn sexuelle Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt vorgenommen worden sind, eine rechtswirksame Forderung auf das vereinbarte Entgelt. Dasselbe gilt nach § 1 S 2 ProstG, wenn sich eine Person, insb im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, für die Erbringung sexueller Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt für eine bestimmte Zeit bereitgehalten hat. Das nimmt einer dahingehenden Vereinbarung als ganzer, zu der auch die Verpflichtung zur Vornahme einer sexuellen Handlung oder zum Bereithalten für sexuelle Handlungen gehört und die als Einheit bewertet werden muss, aber nicht von Anfang an den Makel der Sittenwidrigkeit. Erst der tatsächliche Vollzug der Vereinbarung durch die Vornahme der sexuellen Handlung oder das Bereithalten für solche Handlungen führt zum sozialen Schutz der Person, die ihre Leistung erbracht hat, insb der Prostituierten, zu einem rechtswirksamen Anspruch auf Entgelt (nachträgliche Teilwirksamkeit der Vereinbarung ab Vollzug kraft besonderer gesetzlicher Regelung); insoweit ist die Nichtigkeitswirkung von § 138 eingeschränkt. Hingegen entstehen, weil die Grundvereinbarung als Ganze sittenwidrig und damit unwirksam bleibt, auch durch den Vollzug keine vertraglichen Pflichten der tatsächlich leistenden Person (etwa wegen nicht vertragsgemäßer Leistung); das zeigt sich auch in dem weitgehenden Ausschluss von Einwendungen gegen den Anspruch auf Entgelt durch § 2 ProstG. Eine ausführlichere Auseinandersetzung mit der Gegenmeinung ist an dieser Stelle nicht möglich. Verträge über „Telefonsex“ zw einer Sex per Telekommunikation anbietenden Person und ihren Kunden werden nunmehr im Hinblick auf die Regelungen des ProstG vom BGH nicht mehr als sittenwidrig angehen (BGH NJW 2008, 140, 141; zur vorherigen Diskussion s Erman/Palm12 Rn 158). Ebenso sind Verträge über Anzeigen, in denen sexuelle Dienste gegen Entgelt angeboten werden, heute nicht mehr ohne weiteres nach § 120 I Nr 2 OWiG iVm § 134 unwirksam (BGH NJW 2006, 3490, 3491f; anders noch BGH 118, 182, 185ff; vgl auch BGH NJW 1998, 2895; str, vgl Hamburg MDR 1985, 319; LG Frankfurt NJW 1985, 1639; AG Heidelberg NJW-RR 1998, 260; AG Berlin-Köpenick NJW 2002, 1885). Für sich betrachtet neutrale Rechtsgeschäfte im Umfeld unsittlicher sexueller Dienstleistungen („Hilfsgeschäfte“; etwa Verträge über den Erwerb oder die Nutzung von Immobilien für einen Bordellbetrieb – BGH 63, 365, 367; NJW-RR 1988, 1379; Karlsruhe ZMR 1990, 301; Miete von Räumen für Zwecke der Prostitution; handwerkliche Leistungen – BGH NJW-RR 1987, 999 – oder Lieferungen – BGH NJW-RR 1990, 750f – für Bordellbetrieb; Getränkeverzehr bei Bordellaufenthalt) sind nach heutigem Verständnis idR nicht sittenwidrig, wenn nicht besondere verwerfliche Umstände (etwa nach § 180a StGB verbotener Bordellbetrieb, vgl BGH NJW 1987, 3209 und NJW-RR 1990, 750f; überhöhtes Entgelt, vgl BGH 63, 365, 367; 67, 119, 124f; NJW 1970, 1179; WM 1974, 750; NJW-RR 1988, 1379; 1990, 750f; Düsseldorf NJW-RR 1991, 246; Hamm NJW 1975, 653f) hinzukommen. Verträge zur Herstellung oder Verbreitung pornographischer Schriften oder Darbietungen – etwa in Theater, Rundfunk, Fernsehen, Unterhaltungsveranstaltungen jeder Art – sind gesetzwidrig (vgl § 134 Rn 94 „Strafrecht“) und idR auch sittenwidrig, soweit das Verhalten strafbar (§ 184ff StGB) oder ordnungswidrig (vgl § 33a I, II Nr 2, 144 GewO) ist. Bei fehlender Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit wird sich hingegen ein Sittenverstoß nur ausnahmsweise unter besonderen Umständen feststellen lassen. Nicht sittenwidrig sind nach der Rspr unter der Voraussetzung der Straflosigkeit des Verhaltens hingegen: Verträge über Striptease-Darbietungen ohne die Besonderheiten einer Peep-Show (BVerwG NVwZ 85, 826; NJW 1982, 664; NVwZ 1990, 668; BAG BB 1973, 291), Kaufverträge über pornographische Publikationen (BGH NJW 1981, 1439), Verträge über die Herstellung porno-

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graphischer Aufnahmen (Stuttgart NJW-RR 1987, 1435) und Verträge über die Vorführung pornographischer Filme (BGH NJW 1981, 1439; BVerwG 71, 34; NVwZ 1990, 668). P Sicherungsgeschäfte. Verträge, mit denen Schuldner ihren Gläubigern eine Sicherheit für deren 159 Forderung versprechen oder gewähren (Sicherungsgeschäfte) – das sind neben der an anderer Stelle erörterten Bürgschaft, dem Pfandrecht und den Grundpfandrechten (hierzu BGH NJW 2002, 2633 – keine Übertragung der zur Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft entwickelten Grundsätze) vor allem Sicherungsübereignung, Sicherungsabtretung von Rechten oder Forderungen, verlängerter Eigentumsvorbehalt, treuhänderische Verwaltung im Gläubigerinteresse –, sind grds nicht zu beanstanden. Sie können vor allem in folgenden Fallgruppen sittenwidrig sein: Der Umfang der dem Gläubiger versprochenen oder verschafften Sicherheit ist unangemessen (Übersicherung des Gläubigers). Das Sicherungsgeschäft belastet den Schuldner – bis zur Knebelung des Schuldners – unvertretbar stark. Das Sicherungsgeschäft greift in Sicherheiten anderer Gläubiger ein. Das Sicherungsgeschäft führt zu einer Täuschung oder unangemessenen Benachteiligung anderer Gläubiger, oder es verletzt die schützenswerten Interessen der Allgemeinheit, etwa durch Konkursverschleppung/Insolvenzverschleppung. Die Aspekte können sich überschneiden; ein Lebenssachverhalt lässt sich oft mehreren Fallgruppen zuordnen. P Sicherungsgeschäfte/Übersicherung. Eine Übersicherung liegt vor, wenn der Gläubiger dauerhaft 160 mehr Sicherheiten bekommt oder behalten darf, als er bei Verwertung zur Abdeckung seiner Forderung benötigt. Eine Übersicherung steht stets im Konflikt mit dem schützenswerten Interesse des Schuldners, sein nicht gebundenes Vermögen als Grundlage für sein wirtschaftliches Verhalten, insb für andere Kredite, einzusetzen, und mit dem berechtigten Interesse anderer (auch künftiger) Gläubiger an Sicherungs- oder Befriedigungsmöglichkeiten. Keine (sittenwidrige) Übersicherung liegt von vornherein vor, wenn Forderungen abgetreten werden, die ohnehin zum Haftungsverbund eines Grundpfandrechts gehören (Köln ZIP 1996, 828). Eine Übersicherung ist denkbar als anfängliche (Übersicherung schon im Zeitpunkt der Vereinbarung des Sicherungsgeschäfts) und als nachträgliche Übersicherung (die zu sichernde Forderung fällt ganz oder teilw weg und/oder der Wert der Sicherheit steigt, etwa bei einem Warenlager mit wechselndem Bestand oder bei einer Globalzession; der Gläubiger behält gleichwohl die Sicherheit). In der Praxis häufiger ist wohl der Fall der nachträglichen Übersicherung. In Lit und Rspr war lange Zeit bis in den BGH hinein heftig umstr, ob ein Sicherungsgeschäft sittenwidrig (oder nach § 9 AGBG, heute § 307, unwirksam) ist, wenn ein Sicherungsvertrag, insb bei revolvierenden Sicherheiten, für den Fall der nachträglichen Übersicherung keine (angemessene) Freigaberegelung enthält (für Sittenwidrigkeit ua der VII ZS des BGH in st Rspr, vgl BGH 109, 240, 246f; NJW-RR 1990, 1459; NJW-RR 1991, 625; 117, 374, 377; NJW 1996, 2786; NJW 1997, 651); aus der fast unüberschaubaren Aufsatzliteratur zu der Problematik vgl ua Bülow aaO, JZ 1997, 500 und NJW 1997, 641; Canaris ZIP 1996, 1109 und 1577; ZIP 1997, 813; Früh DB 1994, 1860; Ganter ZIP 1994, 257 und WM 1996, 1705; Neuhof NJW 1995, 937 und 1996, 830; Neuhof/Richrath NJW 1996, 2894; Nobbe ZIP 1996, 657; Pfeiffer aaO sowie EWiR 1997, 483, WM 1995, 1565 und ZIP 1997, 49; Rellermeyer WM 1994, 1009; Schröter WM 1997, 2193; Schwab WM 1997, 1883; Serick BB 1995, 857, BB 1996, 1777, NJW 1997, 1529 und WM 1997, 2053; Terlau BB 1998, 1498; Trapp NJW 1996, 2914; Wiegand/Brunner NJW 1995, 2513; Wolf/Ungeheuer JZ 1995, 176, alle mit zahlr wN). Der Meinungsstreit ist inzwischen für die Rechtspraxis auf Vorlage zweier Senate (IX Senat: NJW 1997, 1570 sowie vorher NJW 1996, 2790; XI. Senat: ZIP 1997, 1185; jeweils mit ausf Darstellung der Problematik und des Meinungsstandes) vom GrSZ des BGH durch Beschl v 27.11.1997 teilw beendet worden (BGH 137, 212; sehr krit zu der Entscheidung Serick BB 1998, 801; zu dieser Rspr vgl ferner Bruchner WM 1998, 2185; Ganter WM 1998, 2045, 2046f; Glöckner DZWir 1999, 492; Roth JZ 1998, 462). Danach hängt die Wirksamkeit einer formularmäßig bestellten revolvierenden Globalsicherheit weder von der Vereinbarung einer Freigaberegelung noch von der Festlegung einer zahlenmäßig bestimmten Deckungsgrenze noch von einer Klausel für die Bewertung der Sicherungsgegenstände ab. Die Freigabegrenze soll regelmäßig bei 150 % des Schätzwertes liegen. Damit scheidet bei formularmäßigen Sicherungsverträgen, die wohl die Regel sind, für den Fall nachträglicher Übersicherung die Anwendung von § 138 I auf das Sicherungsgeschäft insgesamt praktisch aus. Unangemessene Einzelregelungen können zwar weiterhin sittenwidrig und damit nichtig sein. Regelungslücken oder -mängel behebt die Entscheidung aber – sei es mit Hilfe erg Auslegung, sei es über § 242 – durch Korrektur und Ergänzung des Vertrags um angemessene Regelungen (vgl dazu auch BGH 124, 380; NJW 1994, 1796; 95, 2219; NJW-RR 2005, 1408; WM 1998, 856; Düsseldorf DB 1994, 1379). Dem ist schon aus Gründen der Verhältnismäßigkeit jedenfalls für den Regelfall beizupflichten. Auf der Grundlage dieser Rspr ist es konsequent, dass die Unwirksamkeit einer formularmäßigen Freigaberegelung nicht auch die (dingliche) Gewährung der Sicherheiten erfasst (BGH NJW-RR 1998, 1123; NJW 1998, 2206). – Die Entscheidung des GrSZ klärt nicht die Frage, wie ein vergleichbarer Individualvertrag zu behandeln wäre. Schon zur Vermeidung von sachlich kaum nachvollziehbaren Wertungsunterschieden sollten Individualvereinbarungen (etwa mit Hilfe einer Vertragsergänzung oder von § 242) jedenfalls i Erg nicht ungünstiger behandelt werden als formularmäßige Sicherungsabreden. Die Anwendung von § 138 I in den Fällen anfänglicher Übersicherung ist durch die neue Rspr zur nachträglichen Übersicherung nicht unmittelbar berührt (hierzu zuletzt BGH NJW-RR 2010, 1529). Die – nicht in allen Punkten ausdr auf den Fall der nachträglichen Übersicherung beschränkten – Grundsätze des GrSZ des BGH sollten aber zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen soweit wie möglich auch auf die Fälle einer anfänglichen Übersicherung übertragen werden. Der GrSZ weist allerdings unter Bezugnahme auf BGH NJW 1994, 1796 ausdr darauf hin, § 138 I werde für die Beurteilung der Wirksamkeit formularmäßiger Globalsicherheiten nicht bedeutungslos; Sicherungsverträge

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könnten insb wegen Kumulation verschiedener Sicherheiten oder wegen anfänglicher Übersicherung sittenwidrig sein. Für den Fall anfänglicher Übersicherung wird dies in BGH NJW 1998, 2047(dazu Anm Terlau BB 1998, 1498; vgl ferner NJW 1998, 3273, 3274; Hamm NJOZ 2002, 1398; Ganter WM 1998, 2045, 2047f sowie aus der älteren Rspr BGH 98, 303 und dazu Canaris ZIP 1996, 1113, 1123) unter der Voraussetzung bestätigt, dass der Sicherungsvertrag im Zeitpunkt seines Abschlusses nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter auf einer verwerflichen Gesinnung des Sicherungsnehmers (etwa nach sittlichen Maßstäben unerträgliche Rücksichtslosigkeit ggü den berechtigten Belangen des Sicherungsgebers aus eigensüchtigen Gründen) beruht und mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Anwendungsspielraum für § 138 I bleibt danach jedenfalls, wenn zu der anfänglichen Übersicherung weitere anstößige (objektive und/ oder subjektive) Umstände, etwa auch iSd übrigen Fallgruppen, hinzutreten. Zu beanstanden ist in solchen Fällen aber nicht allein der in der Übersicherung liegende unangemessene Vorteil des Gläubigers, sondern dieser Vorteil im Zusammentreffen mit einer unangemessenen Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Schuldners, anderer Gläubiger oder der Allgemeinheit. Daneben wird Sittenwidrigkeit vor allem auch in Betracht kommen, wenn die Übersicherung vom Gläubiger mit unangemessenen Methoden, etwa durch eine nicht hinnehmbare Ausnutzung einer ungünstigen Lage des Schuldners, erwirkt wird. Insoweit ist auf die entspr Darstellung zur Bürgschaft zu verweisen. Hins der subjektiven Seite der Sittenwidrigkeit ist zu beachten, dass das grobe Missverhältniss hier keine tatsächliche Vermutung für eine verwerfliche Gesinnung des Sicherungsnehmers begründen soll (BGH NJW-RR 2010, 1529, 1530). 161

P Sicherungsgeschäfte/unangemessene Einschränkung der wirtschaftlichen Freiheit des Schuldners. Weder die Sicherungsübereignung eines vollständigen Warenlagers (RG 132, 187; BGH NJW 1962, 102) oder des gesamten Maschinenparks (BGH NJW 1956, 585) oder der gesamten Wohnungseinrichtung (BGH WM 1961, 244; Bamberg MDR 1981, 50; Wacke JZ 1987, 382) noch die Abtretung aller pfändbaren Gehaltsforderungen (BGH DB 1976, 383; zu Einschränkungen nach AGB-Recht vgl BGH NJW-RR 2005, 1408) oder sämtlicher (auch künftiger) Forderungen eines Unternehmens (Globalzession; BGH WM 2000, 1689, 1692: Köln NJOZ 2002, 2213) ist von vornherein sittenwidrig. Ein Sicherungsgeschäft kann aber deshalb gegen die guten Sitten verstoßen, weil der Schuldner in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit und zugleich in seinem Selbstbestimmungsrecht unangemessen eingeschränkt wird. Dies kommt vor allem in Betracht, wenn das Sicherungsgeschäft durch Umfang und Ausgestaltung der Sicherheit und durch etwaige Begleitregelungen dem Schuldner (fast) jeden Spielraum für sein wirtschaftliches Verhalten nimmt und ihn gewissermaßen zum Werkzeug des Gläubigers oder eines Dritten macht („Knebelung“; vgl etwa BGH 19, 12, 18; 26, 190; 44, 158, 161; 83, 313, 316; NJW 1967, 1043; 1993, 1587; 138, 291; Hamm WM 1985, 842; NJW-RR 1988, 117). Daran ist zu denken, wenn bei einem Unternehmer das Sicherungsgeschäft praktisch das gesamte pfändbare Vermögen erfasst (vgl RG 136, 247; BGH 19, 12, 18; NJW 1956, 337; 1967, 1043) und/oder die wichtigen unternehmenspolitischen Entscheidungen, etwa über Produktionsprogramm und -methoden, Finanzierung, Marktstrategien, Investitionen, Rationalisierungsmaßnahmen, im Innenverhältnis mehr oder minder dem Sicherungsnehmer oder einem Dritten, zB einem Treuhänder (vgl BGH 44, 158), überantwortet werden, wenn also freie Selbstbestimmung durch Fremdbestimmung ersetzt wird. Eine ähnliche knebelnde Wirkung können dichte Kontrollmaßnahmen (etwa eine umfassende Pflicht zur ständigen Vorlage aller Bücher, Hamm BB 1970, 374), weitgehende Verpflichtungen zur Abstimmung des unternehmerischen Verhaltens mit dem Gläubiger oder Dritten oder die Bindung unternehmerischer Entscheidungen an die Interessen Dritter haben. Eine Knebelung kommt auch in Betracht, wenn eine GmbH einen Kredit für ihrer Muttergesellschaft besichert und danach nicht mehr genügend freies Vermögen hat, um ihre eigenen Gläubiger zu befriedigen (BGH 138, 291). Gegen eine Knebelung spricht es, wenn dem Schuldner für die zur Sicherung übertragenen Forderungen die Einziehungsbefugnis verbleibt (BGH 138; WM 2000, 1689, 1692). Ob die Voraussetzungen einer (knebelnden und daher) sittenwidrigen Beeinträchtigung der Schuldnerinteressen erfüllt sind, lässt sich letztlich nur im Einzelfall unter Würdigung aller Umstände entscheiden. Für die legitime Wahrnehmung der Sicherungsinteressen des Gläubigers muss Spielraum bleiben. Sie können auch begrenzte Kontroll- und Steuerungsmaßnahmen rechtfertigen. Das gilt insb für den in der Praxis nicht seltenen Fall, dass bei einem Schuldner in ungünstiger wirtschaftlicher Lage das Sicherungsgeschäft Teil von Sanierungsbemühungen ist, die nicht von vornherein aussichtslos sind, wenn also nicht die Fremdbestimmung, sondern die (vorübergehende) Hilfe im Vordergrund des Geschäfts steht. Stets bedacht werden muss dabei allerdings, dass – für sich (noch) hinnehmbare – Beschränkungen der Entscheidungsfreiheit des Schuldners nicht zugleich die schutzwürdigen Interessen anderer Gläubiger und/oder der Allgemeinheit beeinträchtigen dürfen (vgl dazu Rn 84f „Beeinträchtigung der Rechte der Allgemeinheit/Dritter“); das kann etwa der Fall sein, wenn die vereinbarten Regelungen andere Gläubiger oder die Allgemeinheit über die wahre Verantwortung des Schuldners für „sein“ unternehmerisches Verhalten täuschen (vgl Rn 163 „Sicherungsgeschäfte/Täuschung“). Unabhängig hiervon können auch unterhalb der Schwelle zur Knebelung Sicherungsgeschäfte die berechtigten Interessen des Schuldners in nicht hinnehmbarer Weise verletzen. So kann zB eine unangemessen belastende Gestaltung eines Sicherungsgeschäfts die Kreditwürdigkeit des Schuldners für einen anderen Gläubiger und damit zugleich seine wirtschaftliche Bewegungsfreiheit sittenwidrig beeinträchtigen. Zur Sittenwidrigkeit einer Sicherungsabtretung von Kundenforderungen zugunsten einer Bank, wenn die Übertragung der Forderung nach der mit dem Kunden getroffenen Vereinbarung der Zustimmung der Bank bedarf, vgl BGH NJW 1971, 372. Ein Sicherungsgeschäft kann auch sittenwidrig sein, wenn Kreditgeber/Sicherungsnehmer bewusst zum Nachteil des Sicherungsgebers und ohne Rücksicht auf dessen Kapitalerhaltungspflichten zusammenwirken (BGH 138, 291; Ganter WM 1998,

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2045, 2048ff mwN; Messer ZHR 1995, 375, 384; Sonnenhol/Stützle WM 1983, 2, 5; Sonnenhol/Groß ZHR 1995, 388, 413). P Sicherungsgeschäfte/Globalzession/Eingriff in Eigentumsvorbehalt und sonstige Dritten vor- 162 behaltene Rechte. Ein Konflikt zw der Sicherung eines Gläubigers und den Sicherungsrechten anderer Gläubiger kommt vor allem in Betracht, wenn für Kundenforderungen des Schuldners etwa zugunsten des Waren- oder Materiallieferanten ein sog verlängerter Eigentumsvorbehalt vereinbart ist und sich ein anderer Gläubiger alle Forderungen des Schuldners, also auch die vom verlängerten Eigentumsvorbehalt erfassten, global zur Sicherung abtreten lässt. – Eine Globalzession ohne Rücksicht auf einen verlängerten Eigentumsvorbehalt ist nach der Rspr sittenwidrig (BGH 30, 149, 152; 32, 367; 55, 34, 35; 72, 308, 310; 82, 50; 98, 303, 314f; NJW 1968, 1516; NJW 1969, 318; 1971, 372; 1974, 942; 1977, 2261; 1979, 365; 1983, 2502, 2504; 1991, 2144; 1995, 1668, 1669; 1997, 651; 1998, 2047; 1999, 940; 1999, 2588, 2589); aM – striktes Festhalten an der zeitlichen Priorität – Baur/Stürner, SachenR, § 59 Rn 55, 57ff mit Darst des Meinungsstandes und wN; vgl auch Koblenz NJW-RR 1988, 568 und Haertlein JA 2001, 808 zur Kollision beim Factoring). Der Schuldner darf über Waren oder Material regelmäßig nur verfügen, wenn zugunsten des Lieferanten an die Stelle des vorbehaltenen Eigentums an den gelieferten Sachen die entspr Kundenforderungen treten. Eine Globalzession, die solche Forderungen einschließt, erzwingt oder bewirkt einen Vertragsbruch des Schuldners ggü seinem Lieferanten; das ist mit den guten Sitten nicht vereinbar (krit zu diesem Ansatz Medicus AT Rn 699; er will eher auf den Gesichtspunkt der Schuldnerknebelung abstellen; dagegen MüKo/Armbrüster Rn 102 Fn 506). Eine lediglich schuldrechtliche Teilverzichtsklausel, dh die Einräumung eines schuldrechtlichen Anspruchs des Vorbehaltsverkäufers gegen den Zessionar, vermag der Globalabtretung nicht den Makel der Sittenwidrigkeit zu nehmen; erforderlich ist vielmehr eine sog dingliche Teilverzichtsklausel, die die von einem verlängerten Eigentumsvorbehalt erfassten (zukünftigen) Forderungen von vornherein von der Globalzession ausnimmt (BGH 72, 308, 310ff; 98, 303, 314; 109, 240, 245; NJW 1974, 942, 943; 1991, 2144, 2147; 1994, 445; 1995, 1668; 1999, 940; 1999, 2588, 2589; MüKo/Armbrüster Rn 103; Rehbein JR 1979, 198). Die Mitwirkung am Vertragsbruch als Element der Sittenwidrigkeit kann dem Gläubiger allerdings nur zugerechnet werden, wenn er die Drittverpflichtung des Schuldners kennt oder sich dieser Kenntnis vorwerfbar verschließt. Eine missbilligenswerte Gesinnung der Vertragsparteien ist dafür (entgegen BGH 32, 366) nicht erforderlich. Kenntnis von den Umständen des Sittenverstoßes oder Sich-Verschließen vor dieser Kenntnis genügt (Soergel/Hefermehl Rn 175; vgl Rn 43). Bedeutsam kann dafür sein, inwieweit ein verlängerter Eigentumsvorbehalt im Geschäftsbereich des Schuldners handelsüblich ist und daher von jedermann in Rechnung gestellt werden muss oder inwieweit er branchenüblich ist (BGH 30, 149, 151ff; 32, 361, 366; 55, 34, 35f; 98, 303, 314f; WM 1991, 1273, 1277; NJW 1995, 1668; 1999, 2588, 2589). Folgt einer – für sich betrachtet nicht etwa wegen Übersicherung sittenwidrigen – Globalzession zugunsten eines Gläubigers eine Globalzession zugunsten eines anderen Gläubigers zeitlich nach, dann ist für die Anwendung von § 138 kein Raum, weil die zeitlich nachfolgende Globalzession von vornherein ins Leere geht; die Erwägungen zur Unwirksamkeit der ersten Globalzession wegen eines Konflikts mit einem verlängerten Eigentumsvorbehalt gelten in diesem Zusammenhang nicht (uneingeschränktes Prioritätsprinzip; BGH NJW 2005, 1192; aM Neef WM 2005, 2365 – für Aufteilung der Forderungen zw den Gläubigern). P Sicherungsgeschäfte/Täuschung Dritter über die Kreditwürdigkeit des Schuldners. Sicherungs- 163 geschäfte werden vielfach nicht nach außen sichtbar, solange das Kreditgeschäft ordnungsgemäß abgewickelt wird; das gilt insb für den (verlängerten) Eigentumsvorbehalt und die Sicherungsübereignung, zumeist aber auch für die Sicherungsabtretung. Das schließt – insb bei weitgehender Aushöhlung der Haftungsmasse durch das Sicherungsgeschäft – die Gefahr der Täuschung anderer Gläubiger über die (weitere) Kreditwürdigkeit des Schuldners ein. Das kann, je nach den Umständen des Einzelfalles, das Sicherungsgeschäft sittenwidrig machen (BGH 10, 228ff; 20, 43, 49f; JZ 1951, 686f; WM 1958, 845f; NJW 1962, 102; 1984, 728f; 1995, 1668; 1993, 2041; 1998, 2592, 2595; Ganter WM 1998, 2045, 2048). Freilich werden Dritte in vielen Fällen nicht wirklich getäuscht, weil sie im Geschäftsalltag üblicherweise mit verdeckten Sicherungsgeschäften ihres Schuldners zu rechnen haben. Die Gläubigertäuschung muss aber nicht das festgestellte Ziel des Handelns gewesen sein. Zu einem Sittenverstoß wird man idR vielmehr kommen können, wenn das Sicherungsgeschäft insgesamt so angelegt ist, dass Gläubiger und Schuldner zusammenwirken und die Irreführung anderer über die Kreditwürdigkeit des Schuldners nach dem Gesamtbild des Zusammenwirkens entweder bezweckt ist oder aber zumindest billigend in Kauf genommen wird (BGH LM § 138 [Cb] Nr 11; NJW 1995, 1668). Das wird sich positiv zwar nur in Ausnahmefällen feststellen lassen. Allerdings genügt es, wenn der Gläubiger die für erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten des Schuldners maßgebenden Umstände kennt und sich entgegen seiner deswegen bestehenden Prüfungspflicht über diese Erkenntnis grob fahrlässig hinwegsetzt; je größer und konkreter die Gefahr des Zuammenbruchs ist, desto sorgfältiger muss der Gläubiger die Auswirkungen auf das Vermögen und die Kreditwürdigkeit des Schuldners prüfen, von dem er sich umfassende Sicherheiten gewähren lässt (BGH 10, 228, 233f; 20, 43, 50f; NJW 1956, 417; 1995, 1668; Brandenburg NJ 2005, 84; Köln WM 1997, 762; Koller JZ 1985, 1013, 1017f). Bei einem Sicherungsgeschäft im Rahmen einer Sanierung kann es für § 138 I genügen, dass der Sicherungsnehmer die Sanierungsaussichten nicht ausreichend – etwa durch einen Sachverständigen (auch eine behördliche Prüfung kann genügen, BGH MDR 1958, 599; vgl aber Neuhof NJW 1998, 3225, 3230) – untersuchen lässt (BGH 10, 234; 96, 231; NJW 1955, 1273; Coing WM 1980, 1026). P Sicherungsgeschäfte/Benachteiligung anderer Gläubiger, Insolvenzverschleppung. Einer über 164 eine Gläubigertäuschung hinausgehenden Benachteiligung anderer Gläubiger durch ein Sicherungs-

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Rechtsgeschäfte

geschäft wirken zunächst die Bestimmungen über die Anfechtung solcher Geschäfte (InsO, AnfG) sowie gläubigerschützende Straftatbestände iVm § 134 (vgl Rn 94 „Strafrecht“) entgegen. Sittenwidrigkeit kommt aber bei einem von Schädigungsvorsatz getragenen Verhalten in Betracht, das über den Schutzbereich dieser Regelungen hinausgeht (vgl BGH 56, 339, 355; 130, 314, 331; NJW-RR 1990, 142; NJW 1993, 2041f; 95, 1668; NJW 1993, 2041; 138, 291, 299; NJW-RR 2002, 1359; Koller JZ 1985, 1013; zu weitgehend Schön ZHR 1995, 351, 366; Messer ZHR 1995, 375, 377 für den Fall von Eingriffen in das Stammkapital einer GmbH; vgl dazu Sonnenhol/Groß ZHR 1995, 388, 400; GmbHR 1995, 561, 563). – Sittenwidrig kann ein Sicherungsgeschäft schließlich sein, weil es etwa zu einer Insolvenzverschleppung beiträgt und dadurch schützenswerte Interessen der Allgemeinheit verletzt; dies kommt vornehmlich in Betracht, wenn sich das Sicherungsgeschäft um eigener Vorteile des Gläubigers willen rücksichtslos über die Insolvenzreife/Konkursreife eines Unternehmens und damit zugleich über die mit der Fortführung des Geschäftsbetriebes verbundene Täuschung und/oder Gefährdung anderer Gläubiger hinwegsetzt (vgl aus der Zeit vor Inkrafttreten der InsO BGH 10, 228, 233f; 90, 381, 399; NJW 1956, 417; 1995, 1668; Köln ZIP 1985, 1474). Zur subjektiven Seite gilt das zur Gläubigertäuschung oben Gesagte entspr. Bei gleichzeitiger Verletzung von Insolvenzstrafrecht wird allerdings vielfach schon § 134 eingreifen. – Vgl auch unter Rn 125 „Insolvenzverschleppung“ und Rn 156 „Schuldenbereinigung“. 165

P Sozialleistungen. Zur Sittenwidrigkeit von Rechtsgeschäften zulasten von Trägern öffentlicher Sozialleistungen vgl unter Rn 84 „Benachteiligung der Allgemeinheit“.

166

P Spielverträge einer entspr dem dafür geltenden Recht betriebenen Spielbank mit einem Spieler sind im Grundsatz durch die Berufsausübungsfreiheit des Spielbankbetreibers gedeckt und schon deshalb idR nicht sittenwidrig (BVerfG NVwZ 2001, 790, 793; BGH 165, 276). Sittenwidrig sind aber Verträge über die Gewährung von größeren Darlehen für Spielzwecke, weil sie den Spieler in die Gefahr immer größerer Spielschulden bringen (BGH LM § 762 Nr 1 NJW 1992, 316; 1995, 1153, 1153; 131, 136 = NJW 1996, 248). Dagegen sind ohne vorheriges Setzen eines Limits abgeschlossene InternetSpielverträge nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig (BGH NJW 2008, 2026, 2027). Zur Wirksamkeit eines Schuldanerkenntnisses an eine Spielbank: BGH NJW 1974, 1821. Auch die Begründung einer Wechselverpflichtung zur Absicherung der Darlehensschuld zw dem Spieler als Akzeptanten und der Spielbank als Ausstellerin verstößt trotz der abstrakten Natur der Wechselerklärungen wegen des mit ihr verfolgten Zwecks gegen die guten Sitten (BGH NJW 1992, 316). Vgl auch zu Rn 119 – Glücksspiel und Rn 153 – Schneeballsystem.

167

P Sport. An den guten Sitten sind sowohl Verträge von Sportlern (meist Berufssportlern) mit ihren Vereinen sowie mit Dritten als auch die privatrechtlichen Regelungen der Vereine und der Dachorganisationen zu messen. Die normähnlichen Regelungen der Dachorganisationen und der Vereine für den Zugang von Mitgliedern und für den Sportbetrieb können schon europarechtlich (vgl dazu § 134 Rn 91 „Sport“) oder kartellrechtlich zu beanstanden sein. Unabhängig davon kommt die Anwendung von § 138 I iVm den Grundwertungen der Art 2, 12 GG als Teil der Sittenordnung in Betracht, wenn die persönliche und/oder berufliche Freiheit des Sportlers durch Regelungen von Dachorganisationen oder Vereinen übermäßig eingeengt wird. Daneben verdienen für die Inhaltskontrolle dieser Regelungen (vgl dazu BGH NJW 2000, 1028; NJW-RR 2000, 758; krit dazu Reuter in LM § 138 Aa Nr 57/58) die europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Grundwertungen zur Nichtdiskriminierung und zur willkürlichen Ungleichbehandlung (vgl ua EuGH SpuRt 2005, 20 – zu den Anti-Dopingregeln des IOC; Gramlich/Niese SpuRt 1998, 61; Streinz SpuRt 1998, 1, 45, 89 – zum Europarecht; München NJW-RR 2001, 711) sowie des Verhältnismäßigkeitsprinzips als Teil der Sittenordnung Beachtung. Bedenklich sind alle Regelungen des Sportbetriebs, in denen im Spannungsverhältnis zw Dachorganisation, Vereinen und Sportlern die schutzwürdigen Interessen einer beteiligten Gruppe oder Person nicht ausgewogen berücksichtigt, die Interessen anderer Gruppen also übergewichtet werden. Bei einer (faktischen) Monopolstellung im Sportbetrieb können schon die Regelungen über die Begründung einer Mitgliedschaft und/oder über die Teilnahme am Sportbetrieb wegen Monopolmissbrauchs und/oder die Anwendung dieser Regelungen mit den guten Sitten unvereinbar sein (LG Frankfurt SpuRt 2002, 155; AG Frankfurt SpuRt 1999, 36; LG München I NJW-RR 1993, 890; OGH Wien SpuRt 2004, 154). Sittenwidrig wegen übermäßiger Beschränkung der Berufsfreiheit ist insb eine Regelung, wonach beim Vereinswechsel eines Sportlers der frühere Verein vom neuen Verein auch dann eine Transferentschädigung verlangen kann, wenn im Zeitpunkt des Vertrags mit dem neuen Verein das Arbeitsverhältnis mit dem alten Verein bereits beendet, der Sportler also vertragslos ist (BAG 84, 344, 354 für die Spielordnung des Deutschen Eishockeybundes; vgl auch BAG 63, 232 zur Verhältnismäßigkeit der Regelung; ferner LAG Berlin NJW 1979, 2582 für das frühere DFB-Lizenspielerstatut; LG Braunschweig SpuRt 2004, 69; ArbG Hanau NZA-RR 1998, 108 – zur Neufassung der Spielordnung des DFB; zu einer wirksamen Ablösevereinbarung: Düsseldorf NJW-RR 2001, 1633). Auch die in den Regelungen einer Verbandsordnung festgelegte Verpflichtung, bei einem Vereinswechsel eines Amateurs zu einem Proficlub eine Aus- und Weiterbildungsentschädigung zu zahlen, ist idR wegen Unvereinbarkeit mit den Grundwertungen von Art 12 I GG sittenwidrig und daher nichtig (eingehend BGH 142, 305 = zu einer Regelung des Niedersächsischen Fußballverbandes für die Verpflichtung sog Vertragsamateure in der Regionalliga; BGH NJW 2000, 1028 zu Regelungen des Deutschen Eishockeybundes für die Verpflichtung eines Amateurs in der Bundesliga; vgl auch LG Stuttgart NJW-RR 2004, 929; LG Oldenburg SpuRt 2005, 72 und OLG Oldenburg SpuRt 2005, 164). Die frühere entschädigungsfreundlichere Rspr (BGH NJW 1976, 565; Düsseldorf NJW-RR 1996, 539; Hamm NJW-RR 1992, 1211; München NJW-RR 1995, 1394; Oldenburg NJW-RR 1999, 422; Schleswig NJW-RR 1992, 249) dürfte damit überholt sein; notwendig ist aber weiterhin eine Abwägung der konkurrierenden Rechtspositionen im Einzelfall (vgl zur Gesamtproblematik im Berufsfußball Werten-

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Willenserklärung

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bruch NJW 1993, 179, der mit Art 12 GG unvereinbare Transferregelungen durch verfassungskonforme Auslegung beschränken will). Die Verträge zw Berufssportler und Verein sind Arbeitsverträge (st Rspr, vgl BAG NJW 1997, 276 mwN für Spieler der Fußballbundesliga). Ihre Vereinbarkeit mit den guten Sitten ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Tätigkeit von Berufssportlern nach den für das Arbeitsverhältnis (Rn 76 „Arbeitsverhältnis“) dargestellten Grundsätzen zu beurteilen. Den Statuten der Vereine oder Dachorganisationen widersprechende finanzielle Zuwendungen – auch an Nicht-Berufssportler – sind in der Vergangenheit durchweg nicht als sittenwidrig beurteilt worden (vgl BAG NJW 1971, 855; Köln NJW 1971, 1367; Hamm NJW 1976, 331; Karlsruhe NJW 1978, 324; Düsseldorf NJW-RR 2001, 1633; abw Reuter NJW 1983, 650; vgl auch LAG Hamm NZA-RR 2000, 411 zu einem „Handgeld“ im Zusammenhang mit einem Vereinswechsel). Auch eine Vereinbarung, durch die ein vertraglich noch gebundener Sportler von einem anderen Verein oder für diesen zu einem Vereinswechsel veranlasst wird, ist zwar nicht stets sittenwidrig; sie kann aber im Einzelfall als sittenwidriger Eingriff in bestehende Rechtsbeziehungen zu werten sein, etwa wenn dem Sportler vor einer Vereinbarung mit seinem Verein erhebliche persönliche Vorteile – zB ein zinsgünstiges Darlehen in Millionenhöhe – gewährt werden, um seine Bereitschaft zum vorzeitigen Wechsel zu fördern. Zur Sittenwidrigkeit der Vereinbarung einer Vertragsstrafe zw Verein und Spieler: LAG Köln NZA-RR 1999, 350; LG München I SpuRt 2005, 77. Von Amateur- wie von Berufssportlern werden vielfach – sei es von ihren Vereinen, sei es von Dachorganisationen oder von Veranstaltern von Sportwettbewerben – als Voraussetzung für die Ausübung des Sports überhaupt oder für die Teilnahme an bestimmten Wettbewerben Erklärungen verlangt, in denen der Sportler für alle rechtlichen Meinungsverschiedenheiten die ausschließliche Zuständigkeit der jeweiligen Sportgerichtsbarkeit anerkennt und auf die Anrufung eines staatlichen Gerichts verzichtet. Solche Erklärungen können sittenwidrig und deshalb nichtig sein, wenn in der Sportgerichtsbarkeit elementare rechtsstaatliche Standards – etwa die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Sportrichter und die Wahrung des rechtlichen Gehörs – nicht gewährleistet sind (vgl SchiedsG FBL Österreich SpuRt 2005, 261). Für Verträge zw einem Sportler und Dritten (etwa persönliche Berater, Betreuer, Manager, Trainer, Vermittler) gelten ebenfalls die allg Maßstäbe. Wegen eines übermäßigen Eingriffs in die Berufsfreiheit ist ein langfristiger Betreuervertrag sittenwidrig, der den Sportler in seinen Berufsentscheidungen weitgehend von einem Betreuer abhängig macht, der zudem weder fachkundig noch landeskundig ist (Frankfurt NJW-RR 1996, 1333). Neben Unvereinbarkeit mit den Grundwertungen zur Berufsfreiheit kann auch eine übermäßige Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Sportlers oder eine zu weitgehende Bindung bei der Ausübung von Persönlichkeitsrechten (etwa bei deren Vermarktung) durch Managementvereinbarungen zur Sittenwidrigkeit führen. Zur Sittenwidrigkeit von Sportmanagementverträgen vgl Karakaya/Buch ZRP 2002, 193ff und Kretschmer/Karakaya SpuRt 2004, 45. Sittenwidrig sind schließlich Vereinbarungen, in denen Vorteile, etwa finanzielle Zuwendungen, für die Nichtbeteiligung an einem Wettkampf, für eine sportliche Minderleistung oder für sonstiges unsportliches Verhalten versprochen oder gewährt werden (RG 138, 137, 141f; Rauste SpuRt 1998, 7; Flume AT § 18, 2, S 369; zur Wirksamkeit derartiger Abreden am Bsp des „Bundesligaskandals“ im Fußball Triffterer NJW 1975, 612 mwN). Dasselbe gilt für Verträge zw Sportlern und/oder ihren Vereinen, Trainern, Betreuern usw untereinander sowie mit Dritten, die auf eine Verfälschung der sportlichen Leistung mit unzulässigen Mitteln, etwa durch Doping, hinauslaufen (Derleder/Deppe JZ 1992, 117; Turner NJW 1992, 720; vgl auch Bach ZRP 2006, 239; Krähe SpuRt 2006, 194; Prokup SpuRt 2006, 192; Röwekamp ZRP 2006, 239). Zum Ausschluss vom Sportbetrieb wegen eines Dopingverstoßes München SpuRt 2001, 66. Zur Sittenwidrigkeit von Vertragsstrafenvereinbarungen in Sponsoringverträgen im Zusammenhang mit Doping: Nesemann NJW 2007, 2083; zur Vertragsstrafe vgl auch Rn 193. P

Zum Standesrecht – vor allem der freien Berufe – vgl unter Rn 86 „Berufsrecht“.

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P

Die Vereinbarung einer freiwilligen Sterilisation ist selbst dann wirksam, wenn sie aus anderen 169 als medizinischen Gründen vorgenommen werden soll (BGH 67, 50; vgl auch Bamberg NJW 1978, 1685;). P Zu berufsbezogenen vertraglichen Regelungen bei einem Steuerberater vgl Rn 86 „Berufsrecht“. 170 Zu einem sittenwidrigen Übernahmevertrag für eine Steuerberaterpraxis: Naumburg NJW-RR 2006, 421. P Ein zur Steuerhinterziehung geschlossener Vertrag ist jedenfalls sittenwidrig, wenn die Hinter- 171 ziehung Hauptzweck des Vertrags ist (BGH 14, 31; DNotZ 1969, 350; NJW 1983, 1843, 1844; 136, 125, 132; NJW 1998, 1864; Pal/Ellenberger Rn 44; weiter MüKo/Armbrüster Rn 43). Dabei wird sich die Nichtigkeit regelmäßig bereits aus § 134 ergeben (vgl § 134 Rn 93 „Steuerstraftat“). Ein Grundstückskaufvertrag verstößt nicht schon dann gegen die guten Sitten, wenn in der notariellen Urkunde ein unrichtiger Kaufpreis angegeben ist, um dadurch Steuern zu hinterziehen; Hauptzweck des Vertrags bleibt trotz der Steuerhinterziehung das eigentliche Grundstücksgeschäft (RG 107, 364; BGH NJW 1966, 589; Oldenburg MDR 2000, 877: vgl aber § 117 Rn 12). Ein Vertrag, in dem zur Steuervermeidung die Erteilung einer Rechnung ausgeschlossen wird, ist idR wegen Nichtigkeit des Rechnungsausschlusses gem § 139 insgesamt unwirksam (BGH LM § 134 Nr 57; NJW-RR 2008, 1050; Hamm NJWRR 1997, 722; aM BGH NJW-RR 2001, 380). P Stimmrechtsbindungsverträge, wie sie sich insb bei Vereinen, Gesellschaften uÄ finden, sind im 172 privatrechtlichen Bereich grds gültig (RG 133, 93; 161, 300; 165, 144; BGH NJW 1951, 268; 1987, 1890;

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Rechtsgeschäfte

2009, 669, 672; ZIP 1983, 432; Köln GmbHR 1989, 76; vgl auch BGH 48, 166; wegen ihrer Wirkungen vgl § 32 Rn 5). Solche Verträge sind jedoch sittenwidrig, wenn eine Knebelung (Rn 128 „Knebelung“) vorliegt oder die Freiheit der Willensbildung, etwa einer jur Pers bei der Bestellung von Organen, zu sehr eingeschränkt ist (vgl RG 57, 208; 131, 183; BGH ZIP 1983, 293, 295; Frankfurt NZG 2000, 378; Oldenburg AG 2006, 724 – faktische Bindung der Stimmabgabe von Aktionären an Weisungen des Vorstandsvorsitzenden; vgl aber auch RG 133, 95). Sittenwidrig sind ferner auch gesellschaftsrechtliche Regelungen, die sich mit dem allg Gebot zur Stimmenthaltung in eigener Sache nicht vereinbaren lassen (RG 136, 236, 245; BGH 108, 21, 26; WM 1980, 64), sowie gegen das Stimmenthaltungsgebot verstoßende Beschl (BGH 108, 21, 27). Ist bei einer Gesellschaft eine Anteilsveräußerung von der Zustimmung von anderen Gesellschaftern oder von Gesellschaftsorganen abhängig gemacht, so ist die zur Umgehung dieses Zustimmungserfordernisses getroffene Vereinbarung, wonach der Gesellschafter seine Rechte nach dem Willen des Erwerbers auszuüben habe, sittenwidrig (RG 69, 137). Spezialregelungen finden sich in §§ 136 , 405 II Nr 6, 7 AktG. Vgl auch unter Rn 115 „Gesellschaftsrecht“. 173

P Straftat. Zur Vorbereitung, Durchführung oder Ausnutzung einer Straftat geschlossene Geschäfte können bereits nach § 134 nichtig sein (vgl § 134 Rn 94 „Strafrechtliche Vorschriften“). Darüber hinaus ist ein Rechtsgeschäft wegen Sittenverstoßes nichtig, wenn das Geschäft die Begehung einer Straftat zum Gegenstand hat (BGH NJW 1992, 2027) oder wenn ein Vertragspartner in Kenntnis der zur Strafbarkeit führenden Umstände das vom Gegner mit dem Geschäft verfolgte strafbare Verhalten fördert oder zum eigenen Vorteil ausnutzt; dies gilt auch dann, wenn der Vertragspartner selbst dadurch nicht zum Teilnehmer der strafbaren Handlung wird (BGH DB 71, 39 und NJW-RR 1990, 1522 – Vorbereitung oder Verwirklichung eines Betruges; NJW-RR 1990, 750 – Darlehen für ein nach § 180a StGB strafbares Bordell; NJW 1992, 310 – Verkauf von Diebesgut; Frankfurt NJW-RR 2001, 1634; vgl auch BGH WM 1990, 1324). Geschäfte, die selbst weder eine Straftat zum Gegenstand haben noch auf die Förderung einer Straftat oder die Nutzung ihrer Vorteile abzielen, sind hingegen durchweg nicht sittenwidrig. Das gilt für den Verkauf von Sachen, die der Käufer bei einer strafbaren Handlung verwenden will, idR auch dann, wenn der Verkäufer von der beabsichtigten Verwendung weiß (RG JW 1931, 928; BGH NJW 1992, 310; Hamm GRUR 1988, 564) oder (BGH NJW 1955, 586) später erfährt (vgl zur Abgrenzung auch Nürnberg NZV 1997, 124). Eine Grundschuldbestellung ist wirksam, wenn der Sicherungsgläubiger im Zeitpunkt der Eintragung weiß, dass das Grundstück mit auf strafbare Weise erlangen Mitteln im Wege der Ersatzhehlerei erworben ist (BGH NJW 1955, 586; aA MüKo/Armbrüster Rn 42). – Nicht ohne weiteres sittenwidrig sind Verträge, mit denen ein Teil Geldstrafen für den anderen Teil übernimmt (Kapp NJW 1992, 2797; vgl auch BGH 1991, 990, 992). Ein Schuldanerkenntnis eines Arbeitnehmers ggü seinem Arbeitgeber über seine Pflicht, den aus einer strafbaren Handlung entstandenen Schaden zu ersetzen, ist nicht grds sittenwidrig, sofern es nur eine hinreichend abgesicherte Ersatzpflicht bestätigt und nicht unter anstößigen Umständen zustande gekommen ist (LAG Hamm NZA-RR 2002, 654 L; LAG Thüringen NZA-RR 1999, 399). – IÜ vgl Rn 76 – „Arbeitsverhältnis“, Rn 87 „Bestechung“, Rn 152 „Schmuggelgeschäfte“ und Rn 171 „Steuerhinterziehung“.

174

P Eine Studienplatzabrede, die den Tausch von Studienplätzen bei Zahlung eines Geldbetrags zum Gegenstand hat, ist grds nicht sittenwidrig (München NJW 1978, 701).

175

P Ein Tankstellenvertrag kann sittenwidrig sein, wenn einer langfristigen Bindung des Betreibers der Tankstelle keine vertragliche Pflicht des anderen Teils zu hinreichenden Gegenleistungen – etwa Bereitstellung von Kapital für Ausbau und Betrieb der Tankstelle – als Ausgleich gegenübersteht. Eine fünfjährige Bindung ist idR unbedenklich, auch eine 15-jährige Bindung kann noch hinnehmbar sein (BGH 52, 171, 176, 181; NJW 1998, 156, 159f – Tankstellenvertrag mit 15-jähriger ausschließlicher Bezugsbindung in einem der neuen Bundesländer; vgl aber auch BGH 83, 313, 318f zu einer Regelung für einen Zeitraum von mehr als 25 Jahren). Eine Bindung des Tankstellenbetreibers für 10 Jahre oder mehr entspricht aber nach dem heutigen Stand nur noch dann den guten Sitten, wenn der Lieferant seinerseits für die Tankstelle Leistungen erbracht oder übernommen hat, die der vereinbarten Bindungsdauer gleichgewichtig gegenüberstehen (BGH 143, 103; NJW-RR 2006, 615f). Eine übermäßig lange Laufzeit kann auf ein noch hinnehmbares Maß verkürzt werden. Die zur Sittenwidrigkeit von Bier- und Getränkebezugsverträgen aufgestellten Grundsätze (Rn 88 „Bierbezugsvertrag“) lassen sich für Tankstellenverträge entspr heranziehen. – Vgl auch Rn 97 „Dauerschuldverhältnis“.

176

P Telekommunikation: Nach den ersten Schritten zur Privatisierung der Telekommunikation ist zunächst vornehmlich die Vereinbarkeit von Telefontarifen mit den guten Sitten, vor allem unter den Gesichtspunkten des Monopolmissbrauchs (vgl Rn 140 „Monopolstellung“) sowie der sittenwidrigen Herbeiführung eines Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung diskutiert worden (vgl zB Michalski ZIP 1996, 1327; BB 1996, 1177; DZWIR 1996, 353; v Westphalen DB 1996 Beil 5, 1; BGH NJW 1998, 3181, 3190). Zumindest das Problem des möglichen Monopolmissbrauchs hat sich mit der Freigabe des Marktes für Mitbewerber seit dem 1.1.1998 zunehmend abgebaut. Im gesamten Telekommunikationsbereich bedeuten iÜ die Bestimmungen des neugefassten TKG (v 22.6.2004 – BGBl I 1190 [letzte Änderung BGBl 2011 I 506]; dazu Scherer NJW 2006, 2016) zur Marktregulierung (§§ 9ff), zur Zugangsregulierung (§§ 16ff TKG) und zur Entgeltregulierung (§§ 27ff TKG) i Erg eine gewisse Sicherung gegen sittenwidrige Regelungen. Sittenwidrig können aber Vertragsregelungen sein, die den Wechsel eines Kunden zu einem Mitbewerber verhindern oder unangemessen erschweren (vgl dazu Düsseldorf BeckRS 2004, 09053 = NJOZ 2005, 2175 zu § 1 UWG aF). Nicht als sittenwidrig bewertet wurde eine vertragliche Verpflichtung des Netzbetreibers, einem Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen Rufnummernblöcke mit fiktiven Auslandsnummern zur Verfügung zu stellen (München NJW 2004, 78). Bedenklich sind hingegen allzu lange Vertragslaufzeiten, etwa für

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Willenserklärung

§ 138

die Nutzung von Grundstücken zur Errrichtung und zum Betrieb von Hausverteilungsanlagen bzw Breitbandkommunikationsanlagen oder von Wartungsverträgen für Fernmeldeanlagen (BGH NJW 2003, 886; KG NJOZ 2002, 2309 – beide zu § 9 AGBG aF). Ein Koppelungsangebot, mit dem ein marktbeherrschender Stromversorger Strom und Telekommunikationsleistungen zu einem vergünstigten Gesamtgrundpreis anbietet, ist weder kartellrechtlich noch nach § 138 zu beanstanden, sofern keine Zwangskoppelung vorliegt und auf dem Telekommunikationsmarkt keine Marktschranken für Wettbewerber begründet werden (zur kartellrechtlichen Problematik: BGH 156, 379 und NJW-RR 2004, 1183). – Vgl auch unter Rn 97 „Dauerschuldverhältnis“ und Rn 126 „Kartellvertrag“. P

Testament. Zum sittenwidrigen Testament vgl Rn 105 „Erbrecht“.

177

P

Time-Sharing. Die Wirksamkeit eines Time-Sharing-Vertrags (Vertrag über ein zeitlich begrenz- 178 tes Nutzungsrecht an einem Gebäude oder Gebäudeteil, in der Praxis vor allem an einer Ferienwohnung; zur Marktentwicklung Bütter NZM 1998, 945) ist in erster Linie nach den §§ 481ff zu beurteilen. Bei § 138 sind für die Ausfüllung des Begriffs der Sittenwidrigkeit die Wertungen des Teilzeitwohnungsrechts und der zugrundeliegenden EG-RL zu beachten. Sittenwidrigkeit kommt vornehmlich in Betracht bei einem groben Missverhältnis zw finanzieller Gesamtverpflichtung und Gegenleistung (BGH 125, 218; Düsseldorf NZM 1998, 43; Frankfurt NZM 1999, 383; Köln NJW 1995, 1333; ZMR 1996, 606; LG Berlin NJW-RR 1995, 754; LG Darmstadt VuR 1996, 342; einschränkend Köln NJW-RR 1994, 144; zu den Problemen für die tatsächlichen Feststellungen mangels eines hinreichenden Vergleichsmarktes Kind NZM 1998, 943). Aber auch zB die Vertriebsmethoden sowie die Umstände bei der Gewinnung von Interessenten (Bsp: LG Hanau NJW-RR 2001, 1500), unklare und/oder undurchsichtige Regelungen der Rechte und Pflichten (Bsp: Dresden NZM 2000, 207; dazu Eckert ZfIR 2000, 621; Winkler NJ 2000, 379), fehlende dingliche Absicherung sowie unangemessene Beschränkungen von Veräußerungs-, Kündigungs- oder Austrittsmöglichkeiten können dem Vertrag einen sittenwidrigen Gesamtcharakter geben (BGH aaO; Köln aaO; weitere Bsp: LG Dortmund VuR 1996, 208; AG Hamburg VuR 1994, 19; 1996, 347; LG Hamburg NJW-RR 1995, 1078; VuR 1995, 338; LG Kleve VuR 1993, 49; LG Leipzig NZM 1999, 725; LG Lübeck VuR 1996, 127; s auch Düsseldorf NJW-RR 1993, 1533 sowie Hildenbrand NJW 1994, 1994f; vgl auch die unten zit Entscheidungen von Instanzgerichten zu Fällen mit Auslandsbezug). P Treuhandverträge sind nicht schon wegen der mit ihnen verbundenen Durchbrechung des Offen- 179 kundigkeitsprinzips nichtig (RG 160, 57; GruchB 54, 167). Sie können aber wegen einer zu weitgehenden sachlichen und/oder zeitlichen Bindung sittenwidrig sein (BGH 44, 158, 161f; MDR 1966, 101 m Anm Wiedemann – Treuhand für Gesellschaftsanteil auf Lebenszeit). – Vgl auch Rn 97 „Dauerschuldverhältnis“ und Rn 128 „Knebelung“. P Überforderung des Schuldners. Ein Rechtsgeschäft ist nicht deshalb von vornherein sittenwid- 180 rig, weil es den Schuldner bis an die äußerste Grenze seiner Leistungskraft bindet oder diese Grenze gar überschreitet (vgl zB BGH 107, 92; NJW 1989, 1665; 1991, 2015; 1995, 592; 1996, 1274; vgl auch Medicus AT Rn 706c). Die Vertragsfreiheit schließt grds die Möglichkeit ein, dass der Verpflichtete ein Geschäft nicht oder nur schwer oder nur unter günstigen Umständen erfüllen kann; der Verpflichtete hat im Rahmen der Vertragsfreiheit zunächst selbst seine Leistungsfähigkeit zu prüfen und zu entscheiden, welches Risiko er eingehen und ob er sich so weitgehend verpflichten will. Freilich darf der Gläubiger im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss die missliche Lage des ihm in der Vertragsverhandlung unterlegenen Schuldners nicht in anstößiger Weise herbeiführen, fördern oder ausnutzen; insb darf er sich nicht über naheliegende Bedenken gegen das Leistungsvermögen des Schuldners vorsätzlich oder leichtfertig hinwegsetzen; sonst greift § 138 I ein. Das ist vor allem in der neueren Rspr zur Übernahme einer Bürgschaft durch vermögenslose Angehörige (vgl Rn 90 „Bürgschaft“) deutlich herausgearbeitet worden. P Zur Übersicherung des Gläubigers bei Sicherungsgeschäften Rn 160 „Sicherungsgeschäfte/Über- 181 sicherung“. P Zum Übertrags- und Leibrentenvertrag (vorweggenommene erbrechtliche Regelung unter Le- 182 benden) vgl Rn 105 „Erbrecht“. P Umgehungsgeschäft. Die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts wird teilw auch im Hinblick da- 183 rauf bejaht, dass die Parteien mit ihm eine Gesetzesumgehung bezwecken (MüKo/Mayer-Maly/Armbrüster Rn 53 – bis 4. Aufl; Staud/Sack Rn 42, 498 und § 134 Rn 18ff; aus der Rspr: BGH 34, 169, 177; 59, 82, 85; NJW 1973, 1695; 1983, 2873; WM 1968, 918; 1977, 1044; ZMR 2006, 351, 353f; BAG 10, 65, 70 = NJW 1961, 798; 26, 417; Hamburg MDR 1975, 141; Köln NJW-RR 1994, 1540). Für eine Anwendung des § 138 ist insoweit jedoch nur dann Raum, wenn nicht schon aus der Auslegung oder analogen Anwendung des umgangenen Gesetzes ein Verbot des mit dem Rechtsgeschäft erstrebten Erfolges iSv § 134 hergeleitet werden kann; das wird regelmäßig der Fall sein (MüKo/Armbrüster Rn 54; vgl auch oben Rn 10 und § 134 Rn 18). P Unlauterer Wettbewerb. Eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung zu einem als unlauterer Wettbe- 184 werb iSv §§ 1ff UWG (Novellierung mit Wirkung v 8.7.2004, BGBl I 1414 [letzte Änderung BGBl 2010 I 254]; dazu Vogt NJW 2006, 2960) unzulässigen Verhalten ist vielfach – wenn nicht schon nach § 134 (vgl § 134 Rn 99 „unlauterer Wettbewerb“) – jedenfalls nach § 138 I nichtig, weil Inhalt und Zweckrichtung mit den guten Sitten unvereinbar sind (BGH 110, 156, 177 = NJW 1991, 287; Stuttgart NJW-RR 1997, 236f = BB 1996, 2060 – für Verstoß gegen § 8 UWG aF; München NJW-RR 2006, 768 = GRUR 2006, 603 – für einen auf getarnte Werbung gerichteten Vertrag; LG Düsseldorf NJW-RR 1997, 1544 – für einen auf unlauter versteckte Werbung gerichteten Vertrag; Staud/Sack Rn 73). Allerdings stimmte der Begriffsinhalt der guten Sitten in § 138 I und in § 1 UWG aF nicht voll überein; deshalb waren

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§ 138

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

auf die Vermittlung einer unlauteren Werbung gerichtete Absprachen nicht ohne weiteres wegen Sittenwidrigkeit nichtig (BGH NJW 1998, 2531 = LM § 1 UWG Nr 772 m Anm Sack). Ferner sind durch unlauteren Wettbewerb zustande gekommene Rechtsgeschäfte ihrerseits nicht ohne weiteres sittenwidrig, weil die Schutzbereiche der §§ 1ff UWG (Schutz der Lauterkeit bei wettbewerblichem Handeln; vgl Beater JZ 1997, 916) und des § 138 (Vereinbarkeit des Rechtsgeschäfts mit den guten Sitten) sich nicht zwangsläufig decken; vielmehr müssen zusätzliche sittenwidrige Umstände hinzukommen (hM, vgl BGH 110, 156, 174; dazu Mayer-Maly AcP 194, 105, 138; BGH NJWRR 1995, 240; Körner WRP 1979, 774, 775; Sack NJW 1974, 564f; ders WRP 1985, 1, 4; Schockenhoff NJW 1995, 500; Staud/Sack Rn 70ff). Ob – bei neutralem Inhalt und Zweck – allein die Umstände des Zustandekommens ausreichen, um das Rechtsgeschäft sittenwidrig zu machen, wird sich letztlich nur im Einzelfall beurteilen lassen (bejahend zB: BGH NJW 2005, 2991 – unlautere Praktiken in der Werbung eines Versandhandelsunternehmens, verbunden mit nicht ernst gemeinten Gewinnversprechen; dazu Nasall NJW 2006, 127; vgl ferner auch Sack GRUR 2004, 625 und LG Trier NJW 1974, 152; dazu Sack NJW 1974, 564f). – Vgl auch Rn 86 „Berufsrecht“); zur Wirksamkeit von Folgeverträgen vgl auch Rn 85 „Benachteiligung Dritter/Schmiergeldzahlungen“. 185

P Unterhaltsrecht. Zur Vereinbarkeit von Rechtsgeschäften zum Unterhaltsrecht – auch von nichtehelichen Kindern – mit den guten Sitten vgl unter Rn 100 „Ehe und Familie“.

186

P Unterricht/Schule/Aus- und Fortbildung. Bei Verträgen über Fernunterricht oder Fernlehrgänge bietet das weitgehend zwingende Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG v 4.12.2000, BGBl I 1670, mit verschiedenen Änderungen in der Folgezeit durch §§ 2–11; letzte Änderung BGBl 2009 I 2355) dem Verbraucher einen gewissen Schutz vor sittenwidrigen Rechtsgeschäften (vgl dazu Bartl NJW 1976, 1993; Dörner BB 1977, 1739; Fischer VuR 2002, 193; Wildemann VuR 2003, 90). Daneben ist aber § 138 uneingeschränkt anwendbar. Ein (Programmierer-) Fernlehrvertrag ist sittenwidrig, wenn er mit einem offensichtlich wenig berufsgeeigneten Kunden ohne eine entspr Eignungsprüfung abgeschlossen wird (Hamm MDR 1970, 841). – Bei einem Internats- und Direktunterrichtsvertrag (vgl dazu Dörner NJW 1979, 241) kann vor allem eine übermäßig langfristige Bindung die Berufs- und Ausbildungsfreiheit sittenwidrig beeinträchtigen (BGH 120, 108, 115ff; WM 1985, 780; DB 1995, 1560). – Ein Ausbildungsvertrag, der ein Konkurrenzverbot zw einer privaten Ausbildungsstätte und ihren Schülern enthält, ist nicht sittenwidrig, wenn sich das Konkurrenzverbot räumlich auf das Einzugsgebiet der Ausbildungsstätte beschränkt (Karlsruhe GRUR 1975, 271). – Vgl auch Rn 97 „Dauerschuldverhältnis“.

187

P Ein Verein, dessen Zweck gegen die guten Sitten verstößt, kann nicht ins Vereinsregister eingetragen werden (LG Bonn NJW-RR 1995, 15 – Verein zur Eintreibung rückständiger Forderungen – „schwarze Männer“). Zur Nichtigkeit einer Vereinssatzung, die sich unter deutlicher Ungleichbehandlung der Mitglieder vom gesetzlichen Leitbild einer Vereinsverfassung löst, Celle NJW-RR 1995, 1273 im Anschluss ua an KG NJW 1962, 1917. Ein Verstoß gegen die guten Sitten kann iÜ insb in vereinsrechtlichen Regelungen liegen, die – einzeln oder in ihrer Gesamtheit – die persönliche oder berufliche Bewegungsfreiheit des Vereinsmitglieds (Art 2ff, 12 GG) unangemessen beschränken oder die den ordentlichen Rechtsweg ausschließen (etwa für die Überprüfung eines Vereinsausschlusses), ohne vereinsinterne Rechtsmittel vorzusehen, die elementaren rechtsstaatlichen Anforderungen genügen (hierzu vgl: BGH 87, 337, 345; WM 1997, 1701, 1702; Hamm NJW-RR 2002, 389; Köln NJW-RR 1993, 891 L und NJOZ 2006, 2194. Vgl auch Rn 115 – „Gesellschaftsvertrag“ und Rn 167 – „Sport“.

188

P Vergaberecht. Vgl dazu in erster Linie § 134 Rn 100 „Vergaberecht“; dort liegt das Schwergewicht für etwaige Nichtigkeitsgründe. § 138 I kommt in Betracht, wenn zwei öffentliche Auftraggeber im kollusiven Zusammenwirken durch eine Aufteilung des Auftrags den Schwellenwert für ein Vergabeverfahren umgehen (Düsseldorf NZBau 2005, 484). Soweit nicht schon § 134 eingreift, kann bei wettbewerbsbeschränkenden Absprachen im Zusammenhang mit der Ausschreibung (näher dazu Düsseldorf ZfBR 2005, 404 und § 134 Rn 100) jedenfalls ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegen; vgl dazu auch Rn 89 – „Bietungsabkommen“.

189

P Vergleich. Für die Sittenwidrigkeit eines Vergleichs kommt es im Allg nicht auf das objektive Missverhältnis zw der wahren Ausgangslage und den Leistungen an, die eine Partei mit Abschluss des Vergleichs übernommen hat (BGH 51, 141). Abzuwägen ist vielmehr das beiderseitige Nachgeben. Es kommt darauf an, wie die Parteien die Sach- und Rechtslage bei Vergleichsabschluss eingeschätzt haben, in welchem Ausmaß sie davon abgewichen sind und zur Streitbereinigung gegenseitig nachgegeben haben. Sittenwidrigkeit wird sich idR nicht annehmen lassen, wenn den Parteien der Vergleichsabschluss als letztlich sachgerechte Bereinigung ihrer Streitigkeiten erschien (vgl zuletzt BGH NJW 1999, 3113 mN zur früheren Rspr; ferner BGH NJW-RR 1998, 590; BAG NJW 1985, 2661; Hartmaier MDR 1964, 370; Knothe JuS 1983, 18). Ein Vergleich ist auch nicht deshalb nichtig, weil er die Rechtsfolgen eines nichtigen Ausgangsgeschäfts regelt (BGH NJW-RR 1989, 1143). Ein in einem Vergleich übernommenes einseitiges Schuldversprechen kann wegen unangemessener Übervorteilung sittenwidrig sein (BGH WM 1977, 583). Ein Vergleich über die Höhe einer Schadensersatzforderung mit der Abrede, dem Haftpflichtversicherer des Schuldners den wahren Sachverhalt nicht mitzuteilen und dadurch dem Gläubiger einen ungerechtfertigt hohen Ersatzbetrag zu verschaffen, verstößt gegen die guten Sitten (BGH VersR 1969, 733). Zur Nichtigkeit von vergleichsweisen Kostenvereinbarungen, die zulasten der Staatskasse gehen: Gsell ZZP 114, 473; vgl auch Hamm OLGRp 2006, 410 = BeckRS 2006, 00041). Ein zur Nichtigkeit führendes grobes Missverhältnis des beiderseitigen Nachgebens liegt bei einem Abfindungsvergleich über die betriebliche Altersversorgung vor, wenn die Abfindungssumme nur einen Bruchteil des Anwartschaftswertes darstellt und kein Grund für einen so weitgehenden Verzicht besteht (BAG DB 1986, 548 = NZA 1986, 519). Hingegen ist eine

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Willenserklärung

§ 138

vergleichsweise getroffene Vereinbarung, mit der sich ein Grundstückseigentümer verpflichtet, der Bebauung eines Nachbargrundstücks nicht länger entgegenzutreten, nicht deshalb sittenwidrig, weil die hierfür vom Bauwilligen zu erbringende Zahlung weit über die Minderung des Wertes des beeinträchtigten Grundstücks hinausgeht (BGH NJW 1999, 3113). P Die Vereinbarung eines verlängerten Eigentumsvorbehalts ist grds nicht sittenwidrig. Es gelten 190 die für Sicherungsgeschäfte allg entwickelten Grundsätze (Rn 159 „Sicherungsgeschäfte“). P

Zur Verleitung zum Vertragsbruch vgl unter Rn 85 „Benachteiligung Dritter“.

191

P

Versicherungsvertrag. Bei Versicherungsverträgen schützt schon die Anwendung des AGB- 192 Rechts weitgehend gegen sittenwidrige Inhalte. Sittenwidrigkeit kommt vornehmlich in Betracht, wenn der Versicherungsnehmer und ein – oft freiberuflich tätiger und provisionsberechtigter – Sachverwalter der Versicherung bei der Vertragsanbahnung kollusiv zum Nachteil der Versicherung zusammenwirken (Bsp: Der Sachwalter übernimmt für den Vertragsschluss mit Wissen des Versicherungsnehmers bedeutsame unrichtige Angaben oder gibt im Einvernehmen mit diesem wichtige ungünstige Informationen nicht weiter; vgl BGH NJW 1989, 26; 1990, 1851; NJW 2002, 1497, 1498; Düsseldorf NJW-RR 1997, 158). Aus ähnlichen Gründen ist es ebenfalls mit den guten Sitten unvereinbar, wenn im Rahmen eines Sachverständigenverfahrens – etwa in der Feuerversicherung – der Versicherungsnehmer ohne Kenntnis der Versicherung mit dem Sachverständigen ein Erfolgshonorar vereinbart (Bsp: Naumburg VersR 2004, 778). – Die möglicherweise sittenwidrige (einseitige) Absicht des Versicherungsnehmers, mit Hilfe einer Rechtsschutzversicherung für seine Eigentumswohnung der Versicherung Kosten für die Wahrnehmung rechtlicher Angelegenheiten der gesamten Wohnanlage anzulasten, macht den Versicherungsvertrag als solchen nicht sittenwidrig, wenn die Realisierung schon an den Vertragsbedingungen scheitern würde (BGH NJW 1995, 2284). – Verträge, in denen für den Versicherungsnehmer das Leben eines Dritten versichert wird, sind nicht ohne weiteres sittenwidrig (Celle VersR 1995, 405). Zur Kombination von Lebensversicherung und Ratenkredit vgl BGH 111, 117, 120; WM 1988, 364; Celle WM 1989, 847; Frankfurt NJW 1989, 591; Hamburg NJW 1987, 962. Zu den Grenzen für die Provision eines Versicherungsmaklers in der Lebensversicherung: Köln r+s 2004, 528. – Zum Schutz des Versicherungsnehmers vor Wucher durch überhöhte Prämien in der Unfallversicherung vgl AG Hamburg BB 1996, 2648, LG Hamburg NJWE-VHR 1998, 73 und Leverenz VersR 1997, 652. P Vertragsstrafe. Eine vereinbarte Vertragsstrafe ist nicht allein wegen Überhöhung nichtig (RG 193 HRR 1932 Nr 1644; BGH GRUR 1952, 141); bei unverhältnismäßiger Höhe greift vielmehr § 343 ein (Ausnahme: § 348 HGB). Ein Vertragsstrafenversprechen kann jedoch bei Hinzukommen weiterer besonderer Umstände sittenwidrig sein. Das gilt besonders, wenn es als unzulässiges Druckmittel ausgestaltet ist (vgl RG 68, 229; 85, 102; 90, 183; Celle BauR 2001, 1108; Köln NJW-RR 1988, 634; LG Köln VIZ 1995, 119, 120 m Anm Wächter). Die Sittenwidrigkeit kann sich aus einer Mehrzahl von denkbaren Straffällen ergeben, wenn für jeden Fall eine überhöhte Vertragsstrafe vereinbart wurde (vgl RG JW 1936, 179). Zur Sittenwidrigkeit der Vereinbarung einer Vertragsstrafe zu einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot: Hamm GRUR 2002, 273; Koblenz MedR 1994, 450; LG Hannover BB 1998, 1501. Zur Vertragsstrafe in Partnerschaftsverträgen: Grziwotz FPR 2005, 156. Zur Vertragsstrafe bei Verträgen mit Sportlern vgl Rn 167 – „Sport“. P

Zum Verwaltungsverfahren vgl Rn 143 „öffentliche Verwaltung“.

194

P

Wechsel. Die Begebung lediglich zu Kreditzwecken geschaffener Wechsel, die nicht mit einem 195 Waren- oder Dienstleistungsgeschäft im Zusammenhang stehen (Finanzwechsel), und die ihr zugrundeliegende Vereinbarung sind nicht grds sittenwidrig. So liegt etwa eine sittenwidrige „WechselScheckreiterei“ nicht vor, wenn der Wechselnehmer für den Wechsel einen gedeckten und sofort fälligen Scheck hingibt („Wechsel-Scheck-Verfahren“; vgl BGH NJW 1980, 931; Frankfurt WM 1995, 1497; Hamm NJW-RR 1995, 617f; München NJW 1988, 1272; Hucko BB 1968, 1179; DB 1969, 1135). Gegen die guten Sitten verstößt jedoch der planmäßige, gegenseitige Austausch von Wechseln und Schecks zw kreditschwachen Personen, wenn die missbräuchliche Verwendung der verdeckten Kreditbeschaffung der Beteiligten dient (für organisierten Austausch von Wechselakzepten: BGH 27, 172; MDR 1959, 751; NJW 1980, 931; vgl auch für „Scheckreiterei“ BGH 121, 279). In diesen Fällen sind sowohl der Begebungsvertrag als auch zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft nichtig (vgl auch BGH LM § 138 [Ca] Nr 3). – Die Diskontierung von umgekehrten Wechseln, die der Bank vom Akzeptanten eingereicht werden, ist jedoch grds wirksam; es ist regelmäßig nicht zu beanstanden, wenn die Bank – die Haftung des Ausstellers im Blick – einen Wechsel übernimmt, obwohl sie Hinw auf wirtschaftliche Schwierigkeiten des Akzeptanten hat (BGH 56, 266; dazu Anm Kollhosser JR 1972, 64, sowie Ulmer DB 1972, 1101; BGH NJW 1980, 931; WM 1983, 1406; Frankfurt WM 1993, 1710; Hamm NJW-RR 1995, 617; Karlsruhe WM 1996, 1294; vgl auch Obermüller ZIP 1981, 1045). Etwas anderes gilt, wenn die Bank die Zahlungsunfähigkeit des Akzeptanten kennt (Koblenz NJW-RR 1987, 40) und/oder das Verhalten der Bank auf eine eigennützige Verzögerung eines Insolvenzverfahrens zum Nachteil anderer Gläubiger und der Allgemeinheit hinausläuft (BGH WM 1977, 638; NJW 1984, 728; Hamm aaO; vgl auch Rn 124). Ein Kreditinstitut, das einem Kunden einen Wechseldiskontkredit gewährt, obwohl der Kunde die den Wechseln zugrundeliegenden Forderungen gegen seine Abnehmer durch verlängerten Eigentumsvorbehalt im Voraus an seinen Lieferanten abgetreten hat, verstößt dadurch grds nicht gegen die Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Vorbehaltsverkäufers (BGH NJW 1979, 1704 m Anm Henseler BB 1979, 1261; vgl auch Rn 162 „Sicherungsgeschäfte/Eigentumsvorbehalt“). Trotz der abstrakten Natur der Wechselverpflichtung verstößt die Begebung eines Wechsels zur Absicherung eines sittenwidrigen Kredits ebenfalls gegen die guten Sitten, weil ein sittenwidriger H. Palm/A. Arnold

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Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

Zweck verfolgt wird (BGH LM § 762 Nr 1; NJW 1992, 316; 1995, 1152). – Vgl auch zu Rn 149 „Scheck/ Scheckreiterei“) und Rn 166 „Spielbank“. – Zur Hingabe eines Wechsels in einem Animierlokal vgl Rn 73 „Animierlokal“. 196

P Wettbewerbsverbot. Die Wirksamkeit vertraglicher Wettbewerbsverbote (auch indirekter Wettbewerbsverbote, vgl dazu Bauer/Diller DB 1995, 426) und ähnlicher Klauseln (etwa Kunden- oder Mandantenschutzvereinbarungen; Gebietsschutzvereinbarungen; Sperrvereinbarungen zw Unternehmen; zu Kundenschutzklauseln vgl Campos Nave NJW 2003, 3322) ist vielfach zunächst nach den einschlägigen Spezialvorschriften sowie uU nach §§ 305ff zu beurteilen. Neben ihnen bleibt § 138 grds selbständig anwendbar; die gesetzliche Wertung in Spezialvorschriften ist aber bei der inhaltlichen Ausfüllung des Begriffs „sittenwidrig“ und bei der Bestimmung der Rechtsfolgen zu berücksichtigen. Vorbehaltlich abw Spezialregelungen sind vertragliche Wettbewerbsverbote, über die Fälle der Knebelung des Verpflichteten hinaus (vgl Rn 128 „Knebelung“), regelmäßig sittenwidrig, wenn sie die durch Art 2, 12 GG geschützte berufliche und/oder wirtschaftliche Freiheit des Verpflichteten unangemessen einschränken; unangemessen sind insb solche Einschränkungen, die nach Art, Dauer und räumlicher Ausdehnung über den notwendigen und angemessenen Schutz der berechtigten Interessen des Begünstigten hinausgehen (vgl zuletzt BGH NJW 2010, 1206, 1207); Schutz vor Konkurrenz allein rechtfertigt ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nicht (st Rspr, vgl etwa BGH NJW 1979, 1606 m Anm Ulmer aaO 1585ff; 1986, 2944; 1991, 699; 1994, 384, 386; NJW-RR 1990, 226; 1996, 741; DB 1989, 1621; BAG AP § 74a HGB Nr 2; AP § 133f GewO Nr 21, 23; NJW 1996, 1365; s auch Canaris JuS 1989, 161, 164). Ergibt sich die Sittenwidrigkeit eines Wettbewerbsverbots allein aus der Dauer seiner Laufzeit oder aus dem Umfang seines räumlichen Geltungsbereichs (insoweit str, vgl zB BGH NJW 2000, 2584; NJW 2005, 3061 m Anm Henssler/Bank LMK 2005, 163409), wird eine Anpassung der Bindungsdauer bzw des Geltungsbereichs gem §§ 139, 242 zu erwägen sein (vgl – abw von früherer Rspr – BGH NJW 1991, 699; NJW-RR 1996, 742 und WM 2000, 1496; wohl auch schon NJW 1964, 2203 und 1968, 1717; München NJW-RR 1997, 873; Zweibrücken NJW-RR 1990, 482; Hamm NJW-RR 1993, 1314; Saarbrücken NZI 2001, 41; LAG Düsseldorf NZA-RR 1998, 58; Hirte ZHR 154, 443, 449f; Mellulis WRP 1974, 686, 692; Staud/Sack Rn 312; Traub WRP 1994, 802, 805f; offengelassen in BGH NJW 1979, 1606; vgl auch Rn 54f, 57, 92 und Hamm GRUR-RR 2002, 273). Eine geltungserhaltende Reduktion kommt hingegen (Ausnahme: Vereinbarung einer geeigneten salvatorischen Klausel; dazu: Kamanabrou ZGR 2002, 898; Bsp: Köln NZG 2001, 165 m Anm Gitter, 167) nicht in Betracht, wenn das Wettbewerbsverbot nicht nur wegen rein quantitativer Überschreitung des erträglichen Maßes sittenwidrig ist; in solchen Fällen ist es inbesondere nicht Sache des Gerichts, engere gegenständliche Grenzen festzulegen (BGH NJW 1986, 2994; 1991, 699; 1994, 384; 1997, 3089; dazu krit Römermann WiB 1997, 1028 und Butters JuS 2001, 324; NJW 2000, 2584; NJW 2005, 3061 m Anm Henssler/Bank LMK 2005, 163409). Spezialregeln für kaufmännische und gewerbliche Arbeitnehmer, für Handelsvertreter und für Auszubildende finden sich in §§ 60f, 74ff, 90a HGB (dazu: Köln VersR 1998, 97); § 110 GewO (dazu: Düwell DB 2002, 2270); §12 BBiG. Zur Vereinbarkeit nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit des EG-Vertrags (Art 45 AEUV) König/Steiner NJW 2002, 2583. Die §§ 74ff HGB werden in der neueren Rspr weitgehend analog auch für andere Arbeitnehmer angewandt (grundlegend BAG = AP § 611 BGB-Konkurrenzklausel Nr 24 – angestellter Rechtsanwalt; vgl ferner: BAG NJW 1970, 443; 1971, 74; AP § 74 HGB Nr 35; AP § 74 HGB Nr 39 – alle: techn Angestellter, techn Leiter, Ingenieur; 23, 382; NJW 1976, 342 sowie AP § 74 HGB Nr 37 und 36 – Verkaufsleiter, Vertriebsleiter, Marketingleiter; AP § 74 HGB Nr 38 – Friseur; 13, 62 – Verkaufsfahrer; 17, 340 – Taxifahrer; NJW 1971, 2245 sowie AP § 611 – Konkurrenzklausel Nr 27 – ang Steuerfachkraft; Steuerberater; BB 1972, 447 und 1974, 1531; BGH 1988, 264 – Sperrabreden zulasten nichtkaufm Angestellter; Karlsruhe WM 1986, 1473 – Prokurist, der zugleich Gesellschafter ist). Auch für abhängige freie Mitarbeiter sollen die handelsrechtlichen Vorschriften entspr gelten (BAG NJW 1998, 100; München GmbHR 1997, 310 für eine abhängige Einmann-GmbH). Die Tendenz zur analogen Anwendung von §§ 74ff HGB usw ist jedenfalls in der Grundlinie zu billigen; das Ergebnis verdient ggü der Nichtigkeitsfolge des § 138 häufig den Vorzug. Zudem sind arbeitsrechtliche Wettbewerbsverbote an den §§ 3055ff zu messen. § 138 wird danach bei Wettbewerbsverboten pp ggü Arbeitnehmern und gleichgestellten Personen nur noch in besonderen Ausnahmefällen anzuwenden sein. Umstr ist die analoge Anwendung von §§ 74ff HGB auf Organmitglieder einer Kapitalgesellschaft (zu Recht abl insb BGH 91, 1ff; NZG 2002, 475; vgl auch NJW 1968, 1717; BGH NJW-RR 1990, 1312; Düsseldorf BB 1996, 2377 und NZG 2000, 956; Karlsruhe WM 1986, 1473; modifizierend BGH NJW 1992, 1892; zum Meinungsstand Bauer/Diller BB 1995, 1134; Gaul GmbHR 1991, 144; Kukat BB 2001, 951; Sina DB 1985, 902; vgl auch BAG NJW 1995, 675 – GmbH-Geschäftsführer kein Arbeitnehmer Für wettbewerbsregelnde Verträge zw Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen gelten in erster Linie die dem Schutz des Wettbewerbs dienenden Vorschriften des nationalen und supranationalen Kartellrechts (zu den dadurch bei Unternehmenskaufverträgen gezogenen Grenzen: Mäger/ Ringe WuW 2007, 18); § 138, der anders als das Kartellrecht vor allem dem Schutz berechtigter Individualinteressen dient (zur Abgrenzung vgl BGH NJW 1994, 386), ist aber daneben anwendbar (BGH NJW 1979, 1605; 1994, 384; NJW-RR 1989, 900). Praktische Bedeutung hat § 138 vor allem für die Beurteilung von Wettbewerbsabreden im Zusammenhang mit gesellschaftsrechtlichen Verträgen sowie mit einer Veräußerung oder Verpachtung von Unternehmen oder Unternehmensteilen, auch bei Erbauseinandersetzungen. Ein anlässlich eines Unternehmensverkaufs für einen Zeitraum von zehn Jahren oder gar unbefristet und/oder örtlich unbegrenzt auferlegtes Wettbewerbsverbot ist idR sittenwidrig (BGH NJW 1979, 1606; NJW 1982, 2000; NJW-RR 1989, 800; vgl auch NJW 1980, 185 – Wettbewerbsverbot bei der Erb-

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Willenserklärung

§ 138

auseinandersetzung; NJW 1982, 2000 – Unternehmenskauf; München NJW-RR 1995, 1191 – Wettbewerbsverbot in der Sondersituation bei Betriebsübernahme zur Konkursverhinderung; Frankfurt OLG 1974, 2ff – Vereinbarung einer begrenzten Sortimentsbeschränkung). Im Gesellschaftsrecht sind als Spezialregelungen §§ 112, 113 HGB und § 284 iVm § 88 AktG zu beachten, uU auch § 1 GWB (vgl Kanzleiter DNotZ 1989, 195, 198ff; Mellulis WRP 1994, 686). Nach der Rspr des BGH ist beim Ausscheiden eines Gesellschafters ein zu dessen Lasten und zugunsten der Gesellschaft vereinbartes oder satzungsmäßig festgelegtes Wettbewerbsverbot mit den guten Sitten nur vereinbar, wenn für die Beschränkung der zukünftigen Tätigkeit des Gesellschafters ein anzuerkennendes Bedürfnis besteht, um den Ausscheidenden an einer illoyalen Verwertung des Erfolges seiner Arbeit und der im Zuge der Tätigkeit für die Gesellschaft erworbenen Verbindungen, Kenntnisse und Erfahrungen zu hindern (vgl BGH 91, 3; NJW 1968, 1717; 1979, 1605; 1986, 2944; 1991, 699; 1994, 384; 1997, 3089; NJW-RR 1990, 226; 1993, 1314; DStR 1997, 2038; Düsseldorf NJW-RR 1993, 35; BB 1996, 2378; Hamm NJW-RR 1993, 1314; Karlsruhe WM 1986, 1473; Hirte ZHR 154, 443, 447ff; Kanzleiter DNotZ 1989, 195; Mellulis WRP 1994, 686). Das gilt gleichermaßen für ausscheidende Organmitglieder (s dazu auch die Erl oben sowie Bauer/Diller BB 1995, 1134). Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sind insb sittenwidrig, wenn sie einen Gesellschafter oder ein Organmitglied nach dem Ausscheiden – gemessen an den berechtigten Schutzinteressen der Gesellschaft – sachlich und/oder räumlich (Bsp: BGH DStR 1997, 2038) zu weitgehend und/oder zeitlich übermäßig lange binden. Ein zeitlich unbegrenztes Wettbewerbsverbot verstößt in aller Regel gegen die guten Sitten. Angemessen ist durchweg eine Schutzfrist von zwei Jahren (BGH 91, 1; NJW 1991, 699; WM 1974, 74; NJW-RR 1990, 226; Hirte ZHR 154, 443, 447ff). Nach ähnlichen Maßstäben zu beurteilen sind, soweit berufsrechtliche Spezialvorschriften fehlen, Wettbewerbsverbote, Mandantenschutzklauseln uÄ für die Fälle der Auseinandersetzung freiberuflicher Sozietäten, des Ausscheidens einzelner Mitglieder/Mitarbeiter oder des Praxiskaufs oder -tauschs. Die Beschränkungen müssen mit dem Berufszweck der jeweiligen Berufsgruppe vereinbar sein. Die Umstände müssen ein anerkennenswertes, nicht allein in der Abwehr von Konkurrenz liegendes Bedürfnis begründen, den Begünstigten für begrenzte Zeit zu schützen, insb ein illoyales „Mitnehmen“ von Mandanten, Verbindungen, internen Planungen und Informationen usw zu verhindern (vgl BGH 91, 1; NJW 1968, 1717; 1986, 2944; 1991, 699; 1994, 384; 2000, 2584; NJW 2004, 66; vgl auch Hamburg NZG 1999, 342; Stuttgart NJW 2002, 1431). Zulässig ist in solchen Fällen ein zeitlich (regelmäßig nicht mehr als zwei Jahre; zu lang sieben Jahre, Stuttgart NJW 2002, 1431), räumlich und inhaltlich angemessen begrenztes Verbot, das den Verpflichteten nicht übermäßig beschränkt (Bsp: BGH 16, 71 – Praxistausch bei Ärzten; Koblenz MedR 1994, 450 – Zahnarztpraxis; LG Hannover BB 1998, 1501 – ärztl Gemeinschaftspraxis; BGH NJW 1997, 3089 – Tierarzt nach Ausscheiden aus einer Gesellschaft; BGH NJW 1964, 2203 – Apothekenpächter nach Pachtende; BAG NJW 1966, 1677f; NJW 1971, 2245; DB 1989, 1089; BGH NJW 1991, 699; München NJW-RR 1997, 873 – Steuerberaterpraxis; Steuerfachkraft; BGH 91, 1; NJW 1968, 1717 – Wirtschaftsprüfer; BGH NJW 1986, 2944; NJW-RR 1996, 741; NJW 1997, 3089; NJW 2000, 2584; NJW 2004, 66 – fünfjähriges Wettbewerbsverbot bei Ausscheiden aus einer Sozietät von Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern; NJW 2005, 3061 m Anm Henssler/ Bank LMK 2005, 163409 – Überschreitung der zeitlichen, räumlichen und gegenständlichen Grenzen eines Wettbewerbsverbots für einen Rechtsanwalt auch nicht als Sanktion iVm einer Ausschließung aus der Sozietät; Celle NJW 1963, 1310; Köln BB 2001, 538; Stuttgart NJW 2002, 1431 – Sozietät oder Bürogemeinschaft von Anwälten; Frankfurt MDR 2005, 226 – Verbot für einen Zahnarzt in einem Praxisübernahmevertrag, im Umkreis von 10 km eine eigene Praxis zu betreiben; Naumburg NJW-RR 2006, 421 – Mandantenschutzklausel und Berufsausübungsverbot für 10 Jahre im Umkreis von 60 km für den Veräußerer bei Übernahme einer Steuerberatungspraxis). Das gilt auch für Wettbewerbsverbote in Berufsordnungen (BGH NJW 1997, 799 – satzungsrechtliches Wettbewerbsverbot einer). Ein Recht, bei Ausscheiden aus einer Sozietät Klienten/Patienten oÄ „mitzunehmen“, kann andere Einschränkungen rechtfertigen (Schleswig NJOZ 2001, 1549, 1550). Zu Wettbewerbsverboten bei Freiberuflern allg Römermann BB 1998, 1489, K. Schmidt NJW 2005, 2801; H.P. Westermann AnwBl 2007, 103, 108ff und Wertenbruch NZG 2006, 408, 411; zu einem Wettbewerbsverbot unter Rechtsanwälten Michalski/Römermann ZIP 1994, 433 sowie Römermann NJW 2002, 1399. Auch die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots ohne Karenzentschädigung für den Fall der Beendigung eines Franchise-Vertrags ist sittenwidrig (KG MDR 1974, 144). Die Verpflichtung des Franchisenehmers, nach Vertragsbeendigung die Telefonnummern seines Geschäfts auf den Franchisegeber zu übertragen, fällt aber nicht unter § 90a HGB (Köln MMR 2005, 321). Vgl ferner zur Sittenwidrigkeit von Wettbewerbsklauseln im Franchiserecht: Hager NJW 2002, 1463, 1473f. – Zum Wettbewerbsverbot mit einer Ausbildungsstätte vgl Rn 186 „Unterricht/Schule/Aus- und Fortbildung“. P Ein vertragliches Wohnsitzverbot, das nach einer Ehescheidung die Freizügigkeit eines der frühe- 197 ren Ehepartner beschränkt, verstößt idR gegen die guten Sitten (BGH NJW 1972, 1414; MüKo/Armbrüster Rn 21, 69; krit Merten NJW 1972, 1799; Schwabe NJW 1973, 229; vgl auch Canaris AcP 184, 217ff). Vgl auch unter Rn 112 „Freizügigkeit“. P WE. Zur Sittenwidrigkeit von Nutzungsregelungen der Eigentümergemeinschaft für Wohnanla- 198 gen mit WE gelten die zum Wohnungsmietrecht (Rn 139 „Mietrecht“) entwickelten Grundsätze entspr (vgl BGH NJW 1995, 2037). P Wucher/wucherähnliches Geschäft. Die zusätzlichen Voraussetzungen, unter denen ein Rechts- 199 geschäft bei einem auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung (vgl Rn 14ff) nach § 138 II wegen Wuchers sittenwidrig ist, sind vielfach nicht gegeben oder nicht feststellbar. Ein auffälliges Missverhältnis zw Leistung und Gegenleistung allein genügt als Grundlage für die Anwendung von § 138 I nicht; sonst würde der Sondertatbestand des § 138 II völlig entwertet (vgl Rn 39). Ein ob-

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§ 138

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

jektiv durch ein solches Missverhältnis geprägtes Austauschgeschäft ist aber nach § 138 I als wucherähnliches Geschäft nichtig, wenn weitere anstößige Umstände hinzukommen (vgl Kohte JuS 1984, 509, 513; Staud/Sack Rn 227ff). Solche Umstände können sich sowohl aus den Vorgängen und Verhältnissen beim Vertragsschluss (vgl Rn 37) als auch aus Inhalt, Zweck oder Beweggründen des Rechtsgeschäfts allein oder in ihrem Gesamtbild ergeben; durch derartige Umstände kann es zu einem wucherähnlichen Geschäft auch dann kommen, wenn das Missverhältnis nicht auffällig ist (BGH DtZ 1997, 66). Subjektiv ist im Prinzip erforderlich, dass der durch das Missverhältnis Begünstigte in verwerflicher Gesinnung gehandelt hat (Rn 39; grundlegend: BGH 146, 298, 302; dazu Maaß NJW 2001, 3467; Flume ZIP 2001, 1621; Eckert ZfIR 2001, 884; Staud/Sack Rn 234ff). Vorsatz oder bewusstes Ausnutzen der schwächeren Position des anderen Teils ist dazu nicht erforderlich; es genügt, dass sich der Begünstigte leichtfertig der Einsicht in die Verwerflichkeit seines Handelns verschließt (BGH 80, 153, 160f). Im Streitfall ist das grds von dem zu beweisen, der sich auf Sittenwidrigkeit beruft. Bei einem objektiv besonders groben oder krassen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung erleichtert die Rspr – jedenfalls zugunsten von benachteiligten Privatpersonen – die Beweisführung durch eine widerlegliche tatsächliche Vermutung der verwerflichen Gesinnung des durch das Geschäft Begünstigten (BGH 98, 174, 178; 104, 102, 107; 125, 135; 125, 218, 227; 128, 255; 146, 298; dazu Maaß NJW 2001, 3467; Flume ZIP 2001, 1621; Eckert ZfIR 2001, 884; NJW 1982, 1981; 1982, 2433; 1983, 1420; 1983, 2692; 1984, 2294; 1987, 181; 1991, 404; 1992, 899; 1995, 2635, 2636; 1996, 1204; 2000, 1254 und 1487, 1488; 2001, 1127; 2002, 429, 430f und 3165, 3166; NJW-RR 1990, 950; 1990, 1199; 1991, 589; 1993, 199; 1998, 1065, 1066; 2003, 558; 2008, 1436, 1438; VersR 1996, 1020; WM 1980, 597; 1987, 353; 1992, 441; BAG NJW 1985, 2661). Diese Vermutung befreit die nachteilig betroffene Partei allerdings nicht von ihrer Behauptungslast (BGH NJW 2010, 363, 364). Zur Entkräftung der Vermutung genügt ein Hinw auf mögliche, als solche nicht anstößige Motive der Beteiligten nicht (BGH WM 1987, 353). Vielmehr muss die begünstigte Vertragspartei einen Sachverhalt darlegen und beweisen, der die Vermutung ausräumt (BGH 128, 255, 267; 146, 298; dazu Maaß NJW 2001, 3467; Flume ZIP 2001, 1621; Eckert ZfIR 2001, 884; NJW 2002, 429, 430f und 3165, 3166). Dafür genügt es nicht, dass die benachteiligte Vertragspartei das Missverhältnis kennt (BGH NJW 2007, 2841, 2842). Im Einzelfall können aber besondere andere Umstände dem Rückschluss auf eine verwerfliche Gesinnung entgegenstehen; das gilt etwa, wenn die Vertragsparteien in einer schwierigen Bewertungssituation (hier Mietwohngrundstücke im Beitrittsgebiet) ein nicht erkennbar grob unrichtiges Verkehrswertgutachten eingeholt haben und Verkäufer ein erfahrener Konkursverwalter ist (BGH WM 1985, 948; ZIP 1997, 931; NJW-RR 2008, 1436, 1438; vgl ferner das Bsp in Köln ZEV 1998, 435). Ggü benachteiligten Kaufleuten und vergleichbaren geschäftserfahrenen Teilnehmern am Rechtsverkehr gilt die Vermutung nicht (BGH NJW-RR 1989, 1068; 1990, 1068; NJW 1991, 1810; 128, 255, 267; München ZMR 1996, 551; Nürnberg BB 1996, 660); bei benachteiligten (früheren Voll-)Kaufleuten soll sogar eine widerlegliche Vermutung gegen eine verwerfliche Gesinnung des Vertragspartners sprechen (BGH NJW 1995, 1019, 1022). – Vgl zB auch Rn 122 „Grundstücksverkehr“, Rn 127 „Kaufvertrag“, Rn 136 „Leasingvertrag“, Rn 138 „Maklervertrag“, Rn 139 „Miet- und Pachtrecht“. 200

P

Zahnarzt. Vgl Rn 77 „Arzt“. Zur Sittenwidrigkeit von Rechtsgeschäften, die sich auf eine Vernehmung als Zeuge in einem gerichtlichen Verfahren beziehen, vgl Rn 114 „gerichtliches Verfahren“. P Zur Zölibatsklausel vgl unter Rn 100 „Ehe und Familie“. P

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P Für (unentgeltliche) Zuwendungen unter Lebenden zulasten etwa von Familienangehörigen gilt das zu Verfügungen von Todes wegen Gesagte (vgl unter Rn 105 „Erbrecht“) im Wesentlichen entspr. Eine derartige Zuwendung verstößt nicht allein deswegen gegen die guten Sitten, weil der durch gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag gebundene Zuwendende durch Verfügungen unter Lebenden seinen zukünftigen Nachlass schmälert („aushöhlt“); die frühere gegenteilige Rspr ist aufgegeben (BGH 59, 343, 347; WM 1973, 680); dem Erbberechtigten bleibt der Weg über § 2287.

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P Zwangsversteigerung, Zwangsvollstreckung. Rechtsgeschäfte, die gegen strafrechtliche Bestimmungen zum Schutz der Zwangsvollstreckung oder der Vollstreckungsgläubiger verstoßen, sind idR schon nach § 134, sonst nach § 138 I nichtig, soweit der Schutzbereich der Bestimmungen über die Gläubigeranfechtung (vgl Rn 7) überschritten ist. § 138 I erfasst darüber hinaus auch Rechtsgeschäfte, die darauf abzielen, mit anstößigen Mitteln die ordnungsgemäße Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen zu verhindern oder zu erschweren. Verneint worden ist das für einen Mietvertrag zw Familienangehörigen mit dem alleinigen Zweck, die Rechtslage des § 93 ZVG auszuschalten (Düsseldorf NJW-RR 1996, 720). – Das Betreiben einer Zwangsversteigerung durch den Eigentümer eines Grundstücks zum Zwecke des „Abschüttelns“ von Grundstücksbelastungen ist nicht sittenwidrig (RG 160, 52). – Die Zwangsvollstreckung kann für unzulässig erklärt werden, wenn sie aus einem sittenwidrig erschlichenen oder sittenwidrig ausgenutzten Titel erfolgt (Brox/Walker ZwVR Rn 1328a mN; Düsseldorf FamRZ 1997, 827; Stuttgart NJW 1985, 2272; Hamm NJW 1985, 2275; Frankfurt WM 1986, 287; Düsseldorf WM 1986, 316). Wenn der Gläubiger aber aus einem nicht erschlichenen, materiell falschen Vollstreckungstitel mehr erhalten hat, als ihm wirklich zusteht, reichte das allein nach der bisherigen Rspr für eine sittenwidrige Ausnutzung des Titels nicht aus (BGH 112, 54; 151, 316; NJW 2005, 2991). Diese restriktive Praxis wird sich so nicht mehr halten lassen, seit das BVerfG (BVerfGE 115, 51) entschieden hat, dass die Vollstreckung gegen einen rechtskräftig zur Zahlung verurteilten Schuldner verfassungswidrig ist, wenn das zugrunde liegende Urt auf der Auslegung und Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe beruht, die vom BVerfG für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden sind (dazu: Brehm JZ 2006, 968; Ernst ZVI 2006, 558; Haas EuGRZ 2006, 174;

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Willenserklärung

§ 139

Raab KTS 2006, 299). – Zur Sittenwidrigkeit von Bietungsabkommen in der Zwangsvollstreckung vgl Rn 89 „Bietungsabkommen“, zur Gläubigerbenachteiligung Rn 117 „Gläubigerbenachteiligung“, Rn 163 „Sicherungsgeschäfte/Täuschung anderer Gläubiger“, zur sittenwidrigen Beeinträchtigung der Tätigkeit von Rechtspflegeorganen Rn 114 „Gerichtliches Verfahren“.

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Teilnichtigkeit Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. 1. Bedeutung. Die Vorschrift enthält eine Auslegungsregel (BGH 85, 315, 318; NJW 1994, 720f; vgl 1 auch NJW 1996, 774; aA Staud/Roth Rn 2: „Nichtigkeitsvermutung“). Sie greift ein, wenn bei Vornahme eines Rechtsgeschäfts keine Regelung für den Fall getroffen wurde, dass ein Teil des Rechtsgeschäfts nichtig ist. § 139 bestimmt als Folge der Teilnichtigkeit die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts, „wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde“. Danach muss zunächst der (hypothetische) Wille der Parteien für den Fall der Teilnichtigkeit ermittelt werden. Erst wenn dies nicht zum Ziele führt, ist nach § 139 das ganze Rechtsgeschäft nichtig. Damit soll erreicht werden, dass den Beteiligten, die einen umfassenden Rechtserfolg als Ganzen verwirklichen wollen, eine nur teilw Verwirklichung nicht gegen ihren Willen aufgedrängt wird. 2. Anwendungsbereich. a) Zivilrecht. § 139 gilt grds für alle Rechtsgeschäfte. Anwendbar ist die 2 Vorschrift etwa auch auf die Vereinbarungen zur Bildung von WE (s BayObLG NJW-RR 1999, 8, 10), Beschl der Hauptversammlung (Hamburg NZG 2000, 549, 551; 2003, 539, 541; Oldenburg NJW-RR 1995, 1313, 1214) und auch des Aufsichtsrats einer AG, soweit diese auf die Begründung, Änderung oder Aufhebung sozial- oder individualrechtlicher Befugnisse gerichtet sind (BGH 124, 111, 122), und Beschl einer Wohnungseigentümergemeinschaft (BGH 139, 288, 297; Hamm NJW-RR 1986, 500, 501). Nicht anwendbar ist § 139 auf Vereinssatzungen, da diese objektiv auszulegen sind (s § 133 Rn 34) und daher für die Konsequenzen einer Teilnichtigkeit nicht auf den hypothetischen Parteiwillen abgestellt werden kann (BGH 47, 172, 179). Ebenso findet die Vorschrift auf den normativen Teil eines Tarifvertrags (BAG NZA 2008, 892, 894; Löwisch/Rieble, § 1 TVG Rn 347) und einer Betriebsvereinbarung keine Anwendung (Soergel/Hefermehl Rn 13).

aa) Spezialregeln. Teilw ergibt sich aus Spezialregelungen, dass § 139 im Fall der Teilnichtigkeit 3 nicht anzuwenden ist. Derartige Vorschriften finden sich etwa im Erbrecht. So hat nach § 2085 die Unwirksamkeit einer von mehreren im Testament enthaltenen Verfügungen die Unwirksamkeit der übrigen Verfügungen nur zur Folge, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser diese ohne die unwirksame Verfügung nicht getroffen haben würde. Anders als § 139 stellt § 2085 also eine Auslegungsregel zugunsten der Wirksamkeit der übrigen Verfügungen auf. Dem § 2085 entsprechen § 2195 und § 2279 I (im Zweifel Gültigkeit der unter einer Auflage gemachten Zuwendung bei Unwirksamkeit der Auflage). Auch für vertragsmäßig bindende Verfügungen im Erbvertrag und wechselbezügliche Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament gelten Spezialvorschriften (§§ 2298 I, 2270). Im AGB-Recht bleibt nach § 306 bei Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit von AGB – abw von § 139 – der 4 Vertrag iÜ wirksam. An die Stelle der nichtigen Bestimmungen treten die gesetzlichen Vorschriften. Fehlen gesetzliche Vorschriften, kommt im Rahmen von § 306 II eine Vertragsergänzung entspr dem hypothetischen Parteiwillen in Betracht. Nur ausnahmsweise ist nach § 306 III der ganze Vertrag unwirksam. Sonderegelungen enthält auch das Kapitalgesellschaftsrecht in den § 275 AktG, § 75 GmbHG. Nach diesen Regelungen können nach Eintragung der Gesellschaft nur noch bestimmte Satzungsmängel im Wege der Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden. Mängel anderer, in diesen Vorschriften nicht genannter Satzungsbestimmungen haben damit nach der Eintragung keine Bedeutung mehr für die Wirksamkeit der Gesellschaft (s KK-AktG/Arnold § 23 Rn 164). § 139 kann insoweit nicht angewandt werden (Staud/Roth Rn 11). Darüber hinaus wird in verschiedenen Vorschriften eine unzulässige Vertragsbestimmung nicht 5 ausdr für nichtig erklärt. Der Anwendungsbereich des § 139 ist damit in diesen Fällen von vornherein nicht eröffnet (AnwK/Faust Rn 5). So kann sich etwa der Verkäufer nach § 444 auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, nicht „berufen“, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. Von der ausdr Anordnung der Nichtigkeit einer entspr Abrede hat der Gesetzgeber bewusst abgesehen, um klarzustellen, dass die Unwirksamkeit der Vereinbarung über den Gewährleistungsausschluss keinesfalls zur Unwirksamkeit des gesamten Kaufvertrags führt (s BT-Drucks 14/6040, 240). Entspr Formulierungen finden sich etwa in den §§ 475, 478, 639. bb) Ungeschriebene Ausnahmen. Neben den ausdr Aunahmen kann gelegentlich auch der Zweck 6 einer Gesetzesbestimmung unabhängig vom hypothetischen Parteiwillen gegen eine Gesamtnichtigkeit sprechen. Das ist insb dann der Fall, wenn sich die Teilnichtigkeit aus der Verletzung einer Norm ergibt, die den Schutz eines Vertragspartners bezweckt, und eine Gesamtnichtigkeit gerade diesem Schutz zuwiderliefe (BGH 40, 235, 238f; NJW 1980, 2407, 2408; 2000, 1333, 1335; BAG NJW 1979, 2119, 2120; BeckOK/Wendtland Rn 5; Larenz/Wolf AT § 45 Rn 30f; Medicus AT Rn 515). Wird etwa entgegen § 276 III die Haftung des Schuldners für Vorsatz vertraglich ausgeschlossen, ist nur dieser Haftungsausschluss, nicht aber der ganze Vertrag nichtig (Flume § 32, 4; Larenz/Wolf AT § 45 Rn 31). Entspr gilt im Mietrecht. Eine Vielzahl von Vorschriften sieht hier vor, dass von den Regelungen des BGB zulasten des Mieters abw Vereinbarungen unwirksam sind (zB §§ 534 II, 551 IV, 553 III etc). Dies hat indes nach § 139 im Zweifel nicht die Gesamtnichtigkeit des Vertrags zur Folge. Vielmehr bleibt der H. Palm/A. Arnold

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§ 139

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

Mietvertrag wirksam, und anstelle der unwirksamen gilt die gesetzliche Regelung (s nur BGH MDR 1964, 495; Celle OLG 1982, 219, 220f; Staud/Roth Rn 15). Die gleichen Grundsätze gelten, wenn bei einem Arbeitsvertrag eine Bestimmung gegen zwingende Vorschriften verstößt, die zugunsten des Arbeitnehmers gelten (vgl BAG AP Nr 2 zu § 5 BBiG; NJW 1979, 2119, 2120; NZA 1987, 445, 447). Ebenso führen Vereinbarungen, die den zwingenden Verbraucherschutzregelungen der §§ 312ff, 355ff, 481ff, 491ff widersprechen, nicht zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags (AnwK/Faust Rn 55; Staud/Roth Rn 16). Auch bei einem Verstoß gegen preisrechtliche Bestimmungen würde die Gesamtnichtigkeit vielfach dem Schutzzweck zuwiderlaufen (vgl zu § 134 Rn 81 „Preisrecht“ und Staud/Roth Rn 17). Insb führen Mängel bei einer anwaltlichen Vergütungsvereinbarung regelmäßig nicht zur Unwirksamkeit des ganzen Anwaltsvertrags (s nur BGH 18, 340, 349; NJW 1980, 2407, 2408). Wird in einem Handelvertretervertrag eine mit den zwingenden Vorgaben des § 89 HGB nicht vereinbare Regelung getroffen, hat dies nicht die Nichtigkeit des gesamten Vertrags zur Folge (BGH 40, 235, 238). 7

Im Arbeits- und Gesellschaftsrecht ergibt sich eine Einschränkung des § 139 überdies aufgrund der Grundsätze über das fehlerhafte Arbeitsverhältnis bzw die fehlerhafte Gesellschaft (Pal/Ellenberger Rn 3; s aber auch zu Einschränkungen im Hinblick auf nichtige Klauseln MüKo/Ulmer § 705 Rn 344). IÜ ist im Personengesellschaftsrecht bei Nichtigkeit lediglich einzelner Vertragsklauseln für die Anwendung des § 139 ohnehin wegen des gemeinsamen Interesses der Gesellschafter am Bestand der Gesellschafter regelmäßig kein Raum (MüKo/Ulmer § 705 Rn 53; Schäfer, GesR § 5 Rn 21). Auch bei Fehlen einer salvatorischen Klausel (s Rn 10) ist die Lücke durch erg Vertragsauslegung zu schließen. Ähnliches gilt für den Vertrag zur Gründung einer Kapitalgesellschaft vor Eintragung derselben ins Handelsregister: Sind einzelne Satzungsbestimmungen nichtig, führt dies abw von § 139 regelmäßig nicht zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags, sondern die Gesellschafter sind aufgrund der sie treffenden Treuepflicht dazu verpflichtet, den Mangel durch eine entspr Vertragsänderung zu beseitigen und damit die Eintragung zu ermöglichen (KK-AktG/Arnold § 23 Rn 159 mwN). Nach Eintragung der Gesellschaft sind Mängel einzelner Satzungsbestimmungen nur nach Maßgabe der § 275 AktG, § 75 GmbHG beachtlich (s oben Rn 4).

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b) Prozessrecht. Auf Prozesshandlungen, die gleichzeitig Rechtsgeschäfte sind, ist § 139 entspr anwendbar. So führt zB die Nichtzulassung der Aufrechnung im Prozess über § 139 zur Unwirksamkeit der materiellrechtlichen Aufrechnungserklärung (Staud/Roth Rn 30; Soergel/Hefermehl Rn 11). Auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann der Rechtsgedanke des § 139 anwendbar sein (BayObLG Rpfleger 1962, 179; Staud/Roth Rn 30). Dagegen scheidet eine Anwendung des § 139 auf zusammengehörige (teils wirksame, teils unwirksame) Registereintragungen aus (RG 132, 22, 26). Im Grundbuchberichtigungsverfahren gilt § 139 ebenfalls nicht (BayObLG NJW-RR 1997, 590).

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c) Öffentliches Recht. Auf öffentlich-rechtl Willenserklärungen ist § 139 nicht anwendbar. Für öffentlich-rechtl Verträge gilt § 59 III VwVfG, der dem § 139 entspricht. Für Verwaltungsakte bestimmt § 44 IV VwVfG die Gesamtnichtigkeit, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.

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3. Vorrang einer abweichenden Parteivereinbarung. Die Parteien können eine von § 139 abw Regelung vereinbaren. Insb können sie rechtsgeschäftlich mit sog „salvatorischen Klauseln“ Vorsorge für den (erwarteten, befürchteten, jedenfalls nicht ausschliessbaren) Fall der Teilnichtigkeit treffen. Dabei ist zw sog Erhaltungsklauseln und Ersetzungsklauseln zu unterscheiden. Erhaltungsklauseln sehen vor, dass die Unwirksamkeit eines Teils des Vertrags die Gültigkeit des übrigen Vertrags nicht berühren soll. Sie sollen freilich regelmäßig nicht zur Folge haben, dass das Rechtsgeschäft generell ohne die nichtige Regelung wirksam ist. Vielmehr ist auch bei Vereinbarung einer Erhaltungsklausel nach dem mutmaßlichen Parteiwillen zu entscheiden, ob Gesamtnichtigkeit eintreten soll. Die Bedeutung derartiger Klauseln liegt nur darin, dass nunmehr abw von der Regel des § 139 die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Gesamtnichtigkeit bei der Streitpartei liegt, die entgegen der Erhaltungsklausel den Vertrag als Ganzen für unwirksam hält (BGH NJW 2003, 347; 2010, 1660, 1661; NJW–RR 2005, 1534, 1535; anders noch BGH NJW 1994, 1651). Ersetzungsklauseln legen darüber hinaus fest, welche Bestimmungen an die Stelle der unwirksamen Regelungen treten sollen. Üblich sind etwa Klauseln, nach denen die unwirksame Regelung durch eine dieser wirtschaftlich soweit wie möglich entspr gültige Regelung zu ersetzen ist. Sie decken allerdings die Nichtigkeit wesentlicher Vertragsregelungen nicht ohne weiteres ab. Wenn von der Teilnichtigkeit etwa die Bestimmung einer Hauptleistung oder andere, nach dem Parteiwillen wesentliche Bestandteile des Rechtsgeschäfts betroffen sind, kann die Auslegung ergeben, dass trotz der Ersetzungsklausel Gesamtnichtigkeit eintreten soll (BGH WM 1976, 1027, 1028; NJW 1996, 773, 774; KG NJW-RR 1996, 431, 432). Eine Erhaltungsklausel behält auch dann ihre Bedeutung, wenn eine zugleich vereinbarte Ersetzungsklausel – etwa wegen Unvereinbarkeit mit dem AGB-Recht – unwirksam ist (BGH NJW 2005, 2225, 2226). Eine salvatorische Klausel rechtfertigt iÜ idR nicht eine Teilanfechtung einer einzelnen Vertragsregelung (Bsp: BAG NJOZ 2006, 1859, 1864).

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4. Voraussetzungen. Die Nichtigkeitsfolge des § 139 tritt ein, wenn ein Teil eines einheitlichen Rechtsgeschäfts nichtig und nicht anzunehmen ist, dass das ganze Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre.

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a) Einheitliches Rechtsgeschäft. § 139 setzt voraus, dass es sich um ein einheitliches Rechtsgeschäft handelt. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn es sich um einen Geschäftstyp handelt und einzelne Vertragsklauseln nichtig sind (s BGH 50, 8, 13; Larenz/Wolf AT § 45 Rn 4ff). Vielmehr kann ein einheitliches Rechtsgeschäft auch aus mehreren Geschäften, von denen jedes einzeln bestehen kann, zusammengesetzt sein. Für die Annahme eines derartigen einheitlichen zusammengesetzten Rechtsgeschäfts ist die Einheitlichkeit des Zustandekommens nicht entscheidend (Medicus AT 414

A. Arnold

Willenserklärung

§ 139

Rn 501f). Gleiches gilt für den objektiven Sinnzusammenhang der Rechtsgeschäfte (Staud/Roth Rn 38; aA MüKo/Busche Rn 16ff). Maßgeblich ist vielmehr der Parteiwille: Eine Zusammenfassung verschiedener Rechtsgeschäfte zu einer rechtlichen Einheit ist dann zu bejahen, wenn das eine Geschäft nicht ohne das andere gewollt ist, dh die Vereinbarungen miteinander stehen und fallen sollen (BGH 50, 8, 13; 110, 230; NJW 1990, 1473, 1474; 2007, 1131, 1133; NJW-RR 1990, 443; 2007, 395, 96; AnwK/Faust Rn 11; Staud/Roth Rn 39; aA MüKo/Busche Rn 16ff, der den objektiven Sinnzusammenhang in den Vordergrund stellt). Dabei ist ausreichend, dass eine Partei den Willen zur Geschäftseinheit hat und die andere Partei dieses billigt oder zumindest hinnimmt (BGH MDR 1971, 468). Für einen solchen Parteiwillen kann es sprechen, wenn der objektive Sinn einer Mehrzahl von Geschäften ergibt, dass ihre Einheit gewollt sein muss (Staud/Roth Rn 38). Geschäftseinheit setzt nicht voraus, dass an allen Geschäften dieselben Personen in gleicher Weise beteiligt sind (RG 79, 434, 436; BGH NJW 1976, 1931, 1932; NJW-RR 1990, 442, 443; aA Flume § 32, 2a) oder die einzelnen Geschäfte demselben Geschäftstyp angehören (BGH NJW 1976, 1931, 1932). Wenn auch der wirtschaftliche Zusammenhang zw den Geschäften oder die gleichzeitige Vornahme häufig ein starkes Indiz für eine Geschäftseinheit bilden, kommt es doch stets maßgebend auf den Willen der Parteien an (RG 79, 434, 439; BGH NJW 1967, 1128, 1129; 1987, 2004, 2007). Eine tatsächliche Vermutung für ein einheitliches Geschäft ergibt sich dabei aber aus der Aufnahme der einzelnen Geschäfte in eine Urkunde (BGH 54, 71, 72; NJW 1987, 2004, 2007). Bei Niederlegung mehrerer selbständiger Verträge in verschiedenen Urkunden besteht dagegen die – widerlegliche – Vermutung, dass die Rechtgeschäfte keine Einheit bilden sollen (BGH 78, 346, 349; NJW-RR 2007, 395, 396). Im Hinblick auf die besondere Fallgestaltung wurde eine Geschäftseinheit bejaht zw mehreren zu- 13 sammenhängenden Grundstücksgeschäften (BGH NJW 2000, 2017, 2018), zw einem Mietvertrag und der Einräumung eines Vorkaufsrechts (RG 107, 39, 40), zw einem Grundstückskaufvertrag und einer Auflassungsvollmacht (RG 94, 147, 149) oder einem Baubetreuungsvertrag (BGH NJW 1976, 1931, 1932), zw einem formbedürftigen Geschäftsbesorgungsvertrag und einer darin erteilten Vollmacht (BGH 102, 60, 62), zw der vertraglichen Begründung einer Forderung und einer Sicherungsabrede (BGH NJW 1994, 2885), zw einer Wahlleistungsvereinbarung Krankenhaus/Patient und einer Zusatzvereinbarung über die Vergütung der Wahlleistung Arzt/Patient (BGH 138, 91, 96), zw einer Trennungsabrede unverheirateter Partner und einer Unterhaltsregelung für das gemeinsame Kind (Zweibrücken NJW-RR 1993, 1478) sowie zw einem Kreditvertrag und einem Umschuldungsvertrag (Düsseldorf WM 1986, 221, 223; Frankfurt NJW 1985, 745, 746). UU ist eine Geschäftseinheit auch anzunehmen zw einem Kaufvertrag über Einrichtungsgegenstände oder einem Bierlieferungsvertrag und einem Mietvertrag über die entspr Räume (BGH NJW 1983, 2027, 2028; Köln MDR 1997, 32) und zw einem Franchise-Vertrag und einem Mietvertrag (Nürnberg NZM 1998, 375). Verneint wurde ein solcher Zusammenhang zB: zw einer Vollmacht zum Erwerb eines Anteils an einem Fonds und der die im zugehörigen Zeichnungsschein enthaltenen Vollmacht zur Aufnahme von Darlehen für die Finanzierung (BGH NJW-RR 2007, 395, 396; offengelassen in BGH NJW 2007, 1131, 1133); zw Erbeinsetzung und Übergabevertrag (Hamm DNotZ 1996, 671, 673), Schiedsvertrag und Hauptvertrag (BGH 53, 315, 318f; NJW 1979, 2597, 2568), Darlehensvertrag und Pfandbestellung (RG 86, 323, 324; s aber oben BGH NJW 1994, 2885), Rahmenvertrag und Einzellieferungsverträgen (BGH NJW 1997, 933, 934) oder zw Künstlervertrag und Verlagsvertrag (Frankfurt NJW 2004, 616). Ob Grundgeschäft und abstraktes Erfüllungsgeschäft ein einheitliches Rechtsgeschäft iSd § 139 14 bilden können, ist str. Während Rspr und ein Teil der Lit (BGH 31, 321, 323; NJW 1967, 1128, 1130; 2005, 415, 417; NJW-RR 1989, 519; 2003, 733, 735; BAG NJW 1967, 751; Pal/Ellenberger Rn 7; Eisenhardt JZ 1991, 271ff) der Ansicht sind, dass über § 139 auch die durch die abstrakte Natur des Verfügungsgeschäfts bewirkte Trennung der Geschäfte überwunden werden kann, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine derartige Abrede bestehen, geht das Schrifttum (Soergel/Hefermehl Rn 20; Staud/Roth Rn 54ff; Jauernig/Jauernig Rn 4; Flume § 12 III 4; Medicus AT Rn 241, 504) überwiegend davon aus, dass das Abstraktionsprinzip die Zusammenfassung dieser Geschäfte zu einer Geschäftseinheit verbietet. Dem ist zu folgen, da die Annahme einer Geschäftseinheit eine unzulässige Umgehung des Abstraktionsprinzips darstellt. Dieses ist der privatautonomen Gestaltung vorgegeben und schließt daher entspr Abreden der Parteien aus (Flume § 12 III 4). Soweit das Erfüllungsgeschäft jedoch bedingungsfreundlich ist, können die Parteien dieses Geschäft unter der Bedingung (§ 158) der Gültigkeit des Kausalgeschäfts schließen. Für die Annahme einer solchen Bedingung ist jedoch nur Raum, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine gewollte Verknüpfung dieser Art sprechen, etwa wenn die Parteien über die Gültigkeit des Kausalgeschäfts im Ungewissen sind (Flume § 12 III 4). b) Nichtigkeit. Erforderlich ist weiterhin die Nichtigkeit eines Teils des Rechtsgeschäfts. Auf wel- 15 chem Grund die teilw Nichtigkeit beruht, ist grds unerheblich. Die Teilnichtigkeit kann sich zB aus einem Formmangel (§ 125), aus einem Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134) oder der Sittenwidrigkeit eines Geschäftsteils (§ 138) ergeben. Ferner kann die Nichtigkeit auch aus einer zulässigen Teilanfechtung folgen (BGH NJW 1969, 1759; s § 143 Rn 3). Anwendbar ist § 139 auch dann, wenn das Gesetz ein Rechtschäft nicht ausdr als „nichtig“ bezeich- 16 net, sondern nur die Unwirksamkeit anordnet (allg M, s nur Staud/Roth Rn 33; Larenz/Wolf AT § 45 Rn 3) Erfasst ist damit auch die Unwirksamkeit eines Vergleichs nach § 779 (Köln OLG 1972, 42, 49). Ferner gilt die Vorschrift bei schwebender Unwirksamkeit eines Teils des Geschäfts (BGH 53, 174, 179; KG DNotZ 2004, 795, 796; BeckOK/Wendtland Rn 3)). Erst recht ist § 139 anwendbar, wenn in diesen Fällen das Rechtgeschäft wegen Verweigerung der erforderlichen Genehmigung (§§ 108, 177) endgültig unwirksam geworden ist (Staud/Roth Rn 22). Anwendbar soll die Vorschrift nach verbreiteter Auffassung auch dann sein, wenn ein Rechtsgeschäft infolge eines Verbraucherwiderrufs A. Arnold

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§ 139

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

unwirksam ist (AnwK/Faust Rn 42; MüKo/Busche Rn 3; vgl auch BGH 128, 155, 265). Gleiches soll gelten, wenn bei zwei an sich selbständigen, aufgrund des Parteiwillens zu einem einheitlichen Rechtsgeschäft verbundenen Vereinbarungen eine Partei von einer der Vereinbarungen zurücktritt; dass Rücktrittsrecht soll hier nur einheitlich ausgeübt werden können (BGH NJW 1976, 1931, 1932). 17

Dagegen ist § 139 nicht anzuwenden, wenn die Vertragsschließenden später einen Teil des früheren Rechtsgeschäfts vertraglich wieder aufheben (BGH FamRZ 1990, 975, 976). Ob bei einer durch spätere Gesetzesänderung herbeigeführten Teilnichtigkeit § 139 Anwendung findet, ist umstr (bejahend BGH NJW 1952, 299; Flume § 32, 6; Soergel/Hefermehl Rn 35; aA RG 146, 366, 368; BGH 17, 41, 49). Dies wird man indes nicht mit der Erwägung ablehnen können, dass nach § 139 auf den Willen der Parteien bei Vertragsschluss abzustellen sei und somit nur zu diesem Zeitpunkt bestehende Nichtigkeitsgründe berücksichtigt werden könnten (so aber RG 146, 366, 368); denn § 139 ist ohnehin nicht anwendbar, wenn den Parteien die Teilnichtigkeit bekannt ist (Flume § 32, 6; s auch Rn 23). Wenn die Vorschrift vorsieht, dass über die Gesamtnichtigkeit der mutmaßliche Parteiwille entscheidet, passt dies auch bei nachträglicher Teilnichtigkeit. Die Vorschrift sollte daher auch in diesem Fall gelten.

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c) Teilbarkeit. Objektive Voraussetzung für den Fortbestand eines Rechtsgeschäfts ohne einen nichtigen Teil ist die Teilbarkeit des Rechtsgeschäfts. Sie ist gegeben, wenn bei Wegfall eines Teils des Rechtsgeschäfts ein Rest bleibt, der als selbständiges Rechtsgeschäft bestehen bleiben kann (RG 93, 334, 338; BGH NJW 1962, 912, 913). Sie kann sich zunächst daraus ergeben, dass einzelne Bestimmungen eines Rechtsgeschäfts wie etwa Gewährleistungsregeln unwirksam sind. Teilbar ist auch einheitliches, aus mehreren Geschäftstypen zusammengesetztes Rechtsgeschäft (s Rn 12), wenn die Nichtigkeit nur eines der Geschäfte betrifft. Freilich wird in diesem Fall gerade der Parteiwille, der die Verknüpfung der Geschäfte begründet, für Gesamtnichtigkeit sprechen.

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Teilbar kann ein Rechtsgeschäft auch in quantitativer Hinsicht sein. Eine derartige Aufspaltung in einen nichtigen und einen wirksamen Teil ist insb dann denkbar, wenn sich die Nichtigkeit aus der vereinbarten Vertragsdauer oder dem Leistungsumfang, insb dem vereinbarten Entgelt oder der Menge verkaufter Sachen ergibt. Wird etwa von der Genossenschaft einem Mitglied ein Kredit unter Verstoß gegen § 22 IV GenG gewährt, so soll sich die Nichtigkeit auf die Kreditierung der Geschäftsanteile beschränken und nicht den gesamten Darlehensvertrag erfassen (BGH NJW 1983, 1420). Ferner wird zB die Zerlegung eines von einem Vormund für einen Mündel ohne die nach § 1822 Nr 5 erforderliche Genehmigung des FamG geschlossenen Pachtvertrags in zeitlicher Hinsicht insoweit zugelassen, als die Aufrechterhaltung eines solchen Vertrags bis zu einem Jahr nach Volljährigkeit möglich ist (BGH NJW 1962, 734). Entspr soll für ein – gesellschaftsrechtlich ausnahmsweise zulässiges – Hinauskündigungsrecht gelten, das den anderen Gesellschaftern die Prüfung ermöglichen soll, ob mit dem neuen Gesellschafter das notwendige Vertrauen hergestellt werden kann: Wird für die Ausübung des Kündigungsrechts eine unzulässig lange Frist vorgesehen, soll eine Reduzierung auf eine angemessene Frist möglich sein (BGH NZG 2007, 583, 585).

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Ergibt sich die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts aus einer sittenwidrigen Bindungsdauer oder einer nichtigen räumlichen Erstreckung (Bsp: räumlich zu sehr ausgedehntes Wettbewerbsverbot, vgl § 138 Rn 196 „Wettbewerbsverbot“), kann unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls eine Aufteilung in einen gültigen und einen ungültigen Teil erfolgen (vgl § 138 Rn 55; zu den Einzelbeispielen § 138 Rn 65ff). Folgt die Nichtigkeit jedoch aus der Vereinbarung eines wegen seiner Höhe sittenwidrigen Entgelts, ist die Zerlegung in einen angemessenen und einen unangemessenen Teil nicht möglich (vgl § 138 Rn 25, 55). Auch iÜ ist bei sittenwidrigen Geschäften bei einer quantitativen Aufteilung – und damit einer geltungserhaltenden Reduktion – besondere Sorgfalt bei Ermittlung des mutmaßlichen Parteiwillens geboten, da andernfalls sittenwidrige Rechtsgeschäfte das Risiko verlören, das mit der Anordnung der Nichtigkeit verbunden ist (BGH NJW 2009, 1135, 1136f; s auch AnwK/Faust Rn 31ff).

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Eine Teilbarkeit des Rechtsgeschäfts kann auch in subjektiver Hinsicht bestehen. Sie kommt in Betracht, wenn mehrere Personen auf einer Seite des Rechtsgeschäfts beteiligt sind (RG 59, 174, 175; BGH 53, 174, 179; NJW 1991, 39, 40). Ist die Erklärung eines Beteiligten nichtig, greift § 139 ein. Dieses ist insb bei einem Gesamtschuldverhältnis der Fall (RG 99, 52, 55; 138, 270, 272; Karlsruhe NJW-RR 1991, 947, 948). Wenn bei einer Mehrheit von Bürgen oder Bürgschaftsgläubigern eine einzelne Bürgschaftsbeziehung unwirksam ist, können die übrigen Bürgschaftsbeziehungen gem § 139 erhalten bleiben (RG 138, 279, 271f für Mitbürgen; BGH NJW 2001, 3327, 3328f für Mehrheit von Bürgschaftsgläubigern). Teilbarkeit besteht auch bei einem Geschäftsabschluss durch einen vollmachtlosen Vertreter im eigenen und zugleich im fremden Namen (vgl BGH NJW 1970, 240, 241). Ist hingegen die Erklärung eines Gesamtvertreters nichtig, scheidet eine Teilbarkeit aus, da die Erklärungen der anderen Vertreter nicht allein bestehen können (BGH 53, 210, 214f). Ist die nichtige Erklärung eines Beteiligten für die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts rechtlich überflüssig, liegt keine Teilnichtigkeit iSd § 139 vor (Flume § 32, 2b; Soergel/Hefermehl Rn 28; aA BGH 3, 206, 209).

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d) Kein abweichender Parteiwillen. Wird die Teilnichtigkeit festgestellt, ist zu prüfen, ob nach dem Willen der Beteiligten der Rest des Geschäfts nichtig oder gültig sein soll (vgl Rn 10). Erst wenn die Parteien weder eine ausdr noch eine konkludente Regelung für den Fall der Teilnichtigkeit getroffen haben, ist nach § 139 auf den mutmaßlichen Parteiwillen abzustellen. Maßgeblich ist, welche Entscheidung die Beteiligten bei Kenntnis der Sachlage vernünftigerweise nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte geschlossen hätten (BGH NJW 1986, 2576, 2577; 1993, 1587, 1589; NJW-RR 2005, 1290, 1291). Dabei kommt es nicht auf die Sicht eines objektiven Dritten, sondern den Standpunkt der Parteien an; ihre (mutmaßliche) Sicht ist auch dann entscheidend, wenn sie objektiv unvernünftig ist (Medicus AT Rn 508; vgl auch BGH NJW 2004, 3045, 3046; 2006, 2696, 2697: Die Par416

A. Arnold

Willenserklärung

§ 140

teien wollten „idR“ das objektiv Vernünftige). Zu berücksichtigen sind auch einseitige, nicht zum Vertragsinhalt gewordene Interessen einer Partei, da keiner Seite die Geltung des wirksamen Geschäftsteils aufgezwungen werden darf (Flume § 32, 5; Medicus AT Rn 508). Führt die Auslegung nicht zu einem klaren Ergebnis, greift die Auslegungsregel des § 139 ein, und das Rechtsgeschäft ist insgesamt nichtig. Ist nur ein geringfügiger Teil des Geschäfts nichtig, wird es regelmäßig dem Willen der Beteiligten 22a entsprechen, den im Vordergrund stehenden überwiegenden Teil des Geschäfts aufrechtzuerhalten. Das gilt insb, wenn für eine nichtige (Neben-)Abrede eine gesetzliche Regelung eingreift. Bei nichtiger Vereinbarung überlanger Vertragslaufzeiten, die sich im Wege geltungserhaltender Reduktion auf ein zulässiges zeitliches Maß reduzieren lassen (Bsp: Dauer einer Bezugsbindung, etwa bei einem Bierlieferungsvertrag; zeitliche Überdehnung eines Wettbewerbsverbotes), wird idR ebenfalls ein auf Fortbestand des Gesamtgeschäfts gerichteter (hypothetischer) Parteiwille anzunehmen sein (s zu den Grenzen einer derartigen geltungserhaltenden Reduktion allerdings Rn 20). Bei beiderseitiger Kenntnis der Teilnichtigkeit ist § 139 nicht anwendbar, so dass danach das Rest- 23 geschäft gültig bleibt (RG 68, 322, 326; BGH 45, 376, 379; vgl auch BGH NJW 1999, 351). Dies wird von der Rspr damit begründet, dass es hins des nichtigen Teils am Erklärungsbewusstsein und damit an einem Rechtsgeschäft fehle; das Rechtsgeschäft werde daher in diesen Fällen allein vom gültigen Teil gebildet, so dass § 139 von vornherein nicht anwendbar sei (BGH 45, 376, 379). IÜ lässt sich dieses Ergebnis aber jedenfalls mit der Erwägung rechtfertigen, dass sich die Teilnichtigkeit bei Koppelung einer bewusst unwirksamen Erklärung mit einer wirksamen nach dem Parteiwillen nicht auf das gesamte Geschäft erstrecken soll (Medicus AT Rn 507). Hat nur einer der Beteiligten die Teilnichtigkeit gekannt, aber erklärt, den Erfolg zu wollen, muss er sich entspr § 116 an seinen erklärten Willen binden lassen. 5. Rechtsfolge. Ist nicht anzunehmen, dass das ganze Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil 24 vorgenommen sein würde, tritt Gesamtnichtigkeit ein. Diese kann von jedermann geltend gemacht werden und ist im Prozess von Amts wegen zu berücksichtigen (Pal/Ellenberger Rn 16). Der Geltendmachung der Nichtigkeit kann aber die Einrede der Arglist entgegenstehen, wenn sich zB eine Partei auf die Nichtigkeit von einzelnen Bestimmungen, die nur dem Vorteil und dem Schutz der anderen Partei dienen sollen, und auf die damit nach § 139 BGB eintretende Nichtigkeit des ganzen Vertrags beruft, um sich ihrer Vertragspflichten insgesamt zu entledigen (BGH NJW 1967, 245; WM 1983, 267, 268; Schleswig NJW-RR 2006, 1665, 1667). Die Berufung auf die Gesamtnichtigkeit kann auch dann arglistig sein, wenn der nichtige Teil des Rechtsgeschäfts bei der Durchführung des übrigen Geschäfts bedeutungslos geblieben ist (RG 153, 59, 61; BGH 112, 288, 296). Ferner soll einer Partei die Berufung auf die Nichtigkeit des gesamten, bereits erfüllten Vertrags verwehrt sein, wenn diese Vorteile aus der Erfüllung gezogen hat, die nicht mehr sachgemäß rückabgewickelt werden können oder sogar bei dieser Partei unwiederbringlich verbleiben müssten (Düsseldorf MittRhNotK 2000, 339, 341). 6. Beweislast. Wer in einem Rechtsstreit geltend macht, das Rechtsgeschäft sei wegen Nichtigkeit 25 eines Teils insgesamt nichtig, muss die str Tatsachen beweisen, die zur Nichtigkeit eines Teils des Rechtsgeschäfts erforderlich sind. Trägt er vor, dass mehrere formell selbständige Geschäfte zu einem einheitlichen Rechtsgeschäft zusammengefasst sind, so muss er die dafür erheblichen Tatsachen beweisen (BGH NJW 1997, 3304, 3307). Ist eine für die Ermittlung des (hypothetischen) Willens der Parteien erhebliche Tatsache str, so hat dafür derjenige die Beweislast, der geltend macht, dass das Geschäft auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre (BGH NJW 1970, 1414, 1415; NJW-RR 1997, 684, 685; 2005, 1290, 1291). Enthält das Rechtsgeschäft eine salvatorische Klausel, so verkehrt diese die Nichtigkeitsvermutung des § 139 in ihr Gegenteil; die Darlegungs- und Beweislast für alle Umstände, die gleichwohl die Gesamtnichtigkeit begründen sollen, trifft dann denjenigen, der sich entgegen der Klausel auf die Nichtigkeit beruft (s Rn 10).

140

Umdeutung Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde.

1. Bedeutung. Die Umdeutung (Konversion) eines nichtigen Rechtsgeschäfts in ein anderes – gülti- 1 ges – Rechtsgeschäft (Ersatzgeschäft) soll dem Willen der Parteien auch dann möglichst zum Ziel verhelfen, wenn das von ihnen primär gewählte rechtliche Mittel unzulässig ist. Sofern die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit – etwa im Hinblick auf das im Wesentlichen gleiche Ergebnis – das andere gültige Geschäft gewollt hätten, soll nach § 140 dieses Geschäft gelten. Die Umdeutung knüpft damit an den von den Parteien gewollten wirtschaftlichen Erfolg an; um ihn möglichst – wenigstens im Wesentlichen – zu erreichen, wird das unzulässige Mittel durch ein (hypothetisch) hilfsweise gewolltes zulässiges ersetzt. 2. Anwendungsbereich. Umdeutungsfähig sind zunächst alle privatrechtlichen Rechtsgeschäfte 2 (Einzelh Rn 8). Auf fehlerhafte Prozesshandlungen kann § 140 analog angewandt werden (BGH 100, 383, 387; NJW 1962, 1820; 2001, 1216, 1217; NJW-RR 2008, 1876, 877; vgl auch BSG NZS 2004, 334, 336). So kann etwa ein unwirksamer Prozessvergleich als außergerichtlicher materiellrechtlicher Vergleich Bestand haben (BGH NJW 1985, 1962, 1963). Ebenso kann ein unzulässiges Rechtsmittel in ein zulässiges umgedeutet werden (BGH 100, 383, 387; NJW 1962, 1820; 2001, 1217, 1218). Die Umdeutung von Erklärungen an das Grundbuchamt ist dagegen nur in den durch die Formalisierung gezogenen A. Arnold

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§ 140

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

Grenzen möglich; sie setzt voraus, dass das Grundbuchamt ohne weitere Ermittlungen anhand der urkundlichen Unterlagen zu einer abschließenden Würdigung in der Lage ist (BayObLG NJW 1953, 1914; NJW-RR 1997, 1237, 1238; 1511, 1512; KG NJW 1967, 2358, 2359; Düsseldorf DNotZ 1977, 305, 307). Für das öffentliche Recht ergibt sich die Anwendbarkeit des § 140 auf öffentlich-rechtl Verträge schon aus § 62 S 2 VwVfG. Bei öffentlich-rechtl Willenserklärungen soll eine analoge Anwendung des § 140 möglich sein (OVG Münster NVwZ 1984, 655; NVwZ-RR 1998, 70; offengelassen in NVwZ 1990, 677; Pal/Ellenberger Rn 1; skeptisch MüKo/Busche Rn 11). Für Verwaltungsakte gelten die Spezialregelungen der § 47 VwVfG, § 128 AO, § 43 SGB X. 3

3. Abgrenzung. a) Auslegung. Der Umdeutung nach § 140 muss die Auslegung (§§ 133, 157) vorangehen (BAG NJW 2006, 2284, 2286; Soergel/Hefermehl Rn 1; Medicus AT Rn 517). Für eine Umdeutung ist daher zB kein Raum, wenn die Auslegung ergibt, dass die Parteien etwas vom Wortlaut des Geschäfts Abw gewollt haben und das übereinstimmend Gewollte gültig ist (falsa demonstratio; § 133 Rn 18). Führt die Auslegung zu dem Ergebnis, dass die Parteien für den Fall der Nichtigkeit eine Ersatzregelung getroffen haben, so gilt die Ersatzregelung unter der Voraussetzung, dass das primär Gewollte nichtig und das hilfsweise Vereinbarte gültig ist; auf den hypothetischen Willen kommt es nicht an. Eine Konversion scheidet schließlich auch dann aus, wenn die Auslegung ergibt, dass die Parteien im Falle der Nichtigkeit eine Umdeutung nicht wollten; dann bleibt es bei der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, vgl Rn 16.

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Unklar ist das Verhältnis der Umdeutung zur erg Auslegung (s § 133 Rn 20). Teilw wird darauf abgestellt, dass die erg Auslegung einen wirksamen, aber lückenhaften Vertrag voraussetze, während § 140 bei einem nichtigen Vertrag eingreife (Staud/Roth Rn 8; Larenz/Wolf AT § 44 Rn 90). Nach anderer Auffassung soll es sich bei der Umdeutung dagen um einen Spezialfall der erg Auslegung handeln (Erman/Palm12 Rn 7; AnwK/Faust Rn 3). Praktische Konsequenzen dürften sich aus dieser Kontroverse freilich kaum ergeben, da § 140 jedenfalls als vorrangige Spezialregelung anzusehen ist.

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b) Teilnichtigkeit. § 139 behandelt den Fall, dass nur ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig ist, und regelt die Auswirkungen auf den gültigen Teil des Rechtsgeschäfts. Dagegen betrifft § 140 die nichtige Regelung selbst (AnwK/Faust Rn 4). Unklar ist, ob § 140 bei einem teilnichtigen Geschäft auf den unwirksamen Teil angewandt werden kann (dafür Erman/Palm12 Rn 6; AnwK/Faust Rn 12; aA MüKo/ Busche Rn 12; Staud/Roth Rn 14; offenlassend BGH NJW 1986, 58, 59). Insoweit dürfte freilich Zurückhaltung geboten sein. Im Hinblick auf den Parteiwillen wird regelmäßig die Frage vorrangig sein, ob der wirksame Teil allein aufrecht erhalten werden kann.

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c) Gesetzliche Sonderregelungen. Gelegentlich enthält das Gesetz Spezialregelungen zur Behandlung unwirksamer Rechtsgeschäfte. So ist etwa nach § 150 II die verspätetete Annahme als neuer Antrag zu behandeln. Als weitere Sonderregelungen werden §§ 550 S 1, 2310 genannt (MüKo/Busche Rn 5; Staud/Roth Rn 5).

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4. Voraussetzungen der Umdeutung. a) Rechtsgeschäft. In Betracht kommen alle Arten von Rechtsgeschäften. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein Verpflichtungs- oder Verfügungsgeschäft (s RG 66, 24, 28) handelt. Auch familienrechtliche Rechtsgeschäfte sind umdeutbar (Karlsruhe NJW 1977, 1731). Rechtsgeschäfte unter Lebenden sind in Geschäfte von Todes wegen und diese in Geschäfte unter Lebenden umdeutbar (vgl Staud/Roth Rn 9). Schließlich werden nicht nur Verträge (BGH NJW 1963, 339), sondern auch einseitige Rechtsgeschäfte von § 140 erfasst. So ist möglicherweise eine Anfechtung in einen Rücktritt (BGH NJW 2006, 2839, 2842) oder in einen Widerruf, eine außerordentliche Kündigung eines Dienst- oder Arbeitsvertrags in eine ordentliche Kündigung umzudeuten (Einzelh Rn 20). Bei einem wegen mangelnder Geschäftsfähigkeit eines Teils unwirksamen mehrseitigen Rechtsgeschäft (zB Erbvertrag, gemeinschaftl Testament) kommt eine Umdeutung in ein einseitiges Rechtsgeschäft des vollgeschäftsfähigen anderen Teils in Betracht (zB Testament; Einzelh Rn 21).

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b) Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. § 140 setzt die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts voraus. Der Grund der Nichtigkeit ist grds gleichgültig. Anwendbar ist die Vorschrift auch dann, wenn das Gesetz ein Rechtsgeschäft nicht ausdr als „nichtig“, sondern als unwirksam bezeichnet (BGH 40, 218, 222; Staud/Roth Rn 14). § 140 ist daher zB auch auf eine wegen Fehlens eines wichtigen Grundes unwirksame außerordentliche Kündigung anwendbar (s Rn 20; ferner nur Pal/Ellenberger Rn 3). Auch ein zunächst schwebend unwirksames Geschäft ist umdeutbar, wenn es (zB durch Verweigerung der Genehmigung) endgültig unwirksam geworden ist (BGH 40, 218, 222; Staud/Roth Rn 14). Dagegen kommt § 140 nicht in Betracht, solange das Geschäft noch wirksam werden kann (BGH 40, 218, 222; ZIP 2009, 264, 266; vgl auch BGH 125, 355, 363f; Medicus AT Rn 518); dasselbe gilt, solange die Heilung eines formnichtigen Rechtsgeschäfts noch möglich ist (AnwK/Faust Rn 11).

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Keine Umdeutung ist möglich, wenn es bereits an einer Einigung zw den Parteien fehlt. Ist daher ein Vertrag wegen Dissenses nicht zustande gekommen, kann man durch Umdeutung nicht zu einem Vertragsschluss kommen (RG 93, 297, 300; AnwK/Faust Rn 10). Ebenso liegt bei einer nichtigen Scherzerklärung (§ 118) keine Willenserklärung vor, die umgedeutet werden könnte (MüKo/Busche Rn 12). Bei Nichtigkeit des Geschäfts wegen mangelnder Geschäftsfähigkeit scheitert an dieser auch eine Umdeutung in ein gültiges Geschäft (Staud/Roth Rn 17; Flume § 32, 9c). Ausgeschlossen ist eine Umdeutung ferner, wenn der Vertragsschluss daran scheitert, dass von zwei Gesamtvertretern einer die Genehmigung des Geschäfts verweigert (BGH WM 1982, 155, 156). Bei einem Scheingeschäft geht § 117 II dem § 140 vor (MüKo/Busche Rn 12; Mühlhans NJW 1994, 1049). Keine Umdeutung kommt entgegen teilw noch vertretener Auffassung (s MüKo/Busche Rn 13) im Fall der Unmöglichkeit der

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A. Arnold

Willenserklärung

§ 140

Leistung in Betracht, da auch die anfängliche objektive Unmöglichkeit nach der Schuldrechtsreform nicht mehr zur Nichtigkeit des Vertrags führt. Umstr ist, ob auch ein wirksam angefochtenes Rechtsgeschäft der Umdeutung zugänglich ist. Für 10 die Möglichkeit einer Umdeutung wird geltend gemacht, dass es sich bei einem angefochtenen Rechtsgeschäft nicht um ein Nicht-Rechtsgeschäft, sondern um ein nichtiges Geschäft handele, das wie jedes andere nichtige Geschäft umdeutbar sei (Erman/Palm12 Rn 11; Soergel/Hefermehl Rn 3; Staud/Roth Rn 15). Nach anderer Auffassung ist für eine Umdeutung kein Raum mehr, da durch die Anfechtung die Erklärung als Grundlage für ein Ersatzgeschäft entfallen sei (Flume § 32, 9c; Medicus AT Rn 518). Praktisch wird in diesen Fällen eine Umdeutung freilich ohnehin kaum in Betracht kommen. IdR wird es allein darum gehen können, ob das Geschäft mit dem Inhalt, den der Anfechtende eigentlich gewollt hat, aufrecht erhalten werden kann. Diese Möglichkeit folgt aber nicht aus § 140, sondern aus dem Grundsatz, dass die Anfechtung kein Reuerecht darstellt (s § 119 Rn 48). Von vornherein ausgeschlossen ist die Umdeutung iÜ vor der Anfechtung; denn bis zur Anfechtung ist das anfechtbare Geschäft wirksam. c) Wirksames Ersatzgeschäft. Das nichtige Geschäft muss den Erfordernissen eines anderen ent- 11 sprechen. Dieses Ersatzgeschäft braucht aber nicht als ein Minus in dem nichtigen Geschäft enthalten zu sein (vgl dahingehend aber zB BGH 19, 269, 275; 20, 369, 370; NJW 1963, 339, wo es heißt, das Ersatzgeschäft müsse in dem nichtigen Rechtsgeschäft enthalten sein). Denn bei der Umdeutung handelt es sich nicht um einen besonderen Fall der Teilnichtigkeit; das andere Geschäft braucht von den Parteien nicht wirklich vorgenommen worden zu sein (so aber Flume § 32, 9c), sondern nur dem hypothetischen Willen zu entsprechen (Medicus AT Rn 519; Staud/Roth Rn 21). Zwar wird das Ersatzgeschäft vielfach ein Weniger an Rechtswirkung auslösen, als mit dem nichtigen Geschäft bezweckt ist (zB vertragliches Zurückbehaltungsrecht anstelle der nichtigen Verpfändung, RG 124, 28, 30; Übertragung des Anwartschaftsrechts anstelle der Übereignung einer fremden Sache, vgl Staud/ Roth Rn 73); erforderlich ist das aber nicht. So steckt in der Übereignung aufgrund vorweggenommener Erbfolge kein Erbvertrag; dennoch ist eine Umdeutung möglich (vgl BGH 40, 218, 221). Entscheidend ist allein, dass der wirtschaftliche Erfolg, den die Parteien mit dem nichtigen Geschäft erreichen wollten, im Wesentlichen oder wenigstens teilw durch das andere Geschäft erreicht wird (RG 110, 391, 392; BGH 68, 204, 206; Staud/Roth Rn 21). Das Ersatzgeschäft darf also ggü dem nichtigen ein Weniger und auch ein aliud, nicht aber ein Mehr darstellen (BGH 19, 269, 275; 20, 363, 370; 125, 355, 363; BAG DB 1975, 214; NJOZ 2006, 1859, 1864f). Die Umdeutung kann auch zu einer Veränderung des Gleichgewichts von Leistung und Gegenleistung oder zu einer Herabsetzung der Gegenleistung im Interesse des Gleichgewichts führen (BGH VIZ 2004, 326, 328). Ein aliud in der Rechtsfolge gibt aber Anlass, den hypothetischen Willen besonders sorgfältig zu prüfen. Die Umdeutung darf insb nicht zu einer Erweiterung des Vertragsgegenstandes über die rechtlichen Beziehungen hinaus führen, die die Parteien regeln wollten (BGH 92, 363, 370; NJW 1997, 521, 522). Die Grenze für eine Umdeutung liegt demnach dort, wo das Ersatzgeschäft in seinen Wirkungen über das nichtige Geschäft hinausgeht, also etwa dem Schuldner größere Pflichten auferlegt. Infolgedessen kann eine Kündigungs- oder Rücktrittserklärung nicht in eine Anfechtungserklärung wegen Irrtums umgedeutet werden, weil diese einen Schadensersatzanspruch nach § 122 zur Folge hätte (BGH BB 1965, 1083; BAG NJW 1976, 592); entspr gilt für die Umdeutung eines Verlangens auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung in eine Kündigung nach § 649 (Karlsruhe NJW-RR 1993, 1368, 1369); im Versicherungsrecht scheitert die Umdeutung einer unwirksamen Rücktrittserklärung in eine Anfechtung gem § 123 daran, dass bei wirksamer Anfechtung § 21 II VVG ausgeschlossen wird (BGH NJW-RR 1997, 1112, 1113); wohl aber kann umgekehrt eine Anfechtung in eine Kündigung oder in einen Rücktritt umgedeutet werden (BGH NJW 1975, 1700, 1701; für das Versicherungsrecht vgl einerseits bejahend Hamm VersR 1981, 275, andererseits Köln VersR 1993, 297). Eine nichtige Bestellung eines Pfandrechts ist nicht in eine Sicherungsübereignung umdeutbar, weil diese weitergehende Folgen nach sich zieht (Soergel/Hefermehl Rn 5). Das Ersatzgeschäft selbst darf nicht an einem Nichtigkeitsgrund leiden. Deshalb müssen alle Gül- 12 tigkeitsvoraussetzungen (zB Geschäftsfähigkeit, Verfügungsmacht, Form) gegeben sein. Fehlende Tatbestandsmerkmale dürfen nicht fingiert werden (RG JW 1938, 45; MüKo/Busche Rn 16). Bei einem nach § 138 nichtigen Geschäft ist zu beachten, dass eine Umdeutung immer nur dann zulässig sein soll, wenn das von den Parteien gewählte Mittel von der Rechtsordnung missbilligt wird, nicht aber, wenn mit dem Geschäft ein missbilligter Erfolg erstrebt wird (BGH 68, 204, 206; NJW 1986, 2944, 2945; Pal/Ellenberger Rn 7; Medicus AT Rn 523). Die Umdeutung eines nach § 134 nichtigen Geschäfts kommt nur dann in Betracht, wenn das Ersatzgeschäft nicht gegen das gesetzliche Verbot verstößt. Niemals darf die Umdeutung dem Schutzzweck der Nichtigkeit zuwiderlaufen (Staud/Roth Rn 30; Larenz Wolf AT § 44 Rn 80). Eine Formnichtigkeit steht der Umdeutung nicht zwingend entgegen; doch kann sie im Einzelfall im Hinblick auf den Zweck der betroffenen Formvorschrift ausgeschlossen sein (BGH NJW 1980, 2517; Hamm NJW 1988, 3022 – keine Umdeutung der formunwirksamen Bürgschaft in einen Schuldbeitritt; Staud/Roth Rn 30; Medicus AT Rn 522). Für eine Umdeutung ist auch dann Raum, wenn das Ersatzgeschäft weniger fehlerhaft ist als das 13 umzudeutende Geschäft. Das ist etwa der Fall, wenn ein nichtiges Geschäft in ein zwar auch nichtiges, aber durch Erfüllung heilbares Geschäft (RG 129, 122, 123), in ein schwebend unwirksames oder in ein wirksames, wenn auch anfechtbares Geschäft (Soergel/Hefermehl Rn 4) umgedeutet werden kann; denn in den beiden erstgenannten Fällen besteht die Möglichkeit, dass das Geschäft wirksam wird, und im letzten Fall ist das Ersatzgeschäft gültig, sofern es nicht wirksam angefochten wird.

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§ 140

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

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d) Hypothetischer Wille. Für eine Umdeutung genügt es nicht, dass das nichtige Geschäft den Erfordernissen eines wirksamen Ersatzgeschäfts entspricht. Dieses Ersatzgeschäft gilt nur dann, „wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde“. Daraus folgt zunächst, dass eine Umdeutung ausscheidet, wenn die Parteien bei Abschluss des Geschäfts dessen Nichtigkeit kannten; wer ein Rechtsgeschäft in Kenntnis seiner Nichtigkeit vornimmt, ist nicht schutzwürdig; seinem Willen braucht nicht durch Umdeutung zum Erfolg verholfen zu werden (AnwK/Faust Rn 30; Mühlhans NJW 1994, 1049).

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Wenn die Parteien bei Geschäftsabschluss an die Nichtigkeit nicht gedacht haben, kann für die Umdeutung nicht auf die Ermittlung des wirklichen Willens abgestellt werden; vielmehr kommt es auf die Feststellung des mutmaßlichen Willens an. Für den hypothetischen Willen ist immer auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts abzustellen (BGH 40, 218, 223; 1980, 2517). Bei der Auslegung ist zu erforschen, ob die Parteien das Ersatzgeschäft geschlossen hätten, wenn sie bei Vornahme des Geschäfts dessen Nichtigkeit gekannt hätten (BGH 19, 269, 273; 40, 218, 223; 125, 355, 363; NJW 1980, 2517). Der Richter darf also nicht nach rein objektiven Gesichtspunkten den Inhalt des Rechtsgeschäfts bestimmen (BGH 19, 269, 273; 125, 355, 363; Soergel/Hefermehl Rn 8). Allerdings ist ein hypothetischer Wille, das Ersatzgeschäft gelten zu lassen, regelmäßig anzunehmen, wenn dadurch derselbe wirtschaftliche Erfolg erreicht wird wie durch das nichtige Rechtsgeschäft; im Allg kann davon ausgegangen werden, dass es den Parteien als vernünftig denkenden Menschen beim Vertragsschluss auf den von ihnen angestrebten wirtschaftlichen Erfolg angekommen ist (so BGH 19, 269, 273).

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Die Umdeutung darf nicht zu einer Bevormundung der Parteien führen. Besondere individuelle Willensrichtungen und Interessen sind zu beachten, soweit sie für das umzudeutende Geschäft bestimmend waren. Deshalb gibt es keine Umdeutung gegen den erkennbaren Willen der Parteien, auch wenn die Umdeutung wirtschaftlich vernünftig wäre (BGH 19, 269, 273; NJW 1980, 2350, 2352; NJW-RR 1986, 352, 353; Medicus AT Rn 521). Haben die Parteien für den Fall der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts eine gültige Ersatzregelung vorgesehen, greift diese ein; es bleibt kein Raum für eine Umdeutung. Ergibt die Auslegung, dass die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit von einem Abschluss des Geschäfts abgesehen hätten, hat eine Umdeutung zu unterbleiben.

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5. Prozessuale Behandlung. Die Umdeutung tritt kraft Gesetzes ein, ohne dass es einer entspr Erklärung einer Partei bedürfte (BAG NJW 2002, 2972, 2973). Sie ist im Prozess von Amts wegen zu beachten (BGH NJW 1963, 339, 340). Macht eine Partei Rechtsfolgen aus einem umgedeuteten Geschäft geltend, so hat sie für die von ihr für die Umdeutung behaupteten Tatsachen die Beweislast.

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6. Einzelfälle. a) Abtretung. Die unwirksame Abtretung einer Forderung kann in eine Einziehungsermächtigung umgedeutet werden (BGH 68, 118, 125; NJW 1987, 3121, 3122; NJW-RR 2003, 51, 52; NJW 2007, 1957, 1959). Möglich ist auch die Umdeutung der Abtretung eines schuldrechtlichen Herausgabeanspruchs aus einem Sicherungsgeschäft in die Abtretung des auf Herausgabe des Erlöses gerichteten Bereicherungsanspruchs (Hamm MDR 1962, 985). Gleiches gilt für die Umdeutung der Abtretung des Nießbrauchs in die Überlassung der Nießbrauchsausübung (RG JW 1910, 801).

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b) Anfechtung. Eine Anfechtung kann in eine Kündigung (BGH NJW 1975, 1700, 1701; Hamm VersR 1981, 275) oder einen Rücktritt umgedeutet werden (BGH NJW 2006, 2839, 2842; aA für Anfechtung eines Versicherers Köln VersR 1990, 769).

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c) Arbeits- oder Dienstvertrag. Die Umdeutung des Angebots eines Betriebsübernehmers (§ 613a) auf Abschluss eines Arbeitsvertrags in ein Angebot zur Vertragsänderung ist möglich (BAG NJW 1977, 1470), eines Beamtenverhältnisses in ein Arbeitsverhältnis dagegen idR nicht (BAG NJW 1960, 358, 359). Die fristlose (außerordentliche) Kündigung eines Arbeits- oder Dienstvertrags ist in eine ordentliche (fristgemäße) Kündigung umdeutbar, falls die Kündigung erkennbar notfalls auch als ordentliche Kündigung gelten sollte (BAG AP § 626 Druckkündigung Nr 10; NJW 1988, 581; NJW 2002, 2972, 2973; BGH 20, 239, 249; NJW 1998, 76) und beim Arbeitsvertrag die – notwendige – (vorsorgliche) Anhörung des Betriebsrats auch zu der ordentlichen Kündigung erfolgte (BAG NJW 1976, 2366, 2377; NJW 1979, 76, 77ff; NJW 1988, 581, 582; 1994, 1891, 1893). Entspr gilt für die Umdeutung einer fristlosen außerordentlichen Kündigung in eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist (BAG NJW 2001, 1229, 1230). Ferner kann eine fristlose Kündigung in ein Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags umgedeutet werden (BAG AP Nr 64 zu § 626; München NJW-RR 1995, 95 – Handelsvertretervertrag; LAG Düsseldorf BB 1996, 1119). Unzulässig ist dagegen die Umdeutung der formnichtigen Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses in eine Suspendierung der beiderseitigen Hauptleistungspflichten (ArbG Berlin NJ 2003, 332) oder einer ordentlichen Kündigung in eine außerordentliche (BAG AP Nr 1 zu § 44 TV AL II) oder in eine Anfechtung des Arbeitsvertrags (BAG NJW 1976, 592). Wenn eine Betriebsvereinbarung über die Erhöhung der bisherigen Vergütung und über Weihnachtsgeld wegen Verstoßes gegen § 77 III BetrVG nichtig ist, kann die ihr zugrundeliegende Erklärung des Arbeitgebers ausnahmsweise unter der Voraussetzung in ein entspr Vertragsangebot an die einzelnen Arbeitsnehmer umgedeutet werden, dass besondere Umstände auf den Willen des Arbeitgebers schließen lassen, sich unabhängig von der betriebsverfassungsrechtlichen Regelungsform ggü den Arbeitnehmern binden zu wollen (BAG NZA 1990, 69; 1996, 948, 949; 1997, 951, 954).

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d) Erbrecht. Ein gemeinschaftliches Testament, das nur von einem Ehegatten unterschrieben worden ist, kann in ein Einzeltestament umgedeutet werden, wenn dies dem Erblasserwillen entspricht (BayObLG NJW-RR 1992, 332, 332). Auch bei einem unwirksamen gemeinschaftlichen Testament von Nichteheleuten ist eine Umdeutung in Einzeltestamente möglich (Braunschweig NJW-RR 2005, 420

A. Arnold

Willenserklärung

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1027, 1028; LG Bonn NJW-RR 2004, 10). Beim gemeinschaftlichen Testament lassen sich aber wechselbezügliche Verfügungen nicht ohne weiteres in einseitige Verfügungen von Todes wegen umdeuten (Hamm NJW-RR 1996, 1290). Ein nichtiger Erbvertrag kann, soweit der Erblasserwille dies zulässt, in ein gemeinschaftliches oder einfaches Testament (BayObLG NJW-RR 1996, 7, 8; Jena FamRZ 1994, 786) oder in einen schenkweisen Erlass (BGH NJW 1978, 423) umgedeutet werden. Zulässig ist die Umdeutung einer nach § 2302 nichtigen Verpflichtung zum Abschluss eines Erbvertrags in einen Vertrag zugunsten Dritter, sofern der Inhalt dieses Vertrags genügend konkret ist (BGH LM Nr 3), sowie einer (wegen § 311b IV nichtigen) Erbteilsübertragung in einen Erbverzicht (BGH NJW 1974, 43, 44). Umdeuten lässt sich ausnahmsweise auch eine gem § 1365 unwirksame Vermögensübertragung unter Lebenden in einen Erbvertrag, wenn gewichtige Anhaltspunkte für einen dahingehenden hypothetischen Parteiwillen sprechen; durch die Umdeutung dürfen aber die Genehmigungsverweigerung nicht unterlaufen und der Schutzzweck des § 1365 nicht ausgehöhlt werden (BGH 40, 218, 220; 125, 355, 363; NJW 1980, 2350, 2353). Eine in den Scheidungsvergleich aufgenommene Verpflichtung, ein Testament nicht zu ändern, kann in einen Erbvertrag umgedeutet werden (Stuttgart NJW 1989, 2700, 2701), eine gegen § 2302 verstoßende Auflagenanordnung in eine Vor- und Nacherbschaftseinsetzung (Hamm NJW 1974, 60). Ein Erbschaftskauf kann in einen Erbauseinandersetzungsvertrag (RG 129, 122, 123) oder in die Abtretung der Erbauseinandersetzungsansprüche (RG 137, 171, 176) umdeutbar sein. Umgedeutet werden kann in einen Erbauseinandersetzungsvertrag auch die nach § 2033 unwirksame Veräußerung eines Erbschaftsgegenstandes (Bremen OLG 1987, 10, 11). Ferner soll ein Schenkungsversprechen oder ein schenkweise gegebenes Schuldanerkenntnis als ein Testament aufrechterhalten werden können (RG JW 1910, 467; Koblenz NJW 1948, 384; aA Flume § 32, 9e). e) Handels- und Gesellschaftsrecht. Bei handelsrechtlichen Dauerbeziehungen (zB Vertragshänd- 22 ler) kommt je nach Lage des Einzelfalles ebenfalls – wie im Arbeits- und Dienstvertragsrecht – die Umdeutung einer außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung in Betracht (BGH NJW-RR 1992, 1059; Saarbrücken NJW-RR 1998, 1191, 1192). Möglich ist die Umdeutung der Anfechtung des Gesellschaftsvertrags in eine Kündigung aus wichtigem Grund (BGH NJW 1975, 1700, 1701), der Stimmrechtsübertragung eines Kommanditisten in einen gesellschaftsvertraglichen Stimmrechtsausschluss, verbunden mit der Erhöhung des Stimmrechts anderer Gesellschafter (BGH 20, 363, 370) und der unzulässigen Stimmrechtsübertragung oder -ermächtigung in eine widerrufliche Stimmrechtsvollmacht (Koblenz ZIP 1992, 844, 846; Hamburg NJW 1989, 1865, 1866). Die Übertragung eines Gesellschaftsanteils ist in die Abtretung der Ansprüche aus § 717 S 2 umdeutbar (RG Recht 1913 Nr 1424), nicht aber in die Auflassung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück, von dem die Beteiligten irrig angenommen haben, dass er zum Gesellschaftsvermögen gehöre (BayObLG NJW-RR 1999, 620, 621). Die Umdeutung eines Treuhandvertrags an einem GmbH-Geschäftsanteil in eine Unterbeteiligung ist nicht möglich, wenn die Parteien einen Zugriff auf die GmbH-Anteile als Ganzes vereinbaren wollten (Bamberg NZG 2001, 509, 510). Auch im Gesellschaftsrecht kann eine unwirksame außerordentliche Kündigung in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden (BGH NJW 1998, 1551; für einen Geschäftsführeranstellungsvertrag BGH NJW-RR 2000, 987, 988). Keinen Fall der Umdeutung stellt es dagegen – entgegen verbreiter Auffassung (s nur BGH 19, 269, 272; Staud/Roth Rn 57; Erman/Palm12 Rn 23) – dar, wenn die Gesellschafter eine OHG gründen wollen, tatsächlich aber nur eine GbR zulässig wäre. Abgesehen davon, dass § 105 II HGB in vielen Fällen ohnehin auch bei Fehlen eines Handelsgewerbes den Zugang zur OHG eröfffnet, entsteht hier bereits kraft Rechtsformzwangs statt einer OHG eine GbR (Flume AT I, § 13 III; vgl auch K. Schmidt, GesR § 44 I 1). Entspr muss im umgekehrten Fall gelten, dass die Beteiligten eine GbR wollten, dies wegen des Betriebs eines Handelsgewerbes aber nicht möglich ist. In Betracht zu ziehen ist in diesen Fällen allein die Zulassung einer Kündigung aus wichtigem Grund (Flume AT I, § 13 III). f) Grundstücksgeschäfte. Ein unwirksamer Grundstücksveräußerungsvertrag lässt sich in die Ver- 23 pflichtung zur Nießbrauchsbestellung (RG 110, 391, 392; JW 1937, 3153) oder in die Einräumung eines Optionsrechts (RG 169, 65, 71) umdeuten, eine unwirksame Erbbaurechtsbestellung in einen Pachtvertrag (RG Recht 1928 Nr 393). Ein dingliches Vorkaufsrecht ist in ein persönliches, durch Vormerkung zu sicherndes Vorkaufsrecht umdeutbar (RG 104, 122, 123; BGH LM § 497 BGB Nr 6). Eine Grunddienstbarkeit kann wegen des Eintragungserfordernisses zugunsten einer individuell bestimmten Person nicht in eine persönliche Dienstbarkeit umgedeutet werden (München NJW 1957, 1765, 1766). Die nichtige Übertragung von WE ist in die Vereinbarung eines Dauerwohnrechts umdeutbar (BGH NJW 1963, 339). Umdeutbar können auch nichtige Wohnungseigentümerbeschlüsse sein (Schleswig NZM 2005, 669, 672). Die unwirksame Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum kann aber nicht in die Begründung von Sondernutzungsrechten umgedeutet werden (Düsseldorf NJW-RR 1996, 210; zur Umdeutung in eine Kostentragungsregelung vgl Niedenführ NZM 2002, 106 und AG Hamburg ZMR 2004, 221), die unwirksame Einräumung von Sondereigentum nicht in ein weitergehendes Sondernutzungsrecht (BayObLG MDR 1981, 145; s aber iÜ KG NZM 1999, 258, 259), wohl aber uU in eine Instandsetzungspflicht (Hamm NJW-RR 1992, 148, 149). g) Gütergemeinschaft. Umdeutbar ist die Verfügung über einen Anteil an einer fortgesetzten Gü- 24 tergemeinschaft in die Übertragung des Anspruchs auf das, was dem Betreffenden bei der Auseinandersetzung zusteht (BGH MDR 1966, 750) sowie die Abtretung des Anteils des Ehegatten am Grundstück der Gütergemeinschaft in die Abtretung des Anspruchs auf den Auseinandersetzungserlös (Frankfurt LZ 1929, 575). h) Miete und Pacht. Eine außerordentliche Kündigung kann in eine ordentliche umgedeutet wer- 25 den, wenn das Vertragsverhältnis erkennbar auf jeden Fall beendet werden soll (BGH NJW 1981, 976, A. Arnold

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Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

977), dagegen nicht ohne weiteres in ein Angebot auf eine Vertragsaufhebung (BGH NJW 1981, 43, 44; WM 1984, 171; Düsseldorf ZMR 2003, 921). Eine ordentliche Kündigung mit unrichtig berechneter Kündigungsfrist ist in eine Kündigung zum richtig berechneten Termin umdeutbar, wenn es dem hypothetischen Willen des Kündigenden entspricht (Frankfurt NJW-RR 1990, 337; Hamm MDR 1994, 56). Die unwirksame Abtretung des Kündigungsrechts an den Käufer eines Grundstücks lässt sich in eine wirksame Ermächtigung zur Kündigung im eigenen Namen schon vor der Umschreibung im Grundbuch umdeuten (BGH NJW 1998, 896, 897). Nicht in Betracht kommt die Umdeutung eines einseitigen unwirksamen Mieterhöhungsverlangens in ein Angebot auf Abschluss einer Mieterhöhungsvereinbarung, das stillschw angenommen werden kann (BGH NJW-RR 2005, 1464, 1466; 2007, 1382, 1383). 26

i) Sicherungsrechte. aa) Hypothek. Die Abtretung einer als Buchhypothek angesehenen Briefhypothek kann als Abtretung des Anspruchs auf Rückübertragung der an einen Dritten abgetretenen Hypothek aufrechterhalten werden (RG Recht 1909 Nr 3032). Die Abtretung einer nichtigen, vermeintlich zur Eigentümergrundschuld gewordenen Hypothek ist in die Bestellung einer Fremdgrundschuld umdeutbar (RG LZ 1931, 839). Möglich soll auch die Umdeutung einer Hypothek mit unzulässiger Kursgarantieklausel in eine Hypothek ohne diese Klausel sein (RG 108, 146, 149).

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bb) Pfandrecht, Sicherungsübereignung und -abtretung. Ein unwirksames Pfandrecht kann als Zurückbehaltungsrecht an dem geleisteten Gegenstand bis zur Rückzahlung des Kredits aufrechterhalten werden (RG 66, 24, 27; Staud/Roth Rn 67). Eine unwirksame Sicherungsübereignung eines Grundstücks kann in die Verpflichtung zur Bestellung einer Sicherungshypothek umgedeutet werden (RG JW 1929, 70). Eine unwirksame Verpfändung einer beweglichen Sache oder Forderung lässt sich nicht in eine Sicherungsübereignung oder Sicherungsabtretung umdeuten, weil diese weiter reichen als das Ausgangsgeschäft (Medicus AT Rn 526). Dagegen kann eine Sicherungsabtretung in eine Verpfändung der Forderung umgedeutet werden (BGH VersR 1953, 470; Staud/Roth Rn 67).

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cc) Bürgschaft. Die Umdeutung einer formnichtigen Bürgschaft in einen Schuldbeitritt ist schon deshalb nicht möglich, da andernfalls § 766 BGB umgangen würde (s Rn 12). Aber auch iÜ kommt eine derartige Umdeutung nicht in Betracht, da der Schuldbeitrtt zu einer nicht nur akzessorischen Haftung führt (AnwK/Faust Rn 21; MüKo/Busche Rn 24). Eine unwirksame öffentlich-rechtl Haftungserklärung soll in eine Bürgschaft umdeutbar sein (BGH VersR 2009, 1384, 1385).

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j) Wertpapiere. Ein formnichtiger gezogener Wechsel ist in eine kaufmännische Anweisung (§ 363 I S 1 HGB) oder in eine bürgerlich-rechtliche Anweisung (§ 783) umdeutbar (Bamberg NJW 1967, 1913, 1914; Staud/Roth Rn 61), ein formnichtiger eigener Wechsel in einen kaufmännischen Verpflichtungsschein (§ 363 I S 2 HGB) oder in ein abstraktes Schuldversprechen (RG 136, 207, 210; BGH ZIP 1988, 16, 18; MüKo/Busche Rn 28). Ebenso kann die Annahmeerklärung auf einem formnichtigen Wechsel in ein abstraktes Schuldversprechen umgedeutet werden (BGH 124, 263, 268f; AnwK/Faust Rn 26). Nicht umdeutungsfähig sind dagegen die Erklärungen auf einem gültigen, aber präjudizierten Wechsel (BGH 3, 238, 239 – für Scheck; Pal/Ellenberger Rn 12; Soergel/Hefermehl Rn 25). Ebenso können Blankoindossamente auf einem nichtigen Wechsel nicht in eine bürgerlich-rechtliche Verpflichtungserklärung umgedeutet werden (RG 130, 82, 84; BGH NJW 1957, 1837, 1838; anders aber Flume § 32, 9e; Staud/Roth Rn 61). Ein Scheck kann in eine Ermächtigung des Scheckausstellers an die bezogene Bank umgedeutet werden, für ihn und auf seine Rechnung an den Scheckbegünstigten zu zahlen (BGH NJW 2001, 1855), regelmäßig nicht aber in einen kaufmännischen Verpflichtungsschein, ein selbständiges Schuldversprechen oder einen Garantievertrag, da es an einem entspr hypothetischen Willen fehlen dürfte (vgl Düsseldorf WM 1973, 403; Karlsruhe NJW 1977, 589; MüKo/Busche Rn 28; Soergel/Hefermehl Rn 25). Das Indossament auf einem Ladeschein kann in die Abtretung des Herausgabeanspruchs umgedeutet werden (RG SeuffA 67 Nr 83).

141

Bestätigung des nichtigen Rechtsgeschäfts (1) Wird ein nichtiges Rechtsgeschäft von demjenigen, welcher es vorgenommen hat, bestätigt, so ist die Bestätigung als erneute Vornahme zu beurteilen. (2) Wird ein nichtiger Vertrag von den Parteien bestätigt, so sind diese im Zweifel verpflichtet, einander zu gewähren, was sie haben würden, wenn der Vertrag von Anfang an gültig gewesen wäre.

1

1. Bedeutung. Die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts ist vom Gesetz ohne zeitliche Einschränkungen als dauerhafte Rechtsfolge angeordnet; das gilt regelmäßig selbst dann, wenn der Nichtigkeitsgrund später wegfällt. § 141 I räumt jedoch demjenigen, der ein nichtiges Rechtsgeschäft vorgenommen hat, die Befugnis ein, dieses durch Bestätigung zu einem gültigen zu machen. Die Bestätigung ist eine Willenserklärung, durch die jemand sein nichtiges Geschäft als gültig anerkennt. Sachlich ist die Bestätigung eine Neuvornahme des nichtigen Rechtsgeschäfts.

2

2. Voraussetzungen. a) Es muss ein aus irgendeinem Grunde – auch Anfechtung (§ 142, vgl BGH NJW 1971, 1795, 1800) – nichtiges Rechtsgeschäft vorliegen; erfasst sind sowohl Verträge als auch einseitige Rechtsgeschäfte (AnwK-BGB/Faust Rn 8). In entspr Anwendung von § 141 kann auch ein infolge eines (Verbraucher-)Widerrufs (Braunschweig NZG 2003, 1156, 159) oder der Verweigerung einer erforderlichen Genehmigung unwirksames Rechtsgeschäft bestätigt werden (BGH NJW 1999, 3704, 3705), nicht aber ein schwebend unwirksames Rechtsgeschäft bis zur Entscheidung über die Genehmigung (LG Braunschweig WM 2006, 319, 321). Wenn es schon an einem bestätigungsfähigen Rechtsgeschäft fehlt, greift aber § 141 von vornherein nicht ein (BGH NJW 1987, 1698, 1699 – für den Fall eines Beitritts zu einer nicht bestehenden Schuld; KG DNotZ 1999, 157, 160).

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A. Arnold

Willenserklärung

§ 141

b) Erforderlich ist ein erklärter Bestätigungswille. Er setzt nach der Rspr Kenntnis der Nichtigkeit, 3 mindestens aber Zweifel an der Gültigkeit des Geschäfts voraus und muss danach darauf gerichtet sein, die Wirksamkeit auf alle Fälle zu sichern (RG 150, 385, 388; BGH 110, 220, 222; BGH NJW 1982, 1981; 2006, 2116, 2117; BAG NJW 2005, 2333, 2334). Die in der Rspr vielfach verwandte Formulierung kann den unrichtigen Eindruck erwecken, für eine wirksame Bestätigung sei entgegen der neueren Rspr zum Erklärungsbewusstsein (vgl Vor § 116 Rn 15) neben dem allg Handlungsbewusstsein als besondere subjektive Voraussetzung ein spezifisches Erklärungsbewusstsein („Bestätigungsbewusstsein“) erforderlich. Notwendig ist demgegenüber allein eine Erklärung – bei Verträgen eine Erklärung aller Vertragschließenden –, die (ggf mit Hilfe der Auslegung) den Willen der Erklärenden ergibt, das möglicherweise bis dahin unwirksame Geschäft solle fortan gültig sein (ähnlich Medicus AT Rn 531; Staud/Roth Rn 20; in diesem Sinne auch BGH NJW-RR 2003, 769, 770; Frankfurt NJW-RR 2004, 1640, 1641; Hamm NJOZ 2006, 428, 436). Nicht erforderlich ist es also, dass beide Parteien davon ausgehen, dass das Geschäft nichtig ist; es genügt, wenn beide Parteien irrtümlich von der Wirksamkeit des Geschäfts ausgehen, aber bestehende Zweifel ausräumen wollen (BGH ZIP 2009, 264, 266). c) In der Erklärung des Bestätigungswillens liegt die erneute Vornahme des Rechtsgeschäfts. Die 4 Erklärung kann ausdr oder konkludent erfolgen (BGH 11, 59, 60). Dafür reicht aus, dass die Parteien sich nach dem Inhalt ihrer Erklärung in Kenntnis der (möglichen) Nichtigkeit auf den Boden der früheren Vereinbarung stellen (BGH NJW 1982, 1981). Ein Festhalten an einem unerkannt nichtigen Geschäft ist aber keine Bestätigung (BGH 129, 371, 377). Eine Erfüllungshandlung kann eine Bestätigung enthalten (vgl BGH WM 1983, 231, 232), ebenso eine Vertragsänderung (BGH NJW 1982, 1981), ein „Rücktritt von der Kündigung“ (Frankfurt NJW-RR 2004, 1640, 1641) oder eine Veräußerung der erworbenen Sache. Auch ein Verhalten im Prozess kann eine Bestätigung darstellen (RG 125, 3, 7), nicht aber ohne weiteres eine Freigabe im Insolvenzverfahren (Düsseldorf BB 1994, 1379, 1380). In einer Weiterbenutzung der gekauften Sachen nach erfolgter Anfechtung liegt nur dann eine Bestätigung, wenn das Verhalten eindeutig nicht anders als eine Bestätigung des nichtigen Geschäfts zu verstehen ist (BGH NJW 1971, 1795, 1800; 1985, 2579, 2580). Die Verfolgung von Gewährleistungsansprüchen ist idR keine Bestätigung (vgl BGH 110, 220, 222 zu § 144). Bei dem neuen Geschäft müssen im Zeitpunkt der Bestätigung sämtliche Wirksamkeitsvorausset- 5 zungen einer Neuvornahme erfüllt sein. Die Vorschriften über Willenserklärungen greifen ein. Demnach ist bei einer einseitigen empfangsbedürftigen Erklärung etwa der Zugang, bei einem Vertrag eine bestätigende Willensübereinstimmung der Vertragsparteien über den ganzen Vertragsinhalt erforderlich (RG 61, 264, 266). Es darf bei dem neuen Geschäft nicht mehr der Nichtigkeitsgrund des alten oder ein anderer Nichtigkeitsgrund bestehen. Daher ist die Bestätigung eines sittenwidrigen Geschäfts nicht möglich (RG 64, 141, 149). Sie kommt nur in Betracht, wenn die Gründe für die Sittenwidrigkeit weggefallen sind (BGH 60, 102, 108). Sofern sie nur teilw weggefallen oder neue sittenwidrige Umstände hinzugekommen sind, ist die Sittenwidrigkeit aufgrund der nunmehr insgesamt bestehenden Umstände neu zu prüfen (vgl BGH NJW 1982, 1981, 1982). Ein wucherisches Geschäft kann nach Wegfall der subjektiven Voraussetzungen bestätigt werden. Ebenso ist die Rechtslage bei gesetzwidrigen Geschäften; eine wirksame Bestätigung ist (erst) nach Wegfall des gesetzlichen Verbots möglich (RG 138, 52, 55; BGH 11, 59, 60). Die Bestätigung eines formbedürftigen Rechtsgeschäfts kann – anders als bei der Bestätigung nach § 144 – wirksam nur unter Beachtung der Formvorschrift erfolgen (MüKo/Busche Rn 15). Dies gilt auch dann, wenn die Unwirksamkeit des zu bestätigenden Geschäfts nicht aus der Verletzung einer Formvorschrift, sondern aus einem anderen Grund herrührt (BGH NJW 1985, 2579, 2580; BAG NJOZ 2006, 4677, 4680; aA Staud/Roth Rn 16). Abw gilt nur, wenn die Formvorschrift zwischenzeitlich entfallen ist (BGH NJW 1973, 1367). Bei der Bestätigung ist aber eine Bezugnahme auf die ursprünglichen Erklärungen möglich (Bsp BGH NJW 1993, 1070, 1071; Celle DNotZ 1980, 414f); insofern ist die Bestätigung ein vereinfachtes Verfahren der Fehlerbereinigung. Unter den Voraussetzungen des § 139 kommt eine Teilbestätigung in Betracht. 3. Wirkung. a) Die Bestätigung führt keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt des früheren (nichti- 6 gen) Geschäfts herbei. Vielmehr entsteht erst durch die in ihr liegende Neuvornahme ein wirksames Geschäft (BGH NJW 1999, 3704, 3705; BAG NJW 2005, 2333, 2334 und 3595f; NJOZ 2006, 4677, 4679). Frühestens mit Wirksamkeit der Bestätigung wird auch eine bereits aufgrund des nichtigen Geschäfts eingetragene Vormerkung wirksam (str, vgl Frankfurt DNotZ 1995, 539, 540). Zwischenverfügungen bleiben daher unberührt. b) Bei Verträgen ist im Zweifel eine Rückwirkungsvereinbarung in schuldrechtlicher Hinsicht an- 7 zunehmen (§ 141 II). Es entspricht regelmäßig den Interessen der Vertragsparteien, dass sie schuldrechtlich verpflichtet sein sollen, einander das zu gewähren, was sie haben würden, wenn der Vertrag von Anfang an gültig gewesen wäre. Ein entgegenstehender Parteiwille muss unzweideutig erklärt werden, damit die Vermutung des § 141 II nicht eingreift (RG JW 1931, 2227). Die Vorschrift gilt nicht für einseitige Geschäfte und ist auch nicht auf die Bestätigung formnichtiger (§ 14 IV TzBfG) Befristungsabreden im Arbeitsrecht anzuwenden (BAG NJW 2005, 2333, 2334 und 3595, 3596). 4. Abgrenzung. Unter § 141 fallen nicht: a) Die Bestätigung eines anfechtbaren Geschäfts. Sie ist 8 nach § 144 eine einseitige Willenserklärung des Anfechtungsberechtigten. Wenn aber das anfechtbare Geschäft wirksam angefochten worden und damit nichtig ist, greift § 141 ein. b) Die Heilung eines formnichtigen Geschäfts durch Erfüllung (zB §§ 311b I, 518 II, 766 S 3, 2301 II; § 15 IV S 2 GmbHG; § 1031 VI ZPO). Sie erfolgt durch Geschäftsvollzug und setzt keinen Bestätigungswillen voraus. Jedoch greift der Rechtsgedanke des § 141 II als vermuteter Parteiwille ein (RG 115, 6, 12; BGH 32, 11, 13). c) Die Ergänzung eines unvollständig beurkundeten Vertrags durch Beurkundung des restlichen Parteiwillens. Sie bedarf keines Bestätigungswillens (RG JW 1929, 575). Die Ergänzung oder ÄndeA. Arnold

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§ 141

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

rung kann aber gleichzeitig Bestätigung sein (BGH 7, 161, 163). d) Die Genehmigung. Sie erfolgt idR durch einen Dritten (§§ 182, 177; anders § 108 III) und bewirkt rückwirkende Heilung des schwebend unwirksamen Geschäfts (§ 184). e) Die Bestätigung einer nichtigen Ehe bestimmt sich nach § 1315 I Nr 2.

142

Wirkung der Anfechtung (1) Wird ein anfechtbares Rechtsgeschäft angefochten, so ist es als von Anfang an nichtig anzusehen. (2) Wer die Anfechtbarkeit kannte oder kennen musste, wird, wenn die Anfechtung erfolgt, so behandelt, wie wenn er die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gekannt hätte oder hätte kennen müssen.

1

1. Anwendungsbereich. § 142 greift nicht nur in den Fällen der §§ 119, 120, 123, sondern auch bei den erbrechtlichen Anfechtungstatbeständen der §§ 1956, 2078f, 2281ff, 2308 ein. Immer geht es um die Vernichtung eines Rechtsgeschäfts wegen eines Willensmangels. Deshalb gehören § 2340 sowie die Gläubigeranfechtung inner- und außerhalb des Insolvenzverfahrens nicht hierher. Für einen Willensmangel bei der Eheschließung gelten die Spezialvorschriften der §§ 1313ff, bei der Annahme als Kind §§ 1759, 1760, beim Vaterschaftsanerkenntnis § 1598.

2

2. Rechtsfolge des Abs I. a) Nichtigkeit. Die Anfechtungserklärung bewirkt, dass das angefochtene Rechtsgeschäft als von Anfang an nichtig anzusehen ist (Wirkung ex tunc). Es entsteht nicht etwa wie beim Rücktritt oder bei Ausübung eines Widerrufsrechts (§ 355) ein Rückgewährschuldverhältnis. Die Anfechtung reformiert das angefochtene Geschäft nicht, sondern kassiert es. An die Stelle des angefochtenen Geschäfts tritt also grds nicht das Geschäft, das ohne Willensmangel des Anfechtungsberechtigten zustande gekommen wäre. Der Erklärende darf aber seinen Willensmangel nicht dazu benutzen, von seiner Erklärung loszukommen, weil er das von ihm (ohne Willensmangel) Gewollte jetzt bereut. Er muss sich also vom anderen Teil, wenn dieser es wünscht, am tatsächlich Gewollten festhalten lassen (Staud/Roth Rn 38; Flume § 21, 6; Larenz/Wolf AT § 36 Rn 113; Medicus AT Rn 781; Lobinger AcP 195 [1995], 274ff; aA Soergel/Hefermehl Rn 9; Spieß JZ 1985, 593ff).

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b) Wirkung gegenüber jedermann. Die rückwirkende Vernichtung des Rechtsgeschäfts wirkt absolut, also ggü jedermann und nicht nur im Verhältnis zw Anfechtendem und Anfechtungsgegner. Ist das Geschäft zw Gläubiger und Schuldner wirksam angefochten, verliert demnach der Zessionar, dem der Gläubiger die Forderung aus dem Geschäft abgetreten hat, die Forderung. Ein mithaftender Dritter (zB Bürge, Pfandschuldner), dem vor der Anfechtung nur ein Leistungsverweigerungsrecht (vgl §§ 770, 1137, 1211; § 129 II HGB) zusteht, kann nicht in Anspruch genommen werden, wenn das Geschäft, aus dem sich die gesicherte Forderung ergibt, durch Anfechtung vernichtet worden ist. Der Makler verliert die Vermittlungsgebühr für das angefochtene Geschäft (RG 76, 354, 355), der Begünstigte beim angefochtenen Vertrag zugunsten Dritter seinen Anspruch.

4

c) Reichweite der Nichtigkeit. Die Anfechtung bewirkt sowohl die Nichtigkeit eines einseitigen Rechtsgeschäfts als auch die Nichtigkeit von Verträgen. Anfechtbar ist allerdings nur die einzelne, mit einem Willensmangel behaftete Willenserklärung (s AnwK-BGB/Feuerborn Rn 3). Wird aber der Antrag oder die Annahmeerklärung angefochten, so fehlt letztlich eine der für einen wirksamen Vertrag erforderlichen Willenserklärungen. Bei einer wirksamen Teilanfechtung (vgl zu § 143 Rn 3) kommt unter den Voraussetzungen von § 139 Teilnichtigkeit bei Wirksamkeit iÜ in Betracht (Saarbrücken VersR 1996, 488, 489; Staud/Roth Rn 26).

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Ist nur eine zum schuldrechtlichen Vertrag gehörende Willenserklärung anfechtbar und angefochten, so bestehen keine vertraglichen Verpflichtungen, auch keine vertragsrechtlichen Schadensersatzansprüche (hM, s nur Pal/Ellenberger Rn 2; Höpfner NJW 2004, 2865; aA Derleder NJW 2004, 969, 970). Hat eine Partei bereits erfüllt, so bleibt wegen des Abstraktionsprinzips (Einl § 104 Rn 28) die Gültigkeit des Erfüllungsgeschäfts von der Nichtigkeit des Kausalgeschäfts unberührt. Das Geleistete kann aber wegen Fehlens des Rechtsgrundes als ungerechtfertigte Bereicherung (§ 812) zurückgefordert werden; bei Kenntnis der Anfechtbarkeit greift die verschärfte Haftung des § 819 ein (s Rn 10). Ist nur das Erfüllungsgeschäft (zB wegen einer Verwechselung bei Erfüllung eines Kaufvertrags) anfechtbar und angefochten, so besteht zB ein Herausgabeanspruch (§ 985) oder ein Grundbuchberichtigungsanspruch (§ 894), nicht aber ein Anspruch aus § 861 oder § 1007, da trotz der Anfechtbarkeit eine freiwillige Besitzaufgabe vorliegt. Das Verpflichtungs- und das Verfügungsgeschäft werden von der Anfechtung erfasst, wenn beide an einem (uU demselben) Willensmangel leiden (Fehleridentität; zB Verwechslung bei Kauf und Übereignung; arglistige Täuschung, die noch im Zeitpunkt der Erfüllung fortwirkt, s nur BGH 31, 321, 324; MüKo/Busche Rn 15; Staud/Roth Rn 22). Zur Diskussion, ob sich eine gleichzeitige Nichtigkeit von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft auch aus § 139 ergeben kann, s § 139 Rn 14.

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d) Endgültige Nichtigkeit. Die Wirkung der Anfechtungserklärung ist nicht durch Rücknahme zu beseitigen (RG 74, 1, 3; aA AnwK-BGB/Feuerborn Rn 15). Lediglich eine Neuvornahme des (durch Anfechtung) nichtigen Geschäfts nach § 141 ist möglich. Beruht die Anfechtungserklärung jedoch auf einem erheblichen Willensmangel, so kann sie wiederum durch Anfechtung rückwirkend vernichtet werden (BayObLG MDR 1980, 492; Pal/Ellenberger Rn 1).

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3. Ausnahmen von Abs I. Eine rückwirkende Vernichtung des Rechtsgeschäfts durch Anfechtung passt gelegentlich nicht für Dauerrechtsverhältnisse. So sind im Gesellschaftsrecht die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft zu beachten: Leidet beim Abschluss eines Vertrags über die Gründung einer Personengesellschaft die Erklärung eines Beteiligten an einem Willensmangel, so führt 424

A. Arnold

Willenserklärung

§ 143

dieser Mangel nach Invollzugsetzung der Gesellschaft im Hinblick auf den notwendigen Schutz des Verkehrs nicht mehr zur Nichtigkeit der Gesellschaft ex tunc; vielmehr ist die Gesellschaft aufzulösen und abzuwickeln (s nur statt vieler MüKo-HGB/K. Schmidt § 105 Rn 228ff). Ist eine Kapitalgesellschaft bereits ins Handelsregister eingetragen worden und damit entstanden, sind Willensmängel eines Beteiligten bei der Gründung sogar regelmäßig unbeachtlich (KK-AktG/Arnold § 23 Rn 164ff mwN). Ebenso wirkt bei in Vollzug gesetzten Arbeitsverträgen die Anfechtung wegen der besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers idR nur ex nunc (Einzelheiten § 611 Rn 267ff). Dagegen ist die Anfechtung eines Mietvertrags auch nach Übergabe der Mietsache uneingeschränkt möglich, da die Schwierigkeiten, die sich bei der Rückabwicklung ergeben, keine Ausnahme von der gesetzlich vorgesehenen Rückwirkung der Anfechtung rechtfertigen können (BGH NJW 2009, 1266, 1268 mwN). 4. Wirkung des Abs II. Mit der rückwirkenden Vernichtung eines Verfügungsgeschäfts wird auch 8 der Rechtserwerb rückwirkend nichtig. Hatte der Erwerber vor der Anfechtung als Berechtigter an einen Dritten weiterverfügt, so wird er mit der Anfechtung rückwirkend zum Nichtberechtigten. Der Dritte soll trotz der Anfechtung geschützt werden, wenn er zZ der Vornahme des anfechtbaren und später angefochtenen Verfügungsgeschäfts in Bezug auf das Fehlen der Anfechtbarkeit gutgläubig war (§ 142 II). Während also § 932 den guten Glauben des vom Nichtberechtigten Erwerbenden an das Eigentum schützt, geht es in § 142 II um den guten Glauben an das Fehlen der Anfechtbarkeit des Verfügungsgeschäfts. Diese Vorschrift ist nur in den Fällen anwendbar, in denen das Gesetz einen Gutglaubensschutz vorsieht (zB §§ 892f, 932ff, 1138, 1155, 1207f, 1244, § 366 HGB), nicht aber zB beim Erwerb einer Forderung (s sogleich Rn 9). Aus diesen Bestimmungen ergibt sich auch, ob dem Dritten nur die Kenntnis (zB § 892) oder auch grobfahrlässige Unkenntnis (zB § 932 II) der Anfechtbarkeit schadet. Maßgebend ist die Kenntnis oder das Kennenmüssen der Tatsachen/Umstände, welche die Anfechtbarkeit begründen, idR im Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs (BGH NJW-RR 1987, 1456, 1457); dabei ist § 166 anzuwenden (BGH NJW 1989, 2879, 2880). Auf die Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis der Rechtsfolgen kommt es nicht an (BGH NJW-RR 1987, 1456, 1457). Beim Erwerb von Forderungen scheidet ein Gutglaubensschutz grds aus. Wird der Abtretungsver- 9 trag angefochten, ist der Anfechtungsgegner Nichtberechtigter (RG JW 1906, 380). Die Leistung an ihn befreit den Schuldner nicht; auch § 122 hilft dem Schuldner nicht, da er nicht Empfänger der Abtretungserklärung ist; einen gewissen Schutz gewähren §§ 409f. Wegen § 142 II kann es erforderlich sein, auch ein nichtiges Geschäft anzufechten, wenn etwa der 10 Dritte in Bezug auf die Nichtigkeit des Verfügungsgeschäfts gutgläubig, in Bezug auf die Anfechtbarkeit aber bösgläubig ist (Kipp, Doppelwirkungen im Recht, FS v Martitz, 1911, 211; Staud/Roth Rn 27ff; vgl allg auch Schreiber AcP 211 (2011), 35ff). Abs II ist nicht nur im Hinblick auf den gutgläubigen Erwerb von Bedeutung. Vielmehr hat die Vor- 11 schrift bei der Anfechtung von Verpflichtungsgeschäften Bedeutung für die Frage, ob eine verschärfte Bereicherungshaftung nach §§ 818 IV, 819 besteht (s AnwK-BGB/Feuerborn Rn 17).

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Anfechtungserklärung (1) Die Anfechtung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Anfechtungsgegner. (2) Anfechtungsgegner ist bei einem Vertrag der andere Teil, im Falle des § 123 Abs. 2 Satz 2 derjenige, welcher aus dem Vertrag unmittelbar ein Recht erworben hat. (3) Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft, das einem anderen gegenüber vorzunehmen war, ist der andere der Anfechtungsgegner. Das Gleiche gilt bei einem Rechtsgeschäft, das einem anderen oder einer Behörde gegenüber vorzunehmen war, auch dann, wenn das Rechtsgeschäft der Behörde gegenüber vorgenommen worden ist. (4) Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft anderer Art ist Anfechtungsgegner jeder, der aufgrund des Rechtsgeschäfts unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt hat. Die Anfechtung kann jedoch, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben war, durch Erklärung gegenüber der Behörde erfolgen; die Behörde soll die Anfechtung demjenigen mitteilen, welcher durch das Rechtsgeschäft unmittelbar betroffen worden ist. 1. Anfechtungserklärung (Abs I). a) Willenserklärung. Die Anfechtungserklärung ist eine einseitige 1 empfangsbedürftige Willenserklärung. Die Anfechtung kann ausdr oder durch schlüssiges Verhalten erklärt werden. Eine bestimmte Ausdrucksweise (zB der Gebrauch des Wortes „Anfechtung“) ist nicht erforderlich (BGH NJW-RR 1995, 859). Es muss aber der Wille zum Ausdruck kommen, dass das Geschäft wegen eines Willensmangels dauerhaft beseitigt werden soll. Da die Anfechtungserklärung – wie jede Willenserklärung – auszulegen ist, kommt es im Einzelfall entscheidend darauf an, dass der Anfechtungsgegner der Erklärung nach ihrem objektiven Erklärungswert den Willen entnehmen kann, das Rechtsgeschäft solle wegen eines Willensmangels (rückwirkend) nicht (mehr) gelten. In der Rspr (RG 158, 166, 168; BGH 88, 240, 245; 91, 324, 332; NJW-RR 2002, 380; ähnlich Larenz/ Wolf AT § 44 Rn 35f) wird gelegentlich „Unzweideutigkeit“ der Erklärung idS gefordert. Dem ist zu widersprechen, wenn damit weitergehende Anforderungen gestellt werden sollten als allg bei der Auslegung von Willenserklärungen; es besteht kein Anlass, bei Anfechtungserklärungen die üblichen Auslegungsmaßstäbe zu verlassen (wie hier Canaris NJW 1984, 2281, 2282; Medicus AT Rn 717; Staud/ Roth Rn 2f). Eine Rücktrittserklärung (RG 105, 206, 207), eine Widerrufserklärung (§ 355), eine Kündigung (LAG Rostock NZA-RR 1996, 401, 402), das Verlangen auf Schadensersatz statt der Leistung (BGH NJW 1991, 1673, 1674), ein Klageabweisungsantrag im Prozess (BGH MDR 1955, 25) sowie eine A. Arnold

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§ 143

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

Strafanzeige (BGH WM 1975, 1002) reichen allein in aller Regel als Anfechtungserklärung nicht aus. Nach den Umständen können aber die Rückforderung des Geleisteten oder das Bestreiten einer nach dem objektiven Erklärungsinhalt bestehenden Forderung oder ein Widerspruch gegen sie als Anfechtungserklärung genügen (BGH 91, 324, 331f; NZBau 2006, 390, 391). Die Äußerung des Willens, das Rechtsgeschäft rückwirkend zu vernichten, ist nicht generell zu fordern; sie kann jedoch im Einzelfall zur Abgrenzung von einer erst in die Zukunft wirkenden Kündigung wichtig sein (Larenz/Wolf AT § 44 Rn 35f). 2

Str ist, ob die Angabe des Anfechtungsgrundes erforderlich ist. Nach dem Gesetzeswortlaut besteht ein derartiges Erfordernis nicht; auch iÜ verlangt das Gesetz bei Gestaltungserklärungen nur selten ausdr die Angabe von Gründen (so etwa in §§ 573 III 1, 573a III; vgl auch § 102 I 2 BetrVG). Dementsprechend ist in der Rspr bislang nicht die Angabe des Anfechtungsgrundes verlangt worden (RG 65, 86, 88; offenlassend BGH NJW 1966, 39; vgl auch BGH 34, 32, 39; gegen ein solches Erfordernis auch Erman/Palm12 Rn 1). In der Literatur hat sich jedoch inzwischen zu Recht die Auffassung durchgesetzt, dass die Nennung des Anfechtungsgrundes im Hinblick auf die berechtigten Interessen des anderen Teils nur dann entbehrlich ist, wenn sich der Anfechtungsgrund klar aus den Umständen ergibt (Pal/Ellenberger Rn 3; Staud/Roth Rn 11; Flume, 31, 2; Medicus AT Rn 724). Nennt der Anfechtende einen Anfechtungsgrund, ist es Auslegungsfrage, ob die Anfechtung auf diesen Grund beschränkt sein oder auch andere Gründe erfassen soll (so für die Frage, ob in der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zugleich eine solche wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft zu erblicken ist, BGH 34, 32, 39; 78, 216, 221). Ist die Anfechtung mit einer bestimmten Begründung erklärt worden, so ist das Nachschieben eines anderen Anfechtungsgrundes als neue Anfechtungserklärung aufzufassen, die allerdings verspätet sein kann (BGH NJW 1966, 39; 1995, 190, 191; NJW-RR 1993, 948; BAG AP § 119 BGB Nr 5; NJW 2008, 939, 940; MüKo/Busche § 143 Rn 10).

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Eine Teilanfechtung ist nur bei einem iSv § 139 teilbaren Rechtsgeschäft möglich; eine beschränkte Anfechtung bei einem untrennbaren Geschäft ist wirkungslos (RG 146, 234, 236; BGH DNotZ 1984, 684, 685; NJW-RR 2002, 380, 381; BAG NJOZ 2006, 1859, 1864 zur Teilanfechtung von Versorgungsvereinbarungen).

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b) Form. Die Anfechtungserklärung ist formlos gültig, selbst wenn das angefochtene Geschäft formbedürftig ist. Eine Form kann allerdings vereinbart werden. Dies gilt grds auch für Vereinbarungen in AGB. Dabei setzt aber in AGB § 309 Nr 13 Grenzen. Eine besondere Form ist für einige Anfechtungen im Erbrecht vorgeschrieben (zB §§ 1955, 2081, 2282 III).

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c) Bedingungsfeindlichkeit. Die Anfechtung ist als Gestaltungsrecht im Interesse des Anfechtungsgegners bedingungsfeindlich (RG 66, 153, 154; 146, 234, 238); jedoch sind als Bedingung solche Umstände zuzulassen, die im Belieben des Anfechtungsgegners stehen (AnwK-BGB/Feuerborn Rn 4; Larenz/Wolf AT § 44 Rn 37; aA Staud/Roth Rn 8; MüKo/Busche Rn 5). Zulässig ist auch eine Eventualanfechtung – etwa im Prozess – für den Fall, dass das Rechtsgeschäft nicht den behaupteten Inhalt hat oder nicht ohnehin nichtig ist (BGH NJW 1968, 2099) oder für den Fall des Scheiterns von Widerrufsrechten oder von Gewährleistungsansprüchen (BGH NJW 1991, 1673, 1674).

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2. Anfechtungsberechtigter. Anfechtungsberechtigt ist idR der Erklärende. Dies gilt allerdings nicht im Fall der Stellvertretung. Hier steht das Anfechtungsrecht dem Vertretenen zu, wenn er den Vertreter nicht auch zur Erklärung der Anfechtung bevollmächtigt hat (Staud/Roth Rn 14; Flume § 31, 3). Mehrere Anfechtungsberechtigte können die Anfechtungsbefugnis unabhängig voneinander ausüben (RG 56, 424, 424; 65, 399, 405; AnwK-BGB/Feuerborn Rn 10); die Auswirkungen der Anfechtung einer einzelnen Person richten sich nach § 139 (Soergel/Hefermehl Rn 7). Die Notwendigkeit der Anfechtung durch alle anfechtungsberechtigten Personen kann aber aus der Besonderheit des zw ihnen bestehenden Verhältnisses folgen (zB Gesamthandsgemeinschaft, insb Erbengemeinschaft; RG 107, 238; BGH NJW 1951, 308; Staud/Roth Rn 15).

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Das Anfechtungsrecht ist vererblich (Staud/Roth § 142 Rn 10). Es kann dagegen nicht selbständig übertragen werden und ist auch nicht pfändbar (AnwK-BGB/Feuerborn Rn 12; Larenz/Wolf § 44 Rn 26; aA MüKo/Busche Rn 7). Etwas anderes gilt, wenn das ganze Vertragsverhältnis kraft Gesetzes übergeht (zB §§ 566, 613a); da in den genannten Fällen aber auch noch den bisherigen Vermieter bzw Arbeitgeber Pflichten aus dem Vertrag treffen, steht das Anfechtungsrecht hier nur Veräußerer und Erwerber gemeinsam zu (Flume, § 31, 3; Medicus AT Rn 714). Ebenso geht das Anfechtungsrecht bei einer rechtsgeschäftlichen Vertragsübernahme über, wenn der Anfechtungsgrund beim Übernehmer fortbesteht (Staud/Roth § 142 Rn 9; Larenz/Wolf § 44 Rn 26). Eine Ermächtigung zur Geltendmachung im eigenen Namen ist möglich (AnwK-BGB/Feuerborn Rn 12; BeckOK/Wendtland Rn 8; Soergel/Hefermehl Rn 6).

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Ausnahmsweise kann eine andere Person als der Erklärende anfechtungsberechtigt sein. So kann ein Testament nicht vom Erblasser, sondern nur nach dessen Tod von bestimmten Dritten angefochten werden (§ 2080). Bei der Leistungsbestimmung durch einen Dritten sind die Vertragschließenden anfechtungsberechtigt (§ 318 II).

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3. Anfechtungsgegner. a) Vertrag. Beim Vertrag ist die Anfechtungserklärung grds ggü dem Vertragspartner (oder dessen Erben) abzugeben (§ 143 II). Dabei spielt es keine Rolle, ob der andere Teil zwischenzeitlich Rechte aus dem Vertrag an einen Dritten abgetreten hat (RG 86, 305, 310; AnwKBGB/Feuerborn Rn 14). Der Vertragspartner ist auch dann Anfechtungsgegner, wenn ein Vertrag zugunsten eines Dritten vorliegt (BGH LM Nr 8 zu § 9 PatG) oder wenn für den Vertragspartner ein Vertreter den Vertrag geschlossen hat; im letzten Fall wird der Vertreter aber regelmäßig auch zur Entgegennahme der Anfechtungserklärung bevollmächtigt sein. Anfechtungsgegner können auch 426

A. Arnold

Willenserklärung

§ 144

mehrere Personen sein. So ist etwa die Anfechtung eines Gesellschaftsvertrags ggü allen Mitgesellschaftern zu erklären (BGH LM Nr 9 zu § 182). Bei einer Vertragsübernahme soll der Übernehmer verpflichtet sein, die Anfechtung sowohl ggü dem verbleibenden als auch ggü dem ausscheidenden Vertragspartner zu erklären (BGH 96, 302, 310; krit Dörner NJW 1986, 2916). Ebenso soll, wenn die Vertragsübernahme zw dem ausscheidenden und dem eintretenden Vertragspartner vereinbart und vom verbleibenden Vertragspartner genehmigt wird, die Erklärung über die Anfechtung der Genehmigung an beide Parteien des Übernahmevertrags zu richten sein (BGH 137, 255, 260). Die Anfechtungserklärung eines Schuldübernahmevertrags, der zw altem und neuem Schuldner vereinbart und vom Gläubiger genehmigt worden ist, soll dagegen allein an den ursprünglichen Schuldner zu richten sein (BGH 31, 321, 325). Ausnahmsweise ist bei einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung Anfechtungsgegner der Dritte, der aus dem Vertrag unmittelbar ein Recht erworben hat, sofern er die Täuschung kannte oder kennen musste (§ 143 II iVm § 123 II S 2). b) Einseitiges empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft (Abs III). Bei einem einseitigen empfangs- 10 bedürftigen Rechtsgeschäft ist der Empfänger der anfechtbaren Erklärung Anfechtungsgegner (§ 143 III S 1). Wenn die Erklärung einer Behörde ggü abgegeben werden konnte (zB §§ 875 I S 2, 876 S 3, 880 II S 3, 1168 II S 2, 1180 I S 2, 1183 S 2) und abgegeben wurde, ist die Anfechtung ebenfalls an den Anfechtungsgegner zu richten (§ 143 III S 2). Unklar ist, ggü wem eine Erklärung angefochten werden muss, die wahlweise ggü zwei Personen abgegeben werden kann. Für die Erteilung der Vollmacht (§ 167) wird heute überwiegend angenommen, dass die Anfechtung, soweit der Bevollmächtigte von der Vollmacht noch keinen Gebrauch gemacht hat, ggü demjenigen erfolgen muss, ggü dem die Vollmacht erklärt worden war (AnwK-BGB/Feuerborn Rn 20; Medicus AT Rn 721). Entspr gilt grds auch für die Zustimmung nach § 182 (BeckOK/Bub Rn 23; Pal/Ellenberger § 182 Rn 1; zur Anfechtung der Gemehmigung zur Vertragsübernahme s aber Rn 9). c) Einseitige Rechtsgeschäfte anderer Art. Bei einem einseitigen nicht empfangsbedürftigen 11 Rechtsgeschäft (zB Dereliktion, § 959) ist nach § 143 IV S 1 Anfechtungsgegner derjenige, der aufgrund des anfechtbaren Rechtsgeschäfts unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt hat (zB der Aneignende, § 958 I). Bei einer amtsempfangsbedürftigen Willenserklärung (zB §§ 928, 1109 II S 2) kann die Anfechtung wahlweise ggü dem, der unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt hat, oder ggü der Behörde erfolgen (Ausnahme: Anfechtung der Ausschlagung nur ggü dem Nachlassgericht; § 1955). Die in Abs IV S 2 geregelte Mitteilungspflicht ist lediglich eine Ordnungsvorschrift. Für die Wirksamkeit der Anfechtung spielt es keine Rolle, wenn die Mitteilung unterbleibt (Pal/Ellenberger Rn 7).

144

Bestätigung des anfechtbaren Rechtsgeschäfts (1) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn das anfechtbare Rechtsgeschäft von dem Anfechtungsberechtigten bestätigt wird. (2) Die Bestätigung bedarf nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form.

1. Bedeutung. Das anfechtbare, aber (noch) nicht angefochtene Rechtsgeschäft ist gültig; deshalb 1 stellt seine Bestätigung – anders als in § 141 – nicht die Neuvornahme eines (nichtigen) Geschäfts, sondern einen einseitigen Verzicht des Anfechtungsberechtigten auf sein Anfechtungsrecht dar. Nach (wirksamer) Anfechtung des Geschäfts kommt hingegen nur noch eine Bestätigung (= Neuvornahme) nach § 141 in Betracht. Für die Bestätigung der aufhebbaren Ehe enthält § 1315 eine Spezialregelung. Die Bestätigung iSd § 144 soll nach traditioneller Auffassung eine nicht empfangsbedürftige Wil- 2 lenserklärung darstellen (s schon Mugdan I 731; RG 68, 398; 399; Pal/Ellenberger Rn 2; Erman/Palm12 Rn 1). In der Lit überwiegt demgegenüber heute zu Recht die Auffassung, dass die Bestätigung empfangsbedürftig ist, da der Anfechtungsgegner wissen muss, ob er auf den Bestand des Rechtsgeschäfts vertrauen kann (AnwK/Feuerborn Rn 7; Larenz/Wolf AT § 44 Rn 28; Medicus AT Rn 534; Staud/Roth Rn 4). 2. Voraussetzungen. Die Rspr verlangt, dass der Bestätigende Kenntnis vom Anfechtungsrecht 3 oder mindestens das Bewusstsein haben müsse, dass das Rechtsgeschäft möglicherweise anfechtbar ist (RG 68, 399, 400; BGH NJW 1971, 1795, 1800; 1995, 2290, 2291; NJW-RR 1996, 1281, 1283; ebenso Larenz/Wolf AT § 44 Rn 28). Soweit damit eine (zusätzliche) subjektive Wirksamkeitsvoraussetzung begründet werden soll, bestehen dagegen die gleichen Bedenken wie bei § 141 (§ 141 Rn 3). Für eine wirksame Bestätigung ist danach ein wie auch immer geartetes subjektives Bestätigungsbewusstsein nicht notwendig, sondern es genügt die Äußerung des Bestätigungswillens in einer entspr Erklärung (wie hier AnwK/Feuerborn Rn 4; Medicus AT Rn 531; Staud/Roth Rn 7, 8). Eine Bestätigung im Falle der Drohung (§ 123 I) setzt außerdem einen Wegfall der Zwangslage voraus (BAG AP § 123 Nr 16; Soergel/Hefermehl § 144 Rn 2). Die Bestätigung muss erklärt werden. Sie kann bei einem teilbaren Rechtsgeschäft auf einen Teil 4 oder bei mehreren Anfechtungsgründen auf einen einzelnen Grund beschränkt werden, MüKo/Busche Rn 7). Die Bestätigung bedarf nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form (§ 144 II). Möglich ist daher auch eine Bestätigung durch schlüssige Handlung. Diese muss jedoch den Willen erkennen lassen, an dem Geschäft trotz Anfechtungsmöglichkeit festzuhalten; die Rspr wertet ein Verhalten nur dann als konkludente Kundgabe eines Bestätigungswillens, wenn jede andere nach den Umständen einigermaßen verständliche Deutung ausscheidet (BGH 110, 220, 222; NJW 1958, 177; 1967, 720, 721; 1971, 1795, 1800; NJW-RR 1992, 779; BAG NJOZ 2006, 2031, 2034; NZA 2008, 348, 352; aA AnwK/FeuerA. Arnold

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§ 144

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

born Rn 8; krit dazu MüKo/Busche Rn 6). Für strenge Anforderungen spricht indes, dass ein Teilnehmer am Rechtsverkehr erfahrungsgemäß nicht ohne weiteres auf bestehende Befugnisse oder Gestaltungsmöglichkeiten verzichtet. Als konkludente Bestätigung kommt insb die freiwillige Erfüllung in Betracht (Koblenz FamRZ 1983, 720). Auch die vorbehaltlose Entgegennahme und/oder die Benutzung, der Verbrauch sowie die Veräußerung der entgegengenommenen Leistung können uU eine Bestätigung enthalten (vgl RG JW 1911, 359); sie reichen aber zB dann nicht aus, wenn sie auf wirtschaftlicher Notwendigkeit beruhen und/oder der Abwehr des Verderbs oder eines größeren Verlustes dienen (BGH NJW 1971, 1795, 1800; NJW-RR 1992, 779, 780). Bei bloßen Sicherungsmaßnahmen oder Verwaltungshandlungen kann idR nicht auf einen Bestätigungswillen geschlossen werden. Macht ein Käufer in Kenntnis seines Anfechtungsrechts wegen arglistiger Täuschung gerichtlich oder außergerichtlich einen Gewährleistungsanspruch geltend, so lässt sich daraus noch kein Bestätigungswille entnehmen (BGH 110, 220, 222; NJW 1958, 177). Bei einem anfechtbaren Arbeitsvertrag liegt in einer Kündigung zeitlich vor oder zeitgleich mit der Anfechtung ebenfalls keine Bestätigung (BAG NJOZ 2006, 2031, 2034), ebenso bei einem Versicherungsvertrag nicht in der routinemäßigen elektronischen Ausstellung eines Nachtrags zum Versicherungsschein (Saarbrücken VersR 2003, 890). 5

3. Wirkung. Die Bestätigung führt zum Verlust des Anfechtungsrechts. Bestätigt nur einer von mehreren Anfechtungsberechtigten, so wirkt die Bestätigung nur ihm ggü. Wie jede Willenserklärung kann auch die Bestätigung angefochten werden, so dass das Anfechtungsrecht wiederauflebt. Sonstige Rechte (zB Schadensersatzansprüche) erlöschen nicht durch die Bestätigung, sondern nur durch Erlassvertrag (RG JW 1911, 398; AnwK/Feuerborn Rn 13). Ob der Bestätigende (auch) einen Erlasswillen und der Vertragspartner die Annahme erklärt hat, ist Auslegungsfrage; idR wird freilich der Wille des Bestätigenden auf Beseitigung aller aus dem Anfechtungstatbestand folgenden Ansprüche gehen.

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4. Beweislast. Wer den Ausschluss des Anfechtungsrechts geltend macht, hat die Bestätigung zu beweisen (BGH NJW 1967, 720, 721). Dabei soll es allerdings genügen, wenn der andere Teil nachweist, dass der Anfechtungsberechtigte die Tatsachen kannte, die sein Anfechtungsrecht begründen (MüKo/Busche Rn 9).

Titel 3 Vertrag Vorbemerkung I. Grundlagen Schrifttum: Bailas, Das Problem der Vertragsschließung und der vertragsbegründende Akt, 1962; F. Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, 1967; Flume, Rechtsgeschäft und Privatautonomie, in FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT I, 1960, 135; Jansen/Zimmermann, Vertragsschluss und Irrtum im europäischen Vertragsrecht, AcP 210 (2010), 196; Kramer, Grundlagen der vertraglichen Einigung, 1972; Köhler, Vertragsrecht und „Property Rights“-Theorie, ZHR 144 (1980), 589; Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1980; Leenen, Abschluss, Zustandekommen und Wirksamkeit des Vertrages, AcP 188 (1988), 559; Leenen, Willenserklärung und Rechtsgeschäft in der Regelungstechnik des BGB, in FS Canaris, 2007, 699; Limbach, Das Rechtsverständnis in der Vertragslehre, JuS 1985, 10; Mayer-Maly, Vertrag und Einigung, in FS Nipperdey I, 1965, 509; L. Raiser, Vertragsfunktion und Vertragsfreiheit, in FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT I, 1960, 101; L. Raiser, Die Aufgabe des Privatrechts, 1977; Reinhardt, Die Vereinigung subjektiver und objektiver Gestaltungskräfte im Vertrage, in FS Schmidt-Rimpler, 1957, 115; Rother, Der Vertrag als Vertragsgegenstand, in FS Larenz, 1973, 409; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2001; Schapp, Grundfragen der Rechtsgeschäftslehre, 1986; Schmidt-Rimpler, Zum Vertragsproblem, in FS Raiser, 1974, 3; Tosche, Entwicklung und Auflösung der Lehre vom Vertrag, 1980; Willoweit, Rechtsgeschäft und einverständliches Verhalten, NJW 1971, 2045. Vgl auch die Schrifttumsangaben vor Rn 14, 26, 39, 42, 46, 53.

1

1. Überblick. a) Anwendungsbereiche von Verträgen. Die §§ 145–157 enthalten Regeln darüber, unter welchen Voraussetzungen ein Vertrag zustande kommt und wie sein Inhalt zu bestimmen ist. Kern jedes Vertrags ist die Willenseinigung zweier oder mehrerer Rechtssubjekte. Die Einigung kommt in gegenseitig ausgetauschten und inhaltlich übereinstimmenden Willenserklärungen der Vertragspartner zum Ausdruck (Rn 11f), die eine Rechtswirkung zur Folge haben. Der Vertrag dient somit der Selbstgestaltung im Rahmen der Rechtsordnung (Vertragsfreiheit; Rn 26ff). Die Parteien legen einverständlich fest, was zw ihnen rechtens sein soll (lex contractus). Sie können sich ausdr oder konkludent (dh durch schlüssiges Verhalten) einigen. Auch im Falle schlüssigen Verhaltens ist der beiderseitige Wille erforderlich, einen bestimmten Vertrag zu schließen. Insb muss auch das schlüssige Verhalten zu einer Einigung über die essentialia negotii (s Rn 4 und § 154 Rn 2) führen (Brandenburg BeckRS 2008, 15477). Existent ist nur der konkrete Vertrag. Der Vertrag als solcher ist ebenso wie die Willenserklärung und das Rechtsgeschäft eine Abstraktion, deren Wert in der Erkenntnis des rechtlich Wesentlichen liegt. Die Abstraktion „Vertrag“ iSd §§ 145ff erfasst alle Einigungen im Bereich des Privatrechts (zum öffentlich-rechtl Vertrag s Rn 14ff). Das Hauptanwendungsgebiet liegt im Schuldrecht (Rn 2f). Daneben kommen Verträge auch im Sachen-, Familien- und Erbrecht vor; für sie gelten gleichfalls die §§ 145–157, während die Bestimmungen des Schuldrechts 428

A. Arnold/C. Armbrüster

Vertrag

Vor § 145

auf sie idR nicht anwendbar sind (RG 66, 90, 99; Vor § 311 Rn 1). Gegenstand eines Vertrags kann insb eine Verfügung sein, wie zB die Abtretung oder der Erlass einer Forderung (§§ 398, 397), die Eigentumsübertragung (§§ 929, 925, 873) oder die Bestellung eines dinglichen Rechts. Verträge über dingliche Rechte bilden als „dingliche“ Verträge eine Unterart der Verfügungsverträge. b) Insbesondere: Schuldverträge. aa) Durch den Schuldvertrag wird meist eine Verpflichtung zu 2 künftigem Verhalten begründet. Je nachdem, ob nur eine Vertragspartei oder mehrere Vertragsparteien verpflichtet werden, kann man einseitige Verträge (zB Schenkungsversprechen) unterscheiden von mehrseitigen (zB Kauf). Daneben gibt es unvollkommen zweiseitige Verträge, die gewissermaßen in der Mitte zw den einseitigen und den mehrseitigen Verträgen stehen. Sie setzen, wie zB der Auftrag, nur die Verpflichtung einer Partei voraus, können aber uU auch Verpflichtungen der anderen Partei auslösen. In der Rechtspraxis stehen die verpflichtenden Verträge im Vordergrund. Zu den Schuldverträgen gehören aber auch die im täglichen Leben häufigen Handgeschäfte, wie zB Handkauf und Handschenkung. Sie begründen zwar keine Verpflichtung zu künftiger Leistung, schaffen aber einen Rechtsgrund iSd § 812 für erbrachte Leistungen. Die Regeln über das Zustandekommen von Verträgen (§§ 145–156) gelten für alle privatrechtlichen Vereinbarungen, die – außerhalb von Gefälligkeitsverhältnissen – auf die Erzielung eines bestimmten Rechtserfolgs gerichtet sind (BGH NJW-RR 1994, 1163, 1164; MüKo/Kramer Vor § 145 Rn 25). Das BGB regelt im Bes Schuldrecht (§§ 433ff) bestimmte Vertragstypen, die sich in drei Gruppen einteilen lassen. Es sind die Verträge des Interessengegensatzes (Austauschverträge), zu denen Kauf, Miet-, Pacht- und Werkvertrag gehören, die Verträge der Interessengemeinschaft, insb Gesellschaftsverträge, sowie die Verträge der Interessenwahrung, insb Geschäftsbesorgungsverträge (§ 675). bb) Soweit Schuldverträge zugleich das Verhalten der Parteien im Markt zum Gegenstand haben 3 und die Vertragsfreiheit einengen, gewinnen sie den Charakter marktordnender (organisatorischer) Verträge. Mit ihnen befasst sich das GWB. Das Kartellverbot erfasst nach § 1 GWB nF (BGBl I 2005, 2114) Vereinbarungen zw Unternehmen, Beschl von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Ob eine „Vereinbarung“ iSd § 1 GWB neben der Willenseinigung (vgl zu ihr BGH [Kartellsenat] NJW 1971, 521, 524 – Teerfarben) keinen rechtlichen Bindungswillen der Parteien verlangt (so 10. Aufl Rn 6), ist nach der Neufassung des GWB überaus fraglich. Überzeugender ist es, Übk ohne Bindungswillen und damit auch das Gentlemen’s Agreement (Rn 8) als aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen iSd § 1 GWB anzusehen (Staud/Bork Rn 7). 2. Erforderlicher Wille. a) Grundsatz. Der Vertrag erfordert einen auf eine Rechtsfolge gerichteten 4 Willen der Parteien, bei einem schuldbegründenden Vertrag einen Rechtsbindungswillen (BGH 21, 102, 106 = NJW 1956, 1313; 56, 204, 208 = NJW 1971, 1404, s § 145 Rn 3). An den Inhalt und Umfang dieses Willens sind nur geringe Anforderungen zu stellen. Rechtseinzelheiten sind den Parteien gewöhnlich unbekannt und können daher von ihnen nicht gewollt sein. Zielt der Parteiwille auf einen tatsächlichen wirtschaftlichen Effekt, so genügt es, wenn dieser vom Recht gewährleistet werden soll. Richtet sich der Parteiwille auf einen gesetzlich geregelten Vertragstyp, wie zB einen Kauf- oder Mietvertrag, so treten zugleich kraft zwingenden oder erg dispositiven Rechts die weiteren, dem Typus des Vertrags entspr, insb dessen Durchführung dienenden Regelungen ein. Auf sie braucht sich der Rechtsbindungswille der Parteien nicht zu erstrecken. Es genügt, dass der Geschäftskern, die essentialia negotii (Leistung, Gegenleistung, Parteien), vom Parteiwillen in laienhafter Vorstellung erfasst sind. Beim Garantievertrag gehört dazu die Vereinbarung, unter welchen konkreten Voraussetzungen der Garantiefall eintreten soll (Köln Beschl v 20.10.2008 – 18 U 80/08, juris). Zu den Anforderungen an die Bestimmbarkeit s § 145 Rn 2. b) Kenntnis der Unverbindlichkeit. Wissen die Parteien bei Vertragsabschluss, dass sie etwas 5 rechtlich Unverbindliches vereinbaren, so soll es nach st Rspr an einem Rechtsgeschäft fehlen (RG 122, 138, 140f; BGH 45, 376, 379 = NJW 1966, 1747). Man spricht von „nicht rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen“ (RG 68, 322, 324). Wissen zB die Parteien, dass ein Teil ihrer Abreden wegen Nichtbeachtung der gesetzlich vorgeschriebenen Form unwirksam ist, so soll diesem Teil keine rechtsgeschäftliche Bedeutung zukommen; das Rechtsgeschäft soll demnach nur von den übrigen, von den Parteien allein im Rechtssinn gewollten Vertragsbestimmungen gebildet werden. Bei dieser Sichtweise greift § 139 wegen fehlenden Rechtsbindungswillens nicht ein, weil von einer Nichtigkeit eines Teils des „Rechtsgeschäfts“ nicht gesprochen werden kann (BGH 45, 376, 379f = NJW 1966, 1747; BGH NJW 1999, 351). Wollen die Parteien freilich den übrig bleibenden Rest nicht mit diesem Inhalt, so kann nur Gesamtnichtigkeit die Folge sein (BGH 45, 376, 380 = NJW 1966, 1747). Dieses Ergebnis zeigt, dass der Ausgangspunkt der Sichtweise der Rspr, die Unkenntnis der Rechtsunwirksamkeit sei begriffliche Voraussetzung eines Rechtsgeschäfts, durchaus angreifbar ist. Jener Sichtweise ist jedoch zuzugeben, dass bei Koppelung einer bewusst unwirksamen Erklärung mit einer wirksamen sich die Unwirksamkeit nach dem Parteiwillen gerade nicht auf das gesamte Rechtsgeschäft erstrecken soll, so dass die Vermutung des § 139 in der Tat nicht eingreift (s auch § 139 Rn 34; Staud/Roth § 139 Rn 24). c) Vermeintliche Unverbindlichkeit. Die Frage, ob ein Rechtsgeschäft vorliegt, stellt sich auch 6 dann, wenn die Parteien ihre Vereinbarung wegen eines vermeintlichen Mangels als unwirksam angesehen haben, während sie in Wirklichkeit wirksam ist. Bsp: Beide Parteien nehmen irrtümlich an, gegen ein gesetzliches Verbot zu verstoßen oder eine Formvorschrift nicht beachtet zu haben. Beim error in dominio hält sich der Veräußerer irrigerweise für den Nichteigentümer, und der Erwerber glaubt irrig nicht an das Eigentum des Veräußerers. In solchen Fällen ist zu differenzieren: Hätten die Parteien keine Regelung getroffen, wenn der Grund für die fehlende Unwirksamkeit ihnen beC. Armbrüster

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Vor § 145

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

wusst gewesen wäre, so liegt kein verbindliches Rechtsgeschäft vor (vgl Enn/Nipperdey § 145 Fn 7 [S 897]). Dies wird idR bei einem gewollten Verstoß gegen Formvorschriften anzunehmen sein (Flume II § 7, 8 [S 94]). Bisweilen kann der von der Rechtsordnung vermeintlich nicht anerkannte Rechtserfolg indessen von den Parteien durchaus gewollt sein, zumindest für den Fall, dass er objektiv rechtlich möglich ist. Dies kommt insb bei einem vermeintlichen Verbotsverstoß in Betracht. Die Parteien verzichten dann nicht auf die Rechtsverbindlichkeit, sondern sie nehmen nur den Verstoß gegen das vermeintliche Verbot in Kauf (Flume II § 7, 8 [S 94]). Ein solches Rechtsgeschäft ist gültig. 7

d) Abgrenzungen. aa) Mit dem Rechtsbindungswillen grenzt man auch rechtsverbindliche von nicht rechtlichen, sondern faktischen Bindungen wirtschaftlicher, gesellschaftlicher oder moralischer Art ab (vgl Staud/Bork Rn 79). Meist wird der Rechtsbindungswille jedoch von den Parteien nicht ausdr bejaht oder verneint sein. Es kommt dann darauf an, wie sich dem objektiven Betrachter das Verhalten des Leistenden darstellt (BGH 21, 102, 106f = NJW 1956, 1313; NJW 1992, 498f). So können sich Gefälligkeiten des täglichen Verkehrs außerhalb des rechtsgeschäftlichen Bereichs halten. Indizien für einen rechtlichen Bindungswillen sind hingegen etwa der hohe Wert einer anvertrauten Sache, die große wirtschaftliche Bedeutung einer Angelegenheit, das erkennbare Interesse des Begünstigten und die nicht ihm, wohl aber dem Leistenden erkennbare Gefahr, in die er durch eine fehlerhafte Leistung gelangen kann (München MDR 1999, 744 [Anlagevermittlung]; Hamm NJW-RR 2001, 455, 456; Schweißarbeiten beim Nachbarn]; weitere Bsp aus der Rspr bei Staud/Bork Rn 82. Auch die Zumutbarkeit der Annahme einer Rechtspflicht und des sich daraus ergebenden Schadensersatzrisikos spielt eine wichtige Rolle (BGH NJW 1974, 1705, 1706 betr Lottospielgemeinschaft; krit Plander AcP 176 [1976], 425, 432ff). Deshalb ist bei einer (einmaligen) Gefälligkeitsfahrt ein Rechtsbindungswille idR zu verneinen, während er bei einer (regelmäßigen) Fahrgemeinschaft mit Unkostenbeteiligung durchaus bestehen kann (BGH NJW 1992, 498f).

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bb) Bei einem Gentlemen’s Agreement werden die Erklärungen der Parteien ohne Rechtsbindungswillen abgegeben. Der erstrebte Erfolg soll im Vertrauen auf das Wort des Partners oder die Regeln des Anstands erreicht werden. Es lässt sich kein allg Rechtssatz des Inhalts aufstellen, dass es immer dann, wenn die Partner einer Vereinbarung diese als Gentlemen’s Agreement bezeichnen, an einem rechtlichen Bindungswillen gefehlt habe, so dass die Parteien für die Durchführung ihrer Übereinkunft auf den beiderseitigen guten Willen oder die Einhaltung der Regeln des kaufmännischen Anstands angewiesen sind. Vielmehr muss unabhängig davon, ob die Bezeichnung „Gentlemen’s Agreement“ gebraucht wird oder nicht, nach den allg Regeln der Auslegung ermittelt werden, ob und in welchem Umfang die Parteien sich rechtlich durch die Begründung klagbarer Ansprüche verpflichten wollten (BGH MDR 1964, 570; s auch Widmann NJW 2001, 205 zum Ehrenwort). Ein Gentlemen’s Agreement kann allerdings als Beschreibung einer Geschäftsgrundlage angesehen werden und damit gem § 313 Bedeutung erlangen (vgl Nürnberg NJW-RR 2001, 636, 637).

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cc) Der Rechtsbindungswillen fehlt idR auch beim Letter of Intent, bei dem es sich um eine reine Absichtserklärung handelt, zB zukünftig einen Vertrag (unter gewissen Bedingungen) zu schließen. Ein Letter of Intent kann allerdings Grundlage für Schadensersatzansprüche wegen Verletzung vorvertraglichen Vertrauens sein (vgl §§ 311 II, 241 II, 280 [cic]; s dazu Bergjan ZIP 2004, 395). Die Auslegung kann zudem ergeben, dass die Parteien ausnahmsweise schon in einem Letter of Intent verbindliche Abreden treffen wollen („harter Letter of Intent“; Bergjan, ZIP 2004, 395, 396) oder „Vorfeldvereinbarung“; MüKo/Kramer Vor § 145 Rn 48; eingehend Lutter Letter of Intent, 19ff). Zur Abgrenzung von Nebenabreden in einem Side Letter s Duhnkrack/Hellmann ZIP 2003, 1425 (1426).

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dd) Um eine sog unvollkommene Verbindlichkeit handelt es sich, wenn die Parteien nur die Klagbarkeit ausschließen (pactum de non petendo; zum gesetzlichen Ausschluss s §§ 762f), die Vereinbarung jedoch iÜ der Rechtsordnung unterstellen. Der Vertragscharakter einer Vereinbarung entfällt nicht dadurch, dass eine nicht klagbare Verpflichtung begründet wird. Daher gelten zB für ein Vermächtnis unter Ausschluss der Klagbarkeit – als einer Zusage einseitiger Leistung – abgesehen von der Klagbarkeit die Regeln über das Vermächtnis (Flume II § 7, 8, 95). Auch familiäre und gesellschaftliche Beziehungen sind einer rechtsgeschäftlichen Regelung nicht schlechthin entzogen (s auch Rn 7). Zwar werden häufig keine klagbaren Verpflichtungen begründet worden sein, wohl aber durch Verfügungen oder Ermächtigungen andere Rechtswirkungen. Der rechtsgeschäftliche Charakter kann sich hier insb in der Festlegung eines Leistungszwecks, einer Haftungsbeschränkung oder im Ausschluss eines Rückforderungsanspruchs zeigen.

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3. Zustandekommen des Vertrags. a) Der Vertragsschluss vollzieht sich gem §§ 145ff durch Antrag und Annahme, also durch gegenseitige, miteinander inhaltlich übereinstimmende Willenserklärungen (Rn 1; vgl aber auch Leenen in FS Canaris, 699ff, der den Abschluss des Vertrags von dessen Zustandekommen abgrenzt). Häufig wird die Annahme dem Antrag nachfolgen. Ein Vertrag kann aber auch durch gleichzeitig abgegebene Willenserklärungen, insb durch Unterzeichnung derselben Vertragsurkunde geschlossen werden; die gemeinsame Unterzeichnung stellt den Abschluss des Einigungsprozesses dar (instruktiv dazu Leenen AcP 188 [1988], 381, 399ff; s auch Merle ZWE 2005, 412ff). Beim Wiederkaufs-, Vorkaufs- oder Optionsrecht ist der Hauptvertrag aufschiebend bedingt geschlossen (s Vor § 158 Rn 13ff, § 463 Rn 3, § 456 Rn 4 – Vorkauf; § 456 Rn 3 – Wiederkauf sowie Vor § 158 Rn 14f – Option). – Als Ort des Vertragsschlusses ist der Ort anzusehen, an dem der Konsens zustande kommt. Das ist bei Erklärungen unter Abwesenden der Ort, an dem die Annahme dem Antragenden zugeht; bedarf es keines Zugangs der Annahmeerklärung (§ 151), ist es der Ort der Abgabe (RG 62, 379, 381). Entspr gilt für den Zeitpunkt. – Ferner muss der Gegenstand des Vertrags bestimmt oder genügend bestimmbar sein. Dies gilt insb für einen Vorvertrag: Er muss ein solches Maß an Be-

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Vertrag

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stimmbarkeit aufweisen, dass im Streitfall der Inhalt des Hauptvertrags richterlich festgestellt werden kann (s Rn 47). b) Konsens. Zu einem Vertrag kommt es nur, wenn die Willenserklärungen inhaltlich übereinstim- 12 men. Ob dies der Fall ist, muss durch Auslegung (§§ 133, 157; eingehend § 157 Rn 1ff) geklärt werden. Vertragszweck und Vertragsinhalt sind unter Berücksichtigung des erklärten Parteiwillens und von Treu und Glauben zu ermitteln (BGH 9, 273, 277 = NJW 1953, 937). Dabei ist stets die individuelle Auslegung anhand der Interessenlage vorrangig. Maßgeblich ist der Einfluss, den das Interesse der Parteien auf den objektiven Erklärungswert ihrer Äußerungen bei deren Abgabe hatte (BGH NJW 1998, 3268, 3269f; 2001, 1928f). Kann der übereinstimmende wirkliche Wille festgestellt werden, so besteht kein Anlass für eine objektive (typisierende) Auslegung. So kommt es bei einer falsa demonstratio nicht auf den Wortlaut der Erklärungen, sondern auf das beiderseits Gewollte an (st Rspr, BGH NJW 1998, 746, 747; s § 155 Rn 2). Ein Vertrag kann aber auch zustande kommen, wenn sich die eine Partei ihres rechtsgeschäftlichen Verhaltens nicht bewusst geworden ist (fehlendes Erklärungsbewusstsein), die andere Partei aber hierauf vertraut hat (Schulbeispiel: sog Trierer Weinversteigerung, s dazu Larenz/Wolf AT § 24 Rn 7). Privatautonomie und Vertrauensschutz bedingen einander und rechtfertigen eine normative Auslegung. Ein Vertrag kommt hingegen nicht zustande, wenn beide Parteien sich nicht bewusst waren, rechtsgeschäftlich zu handeln (s Rn 4). Dasselbe gilt, wenn sie sich über einen wesentlichen Vertragsbestandteil nicht geeinigt haben und das Fehlende sich weder den Umständen (arg § 154) oder dem dispositiven Recht (zB §§ 612, 632) entnehmen lässt noch der Bestimmung durch eine Partei oder einen Dritten (§§ 315ff) oder ausnahmsweise einer späteren Regelung vorbehalten wurde. Bei Vertragslücken, die nicht die essentialia negotii betreffen, kommen – abgesehen von speziellen gesetzlichen Auslegungsregeln – die Grundsätze erg Auslegung zur Anwendung (§ 157 Rn 15ff). 4. Internationales Recht; Rechtsvergleichung. a) UN-Kaufrecht (CISG). Von besonderer Bedeu- 13 tung für das Vertragsrecht ist das Übk der Vereinten Nationen (UN) v 11.4.1980 betreffend Verträge über den internationalen Warenverkauf, das am 1.1.1991 für Deutschland in Kraft getreten ist (BGBl II 1989, 5586). Internationale Warenkaufverträge, die seit dem 1.1.1991 mit CISG-Vertragsstaaten geschlossen werden, unterliegen den Vorschriften dieses Rechts (Art 100 CISG), sofern nicht die Parteien seine Anwendung abbedungen haben (Art 6 CISG). Der Vertragsschluss ist im Wesentlichen in den Art 14ff CISG geregelt (zu Anwendungsproblemen s Neumayer in FS W. Lorenz, 1991, S 747). Diese Vorschriften weisen deutliche Parallelen zu jenen des BGB auf. Erg können als allg Grundsätze iSd Art 7 II CISG auch die UNIDROIT-Grundregeln der Internationalen Handelsverträge (UNIDROIT-Principles) herangezogen werden. Eingehend zum Ganzen Honsell (Hrsg), Kommentar zum UN-Kaufrecht, 2. Aufl 2010; Schlechtriem, Kommentar zum einheitlichen UN-Kaufrecht, 5. Aufl 2008; Staud/Magnus, Kommentar zum UN-Kaufrecht (CISG), Bearb 2005; http://www.unilex.info (Texte, Entscheidungssammlungen, Schrifttumshinweise zum CISGund zu den UNIDROITPrinzipien); s auch Ludwig, Der Vertragsschluss nach UN-Kaufrecht im Spannungsverhältnis von Common Law und Civil Law, 1994. b) Principles of European Contract Law (PECL). Die von der Kommission für Europäisches Vertragsrecht unter dem Vorsitz von Ole Lando zusammengestellten PECL (Lando-Principles; deutsche Übersetzung in ZEuP 2000, 657 und kommentiert bei von Bar/ Zimmermann [Hrsg] Grundregeln des Europ Vertragsrechts 2002) umfassen ein auf rechtsvergleichender Grundlage erarbeitetes Modell eines modernen europäischen Vertragsrechts. Sie enthalten in Kapitel 2 Bestimmungen zum Abschluss von Verträgen (Art 2:101–2:211), die teils Parallelen zu den §§ 145ff aufweisen, jedoch vielfach deutlich detaillierter sind. Schon weil die PECL keine Rechtsqualität haben (vgl Michaels RabelsZ 62 [1998], 580, 621f), scheiden sie für dem BGB unterliegende Sachverhalte als Analogiebasis aus; sie bieten dem Gesetzgeber jedoch de lege ferenda Anregungen. Eingehend zum Vertragsschluss gem PECL im Vergleich zu den §§ 145ff Jansen/Zimmermann AcP 210 (2010) 196ff. c) Common Frame of Reference (CFR). Der CFR enthält im Bereich von Zustandekommen und Wirksamkeit von Verträgen im Wesentlichen Regelungen, die denen der PECL nachgebildet sind (näher Armbrüster Jura 2007, 321ff; Köhler in Basedow [Hrsg] Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht 2000, 33ff). Zum Stand des Europäischen Vertragsrechts s auch Grundmann JZ 2005, 860; Riesenhuber Europäisches Vertragsrecht 2. Aufl. 2006 Rn 326ff; T. Vogel ZfRV 2004, 163. II. Verträge der öffentlichen Hand (Staat, Gemeinden) Schrifttum: Bartscher, Der Verwaltungsvertrag in der Behördenpraxis, 1996 [Empirie]; Bulling, Kooperatives Verwaltungshandeln (Vorverhandlungen, Arrangements, Agreements und Verträge), DÖV 1989, 277; Burmeister, Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten, VVDStRL 52 (1993), 190; Dorf, Rückabwicklung echter und unechter zweistufiger Rechtsverhältnisse, NVwZ 2008, 375; Erichsen, Die Nichtigkeit und Unwirksamkeit verwaltungsrechtlicher Verträge, Jura 1994, 47; Gern, Der Vertrag zwischen Privaten über öffentlich-rechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen, 1977; Grziwotz, Einführung in die Vertragsgestaltung im öffentlichen Recht, JuS 1998, 807/903/1013/1113, JuS 1999, 36/145/245; Gurlit, Verwaltungsvertrag und Gesetz, 2000; Gurlit, Jura 2001, 659/731; Henke, Das Recht der Wirtschaftssubventionen als öffentliches Vertragsrecht, 1979; Höfling/Krings, Der verwaltungsrechtliche Vertrag: Begriff, Typologie, Fehlerlehre, JuS 2000, 625; Kämmerer, Privatisierung, 2001; R. Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse im Verwaltungsrecht, 1997; Krebs, Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten, VVDStRL 52 (1993), 248; Kunig, Verträge und Absprachen zwischen Verwaltung und Privaten, DVBl 1992, 1193; Lange, Die Abgrenzung des öffentlich-rechtlichen Vertrages vom privatrechtlichen Vertrag, NVwZ 1983, 313; D. Lorenz, Der Wegfall der Geschäftsgrundlage beim verwaltungsrechtlichen Vertrag, DVBl 1997, 865; Maurer, Der Verwaltungsvertrag – Probleme und Möglichkeiten, DVBl 1989, 798; Sachs, Die normsetzende Vereinbarung im Verwaltungsrecht, VerwArch 74 (1983), 25; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, 2000; Schmidt-Assmann/Krebs, Rechtsfragen städtebaulicher Verträge, Vertragstypen und Vertragsrechtslehren, 2. Aufl 1992; Schoch, Rechtliche

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Steuerung der Privatisierung staatlicher Aufgaben, Jura 2008, 672; Weißenberger, Die Zweistufentheorie im Wirtschaftsverwaltungsrecht, GewArch 2009, 417/465. Rechtspolitik: Beirat Verwaltungsverfahrensrecht beim BMI, Schr v 30.4.2002, ZfIR 2002, 946.

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1. Öffentlich- und privatrechtliche Handlungsformen. a) Unabhängig davon, in welchen Beziehungen die Parteien zueinander stehen, ist der Vertrag stets Ausdruck der Gleichordnung der Vertragspartner. Nicht nur Privatpersonen, auch die Träger öffentlicher Verwaltung (Staat, Gemeinden und andere jur Pers des öffentlichen Rechts) können sich privatrechtlicher Organisationsformen (AG, GmbH, Verein) und privatrechtlicher Handlungsformen (Vertrag) zur Erfüllung staatlicher Aufgaben bedienen, soweit sie nicht zur Verwendung bestimmter Organisations- oder Handlungsformen im Einzelfall verpflichtet sind. Eine allg Grenze lässt sich für die privatrechtlich strukturierte Verwaltungstätigkeit nicht ziehen. Demokratiegebot und rechtsstaatliche Grundsätze bilden die Schranken (näher Ehlers Verwaltung in Privatrechtsform 1984, 201ff; Gurlit Verwaltungsvertrag und Gesetz, 299ff). IdR verlangt der Bereich der Eingriffsverwaltung öffentlich-rechtl Verwaltungstätigkeit, etwa Polizei-, Steuer- und Wehrverwaltung (Püttner Die öffentlichen Unternehmen 1969, 126ff, 136ff; Zeidler VVDStRL 19, 208ff), während auf dem Gebiet der Leistungsverwaltung innerhalb bestimmter verfassungsrechtlicher und einfach-gesetzlicher Grenzen die freie Wahl zw öffentlich- und privatrechtlichen Gestaltungsformen besteht (s Rn 16).

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Das öffentliche Recht umfasst die Normen, die auf der einen Seite ausschließlich einen Träger hoheitlicher Gewalt berechtigen oder verpflichten (BGH 41, 264, 267 = NJW 1964, 1472). Als Handlungsform herrscht hier der Verwaltungsakt iSv § 35 S 1 VwVfG vor. Nach § 54 S 1 VwVfG kann ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts jedoch auch durch Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben werden, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Ohne weiteres zulässig sind verwaltungsrechtliche Verträge zw verschiedenen Trägern der öffentlichen Verwaltung (Gemeinden, Fürsorgeverbänden, Krankenkassen), die in Koordinationsbeziehungen stehen; einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung bedarf es für solche Verträge zw Verwaltungsträgern nicht. Genauerer Betrachtung bedarf der verwaltungsrechtliche Vertrag, wenn er in einer Subordinationsbeziehung zw Trägern öffentlicher Verwaltung und Privatpersonen geschlossen wird (s Rn 20ff). Solche öffentlich-rechtl Verträge zw Staat und Bürger sind abzugrenzen ggü dem Verwaltungsakt und dem privatrechtlichen Vertrag. Auch die durch einen öffentlich-rechtl Vertrag begründeten Pflichten wirken grds nur inter partes. Nach VGH Mannheim NVwZ-RR 2006, 81 [LS] kommt allerdings bei der Verpflichtung eines Grundeigentümers, bestimmte Nutzungen zu unterlassen, auch eine dingliche Wirkung in Betracht (offenlassend BVerwG BauR 2010, 742, 743).

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b) Leistungsverwaltung. aa) Überblick. Im Bereich der sog Leistungsverwaltung besteht grds Freiheit der Formenwahl. Der Staat und die Gemeinden können sich daher, sofern ihnen ein öffentlichrechtl Handeln nicht verbindlich vorgeschrieben ist, sowohl öffentlich-rechtl als auch privatrechtlicher Formen bedienen (BGH 91, 84, 95f = NJW 1985, 197; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner/Ehlers VwGO § 40 Rn 270f; s auch § 839 Rn 24). So wird das Verhältnis zw Patient und Arzt bei Aufnahme in ein öffentliches Krankenhaus oder eine Universitätsklinik als privatrechtlich angesehen, auch bei Einweisung durch eine öffentliche Krankenkasse (BGH 1, 383, 385f; 9, 145, 148 = NJW 1963, 40); bei Einweisung aufgrund öffentlicher Fürsorge, insb Zwangsbehandlung, sind die Beziehungen indessen hoheitlich (BGH 38, 49, 50f = NJW 1963, 40). Dabei besteht ein Zusammenhang zw Organisationsform und Qualifikation des Rechtsverhältnisses. Werden Verwaltungsaufgaben durch eine von einer öffentlich-rechtl Körperschaft beherrschte GmbH erfüllt, so sind die Rechtsbeziehungen zw dieser und den Benutzern privatrechtlich, es sei denn, die GmbH ist mit Hoheitsaufgaben beliehen. Erfüllt zB eine Gemeinde ihre Verwaltungsaufgabe durch eine von ihr beherrschte GmbH, so können die Beziehungen zw der GmbH und den Benutzern nur privatrechtlich sein. Führt die Gemeinde die Verwaltungsaufgabe hingegen in eigener Regie durch, dann kann sie das Verhältnis zw ihr und den Benutzern öffentlich-rechtl oder privatrechtlich ausgestalten (Maurer Allg VerwR 17. Aufl 2009, § 3 Rn 25). Ist eine eindeutige Zuordnung ausnahmsweise nicht möglich, so ist davon auszugehen, dass die Verwaltung sich der auf das Verwaltungshandeln besonders zugeschnittenen öffentlichen Rechtsformen bedient (vgl BGH 63, 119, 121 = NJW 1975, 106, 107; Eyermann/Rennert VwGO 12. Aufl 2006 § 40 Rn 45; krit Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner/Ehlers VwGO § 40 Rn 271). Wird das Benutzungsverhältnis privatrechtlich ausgestaltet, so unterliegt die Verwaltung in jedem Fall hins des „Ob“ der Leistungsgewährung öffentlich-rechtl Bindungen (Eyermann/Rennert VwGO § 40 Rn 46). Auch die Rspr erkennt für bestimmte Bereiche seit langem an, dass einer privatrechtlichen „Abwicklungsstufe“ die Stufe einer öffentlich-rechtl Entscheidung vorausgehen kann, wenn öffentliche Körperschaften mit ihrer im Privatrecht abzuwickelnden Entscheidung hoheitliche Zwecke verfolgen (grundlegend BVerwG 1, 308, 309f; BGH 61, 296, 299; OVG Rheinl-Pfalz DÖV 1993, 351, 352f; OVG Münster NJW 2001, 698, 699). Dies ist eine der wesentlichen Aussagen der sog Zweistufenlehre (vgl Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner/Ehlers VwGO § 40 Rn 245ff; Weißenberger GewArch 2009, 417ff; zur Kritik s Rn 19). Die Anwendung dieser Lehre, die zur Vergabe von Subventionen (s dazu Rn 17) entwickelt wurde (Maurer Allg VerwR § 17 Rn 13 [S 448]), ist mittlerweile auch für die Nutzung öffentlicher Einrichtungen (s Rn 18) anerkannt (vgl BVerwG 32, 333, 334; OVG Münster DVBl 1968, 842, 842f m Anm Jülich; OVG Rheinl-Pfalz DÖV 1986, 153; Hess VGH DÖV 1994, 438, 439; krit Jauernig NJW 1972, 1ff; ausf zu § 70 GewO Hilderscheid GewArch 2008, 54ff). Für den Bereich der staatlichen Auftragsvergabe (vgl §§ 97ff GWB) wird die Zweistufenlehre hingegen abgelehnt (BVerwG 14, 65, 67f = NJW 1962, 1535, 1535f; NJW 2007, 2275 [LS]; vgl BGH NJW 1967, 1911, 1911f; aA auf der Grundlage von § 13 VgV Kämmerer in Schünemann/Stöber Haftungsgrundsätze und Haftungsgrenzen des Sicherheitsgewerbes 2002 S 71 [76f mit 93]; s dazu und zu weiteren möglichen Anwendungsgebieten

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der Zweistufenlehre Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner/Ehlers, VwGO, § 40 Rn 246ff). Hier besteht grds ein einheitliches Rechtsverhältnis, das entweder privat- oder öffentlich-rechtl sein kann. bb) Bei Subventionen und anderen Förderungen erfolgt die Entscheidung über das „Ob“ der Sub- 17 vention öffentlich-rechtl (idR durch Verwaltungsakt), der Vollzug kann entweder ebenso wie die Bewilligung öffentlich-rechtl oder aber durch einen selbständigen zweiten Akt privatrechtlich mit allen Folgen gestaltet werden (Zweistufenlehre, s Rn 16; Bleckmann Subventionsrecht 1978, 116ff). So soll ein zur Durchführung einer Subvention geschlossener Bürgschaftsvertrag – ebenso wie das durch ihn gesicherte Bankdarlehen – privatrechtlicher Natur sein, wenn die Bedingungen wie bei einem privaten Bürgen in einer Schuldurkunde niedergelegt sind. Dann ist bei einem Streit über die Erfüllung der Bedingungen der Zivilrechtsweg gegeben, jedoch sind, wenn sich der Streit auf den Inhalt oder das Ausmaß der öffentlich-rechtl Bewilligung bezieht, stets die Verwaltungsgerichte zuständig (§ 40 I VwGO; BVerwG 13, 307, 308f; 37, 243, 244). Widersinnig ist eine Aufspaltung, wenn die Pflichten bereits durch den Verwaltungsakt festgelegt sind (BGH 57, 130, 132f = NJW 1972, 210 für den Anspruch auf Rückzahlung einer Spielfilmprämie bei Nichtherstellung des Films). Bei verlorenen Zuschüssen erfolgt die Gewährung ebenso wie die Bewilligung der Subvention einheitlich öffentlich-rechtl (BVerwG NJW 1969, 809; BGH 57, 130, 132f = NJW 1972, 210; Maurer AllgVerwR § 17 Rn 29 [S 454]; Ipsen Öffentliche Subventionierung, 68). Bes Probleme treten bei der Rückabwicklung von rechtswidrig gewährten Subventionen auf. Hier muss bei zweistufigen Subventionsverfahren neben der Aufhebung des Bewilligungsbescheids auch die vertragliche Grundlage beseitigt werden (Weißenberger GewArch 2009, 465, 466). Nach der Rspr des BVerwG bildet in solchen Fällen der privatrechtlich ausgestaltete Vertrag den Rechtsgrund für die Leistung, so dass ein Rückforderungsanspruch aus § 812 BGB besteht, der vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen ist. § 49a VwVfG greift dann nicht (BVerwG NVwZ 2006, 536; Dorf, NVwZ 2008, 375, 376; Weißenberger, GewArch 2009, 465, 466). cc) Nutzung von Einrichtungen. Das Postbenutzungsverhältnis wurde früher öffentlich-rechtl be- 18 urteilt (zuletzt BGH 98, 140, 143 = NJW 1986, 2826), ist nunmehr aber durch die erste Postreform (Poststrukturgesetz, BGBl I 1989, 1026: § 7 PostG, § 9 I FAG) und vor allem die Privatisierung der drei Teilbereiche Postdienst, Postbank und Telekom aufgrund der zweiten Postreform (PostneuordnungsG, BGBl I 1994, 2325) durchweg privatrechtlicher Natur (s auch § 839 Rn 33); es handelt sich nicht mehr um Leistungsverwaltung, sondern um privatwirtschaftliche Tätigkeiten (Art 87f II S 1 GG; Kämmerer Privatisierung, 307). Bei förmlichen Zustellungen werden die Deutsche Post AG sowie andere Lizenznehmer für Briefzustelldienstleistungen freilich weiter hoheitlich tätig (§ 33 PostG nF; zum Problem der Beleihung der Deutschen Post AG für förmliche Zustellungen BFH NJW 1997, 3264, aA Späth DStR 1996, 1723ff; vgl auch die AGB der drei Unternehmen). – Für Rechtsbeziehungen der Eisenbahnen des Bundes zu ihren Benutzern galt auch schon vor der 1994 erfolgten Privatisierung (s Vor § 21 Rn 12) Privatrecht (RG 161, 341, 344; BGH 6, 304, 311; 20, 102, 105; s auch § 839 Rn 34). Zur Zulässigkeit der Privatisierung s allg Schoch, Jura 2008, 672ff – Weitere Fälle: Privatrechtlich einzuordnen ist auch die Nutzung der Leistungen von Flughäfen (BGH BB 1969, 1239 m Anm Hiller; BGH VersR 1993, 1239), Sparkassen (RG 91, 344), kommunalen Elektrizitätswerken (BGH NJW 1954, 1323; Hamm NJW 1961, 2348), Gaswerken (BVerwG BB 1959, 574), Markthallen (Lüneburg OVGE 16, 455, 456); Einrichtungen der Abwasserentsorgung (BGH NJW 1992, 171, 172); Kindertagesstätten (VGH Kassel NJW 1977, 452; Celle NJW 1977, 1295); Müllkippen (BGH NJW 1975, 106). – Öffentlich-rechtl ist die Benutzung häufig bei unselbständigen Anstalten geregelt, ferner bei kommunalen Wasserwerken (BGH 17, 191, 192) sowie bei Kanalisation, Müllabfuhr, Schlachthof (BGH 61, 7, 10), wenn Anschluss- und Benutzungszwang besteht; Friedhöfen (BVerwG 11, 68; München DVBl 1956, 175; VGH Stuttgart DÖV 1958, 498, 499); Obdachlosenheimen (LG Kassel NJW 1956, 1360); öffentlichen Bibliotheken (OVG Bremen NJW 1998, 3583; vgl a AG Berlin-Wedding NJW 1960, 1525; aA LG Berlin NJW 1962, 55, 56); idR auch Badeanstalten (vgl VGH Freiburg DVBl 1955, 745, 746; AG Würzburg NJW-RR 1993, 1332; aA VGH Mannheim NJW 1979, 1900; Koblenz NJW-RR 2001, 318); s zum Ganzen Brüning LKV 2000, 54; von Danwitz JuS 1995, 1; Rüfner, Die Nutzung öffentlicher Anstalten, Die Verwaltung Bd 17 (1984), 19ff. dd) Im verwaltungsrechtlichen Schrifttum begegnet die Zweistufenlehre zunehmend Kritik (s 19 Maurer Allg VerwR § 17 Rn 14ff [448ff]; Hilderscheid GewArch 2008, 54, 58ff). Insb wird vorgebracht, wegen der Möglichkeit zum Abschluss öffentlich-rechtl Verträge sei die Zweistufigkeit abzulehnen (näher Gurlit Verwaltungsvertrag und Gesetz, 46ff). Für eine einheitliche Betrachtungsweise spricht zudem, dass damit die sich aus der Zweigleisigkeit des Rechtswegs ergebenden Schwierigkeiten vermieden werden. Die Inanspruchnahme der Leistung, zB das Betreten einer Straßenbahn, ist ein privatautonomer Akt, unabhängig davon, ob das Benutzungsverhältnis öffentlich- oder privatrechtlich geregelt ist. Die Willenseinigung liegt im öffentlichen Angebot und der Inanspruchnahme der angebotenen Leistung. Wenn auch eine Benutzungsordnung alles regelt, so schließt dies einen Vertrag über den Abschluss nicht aus (Flume II § 3, 4, 38). Der Vertrag kann ein privat- oder ein öffentlichrechtl sein, für den das Schriftformerfordernis nach § 57 VwVfG zu beachten ist. – Aufgrund des § 58 I Nr 3 aF (vgl jetzt § 57 I Nr 5) PBefG hat der Bundesminister für Verkehr eine Verordnung über die Allg Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Omnibusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen v 27.2.1970 (BGBl I 230) erlassen (dazu Loh BB 1970, 1017). Sie gibt schon Minderjährigen mit Vollendung des sechsten Lebensjahres einen Rechtsanspruch auf Beförderung (§ 3 der VO). Soweit für den Benutzer Pflichten begründet werden, ist auch bei öffentlichen Benutzungsverhältnissen volle Geschäftsfähigkeit oder Einwilligung des gesetzlichen Vertreters nötig. Doch kann nach Inanspruchnahme der Leistung eine Verweigerung der Genehmigung gegen Treu und Glauben verstoßen.

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2. Subordinationsrechtlicher Verwaltungsvertrag. a) Zulässigkeit. Von den sog koordinationsrechtlichen Verwaltungsverträgen zw gleichgeordneten Verwaltungsträgern sind solche Verträge zu unterscheiden, die einen Verwaltungsakt ersetzen oder die Behörde zu einer Handlung ggü dem Bürger verpflichten (subordinationsrechtliche Verwaltungsverträge; s § 54 S 2 VwVfG). Für einige Bereiche sind solche Verträge ausdr gesetzlich zugelassen. Dies gilt insb im öffentlichen Baurecht, etwa im Erschließungs- und Enteignungsrecht (s die Zusammenstellung bei Gurlit Verwaltungsvertrag und Gesetz S 36ff – Städtebaurecht, 42ff – Umweltrecht). Fehlt eine ausdr Regelung, so kommt es für die Zulässigkeit eines verwaltungsrechtlichen Vertrags darauf an, ob Rechtsvorschriften dieser Handlungsform entgegenstehen (§ 54 S 1 VwVfG). Solche Rechtsvorschriften (sog Vertragsformverbote) können außer den Grundrechten und formellen Gesetzen auch Verordnungen und Satzungen sein. Der verwaltungsrechtliche Vertrag ist nicht auf den Bereich der Ermessensermächtigungen und gesetzesfreien Verwaltung beschränkt, sondern auch bei gebundener Verwaltung zulässig (Götz JuS 1970, 1, 2; Gurlit Verwaltungsvertrag und Gesetz, 251ff). Die Parteien sind nicht an die Vertragstypen des BGB gebunden (BVerwG BeckRS 2008, 35447 Rn 19, betr Einordnung als Garantievertrag); insoweit besteht freilich kein Unterschied zu privatrechtlichen Verträgen, da auch hier kein numerus clausus der Schuldverträge besteht.

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b) Inhalt. Der zulässige materielle Inhalt verwaltungsrechtlicher Verträge bestimmt sich nach der für die Gestaltung zw Staat und Bürger bestehenden spezialrechtlichen Regelung sowie nach den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Gleichheit, der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und des Vorbehalts des Gesetzes (BVerwG 23, 213, 216). Der Vorbehalt „entgegenstehender Rechtsvorschriften“ in § 54 S 1 VwVfG bezieht sich auch auf den Vertragsinhalt (Gurlit Verwaltungsvertrag und Gesetz, 333ff). Die Behörde darf weder Hoheitsrechte veräußern noch umgekehrt ihre hoheitlichen Befugnisse vertraglich erweitern. Austauschverträge iSd § 56 I S 1 VwVfG dürfen die Verpflichtung zur Vornahme hoheitlicher Maßnahmen wie zur Erbringung von Gegenleistungen des Bürgers nur im Rahmen des Zwecks der speziellen Norm vorsehen. In solchen Verträgen dürfen hoheitliche Leistungen nicht von Gegenleistungen abhängig gemacht werden, die in keinem sachlichen Zusammenhang mit der Maßnahme stehen (§ 56 I S 2 VwVfG). Eine Leistung, auf die der Bürger einen Anspruch hat, kann die Behörde nur von einer gesetzlich vorgesehenen oder einer solchen Gegenleistung abhängig machen, deren Erbringen Voraussetzung der Leistungsgewährung an den Bürger ist und die bei Erlass eines Verwaltungsaktes Inhalt einer Nebenbestimmung iSd § 36 VwVfG sein könnte (§ 56 II VwVfG). – Bsp: Zulässig sind Verträge zw Gemeinde und Bauwilligem über die Ablösung der gesetzlichen Stellplatzpflicht in Form der Zahlung einer entspr Geldleistung durch den Bauwilligen (BVerwG 23, 213, 218ff); auch kann der Ablösungsvertrag eine privatrechtliche Verpflichtung begründen, da er lediglich einen den Baudispens ermöglichenden Zustand schafft (BGH 35, 69, 74f = NJW 1961, 1355). Wird im Zusammenhang mit einem Baudispens eine Geldleistung des Bauwilligen vereinbart, die auf später anfallende Erschließungsbeiträge anzurechnen ist, so liegt hierin kein Verstoß gegen das Verbot abw Vereinbarungen über die Zahlung öffentlicher Abgaben und Beiträge (BVerwG DVBl 1970, 40; vgl zum Verbot die öffentliche Abgabenpflicht einschränkender Vereinbarungen schon RG 148, 101, 103). Zu Folgekostenverträgen s Gurlit Verwaltungsvertrag und Gesetz, 38f, 361ff; insoweit ist das Koppelungsverbot bereichsspezifisch in § 11 I S 2 Nr 3, II BauGB normiert. Einen Sonderfall stellen die sog hinkenden Verwaltungsverträge dar. Dabei handelt es sich um einseitig verpflichtende Verträge, die zwar eine Pflicht zulasten des Bürgers, nicht aber der Verwaltung begründen (näher Stelkens DÖV 2009, 850ff). Bes bedeutsam sind die nebenbestimmungsersetzenden Verträge, mittels derer sich ein Bürger verpflichtet, die Voraussetzungen für den Erlass eines ihn begünstigenden Verwaltungsakts zu schaffen. Darin liegt ein milderes Mittel ggü einem Verwaltungsakt mit Auflage gem § 36 VwVfG.

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c) Anwendbarkeit von Privatrecht. Wie bei privatrechtlichen (s Rn 4) bedarf es auch bei öffentlichrechtl Verträgen eines Rechtsfolgewillens. Er fehlt idR bei Selbstbeschränkungsabkommen (vgl BVerfG NVwZ 2002, 585 – Atomkonsens). Für Störungen der Geschäftsgrundlage enthält § 60 VwVfG eine Regel. Zudem ordnet § 62 S 2 VwVfG an, dass erg die vertragsrechtlichen Vorschriften des BGB entspr heranzuziehen sind (zB der Grundsatz der Einheitlichkeit der Vertragsurkunde, s dazu BVerwG DVBl 2010, 523 [LS]). Auch bei öffentlich-rechtl Verträgen hat die Verwaltung mithin für Leistungsstörungen nach den vertragsrechtlichen Regeln des BGB einzustehen (Gurlit Verwaltungsvertrag und Gesetz, 568ff). Eine spezielle Verweisung auf das BGB enthält § 59 I VwVfG für die Nichtigkeitsgründe, zu denen ua § 134 zählt; vorrangig sind allerdings die Nichtigkeitsgründe des § 59 II VwVfG (dazu und zur Anwendung von § 134 s Bonk in Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG 7. Aufl 2008 § 59 Rn 14ff, 49ff). Bes Schwierigkeiten können bei der Rückabwicklung nichtiger Verträge entstehen, wenn von der Verwaltung erbrachte Leistungen nicht mehr zurückgewährt werden können (vgl. BVerwG NVwZ 2000, 1285ff; 2009, 1109ff). § 62 S 2 VwVfG verweist dynamisch auf das BGB, so dass auch die §§ 305–310 (AGB-Recht) entspr heranzuziehen sind; dies war zum AGBG noch str (vgl Grziwotz JuS 1998, 902, 904f). Gleichwohl können die Besonderheiten des öffentlichen Rechts einer Anwendung der §§ 305–310 entgegenstehen. So geht das in § 56 VwVfG enthaltene Angemessenheitsprinzip demjenigen des § 307 BGB vor (Bonk in Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG 7. Aufl 2008 § 62 Rn 58).

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d) Abgrenzung zum privatrechtlichen Vertrag. aa) Ob ein Vertrag öffentlich-rechtl oder privatrechtlicher Natur ist, entscheidet sich nicht nach den am Vertrag beteiligten Rechtssubjekten, sondern nach dem Gegenstand des Vertrags (st Rspr; Gem Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, BGH 97, 312, 313f = NJW 1986, 2359; BGH NJW 1988, 337; BGH NVwZ 2009, 1054 [LS]; BVerwG 97, 331, 335; Erichsen in Erichsen, Allg VerwR 14. Aufl. 2010 § 30 Rn 3 [S 770]; Kopp/Ramsauer VwVfG 11. Aufl 2010 § 54 Rn 27). Der zu regelnde Sachverhalt muss nach öffentlichem Recht zu beurteilen sein. Das ist stets der Fall, wenn er dem Vollzug einer öffentlich-rechtl Norm dient. Öffentlich-rechtl 434

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Vertrag

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Natur ist daher zB die Einigung zw den Beteiligten im Enteignungsverfahren gem § 110 BauGB oder die Übertragung der Erschließung auf einen Dritten nach § 124 BauGB (BGH 54, 287, 289 = NJW 1970, 2107). IÜ kommt es darauf an, ob sich der Vertrag auf einen von der gesetzlichen Ordnung öffentlich-rechtl geregelten Sachverhalt bezieht (BGH 35, 69, 71 = NJW 1961, 1355; 56, 365, 368 = NJW 1971, 1842; BVerwG 42, 331, 332; DÖV1981, 878). Bei typischen Aufgaben, die eine Behörde kraft der ihr übertragenen hoheitlichen Befugnisse zu erfüllen hat, wird idR davon auszugehen sein, dass sie sich öffentlich-rechtl Mittel bedient (BGH 4, 266, 268 = NJW 1952, 466; 17, 317, 322 = NJW 1955, 1187; Wolff/Bachof/Stober/Kluth VerwR 12. Aufl 2007 §§ 22 Rn 50, 196f). Ein Vertrag, der eine gesetzlich angeordnete Rechtsbeziehung ändert, zB eine Aufgaben- oder Lastenverteilung, ist ein öffentlichrechtl Vertrag (BGH 32, 214, 217 = NJW 1960, 1457). Das einzelne Rechtsverhältnis kann nur einheitlich qualifiziert werden (Gurlit Verwaltungsvertrag und Gesetz S 25ff; s auch Höfling/Krings JuS 2000, 625, 627: es setzt sich der Teil durch, der die inhaltlich wichtigsten Bestimmungen enthält; ähnlich BGH 76, 16, 20f = NJW 1980, 826 – Schwerpunkt). Allerdings können ausnahmsweise verschiedene Rechtsverhältnisse äußerlich zu einem Vertrag verbunden sein (sog zusammengesetzter Vertrag; Gurlit Verwaltungsvertrag und Gesetz S 26f; Bsp bei BVerwG Buchholz Nr 316 § 54 VwVfG Nr 1); es liegen dann ggf mehrere öffentlich- oder privatrechtliche Verträge vor. bb) Betätigt sich die öffentliche Hand erwerbswirtschaftlich oder nimmt sie Hilfsgeschäfte vor, um sich die sachlichen Mittel zu verschaffen (Materialkauf, Hausmiete), so handelt es sich – vorbehaltlich der Vorgaben des Vergaberechts – um gewöhnliche Privatrechtsgeschäfte. Staat und Gemeinden können sich aber nicht nur auf diesen Gebieten, sondern auch im Kernbereich der Leistungsverwaltung zur Erreichung öffentlicher Zwecke des privatrechtlichen Vertrags bedienen (s dazu Rn 16). 3. Öffentlich-rechtl Bindungen bei privatrechtlichem Handeln der öffentlichen Hand. Die privat- 24 rechtliche Organisationsform erfordert mangels hoheitlicher Gewalt den privatrechtlichen Vertrag als Handlungsform. Bei öffentlich-rechtl Organisationsform kann der Verwaltungsträger bei der Gestaltung der Leistungsbeziehungen zw privat- und öffentlich-rechtl Handlungsformen (Verwaltungsakt, verwaltungsrechtlicher Vertrag, öffentlich-rechtl Nutzungsverhältnis) wählen (s Rn 16; Siebert in FS Niedermeyer, 215, 229ff). Handelt die Verwaltung privatrechtlich, so besagt dies nicht, dass ihr die Freiheiten und Möglichkeiten der Privatautonomie zustehen; sie ist Grundrechtsadressatin, nicht Grundrechtsträgerin. Die öffentlich-rechtl Bindungen bleiben daher bestehen. Dies gilt für die Bindung an die Grundrechte (vgl § 134 Rn 62; MüKo/Armbrüster § 134 Rn 33); zudem gelten auch zahlreiche Normen des einfachen Rechts unabhängig von der Handlungsform (Gurlit Verwaltungsvertrag und Gesetz S 271f – Vertragsformverbote; 322ff – Verfahrensnormen; 377ff – materielle Normen, Inhaltsfreiheit; s auch BGH 91, 84, 96f = NJW 1985, 197). Die privatrechtlichen Normen werden vielfach durch Bestimmungen des öffentlichen Rechts ergänzt, überlagert und modifiziert (Verwaltungsprivatrecht; BGH 91, 84, 96 = NJW 1985, 197; Ehlers in Erichsen AllgVerwR § 3 Rn 65ff [S 66ff]; Maurer AllgVerwR § 3 Rn 9, 40f). Ganz allg kann sich die Verwaltung durch eine privatrechtliche Gestaltung nicht ihrer spezifischen Verantwortung entziehen. Sie darf daher vom Bürger keine Leistungen verlangen, für die bei öffentlich-rechtl Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses Abgaben nicht erhoben werden dürfen. Die typisch öffentlich-rechtl Bindungen gelten auch dann, wenn die Verwaltung nicht selbst oder durch einen Eigenbetrieb in privatrechtlicher Form, sondern durch eine von ihr beherrschte Gesellschaft des Handelsrechts oder ein anderes Privatrechtssubjekt handelt. 4. Rechtsweg. Bei Streitigkeiten über öffentlich-rechtl Rechtsverhältnisse ist grds der Verwal- 25 tungsrechtsweg eröffnet, für Schadensersatzansprüche aus Verletzung öffentlich-rechtl Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtl Vertrag beruhen, der Zivilrechtsweg (§ 40 II VwGO; BGH 43, 34, 37ff = NJW 1965, 442). Für Schadensersatzansprüche wegen Verletzung von Pflichten aus öffentlichrechtl Verträgen sind die ordentlichen Gerichte hingegen nicht zuständig (BGH 87, 9, 16 = NJW 1983, 2311); dies gilt auch für Ansprüche aus §§ 311 II, 241 II, 280 (cic; s BVerwG DÖV 1974, 133; Gurlit Verwaltungsvertrag und Gesetz, 466; aA BGH NJW 1986, 1109, 1110; BaRo/Grüneberg § 311 Rn 38; 10. Aufl Rn 14). Ein auf Art 33 Abs 2 GG gestützter Schadensersatzanspruch wegen eines rechtswidrig durchgeführten Einstellungsverfahrens ist im Verwaltungsrechtsweg geltend zu machen (BVerwG BeckRS 2010, 49430). Für eine Klage, die auf die Erklärung des Beklagten gestützt wird, die Haftung für den Rückforderungsanspruch einer öffentlich-rechtl Investitionsbank gegen den Empfänger einer Zuwendung mit zu übernehmen, ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten jedenfalls dann eröffnet, wenn die Haftungserklärung möglicherweise als Bürgschaft auszulegen ist (BGH VersR 2009, 1384). III. Vertragsfreiheit und Kontrahierungszwang Schrifttum: Armbrüster, Kontrahierungszwang im AGG?, NJW 2007, 1494; M. Becker, Vertragsfreiheit, Vertragsgerechtigkeit und Inhaltskontrolle, WM 1999, 709; Bruns, Die Vertragsfreiheit und ihre Grenzen in Europa und den USA, JZ 2007, 385; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999; F. Bydlinski, Kontrahierungszwang und Anwendung des allg Zivilrechts, JZ 1980, 378; F. Bydlinski, Zu den dogmatischen Grundfragen des Kontrahierungszwangs, AcP 180 (1980), 1; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992; Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen, 1991; Hackl, Vertragsfreiheit und Kontrahierungszwang im deutschen, im österreichischen und im italienischen Recht, 1980; Höfling, Vertragsfreiheit. Eine grundrechtsdogmatische Studie, 1991; Hönn, Zur Problematik der Privatautonomie, Jura 1984, 57; Kilian, Kontrahierungszwang und Zivilrechtssystem, AcP 180 (1980), 47; St. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997; Markert, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, AG 1991, 288; Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, 1920; L. Raiser, Vertragsfreiheit heute, JZ 1958, 1; Schapp, Grundfragen der Rechtsgeschäftslehre, 1986; Schmidt-Salzer, Vertragsfreiheit und Verfassungsrecht, NJW 1970, 8; Manfred Wolf, Rechtsgeschäftliche Handlungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, 1970. Vgl auch die Schrifttumsangaben zu I u II.

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Rechtsgeschäfte

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1. Vertragsfreiheit. Von der Frage, wie ein Vertrag zustande kommt, ist diejenige zu unterscheiden, in welchem Umfang die Rechtsordnung den freien Willen des Einzelnen als Mittel der Rechtsgestaltung anerkennt. Hier geht es um die Privatautonomie, und zwar, soweit Rechtsverhältnisse durch Vertrag geregelt werden, um das Prinzip der Vertragsfreiheit. Verstanden als die Freiheit einzelner Rechtssubjekte, ihre Beziehungen zueinander einverständlich rechtlich zu regeln, ist die Vertragsfreiheit kein Wesenserfordernis des Vertrags iSd §§ 145ff. Ein Vertrag liegt auch dann noch vor, wenn eine Partei widerrechtlich durch Drohung zur Abgabe ihrer Willenserklärung bestimmt worden ist (arg § 123 I Fall 2). Der innere Zusammenhang zw Vertragsfreiheit und Vertrag besteht darin, dass der Vertrag das technische Mittel zu privatautonomer Rechtsgestaltung ist. Die Vertragsfreiheit zeigt sich in der Freiheit des Abschlusses, der Wahl des Vertragspartners, der inhaltlichen Gestaltung, der Wahl des Vertragstyps und der Aufhebung des Vertrags. Ein Vertrag kann Ausdruck eines größeren oder geringeren Grades freier Selbstbestimmung der Vertragschließenden sein (F. Bydlinski Privatautonomie, 122ff). Als Rechtsprinzip ist die Vertragsfreiheit ein Grundrecht. Sie wird zwar in Art 2 I GG nicht ausdr genannt, die allg Handlungsfreiheit schließt sie jedoch ein (st Rspr; BVerfG 103, 197, 215 = NJW 2001, 1709; GRUR 2001, 266 = NJW 2001, 3406 [LS]). Der Einzelne hat dieses Recht nach Art 2 I Hs 2 GG nur insoweit, als er weder Rechte anderer verletzt noch gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt (s auch BVerfG 103, 197, 215 = NJW 2001, 1709). Die Vertragsfreiheit ist damit ein Recht sub lege, das nur im Rahmen der Rechtsordnung gegeben sein kann (Flume II § 1, 10a [S 18]). Hieraus folgt, dass sie vorbehaltlich eines unantastbaren Bereiches persönlicher Freiheit (Art 2, 19 II GG) weitgehend eingeschränkt werden kann. Da der Freiheitsspielraum eines Privatrechtssubjekts auch durch die Machtstellung anderer Privatrechtssubjekte eingeengt werden kann, muss verhindert werden, dass die Privatrechtsordnung in ihrem freien Funktionieren gestört, insb mit den Mitteln dieser Ordnung beseitigt wird. Ein formales Verständnis der Vertragsfreiheit macht sie zu einem Instrument der Unterdrückung des Schwachen durch den Starken. Es bedarf deshalb auch ordnender Eingriffe in die Vertragsabschluss- und die Vertragsinhaltsfreiheit (Rn 27ff).

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2. Ein Kontrahierungszwang (Abschlusszwang) kann sich unter verschiedenen Gesichtspunkten ergeben: a) Vereinbarung. Vertragliche Abreden wie namentlich Vorverträge (vgl Rn 46) können zum Abschluss eines Vertrags verpflichten. Inwieweit auch einseitige Selbstverpflichtungen einen Kontrahierungszwang begründen können, ist vor allem für Girokontoverträge „für jedermann“ bedeutsam geworden. So soll die Selbstverpflichtung einer Sparkasse ggü der Senatsverwaltung als abstraktes Schuldversprechen iSv § 780 einen Abschlusszwang begründen (LG Berlin WM 2003, 1985f m zust Anm Derleder EWiR § 676 1/03 S 963f; krit Berresheim ZBB 2005, 420, 422ff; zum Abschlusszwang öffentlich-rechtl Institute aufgrund unmittelbarer Grundrechtsbindung s BGH 154, 146, 149ff = NJW 2003, 1658; MüKo/Armbrüster § 134 Rn 33). Einen Kontrahierungszwang von Kreditinstituten aufgrund der Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) bejaht LG Bremen EWiR § 676 1/06 S 9f m zust Anm Derleder; dies ist indessen mangels vertraglicher Bindungswirkung abzulehnen (Bremen ZIP 2006, 798 [LS] m zust Anm Segna BKR 2006, 274ff; Berresheim ZBB 2005, 420, 424; Gschwandtner/Bornemann NJW 2007, 1253, 1254; aA Kohte VuR 2006, 163, 164). Nach LG Berlin WM 2008, 1825 (zust Steinicke EWiR 2009, 375; wohl abl Pieper ZVI 2008, 365; vgl auch Nieding, jurisPR-BKR 4/2008 Anm 5) unterliegen private Banken einem Kontrahierungszwang, der sich zwar nicht unmittelbar aus der Empfehlung des ZKA ergebe, wohl aber aus einer Gesamtanalogie zu sonstigen gesetzlichen Vorschriften mit Kontrahierungszwang. Indessen ist dieser Grundrechtseingriff bei bestehenden zumutbaren Alternativen abzulehnen (Bunte AGB-Banken und Sonderbed, 2. Aufl 2009, 1 Rn 11; für Einführung eines gesetzlichen Kontrahierungszwangs Linnert ZRP 2009, 37f).

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b) Gesetzliche Anordnung. In einigen Fällen ist ein Zwang zum Vertragsschluss gesetzlich festgelegt, so zB für Personen- und Frachtbeförderungsunternehmen (§ 22 PBefG, § 10 AEG, § 7 AMbG, § 21 II LuftVG), Telekommunikationsunternehmen (§§ 19ff, 42 TKG), Patentinhaber (§ 24 PatG) und Hersteller von Tonträgern (§ 61 UrhG). Einen Abschlusszwang sehen auch vor: § 4 I S 1 EEG (BGH 155, 141, 146ff = WM 2003, 2160), §§ 32, 61 I SachRBerG, § 18 I PostG iVm § 3 PostdienstleistungsVO (v 21.8.2001, BGBl I S 2178), § 6 I S 1 EnWG (LG Nürnberg-Fürth RdE 2003, 244ff m zust Anm Busche; s auch Tüngler JuS 2001, 739, 743; aA Lukes BB 1998, 1217, 1219: nur Anspruch auf Aufnahme von Vertragsverhandlungen), § 11 I WahrnG (zu den Grenzen München GRUR-RR 2007, 186); ferner im Versicherungsrecht §§ 110 I Nr 1, 23 I 1 SGB XI (private Pflegeversicherung) und §§ 1, 5 PflVG (vgl auch Staud/Bork Rn 17). Zudem hat sich der Gesetzgeber des Abschlusszwangs bei der Bewirtschaftung bestimmter Waren bedient (dazu BGH NJW 1951, 109). Auch landesrechtliche Vorschriften sehen bisweilen einen Zwang zum Abschluss von Verträgen vor, so zB zur Einrichtung von Girokonten durch Sparkassen nach Sparkassenverordnungen (Staud/Bork Rn 17; s auch Rn 27). Für Rechtsanwälte besteht ein gesetzlicher Abschlusszwang grds nicht. Ausnahmen gelten gem §§ 48, 49 BRAO für die Beiordnung im Zivilprozess und für die Pflichtverteidigung im Strafverfahren sowie gem § 49a BRAO für die Beratungshilfe. Der Vertragsfreiheit wird hier insoweit Rechnung getragen, als der Rechtsanwalt die Aufhebung der Beiordnung oder der Bestellung beantragen kann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Keinen Abschlusszwang beinhaltet die Regelung in §§ 71, 77 SGB IX über die Ausgleichsabgabe für schwerbehinderte Menschen.

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c) Allg Kontrahierungszwang. aa) Herleitung. Auch ohne ausdr gesetzliche Anordnung kann sich bei grundloser Verweigerung des Vertragsabschlusses ein Abschlusszwang ergeben (allg Kontrahierungszwang; BGH WM 1994, 1670, 1671; NJW 1990, 761, 762; grundlegend Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, 1920). Die Einzelheiten sind str. An der Konstruktion als Schadensersatzanspruch gem §§ 826, 249 I (s etwa Breucker JR 2005, 133, 136) wird zu Recht bemängelt, dass 436

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Vertrag

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der Vertragsschluss nicht Behebung eines eingetretenen Schadens ist (K. Schmidt AcP 206 [2006], 169 [191; im Kontext des GWB]). Überzeugender ist es, einen verschuldensunabhängigen quasinegatorischen Folgenbeseitigungs- oder Unterlassungsanspruch anzunehmen, der auf eine Abwehr der Beeinträchtigung durch Kontrahieren gerichtet ist (Bork AT Rn 672; Staud/Bork Rn 20; Kilian AcP 180 [1980], 47, 82; F. Bydlinski AcP 180 [1980], 1, 13: „positiver Handlungsanspruch auf Naturalpraestation“). – Was die Voraussetzungen angeht, so wird teils angenommen, dass schon das Bestehen einer öffentlichen Versorgungsaufgabe, die im Allgemeininteresse von dem Unternehmen zu erfüllen ist, einen selbständigen Abschlusszwang begründen könne (Larenz SchuldR I § 4 Ia; MüKo/Kramer Vor § 145 Rn 14; noch weiter gehend Tilmann ZHR 141 [1977], 32, 74ff: Geschäftseröffnung für den allg Verkehr genüge). Begründet wird dies mit einer Gesamtanalogie zu den gesetzlichen Regelungen, die einen Kontrahierungszwang vorsehen (Rn 28), und mit dem Sozialstaatsprinzip. Gegen einen so weit reichenden Kontrahierungszwang spricht die Schwierigkeit der Abgrenzung; auch ist eine derart unbestimmte Ausdehnung des Abschlusszwangs mit einem marktwirtschaftlichen System nicht vereinbar (krit auch Jauernig/Jauernig Rn 10; L. Raiser, Kartelle und Monopole im modernen Recht, 1961, Bd 2, 523, 526). Allein die Marktstärke eines Anbieters rechtfertigt es noch nicht, den Grundsatz der Vertragsfreiheit außer Kraft zu setzen (BGH NJW 1990, 761, 763; aA MüKo/Kramer Rn 13); dasselbe gilt für die öffentlich-rechtl Struktur oder Finanzierung eines Anbieters. Grds ist vielmehr mit der Rspr daran festzuhalten, dass der allg Abschlusszwang eine faktische Monopolstellung voraussetzt, die Alternativen für den Kunden ausschließt (s zu Versorgungsunternehmen RG 132, 273, 276; 148, 326, 334; vgl a BGH WM 1994, 1670, 1671f; eingehend Busche Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 162ff). Ein Abschlusszwang kann sich auch aus dem Kartellrecht ergeben, insb aus § 19 GWB (BGH NJW 2003, 748, 751) und dem Diskriminierungsverbot des § 20 I, II [früher § 26 II] GWB; s dazu BGH NJW 1976, 801ff – Rossignol; BGH NJW-RR 2003, 1348ff – Kündigung eines Vertrags über Schülertransporte; Busche Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 301ff; MüKo/Kramer Rn 15). Ein Kontrahierungszwang erwächst daraus zB der eine faktische Monopolstellung einnehmenden deutschen Vergabestelle für Internetadressen (DeNIC; Frankfurt WRP 1999, 366; Nordemann/Cychowski/Grüter NJW 1997, 1897, 1900; Koos MMR 2004, 359, 361). Zum Abschlusszwang aufgrund europäischen Kartellrechts (Art 82 EG) s Eilmansberger EWS 2003, 12ff. Ob jenseits dieser Bereiche auch ohne Monopolstellung ein Kontrahierungszwang bestehen kann, ist in letzter Zeit insb für Diskriminierungen beim Vertragsschluss diskutiert worden. Richtigerweise lässt sich aus § 21 AGG ein solcher Zwang nicht herleiten (dazu eingehend § 21 AGG Rn 15ff). bb) Einzelfälle. Für die Tagespresse besteht auch bei einer Monopolstellung keine Verpflichtung 30 zum Abdruck politischer Anzeigen. Sie ist grds frei bei der Auswahl von Nachrichten und der Verbreitung von Meinungen (BVerfG 37, 84, 91; 42, 53, 62 = NJW 1976, 1627). Ein Kontrahierungszwang kommt jedoch bei Presseunternehmen mit (regionaler) Monopolstellung für Anzeigen unpolitischen Inhalts in Betracht (Staud/Bork Rn 25). Im Zusammenhang mit den Grundrechten der freien Meinungsäußerung, der Presse- und der Berufsfreiheit (Art 5, 12 GG) ist heute auch die sog Theaterkritiker-Entscheidung des RG (133, 388, 392) zu sehen. Lehnte das RG dort einen Abschlusszwang des Theaters ggü einem auf den Theaterbesuch angewiesenen Kritiker mit der Begründung ab, die Verweigerung sei nicht willkürlich gewesen, so ist dies im Lichte der Grundrechte heute anders zu beurteilen (Staud/Bork Rn 23). – Ein Verband kann durch den allg Kontrahierungszwang zur Aufnahme neuer Mitglieder verpflichtet sein. Dabei sind jedoch die Besonderheiten der Mitgliedschaft im Verband zu beachten (ausf Grunewald AcP 182 [1982], 181ff). Insb wirkt sich aus, dass nicht ein Partner eines Austauschvertrags, sondern ein Mitglied einer Korporation akzeptiert werden muss. Bei Monopolverbänden oder Vereinigungen mit einer überragenden Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich, bei denen die Mitgliedschaft für den Einzelnen aus beruflichen, wirtschaftlichen oder sozialen Gründen von erheblicher Bedeutung ist, besteht ein Aufnahmezwang, wenn die Ablehnung zu einer sachlich nicht gerechtfertigten ungleichen Behandlung oder unbilligen Benachteiligung im Verhältnis zu bereits aufgenommenen Mitgliedern führen würde (BGH 93, 151, 152ff = NJW 1985, 1216; 102, 265, 276 = NJW 1988, 552; Staud/Bork Rn 26). – Der sog diktierte Vertrag kommt durch einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt zustande, ohne dass es irgendwelcher Willenserklärungen der Beteiligten bedarf (Busche Privatautonomie und Kontrahierungszwang S 116). Das durch den Verwaltungsakt begründete Rechtsverhältnis hat zum Vertragsbegriff der §§ 145ff keinen Bezug; diese Vorschriften sind daher nicht anwendbar (vgl BaRo/Eckert § 145 Rn 7; Staud/Bork Rn 35). Zu den Rechtsfolgen des diktierten Vertrags s Rn 31. d) Die Rechtsfolgen, die der Kontrahierungszwang auslöst, sind privatrechtlicher Natur, sofern 31 das begründete Rechtsverhältnis nicht dem öffentlichen Recht unterliegt. aa) Schon der Abschlusszwang erzeugt ein gesetzliches Schuldverhältnis, das die Verpflichtung zur Abgabe einer auf Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung beinhaltet. Dieses Schuldverhältnis ähnelt demjenigen, das durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen begründet wird (BGH NJW 1974, 1903, 1904; vgl nunmehr auch § 311 II Nr 1, 3). – Da der gesetzliche Kontrahierungszwang (s Rn 28) einen Zustand schafft, als ob die Parteien schon in einem Vertragsverhältnis oder wenigstens in Vertragsverhandlungen miteinander stünden, könnte bloßes Schweigen auf eine zugegangene rechtserhebliche Erklärung im Einzelfall bereits als Zustimmung angesehen werden (so OGH 2, 352, 356 = NJW 1950, 24). Allein schon der Zugang des Angebotes genügt freilich auch bei bestehendem Abschlusszwang nicht zum Vertragsschluss (KG NJOZ 2008, 3426; offenlassend OGH 2, 352, 357 = NJW 1950, 24, 25; s ferner OGH 1, 253, 255). Erforderlich ist vielmehr auch hier zumindest eine irgendwie nach außen erkennbar werdende Betätigung des Annahmewillens; es genügt, wenn – was meist der Fall sein wird – die Voraussetzungen von § 151 S 1 vorliegen (F. Bydlinski JZ 1980, 378, 379; zum reinen Schweigen als Zustimmung s § 147 Rn 3). bb) Weigert sich der Verpflichtete, den Vertrag abzuschließen, so kann er weC. Armbrüster

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gen Nichterfüllung seiner Verpflichtung gem §§ 280 I, III, 281 zum Schadensersatz verurteilt werden; ein Rückgriff auf die §§ 826, 823 II erübrigt sich. Nach Abschluss des Vertrags gelten die allg Regeln, zB §§ 104ff; §§ 119ff; uU auch §§ 434ff usw (vgl OGH 4, 149, 152; BGH 1, 75, 79; NJW 1951, 109; teils abw OGH 1, 194, 196f). Auch beim sog diktierten Vertrag (s Rn 30) ist das Ergebnis des behördlichen Zwangseingriffs meist ein privates Rechtsverhältnis (BGH MDR 1952, 155; Staud/Bork Rn 35). Zwar kommt das Rechtsverhältnis durch einen hoheitlichen Akt zustande. Dennoch besteht kein Bedürfnis dafür, das Rechtsverhältnis selbst dem öffentlichen Recht zu unterstellen (vgl Flume II § 33, 6d [S 612f]; Staud/Bork Rn 35; aA Soergel/Wolf Rn 56). 32

e) Ähnliche Eingriffe in die Vertragsfreiheit. Spiegelbildlich zum Abschlusszwang gibt es auch Abschlussverbote; sie finden sich in den verschiedensten Rechtsgebieten. Ob ein unter Verstoß gegen ein gesetzliches Abschlussverbot geschlossener Vertrag gültig oder nichtig ist, beurteilt sich mangels besonderer Vorschrift nach § 134. Schließlich kann auch die Beendigung eines Vertragsverhältnisses erschwert oder gar unmöglich gemacht werden. Ein Zwang, an einem Vertrag festzuhalten, findet sich vor allem im Arbeitsrecht (Kündigungsschutz, Beschränkung des Arbeitsplatzwechsels) sowie im Wohnungsmietrecht. Im beiderseitigen Einverständnis können die Parteien einen von ihnen geschlossenen Verpflichtungsvertrag jederzeit durch actus contrarius aufheben; soweit bereits Leistungen erbracht wurden, sind sie wegen Wegfalls des rechtlichen Grundes nach § 812 I S 2 Fall 1 kondizierbar (s § 812 Rn 44ff).

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3. Die inhaltliche Gestaltungsfreiheit kann durch zwingende Vorschriften eingeschränkt sein (s noch Rn 36ff). Deren Zahl hat sich im Laufe der Zeit erheblich vergrößert. Hervorzuheben sind die zwingend ausgestalteten Verbraucherschutzregeln, die durch die Schuldrechtsmodernisierung von 2001 weitgehend ins BGB integriert wurden (zum Übergangsrecht s Heß NJW 2002, 253, 254ff; Armbrüster/Wiese DStR 2003, 334). Auch dispositive Vorschriften können kraft ihrer Ordnungsfunktion der Privatautonomie gewisse Grenzen setzen. Besonders deutlich wird dies bei der Kontrolle von AGB gem § 307 II Nr 1. Oft sind Beschränkungen der inhaltlichen Gestaltung mit einem Abschlusszwang verbunden. Möglich ist es aber auch, dass der Vertragsschluss selbst freigestellt, jedoch für den Fall des Zustandekommens ein bestimmter Inhalt vorgeschrieben ist. Es liegt dann ein sog normierter Vertrag oder Normenvertrag vor (vgl Rieble ZfA 2000, 5, 12; grundlegend A. Hueck JherJB 73 [1923], 33). Darunter ist ein Vertrag zu verstehen, in dem „Normen“ für Einzelverträge festgelegt worden sind, die von den Partnern des Normenvertrags entweder untereinander oder mit Dritten geschlossen werden. Die Bindung an den normierten Vertragsinhalt kann sowohl auf Gesetz als auch auf Rechtsgeschäft oder Satzung beruhen. Der wichtigste Normenvertrag ist der Tarifvertrag, der von einzelnen Arbeitgebern oder Arbeitgeberverbänden mit Gewerkschaften geschlossen wird, vgl § 611 Rn 186ff; Staud/Bork Rn 91). Weitere Bsp sind Verlags- und Mietnormenverträge sowie Verträge zur Festlegung gemeinsamer Lieferbedingungen (vgl Staud/Bork Rn 92). Je nachdem, ob die Partner des Normenvertrags gleiche oder entgegengesetzte Interessen verfolgen, unterscheidet man einseitige Normenverträge von zweiseitigen (zB Tarifvertrag; A. Hueck JherJb 73 [1923], 33, 41). Abzugrenzen vom Normenvertrag sind RL-, Rahmen- und Mantelverträge. In diesen legen die Vertragsparteien unverbindliche Empfehlungen (RL-Vertrag, dazu Staud/Bork Rn 92) oder verbindliche Bedingungen (Rahmen- oder Mantelvertrag; dazu K. Schmidt Handelsrecht 5. Aufl 1999 § 20 I 2c [599]) für künftige Einzelverträge fest (näher – auch zur teils uneinheitlichen Terminologie – MüKo/ Kramer Rn 34; Windbichler AcP 198 [1998], 261, 264). Aus solchen Verträgen kann mangels hinreichender Bestimmtheit grds nicht auf den Abschluss eines konkreten Einzelvertrags geklagt werden (BGH NJW-RR 1992, 977, 978). Sie sind deshalb auch keine Vorverträge (Staud/Bork Rn 54; K. Schmidt Handelsrecht 5. Aufl § 20 I 2c [599]; s auch Rn 52). Wird der Abschluss eines Einzelvertrags verweigert, so kann darin allerdings eine Verletzung der Pflichten aus dem Grundvertrag liegen, die gem § 280 I zum Schadensersatz verpflichtet (vgl BGH NJW-RR 1992, 977, 978: pVV; s auch BGH NJW-RR 2000, 1560, 1563). Ein Bsp für den Inhalt von Rahmenverträgen umschreibt § 305 III.

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4. Die Typenfreiheit beschränkt sich im Wesentlichen auf das Schuldrecht. Die Vertragsparteien können Schuldverträge jeden beliebigen Inhalts schließen. Die Vertragstypen, die das Besondere Schuldrecht enthält, sind lediglich Muster, deren sich die Parteien bedienen können, ohne jedoch auf sie angewiesen zu sein. Bei Vorschriften wie den §§ 433, 516, 611 usw handelt es sich um reine „Definitionsnormen“ (zutr Medicus SchuldR I Rn 122). Sie erlauben es, einen konkreten Vertrag einem gesetzlich geregelten Typ zuzuordnen, bilden aber nicht die Grundlage für die aus dem Vertrag erwachsenden (Primär-)Ansprüche. Diese ergeben sich aus dem Vertrag selbst. Vielfach enthalten die getroffenen Vereinbarungen Elemente verschiedener Vertragstypen; man spricht dann von typengemischten Verträgen. Im Sachenrecht und im Gesellschaftsrecht (insb bei Kapitalgesellschaften, s aber etwa auch § 105 I HGB für die OHG) ist die Freiheit der inhaltlichen Gestaltung von Verträgen durch Typenzwänge erheblich eingeschränkt.

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5. Im internationalen Geschäftsverkehr (s auch Rn 13) kommt der Vertragsfreiheit eine zusätzliche Dimension zu. Sie betrifft die Frage, inwieweit die Parteien ihren Vertrag durch Rechtswahl einer bestimmten Rechtsordnung unterstellen können (sog kollisionsrechtliche Parteiautonomie; Art 3 I Rom I-VO). Sie ist zu unterscheiden von der inhaltlichen Vertragsfreiheit, die sich nach dem kollisionsrechtlich berufenen Recht beurteilt. Zur Vertragsgestaltung im internationalen Geschäftsverkehr s insb Döser, Vertragsgestaltung im internationalen Wirtschaftsrecht, 2001; v Bernstorff, Vertragsgestaltung im Auslandsgeschäft, 6. Aufl 2007.

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6. Richtigkeitsgewähr. Die Vertragsfreiheit manifestiert sich nicht in dem formalen Akt einer durch übereinstimmende Willenserklärungen zustande gekommenen Einigung der Parteien. Sie beruht vielmehr auf dem Gedanken rechtlicher und tatsächlicher Gleichordnung der sich verständigenden 438

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Vertrag

Vor § 145

Rechtssubjekte. Eine beiderseits gewollte Rechtsgestaltung vermag eine gewisse „Richtigkeitsgewähr“ jedoch nur zu bieten, wenn zw den Parteien ein (relatives) wirtschaftliches und auch intellektuelles und organisatorisches Machtgleichgewicht besteht (MüKo/Kramer Vor § 145 Rn 3). Die Vertragsfreiheit allein ist kein Garant der Vertragsgerechtigkeit (eingehend Soergel/Wolf Rn 29). Bei einem Ungleichgewicht der Kräfte muss die Rechtsordnung den schwächeren Vertragsteil, der in seiner freien Selbstbestimmung gehindert ist, gegen Ausnutzung von Übermacht schützen. Das kann generell durch eine Funktionalisierung des Wettbewerbs und speziell durch Maßnahmen geschehen, die auf einen gerechten Interessenausgleich zielen. a) Damit der Vertrag seine ordnungspolitische Bedeutung als Mittel der Koordinierung privater 37 Rechtssubjekte auf dem Markt behalten kann, sind der Vertragsfreiheit im Interesse des Wettbewerbs Grenzen zu setzen. Hauptaufgabe des Kartellrechts ist es, wettbewerbsbeschränkende Verträge zu verhindern oder zu kontrollieren (vgl §§ 1ff GWB). Der Wettbewerb wird so als grundlegende Vorbedingung für das Funktionieren der Vertragsfreiheit institutionell gesichert (Soergel/ Wolf Rn 31). b) Der Gesetzgeber hat mittlerweile weitreichende, insb auf EG-RL zurückgehende soziale Schutz- 38 bestimmungen ins BGB integriert, die einen Ausgleich für die strukturelle Unterlegenheit von Verbrauchern (§ 13) ggü Unternehmern (§ 14) bei den Vertragsverhandlungen schaffen sollen. Ein wichtiges Instrument sind die Informationspflichten, denen der Unternehmer genügen muss (zB §§ 492, 502; BGB-InfoV), und die teils einem Schriftformerfordernis unterworfen sind (vgl §§ 492 I, 494 I). Hervorzuheben sind zudem die Widerrufsrechte iSv § 355. Das Gesetz räumt sie dem Verbraucher aus verschiedenen Gründen ein, die mit den Umständen des Vertragsschlusses (vgl §§ 312 I, 312d I) oder mit einem den Verbraucher besonders belastenden Vertragsinhalt (vgl § 495 für den Verbraucherdarlehensvertrag) zusammenhängen können (zum Widerruf s Reiner AcP 203 [2003], 1). Insgesamt ist die Stellung des Verbrauchers insb für die typischen Geschäfte des Alltags mittlerweile umfassend abgesichert (vgl die §§ 474ff für den Verbrauchsgüterkauf). Dieselbe allg Zielrichtung wie die spezifischen Verbraucherschutzregeln, nämlich die Kompensation einer strukturellen Unterlegenheit, verfolgt auch die Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle von AGB gem §§ 305ff (zum Schutzzweck der AGB-Kontrolle Kötz JuS 2003, 209). Massenverträge des täglichen Lebens werden nur selten individuell ausgehandelt. Der Verhandlungsstärkere kann daher aufgrund seiner strukturell überlegenen Position die Vertragsbedingungen einseitig vorgeben. In dieser Situation reichen die allg Regeln zur Verhinderung unangemessener Verträge (§§ 134, 138) zum Schutz des schwächeren Vertragspartners nicht aus. Hier greifen die §§ 305ff und außerhalb ihres Anwendungsbereichs (s § 310 IV) die Bedingungskontrolle nach § 242 (BGH NJW 2001, 1270, 1271 zu Gesellschaftsverträgen; s bereits BGH 64, 238, 241 = NJW 1975, 1318). IV. Fehlerhafte Verträge Schrifttum: Beckmann, Nichtigkeit und Personenschutz, 1998; Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, Karlsruhe, 1960; Enderlein, Rechtspaternalismus und Vertragsrecht, 1996; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992; Flume, Rechtsgeschäft und Privatautonomie, in FS DJT, 1960, 135; Küchenhoff, Faktische Vertragsverhältnisse und faktische Arbeitsverhältnisse?, RdA 1958, 121; Litterer, Vertragsfolgen ohne Vertrag, 1979; St. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997; C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 2002; K. Schmidt, „Fehlerhafte Gesellschaft“ und allgemeines Verbandsrecht, AcP 186 (1986), 421; M. Weber, Haftung für in Aussicht gestellten Vertragsabschluss, AcP 192 (1992), 391; Wiesner, Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, Diss Heidelberg, 1980.

1. Die Existenz eines Vertrags im Rechtssinne wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Vertrag 39 von der Rechtsordnung als ungültig angesehen wird (vgl auch die Dreiteilung bei Leenen AcP 188 [1988], 381, 385ff, der den Abschluss eines Vertrags von dessen Zustandekommen und Wirksamkeit abgrenzt). Der Vertragstatbestand als Gegenstand der Beurteilung setzt lediglich eine Willenseinigung im Sinne übereinstimmender Willenserklärungen voraus, die auf die Herbeiführung einer Rechtswirkung gerichtet sind. Ob der Vertrag gültig oder ungültig ist, ist eine Frage rechtlicher Wertung. Die Ungültigkeit kann darauf beruhen, dass die Willenserklärung eines Vertragsbeteiligten wegen Willensmängeln nach §§ 116ff nichtig ist. Sie kann sich aber auch daraus ergeben, dass der Vertrag Formmängel aufweist (§ 125) oder seinem Inhalt nach gegen ein Verbotsgesetz (§ 134) oder die guten Sitten (§ 138) verstößt. 2. Die Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe des positiven Rechts (§§ 116ff) sind auf die einzelne 40 Willenserklärung als Mittel individueller Rechtsgestaltung zugeschnitten. Es wird nicht danach differenziert, ob die Willenserklärung sich als einseitiges Rechtsgeschäft darstellt oder als Element eines Vertrags. Auch bei einem Vertrag hat die Nichtigkeit der einzelnen Willenserklärung die Ungültigkeit des ganzen Vertrags zur Folge (§ 142 I). Die Rechtsfolge anfänglicher Nichtigkeit tritt unabhängig davon ein, ob der Vertrag den Ausgleich entgegengesetzter Interessen bezweckt, auf die Wahrnehmung fremder Interessen gerichtet ist oder ein Zusammenwirken der Vertragsparteien regeln soll. Unberücksichtigt bleibt weiter, ob die Vertragsteile ihre Leistungen schon erbracht oder in Anspruch genommen haben und welcher Art diese Leistungen sind. Bei Ungültigkeit des Vertrags finden die allg Regeln des Kondiktionsrechts Anwendung, nach denen jede Partei verpflichtet ist, die vom Vertragsgegner empfangene Leistung zurückzugewähren (§ 812 I). Dabei wird davon ausgegangen, dass eine solche Rückgewähr möglich ist. Ist dies nicht der Fall, so hat der Bereicherungsempfänger gem § 818 II Wertersatz zu leisten; diese Pflicht ist jedoch bei Redlichkeit auf die Höhe der noch vorhandenen Bereicherung begrenzt (§§ 818 III, IV, 819).

C. Armbrüster

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Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

Diese schematische Regelung, die jeden Vertrag ohne Rücksicht auf seine wirtschaftliche Eigenart rechtlich gleich behandelt, führt bisweilen zu unangemessenen Ergebnissen. Dies gilt namentlich bei komplexen, auf Dauer angelegten Rechtsverhältnissen (Arbeitsverhältnis, Gesellschaft; vgl auch Einl § 104 Rn 12, § 611 Rn 262ff). Teils wird hier von „faktischen“ Verträgen gesprochen (Soergel/Wolf Rn 106), was ungenau ist, da es – anders als bei der Lehre vom faktischen Vertrag aufgrund sozialtypischen Verhaltens (s dazu Rn 42) – nicht um den Vertragsbegriff als solchen geht. Die §§ 116ff sind auf punktuelle Austauschverträge zugeschnitten und passen nicht auf durch Vertrag begründete Dauerschuldverhältnisse. Das trifft insb für den Nichtigkeitsbegriff des BGB zu, um dessen Relativierung es geht (Esser AcP 157 [1958/59], 86, 93f; Beckmann Nichtigkeit und Personenschutz 1998, 274ff). a) So ist es heute im Recht der Personengesellschaften anerkannt, dass die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit eines Gesellschaftsvertrags nach seiner Invollzugsetzung grds nicht zu einer rückwirkenden Vernichtung des Gesellschaftsverhältnisses führt, sondern lediglich zu einer Auflösung für die Zukunft, und zwar bei einer OHG oder KG aufgrund einer Auflösungsklage nach § 133 HGB, bei einer GbR aufgrund einer Kündigung nach § 723 (Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft; vgl § 705 Rn 73ff; BGH 3, 285, 287ff = NJW 1952, 97; 55, 5, 8ff = NJW 1971, 375; NJW 2007, 1127, 1128; K. Schmidt GesellschaftsR 4. Aufl 2002 § 6 I [136ff]). Diese Regeln gelten sinngemäß auch dann, wenn es um einen vollzogenen fehlerhaften Beitritt zu einer Personengesellschaft geht (BGH NJW 1988, 1321, 1323; NZG 2008, 460; s auch EuGH NJW 2010, 1511 [1513 Rn 42ff]). Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft beruht auf dem Gedanken, dass es zu unerträglichen Ergebnissen führen würde und mit dem Zweck der Nichtigkeits- und Anfechtungsvorschriften nicht vereinbar wäre, eine auf die Dauer angelegte und tatsächlich vollzogene Leistungsgemeinschaft, für die alle Beteiligten Beiträge erbracht und Werte geschaffen, die Gewinnchancen genutzt und das gemeinschaftliche Risiko getragen haben, rückwirkend aus dem Rechtsleben zu streichen (BGH 55, 5, 8 = NJW 1971, 375). Für die Vergangenheit wird daher die auf fehlerhafter Vertragsgrundlage beruhende Gesellschaft grds wie eine fehlerfrei entstandene behandelt. Dies gilt freilich dann nicht, wenn höherrangige Schutzinteressen der Allgemeinheit oder einzelner Personen ausnahmsweise den Rückgriff auf die allg Rechtsfolgen unwirksamer Vertragsbeziehungen gebieten (BGH 62, 234, 241; 97, 243, 250 = NJW 1986, 65). Das kommt insb bei Verstößen des Gesellschaftszwecks gegen Verbotsgesetze und bei mangelnder Geschäftsfähigkeit (s § 705 Rn 76) in Betracht. b) Auch bei fehlerhaft gegründeten Kapitalgesellschaften kommt die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft zur Anwendung (BGH NJW 1954, 1562 [GmbH]; Bamberg NZG 2004, 861, 862; BGH NJW 2005, 627 [AG & Still]; s auch Baumbach/Hueck, GmbHG § 3 Rn 35; Müko/Ulmer § 705 Rn 323; Müko-AktG/Ulmer § 23 Rn 167f; zum Streitstand bzgl der stillen Gesellschaft s BGH NJW-RR 2005, 627f; Müko/Ulmer § 705 Rn 358f). Bei Arglistanfechtung eines GmbHAnteilserwerbs gelten die Regeln hingegen nicht (BGH NJW 2007, 1058 [1059 Rn 19]). c) Ähnlich wie im Personengesellschaftsrecht ist auch im Arbeitsrecht anerkannt, dass nach Antritt der Arbeit ein fehlerhafter (nichtiger oder anfechtbarer) Arbeitsvertrag nicht mehr mit rückwirkender Kraft vernichtet werden kann, sondern lediglich mit Wirkung für die Zukunft aufhebbar ist (BAG NZA 1998, 199, 200; MüHdbArbR/Richardi § 46 Rn 56ff). Stets gelten die sozialen Schutzbestimmungen, insb § 618. Die Lehre vom fehlerhaften Vertrag kann auch bei anderen Dauerschuldverhältnissen Bedeutung erlangen (Soergel/Wolf Rn 106). Dabei handelt es sich jedoch um Ausnahmefälle, da idR die allg Nichtigkeits- und Anfechtungsfolgen zu angemessenen Ergebnissen führen. V. Faktischer Vertrag aufgrund sozialtypischen Verhaltens Schrifttum: Bärmann, Typisierte Zivilrechtsordnung der Daseinsvorsorge, 1948; Esser, Gedanken zur Dogmatik der „faktischen Schuldverhältnisse“, AcP 157 (1958/59), 86; Köhler, Kritik der Regel „protestatio facto contraria non valet“, JZ 1981, 464; Lambrecht, Die Lehre vom faktischen Vertragsverhältnis: Entstehung, Rezeption und Niedergang, Diss Bielefeld 1994; Larenz, Die Begründung von Schuldverhältnissen durch sozialtypisches Verhalten, NJW 1956, 1897; Mestmäcker, Über die normative Kraft privatrechtlicher Verträge, JZ 1964, 441; Nipperdey, Faktische Vertragsverhältnisse?, MDR 1957, 129; Teichmann, Die protestatio facto contraria, in FS K. Michaelis, 1972, 294; Wieacker, Willenserklärung und sozialtypisches Verhalten, in Göttinger FS OLG Celle, 1961, 263.

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1. Typisierte Leistungen des modernen Massenverkehrs sind dadurch gekennzeichnet, dass sie jedermann angeboten werden und dass ihr Inhalt standardisiert ist (zB öffentliche Verkehrsmittel). Früher wurde teils vertreten, dass diese Leistungsbeziehungen nicht auf übereinstimmenden Willenserklärungen beruhten, sondern auf rein tatsächlichen Akten, nämlich dem öffentlichen Anbieten der Dienst- oder Sachleistung und ihrer Inanspruchnahme durch Benutzung oder Anschluss (Larenz NJW 1956, 1897; abl Larenz/Wolf AT § 30 Rn 25ff). Auf diese Lehre vom faktischen Vertrag aufgrund sozialtypischen Verhaltens hat sich auch der BGH in einigen Urt gestützt (BGH 21, 319, 333 = NJW 1956, 1475 für die Inanspruchnahme eines Parkplatzes; 23, 175, 177f = NJW 1967, 627 für den Bezug von Strom; 23, 249, 261 = NJW 1957, 787 für die formlose Hoferbenbestimmung). Heute wird diese Lehre nahezu einhellig abgelehnt (MüKo/Kramer Rn 38; Soergel/Wolf Rn 103; Staud/Bork Rn 39); auch die Rspr greift nicht mehr auf sie zurück (vgl nur BGH WM 1968, 115, 117; 1976, 928; NJW 1991, 564). Die Sachverhalte sind ohne weiteres mit den allg Regeln der Rechtsgeschäftslehre zu bewältigen, nämlich mit § 151, der Anerkennung konkludenter Willenserklärungen und der Unbeachtlichkeit der protestatio facto contraria (s noch Rn 43; Jauernig/Jauernig vor § 145 Rn 20; Staud/Bork Rn 39). So liegt beim Öffentlichen Personennahverkehr das Angebot darin, dass die Benutzung des Verkehrsmittels (Bus, U-Bahn usw) jedermann möglich ist (Realofferte ad incertas personas; s § 145 Rn 1); die Annahme erfolgt durch Inanspruchnahme der Beförderungsleistung. Zumindest liegt eine Willensbetätigung des Fahrgastes vor, die in diesen Fällen das Zustandekommen eines rechtsgeschäftlichen Vertragsschlusses nach § 151 bewirkt (AG Wuppertal FPR 2009, 608). Entspr ist auch die Inanspruchnahme anderer öffentlich angebotener Dienst- oder Sachleistungen zu beurteilen, zB

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Vertrag

Vor § 145

die Entnahme von Strom (vgl. LG Dresden BeckRS 2009, 07101; AG Neuruppin FamRZ 2009, 1221 [LS] (betr Gaslieferung). 2. Wer eine typisierte Leistung in Anspruch nimmt, die nur gegen Zahlung eines Entgelts angebo- 43 ten wird, muss die verkehrsmäßige Bedeutung seines Verhaltens auch dann gegen sich gelten lassen, wenn er vor oder bei der Inanspruchnahme der Leistung zum Ausdruck bringt, ein Entgelt nicht entrichten zu wollen. Die Bedeutungslosigkeit seines Vorbehalts folgt daraus, dass er tatsächlich die ihm gegen Entgelt angebotene Leistung in Anspruch genommen hat und damit der Vorbehalt im Widerspruch zu seinem eigenen tatsächlichen Verhalten steht (BGH NJW-RR 2005, 639, 640; NJW 2003, 313). Darin liegt ein bewusster Akt der Rechtsgestaltung, mag er sich auch nur auf das „Ob“ des Abschlusses beziehen (Flume II § 8, 2, 97ff). Meint der Benutzer, seinem Vorbehalt komme rechtliche Bedeutung zu, so handelt es sich um einen unerheblichen Rechtsirrtum. Zum gleichen Ergebnis führt der Rechtsgedanke „protestatio facto contraria non valet“. Sinn eines Vorbehalts ist es, ein auslegungsbedürftiges Verhalten klarzustellen. Lässt sich aber ein Verhalten vernünftigerweise nicht anders denn als Ausdruck eines bestimmten Willens erklären und wird dieser Wille trotzdem in Abrede gestellt, so ist der Vorbehalt wirkungslos. Wer daher zB von einem Elektrizitätswerk Strom bezieht und weiß, dass ihm das Werk den Strom nur zu den allg festgesetzten Strompreisen anbietet, verpflichtet sich durch den Strombezug zur Zahlung des Strompreises, auch wenn er erklärt, sich dem festgesetzten Preis nicht unterwerfen zu wollen (BGH 115, 311, 314 = NJW 1992, 171; NJW 2003, 3131; s auch NJW 2000, 3429, 3431 zum Verbleib eines Patienten im Krankenhaus trotz Endes der Kostenübernahme durch den gesetzlichen Krankenversicherungsträger; aA Köhler JZ 1981, 464; krit auch Jauernig/Jauernig Rn 20). Auch wenn sich der Leistungsbezug nicht nach einem festen Tarif bestimmt, sondern das Entgelt jeweils vereinbart werden muss, kommt entgegen § 154 I gewöhnlich ein Stromabnahmevertrag mit der Maßgabe zustande, dass das Stromunternehmen analog §§ 315, 316 berechtigt ist, die Höhe des Strompreises nach billigem Ermessen zu bestimmen (BGH NJW 1983, 1777). Im Zweifel ist nicht anzunehmen, dass Lieferant und Abnehmer in einem vertragslosen Zustand bleiben wollen. – Medicus (AT Rn 249f) will die Fälle des anonymen Massenverkehrs analog §§ 612, 632 lösen, weil der die angebotene Leistung in Anspruch nehmende Benutzer die rechtlich bestehende Vergütungspflicht regelmäßig nicht durch einseitige Erklärung ausschließen könne und wolle. Dieser Ansatz lässt indessen offen, wie es überhaupt zum Vertragsschluss kommen soll. IÜ lässt sich durch die Inanspruchnahme einer nicht mehr rückgängig zu machenden Leistung nicht stets eine vertragliche Pflicht zur Zahlung des üblichen Entgelts begründen, so zB nicht bei Diebstahl oder heimlicher Erschleichung fremder Leistung. Dann lässt sich ein Ausgleichsanspruch aus Delikts- oder aus Bereicherungsrecht herleiten (s Rn 45). 3. Eine andere Frage ist es, ob sich derjenige, der eine ihm angebotene Leistung tatsächlich in An- 44 spruch genommen hat, auf die Nichtigkeit seiner Annahmeerklärung wegen eines Willensmangels berufen kann. Da eine echte Willenserklärung vorliegt, greifen grds die Regeln ein, welche die persönliche Zurechenbarkeit des Verhaltens ausschließen. Die Wertung der widerstreitenden Interessen ist jedoch bei Massenverträgen eine andere als bei individualisierten Leistungsbeziehungen, auf welche die Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe des BGB in erster Linie zugeschnitten sind. Im Bereich des Massenverkehrs kommt es vor allem auf den reibungslosen und einheitlichen Ablauf der Leistungsbeziehungen an. Dieser Gesichtspunkt führt zu einer Zurückdrängung individueller Elemente. Zu weit geht es jedoch, bei Willenserklärungen, die kraft der Verkehrssitte einen sozialtypischen Inhalt haben, die Berufung auf Willensmängel schlechthin auszuschließen (Soergel/Wolf Rn 103). Bejaht man das Vorliegen einer Willenserklärung oder Willensbetätigung, so muss man auch Korrekturen zulassen, die dem Erklärenden die Möglichkeit geben, einen entgegengesetzten inneren Willen zur Geltung zu bringen. Auch im Bereich der Daseinsvorsorge ist daher nach § 123 zur Anfechtung berechtigt, wer durch arglistige Täuschung oder Drohung zum Vertragsschluss bestimmt worden ist. Problematischer ist die Heranziehung der §§ 116ff, insb eine Irrtumsanfechtung nach § 119 oder die Berufung auf fehlendes Erklärungsbewusstsein. Auch die Anwendbarkeit dieser Normen lässt sich freilich nicht bezweifeln. Missbräuchen kann jedoch durch hohe Anforderungen an Darlegung und Beweis entgegengewirkt werden. Diese Strenge rechtfertigt sich daraus, dass die Entgeltpflichtigkeit typisierter Leistungen des Massenverkehrs allg bekannt ist und Rechtsfolgenirrtümer unerheblich sind (für umfassendere Einschränkung über § 242 noch 11. Aufl; s auch Soergel/Wolf Rn 103). 4. In den Fällen, in denen es an einem rechtsgeschäftlichen Vertragsschluss fehlt, besteht keine 45 Notwendigkeit, „faktische Verträge“ anzuerkennen (BGH 95, 393, 399). Sachgerechte Lösungen lassen sich, wenn nicht nach den Grundsätzen der Vertragslehre, nach den Vorschriften des Deliktsoder des Bereicherungsrechts erzielen (s insb § 818 Rn 15ff; BGH 55, 128, 130ff = NJW 1971, 128 – Flugreise; Soergel/Wolf Rn 105). VI. Vorvertrag, Optionsvertrag Schrifttum: Von Einem, Die Rechtsnatur der Option, 1974; Freitag, „Specific performance“ und „causa-Lehre“ über alles im Recht des Vorvertrags?, AcP 207 [2007], 287; Gehrlein, Das Zusammenspiel vorvertraglicher Ansprüche und einer Haftung aus culpa in contrahendo, VersR 1997, 928; Georgiades, Optionsvertrag und Optionsrecht, in FS Larenz, 1973, 409; von Hase, Vertragsbindung durch Vorvertrag, 1999; D. Henrich, Vorvertrag, Optionsvertrag, Vorrechtsvertrag, 1965; Köhler, Vorvertrag, Optionsvertrag und Festofferte, Jura 1979, 456; Kösters, Letter of Intent – Erscheinungsformen und Gestaltungshinweise, NZG 1999, 623; Kues, Vereinbarungen im Vorfeld eines Vertrages, Diss Konstanz 1994; Lutter, Der Letter of Intent, 3. Aufl 1998; Maurer, Vorrechte in der vertraglichen Praxis, BwNotZ 2004, 57; Mock, Vorvertrag, Angebot, Angebotsvertrag, Optionsvertrag, insbesondere Ankaufsrecht, in Hagen/Brambring (Hrsg), RWS-Forum Immobilienrecht 1998, 91; Ritzinger, Der Vorvertrag in der notariellen Praxis, NJW 1990, 1201; Schmalzel, Vorverträge zugunsten Dritter, AcP 164 [1964], 446; K. Schmidt, Zur Durchsetzung vorvertraglicher Pflich-

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Rechtsgeschäfte

ten, DNotZ 1990, 708; M. Weber, Der Optionsvertrag, JuS 1990, 249; M. Weber, Haftung für in Aussicht gestellten Vertragsabschluss, AcP 192 (1992), 390; Wertenbruch, Zur Haftung aus culpa in contrahendo bei Abbruch von Vertragsverhandlungen, ZIP 2004, 1525; M. Wolf, Rechtsgeschäfte im Vorfeld von Grundstücksübertragungen und ihre eingeschränkte Beurkundungsbedürftigkeit, DNotZ 1995, 179.

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1. Vorvertrag. a) Begriff und Zulässigkeit. Unter einem Vorvertrag versteht man eine schuldrechtliche Vereinbarung, durch die für einen oder beide Vertragspartner die Verpflichtung begründet wird, einen bestimmten weiteren schuldrechtlichen Vertrag, den sog Hauptvertrag, abzuschließen (BGH 102, 384, 388 = NJW 1988, 1261; s auch NJW 2006, 2843f). Durch den Vorvertrag begründen die Parteien also einen vertraglichen Kontrahierungszwang (Larenz/Wolf AT § 23 Rn 102; MüKo/Kramer Rn 50; s auch Rn 28). Ob der Kontrahierungszwang nur im Verhältnis der Vertragsparteien oder auch zugunsten eines Dritten bestehen kann (Schmalzel AcP 164 [1964], 446; Staud/Bork Rn 56), ist eine Frage der Terminologie (BGH 97, 147, 151f = NJW 1985, 1983). Es spricht nichts gegen ein weiteres Begriffsverständnis. Die Zulässigkeit des Vorvertrags ergibt sich aus dem das Recht der Schuldverhältnisse beherrschenden Grundsatz der Vertragsfreiheit (Vertrag sui generis gem § 311 I, grundlegend RG 66, 116, 120). Grds unterliegt der Vorvertrag den allg für den Vertrag geltenden Rechtssätzen (RG 66, 116, 121; s auch Flume II § 33, 7, 614, der den Begriff des Vorvertrags deshalb mangels hinreichender Unterscheidungskraft für weitgehend sinnlos hält). Die Parteien müssen sich über den wesentlichen Vertragsinhalt geeinigt und den Willen zu der für den Vorvertrag typischen Bindung gehabt haben; davon kann bei einer Beurkundung der Vereinbarung ausgegangen werden (BGH NJW 2006, 2843). Der Vorvertrag unterscheidet sich vom Hauptvertrag somit nicht durch einen fehlenden Rechtsbindungswillen (der sog Letter of Intent begründet daher idR keinen Vorvertrag; Lutter Letter of Intent, 27ff; s allg Rn 9), sondern allein durch den Vertragsgegenstand. Der Vorvertrag setzt einen vom Hauptvertrag unterscheidbaren Vertragsgegenstand voraus. Ein Vertrag, in dem alle Vertragsbedingungen festgelegt sind, ist daher kein Vorvertrag, auch wenn die Parteien ihn als solchen bezeichnet haben (BGH NJW 1962, 1812, 1813). – Da die Parteien regelmäßig nicht lediglich einen Anspruch auf Abschluss eines Hauptvertrags, sondern unmittelbar einen Anspruch auf die sich aus diesem ergebenden Rechte und Pflichten begründen wollen, ist im Zweifel von einem Hauptvertrag auszugehen (BGH NJW 1962, 1812, 1813; NJW-RR 1989, 800, 801). – Für die Abtretbarkeit des Anspruchs aus einem Vorvertrag gelten die allg Regeln, vgl insb § 399 (RG 68, 355, 356). Entspr gilt für die Vererblichkeit. – Der schuldrechtliche Vertrag zur Herbeiführung einer dinglichen Rechtsänderung stellt seiner Natur nach keinen Vorvertrag zu dem späteren dinglichen Vertrag dar (RG 48, 133, 135). Zur Abgrenzung des Vorvertrags von Ausschließlichkeitsklauseln sowie Rahmen-, Mantel- und Optionsverträgen s Rn 52.

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b) Bestimmtheitserfordernis. An die inhaltliche Bestimmtheit des Vorvertrags sind im Grundsatz diejenigen Anforderungen zu stellen, die auch für den Hauptvertrag gelten (Mot I S 178; Flume II § 33, 7, 614). Da die Bedeutung des Vorvertrags aber gerade darin liegt, eine vertragliche Bindung auch dort zu ermöglichen, wo der Inhalt des Hauptvertrags noch nicht in allen Einzelheiten festgelegt werden kann (vgl Ritzinger NJW 1990, 1201, 1202f; M. Wolf DNotZ 1995, 179, 181), darf bei bestehenden Vertragslücken die Einigung der Parteien nicht vorschnell abgelehnt werden (vgl BGH 97, 147, 154 = NJW 1986, 1983, der allerdings missverständlich ausführt, der Vorvertrag fordere ein geringeres Maß an Bestimmtheit als der Hauptvertrag, s Müko/Kramer Rn 53). Es genügt ein solches Maß an Bestimmtheit oder doch Bestimmbarkeit und Vollständigkeit, dass im Streitfall der Inhalt des Vertrags richterlich festgestellt werden kann (st Rspr, BGH 97, 147, 154 = NJW 1986, 1983; NJW 1990, 1234, 1235; NJW-RR 1993, 139, 140). Steht fest, dass sich die Parteien vertraglich binden wollten, so sind offene Punkte soweit möglich durch – ggf erg – Auslegung des Vorvertrags und unter Heranziehung des dispositiven Rechts zu schließen (BGH NJW-RR 1993, 139, 140; Staud/Bork Rn 57; M. Wolf DNotZ 1995, 179, 181). Das Bestimmtheitserfordernis bezieht sich auf die essentialia negotii (zum Begriff s Rn 4) und alle von den Parteien für wesentlich erachteten Nebenpunkte (vgl BGH NJW 1990, 1234, 1235). Dies schließt es jedoch nicht aus, dass die Parteien Nebenpunkte erst im Hauptvertrag regeln (vgl BGH NJW-RR 1993, 139, 140). – Bsp: Bei einem Mietvorvertrag muss sich die Einigung auf das Mietobjekt, die Mietdauer und die Miete beziehen; die näheren Vertragsbedingungen können weiteren Verhandlungen vorbehalten bleiben (BGH NJW-RR 1993, 139, 140). Bei Vermietung „vom Reißbrett“ ist hingegen eine genauere Beschreibung erforderlich (KG NJW-RR 2007, 519; s auch BGH NJW 2006, 140). Ein Gesellschaftsvorvertrag muss die Rechtsform der zu gründenden Gesellschaft angeben (RG 106, 174, 177); ist der Vorvertrag auf die Gründung einer GmbH gerichtet, müssen zu seiner Wirksamkeit jedenfalls Stammkapital und Stammeinlagen geregelt werden (Karlsruhe NJW-RR 1996, 997, 998; s auch BGH NJW 1990, 1234, 1235 zu den Bestimmtheitsanforderungen an einen Vorvertrag über den Kauf eines Unternehmens). Da allerdings § 154 auch für den Vorvertrag gilt (BGH NJW-RR 1992, 977f; Staud/Bork Rn 52), ist dieser im Zweifel nicht geschlossen, solange nicht alle Vertragspunkte, über die eine Einigung erzielt werden sollte, geregelt sind. Ist der Vorvertrag lückenhaft, kann zudem der Rechtsbindungswille zweifelhaft sein. Erhöhte Bestimmtheitsanforderungen gelten bei formbedürftigen Vorverträgen (s Rn 48).

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c) Formbedürftigkeit. Der Vorvertrag bedarf grds keiner Form. Ausnahmen: aa) Gesetzliches Formerfordernis. Ist für den Hauptvertrag eine Form durch Gesetz vorgeschrieben, so ist ausnahmsweise auch der Vorvertrag formbedürftig, wenn das Formerfordernis den Schutz eines oder beider Beteiligten vor voreiligen Entschlüssen bezweckt und aus diesem Grunde eine Bindung nur bei Einhaltung der Form eintreten lassen will (BGH 61, 48 = NJW 1973, 1839: Formbedürftigkeit eines Jagdpachtvorvertrags gem § 11 III S 1 BJagdG; BAG 2010, 1100 [LS]: Formbedürftigkeit eines Vorvertrags über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags). Das Formerfordernis erstreckt sich dann auf alle Vereinbarungen, die schon im Vorvertrag hätten verbindlich geregelt werden können und nach dem 442

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Vertrag

Vor § 145

Parteiwillen auch sollten. Bleiben solche Punkte offen, so ist der Vorvertrag nach § 125 S 1 nichtig (vgl BGH 97, 147, 154f = NJW 1986, 1983). Der Vorvertrag zu einem Grundstückskaufvertrag bedarf der Form des § 311b I 1 (st Rspr; BGH 82, 398, 403 = NJW 1982, 759; NJW 2006, 2843, 2844; M. Wolf DNotZ 1995, 179, 182). Der Vorvertrag zum Gesellschaftsvertrag einer GmbH ist nach § 2 I GmbHG formbedürftig (BGH NJW-RR 1988, 288), der einer AG nach § 23 AktG (RG 156, 129, 138; Hüffer AktG § 23 Rn 14). Die Form des Zeichnungsscheins iSd § 185 I S 1 AktG gilt auch für einen entspr Vorvertrag (Blaurock in FS Rittner 1991, 33, 43ff; Hergeth/Eberl NZG 2003, 205, 206f). Die Erklärung des Bürgen in einem Bürgschaftsvorvertrag ist nach § 766 S 1 formbedürftig (s § 766 Rn 1). Dient das Formerfordernis dagegen nur der Beweissicherung, wie zB bei § 550, so bedarf der Vorvertrag keiner Form, da die Beweissicherung durch den formgerechten Abschluss des Hauptvertrags bewirkt werden kann (RG 86, 30, 32; 104, 131, 132; BGH NJW 2007, 1817; krit Eckert ZfIR 2007, 666f; aA Flume II § 33, 7 [S 616] zu § 566 aF; AnwK/Schulze Rn 35). Deshalb bedarf der Vorvertrag zu einem Schuldanerkenntnis iSd §§ 780, 781 keiner Form, wenn man als zentralen Formzweck die Beweissicherung sieht (zum Streitstand s § 781 Rn 8ff). Ein Vorvertrag zum Abschluss eines genau bestimmten Tarifvertrags bedarf nicht der Schriftform des § 1 II TVG (ErfK/Franzen § 1 TVG Rn 20; aA Löwisch/Rieble TVG 2. Aufl 2004 § 1 TVG Rn 541; offenlassend BAG BB 2007, 556). bb) Gewillkürtes Formerfordernis. Für den Vorvertrag kann nach allg Regeln eine Form durch Parteivereinbarung vorgesehen werden. Dann gilt § 154 II. Ob eine Formvereinbarung für den Hauptvertrag auch auf den Vorvertrag zu beziehen ist, muss im Einzelfall durch Auslegung ermittelt werden (BGH NJW 1958, 1281). cc) Heilung. Der Formmangel des Vorvertrags kann etwa in den Fällen des § 311b I S 2 durch formwahrenden Abschluss des Hauptvertrags geheilt werden (BGH 82, 398, 403ff = NJW 1982, 759; eingehend Keim DNotZ 2005, 324; i Erg ähnlich Freitag AcP 207 [2007], 287, 312). Eine Heilung tritt freilich nur insoweit ein, als die formlos vereinbarten Bedingungen in der richtigen Form bestätigt worden sind (BGH NJW-RR 1993, 522). Ein Hauptvertrag, der mit einem vom Vertragspartner vermittelten Dritten geschlossen wird, hat keine Heilungswirkung, da Auflassung und Eintragung nicht die Erfüllung des formunwirksam geschlossenen Vorvertrags darstellen (BGH NJW 2004, 3626 [auch zur Kondiktion des Hauptvertrags, 3628] m zust Anm Grünberg EWiR § 311b 1/05, 65; aA noch BGH NJW 1982, 759). dd) Treu und Glauben. Auch formwidrige Verträge können uU nach § 242 als wirksam zu behandeln sein (s § 242 Rn 117ff). 2. Pflichten der Parteien des Vorvertrags. a) Der Vorvertrag verpflichtet grds beide Parteien, beim 49 Aushandeln ggf noch offener Vertragsbedingungen mitzuwirken, ein zum Abschluss des Hauptvertrags geeignetes Angebot abzugeben und ein entspr Angebot der Gegenseite anzunehmen (BGH NJW-RR 1994, 317, 318; NJW 2006, 2843, 2844; aA Freitag AcP 207 [2007], 287, 302ff). Außerdem können die Parteien aufgrund des Vorvertrags verpflichtet sein, eine in ihrem Namen von einem vollmachtlosen Vertreter abgegebene Erklärung zu genehmigen (BGH 108, 380, 384 = NJW 1990, 508); die Genehmigung hat, wenn sie im Klageweg erzwungen wird, allerdings keine Rückwirkung (BGH 108, 380, 384 = NJW 1990, 508; K. Schmidt DNotZ 1990, 708, 711). Zulässig ist auch ein einseitig verpflichtender Vorvertrag (BGH NJW 1962, 1812, 1813; MüKo/Kramer Rn 50; v Riegen ZHR 167, 2003, 702 [711: Verpflichtung zur Annahme eines Übernahmeangebots]; zur Abgrenzung von Optionen s Rn 52). Ob der angebotene oder abgeschlossene Hauptvertrag die Ansprüche aus dem Vorvertrag erfüllt, ist durch Auslegung unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Parteiwillens und des dispositiven Rechts zu prüfen (BGH NJW-RR 1994, 317, 318f). Die Unmöglichkeit der aufgrund des künftigen Hauptvertrags geschuldeten Leistungen lässt grds nicht die Ansprüche aus dem Vorvertrag entfallen (vgl BGH NJW 2001, 1285, 1286). Hat der Schuldner des Vorvertrags aber das Recht, sich vom Hauptvertrag zu lösen, so kann dem Anspruch auf Abschluss des Hauptvertrags § 242 entgegenstehen (vgl BGH NJW 2001, 1285, 1286 zu § 326 aF). b) Verletzt der Verpflichtete die sich aus dem Vorvertrag ergebenden Pflichten, so stehen dem Berechtigten grds die aus den allg Regeln folgenden Sekundäransprüche und Rechte zu. So kann der Berechtigte etwa gem §§ 280 I, II, 286 seinen Verzugsschaden ersetzt verlangen (Staud/Bork Rn 65) oder gem § 323 I – nach Setzung einer angemessenen Frist – vom Vertrag zurücktreten (vgl BGH NJW 1984, 479f zu einem auf pFV gestützten Rücktritt). Bei Verzug des aus dem Vorvertrag Verpflichteten kann der andere Teil zudem berechtigt sein, die Einräumung der Rechtsstellung zu verlangen, die er bei rechtzeitiger Erfüllung erlangt haben würde (RG 165, 260, 270). Daneben kommt auch ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gem §§ 280 I, III, 281 in Betracht (vgl Bucher AcP 186 [1986], 1, 52). Dieser umfasst auch diejenigen Schäden, die daraus erwachsen, dass der Hauptvertrag nicht durchgeführt wurde. Dasselbe gilt, wenn der Hauptvertrag wegen Unmöglichkeit einer Leistung nicht hätte durchgeführt werden können, denn aus dem Vorvertrag erwächst für den Schuldner die Pflicht, sich hins des Hauptvertrags leistungsbereit zu halten (BGH NJW 1963, 1247; NJW 1990, 1233). 3. Prozessuales. Die Klage aus einem Vorvertrag ist nicht unmittelbar auf Leistung, sondern auf 50 Abschluss des Hauptvertrags zu richten (Ausnahme: BGH NJW 1972, 1189, 1190), und zwar grds auf Annahme eines mit der Klage vorgelegten Angebots (BGH NJW 2001, 1272, 1273). Für eine Feststellungsklage besteht grds kein Rechtsschutzinteresse (BGH LM § 256 ZPO Nr 40). Ausnahmsweise kann aus Gründen der Prozessökonomie eine Klage auf Abgabe eines Angebotes zulässig sein (BGH 98, 130, 133 = NJW 1986, 2822 m Anm Krüger ZNotP 2006, 447, 449). Wirkt eine Seite nicht an den aufgrund des Vorvertrags geschuldeten Verhandlungen über den Inhalt des Hauptvertrags mit oder ist eine Einigung nicht erzielbar, so kann der andere Teil auf Abgabe einer von ihm vorformulierten Vertragserklärung klagen; dem Beklagten obliegt es dann, konkrete Alternativvorschläge zu unterbreiten (BGH NJW 2006, 2843, 2844). Ebenso kann eine Klage auf Annahme eines abzugebenden, dem Inhalt des Klageantrags entspr Angebotes zulässig sein (BGH 97, 147, 149 = NJW 1986, 1983). Auch ist eine Klage auf künftige Leistung unter den Voraussetzungen des § 259 ZPO zulässig. Mit der Klage C. Armbrüster

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Vor § 145

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

auf Vertragsabschluss kann der Antrag auf die aufgrund des Hauptvertrags geschuldete Leistung verbunden werden (BGH NJW 1986, 2820, 2821; NJW 2001, 1285, 1286). Bei Verurteilung zum Abschluss des Hauptvertrags sind, soweit nötig und möglich, zwischenzeitliche Veränderungen zu berücksichtigen (BGH NJW 1962, 1812, 1813). 51

4. Abgrenzungen. a) Vorverhandlungen. Anders als beim Vorvertrag haben die dem Vertragsschluss vielfach vorausgehenden Vorverhandlungen für die Beteiligten noch keine rechtsgeschäftlich bindende Wirkung. Sie können nur für die Ermittlung und Auslegung des Parteiwillens bedeutsam sein und Lücken bzgl der erforderlichen Bestimmtheit des Vertragsgegenstandes schließen. Bereits während der Vorverhandlungen besteht zw den Beteiligten ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis, das jeden Teil verpflichtet, dem anderen alle für dessen Entschließung nach Treu und Glauben wesentlichen Punkte mitzuteilen (vgl §§ 311 II, 241 II). Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob der Vertrag zustande kommt. Ihre Verletzung kann den Geschädigten gem §§ 280 I, 311 II, 241 II (cic) zum Schadensersatz berechtigen. Der Abbruch von Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund kann eine gleichfalls auf cic gestützte Pflicht zum Vertragsschluss nach sich ziehen (§ 145 Rn 20).

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b) Vom Vorvertrag ist der Optionsvertrag zu unterscheiden. Bei diesem verpflichten sich die Parteien (oder eine von ihnen, Rn 49) nicht zu einem Vertragsschluss, vielmehr wird dem Vertragspartner das Recht eingeräumt, durch eine einseitige Erklärung den beabsichtigten und bereits festgelegten Vertrag zustande zu bringen (s Vor § 158 Rn 14ff). – Auch eine Ausschließlichkeitsklausel ist kein Vorvertrag (aA Rittner, Ausschließlichkeitsbindungen in dogmatischer und rechtspolitischer Betrachtung, 1957 S 32ff). Der Unterschied besteht darin, dass der Vorvertrag eine Verpflichtung zum Abschluss eines Hauptvertrags auslöst, die Ausschließlichkeitsklausel dagegen dem Gebundenen lediglich einen bestimmten Vertragspartner aufzwingt, ohne ihn jedoch notwendig zur Vornahme des Geschäfts zu verpflichten. Rahmen- oder Mantelverträge sind ebenfalls dadurch vom Vorvertrag zu unterscheiden, dass keine Pflicht zum Abschluss eines Einzelvertrags begründet wird (Rn 33; Staud/ Bork Rn 54). Anpassungsklauseln stellen, auch wenn sie einen Anspruch auf Vertragsänderung begründen, keinen Vorvertrag dar, da sie auf eine Verfügung, nämlich die Vertragsänderung, gerichtet sind (Staud/Bork Rn 55; aA Pal/Ellenberger Rn 19). VII. Sukzessivlieferungsvertrag Schrifttum: Timme, Schadensersatzanspruch des nichtbelieferten Käufers bei einem Sukzessivlieferungsvertrag – BGH, NJW 1998, 2901, JuS 2001, 1060; Reiter, Die Neuregelung des Widerrufsrechts bei Sukzessivlieferungsverträgen unter besonderer Berücksichtigung des Bierlieferungsvertrages, BB 1991, 2322; Schneider, Widerrufsbelehrung beim Ratenlieferungsvertrag, ZGS 2003, 21; M. Schwab, Leistungsstörungen im Sukzessivlieferungsvertrag nach neuem Schuldrecht, ZGS 2003, 73; Woitkewitsch, Die Rechte des Verbrauchers beim Abonnementvertrag, MDR 2005, 371.

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1. Der Begriff des Sukzessivlieferungsvertrags wird uneinheitlich verwendet. So wird darunter zT nur ein Teillieferungsvertrag verstanden, der auf Erbringung einer im Voraus fest bestimmten Leistung in zeitlich aufeinander folgenden Raten gerichtet ist (s Vor § 433 Rn 31; BGH NJW 1977, 35; NJW 1981, 679, 680; Timme JuS 2001, 1060; vgl a RG 148, 326, 330). Beschrieben wird damit kein typisches Dauerschuldverhältnis, sondern ein nur zeitlich gestreckter Kauf- oder Werklieferungsvertrag (Pal/ Grüneberg Vor § 311 Rn 27; vgl BGH NJW 1981, 679, 680). Andere verstehen unter einem Sukzessivlieferungsvertrag einen Bezugsvertrag, bei dem die zu liefernde Menge nicht von vornherein feststeht, sondern sich im Lauf der Zeit (sukzessive) erhöht (Medicus SchuldR I Rn 12; aA ausdr BGH NJW 1981, 679, 680). Diese Definition versteht den Sukzessivlieferungsvertrag als Unterart eines echten Dauervertrags (Medicus SchuldR I Rn 12). Es spricht indessen nichts gegen ein beide Begriffsdefinitionen umfassendes, weites Verständnis, wenn die Unterschiede in der rechtlichen Behandlung weiterhin beachtet werden (zur beim Übergangsrecht gem Art 229 § 5 S 2 EGBGB gebotenen Differenzierung Armbrüster/Wiese DStR 2003, 334). So kommt insb eine Kündigung nur bei echten Dauerschuldverhältnissen in Betracht (vgl § 314 Rn 14), während der Vertrag ansonsten durch Rücktritt zu beenden ist (vgl BGH NJW 1981, 679, 679f; Staud/Beckmann Vor §§ 433ff Rn 102). In diesem weiten Sinne sind Arten eines Sukzessivlieferungsvertrags sowohl der Raten- oder Teillieferungsvertrag als auch der Dauerlieferungs- oder Bezugsvertrag (Staud/Beckmann Vor §§ 433ff Rn 98; Pal/Grüneberg Vor § 311 Rn 27f; Jauernig/Vollkommer § 311 Rn 14; Reiter BB 1991, 2322).

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2. Abgrenzungen. Wesentlich für den Sukzessivlieferungsvertrag bleibt in jedem Fall sein Charakter als Einheitsvertrag, dh es muss von den Parteien trotz der vereinbarten Erfüllung in zeitlich getrennten Teilleistungen ein einheitliches Ganzes gewollt sein (RG 148, 326, 330; vgl a RG 161, 100, 104, wonach die Parteien auch für mehrere getrennte Verträge vereinbaren können, dass die Art und Weise der Abwicklung des einen zugleich für die Erfüllung des anderen erheblich sein soll). Hierdurch unterscheidet er sich insb vom sog Wiederkehrschuldverhältnis, das durch eine sich ständig wiederholende Erneuerung des Vertragsschlusses für bestimmte Zeitabschnitte oder Bezugsmengen gekennzeichnet ist (RG 148, 326, 330 betr § 17 KO aF). Seit Inkrafttreten von § 105 InsO (Teilbare Leistungen) ist die Unterscheidung insolvenzrechtlich weitgehend bedeutungslos (Medicus SchuldR I Rn 13); bei einem Sukzessivlieferungsvertrag liegen grds teilbare Leistungen vor (BGH 135, 25, 27 = DtZ 1997, 196). Dennoch sollte der Begriff des Wiederkehrschuldverhältnisses nicht aufgegeben werden (aA Medicus SchuldR I Rn 13; zweifelnd a Larenz SchuldR I § 2 VI [31, Fn 45]). Den Parteien steht es frei, im Rahmen ihrer Lieferbeziehungen zu vereinbaren, dass das rechtliche Schicksal weiterer Lieferungen zunächst völlig offen bleibt, weil für bestimmte Zeitabschnitte oder für jede weitere Bezugslieferung erst noch ein neuer Kaufvertrag nach den Regeln der §§ 145ff zustande kommen muss (Staud/Beckmann Vor §§ 433ff Rn 103). – Vom Vorvertrag unterscheidet sich der Sukzessivliefe-

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Vertrag

§ 145

rungsvertrag dadurch, dass durch ihn ein Anspruch unmittelbar auf die Leistung entsteht, während aufgrund des Vorvertrags erst ein anderer Vertrag abgeschlossen werden soll (Rn 46).

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Bindung an den Antrag Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.

1. Rechtliche Qualifikation des Antrags. Der Vertragsantrag (Angebot, Offerte) ist eine empfangs- 1 bedürftige Willenserklärung, die den allg Vorschriften über Willenserklärungen (§§ 116ff) unterliegt; Geschäftsfähigkeit ist hingegen nur Wirksamkeitsvoraussetzung des Rechtsgeschäfts (instruktiv Leenen FS Canaris, 699, 708). Er ist jedoch ebenso wie die Annahme kein selbständiges Rechtsgeschäft; vielmehr bilden erst Antrag und Annahme zusammen ein einheitliches Rechtsgeschäft (Hamm NJW 1982, 2076 betr Erhöhungsverlangen nach § 2 MHRG; Staud/Bork Rn 1; Flume II § 35 I 1, 635). Die Vorschriften über einseitige Rechtsgeschäfte finden daher auf den Antrag und die Annahme keine Anwendung. Die Wahrung einer vorgeschriebenen Form ist auch dann erforderlich, wenn das Formerfordernis nicht für den gesamten Vertrag, sondern nur für die Willenserklärung eines Vertragspartners gilt und der Antrag jene Willenserklärung enthält. Eine reine Tatsachenmitteilung unterscheidet sich von einem Vertragsantrag dadurch, dass bei ihr der Empfänger nicht auf den Gedanken kommen kann, durch eine ausdr oder konkludente Annahme seinerseits eine vertragliche Bindung zu begründen (RG 170, 397, 401 betr Versicherungsnachtrag). Im Bereithalten einer Ware oder Dienstleistung (Energieversorgung; öffentlicher Personennahverkehr; Telekommunikation) im Wege der sog Realofferte liegt ein Antrag (BGH NJW-RR 2004, 928, 929; NJW 2005, 3636, 3637; NZM 2009, 195 Rn 6; zum Vertragsschluss in solchen Fällen s Vor § 145 Rn 43). Demgegenüber umfasst das „Anbieten“ einer Ware oder Leistung iSd § 1 I S 1 PreisangabenVO nach dem Schutzzweck der VO nicht nur Vertragsanträge iSd § 145, sondern darüber hinaus in einem rein tatsächlichen Sinne jede Erklärung eines Kaufmanns, in der entspr dem üblichen Sprachgebrauch die Bereitschaft zum Ausdruck kommt, eine bestimmte Ware oder Leistung gegen Entgelt zur Verfügung zu stellen (BGH NJW 1980, 1388; 1983, 894). 2. Bestimmbarkeit. Der Antrag muss inhaltlich so bestimmt oder jedenfalls gem §§ 133, 157 be- 2 stimmbar und vollständig sein, dass mit seiner Annahme ohne weiteres die zum Zustandekommen des Vertrags notwendige Willenseinigung erreicht ist und im Streitfall der Inhalt des Vertrags richterlich festgestellt werden kann (vgl BGH NJW 1990, 1234, 1235 zum Vorvertrag; BAG NZA 2005, 635, 636; NJW 2010, 1161, 1162 zum Änderungsangebot bei einer Änderungskündigung). Entscheidend ist der nach §§ 133, 157 zu ermittelnde objektive Empfängerhorizont (s auch Müko/Kramer § 145 Rn 4). Der Antrag muss die essentialia negotii enthalten (s Vor § 145 Rn 4; vgl auch § 14 I S 2 CISG und dazu Schlechtriem Art 14 CISG Rn 2) oder zumindest alle Kriterien für ihre Festlegung (Faust AT § 3 Rn 3). Fehlt es an dieser Voraussetzung, so liegt kein Vertragsantrag vor (RG HRR 1930, 91). Hinreichende Bestimmbarkeit ist jedoch bereits gegeben, wenn der Antrag iVm sonstigen Umständen, insb mit Vorverhandlungen (Vor § 145 Rn 51), einem vorausgegangenen Schriftwechsel oder durch Verweisung auf objektive Standards, wie zB Qualitätsanforderungen oder allg Lieferbedingungen, die erforderliche Klarheit und Eindeutigkeit erhält. Der Antrag kann uU in einzelnen Beziehungen auch unbestimmt sein, sofern der Antragende die Bestimmung dieser Punkte dem Erklärungsgegner überlassen will (Enn/Nipperdey § 161 I 1b [S 987]). Dies wird nach der Verkehrsübung namentlich bei der Preisbestimmung häufig der Fall sein, zB bei Hotelzimmerbestellung (s auch §§ 315, 316, 612, 632). Ferner kann auch die Bestimmung durch einen Dritten vorbehalten bleiben (§§ 317–319) oder eine Wahlschuld (§§ 262–265) vereinbart werden. – Zum Antrag an einen unbestimmten Personenkreis s Rn 4, 7. Beim Blankett handelt es sich mangels Bestimmtheit nicht um eine Willenserklärung; bei Missbrauch durch den Empfänger kommt aber eine Zurechnung der im Rechtsverkehr abgegebenen Erklärung analog §§ 171, 172 BGB in Betracht (näher Binder AcP 207 [2007], 155ff). – Ein an mehrere Personen gerichteter Vertragsantrag, nach dem die Antragsgegner gemeinschaftlich die Vertragspartei bilden sollen, kann nur gemeinsam angenommen werden. Lehnt ein Teil der Antragsgegner ab, so entfällt grds die Bindung des Annehmenden (BGH LM Nr 10 = MDR 1965, 572). – Der Antragende kann über die essentialia negotii hinaus weitere Punkte in sein Angebot aufnehmen und sie damit zum Vertragsgegenstand machen (sog accidentalia negotii). 3. Rechtsbindungswille (Rechtsfolgewille). a) Grundsatz. Es muss dem bekundeten Willen des An- 3 tragenden entsprechen, dass mit der Annahme seines Angebots ein gültiger, ihn bindender Vertrag zustande kommt. Maßgeblich ist der objektive Empfängerhorizont (s § 133 Rn 19). Wendet sich etwa ein Interessent telefonisch an einen Makler, so kann darin nicht ohne weiteres ein Angebot gesehen werden, da der Anrufer idR erwarten darf, dass ein Vertragsverhältnis zw Makler und Verkäufer besteht (Brandenburg NJW-RR 2009, 1145, 1146). Fehlt es in Wahrheit am Rechtsbindungswillen, obwohl ein solcher nach außen in Erscheinung tritt, so greifen die §§ 116ff ein. Zum Ausschluss der Gebundenheit nach Hs 2 s Rn 16. b) Invitatio ad offerendum. Hat der Erklärende die Bindung an den Antrag ausgeschlossen, so liegt 4 uU gar kein Antrag vor (Rn 16). Ist ein Angebot nicht an eine bestimmte Person gerichtet, sondern an die Allgemeinheit, so handelt es sich oft mangels Willens zu vertraglicher Bindung nur um eine Aufforderung zur Abgabe von Vertragsanträgen (invitatio ad offerendum), deren Sinn es ist, den potentiellen Vertragspartner über das eigene Waren- oder Leistungsangebot zu informieren und die grds Vertragsbereitschaft zum Ausdruck zu bringen (Bork AT Rn 705). Es kann jedoch auch ein echtes Vertragsangebot unter den sich aus den Umständen ergebenden Vorbehalten oder Einschränkungen vorliegen (offerta ad incertas personas). Entscheidend ist, ob der „Anbietende“ durch die C. Armbrüster

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§ 145

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

Zustimmung des Erklärungsempfängers sofort verpflichtet sein soll. Bei Waren- und Dienstleistungsangeboten eines Kaufmanns ist dies schon im Hinblick auf die beschränkte Leistungsfähigkeit grds zu verneinen (Flume II § 35 I, 1, 637; Medicus AT Rn 359). Hinzu kommt regelmäßig das Interesse, eine Bindung bei unzureichender Zahlungsfähigkeit des Gegners zu vermeiden (Staud/Bork Rn 4). Ist die individuelle Persönlichkeit des eventuellen Vertragspartners für den Antragenden von Bedeutung, wie gewöhnlich bei Dienstverträgen, so liegt idR nur eine Aufforderung zur Offertenabgabe vor. 5

c) Einzelfälle. Die öffentliche Ankündigung von Veranstaltungen (zB Konzerten, Theateraufführungen) ist nur als Aufforderung zur Abgabe von entspr Angeboten zu werten (RG 133, 388, 391; MüKo/Kramer Rn 10).

6

Die Übersendung von Katalogen, Preislisten und Werbeprospekten sowie Inserate in Zeitungen sind grds nicht als Vertragsanträge aufzufassen (Soergel/Wolf Rn 7; Staud/Bork Rn 5; zum Vertragsangebot in der Werbung s Bernreuther WRP 2003, 846, 849ff). Dasselbe gilt für Speisekarten. Nur unter besonderen Umständen kann die Auslegung im Einzelfall einen anderen Willen ergeben. Allein ein Hinw wie „Solange der Vorrat reicht“ genügt dafür nicht (Staud/Bork Rn 5). Diese Regeln gelten auch für individuell adressierte Werbeschreiben. Die Zusendung unbestellter Waren ist als Antrag anzusehen; zur Annahme s § 147 Rn 4.

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Ein Warenangebot auf einer Website im Internet ist nach verbreiteter Ansicht – ähnlich wie bei Katalogen (s Rn 6) – ohne Weiteres als invitatio ad offerendum anzusehen (LG Essen NJW-RR 2003, 1207; LG Gießen NJW-RR 2003, 1206; BaRo/Eckert Rn 41; Köhler NJW 1998, 185, 187; Taupitz/Kritter JuS 1999, 839, 840; Waldenberger BB 1996, 2365ff; aA Mehrings MMR 1998, 30, 32). Angesichts des breiten Spektrums an Online-Auftritten muss differenziert werden (Bach K&R 2005, 308 [309 m Fn 4]; Glatt Vertragsschluss im Internet 2002 S 40ff [44]; s auch Dörner AcP 202 [2002], 363, 377f; Kimmelmann/Winter JuS 2003, 532, 534; Wiese VuR 2008, 161, 163f; Woitkewitsch/Pfitzer MDR 2007, 61, 63). Die Präsentation der Ware ist auch dann lediglich als invitatio anzusehen, wenn eine Online-Versandhandlung mit Hilfe von Warenwirtschaftssystemen stets nur ihren aktuell verfügbaren Warenbestand im Internet präsentieren kann (Nürnberg MMR 2010, 31 und OLGRp 2009, 645 m zust Anm Schmidt, jurisPR-ITR 2/2010 Anm. 5; abw noch 12. Aufl). Zwar ist so stets gesichert, dass der Vertrag nur bei ausreichendem Warenvorrat abgeschlossen wird; jedoch würde dem Verkäufer, wenn man von einem Angebot ausginge, die Bonitätsprüfung abgeschnitten (s dazu auch Hoffmann MMR 2003, 274, 275). Auch nach dem Klick des Kunden auf die Schaltfläche „Zur Kasse gehen“ ist das Angebot des Seitenbetreibers nicht rechtsverbindlich, da nach Angabe der Zahlungsmodalitäten durch den Kunden gleichfalls Raum für eine Bonitätsprüfung verbleiben muss. Häufig ergibt sich aus den AGB des Online-Anbieters, ob Erklärungen bindenden Charakter haben und unter welchen Voraussetzungen sich die Beteiligten ggf vom Vertrag wieder lösen können. Dabei sind die Anforderungen des § 305 Abs. II/III in Bezug auf die wirksame Einbeziehung der AGB beim Vertragsschluss im Internet bes zu beachten: Auf der Website muss deutlich auf die AGB hingewiesen und dem Kunden die Möglichkeit gegeben werden, davon in zumutbarer Weise Kenntnis zu erlangen, etwa durch die Option, die AGB kostenlos zu speichern und auszudrucken (Wörlen/Metzler-Müller AT Rn 288g). Ein rechtsverbindlicher Antrag (ad incertas personas) iSd § 145 liegt etwa dann vor, wenn sich ein entspr Erklärungswert aus den von allen Beteiligten zur Kenntnis genommenen Teilnahmebedingungen einer Internet-Auktion (dazu s auch § 156 Rn 1) ergibt (BGH 149, 129 = NJW 2002, 363, 364; Oldenburg NJW 2005, 2556f; KG NJW 2005, 1053; Sosnitza VuR 2007, 143, 144; Spindler/Nink DRiZ 2007, 193; Wiebe in Spindler/Wiebe (Hrsg) Internet-Auktionen 2001, 65ff; aA LG Münster JZ 2000, 730; Hager JZ 2001, 786, 787). Dies gilt auch für ein im Wege der sog „Sofort-Kauf“-Option eingestelltes Angebot (Spindler/Nink DRiZ 2007, 193, 195; Wellhausen, jurisPR-ITR 14/2008 Anm 4). Zu den rechtlichen Problemen, die aus der sog „Preisvorschlags“-Option herrühren, s Spindler/Nink DRiZ 2007, 193 (195). Die Beweislast dafür, dass die Erklärung von demjenigen abgegeben worden ist, dessen login-Daten verwendet wurden, trägt, wer aus der Erklärung Rechte herleiten will. Ein prima-facie-Beweis zugunsten des Vertragspartners scheidet aus (Hamm NJW 2007, 611; Pal/Ellenberger § 156 Rn 3). Die für ein Kfz, das in einer Online-Restwertebörse eingestellt ist, abgegebenen Angebote von potentiellen Käufern sind verbindlich iSv § 145 (Düsseldorf NJW-RR 2008, 617, 618). Besondere Auslegungsprobleme können entstehen, wenn im Rahmen einer online-Auktion eine Sache kumulativ zu einem Auktionsstartpreis und zu einem – erheblich höheren – „Sofort-Kauf“-Preis angeboten wird. In solchen Fällen besteht das Angebot darin, wahlweise entweder per Auktion zu verkaufen oder zu dem angegebenen „Sofort-Kauf“-Preis. Das Angebot ist nicht objektiv mehrdeutig, auch dann nicht, wenn der „SofortKauf“-Preis erheblich über dem durch die „Auktion“ erzielten Preis liegt (Köln OLGRp 2007, 565, 566; abw. LG Stuttgart NJW-RR 2008, 1592, 1593). Abw Erklärungen, aus denen sich ein fehlender Bindungswille ergibt, sind jedoch auch dann vorrangig, wenn sie gegen die Teilnahmebedingungen verstoßen (LG Darmstadt NJW-RR 2002, 1139 [„Umfrage“]). Handelt es sich bei einem Online-Angebot nach Auslegung um eine invitatio ad offerendum, so ist die nach § 312e I Nr 3 erforderliche Zugangsbestätigung, die lediglich eine Wissenserklärung darstellt, von der uU bereits damit einhergehenden Angebotsannahme iSv § 147 abzugrenzen (s § 147 Rn 2). Die spezifischen Probleme des online-Vertragssschlusses stellen sich nicht, wenn ein Mitarbeiter unter Bezugnahme auf den online-Vertragsschluss diesen schriftlich bestätigt und der Kaufpreis daraufhin gezahlt wird (AG Fürth K&R 2008, 770). Wird im Internet das Herunterladen von Software angeboten, so sind die Grundsätze heranzuziehen, die für das Bereitstellen von Automaten gelten (s Rn 8; aA Rüthers/Stadler AT § 19 Rn 5 aE; Ernst NJW-CoR 1997, 165: offerta ad incertas personas). Ein entgeltlicher Vertrag kommt insoweit nicht zustande, wenn der Nutzer nach der Gestaltung der Website davon ausgehen darf, dass kein Entgelt erhoben wird (LG Mannheim MMR 2010, 241).

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C. Armbrüster

Vertrag

§ 145

Die Bereitstellung eines Automaten wird verbreitet als Vertragsangebot an jeden angesehen, der 8 die entspr Münze einwirft, unter dem Vorbehalt (§§ 133, 157), dass der Vorrat ausreicht und der Automat technisch funktioniert (Flume II § 35 I, 1 [S 636]; Medicus AT Rn 362; MüKo/Kramer Rn 12; Pal/ Ellenberger Rn 7; Staud/Bork Rn 8). Für den schuldrechtlichen Vertrag ist es überzeugender, in der Automatenaufstellung nicht eine durch das Vorhandensein der Ware und das Funktionieren des Automaten bedingte offerta ad incertas personas, sondern eine bloße Aufforderung zur Abgabe von Angeboten zu sehen. Dann liegt im Einwurf der Münze der (Kauf-)Vertragsantrag, der durch die Herausgabe der Ware angenommen wird (Köndgen Selbstbindung ohne Vertrag 1981 S 284ff; Faust AT § 3 Rn 4). Die Heraus- oder Freigabe der Ware enthält zugleich den Antrag zu ihrer Übereignung. Bei Geldautomaten soll sich das Angebot zur Übereignung der Geldscheine nach verbreiteter Literaturansicht (Staud/Bork Rn 8; Pal/Ellenberger Rn 7; auch 10. Aufl) nur an den Berechtigten richten. Die als Beleg angeführte strafrechtliche Entscheidung BGH NJW 1988, 979 (980f) ist jedoch durch BGHSt 38, 120 = NJW 1992, 445 überholt. Auch inhaltlich vermag die Literaturansicht nicht zu überzeugen. Legt man den objektiven Empfängerhorizont zugrunde, so richtet sich das Angebot zur Übereignung an denjenigen, der den Automaten ordnungsgemäß bedient (Huff NJW 1988, 981; Thaeter JA 1988, 547, 548; aA LG Frankfurt NJW 1998, 3785). Öffentliche Verkehrsunternehmen fordern idR nicht zur Abgabe von Angeboten auf, sondern ma- 9 chen jedem Interessierten einen Antrag zum Abschluss eines Beförderungsvertrags gem den Beförderungsbedingungen. Die Inanspruchnahme der öffentlich angebotenen Leistung durch Benutzung des Verkehrsmittels hat, auch wenn ein öffentlich-rechtl Benutzungsverhältnis besteht, den Sinn einer Annahme, so dass ein Vertrag zustande kommt (s Vor § 145 Rn 42). Die Auslage von Waren in Schaufenstern sowie das Bereithalten zum Verkauf sind nach der Ver- 10 kehrsanschauung nur als Aufforderung zur Abgabe von Angeboten anzusehen, auch wenn die Waren mit einer Preisauszeichnung versehen sind (BGH NJW 1980, 1388; Flume II § 35 I, 1 [S 636]; Larenz/ Wolf AT § 29 Rn 20; Medicus AT Rn 360; MüKo/Kramer Rn 10; Staud/Bork Rn 7; aA Köndgen Selbstbindung ohne Vertrag 1981, 291ff; Wahl in FS Hefermehl 1976, 1, 6). Unabhängig davon ist die Frage, ob für den Verkäufer ein Kontrahierungszwang (dazu Vor § 145 Rn 27ff) besteht, was namentlich in Notsituationen unter dem Gesichtspunkt der Schadensersatzpflicht nach § 826 im Falle grundloser oder willkürlicher Weigerung zu bejahen ist. Gleiches wie für die Schaufensterauslage gilt für die Auslage im Selbstbedienungsgeschäft. Die Bereitstellung von Waren zur Selbstbedienung ist noch kein Angebot des Verkäufers, sondern soll dem Kunden nur die Auswahl und damit die Entscheidung über sein Angebot erleichtern; dieses wird mit dem Vorzeigen der Waren an der Kasse abgegeben (Dietrich DB 1972, 957ff; Kassing JA 2004, 615, 616; offenlassend BGH 66, 51, 55f = NJW 1976, 712; s ferner BGH 124, 39, 43 = NJW 1994, 188). Die Gegenansicht (AnwK/Schulze Rn 4; MüKo/Kramer Rn 12; Pal/Ellenberger Rn 8 [anders noch 62. Aufl.]; Petersen Jura 2009, 183, 185; G. Schulze AcP 201 [2001], 232, 234f; Staud/Bork Rn 7) übergeht, dass der Geschäftsinhaber sich – anders als bei Automaten – ersichtlich an der Kasse noch eine Liquiditätsprüfung einzelner Kunden vorbehalten will. Entgegen BaRo/Eckert Rn 43 besteht bei Annahme eines Angebots auch ein Haftungsrisiko, etwa im Fall einer Vorreservierung (vgl Dietrich DB 1972, 957, 958). Beim Selbstbedienungstanken liegen die Dinge wegen der faktischen Unumkehrbarkeit des Füllvorganges anders: Durch Einfüllen des Treibstoffs nimmt der Kunde ein Angebot des Tankstellenbetreibers an (A. Schmidt Rechtsfiguren der Selbstbedienung im Zivilrecht 1985, 96f; Staud/Bork Rn 8; aA Düsseldorf JR 1982, 343; Herzberg NJW 1984, 896, 897: Angebot durch Kunden, Annahme in der Freigabe der Zapfsäule). Eine andere Frage ist es, ob der Tankkunde mit dem Tankvorgang zugleich unbedingtes Alleineigentum an dem Kraftstoff erlangt. Regelmäßig wird schon deshalb von einem Eigentumsvorbehalt auszugehen sein, weil der Tankstellenbetreiber sein in der Freigabe der Zapfsäule liegendes Übereignungsangebot durch einen deutlichen Hinw entspr eingeschränkt hat. Ob ein Eigentumsvorbehalt auch dann vereinbart ist, wenn der Hinw fehlt, ist str (s § 929 Rn 7). Bei der Auslage von Waren (zB Zeitungen, Brot, Obst) in Hotels und Gaststätten liegt, sofern die 11 Waren nicht bereits zum Leistungsumfang des Beherbergungs- oder Bewirtungsvertrags gehören, nicht lediglich eine invitatio ad offerendum vor. Vielmehr handelt es sich um einen Antrag zum Abschluss eines Kaufvertrags (Staud/Bork Rn 11); die Preisbestimmung steht gem § 316 im Zweifel dem Anbietenden zu. In der Bestellung eines Hotelzimmers liegt im Zweifel bereits ein Angebot (Düsseldorf NJW-RR 1991, 1143, 1144). Der Aufdruck „Pfand“ auf einer Flasche ist ein Angebot des Herstellers an jedermann, die Flasche gegen Zahlung des Pfandbetrags zurückzunehmen (BGH NJW 2007, 2912). d) Annahme bei invitatio. In Fällen, in denen nur eine invitatio ad offerendum vorliegt, kann die be- 12 jahende Antwort des anderen Teils, der die invitatio irrig für einen Antrag hält, zu gültigem Vertragsabschluss führen: Hat der Empfänger des Antwortschreibens den Irrtum erkannt und nicht rechtzeitig aufgeklärt, so kann sein Schweigen uU nach Treu und Glauben als stillschw Annahme (§ 151) angesehen werden. 4. Umdeutung. Eine unwirksame einseitig rechtsgestaltende Willenserklärung kann gem § 140 in ei- 13 nen entspr Vertragsantrag umgedeutet werden. In Betracht kommt insb die Umdeutung einer unwirksamen Kündigung in einen Antrag auf Abschluss eines Aufhebungsvertrags (s § 140 Rn 20; RG 143, 124, 126); BAG LM § 626 Nr 64 m Anm Westermann) oder die Umdeutung einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche (näher Müko/Hesse Vor §§ 620 Rn 114ff). Dies setzt freilich voraus, dass der Erklärende sich dessen bewusst war, dass seine Erklärung als einseitige unwirksam sein könnte und für diesen Fall gleichsam hilfsweise die Zustimmung des Erklärungsempfängers erforderlich sei (BGH NJW 1981, 43, 44). C. Armbrüster

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§ 145

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

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5. Bindungswirkung. Die regelmäßige Wirkung des Antrags ist die Bindung des Antragenden. Er kann den Antrag, nachdem dieser dem Gegner zugegangen ist, nicht widerrufen (§ 130 I S 2). Hat der Antragende ein Angebot abgegeben, sich zur Übereignung einer Sache zu verpflichten, und verfügt er vor Annahme anderweitig über die Sache, kommt für den Annehmenden nach der Annahme vorbehaltlich Rn 16ff ein Anspruch aus § 311a II (anfängliches Unvermögen) auf Schadensersatz statt der Leistung oder (wahlweise) Aufwendungsersatz in Betracht. Dasselbe gilt, wenn die Sache nach erfolgtem Angebot, aber vor Annahme untergeht (anfängliche objektive Unmöglichkeit). Verfügt der Antragende nach seinem Angebot, die Sache zu übereignen, anderweitig über sie, so handelt er zum Zeitpunkt der Annahme als Nichtberechtigter. Der Annehmende hat einen Schadensersatzanspruch analog § 160 (Staud/Bork Rn 25). Auch für den Antragsempfänger können sich aufgrund des durch die Vertragsverhandlungen begründeten Vertrauensverhältnisses gewisse Sorgfaltspflichten für die Behandlung des Antrags ergeben, deren Umfang sich nach § 242 bestimmt. Dies gilt namentlich, wenn er besondere Vorkehrungen für die Entgegennahme und Weiterbeförderung von Vertragsanträgen getroffen hat. Hierbei kann für Verschulden von Angestellten eine Haftung nach § 278 eintreten (RG 107, 240, 242f). Aus der Bindung des Antragenden folgt ferner, dass er bereits in dem Antrag seine Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung iSd § 794 I Nr 5 ZPO rechtswirksam erklären kann (RG 132, 6, 7f). Auch kann einem anderen ein Optionsrecht auf Erwerb von Grundeigentum rechtswirksam in der Weise eingeräumt werden, dass ihm ein der Formvorschrift des § 311b I S 1 entspr Vertragsangebot unter Gewährung einer längeren Annahmefrist gemacht wird (RG 169, 65, 71; s auch Vor § 158 Rn 14). Gesamtzusagen werden bereits dann wirksam, wenn sie ggü den Arbeitnehmern in einer Form verlautbart werden, die den einzelnen Arbeitnehmer typischerweise in die Lage versetzt, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Auf die konkrete Kenntnis kommt es dann nicht an (BAG ArbR 2010, 15). Ein Antrag des Arbeitnehmers auf Verringerung und Verteilung seiner Arbeitszeit gem § 8 TzBfG ist auf den Abschluss eines Vertrags gerichtet, so dass er hieran gebunden ist (wohl abw BAG NZA 2008, 1289, 2191).

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Bestimmt der Antragende für seinen Antrag eine Bindungsfrist, so ist dies mit einer von ihm gesetzten Annahmefrist (§ 148) gleichbedeutend. Eine nach Fristablauf erklärte Annahme gilt nach § 150 I als neues Angebot.

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6. Ausschluss der Bindung (Hs 2). a) Eine Bindung an den Antrag tritt nicht ein, wenn der Antragende die Gebundenheit ausgeschlossen hat. Dies kann auch noch nach Abgabe des Antrags geschehen, sofern der Ausschluss spätestens gleichzeitig mit dem Antrag dem Gegner zugeht, § 130 I 2 (RG JW 1911, 643, 644; Staud/Bork Rn 26). Ob hier noch von einem Antrag im Rechtssinne gesprochen werden kann, hängt davon ab, welche Bedeutung im Einzelfall dem Ausschluss der Gebundenheit beizulegen ist. Will der Antragende seine Gebundenheit schlechthin ausschließen, sich also seine endgültige Entschließung in jedem Falle noch vorbehalten, so liegt in Wahrheit nur eine Aufforderung zur Abgabe von Angeboten (invitatio ad offerendum; s Rn 4) vor. Der Ausschluss der Gebundenheit kann jedoch auch bedeuten, dass der Antragende sich nur ein Widerrufsrecht vorbehalten will. Dann wird meist anzunehmen sein, dass dem Antragenden das Widerrufsrecht sogar noch nach Zugang der Annahmeerklärung zusteht. Er ist in diesem Fall jedoch gehalten, den Widerruf unverzüglich ggü dem Gegner auszusprechen, sonst ist der Vertrag zustande gekommen (RG 102, 227, 229f; Faust AT § 3 Rn 9; Larenz/Wolf AT § 29 Rn 29). Verlangt allerdings der Gegner zugleich mit der Annahme sofortige Lieferung, so genügt ein bloßes Schweigen des Antragenden nicht für das Zustandekommen; vielmehr muss er seinen (Annahme-)Willen durch die sofortige Lieferung betätigen. Andernfalls kann er sich nicht auf das Zustandekommen des Vertrags berufen (RG 103, 312, 313). Möglich ist auch, dass dem Antragenden das Widerrufsrecht nur bis zum Zugang der Annahmeerklärung zusteht, so dass dem Gegner vorher ein Widerruf zugegangen sein muss, um den Vertragsschluss zu verhindern. – Ferner ist dem Antragenden bei einem auf längere Zeit befristeten Angebot im Zeitraum zw Zugang und Annahme seines Angebots ein unverzüglich auszuübendes Widerrufsrecht zuzubilligen, wenn sich die den Inhalt des Angebots betreffenden Umstände unvorhersehbar so wesentlich ändern, dass ihm auch bei Berücksichtigung der Interessen des Gegners die Bindung unzumutbar wird (ähnlich Flume II § 35 I, 3d [S 644]; Larenz/Wolf AT § 29 Rn 27; s auch Düsseldorf NJW-RR 1991, 311 – „Kündigung“ eines langfristigen Angebots aus wichtigem Grund; zur Haftung nach § 311a II bei verspätetem Widerspruch s Tettinger ZGS 2006, 452, 453ff). Eine zumutbare Anpassung ist aber vorrangig (arg § 313). Vereinbart werden kann auch die Möglichkeit der Rücknahme eines Widerrufs (BGH NJW-RR 2004, 952, 953 m Anm Keim MittBayNot 2005, 10, 11ff; Ludwig NotBZ 2004, 337).

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b) Vorstehende Grundsätze gelten auch für die Auslegung der Klausel „freibleibend“ und ähnlicher Klauseln. Nach der Verkehrssitte ist mitunter auch bei dieser Klausel anzunehmen, dass kein Vertragsantrag, sondern nur die Aufforderung zur Abgabe von Angeboten gewollt ist (BGH NJW 1996, 919, 920). Zw der Klausel „freibleibend“ im Antrag und im Vertrag ist zu unterscheiden (Staud/ Bork Rn 30ff). Im Zweifel wird die Klausel „freibleibend“ im Antrag nicht zum Bestandteil des Vertrags (RG 102, 227, 228). Wohl aber können Vorbehalte für einzelne Vertragsbestimmungen Vertragsinhalt werden, zB Preisvorbehaltsklauseln. – Ist die Vorbehaltsklausel dahin auszulegen, dass der Verkäufer zur Abgabe eines neuen Angebots berechtigt sein soll, so bedeutet dies, dass er in dem Augenblick vom Erstvertrag zurückgetreten ist, in dem er dem Käufer ein neues Angebot macht (vgl Larenz/Wolf AT § 29 Rn 29). Ergibt die Auslegung, dass die Klausel „freibleibend entspr unserer Verfügbarkeit“ einen Widerrufsvorbehalt uU noch nach der Annahme des Angebots bedeutet, so muss der Widerruf unverzüglich erfolgen (s Rn 16; BGH NJW 1984, 1885, 1886).

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C. Armbrüster

Vertrag

§ 146

c) Beweislast. Den Ausschluss der Gebundenheit im Sinne eines Widerrufsvorbehalts zu beweisen, 18 ist Sache dessen, der sich auf die Ausnahme beruft. Die Rechtzeitigkeit des Widerrufs hat der Antragende zu beweisen, wenn er sich auf den Vorbehalt beruft. Wird geltend gemacht, dass jegliche Gebundenheit ausgeschlossen gewesen sei und nur eine Aufforderung zur Abgabe von Offerten vorgelegen habe, so trifft die Beweislast denjenigen, der die Abgabe eines annahmefähigen Angebots behauptet (Pal/Ellenberger Rn 4; Staud/Bork Rn 38). 7. Rechtsstellung des Angebotsempfängers. Die sich aus der Bindung des Antragenden für den 19 Empfänger ergebende Rechtsmacht, den Antrag durch Annahmeerklärung anzunehmen, wird teils als Gestaltungsrecht angesehen (RG 132, 6, 7; Celle NJW 1962, 743, 744; Enn/Nipperdey § 161 IV 1 [S S 993]; Larenz/Wolf AT § 29 Rn 44; vgl a Leenen AcP 188 [1988], 381, 395). Dagegen spricht, dass die Annahme ein Element des Vertragsschlusses ist (Bötticher in FS Dölle I S 52ff; Staud/Bork Rn 34). Praktische Bedeutung kommt dieser Frage kaum zu. – Die Rechtsstellung des Antragsempfängers kann übertragbar (§§ 413, 398) und vererblich (§ 1922 I) sein. Im Zweifel ist jedoch davon auszugehen, dass es nicht im Belieben des Antragsempfängers steht, dem Antragenden einen Dritten als Vertragspartner aufzunötigen. Die Frage der Übertragbarkeit und somit auch der Vererblichkeit (s § 153 Rn 7) ist daher in jedem einzelnen Falle nach §§ 133, 157 zu prüfen (Staud/Bork Rn 35). Soweit die Annahmebefugnis übertragbar ist, ist sie nach §§ 857, 851 I ZPO auch pfändbar und nach §§ 1273, 1274 II verpfändbar; zudem kann sie zur Insolvenzmasse gehören (vgl Staud/Bork Rn 35). Sie geht dem Antragsempfänger auch dann nicht verloren, wenn durch Gesetzesänderung die Verfügungsbefugnis des Antragenden beschränkt wird; einer Analogie zu § 153 bedarf es nicht (Celle NJW 1962, 743, 745; s auch § 153 Rn 5). Zur schuldhaften Verhinderung des Zugangs der Annahmeerklärung durch den Antragenden s § 147 Rn 21, § 148 Rn 6. 8. Abbruch von Vertragsverhandlungen. Wer im Verlauf von Vertragsverhandlungen seine Bereit- 20 schaft zum Abschluss eines bestimmten Vertrags erklärt hat, darf die Verhandlungen nicht grundlos abbrechen, wenn er zuvor das Vertrauen bei seinem Vertragspartner, der Vertrag werde mit Sicherheit zustande kommen, geweckt oder bestärkt hatte. Bei schuldhaftem Verstoß ist er dem Vertragspartner aus §§ 280 I, 311 II, 241 II (cic) zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichtet (BGH NJW 1996, 1884, 1885; DStR 2001, 802, 803; eingehend Wertenbruch ZIP 2004, 1525). Allerdings darf durch diese Haftung nicht der Zweck der Formvorschrift des § 311b I S 1 unterlaufen werden. Nur bei besonders schwerwiegenden Treueverstößen kommt daher hier eine Pflicht zum Ersatz des Vertrauensschadens in Betracht (BGH aaO: zB Existenzgefährdung). Zudem ist das bei den Vertragsverhandlungen geweckte Vertrauen zeitlich nicht unbegrenzt geschützt, denn auch der Vertragspartner muss in angemessener Frist erklären, ob er den Vertrag abschließen will oder nicht (§ 242). Zur Bemessung der Frist sind die §§ 145ff, soweit sie die Wirksamkeit der Annahme betreffen, analog anzuwenden (BGH NJW 1970, 1840, 1841).

146

Erlöschen des Antrags Der Antrag erlischt, wenn er dem Antragenden gegenüber abgelehnt oder wenn er nicht diesem gegenüber nach den §§ 147 bis 149 rechtzeitig angenommen wird. 1. § 146 behandelt das Erlöschen des Antrags. Es tritt ein durch Ablehnung oder nicht rechtzeitige 1 Annahme (s §§ 147–149) oder auch – was das Gesetz nicht besonders hervorhebt – durch Ausübung eines vorbehaltenen Widerrufsrechts (s § 145 Rn 16). Für das Erlöschen des Gebots bei einer Versteigerung gilt die Sondervorschrift des § 156. Einen weiteren Erlöschensgrund enthält § 153 aE. Die Ablehnung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung (§ 130). Sie kann auch kon- 2 kludent erfolgen; Schweigen genügt allerdings grds nicht. Sie bedarf auch dann keiner Form, wenn Antrag und Annahme formbedürftig sind. Richtet sich ein Antrag an mehrere Adressaten gemeinsam, so ist er bereits dann abgelehnt, wenn ein Adressat ihn ablehnt (BGH LM § 145 Nr 10 = MDR 1965, 572; s auch § 150 Rn 3). Der Ablehnung steht eine Annahme mit Änderungen gleich (§ 150 II); ebenso ein Widerspruch (BGH NJW-RR 1994, 1163, 1164). Eine Pflicht zur ausdr Ablehnung eines Angebots, das nicht angenommen werden soll, besteht grds nicht. Nur ausnahmsweise hat Schweigen die Bedeutung einer Annahme (s § 147 Rn 3). Eine Verletzung der Pflicht aus § 663 führt nicht zur Annahme, sondern löst lediglich einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens aus (s § 663 Rn 7). Die Ablehnung eines Antrags durch einen Minderjährigen bedarf der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters (MüKo/Kramer Rn 4). Da die durch den Antrag erlangte Rechtsposition (§ 145 Rn 19) durch die Ablehnung zerstört wird, gelten § 107 und § 111. Eine nach Ablauf der Annahmefrist zugegangene Ablehnung ist wirkungslos (BaRo/Eckert Rn 3). Die Anfechtung einer erklärten Ablehnung führt gem § 142 I dazu, dass der Antrag noch angenom- 3 men werden kann, es sei denn, er ist aus anderen Gründen (Rn 1) erloschen. Einer Einschränkung des Anfechtungsrechts in Fällen, in denen der Antragende über die angebotenen Waren bereits anderweitig verfügt hat (dafür Diederichsen in FS Medicus 1999 S 89, 99), bedarf es nicht. Der Antragende ist durch die Bindungsfrist (§§ 147, 148) und durch § 122 ausreichend geschützt (abw BaRo/ Eckert Rn 7, wonach in der Annahme entspr § 150 II ein neuer Antrag liegen soll, obwohl der erste Antrag bindend geworden ist). 2. Das Erlöschen des Antrags bewirkt nicht nur, dass die Gebundenheit iSd § 145 (s § 145 Rn 14) 4 entfällt, sondern dass er nicht mehr angenommen werden kann (vgl BGH NJW-RR 1994, 1163, 1164); MüKo/Kramer Rn 3). Der erloschene Antrag ist rechtlich nicht mehr existent. Eine dennoch erklärte Annahme gilt gem § 150 I als neuer Antrag.

C. Armbrüster

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§ 146 5

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

3. § 146 gilt nur für Vertragsangebote und kann auf andere Willenserklärungen grds nicht angewandt werden. So tritt zB bei einer Beitrittserklärung zu einer Genossenschaft ein Erlöschen nach § 146 nicht ein (RG 147, 257, 262).

147

Annahmefrist (1) Der einem Anwesenden gemachte Antrag kann nur sofort angenommen werden. Dies gilt auch von einem mittels Fernsprechers oder einer sonstigen technischen Einrichtung von Person zu Person gemachten Antrag. (2) Der einem Abwesenden gemachte Antrag kann nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf.

1

1. Überblick. § 147 bestimmt den Zeitpunkt, bis zu dem der Antrag angenommen sein muss, wenn der Antragende dafür keine Frist festgesetzt hat. Für die Rechtzeitigkeit der Annahme kommt es nicht auf die Abgabe, sondern das Wirksamwerden der Annahmeerklärung an (§ 130); der Antragende muss Gewissheit über das rechtliche Schicksal seines Angebots erlangen können (Staud/Bork Rn 8). Im Folgenden wird zunächst auf die Annahme (Rn 2–15) und sodann auf ihre Rechtzeitigkeit (Rn 16–22) eingegangen.

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2. Die Annahme ist ebenso wie der Antrag eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Ausnahmen von der Empfangsbedürftigkeit sehen die §§ 151, 152 vor (vgl § 151 Rn 1). Zur Form der Annahme gilt das in § 145 Rn 1 für den Antrag Gesagte. Inhaltlich muss die Annahme die uneingeschränkte Zustimmung zum Vertragsantrag zum Ausdruck bringen; anderenfalls gilt sie gem § 150 II als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag (vgl § 150 Rn 3f). Dies kann bei formfreien Erklärungen auch konkludent geschehen, zB durch Bewirken der gewünschten Leistung oder durch sonstige Handlungen entspr dem Antrag (RG 129, 109, 113; BGH NJW 1980, 2245, 2246; NJW-RR 2008, 1436, 1438, betr Ratenzahlung beim Darlehensvertrag]). Möglich ist auch eine automatisierte Willenserklärung, die aufgrund vorheriger Programmierung abgegeben wird (s Mehrings MMR 1998, 30, 31). Ob ein bestimmtes Verhalten aus der Sicht des Empfängers als Annahme anzusehen ist, ist Auslegungsfrage. Bsp: Nimmt ein Mieter, der nach dem Mietvertrag zum Abschluss eines Wärmeabnahmevertrags mit einem Fernheizwerk verpflichtet ist, bei diesem Wärme ab, so erklärt er dadurch konkludent die Annahme, auch wenn er sich später weigert, das schriftliche Vertragsangebot des Heizwerks zu unterschreiben (Hamburg MDR 1973, 495). Mit dem Zugang beim Antragenden, im Falle der §§ 151, 152 mit der Annahme selbst, kommt der Vertrag zustande. Ist ein Handelsmakler von beiden Vertragsparteien ermächtigt, jeweils die Willenserklärungen der anderen Partei entgegenzunehmen, so kommt der Vertrag mit dem Zugang von Angebot und Annahme zustande (Karlsruhe VersR 1975, 1042). Ein Nachweismaklervertrag kann schon dadurch zustande kommen, dass ein Kaufinteressent in Kenntnis eines eindeutigen Provisionsverlangens die Dienste des Maklers in Anspruch nimmt und der Makler seine Tätigkeit aufnimmt. Eine ausdr Annahmeerklärung ist gem § 151 S 1 entbehrlich (BGH NJW 2002, 817; 2002, 1945; NZM 2009, 869). Allerdings setzt sich der Interessent durch dieses tatsächliche Verhalten nicht in Widerspruch zu einer vorhergehenden abl Erklärung (keine protestatio facto contraria; zu ihr s Vor § 145 Rn 43), so dass in diesem Fall kein Vertrag zustandekommt (BGH NJW 2002, 817; 2002, 1945). Die Annahme eines Maklerangebots setzt voraus, dass sich das Verhalten des Erklärenden als Entscheidung zw Leistungsannahme und -ablehnung darstellt (Brandenburg NJW-RR 2009, 1145, 1146). Ein sog Auto-Reply (automatisierte Antwort) ist eine Annahmeerklärung, wenn ihm zu entnehmen ist, dass eine Bestellung ohne weiteres ausgeführt wird (Frankfurt CR 2003, 450; LG Köln MMR 2003, 481; AG Butzbach NJW-RR 2003, 54, 55; s auch § 145 Rn 7; § 312g Rn 18; Leible/Sosnitza BB 2005, 725f; aA Vogl ITRB 2005, 145, 146f: Auto-Reply spreche dann für bindenden Antrag). Oft wird es sich bei der automatisierten Antwort freilich lediglich um die gesetzlich vorgeschriebene Bestellbestätigung iSv § 312e I S 1 Nr 3 handeln, durch die der Kunde nur darüber informiert werden soll, dass er eine Bestellung mit einem bestimmten Inhalt aufgegeben hat (Nürnberg MMR 2010, 31). Die Erklärung dient dann allein seinem Schutz.

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3. Das bloße Schweigen auf einen Vertragsantrag ist grds keine konkludente Annahme (s allg Vor § 116 Rn 8ff). Für einige Fälle bestimmt das Gesetz jedoch, dass Schweigen Annahme bedeutet (vgl § 516 II S 2; § 362 I S 1 Hs 2 HGB; § 5 III S 1 PflVG) oder eine Schadensersatzpflicht begründet (§ 663; § 44 BRAO). Auch kann das Schweigen eine Annahmeerklärung sein, wenn es aufgrund einer Vereinbarung der Parteien diese Bedeutung haben soll (sog „beredtes Schweigen“; Ebert JuS 1999, 754, 756; Kramer Jura 1984, 235; Wiese VuR 2008, 161, 164; vgl aber § 308 Nr 5). Zudem steht das Schweigen einer Annahme gleich, wenn der Antragende eine ausdr Ablehnung erwarten durfte. Grds besteht freilich keine Pflicht zu einer solchen Ablehnung (§ 146 Rn 2). Eine ausdr Ablehnung kann der Antragende jedoch gem § 242 idR dann erwarten, wenn zw den Parteien, ähnlich wie dies § 362 HGB voraussetzt, bereits vor Vertragsschluss eine gewisse Beziehung besteht. Hierher gehört etwa der Fall einer langjährigen Geschäftsbeziehung mit einer Bank, so dass von dieser ein Widerspruch gem § 242 erwartet werden kann (LG Potsdam WM 2011, 71, 73), oder der Fall, dass zu allen wesentlichen Punkten Vorverhandlungen geführt worden sind (BGH NJW 1995, 1281), bei einer verspäteten Annahme iSd § 150 I (BGH NJW 1951, 313; § 150 Rn 1) oder wenn der Antragende lediglich auf eine invitatio ad offerendum des Empfängers reagiert (MüKo/Kramer § 151 Rn 5). Eine stillschw Annahme liegt regelmäßig auch dann vor, wenn das Angebot für den Empfänger lediglich rechtlich vorteilhaft ist (MüKo/ Kramer § 151 Rn 5). Bei einer laufenden Geschäftsverbindung kann sich die Übung bilden, dass schon das Schweigen auf Anträge zum Vertragsschluss führt (vgl RG 84, 320, 325). Dies gilt jedoch nur für gewöhnliche Geschäfte des (Handels-)Verkehrs; bei ungewöhnlichen Geschäften wird man 450

C. Armbrüster

Vertrag

§ 147

das Schweigen regelmäßig nicht als Annahme werten können (BGH WM 1979, 437, 438 für einen nachteiligen Forderungsaustausch mit erheblichen finanziellen Auswirkungen; NJW-RR 1994, 1163, 1165 für eine Neufestsetzung des Erbbauzinses nach Verkauf des Areals). Auch kann dem Schweigen ausnahmsweise die Bedeutung einer Annahme zukommen, wenn nach den Vorverhandlungen Einigkeit über die wesentlichen Punkte des Vertrags bestanden hat (BGH NJW 1995, 1281; krit Scheffler NJW 1995, 3166, 3167; Schultz MDR 1995, 1187, 1188) und beide Parteien fest mit einem Vertragsschluss gerechnet haben (BGH NJW 1996, 919, 920). Besteht ein Kontrahierungszwang, so ist dem Schweigen gleichfalls der Wert einer Annahmeerklärung beizumessen (vgl Vor § 145 Rn 31; OGH NJW 1950, 24). Schweigen auf eine Auftragsbestätigung kann zum Vertragsschluss führen, wenn Vorverhandlungen mit einer namensähnlichen Schwestergesellschaft stattgefunden haben (BGH WM 1986, 527f). Der Versicherer, der sich meist eine längere Frist zur Prüfung des Versicherungsantrags ausbedingt, erklärt idR die Annahme des Antrags schriftlich, zB durch Übersendung des Versicherungsscheins. Die bloße Entgegennahme einer vom Versicherungsnehmer unaufgefordert gezahlten Erstprämie durch den Versicherer oder seinen Agenten ist noch nicht als konkludente Antragsannahme zu werten (BGH NJW 1976, 289, 290). 4. Bei Zusendung unbestellter Waren durch einen Unternehmer an einen Verbraucher folgt nun- 4 mehr aus § 241a I, dass ein Anspruch gegen den Verbraucher dadurch nicht begründet wird; damit wird zugleich seinem Schweigen kein Erklärungswert beigemessen. Aber auch im Verkehr zw Unternehmern, für den § 241a I nicht gilt, bedeutet das Schweigen des Empfängers grds keine Annahme des in der Zusendung liegenden Kaufantrags (Köln NJW 1995, 3128, 3129). Dies gilt selbst dann, wenn der Antragende für die Rücksendung eine Frist gesetzt hat mit dem Hinw, dass er nach deren ergebnislosem Ablauf die Ware als angenommen betrachte. Anders kann es sein, wenn zw zwei Unternehmern eine dauernde Geschäftsverbindung besteht oder einem Kaufmann zusammen mit bestellten Waren unbestellte zugehen (MüKo/Kramer § 145 Rn 13; vgl Staud/Bork § 146 Rn 12). Liegen solche Voraussetzungen nicht vor, so kommt regelmäßig auch kein Verwahrungs- oder Besichtigungsvertrag zustande, da der Wille der Beteiligten nicht auf Abschluss eines solchen Vertrags gerichtet ist. Eine positive Verwahrungspflicht ist nur in den §§ 362 II, 379 HGB vorgesehen. Auch greifen die Vorschriften des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses nicht ein. Wohl aber kann der Empfänger (außerhalb von § 241a) nach § 823 haften, jedoch beschränkt sich die Haftung analog § 300 auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (Staud/Bork § 146 Rn 16; Weimar JR 1967, 417, 418; aA Schwung JuS 1985, 449, 452: Risikoverteilung gem § 254 I). – Annahmewille: Bringt der Empfänger zum Ausdruck, dass er die Ware endgültig behalten will (zB durch Anbrechen einer Warensendung), so ist zu differenzieren: Im Anwendungsbereich von § 241a I ist für einen Vertragsschluss nach § 151 S 1 kein Raum; eine konkludente Annahme durch Ingebrauchnahme etc. scheidet aus (str; näher § 241a Rn 15). Geht es hingegen nicht um Leistungen, die ein Unternehmer einem Verbraucher erbringt, so kommt der Vertrag zustande, ohne dass es eines Zugangs der Annahmeerklärung bedarf (§ 151 S 1). 5. Kaufmännisches Bestätigungsschreiben. a) Die Frage, ob Schweigen als Annahme gewertet wer- 5 den kann, ist von besonderer Bedeutung bei einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben. Durch dieses wird ein bereits zustande gekommener oder zumindest nach der Auffassung des redlichen Bestätigenden rechtswirksam abgeschlossener Vertrag vorwiegend zu Beweiszwecken inhaltlich festgelegt und uU lediglich in noch regelungsbedürftigen Nebenpunkten ergänzt (BGH 54, 236, 239 = NJW 1970, 2021; 61, 282, 285 = NJW 1973, 2106; Düsseldorf NJW-RR 1996, 622f). Die Lehre vom kaufmännischen Bestätigungsschreiben hat sich aus einem Handelsbrauch entwickelt (vgl BGH 40, 42, 46 = NJW 1963, 1922; NJW 1975, 1358f) und gehört inzwischen als Gewohnheitsrecht dem objektiven Recht an (K. Schmidt HandelsR § 19 III 1a [S 563f]; v Dücker BB 1996, 3). Sie dient der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs, also objektiven Verkehrsschutzinteressen (Deckert JuS 1998, 121; K. Schmidt HandelsR § 19 III 1a [S 567]). Das vornehmlich unter Kaufleuten (s aber Rn 6) übliche Bestätigungsschreiben ist in erster Linie eine Beweisurkunde, der die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit zur Seite steht (BGH 67, 378, 381 = NJW 1977, 270; WM 1986, 168, 169; Thamm/ Detzer DB 1997, 213, 214). Der Nachw weiterer, über den Inhalt des Bestätigungsschreibens hinausgehender Vereinbarungen bleibt möglich (BGH 67, 378, 381 = NJW 1977, 270). Aus dem grds deklaratorischen Charakter des Bestätigungsschreibens (s aber Rn 11 zum konstitutiven Bestätigungsschreiben) folgt, dass ein gültiger Vertrag idR auch dann zustande gekommen ist, wenn es an einer Bestätigung fehlt (BGH NJW 1964, 1269, 1270). Die Parteien können jedoch vereinbaren, dass das Bestätigungsschreiben konstitutiv wirkt (s § 154 Rn 10). b) Die Grundsätze vom kaufmännischen Bestätigungsschreiben haben sich zwar unter Kaufleuten 6 gebildet (s Rn 5), können aber auch unter Nichtkaufleuten anwendbar sein. Es ist dabei zw Empfänger und Absender zu differenzieren. Empfänger kann jeder sein, der ähnlich einem Kaufmann in größerem Umfang am Geschäftsleben teilnimmt, so dass von ihm erwartet werden kann, dass er nach kaufmännischer Übung verfährt (BGH 40, 42, 43f = NJW 1963, 1922, 1923; NJW 1987, 1940, 1941). Es kommt nicht darauf an, ob der Empfänger des Bestätigungsschreibens oder die für ihn handelnden Personen den Gewohnheitsrechtssatz kennen oder kennen müssen, wie es meist bei Behörden (BGH NJW 1964, 1223f) oder bei Rechtsanwälten der Fall ist. Entscheidend ist vielmehr, ob die Verkehrserwartung eine unverzügliche Reaktion erfordert (vgl BGH NJW 1975, 1358, 1359; K. Schmidt HandelsR § 19 III 2b [S 570]). Dies kann außer bei Kaufleuten iSd § 1 I HGB vor allem bei Kleingewerbetreibenden iSd § 1 II HGB der Fall sein (bejaht von BGH 11, 1, 3 = NJW 1954, 105 für einen Schrotthändler; verneint von Frankfurt MDR 1966, 512 für einen Kleinsthandwerker). Daneben sind die Grundsätze auf Personen anwendbar, die – ohne Gewerbetreibende zu sein – als Unternehmer in größerem Umfang am Geschäftsleben teilnehmen. Bsp: Architekt (BGH WM 1973, 1376); Bauingenieur (Brandenburg IBR 2009, 721); Makler und Architekt (Düsseldorf NJW-RR 1995, 501, 502); C. Armbrüster

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§ 147

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter (zum Konkursverwalter BGH NJW 1976, 1402; NJW 1987, 1940, 1941; zust K. Schmidt NJW 1987, 1905, 1909). Eine Grundstücks-GbR kann Empfängerin sein, wenn sie ein Bauvorhaben gewerblichen Ausmaßes betreut (Brandenburg IBR 2009, 721). Nicht anwendbar sind die Grundsätze zB auf einen Legationsrat (BGH WM 1981, 334, 335) oder einen Bankdirektor im privaten Bereich (Düsseldorf MDR 1981, 1022, 1023). Auch Behörden kommen im fiskalischen Tätigkeitsbereich trotz Geschäftstätigkeit in größerem Umfang mangels entspr Verkehrserwartung regelmäßig nicht als Empfänger eines Bestätigungsschreibens in Frage (vgl BGH NJW 1964, 1223f). Anders ist dies bei einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand. 7

Der Absender eines Bestätigungsschreibens muss grds Unternehmer sein. Dies sind zunächst alle Personen, die auch als Empfänger eines Bestätigungsschreibens in Betracht kommen (s Rn 6). Dabei wird man kleinere Gewerbetreibende und Freiberufler stets als taugliche Absender ansehen können. Versendet dagegen eine Privatperson ein Bestätigungsschreiben, so besteht grds keine Verkehrserwartung dahin, dass der Empfänger zur Vermeidung einer Rechtsfolge unverzüglich zu reagieren hat (BGH 40, 42, 43f = NJW 1963, 1922; NJW 1975, 1358, 1359: Regulierungsverhandlungen zw dem anwaltlich vertretenen Geschädigten und dem Haftpflichtversicherer des Schädigers; Deckert JuS 1998, 121, 122; MüKo-HGB/K. Schmidt § 346 Rn 156; aA Canaris HandelsR § 25 Rn 45; Hopt AcP 183 [1983], 608, 692; Flume II § 36, 2 [S 663]).

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c) In dem Bestätigungsschreiben muss das Ergebnis der vorausgegangenen Vertragsverhandlungen verbindlich festgelegt werden (BGH 54, 236, 239f = NJW 1970, 2021; NJW-RR 2001, 1044, 1045). In welcher Form die Vorverhandlungen stattgefunden haben, ist nicht entscheidend (vgl Düsseldorf NJW-RR 1991, 374: mündlich, fernmündlich, fernschriftlich, telegrafisch oder per Fax). Erforderlich ist lediglich, dass die Verhandlungen über ein völlig unverbindliches Vorgespräch hinaus gegangen sind (MüKo-HGB/K. Schmidt § 346 Rn 147) und nicht alle Vereinbarungen schriftlich fixiert wurden (Hamm DB 1968, 795; Deckert JuS 1998, 121, 122f; von Dücker BB 1996, 3, 4; vgl aber BGH JZ 1971, 134, 135 m abl Anm Lieb, wonach derjenige, der eine schriftliche Offerte mündlich annimmt, den Vertragsschluss durch ein Bestätigungsschreiben bestätigen können soll; ähnlich BGH 54, 236, 240 = NJW 1970, 2021 für einen Fall des § 150 II). Der behauptete Vertrag muss als endgültig geschlossen bestätigt werden, da der Bestätigende sonst das Schweigen des Empfängers nicht als Zustimmung auffassen kann (BGH NJW 1964, 1223, 1224; NJW 1972, 820). Das Schreiben muss den Vertragsschluss zwar nicht wörtlich enthalten, wohl aber das Ergebnis der Verhandlungen ihrem wesentlichen Inhalt nach wiedergeben (BGH LM § 346 (Ea) HGB Nr 8/9). Nicht erforderlich ist, dass das Schreiben die vorausgegangenen Vertragsverhandlungen ausdr erwähnt oder in Bezug nimmt (BGH 54, 236, 239 = NJW 1970, 2021). Kommen für den Empfänger erkennbar nur wenige Personen als Verhandlungspartner in Frage, so müssen in dem Schreiben auch die an der Verhandlung beteiligten Personen nicht angegeben werden (BGH WM 1975, 324, 325). Ein als „Auftragsbestätigung“ bezeichnetes Schreiben kann seinem Inhalt nach ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben sein (BGH 54, 236, 239 = NJW 1970, 2021). Auch ein Schreiben, mit dem ein geschlossener Vertrag in Kopie übersandt und eine zusätzlich getroffene Abrede festgehalten wird, kann ein Bestätigungsschreiben sein (Düsseldorf NJWRR 1997, 211, 212). Hingegen können Schreiben, die hins der zu bestätigenden Abreden nicht eindeutig gefasst sind, nicht als Bestätigungsschreiben angesehen werden. Dies ist der Fall, wenn ein Schreiben nur die Schilderung eines historischen Vorgangs (BGH BB 1963, 918) oder Angaben in unüblicher Form am Rand oder auf der Rückseite enthält (RG JW 1932, 1465). Verlangt der Absender des Bestätigungsschreibens eine Gegenbestätigung, so ist, wenn sie ausbleibt, das Schweigen des anderen Teils nicht ohne weiteres als Einverständnis zu werten; erforderlich ist eine Einzelfallprüfung (BGH NJW-RR 2007, 325, 327).

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Das Bestätigungsschreiben muss zeitlich im unmittelbaren Anschluss an die Vertragsverhandlungen abgeschickt werden, so dass der Empfänger mit seinem Eintreffen rechnen kann (BGH NJW 1964, 1223, 1224; WM 1967, 958, 960). Ferner muss das Bestätigungsschreiben als Rechtshandlung dem Empfänger analog § 130 zugegangen sein. Dies bedeutet, dass ihm die Kenntnisnahme des Schreibens möglich gewesen sein muss (BGH 70, 232, 234 = NJW 1978, 886; s auch NJW 1990, 386 – Übersendung „zu Händen“ des vollmachtlosen Vertreters); er braucht jedoch nicht tatsächlich Kenntnis genommen zu haben (BGH 20, 149, 152 = NJW 1956, 869). Eine festumgrenzte Frist für den Zugang eines Bestätigungsschreibens nach einer Vertragsverhandlung gibt es nicht (BGH WM 1975, 324, 325: zwei Tage können noch unbedenklich sein; München BB 1995, 172: nahezu drei Wochen sind zu lang). Für den Zugang eines ordnungsgemäß verfassten Bestätigungsschreibens (vgl Rn 8) und den Zeitpunkt des Zugangs ist der Bestätigende beweispflichtig (BGH 70, 232, 234 = NJW 1978, 886).

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Haben keine Vertragsverhandlungen stattgefunden, so kann der Absender eines Bestätigungsschreibens nicht mit dem Einverständnis des Empfängers rechnen, wenn dieser nicht widerspricht (BGH NJW 1974, 991, 992; NJW 1990, 386). Hier weiß der Bestätigende, dass ein Vertrag noch nicht zustande gekommen ist. Ebenso liegt es bei einer modifizierten Auftragsbestätigung, die erst einen Vertragsschluss herbeiführen soll und nicht einen geschlossenen Vertrag bestätigt (st Rspr; BGH 18, 212, 216 = NJW 1955, 1794; Rn 15; § 150 Rn 7). Nicht erforderlich ist es dagegen, dass die erfolgten Vertragsverhandlungen den Empfänger rechtswirksam verpflichtet haben (s Rn 11).

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Enthält ein deklaratorisches Bestätigungsschreiben Abweichungen vom vereinbarten Vertragsinhalt, so kann der Bestätigende nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte davon ausgehen, dass der bereits vertraglich gebundene Empfänger unverzüglich widerspricht, wenn er mit dem Inhalt nicht einverstanden ist. Kommt er dieser Obliegenheit nicht nach, so muss er sein Schweigen als Zustimmung gegen sich gelten lassen (st Rspr; BGH 18, 212, 216 = NJW 1955, 1794; NJW 2007, 987 [988 Rn 21]). Das gilt auch, wenn der Bestätigende einen in Wahrheit noch gar nicht 452

C. Armbrüster

Vertrag

§ 147

zustande gekommenen Vertrag bestätigt hat, den er gutgläubig als wirksam zustande gekommen angesehen hatte. So etwa, weil er irrtümlich der Meinung war, sein Agent habe bereits einen Vertrag abgeschlossen, oder auch, wenn die vorausgegangene Abrede von einem hierzu nicht oder nicht allein befugten Vertreter getroffen war (BGH 20, 149, 153 = NJW 1956, 869; NJW 2007, 987, 988). Hier ist das Bestätigungsschreiben konstitutiv; es hat die Wirkung eines Vertragsantrags, dessen Annahme aus dem Schweigen des Empfängers gefolgert wird (vgl BGH NJW 1964, 1951, 1952; NJW 1965, 965, 966). d) Die normative Wirkung des Schweigens setzt voraus, dass der Bestätigende das Schweigen des 12 Empfängers nach Treu und Glauben als Einverständnis mit dem Inhalt des Bestätigungsschreibens auffassen konnte. Nur dann ist der Verkehrsschutz gerechtfertigt. Die Wirkung tritt daher nicht ein, wenn der Empfänger dem Bestätigenden ggü den Abschluss des Vertrags von seiner schriftlichen Annahmeerklärung abhängig gemacht hat (BGH WM 1970, 1314f). Bei bewusst falscher Bestätigung des wesentlichen Teils der Verhandlungen gilt das Schweigen auch für den zutr bestätigten Teil nicht als Zustimmung (BGH WM 1967, 958, 960). Bestätigt ein Vertreter des Absenders, der die Verhandlungen geführt hat, bewusst unrichtig, so muss sich dieser dessen Kenntnis zurechnen lassen (BGH 40, 42, 46 = NJW 1963, 1922: Rechtsgedanke des § 166 I; anders dann, wenn der Empfänger Auslöser des Missverständnisses war, vgl RG 129, 347, 349; BGH 11, 1, 4 = NJW 1954, 105). Ein Verkehrsschutz ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn der Inhalt des Bestätigungsschreibens sich von dem vorher Abgesprochenen so weit entfernt, dass der Bestätigende vernünftigerweise nicht mit einer widerspruchslosen Hinnahme durch den Empfänger rechnen und daher auch nach Treu und Glauben sein Schweigen nicht als Einverständnis ansehen konnte (BGH 7, 187, 190 = NJW 1952, 1369; NJWRR 2001, 680f; 2003, 612f; v Dücker BB 1996, 3, 8; MüKo-HGB/K. Schmidt § 346 Rn 163). Das ist etwa der Fall, wenn das Bestätigungsschreiben Änderungen enthält, die das Vereinbarte in sein Gegenteil verkehren oder dem Empfänger unzumutbar sind (zB BGH 93, 338, 343 = NJW 1985, 1333: allg und umfassender Gewährleistungsausschluss ggü einer vorangegangenen Eigenschaftszusicherung). Ergänzungen des Vertragsinhalts in Nebenpunkten und Richtigstellungen, mit denen der Empfänger rechnen muss, sind ihm jedoch zuzumuten. Sie entsprechen dem Zweck eines Bestätigungsschreibens und begründen die Obliegenheit zum Widerspruch (zB BGH NJW 1968, 889 – Vorbehalt termingerechter Selbstbelieferung; DB 1970, 1777 [1778; Beschränkung der Mängelhaftung auf Nachbesserung oder Ersatzlieferung]). Auch bei nachträglicher Bezugnahme auf die AGB des Bestätigenden gelten diese, wenn der Empfänger nicht widerspricht (BGH NJW 1982, 1751; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 305 BGB Rn 178). Erforderlich ist hierfür allerdings, dass der Empfänger mit der Geltung von AGB rechnen musste, ihr Inhalt nicht erheblich vom dispositiven Recht abweicht und sie für den Empfänger nach Lage des Falles zumutbar sind (Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen § 305 BGB Rn 179). Zur Problematik sich kreuzender Bestätigungsschreiben s § 150 Rn 9. e) Der Widerspruch gegen das Bestätigungsschreiben muss im Interesse der Sicherheit des Ge- 13 schäftsverkehrs unverzüglich (§ 121 I: „ohne schuldhaftes Zögern“) erfolgen (BGH LM § 346 (D) HGB Nr 7b; NJW 1962, 246, 247). Die Länge der Überlegungsfrist hängt vom Einzelfall ab. Ein Widerspruch nach drei Tagen kann noch rechtzeitig sein; nach acht Tagen ist er verspätet (BGH LM § 346 (Ea) HGB Nr 5, 10; s auch BGH NJW 1987, 1940, 1941: 13 Tage Bedenkzeit sind zu lang). Im Streitfall hat der Empfänger des Bestätigungsschreibens zu beweisen, dass er rechtzeitig widersprochen hat (RG 114, 282, 283; BGH NJW 1962, 104). Da die Obliegenheit zum Widerspruch im Zeitpunkt des Zugangs entsteht (BGH 20, 149, 152 = BGH NJW 1956, 869), kann die Fiktion des Einverständnisses schon gelten, wenn der Empfänger erst nach Rückkehr von einer Reise widerspricht (RG 105, 389f) oder wenn das Bestätigungsschreiben im Betrieb des Empfängers nach Zugang unterschlagen wird (BGH 20, 149, 152 = NJW 1956, 869). Zum Widerspruch gegen die Bestätigung bei fernmündlichen Abmachungen s BGH NJW 1962, 104. f) Ob und inwieweit der Empfänger, der dem Bestätigungsschreiben nicht unverzüglich widerspro- 14 chen hat, wegen Irrtums anfechten kann, ist str. Da die Rechtswirkung des Bestätigungsschreibens bei Schweigen des Empfängers auf einem Gewohnheitsrechtssatz beruht (Rn 5) und daher unabhängig vom Willen des Empfängers eintritt, kann der Empfänger eine Anfechtung nicht darauf stützen, dass er sich über die rechtliche Bedeutung seines Schweigens geirrt habe (BGH 11, 1, 5 = NJW 1954, 105; NJW 1972, 45; v Dücker BB 1996, 3, 8). Für ein Anfechtungsrecht ist erst Raum, wenn feststeht, dass der Empfänger durch sein Schweigen bewusst die Zustimmung zum Inhalt des Bestätigungsschreibens zum Ausdruck bringen wollte. Nur dann ist ein Irrtum für sein Schweigen kausal, so zB, wenn er geschwiegen hat, weil er den Inhalt des Bestätigungsschreibens missverstanden hat. Unter dieser Voraussetzung ist eine Anfechtung wegen Irrtums entspr § 119 zuzulassen, sofern dies nicht dem Sinn der Geltung des Bestätigungsschreibens bei Schweigen des Empfängers widerspricht (BGH NJW 1972, 45; Diederichsen JuS 1966, 129, 137; Flume II § 36, 7, 667f; MüKo-HGB/K. Schmidt § 346 Rn 167). g) Im kaufmännischen Verkehr wird vielfach auch dort von einem Bestätigungsschreiben gespro- 15 chen, wo es sich in Wahrheit um die schriftliche Annahme eines Vertragsantrags handelt. Das gilt besonders für sog „Auftragsbestätigungen“, in denen nicht das Ergebnis vorausgegangener Vertragsverhandlungen mitgeteilt, sondern ein Antrag, zB eine Bestellung, in der Form einer Bestätigung angenommen wird (Canaris HandelsR § 25 Rn 49f). Durch eine derartige Mitteilung wird nicht wie bei einem Bestätigungsschreiben ein geschlossener Vertrag bestätigt, sondern erst ein Vertragsschluss herbeigeführt. Für eine solche in die Form einer Bestätigung gekleidete Annahmeerklärung gelten die allg Vorschriften (BGH 18, 212, 215f = NJW 1955, 1794; DB 1977, 1311, 1312; Deckert JuS 1998, 121, 123). Davon zu unterscheiden sind die Regeln über das kaufmännische Bestätigungsschreiben (s dazu Rn 5ff). C. Armbrüster

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§ 147

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

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6. Für die Bestimmung des Zeitpunktes, bis zu dem ein Vertragsantrag mangels Fristsetzung (§ 148) angenommen sein muss, unterscheidet das Gesetz zw dem Antrag an einen Anwesenden (Abs I) und dem an einen Abwesenden (Abs II). Anwesend iSd Abs I sind alle Personen, mit denen der Antragende in unmittelbaren Kontakt treten kann. Eine physische Präsenz ist nicht erforderlich (Larenz/Wolf § 26 Rn 32). Vielmehr genügt eine Verbindung mittels Telekommunikationsmitteln, die eine unmittelbare Verständigung von Person zu Person ermöglichen. Hierzu gehören als technische Einrichtungen iSv I S 1 auch Videokonferenzen und Internet-Chatforen (Larenz/Wolf AT § 26 Rn 32; Taupitz/Kritter JuS 1999, 839, 841; aA bzgl Chat Dörner AcP 202 [2002], 363, 375f: es gelte insoweit Abs II). Ein mittels E-Mail übermittelter Antrag ist hingegen als Antrag an einen Abwesenden zu behandeln (Ernst NJW-CoR 1997, 165, 166; Taupitz/Kritter JuS 1999, 839, 841). Das Gleiche gilt für einen Antrag per Telefax; auch er fällt unter Abs II und muss daher nicht sofort angenommen werden (Staud/Bork Rn 4). Ein schriftlich dem Antragsempfänger überreichter und belassener Antrag braucht idR nicht nach Abs I sofort und mündlich angenommen zu werden; er ist als Antrag unter Abwesenden zu behandeln (RG 83, 104, [106]; BGH WM 1963, 214; NJW 1985, 196, 197; aA grds Flume II § 35 I 2 [S 638]). Dies schließt nicht aus, dass im Einzelfall ein dem Empfänger überreichter schriftlicher Antrag nur sofort und auch durch mündliche Erklärung angenommen werden kann (BGH LM § 147 Nr 2 = BB 1963, 160; Staud/Bork Rn 14); bei einem persönlich übergebenen schriftlichen Antrag ist somit nicht stets die Frist des Abs II anzuwenden. Um einen Antrag unter Anwesenden handelt es sich bei einer mündlichen oder fernmündlichen Abgabe des Angebots durch oder an einen Stellvertreter (mit oder ohne Vertretungsmacht: BGH NJW 1996, 1062, 1064; teils aA Staud/Bork Rn 3; MüKo/Kramer Rn 2: bei fehlender Vertretungsmacht sei dies eine Erklärung unter Abwesenden), nicht jedoch bei Übermittlung durch einen Boten.

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Die Annahme kann nur sofort erfolgen. „Sofort“ ist zwar schneller als „unverzüglich“ (dazu § 121 Rn 3), verlangt aber einen Zeitraum, der dem Antragsempfänger ermöglicht, Inhalt und Folgen des Geschäfts zu erfassen. Das Erfordernis sofortiger Annahme hat zur Folge, dass auch unverschuldetes Zögern einer wirksamen Annahme entgegensteht. Die Unterbrechung eines Ferngesprächs hindert daher die Annahme (RG 104, 235, 236). Hat der Antragende jedoch das Ferngespräch willkürlich unterbrochen, so ist die Annahme rechtzeitig, wenn der Antragsgegner in einem sofort von ihm bewirkten neuen Ferngespräch die Annahme erklärt (Rn 21; Flume II § 35 I 2 [S 638]; MüKo/Kramer Rn 3).

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Der einem Abwesenden gemachte Antrag bleibt gem Abs II nur bis zu dem Zeitpunkt annahmefähig, zu dem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Dieser Zeitpunkt ist nach objektiven Maßstäben zu ermitteln (BGH NJW 1999, 2179, 2180); es kommt nicht darauf an, ob der Antragende den Eingang einer Antwort tatsächlich noch erwartet hat (BGH LM § 147 Nr 1). Bei Bemessung der Frist ist außer der Beförderungszeit des Antrags und der Annahmeerklärung auch ein angemessener Zeitraum zur Bearbeitung und Überlegung, bei Gesellschaften, Vereinen usw: zur Beschlussfassung, anzusetzen (BGH NJW 1996, 919, 921; NJW 2001, 303 – Möbelkauf; Soergel/Wolf Rn 11). Was die Beförderungsfrist angeht, so stehen die Beförderungsmittel für Antrag und Annahme zueinander in Wechselbeziehung. Ein schneller Beförderungsweg für den Antrag gebietet daher einen vergleichbar schnellen Weg für die Annahme (aA offenbar BaRo/Eckert Rn 15). So muss zB ein per Telefax übermittelter Antrag idR innerhalb von zwei Tagen angenommen werden (LG Wiesbaden NJW-RR 1998, 1435). Da es sich um eine einheitliche Gesamtfrist handelt, können freilich Verzögerungen bei der Antragsübermittlung durch beschleunigte Übermittlung der Antwort (zB Telefax statt Brief) ausgeglichen werden. Die Länge der Überlegungsfrist richtet sich nach den Umständen. So kann die Art der Willensbildung in einer Gemeinde, insb die Beteiligung von ehrenamtlich tätigen Gremien, eine längere Bindungsfrist rechtfertigen (vgl BGH 116, 149, 154 = NJW 1992, 827: 24 Tage). Bei einer großen Gesellschaft kann regelmäßig nicht damit gerechnet werden, dass bedeutende Vertragsangebote innerhalb weniger Tage angenommen werden (BGH NJW 2000, 2984, 2985 zu § 151 S 2; Armbrüster EWiR § 151 BGB 1/01, 9f). Zudem beeinflussen Bedeutung und Komplexität des Antrags die Fristlänge (MüKo/Kramer § 147 Rn 7). Für einen Werkvertrag über ein Auftragsvolumen von unter 10 000 Euro ist jedenfalls eine Frist von mehr als einem Monat zu lang, und auch die Annahme innerhalb von zwei Wochen nach Abschluss umfangreicher Verhandlungen kann verspätet sein (LG Bielefeld BeckRS 2010, 08547). Das BAG räumt dem Arbeitnehmer bei der Bestimmung der Frist zur vorbehaltslosen Annahme eines Änderungsangebots im Zusammenhang mit einer Änderungskündigung zutr je nach den konkreten Umständen eine lange, uU bis nach Ablauf der Kündigungsfrist reichende Überlegungsfrist ein (BAG BB 2003, 1731, 1733 = NZA 2003, 659, 661 m Anm Dahlbender EWiR § 2 KSchG 1/03, 781f; ErfK/Ascheid/Oetker, § 2 KSchG Rn 36). Für die Annahme von Mietvertragsangeboten durch Vermieter ist angesichts des Interesses des Mietinteressenten an einer schnellen Entscheidung eine kurze Annahmefrist von 4–5 Tagen angemessen (Staud/Bork § 147 Rn 15; KG WuM 1999, 323; aA Naumburg NZM 2004, 825 [826; 2–3 Wochen]; LG Stendal NJW-RR 2005, 97 [2–4 Wochen]; Lindner-Figura/Hartl NZM 2003, 750 [751; 3–4 Wochen bei Gewerbemiete]; Düsseldorf GE 2008, 1556 hält bei Gewerbemiete jedenfalls 4,5 Wochen zutr für zu lang). Im kaufmännischen Verkehr sind die Verkehrsanschauungen der beteiligten Wirtschaftskreise zu berücksichtigen (Soergel/Wolf Rn 10). Die von einer Bank erst nach mehreren Monaten erklärte Annahme eines Antrags auf ein Verbraucherdarlehen ist trotz der branchenüblichen langen Kreditlaufzeiten verspätet (BGH NJW-RR 2008, 1436 [1438 betr 8 Monate]; Frankfurt NJW-RR 2005, 60 m abl Anm Kehl EWiR § 150 1/04, 367, 368). Bei finanzierten und beurkundungsbedürftigen Verträgen, deren Abschluss eine Bonitätsprüfung vorausgeht, kann der Eingang der Annahmeerklärung regelmäßig innerhalb eines Zeitraums von vier Wochen erwartet werden (BGH NJW 2010, 2873 [betr Eigentumswohnung] m zust Anm Armbrüster LMK 2010, 306668; s auch Herrler/Suttmann DNotZ 2010, 883ff). Bei Versicherungsverträgen geht Brandenburg, Urt. v. 5.12.2007 – 7 U 106/07, juris (zust 454

C. Armbrüster

Vertrag

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Neuhaus jurisPR-VersR 2/2008 Anm 2) von einer nicht starr anzuwendenden Annahmefrist von sechs Wochen aus. Für die Berechnung des Zeitpunktes, bis zu dem der Eingang der Antwort erwartet werden darf, 19 sind auch außergewöhnliche Umstände zu berücksichtigen, wenn sie den Eingang der Antwort generell (zB Krankheit, Streik) oder im Einzelfall verzögern können und der Antragende sie kennt oder mit ihnen rechnen muss (RG 142, 402, 404; BGH LM § 147 Nr 1; NJW 2008, 1148 [1149 Rn 21]). Es muss sich jedoch stets um Umstände handeln, die einer Bearbeitung geschäftlicher Korrespondenz nach der Verkehrsanschauung entgegenstehen (MüKo/Kramer Rn 7). Urlaub und Krankheit haben daher keinen Einfluss auf die Länge der Annahmefrist, wenn nach der Verkehrsanschauung mit der Bearbeitung des Antrags zu rechnen ist (Finkenauer JuS 2000, 118, 120; MüKo/Kramer Rn 7; Soergel/Wolf Rn 10). Dies ist jedenfalls bei einem Unternehmer stets der Fall. Liegen außergewöhnlichen Umstände vor, so ist zu beurteilen, wie lange der Antragende „regelmäßig“, dh bei vernünftiger Beurteilung, mit dem Eingang der Antwort rechnen durfte. Einen Sonderfall bildet das Angebot eines Maklers zum Abschluss eines Maklervertrags. Wenn den Makler hier nicht ausnahmsweise eine Pflicht zum Tätigwerden trifft (s § 652 Rn 28), kann eine Antwort uU auch noch nach einigen Monaten rechtzeitig sein (München OLG 1978, 444, 446 = NJW 1978, 2100 L). Bei Einräumung eines Ankaufsrechts („Vorhand“, s § 456 Rn 4, § 463 Rn 5) ist auf das Verkaufsange- 20 bot gem dem Kaufangebot eines Dritten nicht die in § 469 II vorgesehene Frist von zwei Monaten für Grundstücke oder einer Woche für andere Gegenstände entspr anzuwenden. Diese Fristen sind nur bei einem Vorkaufsrecht gerechtfertigt, da hier der Verkäufer durch den mit einem Dritten geschlossenen Vertrag gesichert ist. Bei einem Ankaufsrecht ist der Verkäufer hingegen nicht gesichert, so dass sich die Annahmefrist nach § 147 II bestimmt (RG Warn 1919 Nr 157). 7. Wird der rechtzeitige Zugang der Annahmeerklärung von dem Antragenden schuldhaft verhin- 21 dert (s zur Zugangsverhinderung allg § 130 Rn 27ff), so ist er dem anderen aus §§ 280 I, 311 II, 241 II (cic) oder auch aus § 826 zum Schadensersatz verpflichtet. Der Schaden besteht darin, dass die Annahmeerklärung nicht rechtzeitig zugegangen ist. Hierauf kann sich der Antragende nach § 249 I nicht mehr berufen. Aber dieses Umwegs über eine Schadensersatzpflicht bedarf es nicht. Bereits aus § 242 folgt, dass bei einer Verhinderung des rechtzeitigen Zugangs der Antragende die Annahme als rechtzeitig gegen sich gelten lassen muss (BGH NJW 1952, 1169; 1996, 1967, 1968; BGH 137, 205, 208ff = NJW 1998, 976). 8. § 147 ist nicht zwingend. Die Parteien können vereinbaren, dass ein Vertragsangebot in der 22 Schwebe bleibt (BGH BB 1968, 1215). Auch kann sich aus den Umständen ergeben, dass bei einem mündlichen Antrag unter Anwesenden dem Erklärungsempfänger eine Überlegungsfrist zusteht. Ebenso kann sich aus den Umständen ergeben, dass ein Angebot unbefristet abgegeben wird, mit der Folge, dass es jederzeit angenommen werden kann (BGH WRP 2010, 649 [LS]: Regelfall bei einer auf Abschluss eines Unterlassungsvertrags gerichteten Unterwerfungserklärung). Auch ggü einem Unternehmer ist jedoch eine AGB-Klausel, wonach der Antragende acht Wochen an seine Erklärung gebunden sein soll, wegen Verstoßes gegen § 307 unwirksam (Saarbrücken IBR 2011, 2150).

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Bestimmung einer Annahmefrist Hat der Antragende für die Annahme des Antrags eine Frist bestimmt, so kann die Annahme nur innerhalb der Frist erfolgen. 1. Die gesetzliche Annahmefrist des § 147 gilt nicht, wenn der Antragende zugunsten des Empfän- 1 gers eine Frist für die Annahme gesetzt hat. Auf die Wahrung der gesetzlichen Annahmefrist kommt es dagegen an, wenn die vereinbarte Frist unwirksam ist, insb weil eine solche Vertragsklausel unangemessen iSd § 308 Nr 1 ist (vgl BGH 109, 359, 363 = NJW 1990, 1784: vierwöchige Bindungsfrist im Neuwagengeschäft zulässig; LG Bremen NJW 2004, 1050; AG Northeim VRR 2009, 122: zehn Tage beim Gebrauchtwagen-Barkauf unzulässig; s auch München ZIP 2005, 160, 161; Cremer/Wagner NotBZ 2004, 33; eingehend § 308 Rn 1ff). Die Fristsetzung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft (Staud/ Bork Rn 8). Ein Minderjähriger kann die gesetzliche Annahmefrist (§ 147) somit nicht ohne Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter verlängern (Staud/Bork Rn 8). Die gesetzte Frist kann bei Anträgen unter Abwesenden (§ 147 II) länger oder kürzer als die gesetzliche Frist sein, bei Anträgen unter Anwesenden (§ 147 I) allerdings nur länger. Der Antragende kann die Annahmefrist jederzeit verlängern, und zwar auch konkludent (Hamm NJW 1976, 1212). Der Antragende kann eine von ihm gesetzte Frist hingegen nur durch Vereinbarung mit dem Adressaten abkürzen; eine einseitige Abkürzungsbefugnis steht ihm nicht zu (BAG BeckRS 2011, 65096; Pal/Ellenberger Rn 2). Die Fristsetzung wird idR durch Angabe eines Zeitraums, innerhalb dessen der Antrag angenom- 2 men werden muss (zB binnen eines Monats), oder eines Endtermins geschehen, zB bis zum 12. März mittags 12 Uhr. Ist keine Tagesstunde angegeben, so kann der Antrag im Zweifel bis zum Ablauf des letzten Tages angenommen werden (Gedanke des § 188 I, II; RG 105, 417, 419f). Ferner kann in dem Verlangen bestimmter Übermittlung eine Fristsetzung liegen, zB „per Telefax“. Ist eine längere Annahmefrist gesetzt, so kann eine geringfügige Fristüberschreitung unschädlich und ein gewisser Spielraum zuzubilligen sein (RG HRR 29, 1559; s auch Flume II § 35 II 2 [S 653]: erweiternde Auslegung des § 149). Dies gilt auch für Versicherungsverträge, jedenfalls zugunsten des Versicherungsnehmers (BGH LM § 150 Nr 1 = NJW 1951, 313). Zulässig ist es auch, keinen konkreten Zeitraum für die Annahme zu bestimmen, sondern diese unbeschränkt bis zur Erklärung eines Widerrufs zuzulassen (Frankfurt IBR 2010, 3608 betr Annahme nach über 30 Jahren).

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Rechtsgeschäfte

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2. Die Fristsetzung braucht nicht ausdr zu erfolgen, sondern kann sich aus den Umständen ergeben, unter denen der Antrag gemacht worden ist. Das Angebot zum Erwerb eines Lotterieloses kann nur bis zum Tag der Ziehung angenommen werden, sofern sich nicht ein abw Wille des Anbietenden erkennen lässt (RG 59, 296, 298). Die für den Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrags maßgebende Annahmefrist gilt nicht ohne weiteres für den Antrag auf Änderung oder Aufhebung eines bestehenden Versicherungsvertrags (BGH LM § 147 Nr 1).

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Die Fristsetzung muss in der Form des Antrags erfolgen. Dies gilt auch für die Verlängerung der Annahmefrist (RG JW 1928, 649).

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3. Ist die gesetzte Frist kürzer als die gesetzliche, so muss die Fristsetzung spätestens mit dem Antrag dem Antragsgegner zugehen. Anderenfalls ist sie wirkungslos (Staud/Bork Rn 9). Ist die gesetzte Frist länger als die gesetzliche, so kann sie dem Antragsgegner auch noch nach Zugang des Antrags erklärt werden, und zwar bis zum Ablauf der gesetzlichen Frist. Geht die Fristverlängerung erst nach Ablauf der gesetzlichen Frist zu, so liegt ein neuer Antrag mit gewillkürter Annahmefrist vor (Soergel/Wolf Rn 10; Staud/Bork Rn 9). Entspr gilt für die Verlängerung von gewillkürten Fristen.

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4. Für den Fristbeginn ist im Zweifel das Datum des Antrags maßgeblich, nicht dasjenige des Poststempels oder der Zeitpunkt des Zugangs. Im Zweifel muss die Annahmeerklärung innerhalb der Annahmefrist dem Antragenden zugehen (RG 53, 59, 61; Warn Rspr 1916, 8; s auch Hamm VersR 1978, 1039). Allein die Absendung während der Frist genügt nur, wenn ein solcher Wille des Antragenden erkennbar ist (Staud/Bork Rn 10; vgl RG 48, 175, 179). Hat der Antragende das rechtzeitige Zugehen der Annahmeerklärung schuldhaft verhindert, so kann er sich auf die Verspätung nicht berufen (s § 147 Rn 21).

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5. Hat ein Vertreter ohne Vertretungsmacht innerhalb der vom Antragenden bestimmten Frist die Annahme des Antrags erklärt, wird diese Erklärung jedoch erst nach Ablauf der Annahmefrist vom Vertretenen genehmigt, so wirkt die Genehmigung idR nicht nach § 184 I auf den Zeitpunkt der Annahmeerklärung zurück (BGH 108, 380, 384 = NJW 1990, 508; abw RG 76, 364, 366). Einer Rückwirkung steht hier der Zweck der zeitlichen Begrenzung des Annahmerechts entgegen (BGH NJW 1973, 1789, 1790; aA Jauernig/Jauernig § 184 Rn 2 unter Hinw auf die §§ 180 S 2, 177 II, 108 II). Ist die Annahme nicht innerhalb der Frist wirksam erklärt worden, so ist der Antragende deshalb nicht mehr gebunden; diese Rechtswirkung kann nicht einseitig durch eine nach Ablauf der Frist erfolgte Genehmigung wieder aufgehoben werden (MüKo/Kramer Rn 7; Soergel/Wolf Rn 8; Staud/Bork Rn 10). Auch bei gesetzlichen Fristen tritt durch Genehmigung keine Rückwirkung nach § 184 I ein (BGH 32, 375, 383 für die Frist des § 510 aF; RG 65, 245, 248 für Verjährungsfristen).

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Verspätet zugegangene Annahmeerklärung Ist eine dem Antragenden verspätet zugegangene Annahmeerklärung dergestalt abgesendet worden, dass sie bei regelmäßiger Beförderung ihm rechtzeitig zugegangen sein würde, und musste der Antragende dies erkennen, so hat er die Verspätung dem Annehmenden unverzüglich nach dem Empfang der Erklärung anzuzeigen, sofern es nicht schon vorher geschehen ist. Verzögert er die Absendung der Anzeige, so gilt die Annahme als nicht verspätet.

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1. Geht die Annahmeerklärung dem Antragenden nach den §§ 147, 148 nicht rechtzeitig zu, so ist der Antrag grds erloschen. Die verspätete Annahme gilt nach § 150 I als neuer Antrag. Von diesem Grundsatz enthält § 149 eine Ausnahme, wenn die Verspätung der Annahme auf unregelmäßiger Beförderung beruht. Dabei muss die Verspätungsursache vom Beförderungsmittel selbst herrühren (BaRo/Eckert Rn 6). In diesem Fall muss der Antragende unter bestimmten Voraussetzungen die Verspätung unverzüglich dem Annehmenden anzeigen; eine Verzögerung der Verspätungsanzeige hat die Fiktion rechtzeitiger Annahme zur Folge. Seine innere Rechtfertigung findet § 149 in § 242 (Mot I S 171; RG 105, 255, 257). Da der Annehmende, der seine Erklärung rechtzeitig abgesendet hat, den rechtzeitigen Zugang erwartet, entspricht es Treu und Glauben, dass der Antragende den Absender unverzüglich aufklärt, wenn dessen Annahmeerklärung verspätet zugegangen ist (krit Canaris Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht 1971 S 326ff).

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2. Die Anzeigeobliegenheit besteht für den Antragenden unter zwei Voraussetzungen: a) Die verspätet zugegangene Annahmeerklärung muss rechtzeitig abgesendet sein (vgl a § 150 Rn 2). Hierzu gehört, dass sie einem verkehrsüblichen Beförderungsmittel überlassen wurde, so dass normalerweise mit einem rechtzeitigen Zugehen der Annahme gerechnet werden konnte. Daran fehlt es zB, wenn der Annehmende seine Erklärung einem Bekannten übergibt, der sie – womit gerechnet werden musste – erst nach Tagen zur Post gibt (vgl Staud/Bork Rn 4). Ist schon die Absendung der Annahmeerklärung verspätet, so ist § 149 auch nicht analog anwendbar (Soergel/Wolf § 149 Rn 4; vgl Canaris, Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, 326ff). b) Für den Antragenden muss es klar erkennbar gewesen sein, etwa aus dem Poststempel (BGH NJW 1988, 2106, 2107) oder der Zeitangabe über die Aufgabe des Telegramms, dass die Verspätung nur auf eine nicht regelmäßige Beförderung zurückzuführen ist.

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3. Der verspätete Eingang der erkennbar rechtzeitig abgesandten Annahmeerklärung begründet einen Schwebezustand, der sich nach zwei Richtungen hin lösen kann: a) Zeigt der Antragende die Verspätung dem Annehmenden unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121), an, so erlischt der Antrag; die verspätete Annahme gilt nach § 150 als neuer Antrag. Es genügt die unverzügliche Absendung der Verspätungsanzeige; ihr Verlust schadet nicht (vgl Mot I S 171). Die Anzeige ist eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Mitteilung (Soergel/Wolf Rn 11; aA Staud/Bork Rn 8: die Ver456

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spätungsanzeige sei eine adressatengerichtete Handlung, die wie eine empfangsbedürftige Willenserklärung zu behandeln sei). Zu ihrer Absendung ist der Antragende nicht rechtlich verpflichtet. Es handelt sich allein um ein Gebot eigenen Interesses, dem er zur Vermeidung von Rechtsnachteilen nachkommen muss. b) Unterlässt oder verzögert der Antragende die Absendung der Verspätungsanzeige, so gilt die 4 Annahme nach S 2 als nicht verspätet. Der Vertrag gilt als in dem Zeitpunkt zustande gekommen, in dem die Annahmeerklärung dem Antragenden zugegangen ist (Soergel/Wolf Rn 10). Eine Rückbeziehung auf den Zeitpunkt, in dem die Annahmeerklärung bei ordnungsgemäßer Beförderung zugegangen wäre, findet nicht statt. Ebenso wenig vollendet sich gem S 2 der Vertrag erst in dem Zeitpunkt, zu dem die Benachrichtigung des Antragenden spätestens hätte abgesendet werden müssen (Mot I S 171). – Der Annahme eines echten Vertragsschlusses steht es nicht entgegen, dass sein Zustandekommen auf der Fiktion des rechtzeitigen Zugangs der Annahmeerklärung und des Fortbestehens des Antrags beruht. Demgegenüber versteht Hilger (AcP 185, 559, 574) die Fiktion des rechtzeitigen Annahmezugangs als Mittel zur verkürzten Rechtsfolgeanordnung und sieht in § 149 S 2 einen Sondertatbestand der cic (jetzt: §§ 280 I, 311 II, 241 II), bei der immer dann auf das positive Interesse gehaftet wird, wenn die versprochene Leistung noch in Natur erbracht werden kann (zu Recht abl Larenz/Wolf AT § 29 Rn 51 Fn 49; Volp/Schimmel JuS 2007, 899, 900). 4. Beweislast. Im Streitfalle muss der Annehmende, der aus dem Vertrag Rechte herleiten will, be- 5 weisen, dass er die Annahmeerklärung rechtzeitig abgesandt hat und der Antragende dies erkennen musste (MüKo/Kramer Rn 5). Der Antragende muss beweisen, dass er die Verspätungsanzeige rechtzeitig abgesandt hat (MüKo/Kramer Rn 5; Soergel/Wolf Rn 14; Staud/Bork Rn 13; s auch RG 53, 59, 62; aA noch Staud/Coing, 11. Aufl Rn 6, wonach der Annehmende beweisen soll, dass die Anzeige nicht rechtzeitig abgesandt worden ist).

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Verspätete und abändernde Annahme (1) Die verspätete Annahme eines Antrags gilt als neuer Antrag. (2) Eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen gilt als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag. 1. Eine verspätete Annahme ist nicht ohne Rechtswirkung. Eine Annahmeerklärung, die dem An- 1 tragenden nach Ablauf der gesetzlichen (§ 147) oder gewillkürten (§ 148) Frist zugeht, ist zwar – von der Ausnahme des § 149 abgesehen – als Annahme wirkungslos. Sie gilt aber nach Abs I als neuer Antrag desjenigen, der annehmen wollte. Dieser ist daran gem §§ 145ff gebunden. Der Vertrag kommt zustande, wenn der Erstantragende und jetzige Antragsgegner den neuen Antrag ausdr oder konkludent annimmt. Die Annahmeerklärung bedarf nach § 151 S 1 idR keines Zugangs. Reagiert der Erstantragende auf eine verspätete Annahme nicht, so ist sein Schweigen gem § 242 als Annahme zu werten (RG 103, 11, 13; BGH NJW 1951, 313; NJW 1986, 1807, 1809; Staud/Bork Rn 6; § 147 Rn 3), sofern nicht die Umstände eine Sinnesänderung des Erstantragenden nahelegen (BGH NJW-RR 1994, 1163, 1165). Das ist gerechtfertigt, weil die Initiative zum Vertragsschluss vom Erstantragenden ausgegangen war. Der Vertrag gilt als in dem Zeitpunkt geschlossen, in dem der Antragende die abl Antwort erwarten konnte. Zum gleichen Ergebnis gelangt Flume (II § 35 II 2, 653), jedoch nicht mit der Begründung, dass das Schweigen des Erstantragenden als Einverständnis zum Vertragsschluss zu werten sei, sondern durch extensive Anwendung von § 149 (aA wie hier Larenz/Wolf AT § 29 Rn 56; Canaris Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht 1971, 328f; s auch § 148 Rn 2). Diese Grundsätze gelten auch für Versicherungsverträge (BGH NJW 1951, 313). Im Zusammenspiel mit § 149 gilt daher Folgendes: Liegt ein wirksamer Antrag vor und wird die An- 2 nahmeerklärung rechtzeitig abgesandt, trifft sie aber verspätet ein, so besteht nach § 149 S 1 für den Antragenden eine Anzeigepflicht; bei Verzögerung gilt abw von § 147 II die Annahme als nicht verspätet (s § 149 Rn 1ff). Eine nach § 147 II verspätete und deshalb nach Abs I als neuer Antrag geltende Annahmeerklärung ist als Annahme des gesamten Inhalts des ursprünglichen Angebots und damit als ein mit diesem gleich lautender Antrag zu werten, sofern nicht ein abw Wille zum Ausdruck gelangt (München OLG 1978, 444 = NJW 1978, 2100 L). Der Erstantragende muss auch hier grds dem in der verspäteten Annahme liegenden neuen Antrag widersprechen, wenn er das Zustandekommen des Vertrags verhindern will (s Rn 1). Erklärt er die Anfechtung des vermeintlich schon geschlossenen Vertrags, so liegt hierin auch dann ein Widerspruch, wenn er die Gegenleistung aufgrund eines nicht widerrufenen Dauerauftrags bereits teilw erbringt (Hamm VersR 1978, 1039 betr Versicherungsvertrag). 2. Die Annahme führt idR nur dann zum Vertragsschluss, wenn sie mit dem Angebot inhaltlich 3 übereinstimmt (zur Ausnahme in § 2 KSchG s Staud/Bork Rn 13; s ferner § 5 VVG für Versicherungsverträge). So kann zB das an mehrere Personen gerichtete Angebot, in dem die Adressaten gemeinschaftlich die Vertragspartei bilden sollen, nur gemeinsam angenommen werden. Lehnt auch nur ein Adressat ab, so entfällt grds die Bindung des Annehmenden (BGH LM § 145 BGB Nr 10 = MDR 1965, 572; s § 146 Rn 2). Angebot und Annahme müssen nicht streng zeitlich aufeinander folgen. So kommt ein Vertrag auch durch zwei übereinstimmende sog Kreuzofferten zustande (Backmann juris-PKBGB, § 145 Rn 10; Staud/Bork, § 146 Rn 7; vgl. auch LG Frankfurt aM WM 2008, 405, 407). Umstr ist, welche Konsequenzen aus § 150 I folgen, wenn der zu schließende Vertrag der Schriftform unterliegt. Dies wird bedeutsam, wenn ein formgerechtes Angebot vorliegt, der Annehmende jedoch den Vertrag erst nach Fristablauf unterschreibt. Der Vertragspartner muss hier wegen § 150 I erneut die Annahme erklären. Fraglich ist aber, ob dafür konkludentes Handeln genügt (BGH NJW 2010, 1518, C. Armbrüster

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Rechtsgeschäfte

1519 m Anm Fritz jurisPR-MietR 12/2010 Anm 4; Jena NZM 2008, 572, 573) oder er darüber hinaus erneut unterschreiben muss (KG NZM 2007, 517). Gegen einen konkludenten Vertragsschluss spricht, dass der gesetzlichen Form in einem solchen Fall nicht genügt wird. Überzeugender ist es jedoch, mit dem BGH eine doppelte Unterschrift des Vermieters auf demselben Formular als unnötige Förmelei anzusehen, die auch im Hinblick auf den Schutzzweck des § 550 BGB nicht erforderlich ist (so auch Wichert ZMR 2005, 593, 595). Bereits in einem ähnlichen Fall hatte der BGH einen Vertragsschluss jedenfalls dann angenommen, wenn trotz verspäteter Unterzeichnung im Nachhinein noch eine schriftliche Änderungsvereinbarung geschlossen wird (BGH NJW 2009, 2195, 2196). Jede Erweiterung, Einschränkung oder sonstige Änderung gilt nach Abs II als Ablehnung des gesamten Antrags (BGH NJW-RR 1993, 1035, 1036; NJW 2005, 1653, 1655) und bei genügender Bestimmtheit des Inhalts als neuer Antrag des Abl. Unerheblich ist dabei, ob es sich um wesentliche oder unwesentliche Änderungen handelt (BGH NJW 2001, 221, 222; Brandenburg BeckRS 2009, 04547; anders Art 19 CISG; s auch Rn 4). Ein neuer Antrag liegt auch dann vor, wenn der Annehmende in seiner Erklärung auf die eigenen Geschäftsbedingungen Bezug nimmt (BGH 18, 212, 215 = NJW 1955, 1794). Die Ablehnung ist endgültig; eine nachträgliche Annahme innerhalb der Annahmefrist ist unwirksam (RG Recht 1923 Nr 1336; AG Esslingen VersR 1967, 1105; Staud/Bork Rn 13). Schweigen auf einen modifizierten Antrag bedeutet grds keine Annahme (Rn 7; zur abw Lage bei verspäteter Annahme s Rn 1). Wohl aber kann es durch konkludentes Verhalten zur Annahme des neuen Antrags kommen, und zwar unabhängig davon, ob die Abweichungen vom ursprünglichen Antrag wesentlich oder unwesentlich waren. In einem öffentlichen Vergabeverfahren nach VOB/A ist ein Zuschlag regelmäßig so auszulegen, dass er sich auch auf wegen Zeitablaufs obsolet gewordene Fristen und Termine bezieht; insoweit wird Abs II durch § 242 modifiziert. Die Bauzeit ist dann im Wege erg Auslegung anzupassen (BGH NJW 2009, 2443, 2445; NZBau 2010, 622, 623). 4

3. Nicht jede Annahme mit Zusatz ist als eingeschränkte Annahme aufzufassen. Es kann sehr wohl unbeschränkt angenommen sein, jedoch mit dem zusätzlichen Antrag, den zustandegekommenen Vertrag zu erweitern oder einzuschränken (BGH NJW-RR 1997, 684, 685; NJW 2001, 221, 222). Gibt zB der Gläubiger nach Empfang einer Bürgschaftserklärung zu erkennen, dass er sie annimmt, jedoch um Erweiterung der Bürgenverpflichtung nachsuche, so ist Abs II nicht anwendbar. Die Annahme eines Antrags kann mit dem Versuch verbunden sein, günstigere Bedingungen zu erreichen (BGH WM 1982, 1329, 1330). Auch das Gesuch, die für die Annahme bestimmte Frist iSv. § 148 BGB zu verlängern, fällt nicht unter § 152 II (Celle NJW-RR 2009, 1150). Der Vorschlag von Vertragsergänzungen fällt nur dann nicht unter § 150 II, wenn dabei klar zum Ausdruck kommt, dass das ursprüngliche Angebot auf jeden Fall angenommen werden wird (Brandenburg BeckRS 2009, 04547). Beschreibt ein Käufer anlässlich seiner Annahmeerklärung den Kaufgegenstand näher, ohne vom tatsächlichen Zustand der Sache abzuweichen, so liegt lediglich eine Präzisierung, nicht aber ein neues Angebot vor. Anders liegt der Fall aber dann, wenn Eigenschaften beschrieben werden, die der Kaufgegenstand nicht aufweist und die folglich zu Gewährleistungsansprüchen führen würden (Celle OLGRp 2009, 458 [LS] m zust Anm Revilla jurisPR-VerkR 15/2009 Anm. 4). Ob unbeschränkte oder beschränkte Annahme vorliegt, hängt von der Auslegung im Einzelfall ab (BGH NJW 2001, 221, 222). Der Zusatz „Brief folgt“ oder „Näheres brieflich“ bringt zum Ausdruck, dass der Annehmende sich noch Änderungen vorbehält; hier liegt idR nur die Ankündigung einer Annahme vor. Vom Inhalt des Briefes hängt es dann ab, ob das Angebot angenommen ist (RG 105, 8, 13ff). Anders liegt es, wenn mitgeteilt wird „Auftrag fest – Brief folgt“; der Brief kann hier nur Änderungswünsche bzgl des abgeschlossenen Vertrags enthalten. Die Bitte um Verlängerung der Annahmefrist ist noch keine Antragsänderung (Staud/Bork Rn 10). Eine analoge Anwendung von Abs II kommt auch dann nicht in Betracht, wenn der Antragsempfänger einseitig eine längere Annahmefrist setzt (aA Diederichsen in FS Medicus 1999, 89, 105; AnwK/Schulze § 146 Rn 3). Das bloße Angebot einer Fristverlängerung kann der Gegner vielmehr separat annehmen; es bezieht sich nämlich nicht auf den Inhalt des Vertrags. Wird ein offensichtlicher Fehler des Angebots, zB ein Tippfehler, ber, so liegt darin keine veränderte Annahme, sondern es besteht Übereinstimmung (Soergel/Wolf Rn 10).

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4. Wird eine größere Menge als die angebotene angenommen, so ist hierin meist eine Ablehnung zu sehen (RG JW 1925, 236). Feste Annahme der angebotenen Menge und Antrag auf Lieferung einer weiteren Menge liegen nur vor, wenn die Auslegung ergibt, dass der Käufer die angebotene Menge in jedem Fall nehmen will. Die auf eine geringere Menge beschränkte Annahmeerklärung gilt als Ablehnung, wenn die Warenmenge als Einheit angeboten ist (Soergel/Wolf Rn 11). Bei tatsächlicher teilw Inanspruchnahme einer einheitlich angebotenen Leistung ist Abs II nicht anwendbar, da in diesem Fall bereits der nach den allg Auslegungsregeln zu ermittelnde objektive Erklärungswert die unbeschränkte Annahme des Angebots ergibt. Wird zB eine Kiste Wein zu 12 Flaschen angeboten, so kann grds nicht das Angebot geteilt und die Annahme auf eine beliebige Stückzahl beschränkt werden; die Entnahme eines einzelnen Stücks bringt die Annahme des einheitlichen Angebots zum Ausdruck. Allerdings kann die Auslegung des Angebots ergeben, dass eine Teilannahme möglich ist (BGH NJW 1986, 1983, 1984).

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5. Die Erweiterung oder Einschränkung der Annahme muss eindeutig erkennbar sein. Abs II ist auch bei Annahme mit Zusätzen nicht anwendbar, wenn der Empfänger nach Treu und Glauben die Annahmeerklärung als unbeschränkt auffassen durfte. Die Beifügung eines vom Vertragswillen des Antragenden abw Formulars genügt nicht (BGH WM 1983, 313, 314). Als neuer Antrag muss die Erklärung des Antragsempfängers so bestimmt sein, dass sie vom Erstantragenden durch einfache Zustimmung angenommen werden kann. Die Erklärung: „Ihr Preis ist mir zu hoch“ reicht dafür nicht aus (Staud/Bork Rn 13). – Zu kollidierenden AGB s Rn 9.

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6. Schweigen und schlüssiges Verhalten. a) Anders als bei verspäteter Annahme (Rn 1) gilt das 7 Schweigen des Antragenden auf eine sachlich geänderte Annahme grds nicht als Zustimmung und damit als Annahme des neuen Antrags (BGH 61, 282, 285 = NJW 1973, 2106; NJW 1995, 1671, 1672; Hamm WM 1997, 611, 612). Allenfalls bei einer nur unwesentlichen Abweichung der Annahme vom Angebot kann das Schweigen des Antragenden im Einzelfall nach Treu und Glauben als Annahme zu werten sein (vgl BGH DB 1956, 474). Auch die Bezeichnung der Annahme als „Auftragsbestätigung“ ändert diese Grundregel nicht. Die für das Schweigen auf kaufmännische Bestätigungsschreiben geltenden Grundsätze sind hier nicht anwendbar (BGH 18, 212, 216 = NJW 1955, 1794; 61, 282, 285 = NJW 1973, 2106; s auch § 147 Rn 10f, 15). Während ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben die endgültige Klarheit über den Inhalt eines schon geschlossenen Vertrags herbeiführen soll, zielt die Auftragsbestätigung erst auf das Zustandekommen eines Vertrags ab. Der Bestätigende, der vom ursprünglichen Antrag abweicht, kann deshalb ohne weitere Erklärung des Gegners nicht mit dessen Einverständnis mit den Änderungen rechnen. b) Allerdings kommt eine Annahme des nach Abs II neuen Antrags durch schlüssiges Verhalten in 8 Betracht. In der widerspruchslosen Lieferung, Abnahme oder Bezahlung der Ware kann konkludent die Annahme des neuen Antrags liegen (BGH 18, 212, 216 = NJW 1955, 1794; LM § 150 Nr 3, 4; DB 1971, 2106). Dies setzt freilich voraus, dass dem Antragenden die Abweichung der Annahmeerklärung von seinem ursprünglichen Angebot bewusst ist. Auch bei einer modifizierten Auftragsbestätigung kann uU in der widerspruchslosen Entgegennahme der Ware durch den Käufer eine stillschw Annahme des geänderten Antrags und damit ein Einverständnis mit den in Bezug genommenen AGB des Verkäufers gesehen werden. Dies gilt insb dann, wenn dieser vorher deutlich gemacht hat, dass er nur unter seinen Bedingungen liefern wird (BGH NJW 1963, 1248; BGH 61, 282, 287f = NJW 1973, 2106; NJW 1995, 1671, 1672). Die lediglich widerspruchslose Hinnahme einer modifizierten Auftragsbestätigung enthält jedoch noch keine stillschw Annahmeerklärung (BGH 61, 282, 285 = NJW 1973, 2106; JZ 1977, 602, 603 m krit Anm Lindacher; NJW 1995, 1671, 1672). 7. Kollidierende AGB. Ein Konflikt ergibt sich, wenn beide Parteien auf ihre AGB verwiesen haben 9 und diese kollidieren: Bsp: Der Käufer bestellt zu seinen Einkaufsbedingungen, der Verkäufer liefert zu seinen Verkaufsbedingungen (s dazu Flume II § 37, 3, 672ff; Schlechtriem Die Kollision von Standardbedingungen beim Vertragsschluss in FS Wahl 1973, 67ff; s auch § 305 Rn 54). Früher ist bei strikter Anwendung von Abs II angenommen worden, dass die Bedingungen der Partei gelten, die zuletzt erklärt hat, dass für den Vertrag nur ihre und nicht die Bedingungen des Gegners gelten (BGH LM § 150 Nr 2, 3, 6). Diese sog „Theorie des letzten Wortes“ ist überholt. Nach zutr, auch vom BGH (119, 283, 288 = NJW 1993, 64) geteilter Ansicht werden die Bedingungen nur insoweit nicht Vertragsbestandteil, als sie einander widersprechen. In Wahrheit haben sich die Parteien nämlich nicht darüber geeinigt, welche der kollidierenden Bedingungen gelten sollen, so dass es sachwidrig wäre, eine Einigung darüber zu fingieren. Wohl aber ist der Vertrag als solcher, auf dessen Durchführung die Parteien Wert legen, zustande gekommen, wenn sie sich über seinen wesentlichen Inhalt (den „Kern“) einig waren (vgl BGH 119, 283, 288 = NJW 1993, 64). Das ist mit der Auslegungsregel des § 154 vereinbar und gilt nach § 155 auch dann, wenn sich die Parteien der Kollision ihrer Bedingungen nicht bewusst waren. Den Parteien ist nach Treu und Glauben eine Berufung auf das Nichtzustandekommen des Vertrags (Abs II) verwehrt, wenn sie zu erkennen gegeben haben, dass die Entscheidung der Frage, welche Bedingungen gelten, nicht den Bestand des Vertrags selbst berühren sollte (BGH 61, 282, 289 = NJW 1973, 2106; WM 1974, 842 mit Hinw auf die widerlegte Vermutung des § 154 I; vgl auch NJW 1991, 1604, 1606; MüKo/Kramer § 154 Rn 7). Anstelle der einander widersprechenden Bedingungen gelten nach § 306 II erg die gesetzlichen Vorschriften. Soweit hingegen in den beiderseitigen AGB Regelungen mit übereinstimmendem Inhalt getroffen und demgemäß von beiden Parteien gewollt sind, gelten diese (s § 305 Rn 55; BGH NJW 1985, 1838, 1839; Bunte ZIP 1982, 449, 450; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen § 305 BGB Rn 191ff). Dies kann auch für Bedingungen einer Partei insoweit anzunehmen sein, als sie eine für die andere Partei günstige Regelung enthalten (Flume II § 37, 3, 675). Auch wenn in den AGB der einen Seite eine Regelung enthalten ist, die in den AGB der anderen Seite keine Entsprechung findet – insb: Eigentumsvorbehalt –, können im Einzelfall Umstände vorliegen, die auf ein konkludentes Einverständnis des anderen Teils schließen lassen (BGH NJW 1985, 1838, 1839). Hierfür kann ein Indiz die Branchenüblichkeit eines einfachen, grds nicht jedoch eines verlängerten oder erweiterten Eigentumsvorbehalts sein (§ 305 Rn 56; Ulmer in Ulmer/ Brandner/Hensen § 305 BGB Rn 195f). Eine in den Einkaufsbedingungen des Käufers enthaltene Abwehrklausel, nach der seinen Bedingungen widersprechende Verkaufsbedingungen des Verkäufers, auch wenn ihnen nicht widersprochen wird, nicht gelten, schließt die Wirksamkeit eines in den Verkaufsbedingungen enthaltenen verlängerten oder erweiterten Eigentumsvorbehalts aus (BGH NJW 1985, 1838, 1839f; NJW-RR 1991, 357, 358; vgl NJW 1995, 1671, 1672; s auch BGH NJW 1982, 1749 und 1751 zur wirksamen Vereinbarung eines nachträglichen, einfachen Eigentumsvorbehalts trotz Abwehrklausel; dazu de Lousanoff NJW 1982, 1727ff und 1985, 2921ff). Ein verlängerter Eigentumsvorbehalt kann jedoch dann Vertragsbestandteil werden, wenn er trotz Abwehrklausel in den AGB des Käufers erkennbar vorausgesetzt wird (Düsseldorf NJW-RR 1997, 1151; Köster JuS 2000, 22, 26). – Generell schließen Abwehrklauseln nicht nur widersprechende, sondern auch erg Klauseln des Gegners aus (BGH NJW-RR 2001, 484).

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Annahme ohne Erklärung gegenüber dem Antragenden Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der VerC. Armbrüster

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§ 151

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

kehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Der Zeitpunkt, in welchem der Antrag erlischt, bestimmt sich nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden. Schrifttum: Brehmer, Die Annahme nach § 151 BGB, JuS 1994, 386; P. Bydlinski, Probleme des Vertragsabschlusses ohne Annahmeerklärung, JuS 1988, 36; Eckert, Die „Vergleichsfalle“ als Problem der Auslegung adressatloser Annahmeerklärung nach § 151 S 1 BGB, BB 1996, 1945; Kleinschmidt, Annahme eines Erlassangebots durch Einlösung eines mit dem Angebot übersandten Verrechnungsschecks?, NJW 2002, 346; Kramer, Schweigen als Annahme eines Antrags, Jura 1984, 235ff; Müller-Laube, Die Empfangszuständigkeit im Zivilrecht I, 1978; v Randow, Die Erlassfalle, ZIP 1995, 445; Repgen, Abschied von der Willensbetätigung – Die Rechtsnatur der Vertragsannahme nach § 151 BGB, AcP 200 [2000], 533; Schwarze, Die Annahmehandlung in § 151 BGB als Problem der prozessualen Feststellbarkeit des Annahmewillens, AcP 202 [2002], 607; Scheffer, Schweigen auf Angebot als stillschweigende Annahme, NJW 1995, 3166; Schönfelder, Die Erlassfalle – ein unmoralisches Angebot?, NJW 2001, 492; W. Schultz, Annahme im Sinne des § 151 BGB und Annahme durch Schweigen, MDR 1995, 1187; Wiese, Darf ein Versandhändler Selbstbelieferungsprobleme über Vertragsabschlussklauseln an seine Kunden weiterreichen?, VuR 2008, 161.

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1. Überblick. Ein Vertrag kommt durch die Annahme eines Antrags zustande. Die Annahme ist, gleich ob sie ausdr oder konkludent erklärt wird, grds eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Allerdings braucht die Annahme in den Fällen der §§ 151, 152 nicht ggü dem Antragenden erklärt zu werden. Damit wird zur Erleichterung des Rechtsverkehrs auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichtet, nicht jedoch auf die Annahmeerklärung als solche (BGH NJW 2004, 287, 288; aA Schwarze AcP 202 [2002], 607, 613ff). Das Gesetz macht in diesen Fällen die Annahme zu einer nicht empfangsbedürftigen Willenserklärung (Bork AT Rn 749). Von der Annahme nach § 151, die keine Erklärung ggü dem Antragenden erfordert, ist die Annahme durch bloßes Schweigen zu unterscheiden (s dazu § 147 Rn 3ff).

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§ 151 ist nur auf Annahmeerklärungen anwendbar. Die Parteien können zB nicht vereinbaren, dass die Genehmigung des VormG entgegen § 1829 I S 2 schon mit der Mitteilung an den Vormund wirksam wird (§ 1829 Rn 6). Der Antragsempfänger ist nicht auf die Annahme nach § 151 angewiesen; vielmehr kann er auch ggü dem Antragenden annehmen (vgl BGH NJW 1957, 1105, 1106: Die Abschlussmöglichkeiten nach § 151 und nach § 148 stehen nebeneinander). Eine erfolgte ausdr Annahme lässt idR nicht den Schluss zu, dass eine vorherige Annahme nach § 151 nicht erfolgt sei. – § 151 gilt grds auch, wenn die Annahme die Schriftform erfordert, da weder § 126 noch § 127 den Zugang der formwirksamen Erklärung ausnahmslos voraussetzen (vgl BGH WM 1986, 1330, 1331 zu § 126; NJW-RR 2004, 1683f [betr § 4 VerbrKrG] m Anm Armbrüster EWiR § 151 BGB 1/04, 1071, 1072; Bülow LMK 2004, 161; aA Staud/Bork Rn 4). Die Beweisfunktion tritt hier ggü dem Vereinfachungszweck des § 151 zurück. Ein bestehendes Schriftformerfordernis setzt § 151 jedoch Grenzen. So kann bei gewillkürter Schriftform ein Vertragsschluss durch Briefwechsel nicht nach § 151 erfolgen (vgl Düsseldorf NJWRR 1988, 948, 949). § 151 gilt auch nicht für die Bürgschaftserklärung, da diese schriftliche Erteilung voraussetzt (s § 766 Rn 7).

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2. Eine Verkehrssitte iSv S 1 Fall 1 besteht, wenn bei Geschäften der betreffenden Art unter vergleichbaren Umständen der Zugang der Annahmerklärung üblicherweise nicht erwartet wird (ähnlich Staud/Bork Rn 6). Dies trifft zu bei Bestellung eines Hotelzimmers und im standardisierten Versandhandel (LG Gießen NJW-RR 2003, 1206; MüKo/Kramer § 151 Rn 54; s auch Rn 6). Dasselbe gilt idR bei ausschließlich vorteilhaften Angeboten (BGH NJW 1999, 1328; 2000, 276, 277; 2004, 287, 288), insb: bei unentgeltlichen Zuwendungen (§ 516 II), bei Angebot eines Schulderlasses (BGH NJW 2003, 758, 759) oder einer Schuldübernahme (RG SeuffA 79, 89), eines deklaratorischen (München NJW 1975, 174, 175) oder abstrakten Schuldanerkenntnisses (BGH NJW 2000, 2984, 2985), bei Angebot eines Schuldbeitritts (BGH NJW-RR 1994, 280, 281; NJW-RR 2004, 1683), eines selbständigen Garantieversprechens (BGH 78, 369, 372f = NJW 1981, 275; 104, 82, 85 = NJW 1988, 1726), einer Sicherungsabtretung (BGH NJW 2000, 276, 277), einer Bürgschaft (BGH NJW 1997, 2233), besserer Vertragsbedingungen (Frankfurt NJW-RR 1995, 36, 39), im Rahmen einer betrieblichen Übung (BAG NZA 2003, 337, 338; krit Henssler in FS 50 Jahre BAG, 2004, 683, 689 oder einer Gesamtzusage (BAG NZA 2004, 1099, 1101). Auch nach der erstmaligen Erklärung einer Gesamtzusage durch den Arbeitgeber in den Betrieb eintretende Arbeitnehmer können das Angebot noch nach § 151 BGB annehmen (BAG ArbR 2010, 15). Das Schweigen des Arbeitnehmers auf ein verschlechterndes Angebot kann demjenigen auf ein günstiges Angebot nicht gleich gesetzt werden (BAG NJW 2009, 2475, 2476 betr betriebliche Übung, s dazu auch Maties AP Nr 83 zu § 242 BGB Betriebliche Übung). Eine Verkehrssitte iSd S 1 Fall 1 besteht ferner bei Aufträgen, die nach Inhalt und Zweck sofortige Erledigung verlangen (Börse, Arzt), im Fall des § 663 sowie weitgehend im Handelsverkehr (Soergel/Wolf Rn 12), im Versandhandel (Wiese VuR 2008, 161, 164) und bei Verträgen über Leistungen der Daseinsvorsorge (Dresden RdE 2004, 197, 198). – Für Versicherungen besteht idR keine derartige Verkehrssitte (BGH NJW 1951, 313, VersR 1987, 923, 924; Frankfurt ZfS 2008, 209; Soergel/Wolf Rn 19; Staud/Bork Rn 7); vielmehr erklärt der Versicherer die Annahme idR ausdr, zumindest durch Übersendung des Versicherungsscheins (BGH NJW 1976, 289, 290; VersR 1987, 923, 924; anders BGH VersR 1969, 415 für die stillschw Annahme eines Fortsetzungsantrags nach wirksamer Kündigung durch den Versicherungsnehmer, welche in der widerspruchslosen Entgegennahme der Prämienzahlung gesehen wurde). § 151 S 1 ist auf die Annahmeerklärung des Versicherers somit nicht anwendbar (Hamburg VersR 1988, 1169); sie muss ausdr ggü dem Versicherungsnehmer erklärt werden und diesem zugehen (Prölss in Prölss/Martin VVG 27. Aufl 2004 § 3 Rn 23). Entspr gilt für die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung; hier muss dem Schuldner die Annahmeerklärung des Gläubigers zugehen (Karlsruhe AfP 2009, 270, 271; LG Düsseldorf, Urt v 15.12.2009 – 4a O 229/08, juris). Bietet ein Stromanbieter einem Kunden unter Hinw darauf, dass Schweigen als Zustimmung genüge, den Wechsel zu 460

C. Armbrüster

Vertrag

§ 151

einem teureren Tarif an, so kann der Weiterbezug des Stroms nicht unter § 151 zur Annahme dieses Angebots führen (LG Leipzig BeckRS 2011, 00681). 3. Der Verzicht (S 1 Fall 2) erfolgt durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung (Staud/ 4 Bork Rn 10; aA Soergel/Wolf Rn 21: geschäftsähnliche Handlung), die keiner Form bedarf. Er ist auch bei einer formbedürftigen Annahmeerklärung möglich (BGH NJW-RR 1986, 1300, 1301). Der Verzicht kann konkludent erklärt werden (BGH aaO). Dies trifft zB zu, wenn sofortige Erfüllung des Vertrags verlangt wird (RG 84, 320, 323; 103, 312, 313), wenn eine im Preis stark schwankende Ware „express“ bestellt wird (RG 102, 370, 372) oder wenn der Verkäufer mit dem Angebot zugleich die Ware übersendet (RG 64, 145f; Staud/Bork Rn 11); nicht jedoch, wenn derjenige, der bei einem Agenten den Abschluss einer Versicherung beantragt, dabei sogleich die erste Prämie bezahlt (BGH NJW 1951, 313). Beim Lastschriftverfahren in der Form des Abbuchungsverfahrens liegt die Annahme des Einziehungsauftrags der Gläubigerbank darin, dass die Schuldnerbank die Lastschrift mit Wirkung ggü dem Schuldner durch Belastung des Schuldnerkontos einzieht, ohne dass die Annahme ggü der Gläubigerbank oder der letzten Zwischenbank erklärt zu werden braucht; hierauf haben die Kreditinstitute nach Abschn I Nr 6 des Lastschriftabkommens verzichtet (BGH 74, 352, 356 = NJW 1979, 2143; 79, 381, 386 = NJW 1981, 1669; Staud/Bork Rn 12). Zur Rechtslage bei fehlendem Abbuchungsauftrag s Rn 6; zur Rechtslage beim Überweisungsvertrag s § 676a Rn 6ff. – Ergibt sich aus dem Angebot, dass der Antragende auch eine an einen anderen gerichtete Annahmeerklärung als ihm ggü abgegeben gelten lassen will, so verzichtet er auf Annahmeerklärung ggü sich selbst (RG 129, 109, 113). – In einer nach § 150 I als neuer Antrag geltenden Annahme liegt regelmäßig ein Verzicht auf Zugang der Annahmeerklärung (s § 150 Rn 1). Je bedeutsamer das Geschäft für die Beteiligten ist, desto zurückhaltender ist ein Verzicht anzunehmen. So ist bei einem hohen Hypothekendarlehen nach der Verkehrssitte erforderlich, dass die Bank sich ggü dem Darlehensnehmer erklärt. Ein Verzicht auf eine ausdr Annahmeerklärung ist hier daher nicht anzunehmen (Köln NJW 1990, 1051). Aus dem Fehlen des „Vorbehalts“ der Notwendigkeit einer Annahmeerklärung der Gegenseite in einem schriftlichen Vertragsangebot lässt sich ein Verzicht des Antragenden auf den Zugang der Annahmeerklärung nicht herleiten (BGH NJW 1999, 1328). Ein konkludenter Verzicht kann idR auch dann nicht angenommen werden, wenn bei Abschluss eines Unterlassungsvertrags die Unterwerfungserklärung hinter dem vorangegangenen Verlangen des Antragenden zurückbleibt (Köln WRP 2010, 954 [LS]). 4. Betätigung des Annahmewillens. a) Der Vertrag kommt auch in den Ausnahmefällen des § 151 5 nur zustande, wenn eine Annahme vorliegt. Bloßes Schweigen genügt nicht (Rn 9); auch nicht ein Annahmewille, der ein rein innerer Vorgang geblieben ist. Der auf Annahme gerichtete Wille muss vielmehr nach außen hervorgetreten sein (RG 84, 320, 323; BGH 74, 352, 356 = NJW 1979, 2143; NJW 1999, 2179; 2001, 2324). Ob eine Betätigung des Annahmewillens vorliegt, hängt von der Wertung der Umstände des Einzelfalles ab. Da die Annahme nicht empfangsbedürftig ist, kommt es darauf an, ob ein unbeteiligter Dritter in dem nach außen erkennbaren Gesamtverhalten des Angebotsempfängers den Ausdruck seines wirklichen Annahmewillens erblickt (BGH 111, 97, 101f = NJW 1990, 1655; diese Rspr billigt BVerfG NJW 2001, 1200; s auch Rn 9). Bei Verträgen, die lediglich rechtlich vorteilhaft sind, sind an die Betätigung des Annahmewillens geringe Anforderungen zu stellen. Es genügt, dass die Willenserklärung zugeht und deren Annahme nicht durch eine nach außen erkennbare Willensäußerung des Begünstigten abgelehnt wird (BGH NJW 2000, 276 [LS]; Brandenburg BeckRS 2008, 09199; Jena NJW-RR 2008, 1678, 1679). Von einer Annahme ist daher idR auszugehen, wenn der Antragsgegner die dem Antrag entspr Leistung ganz oder auch nur teilw erbringt, zB die bestellte Ware versendet (§ 447; RG 102, 370, 372), den Kaufpreis zahlt (RG 129, 109, 113), die in einem Darlehensvertrag vorgesehenen Leistungsraten erbringt (BGH NJW-RR 2008, 1438) oder den Auftrag auszuführen beginnt. Dasselbe gilt, wenn er über die zur Ansicht oder Probe übersandte Ware wie ein Eigentümer verfügt, indem er sie zB verschenkt oder verbraucht (zur Annahme unbestellter Waren s § 147 Rn 4). Ein Abtretungsangebot ist lediglich rechtlich vorteilhaft (BGH NJW 2000, 276 [LS]; Brandenburg BeckRS 2008, 09199; Jena NJW-RR 2008, 1678, 1679). Es ist spätestens dann angenommen, wenn der Zessionar die Forderung einklagt (BGH NJW 1999, 2179, 2180). Schickt der Bürge dem Gläubiger eine schriftliche Bürgschaftserklärung zu, so reicht es als Bestätigung des Annahmewillens regelmäßig aus, wenn der Gläubiger, der zuvor eine Bürgschaft verlangt hatte, die Urkunde behalten hat, was nach der Lebensauffassung darauf schließen lässt, dass er mit der Bürgschaftserklärung einverstanden ist (BGH NJW 1997, 2233; 2000, 1563). Hat der Antragende zum Zwecke der Vertragserfüllung einen Scheck mit der Bestimmung übergeben, dass er nur bei Annahme des Vertragsangebots eingelöst werden darf, und hat er gleichzeitig auf eine Annahmeerklärung verzichtet, so ist in der widerspruchslos erfolgenden Einlösung des Schecks regelmäßig die Annahme des Vertragsantrags zu sehen (BGH NJW-RR 1986, 415, 416; NJW 1990, 1656, 1657f zum wirksamen Abschluss eines Abfindungsvertrags; Köln NJW-RR 2000, 1073 = MDR 2000, 407, 408). Doch gilt das nicht, wenn sonstige Umstände das Fehlen eines wirklichen Annahmewillens ergeben (BGH 111, 97, 101f = NJW 1990, 1655; LG Duisburg RRa 2009, 160 [LS]; s auch BVerfG NJW 2001, 1200). Ein wichtiges Indiz dafür, dass ein Annahmewille fehlt, ist auch ein Missverhältnis zw der Höhe der angebotenen Abfindung und derjenigen der abzugeltenden Forderung (BGH NJW 2001, 2324). Je krasser dieses Missverhältnis ist, desto ferner liegt es, das Einreichen des Schecks als Annahme des Abfindungsangebots anzusehen (BGH NJW 2001, 2324). Dies gilt umso mehr, wenn keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen, sondern es sich um die Konstellation einer sog Erlassfalle handelt (BGH NJW 2001, 2324; Koblenz NJW 2003, 758, 759; München VersR 2005, 962, 963; Schönfelder NJW 2001, 492ff). Die Vorschrift gilt auch für den Abschluss eines Aufhebungsvertrags. So bedarf es für die Annahme eines Antrags auf Aufhebung einer Kfz-Versicherung keines Zugangs, wenn nach einem entspr Antrag des C. Armbrüster

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§ 151

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

Versicherers unter Bezugnahme auf eine geplante Verschrottung des Kfz der Versicherungsnehmer die Prämienzahlung einstellt (LG Bremen VersR 2008, 1388, 1389). Bei einer betrieblichen Übung nimmt der Arbeitnehmer durch widerspruchslose Leistungsentgegennahme das Vertragsangebot an (BAG BB 2010, 1596 [LS]). 6

b) Auch bloße Vorbereitungshandlungen können bereits eine genügende Betätigung des Annahmewillens zum Ausdruck bringen. Doch wird man idR bei einer Warenbestellung erst die Absendung, nicht schon die Auswahl als Annahme zu werten haben (Schleswig NJW 2004, 231f). Anders ist dies dann, wenn die Auswahl erkennbar im Hinblick auf eine bestimmte Bestellung vorgenommen wird, ohne dass es zur Versendung einer weiteren Entscheidung des Verkäufers bedarf (Larenz/Wolf AT § 30 Rn 10; Staud/Bork Rn 17; zu streng LG Gießen NJW-RR 2003, 1206f [Internet-Bestellung]: frühestens Absendung). Einer Annahme steht es nicht entgegen, dass der Antragsempfänger noch in der Lage ist, die Auslieferung an den Antragenden zu verhindern (RG 102, 370, 372; aA Staud/Bork Rn 17). Eine Annahme kann ferner in einer Erklärung ggü Dritten liegen, sofern diese nicht nur die Absicht, sondern den Annahmewillen selbst offenbart (Staud/Bork Rn 21). – Fehlt im Lastschriftverfahren ein Abbuchungsauftrag des Schuldners, so liegt in der Übersendung der Lastschrift durch die Gläubigerbank ein Antrag auf Abschluss eines besonderen Auftrags, den Lastschriftbetrag trotz des fehlenden Abbuchungsauftrags vom Schuldner einzuziehen, der von der Schuldnerbank durch eine wirksame Belastung des Schuldnerkontos angenommen wird (BGH 74, 352, 356 = NJW 1979, 2143; BGHZ 79, 381, 386 = NJW 1981, 1669; Staud/Bork Rn 12]). Wirksam ist die Belastung nur, wenn der Schuldner zustimmt. Zur Rechtsnatur des Widerspruchs gegen eine bereits erfolgte Abbuchung s Einsele AcP 209 [2009], 719, 743ff.

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5. Vertragsschluss. Der Vertrag kommt mit der nach außen hervorgetretenen Annahmehandlung zustande. Der Antragende braucht nicht in der Lage zu sein, von der Annahme Kenntnis zu erlangen (vgl RG 84, 320, 323). Ist der Vertrag nach § 151 zustande gekommen, so kann der Verkäufer ihn nicht mehr einseitig, zB durch Rückruf versendeter Ware, rückgängig machen. Die Annahme ist unwiderruflich; § 130 I S 2 ist nicht anwendbar (RG 102, 370, 372; Flume II § 35 II 3 [S 656f]; Staud/Bork Rn 22; aA MüKo/Kramer Fn 236; Brehmer JuS 1994, 386, 390f: Widerruf der Annahmeerklärung analog § 130 I S 2 so lange möglich, wie beim Gegner kein Vertrauen auf die Perfektion des Vertrags erzeugt wurde).

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6. Die Dauer der Annahmefähigkeit bestimmt sich nach dem Willen des Antragenden (S 2). Dieser kann auch im Falle des § 151 eine Annahmefrist (§ 148) setzen (RG 124, 336, 338). Fehlt es an einer solchen Fristsetzung, so muss der mutmaßliche Wille des Antragenden den Umständen des Einzelfalls entnommen werden (BGH NJW 1999, 2179, 2180). Bsp: Das Angebot eines abstrakten Schuldanerkenntnisses, das während der Urlaubszeit bei einem großen Unternehmen eingeht, kann auch noch nach drei Wochen angenommen werden (BGH NJW 2000, 2984, 2985 m Anm Armbrüster EWiR § 151 BGB 1/01, 9f). Ist ein Wille des Antragenden, seine Bindung zeitlich zu begrenzen, nicht ersichtlich, so bleibt er an den Antrag bis zur Ablehnung durch den Empfänger gebunden (BGH NJW 1999, 2179, 2180). Oft wird sich freilich aus den Umständen, insb aus der Interessenlage des Antragenden, eine kurze Annahmefrist ergeben (MüKo/Kramer Rn 57). Bei einer Gesamtzusage, die auf eine dauerhafte Handhabung durch den Arbeitgeber angelegt ist, erlischt der Antrag erst durch eine gegenteilige Erklärung des Arbeitgebers (BAG ArbR 2010, 15).

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7. Die Annahme nach § 151 ist eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung (MüKo/Kramer Rn 49ff; Staud/Bork Rn 14; so jetzt auch Larenz/Wolf AT § 30 Rn 14; aA Flume II § 35 II 3 [S 655]: „Willensgeschäft“). Der Streit hat praktisch keine Bedeutung, da die Anwendung der Vorschriften über Willenserklärungen – außer § 130 I (s Rn 7) – sachgerecht ist und allg M entspricht (BGH NJW-RR 1994, 280, 281; Flume II § 35 II 3 [S 655]; Larenz/Wolf AT § 30 Rn 14). Darüber hinaus sind auch die §§ 164ff auf die Annahme nach § 151 anwendbar (BGH NJW-RR 1986, 415, 416). Allerdings ist ein wirklicher Annahmewille erforderlich; auf die objektive Erklärungsbedeutung kommt es grds nicht an, da der Vertrauensschutz keine Rolle spielt (BGH 111, 97, 101 = NJW 1990, 1655; NJW 2000, 276, 277; s auch Rn 5). Keine Annahme liegt daher vor, wenn dem Handelnden das Bewusstsein fehlt, ein anderer könne sein Verhalten als Äußerung eines bestimmten Geschäftswillens deuten. Verbraucht zB ein Kaufmann zugesandte Waren, die er nicht bestellt hat, weil er irrtümlich glaubt, es seien seine eigenen, so fehlt es ihm am Betätigungsbewusstsein. In diesem Fall kann auch ohne förmliche Anfechtung der Anschein einer Annahme durch Richtigstellung beseitigt werden (Flume II § 35 II 3 [S 656]; weiter gehend MüKo/Kramer Rn 50, der ein Rückgängigmachen allg bejaht, soweit der Anbietende noch keine Vertrauensposition erlangt hat und die Sache zurückgestellt werden kann; s Rn 7). Doch muss der Empfänger, wenn objektiv eine Annahmehandlung vorliegt, das Fehlen des Betätigungsbewusstseins nachweisen (BGH NJW-RR 1986, 415; Larenz/Wolf AT § 30 Rn 16; Soergel/Wolf Rn 28). Wusste der Empfänger jedoch, dass sein Verhalten nach außen den Annahmewillen zum Ausdruck bringt, so kann er sich entspr § 116 nicht auf das Fehlen des Annahmewillens berufen, wenn er in Wahrheit nicht annehmen wollte (Larenz/Wolf AT § 30 Rn 15; Pal/Ellenberger Rn 2b). Hat sich der Empfänger bei der Betätigung seines Annahmewillens geirrt, wurde er arglistig getäuscht oder widerrechtlich bedroht, so ist die Annahme nach §§ 119, 123 anfechtbar (Larenz/Wolf AT § 30 Rn 18; Staud/Bork Rn 23; enger MüKo/Kramer Rn 51, der für eine Anfechtung nur ein Bedürfnis sieht, wenn und soweit ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde). War dem Antragenden die Annahme zur Kenntnis gelangt, so kann ihm analog § 122 ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens zustehen (Staud/Bork Rn 23).

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C. Armbrüster

Vertrag

§ 153

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Annahme bei notarieller Beurkundung Wird ein Vertrag notariell beurkundet, ohne dass beide Teile gleichzeitig anwesend sind, so kommt der Vertrag mit der nach § 128 erfolgten Beurkundung der Annahme zustande, wenn nicht ein anderes bestimmt ist. Die Vorschrift des § 151 Satz 2 findet Anwendung. 1. § 152 sieht eine Ausnahme vom Zugangserfordernis der Annahmeerklärung vor, wenn ein Vertrag 1 notariell beurkundet wird und beide Parteien bei Beurkundung der Annahme nicht gleichzeitig anwesend sind. Gleichgültig ist es, ob die Beurkundung durch Gesetz oder Rechtsgeschäft vorgeschrieben ist (MüKo/Kramer Rn 2; Staud/Bork Rn 2). Der Grund für den Verzicht auf das Zugangserfordernis liegt darin, dass das beurkundete Angebot alle Regelungen enthält und die Annahme sich auf die Einverständniserklärung reduziert; § 152 dient damit zugleich der Beschleunigung und Vereinfachung (Karlsruhe NJW 1988, 2050). Ist für ein Rechtsgeschäft gleichzeitige Anwesenheit beider Partner vorgeschrieben (zB §§ 925, 1410), so ist die in § 152 vorausgesetzte getrennte Beurkundung von Antrag und Annahme ausgeschlossen. Die Bindung des Antragenden an sein notariell beurkundetes Angebot dauert nicht endlos. Sie 2 richtet sich nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden (S 2 iV mit § 151 S 2; s § 151 Rn 8). Eine verspätete Annahme gilt nach § 150 I als neuer Antrag. 2. § 152 ist nicht zwingend (Karlsruhe NJW 1988, 2050). Der Antragende kann bestimmen, dass die 3 Annahmeerklärung ihm auch zugehen muss, so dass der Vertrag erst mit dem Zugang zustande kommt. Die Bestimmung kann konkludent erfolgen (RG 76, 364, 366). Hat der Antragende eine Frist für die Annahme gesetzt, so kann dies bei Hinzutreten weiterer Umstände besagen, dass die Annahme dem Antragenden innerhalb der Frist zugehen oder er von ihr zuverlässig Kenntnis haben muss (RG 96, 273, 275). Eine Mitteilung durch Dritte kann genügen. Die Fristsetzung allein rechtfertigt das Zugangserfordernis noch nicht (MüKo/Kramer Rn 3; Soergel/Wolf Rn 6; Staud/Bork Rn 7; aA RG 76, 364, 366; 96, 273, 275; Pal/Ellenberger Rn 2); dafür bedarf es eines deutlichen Hinw (Flume II § 35 II 1 [S 650]). Nicht zu folgen ist dem RG (76, 273, 275) daher darin, dass derjenige beweispflichtig sein soll, der behauptet, dass trotz Fristsetzung Kenntnis von der Annahme nicht nötig sei. Oft wird eine abw Vorgabe des Antragenden nur bedeuten, dass die Benachrichtigung eine zusätzliche Verpflichtung des Annehmenden darstellt, der Vertrag jedoch schon mit der Beurkundung wirksam geworden ist (s BGH NJW-RR 1989, 198, 199). Bleibt die Benachrichtigung aus, so ist der Antragende gem § 242 zur Rückfrage verpflichtet (RG 96, 273, 277). 3. Entspr Anwendung. § 152 gilt analog auch bei gem § 61 BeurkG landesrechtlich zulässigen Beur- 4 kundungen durch andere Behörden (RG 68, 393; MüKo/Kramer Rn 2). Ein mit Wissen des Verkäufers von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht geschlossener notarieller Vertrag wird, wenn nichts anderes vereinbart ist, mit der notariellen Beurkundung der Genehmigung des Vertretenen wirksam, ohne dass diese Erklärung des Zugangs bedarf (Karlsruhe NJW 1988, 2050; MüKo/Kramer Rn 5; aA Tiedtke BB 1989, 924, 926ff). Nicht – auch nicht analog – anwendbar ist die Norm hingegen, wenn privatschriftliche Form vorgesehen ist (RG 93, 175, 176; Celle BeckRS 2010, 02506; Staud/Bork Rn 2).

153

Tod oder Geschäftsunfähigkeit des Antragenden Das Zustandekommen des Vertrags wird nicht dadurch gehindert, dass der Antragende vor der Annahme stirbt oder geschäftsunfähig wird, es sei denn, dass ein anderer Wille des Antragenden anzunehmen ist. 1. Stirbt der Antragende oder wird er geschäftsunfähig, nachdem er den Antrag abgegeben hat, je- 1 doch bevor dieser dem anderen zugegangen ist, so kann der Antrag, wie aus § 130 II folgt, trotzdem durch Zugang noch wirksam werden (§ 130 Rn 24). § 153 knüpft daran an und bestimmt, dass trotz des Todes oder der Geschäftsunfähigkeit im Zweifel der Antrag noch angenommen werden und somit der Vertrag zustande kommen kann. Die Vorschrift regelt folglich die Annahmefähigkeit des Angebots. Dabei ist es gleichgültig, ob Tod oder Geschäftsunfähigkeit vor oder nach Zugang des Antrags eingetreten ist (Staud/Bork Rn 2). Beim Tod des Antragenden muss eine empfangsbedürftige Annahmeerklärung, mag sie auch noch an den Erblasser gerichtet sein, dem Erben zugehen (Soergel/ Wolf Rn 2). Die Annahmefrist verlängert sich dann um die Zeit, die zur Ermittlung des Erben nötig ist. Eine vom Erblasser gesetzte Annahmefrist verlängert sich dagegen nicht, da in den Fällen des § 148 anders als bei § 147 II kein Wertungsspielraum besteht (aA offenbar Hk/Dörner Rn 5). Bei einer geringfügigen Fristüberschreitung kann der Erbe jedoch nach § 242 daran gehindert sein, sich auf die Verspätung zu berufen, wenn sie erkennbar durch Schwierigkeiten bei der Erbenermittlung hervorgerufen wurde. Wird einem Dritten durch Anlegung eines Sparbuchs auf seinen Namen eine Zuwendung auf den Todesfall gemacht (§ 331), so kann der Begünstigte das ihm von der Sparkasse übermittelte Schenkungsangebot des Sparers noch nach dessen Tode auch ohne ausdr Willenserklärung annehmen (§§ 130 II, 153, 151), wodurch im Valutaverhältnis ein wirksamer Schenkungsvertrag zustande kommt (BGH 46, 198, 203f = NJW 1967, 101; NJW 1975, 382, 383; WM 1976, 1130, 1131; MüKo/ Kramer Rn 5; aA Medicus BürgR Rn 392ff). Bleibt ein Antrag nach dem Tode des Antragenden wirksam, so folgt daraus, dass auch die Annahme wirksam bleibt, wenn der Antragende vor Zugang der Annahme stirbt (Hamm NJW-RR 1987, 342, 343). 2. § 153 enthält eine Auslegungsregel (Larenz/Wolf AT § 29 Rn 40f; Staud/Bork Rn 5; aA Flume II 2 § 35 I 4 [S 646]; MüKo/Kramer Rn 3: objektiver Rechtssatz). Der Vertrag kommt ausnahmsweise nicht zustande, wenn ein anderer Wille des Antragenden anzunehmen ist. Dieser Wille muss irgendwie zum Ausdruck gekommen sein. Lässt sich der wirkliche Wille des Antragenden nicht feststellen, C. Armbrüster

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§ 153

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

so kommt es darauf an, welchen Willen er mutmaßlich nach den Umständen, der Art und dem Inhalt des Geschäfts gehabt hätte, wenn ihm das eintretende Ereignis bekannt gewesen wäre (Larenz/Wolf AT § 29 Rn 40f). Ist nach dem Inhalt des Antrags oder den Umständen anzunehmen, dass der Antragende für den Fall des Todes oder der Geschäftsunfähigkeit einen anderen Willen gehabt hat, so erlischt der Antrag. Das wird zB zutreffen, wenn der Antragende Gegenstände kaufen wollte, die nur seinem persönlichen Gebrauch dienen sollten, oder wenn der zu schließende Vertrag selbst durch Tod oder Geschäftsunfähigkeit des Antragenden hinfällig geworden wäre (§§ 613, 672, 673, 675, 727). Auf den Willen des Antragsempfängers kommt es nicht an; dieser braucht auch nicht den „anderen Willen“ des Antragenden gekannt zu haben (RG SeuffA 81, 20). Demgegenüber sieht Flume (II § 35 I 4, 646) in § 153 keine Auslegungsregel, sondern einen die Bindungswirkung der Offerte erg und durch sie bestimmten Rechtssatz. Der Antrag gelte nur dann nicht fort, wenn aus seinem Sinn für den Empfänger erkennbar werde, dass der Vertrag nur mit dem Antragenden persönlich zustande kommen solle (dem folgend Medicus AT Rn 377; MüKo/Kramer Rn 3; ähnlich Soergel/Wolf Rn 9). 3

Einzelfälle. Bei einer Lebensversicherung hindert der Tod des Versicherungsnehmers vor Zugang der Annahmeerklärung nicht das Zustandekommen des Versicherungsvertrags; auch die Tatsache, dass der Todesfall vor Vertragsschluss eingetreten ist, steht einem vertraglichen Anspruch auf die Versicherungssumme nicht stets entgegen (BGH VersR 1990, 729, [730]; Köln VersR 1997, 51, 52; Prölss in Prölss/Martin VVG 27. Aufl 2004 § 2 Rn 7). Bei einem Pflichtteilsverzichtsvertrag kommt nach dem Tode des Erblassers eine Anwendung von § 153 nicht mehr in Betracht, da nunmehr der konkrete Pflichtteilsanspruch erlassen werden müsste (BGH 134, 60, 63ff = NJW 1997, 521). Bei einem auf Übertragung einer Gesellschaftsbeteiligung gerichteten Antrag sind die Erben des Veräußerers idR dann gebunden, wenn ihnen die Erfüllung gesellschaftsrechtlich möglich ist (näher Mülsch/ Penzel ZIP 2004, 1987, 1993).

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3. Hat der Antragsempfänger in Unkenntnis, dass es sich nur um zum persönlichen Gebrauch bestimmte Leistungen handelte, bereits mit der Ausführung des Auftrags begonnen, bevor er von dem vor der Annahme eingetretenen Tod des Auftraggebers erfährt, so steht ihm grds ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens analog § 122 zu (Clasen NJW 1952, 14; Enn/Nipperdey § 161 III 2 [S 992f]). Konnte der Antragsempfänger nämlich den mutmaßlichen Willen des Verstorbenen nicht erkennen, verdient er denselben Schutz wie der Gegner eines wegen Irrtums Anfechtenden. Flume, der nur auf den objektiv erkennbaren, nicht aber auf den im Einzelfall dem Angebotsempfänger uU gerade nicht erkennbaren (s Staud/Bork Rn 5) mutmaßlichen „anderen Willen des Antragenden“ abstellt (II § 35 I 4 [S 647]), lehnt folgerichtig diese Analogie ab. Der Tod des Antragenden sei ein Risiko, das der Antragsgegner tragen müsse, wenn sich aus dem Inhalt des Antrags ergab, dass der Vertrag nur mit dem Antragenden persönlich zustande kommen sollte (ebenso MüKo/Kramer Rn 3; BeckOK/Eckert Rn 10; jetzt auch Larenz/Wolf § 29 Rn 41 Fn 37; ähnlich Soergel/Wolf Rn 13). Allg bejaht wird eine Haftung indessen, wenn die Erben selbst ein Verschulden trifft, sie zB den Annehmenden nicht rechtzeitig benachrichtigt haben (Staud/Bork Rn 8). Handelte der Antragende schuldhaft, zB weil er mit seinem Tod rechnen musste, so haften die Erben gem §§ 311 II, 241 II, 280 I (cic).

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4. Entsprechende Anwendung. § 153 gilt entspr bei Eintritt beschränkter Geschäftsfähigkeit (Soergel/Wolf Rn 3; i Erg ebenso MüKo/Kramer Rn 2; aA Jauernig/Jauernig Rn 2; Staud/Bork Rn 14). Die Annahme muss jedoch, soweit nicht ein Fall des § 151 vorliegt, dem gesetzlichen Vertreter erklärt werden. Entspr anwendbar ist § 153 auch auf den Eintritt einer Verfügungsbeschränkung durch Testamentsvollstreckung und Nachlassverwaltung sowie durch die §§ 1365, 1369 (Soergel/Wolf Rn 5; Staud/ Bork Rn 17) oder § 1424 (RG 111, 185, 190) und im Falle der Verschmelzung (Mutter/Stehle GmbHR 2003, 290 [unmittelbare Anwendung]). Wird über das Vermögen des Antragenden vor der Annahme das Insolvenzverfahren eröffnet, so ist ebenfalls noch Annahme möglich, freilich ohne dass § 153 entspr herangezogen werden muss (BGH NJW 2002, 213, 214, Staud/Bork Rn 15); der Vertrag kommt mit dem Gemeinschuldner zustande. Dies gilt auch für dingliche Verträge; sie sind jedoch nach §§ 81, 91 InsO ggü den Gläubigern unwirksam, wenn über einen Massegegenstand verfügt worden ist.

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5. Auch wenn der Antrag nach § 153 fortgilt, kommt kein Vertrag zustande, wenn sich aus dem Inhalt der Annahme ergibt, dass der Antragsgegner nur mit dem Antragenden persönlich abschließen wollte, zB bei einer Kreditgewährung (MüKo/Kramer Rn 4).

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6. Die Wirkungen des Todes und der Geschäftsunfähigkeit des Antragsgegners regelt das Gesetz nicht. a) Stirbt der Antragsgegner vor Zugang des Antrags, so kann dieser grds nicht mehr wirksam werden. Zwar kann die Auslegung dazu führen, dass der Antrag bei Tod des Antragsgegners an die Erben gerichtet sein soll; doch ist dies idR nicht anzunehmen (vgl MüKo/Kramer Rn 7). – b) Stirbt der Antragsgegner nach Zugang, jedoch vor Annahme des Antrags, so können die Erben wirksam annehmen, wenn die Rechtsmacht des Erblassers, durch Annahme den Vertrag zur Entstehung zu bringen (§ 145 Rn 19), auf sie übergegangen ist. Eine Vermutung hierfür besteht nicht (MüKo/Kramer Rn 7; Staud/Bork Rn 11). Durch Auslegung des Antrags ist zu ermitteln, ob der Antragende den Vertrag nur mit dem Erblasser oder auch mit den Erben schließen wollte. Hatte der Erblasser die Annahmeerklärung bereits abgegeben, so kommt der Vertrag nach § 130 II in jedem Fall zustande. – c) Bei Eintritt der Geschäftsunfähigkeit muss der Antrag, um wirksam zu werden, dem gesetzlichen Vertreter (§ 131) zugehen; nur dieser kann den Antrag annehmen. Gleiches gilt bei Eintritt beschränkter Geschäftsfähigkeit, wenn das Geschäft dem Antragenden nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist.

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C. Armbrüster

Vertrag

§ 154

154

Offener Einigungsmangel; fehlende Beurkundung (1) Solange nicht die Parteien sich über alle Punkte eines Vertrags geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll, ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen. Die Verständigung über einzelne Punkte ist auch dann nicht bindend, wenn eine Aufzeichnung stattgefunden hat. (2) Ist eine Beurkundung des beabsichtigten Vertrags verabredet worden, so ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen, bis die Beurkundung erfolgt ist.

Schrifttum: Diederichsen, Der Auslegungsdissens, in FS H. Hübner, 1984, 421; Diederichsen, Der logische Dissens, in FS Jur Gesellschaft zu Berlin, 1984, 81; Diederichsen, Der Auslegungsdissens, in FS Hübner, 1984, 421; Leenen, Abschluss, Zustandekommen und Wirksamkeit des Vertrages, AcP 188 (1988), 381.

I. Überblick. Die §§ 154, 155 sind Auslegungsregeln (vgl BGH NJW 1997, 2671; NJW 2006, 2843), die 1 eingreifen, wenn sich die Parteien nicht über alle Punkte eines Vertrags geeinigt haben. Abw hiervon meint Leenen (AcP 188 [1988], 381, 401ff), dass § 154 I lediglich den Grundsatz der negativen Vertragsfreiheit bei der gemeinsamen Zustimmung zu einem vorliegenden Vertragstext sichere; diesen durchbreche § 155 zum Schutze des Verkehrs. Die §§ 154, 155 sollen nach Leenen (AcP 188 [1988], 381, 405) hingegen nicht auf den Vertragsschluss im Wege der Antrag-Annahme-Technik nach §§ 145–153 anwendbar sein. Damit würde indessen der Anwendungsbereich der §§ 154, 155 unnötig eingeengt. – § 154 bezieht sich auf den offenen Dissens, bei dem die Parteien sich bewusst nicht über alle Punkte geeinigt haben, über die nach der Erklärung zumindest einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden sollte. Demgegenüber betrifft § 155 den versteckten Dissens, bei dem die Parteien irrtümlich meinen, sich über alle Punkte geeinigt zu haben. Für den offenen Dissens bestimmt § 154, dass der Vertrag im Zweifel nicht geschlossen ist (nicht: dass ein Vertrag zwar zustande gekommen, aber nichtig ist). Diese Rechtsfolge greift demnach nur ein, wenn sich aus den Erklärungen der Vertragschließenden nicht ein anderes ergibt. Maßgeblich ist mithin der Parteiwille (Bork AT Rn 769). II. Offener Dissens (Abs I) 1. Erfasste Vertragspunkte. Haben sich die Parteien über einen Punkt 2 des Vertrags nicht geeinigt, der zu den essentialia negotii, also zu den objektiven Wesenselementen des Vertrags (s Vor § 145 Rn 4) gehört, so ist von vornherein kein Vertrag zustande gekommen (BGH NJW 1997, 2671; NJW 2006, 2843, 2844). Das folgt bereits aus dem Vertragsbegriff (Leenen AcP 188 [1988] 381, 411); es liegt ein „logischer Dissens“ vor (Diederichsen FS Jur Gesellschaft zu Berlin, 81ff). § 154 I S 1 ist in diesem Fall nicht anwendbar, da der von dieser Vorschrift vorausgesetzte Auslegungsspielraum von vornherein fehlt (Staud/Bork Rn 3; i Erg wohl auch BGH NJW 1997, 2671; MüKo/Kramer Rn 4f). Ein Vertrag ist freilich zustande gekommen, wenn die essentialia bestimmbar sind. Die Parteien können sich daher insb vertraglich binden, ohne eine abschließende Einigung über die genaue Höhe des Preises erzielt zu haben (BGH NJW 1981, 2756, 2757; BGH 119, 283, 288 = NJW 1993, 64; Stuttgart, Urt v 5.5.2010 – 3 U 79/09, juris). In solchen Fällen kann die Festlegung des Preises gem §§ 315ff einer Partei überlassen worden sein (vgl Staud/Bork Rn 8). Ist dies nicht der Fall und lässt sich die Höhe des Preises weder durch Auslegung noch durch Heranziehung der allg gesetzlichen Regeln (insb §§ 612 II, 632 II, 653 II) ermitteln, so fehlt es an der erforderlichen Bestimmbarkeit. Ein Vertrag ist dann von vornherein nicht zustande gekommen, ohne dass auf § 154 I zurückzugreifen ist. § 154 I betrifft mithin nur die accidentalia negotii. Haben die Parteien sich nur scheinbar über die bestimmte Höhe eines Werklohns geeinigt, so liegt ein „logischer Dissens“ vor. Eines Rückgriffs auf §§ 154, 155 BGB bedarf es dann nicht. Ein solcher Dissens kann nicht durch § 632 II behoben werden, da diese Norm voraussetzt, dass eine Vergütungsabrede fehlt (i Erg zutr Bremen NJW-RR 2009, 668, 669; Staud/Peters/Jacoby § 632 Rn 46; aA MüKo/Busche § 632 Rn 19). Der Vertrag ist zB im Zweifel dann nicht geschlossen, wenn die Parteien sich nur darüber geeinigt haben, dass der Kaufpreis durch Verrechnung erbracht werden soll, aber nicht darüber, welche der in Betracht kommenden bestr Gegenforderungen zur Tilgung verwandt werden (BGH NJW-RR 1999, 927). Dabei unterscheidet das Gesetz nicht nach der objektiven Wesentlichkeit des offen gebliebenen Punktes. Vielmehr genügt es, dass über diesen Punkt nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden sollte (BGH NJW 1998, 3196 [Anzahlung]). Die Auslegungsregel des § 154 I greift auch ein, wenn – sei es auch nur nach dem erkennbaren Wil- 3 len einer Partei – ein aus mehreren Vertragsteilen bestehender einheitlicher Gesamtvertrag geschlossen werden sollte (vgl BGH WM 1966, 16): Hier genügt es zum Vertragsschluss nicht, dass sich die Parteien lediglich über einen Vertragsteil geeinigt haben. Es steht ihnen allerdings frei, zunächst über einzelne Punkte eine bindende Einigung zu treffen (BGH NJW 1951, 397; NJW 1960, 430 [Gesellschaftsvertrag]; NJW 2002, 817 [818; Maklervertrag]). Verhandeln die Parteien über Änderungen eines bestehenden Vertrags, so kann aus der fehlenden Einigung in einem Punkt nicht ohne weiteres auf die Unverbindlichkeit der Einigung in einem anderen Punkt geschlossen werden, es sei denn, dass auch nur ein Vertragspartner erkennbar die Zusammengehörigkeit mehrerer Vertragspunkte gewollt hat (BGH WM 1966, 16 [Gesellschaftsvertrag]; MüKo/Kramer Rn 8). 2. Einigungswille. Allein der innere Wille einer Partei, sich noch über einen Punkt zu einigen, genügt 4 für einen Dissens nicht (vgl § 116 S 1). Dieser Wille muss vielmehr ausdr oder durch schlüssiges Verhalten ggü der anderen Partei erklärt sein (BGH NJW-RR 1990, 1009, 1011). Nur dann liegt ein offener Einigungsmangel vor. War den Parteien der Einigungsmangel bewusst, steht die Tatsache, dass sie einen offenen Dissens nicht als solchen erkannt haben, der Anwendung des § 154 I nicht entgegen (BGH NJW-RR 1999, 927). Praktisch ist dies insb dann bedeutsam, wenn die Parteien einen Punkt bewusst ungeregelt gelassen haben, weil sie diesen aufgrund eines Rechtsirrtums für nicht regelungsbedürftig hielten.

C. Armbrüster

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§ 154

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

5

3. Beweislast. Wer behauptet, ein Vertrag sei zustande gekommen, muss die Einigung nicht nur über die essentialia negotii, sondern auch über die subjektiv wesentlichen Nebenpunkte (accidentalia negotii) nachweisen (Gsell AcP 203 [2003], 119, 134f; MüKo/Kramer Rn 12). Es besteht keine Vermutung, dass mit der Einigung über die essentialia negotii der Vertrag wirksam geworden ist (Oldenburg DB 1996, 2534; MüKo/Kramer Rn 12). Steht die Einigung über die essentialia allerdings fest, so hat die Gegenseite darzulegen und zu beweisen, dass über weitere Punkte eine Einigung iSd § 154 I 1 erzielt werden sollte (BGH NJW-RR 1990, 1009, 1011; Staud/Bork Rn 16). Erst dann obliegt es dem anderen Vertragsteil, den Gegenbeweis zu erbringen, dass eine Einigung über diese Punkte tatsächlich erreicht wurde (Staud/Bork Rn 16; vgl BGH NJW-RR 1990, 1009, 1011).

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4. Punktation (Abs I S 2). Auch eine Aufzeichnung einzelner Punkte vor einer Einigung über den ganzen Vertrag (Punktation) enthält nach § 154 I S 2 im Zweifel noch keine Einigung (Brandenburg ZMR 2010, 23). Das gilt auch dann, wenn für die offengelassenen Punkte eine gesetzliche Regelung besteht. Soll ein Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr befristet werden – was rechtlich nur unter Wahrung der Schriftform möglich ist (§ 550) – spricht eine tatsächliche Vemutung gegen eine Bindung vor Unterzeichnung einer Vertragsurkunde (Brandenburg ZMR 2010, 23). Als Anhaltspunkte für die Einordnung als Punktation können dienen: die Überschrift „Gesprächsnotiz“, die Bezeichnung als „kurzfristige Fixierung“, der Hinw, dass eine „Paketlösung“ angestrebt sei, die spätere Korrespondenz der Parteien durch Bezugnahme auf „Entwürfe“, „beigefügte Punkte“ (Stuttgart BeckRS 2009, 05026). Für eine Punktation spricht auch die englischsprachige Bezeichnung einer Abrede als „Draft“ (LG Mannheim BeckRS 2009, 15734).

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5. Die Auslegungsregel des § 154 I gilt nur „im Zweifel“. Sie ist nicht anzuwenden, wenn sich die Parteien erkennbar vertraglich binden wollten, obwohl noch wesentliche Punkte offen waren. Ein solcher Bindungswille kann sich konkludent aus den Umständen ergeben (BGH NJW 1983, 1727, 1728). Deutliche Anzeichen hierfür sind die notarielle Beurkundung (BGH NJW 2006, 2843; Ritzinger NJW 1990, 1201, 1202) sowie die begonnene Vertragsdurchführung (BGH 119, 283, 288 = NJW 1993, 64, 65; NJW 2002, 817, 818; NZM 2005, 704, 705), daneben deren Fortsetzung trotz erfolgter Änderungskündigung (BGH NJW 2000, 356). Es entspricht der Lebenserfahrung, dass die Parteien grds nicht in einem vertragslosen Zustand handeln wollen, in dem ihre Leistungen nach den für Dauerbeziehungen nicht passenden §§ 812ff zu beurteilen wären (BGH 41, 271, 275 = NJW 1964, 1617, 1618; NJW 1983, 1727, 1728). Durch den bewussten Vollzug des lückenhaften Vertrags bekunden die Vertragspartner deshalb die „grds Geltung“ des Vertrags (vgl auch Lindacher JZ 1977, 604, 605: Selbstinterpretation durch späteres Verhalten). So ist zB, wenn sich die Parteien bei Abschluss eines Gesellschaftsvertrags bewusst noch nicht über die Bewertung der einzubringenden Gegenstände geeinigt, sie die Gesellschaft aber gleichwohl einvernehmlich in Vollzug gesetzt haben, die Gesellschaft nicht fehlerhaft, sondern rechtlich voll wirksam (BGH NJW 1960, 430; s auch Vor § 145 Rn 41). Entspr gilt für Arbeitsverhältnisse (BAG AP Nr 1). Auch kann aus einem bestehenden Handelsbrauch auf eine Vertragsbindung geschlossen werden (vgl Frankfurt NJW 1977, 1015, 1016; MüKo/Kramer Rn 7). Ferner spricht die Existenz eines Kontrahierungszwangs (s Vor § 145 Rn 27ff) für einen solchen Bindungswillen (BGH 41, 271, 275 = NJW 1964, 1617, 1618; Soergel/Wolf Rn 7; Staud/Bork Rn 7). Als weiteres Indiz kommt die Vereinbarung einer salvatorischen Klausel in Betracht (BGH NZM 2005, 704, 705). Bei Abschluss eines Vorvertrags kann bereits dieser hins einzelner Punkte eine Einigung der Parteien enthalten (BGH NJW 2006, 2843). Die Annahme eines Vorvertrags ist allerdings nur dann gerechtfertigt, wenn bes Umstände darauf schließen lassen, dass sich die Parteien ausnahmsweise bereits vor der abschließenden Einigung über alle regelungsbedürftigen Punkte vertraglich binden wollten (Karlsruhe ZMR 2010, 680).

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6. Lückenfüllung. Ist eine Bindung grds gewollt, so sind die Lücken im Wege erg Vertragsauslegung (§§ 133, 157; vgl BGH NJW 1975, 1116 [1117; Vertragsdauer]; 1997, 2171 [2172; Miethöhe]; NJW-RR 2000, 1560 [1561f; Speditionsentgelt]) oder nach den allg gesetzlichen Bestimmungen auszufüllen (BGH NJW-RR 1992, 517f; Staud/Bork Rn 9), zB nach §§ 612 II, 632 II, 653 II: BGH NJW 1997, 2671, 2672; NJW 2002, 817, 818) oder analog § 315 (vgl BGH 41, 271, 275 = NJW 1964, 1617, 1618) oder § 316 (Düsseldorf MittBayNot 2002, 44 – Festlegung der Grundstücksfläche). Dabei kann die Art und Weise der tatsächlichen Vertragsdurchführung ein Indiz für den Parteiwillen bei Vertragsschluss bieten (BGH 119, 283, 288 = NJW 1993, 64). Die Parteien können eine Einigung über die offen gebliebenen Vertragsinhalte auch späterer einvernehmlicher Regelung vorbehalten (vgl RG 124, 81, 84: Grenze dort, wo der nähere Vertragsinhalt der freien Entschließung der Parteien überlassen bleiben soll; Soergel/Wolf Rn 7; Staud/Bork Rn 9). Nur in Ausnahmefällen wird eine Lückenfüllung schlechterdings unmöglich sein, zB bei der Vereinbarung eines betragsmäßig nicht festgelegten „Freundschaftspreises“ (BGH NJW-RR 2000, 1658).

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7. Treuwidrigkeit. Ist die Partei, die ihre Verpflichtung erfüllt hat, gewillt, die offen gebliebene Vertragslücke iSd bisherigen Vorschläge ihres Vertragsgegners zu schließen, so kann die Berufung auf einen offenen Einigungsmangel als venire contra factum proprium nach Treu und Glauben (§ 242) ausgeschlossen sein (BGH LM § 154 Nr 2; Flume II § 34, 6e [629]; Staud/Bork Rn 10).

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III. Beurkundungsabrede (Abs II). 1. Voraussetzungen. Haben die Parteien vor oder bei Vertragsschluss dessen Beurkundung verabredet, so ist nach der Auslegungsregel des § 154 II im Zweifel anzunehmen, dass trotz der Willenseinigung der Vertrag erst zustande kommt, wenn die Beurkundung erfolgt. § 154 II ist damit vorrangig ggü § 125 S 2, der nicht das Zustandekommen des Vertrags, sondern allein dessen Formwirksamkeit betrifft. Erst wenn eine Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, greift die Vermutung des § 154 II ein (AG Siegburg BtPrax 2008, 229, 230. Der Ausdruck „Beurkundung“ ist nach dem Zweck von § 154 II weit auszulegen (vgl Flume II § 34, 6g [633]); darun466

C. Armbrüster

Vertrag

§ 155

ter fallen neben Schriftform (BGH RIW 2010, 65, 66; Celle NJW-RR 2000, 485, 486) und notarieller Beurkundung insb auch elektronische Form iSd § 126a und Textform iSd § 126b. Die Verabredung einer Beurkundung kann auch stillschw erfolgen. Eine solche stillschw Abrede wird bei längerfristigen, bedeutsamen und komplexen Geschäften idR zu vermuten sein (BGH NJW-RR 1993, 235, 236; Brandenburg BeckRS 2008, 09460; Flume II § 34, 6g [633]; MüKo/Kramer Rn 14). Das Beurkundungserfordernis kann sich auch aus einer Verkehrssitte ergeben (vgl RG 103, 73, 75; zur vereinbarten konstitutiven Wirkung eines Bestätigungsschreibens s § 147 Rn 5; vgl auch Kuchinke JZ 1965, 167ff). Zur Erfüllung des Erfordernisses kann eine Sukzessivbeurkundung ausreichend sein (Staud/Bork Rn 12). Soll die Beurkundung aber nach dem Willen der Parteien keinen rechtserzeugenden Charakter haben, sondern nur der Beweiserleichterung dienen, so gilt § 154 II nicht (BGH NJW 1964, 1269, 1270; NJW 2009, 433, 434; Jena NZBau 2004, 55, 57). Hierfür sind freilich, auch im kaufmännischen Verkehr, konkrete Anhaltspunkte erforderlich (BGH NJW-RR 1991, 1053, 1054; Hamm NJW-RR 1995, 274, 275). Für wichtige und langfristige Verträge, wie zB Abreden über die Bestellung einer Sicherungsgrundschuld, ist keine bloße Beweiserleichterung, sondern eine echte Beurkundungsvereinbarung zu vermuten (BGH 109, 197, 200 = NJW 1990, 576; NJW-RR 1993, 235, 236). Eine Vermutung besteht zB auch für den Fall, dass eine Gemeinde einen wirtschaftlich bedeutsamen Vertrag mit einer Kapitalgesellschaft schließt (Düsseldorf OLGRp 2009, 67, 68). Andererseits zwingt selbst ein Handelsbrauch, der die Bestätigungen als für den Vertrag konstitutiv ansieht, nicht zur Annahme einer Beurkundungsvereinbarung (BGH NJW 1964, 1269, 1270). Nach Vertragsschluss getroffene Beurkundungsvereinbarungen dienen idR nur der Beweiserleichterung (BGH NJW 1994, 2025, 2026). § 154 II ist hier nicht anzuwenden (MüKo/Kramer Rn 17). Es kann allerdings sein, dass durch die nachträgliche Vereinbarung der ursprüngliche Vertrag aufgehoben und durch einen neuen, beurkundungsbedürftigen Vertrag ersetzt werden soll (MüKo/Kramer Rn 17; Staud/Bork Rn 14). Die Parteien können ein vereinbartes Formerfordernis im Nachhinein ausdr oder konkludent aufheben (BGH NJW 1983, 1727, 1728; NJW 2000, 354, 357; NJW 2009, 433, 434; KG NZM 2005, 537 – konkludente Aufhebung durch einvernehmlichen Vertragsvollzug; Düsseldorf BauR 2009, 1465, 1468; Staud/Bork Rn 14). Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte kann dem nachträglichen Verhalten der Vertragsparteien entnommen werden, dass sie unter der als konstitutiv vereinbarten Schriftform nur diejenige Form verstanden, die sie anschließend verwirklicht haben (BGH NJW 2000, 354, 356; NZM 2000, 548). – § 154 II besagt nichts darüber, ob die für einen Hauptvertrag vereinbarte Form auch für den entspr Vorvertrag gelten soll. Hier ist der Parteiwille unabhängig von der Regel des Abs II daraufhin auszulegen, ob die Beurkundung für beide Verträge oder nur für den Hauptvertrag erforderlich sein sollte (BGH LM Nr 4 = NJW 1958, 1281; MüKo/Kramer Vor § 145 Rn 54). 2. Gehen die Parteien irrtümlich davon aus, dass für den von ihnen beabsichtigten Vertrag notariel- 11 le Beurkundung gesetzlich vorgeschrieben sei, so kommt durch mündliche übereinstimmende Erklärungen kein Vertrag zustande, weil die Parteien nicht den Willen haben, sich bereits durch mündliche Erklärungen rechtlich zu binden (Düsseldorf DB 1970, 1778; MüKo/Kramer Rn 15; s auch Vor § 145 Rn 6). 3. Beweislast. Wer behauptet, dass für einen Vertrag, der nicht der Form bedarf, Beurkundung ver- 12 einbart worden sei, ist dafür beweispflichtig (MüKo/Kramer Rn 23; Staud/Bork Rn 17; aA RG WarnRsp 1922 Nr 48; Reinicke JZ 1977, 159, 164). Da die Beurkundung nach § 154 II im Zweifel konstitutive Kraft hat, muss das Nichteingreifen der Auslegungsregel derjenige beweisen, der behauptet, dass die Beurkundung nur Beweiszwecken dient (BAG NJW 1997, 1597; MüKo/Kramer Rn 23). 4. Analoge Anwendung. § 154 II gilt analog, wenn die Beurkundung nicht verabredet wurde, son- 13 dern lediglich nach der Erklärung einer Partei erfolgen sollte (Flume II § 34, 6g [S 633]). Zudem ist die Vorschrift analog auf nicht protokollierte Gesellschafterbeschlüsse anzuwenden, wenn der Gesellschaftsvertrag ein Protokoll vorschreibt (Stuttgart DB 1983, 1480, 1480f). Dasselbe gilt für einseitige Erklärungen, die in einen Vertrag aufgenommen werden (Staud/Bork Rn 15).

155

Versteckter Einigungsmangel Haben sich die Parteien bei einem Vertrag, den sie als geschlossen ansehen, über einen Punkt, über den eine Vereinbarung getroffen werden sollte, in Wirklichkeit nicht geeinigt, so gilt das Vereinbarte, sofern anzunehmen ist, dass der Vertrag auch ohne eine Bestimmung über diesen Punkt geschlossen sein würde.

1. Überblick. a) § 155 betrifft den versteckten Dissens. Er liegt vor, wenn beide Parteien irrtümlich 1 glauben, dass sie sich über alle Punkte, über die eine Vereinbarung getroffen werden sollte, geeinigt haben, während in Wahrheit eine Einigung nicht vorliegt. Vom offenen Dissens (§ 154) unterscheidet er sich dadurch, dass den Parteien der Einigungsmangel nicht bewusst ist (MüKo/Kramer Rn 1). Erfasst werden wie beim offenen Dissens nur Einigungsmängel hins der accidentalia negotii; bei fehlender Einigung über ein essentiale kommt es hingegen von vornherein nicht zu einem Vertragsschluss („logischer Dissens“ s § 154 Rn 2). b) Abgrenzung. Bei einem versteckten Dissens deckt sich der durch Auslegung (§§ 133, 157) zu er- 2 mittelnde Inhalt der Parteierklärungen nicht (BGH NJW 1995, 2637, 2638; BauR 1999, 668, 669; NJW 2003, 743). Der versteckte Dissens ist deshalb von der Irrtumsanfechtung und von der falsa demonstratio zu unterscheiden. aa) Bei der Irrtumsanfechtung liegen objektiv übereinstimmende Erklärungen vor, aber die Erklärung einer Partei weicht von deren Willen ab; eine Diskrepanz, die durch Anfechtung zur Nichtigkeit der Erklärung führt (§ 142 I); der Anfechtende hat gem § 122 den Vertrauensschaden zu ersetzen. C. Armbrüster

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§ 155

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

Beim versteckten Dissens stimmen Wille und Erklärung jeder Partei für sich genommen überein. Jedoch divergieren die Erklärungen der Parteien ihrem Inhalt nach. Während sich die Parteien im Falle des § 119 also im Irrtum über die eigene Erklärung befinden, irren sie sich beim versteckten Dissens darüber, dass die eigene Erklärung mit der des Gegners übereinstimmt, etwa weil ein Missverständnis vorliegt (RG 58, 233, 234; Soergel/Wolf Rn 2). bb) Bei der falsa demonstratio stimmt der Wille der Parteien überein, beide benutzen jedoch eine falsche Bezeichnung (RG 99, 147, 148 – Haakjäringsköd). Da die Parteien dasselbe wollen, irren sie sich letztlich nicht über die erzielte Übereinkunft. In diesem Fall gilt das von ihnen Gewollte (st Rspr; s nur BGH 71, 243, 247 = NJW 1978, 1483; NJW 1998, 746, 747; ebenso grds bei formbedürftigen Verträgen BGH 87, 150, 154f); § 155 ist nicht anwendbar. 3

2. Fallgruppen. a) Versehentliche Unvollständigkeit. Meinen die Parteien, über einen bestimmten Vertragspunkt Einigkeit erzielt zu haben, vergessen oder übersehen sie aber schließlich, diesen Punkt zu regeln, so liegt ein Fall des § 155 vor (MüKo/Kramer Rn 8). Keinen versteckten Dissens stellt freilich eine nach allg Regeln zu schließende Vertragslücke dar, die dadurch entsteht, dass die Parteien den fraglichen Punkt überhaupt nicht bedacht haben und deshalb eine Vereinbarung darüber gar nicht haben treffen wollen (Staud/Bork Rn 7). b) Erklärungsdissens. Meinen die Parteien irrig, dass ihre schon objektiv nicht übereinstimmenden Willenserklärungen sich decken, indem sie einem Missverständnis unterliegen, sich zB verhören oder verlesen, dann liegt ein verdeckter Dissens vor (Hamm NJW-RR 1998, 1747f; MüKo/Kramer Rn 9). Hingegen ist eine Einigung anzunehmen, wenn eine inhaltlich umfassende Annahmeerklärung wie „ja“ oder „einverstanden“ abgegeben wurde (BaRo/Eckert Rn 8; Staud/Bork Rn 8). c) Scheinkonsens. Am bedeutsamsten ist der Fall, dass sich die Erklärungen der Parteien äußerlich decken, die Auslegung aber ergibt, dass einer der verwandten Begriffe objektiv mehrdeutig ist und beide Parteien ihn unterschiedlich verstanden haben (RG 68, 6, 9: Telegraphenschlüssel „Semilodei“; RG 116, 274, 275: „Typenflug“; BGH NJW-RR 1993, 373: mehrdeutige Erstattungsklausel für Investitionszulagen [Abgrenzung zur falsa demonstratio; s Rn 2]; Köln NJW-RR 2000, 1720: „Best-of-Album“; Jena NZBau 2004, 438, 439: „lichtes Maß“; s auch Staud/ Bork Rn 9). Bei der Prüfung, ob Ein- oder Mehrdeutigkeit vorliegt, kommt es allerdings nicht nur auf den äußeren Wortlaut, sondern auch auf den durch Auslegung (§§ 133, 157) der Erklärung zu ermittelnden Sinn des Ganzen an (RG 100, 134, 135; 146, 120, 128; BGH BauR 1999, 668, 669; NJW 1992, 1446, 1447). Schulfall: A schickt B ein Buch zu; die Zusendung ist als Leihe gemeint und wird als Geschenk aufgefasst. Hier stimmen Wille und Erklärung bei jeder Partei überein, die Erklärungen sind jedoch ihrem Inhalt nach mehrdeutig. Haben die Parteien trotz mehrdeutiger Bezeichnung dasselbe gewollt, so liegt kein versteckter Dissens vor, sondern eine falsa demonstratio (Rn 2). d) Auf missverständliche oder widersprüchliche AGB ist § 155 nicht anwendbar, da insoweit § 305c II und § 306 vorrangig sind (BaRo/Eckert Rn 10).

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3. Einschränkungen des Anwendungsbereichs. § 155 ist nicht anzuwenden, wenn schon eine der Einzelerklärungen nicht die nötige Bestimmtheit und Eindeutigkeit aufweist, sie insb für sich allein widerspruchsvoll ist (sog perplexe Willenserklärung; aA BaRo/Eckert Rn 3; s auch Hamburg ZMR 1997, 350). Eine Einigung scheitert hier schon daran, dass es an wirksamen Einzelerklärungen fehlt. § 155 ist ferner nicht anwendbar, wenn die Erklärungen zwar objektiv mehrdeutig sind, der Gegner aber den Irrtum einer Partei erkannt hat oder doch erkennen musste; hier liegt eine für den Gegner des ersichtlich Irrenden eindeutige Erklärung vor. Es gilt das von der irrenden Partei Gewollte. Der innere Vorbehalt des Gegners, dies nicht zu wollen, ist nach § 116 unbeachtlich (RG 93, 297, 299; BGH BB 1983, 927). Auch der Grundsatz von Treu und Glauben führt in diesem Fall dazu, eine Verbindlichkeit der getroffenen Regelung anzunehmen (vgl RG 100, 134, 135). Im Bereich der AGB enthält die sog Unklarheitenregel des § 305c II für mehrdeutige Klauseln eine ggü § 155 vorrangige Regelung (vgl Staud/Bork Rn 12; MüKo/Kramer Rn 6): Die Klausel ist zulasten des Verwenders auszulegen (näher § 305c Rn 3, 19ff; s auch § 157 Rn 14).

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4. Rechtsfolgen. Liegt ein versteckter Dissens vor, so ist der Vertrag mangels Einigung an sich nicht zustande gekommen. Diesen Grundsatz setzt § 155 voraus und macht, um im Interesse des Verkehrs das fehlerfrei Vereinbarte möglichst aufrechtzuerhalten, davon eine Ausnahme (Leenen AT, S 142). Ist anzunehmen, dass die Parteien den Vertrag auch ohne den Punkt, über den eine Vereinbarung nicht getroffen ist, geschlossen haben würden, so gilt das tatsächlich Vereinbarte. Ob die Auslegungsregel eingreift, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Sie setzt voraus, dass der nicht geregelte Punkt nicht zu den essentialia negotii gehört, sondern ein accidentale betrifft (Rn 1), das nicht als so wesentlich anzusehen ist, dass die Wirksamkeit des Vertrags nach dem Willen der Parteien von einer Einigung darüber abhängen sollte (RG 93, 297, 299; BGH DB 1978, 978; MüKo/Kramer Rn 14). Ist der Vertrag nach § 155 gültig, so folgt daraus nicht, dass der Nebenpunkt ungeregelt bleibt. Die Lücke ist nach den dispositiven gesetzlichen Vorschriften des betreffenden Vertragstyps und, soweit solche nicht bestehen oder nicht dem Parteiwillen entsprechen, im Wege erg Vertragsauslegung (§§ 133, 157) auszufüllen (BGH DB 1978, 978, 979; Staud/Bork Rn 16).

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Hat eine Partei das Nichtzustandekommen des Vertrags durch Herbeiführung eines Missverständnisses verschuldet, so ist sie der anderen Partei gem §§ 311 II, 241 II, 280 I (cic) zum Ersatz des dadurch entstandenen Vertrauensschadens verpflichtet (vgl RG 143, 219, 221; Jena NZBau 2004, 438, 439; Soergel/Wolf Rn 21; Staud/Bork Rn 17; aA Flume II § 34, 5, 626; MüKo/Kramer Rn 16 – arg: die Vertragsnichtigkeit und daraus resultierende Schäden hätten sich beide Kontrahenten selbst zuzuschreiben). Bei mitwirkendem Verschulden ist § 254 anzuwenden (Jena NZBau 2004, 438, 439; Soergel/Wolf Rn 21); § 122 II gilt nicht (RG JW 1932, 735, 739).

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C. Armbrüster

Vertrag

§ 156

5. Wer sich auf einen versteckten Dissens beruft, trägt hierfür die Beweislast (Staud/Bork Rn 18). 7 Dagegen hat derjenige, der sich auf die Restgültigkeit des Vertrags beruft, die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, aus denen geschlossen werden kann, dass der Vertrag auch ohne den Dissenspunkt zustande gekommen wäre (Düsseldorf OLGRp 2009, 67, 69; MüKo/Kramer Rn 17; s auch Gsell AcP 203, 119, [135]). 6. Eine entspr Anwendung des § 155 wird befürwortet, wenn die Erklärungen äußerlich eindeutig 8 sind, aber beide Parteien etwas anderes als das Erklärte und – insoweit im Unterschied zur falsa demonstratio (Rn 2) – etwas anderes als der Gegner gewollt haben (MüKo/Kramer Rn 13). Dieser Sichtweise ist zuzugeben, dass bei einem solchen beiderseitig gemeinsamen Irrtum der Parteien die Schadensersatzregelung des § 122 zu zufälligen Ergebnissen führen kann, je nachdem, welche von ihnen zuerst die Anfechtung nach § 119 erklärt (Enn/Nipperdey § 177 VI [1086]). Jedoch ist zu beachten, dass die Wertungen der §§ 119ff nicht durch § 155 verdrängt werden dürfen (Soergel/Wolf Rn 11). Deshalb muss grds die Anfechtung möglich bleiben. Unbilligkeiten können nach § 242 ausgeglichen werden (vgl Enn/Nipperdey § 177 VI [1086]); bei beiderseitigem Motivirrtum liegt auch eine Lösung über die Grundsätze der subjektiven Geschäftsgrundlage (vgl § 313) nahe (Staud/Bork Rn 6).

156

Vertragsschluss bei Versteigerung Bei einer Versteigerung kommt der Vertrag erst durch den Zuschlag zustande. Ein Gebot erlischt, wenn ein Übergebot abgegeben oder die Versteigerung ohne Erteilung des Zuschlags geschlossen wird. 1. Anwendungsbereich. § 156 ist anwendbar auf alle privatrechtlichen Versteigerungen (Staud/ 1 Bork Rn 10). Das sind die Versteigerungen nach §§ 383ff, 753 iVm §§ 1233ff, 966 II, 975 S 2, 979, 1219f, 1233ff BGB sowie nach §§ 373, 376 HGB. Die Norm hat keine dingliche Wirkung; der Zuschlag bewirkt nur den Verkauf, während der Eigentumsübergang sich nach den §§ 929ff richtet (RG 153, 257, 260; BGH 138, 339, 347 = NJW 1998, 2350). Eine Internet-Auktion stellt mangels Zuschlags keine Versteigerung iSd § 156 dar (BGH NJW 2005, 53, 54; Hoeren/Müller NJW 2005, 948, 949; AnwK/Kremer/ Noack Anh § 156 Rn 10f; s auch §§ 145 Rn 7; § 312d Rn 26; aA AG Bad Hersfeld MMR 2004, 500; Bernhard ZGS 2005, 226ff); der Vertrag kommt durch das Höchstgebot des Bieters zum Ablaufzeitpunkt zustande (KG NJW 2005, 1053f). Freilich ist es aufgrund der Vertragsfreiheit möglich, § 156 über die Versteigerungsbedingungen zur Anwendung zu bringen (BaRo/Wendtland Rn 4). Das in der Zwangsversteigerung abgegebene Gebot stellt abw von § 156 keinen bürgerlich-rechtlichen Vertragsantrag dar, sondern eine Prozesshandlung (Staud/Bork Rn 11). Auf Versteigerungen wegen Geldforderungen im Zwangsvollstreckungsverfahren ist § 156 gem § 817 ZPO nur eingeschränkt anwendbar. Für Zwangsversteigerungen nach dem ZVG gilt § 156 nicht; insoweit sind vielmehr die §§ 71ff, 81 ZVG maßgeblich. Durch den Hoheitsakt des Zuschlags geht hier das Eigentum unmittelbar auf den Ersteher über. Auch auf Submissionsausschreibungen ist § 156 nicht anwendbar (Soergel/Wolf Rn 16). 2. Zustandekommen des Vertrags (Satz 1). Da bei einer Versteigerung der Vertrag erst durch den 2 Zuschlag zustande kommt (Satz 1), ist im Gebot des Bieters der Vertragsantrag, im Zuschlag die Annahme zu sehen (BGH NJW 1983, 1186; BGH 138, 339, 342). Das Ausgebot des Versteigerers ist vorbehaltlich abw Festsetzung (s Rn 6) noch kein Antrag, sondern nur Aufforderung, Gebote abzugeben (invitatio ad offerendum; s § 145 Rn 4). Der Zeitpunkt des Gefahrübergangs (§ 446) kann – auch durch AGB – auf den Zeitpunkt des Zuschlags vorverlegt werden (Celle NJW-RR 2011, 132). Gebot und Zuschlag sind Willenserklärungen und unterliegen den für diese geltenden Grundsät- 3 zen; sie sind daher insb wegen Irrtums nach § 119 anfechtbar (Staud/Bork Rn 3). Der Zuschlag ist jedoch im Unterschied zum Gebot (MüKo/Kramer Rn 4) keine empfangsbedürftige Willenserklärung (BGH 138, 339, 342 = MDR 1998, 958). Er kann auch erteilt werden, wenn der Bieter nicht mehr anwesend ist (vgl § 15 S 2 BeurkG; zum Gebot s Rn 5). Gebot und Zuschlag können auch durch elektronische Übermittlung im Internet abgegeben und wirksam werden (BGH 149, 129 = NJW 2002, 363, 364); für Internet-Auktionen ohne Zuschlag gilt § 156 freilich nicht; s Rn 1). Bei der Versteigerung von Grundstücken sind Gebot und Zuschlag gem § 311b I S 1 notariell zu beurkunden (BGH LM Nr 2 = NJW 1998, 2350). 3. Erlöschen des Gebots (Satz 2). An sein Gebot ist der Bieter nach § 145 gebunden. Nach den allg 4 Regeln der §§ 146 Fall 2, 147 I S 1 würde es freilich erlöschen, wenn es nicht sofort durch Zuschlag angenommen wird. Abw davon bestimmt Satz 2, dass das Gebot erst erlischt, wenn ein Übergebot abgegeben oder die Versteigerung ohne Zuschlag geschlossen wird. Auf die Wirksamkeit des Übergebots kommt es nicht an, weil der tatsächliche Hergang entscheidet und ein Interesse an alsbaldiger Klärung besteht (MüKo/Kramer Rn 5; Soergel/Wolf Rn 6; Staud/Bork Rn 4). Etwas anderes gilt nur, wenn die Ungültigkeit des Übergebots offenkundig ist (Soergel/Wolf Rn 6). Maßgebend ist der Nennbetrag des Gebots; Umsatzsteuer ist nicht abzusetzen (RG 101, 365, 366f; Staud/Bork Rn 4). Aus § 146 Fall 1 folgt, dass ein Gebot außer in den beiden Fällen von S 2 auch durch Zurückweisung seitens des Versteigerers erlischt (Staud/Bork Rn 3). – Da der Vertrag erst durch den Zuschlag zustande kommt, kann der Versteigerer den Zuschlag verweigern; er ist vorbehaltlich abw Festsetzung (Rn 6) nicht verpflichtet, dem Meistbietenden den Zuschlag zu erteilen (von Hoyningen-Huene NJW 1973, 1474, 1477; s auch S 2: Möglichkeit, die Versteigerung trotz vorliegender Gebote zu schließen).

4. Ersteigerungsauftrag. Die Regelung des Ablaufs der Versteigerung durch § 34b GewO macht eine 5 Abgabe der Gebote während der Auktion erforderlich, damit andere Interessenten noch rechtzeitig ein Übergebot abgeben können (VersteigererVO v 24.4.2003, BGBl I 547). Der einem Versteigerer schriftlich erteilte Ersteigerungsauftrag enthält daher nicht schon das Gebot als Kaufantrag, sonC. Armbrüster

469

§ 156

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

dern nur den Auftrag an den Versteigerer, als Vertreter des Käufers in der Versteigerung Gebote abzugeben; der Versteigerer wird damit zugleich vom Verbot des Selbstkontrahierens gem § 181 befreit (BGH NJW 1983, 1186, 1187). Wird die Versteigerung ohne wirksamen Zuschlag geschlossen, so erlischt der Ersteigerungsauftrag nicht zwangsläufig. § 156 Satz 2 lässt zwar Gebote bei Abgabe eines Übergebots oder bei Beendigung der Versteigerung ohne Zuschlag erlöschen, ist aber auf einen Ersteigerungsauftrag auch nicht analog anwendbar. Die Auslegung des Auftrags kann vielmehr ergeben, dass dieser nicht auf den Erwerb in der Versteigerung beschränkt ist, sondern über die Versteigerung hinaus gilt, wenn diese ohne wirksamen Zuschlag geschlossen wird (BGH NJW 1983, 1186, 1187). 6

5. Abweichende Vereinbarungen. § 156 ist nicht zwingend (BGH 138, 339, 343 = NJW 1998, 2350; NJW 2002, 363, 364; Staud/Bork Rn 9). Der Versteigerer kann zB in seinen Versteigerungsbedingungen festsetzen, dass das Ausgebot bereits als bindender Antrag gilt, so dass jedes Gebot – vorausgesetzt, dass kein Übergebot abgegeben wird – zum Vertragsschluss führt und daher der Zuschlag erteilt werden muss. Ferner ist die Festsetzung möglich, dass ein Gebot nicht sofort durch Übergebot erlischt, sondern der Versteigerer eine Auswahl unter den Bietenden vornimmt. Die Bieter sind dann bis zur Entscheidung über den Zuschlag, der in angemessener Frist erfolgen muss, an ihr Gebot gebunden (vgl RG 96, 102, 103). Auch kann festgesetzt werden, dass der Zuschlag erst zu einem späteren Termin oder nur unter Vorbehalt erteilt wird (KG MDR 2004, 1402f). Der in derartigen Festsetzungen liegende Antrag auf Abweichung von den Regeln des § 156 wird vom Bieter dadurch angenommen, dass er widerspruchslos mitbietet.

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Auslegung von Verträgen Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Schrifttum: Bickel, Die Methoden der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen, 1976; Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl, 1983; Coing, Zur Auslegung der Verträge von Personalgesellschaften, ZGR 1978, 659; Ehricke, Zur Bedeutung der Privatautonomie bei der ergänzenden Vertragsauslegung, RabelsZ 60 (1996), 661; Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, 2. Aufl 1964; Grunewald, Auslegung von Unternehmens- und Umwandlungsverträgen, ZGR 2009, 647; J. Hager, Gesetzes- und sittenkonforme Auslegung und Aufrechterhaltung von Rechtsgeschäften, 1983; Henckel, Die ergänzende Vertragsauslegung, AcP 159 [1960/61], 106; Kötz, Vertragsauslegung, in FS Zeuner, 1994, 219; Kramer, Grundlagen der vertraglichen Einigung, 1972, 124; Larenz, Ergänzende Vertragsauslegung und dispositives Recht, NJW 1963, 737; Larenz, Die Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts, 1930 (Nachdruck 1966); Leenen, Typus und Rechtsfindung, 1971; Lüderitz, Auslegung von Rechtsgeschäften, 1966; Mangold, Eigentliche und ergänzende Vertragsauslegung, NJW 1961, 2284; Mayer-Maly, Die Bedeutung des tatsächlichen Parteiwillens für den hypothetischen, in FS Flume, 1978, 621; Neuner, Vertragsauslegung – Vertragsergänzung – Vertragskorrektur, in FS Canaris 2007, 901; Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, 1997; Petersen, Die Auslegung von Rechtsgeschäften, Jura 2004, 536; Sandrock, Zur ergänzenden Vertragsauslegung im materiellen und internationalen Schuldvertragsrecht, 1966; Säcker, Rechtsgeschäftsauslegung und Vertrauensprinzip, JurA 1971, 508; Sonnenberger, Verkehrssitten im Schuldvertrag, 1970; Stathopoulos, Zur Methode der Auslegung von Willenserklärungen, in FS Larenz 1973, 357; Wieacker, Die Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts, JZ 1967, 385; Wiedemann, Die Auslegung von Satzungen und Gesellschaftsverträgen, DNotZ Sonderheft 1977, 99; Wiedemann, Ergänzende Vertragsauslegung – richterliche Vertragsergänzung, in FS Canaris 2007, 1281; Wieser, Empirische und normative Auslegung, JZ 1985, 407; Vollmer, Auslegung und Auslegungsregeln, Diss Marburg, 1988; Zeller, Auslegung von Gesetz und Vertrag, 1989.

1

I. Überblick. 1. § 157 hat eine zweifache Bedeutung. Die Vorschrift ergänzt zum einen die gem § 133 für die Auslegung von Willenserklärungen geltende Regel (s Rn 2). Zum anderen bildet § 157 die Grundlage der erg Auslegung, durch die planwidrige Unvollständigkeiten eines Vertrags behoben werden (dazu s Rn 15ff). Diese erg Vertragsauslegung tritt neben die sich auf die Parteierklärungen beziehende einfache Auslegung (zu ihr s Rn 5ff; eingehend § 133 Rn 14ff, 20ff).

2

2. Abgrenzung. Von den §§ 133, 242 unterscheidet sich § 157 wie folgt: a) § 133. Nach dem Gesetzeswortlaut bezieht sich § 133 auf die Auslegung einzelner Willenserklärungen, § 157 auf die Auslegung von Verträgen. Demnach müsste ein Vertrag schon geschlossen sein, ehe § 157 als Auslegungsvorschrift den § 133 ablösen kann. Rspr und Schrifttum haben jedoch den Geltungsbereich des § 157 über seinen engen Wortlaut hinaus erweitert, da der Grundsatz von Treu und Glauben für das gesamte Bürgerliche Recht maßgebend ist und damit auch die Auslegung im Bereich des § 133 umfasst (BGH 21, 319, 328 = NJW 1956, 1475; NJW-RR 2000, 130; Enn/Nipperdey § 206 III [S 1260]; Soergel/ Wolf § 157 Rn 8ff). § 133 und § 157 gemeinsam bilden die Grundlage für die Auslegung des rechtsgeschäftlich Gewollten; die Rspr führt sie dementsprechend regelmäßig zusammen an (s nur RG 128, 241, 245; BGH NJW 1998, 3268, 3270; 2001, 1859, 1860f). Die Willenserklärung gilt daher so, wie der Erklärungsempfänger sie nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsanschauung verstehen musste. Auch für die Frage, ob durch die Willenserklärungen der Parteien ein Vertrag zustande gekommen ist, sind beide Vorschriften maßgeblich (vgl etwa BGH 47, 75, 78 = NJW 1967, 673). § 157 ist auch schon vor Vertragsschluss für die Auslegung des durch den Eintritt in Vertragsverhandlungen begründeten Vertrauensverhältnisses heranzuziehen. Der wesentliche Unterschied des § 133 ggü § 157 besteht allein darin, dass nach § 133 nur die Auslegung des tatsächlich Erklärten, des Erklärungstatbestandes (§ 133 Rn 11) möglich ist, wobei vorausgesetzt wird, dass das Gewollte in der Erklärung auch zum Ausdruck kommt. Diese Begrenzung kennt § 157 nicht.

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C. Armbrüster

Vertrag

§ 157

b) § 242 bestimmt, wie der Schuldner zu leisten hat, die Auslegung nach §§ 133, 157 dagegen, ob je- 3 mand Schuldner ist (vgl BGH NJW-RR 2003, 926) und welche Leistung er zu erbringen hat. Bevor die gebotene Art und Weise der Leistung (das „rechtliche Sollen“) festgelegt werden kann, muss der Inhalt der Leistungspflicht (das „rechtliche Wollen“) ermittelt werden (BGH 16, 4, 8 = NJW 1955, 460). § 242 kann daher erst nach der Auslegung (§§ 133, 157) zum Zuge kommen; die (auch erg) Auslegung hat Vorrang (BGH 9, 273, 277ff = NJW 1953, 937; 164, 286, 292 = NJW 2006, 54, 55; Soergel/Wolf § 157 Rn 104f; vgl a BGH NJW-RR 2000, 1652, 1653 zum Wegfall der Geschäftsgrundlage). Die Grenzen lassen sich jedoch nicht immer scharf ziehen. Für das gesamte Vertragsrecht bestimmt der in § 157 und in § 242 aufgestellte Wertmaßstab von Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte den Inhalt des Vertrags. 3. Der Anwendungsbereich des § 157 erstreckt sich auf Verträge jeder Art, schuldrechtliche, ding- 4 liche, familien- und erbrechtliche (BGH 106, 359, 361 = NJW 1989, 2885). Die Norm erfasst auch Gesellschaftsverträge (s etwa RG 159, 272, 278; BGH NJW 2001, 3777, 3778; eingehend § 705 Rn 34ff; Grunewald ZGR 2009, 647ff). Bei ihnen ist zw körperschaftlichen und individualvertraglichen Bestimmungen zu unterscheiden. Für erstere ist eine stark objektivierte Auslegung geboten (BGH NJW 1994, 51 [LS]; Koblenz NZG 2008, 423). § 157 gilt auch für Umwandlungsverträge (zB Ausgliederungsverträge nach § 123 UmwG; BGH NJW-RR 2004, 123, 124). § 157 ist weiter auf Vorverträge, vertragsähnliche Verhältnisse und Naturalverpflichtungen anzuwenden. Die Norm gilt auch für die Frage, ob und welchem gesetzlich geregelten Vertragstyp eine Parteivereinbarung zugeordnet werden kann (Rostock OLGRp 2009, 192 [LS]). Im Prozessrecht gilt § 157 für Prozessverträge, wie zB Zuständigkeitsvereinbarungen (RG 159, 254, 256; Hamburg VersR 1982, 341), Vgl (BGH NJW-RR 1996, 932) und Schiedsverträge, im Arbeitsrecht für Tarifverträge (BAG AP § 1 TVG-Auslegung Nr 105), deren normativer Teil jedoch wie ein Gesetz auszulegen ist (BAG NJW 1961, 1837; s auch BAG AP § 1 TVG-Auslegung Nr 117 m zust Anm Hueck); ebenso zu behandeln sind Betriebsvereinbarungen (BAG 7, 340; ErfK/Kania § 77 BetrVG Rn 31). Bindende Festsetzungen von Entgelten und Fertigungszeiten sind wie Tarifverträge auszulegen (BAG BB 1976, 1663). – § 157 gilt grds auch für die Auslegung formbedürftiger Erklärungen (BGH 63, 359, 362 = NJW 1975, 536; NJW 1998, 3196). Es ist jedoch stets zu prüfen, ob die ausgelegte Erklärung der erforderlichen Form noch entspricht (BGH NJW 2000, 1569, 1570 zu einer Bürgschaftserklärung). Hierzu zieht die Rspr die sog Andeutungstheorie heran (Einzelheiten s § 125 Rn 16). Einer Auslegung nach § 157 sind auch Grundbucherklärungen zugänglich (München OLGRp 2008, 898, 899; zum Maßstab s Rn 5). Für strafbewehrte Unterlassungserklärungen gilt gleichfalls § 157; es gelten nicht etwa die Grundsätze zur Auslegung von Unterlassungstiteln (BGH NJW 2001, 2622, 2623; Stuttgart OLGRp 2009, 329). – Da der Grundsatz von Treu und Glauben das gesamte Bürgerliche Recht beherrscht (Rn 2), ist § 157 grds auch bei Auslegung einseitiger Rechtsgeschäfte (vgl nur BGH NJW 1990, 3206 [3207; Auszahlungsanweisung]; BGH 160, 354, 363 = NJW 2004, 3413 [3416; Teilungserklärung nach § 8 WEG]; Frankfurt DNotZ 2004, 937 [939; Betreuungsverfügung]) und geschäftsähnlicher Handlungen (BGH NJW 1995, 45, 46) heranzuziehen. Dies gilt freilich nicht für die Auslegung von nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen, insb von Testamenten; insoweit verbleibt es bei § 133 (BGH 80, 246, 249 = NJW 1981, 1736; NJW 1993, 256; Petersen Jura 2005, 597; aA Enn/Nipperdey § 206 III [1260 m Fn 23]; Staud/Roth § 157 Rn 1; zur Abgrenzung vom Erbvertrag Hamm NJW-RR 2005, 450f; München NJW-RR 2006, 1597, 1598). § 157 gilt weiter für die Auslegung von AGB (BGH 49, 167, 388 = NJW 1968, 588; 103, 228, 234 = NJW 1988, 1590; s auch Rn 5, 26). Der Rechtsgedanke des § 157 ist auch im öffentlichen Recht zu beachten, zB bei Auslegung von Verwaltungsakten (BVerwG 12, 87; BFH BB 2007, 2171, 2173; s auch Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG 7. Aufl 2008 § 35 Rn 71 zu § 133), Widerspruchsschreiben (BVerwG NJW 2002, 1137, 1139) oder öffentlich-rechtl Verträgen (zu ihnen s Vor § 145 Rn 15, 20ff). Zur Auslegung von Verträgen aufgrund öffentlicher Ausschreibung vgl BGH NJW 1997, 1577f; NJW 2002, 1954, 1955). Die Auslegungsregeln gelten teils auch für fremdsprachliche Erklärungen (eingehend Armbrüster NJW 2011, 812, 815ff; vgl BGH NZG 2002, 779f; FamRZ 2006, 408 [LS]; Stuttgart IBR 2007, 72). II. Einfache Auslegung. 1. Auslegungsschritte. Die einfache (eigentliche, erläuternde) Auslegung 5 knüpft an eine konkrete Vereinbarung an. Maßgeblich ist, was die Vertragsteile erklärt haben und wie das Erklärte aus Sicht des anderen Teils zu verstehen war (BGH 106, 359, 361 = NJW 1989, 2885). Die Auslegung hat in erster Linie den von den Parteien gewählten Wortlaut der Vereinbarung und den diesem zu entnehmenden objektiv erklärten Willen der Parteien zu berücksichtigen (BGH 121, 13, 16 = NJW 1993, 721; NJW 2003, 2382, 2383; s auch § 133 Rn 24). Je nach Sachverhalt kann eine eng am Wortlaut orientierte Auslegung geboten sein (BGH NJW-RR 2003, 916 [917; strafbewehrte Unterlassungserklärung]). Der Wortlaut einer Leistungsbeschreibung ist auch ggü weniger detaillierten Plänen vorrangig (BGH NJW 2003, 743). In einem zweiten Schritt sind sodann die außerhalb des Erklärungsakts liegenden Umstände in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (BGH NJW-RR 2000, 1002, 1003). Es dürfen allerdings nur solche Umstände herangezogen werden, die dem Erklärungsempfänger bekannt oder erkennbar waren (BGHR 2006, 1509 [LS]; Rostock OLGRp 2009, 947, 949). Dies gilt auch bei einem klaren und eindeutigen Wortlaut (BGH NJW 2002, 1260; BAG NJW 2007, 1613, 1614). Maßgeblich sind auch der von den Parteien mit der Abrede verfolgte Zweck sowie deren Interessenlage (BGH NJW 1990, 441; NJW 2003, 2235, 2236; Rostock OLGRp 2009, 947, 949). Einer normativen, an Treu und Glauben (s Rn 6ff) und der Verkehrssitte (s Rn 8ff) orientierten Auslegung bedarf es dabei idR deshalb, weil der konkrete, zw den Parteien geschlossene Vertrag oft auch dann, wenn er einem gesetzlich normierten Geschäftstyp gleicht, ein eigenes Gepräge aufweist. Solange sich freilich der wirkliche, übereinstimmende Wille der Parteien ermitteln lässt, ist kein Raum für eine normative Auslegung nach § 157 (BGH 71, 243, 247 = NJW 1978, 1483; NJW 1998, 746, 747; 2002, 1260, 1261). Der übereinstimmende Wille der C. Armbrüster

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§ 157

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

Parteien geht dem Wortlaut des Vertrags und jeder anderweitigen Auslegung vor (BGH NJW 1994, 1528, 1529; NJW-RR 2005, 687, 689; BB 2007, 1354, 1356; Rostock OLGRp 2009, 947, 949). Dies gilt auch für AGB (s § 305c Rn 20; BGH 113, 251, 259; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen § 305c Rn 16). Bei ihnen wird sich freilich ein individuell gebildeter Wille häufig nicht ermitteln lassen, so dass in der Praxis eine objektive Auslegung (vgl Rn 6) die Regel ist (Pal/Grüneberg § 305c Rn 15f). Demnach sind Maßstab der Auslegung von AGB die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines Durchschnittskunden aus dem betroffenen Verkehrskreis (BGH NJW 2010, 293, 294; für Allg Versicherungsbedingungen ist auf die Verständnismöglichkeit eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers abzustellen (BGH 123, 83, 85 = NJW 1993, 2369; Prölss in Prölss/Martin VVG 27. Aufl 2004 Vorbem III Rn 2ff). – Tarifverträge werden in ihren normativen Teilen gesetzesähnlich ausgelegt (BAG AP § 1 TVG Nr 9 Nr 37; ErfK/Franzen § 1 TVG Rn 92; Staud/Singer § 133 Rn 74f). – Auch für Grundbucherklärungen gelten die oben genannten Grundsätze nur mit Modifikationen: Für sie sind in erster Linie der Wortlaut und die nächstliegende Bedeutung der Erklärung maßgeblich; sonstige Umstände sind nur heranziehbar, wenn sie offen zu Tage liegen (st Rspr; BGH NJW 2002, 1797, 1798). Dies gilt auch für im Grundbuch eingetragene Teilungserklärungen und Gemeinschaftsordnungen nach dem WEG (BGH 160, 354, 362f = NJW 2004, 3413, 3415f; Armbrüster in Bärmann/Pick/Merle WEG 11. Aufl 2010 § 8 Rn 26). 6

2. Treu und Glauben. a) Die Generalklausel Treu und Glauben stellt im Gegensatz zur Verkehrssitte (Rn 8ff) als einer objektiv feststehenden Tatsache einen Wertmaßstab dar, dem die Geltung von Verkehrssitten unterstellt wird. Ob ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegt und wie Verträge nach Treu und Glauben auszulegen sind, hängt grds von den Umständen des Einzelfalls ab. Es kommt darauf an, wie der billig und gerecht Denkende, der von der Verkehrssitte als objektivem Maßstab ausgeht, den Vertrag auslegen würde. Zu werten sind Inhalt und wirtschaftliche Bedeutung des Vertrags sowie das gesamte Verhalten der Parteien unter genauer Abwägung der beiderseitigen Belange. Die Auslegung hat sich an der Interessenlage der Parteien zu orientieren (Gebot der interessengerechten Auslegung; BGH 131, 136, 138 = NJW 1996, 248; NJW 2002, 1946, 1947; NJW-RR 2006, 496, 497). Auch ein öffentliches Interesse kann im Rahmen der Auslegung eines privatrechtlichen Vertrags berücksichtigt werden, zB das Interesse einer Stadt als Siedlungsträger am Geländeerwerb für Wohnungsneubauten (BGH 48, 296, 301 = NJW 1967, 2351). Eine widerspruchslose Fortsetzung der Tätigkeit durch den Arbeitnehmer nach einem Änderungsangebot des Arbeitgebers kann nur dann als Annahme ausgelegt werden, wenn die Folgen der Vertragsänderung sich unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis auswirken und für den Arbeitnehmer erkennnbar werden (BAG NJW 2009, 2475, 2476).

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b) Der Maßstab von Treu und Glauben gebietet es, nach Möglichkeit eine Auslegung zu vermeiden, die den Vertrag als widersprüchlich erscheinen lässt oder seinen Sinn in Frage stellt (BGH NJW 1993, 1976, 1978; 2005, 2618, 2619; MüKo/Busche Rn 6). Kommen mehrere Auslegungen in Betracht, von denen eine zur Nichtigkeit des Vertrags führt, so ist idR die andere geboten (BGH WM 2006, 871, 872; MüKo/Busche Rn 13 zur Gesetzwidrigkeit; vgl auch BGH NJW 2002, 747, 748: Auslegung einer mit „Bürgschaft“ überschriebenen Vereinbarung als Freistellungsverpflichtung). Freilich kann die nach Treu und Glauben allein mögliche Auslegung auch zur Nichtigkeit oder Undurchsetzbarkeit einer Vertragsbestimmung führen (vgl BGH 60, 353, 356ff = NJW 1973, 1190). Zunehmend werden Verträge, die dem deutschen Recht unterstehen sollen, in englischer Sprache abgefasst. Werden dabei Ausdrücke verwendet, die durch das Common Law geprägt sind, so hat eine am Einzelfall orientierte Auslegung am Maßstab des § 157 zu erfolgen. Sie kann dazu führen, dass ein dem Common Law entspr Verständnis des Terminus gewollt oder aber nicht gewollt war. Bei Standardformulierungen wird eher eine dem Common Law entspr Auslegung geboten sein als bei individuell ausgehandelten Vereinbarungen (Maier-Reimer AnwBl 2010, 13ff).

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3. Verkehrssitte. a) Überblick. Als Verkehrssitte ist die im Verkehr bestimmter Kreise herrschende tatsächliche Übung anzusehen (RG 49, 157, 162; BGH LM (B) Nr 1). Die Verkehrssitte unter Kaufleuten ist der Handelsbrauch iSd § 346 HGB (BGH NJW 1966, 502; s auch NJW-RR 2004, 554, 555). Er kann außerhalb des Handelsverkehrs zu einer allg Verkehrssitte erstarken (Koblenz NJW-RR 1988, 1306 betr Geltung der „Tegernseer Gebräuche“ beim Holzkauf durch einen Nichtkaufmann). Verkehrssitte und Handelsbrauch sind vom Gewohnheitsrecht zu unterscheiden. Dieses ist eine ranggleich neben dem Gesetz stehende objektive Rechtsquelle, die unmittelbare Geltung besitzt. Bei jenen handelt es sich dagegen um tatsächliche Gewohnheiten und Gebräuche, die erst aufgrund Gesetzes, nämlich des § 157 und des § 346 HGB rechtliche Bedeutung erlangen (so auch Soergel/Wolf Rn 63; Oertmann Rechtsordnung und Verkehrssitte 1914, 352; für Gleichstellung mit Gewohnheitsrecht Raiser Das Recht der AGB 1935, 82ff). Eine Verkehrssitte kann freilich zum Gewohnheitsrecht werden, wenn zu der tatsächlichen Übung die Überzeugung aller Beteiligten hinzukommt, dass diese Übung auch rechtens ist (s etwa zum kaufm Bestätigungsschreiben § 147 Rn 5).

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b) Abgrenzung. Die Verkehrssitte bezieht sich meist auf die Leistungspflicht, zB auf die Frage, ob die Umsatzsteuer im Preis enthalten ist (BGH 60, 199, 203 = NJW 1973, 755; NJW 2001, 2464, 2465) oder ob eine Verpackung zurückgegeben werden muss (sog echte Verkehrssitte; MüKo/Busche Rn 20). Erfasst wird aber auch die sog Erklärungssitte, die einem mehrdeutigen Ausdruck einen eindeutigen Sinn gibt (BGH NJW 2004, 2230 [2232; Wohnfläche]; MüKo/Busche Rn 19). Eine nicht die Voraussetzungen von Rn 8 erfüllende Übung zw den Vertragsparteien (sog Vertragssitte) kann zwar für die Auslegung bedeutsam sein, aber nicht unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssitte iSd § 157.

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c) Voraussetzungen. aa) Eine Verkehrssitte besteht nur dann, wenn sich bei allen an einem Geschäftszweig (zB Börsenhandel, Frachtgeschäft) beteiligten Kreisen einheitliche Anschauungen ge472

C. Armbrüster

Vertrag

§ 157

bildet haben (BGH NJW 2001, 2464, 2465: gleichmäßige und einheitliche Übung). Die Übung muss eine gewisse Festigkeit erlangt haben (BGH 111, 110, 112 = NJW 1990, 1723). Erforderlich ist hierfür idR eine größere Zahl gleichwertiger Fälle im Verlauf eines längeren Zeitraums. Haben sich gewisse Gebräuche nur in einem begrenzten Interessentenkreis gebildet, so liegt eine Verkehrssitte noch nicht vor. Stets müssen beide Parteien eines Rechtsgeschäfts den für die Bildung der Verkehrssitte maßgebenden Kreisen angehören (RG 114, 9, 12; 135, 339, 345; BGH LM [B] Nr 1; s auch Flume II § 16, 3d [313]: keine Heranziehung zum Nachteil von außenstehenden Vertragspartnern). Zu dieser Gruppe gehören alle Personen, die auf demselben Sachgebiet gleichartige Interessenkonstellationen verwirklichen (Sonnenberger Verkehrssitten im Schuldvertrag, 93; krit Lüderitz Auslegung von Rechtsgeschäften, 416f). Bei regionalen Unterschieden kommt es auf die am Abschlussort bestehende Verkehrssitte an (BGH 6, 127, 134 = NJW 1952, 1134; s auch NJW 2004, 2230, 2232). Die Verkehrssitte muss ausnahmslos gelten. Gelten gewisse Gebräuche hingegen nur idR, so liegt noch keine Verkehrssitte vor. Sie dürfen der Auslegung nur zugrunde gelegt werden, wenn dies dem Willen beider Parteien entspricht (RG 75, 338, 341; so wohl auch Staud/Roth Rn 30). bb) Gesetzesverstoß. Eine gegen zwingendes Recht verstoßende Verkehrssitte ist unbeachtlich 11 (BGH 99, 320, 326 = NJW 1987, 1641). Ggü dispositivem Recht genießt sie, wenn sie zum Vertragsbestandteil geworden ist, hingegen grds den Vorrang (BGH NJW 1966, 502; im Grundsatz ebenso zum Handelsbrauch MüKo-HGB/K. Schmidt § 346 Rn 37). Steht sie aber im Widerspruch zu Vorschriften, die einen ganz bestimmten gerechten Ausgleich der Rechte und Pflichten bezwecken, so wird sie regelmäßig missbräuchlich und aus diesem Grunde ebenfalls unbeachtlich sein (vgl RG 135, 339, 345; Soergel/Wolf Rn 76; s auch RG 114, 9 [13: eine im Verkehr geübte Unsitte ist kein Auslegungsmittel]). Die Berücksichtigung der Verkehrssitte darf keinen Rechtsmissbrauch oder einen Verstoß gegen Treu und Glauben ermöglichen (BGH 16, 4, 12 = NJW 1955, 460; Koblenz NJW-RR 1988, 1306, 1307 – „Tegernseer Gebräuche“). cc) Unkenntnis. Eine Verkehrssitte ist auch dann der Auslegung zugrunde zu legen, wenn die Par- 12 teien sie nicht gekannt haben (Koblenz NJW-RR 1988, 1306, 1307 – „Tegernseer Gebräuche“; MüKo/ Busche Rn 18). Weicht der innere Wille vom Erklärten ab, so kann nach § 119 ein Grund zur Anfechtung gegeben sein, es sei denn, dass nach der Verkehrssitte die Berücksichtigung eines abw inneren Willens gerade ausgeschlossen sein soll (vgl dazu MüKo-HGB/K. Schmidt § 346 Rn 35 zum Handelsbrauch; Soergel/Wolf Rn 72). Hat sich eine Verkehrssitte erst nach Abschluss des auszulegenden Vertrags gebildet, so ist sie im Allg nicht zu beachten. Wohl aber kann sie für die Bestimmung der Art und Weise der Leistung nach § 242, insb auch für eine Änderung des Leistungsinhalts unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben bedeutsam werden. Auch für die Auslegung einer Tarifnorm ist die nachträgliche Übung nicht maßgebend (BAG AP § 1 TVG Nr 117); allerdings kann die betriebliche Übung für den Einzelvertrag bedeutsam werden (Anm Hueck zu BAG AP § 1 TVG Nr 117). d) Vorrang des Parteiwillens. Eine Verkehrssitte darf dann nicht berücksichtigt werden, wenn sie 13 dem übereinstimmenden Parteiwillen (s Rn 5) widerspricht. Den Parteien ist es nämlich möglich, ihre Beziehungen abw von der Verkehrssitte zu regeln (BGH LM [B] Nr 1; NJW-RR 1993, 1250, 1252). 4. Gesetzliche Auslegungsregeln. Für bestimmte Fälle stellt das Gesetz Auslegungsregeln auf, die 14 „im Zweifel“ gelten sollen (zB § 154 I). Ihre Anwendung setzt voraus, dass die einfache Auslegung nach § 157 zu einem solchen Zweifel führt. Die Auslegung nach § 157 wird daher durch eine gesetzliche Auslegungsregel oder eine Vermutung nicht ausgeschlossen. – Die Unklarheitenregel des § 305c II, wonach Zweifel bei der Auslegung von AGB zulasten des Verwenders gehen, ist erst anzuwenden, wenn die Auslegung nach § 157 kein eindeutiges Ergebnis bringt (BGH NJW-RR 2003, 926; NJW 2010, 293, 294 [betr. „Mietraumfläche“]; § 305c Rn 27). Entspr gilt zulasten des Verwenders moderner Kommunikationstechniken (Pal/Ellenberger § 133 Rn 23; BAG ZIP 2003, 1858 [1860; Intranet]). Dabei geht der übereinstimmende Wille der Parteien wiederum einer objektiven Auslegung vor (BGH 113, 251, 259 = NJW 1991, 1604; NJW 2002, 2102, 2103; s auch allg Rn 5). – Nach § 307 I S 2 kann eine AGB, die nicht klar und verständlich ist, wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam sein (s § 307 Rn 18ff). III. Ergänzende Vertragsauslegung. 1. Überblick. Die Anwendung des § 157 beschränkt sich nicht 15 auf die Auslegung, welchen Inhalt die Vertragserklärungen haben. Er gibt auch die Rechtsgrundlage für eine Ergänzung des Vertragsinhalts, soweit dieser in einem regelungsbedürftigen Punkt Lücken aufweist (st Rspr; BGH 9, 273, 278 = NJW 1953, 937; NJW-RR 2008, 562, 563; 1371, 1372; Larenz/Wolf AT § 33 Rn 9; Lüderitz Auslegung von Rechtsgeschäften, 386f). Dies ist freilich nicht unumstr. Nach Sandrock (Erg Vertragsauslegung, 62ff) sollen nur atypische Geschäfte nach § 157 erg auszulegen, typische hingegen nach § 242 fortzubilden sein (krit Sonnenberger Verkehrssitten im Schuldvertrag, 124f; Lüderitz AcP 171 [1971, 160, 164f). Beide Vorschriften verweisen aber auf die Verkehrssitte, zudem enthält ein Geschäft meist typische und atypische Elemente. Zielt die Auslegung auf eine Bestimmung der Rechtsfolgen (so Sonnenberger Verkehrssitten im Schuldvertrag, 120ff, 131, 167), so gilt § 242 außerdem nicht für erg Korrekturen. Andere erblicken die Grundlage der erg Vertragsauslegung stets in § 242 (MüKo/Busche Rn 28; Ehricke RabelsZ 60 [1996], 661, 669; wiederum anders Henckel AcP 159 [1960/61], 106, 121f, der wegen der Abgrenzungsschwierigkeiten sowohl § 157 als auch § 242 als Grundlage ansieht). Diese Sichtweise widerspricht freilich dem bei Rn 3 dargestellten Verhältnis von § 157 zu § 242. – Eine Ergänzung des Vertrags setzt voraus, dass als Ausdruck der von den Parteien getroffenen Regelung ihrer Beziehungen ein gültiger Vertrag vorliegt. Es darf also insb kein offener Dissens iSd § 154 I (s § 154 Rn 2) bestehen. Die erg Vertragsauslegung hat den Sinn, die erforderliche und sachgerechte Regelung für die in einem Vertrag offen gebliebenen Punkte zu finden. Sie ist ein Akt richterlicher Vertragsgestaltung, nicht richterlicher Rechtsfortbildung (aA C. Armbrüster

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§ 157

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

MüKo/Busche Rn 28; Ehricke RabelsZ 60 [1996], 661, 669; Henckel AcP 159 [1960/61], 106, 121: Fortbildung objektiven Rechts). Die erg Vertragsauslegung, die es ermöglicht, den Regelungsplan der Vertragsparteien durchzuführen, ist vorrangig ggü den – nunmehr in § 313 kodifizierten – Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage (BGH 81, 135, 143 = NJW 1981, 2241; 164, 286, 292 = NJW 2006, 54, 55; NJW-RR 2008, 562, 563; P. Ulmer BB 1982, 1130; K.-G. Baier NZG 2004, 356, 357f). Bei einer wesentlichen Veränderung der bei Abschluss des Vertrags bestehenden wirtschaftlichen Verhältnisse findet gem § 313 eine Anpassung der Leistungen an diese Veränderungen statt, wenn sie erforderlich ist, um den von den Parteien mit dem Vertrag verfolgten Zweck zu erreichen (vgl BGH 105, 243, 245 = NJW 1989, 289: Anpassung eines Rentenvergleichs wegen Fortfalls der Geschäftsgrundlage gem §§ 157, 242). Zu arbeitsrechtlichen Besonderheiten im Zusammenhang mit der erg Vertragsauslegung s Salamon NZA 2009, 1076ff. 16

2. Feststellung einer Regelungslücke. a) Planwidrige Unvollständigkeit. Nur eine wirkliche Lücke des Vertrags – eine planwidrige Unvollständigkeit – darf ergänzt werden (st Rspr; BGH 90, 69, 73ff = NJW 1984, 1177; 127, 138, 142 = NJW 1994, 3287; NJW 2002, 2310). Wurde bewusst auf eine ins Einzelne gehende Regelung verzichtet, ist eine erg Vertragsauslegung nicht möglich (Rüthers/Stadler § 18 Rn 26f). Nicht jede fehlende Regelung stellt somit eine ausfüllungsbedürftige Vertragslücke dar. Erforderlich ist, dass beide Parteien einen Punkt übersehen oder ihn bewusst offengelassen haben, weil sie ihn bei Vertragsschluss irrig für nicht regelungsbedürftig hielten (BGH NJW 2001, 2464, 2465; NJW 2002, 2310; NJW-RR 2008, 562, 563). Zurückhaltung mit der Annahme einer Regelungsücke ist bei einem Formularvertrag geboten (BGH NJW-RR 2008, 1372, 1373). Bei Fehlvorstellung nur einer Partei gelten die §§ 119ff. Eine Regelungslücke scheidet ferner aus, wenn die Vereinbarung bewusst abschließend sein sollte (BGH 111, 110, 115 = NJW 1990, 1723; NJW 2002, 2310; Düsseldorf NJW-RR 1995, 1455, 1456; Ehricke RabelsZ 60 [1996], 661, 669). Insb können Billigkeitserwägungen nicht eine Regelungslücke ersetzen (BGH NJW 2004, 1873). Für die Beurteilung, ob eine Lücke vorliegt, sind ua Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Vertrags heranziehbar (instruktiv BGH NJW 2002, 2310, 2311). Dabei kommt auch die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit von Urkunden zum Tragen (§ 125 Rn 26; BGH NJW 1999, 1702, auch zu den Anforderungen an eine Entkräftung; s auch BGH NJW 2002, 1500, 1502: Umstände, die zur Aufklärung des Inhalts der Urkunde dienen, liegen nicht außerhalb der Urkunde). Bei notariellen Urkunden erlangt diese Vermutung besonderes Gewicht (BGH NJW 2002, 2310, 2311). Haben die Parteien bei Vertragsschluss keine vom Gesetz abw Regelung getroffen, so gehen sie idR davon aus, dass die gesetzliche Regelung gelten soll (BGH 40, 91, 103 = NJW 1963, 2071). Keine Lücke liegt ferner vor, wenn eine Vertragspartei die mit erg Auslegung bezweckte Rechtsfolge selbst herbeiführen kann, zB durch Inverzugsetzen des Gegners (BGH LM § 286 Nr 7).

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b) Anfängliche und nachträgliche Lücken. Gleichgültig ist, ob die auszufüllende Lücke schon bei Vertragsschluss bestand oder sich erst nachträglich ergeben hat, weil Umstände eingetreten sind, die die Parteien nicht vorausgesehen und deshalb nicht geregelt haben (BGH 84, 1, 7 = NJW 1982, 2184: Rückübereignung eines zur Abwendung einer Enteignung veräußerten Grundstücks, wenn der Enteignungszweck wegfällt; NJW-RR 1994, 1163, 1165: Anpassung des Erbauzinses bei Erhöhung der Bodenkosten; 2000, 894, 895: Erschließungskosten; 2007, 509, 510: Gesetzesänderung; 2008, 562, 563: nachträgliche Beschränkung der Gültigkeit von Telefonkarten; s auch BGH NJW 2006, 54, 55 zur Entwertung durch Hoheitsakt). Haben die Vertragsparteien beim Kauf von Bauerwartungsland irrtümlich angenommen, das Risiko künftiger Bebaubarkeit lückenlos zulasten des Verkäufers geregelt zu haben, so kann eine Vertragslücke zu dessen Lasten im Wege erg Vertragsauslegung geschlossen werden (BGH 74, 370, 376 = NJW 1979, 1818; 84, 1, 7 = NJW 1982, 2184). Gleiches gilt, wenn die Parteien bewusst Punkte offengelassen haben, um sie später zu regeln, es zu einer solchen Regelung dann aber nicht mehr gekommen ist (BGH LM [D] Nr 1, 30 zur Vertragslaufzeit; NJW 1982, 2816, 2817; Düsseldorf NJW-RR 1995, 1455, 1456). Unerheblich ist, aus welchem Grund die Parteien einen regelungsbedürftigen Punkt offengelassen haben (BGH WM 1976, 251).

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c) Auch wenn eine Vertragslücke nicht auf einer unvollständigen Erklärung der Parteien, sondern auf der Unwirksamkeit einer getroffenen Vereinbarung beruht, kann sie durch Auslegung ausgefüllt werden (BGH 90, 69, 74 = NJW 1984, 1177; 143, 104, 118 = NJW 2000, 1110; 151, 229, 236 = NJW 2002, 3098, 3099 m Anm v. Westphalen WuB 2003, 22, 23). Zur Ausfüllung einer durch die Unwirksamkeit einer AGB-Klausel entstandenen Lücke gem § 306 II s Rn 26, § 306 Rn 6, 13; Wiedemann in FS Canaris, 1281ff.

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d) Besteht für eine Vertragslücke eine ihrer Ausfüllung dienende gesetzliche Vorschrift (zB das dispositive Leistungsstörungsrecht), so soll keine im Wege erg Vertragsauslegung ausfüllungsbedürftige Lücke vorliegen (st Rspr; BGH 16, 71, 76 = NJW 1955, 337; 137, 153, 157 = NJW 1998, 450; Hamm BeckRS 2008, 21445). Dem ist grds zuzustimmen, wenn der Vertrag einem vom Gesetz geregelten Typ entspricht oder nur unwesentlich von ihm abweicht (Larenz/Wolf AT § 28 Rn 109; Lüderitz Auslegung von Rechtsgeschäften, 454; MüKo/Busche Rn 38). Was der Richter im Wege erg Auslegung festzustellen hat, ist dann bereits gesetzlich typisiert. Indessen kann auch in diesem Fall die am Parteiwillen orientierte erg Auslegung dazu führen, dass das dispositive Gesetzesrecht abbedungen sein sollte (s BGH NJW 1975, 1116, 1117; NJW-RR 1990, 817, 818). Stets vorrangig ggü dispositiven Normen ist die erg Vertragsauslegung, wenn das konkrete Geschäft nicht dem gesetzlich geregelten Typ entspricht (BGH 74, 370, 373f = NJW 1979, 1818; aA – von seinem Standpunkt [s Rn 15] konsequent – Henckel AcP 159 [1960/61], 106, 122: dispositives Recht sei stets vorrangig ggü erg Vertragsauslegung). Das gilt insb für die Gestaltung der Rechtsbeziehungen unter Gesellschaftern; hier kommt der Vertragsfreiheit besonderes Gewicht zu (BGH 107, 351, 353 = NJW 1989, 2681; 123, 281, 285 = 474

C. Armbrüster

Vertrag

§ 157

NJW 1993, 3193). Durch veraltetes dispositives Gesetzesrecht kann eine Lücke nicht behoben werden (BGH NJW 1979, 1705, 1706; zu § 131 Nr 4 aF HGB; Staud/Roth Rn 26). 3. Lückenausfüllung. a) Wertungen des konkreten Vertrags. Liegt eine ausfüllungsbedürftige Lü- 20 cke vor, so ist zu ermitteln, was die Parteien nach dem von ihnen gewollten Vertragszweck bei sachgemäßer Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn sie den offen gebliebenen Punkt bedacht hätten (st Rspr; BGH 9, 273, 278 = NJW 1953, 937; 127, 138, 142 = NJW 1994, 3287; NJW 2006, 54, 55; NJW-RR 2008, 562, 563; i Erg auch Ehricke RabelsZ 60, 1996, 661, 686f, der dem Richter indessen insoweit eine Ermessensentscheidung zubilligt). Ausgangspunkt für die Ermittlung dieses hypothetischen Parteiwillens und damit der Vertragsergänzung sind die im Vertrag selbst enthaltenen Regelungen und Wertungen sowie sein Sinn und Zweck (st Rspr; BGH 19, 110, 112 = NJW 1956, 377; BGH NJW 2002, 2310, 2311; Brox Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, 117ff, 132ff). Der hypothetische Parteiwille ist mithin nicht generalisierend nach dem entspr oder ähnlichen Vertragstyp, sondern nach den für den konkreten Vertrag charakteristischen Umständen zu ermitteln (Larenz/Wolf AT § 28 Rn 117; aA Canaris Die Feststellung von Lücken im Gesetz 2. Aufl 1983, 54; s auch BGH 164, 286 = NJW 2006, 54, 55). Entgegen Flume (II § 16, 4b [S 324]) gilt es nicht, für „einen solchen“, sondern gerade für „diesen“ Vertrag die erg Regelung zu finden; nur das wird dem Grundsatz der Privatautonomie gerecht. Dementsprechend darf der tatsächliche Wille der Parteien, soweit er feststellbar ist, bei der Ermittlung ihres hypothetischen Willens nicht außer Betracht bleiben (BGH 90, 69, 77 = NJW 1984, 1177; Mayer-Maly in FS Flume, 621, 625; Armbrüster NVersZ 2001, 193, 195). Es lässt sich daher nicht generell sagen, dass der hypothetische Parteiwille – im Unterschied zum Parteiwillen bei der einfachen Auslegung (s Rn 5) – nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab zu ermitteln sei (so aber E. Lorenz VersR 2001, 96, 97). Erst wenn sich aus Inhalt und Umständen des konkreten Vertrags keine hinreichend eindeutigen Hinw auf den hypothetischen Parteiwillen ergeben, können objektive Kriterien zum Zuge kommen (s Rn 21). Für die Ergänzung eines AGB-Klauselwerks im Wege erg Auslegung sind nur solche Regelungen geeignet, die nicht entscheidend am Einzelfall orientiert sind und dadurch zu Rechtsunsicherheit führen können, sondern für eine Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle zu gleichen Rechtsfolgen führen (BGH NJW-RR 2008, 1372, 1373), s auch Rn 26. Ist ein bestimmtes lückenhaftes Vertragsmuster weit verbreitet, so gebietet das Interesse an Verkehrsfähigkeit und Rechtssicherheit eine allg verbindliche Ergänzung unabhängig von den Besonderheiten des konkreten Einzelfalles (BGH NJW-RR 2008, 562, 563 betr. Telefonkarten). – Wegen dieses Vorrangs der privatautonomen Gestaltung ist zudem auch eine Anfechtung wegen Irrtums über den Inhalt einer durch erg Auslegung ermittelten Abrede nicht ausgeschlossen (Staud/Roth Rn 35; aA Flume II § 16, 4c [326]; Larenz/Wolf AT 8. Aufl. § 28 Rn 123; Soergel/Wolf Rn 106). b) Der hypothetische Parteiwille ist nicht nur aus den individuellen Umständen des konkreten Ver- 21 trags (Rn 20), sondern erforderlichenfalls auch nach objektiven Maßstäben zu erschließen. Dazu gehören eine der Erfahrung des täglichen Lebens entspr Würdigung des Sachverhalts (BGH NJW 2005, 2620, 2621) und insb die Beachtung des Gebots von Treu und Glauben (BGH 90, 69, 78 = NJW 1984, 1177; MüKo/Busche Rn 50). Die Ergänzung des Vertrags muss daher den Interessen beider Vertragsteile gerecht werden (RG 79, 434, 438; BGH NJW 1978, 695, 696; Staud/Roth Rn 33). Zudem gilt die Vermutung, dass in einem Austauschvertrag Leistung und Gegenleistung in einem ausgewogenen Verhältnis stehen sollten (BGH NJW-RR 2000, 894; NJW 2002, 2310, 2311). Ferner ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Parteien das Vernünftige gewollt haben (BGH NJW 1993, 1976, 1978; 1994, 1537, 1538; s auch Rn 24). c) Das Ergebnis der erg Vertragsauslegung muss sich als zwingende selbstverständliche Folge aus 22 dem Zusammenhang des Vereinbarten ergeben, so dass ohne die vorgenommene Ergänzung das Ergebnis in offenem Widerspruch zu dem nach dem Inhalt des Vertrags tatsächlich Vereinbarten stehen würde (st Rspr; BGH 40, 91, 104 = NJW 1963, 2071; 134, 60, 65 = NJW 1997, 521; NJW 1998, 1480 zur Auslegung der einen Gesellschafter-Geschäftsführer betreffenden Kündigungsklausel im Dienstvertrag eines Fremdgeschäftsführers). Bsp: Die vertraglich vom Mieter übernommene Verpflichtung, bei Beendigung des Mietverhältnisses Schönheitsreparaturen vorzunehmen, wird sinnlos, wenn die Mieträume umgebaut werden sollen. Hätten die Vertragschließenden an einen Umbau der Räume gedacht, so würden sie dem Vermieter einen Ausgleichsanspruch in Geld zugebilligt haben, jedoch nur iHd Betrages, den der Mieter ohne den Umbau hätte aufwenden müssen (BGH 77, 301, 305 = NJW 1980, 2347; 92, 363, 370ff = NJW 1985, 480; Emmerich JuS 1986, 16ff). 4. Schranken. a) Parteiwille. aa) Eine erg Auslegung darf nicht dem in dem – wenn auch lückenhaf- 23 ten – Vertrag zum Ausdruck gekommenen Parteiwillen widersprechen (BGH NJW 2002, 2310, 2311). Dies folgt aus dem Grundsatz der Privatautonomie (insoweit zutr Ehricke RabelsZ 60 [1996], 661, 688) und ergibt sich nach der hier (Rn 20) vertretenen Ansicht bereits aus der Maßgeblichkeit des hypothetischen Parteiwillens für die erg Vertragsauslegung. Eine Korrektur des erklärten Parteiwillens ist daher unzulässig (BGH 90, 69, 77 = NJW 1984, 1177; Mayer-Maly in FS Flume, 621, 627). Haben die Parteien einen bestimmten Vertragsinhalt vereinbart, so darf nicht willkürlich an dessen Stelle ein anderer gesetzt werden, weil dieser den Belangen der Parteien besser gerecht wird (Staud/Roth Rn 38) oder der Verkehrssitte (s Rn 8ff) entspricht. Dann läge keine Ergänzung vor (RG 82, 308, 316; 85, 322, 327). Eine erg Auslegung ist bei eindeutiger vertraglicher Abrede nur möglich, wenn sich aus den konkreten Tatsachen ergibt, dass trotz des Wortlauts eine Regelungslücke vorliegt (BGH NJWRR 2008, 1371, 1372. Unzulässig ist es auch, im Wege erg Vertragsauslegung den Vertragsgegenstand im Widerspruch zum Vertrag zu erweitern, einzuschränken oder sonst zu ändern (st Rspr; BGH 9, 273, 278 = NJW 1953, 937; 90, 69, 77 = NJW 1984, 1177; NJW-RR 2005, 1619, 1621; BAG NJW 1973, 822). C. Armbrüster

475

§ 157

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

Dadurch würde der Rahmen des auszulegenden Vertrags gesprengt. Es gibt auch keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass in einem Vertrag alle mit der darin getroffenen Vereinbarung in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang stehenden Punkte geregelt werden (BGH NJW 2002, 2310). Bsp: Eine Lücke liegt nicht ohne weiteres vor, wenn die Parteien keine Vereinbarung über den Gerichtsstand getroffen haben (RG 159, 254, 256). Dasselbe gilt, wenn ein Unternehmenskaufvertrag keine Regelung zur Übernahme einer bestimmten Schuld enthält und diesbezüglich der Fortbestand der bisherigen Lage einen Sinn hat (BGH NJW 2002, 2310f). 24

bb) Dem hypothetischen Parteiwillen widerspricht es idR, einen wirksamen Vertrag um eine Bestimmung zu ergänzen, die zu dessen (Gesamt-)Nichtigkeit führen würde (BGH NJW 1970, 468, 469; zur einfachen Auslegung s Rn 7). Dasselbe gilt, wenn sich die Nichtigkeit nur auf die im Wege erg Auslegung ermittelte Bestimmung beziehen würde. Die Ausdehnung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots darf daher nicht zu einem Verbot führen, das nach § 138 I nichtig oder mit § 1 GWB unvereinbar wäre (BGH WM 1974, 74, 76).

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b) Nichtfeststellbarkeit des hypothetischen Parteiwillens. Kommen verschiedene vernünftige Gestaltungsmöglichkeiten zur Ausfüllung einer Vertragslücke in Betracht, so scheidet eine erg Auslegung aus, wenn kein Anhaltspunkt dafür besteht, welche Regelung die Parteien bei Kenntnis der Vertragslücke getroffen hätten (BGH 54, 106, 115 = NJW 1970, 1596; 143, 103, 121 = NJW 2000, 1110; NJW-RR 2005, 458, 459; 1619, 1621). Eine erg Auslegung ist ferner ausgeschlossen, wenn eine Veränderung der allg Verhältnisse und der Rechtsanschauungen eine Beurteilung der neuen Lage nach dem Vertragswillen beider Parteien unmöglich macht (BGH 23, 282, 286 = NJW 1957, 708; 84, 361, 368 = NJW 1982, 2236; MüKo/Busche Rn 49). Ist der hypothetische Parteiwille nicht feststellbar, so kommt eine Vertragsanpassung durch Richterspruch gem § 242 auch nicht ausnahmsweise in Betracht (aA Jauernig/Jauernig Rn 4 aE, allerdings allein unter Berufung auf BGH NJW 1993, 2935, 2936 und NJWRR 1990, 601, 602, die beide die Geschäftsgrundlagenlehre [jetzt § 313] betreffen).

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5. Lückenfüllung beim Wegfall von AGB. Sind AGB-Klauseln ganz oder teilw nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag iÜ gem § 306 I wirksam. An die Stelle der betreffenden Klauseln treten dann die gesetzlichen Vorschriften (§ 306 II). Sind jedoch konkrete Regelungen des dispositiven Rechts zur Ausfüllung der entstandenen Lücken nicht vorhanden und führt die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel nicht zu einer angemessenen, den typischen Interessen der Vertragsparteien Rechnung tragenden Lösung, so kann die Regelungslücke durch erg Vertragsauslegung geschlossen werden (BGH 90, 69, 75 = NJW 1984, 1177; 143, 104, 120 = NJW 2000, 1110; NJW 2008, 1820 [1822 Rn 28ff]; GE 2008, 1046, 1048). Die §§ 157, 133, auf denen die erg Vertragsauslegung beruht, sind „gesetzliche Vorschriften“ iSd § 306 II. Es gilt dann, was die Parteien bei sachgerechter Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre. Maßgeblich ist insoweit ein objektiv-generalisierender Maßstab, der am Willen und Interesse der typischerweise beteiligten Verkehrskreise ausgerichtet ist (BGH 107, 273, 277 = NJW 1989, 3010; NJW-RR 2005, 1040, 1041). Bsp: Die durch die Unwirksamkeit der Tagespreisklausel in Kfz-Verkaufsbedingungen entstandene Lücke ist, weil dispositive gesetzliche Bestimmungen fehlen, durch eine Regelung zu schließen, die den Käufer zwar zur Zahlung des bei der Auslieferung des Kfz geltenden Listenpreises verpflichtet, ihm jedoch bei überproportionaler Preissteigerung ein Rücktrittsrecht einräumt (BGH 90, 69, 78ff = NJW 1984, 1177; P. Ulmer NJW 1981, 2025, 2030; Lindacher BB 1983, 158; Bunte NJW 1984, 1145ff; aA Trinkner/Löwe NJW 1984, 490, 492; s auch § 306 Rn 14). Bei Weiterverkauf eines Grundstücks unter Gewährleistungsauschluss kann eine erg Vertragsauslegung ergeben, dass Gewährleistungsansprüche des Erstkäufers gegen den Erstverkäufer abgetreten sind (BGH NJW 1997, 652; 2004, 1873f). Im UKlaG-Verfahren gelten die Regeln der erg Vertragsauslegung nicht (BGH NJW 2007, 1054, 1057).

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6. Wichtige Anwendungsfälle. a) Haftungsbeschränkung. Die erg Auslegung führt häufig zur Annahme einer Haftungsbeschränkung. Nach der Rspr, die allerdings häufig nicht zw der erg Vertragsauslegung und stillschw Übereinkünften unterscheidet, greift regelmäßig ein Haftungsverzicht zulasten desjenigen ein, der sich billigerweise gegen das betreffende Risiko hätte versichern können (s dazu Armbrüster NJW 2009, 187, 189f). So wurde ein Haftungsverzicht zulasten des Kfz-Händlers bejaht hins seinen Kunden unbekannter Haftungsrisiken bei Personen- (BGH NJW 1980, 1681, 1682) und Sachschäden (BGH NJW 1972, 1363, 1363f) sowie bei Schäden während einer Probefahrt mit einem Vorführwagen (BGH NJW 1972, 1363, 1363f; 1979, 643, 644). Die Haftungsfreistellung soll allerdings nicht zu einer Entlastung des Versicherers führen dürfen (BGH NJW 1993, 3067, 3068). Die Annahme eines Haftungsverzichts darf auch nicht zu einer auf eine reine Willensfiktion gestützten Rechtskonstruktion ausarten, selbst wenn das Ergebnis angemessen erscheint (BGH 41, 79, 81 = NJW 1964, 860; 43, 72, 76 = NJW 1965, 907; NJW 1993, 3067, 3068). So führt eine erg Vertragsauslegung idR nicht dazu, dass die haftungsbegrenzenden Regeln über den innerbetrieblichen Schadensausgleich (s § 611 Rn 344ff) sich bei Insolvenz des Arbeitgebers auch auf die Außenhaftung des Arbeitnehmers ggü Dritten auswirken können, es sei denn, der Dritte hatte es übernommen, für einen Versicherungsschutz zu sorgen (BGH 108, 305, 316ff = NJW 1989, 3273; NJW 1994, 852, 854).

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b) Interzessionsgeschäfte, insb Schuldübernahme. Eine erg Auslegung dahingehend, dass eine Schuldübernahme vereinbart ist, kann angesichts der damit verbundenen Risiken nur bei eindeutigen Anhaltspunkten für einen entspr Verpflichtungswillen angenommen werden (MüKo/Möschel § 415 Rn 3; Kothe JZ 1990, 997, 1002f; § 414 Rn 5; s auch BGH NJW 2002, 2310, 2311f). Im Zweifel ist von der Bürgschaft als dem gesetzlich geregelten Normalfall einer Sicherheit auszugehen (BGH BB 1976, 1431). Dies gilt allerdings nur, wenn die Auslegung, die nicht bei dem Wortlaut einer „Bürg476

C. Armbrüster

Vertrag

§ 157

schaftserklärung“ Halt machen darf, sondern interessengerecht zu erfolgen hat (Rn 6, 20f; BGH NJW 2002, 747, 748), zu keinem eindeutigen Ergebnis führt (BGH NJW 1986, 580; Hamm NJW 1993, 2625). – Bei Darlehensverträgen kann die Verpflichtungserklärung naher Angehöriger dahin auszulegen sein, dass der Angehörige nicht Mitdarlehensnehmer wird, sondern dass hins des Rückzahlungsanspruchs eine Schuldmitübernahme gewollt ist (BGH 146, 37, 41f = NJW 2001, 815; NJW 2002, 744); es kommen dann die Regeln über die Sittenwidrigkeit der Mithaftung naher Angehöriger zum Zuge (BGH 146, 37, 42ff = NJW 2001, 815; NJW 2002, 744f). c) Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Nach Ansicht der Rspr sind auch die Regeln über 29 den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (s § 328 Rn 12) im Wege erg Vertragsauslegung zu gewinnen (BGH 56, 269, 273 = NJW 1971, 1931; NJW 1984, 355, 356; Düsseldorf NJW 2007, 161, 162). Die besseren Arg sprechen freilich dafür, von richterlicher Rechtsfortbildung auszugehen (eingehend Ziegltrum Der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte 1992, 146ff), die sich zu Gewohnheitsrecht verdichtet hat (Gernhuber in FS Nikisch 1958, 249, 265). IV. Maßgeblicher Zeitpunkt. 1. Änderung der auslegungsrelevanten Umstände. Str ist, welcher 30 Zeitpunkt für die Vertragsauslegung zugrunde zu legen ist. Teils wird auf den Zeitpunkt der Auslegung, also auf die Gegenwart (prozessual: auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung) abgestellt (Flume II § 16, 4c [S 326]; Jauernig/Jauernig Rn 4; Soergel/Wolf Rn 132 für erg Auslegung, anders Rn 36 für einfache Auslegung). Dagegen spricht jedoch, dass nach dem Grundsatz pacta sunt servanda nach Vertragsschluss eingetretene Änderungen der für die Auslegung bedeutsamen Umstände vorbehaltlich des § 313 nur zu einer einvernehmlichen Vertragsanpassung durch die Parteien führen können. Maßgeblich ist daher der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (BGH 123, 281, 285 = NJW 1993, 3193; NJW-RR 2008, 562, 563; Staud/Roth Rn 34). Dementsprechend kann auch eine zwischenzeitlich überholte Rspr für die Auslegung der Erklärungen bestimmend sein (BGH NJW 1998, 3268, 3270). Nachträgliches Verhalten kann nur berücksichtigt werden, soweit es Rückschlüsse auf den tats Willen bei Vertragsschluss zulässt (BGH NJW 1971, 1844; 2007, 529, 530). Dieselben Regeln gelten für die Heranziehung einer Verkehrssitte (MüKo/Busche Rn 23). 2. Änderung des Wertmaßstabs. Der Wertmaßstab „Treu und Glauben“ ist wandelbar (§ 242 Rn 1ff, 31 17; RG 148, 81, 93 – allerdings bzgl einer „seit Anfang des Jahres 1933 durchgedrungene[n] Erkenntnis“; RG 156, 16, 20; MüKo/Busche Rn 10; vgl auch Mayer-Maly JZ 1981, 801, 805). In der Rspr ist zT auf die im Zeitpunkt der Auslegung herrschenden Anschauungen abgestellt worden (so BGH 12, 337, 345 = NJW 1954, 799; 23, 282, 285f = NJW 1957, 708 zum besonders gelagerten Fall nationalsozialistisch geprägter Vertragsinhalte) oder auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts (dafür RG 150, 153, 154). Die zuletzt genannte Ansicht ist – ebenso wie bei einer Änderung der auslegungsrelevanten Umstände (s Rn 30) – grds vorzugswürdig. V. Prozessuales. 1. Grundregeln; Beweislast. Bei der Auslegung nach Treu und Glauben handelt es 32 sich nicht um Tatsachenermittlung, sondern um Rechtsanwendung, wenn auch die Feststellung des Erklärungstatbestandes und die Beurteilung seines Erklärungswertes als einheitlicher Denkvorgang erscheinen (vgl BGH NJW 1998, 1219, 1220). Die Grundsätze über die Behauptungs- und Beweislast sind daher nur für die Feststellung der zugrunde liegenden Umstände maßgebend, nicht aber für die Auslegung selbst (BGH 20, 109, 111 = NJW 1956, 665; WM 1962, 812). Wenn die Parteien eines Rechtsstreits aber übereinstimmend vortragen, welchen Inhalt ein zw ihnen abgeschlossener Vertrag haben sollte, ist dieser nicht mehr in einem anderen Sinne zu deuten (BGH 71, 243, 247 = NJW 1978, 1483). Sind Wortlaut und objektiver Sinn einer Vereinbarung eindeutig und hat diese zudem die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit (s Rn 16) für sich, so muss derjenige, der ein abw Verständnis geltend macht, den abw Willen darlegen und beweisen (BGH NJW 1995, 3258; 2002, 3164f; aA MüKo/Busche § 133 Rn 63). – Ist das Bestehen einer Verkehrssitte str, so trägt die Beweislast dafür derjenige, der sich auf sie beruft (vgl für Handelsbrauch BGH LM § 346 [F] HGB Nr 1). Zur Feststellung eines Handelsbrauchs wird es idR erforderlich sein, ein Gutachten der zuständigen Handelskammer einzuholen (BGH WM 1976, 292; MüKo-HGB/K. Schmidt § 346 Rn 25; s auch Wagner NJW 1969, 1282). 2. Revision. a) Die Vertragsauslegung ist – anders als die Ermittlung der Verkehrssitte – nicht allein 33 dem Tatrichter vorbehalten, sondern kann auch durch das Revisionsgericht ohne Bindung an die geltend gemachten Revisionsgründe vorgenommen werden, wenn weitere tatsächliche Feststellungen zur Auslegungsgrundlage nicht zu erwarten sind und Erfahrungswissen oder Verkehrssitten nicht ermittelt werden müssen (so zur erg Vertragsauslegung BGH NJW 1998, 1219; NJW-RR 2000, 894, 895; BAG NZA 2007, 408; zu den Grenzen s BGH 111, 110, 115 = NJW 1990, 1723; zum Prozessvergleich BAG NJW 2005, 524, 525; DB 2006, 1433, 1434). § 543 II ZPO nF brachte insoweit keine Einschränkung (Schäfer NJW 2007, 3463, 3464f. Andere Regeln gelten für die Auslegung von AGB. Soweit sich ihre Auswirkungen über den Bereich eines Berufungsgerichts hinaus erstrecken, können sie analog § 545 ZPO in der Revision selbständig nachgeprüft werden (BGH 5, 111, 114 = NJW 1952, 657; NJW 2001, 1270, 1271; NJW 2005, 2919, 2921). Dass die AGB nur in einem OLG-Bezirk verwendet werden, steht der Auslegung in der Revision nicht entgegen (BGH NJW 2005, 2919, 2921). Diese Regeln gelten auch für sonstige Formularverträge (BGH NJW 2001, 1270, 1271) und andere häufig, nicht nur im Bezirk eines OLG verwendete Vereinbarungen (BGH 122, 256, 260 = NJW 1993, 1854 – „fahrbereit“). Dagegen sind Gesellschaftsverträge von Personenhandelsgesellschaften, die keine Publikumsgesellschaften sind (vgl BGH NJW 2001, 1270, 1271), als reine Individualverträge in der Revisionsinstanz nur daraufhin nachprüfbar, ob das Berufungsgericht die einschlägigen Auslegungsgrundsätze beachtet hat (BGH BB 1959, 1151; MüKoZPO/Wenzel § 546 Rn 8f). b) Als Rechtsfrage kann die (einfache oder erg) Auslegung auch im Wege der Revision nachgeprüft 34 werden. Da sich aber die Feststellung des Erklärungstatbestandes und die Beurteilung seines ErkläC. Armbrüster

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§ 157

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

rungswertes zu einem einheitlichen Denkvorgang verbinden, ist eine Nachprüfung nur daraufhin zulässig, ob gesetzliche oder allg anerkannte Auslegungs- und Ergänzungsregeln oder Denk- oder Erfahrungssätze verletzt sind oder für die Auslegung wesentliche Umstände nicht berücksichtigt wurden (st Rspr; RG 169, 122, 124; BGH 111, 110, 115 = NJW 1990, 1723; 2003, 2235, 2236; s auch BGH NJW 2006, 3777; ZIP 2007, 1020, 1022; krit B. Schäfer NJW 2007, 3463ff; Stumpf in FS Nipperdey I 1965, 957ff; Messer in FS Odersky 1996, 605, 612f; aA Ehricke RabelsZ 60 [1996], 661, 672, der volle Revisibilität der erg Vertragsauslegung annimmt). Zu diesen anerkannten Auslegungsregeln gehören insb die Maßgeblichkeit des Wortlauts als Ausgangspunkt der Auslegung sowie die Interessenlage der Parteien (BGH NJW 2001, 3775, 3776; NJW-RR 2006, 976, 977). Nur die Auslegung typischer Verträge oder Klauseln ist unbeschränkt nachprüfbar (BGH NJW-RR 2008, 562, 563; Staud/Roth Rn 52ff zur Revisibilität der Ergebnisse der erg Auslegung von AGB „und dgl“; zu Gesamtzusage und betriebl Übung s BAG NZA 2006, 1174, 1177). Ferner kann das Revisionsgericht immer dann selbständig auslegen, wenn das Berufungsgericht eine Auslegung überhaupt unterlassen hat oder die Gründe des Berufungsgerichts insoweit lückenhaft sind (st Rspr; BGH 16, 4, 11 = NJW 1955, 460; 121, 284, 289 = NJW 1993, 1532; NJW 2000, 2508, 2509). Die Feststellung der Verkehrssitte ist als reine Tatsachenfeststellung nicht revisibel (BGH LM [B] Nr 1; aA MüKo/Busche Rn 25), es sei denn, dass sie unter Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften zustande gekommen ist (BGH LM [B] Nr 1).

Titel 4 Bedingung und Zeitbestimmung Vorbemerkung Schrifttum: J.-H. Bauer, Befristete Arbeitsverträge unter neuen Vorzeichen, BB 2001, 2473/2526; Michael Becker, Gestaltungsrecht und Gestaltungsgrund, AcP 188 (1988), 24; Berger, Zur Anwendung des § 161 BGB bei bedingter Forderungsabtretung, KTS 1997, 393; Christiansen, Bedingungen und Befristungen im Recht der Insolvenzanfechtung, KTS 2003, 353; Egert, Die Rechtsbedingung im System des bürgerlichen Rechts, 1974; Georgiades, Optionsvertrag und Optionsrecht, in FS Larenz, 1973, 409; Henke, Bedingte Übertragungen im Rechtsverkehr und Rechtsstreit, 1959; Henrich, Vorvertrag, Optionsvertrag, Vorrechtsvertrag, 1965; Hromadka, Alter 65: Bedingung oder Befristung?, NJW 1994, 911; Kempf, Auflösende Bedingung und Rechtsnachfolge, AcP 158 [1959/60], 308; Larenz, Die rechtliche Bedeutung von Optionsvereinbarungen, DB 1955, 209; W. Lorenz, Vorzugsrechte beim Vertragsabschluss, in FS Dölle I, 1963, 103; Mock, Vorvertrag, Angebot, Angebotsvertrag, Optionsvertrag, inbesondere Ankaufsrecht, in Hagen/Brambring (Hrsg), RWS-Forum Immobilienrecht 1998, S 91; Oertmann, Die Rechtsbedingung (conditio iuris), 1924 (Neudruck 1968); Raape, Die Wollensbedingung, 1912; Radke, Bedingungsrecht und Typenzwang, 2001; Schumann, Die Option, Diss Tübingen 1968; Wunner, Die Rechtsnatur der Rückgewährpflichten bei Rücktritt und auflösender Bedingung mit Rückwirkungsklausel, AcP 168 (1968), 425; Zimmermann, Heard melodies are sweet, but those unheard are sweeter – Condicio tacita, implied condition und die Fortbildung des europäischen Vertragsrechts, AcP 193 (1993), 121.

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1. Überblick. IdR entfalten Rechtsgeschäfte in dem Sinne sofortige Wirkung, dass die in ihnen vorgesehene Entstehung oder Übertragung von Rechten bereits mit dem Zustandekommen des Geschäfts erfolgt. Bisweilen sieht das Gesetz zusätzliche Erfordernisse vor, wie zB die Übergabe oder Grundbucheintragung bei der Übereignung oder eine behördliche Genehmigung. Unabhängig davon lässt sich durch eine privatautonome Gestaltung verhindern, dass schon mit dem Abschluss des Rechtsgeschäfts Rechte entstehen, übertragen werden oder erlöschen. Die §§ 158ff betreffen derartige Abreden, namentlich die in der Praxis ganz im Vordergrund stehenden Bedingungen, daneben Befristungen. Eine Bedingung im Rechtssinne liegt vor, wenn bei einem Rechtsgeschäft die Parteien den Eintritt oder den Fortbestand der Rechtswirkung von einem künftigen, objektiv ungewissen Ereignis abhängig machen (BAG NJW 2008, 872, 876). Um eine Befristung handelt es sich hingegen dann, wenn der künftige Eintritt des Ereignisses feststeht und nur der Zeitpunkt ungewiss ist (Einzelheiten s § 163 Rn 1). § 158 umschreibt mit dem Ausdruck „Bedingung“ nicht nur die Abrede der Parteien, sondern auch das künftige Ereignis, das eine Handlung, Unterlassung oder ein sonstiger Tatbestand sein kann. Die Vorschrift unterscheidet in den Abs I und II zw aufschiebenden (Suspensiv-) und auflösenden (Resolutiv-)Bedingungen. Erstere bringen mit ihrem Eintritt die Rechtswirkung des Geschäfts zur Entstehung, letztere beenden sie. Während die aufschiebende Bedingung mit dem Rechtsgeschäft, dem sie nach dem Parteiwillen hinzugefügt wird, eine unlösbare Einheit bildet, ist die auflösende Bedingung ein selbständiger Teil des Rechtsgeschäfts (vgl Staud/Bork Rn 12). Diese Unterscheidung wirkt sich namentlich dann aus, wenn die Bedingung verbots- oder sittenwidrig ist (s Rn 9).

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Die Bedingung ist von der Geschäftsgrundlage zu unterscheiden. Vom Eintritt oder Nichteintritt der Bedingung hängt die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts ab (s Rn 1). Bei der Geschäftsgrundlage weicht dagegen die Wirklichkeit, die die Parteien nicht beherrschen, von deren Vorstellungen und Erwartungen oder vom Inhalt des Vertrags ab, ohne dass dies unmittelbar Einfluss auf den Vertrag hätte. Vielmehr gewährt § 313 einen Anspruch auf Vertragsanpassung oder -aufhebung.

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2. Uneigentliche Bedingungen. Vielfach wird im natürlichen Sprachgebrauch als „Bedingung“ bezeichnet, was keine Bedingung im Rechtssinne ist. Ob eine echte Bedingung vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Das gilt auch für als solche bezeichnete Bedingungen in einer notariellen Urkun478

C. Armbrüster

Bedingung und Zeitbestimmung

Vor § 158

de; doch spricht eine Vermutung für eine echte Bedingung, wenn ein Notar die Erklärungen formuliert hat (BayObLG Rpfleger 1967, 11, 12). Uneigentliche Bedingungen (Scheinbedingungen) sind: a) Die Geschäftsbedingung (Vertragsklausel), die den Inhalt eines Rechtsgeschäfts bestimmt, von 4 der jedoch nicht seine Rechtswirkung abhängig ist, zB die Vorleistungsklausel: „Ware wird erst nach Zahlungseingang geliefert“. Sie gehört zu den Konditionen eines Geschäfts. Im Einzelfall kann die Abgrenzung schwierig sein, ob es sich um eine Bedingung oder um eine Vertragsklausel handelt (BGH WM 1963, 192; Düsseldorf NJW-RR 1991, 435). Auch ist es Auslegungsfrage, ob eine Vertragsbestimmung Bedingung oder reine Fälligkeitsregelung ist (BGH NJW 1993, 1381, 1382; NJW-RR 1998, 801, 802). b) Die Rechtsbedingung (conditio iuris). Sie ist keine rechtsgeschäftliche, sondern eine gesetzliche 5 Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts und folgt eigenen Regeln (RG 144, 71, 73; BGH NJW 1996, 3338, 3340; NJW 2004, 1595). Um eine Rechtsbedingung handelt es sich zB, wenn ein unbefugter Vertreter einen Vertrag im Namen eines anderen schließt; es gelten die §§ 177ff. Gleiches gilt, wenn ein befugter Vertreter beim Handeln für einen anderen so aufgetreten ist, als habe er keine Vertretungsmacht (BGH NJW 1996, 3338, 3340). Eine Rechtsbedingung liegt auch vor, wenn die Parteien auf ein vermeintlich bestehendes gesetzliches Genehmigungserfordernis hinweisen; der Nichtbestand dieses Erfordernisses berührt nicht die Wirksamkeit des Geschäfts (BGH WM 1961, 407, 410; vgl BGH 65, 345, 346f = NJW 1976, 519). Auf Gesetz und nicht auf Rechtsgeschäft beruht die zeitliche Beschränkung der Wirksamkeit eines Vertrags auf die Dauer der Vorerbschaft (BGH 52, 269, 272 = NJW 1969, 2043, 2045). Auch der Erbanfall an den Ersatzerben beruht auf einer gesetzlichen Voraussetzung, so dass die §§ 158ff nicht anwendbar sind (vgl Becher NJW 1969, 1463, 1464; aA Kempf NJW 1961, 1797). Die Ausschlagung einer Erbschaft unter der „Bedingung“ des nachfolgenden Eintritts der gesetzlichen Erbfolge ist gleichfalls keine rechtsgeschäftliche Bedingung (Düsseldorf NJW-RR 1998, 150, 151). c) Die bereits eingetretene Bedingung (conditio in praesens vel in praeteritum collata). Das Ereig- 6 nis ist hier nur subjektiv, nicht aber objektiv ungewiss. Ein objektiver Schwebezustand liegt nicht vor; entweder ist die Rechtswirkung eingetreten oder nicht. Aber die §§ 158ff sind auf einen lediglich subjektiven Schwebezustand entspr anwendbar (Staud/Bork Rn 29; Frohn Rpfleger 1982, 56, 57; vgl BGH LM § 159 Nr 1). Die Wirkung des Rechtsgeschäfts tritt dann erst mit der Kenntnis der Parteien ein (Brox AT Rn 481; Staud/Bork Rn 29). Auch Steuerklauseln sind keine echten Bedingungen, da die zu erwartende Steuer dem Grunde und der Höhe nach objektiv gewiss ist (Tipke NJW 1968, 865, 867). – Mitunter kann Wette (§ 762) vorliegen (MüKo/Westermann § 158 Rn 53). Kein tauglicher Bedingungsgegenstand sind den Parteien bekannte gegenwärtige Zustände oder Ereignisse wie zB der Depotbestand im Zeitpunkt des Abschlusses des Kommissionsauftrags (MüKoHGB/K. Schmidt § 343 Anh I Rn 557). d) Die notwendige Bedingung (conditio necessaria). Sie macht den Eintritt der Rechtswirkung 7 von einem Ereignis abhängig, das eintreten muss. Hier liegt ein unbedingtes Geschäft vor. Ist das notwendige Ereignis jedoch ein bestimmter Anfangs- oder Endtermin, so wird nach dem Willen der Parteien ein befristetes Geschäft iSd § 163 anzunehmen sein (Staud/Bork Rn 27; noch weiter Brox AT Rn 481, der meint, die notwendige Bedingung sei immer eine Befristung). e) Die unmögliche Bedingung, von der von vornherein feststeht, dass sie nicht eintreten kann. Eine 8 aufschiebende Bedingung dieser Art macht das Rechtsgeschäft nichtig, da die aufschiebende Bedingung als untrennbarer Bestandteil des Rechtsgeschäfts von diesem nicht gelöst werden kann (Flume II § 38, 4c [S 691f]; MüKo/Westermann § 158 Rn 48; vgl auch Mot I, S 265). Eine unmögliche, auflösende Bedingung ist unbeachtlich, da sie idR ein selbständiger, also ablösbarer Bestandteil des Rechtsgeschäfts ist. Das Rechtsgeschäft ist dann voll gültig (Flume II § 38, 4c [S 692]; MüKo/Westermann § 158 Rn 48). – Ist die Bedingung bei Vornahme des Rechtsgeschäfts unmöglich, kann die Unmöglichkeit jedoch behoben werden und soll das Geschäft für diesen Fall, zB eine künftige Gesetzesänderung, geschlossen sein, so liegt eine echte Bedingung in der Form einer sog unentschiedenen Bedingung (Mot I, S 265) vor. Das Rechtsgeschäft ist gültig, vorausgesetzt, dass es nicht wegen Aufnahme einer solchen Bedingung gesetzlich verboten (§ 134) oder sittenwidrig und damit gem § 138 nichtig ist (s Rn 9). Zur letztwilligen Verfügung vgl §§ 2074, 2075. f) Die unerlaubte oder unsittliche Bedingung. Sie kann das Rechtsgeschäft im Ganzen nach §§ 134, 9 138 nichtig machen. § 139 ist bei einer aufschiebenden Bedingung nicht anwendbar, da die Bedingung kein „Teil des Geschäfts“ ist, sondern mit ihm eine untrennbare Einheit bildet (vgl BGH NJW 1999, 351 zu einem Verstoß gegen § 313 aF [§ 311b I]). Umdeutung nach § 140 ist möglich, wenn dies bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde (aA Flume II § 38, 4c [S 692]); an dieser subjektiven Voraussetzung wird es freilich meist fehlen. Bei auflösender Bedingung kann es anders liegen; doch wird dann regelmäßig das Rechtsgeschäft zum Schutz der betroffenen Vertragspartei als unbedingt geschlossen anzusehen sein (Soergel/Wolf Rn 32), zB ein mit unwirksamer Zölibatsklausel (Art 6 I GG) geschlossener Arbeitsvertrag (BAG 4, 274, 285f; s auch LAG Düsseldorf DB 1969, 931 zur Schwangerschaft als auflösender Bedingung eines Arbeitsvertrags; BAG NJW 1982, 788, 790 zur unwirksamen Umgehung des § 626 durch auflösende Bedingung. Aus §§ 21, 14 I TzBfG ergibt sich nunmehr die grds Zulässigkeit einer auflösenden Bedingung im Arbeitsvertrag (Boewer in FS Schwerdtner 2003, 37ff; Joch/Klichowski NZA 2004, 302, 303). Zulässig ist es auch, im Schenkungsvertrag den Tod des Beschenkten als auflösende Bedingung zu vereinbaren (Bütter/Tonner NZG 2003, 193, 198f). Soweit eine Bedingung iSv § 158 in AGB enthalten ist, unterliegt sie der Kontrolle nach den §§ 307ff (LG München I CR 2004, 774, 775).

C. Armbrüster

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Vor § 158

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

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g) Die unnütze Bedingung, die keiner Partei einen Vorteil bringt (Mot I, S 264). Sie ist erlaubt, kann aber das Geschäft nach § 118 wegen Fehlens des ernstlichen Charakters nichtig machen.

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h) Die unverständliche Bedingung. Sie macht, wenn sich durch Auslegung (§§ 133, 2084) ihre Bedeutung nicht klarstellen lässt, das ganze Geschäft wegen Unbestimmtheit seiner Rechtswirkung nichtig (Mot I, S 267).

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3. Potestativ- und Wollensbedingungen. Das BGB unterscheidet nicht zw potestativen (willkürlichen), zufälligen oder gemischten Bedingungen. a) Bei einer Potestativbedingung ist der Eintritt einer Rechtswirkung an ein Verhalten (Tun oder Unterlassen) geknüpft, das vom Belieben einer Vertragspartei abhängt (Flume II § 38, 2d [684]). Bzgl dieses Verhaltens ist die Partei frei; die an das Verhalten geknüpfte Rechtswirkung tritt jedoch unabhängig von ihrem Willen ein (Staud/Bork Rn 16). Das Tun oder Unterlassen hat mit dem Rechtsgeschäft selbst nichts zu tun. Die Potestativbedingung ist daher eine echte Bedingung, nicht anders als die Zufallsbedingung (Mot I, S 266). b) Bei der Wollensbedingung wird im Unterschied zur Potestativbedingung die Geltung des Rechtsgeschäfts in den Willen einer Vertragspartei gestellt. Die Wollensbedingung wird verbreitet als die eigentliche Potestativbedingung bezeichnet (s nur BGH DB 1962, 1567; Pal/Ellenberger Rn 10; Staud/ Bork Rn 17).

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Str ist, ob ein Rechtsgeschäft unter einer reinen Wollensbedingung geschlossen werden kann (volo si volam; eingehend Raape Die Wollensbedingung). Bsp: V verkauft Möbel an K mit der Maßgabe, dass der Vertrag wirksam wird, wenn V ihn binnen 14 Tagen schriftlich bestätigt. Der Vertrag kann in diesem Fall nicht gegen den Willen des V wirksam werden; gerade sein Wille ist „Bedingung“ des Wirksamwerdens. Die Rspr nimmt vor allem bei gegenseitigen Verträgen an, dass die Vertragserfüllung von der reinen Willkür einer Vertragspartei abhängig gemacht werden kann (BGH 47, 387, 391 = NJW 1967, 1605; NJW 1996, 3338, 3340; NJW-RR 1996, 1167). Zur Begründung werden die §§ 454, 455 (§§ 495, 496 aF) angeführt, die den Kauf auf Probe ausdr als „bedingten Kauf“ bezeichnen und den Eintritt der Bedingung (Billigung) in das Belieben des Käufers stellen (RG 72, 385; 77, 415, 417; zust Enn/Nipperdey § 194 IV 3, 1190f; Wunner AcP 168 [1968], 425ff). Es ist jedoch zu differenzieren: Sofern keine vertragliche Bindung besteht, kann keine echte Bedingung angenommen werden, da diese Modalität eines geschlossenen Vertrags sein muss. An einer Bedingung im Rechtssinne fehlt es daher, wenn das bloße Wollen, das nicht erkennbar zum Ausdruck gebracht wird, zur aufschiebenden „Bedingung“ erhoben wird; hier bleibt die Verbindlichkeit des Rechtsgeschäfts offen (Mot I, S 266; RG 72, 385; 104, 98, 100). Anders ist zu entscheiden, wenn der zur Billigung des Rechtsgeschäfts berufene Vertragsteil sich erklären muss. Zwar werden hier die Regelungen des Rechtsverhältnisses erst durch die Erklärung in Geltung gesetzt; eine vertragliche Bindung, die uU formbedürftig ist, besteht jedoch bereits seit der Vereinbarung des Rechtsverhältnisses (BGH NJW-RR 1996, 1167; Flume II § 38, 2d [686]; aA Staud/Bork Rn 18; ähnlich auch die in BGH DB 1962, 1567 freilich als „Sonderfälle“ bezeichneten Entscheidungen RG 131, 24, 26f; 136, 132, 135). Dies erklärt, warum die Billigung iSd §§ 454, 455 auch ohne entspr gesetzliche Regelung stets formlos erfolgen kann (Jauernig/Berger §§ 454, 455 Rn 6). Sie ähnelt darin der Formfreiheit der Erklärungen in den verwandten Fällen des Wiederkaufs in § 456 I S 2 und des Vorkaufs in § 464 I S 2 (zum Optionsvertrag s Rn 14). – Auch spricht nichts gegen die Zulässigkeit einer auflösenden Wollensbedingung (Mot I, S 266; LAG Berlin NZARR 2006, 68, 69; Staud/Bork Rn 18; Wunner AcP 168 [1968], 425, 426; abw MüKo/Westermann § 158 Rn 22). Alternativ könnten die Parteien in diesem Fall ein Rücktritts- oder Kündigungsrecht vereinbaren (Flume II § 38, 2d [687]). Durch Auslegung ist zu ermitteln, ob eine ex nunc wirkende Vernichtung des Rechtsgeschäfts mit einer Abwicklung grds (vgl a § 159 Rn 1) nach Bereicherungsrecht (dann auflösende Wollensbedingung) oder eine vertragliche Rückabwicklung (dann Rücktritt oder Kündigung; vgl §§ 346ff) gewollt ist (abw BaRo/Rövekamp § 158 Rn 11: iZw Rücktrittsvorbehalt). Jedenfalls ist eine auflösende Wollensbedingung im Gegensatz zu Kündigung und Rücktritt auch bei dinglichen Rechtsgeschäften möglich (vgl § 158 Rn 6).

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4. Die Einräumung eines Optionsrechts (insb: Ankaufsrechts) kann rechtlich Verschiedenes bedeuten: Einmal kann es sich um ein einseitiges Verkaufsangebot (Vermietungsangebot etc) mit befristeter Bindung handeln. Die Bestätigung durch den Käufer ist die Annahme des Angebots; sie ist daher ebenso wie dieses formbedürftig, wenn es sich um einen Grundstückskaufvertrag handelt (§ 311b I). Zum anderen kann ein Optionsrecht auch vertraglich begründet werden, und zwar entweder durch einen Vorvertrag (s Vor § 145 Rn 46ff) oder einen Optionsvertrag (vgl BGH WM 1961, 800, 801; NJW-RR 1996, 1167). Während bei einem Vorvertrag ein Vertragspartner sich zum Abschluss eines Vertrags mit bestimmtem Inhalt verpflichtet, so dass dem anderen ein Anspruch auf Abgabe einer entspr Willenserklärung erwächst, wird bei einem Optionsvertrag einer Partei das Recht eingeräumt, innerhalb einer bestimmten Frist einen Kaufvertrag mit bereits festgelegtem Inhalt durch eine einseitige Willenserklärung zustande zu bringen. In einem solchen Fall kann es sich um einen bedingten Kaufvertrag handeln, sofern seine Erfüllung von einer nachträglichen, innerhalb bestimmter Frist abzugebenden Erklärung einer Vertragspartei abhängen soll (vgl BayObLG DNotZ 1999, 1011, 1012; Mock RWS-Forum Immobilienrecht 1998, 91, 92; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 14. Aufl 2008 Rn 1448f). Bei gegenseitigen Verträgen, bei denen notwendig jeder Teil zugleich Gläubiger und Schuldner ist, kann die Vertragserfüllung von der Billigung einer Partei abhängig gemacht werden; es handelt sich um eine zulässige Potestativbedingung (s Rn 13; zur Vereinbarung eines Ankaufsrechts, bei dem die Bedingungen in den freien Willen beider Vertragsparteien gestellt werden, s BGH NJW 1967, 153; s auch Mülsch/Penzel ZIP 2004, 1987f).

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Die Annahme, dass die Parteien eines Optionsvertrags einen bedingten Kaufvertrag abschließen, wird indessen bezweifelt (Henrich Vorvertrag, Optionsvertrag, Vorrechtsvertrag, 238f; s auch Flume 480

C. Armbrüster

Bedingung und Zeitbestimmung

Vor § 158

II § 38, 2d [686]). Der Optionsvertrag begründe vielmehr für den Optionsberechtigten ein Gestaltungsrecht, dessen Ausübung erst einen Kaufvertrag gem dem im Optionsvertrag von den Parteien festgelegten Inhalt entstehen lasse. Damit sei die Annahme eines bedingten Kaufvertrags nicht vereinbar (Larenz SchuldR II 1 § 44 IV 3 [S 158]). Praktische Bedeutung kommt diesem Streit kaum zu (so zu Recht für das Vorkaufsrecht Medicus SchuldR II Rn 156). Der BGH lässt die Rechtsnatur des Ankaufsrechts regelmäßig offen (s nur NJW 1968, 551, 552, wo sowohl Festofferte als auch aufschiebend bedingter Hauptvertrag als Gestaltungsrecht bezeichnet werden). Besteht ein Bedürfnis nach Anwendung der §§ 104ff (M. Becker AcP 188 [1988], 25 [35 Fn 35]; vgl auch Larenz SchuldR II 1 § 44 I [S 144] für den Kauf auf Probe), so kann eine rechtsgeschäftliche Erklärung zur Bedingung erhoben werden. Da ein aufschiebend bedingter Vertrag bereits im Schwebezustand Schadensersatzansprüche auslösen kann (s nur BGH 90, 302, 308 = NJW 1984, 2034; LM Nr 11), zwingt die Annahme eines bedingten Hauptvertrags in Haftungsfragen auch nicht zu einer Analogie zu den §§ 160ff (dies übergeht M. Weber JuS 1990, 249 [255 Fn 90]). Die Konstruktion des Optionsvertrags als bedingter Hauptvertrag hat hingegen den Vorzug, dass die Ausübung der Option keinem Formerfordernis unterworfen ist. Wer von einem Gestaltungsrecht ausgeht, muss konsequenterweise Formbedürftigkeit fordern, da erst mit Ausübung der Option eine rechtsgeschäftliche Bindung eintreten kann (Georgiades in FS Larenz, 409ff [425], M. Weber JuS 1990, 249, 254; Larenz SchuldR II 1, § 44 IV 3 [S 158]; Wufka DNotZ 1990, 339, 354). Zu Recht ist der BGH dieser Ansicht nicht gefolgt; Optionen sind stets formfrei ausübbar (BGH NJW-RR 1996, 1167; vorausgesetzt auch von BGH NJW 1991, 2698; s auch BGH NJW 2000, 1332, 1333 für den Wiederkauf; RG 169, 65, 70; Pal/Grüneberg § 311b Rn 11). Optionsklauseln zur Verlängerung eines Mietvertrags über ein Grundstück, der für längere Zeit als 16 ein Jahr geschlossen wird, bedürfen der Form der §§ 578 I, 550 S 1 (Düsseldorf JR 1968, 145, 147 zu § 566 aF). Eine Option, die dem Mieter die Befugnis gibt, durch einseitige Erklärung das Mietverhältnis um eine bestimmte Zeit zu verlängern, bewirkt, dass die Laufzeit des Vertrags mit Zugang der Optionserklärung ohne weiteres um die Optionszeit verlängert wird. Die Gestaltungswirkung wird nicht durch ein rechtskräftiges Urt auf künftige Räumung gehindert und kann mit der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden (BGH 94, 29, 32 = NJW 1985, 2481). – Die Haftung des Optionsgebers für das Zustandekommen und die Erfüllung des Hauptvertrags folgt auch aus dem Optionsvertrag, der ein gegenseitiger Vertrag ist, wenn für die Ausübung des Optionsrechts ein Bindungsentgelt festgelegt ist (vgl Georgiades in FS Larenz, 409, 424ff). 5. Die echte Bedingung ist Parteibedingung. Sie kann nicht nur ausdr, sondern auch konkludent 17 gesetzt werden, dh durch schlüssiges Verhalten der Parteien, insb kann sie den Umständen zu entnehmen sein. Handelt es sich bei einer stillschw Bedingung nur um eine Rechtsbedingung, so liegt eine Scheinbedingung vor (s Rn 5). 6. Bedingungsfeindliche Geschäfte. a) Bestimmte Rechtsgeschäfte können nicht unter einer Be- 18 dingung oder Zeitbestimmung geschlossen werden (actus legitimi). Es sind dies: Aufrechnung (§ 388 S 2), Auflassung (§ 925 II), Eheschließung (§ 1311 S 2), Anerkennung der Vaterschaft (§ 1594 III), Antrag des Annehmenden auf Ausspruch der Adoption (§ 1752 II S 1) sowie dazu erforderliche Einwilligungen (§ 1750 II S 1), Annahme und Ausschlagung einer Erbschaft (§ 1947) oder eines Vermächtnisses (§ 2180 II S 2 Hs 2), Annahme und Ablehnung des Testamentvollstreckungsamtes (§ 2202 II S 2 Hs 2); ferner die Bestellung oder Übertragung eines Erbbaurechts unter auflösender Bedingung (§ 1 IV S 1, 11 I S 2 ErbbauRG; BGH 52, 269, 271f = NJW 1969, 2043, 2045), die Einräumung und Aufhebung von WE (§ 4 II S 2 WEG) sowie die Prokuraerteilung im Verhältnis zu Dritten (vgl § 50 II HGB). Bedingungsfeindlich ist auch das Mieterhöhungsverlangen des Vermieters iSv § 558a (AG Schöneberg GE 2010, 1279; Börstinghaus, in: Schmidt-Futterer, § 558a Rn 16). Bei einseitigen Willenserklärungen, die gestaltend in den Rechtskreis anderer eingreifen, folgt die Bedingungsfeindlichkeit auch ohne gesetzliche Anordnung schon daraus, dass keine Unsicherheit über die Rechtslage aufkommen darf. Aus diesem Grunde ist ebenso wie eine bedingte Aufrechnung (§ 388 S 2) auch eine bedingte Rücktritts- (BGH 97, 264, 266f = NJW 1986, 1813; zur Abgrenzung s BGH NJW-RR 2004, 952, 953; § 145 Rn 16 aE), Widerrufs- oder Anfechtungserklärung (RG 66, 153; BGH WM 1961, 157; MüKo/ Westermann § 158 Rn 29, auch zur – zulässigen – Eventualaufrechnung), ferner eine bedingte Wahlerklärung bei der Wahlschuld sowie die bedingte Ausübung eines Vorkaufsrechts grds ausgeschlossen (MüKo/Westermann § 158 Rn 28; Soergel/Wolf § 158 Rn 43). Auch eine aufschiebend bedingte Kündigung kann unzulässig sein (zur Befristung s § 163 Rn 1). Doch gilt dies nicht, wenn der Empfänger mit einer bedingten Erklärung einverstanden ist oder wenn der Eintritt des künftigen Ereignisses nur von seinem Willen abhängt, so dass für ihn eine Unsicherheit über die Rechtslage nicht besteht (RG 91, 307, 308f; BGH WM 1973, 694, 695; BGH 97, 264, 267 = NJW 1986, 1813; BAG NJW 1995, 1981, 1982; Soergel/Wolf § 158 Rn 43f; MüKo/Westermann § 158 Rn 30; Enn/Nipperdey § 195 II 2b [S 1195]). Hieraus ergibt sich die Zulässigkeit einer sog Änderungskündigung, die für den Fall ausgesprochen ist, dass der Kündigungsempfänger nicht mit einer bestimmten Änderung des bestehenden Vertragsverhältnisses einverstanden ist (BGH LM § 609 Nr 4; BAG NJW 1968, 2078). Zur Zulässigkeit einer bedingten Mahnung s § 286 Rn 34. Auch die Bestellung eines GmbH-Geschäftsführers kann auflösend bedingt erfolgen (BGH NJW-RR 2006, 182, 183f; Manger GmbHR 2004, 421, 422; aA Scholz/ Schneider GmbHG 10. Aufl. 2006 § 6 Rn 38), ebenso die Begründung eines Sondernutzungsrechts für WE (Zweibrücken NJW-RR 2008, 1395, 1396). Keine Rechtsunsicherheit besteht, wenn ein Widerruf eines Vertragsangebotes nicht zum Erlöschen, sondern zur Befristung des Angebotes führt (BGH NJW-RR 2004, 952, 953). b) Zulässig ist bei bedingungsfeindlichem Geschäft die Hinzufügung uneigentlicher Bedingungen 19 (s Rn 3ff), zB von Rechtsbedingungen (vgl BGH 99, 236, 239 = NJW 1987, 899) oder bereits entschieC. Armbrüster

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Vor § 158

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

denen Bedingungen (vgl RG 146, 234, 238f zur Anfechtung). Zulässig ist eine Eventualaufrechnung für den Fall, dass die Klageforderung begründet ist (Mot II, S 108; RG 57, 97, 101; MüKo/Westermann § 158 Rn 29; krit K. H. Schwab in FS Nipperdey 1965 I, 939ff). Zulässig ist auch eine Eventualanfechtung (BGH NJW 1968, 2099; 1991, 1673, 1674; MüKo/Westermann § 158 Rn 29).

158

Aufschiebende und auflösende Bedingung (1) Wird ein Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden Bedingung vorgenommen, so tritt die von der Bedingung abhängig gemachte Wirkung mit dem Eintritt der Bedingung ein. (2) Wird ein Rechtsgeschäft unter einer auflösenden Bedingung vorgenommen, so endigt mit dem Eintritt der Bedingung die Wirkung des Rechtsgeschäfts; mit diesem Zeitpunkt tritt der frühere Rechtszustand wieder ein.

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1. Überblick. Bei aufschiebender Bedingung entsteht, bei auflösender Bedingung endet die Rechtswirkung eines Rechtsgeschäfts mit dem Eintritt der Bedingung. Ob eine aufschiebende oder auflösende Bedingung vorliegt, hängt – ebenso wie die Frage, ob überhaupt eine Bedingung besteht (s dazu KG NZM 2005, 21; LG Frankfurt NJW 2004, 3430) – von der Auslegung des einzelnen Rechtsgeschäfts ab. Allg Auslegungsregeln stellt das Gesetz nicht auf (Mot I, S 251). Im Kaufrecht finden sich spezielle Regeln: Beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt ist nach § 449 I i Zw eine aufschiebend bedingte Übereignung, beim Kauf auf Probe nach § 454 I S 2 i Zw ein aufschiebend bedingter Kaufvertrag anzunehmen. Im Erbrecht enthält § 2075 eine Auslegungsregel, wonach bestimmte bedingte letztwillige Verfügungen i Zw eine auflösende Bedingung enthalten. Generell wird in Zweifelsfällen dem Interesse beider Parteien meist ein aufschiebend bedingter Vertragsschluss entsprechen, weil seine Bindungswirkung geringer ist (Soergel/Wolf Rn 4; aA Staud/Bork Rn 4). Das ist jedenfalls bei einem Konditionsgeschäft anzunehmen, wenn es ähnlich wie bei einem Kauf auf Probe völlig im Belieben des Käufers steht, ob er die Ware zurückgibt (BGH NJW 1975, 776, 777). Die Bedingung kann auch ggü dem Rahmen- und dem Vorvertrag abzugrenzen sein (s dazu BGH NJW-RR 2009, 598, 600).

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2. Die Bedingung kann sich auf jedes nicht bedingungsfeindliche (Vor § 158 Rn 18) Rechtsgeschäft beziehen; erfasst werden damit neben Verträgen insb auch Beschl (Köln MDR 2005, 500). Bei Verträgen kann sie das schuldrechtliche Grundgeschäft und zugleich das dingliche Erfüllungsgeschäft betreffen oder sich auf eines dieser Geschäfte beschränken. Beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt ist der Kauf idR unbedingt, die Eigentumsübertragung jedoch aufschiebend bedingt, und zwar bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises, § 449 I. Ob bei einem bedingten Kaufvertrag davon auszugehen ist, dass auch die Übereignung bedingt vorgenommen ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Eine Vermutung dahingehend, dass Kausal- und Erfüllungsgeschäft regelmäßig unter derselben Bedingung vorgenommen werden, besteht nicht (Staud/Bork Rn 12; aA 10. Aufl). Vielmehr ist das schuldrechtliche vom dinglichen Geschäft zu trennen. Beschränkt sich zB die (aufschiebende) Bedingtheit auf das schuldrechtliche Geschäft, so bleibt das dingliche auch bei Ausfall der Bedingung gültig; die Rückforderung richtet sich dann nach Bereicherungsgrundsätzen, §§ 812 I, 814 (zur Rückforderung des Geleisteten nach Eintritt einer auflösenden Bedingung s § 159 Rn 1). Leistet der aufschiebend bedingt Verpflichtete vor Bedingungseintritt, aber in Erwartung desselben, so kann er bis zum Bedingungseintritt gem § 812 I S 2 Fall 2 (condictio ob rem) seine Leistung kondizieren; § 814 ist hier nicht anwendbar (RG 71, 316, 317; Soergel/Wolf Rn 17). Zur auflösenden Bedingung bei der Sicherungsübereignung s Anh §§ 929, 931 Rn 3. Zur bedingten Sicherungsgrundschuld s § 1191 Rn 13; ferner § 1191 Rn 61ff (aufschiebend bedingter Rückgewähranspruch des Sicherungsgebers bei der Sicherungsgrundschuld).

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3. Aufschiebende Bedingung (Abs I). Das aufschiebend bedingt geschlossene Rechtsgeschäft ist ein wirksames Geschäft; nur seine Rechtswirkung ist noch nicht eingetreten (Leenen in FS Canaris, 699, 703). Klassisches Bsp ist der Kauf unter Eigentumsvorbehalt. Die Parteien sind an das Geschäft gebunden und können es nicht mehr einseitig lösen. Ein bedingt abgeschlossenes Rechtsgeschäft liefert deshalb regelmäßig den „sicheren Boden“ eines vormerkungsfähigen Anspruchs (BGH 134, 182, 185f = NJW 1997, 861). Während des Schwebezustandes sind die Vertragsparteien zu vertragstreuem Verhalten verpflichtet (BGH 90, 302, 308 = NJW 1984, 2034; LM Nr 11; s auch BGH NJW 1990, 507, 508 zu Handlungs- und Unterlassungspflichten nach Beendigung des Schwebezustands durch Ausfall der Bedingung). Wie sich aus den §§ 160, 162 ergibt, hat der bedingt Berechtigte bereits eine gesicherte Rechtsposition. Diese Anwartschaft auf den endgültigen Rechtserwerb stellt ein Vermögensrecht des Anwärters dar, das selbständig übertragen und vererbt werden kann und pfändbar ist (§§ 857, 844 ZPO), sofern dies auch für das bedingte Recht zutrifft. Als ein die Veräußerung hinderndes Recht kann auch ein Anwartschaftsrecht zur Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) berechtigen, zB dasjenige des Vorbehaltskäufers, wenn Gläubiger des Vorbehaltsverkäufers die Zwangsvollstreckung in die Vorbehaltssache betreiben (BGH 55, 20, [27] = NJW 1971, 799; Serick I § 12 I 2). In der Insolvenz gehört das Anwartschaftsrecht zur Masse (§ 35 InsO). Trotz Anerkennung eines selbständigen Anwartschaftsrechts des bedingt Berechtigten darf nicht übersehen werden, dass das Eigentums- oder Gläubigerrecht während der Schwebezeit noch dem Verfügenden zusteht, und zwar als ein auflösend bedingtes Recht. Der Rechtsinhaber ist jedoch gem § 161 in seiner Verfügungsmacht beschränkt.

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Der Schwebezustand wird durch den Eintritt oder Ausfall der Bedingung oder durch deren Aufhebung oder den Verzicht (Rn 11) beendet. Mit Erfüllung der Bedingung tritt die volle Wirksamkeit eines aufschiebend bedingten Rechtsgeschäfts ipso iure ein, ohne dass die Willenseinigung der Parteien noch Bestand haben müsste (BGH 127, 129, 133f = NJW 1994, 3227 = MDR 1995, 678 m Anm Schnorbus). Tritt die Bedingung ein, so wird das Anwartschaftsrecht nach Abs I zum Vollrecht. Die dingliche Rechtsänderung ist vollzogen; der bedingt Berechtigte ist unbedingt Berechtigter gewor482

C. Armbrüster

Bedingung und Zeitbestimmung

§ 158

den. Zum Übergang des vollen Gläubiger- oder Eigentumsrechts bedarf es keiner besonderen Übertragungshandlung mehr; er vollzieht sich automatisch, und zwar, wenn das Anwartschaftsrecht zwischenzeitlich übertragen worden ist, unmittelbar in der Person des Erwerbers (BGH 20, 88, 94 = NJW 1956, 665). Die dingliche Rechtsänderung tritt „mit dem Eintritt der Bedingung“, also ex nunc ein und wirkt nicht zurück (BGH 10, 69, 72 = NJW 1953, 1099f). Zwar können die Parteien eine Rückbeziehung vereinbaren; eine solche Vereinbarung hat nach § 159 aber nur schuldrechtliche Wirkung. Fällt die Bedingung aus, so wird das Anwartschaftsrecht hinfällig. Das Geschäft ist damit als nicht zustande gekommen anzusehen. 4. Auflösende Bedingung (Abs II). a) Das auflösend bedingte Rechtsgeschäft ist rechtlich das Spie- 5 gelbild des aufschiebend bedingten. Die Rechtsänderung tritt auch hier ex nunc ein (BGH 133, 331, 334 = NJW 1997, 1706; NJW 2011, 143, 144). Der frühere Rechtszustand tritt gem Abs II Hs 2 automatisch wieder ein, aber ohne dingliche Rückwirkung (vgl hierzu Kempf AcP 158 [1959/60], 308). Während des Schwebezustands besteht ebenfalls ein Anwartschaftsrecht, das zB bei einer Übereignung dem Veräußerer zusteht. Es entspricht in seinen Wirkungen dem Anwartschaftsrecht des Erwerbers bei aufschiebend bedingter Übereignung (s dazu Rn 3f). b) Zu unterscheiden ist die auflösende Bedingung vom Rücktritt. Die Bedingung wirkt, sofern sie 6 dem dinglichen Geschäft anhaftet, auch dinglich und ipso iure, während der Rücktritt aufgrund einer besonderen Rücktrittserklärung nur eine schuldrechtliche Rückgewährpflicht gem §§ 346ff auslöst. Die Auslegung kann ergeben, dass eine auflösende Bedingung als einseitiger Rücktrittsvorbehalt aufzufassen ist (RG SeuffA 79, 15). Bei einem Urlaubssparvertrag ist im Zweifel ein Rücktrittsrecht und keine auflösende Bedingung vereinbart (LG Hamburg NJW-RR 1991, 823). Die Klausel „richtige und rechtzeitige Selbstbelieferung vorbehalten“ kann eine auflösende Bedingung sein (BGH 24, 39, 40f = NJW 1957, 873). Zu Bedingung und Rücktrittsvorbehalt beim „Kauf auf Feldprobe“ s München NJW 1968, 109. – Rücktritt und auflösende Bedingung können auch miteinander gekoppelt sein, zB dergestalt, dass der Rücktritt vom Vertrag die auflösende Bedingung für den Eigentumsübergang darstellt. In diesem Fall gewinnt der Rücktritt durch Parteiabrede mittelbar dingliche Wirkung. – Bei einem Widerrufsvorbehalt zugunsten beider Parteien in einem Prozessvergleich handelt es sich idR nicht um einen Rücktrittsvorbehalt oder um eine auflösende Bedingung, sondern um eine aufschiebende Bedingung für die Wirksamkeit des Vergleichs (BGH 46, 277, 281 = NJW 1967, 440, 441; 88, 364, 367 = NJW 1984, 312; NJW-RR 1989, 1214, 1215). Um einen Sonderfall der auflösenden Bedingung handelt es sich bei erbrechtlichen Verwirkungsklauseln, die unter § 2075 fallen (s dazu BGH NJWRR 2009, 1455, 1456). Wird der Erstkäufer im Kaufvertrag auf ein bestehendes Vorkaufsrecht hingewiesen, ist die Vereinbarung dahin zu verstehen, dass die Ansprüche des Erstkäufers unter der auflösenden Bedingung der Ausübung des Vorkaufsrechts stehen sollen (BGH NJW-RR 2009, 1172, 1173). 5. Eine Bedingung kann aufschiebend und zugleich auflösend gesetzt sein. Die Entscheidung des- 7 sen, der zB bei der Bestellung eines Wohnungsrechts ein Wahlrecht eingeräumt bekommen hat, anstelle einer bereits bezogenen Wohnung eine andere zu beziehen, kann als auflösende Bedingung für das Wohnungsrecht an der bezogenen Wohnung und zugleich als aufschiebende Bedingung für das Wohnungsrecht an der zukünftigen Wohnung angesehen werden (BayObLG NJW-RR 1988, 982). – Erlässt ein Darlehensgläubiger seinem Schuldner die Rückzahlung schenkungshalber für den Fall, dass dieser ihn überlebt, so wird verbreitet das Schenkungsversprechen als aufschiebend und das Darlehen als auflösend bedingt angesehen (Staud/Bork Rn 6; MüKo/Westermann Rn 15). Letzterem ist nicht zu folgen. Der Erlass bewirkt gem § 397 I lediglich das Erlöschen des Darlehensrückzahlungsanspruchs, greift aber nicht ohne weiteres als auflösende Bedingung in den bestehenden Darlehensvertrag ein. Als abstraktem Rechtsgeschäft kann einem aufschiebend bedingten Erlass eine Schenkung als Rechtsgrund gegeben werden (vgl dazu RG 53, 294). 6. Einzelfälle. a) Barzahlung. Im Anschluss an eine strafrechtliche Entscheidung des OLG Saarbrü- 8 cken (NJW 1976, 65, 66) wird verbreitet angenommen, dass ein zur Tilgung einer Geldschuld verwendeter Geldschein, der diese Schuld erheblich übersteigt, gewöhnlich unter der aufschiebenden Bedingung der Rückzahlung des Differenzbetrags übereignet werde (Staud/Bork Rn 5; Pal/Ellenberger Rn 4). Sinn einer solchen aufschiebenden Bedingung ist es, einen dinglichen Zug-um-Zug-Mechanismus entstehen zu lassen, wie er auch bei Wechselgeschäften mit Bargeld gefordert wird (Staud/K. Schmidt Vor §§ 244ff Rn B15). Ob dies der Interessenlage und der Verkehrssitte immer gerecht wird, ist allerdings zweifelhaft (vgl H. L. Günther JZ 1976, 665). In solchen Fällen, in denen nach den Umständen (zB Kasse eines großen Warenhauses) gewöhnlich damit zu rechnen ist, dass – auch bei hoher Wertdifferenz – ausreichend Wechselgeld vorhanden ist, wirkt die Annahme einer nur bedingten Geldübereignung konstruiert. Der Umstand, dass diese Konstruktion eine strafrechtliche Erfassung bestimmter Sachverhalte als Eigentumsdelikte ermöglicht, ist für die am erkennbaren Parteiwillen und -interesse zu orientierende Auslegung unbeachtlich. Jedenfalls in den genannten Fällen wird die Auslegung idR keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Bedingung ergeben. b) Weitere Fälle. Ein verbundenes Geschäft iSd § 358 ist gewöhnlich unter der auflösenden Bedin- 9 gung der Finanzierung durch das Kreditinstitut geschlossen (MüKo/Westermann Rn 13; Celle BB 1969, 558, 559; LG Gießen NJW-RR 1997, 1081). Die Klausel „Rest durch Finanzierung, diese ist alleinige Sache des Käufers“ bedeutet, dass der Vertrag unter der auflösenden Bedingung geschlossen ist, dass dem Käufer die Finanzierung gelingt (KG NJW 1971, 1139; krit MüKo/Westermann Rn 13 – aufschiebende Bedingung oder Rückabwicklung nach Leistungsstörungsrecht; s auch Braunschweig NJW-RR 1998, 567, 568 – auflösende Bedingung bei aktueller Zahlungsunfähigkeit). Der Eintritt in eine Publikums-KG unter dem Vorbehalt „voller Finanzierung“ kann als hierdurch aufschiebend beC. Armbrüster

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§ 158

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

dingter Beitritt ausgelegt werden (BGH NJW 1985, 1080, 1081). Häufig wird der Beitritt zu einer KG ausdr unter die aufschiebende Bedingung der Registereintragung gestellt, um die Haftung nach § 176 II HGB zu vermeiden (s dazu K. Schmidt ZHR 144 [1980], 192, 201; ders GmbHR 2002, 341, 347). Auf den Träger der gesetzlichen Krankenversicherung auflösend bedingt übergegangene Schadensersatzansprüche fallen bei Beendigung der Mitgliedschaft des Unfallgeschädigten an diesen zurück (BGH NJW 1999, 1782). Bei der gemischten Todes- und Erlebensfallversicherung mit unwiderruflichem Bezugsrecht ist eine Kombination von aufschiebend und auflösend bedingter Bezugsberechtigung anzunehmen (BGH 118, 242, 246 = NJW 1992, 2154; Frankfurt [7. ZS] VersR 2002, 963, 964; aA Frankfurt [3. ZS] VersR 2002, 219 = NJW-RR 2001, 676: zwei auflösende Bedingungen; näher Hasse VersR 2005, 1176, 1177ff; zum eingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrecht Hiecke/Vorwerk DZWIR 2005, 448). Bei einem Bauträgervertrag, der Grundstückskauf und Hauserrichtung miteinander verknüpft, ist aus der Einheitlichkeit des Vertrags noch kein Bedingungsverhältnis zu folgern; ein hierauf gerichteter Wille der Vertragsparteien kann wegen der gegensätzlichen Interessen der Parteien nur nach Lage des Einzelfalls unter Anlegung eines strengen Maßstabes angenommen werden (BGH 79, 103, 106 = NJW 1981, 991). Erbringt ein Architekt zur Präsentation in einem Vergabeverfahren bereits Leistungen nach der HOAI, die zur Erlangung des Zuschlags erforderlich sind, so steht die vertragliche Bindung unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Zuschlag erteilt und das Bauvorhaben auch realisiert wird (Frankfurt, Urt. v. 27.8.2008 – 3 U 125/07, juris; ähnlich Dresden BauR 2008, 1654, 1655; ähnlich für eine Bauvoranfrage: AG Krefeld, Urt. v. 10.3.2010 – 2 C 29/08, juris). Der Architekt trägt die Beweislast dafür, dass der Vertrag nicht unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen wurde (München BauR 2009, 1461 [LS]; AG Krefeld, Urt. v. 10.3.2010 – 2 C 29/08, juris). In der Einbehaltung des Fahrzeugbriefs durch den Kfz-Verkäufer ist die aufschiebende Bedingung vollständiger Zahlung zu sehen (BGH NJW 2006, 3488, 3489). Bleibt ein Leasinggeber nach einer von ihm verwendeten Klausel in einem formularmäßigen „Kaufvertrag“ von allen Verpflichtungen frei, solange die Übernahmebestätigung für die vom Lieferanten zu erbringende Leistung nicht vorliegt, so ist die Klausel nicht als Bedingung für die Wirksamkeit des Kaufvertrags auszulegen, sondern nur als Vereinbarung einer Vorleistungspflicht des Lieferanten und als Fälligkeitsregelung für die Kaufpreiszahlung (BGH NJW 1993, 1381, 1382). Eine auflösende Bedingung in einem Arbeitsvertrag bedarf eines sachlichen Grundes; sie darf dem Arbeitnehmer nicht seinen Kündigungsschutz nehmen (BAG NZA 2004, 311, 312). Die Abtretung von Patenten kann unter der auflösenden Bedingung erfolgen, dass nicht nach der Abtretungserklärung ein Dritter seine Bereitschaft anzeigt, einen höheren Preis für die Rechte zu bezahlen (Düsseldorf BeckRS 2008, 05766). Die Anmeldung zu einer Fortbildumgsveranstaltung unter gleichzeitiger Beantragung eines diese betreffenden Stipendiums ist als aufschiebend bedingter Antrag auszulegen (LG Kiel BeckRS 2009, 24251). 10

7. Eintritt und Ausfall der Bedingung. Wann die Bedingung eingetreten ist, ergibt deren inhaltliche Ausgestaltung. Eine bejahende Bedingung ist eingetreten, wenn der Tatbestand, an den das Entstehen der Rechtswirkung geknüpft wurde, verwirklicht ist. Eine verneinende Bedingung ist eingetreten, wenn feststeht, dass der Tatbestand, an dessen Nichteintritt die Rechtswirkung geknüpft ist, nicht eintreten kann. Ausgefallen ist die Bedingung nicht nur, wenn sie objektiv nicht mehr eintreten kann, sondern auch dann, wenn der Zeitraum, innerhalb dessen ihr Eintritt zu erwarten war, verstrichen ist (BGH VersR 1974, 1167, 1168; NJW 1985, 1556, 1557; BayObLG DNotZ 1999, 1011, 1012) oder wenn zwar die Bedingung noch eintreten kann, nicht aber mehr die von ihr abhängig gemachte Rechtsfolge (BaRo/Rövekamp Rn 29). Hängt der Eintritt einer auflösenden Bedingung von der vorherigen Handlung eines Vertragspartners ab, so gilt die Bedingung analog §§ 146, 148 als endgültig ausgefallen, wenn ihm der Gegner fruchtlos eine angemessene Frist zur Vornahme der Handlung gesetzt und seine Erfüllungsverweigerung für den Fall der Fristversäumung angekündigt hat (BGH NJW 1985, 1556, 1557).

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8. Aufhebung, Verzicht. Die Bedingung kann ausdr oder konkludent durch Invollzugsetzung des Rechtsgeschäfts aufgehoben werden (Brandenburg v 28.11.2006 – 3 U 89/06). Bei schuldrechtlichen Geschäften ist ein einseitiger Verzicht des aus einer aufschiebenden Bedingung Berechtigten abzulehnen, da § 397 das Einverständnis des anderen Teils voraussetzt (RG 72, 168, 171; NJW 1958, 1231, 1232; BGH NJW-RR 1989, 291; Soergel/Wolf Rn 33; MüKo/Westermann Rn 44; Pohlmann NJW 1999, 190, 191). Bei bedingten Verfügungsgeschäften kann der Berechtigte hingegen einseitig und formfrei auf die Bedingung verzichten (BGH 127, 129, 133 = NJW 1994, 3227 = MDR 1995, 678 m Anm Schnorbus; NJW-RR 1989, 291; vgl BGH NJW 1958, 1231). Die Verzichtserklärung ist nicht empfangsbedürftig (aA BGH 138, 195, 203 = NJW 1998, 2360 = MDR 1998, 1039 m krit Anm W. Moll; krit zu dieser Rspr, soweit es um die Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen geht, auch MüKo/Westermann Rn 44). Rückwirkende Kraft hat der Verzicht freilich nicht (BGH 138, 195, 202f = NJW 1998, 2360). Die gleichen Regeln gelten für den Verzicht auf eine auflösende Bedingung, sofern diese ausschließlich im Interesse eines Vertragspartners vereinbart wurde (vgl Soergel/Wolf Rn 33).

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9. Beweislast. Auszugehen ist von dem Satz, dass der Kläger nur die zur Entstehung seines Anspruchs erforderlichen Tatsachen zu behaupten und zu beweisen hat. Die Behauptung, ein Geschäft sei bedingt oder befristet geschlossen worden, kann sich prozessual als Leugnen des Klagegrundes oder als Geltendmachung einer rechtshindernden oder rechtsvernichtenden Tatsache (Einrede im prozessualen Sinne) darstellen. a) Macht der Beklagte ggü dem Erfüllungsanspruch substantiiert geltend, das Geschäft sei unter einer aufschiebenden Bedingung oder einem Anfangstermin geschlossen (s hierzu Jena NZBau 2000, 146), so bestreitet er den vom Kläger behaupteten unbedingten Vertragsschluss und damit die Wirksamkeit des Geschäfts überhaupt. Der Kläger ist deshalb beweispflichtig dafür, dass das Geschäft ohne Bedingung oder Befristung geschlossen ist (sog Leugnungstheorie; RG 107, 405, 406; BGH NJW 1985, 497; NJW 2002, 2862, 2863; MüKo/Westermann Rn 49; 484

C. Armbrüster

Bedingung und Zeitbestimmung

§ 160

vgl a RG 68, 305, 307 zur Stundungsabrede; aA die Einwendungstheorie: H.K. Müller JZ 1953, 727). Behauptet jedoch der Beklagte, dass nach Vertragsschluss eine aufschiebende Bedingung oder ein Anfangstermin vereinbart worden sei, so gibt er einerseits den Klagegrund zu und macht andererseits eine Einrede geltend, für die ihn selbst die Beweislast trifft (RG 107, 405, 406; MüKo/Westermann Rn 49). Den Eintritt einer unstr oder bewiesenen aufschiebenden Bedingung hat nach allg Grundsätzen der Kläger zu beweisen (BGH NJW 1981, 2403, 2404). b) Macht der Beklagte ggü dem Erfüllungsanspruch geltend, das Geschäft sei unter einer auflösenden Bedingung oder einem Endtermin geschlossen worden, so ist diese Behauptung nur erheblich, wenn er zugleich auch den Eintritt dieser Bedingung behauptet. Der Bedingungseintritt ist eine rechtsvernichtende Tatsache, für die der Beklagte beweispflichtig ist. Ihn trifft jedoch auch die Beweislast für den auflösend bedingten Vertragsschluss, da dieser die Voraussetzung dafür bildet, dass die auflösende Bedingung auch eingetreten ist (BGH NJW 1966, 1403; MüKo/Westermann Rn 49; aA G. Reinecke JZ 1977, 159, 164, der vornehmlich wegen vermeintlicher Abgrenzungsschwierigkeiten für die Gleichbehandlung von aufschiebenden und auflösenden Bedingungen plädiert). 10. Auflage. Von der Bedingung im BGB ist die Auflage zu unterscheiden. Darunter versteht man 13 solche Verpflichtungen, durch die ein Vertragspartner dem anderen eine bestimmte Leistung an einem Dritten auferlegt. Sie unterscheidet sich von der Bedingung dadurch, dass sie bestimmte Leistungspflichten begründet, deren Erfüllung nicht von dem Eintritt eines ungewissen Ereignisses abhängt.

159

Rückbeziehung Sollen nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts die an den Eintritt der Bedingung geknüpften Folgen auf einen früheren Zeitpunkt zurückbezogen werden, so sind im Falle des Eintritts der Bedingung die Beteiligten verpflichtet, einander zu gewähren, was sie haben würden, wenn die Folgen in dem früheren Zeitpunkt eingetreten wären.

1. Der Eintritt der Bedingung wirkt gem § 158 nur ex nunc (§ 158 Rn 4f). § 159 stellt klar, dass auch 1 durch Vereinbarung eine Rückbeziehung niemals mit dinglicher, sondern nur mit obligatorischer Wirkung erreicht werden kann. Eine Vermutung für oder gegen eine solche Abrede gibt es nicht (Prot I, S 180; MüKo/Westermann Rn 4; vgl demgegenüber Art 1179 franz CC, der Rückbeziehung anordnet; s auch Staud/Bork Rn 2, der für einseitige Rechtsgeschäfte eine Vereinbarung als entbehrlich ansieht). Besteht eine Rückbeziehungsabrede, so richten sich die gegenseitigen Ansprüche in erster Linie nach der ggf erg auszulegenden Vereinbarung (BGH LM Nr 1). Soweit die Auslegung zu keinem Ergebnis führt, sind nach verbreiteter Ansicht die Parteien verpflichtet, einander nach Bereicherungsrecht zu gewähren, was sie haben würden, wenn bei aufschiebender Bedingung der Beginn, bei auflösender Bedingung das Ende der Rechtswirkung zu einem vor dem Bedingungseintritt liegenden Zeitpunkt eingetreten wäre (BGH LM Nr 1; MüKo/Westermann Rn 3; Soergel/Wolf Rn 2; Pal/Ellenberger Rn 1). Nach der Gegenansicht bietet nicht das Bereicherungsrecht die richtige Anspruchsgrundlage; vielmehr seien direkt aus dem bedingten Rechtsgeschäft vertragliche Ansprüche zu gewinnen, die bei beiderseitigen Verträgen dem Synallagma der §§ 320ff unterfielen (Flume II § 40, 2d [S 729]; Staud/Bork Rn 9; ähnlich Wunner AcP 168, 424, 446). Bei gegenseitigen Verträgen ergibt sich im praktischen Ergebnis idR kein Unterschied, da nach der bereicherungsrechtlichen Saldotheorie jegliche Rückabwicklung ohnehin Zug um Zug zu erfolgen hat (Larenz/Wolf AT § 50 Rn 37 [Fn 43]). IÜ wird sich der Inhalt einer vertraglichen Rückbeziehungsabrede, soweit nicht durch Auslegung zu ermitteln, nach dem Maßstab des Bereicherungsrechts und nicht nach dem der §§ 346ff zu richten haben (idS zu Recht BGH LM Nr 1). Wer Anspruch auf die in der Schwebezeit gezogenen Sach- und Rechtsfrüchte einer bedingt über- 2 eigneten Sache hat, ergibt sich ebenfalls aus den Parteiabreden. Regelmäßig folgt aus einer Rückbeziehungsvereinbarung, dass diese Früchte bei aufschiebenden Veräußerungen dem Erwerber und bei auflösenden Bedingungen dem Veräußerer zustehen sollen (vgl § 818 I). Die Abrede führt allerdings nicht zu einer gleichartig bedingten Gestattung zur Fruchtziehung (§§ 956, 158) oder zu einer bedingten Übereignung der Früchte gem §§ 930, 158 (aA Flume II § 40, 2a [S 724]; wohl auch Staud/ Bork Rn 8). Die schuldrechtliche Übereignungspflicht genügt idR den Parteiinteressen (i Erg ebenso Enn/Nipperdey § 198 I 4, 1204). Bedingte Gestattungen erlangen erst dort Bedeutung, wo das dingliche Geschäft eine der Parteien, wie beim Eigentumsvorbehalt den Veräußerer, gerade durch die Bedingung absichern soll (vgl MüKo/Quack § 956 Rn 5). Hier gilt bei vereinbarter Rückwirkung für die Nutzungen das Gleiche wie für die Muttersache (insoweit zutr Flume II § 40, 2a [724]; aA 10. Aufl). 2. Ob Rückwirkung von den Parteien gewollt und welcher Zeitpunkt maßgebend ist, ist anhand ei- 3 ner Auslegung des einzelnen Rechtsgeschäfts zu beurteilen. Eine Rückwirkungsvermutung besteht nicht (s Rn 1), auch nicht hins einer auflösenden Bedingung (insoweit missverständlich Staud/Bork Rn 9). Zum Schutz des dinglich Berechtigten ggü „Zwischenverfügungen“ s § 161.

160

Haftung während der Schwebezeit (1) Wer unter einer aufschiebenden Bedingung berechtigt ist, kann im Falle des Eintritts der Bedingung Schadensersatz von dem anderen Teil verlangen, wenn dieser während der Schwebezeit das von der Bedingung abhängige Recht durch sein Verschulden vereitelt oder beeinträchtigt. (2) Den gleichen Anspruch hat unter denselben Voraussetzungen bei einem unter einer auflösenden Bedingung vorgenommenen Rechtsgeschäft derjenige, zu dessen Gunsten der frühere Rechtszustand wieder eintritt. C. Armbrüster

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§ 160

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

1

1. Das bedingte Rechtsgeschäft bindet bereits die Parteien, obwohl seine Wirksamkeit noch in der Schwebe ist. Sie können das Geschäft, dessen Rechtswirkung nur vom Bedingungseintritt abhängt, nicht einseitig lösen. Bei einem aufschiebend bedingten Geschäft darf der bedingt Verpflichtete (zB Vorbehaltsverkäufer) während des Schwebezustands das von der Bedingung abhängige Recht weder vereiteln noch beeinträchtigen (näher Mülsch/Penzel ZIP 2004, 1987, 1992f zur Option auf Gesellschaftsbeteiligung). Verletzt er schuldhaft diese Pflicht durch Einwirkung tatsächlicher (Zerstörung, Beschädigung) oder rechtlicher Art (Verfügung), so ist er, obwohl er noch nicht Schuldner ist, nach Abs I zum Schadensersatz nach Maßgabe der §§ 249ff verpflichtet. Soweit kein anderer Verschuldensmaßstab in dem bedingten Vertrag bestimmt ist, haftet der bedingt Verpflichtete nach § 276 für Vorsatz und leichte Fahrlässigkeit, bei bedingtem Schenkungsversprechen nach § 521 für grobe Fahrlässigkeit (Staud/Bork Rn 9). Die Gefahr des zufälligen Untergangs trifft den bedingt Berechtigten. Der Schadensersatzanspruch unterliegt der regelmäßigen Verjährung nach § 195. – Bei auflösend bedingten Geschäften trifft nach § 160 II die gleiche Schadensersatzpflicht den bis zum Eintritt der Bedingung Berechtigten. – § 160 ist dispositiv und entfällt somit, wenn die Parteien weiter gehende Ansprüche vereinbaren oder die Haftung ausschließen (MüKo/Westermann Rn 8).

2

2. Die Schadensersatzpflicht nach § 160 setzt den Bedingungseintritt voraus. Sie gewährt deshalb nur nachträglich Schutz. Während der Schwebezeit ist der bedingt Berechtigte auf die prozessualen Sicherungsmittel des Arrests und der einstw Verfügung angewiesen, um durchzusetzen, dass der bedingt Verpflichtete seiner Obhutspflicht während des Schwebens der Bedingung nachkommt. Ein bedingt abgeschlossenes Rechtsgeschäft liefert idR den „sicheren Boden“ eines vormerkungsfähigen Anspruchs (BGH 134, 182, 185f = NJW 1997, 861; s § 158 Rn 3) und ist gem § 883 I S 2, § 885 zu sichern. Auch kann eine Klage auf künftige Leistung nach § 259 ZPO zulässig sein (RG 51, 243, 244; BGH 5, 342, 344 = NJW 1952, 817, 818; vgl a BGH NJW 1999, 954, 955). Dagegen besteht mangels Vereinbarung keine allg Pflicht zur Sicherheitsleistung, wenn die Erfüllung eines bedingten Anspruchs gefährdet ist (Ausnahmen: § 1986 II, § 2128 I, § 2217).

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3. § 160 gibt keine Rechte gegen Dritte. Das dingliche Anwartschaftsrecht, das dem bedingt Berechtigten bereits eine gesicherte Rechtsposition gibt, stellt jedoch ein „sonstiges Recht“ iSd § 823 I dar (RG 170, 1, 6; BGH 55, 20, 25f = NJW 1971, 799; § 823 Rn 42). Eine Übertragung des in § 160 zum Ausdruck kommenden Prinzips der Haftungswirkung in Schwebelagen auf die Schadensersatzhaftung beim Rücktritt befürwortet Kohler ZGS 2005, 386, 389f. Zur analogen Anwendung von § 160 s auch § 145 Rn 14; Staud/Bork § 145 Rn 25; Schilder, Schadensersatz bei Durchbrechung der Bindung an obligatorische Vertragsofferten 2003, 233; Toussaint ZfIR 2006, 124, 126. Als Sicherungsmittel für Ansprüche, die Grundstücke betreffen, steht die Vormerkung (§§ 883, 885) zur Verfügung.

161

Unwirksamkeit von Verfügungen während der Schwebezeit (1) Hat jemand unter einer aufschiebenden Bedingung über einen Gegenstand verfügt, so ist jede weitere Verfügung, die er während der Schwebezeit über den Gegenstand trifft, im Falle des Eintritts der Bedingung insoweit unwirksam, als sie die von der Bedingung abhängige Wirkung vereiteln oder beeinträchtigen würde. Einer solchen Verfügung steht eine Verfügung gleich, die während der Schwebezeit im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder durch den Insolvenzverwalter erfolgt. (2) Dasselbe gilt bei einer auflösenden Bedingung von den Verfügungen desjenigen, dessen Recht mit dem Eintritt der Bedingung endigt. (3) Die Vorschriften zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, finden entsprechende Anwendung.

1

1. Schutzzweck; Anwendungsbereich. § 161 schützt den Anwartschaftsberechtigten während der Schwebezeit gegen Verfügungen des bedingt Verpflichteten. Ein solcher Schutz ist nötig, da der Eintritt der Bedingung, mit dem das Anwartschaftsrecht zum Vollrecht wird, nur ex nunc wirkt (s § 158 Rn 4f, § 159 Rn 1) und § 160 dem Berechtigten lediglich einen Schadensersatzanspruch gibt. § 161 schützt den Anwärter gegen Zwischenverfügungen, und zwar bei aufschiebend bedingten Verfügungen gegen Verfügungen des bedingt Verfügenden, § 161 I, bei auflösend bedingten Verfügungen gegen Verfügungen desjenigen, dessen Recht mit dem Eintritt der Bedingung endigt, § 161 II. Die Zwischenverfügung ist absolut unwirksam (Rn 5); § 161 ist damit Ausdruck des Prioritätsprinzips (R. Giesen AcP 203 [2003], 210, 236f). – Verpflichtungsgeschäfte bleiben dagegen von § 161 unberührt (BGH DB 1962, 331). Hat zB der Verkäufer dem Käufer einen Gegenstand bedingt verkauft, diesen aber noch nicht – auch nicht bedingt – übereignet, so kann der Verkäufer auch während des Schwebezustandes des Kaufvertrags über den Gegenstand wirksam verfügen; die Verfügung wird durch den Eintritt der Bedingung nicht in Frage gestellt. Der Verkäufer ist in diesem Fall nur nach § 160 sowie wegen verschuldeter nachträglicher Unmöglichkeit (§§ 280 I, III, 283) schadensersatzpflichtig. Auch werden reine Verpflichtungsgeschäfte, die ein lediglich auflösend bedingt Berechtigter über den Gegenstand abschließt, nicht gem § 161 unwirksam (BGH DB 1962, 331).

2

2. Unter Verfügung ist jede Einwirkung auf das bedingt übertragene Recht zu verstehen, durch die dieses übertragen, belastet, inhaltlich geändert oder aufgehoben wird (Einl § 104 Rn 21). Dazu zählt nach dem Zweck des § 161, den Anwartschaftsberechtigten zu schützen, auch die Einziehung einer Forderung (Staud/Bork Rn 5; vgl a BGH 20, 127, 133 = NJW 1956, 790f zum Erlass). Nach Bedingungseintritt ist die Einziehung daher absolut unwirksam. Der Leistende wird freilich bei Gutgläubigkeit durch § 407 geschützt (Flume II § 39, 3a [704]; Soergel/Wolf Rn 3). – Abs I S 2 bestimmt, dass den Zwischenverfügungen des bedingt Verpflichteten auch solche Verfügungen über den Gegenstand gleich-

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C. Armbrüster

Bedingung und Zeitbestimmung

§ 161

stehen, die gegen ihn im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder durch den Insolvenzverwalter erfolgen (enger § 135 I S 2). Dem unterfällt allerdings nicht der Eigentumserwerb des Erstehers in der Zwangsvollstreckung, da hier ausschließlich kraft Hoheitsakts erworben wird (RG 156, 395, 398f; BGH 55, 20, 25 = NJW 1971, 799). Gesetzliche Pfandrechte, zB das des Vermieters nach § 562, an Sachen, die bedingt übereignet sind, 3 fallen unter § 161 I, II (MüKo/Westermann Rn 13; Staud/Bork Rn 10). Bringt der (noch) Berechtigte vor Bedingungseintritt die Sachen beim Vermieter ein, so entsteht zunächst ein Pfandrecht, das mit Eintritt der Bedingung jedoch hinfällig wird (Staud/Bork Rn 10). Ein gutgläubiger Erwerb gesetzlicher Pfandrechte nach Abs III kommt jedoch nicht in Betracht (Staud/Bork Rn 10; aA MüKo/Westermann Rn 13). Gesetzliche Pfandrechte können nach den allg Vorschriften, auf die Abs III verweist, nicht gutgläubig erworben werden; der Wortlaut des § 1257 und die Gesetzesmaterialien sprechen dagegen (s § 647 Rn 5, § 1257 Rn 3; BGH 34, 153, 154ff = NJW 1961, 502). Werden aufschiebend bedingt übereignete Sachen von dem (noch) nicht berechtigten Erwerber eingebracht, entsteht das Pfandrecht am Anwartschaftsrecht und setzt sich nach Bedingungseintritt am Vollrecht fort (BGH NJW 1965, 1475). 3. Keine Verfügung ist die Prozessführung (Mot I, S 279; Staud/Bork Rn 7). Der Rechtsinhaber ist 4 zur Prozessführung berechtigt und legitimiert, auch wenn er über ein Recht aufschiebend bedingt verfügt hat oder wenn es bei Eintritt einer auflösenden Bedingung hinfällig wird (Soergel/Wolf Vor § 158 Rn 33 und 37; Staud/Bork Vor §§158ff Rn 48f). In der prozessrechtlichen Lit ist umstr, ob das für oder gegen ihn ergangene rechtskräftige Urt bei Eintritt der Bedingung gem § 325 ZPO auch für und gegen den neuen Rechtsinhaber wirkt. Für die aufschiebend bedingte Übertragung wird vertreten, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Rechtsnachfolge iSd §§ 265, 325 ZPO der Zeitpunkt der bedingten Verfügung sei (MüKo/Westermann § 161 Rn 16), so dass der nach Rechtshängigkeit erfolgende Bedingungseintritt keine Rechtskrafterstreckung nach §§ 265, 325 ZPO bewirken soll. Nach der Gegenansicht ist auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts abzustellen (Stein/Jonas/Leipold § 325 ZPO Rn 24; Zöller/Vollkommer § 325 ZPO Rn 19; Hartmann in Baumbach/Lauterbach § 325 ZPO Rn 23). Aus der Wertung des materiellen Rechts erscheint es sachgerecht, wie bei der Prozessführungsbefugnis auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritt abzustellen; denn erst dann erlangt die abgeleitete Rechtposition ihre volle Wirksamkeit (Soergel/Wolf Vor § 158 Rn 33; Flume II § 39, 3f [714]). – Eine Rechtsnachfolge iSd §§ 265, 325 ZPO wird für den aus einer auflösenden Bedingung Berechtigten teils verneint (Mot I, S 378f; Hartmann in Baumbach/Lauterbach § 325 ZPO Rn 23), teils bejaht (Stein/Jonas/Leipold § 325 Rn 26; Zöller/Vollkommer § 325 ZPO Rn 18; Pohle in FS H. Lehmann 1956 Bd II S 736, 758). Das materielle Recht gibt hierüber wenig Aufschluss. Der Wortlaut des § 158 II mag dafür sprechen, dass sich die Eigentumsposition des auflösend Berechtigten lediglich konsolidiert und daher nicht vom Zwischeninhaber ableiten lässt (Soergel/Wolf Vor § 158 Rn 37; Enn/Nipperdey § 139 I 2c [S 871]). Ebenso gut ließe sich indes eine auflösende Bedingung als Vollrechtsübertragung mit aufschiebend bedingter Rückübertragung konstruieren, so dass der auflösend Berechtigte als Rechtsnachfolger des Zwischeninhabers erscheint (Kempf AcP 158 [1959/60], S 308, 312). Letztlich überzeugende Arg finden sich weder für die eine noch für die andere Ansicht (s auch Mot I, S 250f, wonach diese Fragen der Konstruktion dahin gestellt bleiben sollten). Für das Verständnis des prozessualen Begriffs der Rechtsnachfolge in § 325 ZPO trifft der Theorienstreit jedoch ohnehin keine Vorentscheidung. Für die Anwendung von § 325 ZPO spricht letztlich wieder die Erwägung, dass hierdurch ein Gleichlauf mit der Prozessführungsbefugnis erreicht werden kann (vgl Staud/Bork Vor §§ 158ff Rn 49). – Der Schutzzweck des § 161 gebietet eine Beschränkung der Rechtskrafterstreckung: Entspr Abs III ist ein gutgläubig rechtskraftfreier Erwerb anzuerkennen (MüKo/Westermann Rn 17; Soergel/Wolf Vor § 158 Rn 34, 38; Staud/Bork Rn 7; aA Pohle in FS H. Lehmann, 1956, Bd II, 736, 761). 4. Unwirksam sind nur solche Verfügungen, die die Rechtsstellung des Berechtigten, zB den Er- 5 werb oder den Rückerwerb des Anwärters, beeinträchtigen oder vereiteln (vgl BGH 20, 127, 133 = NJW 1956, 790). Dies ist etwa dann nicht der Fall, wenn der Eigentümer einer beweglichen Sache nach Bestellung eines bedingten Pfandrechts die Pfandsache nach §§ 929, 931 einem Dritten übereignet. Das Pfandrecht bleibt hier nach § 936 III bestehen (MüKo/Westermann Rn 12; Staud/Bork Rn 11). – Die Unwirksamkeit ist eine absolute. Auf sie kann sich bei Eintritt der Bedingung nicht nur wie bei einem gesetzlichen Veräußerungsverbot iSd § 135 der Begünstigte, sondern jedermann berufen (Mot I, S 260; Staud/Bork Rn 12; eingehend MüKo/Westermann Rn 8; s auch MüKo/Armbrüster § 135 Rn 12). Allerdings ist die Zwischenverfügung erst bei Bedingungseintritt absolut unwirksam (Staud/Bork Rn 12; für anfängliche Unwirksamkeit hingegen Soergel/Wolf Rn 1; für rückwirkende Unwirksamkeit Brox JuS 1984, 657, 658). Trotz der absoluten Wirkung liegt keine Nichtigkeit iSv § 134 vor. Das gesetzliche Verfügungsverbot des § 161 will nur den Anwartschaftsberechtigten schützen, also zB den Inhaber eines Anwartschaftsrechts aus bedingter Übereignung (BGH 20, 88, 101 = NJW 1956, 665; 27, 360, 367 = NJW 1958, 1286). Die Rechtsstellung eines nach § 956 Aneignungsberechtigten ist damit, solange die Gestattung widerruflich ist, nicht vergleichbar (BGH 27, 360, 367 = NJW 1958, 1286; Medicus JuS 1967, 385, 391). Zwischenverfügungen sind daher entspr § 185 gültig, wenn der Berechtigte einwilligt oder sie genehmigt (BGH 92, 280, 288 = NJW 1985, 376; NZG 2004, 517, 518; Mot I S 260; MüKo/Westermann Rn 7). 5. Wirksam sind nach Abs III rechtsgeschäftliche Zwischenverfügungen, die zugunsten gutgläubi- 6 ger Dritter vorgenommen werden. Der Schutz des redlichen Verkehrs hat ggü dem des Anwartschaftsberechtigten – ebenso wie in § 135 III – Vorrang. Dahinter steht die Erwägung, dass sogar von einem Nichtberechtigten ein Gutglaubenserwerb möglich ist, so dass erst recht von einem Noch-BeC. Armbrüster

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§ 161

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

rechtigten gutgläubig erworben werden können muss, dessen Berechtigung erst mit Bedingungseintritt wegfällt (Bork AT Rn 1273). Der gute Glaube muss sich darauf beziehen, dass über den Gegenstand nicht bedingt verfügt worden ist. Bei beweglichen Sachen darf die Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruhen (§§ 932ff, 1032, 1207f, 1244; §§ 366, 367 HGB); bei Grundstücken schadet nur positive Kenntnis (§§ 892, 893, 1138, 1155). Um den guten Glauben Dritter auszuschließen, kann der Anwartschaftsberechtigte die Bedingung als gesetzliche Verfügungsbeschränkung in das Grundbuch eintragen lassen (LG Zwickau DNotZ 2003, 131, 132; vgl RG 76, 89, 91). Bei der bedingungsfeindlichen Auflassung (§ 925 II) lässt sich eine dingliche Sicherung durch Eintragung einer Vormerkung (§ 883) erreichen. Vormerkungsfähig ist auch ein bedingter Anspruch. Zu den Anforderungen an die Bestimmtheit der Bedingung s München NJW-RR 2009, 950, 951. Das am 1.11.2008 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts (MoMiG) ermöglicht in § 16 III GmbHG nF einen gutgläubigen Zwischenerwerb von GmbH-Anteilen, so dass § 161 III bei aufschiebend bedingten Anteilsübertragungen nun auch in jenem Kontext eine Rolle spielt (LG Köln ZIP 2009, 1915, 1916; näher Hellfeld NJW 2010, 411ff; Reymann GmbHR 2009, 343ff).

162

Verhinderung oder Herbeiführung des Bedingungseintritts (1) Wird der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil er gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert, so gilt die Bedingung als eingetreten. (2) Wird der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Vorteil er gereicht, wider Treu und Glauben herbeigeführt, so gilt der Eintritt als nicht erfolgt.

1

1. § 162 beruht auf dem allg Grundsatz von Treu und Glauben (Prot I, S 184). Da auch beim bedingten Geschäft eine gegenwärtige vertragliche Bindung zw den Parteien besteht, würde eine Partei, die den Eintritt der Bedingung wider Treu und Glauben verhindert oder herbeiführt, sich schon nach § 242 nicht auf den Ausfall oder Eintritt der Bedingung berufen können. § 162 geht darüber hinaus und stellt eine Fiktion auf. Sie ist zwingendes Recht. Bei treuwidriger Verhinderung des Eintritts der Bedingung gilt sie als eingetreten (Abs I), bei treuwidriger Herbeiführung als nicht eingetreten (Abs II).

2

2. § 162 ist nur auf echte Bedingungen anwendbar, nicht auf Rechts- und andere Scheinbedingungen (s Vor § 158 Rn 3ff; RG 129, 357, 376; 144, 71, 73; BGH NJW 1996, 3338, 3340; differenzierend MüKo/ Westermann Rn 4). Ist zB die Wirksamkeit einer Grundstücksveräußerung von der Erteilung einer behördlichen Genehmigung abhängig, so kann die Vereitelung ihrer Erteilung durch eine Partei nicht dazu führen, dass die Bedingung als eingetreten gilt und die Veräußerung auch ohne Genehmigung wirksam wird (RG 129, 357, 376; BGH 54, 71, 73 = NJW 1970, 1414ff; Frankfurt DNotZ 1972, 180). Der Rechtsgedanke des § 162 kann aber ausnahmsweise nach Treu und Glauben berücksichtigt werden (BGH NJW 1996, 3338, 3340; vgl auch NJW 1968, 2051, 2052). Die Parteien sind nämlich idR nach dem Vertrag verpflichtet, alles Erforderliche zu tun, um die Genehmigung herbeizuführen (§ 242; RG 129, 357, 376). Eine schuldhafte Verletzung dieser Pflicht führt dann zu Schadensersatzansprüchen gem §§ 311 II, 241 II, 280 I (cic, bzgl Grundgeschäft), § 280 I (Schlechterfüllung, bzgl Erfüllungsgeschäft; s § 280 Rn 10, 13, 40ff, § 241 Rn 10, 13) oder aus § 826. Auch auf reine Wollensbedingungen (s Vor § 158 Rn 12f) ist § 162 grds nicht anwendbar; der bedingt Verpflichtete macht lediglich von dem ihm eingeräumten Recht Gebrauch (Mot I, S 263; RG 115, 296, 302; BGH NJW 1996, 3338, 3340; MüKo/Westermann Rn 6). Nur unter besonderen Umständen kann auch bei Wollensbedingungen eine treuwidrige Herbeiführung oder Verhinderung des Bedingungseintritts vorliegen. Dies gilt etwa dann, wenn der andere Teil redlicherweise darauf vertrauen durfte, dass der bedingt Verpflichtete sich in einer den Umständen angemessenen Weise entscheiden wird (RG 79, 96, 98f; München NJW-RR 1988, 58 m Anm Ring JuS 1991, 634, 637f).

3

3. Bedeutsam ist § 162 auch im Vollstreckungsrecht. Bei Pfändung einer unter Eigentumsvorbehalt gekauften Sache kann der Pfändungsgläubiger die Intervention des Eigentümers dadurch abwenden, dass er an ihn den ausstehenden Kaufpreis zahlt. Lehnt der Eigentümer die Leistung ab, so gilt nach Abs I der Eigentumsübergang auf den Schuldner als eingetreten, wenn dieser nicht widerspricht oder wenn der Widerspruch infolge Hilfspfändung des Anwartschaftsrechts (§§ 857, 829 III ZPO) unbeachtlich ist.

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4. Voraussetzungen der Treuwidrigkeit. § 162 verlangt nicht eine absichtliche Herbeiführung oder Vereitelung des Bedingungseintritts (Prot I, S 184; RG 122, 247, 251; BGH LM Nr 3; BB 1965, 1052; NJW-RR 1989, 802). Vielmehr genügt schon Fahrlässigkeit (RG 122, 247, 251; BGH BB 1965, 1052; NJW-RR 1989, 802). Umgekehrt kann sich im Einzelfall auch absichtliches Handeln als nicht treuwidrig darstellen (BGH 2005, 3417, 3419: pflichtgemäße Mitteilung an einen Dritten, von dessen Entscheidung der Bedingungseintritt abhängt, in der Absicht letzteren zu verhindern). Generell geht es hier nicht um ein Verschulden in den Kategorien des § 276, wenngleich idR mit einer objektiven Treuwidrigkeit zumindest Fahrlässigkeit einhergehen wird (MüKo/Westermann Rn 10). Vielmehr ergibt sich der Maßstab dessen, was geboten erscheint, abschließend aus Treu und Glauben; klagbare vertragliche Verpflichtungen, gegen die schuldhaft verstoßen wird, sind nicht erforderlich (RG 79, 96, 98; BGH LM Nr 3; Larenz/Wolf AT § 50 Rn 42). Daher ist objektiv darauf abzustellen, ob in einer Treu und Glauben widersprechenden Weise der Eintritt oder der Ausfall der Bedingung herbeigeführt worden ist (Soergel/Wolf Rn 7; Staud/Bork Rn 10). Dies lässt sich im Einzelfall nur nach dem Sinn des Rechtsgeschäfts beurteilen, das die Bedingung enthält. Ausgehend vom Vertragsinhalt ist zu ermitteln, wie sich die Parteien nach Treu und Glauben im Hinblick auf den Eintritt oder Nichteintritt der Bedingung hätten verhalten müssen. Bsp: Soll sich ein Anstellungsvertrag verlängern, wenn im

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C. Armbrüster

Bedingung und Zeitbestimmung

§ 162

letzten Geschäftsjahr eine aktive Bilanz vorliegt, so gilt nach § 162 I auch bei passiver Bilanz der Vertrag als verlängert, wenn die Verlustgeschäfte nur der Abwehr fremder Konkurrenz gedient haben (RG JW 1920, 638). Hat ein Gläubiger dem Schuldner einen Anspruch unter der Bedingung gestundet, dass dieser in einem Rechtsstreit gegen einen Streitverkündeten obsiegt, hat der Schuldner den Rechtsstreit aber nicht geführt, so tritt die Fälligkeit gleichwohl nach Treu und Glauben ein (Brandenburg BeckRS 2008, 09533). Kein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt hingegen vor, wenn ein Verpflichteter den Eintritt einer Bedingung dadurch vereitelt, dass er von zwei wirtschaftlich vernünftigen Lösungen diejenige auswählt, die den Bedingungseintritt verhindert (BGH WM 1964, 921, 922, zu einem durch die Erbauung eines Hauses aufschiebend bedingten Vorvertrag zu einem Mietvertrag, bei dem der Beklagte den Bedingungseintritt dadurch verhinderte, dass er nicht selbst das kriegszerstörte Haus fremdfinanziert wieder aufbaute, sondern – unter Erzielung eines angemessenen Preises – das Grundstück verkaufte). Auch kommt es nicht auf eine sittliche Missbilligung des Verhaltens des Verpflichteten an; § 162 ist nicht als eine Sanktion für treuwidriges Verhalten einer Partei zu verstehen (Düsseldorf NJW 1981, 463, 464; Flume II § 40, 1b [716f]; Staud/Bork Rn 10; aA noch RG 105, 164, 167; JW 1936, 987). 5. Die Fiktion des § 162 erstreckt sich nur auf den Eintritt oder Nichteintritt der Bedingung. Es 5 muss zunächst feststehen, dass durch die Einwirkung der durch den Eintritt der Bedingung begünstigten oder benachteiligten Partei der Bedingungseintritt treuwidrig verhindert oder herbeigeführt wurde. Hierfür ist die Partei beweispflichtig, die sich auf die Fiktion des § 162 beruft (BGH LM Nr 2; Soergel/Wolf Rn 13). Eine Vermutung für die Verursachung besteht nicht (RG 66, 222, 224; i Erg auch Naumburg OLGRp 2008, 889). Maßgeblich für den durch § 162 fingierten Eintritt oder Ausfall der Bedingung ist grds der Zeit- 6 punkt, in dem der Eintritt der Bedingung treuwidrig verhindert oder herbeigeführt wurde (MüKo/ Westermann Rn 17; aA Pal/Ellenberger Rn 5). Dies gilt nicht nur für den Fall, dass die Erfüllung der ursprünglich geschuldeten Leistung nicht mehr möglich und das Schuldverhältnis nach Unmöglichkeitsrecht abzuwickeln ist (BGH NJW 1975, 205, 206), sondern allg. Eine Ausnahme ist aber geboten, wenn die Vereinbarung der Bedingung zugleich die Bestimmung eines Zeitpunkts enthält, vor dessen Eintritt nicht mit der geschuldeten Leistung gerechnet werden durfte (so der Fall in RG 2, 143, 144, auf den Mot I, S 263 Bezug nimmt). Dann ist der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem die Bedingung bei redlichem Verhalten des bedingt Verpflichteten und normalem Ablauf der Dinge eingetreten sein würde (Mot I, S 263; vgl RG 79, 96, 101; zu allg Soergel/Wolf Rn 14). Bei einer echten Bedingung ohne mitlaufende Zeitbestimmung ist das künftige Ereignis hingegen ungewiss, so dass ein solcher irrealer Zeitpunkt ohnehin kaum bestimmbar wäre (MüKo/Westermann Rn 17). Zu Recht stellt Flume (II § 40, 1b [718]) daher auf die Beendigung der Handlung in den Fällen des „dies incertus an et quando“ ab, wenn zB das Überleben einer Person ggü einem anderen die Bedingung darstellte, nicht dagegen in den Fällen des „dies incertus an, certus quando“, wenn zB das Erleben eines bestimmten Tages zur Bedingung gemacht wurde (ebenso Staud/Bork Rn 12). 6. Analoge Anwendung. In § 162 (vgl auch § 815) kommt der allg Rechtsgedanke zum Ausdruck, 7 dass niemand aus einer von ihm selbst treuwidrig herbeigeführten Lage Vorteile soll ziehen können (BGH 88, 240, 248 = NJW 1984, 230; NJW 2003, 1459, 1460; MüKo/Westermann Rn 18f; BAG NJW 2008, 872 [876 Rn 40]). Anders gewendet, kann sich eine Partei immer dann nicht auf den Eintritt oder Nichteintritt eines Ereignisses berufen, wenn sie dieses in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise herbeigeführt oder verhindert hat (BGH NJW 1964, 36f; BGH 139, 177, 186 = NJW 1998, 3192 zur Beachtlichkeit eines Kalkulationsirrtums). Das treuwidrige Verhalten muss zudem für die Vorteilsziehung kausal gewesen sein (BGH NJW-RR 2010, 1585, 1587). Bsp: Führt der Nacherbe den Nacherbfall vorzeitig durch vorsätzliche Tötung des Vorerben herbei, so wird er analog Abs II nicht Erbe (BGH NJW 1968, 2051, 2052). Ein Gläubiger, der treuwidrig zum Nachteil der Bürgen den Hauptschuldner veranlasst, nicht zu zahlen und damit selbst den Bürgschaftsfall auslöst, verliert seinen Bürgschaftsanspruch (BGH DB 1966, 537; 1968, 1443). Der Käufer, der bei einem finanzierten Abzahlungskauf grundlos die Abnahme der Kaufsache verweigert hat, muss der Bank das Darlehen, das sie an den Verkäufer ausgezahlt hat, zurückzahlen; er ist ggü der Bank so zu behandeln, als sei er Besitzer geworden (BGH NJW 1964, 36, 37). Bei einem Werkvertrag muss sich der Auftraggeber, der die Durchführung von Mängelbeseitigungsarbeiten nachhaltig verhindert hat, so behandeln lassen, als habe der Unternehmer die geschuldete Vorleistung bereits erbracht (BGH 88, 240, 248 = NJW 1984, 230; NJW 1990, 3008f). Wer die Verpflichtung, bei Abschluss eines Pachtvertrags einen bestimmten Mitpächter aufzunehmen, treuwidrig durch Vertragsschluss der Ehefrau umgehen will, muss sich so behandeln lassen, als hätte er selbst gepachtet (BGH NJW 1982, 2552, 2553; ähnlich Koblenz OLGRp 2001, 418, 420 zu einem Bauvertrag). Die Vertragspartei, die bei der anderen durch falsche Erklärungen den Eindruck erweckt, die Finanzierung des Geschäfts sei gesichert, kann hieraus für sich keinen Vorteil ziehen, wenn die andere Partei deshalb nicht fristgerecht den Rücktritt erklärt hat (BGH NJW-RR 1991, 177). Gleiches gilt zulasten desjenigen, der grundlos seine Belastungszustimmung verweigert (§ 7 ErbbauRG) und deshalb den Heimfallgrund herbeiführt (BGH NJW-RR 1993, 465). Erfasst wird auch die treuwidrige Weigerung eines GmbH-Gesellschafters, alsbald nach dem Tod eines Mitgesellschafters eine satzungsgemäße Entscheidung über den Verbleib des vererbten Geschäftsanteils zu treffen (Brandenburg NJW-RR 2000, 766, 767f). Bestreitet ein Gläubiger wahrheitswidrig, vom Schuldner kurz vor Ablauf einer vereinbarten Frist erfüllungshalber einen Scheck erhalten zu haben und lässt der Schuldner den Scheck daraufhin sperren, so kann sich der Gläubiger nach § 162 nicht auf den Fristablauf berufen (BGH NJW 2002, 1788f). Vereitelt ein Vermieter durch absprachewidrige Vertragsbedingungen einen Vertragsschluss mit dem Nachmieter, wird

C. Armbrüster

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§ 162

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

der Mieter von seinen Vertragspflichten aus dem Mietvertrag frei (Koblenz ZMR 2002, 344, 345). Einem Arbeitgeber ist durch § 162 die Berufung auf die soziale Rechtfertigung einer Kündigung abgeschnitten, wenn zwar keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer bestand, jener diesen Zustand aber selbst treuwidrig herbeigeführt hat (BAG NZA 2008, 192 [LS]). – Nicht heranziehbar ist der Rechtsgedanke des § 162 hingegen, wenn die Parteien eines genehmigungspflichtigen Kaufvertrags diesen vor Erteilung der Genehmigung wieder aufheben oder den Genehmigungsantrag wieder zurückziehen, um den Eintritt eines Vorkaufsberechtigten zu verhindern (RG 98, 44, 51f; vgl auch BGH 14, 1, 3 = NJW 1954, 1442f; 139, 29, 32 = NJW 1998, 2352). Dasselbe gilt, wenn ein Käufer den Kaufpreis nicht zahlt, um den für Verzug vorgesehenen Rückkauf auszulösen (BGH NJW 1984, 2568, 2569). Auch auf den Fall, dass der Arbeitgeber mit einem Arbeitnehmer eine Rahmenvereinbarung über Bonuszahlungen bei Erreichung der Ziele noch zu treffender Zielvereinbarungen abgeschlossen hat und jener sich später weigert, eine bestimmte Zielvereinbarung zu treffen, ist § 162 nicht analog anwendbar (BAG NJW 2008, 872 [876 Rn 39ff]). Dasselbe gilt, wenn der Arbeitgeber kurz vor Entstehen eines besonderen Kündigungsschutzes kündigt, sofern ein sachlicher Grund besteht (LArbG Berlin-Brandenburg BeckRS 2011, 67216 [Schwerbehinderung]). – Der § 162 zu entnehmende Rechtsgrundsatz gilt auch im öffentlichen Recht (BVerwG 9, 89, 92; 85, 213, 216 = NVwZ 1991, 73; 118, 84, 89 = NVwZ-RR 2003, 871, 872; Staud/Bork Rn 19).

163

Zeitbestimmung Ist für die Wirkung eines Rechtsgeschäfts bei dessen Vornahme ein Anfangs- oder ein Endtermin bestimmt worden, so finden im ersteren Falle die für die aufschiebende, im letzteren Falle die für die auflösende Bedingung geltenden Vorschriften der §§ 158, 160, 161 entsprechende Anwendung.

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1. Wird die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts von dem Eintritt eines bestimmten Termins, zB einem Kalendertag oder dem Todestag, abhängig gemacht, so liegt, da der Eintritt des künftigen Ereignisses gewiss ist, kein bedingtes, sondern ein befristetes Geschäft vor (BGH NJW 1976, 1976, 1978; MDR 1980, 41; München NJW-RR 1993, 1164, 1165; KG MDR 1998, 459). Nach § 163 gelten jedoch die §§ 158, 160, 161 entspr, wobei der Anfangstermin der aufschiebenden, dem Endtermin der auflösenden Bedingung gleichsteht. Die Bedingung iSd § 158 zeichnet sich im Gegensatz hierzu durch die Ungewissheit des künftigen Ereignisses aus (Vor § 158 Rn 1; vgl Mot I, S 270). Im Einzelfall kann zweifelhaft sein, ob die Parteien Bedingung oder Befristung wollen (Staud/Bork Rn 4). So kann mit dem Tag der Volljährigkeit einer Partei der Kalendertag gemeint sein (dann Befristung iSd „dies certus an et quando“) oder das Erleben der Volljährigkeit (dann Bedingung iSd „dies incertus an, certus quando“; s auch § 162 Rn 6). Es entscheidet dann der durch Auslegung zu ermittelnde Wille der Parteien (§§ 133, 157; KG MDR 1998, 459; Mot I, S 270; Staud/Bork Rn 4). Befristete Rechte oder Verbindlichkeiten fallen nicht unter § 2313 I S 2, 3 (BGH FamRZ 1979, 787, 788; MüKo/Frank § 2313 Rn 3). – Ist ein Rechtsgeschäft bedingungsfeindlich (s Vor § 158 Rn 18), so ist es idR auch befristungsfeindlich (BGH 156, 328, 332f = NJW 2004, 284f m Anm Heinrichs EWiR § 542 1/04, 171f [zur unbestimmt befristeten Kündigung]; MüKo/Westermann Rn 5; Staud/Bork Rn 9).

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2. Abweichende Vereinbarungen. Die Parteien können eine schuldrechtliche Rückwirkung vereinbaren. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit (MüKo/Westermann Rn 6), so dass § 163 nicht auf den ohnehin nur klarstellenden § 159 zu verweisen braucht (s auch § 159 Rn 1). Die Vereinbarung einer dinglichen Rückwirkung ist freilich ausgeschlossen (Staud/Bork Rn 8). Zudem können die Parteien vorsehen, dass das Erreichen des Endtermins abw von den §§ 163, 158 II nicht zur Beendigung des Rechtsgeschäfts führt, sondern andere Wirkungen hat (RG 68, 141, 145).

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3. § 163 erklärt § 162 nicht für anwendbar, da der Eintritt des Termins gewiss ist. Allerdings ist es möglich, dass eine Partei den Eintritt des Termins beschleunigt, zB, wenn dieser der Todestag einer Person ist, durch Mord (vgl BGH NJW 1968, 2051). In diesem Fall ist ebenfalls der Eintritt der Befristung als nicht geschehen anzusehen. Die Wertung des § 162 kann iRd allg Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242) herangezogen werden (Staud/Bork Rn 7; Soergel/Wolf Rn 9; vgl BGH NJW 1968, 2051, 2052).

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4. Von dem befristeten Rechtsgeschäft, das § 163 behandelt, ist die sog „betagte Verbindlichkeit“ zu unterscheiden (§ 813 II; vgl § 813 Rn 5). Sie ist entstanden, aber noch nicht fällig; Bsp: wirksamer Kaufvertrag mit gestundetem Kaufpreis. Bei einer befristeten Verbindlichkeit ist ihre Entstehung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. So können Mietansprüche als auf den Anfangstermin des jeweiligen Nutzungsüberlassungszeitraums befristet angesehen werden, nicht jedoch als betagt (BGH DtZ 1997, 156, 157; NJW 2004, 3118, 3120). Auch die Ansprüche auf Zahlung der Miete sind demnach befristete Ansprüche, die erst mit dem Beginn des jeweiligen Zahlungszeitraums entstehen (Brandenburg ZMR 2008, 287). Bei einem auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Leasingvertrag entsteht hingegen der Anspruch auf Zahlung sämtlicher Leasingraten als betagte, nicht als befristete Forderung bereits mit Vertragsschluss (BGH 109, 368, 372 = NJW 1990, 1113; 118, 282, 290 = NJW 1992, 2150).

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C. Armbrüster

Vertretung und Vollmacht

Vor § 164

Titel 5 Vertretung und Vollmacht Vorbemerkung 1. 2. 3. 4.

Bedeutung . . . . . . Interessen . . . . . . Grundprinzipien . . Anwendungsbereich

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5. Grundlagen der Vertretungsmacht . . . . . . . 6. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Ausschluss der Stellvertretung . . . . . . . . .

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1. Bedeutung. Der moderne Rechtsverkehr erfordert in erheblichem Maße – nicht zuletzt wegen 1 der arbeitsteiligen Struktur der Wirtschaft – rechtsgeschäftliches Handeln für einen anderen. Das Gesetz trägt diesem Erfordernis in den §§ 164ff Rechnung. Stellvertretung ist das rechtsgeschäftliche Handeln (Abgabe oder Empfang von Willenserklärungen = aktive oder passive Stellvertretung) im Namen eines anderen; es zielt auf unmittelbare und ausschließliche rechtliche Wirkungen für und gegen diesen anderen ab. 2. Interessen. a) Das Gesetz lässt die Stellvertretung nahezu uneingeschränkt zu (zu Ausnahmen 2 s Rn 32). Den sich aus der Zulassung ergebenden Folgeproblemen begegnet das Gesetz mit einigen Grundprinzipien (Rn 5ff): Das Offenheitsprinzip (§ 164 II, § 164 Rn 4) schützt das Vertrauen des Geschäftsgegners in die Identität seines Vertragspartners. Sein Vertrauen in die Wirksamkeit für den Vertretenen wird durch die Abstraktheit der Vollmacht (Rn 6) und Rechtsscheinsgrundsätze (§§ 170ff, § 167 Rn 9ff) sowie durch die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht (§ 179) geschützt. b) Der Vertretene (Geschäftsherr) wird grds nur durch Geschäfte von Personen gebunden, die er 3 selbst dazu bestimmt hat oder die aufgrund gesetzlicher Regelungen dazu befugt sind. (§ 164 Rn 16). Dieser Schutz tritt aber zurück, soweit er zurechenbar einen besonderen Vertrauenstatbestand für eine Vertretungsmacht schafft (§§ 170ff sowie die Grundsätze der Rechtsscheinsvollmacht; § 167 Rn 9ff). Zu seinem Schutz gegen Missbrauch der Vertretungsmacht § 167 Rn 70ff. Zum Konflikt zw Vertrauensschutz und Verbraucherschutz bei der Stellvertretung s Möller ZIP 2002, 333 mwN. c) Die Interessen des Vertreters bedürfen im Rahmen der §§ 164ff keines besonderen Schutzes. 4 Von den Wirkungen der Vertretung wird nicht der Vertreter, sondern ausschließlich der Vertretene betroffen, wenn sich der Vertreter an die Grenzen der Vertretungsmacht hält. Seine Rechte und Pflichten ggü dem Vertretenen bestimmen sich nicht nach Vertretungsrecht, sondern nach dem der Vertretung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (zB Auftrag, §§ 662ff); s aber §§ 168 iVm 674, 729, sowie § 169. 3. Prinzipien des Stellvertretungsrechts. a) Offenheit. Im Interesse des Geschäftsgegners, der über 5 die Person eines Vertragspartners nicht im Unklaren bleiben soll, verlangt das Gesetz ein Handeln „im Namen“ des Vertretenen. Daran fehlt es bei der sog mittelbaren oder indirekten Stellvertretung (Rn 15), bei welcher der Handelnde zwar in fremdem Interesse, jedoch im eigenen Namen auftritt; berechtigt und verpflichtet wird dabei ausschließlich der Handelnde (näher dazu § 164 Rn 4). Zum „Geschäft für den, den es angeht“ § 164 Rn 14. b) Abstraktheit. Die gesetzliche Regelung trennt streng zw der dem Vertreter eingeräumten 6 Rechtsmacht (Vertretungsmacht) und dem zugrundeliegenden (kausalen) Rechtsverhältnis. Aufgrund der Vertretungsmacht kann der Vertreter durch sein Handeln Rechtsfolgen für und gegen den Vertretenen begründen; sie bestimmt also das Verhältnis zw dem Vertretenen und dem Dritten (Außenverhältnis). Davon zu unterscheiden ist das Rechtsverhältnis zw Vertretenem und Vertreter (Innenverhältnis), wonach sich bestimmt, ob und wie der Vertreter seine Macht ausüben darf (Geschäftsführungsbefugnis). Die Vertretungsmacht ist ggü dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (zB Auftrag) abstrakt (dazu auch § 164 Rn 16 und eingehend Pawlowski JZ 1996, 125, 126f, 129f mwN). Handelt der Vertreter innerhalb der Vertretungsmacht, überschreitet er jedoch die ihm im Innenverhältnis gesetzten Grenzen, so wirkt das Geschäft gleichwohl für und gegen den Vertretenen. IdR wird dann jedoch der Vertreter dem Vertretenen ggü schadensersatzpflichtig. Eine Vollmacht ist auch ohne kausales Grundverhältnis möglich, in der Praxis aber selten. Die rechtliche Trennung von Vollmacht und Grundverhältnis schließt nicht aus, dass sich Vollmacht und Grundverhältnis inhaltlich decken; das ist insb für die Innenvollmacht (§ 167 Rn 2) die Regel und ist für die Beendigung der Vollmacht in § 168 S 1 ausdr bestimmt, soweit nicht der Vertretene ein anderes anordnet. Eine Begrenzung findet die Abstraktheit der Vollmacht auch in den Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht (§ 167 Rn 70ff). Schließlich kann das Innenverhältnis Bedeutung für die Auslegung der Vollmacht – etwa zur Klärung ihres Umfanges – haben. c) Repräsentation. Der Stellvertreter repräsentiert den Vertretenen. Deswegen kommt es für Wil- 7 lensmängel, Kenntnis und Kennenmüssen grds auf die Person des Vertreters an (§ 166 I); es handelt der Vertreter, den Vertretenen treffen nur die Rechtsfolgen des Handelns. Nur ausnahmsweise stellt das Gesetz zusätzlich auf die Person des Vertretenen ab (§ 166 II). – Die dem Vertreter erteilte Vertretungsmacht tritt neben die Fähigkeit des Geschäftsherrn, weiterhin selbst autonom für sich rechtsgeschäftlich zu handeln. Eine verdrängende Vollmacht ist dem BGB fremd (näher s § 137 Rn 6 und § 167 Rn 1). G. Maier-Reimer

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Vor § 164

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

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d) Vertrauensschutz. Der Geschäftsgegner, der mit einem Vertreter kontrahiert, wird in seinem Vertrauen auf den (Fort-)Bestand der Vertretungsmacht durch §§ 170ff und die in Anlehnung daran entwickelten Grundsätze der Rechtsscheinsvollmacht (§ 167 Rn 9ff) sowie durch die rechtliche Trennung von Innen- und Außenverhältnis (Abstraktheit der Vollmacht) geschützt. Davon abgesehen trägt jedoch der Geschäftsgegner im Verhältnis zu dem Vertretenen das Risiko des Fehlens der Vertretungsmacht, während der Vertretene grds das Risiko ihres Missbrauchs trägt.

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4. Anwendungsbereich. a) Die §§ 164ff betreffen das rechtsgeschäftliche Handeln mit Fremdwirkung (§ 164 Rn 1). Die Regelung ist entspr anwendbar auf geschäftsähnliche Handlungen mit Fremdwirkung, zB Mahnung, Mitteilung, Anerkenntnis iSd § 212 I Nr 1 (zu § 208 aF BGH NJW 1970, 1119), sowie auf die Begründung eines vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses durch den Vertreter (§ 311 II; § 164 Rn 21). Zur Stellvertretung bei der Einwilligung in eine ärztliche Heilbehandlung oder in freiheitsentziehende oder -beschränkende Maßnahmen aufgrund einer sog Vorsorgevollmacht (§ 1896 II) s §§ 1901a V, 1906 V. Zur Stellvertretung bei der Einwilligung nach § 22 KUG BGH NJW 2002, 305f.

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b) Bei rein tatsächlichem Handeln zB Besitzergreifung oder Übergabe (§ 164 Rn 2, § 929 Rn 9ff) ist Stellvertretung nicht möglich. Von der rechtsgeschäftlichen Fremdwirkung durch Stellvertretung zu unterscheiden sind insb die Zurechnung fremden Verschuldens (§ 278) sowie die Verantwortlichkeit für das Verhalten Dritter (§§ 31, 831) oder fremden Wissens (dazu § 166 Rn 10ff, 17ff). Zur Haftung des Geschäftsherrn für rechtswidriges Handeln des Vertreters s § 164 Rn 21, zur Eigenhaftung des Vertreters § 164 Rn 23.

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5. Grundlagen der Vertretungsmacht. Nach der rechtlichen Grundlage der Stellvertretung lassen sich rechtsgeschäftliche, gesetzliche und organschaftliche Vertretungsmacht unterscheiden.

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a) Die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht nennt das Gesetz Vollmacht (§ 166 II). Sie ist ein Mittel der Arbeitsteilung. Die Erteilung der Vollmacht (Bevollmächtigung) erfolgt durch einseitiges Rechtsgeschäft ggü dem Vertreter oder dem künftigen Geschäftsgegner (§ 167 I). Zur Untervertretung s § 167 Rn 61ff.

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b) Die gesetzliche Vertretung leitet sich nicht vom Willen des Vertretenen ab; vielmehr wird dem Vertreter durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes Vertretungsmacht insb dann eingeräumt, wenn der Vertretene selbst zur Wahrnehmung seiner Angelegenheiten nicht, nicht selbständig oder nicht in vollem Umfang in der Lage ist (zB Eltern: § 1629 I; Vormund: § 1793; Betreuer: § 1902; Pfleger: § 1915). Zur Schlüsselgewalt s § 1357 Rn 5.

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c) Die organschaftliche Vertretung bezeichnet das Handeln der Organe einer jur Pers für diese; die Vertretungsmacht der Organe beruht auf der Verfassung (Satzung) der jur Pers. Nach § 26 II haben die Organe „die Stellung eines gesetzlichen Vertreters“; ihr Handeln ist das Handeln der sonst gar nicht handlungsfähigen jur Pers. Gegen die Bewertung des Handelns der Organe von Körperschaften als Stellvertretung Beuthien NJW 1999, 1142, 1146ff mwN und NJW 2005, 855, 857; da die Körperschaft durch das Organ selbst handle, sei dies begrifflich keine Stellvertretung, weshalb die §§ 164ff über § 26 II S 1 – auch für Personengesellschaften – nur erg anzuwenden seien.

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6. Abgrenzungen. Nicht unter §§ 164ff fallen: a) Mittelbare Stellvertretung. Der mittelbare (indirekte, unechte, verdeckte, stille) Stellvertreter (Einsele JZ 1990, 1005; Hager AcP 180, 239; Petersen Jura 2003, 744; Schwark JuS 1980, 777) handelt zwar in fremdem Interesse, jedoch im eigenen Namen (zB Kommissionär, Spediteur; §§ 383, 407 HGB). Berechtigt und verpflichtet wird nur der Handelnde. Zur Abgrenzung der mittelbaren von der unmittelbaren Stellvertretung s § 164 Rn 9, zum Geschäft für „den, den es angeht“ § 164 Rn 14. Eine besondere Behandlung erfährt die mittelbare Stellvertretung durch die Regeln der „Drittschadensliquidation“ (Vor § 249 Rn 124ff). Zum Eigentumserwerb durch mittelbare Stellvertretung vgl § 929 Rn 26.

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b) Die Treuhand (dazu: Gernhuber, Die fiduziarische Treuhand, JuS 1988, 355; Grundmann, Der Treuhandvertrag, München 1997; Henssler, Treuhandgeschäft – Dogmatik und Wirklichkeit, AcP 196, 37ff). Der rechtsgeschäftlich bestellte Treuhänder handelt wie der mittelbare Vertreter in fremdem Interesse, aber im eigenen Namen. Während der mittelbare Vertreter aber lediglich Durchgangsperson ist, hat der Treuhänder für die Dauer seiner Tätigkeit Verwaltungs- und Verfügungsmacht über den Treuhandgegenstand (Treugut), die er zweckgebunden auszuüben hat. Nach hM setzt die Zuordnung des Treuguts zum Vermögen des Treugebers (auch „Treuhand ieS“) voraus, dass der Treuhänder das Treugut unmittelbar aus dem Vermögen des Treugebers erhalten hat (Unmittelbarkeitsprinzip). Nicht ausreichend ist danach, dass der Treuhänder das Treugut aufgrund des Treuhandverhältnisses für den Treugeber erworben hat (RG 84, 216; 133, 87; BGH WM 1960, 325; 1965, 173; offengelassen in BGH 155, 227); auch ein Surrogationserwerb genügt danach nicht (RG 153, 370). Jedoch sind für Sonderfälle auch Ausnahmen anerkannt, zB Forderung gegen Bank aufgrund Einzahlungen des Treugebers auf Anderkonto des Treuhänders (BGH 11, 40); krit zum Unmittelbarkeitsprinzip Soergel/Leptien Vor § 164 Rn 55, 56; MüKo-InsO/Ganter § 47 Rn 357. Einzelheiten zur Treuhand s Coing, Die Treuhand kraft privaten Rechtsgeschäfts, 1973.

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aa) Arten der Treuhand. (1) Nach dem Inhalt der dem Treuhänder eingeräumten Rechtsstellung lassen sich unterscheiden: Bei der echten Treuhand wird dem Treuhänder das Treugut zu eigenem Recht übertragen. Demgegenüber bleibt bei der sog Ermächtigungstreuhand (unechte, uneigentliche Treuhand) der Treugeber Eigentümer der Sachen und Inhaber der Rechte, die zum Treugut gehören. Der Treuhänder ist jedoch ermächtigt, im eigenen Namen über das Treugut zu verfügen (§ 185 I). ZT anerkannt wird schließlich auch die sog Vollmachtstreuhand, bei welcher der Treugeber 492

G. Maier-Reimer

Vertretung und Vollmacht

Vor § 164

Vollrechtsinhaber bleibt, dem Treuhänder aber im Innenverhältnis treuhänderisch gebundene Vollmacht zur Verfügung über das Treugut eingeräumt wird (BGH WM 1964, 318). Auf die Vollmacht finden die §§ 164ff uneingeschränkt Anwendung; die treuhänderische Bindung betrifft nur das Innenverhältnis, so dass die Einordnung als Treuhandverhältnis zweifelhaft erscheint (Soergel/Leptien Vor § 164 Rn 73). (2) Nach dem wirtschaftlichen Zweck der Treuhand sind Verwaltungstreuhand und Sicherungstreuhand zu unterscheiden. Die Verwaltungstreuhand (zB Anderkonto eines RA oder eines Notars, s etwa Hamm DNotZ 1996, 384ff m Anm Preuß) dient idR den Zwecken des Treugebers, ist also für den Treuhänder uneigennützig; auf die Vergütung der Verwaltungstätigkeit kommt es nicht an. Demgegenüber wird die Sicherungstreuhand regelmäßig im Interesse des Treuhänders begründet, stellt also eine eigennützige Form der Treuhand dar. Die Unterscheidung ist insb für die rechtliche Behandlung in der Zwangsvollstreckung und in der Insolvenz von Bedeutung (Rn 20). bb) Rechtsstellung von Treugeber und Treuhänder. (1) Der Treuhänder ist durch die schuldrecht- 18 lichen Bindungen im Innenverhältnis gehalten, mit dem Treugut nur nach Maßgabe des Treuhandverhältnisses zu verfahren (RG 59, 191f; BGH NJW 1974, 1083). Zur Einräumung unmittelbarer Gesellschafterrechte an den Treugeber, für den die Beteiligung gehalten wird, BGH 10, 44, 49ff und NJW-RR 2003, 1392; eine Gesellschafterhaftung des Treugebers ergibt sich daraus nicht (BGH 178, 271; NJW-RR 2009, 1040; dazu Kindler ZIP 2009, 1146 und Armbrüster NJW 2009, 2167). Zu den Rechten und Pflichten eines Treuhänders bei Anlagegeschäften BGH NJW 2002, 888. Ein im Innenverhältnis vereinbartes Verfügungsverbot hat aber keine dingliche Wirkung (§ 137; § 137 Rn 4, 6). Auch die Anwendung der Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht scheidet aus (§ 137 Rn 6). Ihre Grenze findet die Wirksamkeit von Verfügungen des Treuhänders nur in den §§ 138, 823 II iVm § 266 StGB. (2) Der Treugeber verliert bei der Vollrechtstreuhand (s Rn 17) durch die treuhänderische Übertra- 19 gung jede dingliche Beziehung zum Treugut (RG 153, 369). Er kann aber, auch stillschw, zur Wahrnehmung der Rechte aus dem Treugut ermächtigt sein (BGH NJW 1999, 2110; 2002, 1568). cc) Rechtliche Behandlung bei der Zwangsvollstreckung und in der Insolvenz (dazu: Brinkmann 20 KTS 2004, 357). (1) Bei der Verwaltungstreuhand gehört das Treugut wirtschaftlich zum Vermögen des Treugebers, wenn dieser es dem Treuhänder unmittelbar übertragen hat (dazu Rn 16); deshalb steht dem Treugeber bei Insolvenz des Treuhänders das Aussonderungsrecht nach §§ 47f InsO, bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Treuhänder die Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO zu (RG 79, 121; BGH ZIP 1993, 214). Bei Insolvenz des Treugebers erlischt das Treuhandverhältnis (§§ 115ff InsO); dem Treuhänder steht kein Aussonderungs- oder Absonderungsrecht zu (RG 145, 256). Bei Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den im Besitz des Treuguts befindlichen Treugeber stehen dem Verwaltungstreuhänder die Rechtsbehelfe der §§ 771, 805 ZPO nicht zu; ist das Treugut im Besitz des Verwaltungstreuhänders, so hat dieser die Rechte aus §§ 766, 809 ZPO (BGH 11, 42; s auch Reinhardt/Erlinghagen JuS 1962, 45). (2) Bei der Sicherungstreuhand ist dem Grundsatz Rechnung zu tragen, dass das Treugut zwar 21 rechtlich dem Treuhänder zusteht, wirtschaftlich aber lediglich eine Sicherung des Treuhänders bezweckt ist. Aus diesem Grund gibt die hM dem Treuhänder bei Insolvenz des Treugebers in Anlehnung an die Behandlung des Pfandrechts nur ein Absonderungsrecht (vgl statt aller RG 145, 193; Anh §§ 929–931 Rn 9). Bei Einzelvollstreckung gegen den Treugeber gibt die vorherrschende Rspr dem Treunehmer die Klage aus § 771 ZPO (RG 124, 73; BGH 20, 88; 80, 299; Brox/Walker ZwVR Rn 1414–1417); für Anwendung des § 805 ZPO Westermann I § 44 IV. Zur Vollstreckung gegen den Sicherungsnehmer s Anh §§ 929–931 Rn 11. c) Strohmann. Eine besondere Erscheinungsform des Treuhänders ist der Strohmann. Er wird von 22 einem anderen, dem Hintermann, vorgeschoben, weil der Hintermann das Geschäft nicht selbst abschließen kann oder will. Der Grund kann in einem gesetzlichen oder vertraglichen Verbot für den Hintermann oder darin liegen, dass das Geschäft bei dem Hintermann andere Rechtsfolgen hätte als beim Strohmann. Die Rechtsfolgen des Geschäfts sollen den Strohmann, die wirtschaftlichen Folgen den Hintermann treffen. Die Stellung des Strohmanns kann sich auf den Abschluss eines einzelnen Vertrags, zB eines Darlehensvertrags (BGH NJW 1982, 569), oder auf die Führung eines Geschäftsbetriebs (BGH NJW 2002, 2030) beziehen. Das Geschäft mit dem Strohmann ist idR kein Scheingeschäft, weil die rechtlichen Folgen nach dem Willen der Parteien in der Person des Strohmanns eintreten sollen (BGH 21, 378, 381; BGH NJW 1982, 569f). Sollen aber nach dem überstimmenden Parteiwillen auch die rechtlichen Folgen bei dem Strohmann nicht eintreten, so liegt ein Scheingeschäft vor (BGH NJW 1982, 569, 570; BGH NJW-RR 2007, 1209). Das Strohmann-Geschäft ist ein typischer Fall des Umgehungsgeschäfts (§ 117 Rn 2). Die Auslegung der umgangenen Norm ergibt, ob die Rechtsfolgen auch den Hintermann treffen (so für die gesellschaftsrechtlichen Pflichten der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung § 46 V AktG sowie BGH 31, 258, 263f und 118, 107, 110ff) und ob das Geschäft wegen Verstoßes gegen die umgangene Norm nichtig ist (dazu BGH NJW 1959, 332, 334). IdR muss sich der Strohmann an der übernommenen Rolle festhalten lassen. Wer als Strohmann ein Gewerbe führt, genießt keinen Verbraucherschutz (BGH NJW 2002, 2030, 2031). Wer als Strohmann aus Gefälligkeit eine GmbH-Beteiligung übernimmt und für die Schulden der GmbH bürgt, kann sich nicht auf die Rspr zu Bürgschaften krass überforderter Angehöriger berufen, sofern der Gläubiger die Hintergründe nicht kennt (BGH 137, 329, 336f). Ist der Geschäftspartner über die Strohmann-Funktion getäuscht, kommt auch eine Anfechtung nach § 123 in Betracht. In der Insolvenz des Strohmanns oder der Zwangsvollstreckung gegen ihn scheitern Aussonderung (§ 47 InsO) oder Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) des Hintermanns idR schon daran, dass dem Unmittelbar-

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Vor § 164

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

keitsprinzip (Rn 16) nicht genügt ist. Zur Vollstreckung von Gläubigern des Hintermanns in das für diesen gehaltene Vermögen beim Strohmann s Gerhardt, FS Lüke 1997, 121ff. 23

d) Die Ermächtigung schafft die Befugnis, ein fremdes Recht im eigenen Namen auszuüben (zB Verfügungsermächtigung; Einziehungsermächtigung). Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 185 I. Dagegen sind auf die Ermächtung zur Ausfüllung eines Blanketts §§ 164ff analog anwendbar (Pal/Ellenberger vor § 164 Rn 13; Bork AT Rn 1647; Larenz/Wolf AT § 48 Rn 34ff; § 172 Rn 16).

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e) Bote. Im Gegensatz zum Vertreter, der eine eigene Willenserklärung abgibt, übermittelt der Bote eine fremde Willenserklärung; er handelt selbst nicht rechtsgeschäftlich. Für die – in der Praxis nicht selten schwierige – Abgrenzung von Stellvertreter und Boten ist die Weisungsgebundenheit nicht entscheidend. Maßgebend ist vielmehr das – auszulegende – Auftreten der Person ggü dem Geschäftsgegner (BGH 12, 327, 334; Soergel/Leptien Vor § 164 Rn 44 mwN; aA G. Hueck AcP 152, 441). Der Bote kann vorbehaltlich etwaiger Formerfordernisse auch höchstpersönliche Erkärungen übermitteln (BGH NJW 2008, 917).

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aa) Tritt der Bote als Stellvertreter oder ein Stellvertreter als Bote auf, so ist dies unschädlich, soweit nicht die Vollmacht oder Botenmacht überschritten werden. Überschreitet der als Stellvertreter auftretende Bote oder der als Bote auftretende Stellvertreter die eingeräumte Rechtsmacht, so gelten die §§ 177–179 entspr (§ 120 Rn 5; MüKo/Schramm Rn 51ff).

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bb) Die Bedeutung der Unterscheidung zw Stellvertretung und Botenschaft zeigt sich in folgenden Fällen: Bedarf das Rechtsgeschäft einer Form, so muss bei der Stellvertretung die Willenserklärung des Vertreters, bei der Botenschaft die Erklärung des Geschäftsherrn der Form genügen (vgl RG 79, 202). Da die Übermittlung einen reinen Realakt darstellt, braucht der Bote nicht geschäftsfähig zu sein; der Vertreter muss mindestens beschränkt geschäftsfähig sein (§ 165). Für Willensmängel, Kenntnis und Kennenmüssen kommt es bei der Botenschaft auf die Person des Geschäftsherrn, hingegen bei der Stellvertretung grds auf die des Vertreters an (§ 166 I). Das Risiko unbewusster Falschübermittlung durch den Boten trägt nach § 120 der Geschäftsherr; bei Überschreitung der Vertretungsmacht gelten §§ 177–179. Zu den Unterschieden beim Empfangsvertreter § 164 Rn 28.

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f) Geschäftsgehilfen und Vermittler schließen das Rechtsgeschäft nicht selbst ab, sondern sind nur an dessen Vorbereitung (Vermittlung) beteiligt. In Betracht kommt aber eine Anwendung der Stellvertretungsregeln im Rahmen des § 166 sowie bei der Anbahnung der vorvertraglichen Vertrauensbeziehung, aus der sich eine Haftung des Geschäftsherrn ergeben kann (§ 164 Rn 21); zur Eigenhaftung der Vermittlungsperson s § 164 Rn 23. Bloße Vermittler sind insb die Handelsmäkler (RG 104, 368; 105, 206) sowie regelmäßig die im kaufmännischen Leben als „Vertreter“ oder „Agenten“ bezeichneten Personen.

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g) Zum sog Wissensvertreter s § 166 Rn 24f.

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h) Partei kraft Amtes. Die Rspr und ein Teil des Schrifttums (Pal/Ellenberger Rn 9; RGRK/Steffen Rn 11; Soergel/Leptien Rn 76f mwN) behandeln die Personen, die kraft Amtes mit Wirkung für und gegen andere handeln können, nicht als Vertreter, sondern folgen der sog Amtstheorie. Dahin gehören zB der Insolvenzverwalter (BGH 49, 11, 16), der Nachlassverwalter (BGH 38, 281, 284), der Testamentsvollstrecker (BGH 13, 203, 205) und der Gerichtsvollzieher (RG 90, 193, 194; anders – bei Abschluss von Verwahrungsverträgen bevollmächtigter Vertreter – BGH NJW 1999, 2597). Demgegenüber sieht die sog Vertretertheorie (Flume § 45 I 2; Medicus AT Rn 925; MüKo/Schramm Rn 10ff) diese Personen als gesetzliche Vertreter an. Unabhängig von dem Theorienstreit wird man i Erg von der Anwendbarkeit der §§ 164ff auszugehen haben, sofern nicht das Gesetz selbst oder die besondere Situation Ausnahmen erfordert; so werden auf den Testamentsvollstrecker die Vorschriften über die Stellvertretung zT entspr angewendet (RG 75, 299, 302; 130, 131, 134). – Zur Rechtsstellung des Insolvenzverwalters gem §§ 56ff InsO K. Schmidt KTS 1991, 211.

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i) Prozessvertretung ist keine Stellvertretung iSd §§ 164ff, sondern Prozesshandlung (BGH MDR 1958, 320; 1964, 410; Stein/Jonas/Bork ZPO § 80 Rn 4).

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7. Ausschluss der Stellvertretung. Die Stellvertretung ist grds bei allen Rechtsgeschäften zulässig (für den Tarifvertrag: BAG NZA 1997, 1064; Etzel NJW 1998, 1190). Ausnahmen können sich – mit der Rechtsfolge der Unwirksamkeit (MüKo/Schramm Rn 75; BGH NJW 1971, 428) – aus Gesetz, Rechtsgeschäft oder der Natur des vorzunehmenden Rechtsgeschäfts (dazu MüKo/Schramm Rn 74) ergeben.

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a) Das Gesetz verlangt bei bestimmten Rechtsgeschäften die persönliche Vornahme, zB Eheschließung (§ 1311), Testamentserrichtung (§ 2064), Erbvertrag (§ 2274), Erbverzicht (§§ 2347 II, 2351), Erteilung einer Prokura (§ 48 I HGB). Hiervon zu unterscheiden sind Fälle, in denen nicht die Stellvertretung als solche, sondern wegen Interessenkonflikts der einzelne Vertreter ausgeschlossen ist, §§ 181, 1629, 1795. Weitere Bsp MüKo/Schramm Rn 71f. Wo das Gesetz nur die gleichzeitige Anwesenheit der Parteien vorschreibt, ist Vertretung nicht ausgeschlossen (zB § 925).

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b) Die Zulässigkeit der Vertretung kann auch durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder auf bestimmte Personen beschränkt werden (BGH 99, 94 zum Ausschluss; BGH NJW 1993, 1329 zur Beschränkung). AGB-Regelungen dieses Inhalts können bedenklich sein (BGH BB 1982, 1822).

164

Wirkung der Erklärung des Vertreters (1) Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Es macht kei-

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Vertretung und Vollmacht

§ 164

nen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll. (2) Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht. (3) Die Vorschriften des Absatzes 1 finden entsprechende Anwendung, wenn eine gegenüber einem anderen abzugebende Willenserklärung dessen Vertreter gegenüber erfolgt. A. Aktive Stellvertretung (§ 164 I) I. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Voraussetzungen wirksamer Stellvertretung Willenserklärung des Vertreters . . . . . . . . Offenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handeln unter fremdem Namen . . . . . . . . Geschäft für „wen es angeht“ . . . . . . . . . Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . Vertretungswille? . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . .

1 2 4 11 14 16 19

II. Folgen wirksamer Stellvertretung 1. Zwischen Vertretenem und Geschäftspartner . 2. Zwischen Vertretenem und Vertreter . . . . . .

20 22

3. Zwischen Vertreter und Geschäftspartner . . . 4. Rechtsscheinshaftung . . . . . . . . . . . . . .

23 24

III. Nicht erkennbarer Vertretungswille (§ 164 II) 1. Bedeutung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 26

B. Passive Stellvertretung (§ 164 III) 1. Inhalt der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 28

C. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A. Aktive Stellvertretung (§ 164 I) I. Voraussetzungen wirksamer Stellvertretung. Aktive Stellvertretung (§ 164 I) setzt voraus, dass 1 jemand (Vertreter) eine Willenserklärung im Namen und mit Vertretungsmacht eines anderen (Vertretenen) abgibt. 1. Willenserklärung des Vertreters. a) Stellvertretung ist nur möglich bei Rechtsgeschäften sowie 2 bei geschäftsähnlichen Handlungen (Einl § 104 Rn 7; Hoffmann JuS 1970, 180); auch auf Gefälligkeitshandlungen kann § 164 im Einzelfall Anwendung finden (BGH MDR 1957, 22 m Anm Hermann). Bei rein tatsächlichem Handeln ist Stellvertretung nicht möglich. § 164 I ist daher auf die Besitzergreifung (§ 854) oder den Besitzverlust (§ 856) nicht anwendbar. Auch die Übertragung von Besitz (dazu: Masloff JA 2000, 503 mwN), die Besitzdienerschaft (§ 855) sowie die Begründung mittelbaren Besitzes durch einen Besitzmittler ist trotz der gegebenen Fremdwirkung des Handelns nicht zur rechtsgeschäftlichen Vertretung zu rechnen (vgl BGH 8, 130, 132; 16, 259, 263). Ein Handeln für andere bei der Verarbeitung hat ebenfalls keinen rechtsgeschäftlichen Charakter (s zu § 950). b) Der Vertreter muss eine eigene Willenserklärung abgeben; hierdurch unterscheidet er sich vom 3 Boten (Vor § 164 Rn 24). 2. Offenheit. a) Die Willenserklärung muss im Namen des Vertretenen abgegeben werden (Offen- 4 heitsprinzip; allg dazu Einsele, JZ 1990, 1005ff; K. Schmidt JuS 1987, 425ff). Dafür genügt jedenfalls die Formulierung „namens“ des Vertretenen (aM Brandenburg WM 2010, 651 für die Formulierung „namens des Landes B, vertreten durch den Minister …“). Es soll offen gelegt werden und der Erklärungsempfänger soll erkennen können, dass die Folgen der Erklärung nicht den Erklärenden, sondern einen anderen (Vertretenen) treffen sollen (Fremdwirkung). Der Vertretene braucht allerdings nicht identifiziert zu werden (BGH JZ 1957, 441; NJW 1998, 62, 63; MüKo/Schramm Rn 18f). Daher kann durch das Handeln des Vertreters ein Vertrag zw Vertragspartnern zustande kommen, die sich (zunächst) unbekannt bleiben (BGH JZ 1957, 442). Es genügt, wenn die Person des Vertretenen nachträglich bestimmt wird oder bestimmbar ist (BGH NJW 1998, 62, 63; s auch § 95 HGB). Der Vertretene kann sich auch aus einer Sammel- oder Kurzbezeichnung ergeben (BGH 76, 90). Kommt als Vertretener eine von mehreren Personen in Betracht, ist durch Auslegung der Willenserklärung des Vertreters zu ermitteln, für wen gehandelt worden ist (BGH NJW-RR 1988, 475; Gehrlein VersR 1995, 268). Verkauft jemand als „Beauftragter des Eigentümers“ ohne Namensnennung eine bewegliche Sache, ist aber sein Auftraggeber nicht Eigentümer, so handelt er nicht vollmachtlos namens des ihm unbekannten Eigentümers, sondern im Namen seines Auftrag- und Vollmachtgebers (BGH JZ 1957, 441). Die Angabe eines unrichtigen Namens für den Vertretenen schadet nicht, wenn zw Vertreter und Geschäftsgegner Einigkeit über die Person des Vertretenen besteht („falsa demonstratio“). Ggf kann es dem Vertreter überlassen sein, die Person des Vertretenen nachträglich zu bestimmen 5 (BGH NJW 1989, 164, 166; Köln NJW-RR 1991, 918; MüKo/Schramm Rn 20; s auch unten Rn 9). Dies ist kein Fall des Geschäfts für „den, den es angeht“, da der Offenheitsgrundsatz gewahrt ist. Sofern nichts anderes vereinbart ist, kann dann der Handelnde später den Vertretenen einseitig bestimmen. Dem Geschäftspartner kann aber uU ein Zurückweisungsrecht zustehen, zB bei Zahlungsunfähigkeit des Benannten. Eine Ausnahme gilt für die Auflassung; die hier erforderliche Anwesenheit beider Beteiligten setzt deren Existenz und Identifizierung voraus (BayObLG 1983, 275; AG Hamburg NJW 1971, 102). Bestimmt der Vertreter den Vertretenen nicht, ist § 179 entspr anwendbar (BGH 129, 136, 149ff), wenn nicht der Vertreter diese Haftung erkennbar ausschließen wollte. Bis zur Bestimmung des Vertretenen ist das Geschäft unvollständig. Die Bestimmung wirkt deshalb nicht zurück (BGH NJW 1998, 62, 63; MüKo/Schramm Rn 20 mwN); jedoch kann das schuldrechtliche Geschäft ergeben, dass die Parteien wie im Fall der Rückwirkung zu stellen sind (Flume § 44 II 2a). b) Die Erklärung in fremdem Namen kann ausdr erfolgen oder sich aus den Umständen ergeben 6 (§ 164 I S 2). Maßgeblich ist der durch Auslegung gem §§ 133, 157 zu ermittelnde erklärte Wille. Ein ihm entgegenstehender bloß innerer Wille, in fremdem oder im eigenen Namen zu handeln, ist unerheblich (BGH 36, 30, 33; NJW-RR 1988, 475, 476 mwN; Gehrlein VersR 1995, 268). Dies gilt sowohl für G. Maier-Reimer

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§ 164

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

die Frage, ob in fremdem Namen gehandelt wird, als auch für die Bestimmung des Vertretenen (BGH 5, 279; NJW 1998, 1406). Mehrdeutigkeit in der Frage, ob in fremdem Namen gehandelt wird, führt zum Eigengeschäft, § 164 II. Bei beurkundungsbedürftigen Geschäften müssen die Vertretungsverhältnisse und der rechtsgeschäftliche Vertretungswille in der Urkunde – wenn auch möglicherweise unvollkommen – zum Ausdruck kommen. Besondere praktische Bedeutung hat dies bei Verträgen mit einer Mehrzahl von Personen, etwa Eheleuten, Erbengemeinschaften und Personengesellschaften (Rechtsprechungsbeispiele: BGH 125, 175 – Vertretung von Eheleuten; NJW 2002, 3389 sowie Fritz NJW 2004, 3390, 3392 – Vertretung von Miterben; BGH NJW 2003, 3053, 345 – Vertretung bei einer GbR; NJW 2005, 2225, 2226, 1291 – Vertretung einer GmbH; sehr großzügig BGH NJOZ 2001, 278, 281f für die Unterzeichnung einer Bürgschaft neben einer anderen Vereinbarung durch einen Vertreter.). – Ob dem Schriftformerfordernis des § 623 genügt ist, wenn der Handelnde unter dem Namen des Arbeitgebers mit dem Zusatz i.A. statt i.V. unterschreibt, oder ob die Erkärung dann als Botenerklärung zu werten ist, ist durch Auslegung zu ermitteln (BAG NJW 2008, 1243; Wirksamkeit verneint von LAG Rheinland-Pfalz NZA-RR 2008, 403). Zum Willen, im eigenen oder fremden Namen zu handeln, sowie zur Abweichung von Wille und Erklärung s Rn 19, 25. 7

aa) Bei unternehmensbezogenen Geschäften (eingehend dazu Ahrens JA 1997, 895ff) und bei Geschäften, die sich auf sonstige Organisationseinheiten (etwa Gesellschaft, Gemeinschaft, Körperschaft, Verein usw) beziehen, geht der erklärte Wille der Beteiligten im Zweifel dahin, dass der Rechtsträger des Unternehmens/der Organisation und nicht der für das Unternehmen/die Organisation Handelnde Vertragspartei werden soll. Das gilt selbst bei unrichtigen Vorstellungen eines Beteiligten über die Person des Rechtsträgers (BGH NJW 1990, 2678; Hamm VersR 2001, 978; aM LAG Rheinland-Pfalz v 11.2.2010 – 11 Sa 395/09, juris Tz 63ff) und auch, wenn als Träger des Unternehmens eine Scheinfirma oder eine noch nicht errichtete GmbH angegeben wird (BGH NJW 1996, 1053; 1998, 2897). Allerdings kommt dann eine Anfechtung nach § 119 II in Betracht (LG Hanau NJW-RR 2000, 1420). Jedenfalls muss das Unternehmen/die Organisation im Zeitpunkt der Wirksamkeit des Geschäfts bestehen (BGH NJW 1998, 62 = LM Nr 82 – Karollus), und der Unternehmens-/Organisationsbezug muss hinreichend deutlich werden, und zwar in der für das Geschäft erforderlichen Form (BAG NJW 2010, 888, 889 zu § 1 TVG); Zweifel gehen nach dem Grundsatz des § 164 II zulasten des Handelnden (BGH 62, 216, 221; NJW 1995, 43, 44 m Anm K. Schmidt JuS 1995, 456). Zur Bestimmung des betroffenen Unternehmers bei Franchise-Verhältnissen BGH NJW 2008, 1214. Der Unternehmens-/Organisationsbezug kann sich aus dem Vertragszweck, aber auch aus anderen Umständen ergeben. Bsp: Verwendung des Unternehmensnamens bei der Leistungsbeschreibung (Köln NJW-RR 1997, 670 Auftrag für Werbeanzeige); unternehmensbezogener Inhalt der vereinbarten Leistung, etwa Materiallieferung (BGH 62, 216; Stuttgart NJW 1973, 629); Abschluss des Vertrags in den Geschäftsräumen, etwa beim Kauf in einem Ladengeschäft (BGH NJW 1984, 1347; Köln MDR 1993, 852; wenn trotz Vertragsabschlusses in Geschäftsräumen der Inhaber des Geschäfts nicht Vertragspartner werden soll, kann ein besonderer Hinw geboten sein, LG Aachen NJW-RR 2007, 633); betrügerisches Geschäft von Mitarbeitern einer Anlagegesellschaft in deren Geschäftsräumen im Anschluss an einen ordnungsgemäß vermittelten Lebensversicherungsvertrag (BGH NJW-RR 1998, 1342); Vereinbarung der Leistung am Sitz oder an die Anschrift des Unternehmens; Hinw auf das Unternehmen in schriftlichen Vertragsunterlagen oder durch Unterschriftszusätze (BGH 64, 11, 14f; NJW 1981, 2569; 1991, 2627). Handeln in fremdem Namen ist regelmäßig anzunehmen bei Personen, die nach ihrer sozialen Stellung (zB Kellner, Taxifahrer, Bankangestellter, vgl BGH NJW 1984, 1347) erkennbar im Rahmen des Betriebs ihres Dienstherrn tätig werden. Schließt eine „Agentur“ einen Vertrag und findet sich in ihren AGB ein Hinw auf den Vertretenen, wird dieser Vertragspartei (LG Düsseldorf MDR 1985, 1027). Weitere Bsp aus der Rspr zum unternehmensbezogenen Handeln: BGH NJW 1983, 1844; 1986, 1675; 1992, 1381; WM 1990, 600; Köln GmbHR 2000, 383. Neben dem Rechtsträger haftet mangels hinreichenden Hinw auf das Fehlen einer voll haftenden nat Pers auch der Handelnde persönlich kraft Rechtsscheins (näher Rn 24). Nach § 179 haftet der Handelnde nur dann selbst, wenn ein Rechtsträger für das Unternehmen/die Organisation gar nicht existiert oder wenn er keine Vollmacht hatte, für den Rechtsträger zu handeln (BGH 91, 148, 152).

8

bb) Einzelfälle. Ein Architekt, der bei der Vergabe von Bauarbeiten ersichtlich als Vertreter des Bauherrn angesehen wird und dazu schweigt, handelt als dessen Vertreter (Köln BauR 1986, 717; Köln NJW-RR 1996, 212; s auch Köln NJW-RR 1999, 1615 bei Handeln für eine Baugesellschaft); zum Umfang der Vollmacht eines Architekten s § 167 Rn 31). – Der Abschluss eines Arzt- oder Krankenhausvertrags erfolgt im Zweifel im Namen des Patienten; jedoch kommt nach den Umständen bei einem Auftrag zu einem Krankentransport auch ein Abschluss namens des Trägers der zuständigen gesetzlichen Krankenversicherung in Betracht (Koblenz NJW-RR 1997, 1183). Zur Vertretung des Arztes durch den Krankenhausträger s BGH 95, 63; 121, 107. Die Verträge mit den Handwerkern schließen Bauträger im eigenen Namen, Baubetreuer idR im Namen ihrer Auftraggeber (BGH 67, 334; 76, 86; NJW 1981, 757; Düsseldorf DB 1978, 583); das gilt bei eindeutigem Wortlaut auch, wenn die Auftraggeber den Handwerkern nicht benannt werden (BGH 76, 86). Ob ein Ehegatte Erklärungen zugleich im Namen des anderen abgibt, ist eine Frage der Auslegung im Einzelfall (BGH 125, 175; Düsseldorf NJW-RR 2001, 1084). – Zum Handeln im elektronischen Rechtsverkehr s Rn 13. Zur (passiven) Vertretung einer Erbengemeinschaft durch einen dazu bevollmächtigten Miterben VG Koblenz NJOZ 2006, 3659. Der Gerichtsvollzieher schließt Verwahrungsverträge iSv §§ 885 III, 808 II ZPO regelmäßig nicht im eigenen Namen, sondern im Namen des Justizfiskus (BGH NJW 1999, 2597; dazu K. Schmidt JuS 2000, 94 mwN). Zur Geschäftsraummiete als unternehmensbezogenes Geschäft LG Berlin NJW-RR 1989, 686; Brandenburg NJW-RR 1999, 1606; Düsseldorf ZIP 2000, 580. – Zum unternehmensbezogenen Geschäft bei einer Gesellschaft mbH BGH NJW 2000, 2984 sowie 496

G. Maier-Reimer

Vertretung und Vollmacht

§ 164

Nürnberg NZG 2001, 231. – Ein Hausverwalter wird im Zweifel namens des Hauseigentümers tätig, auch wenn dessen Name ungenannt bleibt (BGH NJW-RR 2004, 1017; KG NJW-RR 1996, 1523 mwN). Ein Konzerntarifvertrag ist für die Konzerntöchter nur abgeschlossen, wenn das hinreichend verlautbart ist (BAG 124, 240; NJW 2010, 888). Bei der Post kommt es auf die Umstände an, ob der Einlieferer im eigenen Namen oder namens des Absenders handelt (LG München I MDR 1995, 1207). Ein RA einer Sozietät, der unter der Bezeichnung der Sozietät Willenserklärungen abgibt, handelte vor Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR (BGH 146, 341) idR auch für die übrigen Sozietätsmitglieder (BGH 56, 355; 124, 47, 49); das galt sogar, wenn lediglich der äußere Anschein einer Sozietät erweckt war (Frankfurt NJW-RR 2001, 1004); im Falle einer interprofessionellen Sozietät jedoch nur für die qualifizierten Partner (BGH NJW 2009, 1597), dagegen handelt er auch im eigenen Namen, wenn die Sozietät nicht postulationsfähig ist (BGH NJW 2009, 3162). Entspr wird für andere freie Berufe (Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Architekten, beratende Ingenieure usw) gegolten haben. Übernimmt ein RA in einer interprofessionellen Sozietät ein Rechtsberatungsmandat, so kommt der Mandatsvertrag mit der GbR nur zustande, wenn der Anwalt erkennbar für die Sozietät handelt (BGH NJW 2009, 1597). Zur Vertretung beim Reisevertrag § 651a II; § 651a Rn 52; s auch Neuner, Der Reisevermittlungsvertrag, AcP 193, 1, 12ff. Sammelbestellungen – etwa bei einem Versandhaus – können auch dann als Handeln im Namen aller Mitbesteller gewertet werden, wenn deren Namen zunächst nicht genannt werden (Köln NJW-RR 1991, 918; 1996, 43); Ähnliches gilt für die Sammelanmeldung zu einer Fahrt (Frankfurt NJW 1986, 41). Zur Anwendung des § 164 I S 2 im Scheckverkehr BGH 65, 218; NJW 1994, 2082. – Zur Frage, ob ein Schiffsmakler, der einen Frachtvertrag abschließt, sich selbst oder seinen Auftraggeber verpflichtet, K. Schmidt/Blaschczok VersR 1981, 398. – Zur Unternehmensbezogenheit bei einer Schuldanerkenntniserklärung eines GmbH-Geschäftsführers BGH NJW 2000, 2984. – Bei der Anlage eines Sparbuches und Einzahlungen auf ein solches wird nicht der Einzahlende schlechthin Gläubiger (RGSt 43, 17; BGH 21, 148; WM 1972, 383; Canaris NJW 1973, 825); vielmehr kommt es auf die Kontobezeichnung, den Besitz am Sparbuch sowie erkennbare Vorbehalte hins der Verfügungsbefugnis an (s auch § 328 Rn 34). Wird nach einem Verkehrsunfall ein Schuldanerkenntnis abgegeben, so handelt der Fahrzeugführer idR (nur) im eigenen Namen und nicht (auch) im Namen des Fahrzeughalters (LG Freiburg NJW 1982, 1162). – Bei Abschluss eines Versicherungsvertrags können die Grundsätze zum unternehmensbezogenen Handeln auch für die Bestimmung eines Unternehmens als Versicherungsnehmer herangezogen werden; § 43 II VVG ist eine demgegenüber nachrangige Auslegungsregel (BGH NJW-RR 1997, 527 – zu § 74 II VVG aF). Für das Wechselrecht BGH 64, 15 m Anm Schmidt-Salzer NJW 1975, 1511. – Bei Wohnungseigentumsanlagen wird der Verwalter, wenn er etwa Handwerker bestellt, regelmäßig für die Eigentümergemeinschaft tätig (Düsseldorf NZM 2000, 193; s auch Elzer IBR 2007, 2255; Lammel IBR 2007, 78; Flessner IBR 2007, 2611; Vogel IBR 2000, 61 und IBR 2006, 1045 sowie oben zu „Hausverwalter“). Im Einzelfall kann sich aus den Umständen aber auch ein Handeln im eigenen Namen ergeben (Bsp: VerfGH Berlin NJW-RR 2007, 159; Düsseldorf NZM 2007, 504; Saarbrücken NJW-RR 2007, 521). cc) Demgegenüber reicht Handeln in (wirtschaftlichem oder sonstigem) fremdem Interesse allein 9 idR nicht aus, um Handeln in fremdem Namen anzunehmen. Kommissionär und Spediteur werden stets für andere tätig; doch handeln sie idR nicht als Vertreter, sondern im eigenen Namen (§§ 383, 407 HGB). Die Erklärung eines Käufers, die Kaufsache sei für einen anderen bestimmt, macht ihn nicht ohne weiteres zum Vertreter, selbst dann nicht, wenn bei den Verhandlungen von „Vermittlung“ gesprochen wird (München OLG 39, 167); anders beim Gebrauch der Worte „Kauf für einen anderen“ (Hamburg OLG 20, 62f). Auftreten und Abgabe von Erklärungen als „Generalvertreter“ rechtfertigen für sich allein nicht schon den Schluss, dass namens des Unternehmens gehandelt wird, dessen „Generalvertreter“ der Handelnde ist, da dieser Ausdruck idR nur eine Berufsbezeichnung ist (Celle NJW 1956, 383). Wer als Beauftragter eines anderen oder in dessen Interesse ein Rechtsgeschäft abschließt, ist dessen Vertreter nur, wenn weitere Umstände erkennen lassen, dass er nicht im eigenen Namen, sondern im Namen des anderen abschließt. Andernfalls ist der Beauftragte Leistungsempfänger auch iSv § 15 UStG (BFH BStBl II 2010, 243). c) Möglich ist auch, dass der Vertreter zugleich in fremdem und im eigenen Namen handelt (BGH 10 NJW 1988, 1908, 1909 mwN). Anhaltspunkte können Sinn und Zweck des Vertrags, eigenes Interesse des Vertreters, aber auch begründetes Interesse des Geschäftspartners daran sein, sich nicht ausschließlich mit Ansprüchen gegen den Vertretenen begnügen zu wollen (BGH MDR 1966, 213). Auch Vertretungsgeschäfte eines Gesellschafters einer GbR können hierzu gehören. 3. Beim Handeln unter fremdem Namen (allg dazu Köhler, FS Schippel 1996, 209, 212f; Letzgus 11 AcP 126, 27 und 137, 327; Lieb JuS 1967, 106; Ohr AcP 152, 216; Redeker NJW 1984, 2393; Weber JA 1996, 426) tritt der Handelnde nicht im Namen des Vertretenen auf; er verwendet vielmehr einen anderen als seinen eigenen Namen und gibt vor, selbst der Bezeichnete zu sein. Ob in solchen Fällen ein Fremdgeschäft oder ein Eigengeschäft des Handelnden anzunehmen ist, hängt grds davon ab, ob die falsche Namensangabe beim Geschäftsparnter eine unrichtige Identitätsvorstellung erweckt oder nicht (MüKo/Schramm Rn 41ff). Ohne unrichtige Identitätsvorstellung des Geschäftspartner liegt ein Eigengeschäft des Handelnden unter falschem (aber mangels Identifizierung eines anderen nicht fremdem) Namen vor. Erweckt hingegen der Gebrauch des falschen Namens beim Geschäftspartner eine unrichtige Iden- 12 titätsvorstellung, so steht das Handeln unter fremdem Namen der Stellvertretung gleich; auf den Willen des Handelnden, ein Eigengeschäft vorzunehmen, kommt es nicht an; die Wirkungen hängen davon ab, ob der Handelnde Vertretungsmacht hatte (dann Anwendung des § 164 I) oder nicht (dann Anwendung der §§ 177, 179; RG 145, 87; BGH 45, 193, 195; WM 1990, 1451; Lieb JuS 1967, 106). Die UnG. Maier-Reimer

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Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

terschiede sind vor allem bei Verfügungen eines Nichtberechtigten unter dem Namen des Berechtigten bedeutsam (zB Übereignung des unterschlagenen Pkw unter dem Namen des im Kfz-Brief eingetragenen Eigentümers, Düsseldorf NJW 1989, 906 gegen Düsseldorf NJW 1985, 2484). Unberührt bleibt ggf das Anfechtungsrecht des Geschäftspartners (§§ 119 II, 123), wenn für ihn, namentlich bei Geschäften unter Anwesenden, sowohl die Identität des Handelnden als auch die des – mit diesem vermeintlich identischen – Namensträgers bedeutsam sind. Zur Frage einer – nach Wahl des Geschäftsgegners – alternativen Verpflichtung des Geschäftsherrn oder des Handelnden s Lüderitz JuS 1976, 766; wenig überzeugend nimmt Oldenburg OLG 1979, 30 eine kumulative Haftung nach Rechtsscheingrundsätzen an. 13

Ebenfalls zum Handeln unter fremdem Namen gehört der Fall der Unterzeichnung einer Urkunde mit dem Namen des Vertretenen (RG 74, 69, 72; BGH 45, 193, 195; Lieb JuS 1967, 106; Dietrich DB 1974, 2141; Medicus AT Rn 908; hM; zur abw Beurteilung für das Steuerrecht: BFH BB 1998, 198 mwN). Bei beurkundungsbedürftigen Rechtsgeschäften führt die Verwendung eines falschen oder fremden Namens zur Nichtigkeit (MüKo/Schramm Rn 46), während die gesetzliche Schriftform auch ein Handeln unter fremdem Namen zulässt (RG 74, 69). – Zum Handeln unter fremdem Namen im elektronischen Rechtsverkehr München NJW 2004, 1328, 1329; Köln NJW 2006, 1676; Hamm NJW 2007, 611; LG Aachen NJW-RR 2007, 565; Borges NJW 2005, 3313; zur Beweislast Hamm NJW 2007, 611. Zum „Handeln unter fremder Nr“ (etwa im Bankverkehr oder im Bereich der Telekommunikation) Hanau VersR 2005, 1215; s auch BGH 166, 369 (R-Gespräche); zu den Sorgfaltspflichten beim Online Banking AG Wiesloch WM 2008, 1648; s ferner § 167 Rn 40 sowie Pal/Ellenberger § 172 Rn 18.

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4. Beim Geschäft für „den, den es angeht“ (dazu Kl. Müller JZ 1982, 777; K. Schmidt JuS 1987, 427) sollen die Wirkungen auch ohne Offenlegung eines Handelns „in fremdem Namen“ unmittelbar einen anderen als den Handelnden treffen. Voraussetzung dafür ist nach allg M, dass es dem Geschäftspartner wie vor allem bei Bargeschäften des täglichen Lebens gleichgültig ist, mit wem er kontrahiert, weil dann der durch den Offenheitsgrundsatz bezweckte Schutz des Geschäftspartners entbehrlich sei (Soergel/Leptien vor § 164 Rn 29; Staud/Schilken vor § 164 Rn 53). Hinzu kommen müssen nach wohl hM objektive Anhaltspunkte für einen Fremdwirkungswillen (Staud/Schilken vor § 164 Rn 53; MüKo/Schramm Rn 55; aM Soergel/Leptien vor § 164 Rn 29). Ein Bedürfnis für die Anerkennung der unmittelbaren Fremdwirkung des Geschäft für den, den es angeht, besteht nur, wenn ein Durchgangserwerb durch den Handelnden vermieden werden soll oder eine Weiterübertragung von dem Handelnden an den Hintermann nicht (mehr) erfolgt oder nicht nachweisbar ist. Das Bedürfnis beschränkt sich auf Verfügungsgeschäfte, namentlich im Mobiliarsachenrecht. Problematisch ist die aus der Anerkennung entstehende Unklarheit der Eigentumsverhältnisse (Flume § 44 II 2c; dagegen Einsele JZ 1990, 1005, 1009). Nur für Mobiliarübereignungen im Rahmen von Bargeschäften hat die Rspr eine solche unmittelbare Fremdwirkung anerkannt (RG 100, 192; BGH 114, 74; Düsseldorf NJW 1992, 1706 – jeweils zum Erwerb von Hausratsgegenständen durch einen Ehegatten oder Lebenspartner; ferner RG 99, 208 – Barkauf von Pferden zum sofortigen Weiterverkauf). In zahlreichen anderen Fällen hat der BGH das Prinzip zwar anerkannt, seine Voraussetzungen im konkreten Fall jedoch verneint (NJW 1955, 587; 1991, 2959; NJW-RR 2003, 921). Beim Eigentumserwerb „für den, den es angeht“, wird die Übergabe durch ein antizipiertes Besitzkonstitut ersetzt, sofern nicht der Handelnde als Besitzdiener dem Hintermann den Besitz vermittelt. Bei dem Kausalgeschäft werden die Voraussetzungen – Gleichgültigkeit der Identität des Geschäftspartners – idR nicht vorliegen. Ist der Partner des Verfügungsgeschäfts deshalb nicht identisch mit demjenigen des Kausalgeschäfts, so ist dies unschädlich, weil nach den Umständen das Kausalgeschäft durch die Übereignung an den Hintermann erfüllt wird (§ 362 II). Ein gesetzlich geregelter Fall ist § 1646 (dazu Flume § 44 II 1d).

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Liegen die Voraussetzungen des Geschäfts für „den, den es angeht“ deshalb nicht vor, weil der Handelnde erklärtermaßen im eigenen Namen abschließen will, so kommt eine nachträgliche Umdeutung des Vertrags aufgrund eines einseitigen Willensentschlusses in einen Vertrag, der im Namen eines anderen geschlossen ist, nicht in Betracht; das gilt selbst dann, wenn anzunehmen ist, dass dem Vertragsgegner die Person des Leistungspflichtigen gleichgültig ist (BGH NJW 1955, 588). Behält sich der Handelnde stillschw die Bestimmung des Geschäfts als eines Eigen- oder Fremdgeschäfts vor, so ist ein Eigengeschäft anzunehmen, auch wenn dem Geschäftsgegner die Person des Vertragspartners gleichgültig ist. Die nachträgliche Bestimmung als Fremdgeschäft könnte nicht zurückwirken (s Rn 5). Dem Geschäftsgegner kann es aber nicht gleichgültig sein, ob er sein Eigentum sofort oder erst zu einem späteren, ihm uU gar nicht bekannten Zeitpunkt verliert; anders, wenn die Bestimmung als Eigen- oder Fremdgeschäft oder des Vertretenen ausdr vorbehalten bleibt (s Rn 4f).

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5. Vertretungsmacht. Der Vertreter muss die Willenserklärung innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht abgeben. a) Die Vertretungsmacht wird durch Rechtsgeschäft (Vollmacht, § 167 II), durch Bestellung zum Organ mit Vertretungsmacht (im Recht der Gesellschaften und Körperschaften, dazu Vor § 164 Rn 14) oder durch Gesetz (Vor § 164 Rn 13) begründet. Sie muss im Zeitpunkt der Abgabe oder Entgegennahme der Willenserklärung vorliegen (§ 177 Rn 5).

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b) Aufgrund der Vertretungsmacht kann der Vertreter rechtsgeschäftliche Wirkungen für und gegen den Vertretenen herbeiführen (Außenverhältnis). Entstehung, Fortbestand und Reichweite der Vertretungsmacht sind streng von den Beziehungen zw Vertreter und Vertretenem (Innenverhältnis) zu unterscheiden, das bestimmt, ob und wie er handeln darf (Abstraktionsprinzip; Vor § 164 Rn 6). Die Vertretungsmacht ist eine Rechtsmacht, jedoch kein subjektives Recht; sie ist nicht selbständig abtretbar oder pfändbar (s aber § 168 Rn 18), kann jedoch unter bestimmten Voraussetzungen im Wege der Rechtsnachfolge – etwa bei Umwandlung oder Verschmelzung von Unternehmen oder bei 498

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Vertretung und Vollmacht

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der sog transmortalen Vollmacht – auf einen anderen übergehen (§ 168 Rn 10ff, 18). Die Rechtsmacht des Vertreters tritt zusätzlich neben die des Vertretenen; dieser bleibt also trotz Erteilung der Vollmacht selbst zum Abschluss entspr Geschäfte zuständig (§ 167 Rn 1). c) Der Umfang der Vertretungsmacht richtet sich bei gesetzlicher und organschaftlicher Vertre- 18 tung nach der jeweiligen gesetzlichen und/oder satzungsmäßigen Regelung, bei gewillkürter Vertretung nach dem Inhalt der Vollmacht. Näheres über Erteilung und Umfang der rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht § 167 Rn 2ff, 8, 48ff. Bei Fehlen oder Überschreitung der Vertretungsmacht gelten §§ 177, 179, 180. Zum Missbrauch der Vertretungsmacht § 167 Rn 70ff. – Zur Beschränkung der Vertretungsmacht durch Vereinssatzung BGH NJW 1980, 2799; durch Gesellschaftsvertrag der GbR BGH NJW-RR1996, 673; zur Behördenvertretung auch BVerwG NJW 1996, 608ff; BGH NJW 2001, 2626 (Gemeinde, nur mit Unterschrift des Bürgermeisters); BGH NJW 1999, 2597 (Gerichtsvollzieher); von Versicherungsagenten BVerwG NJW 1998, 3216; BGH VersR 1999, 565 m Anm Lorenz. 6. Vertretungswille? Die Stellvertretung erfordert keinen inneren Vertretungswillen (Larenz/Wolf 19 AT § 46 Rn 98). Die objektiv in fremdem Namen mit Vertretungsmacht abgegebene Erklärung wirkt für und gegen den Vertretenen; ein abw innerer Wille kann – wie bei jeder Willenserklärung – allenfalls durch Anfechtung geltend gemacht werden (Rn 26). Hiervon zu unterscheiden ist der Fall, dass der Vertreter in fremdem Namen handelt, von seiner Vertretungsmacht aber erkennbar keinen Gebrauch machen will, dazu § 177 Rn 6. II. Folgen wirksamer Stellvertretung 1. Im Verhältnis zw Vertretenem und Geschäftspartner wirken die vom Vertreter (im Namen und 20 mit Vertretungsmacht des Vertretenen) abgegebenen Willenserklärungen unmittelbar und ausschließlich für und gegen den Vertretenen. Rechte und Pflichten entstehen originär in der Person des Vertretenen; sie werden nicht vom Vertreter als „Durchgangsperson“ abgeleitet. Auch Gestaltungsrechte aus dem Vertretergeschäft stehen allein dem Vertretenen zu, zB Anfechtungs-, Rücktrittsrechte; ob der Vertreter den Vertretenen in der Ausübung solcher Gestaltungsrechte wirksam vertreten kann, hängt vom Umfang seiner Vertretungsmacht ab. § 164 I betrifft nur die rechtsgeschäftlichen Wirkungen des Vertreterhandelns. Dazu gehört auch 21 die Begründung eines vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses (dazu auch § 311 II); daraus kann sich eine Haftung des Vertretenen für den Vertreter aus cic/§ 311 II iVm § 278 oder § 831 ergeben (BGH 92, 164, 175; NJW 1974, 1505; NJW-RR 1998, 1342). 2. Das Verhältnis zw Vertretenem und Vertreter richtet sich nach dem der Vollmacht zugrundelie- 22 genden Rechtsverhältnis (Vor § 164 Rn 4). 3. Zw Vertreter und Geschäftsgegner ergeben sich aus der Stellvertretung keine rechtsgeschäftli- 23 chen Wirkungen; diese beschränken sich ausschließlich auf das Rechtsverhältnis zw Vertretenem und Geschäftsgegner (Rn 20f). Das schließt jedoch eine Eigenhaftung des Vertreters nicht aus, sofern in dessen Person die entspr Voraussetzungen erfüllt sind. Das versteht sich für die Deliktshaftung des Vertreters (§§ 823ff; Bsp: BAG NZA 2006, 729 und NZA 2007, 693, Voraussetzungen in casu jeweils verneint) von selbst. Es kann aber auch zw Vertreter und Geschäftsgegner unter besonderen Umständen ein eigener Auskunfts- und Beratungsvertrag mit entspr Pflichten – idR freilich des Geschäftsherrn – geschlossen sein (dazu BGH 140, 111; NJW-RR 2006, 109 zu den eigenen Beratungspflichten des Anlagevermittlers BGH 158, 110, 116) ferner kann auch eine Vertreterhaftung aus cic/§ 311 III oder pFV in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen, sofern ein eigenes Schutzverhältnis zw Vertreter und Geschäftspartner vorliegt, oder wenn der Vertreter dem Geschäftspartner ggü besonderes Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat; näher § 311 Rn 47ff. Soweit sich das in Anspruch genommene Vertrauen auch auf die Vertragsdurchführung bezieht, kommt auch eine Haftung des Vertreters für Pflichtverletzungen nach Vertragsschluss in Betracht (BGH 70, 337, 344; Canaris VersR 1965, 114; Nirk, FS Hauß, 1978, 267). 4. Nach Rechtsscheinsgrundsätzen haftet, wer bei Vertretung einer GmbH oder GmbH & Co im 24 Geschäftsverkehr entgegen § 4 GmbHG oder § 19 II HGB keinen die Haftungsbeschränkung kennzeichnenden Zusatz in der Firma verwendet und dadurch den Eindruck hervorruft, es hafte aus dem Geschäft mindestens eine nat Pers (BGH 64, 17; 71, 354; NJW 1981, 2569 – Geschäftsführer als Vertreter; NJW 1991, 2627 m Anm Canaris – anderer Vertreter; 1996, 2645 – VorGmbH; krit dazu Haas NJW 1997, 2854, 2855ff). Das gilt nicht für den mündlichen Geschäftsabschluss (BGH NJW 1981, 2569, 2570; Hamm NJW-RR 1998, 1253; s aber Naumburg NJW-RR 1997, 1324). Zu entspr Grundsätzen bei der Vertretung einer ausl Kapitalgesellschaft BGH NJW 2007, 1529; dazu Kindler NJW 2007, 1785 und Altmeppen ZIP 2007, 889; anders für die Haftung des Handelnden aus § 11 II GmbHG für eine nicht im Handelsregister eingetragene britische Limited: Hamm NJW-RR 2006, 1631. Die Rechtsscheinshaftung trifft stets nur den für die Gesellschaft Auftretenden ohne Rücksicht darauf, ob er als Organvertreter oder als rechtsgeschäftlicher Vertreter handelt und von wem er seine Vollmacht ableitet (BGH NJW 1996, 2645 m Anm Noack in LM § 164 Nr 79; NJW 2007, 1529, 1531, zust Kindler NJW 2007, 1785). III. Nicht erkennbarer Vertretungswille (§ 164 II) 1. Bedeutung der Vorschrift. Ob jemand als Vertreter für einen anderen handeln will, ist durch Aus- 25 legung zu ermitteln (oben Rn 6). Will der Vertreter in fremdem Namen handeln, ist dieser Wille aber nicht erkennbar, so gilt seine Willenserklärung mangels Offenlegung der Vertretung als Handeln im eigenen Namen (zum Geschäft für „den, den es angeht“ s aber Rn 14). Das ergibt sich bereits aus allg G. Maier-Reimer

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Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

Grundsätzen. Die Bedeutung von § 164 II liegt in dem Ausschluss der Anfechtung (§ 119 I) wegen eines Mangels des Willens, im eigenen Namen zu handeln (BGH NJW-RR 1992, 1010, 1011; MüKo/ Schramm Rn 62). 26

2. Abgrenzung. Nicht von § 164 II erfasst ist der umgekehrte Fall, dass jemand im eigenen Namen handeln will, seine Erklärung aber als das Handeln für einen anderen aufzufassen ist. Für diesen Fall ist die Anfechtung nicht durch § 164 II ausgeschlossen (MüKo/Schramm Rn 65; Staud/Schilken Rn 21; aA Pal/Ellenberger Rn 16 aufgrund Überinterpretation von BGH 36, 30, 34 sowie Fikentscher AcP 154, 1, 16ff). – Wem das Recht zur Anfechtung zusteht, hängt von der Wirksamkeit der Stellvertretung ab: Lag das Geschäft innerhalb der Vertretungsmacht, hat nur der Vertretene das Anfechtungsrecht, das aber auch vom Vertreter ausgeübt werden kann, wenn es von seiner Vertretungsmacht umfasst ist; wirkt aber das Geschäft mangels Vertretungsmacht nicht für und gegen den Vertretenen, kann der Vertreter anfechten (str; wie hier MüKo/Schramm Rn 66; Staud/Schilken Rn 21; aM Soergel/Leptien Rn 12: Immer Anfechtungsrecht des Vertretenen; wieder anders Flume § 44 III: immer Anfechtungsrecht des Vertreters). B. Passive Stellvertretung (§ 164 III)

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1. Inhalt der Vorschrift. Passive Vertretung liegt vor, wenn eine Willenserklärung an einen anderen als denjenigen abgegeben wird, dem ggü sie wirken soll. Auf sie finden die Regeln des § 164 I entspr Anwendung. Dh: Der passive Vertreter handelt nicht, es handelt der Erklärende ihm ggü aufgrund der – bestehenden oder angenommenen – Empfangszuständigkeit des Passivvertreters. Da dieser nicht handelt, kommt es auch auf seinen – inneren oder erkennbar gemachten – Vertretungswillen nicht an. Erforderlich ist aber, dass der Handelnde erkennbar eine Erklärung an den Vertretenen abgeben will (MüKo/Schramm Rn 133). Soweit Empfangsvertretungsmacht besteht, wirkt die Erklärung ohne weiteres wie bei Abgabe an den Vertretenen. Grds ist unter den allg Voraussetzungen passive Stellvertretung auch ohne Vertretungsmacht möglich (BGH NJW 1996, 1062; s § 177 Rn 2; § 180 S 3). Bei Gesamtvertretung genügt grds die Erklärung ggü einem Gesamtvertreter (hM; BGH 62, 166, 173; 149, 28, 31; s § 28 II, §§ 78 II S 1 AktG, 35 II S 3 GmbHG).

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2. Abgrenzung. Vom passiven Stellvertreter ist der Empfangsbote (§ 120 Rn 2) zu unterscheiden. Der passive Stellvertreter ist anders als der Bote selbst Adressat und Empfänger der Erklärung. Beim Boten ist die Erklärung zu dem Zeitpunkt zugegangen, zu dem nach dem regelmäßigen Lauf der Dinge damit zu rechnen ist, dass der Empfangsbote die Erklärung an den Empfänger weitergibt, während es beim passiven Vertreter ausschließlich auf den Zugang bei diesem selbst ankommt (Soergel/Leptien Rn 37). Für den „Empfängerhorizont“ kommt es beim Boten auf das Verständnis des Geschäftsherrn, beim passiven Stellvertreter hingegen auf dessen Sicht an (Larenz/Wolf AT § 46 Rn 41f); dasselbe gilt für Wissen und Wissenmüssen.

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C. Die Beweislast hat, wer für sich selbst oder den Gegner wirksame Stellvertretung geltend macht (vgl BGH NJW 1986, 1675; s auch BGH NJW-RR 1992, 1010); Zweifel gehen zu seinen Lasten. Das gilt für das Handeln in fremdem Namen, für die Person des Vertretenen und für die Vertretungsmacht (BGH NJW 1975, 775; 1986, 1675; 1991, 2958; NJW-RR 1992, 1010). Gleiches gilt, wenn str ist, ob der Handelnde eine Zahlung in fremdem Namen angenommen hat (Frankfurt NJW-RR 1988, 108). Die Voraussetzungen eines unternehmensbezogenen Geschäfts (Rn 7) muss beweisen, wer daraus für sich Rechtsfolgen ableitet (BGH NJW 1986, 1675; 1995, 43; 2000, 2984, 2985). Zur Wirkung der Streitverkündung, wenn im Vorprozess die Klage mangels Beweises einer Vertretung abgewiesen wurde BGH 85, 252. Wenn unstr oder erwiesen ist, dass sich das Geschäft auf ein Unternehmen/eine Organisation bezieht, wird – widerlegbar – vermutet, dass namens des Unternehmens/der Organisation gehandelt worden ist (BGH NJW 1984, 1347f; 1986, 1675). Zur Beweislast bei einer Klage gegen den Vertreter ohne Vertretungsmacht § 179 Rn 28f.

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Beschränkt geschäftsfähiger Vertreter Die Wirksamkeit einer von oder gegenüber einem Vertreter abgegebenen Willenserklärung wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass der Vertreter in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist.

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1. Bedeutung. Nach § 165 kann auch eine beschränkt geschäftsfähige Person Vertreter iSv §§ 164ff sein. Hat der Vertreter Vertretungsmacht so treten die Wirkungen seines Handelns nur in der Person des Vertretenen (§ 164 I S 1) und nicht in der Person des Vertreters ein (§ 164 Rn 20ff; s aber § 311 Rn 47ff). Hat ein beschränkt geschäftsfähiger Verteter keine Vertretungsmacht, so ist seine Haftung aus § 179 grds ausgeschlossen (§ 179 III S 2). Deshalb können dem beschränkt geschäftsfähigen Vertreter aus der Vertretung keine rechtlichen Nachteile erwachsen. Seinem Schutzbedürfnis ist damit genügt. Auf Geschäftsunfähige ist die Bestimmung nicht anwendbar (Rn 5). Allg zu § 165 Chiusi Jura 2005, 532.

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2. Anwendungsbereich. a) Hauptanwendungsfall ist die gewillkürte Stellvertretung. Die Bevollmächtigung (§ 167) ist einseitiges Rechtsgeschäft (§ 167 Rn 2); sie bedarf daher nicht der Mitwirkung des Bevollmächtigten und, wenn dieser beschränkt geschäftsfähig ist, auch nicht seines gesetzlichen Vertreters. Das gilt wegen der Abstraktheit der Vollmacht (Vor § 164 Rn 6) auch, wenn das zugrunde liegende Rechtsverhältnis (zB Auftrag, Dienstvertrag) nach §§ 107ff wegen der beschränkten Geschäftsfähigkeit schwebend unwirksam oder wegen Verweigerung der Genehmigung endgültig unwirksam ist. – Wenn der Vollmachtgeber die beschränkte Geschäftsfähigkeit des Bevollmächtigten nicht kannte, kommt eine Anfechtung der Bevollmächtigung wegen Irrtums über eine verkehrs-

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wesentliche Eigenschaft des Bevollmächtigten (§ 119 II) in Betracht (zur Vollmachtsanfechtung s § 167 Rn 44ff). b) Ist ein gesetzlicher Vertreter beschränkt geschäftsfähig, so gilt § 165 auch für seine aktive und 3 passive Vertretung. Allerdings steht die Beschränkung seiner Geschäftsfähigkeit idR bereits seiner Vertretungsmacht entgegen (§§ 1673 II, 1915, 2201). Für andere Vermögensverwalter muss das entspr gelten (MüKo/Schramm Rn 6 mwN). c) Die Bestellung eines beschränkt Geschäftsfähigen zum Organmitglied einer jur Pers (zB zum 4 Vorstandsmitglied eines Vereins) ist im Prinzip möglich, sofern der gesetzliche Vertreter zustimmt (§ 27 Rn 3), für die AG und die GmbH aber ausgeschlossen (§§ 76 III, 100 I AktG, 6 II S 1 GmbHG). Beschränkt Geschäftsfähige können zwar persönlich haftende Gesellschafter einer Personengesellschaft sein; für ihr Handeln als Vertreter (§ 125 HGB) gilt § 165 aber nicht (Baumbach/Hopt § 125 Rn 10). 3. Abgrenzungen. Nicht unter § 165 fallen: a) Das Handeln eines geschäftsunfähigen Vertreters. 5 Dessen Willenserklärung ist nach § 105 nichtig. Deshalb kann er einen anderen auch nicht rechtswirksam vertreten (aM aus verfassungsrechtlichen Gründen Canaris JZ 1987, 993, 998; dagegen Wieser JZ 1988, 493f, Replik Canaris JZ 1988, 494, 498). Das gilt auch für (geschäftsunfähige) Organe jur Pers (BGH 53, 210, 214; 115, 78, 80f) und von ihnen vorgenommene Vertreterbestellungen (BGH 158, 1, 7). Die – erst nachträglich eintretende – Geschäftsunfähigkeit der Organe führt zum Erlöschen der Organstellung (BGH 115, 78, 80). Den guten Glauben an den Fortbestand der Organstellung mit Vertretungsmacht schützt § 15 HGB (BGH 115, 78), nicht aber den guten Glauben an die – im Handelsregister nicht verlautbarte – Geschäftsfähigkeit des Vertreters (BGH 53, 210, 215; 115, 78, aM Vorinstanz München JZ 1990, 1029 m Anm Roth). Dennoch kann der Geschäftsherr nach Rechtsscheinsgrundsätzen an das Handeln gebunden sein, wenn er (im Falle einer GmbH: die Gesellschafter) trotz Erkennbarkeit der Geschäftsunfähigkeit nicht einschreitet (BGH 115, 78, 81ff, zust MüKo/Schramm Rn 13; s auch Hamm NJW 1967, 1041 m abl Anm Prost). b) Der Prozessvertreter muss (arg §§ 79, 51, 52 ZPO) geschäftsfähig sein (hM: Staud/Schilken 6 Rn 10; Stein/Jonas/Bork § 79 ZPO Rn 1, Rn 2, 12ff; für die freiwillige Gerichtsbarkeit § 10 II S 2 Nr 2 FamFG; Staud/Schilken Rn 10 mwN). c) Bote kann auch ein geschäftsunfähiges Kind sein (Medicus AT Rn 886).

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166

Willensmängel; Wissenszurechnung (1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht. (2) Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht) der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen. Dasselbe gilt von Umständen, die der Vollmachtgeber kennen musste, sofern das Kennenmüssen der Kenntnis gleichsteht. I. 1. 2. 3.

Allgemeines Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Persönliche Eigenschaften . . . . . . . . . . . .

1 2 4

II. Willensmängel, Auslegung 1. Willensmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. 1. 2. 3.

Kennen und Kennenmüssen . . . . . . Sachlicher Anwendungsbereich . . . . Persönlicher Anwendungsbereich . . . Wissenszurechnung jenseits von § 166

. . . .

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4. 5. 6. 7. 8. 9.

Wissensvertreter . . . . . . . . . . Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . Versicherungsvertragsrecht . . . . Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . Fristbeginn, Haftungsverschärfung Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . .

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IV. Kenntnis/Kennenmüssen des Geschäftsherrn (§ 166 II) 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Willensmängel bei Weisung oder Spezialvollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Allgemeines 1. Bedeutung. Unmittelbar regelt die Vorschrift, nach wessen Person es sich im Falle eines Vertre- 1 tergeschäfts richtet, ob relevante Willensmängel bestehen oder der Erklärende einen Umstand kennt oder kennen muss. Willensmängel führen idR zu einem Rechtsvorteil, denn sie befreien den Betroffenen von den sonst eintretenden Folgen seiner Erklärung oder geben ihm die Möglichkeit, sich davon zu befreien. Wo das Gesetz dagegen auf Kennen oder Kennenmüssen abstellt, knüpft es daran idR einen Rechtsnachteil. Das Vertretergeschäft beruht auf dem Willen und der Erklärung des Vertreters (§ 164 I). Deshalb müssen die Willenserfordernisse in seiner Person erfüllt sein (§ 166 I). Ebenso kommt es zunächst auf die Kenntnis oder das Kennenmüssen des Vertreters an. Sofern aber der Vertretene das Verhalten des Vertreters durch Weisungen steuert, zählt auch sein Wissen oder Kennenmüssen (§ 166 II). Über den unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus gilt die Vorschrift als Grundlage für die Zurechnung des Wissens von Personen, die an dem konkreten Geschäft nicht beteiligt sind (Rn 10ff, 17ff). Zu dem daraus resultierenden Spannungsverhältnis zw Willensmängeln und zugerechnetem Wissen s Rn 7, 8, 14. § 166 I stellt undifferenziert für Willensmängel wie für Kennt-

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Rechtsgeschäfte

nis und Kennenmüssen auf die Person des Vertreters ab. Nach den neuen Entwicklungen zum Thema Wissenszurechnung (Rn 18ff) ist indessen zu differenzieren. 2

2. Vertreter. a) Abschlussvertreter. Vertreter iSd Vorschrift ist in erster Linie der Abschlussvertreter. Es muss also ein Fall der Stellvertretung vorliegen. Hierher gehören die gewillkürte und die organschaftliche Vertretung wie auch die gesetzliche Stellvertretung (BGH 38, 65, 66; aM für den gesetzlichen Vertreter eines Kindes bei der Vaterschaftsanfechtung Rostock DAVorm 1995, 388; dagegen mit Recht Böckermann FamRZ 1996, 238; zur Kenntnis des Nachlasspflegers von der Zahlungsunfähigkeit des Nachlasses BGH NJW 2005, 756). Beim Abschluss durch einen Untervertreter ist dessen Willensmangel oder Kenntnis maßgeblich (BGH NJW 1984, 1953, 1954). Unter § 166 I fällt auch die Vertretung ohne Vertretungsmacht, sofern der Vertretene nachträglich genehmigt (BGH NJW 1992, 899, 900; 2000, 2272, 2273 mwN = LM Nr 39 m Anm Meller-Hannich = JR 2001, 284 m Anm Thiessen; andernfalls kommt es nach § 179 ohnehin nur auf die Person des vollmachtlosen Vertreters an). Für den mittelbaren Stellvertreter kommt es auf § 166 I nicht an, weil Erklärung und Wirkung in einer Person, nämlich der des mittelbaren Stellvertreters zusammenfallen. Für ihn gilt auch § 166 II nicht. Für andere Personen, die an dem Zustandekommen des Geschäfts vorbereitend, bspw als Verhandlungsgehilfen, beteiligt waren, s Rn 8 und 16.

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b) Wissenserklärungsvertreter. Kein echter Abschlussvertreter ist der – meist im Versicherungsrecht begegnende – Wissenserklärungsvertreter, der namentlich zur Erfüllung von Informationsobliegenheiten eingesetzt wird (Staud/Schilken vor § 164 Rn 86; Bruck/Möller/Heiss VVG § 28 Rn 96ff). Auf seine – geschäftsähnlichen – Erklärungen ist § 166 I analog anwendbar (BGH 122, 388; Düsseldorf NJW-RR 1999, 756), jedoch nicht, wenn er die vom Versicherten selbst unterzeichnete Erklärung nur vorbereitet (BGH NJW 1968, 447). Die Ehefrau des bewusstlosen Versicherungsnehmers ist nicht ohne weiteres seine Wissenserklärungsvertreterin (BGH 122, 388).

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3. Persönliche Eigenschaften, Verbraucherrecht. a) Nicht von § 166 I erfasst wird der Fall, dass die Gültigkeit eines Vertrags oder seine Wirkungen von persönlichen Eigenschaften (zB Verbraucher, Kaufmann, Verwandtschaft) abhängen. Hier entscheiden ausschließlich die Verhältnisse des Vertretenen, da es sich nicht um die Vornahme, sondern um die Wirkung des Geschäfts handelt (Soergel/ Leptien Rn 27).

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b) Für die Anwendung der Verbraucherschutzbestimmungen bei Haustürgeschäften (§§ 312, 312a) kommt es darauf an, ob sich der Vertreter bei Vertragsschluss in einer Haustürsituation befunden hat (BGH 144, 223; NJW 2000, 2270; 2003, 2319; dazu auch Eckardt, Verbraucherschutz und Repräsentationsprinzip, 2006). II. Willensmängel, Auslegung

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1. Willensmängel. a) Willensmängel iSd § 166 I sind die Fälle der §§ 116–123. Beim Scheingeschäft (§ 117 I) kommt es auf das Einverständnis zw Vertreter und Geschäftsgegner an, bei § 116 S 2 darauf, ob der Vertreter den Vorbehalt kennt (MüKo/Schramm Rn 4). Für § 119 kommt es auf den Irrtum des Vertreters, nicht des Vertretenen an (RG 106, 200, 204). Maßgeblich für die Erheblichkeit des Irrtums ist, wie der Vertreter bei verständiger Würdigung der Verhältnisse und der Interessen des Vertretenen gehandelt hätte (Staud/Schilken Rn 13). Anfechtungsberechtigt ist stets der Vertretene, da ihn die Folgen der Willenserklärung treffen; umfasst die Vollmacht auch die Ausübung des Anfechtungsrechts, kann auch der Vertreter die Anfechtung erklären. Zum Irrtum des Vertreters über die Fremdwirkung seines Handelns § 164 Rn 26. – Zur Anfechtung wegen eines Irrtums des Vertretenen unter den Voraussetzungen des § 166 II s Rn 40; zur Anfechtbarkeit der Vollmacht § 167 Rn 44ff. Ist der Vertreter arglistig getäuscht oder widerrechtlich bedroht worden (§ 123), kann der Vertretene anfechten. Ist der getäuschte Vertretene beim Abschluss durch den Vertreter (Prozessbevollmächtigten) anwesend, kann eine Anfechtung möglich sein (BGH 51, 145). Zur arglistigen Täuschung durch den Vertreter oder durch den Vertretenen § 123 Rn 30ff. Zur Anfechtung durch den Vertreter ohne Vertretungsmacht § 179 Rn 6; s auch § 164 Rn 26.

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b) Im Falle der Gesamtvertretung genügt es, wenn der Willensmangel bei einem der handelnden Vertreter vorlag (MüKo/Schramm Rn 14; RG 78, 347, 354 – subjektive Voraussetzungen für §§ 134, 138 nur bei einem der Gesamtvertreter; BGH 53, 214 – Geschäftsunfähigkeit eines der Gesamtvertreter). Irrtumsausschließende Kenntnis eines handelnden Gesamtvertreters heilt trotz Wissenszurechnung (Rn 31) den Willensmangels des anderen nicht (Rn 14). Für die Nichtigkeit gem § 117 I genügt es, wenn einer der Gesamtvertreter mit dem Simulationswillen der anderen Seite einverstanden ist (BGH NJW 1999, 2882 = LM § 116 BGB Nr 6 m Anm Singer; aM Hein ZIP 2005, 191, 194); dann fehlt bei einem der Gesamtvertreter der ernstliche Geschäftswille. Dient die Simulationsabrede aber der Täuschung des Vertretenen, so kann sich der Gegner auf sie nicht berufen; sie wirkt dann wie ein geheimer Vorbehalt, weil die Kennntis des kollusiv handelnden Gesamtvertreters nicht zuzurechnen ist (BGH NJW 1999, 2882).

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c) Willensmängel von Verhandlungsbevollmächtigten und Vermittlern werden von § 166 I nicht erfasst, da diese das Rechtsgeschäft nicht selbst tätigen. Jedoch kann sich der Geschäftsherr auf den Irrtum des Verhandlungsbevollmächtigten oder des Vermittlers berufen, wenn er auf dessen Verhandlungen vertraut (MüKo/Schramm Rn 15; möglicherweise kommt auch eine unmittelbare Anwendung des § 119 in Betracht, wenn dessen Voraussetzungen in der Person des Geschäftsherrn vorliegen). Die mit einem solchen Gehilfen getroffene Abrede des Scheingeschäfts hat auf die Wirksamkeit jedenfalls eines notariell beurkundeten Geschäfts keinen Einfluss, wenn der beim Geschäftsabschluss Handelnde sie nicht kennt; sein fehlender Scheingeschäftswille kann nicht durch eine Wis502

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Vertretung und Vollmacht

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senszurechnung ersetzt werden (BGH 144, 331 = LM § 117 BGB Nr 20 m Anm Singer und NJW 2001, 1062 = LM § 166 Nr 44 m Anm Wolf sowie ferner Thiessen NJW 2001, 3025 und zu § 117 Rn 7). 2. Auslegung. Auch für die Auslegung kommt es auf den Willen und ggf das Verständnis des Vertre- 9 ters an; sein Horizont ist der Empfängerhorizont (BGH 82, 219, 222 für Verhandlungsgehilfen; BGH WM 1984, 240 mN; BAG NJW 1961, 2085). Das gilt auch für den Abschluss durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht nach Genehmigung des Geschäftsherrn (BGH NJW 2000, 2272). Auch die Kenntnis des Verhandlungsbevollmächtigten ist bei der Auslegung zu berücksichtigen (BGH NJW-RR 1989, 931, 932). Das von einem Verhandlungsgehilfen mit der anderen Seite abgestimmte Verständnis dann beurkundeter Verträge ist jedoch unmaßgeblich, wenn es der an der Beurkundung Beteiligte nicht kennt (BGH NJW-RR 1986, 1019; NJW 2000, 2272, 2273; anders aber BGH NJW 2004, 2156, 2157). III. Kennen und Kennenmüssen Für viele Vorschriften kommt es darauf an, ob eine Partei einen bestimmten Umstand kannte oder 10 kennen musste (§ 122 II). Kenntnis oder Kennenmüssen kann bedeutsam sein für die Wirksamkeit, Anfechtbarkeit oder Auslegung eines Rechtsgeschäfts, für den Verlust des Gutglaubensschutzes oder den Beginn von Fristen. Nach § 166 I ist bei Vertretergeschäften Kenntnis oder Kennenmüssen des Vertreters maßgeblich. Das Thema der Zurechnung fremden Wissens geht aber weit über die Fälle von Vertretergeschäften hinaus. Es hat in jüngerer Zeit eine kaum mehr überschaubare Flut von Rspr und Literatur hervorgebracht (beispielhaft: Baum, Die Wissenszurechnung, 1999; Bayreuther JA 1998, 459; Beuthien NJW 1999, 3585; Dauner-Lieb, FS Kraft (1998), 43; Faßbender/Neuhaus WM 2002, 1253; Grunewald, FS Beusch [1993], 301; Koller JZ 1998, 75; Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4; Nobbe, Bankrechtstag 2002, 121; Reischl JuS 1997, 783; Richardi AcP 169, 385; Schultz NJW 1990, 477; Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16; Waas JA 2002, 511; Waltermann AcP 192, 181). Unmittelbar gilt § 166, wenn es nach der Vorschrift, die Rechtsfolgen an Kenntnis oder Kennen- 11 müssen knüpft (Wissensnorm), hierauf für die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung ankommt. Dann müssen Kenntnis oder die Voraussetzungen des Kennenmüssens bei Abschluss des Geschäfts vorliegen. In diesem Bereich wird zunächst der Begriff des Vertreters insb durch Einbeziehung sog Verhandlungsgehilfen erweitert (Rn 16). Darüber hinaus wird dem Geschäftsherrn aber auch Kenntnis von Personen zugerechnet, die an dem konkreten Geschäft nicht beteiligt waren (Rn 17ff). Nach anderen Vorschriften knüpfen sich Rechtsfolgen an Kenntnis oder Kennenmüssen zu anderen Zeitpunkten als bei Abschluss eines konkreten Geschäfts. Auf solche Vorschriften passt § 166 I nicht; die Wissenszurechnung folgt in diesen Fällen zT anderen Grundsätzen (Rn 24f, 33). Wessen Kenntnis zugerechnet wird, also schadet, lässt sich nicht für alle Fälle gleich beantworten. Dies hängt einmal vom Gegenstand der Kenntnis und den weiteren Umständen ab (Rn 19f), aber auch von der Auslegung der Wissensnorm (Waltermann AcP 192 [1992] 181, 191ff). 1. Sachlicher Anwendungsbereich: a) Rechtliche Folgen einer Willenserklärung. Kenntnis oder 12 Kennenmüssen des Vertreters ist maßgeblich zB für Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe (§§ 116 S 2, 117 I, 119 I, 122 II, 123 II S 1, 142 II, 173), für §§ 134, 138, soweit ein Verbot oder die Sittenwidrigkeit von der Kenntnis bestimmter Umstände abhängt (BGH NJW 1992, 899; BayObLG NJW 1993, 1143), bei Forderungsabtretung (§§ 405–408), bei Sachmängelhaftung (§§ 434ff; RG 131, 355), auch bei arglistigem Vorspiegeln oder Verschweigen von Fehlern iSv 438 III (BGH NJW 1992, 1500); ebenso beim gutgläubigen Erwerb (§§ 892, 932ff, 936, 1138, 1155, 1157, 1207, 1208, 2366, 2367; § 366 HGB), sofern der Vertreter den gesamten Erwerbstatbestand erfüllt; andernfalls (zB bei Übergabe an den Vertretenen oder dessen Besitzmittler) schadet auch Kenntnis des für ein Element selbst handelnden Vertretenen (MüKo/Schramm Rn 46); die Bösgläubigkeit des bloßen Besitzmittlers schadet nach hM nicht (RG 137, 23; MüKo/Schramm Rn 46; teilw aM Staud/Schilken Rn 9); für die Gläubigeranfechtung innerhalb und außerhalb der Insolvenz (§ 3 AnfG; §§ 129ff InsO) BGH 22, 128, 134; 38, 65, 67; NJW 1984, 1953, 1954; für die Zwangsverwaltung RG Warn Rspr 18 Nr 224; und für prozessuale Willenserklärungen (RG 146, 348). Die Wissenszurechnung gem § 166 begründet aber nicht das für ein Ordnungsmittel (§ 890 ZPO) erforderliche Verschulden (Hamburg OLGRp 2008, 170). b) Entspr maßgeblich ist die Kenntnis des Vertreters bei geschäftsähnlichen Handlungen, so im 13 Rahmen der §§ 254 II, 812ff (BGH 83, 296 betr § 819; krit dazu Wilhelm AcP 183, 1; BGH NJW 1999, 1024 mwN betr § 814; NJW-RR 2001, 127, 128 betr § 819); bei „Entlastung“ eines Verwalters (Köln NZM 2001, 862); bei Bestätigungsschreiben (BGH 40, 42, 46: Zurechnung der Kenntnis des Verhandelnden, dass der Inhalt des Bestätigungsschreibens von dem Vereinbarten abweicht). Zur Zurechnung der Bösgläubigkeit des Besitzdieners beim Besitzerwerb für §§ 989, 990 Rn 21ff; zur Zurechnung von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit von Bauunternehmern und Architekten beim Überbau s BGH 42, 63 sowie § 912 Rn 6. c) Verhältnis zu Willensmängeln. Wird dem Prinzipal die Kenntnis bestimmter Umstände zuge- 14 rechnet (Rn 17ff), die aber der handelnde Vertreter nicht kannte, so steht dies nach Abs I einem Willensmangel und der Anfechtbarkeit nicht entgegen (s Rn 7; aM Grunewald FS Beusch 301, 308 für den Fall, dass die irrtumsausschließende Kenntnis bei einem von zwei handelnden Gesamtvertretern vorliegt). 2. Persönlicher Anwendungsbereich. a) Im unmittelbaren Anwendungsbereich des Abs I kommt 15 es nur darauf an, ob der Abschlussvertreter (Rn 2) die relevante Kenntnis hatte oder haben musste; auf die Person des Vertretenen kommt es nicht an. Das gilt nach Genehmigung auch für den Vertreter ohne Vertretungsmacht (BGH NJW 1992, 899; s aber Rn 38). Die Kenntnis seines AbschlussverG. Maier-Reimer

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treters muss ein Käufer sich auch dann gem Abs I zurechnen lassen, wenn der Abschlussvertreter zuvor als Verhandlungsführer des Verkäufers aufgetreten ist, sofern nicht dieser den Vertreter dem Käufer aufgedrängt hat (BGH NJW 2000, 1405). Der Geschäftspartner kann sich auf die zugerechnete Kenntnis nicht berufen, wenn er weiß oder wissen muss, dass dem Vertretenen die Information verschwiegen wird (RG 134, 67, 71f; BGH WM 1968, 440). Zugerechnet wird auch die Kenntnis des zur Einreichung einer von ihm beglaubigten Erklärung bevollmächtigten Notars von der Versäumung der Einreichungsfrist (Celle ZEV 2010, 365 – Erbschaftsausschlagung). 16

b) Verhandlungsgehilfen und andere. Es schadet dem Geschäftsherrn auch, wenn andere an der Vorbereitung des Geschäfts beteiligte Personen die für das Geschäft oder seine Rechtsfolgen relevante Kenntnis haben oder haben mussten. Wer sich eines anderen wie eines Vertreters bedient, muss sich dessen Kenntnis wie die eines Vertreters zurechnen lassen (BGH 55, 307, 311; NJW-RR 2005, 634; Staud/Schilken Rn 4). Eine nur interne Beratung reicht dafür nicht aus (BGH 117, 104, 107; NJW-RR 2003, 989, 990). Voraussetzung ist, dass der Handelnde mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn tätig wurde (Soergel/Leptien Rn 6; s auch BGH 106, 163, 167f). Diese Fälle überschneiden sich jedoch mit anderen Fällen der Wissenszurechnung ohne konkrete Einbeziehung in die Vorbereitung des Geschäfts (dazu Rn 26ff). Führt einer von zwei Verkäufern (Ehegatten) die Verhandlungen mit dem Käufer, so folgt daraus nicht zwingend, dass er auch Verhandlungsgehilfe des anderen und sein Wissen diesem zuzurechnen ist (BGH NJW 1992, 1500).

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3. Wissenszurechnung und Wissenszusammenrechnung jenseits von § 166. a) Organwissen. In arbeitsteiligen Organisationen jedweder Rechtsform sind für ein bestimmtes Geschäft relevante Kenntnisse oft in Abteilungen vorhanden, die mit der Vorbereitung und dem Abschluss des Geschäfts nicht befasst sind. Wann solche Kenntnisse der Organisation zuzurechnen sind, wurde zunächst vornehmlich bei jur Pers problematisiert. Die frühere Rspr rechnete der jur Pers Kenntnisse eines Organvertreters, auch wenn sie privat erlangt waren (BGH 1995, 830; krit hierzu Grunewald FS Beusch 301, 306), eo ipso zu, selbst dann, wenn der Organvertreter an dem konkreten Geschäft nicht beteiligt war, und sogar, wenn er aus dem Unternehmen ausgeschieden war (BGH 109, 327, 331; 41, 282, 287; WM 1959, 81, 84; krit Baumann ZGR 1973, 284; offengelassen für Personengesellschaft in BGH NJW 1995, 2159, 2160). In vielen der entschiedenen Fälle hatte das Organmitglied sein Wissen im Zusammenhang mit dem jeweiligen Geschäft erworben oder es ging (wie im Fall BGH 20, 149) um die Passivvertretung durch einen von mehreren Gesamtvertretern (gem § 28 II, §§ 125 II S 3 HGB, 78 II AktG, 35 II 3 GmbHG) beim Zugang einer Erklärung (Nachw bei Flume I 2 § 11 IV). In der gesellschaftsrechtlichen Literatur wird das Wissen von Organmitgliedern bevorzugt aufgrund der sog Organtheorie (§ 31) zugerechnet (K Schmidt Gesellschaftsrecht § 10 V 2a). Überwiegend wird die Zurechnung jedoch durch Kriterien der Pflicht zur Wissens- und Kommunikationsorganisation begrenzt, die den Grundsätzen der neueren Rspr (Rn 18ff) entsprechen (Großkom HGB/Habersack § 125 Rn 22; Scholz/Schneider GmbHG § 35 Rn 82ff).

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b) Informationsverantwortung. Ein Umschwung der Rspr begann mit BGH 109, 327, wo der BGH zwar – zumindest für den entschiedenen Fall – weiterhin auf die Zurechnung des Organwissens abstellte, um dann aber auszuführen, die „Frage der Wissenszurechnung (lasse) sich nicht mit logischbegrifflicher Stringenz“, sondern nur wertend entscheiden. Daran anknüpfend entwickelte sich die Konzeption der Informationsverantwortung (Bohrer DNotZ 1991, 125; Waltermann AcP 192, 181, 206ff; Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 24ff; s auch Medicus ebda S 8ff sowie Grunewald FS Beusch 301, 304ff) und der Überlegung, dass eine arbeitsteilige Organisation durch Aufspaltung ihres Wissens nicht besser stehen darf als eine Einzelperson, in der sich die Kenntnisse konzentrieren, sog Gleichstellungsargument (BGH 117, 104, 108). Auf die Organstellung des Wissensträgers und die Rechtsform der Organisation (BGH NJW 2001, 359, 360; Soergel/Leptien Rn 9) kommt es danach nicht mehr an, sondern nur darauf, ob die Information bei ordnungsgemäßer Informations- und Kommunikationsverwaltung zur Verfügung gestanden hätte. Der BGH hat sich dem – in variierender Akzentuierung zw den Senaten – angeschlossen (BGH 117, 104, 108; 132, 30, 35; Übersicht über die Rspr bei Nobbe Bankrechtstag 2002, 121). Zulasten von Privatpersonen gelten diese Grundsätze nicht (Düsseldorf NJW-RR 1997, 718).

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Zugerechnet werden danach solche Kenntnisse von an dem konkreten Geschäft nicht beteiligten Personen, die „typischerweise aktenmäßig festgehalten“ werden (BGH 132, 30, 35). Die Verantwortlichkeit für solches Wissen ergibt sich aus der „Beherrschung eines selbsteröffneten Verkehrsbereichs“ (BGH 132, 30, 37). Wissen wird danach zugerechnet, wenn der jeweilige Umstand nach den Verhältnissen zu der Zeit, zu der er in der Organisation bekannt wird (BGH 132, 30, 38), als bedeutsam und speicherungsbedürftig anzusehen und deshalb aufzuzeichnen war (Dokumentations- und Weiterleitungspflicht; zum Zeitpunkt von deren Entstehung Taupitz EWiR 1996, 585) und bei dem konkreten Geschäft ein besonderer Anlass bestand, sich über das gespeicherte Wissen zu vergewissern – Abfragepflicht – (BGH 132, 30, 38f; 135, 202, 205ff; NJW 2009, 2298 Tz 14). Die Bedeutung der Tatsache bestimmt auch die Zeit, für die sie gespeichert und abfragbar bleiben muss (BGH 132, 30, 38f). Zugerechnet wird also das Wissen, das dokumentiert und verfügbar sein muss und zu dessen Abfrage hinreichender Anlass bestand.

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Fragen zur Zurechnung des Wissens einzelner Mitglieder einer Personengesellschaft (BGH NJW 1995, 2159, 2160) sind damit ebenso überholt wie Differenzierungen nach der Organstellung des Wissensträgers (BGH 132, 30, 35). Der „Gleichstellungsgedanke“ gibt auch die Kriterien für die Grenzen der Wissenszurechnung. Wissen, das wegen unterschiedlicher Aufgaben bspw eines hoheitlichen Rechtsträgers in einer nat Pers gar nicht zusammenkommen könnte, oder wegen Verschwiegenheitspflichten/vorgeschriebener Informationsbarrieren nicht weitergegeben werden darf, wird danach 504

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nicht zuzurechnen sein. Auch wenn die Rspr eindeutig zu der Zurechnung nach diesem Kriterium der Informationsverantwortung neigt und damit einen gewissen Abschluss gefunden zu haben scheint (Soergel/Leptien Rn 9), gibt sie noch kein einheitliches Bild (MüKo/Schramm Rn 24). Die in dem Konzept angelegte Flexibilität ermöglicht sachgerechte Ergebnisse, jedoch um den Preis erheblicher Rechtsunsicherheit (MüKo/Schramm Rn 28). c) Stellungnahme. Kenntnis des handelnden Organs oder sonstigen Vertreters schadet jedenfalls, 21 gleich ob nach § 166 I oder § 31. Das gilt auch für privat erlangte Kenntnisse. Fraglich ist nur, ob und wann die Kenntnis nicht handelnder Organvertreter oder anderer Personen schadet. Alle Begründungen der Wissenszurechnung können nur zur Zurechnung des Wissens beim Geschäftsherrn führen (anders allerdings BGH NJW 1984, 1953, 1954; Düsseldorf BauR 2007, 1753, 1758, wo die Kenntnis jeweils über den Haupt- oder Organvertreter zugerechnet wird). Handelt der Vertretene nicht selbst, so ist sein Wissen nach § 166 I im Grundsatz unschädlich, wenn es nach der Wissensnorm auf Kenntnis oder Kennenmüssen bei Geschäftsabschluss ankommt. Die in § 166 vorausgesetzte Möglichkeit des Vertretenen, selbst zu handeln (Richardi AcP 169, 385, 396) ist auch bei der jur Pers gegeben, wenn sie durch Prokuristen oder Bevollmächtigte oder auch durch andere Organmitglieder handeln kann (Flume I 2 § 11 IV). Die Wissenszurechnung nach den Kriterien der Informations- und Kommunikationsverantwortung 22 lässt sich deshalb nicht mit einer Analogie zu § 166 begründen (ausf dazu Waltermann AcP 192, 194ff, 213ff), denn sie führt zu dem Gegenteil der in § 166 angeordneten Rechtsfolge. Aus § 166 kann – entspr einer vom BGH häufig verwendeten Formulierung (zB BGH 106, 163, 167) – nur das Prinzip der Zurechnung, dh der Verantwortung auf der Grundlage von Wissen bei Anderen, entnommen werden. Außerhalb des Anwendungsbereichs von § 166, also wenn es nicht auf Kenntnis bei Abschluss des Geschäfts ankommt, passen weder die Voraussetzungen noch die Rechtsfolgen des § 166 (Medicus Karlsruher Forum 1994, 4, 9, der deshalb insoweit die Anwendung der §§ 31, 89, 831 vorzieht; dazu Rn 23, 35). Insgesamt sind die Grundsätze der Zurechnung des Wissens von Personen, die an Vorbereitung und Abschluss des Geschäfts nicht beteiligt sind, das Ergebnis richterlicher Rechtsfortbildung praeter legem (ebenso Dauner-Lieb FS Kraft 43, 51; MüKo/Schramm Rn 25). Die Kritik an der Rspr beruht vor allem auf dem Bemühen, die Wissenszurechnung in dem Maße zu beschränken, dass sie noch auf den Gedanken des § 166 zurückgeführt werden kann (s nur Faßbender/Neuhaus WM 2002, 1252, 1254ff). d) Wissenszurechnung und Kennenmüssen. Wissenszurechnung bedeutet keine, ggf durch §§ 278, 23 831 begründete, Einstandspflicht für Dritte (Richardi AcP 169, 385, 387; Waltermann AcP 192, 181, 188). Sie ist vielmehr ein Element der Risikoverteilung (BGH 109, 327, 333), die das Handeln einer Person und das Wissen einer anderen (oder der Akten) auf den Rechtsträger projiziert und diesen behandelt, als habe er mit dem Wissen gehandelt. Zu den Rechtsfolgen s Rn 34. Wissenszurechnung hat auch dort Bedeutung, wo das Gesetz die Folgen bereits an das Kennenmüssen knüpft (aM Richardi AcP 169, 385, 389f; Waltermann AcP 192, 181, 208ff), denn nach § 166 I kommt es nur darauf an, ob der Vertreter einen Umstand kennt oder kennen muss, während die Informationsverantwortung nicht den Vertreter, sondern den Geschäftsherrn trifft; dass er aufgrund seiner Informationsverantwortung den Umstand kennen muss, wäre nach § 166 I unerheblich. 4. Wissensvertreter. Die Zurechnung des Wissens eines sog Wissensvertreters folgt anderen Grund- 24 sätzen. Entwickelt wurde die Figur des Wissensvertreters im Versicherungsvertragsrecht (Richardi AcP 169, 385; Bruck/Möller/Heiss VVG § 28 Rn 113ff). Von einem Wissensvertreter spricht man, wenn der Leiter des Unternehmens seinen Betrieb so organisiert, „dass Tatsachen, deren Kenntnis von Rechtserheblichkeit ist, nicht von ihm selbst, sondern von einem bestimmten Angestellten zur Kenntnis genommen werden“ (so für ein Versicherungsverhältnis RG 101, 402, 403). Dessen Kenntnis ist dann maßgeblich und ggf für den Versicherungsnehmer schädlich. Auch außerhalb des Versicherungsrechts und über die Grundsätze der Informationsverantwortung 25 hinaus muss sich „derjenige, der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut, das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen“ – sog Wissensvertreter – (BGH 41, 17; 83, 293, 296; krit Medicus Karlsruher Forum 1994, 4, 10; Staud/Schilken vor § 164 Rn 87; sowie zum Kriterium der Eigenverantwortlichkeit Waltermann AcP 192, 181, 199). Dies ist insb bedeutsam, wenn Kenntnis oder Kennenmüssen eine Frist (zB § 199), Pflicht oder Obliegenheit oder Haftungsverschärfung (§ 819 I) auslöst. Wer einen anderen (RA) mit der Aufklärung oder Verfolgung von Ansprüchen beauftragt, muss sich dessen Kenntnis zurechnen lassen (BGH NJW 1968, 988; BGH 171, 1 Tz 35; Düsseldorf BauR 2007, 1754). Nicht zuzurechnen ist die Kenntnis eines „Wissensvertreters“ (Treuhänders), dessen Vollmacht wegen Verstoßes gegen das RBerG nichtig ist (BGH 171, 1 Tz 39). Wer einem anderen (Ehefrau, Sohn) die Führung von Kontoangelegenheiten überlässt oder die Möglichkeit eröffnet, Schecks über das Konto einziehen zu lassen, muss sich die Kenntnis des Handelnden von der Rechtsgrundlosigkeit einer Kontogutschrift als eigenes Wissen iSv § 819 zurechnen lassen (BGH 83, 293; NJW-RR 2001, 128; Schleswig FamRZ 2008, 512). 5. Einzelfälle. Die Kasuistik beruht großenteils noch auf der älteren Rspr, die die Wissenszurech- 26 nung entweder mit einem weiten Verständnis des vertreterähnlichen Einsatzes des Wissensträgers oder mit dessen Organstellung begründete. Nach dem neuen Konzept der Wissens-/Kommunikationsverantwortung sind die Entscheidungen zT neu zu interpretieren. a) Kenntnis befasster Personen. Wegen der Befassung mit der Sache wurde zugerechnet: die 27 Kenntnis des Verhandlungsführers davon, dass das Bestätigungsschreiben von dem Verhandelten abwich (BGH 40, 42) oder davon, dass das gekaufte Grundstück vermietet war (Schleswig EWiR G. Maier-Reimer

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§ 166

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

2010, 47 [LS] m Anm Backhaus); die Kenntnis einer von dem Gläubiger in das Schuldnerunternehmen entsandten Vertrauensperson von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht (BGH 41, 17); die Kenntnis des Heimleiters von einer letztwilligen Zuwendung eines Heiminsassen an den Heimträger mit der Folge des (bewussten) „sich Gewährenlassens“ unter Verstoß gegen § 14 HeimG (BayObLG NJW 1993, 1143); die Kenntnis des Verhandlungsbevollmächtigten, der dann vollmachtslos abschloss, nach Genehmigung (BGH NJW 1992, 899); für die Auslegung eines beurkundeten Kaufvertrags die Kenntnis des (Unter-)Maklers von den Erwartungen des Käufers (BGH NJW 2004, 2156). Nicht zugerechnet wurde: die Kenntnis des den Käufer beratenden Architekten von Baumängeln, weil er nicht nach außen in Erscheinung getreten war (BGH NJW-RR 2003, 989, 990); die Kenntnis des in die Organisation des Verkäufers nicht eingegliederten Hausverwalters von Baumängeln (BGH NJW 1997, 270); die Kenntnis eines vom Schuldner durch Vertrag zugunsten bestimmter Gläubiger ohne deren Kenntnis bestellten Treuhänders von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (BGH 55, 307). Zur Zurechnung des Wissens eines missbräuchlich handelnden Vertreters BGH NJW-RR 2008, 977. 28

b) Kenntnis aus anderen Gründen. Zugerechnet wurde einer Gemeinde als Grundstücksverkäuferin die Kenntnis relevanter Baumängel, die von dem zuständigen Landratsamt unter Sperrandrohung gerügt worden waren (BGH 109, 327), dies mit der Begründung, dass die Kenntnis auch ausgeschiedener gesetzlicher Vertreter (Bürgermeister) „zumindest für einen Fall der vorliegenden Art“ zuzurechnen sei, und mit dem Gleichstellungsgedanken; einer GbR die Kenntnis eines Gesellschafters von einem Verfügungsverbot (§ 21 II Nr 2 InsO) hins eines Geschäfts, das ein anderer Gesellschafter namens der GbR mit dem Schuldner tätigte (BGH 140, 54, 61f). Nicht zugerechnet wurden einer Gemeinde, die ein Grundstück durch ihr Liegenschaftsamt verkaufte, die Kenntnisse des Baurechtsamts von der Bodenbeschaffenheit (Knollenmergel; BGH 117, 104, 109), weil das Baurechtsamt nicht nach außen in Erscheinung getreten sei und eine Nachforschungspflicht nicht bestanden habe; dem verkaufenden Land die Kenntnis des zuständigen Landkreises von der Baurechtswidrigkeit eines Gebäudes (Brandenburg v 7.8.2008 – 5 U 63/07, juris). Kenntnis der verkaufenden Gemeinde von Altlasten wurde verneint, wenn diese nur aus den Akten für Nachbargrundstücke hätten festgestellt werden können (BGH NJW 1999, 3777); in einem anderen Fall mit Altlasten war noch zu prüfen, ob zur maßgeblichen Zeit eine Dokumentationspflicht bestand (BGH 132, 30). Infolge eines Vergessens unvollständig aufgezeichnete Informationen (Kilometerstand des Gebrauchtwagens) wurden dem Verkäufer nach dem Gleichstellungsgedanken nicht zugerechnet, weil auch eine nat Pers etwas vergessen könne (BGH NJW 1996, 1205). Eine Aufzeichnungspflicht und deshalb eine Wissenszurechnung wurde verneint für ein Busunternehmen hins der Vergangenheit eines einzelnen dann verkauften Fahrzeugs (BGH NJW 1995, 2159).

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c) Banken. Einer Bank wird die bei der Hereinnahme von Bargeld erlangte Kenntnis eines Kassierers von der Zahlungseinstellung des Bankkunden auch für spätere Geschäftsvorfälle ohne Beteiligung dieses Kassierers zugerechnet (BGH NJW 1984, 1953, 1954); kennt der mit Auszahlungen von dem Konto befasste Bankangestellte Gründe, die für den Verdacht einer Veruntreuung sprechen, hat sich die Bank diese Kenntnis zurechnen zu lassen (BGH NJW 2008, 2245 Tz 18). Finanziert eine Bank Vermögensanlagen durch eine bestimmte Filiale, so wird ihr die in einer anderen Filiale erlangte Kenntnis von der Anfechtbarkeit (§ 142 II) der Vollmacht (BGH NJW 1989, 2879 und 2881) oder der Irrealität des finanzierten Projekts als Grundlage einer Aufklärungspflicht (BGH NJW-RR 2005, 634) jedenfalls dann zugerechnet, wenn es um die Finanzierung desselben Projekts geht; ob auch unabhängig davon, ließ der BGH ausdr offen. Bei Einlösung eines Schecks werden der Bank die Kenntnisse der kontoführenden Filiale über berufliche Stellung oder unseriöses Verhalten des Kontoinhabers zugerechnet (BGH NJW 1993, 1066); ebenso die Kenntnisse eines ausgeschiedenen Kontoführers über die berufliche Stellung des Kontoinhabers (BGH 135, 202, 204). Eröffnet ein Bankangestellter ein Konto verdeckt als Treuhänder, so ist sein Wissen von der Treuhandnatur des Guthabens der Bank nicht zuzurechnen, weil er ihr als Kunde gegenübertritt (BGH NJW 1987, 325). Zum Einwendungsdurchgriff ggü einem Verbraucherkreditvertrag s § 359 und zur Anfechtung dieses Vertrags nach § 123 II wegen Täuschung durch den Anlagevermittler BGH 167, 239 Tz 29. Zur Informationsorganisationspflicht im Wertpapierhandel und daran anknüpfender Beweislast bzgl des subj Tatbestands BGH NJW 2009, 2298 Tz 13ff, dazu Rn 36; zur Anfechtung nach § 123 II ggü der Bank aufgrund einer solchen synthetischen Arglist des Vermittlers bei verbundenen Geschäften BGH NJW 2010, 596 Tz 23ff.

30

6. Versicherungsvertragsrecht. Abweichungen von dem Prinzip des § 166 gelten im Versicherungsvertragsrecht (§§ 2 III, 20, 70 VVG). Die Kenntnis eines vom Versicherungsnehmer beauftragten Versicherungsmaklers wird dem Versicherer nicht zugerechnet (BGH NJW-RR 2008, 1649, 1650).

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7. Sonderfälle. a) Wo die Wissenszurechnung auf einem Vertretungsverhältnis beruht, genügt die Kenntnis eines von mehreren handelnden Gesamtvertretern (BGH 20, 149, 153; 62, 166, 173 Soergel/ Leptien Rn 5); für Willensmängel s Rn 7. Die Kenntnis des In-sich-Vertreters ist beiden Seiten zuzurechnen (BGH 94, 237), ebenso das Wissen eines Abschlussvertreters, der zugleich Wissensvertreter des anderen Vertragspartners war (Bsp: BGH NJW 2000, 1405, 1406). Zur Anwendung von § 166 im Bankverkehr bei einer Mehrheit von Kontoinhabern Dresden NJOZ 2004, 2266, 2270; Karlsruhe WM 1996, 198; s auch Wilhelm, Kenntniszurechnung kraft Kontovollmacht, AcP 183, 1ff.

32

b) Die Zweiwochenfrist gem § 626 II beginnt für die Kündigung des Vertrags mit dem Organvertreter mit der Kenntnis des für die Kündigung zuständigen Organs. Für die Kündigung des Anstellungsverhältnisses eines Geschäftsführers/Vorstands ist dies die Gesellschafterversammlung oder der Aufsichtsrat. Nach st Rspr genügt nicht die Kenntnis eines einzelnen Mitglieds des Organs. Wenn ein 506

G. Maier-Reimer

Vertretung und Vollmacht

§ 166

Mitglied Kenntnis erlangt hat, muss jedoch das Organ unverzüglich einberufen werden; sonst muss sich der Rechtsträger so behandeln lassen, als habe das Organ Kenntnis gehabt (BGH 139, 89; München ZIP 2009, 1377). 8. Fristbeginn, Haftungsverschärfung. Wenn es auf die Kenntnis oder das Kennenmüssen nicht für 33 die Folgen eines Geschäfts, sondern zB für den Beginn einer Frist (zB § 199) oder eine Haftungsverschärfung (zB § 819 I) ankommt, ist § 166 I nicht unmittelbar anwendbar. Die Kenntnis des gewillkürten Vertreters ist in diesen Fällen idR nicht zuzurechnen (BGH NJW 1993, 648, 652f zu § 852 aF; MüKo/Schramm Rn 55). Zuzurechnen ist in solchen Fällen aber das Kennen oder Kennenmüssen des gesetzlichen Vertreters (MüKo/Schramm Rn 55), oder eines Wissensvertreters (Rn 24f; BGH NJW 1968, 988 zu § 852 aF). BGH 171, 1, Tz 36 lässt offen, ob das auch für den allg kenntnisabhängigen Verjährungsbeginn gem § 199 gilt. Für den Beginn der Ausschlussfrist für Regress nach einem Teilungsabkommen zw Versicherungsunternehmen kommt es auf die Kenntnis der Regressabteilung, nicht der Leistungsabteilung an (BGH NJW 2001, 2535). Für den Beginn der Verjährung von Ansprüchen öffentlichrechtlicher Körperschaften kommt es auf die Kenntnis des zuständigen Bediensteten der verfügungsberechtigten Behörde an (BGH 133, 129, 138ff; NJW 1974, 319; NJW-RR 2007, 834). Entspr ist bei privatrechtlichen Organisationen die Kenntnis derjenigen zuzurechnen, die mit der konkreten Aufgabe betraut sind (Düsseldorf BauR 2007, 1753, 1758). Über die Fälle der Wissensvertretung hinaus wird die Kenntnis von dem Geschäft selbst, welches der gewillkürte Vertreter bei seinem Abschluss erlangt, zuzurechnen sein, allerdings nicht, wenn die Vollmacht wegen Verstoßes gegen das RBerG nichtig ist (BGH 171, 1, Tz 39). 9. Rechtsfolgen. a) Das Wissen wird dem Rechtsträger zugerechnet, nicht dessen Wissen seinen Or- 34 ganmitgliedern oder anderen Vertretern, jedenfalls solange diese nicht zur selbständigen Wahrnehmung bestimmter Aufgaben eingeschaltet sind (BGH NJW 2001, 359; s auch Karlsruhe ZIP 2008, 1373, 1375). Ob der Rechtsträger einen Umstand kennen muss, beurteilt sich auf der Grundlage des ihm zugerechneten Wissens (BGH NJW 1989, 2879, 2880; 1989, 2881, 2882). b) Die ggf aufgrund eines Mangels der Informationsorganisation im Unternehmen zugerechnete 35 Kenntnis ist positive Kenntnis, nicht Kennenmüssen. Es hängt dann jedoch von der Auslegung der einzelnen Wissensnorm ab, ob das zugerechnete Wissen dem aktuellen Wissen gleichsteht. Das ist bedenkenlos für die Anfechtungstatbestände der Insolvenzordnung anzunehmen, soweit diese auf Kenntnis abstellen (§§ 130ff InsO), ebenso beim Mangel des Rechtsgrunds (§ 819 Abs 1), dagegen ist dies zweifelhaft, wo das Wissen Vorsatz oder Arglist begründet (dazu Rn 36). Das zugerechnete Wissen kann auch Warnpflichten begründen (BGH NJW 2008, 2245 Tz 17f). c) Die Zurechnung führt auch zur Zusammenrechnung des bei mehreren Personen vorhandenen 36 Wissens, sodass bei dem Rechtsträger ein Gesamtwissen unterstellt wird, das bei keiner nat Pers vorhanden ist (MüKo/Schramm RN 31). Nach der Rspr genügt solches zusammengerechnetes Wissen für die Annahme arglistigen Verhaltens (BGH 109, 327, 332f – Kaufvertrag). Auch die Fiktion einer Kenntnis, die bei gehöriger Organisation bestanden hätte, soll für die Arglist genügen (BGH 117, 318, 321 zur Verjährung beim Werkvertrag, § 634a III). Ebenso wird eine Aufklärungspflicht vorsätzlich verletzt, wenn der Kundenberater aufgrund eines vorsätzlichen Organisationsmangels seine Aufklärungspflicht nicht kennt (BGH NJW 2009, 2298). Der BGH begründet dies damit, dass die Annahme der Arglist keinen moralischen Vorwurf enthalte, sondern es nur um Risikoverteilung gehe (BGH 109, 327, 333; abl Flume AcP 197, 441 sowie JZ 1990, 550; Dauner-Lieb FS Kraft 43, 54ff; widersprüchlich MüKo/Schramm Rn 30 und 31). Diese von der Rspr angenommene Arglist kraft Zurechnung ist grundlegend verschieden von zugerechneter Arglist, etwa eines Wissenserklärungsvertreters (Düsseldorf NJW-RR 1999, 756), Verhandlungsgehilfen (BGH 117, 260), Erfüllungsgehilfen oder Subunternehmers (BGH 62, 63, 68; 66, 43; Flume AcP 197, 441, 452). IV. Kenntnis/Kennenmüssen des Geschäftsherrn (§ 166 II) 1. Grundsatz. Nach § 166 II schadet es dem Geschäftsherrn unter bestimmten Voraussetzungen 37 auch, wenn er selbst den relevanten Umstand kannte oder, wenn dies nach der Wissensnorm genügt, kennen musste. Die Gutgläubigkeit seines Vertreters kann er sich dann nicht zunutze machen. Der Wortlaut der Bestimmung, der an eine Weisung des Geschäftsherrn anknüpft, bleibt allerdings hinter dem Schutzzweck zurück (anschaulich dazu Beuthien NJW 1999, 3585ff). § 166 II gilt nur für die rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht (Vollmacht; auch Untervollmacht) sowie für die genehmigte vollmachtslose Vertretung, nicht aber für die gesetzliche Vertretung (s aber Rn 39). Unter § 166 II fallen nur Kenntnis und Kennenmüssen, nicht aber Willensmängel des Vertretenen (s aber Rn 40). a) Handeln nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers bedeutet an sich, dass der Vertrete- 38 ne die eigentliche Entscheidung trifft (BGH 51, 141, 147). Der Begriff ist weit auszulegen (RG 131, 356; 161, 161; BGH 38, 68; Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, 1955, 396ff). Eine Weisung zu einem bestimmten Geschäft ist nicht erforderlich (RG Recht 1921 Nr 2551; BGH BB 1965, 435); es genügt, dass der Bevollmächtigte ein Rechtsgeschäft schließt, zu dessen Vornahme ihn der Vollmachtgeber veranlasst hat (RG 68, 377; 161, 161; BGH 38, 68; 83, 293). Greift der Vertretene, der von einem bevorstehenden Geschäft des Vertreters konkrete Kenntnis hat, nicht ein, obwohl er dazu in der Lage wäre (etwa, weil er bei Vertragsschluss selbst anwesend ist), steht dies einer Weisung gleich (BGH 50, 368; 51, 141; BayObLG NJW-RR 1989, 910). Es reicht aus, dass der Vertretene die Kenntnis erst nach Erteilung der Weisung, aber zu einem Zeitpunkt, zu dem er noch eingreifen kann, erhält (BGH 50, 368). Es genügt aber nicht, dass der Geschäftsherr den Abschluss des Geschäfts nur

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§ 166

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

für möglich hält (MüKo/Schramm Rn 58). Der Weisung steht die Genehmigung der vollmachtlosen Vertretung gleich (RG 161, 162; BGH BB 1965, 435). 39

b) § 166 II ist analog auf die Fälle gesetzlicher Vertretung anwendbar, wenn der Vertreter ähnlich wie ein Bevollmächtigter nach Weisung handelt (BGH NZG 2004, 580 für den Fall des Geschäftsführers einer GmbH, der nach Weisung des Alleingesellschafters handelt; MüKo/Schramm Rn 57). Wird auf Veranlassung des Vaters ein Ergänzungspfleger für das Kind zur Annahme einer Verfügung bestellt, so wird die (Kenntnis der) Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Vaters dem Kind zugerechnet (BGH 38, 65; krit Paulus, FS Michaelis, 1972, 223; RGRK/Steffen Rn 23); mangels eines Vertreterhandelns soll aber anderes gelten, wenn das minderjährige Kind die Schenkung selbst annimmt (BGH 94, 2232; zust MüKo/Schramm Rn 57, aM Staud/Schilken Rn 31; Tintelnot JZ 1987, 795). Nicht anzuwenden ist § 166 II auf den Minderjährigen, der seinen gesetzlichen Vertreter bösgläubig zu einem Rechtsgeschäft veranlasst (MüKo/Schramm Rn 57); zur entspr Anwendung des § 166 II im Rahmen des § 1357 s RGRK/Steffen Rn 23, im Versicherungsrecht BGH VersR 1995, 281; Hamm NJW-RR 1996, 96. Rechnet man das Wissen eines Organvertreters nicht zwingend der jur Pers zu (dazu Rn 17, 21f), so ist § 166 II entspr auch anwendbar, wenn ein bösgläubiges Organmitglied ein anderes zur Vornahme des Geschäfts veranlasst (Flume I 2 § 11 IV).

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2. Die entspr Anwendung des § 166 II auf Willensmängel bei Weisung oder Spezialvollmacht ist umstr. Beruht die Weisung oder das der Weisung gleichstehende Verhalten (Rn 38) auf einer arglistigen Täuschung oder Drohung durch den Geschäftsgegner, so ist die Erklärung des Vertreters anfechtbar (BGH 51, 141, 147; Larenz/Wolf AT § 46 Rn 112; Medicus AT Rn 902; RGRK/Steffen Rn 22; MüKo/Schramm Rn 59; aM Staud/Schilken Rn 17). Darüber hinaus sollten Willensmängel des Geschäftsherrn unmaßgeblich bleiben, sofern sie nicht (unter Berücksichtigung der §§ 170ff, 142) zur Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit der Vollmacht (dazu § 167 Rn 44ff) führen (ebenso Flume II § 52, 5f; Staud/Schilken Rn 17, 28; Soergel/Leptien Rn 33; RGRK/Steffen Rn 22 unter Hinw auf die weite Auslegung des § 166 II im Interesse des Dritten; aM MüKo/Schramm Rn 59; Medicus AT Rn 899, 902; differenzierend Erman/Palm12 Rn 18; offengelassen in BGH 144, 223, 228).

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Erteilung der Vollmacht (1) Die Erteilung der Vollmacht erfolgt durch Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden oder dem Dritten, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll. (2) Die Erklärung bedarf nicht der Form, welche für das Rechtsgeschäft bestimmt ist, auf das sich die Vollmacht bezieht. I. Begriff der Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . II. 1. 2. 3. III. 1. 2. 3. 4.

Erteilung der Vollmacht Einseitiges Rechtsgeschäft . . . . . . . . . . . Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollmachtserkärung . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsscheinsvollmacht Begriff und Bedeutung . Voraussetzungen . . . . Wirkungen . . . . . . . . Einzelfälle . . . . . . . .

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1 2 3 8

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9 13 26 29

IV Mängel der Vollmachtserteilung 1. Willenserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anfechtbarkeit der Vollmacht . . . . . . . . . .

43 44

3. Inhaltskontrolle von Vollmachtsklauseln

. . .

47

V. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Umfang und Arten der Vollmacht Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesamtvollmacht/Gesamtvertretung . . Untervollmacht . . . . . . . . . . . . . . . Postmortale oder transmortale Vollmacht Unwiderrufliche Vollmacht . . . . . . . . Prozessvollmacht . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . .

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48 57 61 66 68 69

Missbrauch der Vertretungsmacht Kollusion . . . . . . . . . . . . . . . Andere Fälle des Missbrauchs . . . Entsprechende Anwendung . . . .

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70 71 72 77

VII. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

VI. 1. 2. 3.

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I. Begriff der Vollmacht 1

Vollmacht ist die rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht. Mit ihr erlangt der Bevollmächtigte die Rechtsmacht, durch Rechtsgeschäft Wirkungen für und gegen den Vertretenen herbeizuführen. Die Vollmacht ist nach Entstehung, Fortbestand und Reichweite von dem der Bevollmächtigung zugrundeliegenden Rechtsverhältnis (zB Auftrag) zu unterscheiden. Sie berührt regelmäßig die Möglichkeit des Geschäftsherrn nicht, selbst rechtsgeschäftlich für sich zu handeln. Eine diese Möglichkeit „verdrängende Vollmacht“ lehnt die hM zutr ab (s § 137 Rn 6 mwN; BGH 3, 358; 20, 364; WM 1971, 456; einschränkend aber Gernhuber JZ 1995, 381). Die Vollmacht ist abstrakt, dh von einem Kausalverhältnis und dessen Wirksamkeit nicht abhängig (Vor § 164 Rn 6), sie kann mit ihm aber zu einer Einheit iSv § 139 verbunden sein (BGH WM 1964, 182, 183; NJW 1988, 697) und der Grund für die Nichtigkeit des Kausalgeschäfts kann sich auch unmittelbar auf die Vollmacht erstrecken (BGH NJW 2002, 66, 67; 2003, 2088, 2089 – Nichtigkeit nach Art. 1 § 1 RBerG). Auch der Umfang der Vollmacht ist von Beschränkungen des Kausalverhältnisses grds unabhängig (Vor § 164 Rn 6), sie erlischt aber idR mit diesem (§ 168). II. Erteilung der Vollmacht

2

1. Die Bevollmächtigung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, sie kann aber auch durch Vertrag erteilt werden (MüKo/Schramm Rn 4; aM offenbar BGH NJW-RR 2007, 1202 Tz 18). Die Vollmacht wird durch eine empfangsbedürftige Willenserklärung erteilt. Sie kann bedingt oder befristet sein. Als empfangsbedürftige Willenserklärung wird sie mit dem Zugang (§ 130) wirksam; einer Annahme 508

G. Maier-Reimer

Vertretung und Vollmacht

§ 167

durch den Bevollmächtigten bedarf es nicht. Der Bevollmächtigte kann sie jedoch zurückweisen (MüKo/Schramm Rn 4; Larenz/Wolf § 47 Rn 15). Zur Bevollmächtigung als Rechtsgeschäft, zT abw von der hM, Pawlowski JZ 1996, 125, 126ff. Die Bevollmächtigung kann entweder ggü dem zu Bevollmächtigenden (Innenvollmacht) oder ggü dem Geschäftspartner oder öffentlich ggü einer unbestimmten Personenmehrheit erklärt werden (Außenvollmacht). Eine Mischform ist die nach außen mitgeteilte Innenvollmacht; sie ist in §§ 171, 172 geregelt. 2. Form. a) Gem § 167 II ist die Vollmacht grds formfrei, auch wenn sie sich auf ein formbedürftiges 3 Rechtsgeschäft bezieht, zB die uneingeschränkt widerrufliche Vollmacht zu einem formbedürftigen Grundstücksgeschäft (§ 311b I; BGH NJW 1998, 1482 = LM § 183 Nr 5 m Anm Wieling zur frei widerruflichen Einwilligung) oder zum Abschluss eines Ehevertrags (§ 1410; BGH NJW 1998, 1857; zust Kanzleiter NJW 1999, 1612; krit Einsele NJW 1998, 1206ff und Vollkommer JZ 1999, 522). Die Vollmacht kann daher grds auch durch konkludentes Verhalten erteilt werden (Rn 8). b) Normierte Ausnahmen von der Formfreiheit bestimmen § 492 IV S 1 für den Abschluss eines 4 Verbraucherdarlehensvertrags (dazu ua Bülow NJW 2002, 1145, 1147 und Herresthal JuS 2002, 844, 846ff; zur früheren Rechtslage eingehend BGH 142, 23 und ZIP 2005, 1179) sowie einige spezialgesetzliche Regelungen (zB § 1945 III; § 12 I S 2 HGB; §§ 134 III, 135 I AktG; §§ 2 II, 47 III GmbHG). Teilw ist zwar die Vollmacht formfrei wirksam, ihr Nachw bei Behörden und Gerichten aber an eine Form gebunden (zB § 12 II HGB; § 80 ZPO; §§ 29, 30 GBO; §§ 71 II, 81 III ZVG); das gilt dann ggf auch für den Nachw des Eintritts der Bedingung einer Vollmacht (München NJW-RR 2010, 747); zum Nachw ggü dem Grundbuchamt von Existenz und Vertretung einer GbR als Grundstückserwerber ausf BGH ZIP 2011, 1003 gegen zB München ZIP 2010, 2248 und Oldenburg ZIP 2010, 1846: Eintragung als GbR betrifft Inhalt, nicht Voraussetzungen der Eintragung. c) Weitere Ausnahmen von der Formfreiheit bestehen nach i Erg allg M dort, wo der Zweck der 5 Formvorschrift für das Vertretergeschäft dies verlangt. Die Einzelheiten sind jedoch umstr (eingehend Einsele DNotZ 1996, 835ff sowie Rösler NJW 1999, 1150). Dient das Formerfordernis (wie § 311b I) einem Warnzweck, so bedarf die Vollmacht jedenfalls dann der Form, wenn sie faktisch eine Bindung zur Folge hat (RG 97, 212), also nur „das äußere Gewand“ des formbedürftigen Geschäfts (BGH WM 1966, 761, 762; ebenso bereits RG 104, 236, 237), zB nicht frei widerruflich ist (BGH NJW 1952, 1210; WM 1966, 761; weitergehend Flume § 52, 2b sowie Staud/Schilken Rn 20ff). Bloße Befreiung von § 181 genügt dafür nicht (BGH NJW 1979, 2306), anders aber, wenn sich der Vollmachtgeber gebunden glaubt (BGH NJW 1979, 2306) oder faktisch nicht zum Widerruf fähig ist (Schleswig NJW-RR 2001, 733), wenn die Vollmacht für ein genau festgelegtes Geschäft dem Geschäftspartner oder seinen weisungsgebundenen Angestellten erteilt wird (RG 97, 332). Auch die Auflassungsvollmacht bedarf unter diesen Voraussetzungen der Form des § 311b, sofern nicht bereits ein Kausalgeschäft beurkundet ist (Pal/Grüneberg § 311b Rn 22); die hM will ein Formerfordernis aus § 925 entnehmen (MüKo/ Schramm Rn 25 mwN; dagegen Einsele DNotZ 1996, 835, 852). Ist die Vollmacht aus diesem Grund formbedürftig, kann für sie wie für das Hauptgeschäft das Erfordernis der Gesamtbeurkundung (dazu § 311b Rn 51ff) gelten (BGH MDR 1970, 1998); ist die Vollmacht Teil eines insgesamt beurkundungsbedürftigen Geschäfts, so ist sie nach § 139 nichtig, wenn nicht das gesamte Geschäft beurkundet ist (BGH WM 1964, 182; NJW 1997, 312, 313). Die reiche Kasuistik betrifft ganz überwiegend Grundstücksgeschäfte (§ 311b I); dieselben Grundsätze müssen aber auch zB für die Formerfordernisse des § 311b III und V (Gesamtvermögen, künftige Erb- oder Pflichtteile), § 518 (Schenkungsversprechen) sowie der §§ 2348, 2351, 2371 (Erbverzicht, Erbschaftskauf und ähnliche Verträge) gelten. Ebenfalls formbedürftig ist die unwiderrufliche Bevollmächtigung zur Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung (Rösler WM 1998, 1377; Dux WM 1994, 1145, 1147ff). Wegen unterschiedlicher Zwecke bedarf die Vollmacht zur Veräußerung von GmbH-Anteilen nicht der Form des § 15 III, IV GmbHG, sofern nicht die Vollmacht den Kaufvertrag ersetzen und damit einen freien Handel mit dem Anteil ermöglichen soll (BGH 13, 49, 52). Zur Form der postmortalen Vollmacht aufgrund analoger Anwendung der erbrechtlichen Formvorschriften Seif AcP 200, 192ff. Zur Formbedürftigkeit eines Blanketts Binder AcP 207, 155. d) Auch ohne Bindung bedarf die Vollmacht eines Nicht-Kaufmanns zur Bürgschaftsübernahme 6 der Schriftform des § 766 mit Angabe der Essentialia (BGH 132, 119, 124ff zu einer Blankettbürgschaft; dazu Keim NJW 1996, 2774; Bülow ZIP 1996, 1694; Pawlowski JZ 1997, 309). Das soll auch für eine notariell beurkundete Vollmacht gelten (Düsseldorf ZIP 2003, 1696; krit hierzu Keim DNotZ 2004, 315). Teilw wird differenziert: Schriftform ohne Angabe der Essentialia soll genügen, wenn der Bevollmächtigte die gesamte Bürgschaftsurkunde ausstellen kann (MüKo/Schramm Rn 28). Nach der Begründung des BGH ist für solche Differenzierungen kein Raum; auch eine notariell beurkundete Vollmacht muss dann die erforderlichen Angaben enthalten (ebenso Staud/Schilken Rn 20 und 26). e) Folge des Formverstoßes ist Nichtigkeit der Vollmacht (§ 125 S 1; s auch § 492 Rn 12); §§ 170–173 7 (s dort) und die Grundsätze der Rechtsscheinsvollmacht (Rn 9ff) bleiben unberührt. Der Formverstoß wird nicht entspr § 311b I S 2 geheilt, wenn der formnichtig Bevollmächtigte die Auflassung erklärt und die Eintragung im Grundbuch erfolgt, denn die Auflassung ist dann ohne Vertretungsmacht erklärt. 3. Vollmachtserklärung. Die nicht formgebundene Bevollmächtigung kann ausdr oder – wie jede 8 formfreie Willenserklärung – auch durch schlüssiges Verhalten erklärt werden. In beiden Fällen ist zunächst ein entspr äußerer Erklärungstatbestand erforderlich (Vor § 116 Rn 6ff), der nach den Umständen als Erteilung einer Vollmacht zu werten ist. Maßgebend ist dabei die (objektivierte) Sicht des Erklärungsempfängers, also bei der Innenvollmacht die des Vertreters, bei der Außenvollmacht G. Maier-Reimer

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§ 167

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

die des Dritten. Bei der Auslegung – etwa zum Umfang – finden ggü dem Adressaten die Regeln der „falsa demonstratio“ Anwendung (BGH NJW 1999, 486, 487). IdR genügt die Übertragung einer Aufgabe – etwa im Rahmen eines Geschäftsbetriebs – wenn mit ihr üblicherweise die dazu erforderlichen Vertretungsbefugnisse verbunden sind (s auch § 56 HGB). Überlässt bei einem Steuersparmodell der Grundstücksverkäufer einem Makler die Beratung eines Kunden, so kann darin die schlüssige Bevollmächtigung zum Abschluss eines gesonderten Beratungsvertrags namens des Verkäufers liegen (BGH NJW 1999, 638, 639). Die Einwilligung des Privatpatienten zur Blutentnahme enthält eine konkludente Vollmacht an den Arzt, ein Labor mit den Tests zu bauftragen, jedoch nur im Rahmen des medizinisch Erforderlichen (BGH NJW 2010, 1203). Eine Vollmacht kann grds auch formularmäßig erteilt werden; zu den AGB-rechtlichen Grenzen, §§ 305ff, s zB BGH 136, 314 = LM § 9 (Bb) AGBG Nr 43 m Anm Wolf. III. Rechtsscheinsvollmacht 9

1. Begriff und Bedeutung. Die Wirkung des Vertretergeschäfts für den Vertretenen hängt von der Vertretungsmacht ab. Ob diese vorliegt, ist für den Geschäftspartner idR nicht zuverlässig feststellbar. Daraus ergibt sich ein besonderes Bedürfnis, den Geschäftspartner, der auf einen Rechtsschein der Vertretungsmacht vertraut, zu schützen. Dieser Schutz ist in den §§ 170–173 geregelt. Diese Vorschriften werden indes nicht allen Fällen gerecht. Sie setzen grds zunächst einmal die Erteilung einer Vollmacht oder die ausdr Mitteilung einer solchen Vollmacht voraus. Oft fehlt es jedoch hieran.

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a) Nach st Rspr ist deshalb der Schutz des Geschäftspartners um zwei weitere Fallgestaltungen zu erweitern, nämlich die der sog Duldungsvollmacht und die der sog Anscheinsvollmacht. Beiden ist gemeinsam, dass der Vertreter sich – idR über längere Zeit – in einer Weise verhalten hat, aus der der Geschäftspartner auf die Vertretungsmacht schließen darf. Im Falle der Anscheinsvollmacht muss sich der Geschäftsherr an den dadurch entstandenen Schein der Vertretungsmacht halten lassen, wenn er das Verhalten des Vertreters kennen musste und dagegen nicht eingeschritten ist, obwohl er es gekonnt hätte (BGH 5, 111, 116; LM Nr 4, 8, 17, 26; NJW 1981, 1727). Diese Grundsätze sind nicht auf den kaufmännischen Verkehr beschränkt (BGH NJW 1956, 1673, 1674). Im Falle der Duldungsvollmacht ist dem Geschäftsherrn das Auftreten des Vertreters bekannt und er lässt es wissentlich zu (BGH LM Nr 4, 13, 15, 31). Die Duldungsvollmacht ist danach eine „bewusst hingenommene Anscheinsvollmacht“ (Larenz/Wolf AT § 48 Rn 23).

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b) Kritik. Die Institute von Duldungs- und Anscheinsvollmacht werden im Schrifttum zT heftig bekämpft. Die Duldungsvollmacht sei nichts anderes als eine schlüssig erteilte Vollmacht (so insb Flume § 49, 3; s auch Staud/Schilken Rn 29ff; Pal/Ellenberger § 172 Rn 8; dagegen Medicus AT Rn 930; Larenz/Wolf § 48 Rn 23; Bork AT Rn 1556). I Erg kommt der Abgrenzung zw einer Duldungsvollmacht und einer konkludent erteilten Vollmacht (dazu ausf Erman/Palm12 Rn 8ff) keine praktische Bedeutung zu (zur Relevanz von Willensmängeln s Rn 27). Gegen die Figur einer Anscheinsvollmacht wird vor allem eingewandt, damit seien die Grenzen der Privatautonomie überschritten. Eine Haftung für zurechenbaren, aber nicht gewollten Rechtsschein müsse auf das negative Interesse begrenzt sein (Flume § 49, 3, 4; Medicus AT Rn 971; Staud/Schilken Rn 31 mwN). Die Gegenposition verweist hierzu namentlich auf die §§ 170ff (Soergel/Leptien Rn 17), die freilich auf einer – jedenfalls zunächst – gewollten Legitimation des Vertreters aufsetzen.

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c) Da die Rechtsfolgen der Duldungs- und Anscheinsvollmacht gleich sind und auch die Voraussetzungen außer hins der Kenntnis des Geschäftsherrn übereinstimmen, werden beide Institute heute überwiegend und auch im Folgenden zusammenfassend unter der Bezeichnung „Rechtsscheinsvollmacht“ behandelt (Soergel/Leptien Rn 19; MüKo/Schramm Rn 46). Krit ggü den Grundlagen und Ausformungen der Rechtsscheinsvollmachten nach der hM Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, Tübingen 1999, vor allem 256ff. Zur Rechtsscheinshaftung ferner Bornemann AcP 207, 102, v. Craushaar AcP 174, 2; Crezelius ZIP 1984, 791; Merkt AcP 204, 638; Pawlowski JZ 1996, 125, 127ff; F. Peters AcP 179, 214; Schreiber Jura 1998, 606.

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2. Voraussetzungen. a) Grundlage einer Rechtsscheinsvollmacht ist ein objektiver Rechtsscheinstatbestand. aa) Die dem Geschäftsgegner erkennbar werdenden Umstände müssen objektiv den Schluss rechtfertigen, der „Vertreter“ handele im Einverständnis des Vertretenen. Der Rechtsschein muss auf einem Verhalten (Tun oder Unterlassen) des Vertretenen beruhen (BGH NJW 1952, 658), das sich auf das Auftreten eines unbefugten Vertreters bezieht und idR von einer gewissen Nachhaltigkeit (Dauer, Häufigkeit, Stetigkeit) sein muss (BGH NJW 1956, 1673, 1674; 1997, 312; 2007, 989 Tz 25; NJW-RR 1986, 1169); ein einzelner Umstand wird im Normalfall nur ausreichen, wenn er mit großer Deutlichkeit für eine Bevollmächtigung spricht; großzügiger (einmaliges Dulden genügt): Frankfurt WM 2006, 2207.

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bb) Das Erfordernis der längeren Dauer oder der Stetigkeit des Vertreterhandelns verliert an Bedeutung, wenn das fragliche Verhalten gerade die Geschäftsbeziehung zu dem Geschäftspartner (BGH LM Nr 15; NJW-RR 1987, 308) oder das konkret anstehende Geschäft betrifft (BGH NJW 1997, 312; Frankfurt WM 2006, 2207). So lag ein großer Teil der Fälle, in denen eine Rechtsscheinsvollmacht angenommen wurde (zB BGH NJW 1956, 1673; 1981, 1727; NJW-RR 1987, 308; anders in den Fällen BGH 5, 111, 116; NJW 1998, 1854; s auch RG 65, 292).

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cc) Der äußere Rechtsscheinstatbestand kann sich aus dem Geschäftsgegner bekanntem tatsächlichen Dulden oder aus Umständen ergeben, die für den Geschäftsgegner den berechtigten Schluss zulassen, der Geschäftsherr habe allg (BGH 5, 111, 116 – Besitz von Wettscheinen, Wertmarken und

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G. Maier-Reimer

Vertretung und Vollmacht

§ 167

Entwertungsstempeln) oder bzgl des konkreten Geschäfts (Frankfurt WM 2006, 2207) Kenntnis von dem Vertreterhandeln und dulde es. dd) Ein Schluss aus den Umständen auf die Kenntnis und damit auf eine Bevollmächtigung kann 16 insb bei einer nach außen sichtbaren Übertragung von solchen Aufgaben – etwa im Rahmen eines Arbeits-, Dienst- oder Geschäftsbesorgungsvertrags – gerechtfertigt sein, die im Rechtsverkehr üblicherweise mit einer Vertretung verbunden sind (Bsp: Düsseldorf ZIP 1989, 495; NJW-RR 1995, 592; Köln NJW-RR 1994, 1501; LAG Hessen NZA-RR 1998, 396; MDR 2001, 43). Normiertes Bsp ist § 56 HGB. Der Schluss kommt ferner in Betracht, wenn der unbefugte Vertreter wiederholt und über einen längeren Zeitraum Geschäfte namens des Vertretenen ohne dessen erkennbaren Widerspruch geschlossen hat (BGH NJW 1956, 1674; WM 1963, 165; NJW 1997, 312; für „Scheinsozietät“ bei Rechtsanwälten: Frankfurt NJW-RR 2001, 1004). Auch die mehrfache Bezahlung von Rechnungen aus Vertretergeschäften kann den objektiven Rechtsscheinstatbestand eines Einverständnisses für gleichartige Geschäfte ergeben (Köln MDR 1970, 840; Hamburg BauR 1996, 256). Wer duldet, dass ein Nachfolger im Geschäftsleben unter der alten Geschäftsbezeichnung auftritt, ohne den Wechsel der Inhaberschaft bekannt gemacht zu haben, haftet kraft Rechtsscheinsvollmacht (BGH NJW 1966, 1916; VersR 1971, 227). Zur Rechtsscheinsvollmacht bei Gestattung der Benutzung eines fremden PC mit Benutzernamen und Passwort: AG Bremen NJW 2006, 518; Hanau VersR 2005, 1215; s auch München NJW 2004, 1328 sowie § 164 Rn 13. ee) Nicht ausreichend als Grundlage für den äußeren Rechtsscheinstatbestand ist zB der bloße Be- 17 sitz von Briefpapier mit Firmenaufdruck (Düsseldorf BB 1950, 490) oder von Wechselformularen und Namensstempeln (Hamburg BB 1964, 576; aM Jena MDR 1999, 859 für Faksimilestempel); diese Unterlagen können ebenso gut anderweitig beschafft worden sein, so dass der Schluss auf ein Einverständnis des Geschäftsherrn nicht ohne weiteres gerechtfertigt ist (Soergel/Leptien Rn 20f; s auch BGH 5, 111, 116; WM 1976, 507). Gegen den Rechtsschein einer Vollmacht können auch Vorgänge sprechen, die nach Handelsbrauch oder den Gepflogenheiten des Rechtsverkehrs ungewöhnlich sind (mündliche Zusage eines Bankangestellten, die Bank werde für die Einlösung fremder Wechsel mit eigenen Mitteln haften; BGH MDR 1955, 214). ff) Der objektive Rechtsscheinstatbestand muss seinem Umfang nach gerade auch das abgeschlos- 18 sene Geschäft einschließen (BGH MDR 1953, 345; NJW 1956, 460). Wer als Vertreter mit beschränktem Wirkungskreis erscheint, kann nur innerhalb dieses Rahmens Geschäfte mit Wirkung für und gegen den Vertretenen zustande bringen; spricht der äußere Anschein für eine Generalvollmacht, werden entspr weit abgegrenzte Geschäfte erfasst. b) Der objektive Rechtsscheinstatbestand muss vom Vertretenen zurechenbar veranlasst sein. aa) 19 Der Vertretene muss die Möglichkeit gehabt haben, das Auftreten des unbefugten Vertreters zu verhindern (BGH 5, 111, 116). Erforderlich ist danach ein Verschulden des Vertretenen (BGH NJW 1956, 1673; 1988, 1200; BAG NJW 1964, 1690). Dieses liegt bei der Duldungsvollmacht darin, dass der Geschäftsherr das Verhalten des Vertreters kennt und nicht verhindert (BGH NJW 2003, 2091; 2004, 2745 m Bespr Wagner LMK 2004, 154), bei der Anscheinsvollmacht darin, dass er bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt das Handeln des Vertreters hätte erkennen und verhindern können (BGH NJW 1998, 1854, 1855; ZIP 2005, 1357, 1361). Eine bloße (unverschuldete) Veranlassung genügt in keinem Fall (Staud/Schilken Rn 40, 41). Das Verschulden liegt in der Nachlässigkeit in eigenen Angelegenheiten (MüKo/Schramm Rn 61). Dabei muss sich der Geschäftsherr Sorgfaltspflichtverletzungen einer von ihm eingeschalteten Überwachungsperson zurechnen lassen (Staud/Schilken Rn 41). Diese Grundsätze gelten auch beim Handeln unter fremdem Namen im elektronischen Rechtsverkehr, Schleswig v 19.7.2010 – 3 W 47/10, juris; Pal/Ellenberger § 172 Rn 18; s § 164 Rn 13 sowie § 675l. bb) Durch das Erfordernis der Zurechenbarkeit ist die Rechtsscheinsvollmacht zulasten Minder- 20 jähriger ausgeschlossen; deren Schutz geht im Rahmen der §§ 104ff dem Verkehrsschutz vor (BayObLG AnwBl 1992, 234; Stuttgart MDR 1956, 673; MüKo/Schramm Rn 52; allg M); zur Rechtsscheinshaftung für das Handeln eines geschäftsunfähigen Geschäftsführers § 165 Rn 5. cc) Wird der Geschäftsherr (zB jur Pers) gesetzlich durch Gesamtvertreter vertreten, so ist Vo- 21 raussetzung, dass eine vertretungsberechtigte Zahl von Vertretern Kenntnis hat oder haben muss. Zwar wird das Wissen des einzelnen Gesamtvertreters zugerechnet (§ 166 Rn 31), jedoch hätte ein Einzelner, dessen Kenntis zugerechnet wird, die Vollmacht, um deren Schein es geht, nicht erteilen können. Das gibt den Ausschlag (s BGH NJW 1988, 1200). dd) Gesetzliches Verbot. Würde die ausdr Vollmacht gegen ein gesetzliches Gebot verstoßen, kann 22 sie (außerhalb des § 172) auch nicht durch einen Rechtsschein ersetzt werden. Das hat insb Bedeutung für die Vertretung von Organen der öffentlichen Hand (dazu Rn 38), aber auch für die allg Alleinvertretungsermächtigung eines Gesamtvertreters durch den anderen (BGH NJW 1988, 1199, 1200). c) Der Geschäftsgegner muss auf den geschaffenen Rechtsscheinstatbestand vertraut haben. aa) 23 Hierfür ist erforderlich, dass er von den rechtsscheinsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat (BGH LM Nr 13; 17, 19; 22, 238; NJW 2004, 2745 m Bespr Wagner LMK 2004, 154; NJW 2007, 987, 989). Es genügt, dass er insgesamt die allg Überzeugung von der Bevollmächtigung erhält (BGH NJW 1962, 1003). Die Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen muss für den Geschäftsabschluss ursächlich gewesen sein (BGH WM 1981, 171, 172). bb) Nur das schutzwürdige Vertrauen des Geschäftsgegners kann die Anwendung der Grundsätze 24 über die Rechtsscheinsvollmacht begründen. Kannte der Geschäftsgegner den wahren Sachverhalt, G. Maier-Reimer

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§ 167

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

so fehlt es für ihn bereits an einem äußeren Rechtsscheinstatbestand. Hätte der Geschäftsgegner den Mangel einer Vollmacht erkennen können, verdient er keinen Schutz; der Rechtsgedanke des § 173 gilt entspr (BGH NJW 1958, 2062; WM 1976, 74; NJW 1982, 1513; 1991, 2126). Für den auf den Rechtsschein vertrauenden Vertragsgegner besteht aber keine allg Überprüfungs- und Nachforschungspflicht (BGH NJW 2005, 668; 2006, 1952). Nach den Umständen kann aber im Einzelfall doch eine Erkundigungspflicht des Geschäftsgegners in Betracht kommen (BGH NJW-RR 1996, 673). Bei wichtigen, gründliche Vorbereitung erfordernden und dabei nicht eilbedürftigen Geschäften ist Zurückhaltung in der Annahme einer Anscheinsvollmacht geboten (BGH NJW 1958, 2061; einschränkend NJW 1981, 1727). Ein schutzwürdiges Vertrauen sollte auch verneint werden, wenn der Geschäftspartner in sein Vertrauen nichts „investiert“ hat, also ein ihn allein begünstigendes Geschäft abgeschlossen hat, wenn zB eine von ihm erstellte Forderungsaufstellung anerkannt wurde und er keinerlei weitere Dispositionen im Vertrauen auf dieses Geschäft traf (aM, ohne Problematisierung, Jena MDR 1999, 859). 25

d) Bei der Prüfung, ob der Vertretene sich den Rechtsschein der Vollmacht des für ihn Handelnden entgegenhalten lassen muss, ist auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen (BGH NJW 2004, 2745 m Bespr Wagner LMK 2004, 154); Vorgänge aus späterer Zeit können daher nur unter dem Gesichtspunkt der Genehmigung des durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht abgeschlossenen Vertrags von Bedeutung sein (BGH MDR 1958, 83 m Anm Pohle).

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3. a) Die Wirkungen der Rechtsscheinsvollmacht entsprechen denen der rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung (BGH 86, 275; BAG DB 1994, 2503; str, s Rn 12). Aus dem Vertrauen auf eine Rechtsscheinsvollmacht kann niemand weitergehende Ansprüche herleiten, als er haben würde, wenn der Rechtsschein der wirklichen Sachlage entspräche (BGH 12, 105; 17, 13, 17; NJW 1998, 2897). Der Rechtsschein kann auch wie die Erweiterung einer bestehenden Vollmacht wirken, wenn deren Grenzen überschritten werden (BGH NJW-RR 1987, 308).

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b) Die Berücksichtigung von Willensmängeln bei Veranlassung des Rechtsscheins ist umstr (dazu Lobinger aaO [Rn 12] 269f). Die Frage stellt sich nur für die Anfechtung der Rechtsscheinsvollmacht nach Abschluss des Geschäfts (allg zur Anfechtung der Bevollmächtigung Rn 44ff). Die Anfechtung wegen des Fehlens eines Bevollmächtigungswillens scheidet aus, weil es eines solchen Willens nicht bedarf (Larenz/Wolf § 48 Rn 24; Soergel/Leptien Rn 22). Ein sonstiger möglicherweise relevanter Irrtum kommt deshalb nur in Betracht, wo der Rechtsschein auf bewusster Duldung beruht (Rn 10, 16), also im Grenzbereich zw stillschw erteilter Vollmacht und Rechtsscheinsvollmacht. Zwar kommt es für die Duldungsvollmacht auf den Geschäftswillen nicht an, jedoch ist der kausal gewordene Irrtum bei der Duldungsvollmacht wie bei der rechtsgeschäftlichen Vollmacht zu berücksichtigen und die Anfechtung zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zuzulassen (ähnl MüKo/Schramm Rn 53; i Erg – wegen Annahme stillschw Vollmacht – auch Staud/Schilken Rn 45; aM Soergel/Leptien Rn 22; Larenz/Wolf § 47 Rn 35).

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c) Der Geschäftsgegner hat kein Wahlrecht, den Vertreter aus § 179 oder den Vertretenen in Anspruch zu nehmen (MüKo/Schramm Rn 75ff; aM Larenz/Wolf § 48 Rn 33). Besteht eine Rechtsscheinsvollmacht, so besteht Vertretungsmacht und § 179 scheidet aus (BGH 61, 59, 69). Die Gegenansicht meint, der Vertragsgegner müsse auf den Schutz seines Vertrauens in den Rechtsschein verzichten und sich dann nach § 179 I an den Vertreter halten können (Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, 520 sowie NJW 1991, 2628; Pawlowski JZ 1996, 125, 131 mwN). Das zu § 15 III HGB anerkannte Wahlrecht (Baumbach/Hopt § 15 Rn 6, 22) beruht auf der abw Konstruktion des dortigen Verkehrsschutzes. Bei Unklarheit über die Voraussetzungen des Rechtsscheins muss der Gegner beide verklagen (s den Fall BGH NJW 1988, 1199) oder den einen verklagen und dem anderen den Streit verkünden.

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4. Einzelfälle. a) Arbeits- und Dienstverhältnisse. Rechtsscheinsvollmacht eines Angestellten bejahen: BGH NJW 1956, 1673 – nicht fest angestellte Schreibkraft, die Geschäftsbriefbögen benutzte; BGH LM Nr 1 – leitender Angestellter einer GmbH, der wie deren Geschäftsführer auftrat; BGH WM 1971, 39 – in mehreren Fällen abgegebene Zusicherung eines seine Vollmacht überschreitenden Oberrentmeisters; verneinen: BGH NJW 1956, 460 – bei bisheriger selbständiger Vornahme lediglich unbedeutender Geschäfte für einen landwirtschaftlichen Betrieb; BGH LM Nr 3 zu § 157 (Ga) – Angestellter, der seine Vertretungsmacht behauptete; weitere verneinende Beisp: BGH LM Nr 24 zu § 164; Düsseldorf MDR 1996, 894 – nach Üblichkeit differenzierend: BGH LM Nr 6 zu § 164.

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Daneben gilt als bevollmächtigt, wer mit Aufgaben betraut ist, deren Erledigung üblicherweise eine Vollmacht voraussetzt (s Rn 16). Beisp: Rechtsscheinsvollmacht: Telefonist zur Entgegennahme fernmündlicher Erklärungen (RG 102, 296). Schalterbedienstete von Geldinstituten zur Vornahme aller Geschäfte, die der Schalterverkehr mit sich bringt (RG 86, 89; 118, 239); auch für die Erteilung von Auskünften (BGH WM 1973, 635); Angestellte in Niederlassung ausl Fluggesellschaft zur Bestellung von Plätzen bei einer anderen Fluggesellschaft (Düsseldorf MDR 1978, 930). Verhandlungsbeauftragter für mündliche Erklärungen, selbst wenn er zuvor erklärt hat, er müsse noch Rücksprache mit seinem Geschäftsherrn nehmen (RG 100, 49). S auch RG 106, 203 – kommissarischer Geschäftsleiter. Keine Rechtsscheinsvollmacht: BR-Vorsitzende für den AG bzgl nicht zu erwartenden Verhaltens (BAG 15, 305). Zur Anscheins- oder Duldungsvollmacht bei einem Arbeitsverhältnis in einer kirchlichen Einrichtung BAG AP § 1 KSchG 1969 Gemeinschaftsbetrieb Nr 1; zur Rechtsscheinsvollmacht im Arbeitsrecht ferner BAG DB 1994, 2502.

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b) Architekten. Die Vollmacht eines Architekten zur Einholung von Angeboten begründet idR nicht den Anschein, der Architekt sei zur Auftragsvergabe bevollmächtigt (Köln BauR 1993, 243); ob 512

G. Maier-Reimer

Vertretung und Vollmacht

§ 167

zur Vergabe einzelner im Rahmen des Bauprojekts liegender Bauleistungen, insb zur Vergabe von Zusatz- und Ergänzungsaufträgen, ist Frage des Einzelfalles (bejahend Köln NJW 1973, 1799; verneinend München BauR 1996, 547; Celle BauR 1997, 174 [LS]; Düsseldorf BauR 2000, 891, 1198 und NJWRR 2001, 14). Zu den Indizien für eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht eines Architekten für ein Unternehmen, mit dem er zusammenarbeitet, BGH NJW-RR 1997, 1276. Die Bezahlung von Einzelrechnungen sowie die Beteiligung bei der Abnahme der erbrachten Leistungen kann Rechtsscheinsvollmacht für weitere Aufträge begründen (Brandenburg NJW-RR 2002, 1099; Hamburg BauR 1996, 256; zu einem Schuldbeitritt ggü einem Subunternehmer Düsseldorf NJW-RR 1995, 592). Bei begründetem Zweifel muss sich der Bauunternehmer erkundigen (BGH NJW 2000, 1407). Zum Umfang einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht eines Architekten s auch BGH NJW-RR 1997, 1276 und Naumburg NZBau 2000, 143. Zu den Voraussetzungen für eine Rechtsscheinsvollmacht eines Architekten zum Abschluss eines Maklervertrags BGH NJW-RR 1997, 1276; Jagenburg NJW 1997, 2280. Zur Anscheinsvollmacht für die Abnahme des Bauwerks oder die Genehmigung einer Schlussrechnung s BGH 97, 224, 230; Nürnberg NJW-RR 1999, 1036 und Saarbrücken NJW-RR 2000, 826. c) Familienangehörige. Die Ehefrau hat keine Rechtsscheinsvollmacht für ihren zum Wehrdienst 32 eingezogenen Ehegatten (BGH NJW 1951, 309); es besteht auch keine Vermutung der Vertretungsbefugnis unter Ehegatten (BSG NVwZ 1983, 768). Unterhalten Eheleute gemeinsam ein Oder-Konto, so kann sich aus der Verwaltung dieses Kontos der Anschein gegenseitiger Bevollmächtigung ergeben (Düsseldorf WM 1996, 949). Aufgrund des Rechtscheins einer Ermächtigung durch einen Elternteil kann der andere berechtigt sein, das gemeinsame Kind allein zu vertreten (BGH 105, 45, 48; s aber Rn 20; krit Pawlowski MDR 1989, 775). Zur Rechtsscheinsvollmacht für die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft: Weinreich FPR 2001, 29. – Beim Abschluss eines längerfristigen Pachtvertrags über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück kann nicht von der Rechtsscheinsvollmacht eines für die Erbengemeinschaft handelnden Miterben ausgegangen werden (BGH NJW 1958, 2062). Möglich ist aber die Haftung aller Miterben aus Rechtsgeschäften, die in Fortführung eines ererbten Betriebs von dem die Geschäfte allein abwickelnden Miterben abgeschlossen werden (BGH NJW 1962, 2196). d) Handels- und Gesellschaftsrecht. Rechtsscheinsvollmacht im Bankverkehr liegt nicht schon 33 dann vor, wenn der Angestellte seine Vertretungsmacht behauptet und der Geschäftsgegner sich hierauf verlässt (BGH LM Nr 3 zu § 157 [Ga]). Der Leiter einer kleinen Bankfiliale hat keine Anscheinsvollmacht zum mündlichen Abschluss eines Darlehensvertrags über einen höheren Betrag (Koblenz MDR 1994, 1110). – Der Gesamtvertreter einer AG kann uU kraft Anscheinsvollmacht (Anscheinsermächtigung gem § 78 IV 1 AktG) die Gesellschaft allein vertreten (vgl BGH WM 1976, 503); der Kassierer einer Genossenschaft hat Anscheinsvollmacht für die Annahme von Geld, nicht aber für den zugrundeliegenden Darlehensvertrag (RG 65, 292). Bei einem als GbR betriebenen Immobilienfonds muss die Treuhandgesellschafterin Erklärungen von Anlegern ggü dem (an sich unzuständigen) Verwaltungsgesellschafter uU kraft Rechtsscheinsvollmacht gegen sich gelten lassen (Hamm NJW-RR 2000, 916 = NZG 2000, 500 m Anm Jäger). Zur Haftung bei einer unter erkennbarem Vollmachtsmissbrauch gegründeten Schein-GbR BGH NJW 2011, 66. Bei Übernahme eines Gewerbebetriebs haftet der frühere Inhaber nach Rechtsscheinsgrundsätzen, wenn auf den Inhaberwechsel nicht deutlich genug hingewiesen wurde (Rn 16; BGH WM 1971, 15). Eine Rechtsscheinsvollmacht des Provisionsvertreters liegt nicht schon dann vor, wenn der Geschäftsherr es zweimal hinnimmt, dass sein Geschäftspartner ihm Schecks durch den Vertreter überbringen lässt (BGH VersR 1971, 768). Verhandlungs- und Bankvollmacht können aber den Rechtsschein einer Abschlussvollmacht begründen (Oldenburg BB 1995, 2342). Zu der (verneinten) Erweiterung einer Bankvollmacht nach Rechtsscheinsgrundsätzen Köln ZIP 2001, 1709. Zur Haftung eines Wirtschaftsberatungs- und Finanzbetreuungsunternehmens für einen als Handelsvertreter tätigen Außendienstmitarbeiter BGH NJW 1998, 1854ff = LM Nr 39 m Anm Reuter. Zur Duldungsvollmacht für einen Treuhänder, der Gesellschafter einer GbR umfassend vertritt: Düsseldorf NZG 1999, 989. Zur Rechtsscheinsvollmacht bei unternehmensbezogenen Geschäften Hamm NJW-RR 1996, 802. Zum Risiko einer Rechtsscheinsvollmacht wegen Verwendung ausl Positionsbezeichnungen (etwa: „General Manager“ oder „Vice President“) Borsch GmbHR 2004, 1376. e) In jüngerer Zeit stand häufig die Frage zur Entscheidung, ob insb beim sog Strukturvertrieb von 34 Kapitalanlagen (etwa im sog Bauherrenmodell) oder Fondsbeteiligungen eine nicht vollständig beurkundete (§ 311b) oder nach Art 1 § 1 RBerG (jetzt § 3 RDG) (§ 134 Rn 85) nichtige Vollmacht dennoch die Anwendung der Grundsätze über die Rechtsscheinsvollmacht zulässt, wenn nicht ohnehin § 172 eingreift (dazu dort Rn 10). Nach der Rspr des BGH kann neben der nichtigen Vollmacht eine wirksame Rechtsscheinsvollmacht vorliegen, die sich aber auf Umstände außerhalb der nichtigen Vollmachtsurkunde stützen muss (BGH NJW 1997, 312; anders noch BGH 102, 60, 64ff). Die Voraussetzungen dafür hat der BGH aber zunehmend verschärft (BGH NJW 2003, 2091; 2004, 2745). Wenn dem Geschäftspartner (idR der finanzierenden Bank) die Existenz der Vollmacht, nicht aber deren Nichtigkeit bekannt ist, werde er ebenso wie der Vertretene davon ausgehen, dass das weitere Verhalten des Vertreters auf dieser Vollmacht beruht, so dass dessen Duldung nicht als Rechtsschein für eine weitere Bevollmächtigung verstanden werden könne und deshalb keine Rechtsscheinsvollmacht begründe (BGH NJW-RR 2004, 1275, 1276; NJW 2005, 2985); aM, weil für die Duldungsvollmacht ein Erklärungsbewusstsein nicht erforderlich ist, München NJW 2006, 1811, 1813 ausdr gegen BGH NJW 2005, 2985; der BGH hat die Revision gem § 522a ZPO zurückgewiesen – BGH v 4.7.2007 – XI ZR 169/06, juris.

G. Maier-Reimer

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§ 167

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

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Als Rechtsscheinsgrundlage anerkannt wurde das Schweigen auf die Mitteilung der Bank über die von dem – unwirksam – Bevollmächtigten vorgenommene Kontoeröffnung und anschließende Auszahlung des Darlehens (BGH NJW 1997, 312), nicht aber die geduldete Mitwirkung an Vorfinanzierungsgeschäften (BGH NJW 2003, 2091) oder sonstigen Vorbereitungsmaßnahmen. Untauglich sind Verhaltensweisen nach Abschluss des Geschäfts (BGH NJW 2002, 2325, 2327), wenn sie nicht als Genehmigung zu werten sind (dazu § 177 Rn 14ff); ebenso ein vor der Beurkundung der nichtigen Vollmacht unterzeichneter Vermittlungsvertrag nebst schriftlicher Selbstauskunft und Blankoeinziehungsermächtigung (BGH NJW 2004, 2745). In der Zusammenschau ist nach dieser Rspr des XI ZS des BGH in solchen Fällen eine Rechtsscheinsvollmacht außerhalb des § 172 praktisch nicht möglich. Die Instanzgerichte entscheiden zT anders (s Frankfurt NJW-RR 2005, 1514; WM 2006, 2207; München NJW 2006, 1811).

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f) Die Vorlage des Kfz-Briefes begründet nicht ohne weiteres eine Anscheinsvollmacht zur Veräußerung, wenn Veräußerer und eingetragener Halter nicht identisch sind (Köln VersR 1974, 1185). Ein Verhandlungsbeauftragter, der unbeschränkt zur Führung von Vertragsverhandlungen bevollmächtigt ist, hat idR Rechtsscheinsvollmacht für die Benennung des Bankkontos, auf das der andere Teil seine Gegenleistung überweisen soll (BGH WM 1971, 1501). Zur Rechtsscheinsvollmacht eines Kfz-Händlers KG NJW-RR 1996, 1079.

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g) Makler. Keine Rechtsscheinsvollmacht hat ein Makler, der für seinen Auftraggeber Zusicherungen abgibt, obwohl der Auftraggeber einem Dritten Abschlussvollmacht erteilt hat (BGH WM 1973, 612). Wer vom Makler als dessen Vertreter für den Abschluss und die Verhandlungen in der Hauptsache entsandt oder geduldet wird, darf vom Maklerkunden als zur Verhandlung über das Maklerhonorar, nicht aber zu dessen Entgegennahme als Barscheck bevollmächtigt angesehen werden (BGH NJW-RR 1987, 308; Brandenburg NJW-RR 1997, 886).

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h) Öffentliche Hand. Die rechtsgeschäftliche Verpflichtung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nach den Grundsätzen der Rechtsscheinsvollmacht ist anerkannt, wenn das zuständige Vertretungsorgan selbst einen Zustand veranlasst oder duldet, durch den bei Dritten der Anschein einer Vollmacht erweckt wird (BGH 40, 204; NJW 1955, 985; 1997, 230). Sofern dagegen die Vertretungsregelung in einer Rechtsvorschrift oder in einer Satzung zugleich eine Schranke für die rechtsgeschäftliche Vertretungsbefugnis bildet (näher dazu bei § 125 Rn 11 und § 164 Rn 18), ist für die Grundsätze der Rechtsscheinsvollmacht nur wenig Raum (s auch Rn 21 zur Gesamtvertretung). Die Vertretungsvorschriften in den Kreis- und Gemeindeordnungen sind gesetzliche Schutzvorschriften zur Kontrolle des Handelns der Kommune nach außen und können daher allenfalls unter sehr strengen Voraussetzungen durchbrochen werden (Bsp: Celle NJW 2001, 607; Frankfurt NVwZ 2001, 958). Dagegen kommt eine Rechtsscheinsvollmacht für ein Handeln eines Bürgers ggü der Verwaltung ohne Einschränkung nach den allg Grundsätzen in Betracht (BSG NVwZ 1983, 768; BVerwG NJW-RR 1995, 73; OVG Münster NVwZ-RR 2004, 72). Zur Rechtsscheinsvollmacht des Geschäftsführers einer GmbH, die für einen Landkreis ein Unternehmen betreiben soll, BGH NJW-RR 1996, 371 m Anm Eckardt WiB 1996, 267. Für die als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannten Kirchen gelten diese Grundsätze entspr (Frankfurt NVwZ 2001, 958).

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i) Zur Rechtsscheinshaftung von Rechtsanwälten einer Bürogemeinschaft BGH 70, 249, eines aus einer Sozietät ausgeschiedenen Anwalts BGH WM 1991, 743, einer Scheinsozietät BGH NJW 1999, 3040. Die Grundsätze zur Haftung in der Scheinsozietät gelten auch nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit der (Anwalts-) GbR (BGH NJW 2007, 2490), jedoch nur für anwaltstypische Tätigkeiten (BGH NJW 2008, 2330).

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j) In der Telekommunikation wird der Inhaber eines Telefonanschlusses nicht kraft Rechtsscheinsvollmacht gebunden, wenn ein Dritter ohne seine Kenntnis ein ankommendes kostenpflichtiges R-Gespräch annimmt; er haftet jedoch, auch bei Annahme eines R-Gesprächs durch minderjährige Familienangehörige, wenn er diese Nutzung seines Telefonanschlusses zu vertreten hat (BGH 166, 369 zu § 16 III 3 TKV, jetzt § 45i IV TKG; s dazu auch: AG Eisenach K&R 2006, 481; zur Rechtsscheinsvollmacht bei sog „Klingeltonverträgen“ Mankowski/Schreier VuR 2007, 1). Der Inhaber ist aber nicht verpflichtet, die Annahme durch Familienangehörige mittels technischer Vorkehrungen zu verhindern (BGH 166, 369 Tz 23ff); s auch § 675l.

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k) Versicherungen. Eine Rechtsscheinsvollmacht begründet die Aushändigung von Blankodeckungszusagen für vorläufige Deckungszusagen (BGH VersR 1964, 890; 1986, 131; Hamburg VersR 1996, 134), uU auch über den Blankettumfang hinaus (Düsseldorf VersR 2004, 11; s auch § 172 Rn 16); ebenso die Abschlussvollmacht des Versicherungsmaklers für spätere Vertragsänderungen (Hamburg VersR 1996, 1197); keine Rechtsscheinsvollmacht aber zum Abschluss von Folgegeschäften aufgrund der Vollmacht zum Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags (BGH VersR 1992, 989) oder für den Schadensregulierer zur Vergabe von Reparaturaufträgen (BGH VersR 1965, 134). Weder eine Inkassovollmacht noch eine Vollmacht zur Erteilung einer vorläufigen Deckungszusage begründen aber den Rechtsschein, ein Vermittlungsagent sei zum Abschluss von Versicherungsverträgen bevollmächtigt (BGH NJW 1983, 631). Zur Duldungsvollmacht eines Regulierungsbeauftragten iSv § 3 S 3 PflVersG Rostock OLG-NL 2003, 3.

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l) Auch im Wechselrecht und im Scheckrecht finden die Grundsätze über die Rechtsscheinsvollmacht Anwendung (BGH WM 1986, 901; Celle WM 1996, 1951; München BB 1997, 649).

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G. Maier-Reimer

Vertretung und Vollmacht

§ 167

IV. Mängel der Vollmachtserteilung 1. Als Rechtsgeschäft unterliegt die Bevollmächtigung grds den allg Vorschriften über die Nichtig- 43 keit und Anfechtbarkeit (§§ 116ff, 134, 138). Zu den Anforderungen an die Geschäftsfähigkeit im Falle einer Vorsorgevollmacht (§ 1896 II) und diesbezüglichen Zweifeln bei aufeinander folgenden inhaltlich abw Vorsorgevollmachten München NJW-RR 2009, 1599. Zur Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen das RBerG über § 139 oder direkt nach § 134 s Rn 1 sowie § 134 Rn 85 zu den Grenzen BGH ZIP 2009, 559. Dem Vollmachtgeber kann es nach § 242 verwehrt sein, sich auf die Nichtigkeit der Vollmacht zu berufen, wenn er zu dem Vertretungsgeschäft (Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung) verpflichtet ist, BGH NJW 2004, 59 und 62. Zur Erstreckung der Nichtigkeit einer umfassenden Vollmacht nach dem RBerG auf eine Spezialvollmacht wegen Einheitlichkeitswillens BGH VuR 2010, 183. Kommt es für die Nichtigkeit der Vollmachtserklärung auf die Kenntnis oder das Einverständnis des Erklärungsempfängers an (zB § 116 S 2; § 117 II), ist zw interner und externer Bevollmächtigung zu unterscheiden; im ersten Fall ist Kenntnis oder Einverständnis des Vertreters, im zweiten Fall die des Geschäftsgegners maßgeblich. 2. Die Anfechtbarkeit der Vollmacht ist von der des Vertretergeschäfts (dazu § 166) zu unterschei- 44 den. Als Anfechtungsgründe kommen außer arglistiger Täuschung und Drohung Irrtümer des Vollmachtgebers über den Inhalt der Vollmacht, Eigenschaften des Bevollmächtigten und, bei Spezialvollmachten, auch über den Geschäftspartner oder den Gegenstand des vorgesehenen Vertretergeschäfts in Betracht. a) Unproblematisch ist die Anfechtung der Bevollmächtigung, wenn der Vertreter von der Voll- 45 macht noch keinen Gebrauch gemacht hat. Anfechtungsgegner (§ 143 III S 1) ist bei der Innenvollmacht der Vertreter, bei der Außenvollmacht der Geschäftsgegner. Praktische Bedeutung hat die Anfechtung jedoch nur, wenn die Vollmacht nicht frei widerruflich ist (vgl § 168 Rn 14); andernfalls genügt der Widerruf der Vollmacht (§ 168 S 2). b) Ob die Vollmacht auch anfechtbar ist, wenn von ihr bereits Gebrauch gemacht wurde, ist str. 46 Die praktische Relevanz der Frage ist gering, da einschlägige Rspr außer in Täuschungsfällen nicht bekannt ist (ebenso Soergel/Leptien Rn 7). Die Probleme ergeben sich aus der Rückwirkung der Anfechtung (§ 142 I), der aus § 143 III folgenden Differenzierung des Anfechtungsadressaten bei Innenund Außenvollmacht, daraus folgender unterschiedlicher Zuordnung des Anspruchs aus § 122 und dem sich daraus ergebenden Nebeneinander von Ansprüchen aus § 122 gegen den Geschäftsherrn und aus § 179 II gegen den Vertreter (ausf Flume § 52, 5). Im Fall der Minderjährigkeit (§ 179 III S 2) oder Insolvenz des Vertreters ist der Dritte schutzlos. Deshalb wollen einige die Anfechtung der ausgeübten Vollmacht ausschließen (Eujen/Frank JZ 1973, 232; Brox JA 1980, 449; Erman/Palm12 Rn 27; s auch Petersen AcP 2001, 375, 279ff). Der Vertretene soll dann analog § 166 II das Vertretergeschäft anfechten können (Erman/Palm12 § 166 Rn 18; ebenso, ohne Ausschluss der Vollmachtsanfechtung, Medicus AT Rn 899, 902; wohl auch MüKo/Schramm § 166 Rn 59; dagen nachdr Staud/Schilken Rn 82a). Für den Ausschluss der Anfechtung gibt es keine Grundlage (eingehend Schwarze JZ 2004, 588); § 166 II passt weder nach seinem Tatbestand noch nach seiner Rechtsfolge. Die hL belässt es deshalb mit Recht grds bei den Folgen der §§ 122, 142, 143 und 179 (Bork AT Rn 1476ff; Larenz/Wolf § 47 Rn 35; MüKo/Schramm Rn 110f; Staud/Schilken Rn 77ff). Da die Anfechtung immer auf Beseitigung des Vertretergeschäfts gerichtet ist, ist sie aber immer ggü dem Geschäftspartner zu erkären (Flume § 52, 5c; Medicus AT Rn 945; Larenz/Wolf § 47 Rn 36). Diesem steht danach immer der Anspruch aus § 122 gegen den Vertretenen zu (ebenso MüKo/Schramm Rn 111; Schwarze JZ 2004, 588, 594). ZT wird darüber hinaus angenommen, nach Anfechtung der Außenvollmacht bestehe kein Anspruch aus § 179 (MüKo/Schramm Rn 110) oder der Vertreter habe analog den Anspruch aus § 122 (Staud/Schilken Rn 82). Beruht die Anfechtung auf einer dem Geschäftspartner zuzurechnenden Täuschung, so hat dieser Ansprüche weder aus § 122 (§ 122 II) noch aus § 179 (§ 179 III 1 iVm § 142 II; vgl BGH NJW 1989, 2879; 1989, 2881, beide zu § 173). 3. Zur Inhaltskontrolle von Vollmachtsklauseln nach AGB-Recht BGH NJW 1997, 3437; Schwab 47 JuS 2001, 951 mwN. V. Umfang und Arten der Vollmacht 1. Spezial-, Gattungs- und Generalvollmacht. Nach dem Umfang der Vollmacht unterscheidet man 48 zw Spezialvollmacht (für ein bestimmtes Geschäft), Gattungsvollmacht (für eine Gattung von Geschäften; Bsp: Prokura und Handlungsvollmacht, dazu Müller JuS 1998, 1000ff) und Generalvollmacht (für alle Geschäfte, bei denen eine Vertretung zulässig ist; hierzu, insb zu den Grenzen für Generalvollmachten von Organpersonen, BGH 34, 27, 30; NJW 1977, 199; NJW-RR 2002, 1325 mit Bespr K Schmidt JuS 2003, 95; ferner zum Umfang einer Generalvollmacht Naumburg MDR 1994, 1197). Die Generalvollmacht berechtigt idR nicht zum Widerruf einer gleichrangigen anderen Generalvollmacht (Karlsruhe Justiz 2010, 198). Zur Vollmachtskontrolle durch Betreuer § 1896 III. a) Maßgebend für den Umfang der Vollmacht ist grds der erkennbare Wille des Vertretenen, der 49 durch Auslegung aus der Sicht des Erklärungsempfängers zu ermitteln ist (BGH JZ 1970, 373; NJW 1999, 486, 487). Bei den für den Rechtsverkehr besonders wichtigen Vollmachten des Handelsrechts ist der Umfang der Vertretungsmacht durch teilw zwingendes Recht bestimmt (für die Prokura §§ 48, 50, 54, 55 HGB). Der Umfang der Vollmacht kann sich auch aus AGB ergeben (BGH NJW 1999, 1633 – Versicherungsvertreter). – Soweit der Vertretene den Umfang der Vertretungsmacht autonom bestimmen kann, ist für den durch Auslegung zu ermittelnden Umfang der Vertretungsmacht zw interner und externer Bevollmächtigung zu unterscheiden: G. Maier-Reimer

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§ 167

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

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aa) Bei der Innenvollmacht kommt es auf das Verständnis des Vertreters als Erklärungsempfänger an (BGH NJW 1991, 3141). Beschränkungen nach dem Kausalverhältnis sind bei der Auslegung der Vollmacht zu berücksichtigen, jedoch unbeschadet der Grundsätze der Rechtsscheinsvollmacht (Rn 9ff, 26). Das gemeinsame Verständnis von Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem ist auch ggü dem weiteren Wortlaut der Vollmachtsurkunde maßgeblich, wenn der Vertreter mit sich selbst abschließt (BGH NJW 1999, 486 – Vollmacht zur Scheinübertragung eines DDR-Grundstücks).

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bb) Bei der Außenvollmacht kommt es auf das Verständnis des Geschäftsgegners an; diesem sind die internen Bindungen des Vertreters regelmäßig unbekannt. Maßgebend ist daher, welchen Umfang ein objektiver Betrachter in der Situation des Geschäftsgegners der Bevollmächtigung beimessen durfte; das richtet sich insb nach dem erkennbaren Zweck der Vollmacht sowie nach der (örtlichen) Verkehrssitte (BGH DB 1970, 1126; NJW 1983, 1906; 1991, 3141). Bei Zweifeln über den Umfang der Vollmacht ist der geringere Umfang anzunehmen (RG 143, 199; BGH NJW 1978, 995; Frankfurt NJW-RR 1987, 482; Köln NJW-RR 2001, 652). Auch die Generalvollmacht deckt nicht ganz außergewöhnliche Geschäfte, die erkennbar mit dem Interesse des Geschäftsherrn in Widerspruch stehen (RG 52, 100). Zum Missbrauch der Vollmacht Rn 70ff. b) Einzelfälle

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Bankverkehr: Die Vollmacht zur Verfügung über ein Bankkonto berechtigt idR zur Verfügung durch Scheck (BGH DB 1986, 1870), dagegen nicht zur Kontoüberziehung (BGH MDR 1953, 346; Hamm NJW 1992, 378) oder zur Kreditaufnahme in unbegrenzter Höhe (Köln ZIP 2001, 1709 m Anm Fischer EWiR 2002, 187) oder zur Umwandlung des Kontos (Hamm WM 1995, 152). Der Bevollmächtigte, dem ein Scheckbuch ausgestellt ist, ist zur Verwendung von Schecks auch Dritten ggü bevollmächtigt (RG JW 1923, 237). Die Vollmacht zur Girierung von Schecks berechtigt nicht zur Girierung von Wechseln (RG Recht 1926 Nr 2409). Zur formularmäßigen Einzelverfügungsmacht bei Gesamtvertretung einer GbR: Köln ZIP 2001, 1709.

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Im privaten Baurecht (s auch Rn 31) umfasst die Vollmacht eines bauleitenden Architekten (allg dazu Pauly BauR 1998, 1143) idR die Vergabe einzelner Bauleistungen (BGH BB 1963, 111), die Erteilung von Weisungen, die Anerkennung von Stundenlohnzetteln, die Rüge von Mängeln, die Abnahme geleisteter Arbeiten, die Entgegennahme von Erl für Rechnungen (BGH NJW 1978, 994), nicht aber ohne weiteres die Erteilung umfassender Bauaufträge (BGH NJW 1978, 995), das Anerkenntnis umfangreicher Schlussrechnungen (BGH NJW 1960, 859; Hamm BauR 1997, 656; vgl aber auch Nürnberg NJW-RR 1999, 1036), die Erteilung erheblicher Nachtragsaufträge (BGH MDR 1975, 834; s auch Düsseldorf BauR 1998, 1023; 2000, 891; 2000, 1198; Naumburg NZBau 2000, 143), die Erteilung von Zusatzaufträgen bei Vereinbarung eines Pauschalpreises (Saarbrücken NJW-RR 1999, 668) oder die Entgegennahme einer Abtretungsanzeige (BGH NJW 1960, 1805). Keine Vollmacht zur Auftragserteilung hat der Architekt, der nur Angebote einholen soll (Köln NJW-RR 1992, 915). Die Rspr tendiert zu Recht zu einer eher engen Auslegung der Architektenvollmacht (BGH NJW 1978, 995; Jagenburg NJW 1997, 2280). Hat der Bauherr dem Baubetreuer Vollmacht zum Abschluss der Verträge mit den Handwerkern erteilt, wird er auch dann verpflichtet, wenn er mit dem Baubetreuer für das gesamte Bauvorhaben einen Festpreis vereinbart und (möglicherweise) schon bezahlt hat (BGH 67, 334, 336; 76, 89). Ist der Baubetreuer mit der Finanzierung eines Vorhabens für einen zahlungssäumigen Erwerber in Vorlage getreten, kann die ihm erteilte Vollmacht auch die Bestellung einer Grundschuld an dem Objekt zu eigenen Gunsten umfassen (BGH WM 1977, 78). Zur Vollmacht einer zu einer Baubesprechung entsandten Person Köln NJW-RR 1994, 1501; zum Umfang der Vollmacht eines Hausverwalters Düsseldorf NJW-RR 1993, 885 und LG Bremen WM 1993, 605.

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Handels- und Gesellschaftsrecht: Zu den Grenzen der Erteilung einer Generalvollmacht durch einen Geschäftsführer einer GmbH BGH NJW-RR 2002, 1325 m Bespr Haas LM § 35 GmbHG Nr 39; Schleswig NJOZ 2002, 2207. Zum begrenzten Umfang einer nach dem Wortlaut uneingeschränkten Abwicklungsvollmacht für einen BGB-Gesellschafter BGH NJW 2000, 3272. Zur kaufmännischen Generalvollmacht Schroeder/Oppermann JZ 2007, 176.

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Grundstücksgeschäfte: Die Auflassungsvollmacht berechtigt nicht ohne weiteres zum Abschluss des Grundgeschäfts (Kaufvertrag; RG Recht 1925 Nr 1965; vgl auch BGH NJW 2002, 2863) oder zur Auflassung an einen Dritten (Hamm NJW-RR 2001, 376), die Veräußerungsvollmacht nicht ohne weiteres zur Ermächtigung an den Käufer, das Grundstück zu belasten (Jena OLG-NL 1994, 245). Zum Umfang einer Belastungsvollmacht: Düsseldorf FGPrax 2000, 55; der einem Notariatsangestellten erteilten Vollzugsvollmacht Frankfurt v 12.10.2009 – 20 W 116/07, juris. Die Grundbuchvollmacht zur Veräußerung eines Erbbaurechts bezieht sich nicht ohne weiteres auf damit zusammenhängende Anteile an anderen Erbbaurechten (Schleswig Rpfleger 1996, 402). Die Vollmacht zu einem Grundstücksverkauf kann die Beauftragung eines Maklers umfassen (BGH NJW 1988, 3012). Der Notar, der eine Auflassung beurkundet, ist idR auch ermächtigt, eine etwa erforderliche Genehmigungserklärung eines Vertragsteils entgegenzunehmen (BGH Rpfleger 1959, 219). Zum Umfang der Vollmacht eines Notars, der Erklärungen eines Vertreters ohne Vertretungsmacht beurkundet, s Köln NJW-RR 1995, 590.

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Wer zum Kaufabschluss bevollmächtigt ist, hat nicht ohne weiteres die Befugnis, den Kaufpreis einzuziehen oder zu kreditieren (AnwK/Ackermann Rn 52; s auch BGH NJW-RR 1987, 308). Zur gegenseitigen Bevollmächtigung von Mietern zur Entgegennahme von Erklärungen, die ihr Mietverhältnis berühren: BGH 136, 314. – Zur stillschw Bevollmächtigung des Vermittlers zum konkludenten Abschluss eines Beratungsvertrags mit dem Käufer, der einem sog Mietpool beitritt: BGH NJW 2007, 1874. Zum Umfang der Vertretungsmacht des Verwalters einer Wohnungseigentümergemeinschaft 516

G. Maier-Reimer

Vertretung und Vollmacht

§ 167

BGH NJW 1998, 3279. In einer Postvollmacht lag vor der Privatisierung der Post keine privatrechtliche Vollmacht (BGH 98, 144). Zu den Grenzen einer in allg Versicherungsbedingungen enthaltenen Vollmacht im Einzelfall: Frankfurt NJW-RR 2005, 1694. Zu den Grenzen einer als Generalvollmacht erteilten Vorsorgevollmacht: BayObLG NJOZ 2002, 1267 und FamRZ 2004, 1814; Düsseldorf NJW-RR 1997, 903. S dazu § 1901a V, § 1904 V, § 1906 V – Zu Bankgeschäften mittels einer Vorsorgevollmacht eingehend Tersteegen NJW 2007, 1717. 2. Gesamtvollmacht/Gesamtvertretung. a) Soll von mehreren bevollmächtigten Personen nicht je- 57 de für sich allein, sondern sollen nur alle oder mehrere gemeinschaftlich vertreten können, spricht man von Gesamtvertretung (Bsp §§ 1629, 1797; fakultative Gesamtvertretung §§ 48 II, 125 II HGB, dispositive Gesamtvertretung §§ 714 iVm 709; §§ 78 II AktG, 35 II S 2 GmbHG). Zur sog unechten Gesamtvertretung § 78 III S 1 AktG; zur Gesamtvertretung bei einer öffentlich-rechtl Körperschaft: BGH 164, 166. b) Zur Vornahme der Vertretungshandlung brauchen zwar die übereinstimmenden Willenserklä- 58 rungen der Gesamtvertreter nicht gleichzeitig vorzuliegen, doch müssen nach hM (BGH NJW 1959, 1183; WM 1976, 1053; Soergel/Leptien § 164 Rn 29) zZt der letzten Erklärung des einen Vertreters alle den Willen haben, dass die Erklärungen zusammen als ihre gemeinsame Erklärung gelten sollen (aA Flume § 45 I 3: der Handelnde habe seinen Willen erklärt, ein Widerrufsrecht für ihn sei unberechtigt). Die Gesamtvertreter können einem von ihnen formlos (s aber § 182 Rn 6), auch stillschw, Vertretungsmacht zum Abschluss eines bestimmten Geschäfts (RG 81, 328) oder eines bestimmten Kreises von Geschäften (BGH WM 1986, 315) erteilen; dieser Gesamtvertreter erhält dadurch eine entspr Einzelvertretungsmacht (BGH 64, 72; dazu § 181 Rn 12; Schwarz NZG 2001, 529 und Maier-Reimer FS Hellwig 2010, 205, 209ff); zur Zeichnung durch einen solchen Gesamtvertreter BGH NJW 2010, 1452; Karlsruhe OLGRp 2006, 40. Die generelle Begründung einer Einzelvertretungsmacht widerspricht aber dem Zweck der Gesamtvertretung und ist unzulässig (vgl BGH 34, 27; zur Vertretung einer Kommune BGH 178, 192 Tz 30ff). Ist einer der Gesamtvertreter durch § 181 an dem Abschluss gehindert, so kann ihre gemeinsame Vertragserklärung nicht in eine solche Ermächtigung des anderen und Abschluss allein durch ihn umgedeutet werden (BGH NJW 1992, 618). c) Willensmängel und Kenntnis oder Kennenmüssen des Vertreters iSd § 166 I sind gegeben, wenn 59 diese Voraussetzungen bei nur einem beteiligten Vertreter vorliegen (RG 78, 354; BGH 53, 214; 62, 173). Zur Simulationsabrede mit einem der Gesamtvertreter s § 166 Rn 7). d) Zur passiven Stellvertretung ist jeder Gesamtvertreter für sich allein befugt (BGH 62, 173; NJW 60 1988, 1200; vgl § 28 II sowie §§ 125 II S 3 HGB, 35 II 3 GmbHG); das gilt auch, wo die GmbH durch die Gesellschafter vertreten wird (BGH 149, 28 = NZG 2002, 43 m Bespr Schneider/Schneider; für das Wechselrecht RG 53, 227). Die Kenntnis eines beteiligten Gesamtvertreters begründet Kenntnis des Geschäftsherrn (§ 166 Rn 31). 3. Untervollmacht. Eine Übertragung der Vollmacht auf einen anderen ist wegen des ihr innewoh- 61 nenden Vertrauensmoments im Interesse des Vertretenen grds nicht möglich; der Vertretene kann aber mit der Übertragung einverstanden sein. Anerkannt ist insb die Möglichkeit einer Untervollmacht. a) Die Untervertretung, und entspr die Untervollmacht, kann in zwei Formen erscheinen: Der Un- 62 tervertreter kann unmittelbar als Vertreter des Geschäftsherrn oder als Vertreter des Hauptvertreters für diesen mit der Maßgabe auftreten, dass er dabei für den Geschäftsherrn tätig wird. Fraglich ist, ob diese unterschiedlichen Gestaltungen rechtlich unterschiedlichen Gehalt haben und die Rechtsfolgen von der gewählten Gestaltung abhängen. Die Rspr anerkennt die beiden unterschiedlichen Formen (BGH 32, 253; 68, 391; BB 1963, 1193; ebenso Erman/Palm12 Rn 41; Müller-Freienfels, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, 1955, 28; Bous RNotZ 2004, 483), während die Literatur überwiegend die Wirkungen bei beiden Gestaltungen unmittelbar auf den Geschäftsherrn bezieht (Flume § 49, 5; Larenz/Wolf AT § 47 Rn 38ff, 44f; Medicus AT Rn 951; RGRK/Steffen Rn 21; MüKo/Schramm Rn 94, 95ff; Soergel/Leptien Rn 59f; Staud/Schilken Rn 62; Gerlach, Die Untervollmacht, 1967). Der letzteren Auffassung ist zu folgen. Aufgrund der gewillkürten Stellvertretung treten die Wir- 63 kungen des Vertreterhandelns beim Geschäftsherrn ein; der Hauptvertreter handelt aber nicht. Für die Weiterleitung von Rechtswirkungen iS einer „Durchgangswirkung“ beim Prinzipal gibt § 164 keine Grundlage. Mit der hL ist daher die Konstruktion einer Durchgangsvertretung bei der gewillkürten Stellvertretung abzulehnen. Anderes gilt für Organvertreter des Hauptvertreters. Durch sie handelt der Hauptvertreter selbst (Pal/Ellenberger § 26 Rn 2). Wird der Hauptvertreter durch Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigte vertreten, so sollte für die Vertretung des Prinzipals auch dies als Handeln des Hauptvertreters gelten (Maier-Reimer FS Hellwig 2010, 205, 208). Der Geschäftsführer einer GmbH kann sich nicht in dieser Eigenschaft von einem Dritten vertreten lassen. Denn er kann seine Geschäftsführerfunktion nicht, auch nicht partiell, einem Dritten zur Ausübung überlassen (BGH 13, 61, 65; anders BGH WM 1978, 1047, 1048 sowie BGH NJW-RR 2002, 1325; dagegen K. Schmidt JuS 2003, 95 und Maier-Reimer FS Hellwig 2010, 205, 211ff). b) Ob der Vertreter die Befugnis hat, einen Unterbevollmächtigten zu bestellen, muss die Aus- 64 legung seiner Vollmacht ergeben (BayObLG NJW-RR 1990, 784, 785; MüKo/Schramm Rn 102; Staud/ Schilken Rn 63). Die Unterbevollmächtigung ist idR nur zulässig, wenn der Vertretene erkennbar kein Interesse an der persönlichen Wahrnehmung der Stellvertretung hat (BGH WM 1959, 377; Soergel/Leptien Rn 58; MüKo/Schramm Rn 101f). IdR ist die Untervollmacht eine Vollmacht des Prinzipals (Rn 63). Ihr Fortbestand ist im Zweifel, aber nicht notwendig, vom Fortbestand der Hauptvollmacht abhängig (dazu Bous RNotZ 2004, 483, 486ff; Maier-Reimer FS Hellwig 2010, 205, G. Maier-Reimer

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Rechtsgeschäfte

217f; s auch Staud/Schilken Rn 68); zum Fortbestand der von einem gesetzl oder Organvertreter erteilten Vollmacht s § 168 Rn 8. Der Umfang der Untervollmacht kann nicht weiter reichen als der Umfang der Hauptvollmacht (BGH NJW-RR 1990, 701, 703; BayObLG NJOZ 2003, 424); zur („Unter-“) Bevollmächtigung eines postulationsfähigen durch einen postulationsunfähigen Anwalt s aber BGH NJW-RR 2003, 51. Zum Selbstkontrahieren bei der Untervollmacht s § 181 Rn 11. Zu Stimmrecht und Untervollmacht in Wohnungseigentümerversammlungen: Gottschalg NZM 2005, 88 sowie BayObLG NZM 1998, 668 und Karlsruhe ZMR 2003, 289. 65

c) Besteht die Untervollmacht nicht, so haftet allein der Untervertreter gem § 179. Fehlt dagegen die Hauptvollmacht bei bestehender Untervollmacht, so haftet nach der Rspr der Untervertreter nicht, wenn er als Vertreter des Hauptvertreters aufgetreten ist (BGH 32, 253), während er haften soll, wenn er unmittelbar für den Geschäftsherrn aufgetreten ist (BGH 68, 391). Nach einer weitergehenden Ansicht soll der Untervertreter unabhängig von der Art seines Auftretens (unmittelbar für den Geschäftsherrn oder unmittelbar für den Hauptvertreter) bei Fehlen der Hauptvollmacht haften; denn er nehme auch das Vertrauen in den Bestand der Hauptvollmacht in Anspruch (Erman/ Palm12 Rn 44; Soergel/Leptien Rn 62; RGRK/Steffen Rn 21; Gerlach aaO 80). Nach der zutr hA haftet ein Untervertreter, der das Untervertretungsverhältnis offen legt, nicht für den Bestand der Hauptvollmacht, sondern nur für denjenigen der Untervollmacht (Flume § 49, 5; Larenz/Wolf § 49 Rn 31f; Bork AT Rn 1452; MüKo/Schramm Rn 99; wohl auch Medicus AT Rn 996); die Haftung aus § 179 trifft dann (analog) den Hauptvertreter, und zwar unabhängig davon, wie der Untervertreter aufgetreten ist, solange er nur das Untervertretungsverhältnis offen gelegt hat. Wenn der Untervertreter aber weiß oder wissen muss, dass die Hauptvollmacht nicht (mehr) besteht, sollte auch er gem § 179 haften.

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4. Postmortale oder transmortale Vollmacht. a) Gilt die Vollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinaus (transmortale Vollmacht, dazu § 168 Rn 5) oder ist sie für den Todesfall erteilt (RG 114, 354, sog postmortale Vollmacht; dazu und zur Abgrenzung von letztwilligen Verfügungen ausf Seif AcP 200, 192ff), hat der Bevollmächtigte Vertretungsmacht für die Erben (BGH 27, 19; s auch § 1922 Rn 49; zur postmortalen Vollmacht bzgl spanischen Grundbesitzes Börner ZEV 2005, 146). Die transmortale Vorsorgevollmacht verhindert eine Nachlasspflegschaft nicht (München NJW 2010, 2364; dagegen mit beachtlichen Gründen Everts NJW 2010, 2318). Die Erben können die Vollmacht wie der Erblasser widerrufen; zum Widerrufsrecht des Nachlassverwalters s KG OLG 1971, 160. Widerruft nur einer von mehreren Erben, so erlischt nicht die Vollmacht insgesamt, vielmehr verliert der Bevollmächtigte lediglich das Recht zur Vertretung dieses Erben; damit kann er auch die Erbengemeinschaft nicht mehr wirksam vertreten (BGH NJW 1975, 382; aM Madaus ZEV 2004, 448). Zur postmortalen Auflassungsvollmacht für den Vermächtnisnehmer s Köln DNotZ 1993, 136; zur transmortalen Kontovollmacht für den Ehegatten Hamm NJW-RR 1995, 564; zur Bedeutung einer transmortalen Generalvollmacht für Anmeldungen zum Handelsregister: KG NJW-RR 2003, 255. Auch eine „unbeschränkte“ transmortale Kontovollmacht berechtigt nicht zur Umschreibung des Kontos auf den Bevollmächtigten (BGH NJW-RR 2009, 979).

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b) Für Geschäfte des Bevollmächtigten als Vertreter des Erben gelten die Anforderungen der Voreintragung des Erben gem § 39 GBO, vorbehaltlich § 40 GBO (RG 88, 345; LG Stuttgart ZEV 2008, 198). Ist die Vollmacht dem gesetzlichen Vertreter des Erben erteilt, so handelt er dennoch aufgrund der Vollmacht und nicht aufgrund seiner gesetzlichen Vertretungsmacht; die Genehmigungserfordernisse der §§ 1821, 1822 gelten daher nicht (RG 88, 345; 106, 185). Die Pflichtbindung des Bevollmächtigten nach den Interessen oder Wünschen des Erblassers (BGH NJW 1969, 1245, 1247, m abl Anm Finger 1624; BGH 127, 239) oder der Erben oder nach den Eigeninteressen des Bevollmächtigten ergibt sich aus dem der Vollmacht zugrundeliegenden Rechtsverhältnis und dessen Auslegung (MüKo/Schramm § 168 Rn 32f, 44ff; aM Flume § 51, 5[b] unter Betonung der Stellung des Erben als Geschäftsherrn). Auch die unwiderrufliche transmortale Vollmacht ist kein Schenkungsvollzug iSv §2301 II (BGH 27, 19; dazu Staud/Kanzleiter § 2301 Rn 38). Zur Vollmacht auf den Todesfall und den im Interesse der Erben des Vollmachtgebers bestehenden Grenzen s Brox ErbR Rn 748ff und Trapp ZEV 1995, 314, zur Bedeutung des Erbrechts für die transmortale Vollmacht und für ihre Form Michalski WuM 1997, 658 und Seif AcP 200, 192.

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5. Unwiderrufliche Vollmacht. Zu den Voraussetzungen und Besonderheiten einer unwiderruflichen Vollmacht s § 168 Rn 15ff.

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6. Prozessvollmacht (§§ 80ff ZPO). Die Erteilung der Prozessvollmacht ist kein bürgerlich-rechtliches Rechtsgeschäft, sondern Prozesshandlung (BGH 41, 107); die Vorschriften der §§ 116ff finden im Prozess keine Anwendung (BGH ZZP 71, 473). IÜ sind die §§ 164ff anwendbar, soweit dies mit den Besonderheiten des Prozessrechts vereinbar ist. VI. Missbrauch der Vertretungsmacht

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Wegen der rechtlichen Unabhängigkeit der Vollmacht von dem zugrunde liegenden Rechtsgeschäft trägt der Vertretene grds das Risiko eines Missbrauchs der Vertretungsmacht und ist auch an solche Geschäfte gebunden, die der Vertreter nach dem Innenverhältnis nicht vornehmen durfte (BGH NJW 1966, 1911; 1994, 2082). Der Vertragspartner braucht nicht zu prüfen, ob und inwieweit der nach außen unbeschränkt vertretungsberechtigte Vertreter im Innnenverhältnis dem Vertretenen ggü gebunden ist. Dieser dem Verkehrsschutz dienende Grundsatz wird jedoch nach den Grundsätzen zur Einschränkung der Vertretungswirkungen im Falle des Missbrauchs der Vertretungsmacht durchbrochen, soweit der Geschäftsgegner aus bestimmten Gründen nicht schutzwürdig ist. Vor Anwen-

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Vertretung und Vollmacht

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dung dieser Grundsätze ist – vor allem bei der Innenvollmacht – stets zu prüfen, ob eine einschränkende Auslegung der Vertretungsmacht möglich ist und den Vertretenen ausreichend schützt. 1. Kollusion. Wird die Vertretungsmacht in bewusstem Zusammenwirken von Vertreter und Ge- 71 schäftsgegner zum Nachteil des Vertretenen missbraucht, ist das Geschäft nach § 138 nichtig (RG 136, 359; BGH NJW 1989, 26); das gilt nicht für ein nach § 177 schwebend unwirksames Geschäft (Hamburg ZMR 2003, 525). Ist der Vertreter bestochen, führt das zur Nichtigkeit des abgeschlossenen Geschäfts (nur), wenn das Geschäft oder der konkrete Vertragsinhalt nachteilig für den Vertretenen ist, wovon iS eines Anscheinsbeweises (BGH NJW 1999, 2266) oder aufgrund einer Umkehr der Beweislast (RG 136, 359; BGH NJW 1989, 26) auszugehen ist. Zur Kollusion beim gestatteten Insichgeschäft BGH NJW 2008, 1225; ZIP 2010, 1283. 2. Andere Fälle des Missbrauchs. Der Schutz des Vertretenen ist nicht auf Fälle der Kollusion be- 72 schränkt. Ist der Missbrauch evident, so verdient der Geschäftspartner keinen Schutz, auch wenn er nicht kollusiv mit dem Vertreter zusammengewirkt hat. Das ist im Grundsatz unstr. Str ist jedoch, auf welcher Grundlage der Vertretene geschützt ist und welche Voraussetzungen für den Schutz auf Seiten des Vertreters und auf Seiten des Geschäftspartners vorliegen müssen. a) Grundlage des Schutzes. Als Grundlage des Schutzes kommt eine Beschränkung der Vertre- 73 tungsmacht oder ein Arglisteinwand des Vertretenen in Betracht; weiter wird auch eine Haftung des Geschäftspartners aus cic (§ 311) vertreten, die einen Anspruch auf Vertragsaufhebung gebe (Heckelmann JZ 1970, 62, 65). Die letztere Ansicht würde bereits bei leichter Fahrlässigkeit eingreifen. Sie ist mit dem das Recht der Stellvertretung beherrschenden Grundsatz des Verkehrsschutzes unvereinbar. Die Rspr schwankt zw den beiden zuerst genannten Auffassungen (BGH NJW 1990, 384; NZG 2004, 139: Arglisteinwand gegen das Geschäft; andererseits BGH 113, 315; NJW 1984, 1461; 1999, 2883: kein Schutz des Vertrauens in die Vertretungsmacht; BGH WM 1981, 66, 67: Vertrag nicht durchsetzbar; BAG NJW 1997, 1940: Gegner kann sich auf den [Aufhebungs-]Vertrag nicht berufen). Mit der überwiegenden Literatur ist von einer Beschränkung der Vertretungsmacht auszugehen. Die Trennung der Vollmacht von dem Innenverhältnis dient dem Verkehrsschutz und endet, wo der Geschäftspartner nicht schutzwürdig ist (Flume § 45 II 3; Medicus AT Rn 967; Bork AT Rn 578; Staud/ Schilken Rn 95; aM – Arglisteinwand, aber mit Genehmigungsmöglichkeit analog § 177 – MüKo/ Schramm § 164 Rn 111; Soergel/Leptien § 177 Rn 15). Als Folge fehlt die Vertretungsmacht. Daher sind §§ 177ff anwendbar. Zur Zurechnung des Wissens eines missbräuchlich handelnden Agenten BGH NJW-RR 2008, 977. b) Voraussetzungen des Missbrauchs. Ein Missbrauch auf Seiten des Vertreters liegt vor, wenn er 74 objektiv außerhalb des ihm im Innenverhältnis Erlaubten handelt (MüKo/Schramm § 164 Rn 113; Bork AT Rn 1582; Medicus AT Rn 968; Flume § 45 II 3; Staud/Schilken Rn 95; enger Soergel/Leptien § 177 Rn 17, der vorsätzliche Überschreitung der Vertretungsbefugnis fordert). Für die Überschreitung des Erlaubten muss das Geschäft nicht notwendig nachteilig für den Geschäftsherrn sein; es genügt, wenn ihm Wesentliches vorenthalten wird (BGH NJW 1984, 1461; s auch BGH 113, 315; aM Staud/Schilken Rn 94). Nach der Rspr ist im Fall unbeschränkbarer (also gesetzlicher oder organschaftlicher) Vertretungsmacht eine bewusste Überschreitung des Erlaubten erforderlich (BGH 50, 112, 114; WM 1981, 66, 67), während es im Fall inhaltlich gewillkürter Stellvertretung auch nach der Rspr auf den Missbrauchsvorsatz nicht ankommt (BGH NJW 1988, 3012). c) Voraussetzungen beim Geschäftsgegner. Der Geschäftsgegner muss sich den Missbrauch jeden- 75 falls entgegenhalten lassen, wenn er ihn kennt (BGH 113, 315, 320). Kennt er ihn nicht, soll es nach einer Auffassung auf die Evidenz des Missbrauchs ankommen (Flume § 45 II 3; Medicus AT Rn 967; MüKo/Schramm § 164 Rn 110), während andere auf grobe Fahrlässigkeit abstellen (Soergel/Leptien § 177 Rn 18). Praktisch wird beides oft zusammenfallen (Bork AT Rn 1579; MüKo/Schramm § 164 Rn 110). Nach der Rspr ist die durch massive Verdachtsmomente begründete objektive Evidenz des Missbrauchs erforderlich (BGH 127, 239, 241; NJW 2011, 66 Tz 29); dem Geschäftspartner muss sich der Missbrauch geradezu aufgedrängt (BGH NJW 1984, 1461, 1462) oder er muss die Augen davor grob fahrlässig verschlossen haben (BGH NJW 1990, 384; NZG 2004, 139). Die ältere Rspr, wonach es genügte, wenn der Dritte den Missbrauch fahrlässig nicht erkannte (BGH 50, 112, 114; NJW 1966, 1911 mwN), scheint damit aufgegeben. Zum Missbrauch der Kontoeinzelvollmacht bei organschaftlicher Gesamtvertretung Köln ZIP 2001, 1709. d) Mitverschulden. Da es um die Beschränkung der Vertretungsmacht geht, ist für die Anwen- 76 dung der Grundsätze des § 254 kein Raum (MüKo/Schramm § 164 Rn 122 mwN; aM BGH 50, 112, 114f; offengelassen in BGH NJW 1999, 2883: die Erteilung der Vollmacht sei jedenfalls kein Mitverschulden). 3. Zur entspr Anwendung der Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht auf die Testa- 77 mentsvollstreckung s BGH NJW 1989, 642; auf die Treuhand (Vor § 164 Rn 18) s BGH NJW 1968, 1471 m Anm Kötz sowie Huber JZ 1968, 791. Zum Missbrauch der Vertretungsmacht durch Organe von Kapitalgesellschaften Fleischer NZG 2005, 529, 535, durch den Geschäftsführer einer GmbH Steinbeck WM 1999, 885, 889ff. Zum Missbrauch der Scheckkarte BGH 64, 79; 83, 33; NJW 1982, 1513. Zum Missbrauch einer transmortalen Vollmacht: BGH 127, 239; MüKo/Schramm § 168 Rn 45ff mwN. VII. Beweislast. Wer sich auf die Vollmacht beruft, hat diese zu beweisen. Wer ihren Wegfall oder ih- 78 ren Missbrauch geltend macht, hat dies zu beweisen.

G. Maier-Reimer

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§ 168

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Rechtsgeschäfte

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Erlöschen der Vollmacht Das Erlöschen der Vollmacht bestimmt sich nach dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Die Vollmacht ist auch bei dem Fortbestehen des Rechtsverhältnisses widerruflich, sofern sich nicht aus diesem ein anderes ergibt. Auf die Erklärung des Widerrufs findet die Vorschrift des § 167 Abs. 1 entsprechende Anwendung.

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1. Überblick. Für das Erlöschen der Vollmacht kommen grds vier Gründe in Betracht: Der Eintritt eines in der Vollmacht selbst bestimmten Beendigungsgrundes (Rn 2), der Verzicht seitens des Bevollmächtigten (Rn 3), das Erlöschen der Vollmacht nach Maßgabe des Grundverhältnisses (Rn 4–14) sowie der Widerruf der Vollmacht (Rn 14–18). § 168 nennt nur die beiden letztgenannten Erlöschensgründe.

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2. In der Vollmacht selbst bestimmte Erlöschensgründe. Die Vollmacht kann ausdr oder nach den Umständen zeitlich begrenzt sein (Bedingung oder Befristung). Eine für ein bestimmtes Geschäft erteilte Vollmacht kann ferner auch durch Zweckerreichung oder deren Unmöglichkeit enden (MüKo/Schramm Rn 2, 4). So erlischt die zu einem bestimmten Geschäft erteilte Vollmacht, wenn das Geschäft ausgeführt oder die Ausführung unmöglich geworden ist. Die dem Ehegatten erteilte Vollmacht erlischt regelmäßig spätestens mit rechtskräftiger Ehescheidung (vgl KG DR 1944, 71). Ob reiner Zeitablauf zum Erlöschen einer Vollmacht führt, ist Frage des Einzelfalles (Bsp: Naumburg FGPrax 2002, 241 für eine Auflassungsvollmacht, von der 50 Jahre nach Erteilung Gebrauch gemacht werden soll).

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3. Verzicht. Zwar verpflichtet die Vollmacht als solche nicht zu ihrer Ausübung, doch können sich an ihr bloßes Bestehen belastende Rechtsfolgen für den Bevollmächtigten knüpfen (für die Prokura § 105 I AktG; dazu Brox NJW 1967, 801). Wie der Bevollmächtigte die Vollmacht zurückweisen kann (§ 167 Rn 2), kann er auch auf sie verzichten (hL Staud/Schilken Rn 18; MüKo/Schramm Rn 8; Soergel/ Leptien Rn 5; Flume § 51, 3; aM Erman/Palm12 Rn 1). Der Verzicht ist ggü dem Vollmachtgeber zu erklären, wirkt für eine Außenvollmacht aber nur gem §§ 170–173.

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4. Erlöschensgründe aus dem Grundverhältnis. Ergibt die Auslegung der Bevollmächtigung selbst keine zeitlichen Grenzen der Vollmacht, so führt die Beendigung des Grundverhältnisses im Zweifel – in Abweichung vom Abstraktionsgrundsatz – zugleich auch zum Erlöschen der Vollmacht (§ 168 S 1). Eine abw Regelung im Grundverhältnis geht aber vor. Als Gründe für die Beendigung des Grundverhältnisses kommen außer den allg Gründen einer Vertragsbeendigung (Aufhebung, vollständige Erfüllung, Befristung, Kündigung, Rücktritt, Widerruf) Gründe wegen der Besonderheit gerade eines solchen Rechtsverhältnisses in Betracht:

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a) Erlöschensgründe in der Person des Vollmachtgebers. aa) Der Tod des Vollmachtgebers führt im Zweifel nicht zur Beendigung des der Vollmacht zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses (§§ 672, 675 sowie § 52 III HGB, § 86 ZPO; BGH NJW 1969, 1246; Flume § 51, 5 und 6 sowie BGH NJW 1982, 2324 und – für die Verteidigervollmacht – Celle NJW 2002, 3720). Anders ggf bei einer Vorsorgevollmacht (Hamm NJW-RR 2003, 800). Zur post- oder transmortalen Vollmacht § 167 Rn 66f. Zum Erlöschen einer von einem Testamentsvollstrecker erteilten Vollmacht durch dessen Tod Düsseldorf Rpfleger 2001, 425.

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bb) Der Verlust der Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers lässt die Vollmacht unberührt (für den Auftrag §§ 672, 675; für die Prozessvollmacht § 86 ZPO), jedoch mit Einschränkungen, wenn der Bevollmächtigte zum Betreuer bestellt wird (Köln NJW-RR 2001, 653); für weitere Einschränkungen Flume § 51, 6; dagegen MüKo/Schramm Rn 13. Das gilt auch für die Auflassungsvollmacht im Grundbuchrecht (LG Kassel DNotZ 1958, 429).

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cc) Die Insolvenz des Vollmachtgebers führt gem §§ 115, 117 I InsO zum Erlöschen eines Auftrags und einer Vollmacht bzgl des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens; das gilt auch für die Prozessvollmacht (BAG NJW 2006, 461: Köln NJW-RR 2003, 264; MüKo-InsO/Ott/Vuia § 117 Rn 8; s aber Paulus NJW 2010, 1633). Wegen §§ 115 II, III, 117 II InsO können aber im Einzelfall Auftrag und Vollmacht auch über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinaus fortbestehen, jedoch unbeschadet des grds Erfordernisses einer Zustimmung des Insolvenzverwalters (§§ 80ff InsO; zum gutgläubigen Erwerb s aber §§ 81 I S 2, 90 II InsO, §§ 892, 893).

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dd) Die von dem gesetzlichen Vertreter eines beschränkt Geschäftsfähigen oder Geschäftsunfähigen für diesen einem Dritten erteilte Vollmacht erlischt nicht mit der Beendigung der gesetzlichen Vertretungsmacht (RG 107, 166; BayObLG NJW 1959, 2119; DB 1974, 1521). Die von einem Bevollmächtigten wirksam erteilte Vollmacht erlischt idR nicht mit einem späteren Ausscheiden des Vollmachtgebers aus seiner Aufgabe (BayObLG NZM 2000, 291 für die Bevollmächtigung eines Anwalts durch einen später abberufenen Wohnungseigentumsverwalter). Ebenso erlischt die von dem Organvertreter einer jur Pers für diese erteilte Vollmacht idR nicht mit der Organstellung (Pal/Ellenberger Rn 4).

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ee) Die von einer jur Pers erteilte Vollmacht erlischt idR mit dem Verlust der Rechtspersönlichkeit des Vollmachtgebers (zB Auflösung des Vereins); während der Dauer der Liquidation beschränkt sich die Vollmacht auf den Liquidationszweck (MüKo/Schramm Rn 39). In der Verschmelzung geht die vom übertragenden Rechtsträger erteilte Spezialvollmacht auf den übernehmenden Rechtsträger über, während eine Prokura oder Handlungsvollmacht nach hL erlischt (Kallmeyer/Marsch-Barner UmwG § 20 Rn 24 mwN). Prokura und Handlungsvollmacht sind unternehmensbezogen und enden deshalb auch mit der Einstellung des Unternehmens oder der Niederlassung, auf die sie sich beziehen (Einzelheiten bei MüKo/Schramm Rn 5). 520

G. Maier-Reimer

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§ 168

b) Erlöschensgründe in der Person des Bevollmächtigten. aa) Der Tod des Bevollmächtigten führt 10 im Zweifel zum Erlöschen des Grundverhältnisses und damit auch der Vollmacht (§§ 673, 675 I); zur Ausnahme bei Gefahr im Verzug § 673 S 2, § 168 S 1. Sofern die Vollmacht nur im Interesse des Bevollmächtigten erteilt ist, bleibt sie bei seinem Tod zugunsten der Erben bestehen; so die in einem Grundstückskaufvertrag dem Käufer erteilte Auflassungsvollmacht (KG HRR 1939 Nr 300; Köln OLG 1969, 304). Endet die Vollmacht nicht mit dem Tod des Bevollmächtigten, so ist oder verstärkt sie idR eine vermögensrechtliche Position des Bevollmächtigten und ist deshalb vererblich (Köln OLG 1969, 304; Staud/Schilken Rn 19); andernfalls ist eine für den Todesfall den jeweiligen Erben erteilte Vollmacht anzunehmen (so für alle Fälle Erman/Palm12 Rn 11). Bevollmächtigt sind in beiden Fällen die Erben. bb) Der Verlust der Geschäftsfähigkeit des Bevollmächtigten nimmt diesem die Fähigkeit, die 11 Vollmacht auszuüben, führt aber nicht ohne weiteres zur Beendigung von Grundverhältnis und Vollmacht, so dass diese bei Wiedererlangung der Geschäftsfähigkeit wieder ausgeübt werden kann (Soergel/Leptien Rn 12 mwN; im Prinzip auch MüKo/Schramm Rn 7; aA Flume § 51, 8; Staud/Schilken Rn 21; RGRK/Steffen Rn 8). cc) Die Insolvenz des Bevollmächtigten lässt Grundverhältnis und Vollmacht unberührt (MüKo/ 12 Schramm Rn 7, 16). dd) Ist der Bevollmächtigte eine jur Pers, so endet deren Vertretungsmacht mit dem Ende ihrer 13 Rechtspersönlichkeit, nicht dagegen bereits mit dem Eintritt in das Liquidationsstadium (MüKo/ Schramm Rn 6a; Soergel/Leptien Rn 14; Staud/Schilken Rn 20; s auch oben Rn 9). Beim Formwechsel einer jur Pers besteht die ihr erteilte Vollmacht fort (K Schmidt DB 2001, 1019). Wird sie auf einen anderen Rechtsträger verschmolzen, so erlischt die Vollmacht nicht, sondern geht auf den Übernehmenden über (Kallmeyer/Marsch-Barner UmwG § 20 Rn 24 mwN). 5. Widerruf der Vollmacht. Grds ist die Vollmacht frei widerruflich, im Zweifel auch, wenn das Kau- 14 salverhältnis (Arbeitsverhältnis) fortbesteht (§ 168 S 2; s auch § 52 I HGB zur Prokura). Das entspricht dem Grundtypus der Vollmacht als von dem Vollmachtgeber aufgrund seines Vertrauens erteilter Macht. Der Widerruf erfolgt durch (ausdr oder schlüssige) empfangsbedürftige Willenserklärung des Vollmachtgebers ggü dem Bevollmächtigten oder ggü dem Geschäftsgegner (§§ 168 S 3; 167 I). Auch die Außenvollmacht kann ggü dem Bevollmächtigten widerrufen werden (MüKo/ Schramm Rn 19). Ggü dem Dritten wirkt der Widerruf aber nur gem §§ 170ff und vorbehaltlich der Regeln der Rechtsscheinsvollmacht (§ 167 Rn 9ff). Zum Widerruf einer Vorsorgevollmacht Keilbach DNotZ 2004, 751. In der Bestellung eines neuen Vertreters für denselben Aufgabenkreis liegt idR ein Widerruf (Bsp: Düsseldorf NJW-RR 2003, 1312, 645; Hamburg NJOZ 2005, 1044); das gilt aber nicht ohne weiteres, wenn nach der Bevollmächtigung eines Behördenmitarbeiters einem RA Prozessvollmacht erteilt wird (BVerwG NJW 2005, 1962). Ob die schriftliche Aufforderung, eine Vollmachtsurkunde zurückzureichen, einen Widerruf darstellt, ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl RG JW 1932, 1202). 6. Unwiderrufliche Vollmacht. Die Widerruflichkeit der Vollmacht ist nicht zwingend. Das ergibt 15 sich bereits aus §§ 168 S 2, 176 III. Die Unwiderruflichkeit einer Vollmacht verändert jedoch grundlegend die Wirkung der Vollmacht. Diese bindet den Vollmachtgeber, der nicht mehr entscheiden kann, das Geschäft nicht vorzunehmen, sondern insoweit dem Willen des Bevollmächtigten unterworfen ist. Eine Vollmacht kann deshalb nicht beliebig unwiderruflich gestaltet werden. Zur unwiderruflichen Vollmacht zur Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung s Dux WM 1994, 1145. a) Voraussetzungen. Nach hM muss die Unwiderruflichkeit einer Vollmacht in dem Kausalverhält- 16 nis begründet sein, dem zufolge die Vollmacht den (mindestens gleichgewichtigen) Interessen des Bevollmächtigten oder eines Dritten (dem der Bevollmächtigen zB dienst- oder als Treuhänder verpflichtet ist) dient (BGH WM 1971, 956; NJW-RR 1991, 439, 441; Staud/Schilken Rn 8; Soergel/Leptien Rn 22 – aber kein kleinlicher oder nur rechnerischer Maßstab; MüKo/Schramm Rn 21 ohne Gewichtung; aM Bork AT Rn 1509: ausdr Bestimmung der Unwiderruflichkeit im Grundverhältnis genügt). Typische Fälle sind etwa die dem Käufer erfüllungshalber erteilte Vollmacht zum Vollzug des Kaufs zB durch Auflassung des verkauften Grundstücks (Staud/Schilken Rn 12). Die Unwiderruflichkeit ist aber nicht auf solche Fälle beschränkt (hM Staud/Schilken Rn 8; aM Flume § 53, 3). Ein bloßes Provisionsinteresse des Bevollmächtigten genügt nicht (Soergel/Leptien Rn 22; MüKo/Schramm Rn 24), während eine Beteiligung am Gewinn aus dem Geschäft genügen kann (BGH NJW-RR 1991, 439, 441). Eine isolierte Vollmacht kann nicht unwiderruflich sein (BGH 110, 363, 367; NJW 1988, 2603; MüKo/Schramm Rn 21; Bork AT Rn 1508), denn die Bindung an das Interesse des Bevollmächtigten oder eines Dritten kann nur durch das Grundverhältnis erreicht werden (BayObLG NJW-RR 1996, 848, 849). Auch eine Generalvollmacht kann nicht unwiderruflich sein, weil es ein korrespondierendes, die Unwiderruflichkeit legitimierendes Kausalverhältnis nicht geben kann (allg M Pal/Ellenberger Rn 6; MüKo/Schramm Rn 26). Die (nach Satzung oder Gesetz) auf Fälle eines wichtigen Grundes beschränkte Widerruflichkeit der Organstellung und der mit ihr verbundenen Vertretungsmacht (§ 27 II S 2; §§ 38 II S 1 GmbHG, 84 III AktG) gehört nicht hierher. Sie ist Element der Gesellschaftsverfassung und schützt idR nicht Interessen des Organmitglieds. Auch ein frei abberufbares Organmitglied kann eine unwiderrufliche Vollmacht erteilen (MüKo/Schramm Rn 26) wie es auch die für die Unwiderruflichkeit erforderliche Bindung eingehen kann. b) Begründung der Unwiderruflichkeit. Besteht ein die Unwiderruflichkeit legitimierendes Grund- 17 verhältnis, ist deshalb die Vollmacht nicht per se unwiderruflich. Die Unwiderruflichkeit bedarf der besonderen Begründung. Gem § 168 S 2 kann der Widerruf durch das Grundverhältnis, daher idR G. Maier-Reimer

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§ 168

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

durch Vereinbarung, ausgeschlossen sein (Staud/Schilken Rn 12). Rechtfertigt das Grundverhältnis den Ausschluss des Widerrufs, ohne ihn selbst zu bestimmen, so kann nach zutr, heute wohl hL die Unwiderruflichkeit einseitig von dem Vollmachtgeber erklärt werden (Staud/Schilken Rn 11; Soergel/ Leptien Rn 23; MüKo/Schramm Rn 20f; von Tuhr II 2 S 408f). Das entspricht der Bevollmächtigung als einseitigem Rechtsgeschäft. Die Gegenauffassung, die eine Vereinbarung voraussetzt (RG 109, 331, 333; BayObLG NJW-RR 1996, 848; Pal/Ellenberger Rn 6), vermengt Voraussetzungen des Grundverhältnisses mit solchen der Vollmacht. Die Rspr neigt dazu, bei hinreichendem Interesse des Bevollmächtigten eine stillschw Vereinbarung der Unwiderruflichkeit anzunehmen (BGH WM 1985, 646, 647; NJW-RR 1991, 439, 441); anders, wenn aufgrund der Vollmacht ein bindendes Grundverhältnis erst errichtet werden soll (BGH WM 1965, 107). ZT nimmt die Rspr Unwiderruflichkeit ohne weitere Voraussetzungen an, wenn die Vollmacht nach dem Grundverhältnis in erster Linie dem Interesse des Bevollmächtigten oder desjenigen dient, dem dieser verpflichtet ist (BayObLG NJW-RR 2002, 443, 444). Wird die Vollmacht ohne ein hinreichendes Grundverhältnis als „unwiderruflich“ erteilt, ist nur der Widerrufsverzicht, idR aber nicht über § 139 die gesamte Vollmacht, nichtig (Soergel/ Leptien Rn 27; MüKo/Schramm Rn 27), sofern der Widerrufsverzicht nicht zu einer Formbedürftigkeit (Rn 18) führt. 18

c) Folgen der Unwiderruflichkeit. Die unwiderrufliche Vollmacht für ein formbedürftiges Geschäft bedarf der für dieses vorgeschrieben Form. Das gilt wegen faktischer oder vermeintlicher Bindung auch dann, wenn die Vollmacht mangels eines Grundgeschäfts oder wegen dessen Formnichtigkeit tatsächlich nicht unwiderruflich ist (§ 167 Rn 5). Die Vollmacht ist mangels der erforderlichen Form insgesamt formnichtig. Eine zum Vollzug eines Schenkungsversprechens erteilte Vollmacht unter Befreiung von § 181 ist nicht Schenkungsvollzug iSv §§ 518 II, 2301 II (BGH 87, 19, 25). Auch die grds unwiderrufliche Vollmacht kann nach hM aus wichtigem Grund widerrufen werden (BGH NJW 1988, 2603; MüKo/Schramm Rn 28; Staud/Schilken Rn 14; aM Flume § 53, 4). Nach dem Grundverhältnis ist zu beurteilen, ob ein wichtiger Grund vorliegt (BGH NJW 1988, 2603; WM 1969, 1009). Dessen Beendigung oder Kündbarkeit gibt den wichtigen Grund für den Widerruf der Vollmacht. Ohne seine Beendigung wird ein wichtiger Grund nur ausnahmsweise in Betracht kommen (BGH WM 1972, 588; NJW 1988, 2603, jeweils zum Widerruf der Vollmacht des Treuhänders an den Treugeber), bspw dann, wenn die Legitimationswirkung der Vollmacht über das nach dem Grundgeschäft Geschuldete hinausgeht und ein wichtiger Grund zur Beendigung dieser überschießenden Rechtsmacht besteht (BGH WM 1969, 1009; NJW 1988, 2603, jeweils abredewidriger Gebrauch der dem Treugeber erteilten Vollmacht). Aufgrund der für die Unwiderruflichkeit vorausgesetzten Interessenlage berechtigt die unwiderrufliche Vollmacht idR zur Erteilung von Untervollmachten (s § 167 Rn 64). Die erfüllungshalber unwiderruflich erteilte Vollmacht soll sogar als Attribut der zugrundeliegenden Forderung mit dieser übertragbar sein (Flume § 53, 6, s auch Rn 10); richtigerweise bedeutet die Übertragung eine Untervollmacht mit Vollmachtsverzicht des Erstbevollmächtigten (Staud/Schilken § 167 Rn 60).

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7. Die Beweislast für das Erlöschen der Vollmacht trägt derjenige, der das Erlöschen behauptet. Wer sich dagegen darauf beruft, das Geschäft sei bereits vor Erlöschen der Vollmacht abgeschlossen worden, muss dies beweisen (BGH WM 1984, 604).

169

Vollmacht des Beauftragten und des geschäftsführenden Gesellschafters Soweit nach den §§ 674, 729 die erloschene Vollmacht eines Beauftragten oder eines geschäftsführenden Gesellschafters als fortbestehend gilt, wirkt sie nicht zugunsten eines Dritten, der bei der Vornahme eines Rechtsgeschäfts das Erlöschen kennt oder kennen muss.

1

1. Inhalt. Durch §§ 674 (auch iVm 675), 729 wird die Fortgeltung eines Auftrags oder der Geschäftsführungsbefugnis zugunsten des Beauftragten/geschäftsführenden Gesellschafters fingiert, wenn dieser das Erlöschen seiner Befugnis weder kannte noch kennen musste. Nach § 168 gilt dann auch die Vollmacht weiter. Hiervon macht § 169 eine Ausnahme. Die Vollmacht, deren Fortbestand auf dieser Fiktion beruht, gilt nicht zugunsten eines Dritten, der bei Vornahme des Geschäfts das Erlöschen der Vollmacht kannte oder kennen musste, dh, wenn er wusste oder wissen musste, dass im Falle des § 674 der Auftrag erloschen, im Falle des § 729 die Gesellschaft aufgelöst ist (Staud/Schilken Rn 3). Der Vertreter handelt dann ohne Vertretungsmacht. Wegen § 179 III S 1 haftet er dem Dritten nicht.

2

2. Anwendungsbereich. Der Fortbestand einer Außenvollmacht gem §§ 170–172 ist nicht davon abhängig, ob der Bevollmächtigte weiß oder wissen muss, dass die Vollmacht erloschen ist; er gilt aber nicht, wenn der Dritte das Erlöschen kannte oder kennen musste, § 173. Für § 169 ist daneben kein Raum; er kommt daher nur bei reinen Innenvollmachten zur Anwendung. Ist das Grundverhältnis von vornherein nichtig, so ist § 169 analog anwendbar. Denn der Abstraktionsgrundsatz dient dem Schutz des Verkehrs, aber nicht des bösgläubigen (i Erg ebenso MüKo/Schramm Rn 6; aM Staud/ Schilken Rn 8).

170

Wirkungsdauer der Vollmacht Wird die Vollmacht durch Erklärung gegenüber einem Dritten erteilt, so bleibt sie diesem gegenüber in Kraft, bis ihm das Erlöschen von dem Vollmachtgeber angezeigt wird.

1

1. Bedeutung. Die Vorschrift dient dem Schutz des gutgläubigen (s § 173) Dritten, der auf den (Fort-)Bestand einer ihm ggü erklärten Vollmacht (Außenvollmacht; § 167 Rn 2) vertraut.

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2. Voraussetzungen. Nach hL muss eine wirksam erteilte Außenvollmacht vorgelegen haben. Ist die Erteilung der Außenvollmacht nicht wirksam, so soll § 170 nicht – auch nicht analog – anwendbar 522

G. Maier-Reimer

Vertretung und Vollmacht

§ 171

sein; (MüKo/Schramm Rn 6 mwN; aM Staud/Dilcher12 Rn 3 und bis zur 65. Aufl Pal/Ellenberger Rn 1). Das widerspricht der hM zu §§ 171, 172 (s § 172 Rn 9). Nach der hL ist der Dritte (durch § 171) geschützt, wenn der Geschäftsherr ihm anzeigt, er habe den Vertreter bevollmächtigt, aber nicht geschützt, wenn er ihm schreibt, er bevollmächtige den Vertreter – und die Vollmacht in beiden Fällen zB wegen eines Formmangels nichtig ist. Gegen eine solche Differenzierung mit Recht Staud/Coing11 Rn 3; Flume § 49, 2 (S 828: „völlig abwegig“). Wie bei §§ 171, 172 sollte darauf abgestellt werden, ob ein zurechenbarer Rechtsschein gesetzt wurde (§ 172 Rn 1). I Erg ist deshalb danach zu differenzieren, ob die Nichtigkeit auf den §§ 104ff, 116ff (dann gilt § 170 nicht) oder auf anderen Gründen (dann gilt § 170) beruht; s § 171 Rn 3 und § 172 Rn 5, 9. Der Dritte muss von der Vollmacht Kenntnis erlangt haben (teleologische Reduktion – MüKo/Schramm Rn 5 mwN). Ist die Vollmacht wirksam und noch in Kraft, besteht die Vertretungsmacht bereits nach § 167. 3. Wirkungen. Die Außenvollmacht bleibt dem gutgläubigen Empfänger ggü (§ 173) in Kraft, bis ihr 3 Erlöschen dem Dritten angezeigt worden ist; die „diskrete Andeutung“ einer Veränderung der Vertreterstellung reicht als Anzeige in diesem Sinne nicht aus (Frankfurt NJOZ 2006, 4743, 4745ff). Die Anzeige ist eine geschäftsähnliche Handlung (Einl § 104 Rn 7); sie wird wirksam mit ihrem Zugang beim Geschäftsgegner. Die Wirkung entfällt oder endet, wenn der Empfänger aus anderen Gründen das Erlöschen der Vollmacht kennt oder kennen muss (§ 173). Nach der hier vertretenen Auffassung (Rn 2) gilt ggf auch die – zB wegen Formmangels – nichtige Vollmacht zugunsten des gutgläubigen Dritten. 4. § 170 gilt entspr bei späteren inhaltlichen Beschränkungen der Vollmacht (RG JW 1915, 999).

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5. Bei Insolvenz des Vollmachtgebers hat § 117 InsO Vorrang vor § 170 (MüKo/Schramm Rn 6).

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6. Die Beweislast für die Erteilung der Außenvollmacht trifft denjenigen, der Rechte gegen den Ver- 6 tretenen geltend macht. Der Vertretene muss die Voraussetzungen einer wirksamen Erlöschensanzeige beweisen.

171

Wirkungsdauer bei Kundgebung (1) Hat jemand durch besondere Mitteilung an einen Dritten oder durch öffentliche Bekanntmachung kundgegeben, dass er einen anderen bevollmächtigt habe, so ist dieser aufgrund der Kundgebung im ersteren Falle dem Dritten gegenüber, im letzteren Falle jedem Dritten gegenüber zur Vertretung befugt. (2) Die Vertretungsmacht bleibt bestehen, bis die Kundgebung in derselben Weise, wie sie erfolgt ist, widerrufen wird.

1. Bedeutung. Die Vorschrift behandelt die Kundgabe der Bevollmächtigung eines anderen nicht 1 als Außenvollmacht (§§ 167 I 2. Alt, 170), aber stellt sie in den Wirkungen einer Außenvollmacht gleich. Nach hM ergibt § 171 eine normierte Rechtsscheinsvollmacht, die Vorbild für das allg Institut der Rechtsscheinsvollmacht (dazu § 167 Rn 9ff) sein soll (MüKo/Schramm Rn 1f; Soergel/Leptien Rn 1). Relevant wird § 171 danach nur, wenn die (kundgegebene) Innenvollmacht tatsächlich nicht (mehr) besteht. Nach aM (Flume § 49, 2 [a] und [c] sowie § 51, 9) ist die Kundgabe als solche (Außen-)Vollmacht (differenzierend Staud/Schilken Rn 3; Larenz/Wolf § 48 Rn 6). Auch nach der ersteren Auffassung ist die Kundgabe geschäftsähnliche Handlung, für welche die §§ 104ff, 116ff gelten (Soergel/Leptien Rn 4; MüKo/Schramm Rn 8f). Der Streit hat deshalb wenig praktische Relevanz. Zur Anwendung der §§ 171ff im Falle einer wegen Verstoßes gegen das RBerG (jetzt § 3 RDG) nichtigen Vollmacht, insb beim Vertrieb von Kapitalanlagen, § 172 Rn 10. 2. Voraussetzungen. Der Geschäftsherr muss ggü einem Dritten oder ggü der Öffentlichkeit die Er- 2 teilung einer Vollmacht kundgegeben haben. Darauf, ob überhaupt eine Innenvollmacht erteilt wurde, ob diese (noch) wirksam ist und den Umfang der kundgegebenen Vollmacht hat oder hatte, kommt es nicht an (Staud/Schilken Rn 7; RG 108, 127). a) Die Mitteilung an einen Dritten (also an einen anderen als den Bevollmächtigten selbst) kann 3 schriftlich oder mündlich, ausdr oder konkludent erfolgen. Sie muss ggü dem Dritten den Willen zur Kundgabe zum Ausdruck bringen und für den Emfänger die Person des Bevollmächtigten und den Inhalt der Vollmacht hinreichend deutlich erkennen lassen. Sie kann auch durch einen anderen übermittelt werden (Soergel/Leptien Rn 3), aber nicht mündlich durch den Bevollmächtigten selbst (MüKo/Schramm Rn 6). Die Erklärung ggü dem Dritten ist nach hM keine Willenserklärung (s Rn 1), aber geschäftsähnliche Handlung. Die §§ 104ff finden grds Anwendung (BGH 65, 13; NJW 1977, 622, 623; MüKo/Schramm Rn 5, 8). Der Kundgebende muss also voll geschäftsfähig sein oder als beschränkt Geschäftsfähiger mit Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters handeln. Fehlt das Bewusstsein einer Vollmachtskundgabe, so liegt gleichwohl eine wirksame Erklärung vor (Vor § 116 Rn 4, 14). b) Öffentliche Bekanntmachung ist die Kundgabe in einer einem nicht begrenzten Personenkreis 4 zugänglichen Weise, zB durch Zeitungsanzeige, öffentlichen Aushang. Ob die Anmeldung zur Eintragung in ein öffentliches Register genügt (für das Handelsregister bejahend RG 133, 229, 233; für das Gewerberegister verneinend Hamm NJW 1985, 1846, 1847), ist für das Handelsregister seit 1969 wegen des (heute) weiterreichenden Schutzes nach § 15 I, III HGB irrelevant. c) Notwendig ist nach hM wie in § 170 (dort Rn 2) immer Kenntnis von der Kundgabe; der bloße 5 Zugang genügt nicht, begründet jedoch die Vermutung der Kenntnis (MüKo/Schramm Rn 12 mwN).

G. Maier-Reimer

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§ 171

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

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3. Folge des Abs I. Der als Vertreter Benannte ist trotz Fehlens, Wegfalls oder Beschränkung der Innenvollmacht ggü dem Kundgabeempfänger, bei öffentlicher Kundgabe ggü jedem, der von der Kundgabe Kenntnis hat, zur Vertretung befugt, jedoch dem Umfang nach nur nach Maßgabe der Kundgabe und nur unter der Voraussetzung des guten Glaubens (§ 173). Erfolgt die Kundgabe nach Abschluss des Vertretergeschäfts, so wirkt sie nicht zurück (RG 104, 358, 360), kann aber uU als Genehmigung ausgelegt werden.

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4. Willensmängel. Die Kundgabe kann als geschäftsähnliche Handlung wie eine externe Vollmacht angefochten werden (MüKo/Schramm Rn 9; Soergel/Leptien Rn 4; aM Erman/Palm12 Rn 3; zur Anfechtung der externen Vollmacht nach deren Gebrauch § 167 Rn 44ff). Unbeachtlich ist aber ein Irrtum darüber, ob eine Innenvollmacht erteilt war, wie auch ein Irrtum über die Wirkung der Kundgabe (MüKo/Schramm Rn 9; Soergel/Leptien Rn 4; Staud/Schilken Rn 9).

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5. Widerruf. Die Wirkung der Kundgabe endet mit deren Widerruf (Abs II). Dieser muss „in derselben Weise“ wie die Kundgabe erfolgen. „In derselben Weise“ bezieht sich nicht auf die Form, sondern auf die Art der Kundgabe ggü einem bestimmten Dritten oder durch öffentliche Bek (MüKo/ Schramm Rn 15f). Im letzteren Fall muss der Widerruf in möglichst gleichartiger Bek erklärt werden, so dass er ungefähr demselben Personenkreis bekannt wird. Die Kundgabewirkung endet in diesem Fall, sobald für den Adressatenkreis die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht. Der gleichwohl noch Gutgläubige wird nicht mehr geschützt (MüKo/Schramm Rn 16). Die durch Mitteilung an mehrere Dritte oder durch öffentliche Bek kundgegebene Vollmacht kann einem Einzelnen ggü auch durch besondere Mitteilung an ihn entkräftet werden; mit Zugang des Widerrufs entfällt dann die Kundgabewirkung mit Wirkung ggü dem Widerrufsempfänger (MüKo/Schramm Rn 17; Staud/Schilken Rn 10; aM Flume § 51, 9, der diesen Fall nach § 173 löst).

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6. Beweislast. Für die Kundgabe ist derjenige beweispflichtig, der Rechte gegen den Vertretenen geltend macht; demgegenüber muss der Vertretene den Widerruf der Kundgabe beweisen. Zu dem nach § 29 GBO erforderlichen Nachw ggü dem Grundbuchamt, dass kein Widerruf erfolgt ist, Köln DNotZ 1984, 569, 571.

172

Vollmachtsurkunde (1) Der besonderen Mitteilung einer Bevollmächtigung durch den Vollmachtgeber steht es gleich, wenn dieser dem Vertreter eine Vollmachtsurkunde ausgehändigt hat und der Vertreter sie dem Dritten vorlegt. (2) Die Vertretungsmacht bleibt bestehen, bis die Vollmachtsurkunde dem Vollmachtgeber zurückgegeben oder für kraftlos erklärt wird.

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1. Bedeutung. Die Vorschrift behandelt es als einen Sonderfall der Vollmachtskundgabe (§ 171), wenn dem Bevollmächtigten eine Vollmachtsurkunde ausgehändigt und von diesem dem Geschäftspartner vorgelegt wird. Damit wird auch die Vollmachtsurkunde nicht als Außenvollmacht behandelt, aber durch die Verweisung auf § 171 in ihren Wirkungen einer Außenvollmacht gleichgestellt (s § 171 Rn 1). Die dem Bevollmächtigten ausgehändigte Vollmachtsurkunde ist als solche Innenvollmacht. Wirkung entfaltet die Vorschrift nur, wenn die Vollmacht nicht oder nicht mehr wirksam ist (dazu Rn 8ff). Die Vorschrift schützt dann den gutgläubigen (§ 173) Dritten. Grundlage des Schutzes ist der zurechenbare Rechtsschein (hM; BGH NJW 2003, 2091, 2092; MüKo/Schramm Rn 1; aM Flume § 49, 2, der wie bei der Vollmachtskundgabe Außenvollmacht annimmt).

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2. Anwendungsbereich. Die Vorschrift gilt nicht für die Prozessvollmacht und nicht für Vollmachten für prozessuale Handlungen wie die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung gem § 794 I Nr 5 ZPO (BGH 154, 283; krit Paulus/Henkel NJW 2003, 1692). Wenn allerdings aufgrund der nichtigen Vollmacht gem § 172 wirksam ein Darlehensvertrag für den Vollmachtgeber abgeschlossen wurde, der den Vollmachtgeber zur Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung verpflichtet, kann dieser sich nicht darauf berufen, dass die Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung mangels wirksamer Vollmacht nichtig ist (BGH NJW 2004, 59; 2005, 1576; 2006, 2118, 2119). Die Vorschrift gilt auch nicht für die Vorlage der Bestallungsurkunde eines gesetzlichen Vertreters oder Vermögensverwalters (RG 74, 263, 267). Zur Abgrenzung von § 171 für die in einem Vertrag erteilte Vollmacht Köln DNotZ 1984, 569.

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3. Voraussetzungen. Abs I setzt die Aushändigung einer Vollmachtsurkunde an den Vertreter und deren Vorlage an den Dritten voraus.

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a) Vollmachtsurkunde. Die Urkunde muss schriftlich abgefasst, dh vom Vollmachtgeber unterzeichnet (§ 126 I) oder notariell beurkundet (§ 126 IV) sein. Die Schriftform ist zwar nicht ausdr vorgeschrieben, ergibt sich aber aus dem Begriff der Urkunde. Elektronische Form (§ 126a) scheidet aus praktischen Gründen aus – sie käme nur als Mitteilung an den Dritten (§ 171) in Frage. Die Urkunde muss die Bevollmächtigung ausdr und eindeutig enthalten (BGH 159, 294, 302; MüKo/Schramm Rn 3). Zur Legitimation durch den Gesellschaftsvertrag einer GbR Heil NJW 2002, 2158; Staud/Schilken Rn 1; s aber auch BGH NJW 2002, 1194, 1195. Im Zweifel ist die Vollmacht eng auszulegen (Köln NJW-RR 2001, 652, 653). Für die Bestellungsurkunde eines Betreuers gilt § 172 nicht (BGH FamRZ 2010, 968).

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b) Aushändigung. Die Vollmachtsurkunde ist ausgehändigt, wenn sie von dem Vollmachtgeber bewusst in Verkehr gebracht wird. Das kann durch Übergabe, Versand oder Anweisung an den beurkundenden Notar zur Auslieferung einer Ausfertigung geschehen. Die Ausstellung sowie die Anweisung an den Notar zur Aushändigung von Ausfertigungen ist Willenserklärung, die Aushändigung 524

G. Maier-Reimer

Vertretung und Vollmacht

§ 172

durch Übergabe geschäftsähnliche Handlung. §§ 104ff und 116ff sind anwendbar (BGH NJW 1977, 622, 623; MüKo/Schramm Rn 6). Die sich aus der Vorschrift ergebende Bevollmächtigung ist auch nach ihrem Gebrauch wie eine externe Vollmacht anfechtbar (dazu § 167 Rn 44ff). Im Falle eines beachtlichen Irrtums ist der durch die Vollmachtsurkunde geschaffene Rechtsschein nicht zurechenbar. Die Vollmachtsurkunde ist nicht ausgehändigt, wenn der in ihr Bezeichnete sie sich eigenmächtig verschafft hat, auch wenn der Aussteller die Entwendung durch fahrlässige Verwahrung ermöglicht hat (BGH 65, 13). c) Vorlage. aa) Die Urkunde muss (im Original oder, im Falle notariell beurkundeter Vollmachten, 6 in Ausfertigung) vorgelegt werden (BGH 102, 60, 63; NJW-RR 2007, 1199, 1201). Vorlage auch beglaubigter Ablichtungen genügt nicht, denn die Ablichtung beweist nicht, dass das Original noch existiert und nicht zurückgegeben wurde. Die Vorlage einer als Original gemeinten Durchschrift genügt (BGH NJW 2006, 1956, 1958). Ausreichend ist die Vorlage eines Vertragsangebots, auch ohne die darin in Bezug genommene „Stammurkunde“, wenn die Vollmacht in dem Angebot klar genug und nicht von der Annahme abhängig ist (BGH NJW 2005, 668, 669); ist sie durch die Annahme bedingt, so genügt zu deren Nachw die Vorlage einer beglaubigten Abschrift (Stuttgart WM 2007, 1121). Vorlage bedeutet die Ermöglichung „unmittelbarer sinnlicher Wahrnehmung“ (BGH 76, 76, 78; 102, 60, 63). Dass der Dritte Einsicht in die Urkunde nimmt, ist nach zutr hM nicht erforderlich (BGH 76, 76, 78; 102, 63; Staud/Schilken Rn 3). AM Erman/Palm12 Rn 9 unter Hinw auf die gegenteilige hM zu § 171 (§ 171 Rn 5); dort geht es jedoch um Kenntnis von der Existenz der Kundgabe, hier um den Inhalt. Es genügt, wenn bei gleichzeitiger Anwesenheit die Vollmacht dem beurkundenden Notar vorgelegt wird (RG 97, 273, 275) oder wenn bei einseitigen Urkunden dem Notar die Vollmacht vorgelegt wird und dieser dies in seiner Urkunde festhält und der Urkunde eine beglaubigte Abschrift der Vollmacht beifügt (BGH NJW 2006, 2118, 2119f; NJW-RR 2007, 1199, 1201; s § 12 BeurkG), anders noch BGH 102, 60, 63, der hier Rechtsscheinsvollmacht annimmt – durch die neuere Rspr überholt (§ 167 Rn 34). Nach hM (BGH 76, 76, 78; Köln WM 2000, 2139, 2141; Soergel/Leptien Rn 4; Staud/Schilken Rn 3) genügt es, wenn in dem beurkundeten Vertretergeschäft auf die Vollmacht Bezug genommen wird und der Notar auch die Vollmacht beurkundet hat, in die der bei der Beurkundung anwesende Dritte dann ohne weiteres Einsicht nehmen kann; zweifelhaft, denn der Notar hat nur die Urschrift, darf Ausfertigungen nur an Urkundsbeteiligte oder nach deren Weisung erteilen (Winkler, BeurkG § 51 Rn 8) und weiß nicht, ob der Vollmachtgeber sich die bisherigen Ausfertigungen vom Bevollmächtigten hat zurückgeben lassen. Die Vorlage der einem anderen erteilten Ausfertigung beweist nicht die Aushändigung an den Vertreter und genügt daher nicht (München DNotZ 2008, 844). bb) Die Vorlage muss an den Dritten erfolgen: Der Bevollmächtigte selbst – auch als Geschäfts- 7 partner – ist nicht Dritter (RG 104, 358, 360; s auch BGH NJW 1999, 486). Es genügt aber, wenn die Vollmacht bei Vertragsabschluss vorliegt und der Bevollmächtigte mit beiderseitiger Befreiung von § 181 auch den Dritten vertritt (BGH NJW 2005, 2983, 2985). Die Urkunde muss spätestens bei Geschäftsabschluss vorgelegt werden (RG 104, 358, 360), eine Vollmacht zur Aufnahme eines Darlehens vor Abschluss des Vertrags (BGH NJW 2008, 3355), aber auch vor – ggf vorgezogener – Auszahlung des Darlehens (München WM 2009, 217, 219). Ist sie vorher vorgelegt worden, so genügt Bezugnahme auf die Urkunde; nochmalige Vorlage bei Geschäftsabschluss ist nicht erforderlich, jedoch trägt der Dritte dann das Risiko einer zwischenzeitlichen Beendigung der Wirkung gem § 172 II. 4. Rechtsfolge. Die ausgehändigte und vorgelegte Vollmachtsurkunde wirkt als Vollmachtkund- 8 gabe an den Dritten. Dessen guter Glaube (§ 173) an die Entstehung, den Fortbestand und den Umfang der Vollmacht gem der Urkunde wird damit geschützt. Der Schutz gilt auch ggü einem (erfolgten oder noch möglichen) Widerruf der in einem Haustürgeschäft erteilten Vollmacht (§ 312; früher § 1 HausTWG – BGH 144, 223, 230f). a) Der Schutz des § 172 I gilt auch für von Anfang an unwirksame Vollmachten (RG 108, 125, 127; 9 BGH NJW 1985, 730). Auf den Grund der Unwirksamkeit kommt es nicht an (BGH NJW 2005, 820, 823), sofern er nicht – zB wegen Geschäftsunfähigkeit oder eines Willensmangels – die Zurechenbarkeit des Rechtsscheins ausschließt (s Rn 5). Der Schutz gilt auch, wenn der Bevollmächtigte von dem Geschäftspartner ausgewählt ist (BGH NJW 2005, 2983; 2008, 1585). b) Der Schutz gilt auch für eine Vollmacht, die wegen Verstoßes gegen Art 1 § 1 RBerG (jetzt: § 3 10 RDG) nichtig ist (BGH 167, 223; NJW 2008, 1585 jeweils XI. ZS) sowie NJW 2005, 2983 (V. ZS). Dann entfällt nicht etwa bereits der Tatbestand des § 172 (aM Celle NJOZ 2005, 1140, 1142 und Karlsruhe NJW 2003, 2692; aufgehoben durch BGH NJW 2005, 1190). Der Schutz gilt auch zugunsten des Initiators des Projekts (BGH NJW 2008, 1585). Der II. ZS hatte in einer Reihe von Entscheidungen (zB BGH 159, 294) die entgegengesetzte Auffassung ua mit der Begründung vertreten, bei den typischen Fällen des Strukturvertriebs sei der Geschäftspartner (auch die finanzierende Bank) für den gesetzten Rechtsschein mitverantwortlich und durch diesen daher nicht geschützt. Der Meinungsstreit zw den Senaten ist beigelegt, da der II. ZS, ohne seine Auffassung aufzugeben, seine Zuständigkeit nicht mehr annimmt (Goette DStR 2006, 1009). Zur Frage einer Rechtsscheinsvollmacht in diesen Fällen § 167 Rn 34f, zur Genehmigung § 177 Rn 14f. c) Zur Relevanz von Willensmängeln s Rn 5 sowie § 171 Rn 7 und § 167 Rn 44ff.

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5. Beendigung der Wirkungen der Vollmachtsurkunde erfolgt gem Abs II durch Rückgabe der Voll- 12 machtsurkunde an den Vollmachtgeber oder einen von ihm Beauftragten oder durch Kraftloserklärung (s auch Rn 15). a) Rückgabe iSd Abs II ist Besitzerlangung durch den Vollmachtgeber oder dessen Besitzdiener 13 oder -mittler mit Willen des Bevollmächtigten (MüKo/Schramm Rn 12; Staud/Schilken Rn 9). Hat G. Maier-Reimer

525

§ 172

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

sich der Vollmachtgeber die Urkunde ohne Willen des Bevollmächtigten verschafft, ist zwar keine Vorlage mehr möglich, die Wirkung einer bereits erfolgten Vorlage (Rn 7) bleibt aber bestehen. Der befugten Rückgabe/Rücknahme ist die nachträgliche Genehmigung der unbefugten Aneignung gleichzusetzen. Bei Aushändigung mehrerer Vollmachtsurkunden ist die Rückgabe sämtlicher Urkunden erforderlich. 14

b) Die Kraftloserklärung erfolgt nach Maßgabe des § 176.

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c) Über die in Abs II genannten Tatbestände hinaus kann der durch Aushändigung der Vollmachtsurkunde geschaffene Rechtsscheinstatbestand auch durch Erlöschensanzeige oder Widerruf beseitigt werden, jedoch nur mit Wirkung ggü dem einzelnen Erklärungsempfänger (hM; MüKo/ Schramm Rn 13a mwN; aA Flume § 51, 9; Bork AT Rn 1529). Das ergibt sich bereits aus der Gleichstellung mit der Vollmachtskundgabe (§ 172 I) und § 171 II.

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6. Blanketturkunden. Der Rechtsgedanke des § 172 wird auf sog Blanketturkunden entspr angewandt, bei denen der Unterzeichner die Ausfüllung des Urkundentextes einem Dritten überlässt; der Unterzeichner trägt dann das Risiko des Missbrauchs (RG 138, 265, 269; BGH 40, 65; 40, 297, 305; 113, 48; 132, 119 = JZ 1997, 305 m krit Anm Pawlowski für den Fall einer Blankobürgschaft; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1973, 54ff; Medicus AT Rn 913; MüKo/Schramm Rn 14, 17; krit G. Müller AcP 181, 515; Binder AcP 207, 155; s auch § 119 Rn 20). Für das Blankett selbst gelten zunächst dieselben Grundsätze wie für eine Vollmacht (zu § 766 BGH 132, 119; zu § 4 VerbrKrG – heute § 492 BGB ohne dessen Abs IV – BGH NJW 2005, 1179; BGH 167, 239 Rn 24). Füllt der Empfänger des Blanketts dieses aus, so ist der gutgläubige Erwerber geschützt. Voraussetzung ist eine Unterschrift; eine blanko geleistete „Oberschrift“ reicht nicht aus (BGH 113, 48). Weil nur der gutgläubige Empfänger einer vollständigen Urkunde geschützt werden soll, greift der Schutz nicht ein, wenn der Empfänger der Urkunde selbst ein Blankett ohne wirksame Vollmacht oder Ermächtigung ergänzt, mag er auch auf die Wirksamkeit seiner Befugnis vertrauen (BGH 132, 119; dazu s auch § 167 Rn 6). Die anzunehmende Ermächtigung deckt nur die erste Ausfüllung des Blanketts (Saarbrücken NJW-RR 2001, 993, 994). Die gleichen Grundsätze gelten, wenn eine Vollmacht ihrerseits als Blankett ausgestellt ist.

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7. Beweislast. Wer sich auf die Rechtswirkungen des § 172 beruft, hat die Echtheit der Vollmachtsurkunde und deren Vorlegung durch den Vertreter zu beweisen. Demgegenüber braucht er nicht zu beweisen, dass die vom Vertreter vorgelegte Vollmachtsurkunde vom Vertretenen ausgehändigt wurde; für die Nichtaushändigung ist vielmehr der Gegner beweispflichtig. Dieser hat auch die Beweislast dafür, dass die Vollmachtsurkunde vom Vertreter an den Vertretenen zurückgegeben, für kraftlos erklärt oder widerrufen worden ist. Zur Beweislast für die Bösgläubigkeit des Geschäftsgegners vgl § 173 Rn 10.

173

Wirkungsdauer bei Kenntnis und fahrlässiger Unkenntnis Die Vorschriften des § 170, des § 171 Abs. 2 und des § 172 Abs. 2 finden keine Anwendung, wenn der Dritte das Erlöschen der Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt oder kennen muss.

1

1. Grundgedanke. Die §§ 170–172 schützen das Vertrauen in eine (so) nicht oder nicht mehr bestehende Vertretungsmacht. Diesen Vertrauensschutz verdient nicht, wer weiß oder wissen muss, dass die Vertretungsmacht nicht oder nicht mehr besteht.

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2. Der Anwendungsbereich der Vorschrift entspricht demjenigen der §§ 170–172. Nach diesen gilt eine nicht oder nicht mehr bestehende Vertretungsmacht als (fort-)bestehend (§ 170 Rn 2, 3; § 171 Rn 2, 6; § 172 Rn 8ff). Dieser auf Rechtsschein beruhende (Fort-)bestand der Vertretungsmacht gilt nicht, wenn der Dritte weiß oder wissen muss, dass die Vollmacht von vorneherein nicht bestand oder erloschen ist oder das Geschäft nicht (mehr) deckt. Der Anwendungsbereich ist daher weiter als der Wortlaut („Erlöschen“) und die in Bezug genommenen Normen (nur jew Abs II der §§ 171, 172). Das ist allg M (RG 108, 125; BGH 102, 60, 66; NJW 1985, 730; MüKo/Schramm Rn 9f).

3

3. Voraussetzungen. a) Die §§ 170–172 gelten nicht, wenn der Dritte das Erlöschen der Vertretungsmacht kennt oder kennen muss. Das Gesetz setzt im unmittelbaren Anwendungsbereich also voraus, dass die Vertretungsmacht erloschen ist, während nach §§ 170, 171 II, 172 II die Vertretungsmacht bestehen bleibt. Aus § 173 folgt: Das Gesetz geht auch in den Fällen der §§ 170–172 von dem Erlöschen der Vertretungsmacht (durch internen Widerruf) aus, fingiert aber den Fortbestand zugunsten des gutgläubigen Dritten (s Bork Rn 1522 iVm 1517). Die subjektiven Voraussetzungen des § 173 bei dem Dritten beziehen sich also auf die wahre Lage entgegen dem Rechtsschein und der darauf basierenden Fiktion.

4

b) Kennen oder Kennenmüssen. Die Vorschrift setzt voraus, dass der Dritte weiß oder wissen muss, dass die Vertretungsmacht erloschen ist oder (im erweiterten Anwendungsbereich) von vornherein nicht bestand. Es genügt nicht, dass er die dafür maßgeblichen Umstände kennt oder kennen muss (BGH 161, 15, 30; NJW 2008, 1585, 1588). Kenntnis verlangt nicht, dass das Erlöschen aus der Vollmachtsurkunde ersichtlich ist (BGH NJW-RR 1988, 1320). Kennenmüssen ist jede fahrlässige Unkenntnis (§§ 122 II, 276). Im Interesse des Verkehrsschutzes besteht zwar keine allg Nachprüfungspflicht (BGH 144, 223, 230; 167, 223 Tz 29); anderes gilt jedoch, wenn sich aus der Urkunde selbst und/oder den Gesamtumständen für den Dritten berechtigte Zweifel an der Wirksamkeit oder am Fortbestand der Vollmacht ergeben (RG 108, 125; BGH NJW 2008, 845 Tz 17 – Formnichtigkeit aufgrund verlautbarter Unwiderruflichkeit). Rechtlichen Bedenken, die gegen die Wirksamkeit der 526

G. Maier-Reimer

Vertretung und Vollmacht

§ 174

Vollmacht sprechen, darf sich der Vertragspartner nicht verschließen. Fahrlässig ist die Unkenntnis nur, wenn der Dritte den Schluss ziehen musste, die Vollmacht sei nicht (mehr) wirksam (BGH NJW 2005, 668, 669). Dabei sind an eine Bank, die über rechtlich versierte Fachkräfte verfügt, strengere Sorgfaltsanforderungen zu stellen als an einen juristisch nicht vorgebildeten Durchschnittsbürger (BGH NJW 2005, 668; 2005, 1190). Mit der Nichtigkeit der Vollmacht wegen neuer, noch ungeklärter Rechtsfragen braucht auch eine 5 Bank jedenfalls dann nicht zu rechnen, wenn die Vollmacht notariell beurkundet ist (BGH NJW 1985, 730, 731 zu den Auswirkungen des damals neuen Beurkundungserfordernisses für Grundstückserwerbspflichten). Die sich aus einem Verstoß gegen § 1 RBerG (jetzt § 3 RDG) ergebende Nichtigkeit der Vollmacht brauchte auch eine Bank vor der Veröffentlichung der Leitentscheidung des BGH v 28.9.2000 (BGH 145, 265) nicht zu kennen (BGH NJW 2005, 1190; BGH 161, 15, 31). Der Darlehensgeber, der auf eine im Strukturvertrieb von Kapitalanlagen erteilte Vollmacht vertraut, hat auch keine Veranlassung anzunehmen, der vertretene Darlehensnehmer sei nicht hinreichend belehrt worden (BGH NJW 2000, 2270, 2271). Die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis von Hilfspersonen muss sich der Geschäftsgegner zurechnen lassen (§ 166 Rn 16, 27ff). Zur Prüfungspflicht einer Bank bei Abhebung von einem Girokonto durch einen Vertreter BGH MDR 1953, 345; WM 1958, 872. ZT wird angenommen, dass der Schutz der §§ 170–172 nur dann entfalle, wenn der Mangel der Ver- 6 tretungsmacht evident sei (Flume § 50, 2; MüKo/Schramm Rn 3). Während dieses Kriterium der Evidenz beim Missbrauch der Vertretungsmacht sachgerecht ist (§ 167 Rn 75), gibt es keinen Grund, bei § 173 von dem Wortlaut mit seiner gesetzlich definierten Bedeutung abzuweichen. § 173 gilt auch, wenn der Dritte weiß oder wissen muss, dass die Vollmacht angefochten werden kann (§ 142 II; BGH NJW 1989, 2879 und 2881). c) Nach dem Gesetzeswortlaut ist maßgeblich der Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts. 7 ZT wird vertreten, der Geschäftsgegner müsse bis zur Vollendung des „Geschäftstatbestands“ gutgläubig sein (RGRK/Steffen Rn 2; Soergel/Leptien Rn 3); auch nach dieser Auffassung ist zu beachten, dass das obligatorische Rechtsgeschäft und das zur Erfüllung geschlossene dingliche Vollzugsgeschäft voneinander unabhängig sind. Nach zutr und wohl überwiegender Auffassung braucht der gute Glaube aber nur bis zum Abschluss des rechtsgeschäftlichen Tatbestandes vorzuliegen, bei zweiseitigen Rechtsgeschäften also bis zur Einigung (MüKo/Schramm Rn 4ff; Staud/Schilken Rn 8; Pal/Ellenberger Rn 2; wohl auch BaRo/Habermeier Rn 6; aM Soergel/Leptien Rn 3; Larenz/Wolf § 48 Rn 15). Vertretung ist nur bei Willenserklärungen möglich (§ 164 I, III). Nur bei der Abgabe und dem Empfang der Willenserklärung muss deshalb die Vertretungsmacht gegeben sein; deshalb genügt es, wenn der Geschäftsgegner bis dahin gutgläubig ist. Handelt dieser durch einen vollmachtlosen Vertreter, so muss er noch im Zeitpunkt der Genehmigung gutgläubig sein (MüKo/Schramm Rn 8; s auch § 166 Rn 38). Soweit zur Vollendung des Geschäfts weitere Tatbestandsmerkmale (zB Übergabe behördlicher Genehmigungen) erforderlich sind, kommt es darauf im Rahmen des § 173 nicht an. 4. Folge. Die (Fortdauer der) Vertretungsmacht, die sich aus §§ 170–172 ergibt, wirkt nicht ggü dem 8 bösgläubigen Geschäftsgegner. Der Vertreter haftet dem Geschäftsgegner nicht wegen vollmachtsloser Vertretung (§ 179 III 1). Der Genehmigung des Vertretergeschäfts gem § 177 steht die Vorschrift nicht entgegen. 5. Zur entspr Anwendung bei anfänglicher Nichtigkeit der Vollmacht s Rn 2. Hins der allg Rechts- 9 scheinsvollmacht (§ 167 Rn 9ff) bedarf es der Vorschrift nicht, weil es schon an dem Rechtsscheinstatbestand fehlt, wenn der Dritte weiß oder wissen muss, dass die Vollmacht nicht (mehr) besteht. Beweislast. Wer die Kenntnis oder das Kennenmüssen auf Seiten des Geschäftsgegners behauptet, 10 muss entspr Tatsachen beweisen.

174

Einseitiges Rechtsgeschäft eines Bevollmächtigten Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte. 1. Zweck und Bedeutung. Wer einen Vertrag mit einem Vertreter abschließt, kann selbst entschei- 1 den, ob er den Vertragsschluss vom Nachw der Vertretungsmacht abhängig macht. An einem einseitigen Rechtsgeschäft, das der Vertreter namens des Geschäftsherrn vornimmt, ist der andere dagegen nur passiv, als Adressat beteiligt. Deshalb gibt ihm § 174 das Recht, das Rechtsgeschäft zurückzuweisen, wenn die Vertretungsmacht nicht nachgewiesen ist, um ihm dadurch Gewissheit zu verschaffen. Besondere Bedeutung erlangt dies für fristgebundene Geschäfte wie zB die Kündigung. Die Mehrzahl der entschiedenen Fälle betrifft deshalb Kündigungen von Arbeitsverhältnissen. Entspr oder vergleichbare Regelungen enthalten die §§ 111 S 2, 3, 182 III, 1831 S 2. Nach diesem Zweck muss das Zurückweisungsrecht immer dann bestehen, wenn der Dritte keinen Schutz durch die §§ 170–172 hat. Entspr sind die einzelnen Voraussetzungen auszulegen.

2. Anwendungsbereich. a) Sachlicher Anwendungsbereich. Unmittelbar anwendbar ist die Vor- 2 schrift auf einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen, nicht dagegen auf streng einseitige Rechtsgeschäfte“ (Einl § 104 Rn 15). Entspr anwendbar ist die Vorschrift auf mündlich durch einen Boten übermittelte Erklärungen (BGH NJW-RR 2007, 1705 Tz 19; MüKo/Schramm Rn 2). Ebenso auf geschäftsähnliche Handlungen, die von einem Vertreter vorgenommen werden, wie Mahnung (BGH G. Maier-Reimer

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§ 174

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

NJW 1983, 1542), wettbewerbsrechtliche Abmahnung (Düsseldorf GRUR Prax 2009, 23; MüKo/ Schramm Rn 3; aM Karlsruhe NJW-RR 1990, 1323 und Pfister WRP 2002, 799 mwN; differenzierend Hamburg GRUR-RR 2008, 370), Mieterhöhungsverlangen nach §§ 558ff (Hamm NJW 1982, 2076 zu § 2 MHG aF), Geltendmachung von Ansprüchen zur Wahrung gesetzlicher Ausschlussfristen (BGH NJW 2001, 289 zu § 651g I aF, dh vor Einfügung des Satzes 2, der § 174 ausdr ausschließt), Ausübung eines aktienrechtlichen Bezugsrechts (KG AG 2006, 201). Nach hL gilt § 174 entspr auch für die Annahme des Vertragsangebots unter Abwesenden (BGH NJW-RR 2007, 1705 Tz 19; MüKo/Schramm Rn 2; Soergel/Leptien Rn 7; aM Bork Rn 1532), richtigerweise jedoch nur, wenn das Angebot nicht ggü demselben Vertreter gemacht war (ebenso MüKo/Schramm Rn 2); wer ein Vertragsangebot an einen Vertreter abgibt, ist bzgl dieses Vertreters nicht in der in § 174 vorausgesetzen Lage. Nicht anwendbar ist § 174 auf die Geltendmachung von Reisemängelansprüchen (§ 651g I S 2), auch nicht auf die Geltendmachung von Ansprüchen zur Wahrung tariflicher Ausschlussfristen (BAG NJW 2003, 236; Staud/Schilken Rn 2; s aber Soergel/Leptien Rn 4) und auf die von einem RA im gesetzlichen Umfang einer Prozessvollmacht abgegebene Erklärung (BGH NJW 2003, 963, 964); zu weit jedenfalls Köln FamRZ 2003, 940. 3

b) Persönlicher Anwendungsbereich. Nicht anwendbar ist die Vorschrift auf einseitige Rechtsgeschäfte von gesetzlichen Vertretern (RG 74, 263; Düsseldorf NJW-RR 1993, 470; BAG NZA 2007, 377 Rn 39f; 2008, 471 Tz 26; Staud/Schilken Rn 6; MüKo/Schramm Rn 10). Sie sind nicht Bevollmächtigte. Ebenso nicht auf Geschäfte organschaftlicher Vertreter, deren Vertretungsmacht sich aus öffentlichen Registern ergibt (BGH NJW 2002, 1194; MüKo/Schramm Rn 10). Haben organschaftliche Gesamtvertreter einen von ihnen zur Einzelvertretung ermächtigt (§ 167 Rn 58), so ist die Vorschrift hins dieser Ermächtigung anwendbar (BAG NJW 1981, 2374; 1999, 445). Nach zutr Ansicht ist die Vorschrift auch nicht anwendbar auf Erklärungen von Prokuristen, deren Vertretungsmacht sich aus dem Handelsregister ergibt und bekannt gemacht ist (MüKo/Schramm Rn 4). Der Vorlage eines Registerauszugs sollte es ebenso wenig wie für den Nachw organschaftlicher Vertretungsmacht bedürfen (offengelassen bei Soergel/Leptien Rn 2), denn der Schutz des § 15 III HGB hängt davon nicht ab. Zum selben Ergebnis führt die – konstruierte – Auffassung, die (Bek der) Eintragung der Prokura bedeute eine Vollmachtsanzeige (Rn 9).

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3. Zurückweisungsrecht. Der Adressat kann das Rechtsgeschäft zurückweisen, wenn ihm keine Vollmachtsurkunde vorgelegt wird (Satz 1) und der Vollmachtgeber ihn nicht von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hat (Satz 2). Hat der Vertreter die Vollmachtsurkunde vorgelegt oder hat ihn der Geschäftsherr von der Bevollmächtigung unterrichtet, so kann der Geschäftsherr einen etwaigen Vertretungsmangel gem §§ 170–172 ggü dem gutgläubigen Dritten (§ 173) nicht geltend machen. Die Voraussetzungen des Zurückweisungsrechts sind so zu verstehen, dass das Zurückweisungsrecht grds immer dann und nur dann besteht, wenn die Voraussetzungen der §§ 170–172 nicht erfüllt sind.

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a) Keine Vorlage der Vollmachtsurkunde. Die Vollmachtsurkunde ist im Original (oder in Ausfertigung) vorzulegen. Abschriften oder beglaubigte Abschriften genügen nicht (BGH NJW 2001, 289 – hins des Anwendungsbereichs durch § 651g I S 2 überholt). Anders als nach § 172 genügt es auch nicht, wenn die Vollmachtsurkunde früher einmal vorgelegt war – denn dadurch ist der Adressat nicht gegen zwischenzeitliche Rückgabe geschützt (§ 172 Rn 7). Auch die Vorlage eines Telefax, mit dem die Vollmacht an den Bevollmächtigten übermittelt wurde, genügt nicht (MüKo/Schramm Rn 4); dagegen genügt die Benachrichtigung des Dritten durch den Vollmachtgeber per Telefax den Anforderungen des § 174 S 2 (§§ 170, 171). Genügen soll auch der Hinw auf einen Link im Internet, wo die hinterlegten Vollmachten der Gesellschafter einer GbR eingesehen werden können (LG Paderborn SpuRt 2008, 124). Die vorgelegte Urkunde muss die Bevollmächtigung für dieses Geschäft eindeutig ergeben (BAG AP § 174 BGB Nr 3; MüKo/Schramm Rn 4); dazu kann auch eine Prozessvollmacht genügen (Zöller/Vollkommer ZPO § 81 Rn 10f), es soll dann auch deren Einreichung zu den Gerichtsakten als Vorlage genügen (LG Tübingen NJW 1991, 972). Ist die Identität des Handelnden mit dem Bevollmächtigten wegen Unleserlichkeit der Unterschrift in dem einseitigen Rechtsgeschäft nicht eindeutig feststellbar, soll dies unschädlich sein (BAG NZA 2007, 377 Rn 51f). Handelt der Bevollmächtigte aufgrund einer Untervollmacht, ist sowohl die Hauptvollmacht als auch die Untervollmacht vorzulegen (Staud/Schilken Rn 3). Hat der Aufsichtsrat die Kündigung eines Vorstandsvertrags beschlossen und seinen Vorsitzenden zur Erklärung der Kündigung ermächtigt, ist mit der Kündigung die Ausfertigung des Protokolls vorzulegen (Düsseldorf AG 2004, 321; dazu Bednarz NZG 2005, 418; Pusch RdA 2005, 170). Ausreichen muss die Ausfertigung eines Protokollauszugs (Pusch RdA 2005, 170, 175; aM Bauer/Krieger ZIP 2004, 1247, 1248f). Die Bevollmächtigung eines von mehreren Gesellschaftern einer GbR soll durch Vorlage des Gesellschaftsvertrags nachgewiesen werden können (BGH NJW 2002, 1194; dazu K. Schmidt JuS 2002, 710; Wertenbruch DB 2003, 1099; s auch Heil NJW 2002, 2158). Wird eine Willenserklärung durch Gerichtsvollzieher zugestellt, so muss nicht der Zustellungsauftrag, wohl aber die Vollmacht zur Abgabe der zugestellten Erklärung im Original mit zugestellt werden (BGH NJW 1981, 1210).

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b) Ist die Vollmacht erkennbar nichtig, so genügt die Vorlage nicht (§ 173), ebenso, wenn sie erkennbar anfechtbar ist, weil der Dritte in diesem Fall in seinem Vertrauen auf die Vollmacht nicht geschützt wäre (§ 173 Rn 6; aM MüKo/Schramm Rn 4; Soergel/Leptien Rn 2; Staud/Schilken Rn 8; wie hier RGRK/Steffen Rn 1). Genügte die Vorlage der erkennbar anfechtbaren Vollmacht, so wäre der Adressat schutzlos. Dass er (gem § 122 II) auch schutzlos wäre, wenn der Geschäftsherr selbst das Rechtsgeschäft in erkennbar anfechtbarer Weise vornähme (darauf weist MüKo/Schramm Rn 4 hin),

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G. Maier-Reimer

Vertretung und Vollmacht

§ 174

ist kein Grund, solche Fälle auszuweiten, zumal über die Zwischenschaltung eines Bevollmächtigten ein weiteres Unsicherheitselement eingeführt würde. 4. Ausschluss des Zurückweisungsrechts. a) Das Zurückweisungsrecht ist ausgeschlossen, wenn 7 der Geschäftsherr den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte (Satz 2). Das entspricht den §§ 170, 171. In Kenntnis gesetzt wird der andere durch empfangsbedürftige Willenserklärung an ihn oder auch durch öffentliche Bek (Soergel/Leptien Rn 4). Eine Außenvollmacht oder besondere Mitteilung iSv § 171 I soll nach hL nicht erforderlich sein (MüKo/Schramm Rn 7). Ein Unterschied ist jedoch nicht zu erkennen. Die Mitteilung muss vielmehr den Anforderungen an die §§ 170, 171 entsprechen, denn sonst wäre der andere in seinem Vertrauen auf die Mitteilung nicht geschützt; zur konkludenten Mitteilung Rn 9. Es genügt nicht, wenn der andere zufällig Kenntnis von der Vollmacht erlangt (allg M; Soergel/Leptien Rn 4; MüKo/Schramm Rn 7). Die Mitteilung kann auch durch einen hierzu Bevollmächtigten erfolgen (Soergel/Leptien Rn 4), freilich nur unter Vorlage seiner Vollmacht. Nach dem Wortlaut ist „Kenntnis“ erforderlich, bloßer Zugang der Mitteilung genügt deshalb nicht (Soergel/Leptien Rn 4; MüKo/Schramm Rn 7). Kenntnisnahme ist aber nicht erforderlich (LAG Köln NZA 1994, 419; Soergel/Leptien Rn 4). Nach dem Wortlaut „gesetzt hatte“ muss der andere von der Bevollmächtigung vor dem Rechtsgeschäft ihm ggü in Kenntnis gesetzt worden sein. Es ist rechtsmissbräuchlich, wenn er das Geschäft deshalb zurückweist, weil er bei Zugang des einseitigen Rechtsgeschäfts die Kenntnis noch nicht hatte (MüKo/Schramm Rn 7). Zwar wäre er in diesem Fall durch §§ 170, 171 nicht geschützt (§ 171 Rn 5); die nachträglich vor Zurückweisung zu seiner Kenntnis gelangte Mitteilung ist aber, wenn die Vollmacht nicht bestand, als Genehmigung (dazu § 177 Rn 12ff sowie § 180 Rn 8ff), sonst als Beweisurkunde dafür, dass die Vollmacht tatsächlich bestand (Vollmachtsbestätigung, § 177 Rn 12), zu werten. b) Eine besondere Form ist für die Mitteilung nicht vorgeschrieben (Staud/Schilken Rn 11). Sofern 8 die Mitteilung nicht öffentlich oder in anderer Weise dokumentiert oder erfolgt ist, sollten für sie aber dieselben Formanforderungen gelten wie für das einseitige Rechtsgeschäft. Ist bspw für die Kündigung vertraglich die Schriftform vorgesehen, so sollte auch nur die schriftliche Mitteilung einer Kündigungsvollmacht das Zurückweisungsrecht ausschließen; andernfalls ergäbe sich aus der Beweisnot des Adressaten die Unsicherheit, die durch § 174 vermieden werden soll. c) Eine konkludente Mitteilung genügt; es genügt aber nicht, dass der Adressat Kenntnis auf ande- 9 rem Wege – insb durch den Vertreter selbst (BAG NZA 2006, 980) – erlangt. Einer Bekanntgabe der Vollmacht steht es gleich, wenn dem Vertreter eine Position übertragen ist, mit der üblicherweise eine Vollmacht zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts dieser Art verbunden ist, so zB bei der Kündigung eines Arbeitsvertrags durch den Leiter der Personalabteilung eines Unternehmens, und diese Position mitgeteilt oder bekannt gemacht ist (BGH NJW 2009, 293, 294; BAG NJW 2001, 1229, 1230; LAG München MMR 2010, 497; s aber KG ZMR 2010, 181); auch bei Kündigung eines ihm sonst gleichrangigen Abteilungsleiters durch den Personalleiter (LAG Niedersachsen NZA-RR 2004, 195) oder bei Weiterbeschäftigung des bisherigen Personalleiters durch den Insolvenzverwalter (BAG NZA 1998, 699); oder bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einer Scheinsozietät durch den die Sozietät ggü dem Angstellten führenden RA (BAG NJW 1997, 1867). Maßgebend ist stets, welche konkrete Zuständigkeitsregelung getroffen und den Mitarbeitern bekannt gegeben worden ist (Bsp: BAG NZA 2003, 520). Der Referatsleiter in der Personalabteilung einer Behörde gehört anders als der Personalabteilungsleiter nicht ohne weiteres zu diesem Personenkreis (BAG NZA 1997, 1343), ebenfalls nicht der kaufmännische Leiter oder der Serviceleiter der Niederlassung eines Automobilunternehmens (LAG Hessen NZA-RR 1998, 396). Weitere Einzelfälle: Gewerkschaftssekretär bei Lohnanspruch eines Arbeitsnehmers (ja; LAG Brandenburg MDR 2001, 160); RA als Sozius des Insolvenzverwalters (nein; LAG Köln ZIP 2001, 433). Auch die Eintragung der Prokura im Handelsregister und deren Bek soll nach § 174 S 2 zu beurteilen sein, weil Dritte die Eintragung gegen sich gelten lassen müssen, § 15 II HGB (BAG ZIP 1992, 497, 500ff); zweifelhaft, da die Funktion des § 15 II HGB in der Vertrauenszerstörung liegt (Röhricht/Graf v. Westphalen/Ammon/Ries HGB § 15 Rn 25; s dazu Rn 3). 5. Zurückweisung. a) Die Zurückweisung muss unverzüglich, dh ohne schuldhaftes Zögern (§ 121; 10 Bsp dazu: Hamm NJW 1991, 1185; München NJW-RR 1997, 904 – Verzögerung durch Urlaubsabwesenheit; Düsseldorf GRUR-RR 2010, 87 – Zurückweisung einer Abmahnung nach Bitte um Fristverlängerung), ggü dem Vertreter oder dem Vertretenen erklärt werden. Eine Zurückweisung nach Ablauf der 3-Wochen-Frist des § 4 KSchG ist verspätet (BAG NZA 1999, 818). Die Zurückweisung muss „aus diesem Grund“ erfolgen, also – ggf im Wege der Auslegung – ergeben, dass sie auf die Nichtvorlage einer (ausreichenden) Vollmachtsurkunde gestützt wird; eine Zurückweisung aus anderen Gründen genügt nicht (BAG NJW 1981, 2374 und LAG Hessen AE 2008, 291, die freilich die Anforderungen überspannen). b) Die Zurückweisung kann gegen Treu und Glauben verstoßen und unzulässig sein, wenn der Zu- 11 rückweisende während einer längeren Geschäftsbeziehung die Vertreterhandlungen des anderen stets ohne Vorlage einer Vollmachtsurkunde als verbindlich anerkannt hat und kein Anhalt für die Annahme besteht, dass die Vollmacht nicht (mehr) besteht (MüKo/Schramm Rn 9; Soergel/Leptien Rn 5; s auch LAG Schleswig-Holstein v 27.1.2010 – 3 Sa 285/09, juris); die Abgrenzung zur konkludenten Vollmachtsanzeige ist unscharf (s KG BB 1998, 607). Angesichts des Zwecks (Rn 1) kann ein Treueverstoß nur ausnahmsweise angenommen werden (zurückhaltend auch Deggau JZ 1982, 796, 797). 6. Folge der Zurückweisung. Das einseitige Rechtsgeschäft ist trotz objektiv vorhandener Voll- 12 macht des Stellvertreters endgültig unwirksam. Eine Genehmigung durch den Vertretenen scheidet aus, da die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts nicht auf einem Fehlen der Vertretungsmacht (dazu G. Maier-Reimer

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§ 174

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

§ 180), sondern auf der Zurückweisung durch den Erklärungsempfänger mangels Nachw der Vertretungsmacht beruht. 13

7. Beweislast. Der Vertreter hat die Voraussetzungen wirksamer Stellvertretung (Handeln des Vertreters im Namen und mit Vertretungsmacht des Vertretenen) zu beweisen, der Adressat die rechtzeitige Zurückweisung, der Vertretene trägt wiederum die Beweislast dafür, dass rechtzeitig die Vollmachtsurkunde vorgelegt oder der Erklärungsempfänger von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt war.

175

Rückgabe der Vollmachtsurkunde Nach dem Erlöschen der Vollmacht hat der Bevollmächtigte die Vollmachtsurkunde dem Vollmachtgeber zurückzugeben; ein Zurückbehaltungsrecht steht ihm nicht zu.

1

1. Zweck und Anwendungsbereich. Mit dem Anspruch auf Rückgabe der Vollmachtsurkunde schützt die Vorschrift neben § 176 den Vollmachtgeber vor einem Missbrauch der fortbestehenden Vertretungsmacht (§ 172 II). Der Anspruch setzt voraus, dass die Vollmacht erloschen ist; nach dem Regelungszweck ist die Vorschrift entspr anzuwenden, wenn die Vollmacht nicht wirksam entstanden ist. Die Vorschrift ist analog auf eine Ermächtigungserklärung anzuwenden (Köln MDR 1993, 512; Soergel/Leptien Rn 4; s auch § 183 Rn 3).

2

2. Gläubiger des Anspruchs ist der Vollmachtgeber; Schuldner ist der Bevollmächtigte, bei entspr Anwendung des § 175 auch ein die Urkunde besitzender Dritter (hM; MüKo/Schramm Rn 7; Soergel/ Leptien Rn 4), jedenfalls, wenn er die Urkunde von dem Bevollmächtigten erhalten hat (aA Staud/ Schilken Rn 5); denn auch in diesem Fall besteht die Gefahr eines Missbrauchs. Auf das Eigentum an der Urkunde kommt es nicht an. Hat der Schuldner ein berechtigtes Interesse am weiteren Besitz der Urkunde (zB Beweiswert, andere Erklärungen in der Urkunde), ist dem nach § 242 dadurch Rechnung zu tragen, dass die Urkunde nach Streichung oder Entwertung der Vollmachtsklausel dem Schuldner verbleibt (MüKo/Schramm Rn 3). Entspr gilt, wenn nur einer von mehreren Vollmachtgebern die Vollmacht widerruft und die Urkunde auch die Vollmacht der übrigen Vollmachtgeber enthält (BGH NJW 1990, 507; MüKo/Schramm Rn 2, 3).

3

Zurückzugeben sind Urschrift und Ausfertigungen der Vollmachtsurkunde, Ablichtungen (auch beglaubigte) dagegen nicht (aM Soergel/Leptien Rn 3), denn für sie gilt § 172 II nicht (§ 172 Rn 6). Für Rückgabe durch Hinterlegung gelten §§ 372ff (KG NJW 1957, 754; einschränkend MüKo/Schramm Rn 4).

4

3. Ein Zurückbehaltungsrecht ist auch ausgeschlossen, wenn der Rückgabeanspruch nicht auf § 175, sondern (zB wegen Verjährung) auf eine andere Anspruchsgrundlage (zB § 985) gestützt wird (MüKo/Schramm Rn 5; Staud/Schilken Rn 9). Das Zurückbehaltungsrecht des Anwalts an seinen Handakten (§ 50 III BRAO) umfasst nicht die Vollmacht (MüKo/Schramm Rn 5; Staud/Schilken Rn 8).

176

Kraftloserklärung der Vollmachtsurkunde (1) Der Vollmachtgeber kann die Vollmachtsurkunde durch eine öffentliche Bekanntmachung für kraftlos erklären; die Kraftloserklärung muss nach den für die öffentliche Zustellung einer Ladung geltenden Vorschriften der Zivilprozessordnung veröffentlicht werden. Mit dem Ablauf eines Monats nach der letzten Einrückung in die öffentlichen Blätter wird die Kraftloserklärung wirksam. (2) Zuständig für die Bewilligung der Veröffentlichung ist sowohl das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Vollmachtgeber seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, als das Amtsgericht, welches für die Klage auf Rückgabe der Urkunde, abgesehen von dem Wert des Streitgegenstands, zuständig sein würde. (3) Die Kraftloserklärung ist unwirksam, wenn der Vollmachtgeber die Vollmacht nicht widerrufen kann.

1

1. Zweck. Solange der Bevollmächtigte die Vollmachtsurkunde nicht gem § 175 herausgegeben hat, besteht weiterhin die Gefahr des Missbrauchs. Durch öffentliche Kraftloserklärung beseitigt der Vollmachtgeber die Wirkungen der Vollmachtsurkunde (§ 172 II).

2

2. Verfahren. a) In dem Antrag des Vollmachtgebers an das nach Abs II zuständige AG ist der wesentliche Inhalt der Urkunde näher zu beschreiben. Die materiellen Voraussetzungen (zB Erlöschen der Vollmacht) brauchen nicht dargetan zu werden; sie dürfen vom Gericht auch nicht geprüft werden (KG JW 1933, 2153). Auch für eine (noch) wirksame Vollmacht kann die Kraftloserklärung beantragt werden. Das Gericht hat dem Antrag auch stattzugeben, wenn die Vollmacht nach ihrem Wortlaut unwiderruflich ist (Soergel/Leptien Rn 2; Staud/Schilken Rn 7; s aber Rn 4).

3

b) Die Entscheidung des Gerichts wird durch eine nach §§ 58ff FamFG mit der Beschwerde anfechtbare Verfügung getroffen. Diese wird nach §§ 185ff ZPO veröffentlicht.

4

3. Wirkung. Mit Ablauf eines Monats nach der letzten in der Verfügung gem §§ 186, 187 ZPO bestimmten Einrückung in die öffentlichen Blätter wird die Kraftloserklärung wirksam. Eine etwa noch wirksame Vollmacht wird unwirksam. Die Vollmachtsurkunde verliert zugleich ihre Rechtsscheinswirkung, so dass das Vertrauen eines Dritten auf die Urkunde nicht mehr geschützt wird. Ist die Vollmacht unwiderruflich (§ 168 Rn 15ff), so ist die Kraftloserklärung unwirksam und die Vollmacht bleibt mit allen Folgen bestehen. 530

G. Maier-Reimer

§ 177

Vertretung und Vollmacht

177

Vertragsschluss durch Vertreter ohne Vertretungsmacht (1) Schließt jemand ohne Vertretungsmacht im Namen eines anderen einen Vertrag, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags für und gegen den Vertretenen von dessen Genehmigung ab. (2) Fordert der andere Teil den Vertretenen zur Erklärung über die Genehmigung auf, so kann die Erklärung nur ihm gegenüber erfolgen; eine vor der Aufforderung dem Vertreter gegenüber erklärte Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung wird unwirksam. Die Genehmigung kann nur bis zum Ablauf von zwei Wochen nach dem Empfang der Aufforderung erklärt werden; wird sie nicht erklärt, so gilt sie als verweigert. 1. 2. 3. 4. 5.

Bedeutung . . . . . . . . . . . Voraussetzungen des Abs I . Entspr Anwendung des § 177 Schwebende Unwirksamkeit . Genehmigung . . . . . . . . .

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1 2 7 11 12

6. 7. 8. 9.

Verweigerung der Genehmigung Befristung des Schwebezustands Beweislast . . . . . . . . . . . . . Haftung des Vertretenen . . . . .

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22 23 25 26

1. Bedeutung. Das rechtsgeschäftliche Handeln eines Vertreters ohne Vertretungsmacht bindet 1 den Vertretenen grds nicht; der Vertretene kann jedoch ein Interesse daran haben, dass der in seinem Namen geschlossene Vertrag wirksam wird. Dem trägt Abs I Rechnung: Ein ohne Vertretungsmacht geschlossener Vertrag ist zunächst (nur) schwebend unwirksam; durch eine Genehmigung des Vertretenen wird er wirksam. Abs II gibt dem Geschäftsgegner die Möglichkeit, den Schwebezustand zu beenden. Die Regelung des § 177 entspricht der in §§ 108 I, II, 1366 III und 1829. 2. Voraussetzungen des Abs I. § 177 setzt den Abschluss eines Vertrags in fremdem Namen durch 2 einen Vertreter ohne Vertretungsmacht voraus (allg dazu Prölss JuS 1985, 577). a) Vertrag. In Betracht kommen alle Arten von Verträgen, auch die Auflassung (RG 103, 295, 303), sofern nicht die Vertretung (wie zB beim Erbvertrag; § 2274) ausgeschlossen ist. Das dem anwesenden vollmachtlosen Vertreter gemachte Angebot ist ein Angebot unter Anwesenden iSv § 147 (BGH NJW 1996, 1062, 1064). Bei einseitigen Rechtsgeschäften greift zunächst nicht § 177, sondern § 180 ein. Danach führt die unbefugte Vertretung grds zur Nichtigkeit des Geschäfts. Nur in den Fällen des § 180 S 2 und 3 ist § 177 entspr anzuwenden (s § 180 Rn 5ff). b) Der Vertreter muss ohne Vertretungsmacht handeln. aa) Unerheblich ist der Grund für das Feh- 3 len der Vertretungsmacht. Sie kann zB fehlen, weil von vornherein keine wirksame Vollmacht vorgelegen hat (RG 110, 321), diese (etwa durch Widerruf) erloschen ist oder der Vertreter seine Vollmacht überschritten hat (RG JW 1937, 2036). Zur Frage der Nichtigkeit oder schwebenden Unwirksamkeit, wenn eine AG entgegen § 112 AktG durch den Vorstand statt durch den Aufsichtsrat verteten wurde s BGH NZG 2005, 276, 277; München ZIP 2008, 220 sowie Hüffer AktG § 112 Rn 7 mwN. Zur Abgrenzung von Formmangel und Vertretungsmangel bei jur Pers des öffentlichen Rechts BGH NJW 2001, 2626, 2628 mwN sowie zu § 125 Rn 10 und zu § 164 Rn 18. bb) Die Vertretungsmacht kann auch teilw fehlen. Ist das Geschäft teilbar, so ist in diesem Fall 4 § 177 nur auf den nicht von der Vertretungsmacht gedeckten Teil des Vertrags anwendbar. Wird die Genehmigung verweigert, gilt § 139 (BGH NJW 1970, 240; dazu Gerhardt JuS 1970, 326). cc) Maßgeblich dafür, ob der Vertreter mit oder ohne Vertretungsmacht gehandelt hat, ist der Zeit- 5 punkt der Abgabe oder Entgegennahme der Willenserklärung durch den Vertreter (hM MüKo/ Schramm Rn 11; Soergel/Leptien Rn 2). Dafür spricht neben dem Wortlaut des § 164 I auch die Regelung in § 130 II und § 153. c) Einzelfälle. § 177 ist anwendbar, wenn jemand unbefugt für einen Unbekannten handelt, dessen 6 Name erst nach Vertragsschluss genannt werden soll (RG 140, 337; Schrell/Kirchner ZBB 2002, 230), wenn bei einer jur Pers ein unzuständiges Organ rechtsgeschäftlich handelt (Bsp: Frankfurt GmbHR 2006, 650; s aber Rn 3), wenn ein Gesamtvertreter übergangen wird (Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack § 35 GmbHG Rn 119; Düsseldorf NZM 2005, 909). Auch ein Bevollmächtigter kann bei Abschluss des Vertrags als vollmachtloser Vertreter handeln, wenn er zB durch Vorbehalt der Genehmigung zum Ausdruck bringt, dass er von seiner Vollmacht keinen Gebrauch mache (OGH NJW 1949, 142; BGH DNotZ 1968, 408; Soergel/Leptien Rn 8) oder wenn zwei Einzelvertretungsberechtigte erkennbar nur gemeinsam vertreten wollen (BGH NJW-RR 2008, 1484 Tz 26); Auslegung kann auch Bedingung ergeben (MüKo/Schramm Rn 12). Aufschiebende Bedingung – und nicht § 177 – liegt vor, wenn das Vertretungsorgan den Vertrag unter dem Vorbehalt der Genehmigung eines anderen Gremiums abschließt (Gremienvorbehalt). Vertritt der Vorsitzende des Betriebsrats diesen ohne wirksame Grundlage, so kann der Betriebsrat die Vertretung rückwirkend heilen (BAG NZA 2008, 369). 3. Entspr Anwendung des § 177. a) § 177 gilt entspr beim Handeln unter fremdem Namen (§ 164 7 Rn 11f), wenn in dem Geschäftsgegner eine unrichtige Identitätsvorstellung erweckt wurde (BGH 45, 193; Lieb JuS 1967, 106; Staud/Schilken Rn 21); ebenso in den Fällen der Unterschriftsfälschung, zB beim Fälschen einer Wechselunterschrift (RG 145, 87, 90; BGH NJW 1963, 148). Der Namensträger wird hier wechselmäßig verpflichtet, wenn er das Handeln in seinem Namen genehmigt (krit dazu Zeiss JZ 1963, 745); Gegenstand der Genehmigung sind sowohl der Begebungsvertrag als auch das Grundgeschäft (Einzelheiten bei Baumbach/Hefermehl/Casper Art 7 WG Rn 7). b) Beim Missbrauch der Vertretungsmacht ist § 177 mindestens analog anwendbar (§ 167 Rn 73), 8 sofern das Geschäft nicht wegen Kollusion nichtig ist (§ 167 Rn 71). Ebenso ist § 177 analog anwendbar, wenn jemand kraft vermeintlichen Amtes oder unter Vorspiegelung eines Amtes im eigenen Namen, aber mit Wirkung für andere zB als Testamentsvollstrecker (dazu K. Müller JZ 1981, 370) oder G. Maier-Reimer

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§ 177

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

als Insolvenzverwalter tätig wird (RG 80, 416, 417). Handelt ein Bote ohne Botenmacht oder gibt er bewusst eine andere als die ihm aufgegebene Erklärung ab (sog Pseudobote, dazu § 120 Rn 5), dann wird der Geschäftsherr nicht gebunden. § 177 ist hier entspr anzuwenden (Oldenburg NJW 1978, 951; Köln OLGRp 2008, 337 Tz 27; MüKo/Schramm Rn 8; Soergel/Leptien Rn 11). Gleiches gilt bei bewusst falschen Übersetzungen von Vertragserklärungen durch einen Dolmetscher (BGH BB 1963, 204). 9

c) Grds ist § 177 auch anwendbar bei einem Handeln für eine noch zu gründende Personengesellschaft (BGH 63, 48) oder eine noch zu errichtende jur Pers, sog Vorgründungsgesellschaft (BGH 91, 148). Zum Handeln für die errichtete, aber mangels Eintragung im Handelsregister noch nicht entstandene Kapitalgesellschaft, sog Vorgesellschaft, s die Kommentierungen zu § 11 GmbHG, § 41 AktG; s auch § 179 Rn 18.

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d) Zur entspr Anwendung im Verwaltungsverfahren, vor allem bei der fristgebundenen Anmeldung von Ansprüchen, s Wilhelm VIZ 1999, 11 mwN.

11

4. Schwebende Unwirksamkeit des Vertrags. Ein vom Vertreter ohne Vertretungsmacht geschlossener Vertrag ist nach Abs I schwebend unwirksam (Einzelheiten dazu § 184 Rn 9). Der Vertretene hat damit eine Option auf den Vertrag. Der Gegner kann diese Option befristen (§ 177 II S 2) oder beenden (§ 178). Erfüllt der Vertretene während des Schwebezustandes den Vertrag, wird das oft eine konkludente Genehmigung sein (Rn 14f; § 182 Rn 10ff). Leistet der Geschäftsgegner an den Vertretenen, so leistet er ohne Rechtsgrund iSv § 812, sofern in der Annahme keine Genehmigung liegt (BGH 65, 123, 126; MüKo/Schramm Rn 15); fordert er die Leistung zurück, ist darin regelmäßig ein Widerruf (§ 178) zu sehen. Der Schwebezustand endet mit der Genehmigung oder ihrer Verweigerung durch den Vertretenen (Rn 12ff) und mit dem Widerruf des Geschäftsgegners (§ 178). Der Schwebezustand kann auch dadurch enden, dass der Vertretene einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben nicht widerspricht (BGH NJW 2007, 987, 988).

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5. Genehmigung. Der Schwebezustand endet, wenn der Vertretene den Vertrag genemigt oder die Genehmigung verweigert (Rn 22); s auch Vor § 182 Rn 14f, § 182 Rn 17 und § 184 Rn 1ff, 9ff. Die Genehmigung ist keine „nachgeholte Vollmacht“ (MüKo/Schramm Rn 23), aber die nachgeholte Vollmacht oder Vollmachtsbestätigung ist regelmäßig eine mindestens konkludente Genehmigung (LG Potsdam NotBZ 2004, 38). Die Genehmigung bedeutet die Erklärung, das „bisher als unverbindlich angesehene Geschäft verbindlich zu machen“ (BGH NJW 1988, 1199, 1200; MüKo/Schramm Rn 26 jeweils zur konkludenten Gehemigung). Nach ihrem Inhalt setzt sie deshalb das Bewusstsein mindestens der Möglichkeit voraus, dass das Geschäft bisher für den Genehmigenden unverbindlich ist.

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a) Auf die Genehmigung sind hins des Adressaten und der Wirkung die §§ 182ff anzuwenden. Ob eine Genehmigung – konkludent – erklärt wurde, ist aber wegen des unterschiedlichen Inhalts der Genehmigung (Vor § 182 Rn 11) anders zu beurteilen als bei § 182 (Rn 14f und § 182 Rn 8ff). Die Genehmigung ist eine empfangsbedürftige, formfreie Willenserklärung. Sie kann sowohl ggü dem Vertreter als auch ggü dem Geschäftsgegner erklärt werden (§ 182 I), es sei denn, der Vertretene ist nach § 177 II S 1 zur Erklärung aufgefordert worden (Rn 23). Sie bedarf nach § 182 II nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form (Einzelh § 182 Rn 4ff). Das gilt auch, wenn die Formvorschrift eine Warnfunktion hat (BGH 125, 218; MüKo/Schramm Rn 38 mwN; aM Staud/Schilken Rn 10 mwN; Erman/Palm12 Rn 13; ausf zum Thema Einsele DNotZ 1996, 835); die Grundsätze zur ausnahmsweisen Formbedürftigkeit einer Vollmacht insb wegen faktischer Bindung (§ 167 Rn 5) sind nicht übertragbar (ausf BGH 125, 218, 224f).

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b) Eine Genehmigung kann auch in einem schlüssigen Handeln liegen. Eine konkludente Genehmigung muss eindeutig sein (Soergel/Leptien § 182 Rn 8; Staud/Gursky § 182 Rn 10). Der Erklärende muss jedenfalls wissen oder damit rechnen, dass der Vertrag in seinem Namen abgeschlossen wurde (Soergel/Leptien § 182 Rn 8; Hamm NJW-RR 1994, 439; den Umständen entnimmt diese Kenntnis BGH WM 1981, 171). Ob die schlüssige Genehmigung auch das Bewusstsein der schwebenden Unwirksamkeit voraussetzt, ist str. Nach st Rspr setzt die Genehmigung dieses Bewusstsein schon begrifflich voraus (RG 118, 335; BGH 159, 249, 304; ZIP 2003, 1692, 1696; NJOZ 2003, 3231, 3235; NZG 2005, 276, 277; krit Erman/Palm12 § 182 Rn 5; unklar MüKo/Schramm Rn 26 und Soergel/Leptien Rn 24 und § 182 Rn 7, 8); das scheint im Gegensatz zu der hM zu stehen, wonach die Willenserklärung ein Erklärungsbewusstsein nicht voraussetzt (§ 116 Rn 14). Von dieser hM geht auch der BGH aus, wenn er in denselben Entscheidungen ausführt, ein Erklärungsbewusstsein sei für die konkludente Genehmigung nicht erforderlich (BGH ZIP 2003, 16962, 1696; NJOZ 2003, 3231, 3235; s auch BGH 128, 41, 49). Auf das Bewusstsein des Genehmigungserfordernisses kommt es bei ausdr Genehmigung auch nach der Rspr nicht an (BGH 47, 341, 351; BGH 109, 171, 177). Es gehört jedenfalls zum objektiven Erklärungsgehalt einer Genehmigung, dass der Erklärende die schwebende Unwirksamkeit kennt oder mit ihr rechnet und auf dieser Grundlage dem Vertrag Wirksamkeit verleihen oder seine Wirksamkeit außer Zweifel stellen will. Eine Genehmigung durch schlüssiges Verhalten muss einen solchen Willen eindeutig ergeben. Ferner muss der Erklärungsempfänger das Verhalten tatsächlich so verstanden haben, dh als Ausdruck des Willens des Handelnden, eine aus seiner Sicht möglicherweise bestehende Unwirksamkeit zu beseitigen (MüKo/Schramm Rn 26; Soergel/Leptien § 182 Rn 7). Der Geschäftspartner muss also den Vertretungsmangel gekannt oder mit seiner Möglichkeit gerechnet haben. Wegen dieser Anforderungen wird sich die ggü den allg Grunds zu schlüssigen Willenserklärungen scheinbar strengere Auffassung des BGH praktisch kaum auswirken. In den entschiedenen Fällen war, soweit ersichtlich, der Vertretungsmangel auch dem anderen Teil unbekannt, und dieser konnte deshalb das Verhalten des Vertretenen nicht als Ausdruck eines Willens verstehen, einem möglicher-

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G. Maier-Reimer

Vertretung und Vollmacht

§ 177

weise unwirksamen Vertrag Wirkung zu verleihen (BGH NJW 2002, 2325, 2327; ZIP 2003, 1692, 1696 jeweils mwN; anders Sachverhalt und Ergebnis von Karlsruhe OLGRp 2006, 865). Erfüllungshandlungen aufgrund vermeintlich bestehender Verpflichtungen können demnach nicht 15 als Genehmigung gewertet werden, solange nicht für die andere Seite der eindeutige Anschein besteht, der Handelnde rechne mindestens mit der Möglichkeit der – schwebenden – Unwirksamkeit (RG 118, 335; BGH NJW 2002, 2325, 2327). Auch die eigenhändige Unterzeichnung des Vertrags zur Zwischenfinanzierung enthält mangels einer solchen Kenntnis keine Genehmigung des vollmachtlos abgeschlossenen Darlehensvertrags, sondern einen eigenständigen Vertrag (BGH ZIP 2003, 1692, 1996; aM Frankfurt NJW-RR 2005, 1514, 1516), aus dem sich die Treuwidrigkeit späterer Berufung auf die Unwirksamkeit des Hauptvertrags ergeben kann (BGH ZIP 2003, 1692, 1696; Karlsruhe ZIP 2004, 2423, 2424). Auch die eigenhändige Unterzeichnung von Änderungen (neue Zinskonditionen) enthält mangels eines solchen Bewusstseins keine Genehmigung (Stuttgart NJOZ 2007, 1211, 1232; München WM 2009, 217; aM Frankfurt NJW-RR 2005, 1514, 1516). Gleiches gilt bei schwebender Unwirksamkeit eines von nur einem Gesamtvertreter abgeschlossenen Vertrags für dessen Verhalten nach Erlangung der Einzelvertretungsbefugnis (RG 118, 335; BGH NJW 1988, 1199, 1200), oder wenn die Beteiligten bei weiteren, die Wirksamkeit voraussetzenden, Maßnahmen nicht erkannten, dass der Bevollmächtigte (Notariatsangestellter mit Vollzugsvollmacht) die Grenzen seiner Vollmacht überschritten hatte (BGH NJW 2002, 2863). Schlägt der allein zuständige Aufsichtsrat der Hauptversammlung die Genehmigung des vom unzuständigen Organ abgeschlossenen Vertrags vor, so ist das keine Genehmigung durch den Aufsichtsrat (BGH NZG 2005, 276, 277). Zur Genehmigung der Prozessführung durch das unzuständige Organ BGH NJW 1999, 3263; 2010, 2886. IÜ zu den Einzelheiten der stillschw Genehmigung s § 182 Rn 8ff. c) Grds kann nur der gesamte Vertrag genehmigt werden. Eine Teilgenehmigung ist ausnahmswei- 16 se zulässig, wenn gem § 139 die Aufrechterhaltung eines Teils des Geschäfts dem Parteiwillen entspricht (Hamm DNotZ 2002, 266, 268; MüKo/Schramm Rn 40; Staud/Schilken Rn 15; Vor § 182 Rn 14). Teilwirksamkeit sollte jedoch nur in Ausnahmefällten angenommen werden, da sie – anders als bei § 139 – dem Vertretenen einseitig die Möglichkeit einer Änderung gibt (s nur den Fall Hamm DNotZ 2002, 266); hins des nicht genehmigten Teils gilt § 179. Genehmigung mit Abweichungen bedeutet Verweigerung der Genehmigung (Hamburg OLGRp 2008, 597 Tz 32). d) Eine Genehmigung ist nicht mehr möglich, wenn der Vertrag aufgrund eines Widerrufs nach 17 § 178 oder infolge Fristablaufs nach einer Aufforderung des Geschäftsgegners (Abs II S 2) endgültig unwirksam geworden ist. e) Das Genehmigungsrecht steht dem Vertretenen zu. Mit dessen Tod geht es auf die Erben über 18 (Hamm Rpfleger 1979, 17), bei sonstiger Gesamtrechtsnachfolge auf den jeweiligen Gesamtrechtsnachfolger. Zur Genehmigungskompetenz nach Abtretung des Anteils an einer GbR durch den bei einem Vertrag der GbR vollmachtlos vertretenen Gesellschafter s BGH 79, 374. Der Vertreter kann auch selbst genehmigen, wenn er später Vertretungsmacht erhält (§ 108 III analog; BGH WM 1960, 611, 612; NJW-RR 1994, 291, 293; Staud/Schilken Rn 10; aA Müller AcP 168, 113, 128ff). Die Rechtsnachfolge des Vertreters ohne Vertretungsmacht in das Objekt des Geschäfts reicht, anders als nach § 185 II, nicht aus (Frankfurt NJW-RR 1997, 17f). Die Genehmigungszuständigkeit kann auch bei einem aus einer Mehrzahl von Personen bestehen- 19 den Organ liegen, wenn die Vertretungsmacht bei diesem liegt (etwa Eigentümerversammlung nach dem WEG; Aufsichtsrat einer AG in den Fällen des § 112 AktG, dazu Rn 3, 6) oder das Zusammenwirken von zwei Organen erforderlich ist (§§ 179a, 293 AktG, 13 UmwG); zum Gremienvorbehalt s Rn 6. Haben bei einer Gesamtvertretung nur einzelne Gesamtvertreter gehandelt, dann muss der Vertrag entweder vom Geschäftsherrn oder von allen übergangenen Gesamtvertretern genehmigt werden, ggf schlüssig auch dadurch, dass sie in Kenntnis des Geschäfts dieses nicht beanstanden (RG 75, 424; Düsseldorf NZM 2005, 909). Die konkludente Genehmigung des übergangenen Gesamtvertreters kann nicht aus einer Zurechnung des Wissens des handelnden Gesamtvertreters hergeleitet werden (BGH NJW 2010, 861, 862). Die Genehmigung der übergangenen Vertreter kann auch ggü dem unbefugt Handelnden erklärt werden (RG 81, 325; anders nach Aufforderung gem § 177 II). Dieser muss im Zeitpunkt der Genehmigung noch mit dem Vertrag einverstanden sein (s § 167 Rn 58). Zur Anwendung von § 177 bei notwendiger Gesamtvertretung für eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, etwa Gemeinde oder Kreis, vgl BGH NJW 1982, 1036; BAG NJW 1996, 2594 mwN. f) Die Wirkung der Genehmigung besteht darin, dass der Mangel der Vertretungsmacht geheilt 20 wird. Mit der Genehmigung finden die für die befugte Stellvertretung geltenden Regeln Anwendung. Für Willensmängel, Kennen und Kennenmüssen kommt es bei dem Vertreter auf den Zeitpunkt seines Handelns, bei dem Vertretenen auf den Zeitpunkt der Genehmigung an (§ 166 Rn 38; RG 68, 377). Die Genehmigung wirkt auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück (§ 184 I; s 21 dort). Ob bei fristgebundenen Erklärungen auch die Genehmigung noch innerhalb der Frist erfolgen muss, ist mangels ausdr Regelung durch Auslegung nach dem Zweck der Frist und den Interessen des Geschäftsgegners zu entscheiden. Bei Ausschlussfristen für die Ausübung von Gestaltungsrechten ist regelmäßig eine Genehmigung nach den §§ 180 S 2 und 3, 177 nur innerhalb der Frist möglich (BGH 32, 375, 382). Gleiches soll nach der Rspr auch für Verträge gelten, wenn der unbefugte Vertreter ein befristetes Vertragsangebot angenommen hat (BGH NJW 1973, 1789; MüKo/Schramm Rn 45; RGRK/Steffen Rn 10). Das entspricht jedoch nicht der Interessenlage. Der Geschäftsgegner kann sich gem § 174 (dort Rn 2) oder §§ 177 II, 178 Klarheit verschaffen. Tut er dies nicht, so gibt es keinen Grund, den Vorgang anders zu behandeln als beim Vertragsangebot unter Anwesenden, das nur soG. Maier-Reimer

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§ 177

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

fort angenommen werden kann (§ 147 I) und auf dessen Annahme § 177 dennoch anwendbar ist (i Erg ebenso Staud/Schilken Rn 9). Keinen Einfluss hat die Rückwirkungsfiktion des § 184 I auf den Beginn der Verjährungsfrist und den Eintritt des Verzugs. Zu Einzelheiten s § 184 Rn 15. – Inwieweit öffentlich-rechtl Beschränkungen, die während der Schwebezeit eintreten, zu berücksichtigen sind, bestimmt sich allein nach den Grundsätzen des öffentlichen Rechts (§ 184 Rn 16; Staud/Schilken Rn 9). 22

6. Durch die Verweigerung der Genehmigung wird der schwebend unwirksame Vertrag endgültig nichtig (Vor § 182 Rn 15). Das gilt nicht, wenn die Genehmigung eines Vertragsangebots vor Annahme des Angebots verweigert, danach erteilt und dann das Angebot angenommen wird (LG Düsseldorf GWR 2010, 94; Volltext in juris). Ein Widerruf der Verweigerung ist ausgeschlossen (Vor § 182 Rn 15; § 182 Rn 17). Allerdings kann sie als Willenserklärung nach §§ 119ff angefochten werden (Vor § 182 Rn 15; § 182 Rn 17) oder nach § 242 unbeachtlich sein, wenn der Vertretene (zB aus einem Vorvertrag) zur Genehmigung verpflichtet ist (BGH 108, 380, 384; dazu Vor § 182 Rn 15).

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7. Befristung des Schwebezustandes durch den Geschäftsgegner. a) Kennt der Geschäftsgegner den Mangel der Vertretungsmacht, so gibt ihm Abs II die Möglichkeit, den Schwebezustand durch Aufforderung zur Erklärung über die Genehmigung zu befristen. Entweder genehmigt der Vertretene, oder der Vertrag wird durch die Verweigerung der Genehmigung endgültig unwirksam. Wenn mehrere Personen Vertragspartner des vollmachtlos Vertretenen sind, müssen grds alle an der Aufforderung mitwirken, sofern sich nicht aus ihrem Innenverhältnis etwas anderes ergibt (BGH NJW 2004, 2382 mwN und Bespr Rimmelspacher/Bolkart LMK 2004, 170; s aber auch Zweibrücken NJOZ 2002, 736). Die Aufforderung muss nicht auf Erteilung der Genehmigung gerichtet werden, sie kann vielmehr ergebnisoffen gefasst sein (BGH 145, 44). Ob eine Bitte um Genehmigung im Einzelfall eine Aufforderung iSv Abs II darstellt, ist Auslegungsfrage; die Genehmigungsbitte des beurkundenden Notars ist regelmäßig keine Aufforderung iSv Abs II, weil er als Amtsträger und nicht namens der Beteiligten handelt (BGH NJW 2001, 1647); aA Zur Aufforderung durch den mit dem Vollzug eines Grundstücksgeschäfts und der Einholung aller Genehmigungen beauftragten Notar Köln NJW 1995, 1499; dazu mit Recht krit Holthausen-Dux NJW 1995, 1470. Der Unterschied zw Aufforderung und kaufmännischem Bestätigungsschreiben liegt darin, dass bei diesem der Bestätigende von Vertretungsmacht ausgeht (BGH NJW 1975, 1358; Baumbach/Hopt HGB § 346 Rn 24).

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b) Die Aufforderung bewirkt: Der Vertretene kann die Genehmigung nur noch ggü dem Vertragsgegner erklären. Eine bereits vorher ggü dem Vertreter erklärte Genehmigung oder Verweigerung wird unwirksam; das ist notwendig, um dem Geschäftsgegner Klarheit zu verschaffen. Die Genehmigung kann nur noch binnen zwei Wochen erklärt werden (Abs II S 2). Da die Erklärungsfrist allein den Interessen des Geschäftsgegners dient, kann dieser sie einseitig zugunsten des Vertretenen verlängern (MüKo/Schramm Rn 21). Wird die Genehmigung nicht vor Fristablauf erklärt, gilt sie als verweigert.

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8. Beweislast. Wer sich auf die Wirksamkeit des ohne Vertretungsmacht abgeschlossenen Vertrags beruft, muss beweisen, dass der Vertretene rechtzeitig genehmigt hat. Leitet der Gegner die Unwirksamkeit des Vertrags aus der Aufforderung zur Genehmigung ab, dann muss er beweisen, dass dem Vertretenen eine Aufforderung in dem behaupteten Zeitpunkt zugegangen ist. Sache desjenigen, der sich auf die Genehmigung beruft, ist es dann zu beweisen, dass die Genehmigung innerhalb der Erklärungsfrist zugegangen ist.

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9. Haftung des Vertretenen aus cic/§ 311 II. Wenn der Vertretene nicht genehmigt, kann – neben einer Haftung des Vertreters nach § 179 – ggü dem Geschäftsgegner eine Haftung des Vertretenen auf den Vertrauensschaden aus cic/§ 311 in Betracht kommen. Ein solcher Anspruch wird jedoch nur in seltenen Fällen gegeben sein. Er setzt stets voraus, dass der Vertreter mit Wissen und Wollen des Vertretenen tätig geworden ist (MüKo/Schramm Rn 51). Ist dann keine Rechtsscheinsvollmacht (§ 167 Rn 9ff) anzunehmen, so bleibt für einen Anspruch aus cic gegen den Vertretenen Raum, wenn dieser entweder selbst das vollmachtlose Handeln des Vertreters (mit-)verschuldet hat (Bsp: mangelhafte Auswahl, Anleitung oder Überwachung, MüKo/Schramm Rn 49; Staud/Schilken Rn 23f) oder sich das Verschulden seines Vertreters nach § 278 zurechnen lassen muss (Bsp: schuldhaft fehlerhaftes Verhalten eines nur zum Verhandlungsgehilfen bestellten Vertreters ohne Vertretungsmacht, vgl BGH WM 1969, 254; MüKo/Schramm Rn 51f mwN; Soergel/Leptien Rn 36; ausf Schnorbus WM 1999, 197; einschränkend Canaris JuS 1980, 332ff. Hierzu und zur Haftung der jur Pers für Kompetenzüberschreitungen ihrer Vertretungsorgane § 31 Rn 5 und § 311 Rn 31). Zur Vertrauenshaftung einer Bank für Auskünfte eines vollmachtlosen Angestellten BGH NJW-RR 1998, 1343 = LM § 676 Nr 53 – Singer. Kannte der Geschäftsgegner den Mangel der Vertretungsmacht oder musste er ihn kennen, scheidet zwar eine Haftung des Vertreters nach § 179 III S 1 aus; das schließt aber eine Haftung des Vertretenen aus cic/§ 311 II nicht von vornherein aus; vielmehr ist § 254 anzuwenden (MüKo/Schramm Rn 51; aA RGRK/Steffen Rn 17). Bei der gesetzlichen Vertretung gebietet es die besondere Schutzbedürftigkeit des Vertretenen (zB des Minderjährigen), diesen nicht aus cic haften zu lassen, wenn der gesetzliche Vertreter die gesetzlich festgelegte Vertretungsmacht überschreitet (MüKo/Schramm Rn 53; Frotz, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, 1972, 90ff; Ballerstedt AcP 151, 525ff; s auch RG 132, 76).

178

Widerrufsrecht des anderen Teils Bis zur Genehmigung des Vertrags ist der andere Teil zum Widerruf berechtigt, es sei denn, dass er den Mangel der Vertretungsmacht bei dem Abschluss des Vertrags gekannt hat. Der Widerruf kann auch dem Vertreter gegenüber erklärt werden.

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G. Maier-Reimer

Vertretung und Vollmacht

§ 179

1. Bedeutung. Die schwebende Unwirksamkeit gibt dem Vertretenen faktisch eine Option auf den 1 Vertrag. Diese Option kann der Vertragsgegner durch Widerruf beenden, sofern er sie nicht bewusst durch Abschluss mit einem vollmachtlosen Vertreter eingeräumt hat. Die Regelung entspricht den §§ 109, 1366 II und 1830. 2. Voraussetzungen des Widerrufsrechts. Das Widerrufsrecht besteht nur, wenn der Vertrag noch 2 schwebend unwirksam ist, also der Schwebezustand nicht bereits durch Genehmigung des Vertretenen oder deren Verweigerung beendet worden ist. Es setzt weiter voraus, dass der Vertragspartner bei Vertragsschluss keine Kenntnis vom Fehlen der Vertretungsmacht hatte; fahrlässige, auch grob fahrlässige Unkenntis schadet nicht. Maßgeblich für die Kenntnis ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, bei mehraktigem Abschluss der Zeitpunkt des letzten Akts, mit dem die Bindung des Vertragsgegners eintritt, ggf also die auf die Einigung folgende Übergabe oder Grundbucherklärung/Bewilligung gem § 873 II (MüKo/Schramm Rn 3). 3. Widerruf. Der Widerruf ist eine empfangsbedürftige, formlose Willenserklärung, die wahlweise 3 ggü dem Vertretenen oder ggü dem Vertreter abgegeben werden kann (Satz 2). Sie muss den Willen erkennen lassen, dass der Vertrag gerade wegen des Mangels der Vertretungsmacht nicht mehr gelten soll (BGH NJW 1965, 1714; WM 1973, 460; BAG NJW 1996, 2594). Ein Widerruf kann in der Erhebung von Ansprüchen liegen, die sich bei Widerruf ergeben (BGH NJW 1988, 1200; dazu krit Reinicke/ Tiedtke DB 1988, 1203, 1204). Erklärt der Geschäftsgegner, aus anderen Gründen zurücktreten zu wollen, oder bestreitet er den Abschluss des schwebend unwirksamen Rechtsgeschäfts, so ist darin kein Widerruf zu sehen (RG 102, 24ff; BGH NJW 1965, 1714; Frankfurt BB 1995, 2440). 4. Gegenstand und Folge des Widerrufs. Gegenstand des Widerrufs kann nur die Vertragserklärung 4 des Vertragspartners sein (Staud/Schilken Rn 1; vgl § 355; s aber auch §§ 1366 II 1, 1453 II 1). Der Widerruf beendet den Schwebezustand und führt zur endgültigen Unwirksamkeit des Vertrags. Eine Genehmigung des Vertrags ist dann ausgeschlossen (RG JW 1929, 2944). 5. Verhältnis zur Anfechtung. Der Irrtum über das Fehlen der Vertretungsmacht berechtigt nicht 5 zur Anfechtung nach §§ 119 oder 123. Der Tatbestand des § 119 liegt nicht vor; ggü § 123 ist § 178 lex specialis. Wegen eines anderen, nach §§ 119, 123 beachtlichen Willensmangels steht dem Geschäftsgegner ein Anfechtungsrecht zu; allerdings wird er wegen der Folgen des § 122 regelmäßig den Widerruf vorziehen. Hat er gleichwohl – etwa in Unkenntnis seines Widerrufsrechts – angefochten, so scheitert ein Schadensersatzanspruch des Vertretenen aus § 122 daran, dass der Vertragspartner hätte widerrufen können (anders Soergel/Leptien Rn 2: ggf Auslegung der Anfechtung als Widerruf, und MüKo/Schramm Rn 5: Widerruf auch noch nach Anfechtung). 6. Analoge Anwendung. Ist bei einem einseitigen Rechtsgeschäft die Vertretungsmacht nicht gem 6 § 180 S 2 beanstandet worden, so ist § 178 entspr anzuwenden (§ 180 Rn 10). 7. Beweislast. Wer die Unwirksamkeit des Vertrags infolge Widerrufs geltend macht, muss den Wi- 7 derruf während des Schwebezustandes beweisen. Hält der Gegner den Widerruf wegen der von ihm behaupteten Kenntnis des Mangels der Vertretungsmacht bei Abschluss des Vertrags für unwirksam, ist er für seine Behauptung beweispflichtig („es sei denn“).

179

Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht (1) Wer als Vertreter einen Vertrag geschlossen hat, ist, sofern er nicht seine Vertretungsmacht nachweist, dem anderen Teil nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadensersatz verpflichtet, wenn der Vertretene die Genehmigung des Vertrags verweigert. (2) Hat der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht nicht gekannt, so ist er nur zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet, welchen der andere Teil dadurch erleidet, dass er auf die Vertretungsmacht vertraut, jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere Teil an der Wirksamkeit des Vertrags hat. (3) Der Vertreter haftet nicht, wenn der andere Teil den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste. Der Vertreter haftet auch dann nicht, wenn er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt war, es sei denn, dass er mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters gehandelt hat. 1. 2. 3. 4.

Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . Haftung des Vetreters nach Abs I . Haftung des Vertreters nach Abs II Ausschluss der Haftung . . . . . .

. . . .

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1 3 14 18

5. Entsprechende Anwendung des § 179 . . . . . 6. Konkurrenzfragen . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23 25 28

1. Bedeutung. Wer als Vertreter einen Vertrag schließt, behauptet zumindest konkludent, dass er 1 eine entspr Vertretungsmacht hat und infolgedessen ein Vertrag mit dem Vertretenen zustande kommt (BGH 39, 45, 51). Wenn die Vertretungsmacht in Wirklichkeit nicht besteht und der Vertrag deshalb scheitert, wird das durch das Auftreten des Vertreters geschaffene Vertrauen des Vertragsgegners enttäuscht. Das Gesetz gibt deshalb dem Vertragsgegner gegen den Vertreter einen Anspruch wahlweise auf Vertragserfüllung oder auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung (Abs I). Wenn der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht nicht gekannt hat, braucht er aber nur das negative Interesse zu ersetzen (Abs II); auf ein Verschulden kommt es dafür nicht an. Diese schuldunabhängige Haftung auf das negative Interesse rechtfertigt sich daraus, dass der Vertreter dem Risiko eines Vertretungsmangels näher steht als der Vertragsgegner. Der Vertreter haftet nicht, wenn der Vertragsgegner nicht schutzwürdig ist, weil er den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste; Abs III S 1. Ein beschränkt geschäftsfähiger Vertreter ohne Vertretungsmacht haftet nur, G. Maier-Reimer

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§ 179

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

wenn er mit Zustimmung seines ges Vertreters gehandelt hat (§ 179 III S 2); sonst hat, wie auch sonst, sein Schutz Vorrang vor dem Verkehrsschutz. 2

Bei Mängeln in der wirksamen Vertretung von Gemeinden und anderen öffentlich-rechtl Körperschaften durch ein Vertretungsorgan ist Abs I regelmäßig nicht anzuwenden, wenn der Vertretungsmangel lediglich auf der Verletzung öffentlich-rechtl Formvorschriften (dazu § 125 Rn 10) beruht (BGH 147, 381 = LM Nr 22 m krit Anm Stadler/Janköster; JZ 2002, 194 m Anm Püttner) oder darauf, dass ohne aufsichtsrechtliche Genehmigung der Gemeinde die erforderliche Rechtsmacht fehlt (BGH 157, 168; s auch BGH 153, 198 m Anm Teichmann JZ 2003, 958).

3

2. Haftung des Vertreters nach Abs I. a) Voraussetzungen. aa) Der Anspruchsgegner muss als Vertreter in fremdem Namen aufgetreten sein (§ 164 Rn 4ff). Die Vorschrift erfasst alle Arten der Vertretung (allg M, vgl MüKo/Schramm Rn 9 mwN). Auch wer fälschlich als Partei kraft Amtes auftritt, haftet analog Abs I (Vor § 164 Rn 29; Soergel/Leptien Rn 8).

4

bb) Er muss einen Vertrag ohne Vertretungsmacht geschlossen haben. Insoweit knüpft Abs I an die Voraussetzungen des § 177 an (s § 177 Rn 3ff). Das ist auch dann nicht der Fall, wenn sich die Vertretungsmacht nur aus den Grundsätzen der Rechtsscheinsvollmacht (§ 167 Rn 9ff) ergibt. Insb kann der Vertragspartner nicht wahlweise den Vertretenen aufgrund des Rechtsscheins oder den Vertreter aus § 179 in Anspruch nehmen (BGH 81, 273; § 167 Rn 28). Bei einem Vertragsschluss durch einen Untervertreter hat dieser nach Abs I dem Geschäftsgegner einzustehen, wenn die Untervertretungsmacht nicht besteht; zur Haftung bei einem Mangel der Hauptvertretungsmacht s § 167 Rn 65. Fehlt die Vertretungsmacht nur teilw und ist der von der Vertretungsmacht gedeckte Teil des Geschäfts nicht nach § 139 unwirksam, so kann der Geschäftsgegner nur hins des unwirksamen Teils Schadensersatz oder Erfüllung verlangen (BGH 103, 278; Soergel/Leptien Rn 3; zu Bedenken s Jakobs NJW 1989, 697).

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cc) Der Vertretene muss die Genehmigung verweigert haben; gleich steht der Fall, dass die Genehmigung nach § 177 II S 2 als verweigert gilt (MüKo/Schramm Rn 21). Ist die Unwirksamkeit vorher schon durch Widerruf (§ 178) eingetreten, dann sind Ansprüche nach Abs I ausgeschlossen (BGH NJW 1988, 1199, 1200; MüKo/Schramm § 178 Rn 11). Genehmigt der Vertretene nur einen Teil des Geschäfts, der nach dem Parteiwillen gem § 139 allein aufrechterhalten werden kann (s § 177 Rn 16), so gilt § 179 nur für den anderen Teil des Geschäfts. Wird die Genehmigung erteilt, so haftet der Vertreter für den durch den Mangel der Vertretungsmacht entstandenen Verzögerungsschaden nicht nach § 179, möglicherweise aber aus cic nach §§ 241 II, 311 II, III/(Hamm NJW 1994, 666).

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dd) Die Haftung aus Abs I ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag nicht (nur) wegen des Mangels der Vertretungsmacht, sondern (auch) aus anderen Gründen (zB wegen Sittenwidrigkeit oder Formmangels) unwirksam ist (RG 106, 68, 70; 145, 40, 43). Der Geschäftsgegner darf nicht besser gestellt werden, als er im Falle einer wirksamen Vertretung stünde (RGRK/Steffen Rn 4; Soergel/Leptien Rn 6). Wäre jedoch bei einer wirksamen Vertretung auch das weitere Wirksamkeitshindernis beseitigt (zB eine noch erforderliche behördliche Genehmigung erteilt) worden, dann muss der Vertreter nach Abs I haften, weil hier der Mangel der Vertretungsmacht letztlich der einzige Grund für das Scheitern des Vertrags ist (Soergel/Leptien Rn 12; MüKo/Schramm Rn 22ff; Flume § 47, 3a; s aber RG 145, 40, 43: negatives Interesse). Ein Widerrufsrecht nach den Verbraucherschutzbestimmungen oder die Anfechtbarkeit des Vertrags schließen eine Haftung des Vertreters ebenfalls nicht aus. Der Vertreter kann jedoch, wenn er nach Abs I in Anspruch genommen wird, anstelle des Vertretenen die Anfechtung erklären (BGH NJW 2002, 1867, 1868 mwN; MüKo/Schramm Rn 35; s auch § 164 Rn 26). Er hat dann dem anderen Teil entspr § 122 den Vertrauensschaden zu ersetzen (RGRK/Steffen Rn 4; Soergel/Leptien Rn 6). Auch ein etwaiges Widerrufsrecht kann der Vertreter unter bestimmten Voraussetzungen ausüben (BGH NJW-RR 1991, 1074, 1075 mwN).

7

Auch wenn wegen eines weiteren Unwirksamkeitsgrundes ein Anspruch aus Abs I ausgeschlossen ist, kann sich in Ausnahmefällen aufgrund anderer Vorschriften eine Vertrauenshaftung des Vertreters ergeben, so wenn der Vertretene aus cic gehaftet hätte, wenn die Vertretungsmacht bestanden hätte (RG 106, 68, 73; s dazu Rn 23; RG 145, 40, 44; Staud/Schilken Rn 24; MüKo/Schramm Rn 26). IÜ haftet der Vertreter für cic nur unter den Voraussetzungen des § 311 III; dass er das Vertrauen in die Vertretungsmacht in Anspruch genommen hat, genügt dafür nicht (Soergel/Leptien Rn 23; Bork AT Rn 1636; aM Larenz/Wolf § 49 Rn 36).

8

b) Haftungsfolgen. Nach Abs I kann der Geschäftsgegner den Vertretenen auf Vertragserfüllung (zur Dogmatik dieser Haftung Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung [Tübingen 1999] 273ff, 343f; er ordnet die Haftung als eine Verpflichtung des Vertreters wegen Nichterfüllung eigener Pflichten ein) oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Anspruch nehmen. Es besteht insoweit eine gesetzliche Wahlschuld, auf welche §§ 262ff anwendbar sind (hM; RG 154, 58, 62; Flume § 47, 3b; MüKo/Schramm Rn 31; aM Pal/Ellenberger Rn 5: elektive Konkurrenz). Gem § 265 S 1 beschränkt sich die Haftung auf die Schadensersatzpflicht, wenn dem Vertreter die Vertragserfüllung unmöglich ist (Staud/Schilken Rn 13), so zB bei höchstpersönlichen Leistungspflichten (Dienstleistungen). Auch bei Verfügungsverträgen, die keine Leistungspflichten der Parteien begründen, kann nur Schadensersatz verlangt werden (Soergel/Leptien Rn 13). Geschäftsgegner des Arbeitgebers ist bei Betriebsvereinbarungen der Betriebsrat, nicht der einzelne ArbN (BAG DB 2008, 1163).

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aa) Wählt der Geschäftsgegner Vertragserfüllung, wird der Vertreter nicht selbst Vertragspartei. Ist nur eine von mehreren Vertragsparteien vollmachtlos vertreten, so ergibt sich aus dem Erfüllungsanspruch nicht die Gesamtwirksamkeit des Vertrags unabhängig von § 139 (BGH NJW 1970, 241). Auch der Erfüllungsanspruch ist ein gesetzlicher Schadensersatzanspruch iSv § 1 AHB (BGH 536

G. Maier-Reimer

Vertretung und Vollmacht

§ 179

NJW 1971, 429; aM Prölss VersR 1971, 538). Kraft Gesetzes entsteht zw dem Vertreter und dem Vertragsgegner ein Schuldverhältnis, das den gleichen Inhalt hat wie der für den Vertretenen geschlossene Vertrag. Der Vertragsgegner hat also alle Ansprüche, die er aufgrund des Vertrags gegen den Vertretenen hätte geltend machen können (Rn 6). Der Vertragsgegner kann den Vertreter am Erfüllungsort (München OLG 1966, 424) oder im vertraglich vereinbarten Gerichtsstand verklagen (Hamburg MDR 1975, 227). Tarifvertragliche Ausschlussfristen finden ggü dem Erfüllungsanspruch Anwendung (BAG NJW 2007, 1378). Eine im Vertrag enthaltene Schiedsgerichtsabrede gilt aber ggü dem Vertreter nicht (BGH NJW 1977, 1397, 1398). Der Vertreter kann nicht auf Erfüllung klagen (Pal/Ellenberger Rn 5); er muss abwarten. Der auf 10 Erfüllung in Anspruch genommene Vertreter hat aber auch gewisse Gegenrechte, die sonst dem Vertretenen zustünden (BGH NJW 2004, 774), insb die Rechte aus §§ 320ff, und kann, wenn er an den Vertragsgegner geleistet hat, aber auch erst dann, seinerseits die Gegenleistung verlangen (MüKo/ Schramm Rn 32). Ihm stehen auch hins der Gegenleistung die Gewährleistungsansprüche zu (Staud/ Schilken Rn 14; Soergel/Leptien Rn 16). Die Wahl der Erfüllung schließt den Übergang auf den Schadensersatz statt der Leistung (§ 281) nicht aus (RG 120, 126, 129 zu § 326 aF). Sind Sekundäransprüche von der Kenntnis abhängig, so kommt es auf die Kenntnis des Vertreters, nicht des Vertretenen an, denn der Vertragspartner ist so zu stellen, als hätte der Vertreter Vertretungsmacht gehabt, nicht so, als hätte der Vertretene genehmigt; maßgeblich ist daher § 166 I, nicht – wie bei Genehmigung (§ 166 Rn 38) – auch § 166 II (aM zu § 463 aF; Köln NJW-RR 1990, 760). Entspr dem Schutzzweck des Abs I ist der Erfüllungsanspruch ausgeschlossen, wenn der Vertrete- 11 ne vermögenslos ist und der Vertragsgegner deshalb seinen Erfüllungsanspruch nicht hätte durchsetzen können (Flume § 47, 3b; MüKo/Schramm Rn 34; Soergel/Leptien Rn 16; Hamm MDR 1993, 515; zweifelnd Medicus AT Rn 987 unter Hinw auf Hilger NJW 1986, 2237). Insofern enthält auch der Erfüllungsanspruch ein schadensrechtliches Element (s Rn 12). Auch hier darf die Vertrauenshaftung den Geschäftsgegner nicht besser stellen als ein wirksamer Vertrag. Rechnet der Geschäftsgegner mit einer Besserung der Vermögenslage des Vertretenen, so muss ihm die Möglichkeit eingeräumt werden, für diesen Fall einen entspr Titel zu erwirken. bb) Der Schadensersatzanspruch geht nicht auf Naturalrestitution (was Vertragserfüllung bedeu- 12 ten würde), sondern auf Geldersatz, dessen Höhe sich nach dem Interesse bemisst, das der andere Teil an der Erfüllung hat, bei schuldrechtlichen Verträgen also Schadensersatz statt der Leistung (§ 281). Anstelle des Erfüllungsinteresses kann der Vertragspartner gem § 284 auch Ersatz frustrierter Aufwendungen verlangen (Staud/Schilken Rn 16; AnwK/Ackermann Rn 18), jedoch nur, wenn sie gerade wegen des Fehlens der Vertretungsmacht frustriert wurden (Karlsruhe NJW-RR 2010, 675). Ob der Schaden auch nach der sog Surrogationstheorie (§ 281 Rn 24) bemessen werden kann (so Erman/Palm12 Rn 9 und MüKo/Schramm Rn 36), ist anders als bei § 281 zweifelhaft, da die Schadensliquidation auf dieser Basis praktisch dem Erfüllungsanspruch entspricht; insofern bleiben die Bedenken von BGH NJW 1994, 3351 und 1999, 3115 (beide zu § 326 aF) relevant. Der Schaden kann konkret oder evtl auch abstrakt berechnet werden (RG 58, 327). Beim gegenseitigen Vertrag besteht der ersatzfähige Schaden regelmäßig in der Differenz zw den Werten von Leistung und Gegenleistung (Soergel/Leptien Rn 17; s auch MüKo/Schramm Rn 36). Zum ersatzfähigen Schaden, der bei wirksamer Vertretung nicht entstanden wäre, gehören idR auch die Kosten eines erfolglosen Vorprozesses gegen den Vertretenen (Düsseldorf NJW 1992, 1176, 1177). Wäre auch bei wirksamer Vertretung der Vertrag unwirksam oder der Erfüllungsanspruch gegen den Vertretenen wegen dessen Vermögenslosigkeit nicht durchsetzbar gewesen, so besteht kein ersatzfähiger Schaden (Soergel/Leptien Rn 16; s auch Rn 11). c) Verjährung. Der Anspruch auf Schadensersatz oder Erfüllung verjährt in der Frist, die für den 13 Erfüllungsanspruch aus dem vom Vertreter geschlossenen Vertrag gegolten hätte (zu dem bis 31.12.2001 geltenden Verjährungsrecht BGH 73, 266; NJW 2004, 774; aA RG 145, 40, 41). Die Verjährungsfrist beginnt mit der Verweigerung der Genehmigung (BGH aaO), nach § 199 nF also mit dem darauf folgenden Jahresende. Zur Verjährung von mietrechtlichen Ansprüchen gegen den vollmachtlosen Vertreter des Mieters BGH NJW 2004, 774 m Anm Schimmel/Buhlmann LMK 2004, 58. Tarifliche Ausschlussfristen werden gewahrt, wenn die Ansprüche gegen den Vertretenen fristgerecht geltend gemacht werden (BAG NJW 2007, 1378). 3. Haftung des Vertreters nach § 179 II. a) War dem Vertreter bei Abschluss des Vertrags der Man- 14 gel der Vertretungsmacht nicht bekannt, ist er dem Geschäftsgegner nur zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichtet. Das gilt auch, wenn er grob fahrlässig seine Vertretungsmacht annahm; anders aber, wenn er für diese Annahme keinerlei Grund hatte (Saarbrücken OLG 1989, 235). Zum Ersatz des Vertrauensschadens ist der Vertreter auch dann verpflichtet, wenn er bei Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt den Mangel der Vertretungsbefugnis nicht erkennen konnte (BGH WM 1977, 479; Staud/Schilken Rn 17). Die Haftung wird deshalb als gesetzliche Garantiehaftung gewertet (BGH 105, 283, 285), s aber § 177 III InsO (dazu München NJW-RR 2010, 62) sowie Rn 20f. b) Hins der Rechtsfolgen entspricht Abs II weitgehend dem § 122. Der Vertreter schuldet den Er- 15 satz des negativen Interesses. Zu ersetzen ist der Schaden, der auf dem enttäuschten Vertrauen in die Vertretungsmacht beruht. Wie in Abs I (Rn 11) besteht daher kein ersatzpflichtiger Schaden, wenn der Vertrag auch bei wirksamer Vertretung aus anderen Gründen unwirksam oder wegen Vermögenslosigkeit des Vertretenen gegen diesen nicht durchsetzbar gewesen wäre. Mit dieser Einschränkung muss der Vertreter den Geschäftsgegner vermögensmäßig so stellen, wie dieser stehen würde, wenn der Vertrag nicht geschlossen worden wäre (Staud/Schilken Rn 18). Der zu ersetzende Schaden kann konkret oder evtl abstrakt berechnet werden (Soergel/Leptien Rn 18; Staud/Schilken G. Maier-Reimer

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§ 179

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

Rn 18; MüKo/Schramm Rn 39); er umfasst auch die Kosten eines erfolglosen Prozesses gegen den Vertretenen (Düsseldorf NJW 1992, 1176, 1177). Ersatzfähig ist der Vertrauensschaden auch iÜ nur bis zur Höhe des Erfüllungsinteresses (s auch § 122 Rn 5ff). 16

c) Für den Ersatzanspruch aus Abs II gilt die Verjährungsfrist, die für den vertraglichen Erfüllungsanspruch gegolten hätte; die Frist beginnt mit der Verweigerung der Genehmigung zu laufen (BGH NJW 1979, 1162 zu dem bis 31.12.2001 geltenden Recht), nach § 199 nF also mit dem darauf folgenden Jahresende.

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d) Abs II ist dispositiv. Der Vertreter kann auch eine von seinem Kenntnisstand unabhängige Garantiehaftung mit den Rechtsfolgen des Abs I übernehmen. Dazu ist jedoch eine unzweideutige Gewährübernahme erforderlich (Soergel/Leptien Rn 18; Staud/Schilken Rn 3, 18). Durch AGB kann dem Vertreter eine über § 179 II hinausgehende Haftung nicht auferlegt werden (§ 309 Nr 11).

18

4. Ausschluss der Haftung. a) Nach Abs III S 1 haftet der Vertreter nicht, wenn der Geschäftsgegner das Fehlen der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste, also infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 122 II). Auch leichte Fahrlässigkeit genügt. Jedoch darf der Geschäftsgegner idR der ausdr oder schlüssigen Behauptung der Vertretungsmacht glauben und braucht keine Nachforschungen anzustellen (BGH 105, 283, 285f; 147, 381, 385; MüKo/Schramm Rn 41; Soergel/Leptien Rn 19). Mit der Annahme fahrlässiger Unkenntnis ist die Rspr sehr zurückhaltend. Verneint wurde Fahrlässigkeit etwa in RG 104, 191 und BGH 147, 381 (beide zum Vertretungsmangel des Bürgermeisters/Gemeindevorstehers mangels Einhaltung der öffentlich-rechtl vorgegebenen Form); BGH 105, 283 (Vertreter für noch zu werbende Bauherren nach dem Bauherrenmodell); BGH NJW 1990, 387 (Vertretung einer GmbH durch einen Gesellschafter für die Gesellschafterversammlung); BGH NJWRR 2005, 268 (Vertretung der GmbH iL durch frühreren Geschäftsführer nach Eintragung und Bek der Liquidation und des Liquidators); BGH NJW 2000, 1407 (Vertretung durch Krankenhausleiter bei Abschluss von Mietverträgen für Krankenschwestern); s auch Düsseldorf NJW-RR 1995, 113; Fahrlässigkeit wurde bejaht von BGH NZG 2005, 276 (Aufsichtsrat muss Vertretungsregelung des § 112 AktG kennen); Saarbrücken NJW-RR 2001, 453 (Bauleiter vertritt vollmachtlos den Bauherrn bei Vereinbarung wesentlicher Vertragsänderung). Höhere Anforderungen gelten für eine Bank als Geschäftsgegner (RG JW 1934, 326f; HRR 1935 Nr 104). Verspricht ein vollmachtloser Vertreter, „seine Vollmacht nachzureichen“, so kann der Vertragsgegner regelmäßig darauf vertrauen, dass dem Vertreter schon mündlich Vollmacht erteilt worden ist (Celle DNotZ 1977, 33). Wenn die Haftung nach Abs III S 1 ausgeschlossen ist, kann dem Geschäftsgegner auch kein nach § 254 gekürzter Anspruch aus cic/§ 311 III gegen den Vertreter zugesprochen werden (ebenso Soergel/Leptien Rn 19; RGRK/Steffen Rn 8; aM Larenz/Wolf § 49 Rn 36; s auch Rn 22). Handelt der Vertreter unter Vorbehalt der Genehmigung für eine nicht existierende Person oder Gesellschaft, so ist seine Haftung auch dann ausgeschlossen, wenn der Vertragspartner nicht weiß, dass er vollmachtlos handelt, auch wenn ihm nicht bekannt ist, dass der Vertretene nicht existiert (BGH 178, 307). Auch wenn der Geschäftsgegner weiß, dass der Vertretene noch nicht existiert oder eine Vertretungsmacht nicht besteht, haftet der Vertreter aber, wenn er nach den Umständen das Risiko der Entstehung des Vertretenen (BGH 63, 45, 49f zur Vertretung einer noch nicht enstandenen GmbH & Co. KG durch ihren Gründer) oder seiner Genehmigung (BGH 105, 283, 285ff zur Vertretung noch zu werbender Bauherren im Bauherrenmodell) übernimmt.

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b) Nach Abs III S 2 ist der minderjährige Vertreter grds von der Haftung ausgenommen. Er haftet nur, wenn sein gesetzlicher Vertreter dem vollmachtlosen Handeln zugestimmt hat. Ist der Vertreter geschäftsunfähig, so beruht die Nichtigkeit des Vetrags nicht auf einem Vertretungsmangel (§ 165 Rn 5). Ein minderjähriger Vertreter, der ohne Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters als unbefugter Vertreter aufgetreten ist, haftet dem Geschäftsgegner nur nach Deliktsrecht. Ansprüche aus cic/§ 311 III sind ebenfalls ausgeschlossen (MüKo/Schramm Rn 44; Soergel/Leptien Rn 20). Eingehend zu der Bestimmung v Venrooy, Zur Dogmatik von § 179 III S 2, AcP 181, 220.

20

c) Auf das negative Interesse haftet der Vertreter auch, wenn der Mangel der Vertretungsmacht außerhalb der Erkenntnis- und Beurteilungsmöglichkeit des Vertreters liegt (aM Flume § 47, 3 [c]; wohl auch Soergel/Leptien Rn 18). In den in Betracht kommenden Fällen (zB Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgeberes oder Anfechtung der Innenvollmacht (dazu § 167 Rn 46) steht der Vertreter dem Risiko immer noch näher als der Geschäftsgegner (Staud/Schilken Rn 17; Larenz/Wolf AT § 49 Rn 24; Medicus Rn AT Rn 994; MüKo/Schramm Rn 4). Eine Zuweisung des Risikos zw Vertreter und Geschäftsgegner danach, wer den Mangel leichter erkennen kann (so AnwK/Ackermann Rn 24), ist mit den Prinzipien des § 179 nicht vereinbar.

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Beruht der Mangel gesetzlicher Vertretungsmacht jedoch auf der Verfassungswidrigkeit des sie vermeintlich begründenden Gesetzes, so ist eine Ausnahme gerechtfertigt (BGH 39, 45, 51 zur Verfassungswidrigkeit des Alleinvertretungsrechts des Vaters nach § 1629 aF). Der BGH begründet die Entscheidung damit, dass dem Geschäftsgegner ggü keine Vertretungsmacht behauptet, sondern nur die sie vermeintlich begründenden Umstände offen gelegt worden seien. Sofern dies nicht in einer Weise geschieht, dass der Geschäftsgegner den Mangel der Vertretungsmacht kennen muss oder der Vertreter seine Einstandspflicht für die Vertretungsmacht ausdr oder konkludent ausschließt, kann in einer solchen Fallgestaltung kein weiterer Grund für den Haftungsausschluss gesehen werden (MüKo/Schramm Rn 6f; Medicus Rn 995; Pal/Ellenberger Rn 2; aM K. Müller AcP 168, 140; RGRK/ Steffen Rn 7; i Erg wohl wie hier Soergel/Leptien Rn 2; Staud/Schilken Rn 18; BaRo/Habermeier Rn 29). Ansprüche gegen den Vertreter sind dagegen ausgeschlossen, wenn dieser selbst auf mögliche Mängel seiner Vertretungsmacht hingewiesen hat (MüKo/Schramm Rn 5ff). Hier hat der Geschäftsgegner bei Vertragsschluss das Risiko eines Vertretungsmangels bewusst in Kauf genommen. 538

G. Maier-Reimer

Vertretung und Vollmacht

§ 179

Er bedarf deshalb keines Schutzes (meist wird schon Abs III S 1 eingreifen). Mit dem Mangel gesetzlicher Vertretungsmacht aufgrund Verfassungswidrigkeit des zugrunde liegenden Gesetzes ist eine nach Rechtsprechungswechsel anzunehmene Nichtigkeit einer umfassenden Vollmacht aufgrund von Art 1 § 1 RBerG (jetzt § 3 RDG) nicht vergleichbar (aM Dorka/Losert DStR 2005, 245). Schließlich kann ein Anspruch ausgeschlossen sein, wenn trotz der Verweigerung der Genehmi- 22 gung zw Geschäftsgegner und Vertretenem ein Rechtszustand (rechtskräftiger Titel) besteht, der nur bei bestehender Vertretungsmacht herbeigeführt werden kann (Hamm BauR 2004, 1472, 1473). 5. Entspr Anwendung des § 179. § 179 ist entspr anwendbar, wenn ein Vertrag für eine nicht (mehr) 23 existierende Person abgeschlossen wurde (Staud/Schilken Rn 22; BGH 178, 307 Rn 10; AG Hamburg NJW-RR 1996, 1060 – gelöschte GmbH; BAG NJW 2007, 1378 und Köln NJW-RR 1997, 670 – nicht bestehendes Unternehmen eines bestimmten Namens) oder die Person zwar existiert, aber nicht fähig ist, Vertragspartei des geschlossenen Vertrags zu werden (RG 106, 68, 73; Flume § 47, 3a; Soergel/ Leptien Rn 9f). Der Vertreter kann ferner analog § 179 in Anspruch genommen werden, wenn er einen Vertrag für einen anderen geschlossen hat, dessen Benennung später erfolgen sollte, der Vertreter aber den Vertretenen nicht namhaft macht (Köln NJW-RR 1991, 918; MüKo/Schramm § 164 Rn 20; Soergel/Leptien vor § 164 Rn 28; s auch BGH 129, 136, 149ff = NJW 1995, 1739, 1742 m Anm Altmeppen – treuwidrige Abstimmung in der Hauptversammlung einer AG mit Stimmrechtsvollmacht ohne Benennung der Aktionäre). Analog anwendbar ist § 179 grds auch bei einem Handeln für eine noch nicht entstandene Personenhandelsgesellschaft (BGH 63, 45, 48) oder eine noch nicht errichtete Kapitalgesellschaft (BGH 91, 148; Köln NJW-RR 1995, 1503). Der Vertreter haftet in diesen Fällen auch dann, wenn der andere Teil weiß, dass die Gesellschaft noch nicht besteht (BGH 63, 45, 49; aA K. Schmidt NJW 1975, 665, 667). Handelt der Vertreter für eine errichtete, aber mangels Eintragung im Handelsregister noch nicht entstandene Kapitalgesellschaft, sog Vorgesellschaft, gelten die (die §§ 11 GmbHG, 41 AktG weitgehend überlagernden) Grundsätze zur Vorgesellschaft; s dazu die Kommentierungen zu §§ 11 GmbHG, 41 AktG. Keine Haftung aus § 179 analog tritt ein, wenn die vertretene Partei existiert und Vertretungsmacht erteilt hat, aber bei Vertragsschluss unrichtig (zB mit dem Namen einer nicht bestehenden Scheinfirma) bezeichnet wird (BGH NJW 1996, 1054 m Anm Altvater WiB 1996, 498). Zur Haftung des Geschäftsführers einer GmbH analog § 179 bei Nichtbeachtung von § 4 GmbHG s § 164 Rn 24 und Haas NJW 1997, 2855. Analog § 179 haften auch der unter fremdem Namen Handelnde (§ 164 Rn 11ff; zur Abgrenzung im 24 Zusammenhang mit Ansprüchen aus § 661a s auch BGH NJW-RR 2006, 701), wenn der wahre Namensträger den Vertrag nicht genehmigt, der Bote ohne Botenmacht (Oldenburg NJW 1978, 951; Staud/Schilken Rn 25) und derjenige, der kraft eines vermeintlichen Amtes (zB als Insolvenzverwalter oder Testamentsvollstrecker) bzw unter Vorspiegelung eines solchen Amtes ein Geschäft vorgenommen hat (RG SeuffA 87 Nr 105; Soergel/Leptien Rn 8). Zu § 179 analog beim Handeln namens eines inexistenten Strohmannes LG Stuttgart BB 1994, 815. 6. Konkurrenzfragen. § 179 verdrängt grds die Haftung aus cic/§ 311 III, soweit es um den Ersatz 25 des Schadens geht, der infolge des Vertretungsmangels beim Vertragsgegner eingetreten ist (ebenso MüKo/Schramm § 177 Rn 56; RGRK/Steffen Rn 18; Soergel/Leptien Rn 23; einschränkend Crezelius JuS 1977, 796ff; aA Flume § 47, 3a; Staud/Schilken Rn 20); insoweit geht § 179 als lex specialis vor. Anders dann, wenn die für die cic/§ 311 III erforderliche vorvertragliche Pflichtverletzung nicht in der (konkludenten) wahrheitswidrigen Behauptung der Vertretungsmacht liegt, sondern darin, dass der offen ohne Vertretungsmacht auftretende Vertreter beim Vertragsgegner schuldhaft den falschen Eindruck erweckt, der Vertretene werde mit Sicherheit die Genehmigung erteilen, und dadurch den anderen Teil zu nutzlosen Vermögensaufwendungen veranlasst (Köln JMBl NW 1971, 271; ähnlich Crezelius JuS 1977, 799). Eine Haftung aus cic kommt ferner in Betracht, wenn der Verhandlungsführer einer Vertragspartei nicht als Bevollmächtigter auftritt, aber doch persönliches Vertrauen in Anspruch nimmt (Bsp BGH NJW-RR 2006, 993). Soweit es um andere Schäden geht, die nicht durch das Fehlen der Vertretungsbefugnis hervorgerufen worden sind, steht § 179 einer Haftung aus cic nicht entgegen (MüKo/Schramm § 177 Rn 57; RGRK/Steffen Rn 18). Keinen Einfluss hat § 179 auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung (RGRK/Steffen Rn 18; Soergel/Leptien Rn 22; aA MüKo/ Schramm § 177 Rn 56). Auch die Haftungsbeschränkungen des § 179 II, III sind auf deliktische Ansprüche nicht entspr anwendbar (Soergel/Leptien Rn 22). Nebeneinander bestehen können Ansprüche aus § 179 und Ansprüche gegen den Vertretenen aus 26 Geschäftsführung ohne Auftrag (BGH NJW-RR 1989, 970; 2004, 81 m krit Anm Oechsler LMK 2004, 19; s dazu auch Wendlandt NJW 2004, 985) oder aus ungerechtfertigter Bereicherung (BGH 36, 30, 35; NJW 2001, 3184, 3185; Celle BauR 2000, 289). Im Einzelfall kann der Geschäftsgegner auch den Vertretenen aus cic/§ 311 II in Anspruch nehmen 27 (§ 177 Rn 26). Zur Haftung von Gebietskörperschaften wegen Verschuldens beim Vertragsschluss ohne Zustimmung der Aufsichtsbehörde BGH NVwZ 2001, 116; LM § 276 (Fa) Nr 159 m Anm Hager; s auch BGH 147, 381, 391ff. 7. Beweislast. a) Klagt der Vertragsgegner gegen den Vertreter auf Erfüllung oder Schadensersatz 28 wegen Nichterfüllung (§ 179 I), dann muss er behaupten und beweisen, dass dieser in fremdem Namen ohne Vertretungsmacht mit ihm einen Vertrag geschlossen und der Vertretene die Genehmigung verweigert hat oder die Genehmigung gem § 177 II S 2 als verweigert gilt. Bei Ungewissheit über die Person des Vertragspartners kann es sich für den Vertragsgegner empfehlen, den ihm ggü Handelnden (aus Vertrag oder § 179) zu verklagen und etwaigen weiteren Personen, die als Vertragspartner in Betracht kommen könnten, den Streit zu verkünden (Bsp BGH NJW-RR 2005, 1585; s auch G. Maier-Reimer

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§ 179

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

BGH 85, 252). – Wenn eine Partei eines (ggf wegen Fehlens der Vertretungsmacht unwirksamen) Arbeitsvertrags einen Vertreter ohne Vertretungsmacht gem § 179 auf Erfüllung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis oder auf Schadensersatz in Anspruch nimmt, ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben (BAG 106, 10). 29

b) Der verklagte Vertreter erreicht eine Abweisung der Klage, wenn er eine der folgenden Voraussetzungen behauptet und beweist: aa) Er war vertretungsberechtigt (Düsseldorf NJW 1992, 1176); dies mus er trotz des abw Wortlauts auch nach Art 8 WG beweisen (s aber BGH 99, 52). Dabei genügt es, wenn er die Erteilung der Vollmacht durch den Vertretenen beweist; Sache des Klägers ist es, ein etwaiges Erlöschen der Vollmacht zu beweisen. bb) Der Kläger kannte den Mangel der Vertretungsmacht oder musste ihn kennen. cc) Der Vertreter war beschränkt geschäftsfähig; die Beweislast für die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters trägt wiederum der Kläger. Der Vertreter trägt die Beweislast für seine Unkenntnis des Mangels (§ 179 II).

180

Einseitiges Rechtsgeschäft Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft ist Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig. Hat jedoch derjenige, welchem gegenüber ein solches Rechtsgeschäft vorzunehmen war, die von dem Vertreter behauptete Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts nicht beanstandet oder ist er damit einverstanden gewesen, dass der Vertreter ohne Vertretungsmacht handele, so finden die Vorschriften über Verträge entsprechende Anwendung. Das Gleiche gilt, wenn ein einseitiges Rechtsgeschäft gegenüber einem Vertreter ohne Vertretungsmacht mit dessen Einverständnis vorgenommen wird.

1

1. Bedeutung. An einem einseitigen Rechtsgeschäft wirkt dessen Adressat nicht aktiv mit. Deshalb ist er besonders schutzbedürftig (s auch § 174 Rn 1). Daher ist nach Satz 1 die Vertretung ohne Vertretungsmacht bei einseitigen Rechtsgeschäften grds unzulässig. Soweit es bei dieser Unzulässigkeit verbleibt, kommt auch eine Haftung des Vertreters aus § 179 nicht in Betracht (s jedoch Rn 11). Er kann nur aus Delikt oder ggf cic haften (MüKo/Schramm Rn 1; Soergel/Leptien Rn 1). Von dem Grundsatz macht Satz 2 bedeutsame Ausnahmen für empfangsbedürftige Willenserklärungen, die bei der Aktivvertretung daran anknüpfen, dass der Adressat seine Rechte aus § 174 nicht wahrnimmt oder bewusst mit dem vollmachtlosen Verhalten einverstanden ist.

2

2. Anwendungsbereich. a) Die Vorschrift gilt insgesamt für einseitige Rechtsgeschäfte. Für einseitige geschäftsähnliche Handlungen (Einl § 104 Rn 7) gilt sie entspr (BGH NJW 2006, 687 für die Mahnung). Sie ist insgesamt nicht anwendbar auf Prozesshandlungen einschl der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung (Staud/Schilken Rn 13; MüKo/Schramm Rn 5; Soergel/Leptien Rn 7).

3

b) Die Ausnahme des Satzes 2 gilt nur für empfangsebedürftige Willenserklärungen. Die Abgrenzung ist str. aa) Sie gilt jedenfalls nicht für streng einseitige Rechtsgeschäfte (Einl § 104 Rn 15) wie Auslobung (§ 657), Eigentumsaufgabe (§ 959). Mangels eines Erklärungsadressaten gilt sie auch nicht für die Einmanngründung einer GmbH (LG Berlin GmbHR 1996, 123; Ulmer/Ulmer GmbHG § 2 Rn 27a), dagegen gilt sie für die vollmachtlose Vertretung des Alleingesellschafters bei Gesellschafterbeschlüssen, weil die Stimmen in diesem Fall ggü der Gesellschaft abgegeben und für diese von dem Vertreter angenommen werden (LG Hamburg GmbHR 1998, 987; Frankfurt GmbHR 2003, 415).

4

bb) Bei amtsempfangsbedürftigen einseitigen Rechtsgeschäften ist zu differenzieren. Wenn sie sowohl ggü einer Behörde, als auch ggü einem Dritten abgegeben werden können (Bsp §§ 875 I S 2, 876 S 3, 880 II S 3, 1168 II S 1, 1183 S 2), ist die Ausnahme des Satzes 2 anwendbar, wenn die Erklärung tatsächlich ggü einem Dritten abgegeben wird, und nicht anwendbar, wenn sie ggü der Behörde abgegeben wird, weil die Behörde nicht als befugt angesehen werden kann, über die mitbetroffenen Rechte anderer Beteiligter zu disponieren (insoweit hM; Soergel/Leptien Rn 3; MüKo/Schramm Rn 4; Staud/Schilken Rn 11). Kann die Erklärung nur ggü der Behörde abgegeben werden, so ist nach hM die Ausnahme ebenfalls nicht anwendbar (Soergel/Leptien Rn 3f; Staud/Schilken Rn 11). Wenn jedoch die Behörde die einzige mögliche Adressatin ist, besteht kein hinreichender Grund, weshalb die Möglichkeit des Satzes 2 nicht eingreifen sollte (ebenso MüKo/Schramm Rn 4). Die hM vermeidet einige der sich aus ihr ergebenden Konsequenzen dadurch, dass sie nicht auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts, sondern auf dessen Einreichung bei der Behörde abstellt, weil erst damit die Erklärung abgeschlossen sei (Soergel/Leptien Rn 3; zu der vergleichbaren Bestimmung des § 1831 s dort Rn 3), oder die Erklärung wie die vollmachtlose Eintragungsbewilligung trotz § 875 (dazu BGH 77, 7, 9) als reine Verfahrenshandlung gewertet wird, für die § 180 nicht gilt (Demharter, GBO, § 19 Rn 74 mwN). Wenn die Erklärung einer materiellen Ausschlussfrist unterliegt, besteht kein Grund, die noch innerhalb der Frist erklärte Genehmigung nicht genügen zu lassen (so zur Erbausschlagung durch den gesetzlichen Vertreter (§ 1831) RG 118, 147 sowie § 1831 Rn 3 mwN). Satz 2 soll auch nicht gelten für die vollmachtlose Wahrung tarifvertraglicher Ausschlussfristen (BAG NJW 2003, 236, 237), wobei allerdings unklar bleibt, ob das nur für den Fall gemeint ist, dass die Genehmigung nach Ablauf der Frist erklärt wird (dazu unten Rn 9).

5

3. Ausnahme bei aktiver Stellvertretung (Satz 2). Mit den genannten Einschränkungen (Rn 3, 4) können auch einseitige emfpangsbedürftige Rechtsgeschäfte schwebend unwirksam sein. Das gilt auch für eine außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund (BAG AP BGB § 180 Nr 1; Düsseldorf NJOZ 2006, 4058, mwN; abw Einzelmeinung: Celle ZMR 1999, 237).

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G. Maier-Reimer

Vertretung und Vollmacht

§ 180

a) Voraussetzungen. Für die schwebende Unwirksamkeit muss eine der beiden folgenden Voraus- 6 setzungen erfüllt sein: aa) Der Adressat beanstandet die behauptete Vertretungsmacht nicht. Die Behauptung der Vertretungsmacht kann ausdr oder konkludent erfolgen. Nicht erforderlich ist, dass der Vertreter erkennen lässt, worauf seine Vertretungsmacht beruht (MüKo/Schramm Rn 11; aM Soergel/Leptien Rn 9). Regelmäßig liegt im Auftreten als Vertreter die konkludente Behauptung der Vertretungsmacht. Vorausgesetzt ist ferner, dass der Adressat den Vertretungsmangel nicht kennt; andernfalls kommt nur die 2. Alt (Rn 7) in Betracht (Staud/Schilken Rn 6). Beanstandung bedeutet dasselbe wie die Zurückweisung iSv § 174; in ihr muss der Erklärungsgegner zu erkennen geben, dass er das Geschäft gerade wegen des Zweifels an der Vertretungsmacht nicht gelten lassen will. Eine Zurückweisung aus anderen Gründen ist keine Beanstandung iSd Satzes 2 (BGH BB 1969, 293; s auch § 174 Rn 10). Nach dem Wortlaut muss die Beanstandung „bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts“ erfolgen, das scheint zeitlich enger zu sein als die „unverzügliche“ Zurückweisung iSv § 174. Ist das Rechtsgeschäft unter Abwesenden vorgenommen, kommt ohnehin nur eine unverzügliche Zurückweisung in Betracht. Aber auch wenn die Erkärung unter Anwesenden abgegeben war, genügt die unverzügliche Zurückweisung – denn der Adressat kann sie gem § 174 noch „unverzüglich“ mit derselben Folge zurückweisen. I Erg genügt deshalb immer die unverzügliche Beanstandung (ebenso Soergel/Leptien Rn 9; Pal/Ellenberger Rn 1; aM mit Differenzierung für Erklärungen zw Anwesenden und zw Abwesenden MüKo/Schramm Rn 9). bb) Der Erklärungsempfänger ist mit dem Handeln ohne Vertretungsmacht einverstanden. Das 7 setzt voraus, dass der Erklärungsempfänger den Mangel der Vertretungsmacht kennt oder ihn zumindest für möglich hält; fahrlässige Unkenntnis reicht nicht. Die Erklärung des Einverständnisses kann ausdr oder konkludent erfolgen. Bloßes Schweigen des Erklärungsempfängers in Kenntnis des Fehlens der Vertretungsmacht genügt jedoch idR nicht (MüKo/Schramm Rn 10; Soergel/Leptien Rn 10; Staud/Schilken Rn 4). Das Einverständnis kann innerhalb desselben Zeitrahmens erklärt werden, in welchem eine Beanstandung noch möglich wäre, also auch unverzüglich nach Vornahme des Rechtsgeschäfts (ebenso Soergel/Leptien Rn 10; wie bezgl der Beanstandung aM MüKo/Schramm Rn 10). b) Rechtsfolgen. Hat der Erklärungsgegner die vom Vertreter behauptete Vertretungsmacht nicht 8 beanstandet oder sein Einverständnis zum Handeln ohne Vertretungsmacht erteilt, so gelten die Vorschriften über Verträge, also die §§ 177–179, entspr. Das Rechtsgeschäft ist schwebend unwirksam und wird durch Genehmigung des Vertretenen wirksam. aa) Die Genehmigung hat Rückwirkung (§ 184; RG 66, 430, 432; Düsseldorf NJOZ 2006, 4058, 4060; 9 Staud/Gursky § 184 Rn 32; MüKo/Schramm § 184 Rn 13). Sollte mit dem Rechtsgeschäft eine Ausschlussfrist gewahrt werden, so entspricht es dem Sinn der Befristung, dass die Genehmigung innerhalb der Frist erklärt werden muss (BGH 32, 375, 382; BAG NJW 1987, 1038; NZA 1987, 635 für die fristlose Kündigung gem § 626; anders BGH NJW 2010, 2950 für die Frist gem § 651g I). Ob generell die Genehmigung innerhalb der Frist erfolgen muss (so die hM; MüKo/Schramm Rn 12; Soergel/Leptien Rn 12; Staud/Schilken Rn 6), erscheint zweifelhaft. Es sollte wie bei § 177 auf den Zweck der Frist ankommen (§ 177 Rn 21). Das Interesse an klaren Rechtsverhältnissen wird durch eine Fristgebundenheit der Genehmigungserklärung nicht gefördert, wenn der andere Teil den Mangel der Vertretungsmacht nicht kennt. Ist ihm bspw von einem vollmachtlosen Vertreter ordentlich gekündigt worden, so mag er sich auf die Kündigung eingestellt haben; mit der Versagung der Rückwirkung (also mit der Unwirksamkeit der termingebundenen Kündigung) ist ihm uU nicht geholfen (zu einem Sonderfall der ordentlichen vollmachtlosen Kündigung s BAG AP § 184 Nr 3; s auch MüKo/Schramm Rn 12). Kennt der andere Teil den Vertretungsmangel, so kann er sich durch Aufforderung gem § 177 II Klarheit verschaffen. bb) Die entspr Geltung des § 178 bedeutet: Wenn der Adressat den Mangel der Vertretungsmacht 10 nicht kannte, kann er „widerrufen“, dh in diesem Fall das einseitige Rechtsgeschäft bis zur Genehmigung zurückweisen. War der Adressat mit dem Handeln ohne Vertretungsmacht einverstanden (Rn 7), so ist § 178 nicht anwendbar, weil er den Vertretungsmangel kannte (Staud/Schilken Rn 5). cc) Wird die Genehmigung verweigert oder gilt sie gem § 177 II S 2 als verweigert, so haftet der Ver- 11 treter gem § 179, jedoch nur bei der ersten Alt des § 180 S 2; war er mit dem Handeln ohne Vertretungsmacht einverstanden, so entfällt eine Haftung des Vertreters gem § 179 III. Ein Erfüllungsanspruch gegen den Vertreter kommt in den Fällen des § 180 S 2 nicht in Betracht, sodass sich die Haftung auf Schadensersatz beschränkt. 4. Ausnahme bei passiver Stellvertretung (Satz 3). Das ggü einem Vertreter ohne Vertretungs- 12 macht vorgenommene einseitige Rechtsgeschäft ist schwebend unwirksam, wenn der Empfangsvertreter sein Einverständnis dazu erteilt, dass die Erklärung ihm ggü abgegeben wird. Der Vertreter braucht keine Kenntnis vom Fehlen seiner Vertretungsmacht zu haben. Er kann sein Einverständnis ausdr oder konkludent erteilen; erforderlich ist jedoch, dass er erkennbar zur Entgegennahme der Willenserklärung bereit ist. Dafür genügt es idR, dass sich der Empfänger als Vertreter bezeichnet. Die Rechtsfolgen ergeben sich auch hier aus einer entspr Anwendung der §§ 177–179: Die Wirksamkeit des Geschäfts hängt von der Genehmigung durch den Vertretenen ab. Entspr § 177 II kann der Erklärende den Vertretenen zur Erklärung über die Genehmigung auffordern. Ein Widerrufsrecht hat der Erklärende nur, wenn er den Mangel der Vertretungsmacht nicht kennt (§ 178). Ein Schadensersatzanspruch des Erklärenden gegen den Vertreter bei Verweigerung der Genehmigung entspr § 179 kommt nur in Betracht, wenn der Vertreter sich als solcher aufgeführt hat. Auch wenn der Vertretene die Genehmigung verweigert, kann die Erkärung ihm ggü wirksam werden, wenn sie ihm nämlich von dem Empfänger (als Boten des Erklärenden) weitergeleitet wird (Staud/Schilken Rn 9). G. Maier-Reimer

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§ 180 13

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

5. Beweislast. Wer sich auf die Wirksamkeit des einseitigen Rechtsgeschäfts beruft, muss die Vertretungsmacht des Vertreters beweisen. Gelingt der Beweis nicht, ist das einseitige Rechtsgeschäft nach der Regel des Satzes 1 als nichtig anzusehen. Wer sich demgegenüber auf einen der Ausnahmetatbestände (Sätze 2 oder 3) beruft, ist für alle dort genannten Voraussetzungen beweispflichtig (zT aA RGRK/Steffen Rn 7).

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Insichgeschäft Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. Schrifttum: Baetzgen, Insichgeschäfte im Gesellschaftsrecht, RNotZ 2005, 193; U. Hübner, Interessenkonflikt und Vertretungsmacht, 1977; Jäger, Teleologische Reduktion des § 181, 1999; S. Tiedtke, Teleologische Reduktion und analoge Anwendung des § 181 BGB, 2002. 1. 2. 3. 4. 5.

Bedeutung . . . . . . Erkennbarkeit . . . . Anwendungsbereich Voraussetzungen . . Einzelfälle . . . . . .

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1 3 4 7 10

6. 7. 8. 9. 10.

Einschränkende Auslegung des § 181 Gestattung . . . . . . . . . . . . . . Erfüllung einer Verbindlichkeit . . . Folgen des Insichgeschäfts . . . . . Beweislast . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Bedeutung. Die Vertretungsmacht des Vertreters umfasst grds nicht die Vornahme von Insichgeschäften (= Rechtsgeschäfte, die eine Person ggü sich selbst vornimmt). § 181 kennt zwei Arten von Insichgeschäften, das Selbstkontrahieren und die Mehrvertretung. Beim Selbstkontrahieren nimmt ein Vertreter im Namen des Vertretenen mit sich selbst im eigenen Namen ein Rechtsgeschäft vor. Bei der Mehrvertretung nimmt ein Vertreter im Namen des Vertretenen mit sich im Namen eines Dritten ein Rechtsgeschäft vor. Das Insichgeschäft wirft drei grundlegend verschiedene Fragen auf (eingehend Flume § 48, 1). Schon der Tatbestand eines Rechtsgeschäfts ist nur aufgrund ausdr Anerkennung durch § 181 gegeben (Flume § 48, 3). Fragen ergeben sich weiter hins des Erfordernisses einer Dokumentation oder Manifestation des Rechtsgeschäfts (dazu Rn 3). Schließlich liegt der in der Person des Vertreters bestehende Interessenkonflikt auf der Hand. Die ersten beiden Fragen regelt das Gesetz nicht ausdr (s aber zur Dokumentation § 35 III S 2 GmbHG). Das Problem des Interessenkonflikts regelt § 181 dahin, dass sich die Vertretungsmacht nicht auf Insichgeschäfte erstreckt, soweit diese nicht gestattet sind oder das Geschäft nur in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. § 181 begrenzt also die an sich bestehende Vertretungsmacht.

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Der gesetzgeberische Grund der Regelgung liegt in dem Interessenkonflikt. Ein konkreter Interessenkonflikt ist jedoch für den Tatbestand weder erforderlich, noch ausreichend (BGH 50, 8, 11). Daraus ergibt sich die Frage, ob dieser Grund jedenfalls bei der (teleologischen) Auslegung zu berücksichtigen ist. Das RG und die frühere Rspr des BGH knüpften die Anwendung der Vorschrift allein an die formalen Kriterien des Wortlauts (zB RG 103, 417, 418; 108, 405ff; 157, 31; BGH 21, 229; 33, 189; 50, 8, 11; 112, 339; NJW 1991, 982, 983; Flume § 48, 1 und 5). Diese Auslegung wird oft dahin zusammengefasst, sie verstehe § 181 als „rein formale Ordnungsvorschrift“, womit auch das Ziel der Erkennbarkeit von Rechtsgeschäften (Rn 1) den Anwendungsbereich bestimme (BGH 50, 7, 11; Staud/Schilken Rn 5; Soergel/Leptien Rn 4). Auch wenn der Tatbestand eines Insichgeschäfts ausschließlich nach formalen Kriterien beurteilt würde, wäre die Vorschrift damit keine „rein formale Ordnungsvorschrift“. Denn als solche müsste sie unabhängig davon eingreifen, ob der Vertretene die Insichvertretung gestattet hat. Die heute hM berücksichtigt das gesetzgeberische Motiv der Regelung des typischen Interessenkonfliktes, indem sie den Anwendungsbereich teleologisch dadurch reduziert, dass sie die Vorschriften nicht auf Fallgruppen anwendet, in denen bei abstrahierender Betrachtung ein Interessenkonflikt ausgeschlossen ist (Rn 22f). Dagegen bestehen auch unter Rechtssicherheitsaspekten keine Bedenken. Die Lit hat darüber hinaus seit langem – mit Unterschieden – auch eine extensive Auslegung oder analoge Anwendung der Vorschrift auf vergleichbare Konstellationen wegen eines Interessenkonflikts gefordert (Nachw bei Staud/Schilken Rn 6); den an dem Interessenkonflikt orientierten Zweck des § 181 betont auch BGH 50, 209, 215; 112, 339. Auch nach der überwiegenden Auffassung der Lit bedarf es aber neben dem – mindestens abstrakt indizierten – Interessenkonflikt der Personenidentität auf beiden Seiten (MüKo/Schramm Rn 35; Staud/Schilken Rn 7f, 34ff; weitergehend Tiedtke aaO, 37ff, 57ff; auch Erman/Palm12 Rn 2, 15ff). Es geht also darum, wann eine solche Personenidentität anzunehmen ist. Im Interesse der Rechtssicherheit sollte § 181 über seinen – richtig verstandenen – Wortlaut hinaus allenfalls aufgrund konkreter Analogie auf formalisierte, eindeutig abgrenzbare Fallgruppen angewandt werden. Die zunehmende Tendenz, die Grenzen des Tatbestands nach dem Kriterium der Interessenkollision zu bestimmen (s nur Auktor NZG 2006, 334; Baetzgen RNotZ 2005, 193; Lichtenberger MittBayNot 1999, 470; Vollhardt DNotZ 2000, 309, 310; Neumayer RNotZ 2001, 249, 265f) weicht ohne Not die Grenzen des Tatbestands in beide Richtungen mit der Folge einer sich ausweitenden Rechtsunsicherheit auf. Bei mehraktigen Sachverhalten (Untervollmacht, Ermächtigung, Gestattung, Genehmigung) ist nicht nach einer Interessenskollision zu fragen, sondern immer danach, ob der Handelnde durch § 181 an dem Abschluss des Geschäfts, so, wie es abgeschlossen wurde, gehindert wäre oder nicht (Rn 10ff, 27, 33f). § 181 ist nicht der einzige Schutz, den der Vertretene hat. Ihn schützen auch die Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht (§ 167 Rn 70ff).

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Vertretung und Vollmacht

§ 181

2. Erkennbarkeit. Auch wenn im Einzelfall das Insichgeschäft von der Vertretungsmacht gedeckt 3 ist oder nachträglich genehmigt wird (Rn 33f), kann es sich nicht allein im Willen des Vertreters abspielen, sondern der auf Vornahme des Geschäfts gerichtete Willen muss – anstelle der sonst erforderlichen Erklärung – sich äußerlich manifestieren. Das Geschäft muss deshalb nach außen erkennbar sein. Das gilt vor allem für Verfügungsgeschäfte (s etwa RG 63, 405; 99, 210; 121, 33; 139, 117; BGH NJW 1962, 587, 589; 1991, 1730 mwN; BFH WM 1968, 342). Bei Verpflichtungsgeschäften genügt es, dass sich die Vornahme aus späteren Maßnahmen ergibt (RG JW 1912, 236, 237; 1926, 2571, 2572); jedoch muss bei formbedürftigen Geschäften das Insichgeschäft aus der Urkunde zu entnehmen sein (Düsseldorf MDR 1977, 1018). Bei einem Insichgeschäft des Alleingesellschafters und Geschäftsführers einer GmbH mit dieser sind besonders strenge Anforderungen an die Erkennbarkeit des Geschäfts zu stellen; grds müssen sich der Zeitpunkt und der Inhalt des Geschäfts aus einer schriftlichen Aufzeichnung ergeben, zumindest ist aber eine ordnungsgemäße Verbuchung notwendig (BGH 75, 363; Düsseldorf GmbHR 1993, 583; Zweibrücken NJW-RR 1998, 1097). Die nach § 35 III S 2 GmbHG vorgeschriebene Dokumentation ist aber nicht Wirksamkeitsvoraussetzung (Scholz/ Schneider GmbHG § 35 Rn 31d). Zur Dokumentation von Rechtsgeschäften bei Mehrvertretung durch den Geschäftsführer mehrerer GmbH FG BW GmbHR 1994, 198. Ist den Anforderungen an die Erkennbarkeit genügt, dann gelten für die Auslegung die allg Grundsätze (§§ 133, 157); insb hat auch beim Insichgeschäft das „übereinstimmend“ Gewollte nach den Grundsätzen über die Unschädlichkeit der falsa demonstratio Vorrang vor dem Erklärten (BGH NJW 1991, 1730f). 3. Anwendungsbereich. a) Privatrecht. § 181 gilt für das ganze Zivilrecht. Die Vorschrift wird aber 4 teilw durch Spezialnormen verdrängt. Für öffentliche Versteigerungen gelten §§ 450ff (s auch BGH WM 1960, 1420). Bei Beschl einer Wohnungseigentümergemeinschaft, eines Vereins oder einer Kapitalgesellschaft gelten anders abgegrenzte Stimmrechtsverbote (§ 25 V WEG; § 34, §§ 136 I AktG; 47 IV GmbHG; 43 VI GenG). Kollisionsrechtlich ist § 181 Teil des sog Vollmachtstatuts. § 181 kommt daher dann und nur dann zur Anwendung, wenn sich die Vertretungsmacht nach deutschem Recht richtet. Er gilt deshalb nicht für die Organvertretung einer englischen Limited Liability Company, auch wenn diese mit einer Zweigniederlassung in einem deutschen Handelsregister eingetragen ist. Deshalb ist eine Befreiung des Organvertreters von den Beschränkungen des § 181 nicht eintragungsfähig (München NJW-RR 2005, 1486; Frankfurt GmbHR 2009, 214); zur Eintragung der Befreiung eines ständigen Zweigstellenvertreters gem § 13e II S 5 Nr 3 HGB s München NJW-RR 2006, 1042. b) Prozessrecht. Auf Prozesshandlungen ist § 181 nicht unmittelbar anzuwenden (BGH 41, 107); 5 doch gilt der Grundgedanke der Bestimmung auch im Prozess (Staud/Schilken Rn 27; Soergel/Leptien Rn 23) einschl der echten Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (BayObLG 1962, 2). Deshalb kann die Zustellung an den durch den Zustellenden vertretenen Gegner unwirksam sein (Celle OLGRp 2007, 644). Zur Anwendung auf die grundbuchrechtliche Eintragungsbewilligung Demharter GBO § 19 Rn 89 und LG Karlsruhe MitBay Not 2008, 382; s auch Rn 14. c) Öffentliches Recht. Auf Privatrechtsgeschäfte von Rechtssubjekten des öffentlichen Rechts so- 6 wie auf öffentlich-rechtl Verträge ist § 181 erg anzuwenden, soweit das öffentliche Recht keine eigene Regelung enthält, § 62 VwVfG (Soergel/Leptien Rn 24 mwN; noch zur Rechtslage vor dem VwVfG Alscher NJW 1972, 803). 4. Voraussetzungen. a) Es muss ein Rechtsgeschäft vorliegen. Dabei kann es sich um einen (schuld- 7 rechtlichen oder dinglichen) Vertrag oder ein einseitiges Rechtsgeschäft handeln, soweit dieses eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist (BGH NJW-RR 1991, 1730). Bei einem streng einseitigen Rechtsgeschäft (Einl § 104 Rn 15) fehlt es an einer „Gegenseite“ und kann deshalb der Tatbestand nicht erfüllt sein. Auch familien- und erbrechtliche Geschäfte kommen in Betracht (RG 79, 283; BGH 50, 10; Hamm MittBayNot 1994, 53 m Anm Reimann zum Testamentsvollstrecker, der zugleich gesetzlicher Vertreter von Erben ist; zur Erbausschlagung Coing NJW 1985, 6, 9 und Buchholz NJW 1993, 1161). Schließlich gilt § 181 auch für wechselrechtliche Geschäfte (BGH WM 1978, 1002; Tiedtke BB 1976, 1535, 1536; s aber Dittmann NJW 1959, 1957); Einlösung und Einziehung von Wertpapieren durch dieselbe Bank ist regelmäßig ein Insichgeschäft (BGH 26, 167, 171). Für geschäftsähnliche Handlungen gelten nach hM die Vorschriften über Willenserklärungen (BGH 47, 357), deshalb auch § 181 (Staud/Schilken Rn 14). b) Das Geschäft muss durch einen Vertreter vorgenommen werden; es mag sich um einen rechts- 8 geschäftlichen, um einen gesetzlichen oder um einen organschaftlichen Vertreter (RG 71, 162, 163; BGH 33, 189, 190) handeln. Deshalb kann ein Vormund nicht für mehrere Mündel etwa einen Erbauseinandersetzungsvertrag schließen, und zwar auch dann nicht, wenn das FamG den Vertrag gestattet (RG 71, 162). Auch die Vertretungsorgane einer jur Pers fallen, ob man sie als gesetzliche Vertreter ansieht oder nicht, unter § 181 (BGH 33, 190; 56, 101). Schließlich ist die Vorschrift auf die Verwalter fremden Vermögens (jedenfalls entspr) anwendbar (zB Testamentsvollstrecker, BGH 30, 67, 69; 51, 209, 215, dazu v. Lübtow JZ 1960, 151), Nachlassverwalter, Insolvenzverwalter (BGH NJW 1991, 982, 983). c) Der Vertreter muss auch auf der anderen Seite an dem Rechtsgeschäft beteiligt sein. Das ist der 9 Fall, wenn er auf der anderen Seite das Geschäft vornimmt, sei es im eigenen Namen (Selbstkontrahieren) oder als Vertreter eines Dritten (Mehrfachvertretung), oder wenn er selbst die Gegenseite ist. Der Wortlaut „mit sich im eigenen Namen…vornimmt“ legt zwar nahe, dass der Vertreter auch für sich selbst handeln müsse (so MüKo/Schramm Rn 11). Zwingend ist dies nicht; es genügt ein Rechtsgeschäft „mit sich“ (Soergel/Leptien Rn 12, 29; Staud/Schilken Rn 36; Flume § 48, 4). Sog wirtschaftliche Identität genügt nicht (BGH NJW 1991, 982 zum Vertrag zw Konkursverwalter und einer ihm zu 100 % gehörenden GmbH). Die Vorschrift greift jedoch nicht ein, wenn jemand auf derselben Seite G. Maier-Reimer

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§ 181

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Rechtsgeschäfte

des Rechtsgeschäfts für sich und einen anderen oder als Vertreter mehrerer Personen auftritt (RG 127, 105; BGH 50, 8, 10), indem er etwa als Vertreter zweier Käufer mit dem Verkäufer einen Kaufvertrag schließt oder als Vertreter des als Gläubiger und des als Schuldner beteiligten Konzernunternehmens mit einem Dritten eine Konzernverrechnung vereinbart (BGH 94, 132) oder als Verwalter zu der von ihm selbst als WE vorgenommenen Wohnungsveräußerung seine Zustimmung gibt (Düsseldorf NJW 1985, 390). Dasselbe kann bei Veräußerung von Nachlassgegenständen durch einen Miterben, zugleich als Vertreter eines anderen Miterben, an einen Dritten gelten (BayObLG NJW-RR 1995, 1032; Frankfurt NJW-RR 2007, 1308), nicht aber, wenn dies mit einer (Teil-)Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft verbunden ist (RG 93, 334). Werden an Minderjährige gleichzeitig Anteile an einer KG abgetreten, so können sie durch denselben Ergänzungspfleger vertreten werden, nicht aber, wenn sie durch Aufnahmevertrag in die Gesellschaft aufgenommen werden (München NZG 2010, 862; Maier-Reimer/Marx NJW 2005, 3025, 3027). 10

5. Einzelfälle. Die Abgrenzung von Fällen, bei denen die Voraussetzungen des Insichgeschäfts vorliegen, ist im Einzelnen str. Diese Voraussetzungen liegen immer vor, wenn der Vertreter auf beiden Seiten an der Vornahme des Geschäfts beteiligt ist, dh bei zweiseitigen Rechtsgeschäften auf beiden Seiten abschließt, bei einseitigen Rechtsgeschäften sowohl Erklärender als auch Erklärungsempfänger ist. Jenseits dieser Fälle genügt es aber auch, wenn er den Vertretenen in einem Geschäft vertritt, das materiell ein Geschäft zw dem Vertretenen und dem Vertreter ist. Ob das der Fall ist, ist nicht aus § 181 zu beurteilen, sondern nach den Charakteristika des jeweiligen Rechtsgeschäfts aufgrund der für es selbst geltenden Vorschriften.

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a) Untervertreter/Eigenvertreter. Bestellt der Vertreter einen Untervertreter und nimmt er das Geschäft mit diesem vor, so hielt das RG den § 181 mangels Personenidentität für nicht anwendbar (RG 108, 405). Nach heute hM ist die Vorschrift wegen Umgehung oder unter Betonung des Gesichtspunkts der Interessenkollision analog anwendbar (MüKo/Schramm Rn 24; Staud/Schilken Rn 36; ausf Harder AcP 170, 295ff). In diesen Fällen bedarf es jedoch einer Erweiterung des § 181 nicht: Wenn der Vertreter das Geschäft wegen § 181 nicht selbst abschließen kann, kann er dafür auch keine Untervollmacht erteilen (MüKo/Schramm Rn 24; Soergel/Leptien Rn 29; KG NJW-RR 1999, 168; im Ausgangspunkt auch BGH 64, 72, 75ff; s auch § 167 Rn 64). Mit einer Untervollmacht in diesem Sinne ist jedoch eine von dem Vertreter (Organvertreter) erteilte Prokura nicht vergleichbar. Wegen ihres typisierten und unbeschränkbaren Inhalts (§§ 49, 50 HGB) gilt sie auch für Geschäfte mit dem – dem Verbot des § 181 unterliegenden – Geschäftsführer, der sie erteilt hat (BGH 91, 334, 336; Soergel/Leptien Rn 29). Bestellt der Vertreter seinerseits für sich selbst einen Vertreter, mit dem er dann namens des Vertretenen abschließt, so ist § 181 unmittelbar einschlägig, da es sich um ein Geschäft zw dem Vertretenen und dem Vertreter handelt (Flume § 48, 4; Soergel/Leptien Rn 12, 29; Staud/Schilken Rn 36; i Erg auch Hamm NJW 1982, 1105). Wenn der Vertreter Vertretungsmacht für beide Seiten hat und ihm von einer Seite das Selbstkontrahieren und die Erteilung von Untervollmachten gestattet ist und er für diese Seite Untervollmacht erteilt, so ist § 181 auf das Geschäft, das der Unterbevollmächtigte für diese Seite mit dem Vertreter abschließt, nach seinem Wortlaut nicht anwendbar, denn die Untervollmacht ist eine Vollmacht namens des Vertretenen und eine Durchgangsvertretung findet nicht statt (§ 167 Rn 63). Der Vertreter handelt weder auf beiden Seiten, noch ist es ein Geschäft, an dem er selbst als Partei beteiligt wäre. Ist die Untervollmacht eine Spezialvollmacht, so bleibt der Vertreter aber dennoch als Vollmachtgeber der Untervollmacht iSd § 181 an dem Geschäft beteiligt (Staud/Schilken Rn 36; MüKo/Schramm Rn 24, 26; Flume § 48, 4). Deshalb ist § 181 mindestens analog anzuwenden.

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b) Gesamtvertreter; Einzelermächtigung. § 181 ist auch anwendbar, wenn das Geschäft mit einem von mehreren handelnden Gesamtvertretern abgeschlossen wird (RG 89, 367, 373; Soergel/Leptien Rn 12). Ermächtigt aber ein Gesamtvertreter den anderen zur Einzelvertretung bei bestimmten Geschäften, so kann der so Ermächtigte nach der Rspr den Vertretenen in dem Geschäft mit dem Ermächtigenden vertreten. Ein Fall des § 181 liege nicht vor, weil die Ermächtigung bewirke, dass die Gesamtvertretungsmacht für diese Geschäfte zur Einzelvertretung „erstarke“ (BGH 64, 72, 74ff); die Lit stimmt dem überwiegend zu (MüKo/Schramm Rn 22; Staud/Schilken Rn 70; Scholz/Schneider GmbHG § 35 Rn 94; abl MüKo-HGB/K. Schmidt § 125 Rn 45; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack GmbHG § 35 Rn 135; Tiedtke aaO, 205ff, 211ff). Die Auffassung des BGH beruht auf der wenig überzeugenden Annahme, die Einzelermächtigung bedeute keine mittelbare Mitwirkung an dem Geschäft, sondern eine Enthaltung von der Vertretung (BGH 64, 72, 76; dazu Schwarz NZG 2001, 529 und ZGR 2001, 744 sowie MüKo-HGB/K. Schmidt § 125 Rn 44). Bedarf es aber einer positiven Ermächtigung, so muss für sie dasselbe gelten wie für die Untervollmacht; darauf, dass der Ermächtigte anders als idR ein Unterbevollmächtigter nicht den Weisungen des Ermächtigenden unterliegt, sollte es bei § 181 entgegen BGH 64, 72, 76 nicht ankommen (aM Scholz/Schneider GmbHG § 35 Rn 94). Denn mit diesem Kriterium würden Elemente des Innenverhältnisses mit der Frage der (nicht durch Innenvollmacht begründeten) Vertretungsmacht vermengt. Lässt man eine Ressortermächtignug zu (Scholz/Schneider GmbHG § 35 Rn 57), so sollte sie, ähnlich wie im Fall der Prokura (Rn 11), auch Geschäfte mit dem Ermächtigenden umfassen.

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c) Ermächtigung nach § 113. Keine Mitwirkung an bestimmten Geschäften liegt in der Ermächtigung gem § 113, denn durch sie wird der Minderjährige partiell unbeschränkt geschäftsfähig (§ 113 Rn 6); unrichtig daher FG Schleswig-Holstein NJW 1987, 784.

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d) Erklärungen ggü Behörden. Wird ein einseitiges Rechtsgeschäft ggü einer Behörde vorgenommen (wie zB gem § 875 I S 2, 876 S 3, 1168 II, 945 I, 2081 I), so liegen die Voraussetzungen des Handelns auf beiden Seiten nicht vor. Dennoch kann es sich materiell um ein Geschäft zw dem Vertrete544

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nen und dem Vertreter handeln. Ein, freilich nicht zwingendes, Indiz dafür, dass es sich um ein Geschäft mit dem Vertretenen handelt, ist es, wenn die Erklärung (wie in den Fällen der §§ 875 I S 2, 876 S 3) auch ggü dem Vertretenen hätte abgegeben werden können (zu solchen Wahlmöglichkeiten Soergel/Leptien Rn 30; MüKo/Schramm Rn 28 unter Umgehungsaspekten). Richtig ist es, allein darauf abzustellen, wer materiell an dem Geschäft beteiligt ist. Die Bewilligung der Löschung einer Hypothek namens des Hypotheken-Gläubigers durch den von ihm bevollmächtigten Grundstückseigentümer ist materiell ein Geschäft zw Hypotheken-Gläubiger und Grundstückseigentümer und fällt deshalb unter § 181, auch wenn der Verzicht gem § 1168 II ggü dem Grundbuchamt erklärt wird (BGH 77, 7, 9f). Der Rangtausch zw zwei Grundpfandrechten ist ein Geschäft zw deren Gläubigern; die Zustimmung des Eigentümers dazu gem § 880 II S 2, 3 ist wegen der Auswirkungen auf den Erwerb einer Eigentümergrundschuld (§ 1163) erforderlich, macht den Rangwechsel aber nicht zu einem Geschäft zw einem der Grundpfandgläubiger und dem Eigentümer. Sie kann deshalb ggü dem Grundbuchamt erklärt werden, auch wenn der Eigentümer als Vertreter eines der Grundschuldgläubiger den Rangtausch vereinbart hat. Ebenso kann diese Zustimmung aufgrund einer Vollmacht des Eigentümers von einem an dem Rangtausch Beteiligten ggü dem Grundbuchamt erklärt werden (RG 157, 24). Die Ausschlagung einer Erbschaft ist kein Geschäft zw dem Ausschlagenden und dem dann an seiner Stelle als Testaments- oder gesetzlicher Erbe Berufenen; die Ausschlagung durch den gesetzlichen Vertreter fällt deshalb nicht unter § 181, auch wenn er dann selbst Ersatzerbe wird (BayObLG 1983, 213; dazu Coing NJW 1985, 6, 9). Die Anfechtung einer letztwilligen Verfügung ist dagegen materiell ein Geschäft zw dem Anfechtenden (§ 2080) und dem durch die angefochtene Verfügung Begünstigten, auch wenn sie ggü dem Nachlassgericht zu erklären ist (§ 2081 I). Der durch die anzufechtende Verfügung begünstigte gesetzliche Vertreter ist deshalb an der Anfechtung durch § 181 gehindert, weshalb der Minderjährige mit der Folge der Ablaufhemmung (§§ 210, 2082) ohne gesetzliche Vertretung ist (RG 143, 350). Gerade dieser Fall zeigt, dass das Umgehungsargument das Problem nicht sachgerecht lösen kann. e) Wahl-Adressaten. Nimmt der Vertreter ein Eigengeschäft vor, das der Zustimmung des Vertrete- 15 nen bedarf, so kann er die Zustimmung namens des Vertretenen sowohl ggü sich selbst als auch ggü dem anderen Teil erklären (§ 182). Im ersten Fall ist § 181 anwendbar, im zweiten Fall nicht (RG 76, 89, 92; BGH 94, 132, 137 mit krit Anm Hübner JZ 1985, 745; Soergel/Leptien Rn 31; offengelassen in BayObLG NJW-RR 1995, 1032). Die Gegenmeinung (Erman/Palm12 Rn 17; Staud/Schilken Rn 41; MüKo/Schramm Rn 31a) beruft sich auf BGH 77, 7; sie differenziert damit nicht hinreichend nach dem Gegenstand der Zustimmung (dazu Rn 14 und Flume § 48, 2). Soweit sie den Umgehungsaspekt betont, setzt sie das Ergebnis voraus. Deshalb kann der als Vorerbe eingesetzte gesetzliche Vertreter des Nacherben eine erforderliche Zustimmung ggü dem Dritten erklären (Hamm NJW 1965, 1489; Soergel/Leptien Rn 31; aM Pal/Weidlich § 2113 Rn 6; offengelassen in BayOblG NJW-RR 1995, 1032, 1033). f) Interzession. Kein Insichgeschäft liegt vor, wenn der Vertreter namens des Vertretenen eine 16 Bürgschaft für eine eigene Schuld des Vertreters übernimmt oder namens des Vertretenen mit seinem eigenen Gläubiger die Übernahme seiner eigenen Schuld durch den Vertretenen gem § 414 vereinbart (Soergel/Leptien Rn 34; Staud/Schilken Rn 43; MüKo/Schramm Rn 35; für Schuldübernahme aM Erman/Palm12 Rn 18), dagegen ist § 181 anwendbar, wenn der Vertreter für den Vertretenen die Übernahme seiner eigenen Schuld gem § 415 mit sich selbst vereinbart. In den ersten beiden Fällen besteht zwar ein offensichtlicher Interessenkonflikt, der Fall hat aber keine Ähnlichkeit mit dem des § 181. Der Schutz des Vertretenen ergibt sich aus den Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht (§ 167 Rn 70ff). Zur entspr Anwendung des ähnlichen § 1795 I Nr 2 auf die Übernahme einer besicherten Schuld des ges Vertreters ggü dem Mündel durch einen Dritten s RG 68, 37. g) Anweisung/Wechsel. Nicht anwendbar ist § 181 auf die Anweisung des Vertreters an die kon- 17 toführende Bank, vom Konto des Vertretenen Zahlungen an den Vertreter zu leisten (RG 75, 357; BGH WM 1982, 549). Auch dies ist kein Geschäft zw dem Vertreter und dem Vertretenen. Handelt bei Annahme eines Wechsels eine Person für den Bezogenen, die auch für den – vom Bezogenen verschiedenen – Aussteller gehandelt hat, so ist § 181 nur dann anwendbar, wenn im Zeitpunkt der Annahme der Aussteller noch Inhaber des Wechsels ist; sonst ist es ein Geschäft zw Bezogenem und dem neuen Inhaber (BGH WM 1978, 1002). h) Zusammengesetzte Geschäfte. Stellt nur eines von mehreren Teilen eines zusammengesetzten 18 Geschäfts ein Insichgeschäft dar, so gilt § 181 für das gesamte Geschäft (BGH 50, 8, 12; s auch RG 93, 334, 337). i) Gesellschafterbeschlüsse. Ob und wann § 181 auf Gesellschafterbeschlüsse anwendbar ist, ist 19 str; s dazu die Lit zu § 709 und § 47 GmbHG. Hier nur die Grundzüge: Die Frage des Selbstkontrahierens stellt sich bei Gesellschafterbeschlüssen in dreierlei Hinsicht. Ob der Gesellschafter selbst wegen Selbstbetroffenheit vom Stimmrecht ausgeschlossen ist, ist abschließend gesellschaftsrechtlich geregelt, nämlich in §§ 136 I AktG, 47 IV GmbHG und 43 VI GenG; zu Personengesellschaften s §§ 712, 737 S 2 sowie § 709 Rn 26 und MüKo/Ulmer/Schäfer § 709 Rn 65ff. Diese gesellschaftsrechtlichen Stimmverbote gelten auch für einen Stimmrechtsvertreter und auch, wenn der Tatbestand des Verbots nur den Vertreter und nicht den Vertretenen betrifft (Baumbach/Hueck/Zöllner GmbHG § 47 Rn 95). Die Verbote gelten nicht in der Einpersonengesellschaft und auch nicht für sog Sozialakte wie die Bestellung des Gesellschafters zum Geschäftsführer und das Anstellungsverhältnis mit ihm (BGH 18, 205, 210; Scholz/K Schmidt § 47 GmbHG Rn 105, 110 mwN). Ob § 181 für die Doppelvertretung in der Gesellschafterversammlung gilt, bei der ein Gesellschafter auch die Stimmen eines anderen oder dieselbe Person die Stimmen mehrerer Gesellschafter abgibt, hängt vom BeschlussgegenG. Maier-Reimer

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Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

stand ab. Geht es um einen Akt körperschaftlicher Willensbildung, wie insb bei der Abstimmung über Geschäftsführungsmaßnahmen, gilt § 181 nicht (so für Personengesellschaften BGH 65, 93; für Kapitalgesellschaften Scholz/K Schmidt § 47 GmbHG Rn 180). Die zT gegebene Begründung, dass es hier an einem Interessenkonflikt fehle (BGH 65, 93, 98), überzeugt nicht und ist in der Abgrenzung unscharf. Bei Beschl zur Änderung des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung oder sonstigen Grundlagenbeschlüssen, die das Verhältnis zw den Gesellschaftern zum Gegenstand haben, ist § 181 nach heute hM anwendbar (für Personengesellschaften BGH 65, 93, 97; Staud/Habermeier § 709 Rn 21; zu Kapitalgesellschaften BGH NJW 1989, 168, 169; Staud/Schilken Rn 25; MüKo/Schramm Rn 19; Scholz/K Schmidt § 47 GmbHG Rn 180 mwN; anders noch für den Liquidationsbeschluss einer GmbH BGH 52, 316, 318; generell gegen die Anwendung des § 181 bei Doppelvertretung Roth/Altmeppen GmbHG § 47 Rn 36). Es geht hier materiell um Geschäfte mindestens auch zw den Gesellschaftern (Baumbach/Hueck/Zöllner GmbHG § 47 Rn 60). Die Vertretung mehrerer Aktionäre oder anderer Aktionäre neben der Vertretung eigener Aktien in der Hauptversammlung einer AG unterliegt nicht dem § 181; dass dieser nicht anwendbar ist, ist in § 135 AktG vorausgesetzt (MüKo/ Schramm Rn 19; Staud/Schilken Rn 25; aM Soergel/Leptien Rn 21). Schließlich ist § 181 anwendbar auf die Stimmabgabe des Vertreters für seine eigene Bestellung als Geschäftsführer (BGH 51, 209 zur Stimmausübung eines Testamentsvollstreckers in der GmbH; BGH 112, 339 zur GbR; BayObLG NJW-RR 2001, 469 zur GmbH). Die Gesellschaft wird hier durch die Gesellschafter vertreten. Die Stimmrechtsvollmacht umfasst ohne Gestattung nicht ein Geschäft mit dem Vertreter selbst (s auch MüKo/Ulmer § 709 Rn 69). 20

j) Zwischenschaltung eines Dritten. Wegen Umgehung ist § 181 anwendbar, wenn der Vertreter künstlich einen Dritten zw ein Geschäft einschaltet, das er mit sich selbst abschließen will, um formal den § 181 zu vermeiden (RG 56, 104, 106).

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k) Mehrvertretung liegt auch vor, wenn der Vertreter den Vertretenen als eine Vertragspartei und diesen als Vertreter der anderen Vertragspartei vertritt (Düsseldorf DB 1999, 578). Dies ergibt sich bereits aus der Struktur der Untervertretung als Direktvertretung (§ 167 Rn 63). § 181 gilt für die Vertretung einer Seite auch dann, wenn der Mehrvertreter für die andere Seite überhaupt keine Vertretungsmacht hat (Düsseldorf DB 1999, 578; MüKo/Schramm Rn 14; aM Neumayer RNotZ 2001, 249, 265f; Vollhardt DNotZ 2000, 309f; Lichtenberger MittBayNot 1999, 470; dagegen mit Recht Tebben DNotZ 2005, 173).

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6. Einschränkende Auslegung des § 181 (eingehend dazu – auch zu weiteren umstr Anwendungsproblemen – Tiedtke aaO, 41ff, 75ff). § 181 ist aufgrund einer teleologischen Reduktion nicht anwendbar auf Fallgruppen, bei denen abstrakt generell eine Interessenkollision ausgeschlossen ist (hM; MüKo/Schramm Rn 9; Staud/Schilken Rn 6, 7; Borg AT Rn 1592f; weitergehend Jäger aaO, 79ff, 125ff; dagegen Tiedtke aaO, 75ff).

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a) Wenn das Rechtsgeschäft dem Vertretenen lediglich rechtlichen Vorteil bringt (dazu Tiedtke aaO, 41ff mwN), ist bei der Auslegung des § 181 die Wertung des § 107 zu berücksichtigen. Weitergehend Jäger 227ff, nach dem § 181 auch auf „relativ neutrale“ Geschäfte (solche, die keine Rechtsfolgen zw dem Vertretenen und dem Vertreter oder anderen Vertretenen auslösen) nicht anwendbar sein soll. Die Interessenlage bei § 181 ist ähnlich. Eines Schutzes des Vertretenen bedarf es nicht, wenn bei abstrahierender Betrachtung ein Interessenkonflikt ausgeschlossen ist. Deshalb ist § 181 unter Beachtung der Wertung des § 107 einschränkend dahin auszulegen, dass das Verbot des Insichgeschäfts nicht gilt, wenn das Geschäft dem Vertretenen lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt (BGH 59, 236, 240; 78, 28, 34; 94, 232, 235). Lediglich vorteilhaft ist der unentgeltliche Erwerb eines, auch mit Grundschulden belasteten, nicht aber der eines vermieteten Grundstücks (Einzelheiten § 107 Rn 7) und, wegen der sich aus dem WEG ergebenden Verpflichtungen und Haftungen, auch nicht der Erwerb einer Eigentumswohnung (BGH NJW 2010, 3643). Ist das schuldrechtliche (Schenkungs-)Geschäft rechtlich nur vorteilhaft, aber das Vollzugsgeschäft, wie bspw in den vorgenannten Fällen, nicht, so ergibt sich Vertretungsmacht für das Vollzugsgeschäft auch nicht daraus, dass mit ihm lediglich eine Verbindlichkeit erfüllt wird. Das folgt nicht aus einer dem Trennungsprinzip widersprechenden Gesamtbetrachtung (so noch BGH 78, 28, 34f; aufgegeben in BGH 161, 170), sondern aus einer teleologischen Reduktion der Ausnahme im letzten Hs (MüKo/Schramm Rn 56; Staud/ Schilken Rn 62; Feller DNotZ 1989, 86, 75ff; offengelassen in BGH 161, 170, 174). Auch eine Schenkung unter dem Vorbehalt des Widerrufs ist nicht nur vorteilhaft, wenn der Rückgabeanspruch nicht auf die Bereicherung beschränkt ist (Köln NJOZ 2003, 3046). Für Gesellschaftsbeteiligungen ist der Erwerb von Aktien als ausschließlich rechtlich vorteilhaft anerkannt, für den Erwerb eines GmbH-Anteils ist das umstr. Bei einer Beteiligung an einer Personengesellschaft erscheint eine vor allem nach Haftungsrisiken differenzierende Betrachtung geboten (Einzelheiten bei Maier-Reimer/Marx NJW 2005, 3025 mwN; s zu der Gesamtproblematik auch Werner GmbHR 2006, 737).

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b) Wenn jemand als geschäftsführender Gesellschafter einer Einmann-GmbH mit sich selbst ein Rechtsgeschäft vornimmt, besteht Interessenidentität. Deshalb wurde früher eine Anwendung des § 181 in solchen Fällen abgelehnt (BGH 56, 97, 101; entspr zur GmbH & Co. KG BGH 75, 358; anders noch BGH 33, 189). Jedoch ist § 181 nach dem seit dem 1.1.1981 geltenden § 35 IV GmbHG anzuwenden (eingehend dazu Bachmann ZIP 1999, 85; Schneider BB 1986, 201; zur Gestattung s BGH 33, 189; näher Rn 29).

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c) Auch für die Mehrvertretung im Konzern gilt § 181 (dazu eingehend Jäger aaO, 181ff, 251, und Tiedtke aaO, 85ff, 90f mwN; aM Timm AcP 193, 423ff für den Vertragskonzern; s ferner BGH 94, 132ff m Anm Hübner JZ 1985, 745; Schneider BB 1986, 201ff; Bachmann ZIP 1999, 85).

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G. Maier-Reimer

Vertretung und Vollmacht

§ 181

7. Gestattung. § 181 erlaubt ein Insichgeschäft, wenn es dem Vertreter gestattet ist. Vielfach werden 26 § 1009 sowie §§ 125 II S 2 HGB und 78 IV AktG als Fälle gesetzlicher Gestattung verstanden (Soergel/Leptien Rn 40; Pal/Ellenberger Rn 16). § 1009 betrifft jedoch keinen Fall der Vertretung und bei §§ 125 II S 2 HGB und 78 IV AktG vertritt der Geschäftsgegner den Prinzipal nach der Konstruktion der Rspr gerade nicht (BGH 64, 72, 76; dazu Rn 12). Eine gesetzliche Gestattung enthalten zB Art 233 § 2 III S 3 EGBGB und § 3 III BBiG. IdR hat die Gestattung durch den Vertretenen zu erfolgen. a) Die Gestattung kann in der Vollmacht oder gesondert erklärt werden, sie ist eine einseitige emp- 27 fangsbedürftige Willenserklärung. Sie kann sowohl für ein einzelnes Geschäft als auch für einen bestimmten Kreis von Geschäften (Bsp BGH WM 2000, 1757) erteilt werden und bedarf grds keiner Form (Ausnahme: Form des § 311b, wenn der Vollmachtgeber sich bereits rechtlich binden will, BGH NJW 1952, 1210; Form des § 766 bei Ermächtigung des Gläubigers zur Ausfüllung eines Bürgschaftsblanketts, BGH 132, 119; näher zu § 125 Rn 13ff und § 167 Rn 5f). In der Befreiung durch AGB kann eine unangemessene Benachteiligung des Vertretenen iSv §§ 307 I S 1, II Nr 2 liegen (Düsseldorf NJW 2006, 3645). Die Befreiung kann auch konkludent erfolgen (BGH BB 1971, 1213; NJW 1976, 1538; WM 1980, 1451), zB dadurch, dass die Parteien in einem Grundstückskaufvertrag dieselbe Person zur Auflassung bevollmächtigen (KG JW 1937, 471) oder dass dem Versteigerer ein Ersteigerungsauftrag (BGH NJW 1983, 1187) oder dem WE-Verwalter eine Vollmacht zum Tagesordnungspunkt Verlängerung des Verwaltervertrags erteilt wird (Hamm NJW-RR 2007, 161). Eine Generalvollmacht enthält nicht ohne weiteres eine Befreiung von § 181 (KG JR 1952, 438). Auch eine Bevollmächtigung „soweit die Gesetze eine Vertretung zulassen“ ist idR nicht als Erlaubnis zum Insichgeschäft aufzufassen (KG JW 1937, 471). Die Wirksamkeit der Vollmacht bei Unwirksamkeit der Gestattung richtet sich nach § 139 (KG HRR 1933 Nr 988). Die Ermächtigung an den Gläubiger, eine ihm übergebene Schuldurkunde zu ändern oder das Blankett der Urkunde zu vervollständigen, enthält zugleich eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 (BGH NJW 1968, 1131; 1984, 798), bedarf aber ggf der Form des § 766 (BGH 132, 119; dazu § 167 Rn 6). Ob im Einzelfall eine Befreiung von § 181 gewollt ist, muss durch Auslegung ermittelt werden. Dabei ist – wie bei jeder Auslegung – auch die Verkehrssitte heranzuziehen. Jedoch kann die Gestattung nicht allein auf einer Verkehrssitte beruhen (Soergel/Leptien Rn 41; Staud/Schilken Rn 52; aM Jauernig/Jauernig Rn 9). b) Die Gestattung muss durch den Vertretenen erfolgen. Der Vertreter, dem ein Insichgeschäft 28 nicht gestattet ist, kann einem Untervertreter das Insichgeschäft nicht generell gestatten (Pal/Ellenberger Rn 18; Staud/Schilken Rn 49; Soergel/Leptien § 167 Rn 61) bei einer mehrstufigen Vertretung, auch bei einer mehrstufigen organschaftlichen Vertretung, bedarf es daher regelmäßig einer durch alle Stufen gehenden Befreiungskette (KG HRR 1941 Nr 468; BayObLG BB 1993, 746; Auktor NZG 2006, 334; Harder AcP 170, 295, 302; Jauernig/Jauernig Rn 9). Anderes muss jedoch für die Gestattung für den konkreten Einzelfall gelten. Wenn ein Vertreter berechtigterweise eine Untervollmacht für ein Geschäft erteilt, das er mit dem Unterbevollmächtigten oder einem von diesem vertretenen Dritten selbst abschließen kann, muss es ihm auch gestattet sein, dem Untervollbevollmächtigten dafür das Selbstkontrahieren zu gestatten (LG München NJW-RR 1989, 997; Schmidt-Ott ZIB 2007, 943, 945f; Maier-Reimer FS Hellwig 2010, 205, 215f; KG HRR 1941 Nr 468; weiter, nämlich allg für Organvertreter, außer für Geschäfte mit dem Organvertreter MüKo/Schramm Rn 54; BaRo/Habermeier Rn 34; aM Harder AcP 170, 295, 304; Fröhler BWNotZ 2003, 14, 15f). Fraglich kann nur sein, wie konkret das Geschäft in der Einzelgestattung bezeichnet sein muss. Einem gesetzlichen Vertreter kann eine erforderliche Befreiung von § 181 nur durch einen besonders bestellten Pfleger, nicht durch den Vertretenen oder das FamG erteilt werden (s auch Rn 33). c) Für das Organ einer jur Pers erfolgt die Gestattung entweder schon durch den Gesellschaftsver- 29 trag/die Satzung (RG 103, 417) oder durch das Bestellungsorgan (BGH 33, 189, 191ff), also beim Verein durch die Mitgliederversammlung (§§ 27, 32). Bei der AG, der Genossenschaft und der GmbH mit obgligatorischem Aufsichtsrat kommt wegen § 112 AktG (bei der GmbH iVm § 1 I Nr 3 DrittelbG, § 25 I S 1 Nr 2 MitbestG), § 39 GenG die Gestattung nur für die Mehrvertretung in Betracht. Zuständig für die Gestattung insofern ist bei AG und GmbH der Aufsichtsrat, bei der Genossenschaft die Generalversammlung (§ 24 II S 2 GenG). Bei GmbH ohne obligatorischen Aufsichtsrat ist die Gestattung auch für das Selbstkontrahieren zulässig. Zuständig ist idR die Gesellschafterversammlung. Ob für Gestattung immer oder jedenfalls für generelle Gestattung eine Ermächtigung in der Satzung erforderlich ist, ist str (s Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack GmbHG § 35 Rn 132 mwN). Gestattung ist, wenn nicht auf den Einzelfall beschränkt, ins Handelsregister einzutragen (§ 10 I S 2 GmbHG; dazu Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack GmbHG § 35 Rn 133; Düsseldorf, GmbHR 2010, 313). Besonderes gilt für die Gestattung an den Alleingesellschafter, der gleichzeitig Geschäftsführer ist. Sie kann nur durch die Satzung erfolgen (BGH 33, 189; 87, 59, 60; NJW 2000, 664; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack GmbHG § 35 Rn 140). Hierzu und zu den weiteren Komplikationen der Befreiung im Konzern s Bachmann ZIP 1999, 85. In der GmbH & Co. KG kann die Gestattung eines Geschäfts der durch den Geschäftsführer der Komplementärin vertretenen KG mit diesem Geschäftsführer nur durch die KG erteilt werden, die dabei entweder durch die Komplementärin, vertreten durch einen anderen Geschäftsführer, handelt oder durch Gesellschafterbeschluss (BGH 58, 115; anders für den Einzelfall Düsseldorf NZG 2005, 131). d) Dem Testamentsvollstrecker kann das Insichgeschäft durch den Erblasser gestattet werden 30 (BGH 30, 67, 69; 51, 209, 215; Frankfurt NJW-RR 1998, 795, 796). Ist der Testamentsvollstrecker auch der gesetzliche Vertreter des Erben, so bedarf es zur Wahrnehmung der Rechte der Erben ihm ggü gleichwohl der Bestellung eines Ergänzungspflegers (Hamm MittBayNot 1994, 53 m Anm Reimann). Eine konkludente Befreiung zur Vornahme aller sich im Rahmen einer ordnungsgemäßen NachlassG. Maier-Reimer

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§ 181

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

verwaltung haltenden Geschäfte ist anzunehmen, wenn ein Miterbe zum Testamentsvollstrecker bestimmt ist (BGH 30, 67, 70; WM 1960, 1419, 1420). Die Gestattung durch alle Erben sollte ebenfalls möglich sein, wenn das dem Willen des Erblassers nicht widerspricht (v Lübtow JZ 1960, 157; U. Hübner aaO, 113; MüKo/Schramm Rn 38; Staud/Schilken Rn 58). Beim Insolvenzverwalter sollte die Gestattung durch die Gläubiger genügen (dazu U. Hübner aaO, 114f; anders Staud/Schilken Rn 59, der Gestattung durch Gläubiger und Insolvenzschuldner für erforderlich hält). Entspr muss für andere Verwalter gelten, die im Gläubigerinteresse bestellt sind. Die Befreiung des Liquidators einer GmbH bedarf der Ermächtigung durch die Satzung (Hamm NJW-RR 1998, 1044; Rostock NJW-RR 2004, 1109). Die Auslegung einer Satzungsermächtigung zur Befreiung von Geschäftsführern kann auch eine Ermächtigung zur Befreiung des Liquidators ergeben (BayObLG NJW-RR 1996, 611; Zweibrücken NJW-RR 1999, 38); dagegen erstreckt sich die unmittelbare Befreiung des Geschäftsführers durch die Satzung nicht auf die Liquidatoren, auch nicht auf die ehemaligen Geschäftsführer als „geborene“ Liquidatoren (BayObLG GmbHR 1985, 392; Düsseldorf GmbHR 1989, 465; aM Scholz/K. Schmidt GmbHG § 68 Rn 5a; zur Eigenständigkeit der Vertretungsregelungen für Liquidatoren BGH NJW-RR 2009, 333). 31

8. Erfüllung einer Verbindlichkeit. Ein Insichgeschäft ist auch erlaubt, wenn das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. Das gilt sowohl für die Erfüllung einer Verbindlichkeit des Vertreters ggü dem Vertretenen als auch des Vertretenen ggü dem Vertreter und (im Falle der Mehrvertretung) des einen Vertretenen ggü dem anderen Vertretenen (MüKo/ Schramm Rn 56; Soergel/Leptien Rn 43) sowie ebenfalls für die Erfüllung einer gemeinschaftlichen Verbindlichkeit des Vertretenen und des Vertreters ggü Dritten (BayObLG NJW-RR 1995, 1032). Voraussetzung ist immer, dass die Verbindlichkeit auch besteht; es genügt nicht, dass sie erst durch die Erfüllung begründet wird (zB ein formungültiges Schenkungsversprechen oder ein formungültiger Grundstückskaufvertrag wird erfüllt; RG 94, 147, 150). Eine Verbindlichkeit des Vertretenen genügt nicht, wenn ihr eine Einrede entgegensteht, die durch Erfüllung verloren ginge (Staud/Schilken Rn 61; MüKo/Schramm Rn 59). Die Verbindlichkeit muss fällig sein (Pal/Ellenberger Rn 22). Die Erfüllung durch Aufrechnung fällt nicht unter die Ausnahme, wenn eine fällige Forderung des Vertretenen gegen eine nicht fällige Verbindlichkeit aufgerechnet wird. Sind beide Forderungen fällig, so gilt die Ausnahme für die Aufrechnung unabhängig von der Aufrechnungsbefugnis (Staud/Schilken Rn 62); für sonstige Erfüllungssorrogate, wie insb Leistung an Erfüllungs statt gilt die Ausnahme nicht (Staud/Schilken Rn 62). Ist die Verbindlichkeit ggü dem Vertretenen durch ein Geschäft entstanden, das nur deshalb wirksam ist, weil es dem Vertretenen nur rechtlichen Vorteil bringt (Rn 23 sowie § 107), so ist auch § 181 letzter Hs teleologisch zu reduzieren, sodass er nicht gilt, wenn die Erfüllung der Verbindlichkeit für den Vertretenen nicht lediglich vorteilhaft ist (Staud/Schilken Rn 62, MüKo/Schramm Rn 56; s Rn 23 sowie § 107 Rn 5).

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9. Folgen des Insichgeschäfts. a) Der Vertreter, der ein Insichgeschäft vornimmt, überschreitet seine Vertretungsmacht. Deshalb ist der von ihm geschlossene Vertrag trotz des Wortlauts („kann … nicht“) nicht nichtig, sondern schwebend unwirksam; er kann vom Vertretenen gem §§ 177, 184 rückwirkend genehmigt werden (allg M seit RG 56, 107; BGH 65, 125; NJW-RR 1994, 291). Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft gilt § 180.

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b) Die Genehmigung, die auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen kann (§ 177 Rn 14), muss durch den Vertretenen, im Fall der Mehrvertretung durch alle diejenigen erfolgen, die mangels jeglicher Vertretungsmacht oder wegen § 181 nicht wirksam vertreten waren. Die Kenntnis des durch § 181 ausgeschlossenen Vertreters kann nicht zur Begründung einer konkludenten Genehmigung zugerechnet werden (BGH NJW 2010, 861, 862). Die häufiger verwendete Formulierung, auch die wirksam Vertretenen müssten genehmigen (Staud/Schilken Rn 46; MüKo/Schramm Rn 41; Soergel/Leptien Rn 45), ist missverständlich oder missversteht die zugrunde liegende Entscheidung Düsseldorf DB 1999, 578 (zutr Tebben DNotZ 2005, 173 und Auktor NZG 2006, 334, 335). Die Genehmigung ist nicht nachträgliche Befreiung von § 181, sondern heilt den Mangel der Vertretungsmacht.

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c) Der Vertreter, der das Geschäft abgeschlossen hat, kann die Genehmigung weder sich selbst noch, im Falle der Mehrfachvertretung, ggü dem Geschäftspartner erklären (Soergel/Leptien Rn 45). Auch ein Vertreter, der von § 181 nicht befreit ist, kann genehmigen, wenn er das Geschäft selbst hätte abschließen können, die Genehmigung also nicht ihrerseits ein Insichgeschäft ist (Baetzgen RNotZ 2005, 193, 198; Tebben DNotZ 2005, 173, 178; aM Pal/Ellenberger Rn 18; Staud/Schilken Rn 35; Harder AcP 170, 295, 304; s auch LG Saarbrücken MittBayNot 2000, 433). Nach dem Tod des Vertretenen kann dessen Erbe genehmigen (Hamm OLG 1979, 45), nach Wegfall eines gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführers einer GmbH der verbleibende Geschäftsführer, auch wenn er an dem genehmigten Geschäft zusammen mit dem durch § 181 ausgeschlossenen früheren Gesamtvertreter mitgewirkt hat (BGH NJW-RR 1994, 291 m Anm Schlechtriem EWiR 1994, 745). Hat der gesetzliche Vertreter ein Insichgeschäft vorgenommen, ist der Vertretene nur dann in der Lage zu genehmigen, wenn er inzwischen geschäftsfähig geworden ist; sonst ist die Genehmigung nur durch einen Pfleger möglich (RG JW 1924, 1862, 1863). Jedenfalls scheidet eine Genehmigung durch das FamG aus (RG 71, 162, 165; BGH 21, 229, 234; hM; MüKo/Schramm Rn 50, 55 mwN).

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d) Ein Anspruch des Vertreters gegen den Vertretenen auf Genehmigung kann sich aus dem Innenverhältnis ergeben; sonst besteht eine Pflicht des Vertretenen zur Genehmigung nur dann, wenn die Verweigerung gegen Treu und Glauben verstoßen würde (RG 64, 366, 373; 110, 214, 216).

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10. Beweislast. Wer sich auf das Vertretungshindernis des § 181 beruft, muss dessen Voraussetzungen beweisen; wer die Zulässigkeit des Insichgeschäfts und damit auf die Ausnahme der gesetzlichen Regelung geltend macht, muss die Voraussetzungen der Zulässigkeit behaupten und beweisen. 548

G. Maier-Reimer

Einwilligung und Genehmigung

Vor § 182

Titel 6 Einwilligung und Genehmigung Vorbemerkung 1. Bedeutung. In einer Reihe von Fällen macht das Gesetz die Wirksamkeit des Geschäfts von der 1 Zustimmung eines Dritten abhängig. Dafür sind verschiedene Gründe maßgebend. Einmal kann es um den Schutz von Personen gehen, welche die Tragweite ihrer Erklärungen möglicherweise nicht voll übersehen (zB §§ 106ff, 1411, 1596, 1600a III, 1746 I S 3, 1903); deshalb ist zur Wirksamkeit des Geschäfts die Zustimmung einer Aufsichtsperson erforderlich (Zustimmung kraft Aufsichtsrechts). In anderen Fällen sollen Dritte geschützt werden, weil das Rechtsgeschäft ihren Rechtskreis oder ihre schutzwürdigen Interessen berührt (zB §§ 185 I, 415 I, 451 I, 876ff, 1071 I, 1178 II S 2, 1183, 1245 I S 2, 1255 II, 1276 I, 1365ff, 1423ff, 1516f, 1747, 2113ff, 2291; § 15 GmbHG; § 12 I WEG); deshalb ist die Zustimmung des Dritten zur Wirksamkeit des Geschäfts erforderlich (Zustimmung kraft Rechts- oder Interessenbeteiligung; vgl auch § 58 VwVfG für den öffentlich-rechtl Vertrag); zur Genehmigung gem § 177 s Rn 12ff. 2. Begriffe. Die Zustimmung iSv §§ 182ff ist die rechtsgeschäftliche Erklärung des Einverständnis- 2 ses mit dem von (einem) anderen im Privatrechtsverkehr vorgenommenen Rechtsgeschäft. Sie umfasst als Oberbegriff die Einwilligung (vor oder bei Abschluss des Rechtsgeschäfts erteilte Zustimmung, § 183), und die Genehmigung (nach Abschluss des Rechtsgeschäfts erteilte Zustimmung, § 184). Jedoch verwendet das Gesetz die Begriffe nicht immer einheitlich und genau. So wird die Zustimmung des FamG, des Gegenvormunds und des Beistandes zT als „Genehmigung“ bezeichnet (§§ 1411, 1643ff, 1809ff, 1819ff, 1906f), auch wenn es sich sachlich um eine vorherige Zustimmung handelt. Auch die „Genehmigung“ gem §§ 1001, 1002 kann im Voraus erklärt werden (BGH NJW 2002, 2875 m Anm K. Schmidt JuS 2002, 1230). Teilw verwendet das Gesetz den Begriff „Zustimmung“, um damit die Mitwirkung an einem Vorgang oder einer Handlung auszudrücken (zB §§ 32 II, 709 I, 744 II: Mitwirkung jedes Beteiligten an dem Beschl). Schließlich werden die genannten Ausdrücke nicht selten in rechtsgeschäftlichen Erklärungen und in Satzungen benutzt; hier ist durch Auslegung (§§ 133, 157; RG 132, 149, 155) zu ermitteln, was gemeint ist; im Einzelfall kann durchaus unter einer vertraglich vereinbarten oder satzungsmäßigen „Genehmigung“ abw von der Begriffsbestimmung in §§ 182ff eine vorherige Erklärung zu verstehen sein. 3. Gesetzliches Zustimmungserfordernis. §§ 182ff sind unmittelbar nur anzuwenden, wenn das Ge- 3 setz die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts von der (privatrechtlichen, rechtsgeschäftlichen) Zustimmung eines Dritten abhängig macht. Die durch Vereinbarung geforderte Zustimmung kann eine rechtsgeschäftliche Bedingung (§§ 158ff) sein (zB BAG NJW 1995, 1981ff – Zustimmung eines Dritten als vereinbarte Bedingung für die Wirksamkeit der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses). Der Unterschied betrifft vor allem die Frage der Rückwirkung. Im Einz sind die Grenzen zweifelhaft. So sollen § 182ff auf die Zustimmung der Mitgesellschafter zur Abtretung von Gesellschaftsanteilen anwendbar sein (BGH 13, 179 zur Abtretung von Kommanditbeteiligungen; Scholz/Winter/Seibt GmbHG § 15 Rn 133 zur Abtretung von GmbH-Anteilen), nicht aber auf die nach dem Schuldverhältnis erforderliche Zustimmung des Schuldners zur Abtretung der Forderung; letztere sei nur eine Modifikation der Unabtretbarkeit gem § 399 (BGH 108, 172; aM Soergel/Leptien Rn 4). Entspr ist die Zustimmung zur einmaligen Abtretung einer unabtretbaren Grundschuld wirkungslos; es bedarf der – eintragungspflichtigen – Aufhebung des Abtretungsausschlusses (Hamm v 13.10.2009 – 15 Wx 43/09, juris). Zur Zustimmung gem § 888 s Kesseler NJW 2010, 3341. 4. Abgrenzungen. a) Von der Zustimmung iSv §§ 182ff sind zu unterscheiden: aa) Die Bestätigung 4 (§§ 141, 144). Sie ist keine Erklärung zu einem fremden Geschäft, sondern eine Erklärung der Beteiligten zu einem eigenen Rechtsgeschäft. bb) Die Billigung (etwa beim Kauf auf Probe; § 454). Sie ist eine im Rechtsgeschäft selbst vereinbarte Bedingung, deren Herbeiführung im Belieben des Vertragspartners steht. cc) Die vereins- oder gesellschaftsrechtliche Zustimmung. Bei ihr geht es meist um die eigene Mitwirkung (zB Zustimmung zu einem Beschl) oder um die Zulässigkeit, nicht die Wirksamkeit eines Geschäfts (zB § 111 IV S 2 AktG; s aber §§ 179a AktG, 13 UmwG). dd) Die privatrechtliche Erlaubnis (zB §§ 540, 603; Einwilligung in eine Verletzungshandlung iSv §§ 823ff; Einwilligung in die Veröffentlichung von Bildern, Texten usw im Medienrecht; dazu Frömming/Peters NJW 1996, 958). Sie betrifft die Rechtmäßigkeit der Handlung eines anderen, nicht die Wirksamkeit eines (fremden) Rechtsgeschäfts, oder ihr Erfordernis ergibt sich aus geteilter Rechtszuständigkeit (so § 30 III MarkenG, dazu München NJW-RR 1997, 1266). b) Keine Einwilligung ist die Vollmacht (Flume § 54, 6 [a]), während auf die Genehmigung gem 5 § 177 die §§ 182ff anwendbar sind (§ 177 Rn 13). An die Vollmacht oder deren Fehlen knüpft das Gesetz (insb §§ 165, 166 II, 177 II, 179) andere Folgen als an die Einwilligung und deren Fehlen (§ 182ff). Der Mangel der Vollmacht hat ausweislich § 179 auch nicht die Unwirksamkeit des Geschäfts zur Folge, sondern die, dass es für den Vertretenen nicht wirksam ist (§ 177 I). Demgemäß macht die Genehmigung das Geschäft nicht an sich, sondern für und gegen den Vertretenen wirksam. c) Eine entspr Anwendung der §§ 182ff kommt im Prinzip bei der familien- oder betreuungsgericht- 6 lichen Genehmigung (einer Sonderform der öffentlich-rechtl Genehmigung) in Betracht; die Sonderbestimmungen der §§ 1643ff und 1828ff und des einschlägigen Verfahrensrechts gehen aber vor (s auch BayObLG NJW 1965, 398). G. Maier-Reimer

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Vor § 182

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

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d) Vielfach ist zu zivilrechtlichen Rechtsgeschäften einer Behörde oder einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts nicht nur intern, sondern mit Außenwirkung die Genehmigung der Aufsichtsbehörde erforderlich. Insoweit gilt ausschließlich Verwaltungsrecht (Soergel/Leptien Rn 9). Die §§ 182ff können allenfalls als Ausdruck allg Grundsätze herangezogen werden und nur, soweit keine Spezialvorschriften bestehen (BGH NJW 1999, 3335, 3337f = JZ 2000, 149 m Anm Singer – genehmigungsbedürftige Übernahme einer Bürgschaft durch einen Landkreis; s auch § 125 Rn 11).

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5. Öffentlich-rechtl Genehmigung. a) Von einer öffentlich-rechtl (behördlichen) Genehmigung (Zustimmung, Einwilligung, Erlaubnis) kann zwar die Wirksamkeit eines privatrechtlichen Rechtsgeschäfts ebenso wie von einer privatrechtlich notwendigen Zustimmung abhängig sein; zB §§ 18 KSchG, 2 GrdstVG, 2 I, 3 AWG, 40 II GWB. Sie ist aber keine Zustimmung iSd §§ 182ff. Auch als Wirksamkeitsvoraussetzung für ein Rechtsgeschäft ist die öffentlich-rechtl Genehmigung keine private Willenserklärung, sondern Hoheitsakt („privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt“). Rechtliche Bedeutung, Voraussetzungen, Erteilungsverfahren und Wirkungen einer öffentlich-rechtl Genehmigung sind stets primär dem öffentlichen Recht zu entnehmen (Staud/Gursky Vor §§ 182 Rn 60ff). Maßgebend sind Inhalt und Sinn der öffentlich-rechtl Regelung (BVerwG 11, 195, 198). §§ 182ff sind jedenfalls nicht unmittelbar, auch nicht erg anwendbar. Allerdings lassen sich die §§ 182ff in diesen Grenzen als Ausdruck allgemeingültiger Grundsätze erg zum öffentlichen Recht heranziehen (Soergel/Leptien Rn 8). Im Allg gilt: Ob eine „Genehmigung“ schon vor Abschluss des Rechtsgeschäfts vorliegen muss oder ob eine nachträgliche Erteilung genügt, bestimmt das öffentliche Recht ebenso wie das gesamte Erteilungsverfahren einschl der Person der Genehmigungsadressaten. Muss die „Genehmigung“ nicht bereits im Voraus vorliegen, so ist das private Rechtsgeschäft bis zur Erteilung oder bestandskräftigen Versagung der Genehmigung schwebend unwirksam (BGH 23, 342; NJW 1993, 648, 650f). Die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien während des Schwebezustandes richten sich nach Privatrecht (§ 184 Rn 9ff). Mit der Erteilung der Genehmigung oder dem Wegfall des Genehmigungserfordernisses (BGH 128, 41, 50f mwN) wird das schwebend unwirksame Rechtsgeschäft wirksam. Die zumeist angenommene Rückwirkung der nachträglichen behördlichen Genehmigung auf den Zeitpunkt der Vornahme des Geschäfts folgert die Rspr heute nicht mehr aus einer entspr Anwendung des § 184, sondern in erster Linie aus dem mit der Zustimmungsbedürftigkeit verfolgten Zweck (BGH 32, 383, 389; NJW 1965, 41); nur erg gilt § 184 als Ausdruck eines allg Rechtsgedankens (§ 184 Rn 13). Ob und unter welchen Voraussetzungen eine erteilte öffentlich-rechtl Genehmigung trotz ihrer privatrechtsgestaltenden Wirkung widerrufen oder zurückgenommen werden kann, ist umstr (Einzelheiten bei Staud/Gursky Vor §§ 182ff Rn 63).

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b) Die Versagung der Genehmigung beendet (erst) bei Bestandskraft den Schwebezustand; das genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäft wird damit endgültig unwirksam (Rn 15; BGH 84, 70ff; K. Schmidt AcP 189, 1, 12). Wird die Genehmigung nach Bestandkraft ihrer Verweigerung doch erteilt oder das Genehmigungserfordernis aufgehoben, bleibt das Geschäft unwirksam; seine Wirkungen können nur durch Neuvornahme erzielt werden (BGH NJW 1953, 1301; DB 1954, 326; 1956, 1918; WM 1964, 1195); dazu Janicki NJW 1963, 838; Palm, Die nachträgliche Erteilung der verweigerten Genehmigung, 1964, 24, 50; K. Schmidt JuS 1995, 102, 105. Bezieht sich das Genehmigungserfordernis nicht auf den schuldrechtlichen Vertrag, sondern nur auf das Erfüllungsgeschäft (zB § 40 II GWB), so tritt mit der endgültigen Verweigerung nachträgliche Unmöglichkeit ein (BGH 37, 233, 240; NJW-RR 1997, 686; Soergel/Leptien Rn 14). Die behördliche Bekantmachung, dass Genehmigungen dieser Art generell verweigert werden, kann der bestandskräftigen Verweigerung gleichstehen (BGH 127, 368; dazu K. Schmidt NJW 1995, 2255; s aber BGH NJW 1993, 648, 650f)).

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c) Erklärt die für die Genehmigung zuständige Behörde, eine Genehmigung sei nicht erforderlich (Negativattest), so kann dies einer Genehmigung gleichstehen, wenn das Genehmigungserfordernis ausschl öffentliche Interessen schützt (BGH 1, 294, 300, 303; zu den Anforderungen an ein solches Negativattest BGH NJW 2010, 144). Ein unrichtiges Negativattest des FamG oder BetrG ersetzt dessen Genehmigung nicht (BGH 44, 325). Zur Frage, ob das Erfordernis einer behördlichen Unbedenklichkeitserklärung einem Genehmigungserfordernis gleichsteht, s BGH 14, 1, 4.

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6. Inhalt. Die Zustimmung zu dem Geschäft eines Dritten bringt das Einverständnis mit diesem zum Ausdruck (MüKo/Schramm Rn 2; Soergel/Leptien Rn 3). Ihr Inhalt ist deshalb – abgesehen von dem zeitlichen Bezug zu ihrem Gegenstand – bei der Einwilligung und der Genehmigung identisch. Dies ist bei der Genehmigung vollmachtloser Vertretung anders. Diese ist nicht nachgeholte Vollmacht (§ 177 Rn 12) und drückt nicht die Zustimmung zum Geschäft eines Dritten aus, sondern macht dessen Geschäft gleichsam zu einem eigenen. Sie enthält deshalb die Erklärung, das (möglicherweise) für den Vertretenen unwirksame Geschäft solle (für ihn) gültig sein (§ 177 Rn 12). Daraus ergeben sich Unterschiede namentlich für die Genehmigung durch schlüssiges Verhalten (§ 177 Rn 14f; § 182 Rn 8ff).

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7. Rechtsnatur. a) Die Zustimmung selbst ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Zu Einzelheiten der Zustimmung durch schlüssiges Verhalten § 182 Rn 8ff, zur Anfechtung Rn 13. Da die Zustimmung ein einseitiges Rechtsgeschäft ist, sind die §§ 111, 180, 182 III, 1367, 1831 anwendbar. Als empfangsbedürftige Willenserklärung wird die Zustimmung mit Zugang (§§ 130ff) wirksam. Jedoch kann der Erklärungsempfänger auf den Zugang verzichten. Der Rechtsgedanke des § 151 S 1 gilt entspr.

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b) Auf die Zustimmung als Willenserklärung sind die Regeln über die Willensmängel (§§ 116ff) und die Auslegung (§ 133) anwendbar. Willensmängel beim Zustimmenden sind nur beachtlich, wenn sie die Zustimmung selbst und nicht (lediglich) das zustimmungsbedürftige Geschäft betreffen (BGH 111, 339, 347). Allerdings können Fehlvorstellungen über den wesentlichen Gehalt des Rechtsge550

G. Maier-Reimer

Einwilligung und Genehmigung

§ 182

schäfts einen Irrtum über den Inhalt der Zustimmung begründen (Staud/Gursky Rn 45). Adressat der Anfechtungserklärung ist wegen § 182 I der Empfänger der Zustimmungserklärung (str; wie hier Soergel/Leptien Rn 5; MüKo/Schramm Rn 37; Staud/Gursky Rn 45 mwN; zur ähnlichen Frage der Anfechtung einer Vollmacht s § 167 Rn 46). Die Zustimmung zur Vertragsübernahme muss ggü dem alten und dem neuen Vertragspartner angefochten werden (BGH 96, 302; 137, 255, 262). War die Zustimmung durch die arglistige Täuschung seitens eines Dritten veranlasst, so kann sie auch dann angefochten werden, wenn zwar nicht der tatsächliche Zustimmungsempfänger, wohl aber der nach § 182 mögliche andere Zustimmungsadressat die Täuschung kannte oder kennen musste (§ 123 II S 2; Soergel/Leptien Rn 5). Nach aA ist die Anfechtung nur möglich, wenn der Geschäftspartner die Täuschung kannte oder kennen musste, weil die Anfechtung auf Vernichtung des Hauptgeschäfts gerichtet ist (Staud/Gursky Rn 46 mwN). Die Zustimmung zu dem zw Alt- und Neumieter vereinbarten Mieterwechsel kann wegen argl Täuschung nur angefochten werden, wenn Alt- und Neumieter die Täuschung kannten oder kennen mussten (BGH 137, 255, 262 = LM § 123 Nr 79 m abl Anm Kramer; aM auch Staud/Gursky Rn 46). 8. Wirkung. a) Bei einer im Voraus erteilten Zustimmung (Einwilligung) ist das zustimmungs- 14 bedürftige Geschäft von Anfang an wirksam. Wird das Geschäft ohne die erforderliche Zustimmung vorgenommen, ist es zunächst schwebend unwirksam (zum Schwebezustand § 184 Rn 9ff). Durch nachträgliche Zustimmung (Genehmigung) wird das Geschäft – idR rückwirkend (§ 184) – wirksam. Die Zustimmung macht das zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäft in beiden Fällen so wirksam, wie es vorgenommen wurde. Die Zustimmung muss sich auf das gesamte zustimmungsbedürftige Geschäft beziehen. Eine Teilzustimmung genügt grds nicht; ist das zustimmungsbedürftige Geschäft teilbar, führt die Teilzustimmung unter den Voraussetzungen von § 139 zur Teilwirksamkeit (s auch § 177 Rn 16 und § 184 Rn 3). Die Zustimmung hat keinen Einfluss auf sonstige Nichtigkeitsgründe. b) Welche Folgen die Verweigerung der Genehmigung (§ 182 Rn 17) hat, ist im Gesetz nur verein- 15 zelt geregelt (etwa § 415 II S 1 oder § 1366 IV). Nach ganz hM macht in allen Genehmigungsfällen die endültige vorbehaltlose Verweigerung der Genehmigung das Geschäft dauerhaft unwirksam und ist ebenso wie die Genehmigung (§ 184 Rn 2) unwiderruflich (RG 139, 123; BGH 13, 179, 187; 125, 355; NJW 1999, 3704f; MüKo/Schramm § 182 Rn 20ff mwN; im Grundsatz auch Staud/Gursky § 182 Rn 38ff; aA Münzel NJW 1959, 601ff; Palm, Die nachträgliche Erteilung der verweigerten Genehmigung, 1964, 47ff, 69ff). Nach der hM kann das Geschäft nur noch durch Bestätigung wirksam werden (BGH NJW 1999, 3704; MüKo/Schramm § 182 Rn 21). Eine Ausnahme ergibt sich aber aus § 177 II S 1, 2 HS und § 1366 III; dazu BGH 125, 355, 358, 361. Den berechtigten Interessen der Beteiligten wird die hM damit nicht immer gerecht; sie ist insb bei Pflichtwidrigkeit der Verweigerung unbefriedigend. Auch die differenzierenden Lösungsansätze etwa von K. Schmidt AcP 189, 1ff und JuS 1995, 102ff mwN sowie Flume AT § 56 haben in der Rechtspraxis aber bislang keine Zustimmung gefunden. Auf dieser Grundlage bleibt nur eine Korrektur über § 242 im Einzelfall (BGH 108, 380, 384; i Erg zust K. Schmidt DNotZ 1990, 708; Soergel/Leptien § 184 Rn 2f; MüKo/Schramm § 182 Rn 24; Staud/Gursky § 182 Rn 42).

182

Zustimmung (1) Hängt die Wirksamkeit eines Vertrags oder eines einseitigen Rechtsgeschäfts, das einem anderen gegenüber vorzunehmen ist, von der Zustimmung eines Dritten ab, so kann die Erteilung sowie die Verweigerung der Zustimmung sowohl dem einen als dem anderen Teil gegenüber erklärt werden. (2) Die Zustimmung bedarf nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form. (3) Wird ein einseitiges Rechtsgeschäft, dessen Wirksamkeit von der Zustimmung eines Dritten abhängt, mit Einwilligung des Dritten vorgenommen, so finden die Vorschriften des § 111 Satz 2, 3 entsprechende Anwendung.

1. Adressat der Zustimmung. a) Grundsatz des Abs I. Die Zustimmung (Einwilligung oder Geneh- 1 migung) kann wahlweise ggü demjenigen, für dessen wirksames Handeln sie nötig ist, oder ggü dessen Geschäftsgegner erklärt werden (Bsp BGH NJW 1953, 58; 1961, 1763). Ist das zustimmungsbedürftige Geschäft ein Vertrag, kommt also jede der beiden Vertragsparteien als Erklärungsempfänger in Betracht. Die Genehmigung der vollmachtlosen Vertretung kann ggü dem Vertreter oder dem Geschäftspartner, ggf auch dessen Rechtsnachfolger (RG 145, 87, 91) erklärt werden. Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft kann die Zustimmung entweder dem Erklärenden oder dem Erklärungsempfänger ggü erklärt werden. Besteht die Partei, ggü welcher die Zustimmung zu erklären ist, aus mehreren Personen, so ist die Zustimmung jeder von ihnen zu erklären; vertritt eine von ihnen auch die anderen, so genügt die Erklärung an sie (MüKo/Schramm Rn 5a). Für die Wirkung der Zustimmungserklärung kommt es nicht auf die Kenntnis desjenigen an, dem ggü die Zustimmung nicht erklärt worden ist. b) Ausnahmen von Abs I. In bestimmten Fällen gibt das Gesetz keine Wahlmöglichkeit oder erwei- 2 tert sie (zB §§ 108 II, 177 II, 876, 1071 I, 1178 II, 1245 I, 1255 II, 1276 I, 1366 III S 1, 1643 III, 1750 I sowie für die Genehmigung des FamG § 1829). Gesetzliche Sonderregelungen dieser Art haben ggü § 182 I Vorrang. – Die Zustimmung ggü einer nicht empfangsberechtigten Person ist unwirksam. Eine an den richtigen Adressaten weitergeleitete Zustimmungserklärung wird jedoch mit Zugang bei diesem wirksam, wenn sie für den richtigen Adressaten bestimmt war (MüKo/Schramm Rn 9; großzügiger Soergel/Leptien Rn 4).

G. Maier-Reimer

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§ 182

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

3

c) Einzelfälle. Die von einem vollmachtlosen Vertreter vorgenommene Auflassung kann nur durch Erklärung ggü dem Vertreter oder der anderen Vertragspartei, nicht aber ggü dem Grundbuchamt genehmigt werden (KG KGJ 34 A 253; MüKo/Schramm Rn 9; aM BayObLG KGJ 27 A 305). Zum Empfang der Genehmigungserklärung kann auch der beurkundende Notar bevollmächtigt werden (KG KGJ 34 A 253, 256; Soergel/Leptien Rn 4), auch von dem vollmachtlosen Insichvertreter (Korbmacher NJW 1950, 244). Die Genehmigung der Übernahme einer Hypothekenschuld durch den Grundstückskäufer (§ 416) kann mit Wirkung für den Verkäufer vom Hypothekengläubiger nur ggü dem Verkäufer oder dem ersten Käufer, nicht ggü einem späteren Erwerber des Grundstücks erklärt werden (RG Warn Rspr 1908 Nr 440). Die Genehmigung eines übergangenen Gesamtvertreters kann auch ggü dem Handelnden erklärt werden (RG 112, 221; s auch § 177 Rn 19). – Der Nacherbe kann seine Zustimmung zu einer Veräußerung durch den Vorerben auch dem Erwerber erklären (BayObLG Recht 1912 Nr 1136; Hamm NJW 1965, 1489, 1490 mwN; aM KG KGJ 33 A 187). Ist der Vorerbe auch gesetzlicher Vertreter des Nacherben, so ist § 181 zu beachten (BayOblG NJW-RR 1995, 1032; § 181 Rn 9). – Die Genehmigung der ohne Vertretungsmacht vorgenommenen Wechselakzeptierung kann wirksam ggü dem Akzeptierenden erklärt werden (RG SeuffA 81 Nr 192; Soergel/Leptien Rn 3).

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2. Form der Zustimmung. Grds ist die Zustimmung formfrei. Sie bedarf insb nicht der für das Rechtsgeschäft selbst bestimmten Form (Abs II; dazu Rn 5f). Vielfach schreibt das Gesetz jedoch für die Zustimmung selbst eine besondere Form vor (dazu Rn 7).

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a) Form des Hauptgeschäfts. Die Freiheit der Zustimmung von der Form des Hauptgeschäfts entspricht § 167 II. Sie gilt nach hM auch dann, wenn die für das Hauptgeschäft vorgeschriebene Form Warnzwecken dient und der Zust in der Lage desjenigen ist, der gewarnt werden soll (BGH 125, 218; MüKo/Schramm Rn 16f; Soergel/Leptien Rn 5). Deshalb bedürfen zB die Zustimmung des Eigentümers zur Auflassung des Grundstücks durch einen Dritten nicht der Form der §§ 311b, 925 (BGH NJW 1998, 1482, 1484) und die Genehmigung eines vollmachtlos abgeschlossenen Ehevertrags nicht der Form des § 1410 (BGH 138, 239, 242ff). Die Formfreiheit gilt auch, wenn die Genehmigungszuständigkeit (des gesetzlichen Vertreters für den Minderjährigen nach dessen Volljährigkeit) auf den Handelnden selbst übergegangen ist (BGH NJW 1980, 1842). Diese hM wird kritisiert, da sie dem Zweck der Formvorschrift nicht hinreichend Rechnung trage (Flume § 54, 6b; Erman/Palm12 Rn 4; weitere Nachw bei Staud/Gursky Rn 27). Die Kritik ist für die Genehmigung unberechtigt. Die zur Formbedürftigkeit unwiderruflicher Vollmachten entwickelten Grundsätze (§ 167 Rn 5f) sind auf die Genehmigung schon deshalb nicht übertragbar, weil § 182 II sonst für die Genehmigung keinen Anwendungsbereich hätte (BGH 125, 218, 225). Bei der Einwilligung ist hingegen nach den gleichen Grundsätzen zu differenzieren wie bei der Vollmacht: Wenn die Einwilligung unwiderruflich ist oder sonst faktisch eine Bindung des Einwilligenden bewirkt und der Zweck der Form in der Warnung gerade desjenigen in der Position des Einwilligenden liegt, sollte wie bei § 167 die Formvorschrift auch für die Einwilligung gelten (BGH NJW 1998, 1482, 1484; Larenz/Wolf § 51 Rn 16; Bork AT Rn 1701); ausdr aM Staud/Gursky Rn 28 mwN und mit dem Arg, dann müsse die Genehmigung „erst recht“ formbedürftig sein; s auch MüKo/Schramm Rn 17. Das argumentum a fortiori überzeugt nicht: Die Formbedürftigkeit der unwiderruflichen Vollmacht beruht nicht auf einer Bindung durch das Hauptgeschäft, sondern auf der Bindung an ein noch abzuschließendes Hauptgeschäft.

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Formfrei ist die Zustimmung erst recht, wenn der Zweck der Formvorschrift durch eine formfreie Zustimmung nicht berührt wird; so bei der Zustimmung zur Übernahme eines für sich selbst nach §§ 550, 578 II formbedürftigen Mietvertrags, die der Vermieter mit dem neuen Vermieter oder dem bisherigen Mieter vereinbart, Vermieter- oder Mieterwechsel außerhalb des § 566 (BGH 154, 171, 178ff; NJW-RR 2005, 958; s auch BGH DtZ 1996, 56: Zustimmung zur Vertragsübernahme bedarf nicht der für Vertragsänderungen vereinbarten Form). Formbedürftig ist dagegen die Zustimmung des Gesamtvertreters einer Gemeinde zum Handeln des anderen, wenn kommunalrechtlich die Unterzeichnung durch beide vorgeschrieben ist (BGH NJW 1984, 606f und 1994, 1528 sowie NVwZ-RR 1997, 725 und Frankfurt NJW-RR 1989, 1425; s auch § 125 Rn 10).

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b) Eigene Form der Zustimmung. Vielfach verlangt das Gesetz eine besondere Form für die Zustimmung (zB in §§ 1516 II, 1597 I, 1750 I, 2291 II; § 193 III UmwG). In anderen Fällen ist die Zustimmung in bestimmter Form nicht Voraussetzung der Wirksamkeit, sondern der Zulässigkeit bestimmter Maßnahmen (zB §§ 5 I, 10, 12 I DepotG). In wieder anderen Fällen ist eine Form zu Beweiszwecken oder aus Gründen der Rechtsklarheit vorgeschrieben (§§ 29 GBO, 71 II ZVG). Wo das Gesetz eine besondere Form für die Vollmacht vorschreibt, dient die Formvorschrift ebenfalls der Rechtssicherheit (zB §§ 2 II, 47 III GmbHG); sie ist deshalb auch für die Genehmigung erforderlich (Köln WM 1996, 207; Pal/Ellenberger Rn 2; Scholz/Emmerich GmbHG § 2 Rn 31; aM MüKo/ Schramm Rn 17; Staud/Gursky Rn 27). S auch §§ 2347f für den Erbverzicht und dazu Düsseldorf NJW-RR 2002, 584.

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3. Zustimmung durch schlüssiges Verhalten. Der Zustimmungsberechtigte kann seine Zustimmung wie bei jedem anderen formfreien Rechtsgeschäft auch durch schlüssiges Verhalten erklären. Das ist als Grundsatz unumstritten (s Staud/Gursky Rn 9ff mwN). Eine konkludente Zustimmung liegt vor, wenn sich nach dem Empfängerhorizont die Äußerung des Willens ergibt, den Zustimmungsstatbestand zu verwirklichen (Vor § 182 Rn 11). Das gilt für die Einwilligung und die Genehmigung gleichermaßen. Ob ein Verhalten einen solchen Erklärungswert hat, ist nach allg Auslegungsgrundsätzen zu entscheiden.

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a) An den inneren Willen des Zustimmenden sind keine weitergehenden Anforderungen als bei jeder anderen Willenserklärung (vgl Vor § 116 Rn 2ff) zu stellen; insb ist nach der hier vertretenen Ansicht (Vor § 116 Rn 4, 14ff) kein besonderes Erklärungs- oder Zustimmungsbewusstsein erforderlich 552

G. Maier-Reimer

Einwilligung und Genehmigung

§ 182

(anders, ausgehend von einer anderen Auffassung zur Notwendigkeit des Erklärungsbewusstseins, Staud/Gursky Rn 17ff, der aber [Rn 19] ggf zu einer Vertrauenshaftung analog § 122 kommt). Für die ausdr Genehmigung ist das anerkannt (BGH 47, 341, 351; MüKo/Schramm § 177 Rn 27 und § 182 Rn 14). Für die konkludente Genehmigung scheint die Rspr jedoch uneinheitlich (einerseits BGH WM 1981, 171; BGH 159, 294; NZG 2005, 276; München WM 2009, 217, nach denen Kenntnis des Genehmigenden von der Genehmigungsbedürftigkeit erforderlich ist, und andererseits BGH 109, 171, 177; 128, 41, wonach es auf solche Kenntnis nicht ankommt). In Wahrheit besteht ein solcher Gegensatz jedenfalls in der neueren Rspr nicht. Die divergierenden Ergebnisse beruhen auf der Verschiedenheit der Genehmigungserfordernisse, nämlich Genehmigung vollmachtloser Vertretung (dazu § 177 Rn 12ff) und Zustimmung zu dem Geschäft eines Dritten (Vor § 182 Rn 11); zur konkludenten Einwilligung gem § 185 s allerdings BGH NJW 1998, 1482, 1484. b) Einzelfälle. Der Zwangsverwalter eines Grundstücks, der bewusst die Einziehung der Mieten 10 durch einen Nichtberechtigten duldet, stimmt dem konkludent gem § 362 II zu, auch wenn er nicht weiß, dass seine Zustimmung erforderlich ist (BGH 109, 171, 177). Bloße Anwesenheit bei Beurkundung eines Grundstücksvertrags enthält nicht die konkludente Zustimmung, wenn der Anwesende seine Mitberechtigung nicht kennt (BGH NJW 1998, 1482, 1484 zu §§ 13, 15 DDR-FGB). Stillschw Genehmigung ist anzunehmen, wenn der ohne Vertretungsmacht Handelnde kurz nach dem Geschäft Vertretungsmacht erlangt (Frankfurt BB 1980, 10 – nachfolgende Bestellung zum Geschäftsführer). Die Klage gegen den Nichtberechtigten, der die Sache veräußert hat, auf Herausgabe des Erlöses kann die Genehmigung gem § 185 II enthalten (RG 106, 274; zur Problematik s § 816 Rn 9). Die Klage gegen den nicht berechtigten Empfänger einer Leistung gem § 816 II enthält idR die Genehmigung der Leistung an ihn (BGH NJW 1972, 1197). Der Vertragsabschluss mit einer noch nicht errichteten GmbH (mit der Folge persönlicher Haftung des Handelnden) enthält nicht die Zustimmung zur späteren Vertragsübernahme durch die GmbH (BGH NJW 1998, 1645). c) Eine konkludente Zustimmung kann ferner zB darin liegen, dass der Zustimmungsberechtigte 11 das Rechtsgeschäft ggü einem Empfangsberechtigten – etwa durch Erfüllungshandlungen oder durch Aufnahme und längerfristige Durchführung des Geschäftsbetriebes in gemieteten Räumen – als gültig behandelt (vgl RG 170, 237; 160, 225, 232 – Anteilsabtretung; BGH WM 1990, 1573, 1575 – Vertragsübernahme; BauR 2005, 1628; KG ZMR 2010, 443; Düsseldorf NZM 2005, 909; MüKo/ Schramm Rn 10; Soergel/Leptien Rn 9) oder auch durch längeres vertragskonformes Verhalten eines bei Abschluss minderjährigen und inzwischen volljährigen Versicherungsnehmers (Koblenz VersR 1991, 210). Eine schlüssige Genehmigung kann auch in dem – für sich betrachtet wirksamen – Abschluss von Folgevereinbarungen liegen, die die Wirksamkeit der vorhergehenden und zunächst schwebend unwirksamen Hauptvereinbarung voraussetzen (Frankfurt NJW-RR 2005, 1514, 1516; Dresden BKR 2006, 122, LS; grds zust Staud/Gursky Rn 10a). Praktisch wird dies relevant, wenn die Hauptvereinbarung wegen eines Vertretungsmangels schwebend unwirksam ist. Dann setzt aber die konkludente Genehmigung mindestens voraus, dass in dem Abschluss der eindeutige Wille zum Ausdruck kommt, ein nach Auffassung des Handelnden mindestens möglicherweise unwirksames Geschäft wirksam zu machen, und dass der andere Teil dies auch tatsächlich so verstanden hat (§ 177 Rn 14f). Beruht der Vertretungsmangel auf einem beiderseits nicht erkannten Verstoß gegen das RBerG (jetzt § 3 RDG), so kann in der Folgevereinbarung deshalb keine konkludente Genehmigung gesehen werden (so mit Recht Stuttgart NJOZ 2007, 1211, 1232; München WM 2009, 217); wohl aber, wenn der Vertretungsmangel den Beteiligten in diesem Zeitpunkt bekannt war (Karlsruhe OLGRp 2006, 865). Zur schlüssigen Genehmigung einer Mieterhöhung durch Erhöhung des Dauerauftrags über die Mietzahlung Schmidt IBR 2006, 1020. Eine schlüssige Genehmigung kann in positiven Äußerungen auf eine Wechselanfrage liegen (RG 145, 87, 93; BGH LM Art 7 WG Nr 1–3; krit Staud/Gursky Rn 13). Zur Genehmigung eines Bauvertrags durch schlüssiges Verhalten Hildebrandt IBR 2006, 76. Aus dem Verhalten ggü einem Dritten kann dagegen nicht auf eine Zustimmung geschlossen werden, weil der Dritte kein geeigneter Adressat einer Zustimmung ist (BGH NJW 1953, 58; s auch Rn 3); zur Zustimmung durch Klageerhebung des Zustimmungsberechtigten, zB durch Klage auf Herausgabe des Erlöses (§ 816 I, II) RG 106, 45; BGH NJW 1972, 1197, 1199. Zur stillschw Genehmigung der Leistung an einen Nichtberechtigten BGH 109, 171; VersR 1974, 592. Zur schlüssigen Erteilung einer Genehmigung iSv §§ 1001, 1002 BGH NJW 2002, 2875 m Anm K. Schmidt JuS 2002, 1230, einer Genehmigung zur Prozessführung BGH NJW 1999, 3263. d) Bloßes Schweigen des Zustimmungsberechtigten ist idR eher als Ablehnung, jedenfalls nicht als 12 Zustimmung zu werten (MüKo/Schramm § 177 Rn 29 und § 182 Rn 11; Staud/Schilken § 177 Rn 11; Staud/Gursky Rn 11ff mwN). Ausnahmen können sich im Handelsverkehr nach den §§ 75h, 91a HGB und den Grundsätzen über das kaufmännische Bestätigungsschreiben ergeben; daran ändert es grds nichts, dass das an den Vertragspartner gerichtete Bestätigungsschreiben „zu Händen“ des vollmachtlosen Vertreters adressiert ist (BGH NJW 1964, 1951; 1990, 386; 2007, 987, 988). Außerhalb solcher Regelungen setzt eine Bewertung des Stillschweigens als Zustimmung regelmäßig voraus, dass der Zustimmungsberechtigte verpflichtet gewesen wäre, seine Ablehnung zu äußern. Das wird der Fall sein, wenn die Vertragschließenden den Zustimmungsberechtigten unterrichtet haben und eine Erklärung erwarten durfte (BGH WM 1964, 224; 1963, 528; DB 1976, 1573). Eine Bitte des Geschäftsbeteiligten an den Zustimmungsberechtigten um Äußerung allein genügt aber nicht ohne weiteres (BGH 47, 110, 113). Schweigen der Bank, deren Zustimmung zur Abtretung des Rückgewährsanspruchs der Sicherungsgrundschuld nach ihren AGB erforderlich ist, auf die Abtretungsanzeige des Notars ist ohne weitere Voraussetzung keine Zustimmung (BGH NJW 1990, 1601). Wird der Zustimmungsberechtigte nur von dritter Seite unterrichtet, so liegt in seinem Schweigen grds keine Genehmigung (BGH NJW 1951, 398). Ausnahmsweise kann ein jahrelanges Schweigen unter BerücksichtiG. Maier-Reimer

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§ 182

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

gung weiterer Umstände als Zustimmung gewertet werden (RG 137, 335, 339). In dem Schweigen eines Kaufmanns auf eine Wechselrückfrage kann eine Genehmigung der gefälschten oder ohne Vertretungsmacht abgegebenen Erklärung nur unter besonderen Bedingungen erblickt werden (RG 118, 335; 145, 87, 94f; s auch München NJW 1959, 1085; BGH 47, 110, 113). 13

e) Soweit danach die Voraussetzungen einer Zustimmung nicht vorliegen, kann die Berufung auf das Fehlen einer Zustimmung gegen Treu und Glauben verstoßen oder eine Haftung aus § 826 begründen (BGH 47, 110ff; MüKo/Schramm § 177 Rn 28; Staud/Gursky Rn 13 mwN). Nach der Anwendung von Rechtscheinsgrundsätzen wegen des Scheins einer Zustimmung (dazu Staud/Gursky Rn 19) besteht kein Bedürfnis, wenn ein Erklärungsbewusstsein mit der hM nicht mehr zum Minimaltatbestand einer Willenserklärung und damit auch einer Zustimmung gehört (Soergel/Leptien Rn 7).

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4. Rechtscheinseinwilligung. Auf die Einwilligung sind die §§ 170ff entspr anwendbar (BGH WM 1964, 224; Soergel Rn 10; Pal/Ellenberger Rn 3; Staud/Gursky § 183 Rn 17; auch MüKo/Schramm § 183 Rn 9, 12). Ob zusätzlich die Grundsätze über die Rechtscheinsvollmacht (§ 167 Rn 9ff) Anwendung finden, ist zweifelhaft (grds bejahend Staud/Gursky Rn 21; MüKo/Schramm Rn 13). Vom Sachverhalt her sind entspr Konstellationen praktisch nur bei dem Zustimmungserfordernis zur Aufsicht, insb des gesetzlichen Vertreters, vorstellbar (insoweit übereinstimmend MüKo/Schramm Rn 13). Für solche Fälle ist die Anerkennung aber mit dem Schutzzweck des Zustimmungserfordernisses schwerlich vereinbar. In den Fällen des Zustimmungserfordernisses wegen Mitbetroffenheit ist ein den Fällen der Rechtscheinsvollmacht vergleichbarer Sachverhalt kaum vorstellbar (MüKo/Schramm Rn 13; Staud/Gursky Rn 21).

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5. Zustimmung zu einem einseitigen Rechtsgeschäft. Auch eine solche Zustimmung ist formfrei gültig (Abs II). Doch ergibt sich aus Abs III iVm § 111 S 2 ein indirekter Formzwang, da der Erklärungsempfänger das einseitige Rechtsgeschäft unverzüglich zurückweisen und es dadurch unwirksam machen kann, wenn die erforderliche Einwilligung nicht in schriftlicher Form vorgelegt wird. Ist die vorgelegte Einwilligung von einem angeblich Bevollmächtigten unterzeichnet, gilt § 174 und über ihn § 182 III iVm § 111 S 2; die Zurückweisung nach § 174 schließt dann die nach § 111 S 2 ein (LAG Düsseldorf BB 2001, 2479). Die Zurückweisung ist nach Abs III iVm § 111 S 3 nur ausgeschlossen, wenn der Zustimmungsberechtigte den Erklärungsempfänger von der Zustimmung in Kenntnis gesetzt hatte. Auf die nach § 103 BetrVG erforderliche Zustimmung zur Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ist Abs III iVm § 111 S 2 und 3 weder unmittelbar noch analog anzuwenden, weil es sich nicht um eine rechtsgeschäftliche Zustimmung handelt und § 103 BetrVG iVm § 15 KSchG eine abschließende Sonderregelung enthält (BAG NJW 2004, 2612 mit eingehender Begründung gegen die bis dahin hM).

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Ob ein zustimmungsbedürftiges einseitiges Rechtsgeschäft ohne Einwilligung nichtig oder genehmigungsfähig ist, ist str. Abs III verweist nur auf § 111 S 2 und 3. Dennoch halten die Rspr und die wohl noch hL das ohne Einwilligung vorgenommene einseitige Rechtsgeschäft für unheilbar nichtig, da einseitige Gestaltungsgeschäfte keinen Schwebezustand vertrügen (RG 146, 314, 316; BGH 114, 360, 366; NJW 1997, 1150, 1151f; Soergel/Leptien Rn 12; relativierend zur Nachfristsetzung BGH NJW 1998, 3058, 3060; 2000, 506, 507: jedenfalls keine Rückwirkung, wenn die Frist bei Genehmigung bereits verstrichen ist). Ein allg Rechtsgrundsatz, wonach bei einseitigen Gestaltungsgeschäften ein Schwebezustand nicht möglich sei, ist jedoch nicht anzuerkennen. § 180 S 2, 3 beweist, dass es ihn nicht gibt. Die Besonderheit einseitiger Rechtsgeschäfte liegt nicht in ihrer Gestaltungswirkung, sondern darin, dass der Adressat daran nur passiv beteiligt ist und deshalb eines besonderen Schutzes bedarf (s § 174 Rn 1). Mit der zunehmenden Auffassung ist deshalb § 180 S 2, 3 analog anzuwenden (MüKo/Schramm Rn 28; Staud/Gursky Rn 47 mwN; ohne Problematisierung auch Frankfurt v 23.6.2009, – 8 U 130/07, Tz 32, 34, juris), soweit nicht aufgrund ausdr Vorschrift oder wegen Besonderheiten der Materie nur die Einwilligung genügt (so für die Zustimmung des Betriebsrats gem §§ 15 I KSchG, 103 BetrVG, BAG DB 1977, 1190, 1191). Zur Genehmigungsfähigkeit amtsempfangsbedürfiger einseitiger Rechtsgeschäfte s § 180 Rn 4.

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6. Verweigerung der Zustimmung. Die Verweigerung der Einwilligung hat keine rechtsgestaltende Wirkung. Sie ist jederzeit „widerruflich“, dh die Zustimmung kann (als Einwilligung oder Genehmigung) danach ohne weiteres erteilt werden (MüKo/Schramm Rn 19; Soergel/Leptien Rn 6). Die Verweigerung der Genehmigung dagegen hat rechtsgestaltende Wirkung. Sie ist, wie die Erteilung der Genehmigung, eine empfangsbedürftige Willenserklärung und zugleich Rechtsgeschäft (RG 139, 118, 125; BGH NJW 1982, 1099; MüKo/Schramm Rn 20; aM: nur geschäftsähnlich Staud/Gursky Rn 35 mwN). Sie kann auch durch schlüssiges Verhalten zum Ausdruck gebracht werden (BGH NJW 1982, 1099; allg M, s auch Rn 8ff), ist nicht widerruflich (Vor § 182 Rn 15) und wie die Zustimmung (dazu Vor § 182 Rn 13) nach §§ 119, 123 anfechtbar (Soergel/Leptien Rn 6 und § 184 Rn 2). Die Verweigerung setzt Kenntnis des Abschlusses des zu genehmigenden Geschäfts, seiner Art und seines wesentlichen Inhalts voraus (BGH NJW 1982, 1099, 1100). Auch für eine konkludente Verweigerung ist Eindeutigkeit des Verweigerungswillens erforderlich. Die Klage des Eigentümers gegen den früheren Besitzer aus §§ 989, 990 und der Versuch der Sicherstellung gestohlenen Guts bei dem späteren Besitzer enthalten deshalb keine schlüssige Verweigerung der Genehmigung der unberechtigten Verfügung und schließen deshalb die Klage aus § 816 I S 1 nicht aus (BGH NJW 1968, 1326).

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7. Beweislast. Die Beweislast für das Zustimmungserfordernis trägt derjenige, der sich auf das Erfordernis beruft. Die Beweislast für die Zustimmung trägt dann derjenige, der sich auf die Zustimmung beruft. Wer demgegenüber behauptet, eine Genehmigung sei ins Leere gegangen, weil sie vor-

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G. Maier-Reimer

Einwilligung und Genehmigung

§ 183

her verweigert und das Geschäft dadurch endgültig unwirksam geworden sei, trägt hierfür die Beweislast (BGH NJW 1989, 1728).

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Widerruflichkeit der Einwilligung Die vorherige Zustimmung (Einwilligung) ist bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts widerruflich, soweit nicht aus dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis sich ein anderes ergibt. Der Widerruf kann sowohl dem einen als dem anderen Teil gegenüber erklärt werden.

1. Bedeutung. Einwilligung ist die dem zustimmungsbedürftigen Rechtsgeschäft vorausgehende 1 oder zugleich mit dessen Vornahme erteilte Zustimmung. Sie schafft für den Einwilligungsempfänger die sonst nicht bestehende Möglichkeit, ein zustimmungsbedürftiges Rechtsgeschäft mit sofortiger Wirksamkeit vorzunehmen. – Die Einwilligung zur Verfügung über ein Recht des Einwilligenden (§ 185) begründet für den Einwilligungsempfänger eine Rechtsmacht, die der Vollmacht verwandt ist; der Einwilligungsempfänger handelt allerdings im eigenen Namen, der Bevollmächtigte dagegen in fremdem Namen (§ 164 I). Zur Autorisierung mit Doppelnatur (München DB 1973, 1693; Naumburg NJW-RR 1999, 1462). Zum Inhalt und zur Rechtsnatur der Einwilligung Vor § 182 Rn 11ff; zu ihrer Wirkung Vor § 182 Rn 14. – Nicht hierher gehört die Einwilligung zu einer tatsächlichen Handlung (Vor § 182 Rn 4 zu dd). 2. Erlöschensgründe. Die Einwilligung erfüllt ihren Zweck nur, wenn sie bei Vornahme des Rechts- 2 geschäfts (noch) wirksam ist. Als Erlöschensgrund nennt § 183 nur den Widerruf. Wie die Vollmacht kann sie aber auch aus anderen Gründen erlöschen: nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis oder aufgrund einer für die Einwilligung selbst bestimmten auflösenden Bedingung oder Befristung (§ 168 Rn 2). Unberührt bleibt die Einwilligung dagegen vom Tod oder von einer nachträglichen Geschäftsunfähigkeit des Einwilligenden, sofern das zugrunde liegende Rechtsgeschäft nichts anderes ergibt. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Einwilligenden sind §§ 80ff InsO zu beachten, wenn das zustimmungsbedürftige Geschäft die Insolvenzmasse betrifft. Die Einwilligung (Ermächtigung) wird gegenstandslos, wenn der Ermächtigende die Rechtsstellung, auf der die Ermächtigung beruht, verliert (MüKo/Schramm Rn 6). Ob die Einwilligung mit dem Tod des Ermächtigten erlischt, hängt wie bei der Vollmacht (§ 168 Rn 10) von dem Kausalverhältnis ab (MüKo/ Schramm Rn 5). Beruht die Einwilligung nicht auf einem grds fremdnützigen Verhältis, wie zB einer Geschäftsbesorgung, sondern sollte sie dem Ermächtigten eine eigene Rechtsposition geben, wie die Ermächtigung des Vorbehaltskäufers zu Weiterveräußerung, oder diente sie der Verwirklichung eines Leistungsanspruchs, so geht sie auf den Erben über (MüKo/Schramm Rn 5; s auch § 168 Rn 10). 3. Widerruf als Erlöschensgrund. a) Grds ist die Einwilligung bis zur Vornahme des Rechtsge- 3 schäfts wie eine Vollmacht (§ 168 S 2) frei widerruflich (Satz 1). Bei mehraktigen Rechtsgeschäften ist der Widerruf bis zur Verwirklichung des letzten Tatbestandselement widerruflich (BGH 14, 114, 118f; MüKo/Schramm Rn 1; Staud/Gurksy Rn 10; Soergel/Leptien Rn 3). Nach zT vertretener Auffassung soll die Einwilligung zu Grundstücksgeschäften nur bis zur Bindung an die Einigung gem § 873 II widerruflich sein (Soergel/Leptien Rn 3; MüKo/Schramm Rn 10 unter unzutr Berufung auf BGH NJW 1963, 36; dagegen Staud/Gursky Rn 10; unentschieden BGH NJW 1996, 1482, 1484: Zustimmung bis zur Bindung nach § 873 II frei widerruflich, ohne Aussage über die Zeit danach). Zum Widerruf einer Einwilligung gem § 5 ErbbauRG i Erg ebenso, aber aufgrund § 878: BGH NJW 1963, 36 (zust Staud/Gursky Rn 10). Nach dem Widerruf einer Verfügungsermächtigung sollten §§ 175f analog angewendet werden (§ 175 Rn 1). b) Der Widerruf ist wie die Einwilligung selbst eine empfangsbedürftige Willenserklärung und kann 4 wie sie (§ 182 I S 2) ebenfalls sowohl ggü dem Einwilligungsempfänger als auch ggü dem anderen Teil erklärt werden (Satz 2). Die Möglichkeit und die zeitlichen Grenzen des Widerrufs gelten auch für die Einwilligung im Verfahrensrecht. Bsp: Bei der gewillkürten Prozessstandschaft kann die Einwilligung nur bis zur Klageerhebung widerrufen werden (RG 164, 240, 242; MüKo/Schramm Rn 11). Die Einwilligung an den Notar, dem Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung zu erteilen, kann nicht mehr widerrufen werden, wenn der Gläubiger die Ausfertigung erhalten hat (BayObLG DNotZ 2003, 847; Staud/Gursky Rn 12). Zum Widerruf einer Zustimmung zu einer baulichen Veränderung Düsseldorf NZM 2006, 702 m Anm Becker IBR 2006, 161. c) In einigen Fällen ist die Einwilligung kraft Gesetzes unwiderruflich. Bsp für gesetzlichen Wider- 5 rufsausschluss: §§ 876, 880 II und III, 1071 I, 1178 II, 1183, 1245 I, 1255 II, 1276 I, 1516 II, 1517 I, 1750 II, 2291 II. Die Zustimmung bewirkt in diesen Fällen den Verlust eines Rechts, nämlich des Rechts auf Mitwirkung; sie ist deshalb selbst Verfügung (Flume § 55; s Einl § 104 Rn 25). d) Der Widerruf kann ferner auch durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen sein. Wie bei der Voll- 6 macht (§ 168) ist für die Widerruflichkeit das zugrunde liegende Rechtsverhältnis maßgeblich; für den Ausschluss des Widerrufs gelten deshalb allg dieselben Grundsätze wie für die unwiderrufliche Vollmacht (MüKo/Schramm Rn 15; Pal/Ellenberger Rn 2; s dazu § 168 Rn 16ff). Wegen der Verschiedenheit der Ausgangslage wirken sich die Grundsätze jedoch unterschiedlich aus. Beruht das Zustimmungserfordernis auf Aufsichtsrecht oder -pflicht (Vor § 182 Rn 1), ist die Einwilligung stets widerruflich, weil eine Verpflichtung zur Einwilligung pflichtwidrig wäre (Flume § 55). Beruht das Zustimmungserfordernis dagegen auf Rechts- oder Interessenbeteiligung (Vor § 182 Rn 1), so fällt namentlich die Annahme eines konkludenten Ausschlusses des Widerrufsrechts leichter als bei der Vollmacht. Ein konkludenter Ausschluss des Widerrufs wurde angenommen für die Veräußerungsermächtigung an den Vorbehaltskäufer (BGH NJW 1969, 1171); für die Einziehungsermächtigung bei der stillen Sicherungszession (München BB 1985, 2270 gegen BGH 82, 283, 290). Auch die unwiderrufG. Maier-Reimer

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§ 183

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

liche Einwilligung kann wie die unwiderrufliche Vollmacht aus wichtigem Grund widerrufen werden (Soergel/Leptien Rn 4; MüKo/Schramm Rn 15; s auch BGH NJW 1969, 1171). In der Zustimmung zur Sicherungsabtretung einer Kommanditbeteiligung liegt zugleich die – unwiderrufliche – Zustimmung zur Rückabtretung nach Erreichung des Sicherungszwecks, die nicht aus Gründen in der Person des Rückzessionars widerrufen werden kann (BGH 77, 392, 396ff). 7

4. Wirkung. Der Widerruf bewirkt das Erlöschen der Einwilligung, so dass das zustimmungsbedürftige Geschäft ohne erneute Einwilligung oder Genehmigung nicht wirksam vorgenommen werden kann. Allerdings muss der Dritte, dem ggü die Einwilligung erklärt und der Widerruf nicht angezeigt wurde, in seinem guten Glauben an das Bestehen der Einwilligung wegen des Rechtsscheins geschützt werden; §§ 170–173 sind wegen der vergleichbaren Interessenlage entspr anzuwenden; (BGH WM 1964, 224; MüKo/Schramm Rn 9 mwN und 12; Staud/Gursky Rn 17). Der Widerruf der Einwilligung schließt eine erneute Einwilligung ebenso wenig aus, wie eine spätere Genehmigung.

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Rückwirkung der Genehmigung (1) Die nachträgliche Zustimmung (Genehmigung) wirkt auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. (2) Durch die Rückwirkung werden Verfügungen nicht unwirksam, die vor der Genehmigung über den Gegenstand des Rechtsgeschäfts von dem Genehmigenden getroffen worden oder im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder durch den Insolvenzverwalter erfolgt sind. 1. Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Genehmgiung und gutgläubiger Erwerb . . . .

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4. Schwebezustand . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wirkung der Genehmigung . . . . . . . . . . . 6. Bestand von Zwischenverfügungen . . . . . . .

9 12 17

1

1. Genehmigung. a) Genehmigung ist die nachträgliche Zustimmung. Sie ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, gem § 182 II grds an keine Form gebunden (§ 182 Rn 4ff) und kann ausdr oder konkludent erklärt werden (§ 177 Rn 14f; § 182 Rn 8ff). Sie wird wirksam mit dem Zugang gem §§ 130ff (Vor § 182 Rn 12) und kann gem § 182 I sowohl dem einen wie dem anderen Teil ggü erklärt werden (§ 182 Rn 1–3). Dass die Genehmigung auf Antrag erteilt worden wäre, genügt nicht (BGH NJW 1972, 940 zur kommunalrechtlichen Vertretung; Soergel/Leptien Rn 1).

2

b) Die Genehmigung ist grds unwiderruflich (BGH 40, 164; Soergel/Leptien Rn 2; MüKo/Schramm Rn 2 und § 182 Rn 32). Das ergibt sich daraus, dass die Erteilung der Genehmigung unmittelbar rechtsgestaltend das schwebend unwirksame Geschäft wirksam macht. Celle (RdL 1954, 46) und Köln (RdL 1954, 71) lassen den Widerruf der (öffentlich-rechtl) Genehmigung uU zu, wenn sie erschlichen wurde, dagegen Riedel JZ 1955, 110. Die Genehmigung kann aber nichtig oder anfechtbar sein (Vor § 182 Rn 13). Ob eine öffentlich-rechtl Genehmigung zurückgenommen oder widerrufen werden kann, richtet sich nach öffentlichem Recht. Zur Unwiderruflichkeit der Genehmigungsverweigerung Vor § 182 Rn 15.

3

c) Gegenstand der Genehmigung ist das zustimmungsbedürftige und zustimmungsfähige Rechtsgeschäft (zur Genehmigungsfähigkeit einseitiger Rechtsgeschäfte § 182 Rn 16). Eine mit Änderungen und Vorbehalten versehene Genehmigung kann durch Auslegung als Teilgenehmigung gedeutet werden, wenn das Geschäft teilbar ist und die Beteiligten es auch ohne den nicht genehmigten Teil vorgenommen hätten (§ 139; MüKo/Schramm Rn 10 und § 177 Rn 40; Hamm DNotZ 2002, 266, 267; s auch § 177 Rn 16 und Vor § 182 Rn 14); sie kann aber auch als (endgültige) Versagung der Genehmigung auszulegen sein. Gilt sie als Verweigerung, so liegt darin idR die Einwilligung zu einem neuen, der eingeschränkten „Genehmigung“ entspr Vertragsschluss (KG HRR 1941, Nr 853 zur Grundstücksverkehrsgenehmigung zu einem anderen Preis; MüKo/Schramm Rn 10). Zur nichtigen Genehmigung (gem § 17 aF GmbHG) s Liese GmbHR 2005, 1460.

4

d) § 184 gilt entspr für die Genehmigung von Prozesshandlungen, etwa einer nicht postulationsfähigen Person (BGH 111, 339, 343ff mN), oder – auch im Verwaltungsverfahren (dazu BVerwG NJW 1999, 3357) – eines Vertreters ohne Vertretungsmacht (BGH NJW 1967, 2304 – Vererblichkeit des rechtshängigen Anspruchs aus § 847 aF, dazu aber BGH 69, 323; GSoBG in BGH 91, 111 zur Möglichkeit der Genemigung in der Revisionsinstanz; BGH NJW 2010, 2886). Genehmigungsfähig ist auch ein ohne Vertretungsmacht gestellter Insolvenzantrag (BGH NZG 2003, 583). Die Genehmigung nur einzelner Verfahrenshandlungen eines vollmachtlosen Vertreters im Prozess ist jedoch unwirksam, da die Prozessführung als einheitliches Ganzes zu werten und deshalb nur insgesamt genehmigungsfähig ist (BGH 92, 137).

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2. Zuständigkeit. § 184 regelt nicht, welcher Zeitpunkt für die Zuständigkeit für die Genehmigung maßgeblich ist. Bei einem Zustimmungserfordernis nach Aufsichtsrecht (Vor § 182 Rn 1) muss der Genehmigende im Zeitpunkt der Genehmigung das Zustimmungsrecht haben (unstr; BaRo/Bub Rn 5). Nach hM muss grds auch in den Fällen der Mitbetroffenenheit, insb der Genehmigung der Verfügung eines Nichtberechtigten, der Genehmigende die Verfügungsmacht im Zeitpunkt der Genehmigung haben, da die Genehmigung mit ihrer Rückwirkung nicht ihre eigenen Voraussetzungen schaffen könne (BGH 107, 340; Flume § 57, 3a; Soergel/Leptien Rn 7; Staud/Gursky Rn 23f; MüKo/ Schramm Rn 25; aM RGRK/Steffen Rn 6; BaRo/Bub Rn 11; Pfister JZ 1969, 623; Finkenauer AcP 203, 282, 288ff, 302f). Das Erfordernis der Verfügungsmacht im Zeitpunkt der Genehmigung soll sich aus der Natur der Sache ergeben. Das soll sogar für die Genehmigung gem § 177 gelten (RG 134, 283, 286ff; MüKo/Schramm Rn 22). Wegen Abs II kommt es auf die Frage nur an, wenn der zunächst Be556

G. Maier-Reimer

Einwilligung und Genehmigung

§ 184

rechtigte die Verfügungsmacht anders als durch eigene Verfügung verloren hat. Das Gesetz lässt beide Auslegungen zu; maßgeblich sollte es daher auf die Sachgerechtigkeit und Konsistenz der Ergebnisse ankommen (RGRK/Steffen Rn 6). Danach muss es auf die Zuständigkeit im Zeitpunkt der Vornahme des Hauptgeschäfts ankommen, nicht wegen der Rückwirkung der Genehmigung, die deshalb auch nicht ihre eigenen Voraussetzungen schaffen muss, sondern deshalb, weil die Verfügung des Nichtberechtigten in das Recht des zu ihrem Zeitpunkt Berechtigten eingreift. Die Genehmigungszuständigkeit ist auch unabhängig von den Gutglaubensvorschriften (dazu Rn 8) und von der Rückwirkung zu beantworten (anders RG 134, 283, 286ff, dazu Finkenauer AcP 203, 282, 288ff). Nach der hL ist Abs II überflüssig und allenfalls für den Fall von Zwischenverfügungen, die das 6 Recht nicht übertragen, insb also für dingliche Belastungen, relevant. Die hL muss ferner eine Ausnahme für den Fall machen, dass der Gegenstand untergegangen ist oder durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung seine selbständige Existenz verloren hat (BGH 56, 131 – der die allg Frage unentschieden lässt; Staud/Gursky, Rn 25; MüKo/Schramm Rn 25f; Pal/Ellenberger Rn 3) oder durch Ersitzung auf den Erwerber übergegangen ist (Staud/Gursky Rn 26, str); sie kann die Rückwirkung erst ab dem Zeitpunkt des späteren Erwerbs des Genehmigenden eintreten lassen (MüKo/ Schramm Rn 25; Soergel/Leptien Rn 7; Staud/Gursky Rn 27) und kann für die Zeit bis dahin keine Genehmigung zulassen (Staud/Gursky Rn 29, 59). Die Genehmigungszuständigkeit des vollmachtlos Vertretenen gem § 177 kann entgegen der hL ohne Vermengung des Fehlens der Vertretungsmacht und des Fehlens der Verfügungsmacht nicht bezweifelt werden (Finkenauer AcP 203, 282, 288ff). Kommt es auf die Sachberechtigung im Zeitpunkt des Hauptgeschäfts an, so bedarf es keiner (inkonsequenten) Ausnahme für den Fall des Untergangs des Gegenstands. Nur dann löst sich sachgerecht auch der Fall, dass der Begünstigte der Erstverfügung das Recht wirksam überträgt, zB wenn er das Recht wegen Bösgläubigkeit nicht erworben, es dann aber an einen Gutgläubigen wirksam übertragen hat. Der usrpünglich Berechtigte kann nach der hier vertretenen Auffassung die Erstverfügung genehmigen. Der Begünstigte der Zweitverfügung hat dann vom Berechtigten erworben. Er kann aber diese Lage nicht selbst durch Genehmigung der Erstverfügung herbeiführen. Zwischenerwerber werden durch Abs II geschützt, der seine volle Bedeutung behält. Anderes muss für das Zustimmungsrecht nur mittelbar Betroffener gelten, wie zB bei den Zustim- 7 mungserfordernissen nach § 5 ErbbauRG, §§ 876, 1276 I BGB (BaRo/Bub Rn 5; Staud/Gursky Rn 23). Die Differenzierung rechtfertigt sich aus der Unterschiedlichkeit der Betroffenheit, denn die zustimmungsbedürftige Verfügung greift nicht in das mittelbar betroffene Recht ein. Deshalb käme auch ein Schutz von Zwischenerwerbern dieses Rechts gem Abs II nicht in Betracht (anders Finkenauer AcP 2003, 282, 306: Relative Unwirksamkeit ggü dem Begünstigten der Zwischenverfügung). Die Übertragung dieses Rechts umfasst daher auch das Recht zur Zustimmung. 3. Genehmigung und gutgläubiger Erwerb. Die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb vom 8 Nichtberechtigten (§§ 892f, 932ff) setzen grds voraus (Ausnahme § 892 II), dass der Rechtsscheinstatbestand und der gute Glaube in dem Zeitpunkt vorliegen, in dem der Rechtserwerb vollendet wäre, wenn der Verfügende berechtigt gewesen wäre (§ 892 Rn 33ff; § 932 Rn 13). Trotz der Rückwirkung der Genehmigung müssen diese Voraussetzungen nach hM noch im Zeitpunkt der Genehmigung vorliegen (§ 892 Rn 34; Pal/Bassenge § 892 Rn 25; aM MüKo/Schramm Rn 21; Soergel/Leptien Rn 5; RG 125, 53, 56; 142, 59, 63). Richtigerweise ist zu differenzieren: Bedarf es einer behördlichen Genehmigung oder besteht das Genehmigungserfordernis bei dem, dessen guter Glaube in Frage steht, so kommt es auf den guten Glauben bei Vornahme der maßgeblichen Handlung an (s auch BGH 10, 67, 73ff). Für den Schutz des vollmachtlos vertretenen Erwerbers kommt es auf den guten Glauben des Vertreters bei Abschluss und den des Vertretenen bei Genehmigung (§ 166 II) an (RG 161, 153, 161f; MüKo/Schramm Rn 20). Dagegen verlegt die Rückwirkung der Genehmigung des im Grundbuch eingetragenen vollmachtlos vertretenen Nichtberechtigten den maßgeblichen Zeitpunkt für den Gutglaubenserwerb nicht auf den Zeitpunkt der Vornahme des Hauptgeschäfts zurück (RG 134, 283, 286, 288 gegen RG 69, 263; aM Pfister JZ 1969, 623, 626, der auf den Wegfall der Gutglaubensvoraussetzungen Abs II analog anwenden will). Das liegt nicht daran, dass die Genehmigung nicht ihre eigenen Voraussetzungen schaffen kann (so RG 134, 283, 288), denn die Kompetenz des Vertretenen zur Genehmigung des Vertreterhandelns beruht nicht auf seiner Verfügungsbefugnis. Vielmehr liegt darin eine Einschränkung der Rückwirkung, die den öffentlichen Glauben des Grundbuchs nicht erreicht (RG 134, 283, 286; s auch RG 131, 97, 99ff). Es geht dabei um die Auslegung der Gutglaubensvorschriften (Lutter AcP 164, 122, 168f). 4. Schwebezustand. a) Bis zur Erteilung oder Verweigerung der Genehmigung ist das genehmi- 9 gungsbedürftige Rechtsgeschäft schwebend unwirksam (RG 64, 154). Die Parteien sind vorläufig an den Vertrag gebunden und können sich nicht einseitig davon lösen (BGH NJW 1993, 648, 651; Ausnahmen zB §§ 109, 178, 1830). Einvernehmliche Vertragsaufhebung ist möglich, aber nicht durch Vereinbarung mit dem Vertreter, der das Geschäft ohne Vertretungsmacht abgeschlossen hatte; mit dem beschränkt Geschäftsfähigen nur, wenn die Aufhebung ausschließlich vorteilhaft für ihn ist (MüKo/Schramm Rn 4; Soergel/Leptien Rn 4). Erfüllungsansprüche bestehen noch nicht (BGH 65, 123, 126; NJW 1993, 648, 651); schon für die Zeit des Schwebezustandes können aber einstw Erfüllungspflichten vereinbart werden (Bsp: BGH NJW 1999, 1329; 1999, 3040), soweit dies nicht dem Sinn des Genehmigungserfordernisses widerspricht (Armbrüster NJW 1999, 1306f). Die Beteiligten können überdies je nach Lage des Einzelfalles aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis und/oder nach Treu und Glauben verpflichtet sein, sich zumutbar um die Genehmigung zu bemühen und alles zu unterlassen, was die Erteilung gefährden könnte (RG 129, 357, 376; BGH BB 1956, 869; BVerwG NJWRR 1986, 756; 758; Soergel/Leptien Rn 4). Nicht in Betracht kommen kann eine derartige VerpflichG. Maier-Reimer

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§ 184

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

tung bei § 108 für den beschränkt Geschäftsfähigen und bei § 177 für den ohne Vertretungsmacht Vertretenen. 10

b) Für die Genehmigung besteht keine gesetzliche Frist. Der Vertragspartner desjenigen, dessen Erkärung zustimmungsbedürftig ist, kann jedoch analog §§ 108 II, 177 II, 1366 III durch Aufforderung an den Zustimmungsberechtigten eine Frist in Gang setzen (heute wohl hL; Soergel/Leptien Rn 4; MüKo/Schramm Rn 9; s aber KG KGRp 1998, 144, 145). Das kann aber nicht für eine behördliche Zustimmung gelten. Zu weiteren Sorgfalts- und Treuepflichten während der Schwebezeit s RG 114, 155, 159f. IÜ darf die Einholung der Genehmigung nicht länger als erforderlich hinausgeschoben werden; maßgeblich für die angemessene Dauer ist die Parteivereinbarung (vgl RGRK/Steffen Rn 4). Es ist eine Frage der Auslegung, ob nach Ablauf einer angemessenen Frist der andere Teil ein Rücktrittsrecht hat oder – ausnahmsweise – sogar endgültige Unwirksamkeit des Vertrags auch ohne Rücktritt anzunehmen ist (BGH Warn Rspr 1969 Nr 182 – mehr als 30 Jahre und fundamentale Veränderung der Verhältnisse; s auch BGH NJW 1993, 648, 651; anders hins der endgültigen Unwirksamkeit MüKo/ Schramm Rn 8). Nach zT vertretener Ansicht soll der Vertragspartner analog §§ 109, 178, 1366 II bis zur Genehmigung ohne weiteres widerrufen können, wenn er das Genehmigungserfordernis nicht kannte (MüKo/Schramm Rn 5).

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c) Verträge, die der behördlichen Genehmigung bedürfen, können uU noch nach Ablauf der Vertragszeit (ggf mit Rückwirkung) genehmigt werden (BGH BB 1956, 385; WM 1958, 358). Solange zu einem Rechtsgeschäft einer kommunalen Selbstverwaltungskörperschaft eine mit Außenwirkung erforderliche Genehmigung der (staatlichen) Aufsichtsbehörde fehlt, ist das Rechtsgeschäft ebenfalls schwebend unwirksam (vgl – auch zur Haftung wegen cic bzw GoA – BGH 142, 51, 53ff m krit Anm Singer JZ 2000, 153ff und BGH 157, 168, 175ff).

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5. Wirkung der Genehmigung. a) Die Genehmigung macht das schwebend unwirksame Geschäft voll wirksam. Die Genehmigung wirkt zurück auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts, sofern nicht ein anderes bestimmt ist (Abs I). Die Wirksamkeitsvoraussetzungen richten sich grds nach dem Zeitpunkt der Vornahme des Geschäfts (Soergel/Leptien Rn 5). Das gilt sowohl für das obligatorische als auch für das dingliche Geschäft. Auch die Genehmigung der Auflassung wirkt zurück. Da zum Erwerb des Eigentums an einem Grundstück auch die Eintragung gehört, führt die Genehmigung allerdings nicht zum Eigentumsübergang, wenn die Eintragung vor der Genehmigung durch Berichtigung gelöscht wurde (RG 131, 99; JW 1931, 2726; BGH LM Nr 7 zu § 107). Hat dagegen der Erwerber das Grundstück weiterveräußert und ist der neue Erwerber bereits als Eigentümer eingetragen, steht dem rückwirkenden Eigentumserwerb des Ersterwerbers durch die Genehmigung nichts entgegen (so ohne Abgrenzung von den vorgenannten Fällen RG Gruch 67, 552). Ob die Rückwirkung steuerrechtlich anzuerkennen ist, hängt von Auslegung und Zweck der einzelnen Steuervorschrift ab (BFH BStBl II 2002, 10). Überwiegend wird sie nicht anerkannt, zB nicht für Verkehrsteuern (BFH BStBl II 1999, 606; s § 14 Nr 2 GrEStG), nicht für die Berechnung der Spekulationsfrist gem § 23 EStG (BFH BStBl II 2002, 10), nicht für die Entstehung der Schenkungsteuer (BFH NV 2006, 551) und nicht für den Zeitpunkt des Steuertatbestandes gem § 17 EStG (BFH v 29.5.2009 – IX B 23/09, juris).

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b) Die Wirkungen einer öffentlich-rechtl Genehmigung zu einem Rechtsgeschäft sind in erster Linie den für sie maßgebenden Rechtsvorschriften zu entnehmen (Vor § 182 Rn 8). I Erg ist Rückwirkung die Regel, da Abs I als Ausdruck eines allg Rechtsgedankens verstanden wird (BGH 32, 283, 289f; NJW 1969, 1245, 1246; MüKo/Schramm Vor § 182 Rn 27). Die Rückwirkung kann gem § 159 auch gewollt sein, wenn die Parteien den genehmigungsbedürftigen Vertrag ausdr unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen haben, dass die behördliche Genehmigung erteilt wird (Braunschweig MDR 1949, 552). Ein „vorbehaltlich der behördlichen Genehmigung“ geschlossener Vertrag ist sofort voll wirksam, wenn eine Genehmigung nicht erforderlich ist und deshalb nicht erteilt werden kann (BGH RdL 1953, 326). Die Erklärung der zuständigen Behörde, es liege kein genehmigungspflichtiger Fall vor („Negativattest“), kann uU der Erteilung der Genehmigung gleichgesetzt werden (Vor § 182 Rn 10).

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c) Keine Rückwirkung tritt ein, wenn etwas anderes bestimmt ist (Abs I). aa) Die andere Bestimmung kann durch Vereinbarung in dem genehmigungsbedürftigen Geschäft getroffen werden. Die Genehmigung wirkt dann wie der Eintritt einer aufschiebenden Bedingung (MüKo/Schramm Rn 28; Staud/Gursky Rn 40). Es bleibt aber vorrangig bei der Anwendung des § 184 ggü den §§ 160–162 (MüKo/Schramm Rn 28). Einseitig kann der Genehmigende nicht auf die Rückwirkung verzichten, weil er damit ein anderes als das abgeschlossene Geschäft genehmigen würde (str; wie hier MüKo/ Schramm Rn 29; Staud/Gursky Rn 42 mwN). Wird die Genehmigung durch Urt erzwungen (§ 894 ZPO), so wirkt sie nicht zurück (BGH 108, 380, 384, dessen Begründung aber die Möglichkeit einseitigen Ausschlusses der Rückwirkung impliziert; dazu K Schmidt DNotZ 1990, 708, 711).

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bb) Die Rückwirkung ist ferner ausgeschlossen, wenn sie über den Sinn des § 184 hinausginge (s dazu auch Rn 8). Insb gilt das, wenn die Rückwirkung im Widerspruch zum Gesetzeszweck zur Verkürzung oder zum Abschneiden von Fristen führen würde. Erst mit dem Zugang der Genehmigung kann der Schuldner in Verzug geraten (Rostock NJW 1995, 3127, 3128; MüKo/Schramm Rn 12a, 13). Allerdings wirkt bei Vereinbarung einer kalendermäßig bestimmten Leistungszeit (§ 286 II Nr 1) auch eine erst kurz vor dem Leistungszeitpunkt erteilte Genehmigung zurück (BGH NJW 2001, 365, 366 m Anm Löwisch LM § 284 Nr 46); wird die Genehmigung aber erst nach dem vereinbarten Leistungstermin erklärt, so bedarf es der Mahnung (Karlsruhe NJW-RR 1986, 57). Den Lauf der Verjährungsfrist oder einer anderen Frist kann die Genehmigung nicht rückwirkend in Gang setzen. Der Beginn der Verjährung setzt vielmehr voraus, dass der Anspruch auch geltend gemacht werden kann (MüKo/ 558

G. Maier-Reimer

Einwilligung und Genehmigung

§ 184

Schramm Rn 12a mwN; RG 65, 247). Auf die „Genehmigung“ einer Abtretung unter Verstoß gegen § 399 ist § 184 nicht anzuwenden; sie ist keine Zustimmung iSd §§ 182ff, sondern Einverständnis mit der Aufhebung des Abtretungsverbots; gegen eine analoge Anwendung sprechen Gründe der Rechtssicherheit (BGH 108, 172, 177ff; aM Soergel/Leptien § 185 Rn 19). cc) Die Rückwirkung der privatrechtlich erforderlichen Genehmigung hat nicht zur Folge, dass es 16 für die Kenntnis der Benachteiligungsabsicht gem § 3 AnfG nur auf den Zeitpunkt des Hauptgeschäfts ankäme und Kenntnis im Zeitpunkt der Genehmigung unschädlich wäre (RG 88, 216; aM BGH WM 1958, 1417, 1419 für die devisenrechtliche Genehmigung) oder Fristen für die Gläubigeranfechtung bereits mit der Vornahme des Hauptgeschäfts zu laufen begännen; sie beginnen jedenfalls im Fall einer privatrechtlich erforderlichen Genehmigung erst mit dieser (BGH NJW 1979, 102). Dagegen soll die bei dem Genehmigenden erst im Zeitpunkt der Genehmigung bestehende Kenntnis nicht für die Arglist genügen (Düsseldorf NJW-RR 1997, 718 – zweifelhaft, s § 166 Rn 38). Zum Verhältnis Rückwirkung und Gutglaubensschutz s Rn 8. Ob die Rückwirkung für den zeitlichen Anwendungsbereich öffentlich-rechtl Eingriffsnormen zu berücksichtigen ist, hängt von deren Auslegung ab (s zB KG HRR 1941 Nr 852 – Genehmigungserfordernis – einerseits und BGH 32, 383 – gesetzliches Vorkaufsrecht – andererseits). Die Fristen nach dem Verbraucherschutzrecht beginnen erst mit der Genehmigung zu laufen (zu der bis 31.12.2001 geltenden Rechtslage BGH 129, 371). Die Genehmigung kann nicht durch Rückwirkung die Folgen der Versäumung einer Ausschlussfrist oder eines Fristablaufs bei fristgebundenen Rechtsgeschäften außer Kraft setzen, sondern muss innerhalb der vorgesehenen Frist erfolgen (BGH 32, 375, 382 Frist zur Ausübung gesetzlichen Vorkaufsrechts; BGH NJW 1973, 1789 für das befristete Vertragsangebot, dazu § 177 Rn 21; BVerwG NJW 1999, 3357, 3358 für Ausschlussfrist nach § 30 VermG; s auch Brandenburg MDR 2000, 1306 – keine rückwirkende Genehmigung einer fristlosen Kündigung bei einem Vorstandsmitglied einer Genossenschaft); anders für die Frist gem § 651g I BGH NJW 2010, 2950. 6. Bestand von Zwischenverfügungen (Abs II). a) Bedeutung. Die Rückwirkung kann mit Ver- 17 fügungen kollidieren, die der Genehmigende während der Schwebezeit getroffen hat. Nach Abs II haben solche Zwischenverfügungen Vorrang vor der Rückwirkung, wenn sie von dem Genehmigenden oder gegen ihn im Wege der Zwangsvollstreckung getroffen wurden. Dieser Vorrang ist – anders als nach § 161 III – unabhängig vom guten Glauben des Begünstigten der Zwischenverfügung. Nach der hier vertretenen Auffassung zur Genehmigungszuständigkeit (Rn 5) bedarf es dieser Vorschrift; nach der hL ist die Vorschrift im Grunde überflüssig, weil dem Genehmigenden nach einer Zwischenverfügung die Genehmigungszuständigkeit fehle. Bedeutung hat die Vorschrift auch nach der hL, wenn sich der Genehmigende durch die Zwischenverfügung nicht des Rechts entäußert, sondern es nur belastet hat. Ist die Zwischenverfügung zugunsten derselben Person wie die – genehmigte – Erstverfügung erfolgt, so soll nach der hL Abs II nicht anwendbar sein (Soergel/Leptien Rn 12; MüKo/ Schramm Rn 36; aM Staud/Gursky Rn 56). Schulbeispiel: Nach Zahlung des Schuldners an einen Nichtberechtigten erlässt ihm der Gläubiger die Schuld in Unkenntnis der Zahlung und genehmigt diese später gem § 362 II (dazu Soergel/Leptien Rn 13; MüKo/Schramm Rn 36; aM Staud/Gursky Rn 55: Mit dem Erlass habe der Gläubiger die Genehmigungszuständigkeit verloren). b) Unmittelbarer Anwendungsbereich. Abs II gilt für Verfügungen, die der Genehmigende selbst 18 getroffen hat. Diese Identität besteht, wenn Genehmigung und Verfügung durch oder für dieselbe Vertragspartei erfolgt. Eine Verfügung des Genehmigenden ist es auch, wenn ein von ihm Bevollmächtiger die Verfügung vornimmt oder er der Verfügung eines Dritten zustimmt (MüKo/Schramm Rn 33; Staud/Gursky Rn 47, 48). Nicht anwendbar ist Abs II, wenn das Genehmigungserfordernis auf der Erwerberseite besteht oder es um eine behördliche oder gerichtliche Genehmigung geht. In diesem Fall verbleibt es bei der uneingeschränkten Rückwirkung, jedoch vorbehaltlich der Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb aufgrund der Zwischenverfügung (MüKo/Schramm Rn 38). Ebenfalls nicht unter Abs II fällt es, wenn der Genehmigende sein Recht nicht durch eigene Verfügung, sondern durch Verfügung eines Nichtberechtigten zugunsten eines Gutgläubigen verloren hat. War diese Verfügung durch einen Dritten getroffen, so bedeutet die Rückwirkung, dass die Ansprüche aus § 816 dem Begünstigten der genehmigten Erstverfügung zustehen. Der Verfügung des Genehmigenden steht gleich eine Verfügung im Wege der Zwangsvollstreckung, 19 Arrestvollziehung oder durch den Insolvenzverwalter. Voraussetzung dafür ist aber immer, dass sich diese Verfügung gegen den Genehmigenden richtet (RG 134, 121, 123; JW 1936, 2036; Stuttgart NJW 1954, 36; Soergel/Leptien Rn 12). c) Erweiternde Anwendung. In früheren Entscheidungen hat der BGH Abs II auf die Zustimmung 20 des Schuldners zu einer gem § 399 ausgeschlossenen Abtretung der Forderung angewandt und dabei die Zustimmung als Verfügung angesehen (BGH 40, 156, 163f; zust Soergel/Leptien Rn 11; MüKo/ Schramm Rn 37). Dies ist jedoch durch die neuere Rspr, die § 184 in diesen Fällen ausschließt, überholt (BGH 108, 172; s Rn 15). Danach hat die Genehmigung des Schuldners in diesem Fall keine Rückwirkung, sodass es auch nicht um eine entspr Anwendung des Abs II gehen kann. Mit der Zustimmung des Schuldners zu einer Abtretung verliert der Gläubiger die Forderung, sodass eine frührere Abtretung nicht mehr wirksam werden kann. Darüber hinaus kommt eine allg Anwendung des Abs II zum Schutz „wohlerworbener Rechte“ nicht in Betracht (RG JW 1936, 2063 m abl Anm H Lehmann; Soergel/Leptien Rn 11; MüKo/Schramm Rn 38 mwN). Zur entspr Anwendung bei genehmigungspflichtiger Abtretung sozialrechtlicher Ansprüche BSG NZS 2001, 104. d) Wirkung. Die Zwischenverfügung bleibt wirksam. Auf den guten Glauben des durch sie Begüns- 21 tigten kommt es nicht an. Wurde durch die Zwischenverfügung das Recht übertragen, so ist der durch die Erstverfügung Begünstigte aufgrund der Rückwirkung Berechtigter für die Zeit bis zu der G. Maier-Reimer

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§ 184

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

Zwischenverfügung. Da die Zwischenverfügung ihm ggü wirksam ist, steht ihm ggf ein Anspruch aus § 816 gg den Genehmigenden zu, der die Zwischenverfügung traf. Die hL kann eine solche zeitlich begrenzte Berechtigung des Begünstigten der Erstverfügung nicht annehmen, weil nach ihr dem Verfügenden bereits die Genehmigungsmacht fehlt (Staud/Gursky Rn 29, 59). Wurde mit der Zwischenverfügung das Recht belastet, so erwirbt der Begünstigte der Erstverfügung das belastete Recht (MüKo/Schramm Rn 32).

185

Verfügung eines Nichtberechtigten (1) Eine Verfügung, die ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand trifft, ist wirksam, wenn sie mit Einwilligung des Berechtigten erfolgt. (2) Die Verfügung wird wirksam, wenn der Berechtigte sie genehmigt oder wenn der Verfügende den Gegenstand erwirbt oder wenn er von dem Berechtigten beerbt wird und dieser für die Nachlassverbindlichkeiten unbeschränkt haftet. In den beiden letzteren Fällen wird, wenn über den Gegenstand mehrere miteinander nicht in Einklang stehende Verfügungen getroffen worden sind, nur die frühere Verfügung wirksam. I. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Gemeinsame Voraussetzungen 1. Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Des Nichtberechtigten . . . . . . . . . . . . . .

2 7

III. Einwilligung des Berechtigten, Abs I . . . . . . 1. Verfügungsermächtigung . . . . . . . . . . . . 2. Weitere Fälle der Ermächtigung . . . . . . . . .

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IV. Heilung, Abs II . . . . . . . . . . . . . 1. Genehmigung des Berechtigten . . . . 2. Nachträglicher Erwerb durch den Verfügenden . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beerbung des Verfügenden durch den Berechtigten . . . . . . . . . . . . . . . V. Kollisionsregel

. . . . . . . . . .

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. . . . .

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. . . . .

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. . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1

I. Bedeutung. In vier Fallgruppen kann gem § 185 eine Verfügung wirksam sein oder werden, obwohl dem Verfügenden das Recht, über das er verfügte, nicht zustand oder er nicht verfügungsbefugt war. Es sind die Fälle der Zustimmung (Einwilligung, Abs I, und Genehmigung, Abs II S 1, 1. Fall) und zwei Fälle der Konvaleszenz, nämlich Erwerb des Gegentands durch den Verfügenden (Abs II S 1, 2. Fall) oder Beerbung des Verfügenden durch den Berechtigten, wenn dieser unbeschränkt für die Nachlassverbindlichkeiten haftet (Abs II S 1, 3. Fall). Durch die Zustimmung wird die Verfügung (im Falle der Genehmigung aufgrund deren Rückwirkung, § 184) zum Zeitpunkt ihrer Vornahme wirksam, während die Konvaleszenz in dem 2. und 3. Fall des Abs II S 1 nur mit Wirkung ex nunc eintritt. Überträgt die Verfügung das Recht eines anderen auf den Erwerber, so bewirkt die Zustimmung den unmittelbaren Übergang (ohne Durchgangserwerb beim Verfügenden), während im Falle der Konvaleszenz durch Erwerb des Gegenstandes durch den Verfügenden dessen Zwischenerwerb für eine sog juristische Sekunde eintritt. Die Abgrenzung zum gutgläubigen Erwerb richtet sich nach der Priorität: Im Falle der Einwilligung kommt es auf die Gutglaubensvorschriften nicht mehr an. Ist die Verfügung aufgrund der Gutglaubensvorschriften wirksam geworden, so bedarf es der Heilung gem Abs II nicht mehr. Zur Rückabwicklung obligatorischer Geschäfte, deren Erfüllung gem § 185 wirksam war, s Braun ZIP 1998, 1469.

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II. Gemeinsame Voraussetzungen. 1. Verfügung. a) Verfügungen sind Rechtsgeschäfte, die unmittelbar auf ein bestehendes Recht einwirken, es verändern, aufheben oder übertragen (BGH 1, 294, 304; Einl § 104 Rn 21; Haedicke JuS 2001, 966). Gegenstand der Verfügung kann ein einzelnes Recht, gleich ob Schuld- oder Sachenrecht sein, aber auch ein ganzes Rechtsverhältnis (MüKo/Schramm Rn 8; Soergel/Leptien Rn 7). Auch einseitige Rechtsgeschäfte wie Kündigung, Rücktritt oder Aufrechnung sind Verfügungen (zur Anwendbarkeit von Abs II s aber Rn 6). Analog anwendbar ist § 185 auf die Einräumung eines obligatorischen Besitz- und Gebrauchsrechts (RG 80, 395, 397f; MüKo/ Schramm Rn 10; s aber BGH 84, 90, dazu krit Gursky JR 1983, 265, 266; anders BGH 114, 96, 100, der dies als Verpflichtungsermächtigung – dazu s Rn 18 – ablehnt; s auch § 816 Rn 4) oder Zurückbehaltungsrechts (RG 124, 28; Soergel/Leptien Rn 9), oder auf den vom Eigentümer des Stammgrundstücks gestatteten Grenzüberbau (BGH 15, 216, 219). Nicht unter § 185 fallen Verfügungen von Todes wegen (RG 111, 247, 251; Soergel/Leptien Rn 5). Keine Verfügung ist auch die rechtsgeschäftlich ausgelöste Gesamtrechtsnachfolge nach dem UmwG (BGH ZIP 1999, 447, 450). Zum Verfügungscharakter der Zustimmung s Einl § 104 Rn 25; § 185 ist aber zumindest entspr auf die Zustimmung anwendbar (BGH LM Nr 7 zu § 185 zur Einwilligung; Soergel/Leptien Rn 21, 26; MüKo/Schramm Rn 9).

3

b) § 185 gilt insgesamt auch für Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung in Sachen oder durch Insolvenzverwalter (RG 60, 70; BGH 56, 339, 351; Soergel/Leptien Rn 6; MüKo/Schramm Rn 16f; ausf zur Problematik K. Schmidt ZZP 87, 316ff). Dagegen ist die Pfändung einer Forderung, die dem Schuldner nicht zusteht, unheilbar unwirksam, weil ein Zahlungsverbot gem § 829 ZPO dann ins Leere geht; das gilt auch, wenn die Forderung des Schuldners vor der Pfändung still abgetreten war (München v 4.11.2003 – 20 U 3116/09, juris), und auch dann, wenn die Forderung des Schuldners vor der Pfändung an einen Dritten und von diesem nach der Pfändung wieder an den Schuldner zurück abgetreten wurde (BGH 56, 339, 350; NJW 2002, 755, 757; MüKo/Schramm Rn 17; aM KSchmidt ZZP 87, 316, 326ff; Medicus AT Rn 1034).

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c) Auf Prozesshandlungen ist § 185 nicht anwendbar (BGH NJW 1958, 338; m abl Anm Baur JZ 1958, 246; NJW 2004, 1043, 1044; MüKo/Schramm Rn 19). Ob § 185 auf die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung gem §§ 794 I Nr 5 anwendbar ist, ist str; verneinend BayObLG NJW 1971, 514, 515; Soergel/Leptien Rn 11 mwN; zurückhaltend MüKo/Schramm Rn 18). Des § 185 bedarf es 560

G. Maier-Reimer

Einwilligung und Genehmigung

§ 185

nicht, wenn sich der Grundstückserwerber unterwirft und die Unterwerfung erst gleichzeitig mit oder nach seiner eigenen Eintragung als Eigentümer eingetragen wird (Saarbrücken NJW 1977, 1202; s auch BGH 108, 372, 376). Die Eintragungsbewilligung (§ 19 GBO) ist zwar reine Verfahrenserklärung (Demharter GBO § 19 Rn 13), jedoch wird auf sie § 185 analog angewendet (Naunburg NJW-RR 1999, 1462; MüKo/Schramm Rn 15 mwN). Zur gewillkürten Prozessstandschaft s Rn 17. Die Genehmigung der Klage eines Nichtberechtigten durch den Berechtigten führt nicht rückwirkend zur Hemmung der Verjährung gem § 204 (BGH NJW 2004, 1043, 1044). d) Auf gesetzliche Pfandrechte ist § 185 nach hM nicht analog anwendbar (BGH 34, 122; NJW 1983, 5 2140; MüKo/Schramm Rn 11; Staud/Gursky Rn 93; aM Soergel/Leptien Rn 9); zu den gesetzlichen Pfandrechten nach §§ 397, 441, 464 HGB s Staud/Gursky Rn 90, 93. Erwirbt der Mieter/Besteller das Eigentum an dem Objekt später, so gelten §§ 562, 647 unmittelbar ohne Rückgriff auf § 185 II S 1, 2. Fall (MüKo/Schramm Rn 12; aM Staud/Gursky Rn 94: § 185 II 1, 2. Alt). e) Abs I ist auch anwendbar auf einseitige Rechtsgeschäfte (zB Aufrechnung; Kündigung, BGH 6 NJW 1998, 896, 897 m Anm Sternel EWiR 1998, 249; Ausübung der Wandelungsbefugnis alten Rechts, BGH 68, 118, 125; Zustimmung zu einer Verfügung, BGH LM § 185 Nr 7). Die unwirksame Abtretung unselbständiger Gestaltungsrechte kann sogar in die wirksame Ermächtigung zu ihrer Ausübung umgedeutet werden (BGH 68, 118, 125; NJW 1998, 896, 897). Dagegen ist Abs II nach hM unanwendbar, da einseitige Gestaltungsgeschäfte grds (Ausnahme vgl § 180 S 2, 3) keinen Schwebezustand vertrügen (Pal/Ellenberger Rn 2 mN; BGH 114, 360, 366; NJW 1997, 1150, 1151; s aber BGH LM Nr 7 zu § 185; s auch Schlechtriem EWiR 1994, 745); dazu § 182 Rn 16. 2. Die Verfügung muss von einem Nichtberechtigten vorgenommen werden. a) Das ist der Fall, 7 wenn der Verfügende nicht Inhaber des Rechts ist oder als Rechtsinhaber nicht verfügungsberechtigt ist (zB bei Testamentsvollstreckung – Düsseldorf NJW 1963, 162; Nachlassverwaltung – BGH 46, 221, 229; uU auch bei Vor- und Nacherbschaft – RG 110, 94, 95 und München FamRZ 1971, 93, 94). Nicht berechtigt ist auch, wer im maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr (BGH NJW 1990, 2678, 2680) oder noch nicht berechtigt ist. Verfügt der Vorbehaltskäufer allerdings über das ihm zustehende Anwartschaftsrecht, handelt er als Berechtigter(RG 140, 223, 225; BGH 20, 94; dazu G. und D. Reinicke MDR 1956, 596). Verfügen gemeinsam Berechtigte über den Gegenstand und ist die Mitwirkung des einen wegen seiner Geschäftsunfähgikeit nichtig, so haben die anderen als Nichtberechtigte verfügt (BGH NJW 1994, 1470, 1471). Als Nichtberechtigter verfügt auch der nicht voll Berechtigte, der die Grenzen seiner Verfügungsmacht überschreitet, indem er zB über ein belastetes Recht als unbelastetes verfügt oder als Mit- oder Gesamthandseigentümer allein über die gemeinschaftliche Sache verfügt (s auch RG 149, 19, 23f gegen RG 93, 292, 296). Veräußert der Grundstückseigentümer ein dem Haftungsverband des Grundpfandrechts unterliegendes Anwartschaftsrecht, so bleibt die Zubehörhaftung bestehen (BGH 35, 85). Für die lastenfreie Veräußerung gilt also § 185. Dagegen soll für die Aufhebung des Anwartschaftsrechts die Zustimmung des Grundpfandgläubigers nicht analog § 1276 erforderlich sein (BGH 92, 280, 289ff; aA Kollhosser JZ 1985, 370; Tiedtke NJW 1985, 1305). b) Nicht berechtigt ist auch der, dessen Verfügung wegen Verstoßes gegen ein Veräußerungsverbot 8 (§§ 135, 136) verstößt oder aus anderen Gründen relativ unwirksam ist, wie im Falle des § 883 II oder der §§ 2113ff (RG 154, 355, 367f; Soergel/Leptien Rn 18, 19). Nicht berechtigt iSv § 185 und auch iSv § 878 (RG 135, 378; BayObLG JZ 1961, 543) ist auch der Nichtberechtigte, der mit Zustimmung des Berechtigten handelt (MüKo/Schramm Rn 25). Dagegen ist § 185 nicht anwendbar auf den pflichtwidrig verfügenden Treuhänder (BGH ZIP 1999, 59 m krit Anm Jakobs ZIP 1999, 733). Der Alleingesellschafter einer GmbH, der neben seinen Anteilen auch die von der GmbH gehaltenen eigenen veräußert, handelt nach BGH NJW 2004, 365 nicht als Nichtberechtigter iSv § 816 (bedenklich; nur i Erg überzeugend, denn mit seinen Anteilen allein überträgt er 100 % der ausstehenden Anteile). Nicht unter § 185 fällt eine Verfügungsbeschränkung gem § 15 V GmbHG oder § 399. § 184 ist auf diese gar nicht (BGH 108, 172; str s Soergel/Leptien Rn 19) und auf jene unmittelbar anwendbar. c) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Berechtigung ist grds die Vollendung des Ver- 9 fügungstatbestandes, bei mehraktigen Erwerbstatbeständen also der letzte Akt (BGH LM § 185 Nr 6; MüKo/Schramm Rn 26f). Der maßgebliche Zeitpunkt wird jedoch ggf durch die Rückwirkung von Genehmigungen für andere Beteiligte und hins der Verfügungsbefugnis durch § 878 vorverlegt (MüKo/Schramm Rn 27f; Staud/Gursky Rn 17ff). Zum maßgebliche Zeitpunkt für die Berechtigung des Genehmigenden s § 184 Rn 5f. d) Berechtigter ist der Inhaber des Rechts, welches Gegentand der Verfügung ist oder durch diese 10 beeinträchtigt wird oder (im Falle des Fehlens der Verfügungsmacht) der Verfügungsberechtigte (MüKo/Schramm Rn 29; Soergel/Leptien Rn 20). e) § 185 ist nicht anwendbar, wenn der Handelnde im Namen des Berechtigten handelt; er muss al- 11 so entweder im eigenen Namen oder im Namen eines ebenfalls Nichtberechtigten gehandelt haben. Letzterenfalls kommen kumulativ §§ 164, 167 oder 177 und § 185 zur Anwendung (MüKo/Schramm Rn 21; Staud/Gursky Rn 2). III. Einwilligung des Berechtigten, Abs I. Einwilligung ist die im Voraus erteilte Zustimmung; für 12 sie gelten §§ 182, 183 (s die Ausf dort). Die Einwilligung zu einer Verfügung begründet die aus dem Recht des Einwilligenden abgeleitete Macht, über das Recht des Einwilligenden im eigenen Namen zu verfügen (BGH NJW 1989, 521, 522). Sie wird deshalb auch als Ermächtigung bezeichnet. Ob eine Ermächtigung oder eine Vollmacht vorliegt und welchen Inhalt sie hat, ist Auslegungsfrage. Im Einzelfall kann eine Vollmacht auch als Einwilligung zur Verfügung im eigenen Namen auszulegen sein (Naumburg NJW-RR 1999, 1462 mwN; Düsseldorf FGPrax 2000, 55). Im Gegensatz zu der personenG. Maier-Reimer

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§ 185

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

bezogenen Vollmacht ist die Einwilligung gegenstandsbezogen (Flume § 57, 1b; MüKo/Schramm Rn 31). Zu ihrer Ausübung bedarf es daher nicht der Offenlegung, dass über fremdes Recht verfügt wird. Die Ermächtigung lässt die Verfügungsmacht des Ermächtigenden unberührt. Im Falle konkurrierender Verfügungen des Ermächtigenden und des Ermächtigten gilt die zeitlich vorangehende (MüKo/Schramm Rn 33). 13

1. Verfügungsermächtigung. Verfügungsermächtigungen haben große praktische Bedeutung, vor allem beim (verlängerten) Eigentumsvorbehalt, bei der Verkaufskommission und im Liegenschaftsrecht.

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a) Wer eine zur Weiterveräußerung bestimmte Sache unter Eigentumsvorbehalt erwirbt, ist idR formularmäßig ermächtigt, die Ware im ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb weiterzuveräußern (das ist meist verbunden mit einer Vorausabtretung der künftigen Kaufpreisforderung; sog verlängerter Eigentumsvorbehalt, s Erl zu § 449; noch zu § 455 aF BGH 94, 105). Die Beschränkung auf den ordnungsgemäßen Geschäftsverkehr deckt nicht den Verkauf zum Schleuderpreis (Hamburg MDR 1970, 506) oder den Verkauf unter Einkaufspreis (BGH MDR 1970, 277). Außerdem umfasst die Ermächtigung beim verlängerten Eigentumsvorbehalt nicht die Weiterveräußerung, wenn die Abtretung der Kaufpreisforderung vertraglich ausgeschlossen ist (BGH 27, 306) oder die Vorausabtretung mangels Vereinbarung des einseitig erklärten verlängerten Eigentumsvorbehalts nicht zustandekommt (BGH NJW-RR 1986, 1378); andernfalls würde der verlängerte Eigentumsvorbehalt wirkungslos (zu Inhalt und Umfang der Ermächtigung s auch BGH 104, 129). Die Ermächtigung an den Vorbehaltskäufer zur Einziehung der Forderung ist gleichzeitig Ermächtigung zum Verkauf der Forderung an einen echten Factor (BGH 72, 15). Von der Veräußerungsermächtigung nicht gedeckt ist die Sicherungsübereignung der Vorbehaltsware (BGH 104, 129, 133f – entspr für Sale- and-Lease-Back; MüKo/ Schramm Rn 37) oder eine Veräußerung bei gleichzeitigem Rückkauf zum selben und erst recht zu einem höheren Preis (BGH NJW 1989, 895, 897; MüKo/Schramm Rn 37). Sie gilt auch nicht, wenn beim verlängerten Eigentumsvorbehalt Forderungen aus der Weiterveräußerung im Voraus an andere abgetreten sind (BGH NJW-RR 1986, 1378; Soergel/Leptien Rn 23), dagegen ist die Einstellung der Forderung in ein kaufmännisches Kontorkorrent unschädlich (BGH 73, 259). Zur Kollision mit einer sicherungsweisen Globalzession von Forderungen s BGH 55, 34; NJW 1999, 940; Flume NJW 1950, 841; s aber BGH 69, 254 zur globalen Vorausabtretung der Forderungen an einen echten Factor; s auch § 816 Rn 16. Ähnliche Regelungen wie beim verlängerten Eigentumsvorbehalt finden sich bei der Sicherungsübereignung von Warenlagern.

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b) In der Auflassung eines Grundstücks wird vielfach die konkludente Einwilligung des Eigentümers in die Weiterveräußerung des Grundstücks durch den Erwerber vor seiner Eintragung im Grundbuch gesehen (BGH 106, 108, 112; BayObLG NJW-RR 1991, 465; einschränkend Hamm NJWRR 2001, 376; zur eingeschränkten Ermächtigung BGH NJW 1989, 521); entspr enthält die Abtretung eines Grundpfandrechts iVm der Umschreibungsbewilligung regelmäßig die Einwilligung zu einer weiteren Verfügung vor Eintragung (RG 54, 362, 368f; Düsseldorf DNotZ 1996, 559). Das kommt aber nicht in Betracht, wenn die Rechtsstellung des ursprünglich Berechtigten von der Weiterverfügung berührt würde (RG 129, 153; BGH NJW 1997, 936f). Das Einverständnis des Berechtigten mit einer Weiterveräußerung ist zB dann nicht anzunehmen, wenn mit der Auflassung gleichzeitig die Eintragung einer Rückauflassungsvormerkung bewilligt wird (Düsseldorf OLG 1980, 343). Die in der dinglichen Einigung liegende konkludente Einwilligung deckt iÜ nicht ohne weiteres auch eine Belastung des Grundstücks (BayObLG NJW 1971, 514f).

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2. Weitere Fälle der Ermächtigung. a) Die Einziehungsermächtigung verschafft dem Ermächtigten über § 362 II hinaus die Rechtsmacht, die dem Ermächtigten geschuldete Leistung im eigenen Namen vom Schuldner nicht nur mit Tilgungswirkung zu empfangen, sondern selbst zu verlangen (zur dogmatischen Begründung und zur Abgrenzung zur Inkassozession § 398 Rn 37ff) Die Rspr wertet die Einziehung als Verfügung und hält § 185 I deshalb für unmittlbar anwendbar (RG 133, 234, 241; 170, 191; BGH [GSZ] 4, 153, 164f; 70, 389, 394f; krit dazu MüKo/Schramm Rn 41f mwN). Der Ermächtigende behält daneben ebenfalls sein Forderungsrecht, so dass dem Schuldner zwei Personen gegenüberstehen, welche die Leistung verlangen können (deshalb grds abl Medicus AT Rn 1008f). Die Leistung an einen von ihnen befreit aber auch ggü dem anderen. Der Schuldner kann nur mit einer Forderung ggü dem Ermächtigenden (nicht ggü dem Ermächtigten) aufrechnen. Zur Einzugsermächtigung im Zahlungsverkehr s § 675f Rn 74ff). Die Einziehungsermächtigung ist unzulässig für unabtretbare Forderungen (BGH NJW 1969, 1110). Für sie gelten iÜ § 400 (BGH 4, 165) und §§ 409–411 (Soergel/Leptien Rn 33) entspr. Eine Einziehungsermächtigung kann, wie häufig im Rahmen einer Sicherungszession, fiduziarisch erteilt werden (Bsp BGH 32, 67, 71 und NJW-RR 1995, 1369) oder auch auf Gesetz beruhen (zB BGH NJW 1996, 726, 728 für das Sozialhilferecht). Aufgrund der Einziehungsermächtigung muss der Ermächtigende Rechtshandlungen zw dem Ermächtigten und dem Schuldner grds gegen sich gelten lassen, das gilt aber nur in den Grenzen der jeweiligen Ermächtigung (BGH NJW 2002, 1417; Karlsruhe NJW-RR 1996, 752). Inhalt, Umfang und Grenzen der Einziehungsermächtigung im Einzelfall sind Auslegungsfrage; eine Beschränkung der Ermächtigung kann zB darin liegen, dass der Forderungsbetrag nur auf ein bestimmtes Bankkonto des Ermächtigten eingezogen werden darf (Bsp: BGH NJW 2002, 1417, 1418 mwN; s auch LG Frankfurt NJW 2004, 3430 zu den Grenzen einer Ermächtigung an eine Autoreparaturwerkstatt zur Einziehung der Haftpflichtversicherungsleistung). Die Einziehungsermächtigung im Rahmen einer Sicherungsabtretung enthält im Zweifel auch die Ermächtigung zur Weiterabtretung zum vollen, wenn auch abgezinsten Gegenwert (BGH 82, 283, 288ff), nicht aber für eine stärker geminderte Gegenleistung (BGH 75, 391;

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G. Maier-Reimer

Einwilligung und Genehmigung

§ 185

s auch BGH 82, 50). Zur Einziehungsermächtigung für einen Grundstückskäufer bei einem Mieterhöhungsverlangen: LG Berlin GE 2007, 1489. b) Gewillkürte Prozessstandschaft. Die Ermächtigung, eine Forderung des Ermächtigenden im ei- 17 genen Namen des Ermächtigten gerichtlich geltend zu machen, ist das prozessuale Gegenstück der Einziehungsermächtigung. Sie ist Prozesshandlung (BGH NJW 1958, 339; dazu Baur JZ 1958, 246 und Bülow MDR 1958, 421; Soergel/Leptien Rn 34 mwN). Ihre Zulässigkeit ist heute allenthalben anerkannt, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass der Ermächtigte (Prozessstandschafter) ein eigenes schutzwürdiges Interesse daran hat, das fremde Recht geltend zu machen (BGH 100, 217, 218; NJW 2003, 2231, 2232. Bsp s bei Soergel/Leptien Rn 34 sowie Zöllner/Vollkommer ZPO Vor § 50 Rn 49). Der Ermächtigte ist grds nicht berechtigt, das Prozessführungsrecht auf einen Dritten weiter zu übertragen (BGH NJW 1998, 3205, 3206 mwN m Anm K. Schmidt JuS 1999, 83). c) Eine Verpflichtungsermächtigung soll dem Ermächtigten die Möglichkeit geben, den Ermächti- 18 genden durch Rechtsgeschäfte im eigenen Namen zu verpflichten. Sie ist mit dem geltenden Recht grds nicht zu vereinbaren und wird von § 185 nicht gedeckt (BGH 34, 125; 114, 100; aM Bettermann JZ 1951, 321; dagegen Peters AcP 171, 235ff). Die Anerkennung einer Verpflichtungsermächtigung ohne Offenlegung des zu Verpflichtenden wäre für den Geschäftsgegner, der wissen muss, wer sein Schuldner ist, unzumutbar (so auch Bettermann JZ 1951, 321, 322). Ein Geschäft für den, den es angeht, ist nur für Verfügungsgeschäfte anerkannt (§ 164 Rn 14). ZT wird eine Verpflichtungsermächtigung für den Fall anerkannt, dass auch der ermächtigte Handelnde mitverpflichtet werden soll oder dem Vertragspartner ggü die Identität des Ermächtigenden offen gelegt wird (Soergel/Leptien Rn 35ff). Ein Bedürfnis hierfür ist nicht anzuerkennen. Im ersten Fall genügt ein antizipierter Schuldbeitritt oder ein Handeln auch in fremdem Namen, das auch die spätere Bezeichnung des Vertretenen zulässt (§ 164 Rn 4f), im zweiten genügt das Instrument der Stellvertretung (MüKo/Schramm Rn 46; Medicus AT Rn 1006; Katzenstein Jura 2004, 1). Zur Einräumung obligatorischer Besitzrechte s aber Rn 2. Für die Ermächtigung zur Ausfüllung eines Blanketts gelten §§ 164ff entspr s § 172 Rn 16. IV. Heilung, Abs II. Die schwebend unwirksame Verfügung wird in den drei Fällen des Abs II wirk- 19 sam. Voraussetzung für den Wirkungseintritt ist immer, dass das Geschäft noch schwebend und nicht endgültig unwirkam ist (BGH 13, 179, 187; 125, 355, 358ff). 1. Genehmigung des Berechtigten (Abs II S 1 Fall 1). a) Die zunächst schwebend unwirksame Ver- 20 fügung eines Nichtberechtigten wird wirksam, wenn der Berechtigte sie genehmigt (dazu allg Merle, AcP 183, 81ff). Zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Berechtigung s § 184 Rn 5f. §§ 182 und 184 gelten auch für diese Genehmigung. Insb ist die Genehmigung formfrei; sie kann ausdr oder konkludent erteilt werden (zur konkludenten Genehmigung § 182 Rn 8ff). In der Klage gegen den nicht berechtigten Leistungsempfänger auf Herausgabe des Geleisteten gem § 816 II wird häufig die schlüssige Genehmigung der Leistung liegen (s mwN: BGH NJW-RR 2009, 705 Tz 8; § 816 Rn 7ff); nach den Umständen des Einzelfalles kann aber auch eine andere Beurteilung in Betracht kommen (Bsp: BGH NJW-RR 1990, 1200 – Erhaltung von Ansprüchen gegen Dritte; BGH NJW 2005, 2698 – Klage auf Herausgabe einer Urhebervergütung). Auch die Verfügung einzelner Miterben über Nachlassgegenstände kann von den übrigen Miterben genehmigt werden; das gilt selbst dann, wenn die verfügenden Erben die Gemeinschaft mit weiteren Miterben nicht kannten und daher unwissentlich über deren Recht verfügten (RG 152, 383; BGH 19, 138; MDR 1964, 577). Hat ein Vorerbe unentgeltlich (§ 2113 II) über einen Nachlassgegenstand an einen Dritten verfügt, so ist Berechtigter hins einer weiteren entgeltlichen Verfügung durch den Dritten nicht der Vorerbe, sondern der Nacherbe (BayObLG NJWRR 1997, 1239). – Auch ein Saldoanerkenntnis kann eine Genehmigung enthalten, nicht aber das nach AGB-Banken fingierte Anerkenntnis (BGH NJW 1995, 320). b) Die Genehmigung hat grds rückwirkende Kraft (§ 184). Das gilt jedoch nicht für die „Genehmi- 21 gung“ einer Abtretung, die entgegen § 399 vorgenommen wurde (BGH 70, 303; 108, 72; aM Soergel/ Leptien Rn 19; s § 184 Rn 15). Im Rahmen des § 816 bedeutet die Rückwirkung der Genehmigung nicht, dass die Verfügung und der Erhalt des Entgelts im Verhältnis zw dem Nichtberechtigten und dem Berechtigten gerechtfertigt werden (BGH JZ 1961, 24 m Anm Raiser; § 816 Rn 7ff). Die Genehmigung führt zwar zur Wirksamkeit der Verfügung, macht aber den verfügenden Nichtberechtigten nicht rückwirkend zum Berechtigten. c) Nach hM ist Abs II auf die Genehmigung einseitiger Verfügungen nicht anwendbar, da diese kei- 22 nen Schwebzustand vertrügen (BGH 114, 360, 366; dazu § 182 Rn 16). Auch soweit entgegen der hM § 180 analog angewandt wird, soll die Verfügung unheilbar nichtig sein, wenn der Erklärungsempfänger nicht wusste, dass der Erklärende als Nichtberechtigter handelt (MüKo/Schramm Rn 20). Auch dem ist aus den zu § 182 Rn 16 genannten Gründen nicht zu folgen. Dem Erklärungsempfänger, dem das Zustimmungserfordernis nicht bekannt ist, ist mit der unheilbaren Nichtigkeit nicht geholfen (s nur den Fall BGH 114, 360). Die Lage ist nicht anders als in § 180 S 2. Dessen erste Alt setzt voraus, dass der Adressat den Vertretungsmangel nicht kannte. d) Aus mehreren Verfügungen desselben oder verschiedener Nichtberechtigter über denselben 23 Gegenstand kann der Berechtigte wählen, welche er genehmigen will. Bei sog Kettenverfügungen bewirkt die Genehmigung der ersten Verfügung, dass auch die darauf folgenden rückwirkend wirksam werden, weil die durch sie Begünstigten dann jeweils vom Berechtigten erworben haben (MüKo/ Schramm Rn 60). Wenn der Berechtigte eine spätere Verfügung genehmigt, ist die zeitlich folgende Genehmigung einer früheren Verfügung wirkungslos; das folgt nach der hM daraus, dass er mit der ersten Genehmigung die Berechtigung und damit die Genehmigungszuständigkeit verliert, nach der hier vertretenen Auffassung (§ 184 Rn 5f) aus § 184 II (s auch BGH 40, 156, 163). G. Maier-Reimer

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§ 185

Allgemeiner Teil

Rechtsgeschäfte

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2. Nachträglicher Erwerb durch den Verfügenden (Abs II S 1 Fall 2). a) Die Verfügung des Nichtberechtigten wird wirksam, wenn der Verfügende den Gegenstand erwirbt. Das gilt für jeden Erwerbsgrund, auch für den (Rück-)Erwerb aufgrund des Eintritts einer auflösenden oder aufschiebenden Bedingung; zur Konvaleszenz durch Rückerwerb eines zur Sicherheit übertragenen Gegenstandes durch den Sicherungsgeber, den dieser zwischenzeitlich als Nichtberechtigter erneut zur Sicherheit an einen anderen Kreditgeber übertragen hat s Bülow WM 1998, 845ff. Mit dem Erwerb des Gegenstandes muss der Nichtberechtigte mindestens die Verfügungsmacht erlangen, die für die erfolgte Verfügung erforderlich gewesen wäre (BGH 36, 329, 334; LM Nr 10 zu § 185). Der Erwerb bloßer Legitimation aufgrund eines Ermächtigungsindossaments genügt nicht (BGH 36, 329, 335f). Erwirbt der Verfügende einen Bruchteil an dem Gegenstand seiner Verfügung, so kommt unter den Voraussetzungen der §§ 139, 140 die Heilung einer Verfügung über den Bruchteil in Betracht (BGH LM Nr 9; MüKo/Schramm Rn 65). Belastet ein Testamentsvollstrecker ein Nachlassgrundstück mit einer Hypothek, deren Bestellung als unentgeltliche Verfügung über den Nachlassgegenstand unwirksam ist, und erwirbt er später einen Bruchteil dieses Grundstücks, so wird die Hypothek auf diesem Bruchteil voll wirksam (RG HRR 1939 Nr 1462). Nicht wirksam werden Verfügungen dadurch, dass der Verfügende nachträglich Verfügungsmacht über Vermögen des Berechtigten erhält, zB als dessen Testamentsvollstrecker bestellt wird (Soergel/Leptien Rn 28; MüKo/Schramm Rn 66); zum Erwerb einer vorläufigen Verfügungsbefugnis ohne Erwerb des Rechts s BGH ZIP 1999, 447, 450f. Die Vorschrift gilt auch nicht für den Erwerb desjenigen, der den Berechtigten bei der Verfügung vollmachtlos vertreten hatte (München v 10.12.2009 – 34 Wx 110/09, juris).

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b) Nach zT vertretener Auffassung soll die Konvaleszenz voraussetzen, dass der Verfügende im Zeitpunkt des Erwerbs noch an das Kausalgeschäft gebunden, also zu der Verfügung verpflichtet ist (Hagen AcP 167, 481, 499 sowie, unter unzutr Berufung auf BGH NJW 1994, 470, Soergel/Leptien Rn 27). Dies wird von der überwiegenden Meinung mit Recht abgelehnt (Staud/Gursky Rn 66; MüKo/ Schramm Rn 64; Medicus AT Rn 1031). Eine solche Voraussetzung ist jedoch für den 3. Fall anzuerkennen (BGH NJW 1994, 1470; s Rn 28).

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c) Abs II S 1 Fall 2 gilt entspr, wenn der nicht berechtigte Zust den Gegenstand der Verfügung erwirbt (BGH LM Nr 7; BGH 36, 329, 334, beide zur Einwilligung durch den zukünftigen Konnossementsinhaber; MüKo/Schramm Rn 68). – Die Vorschrift gilt ferner entspr bei Verfügungen dessen, der in der Verfügung beschränkt war, dann aber das Verfügungsrecht wiedererlangt hat (BGH 123, 58, 62; MüKo/Schramm Rn 30; RG 149, 19, 22 zur Abtretung künftiger, erst während des Konkurses entstandener Forderungen nach Beendigung des Konkurses). Gleiches gilt für Verfügungen des Vorerben nach Wegfall der Beschränkung durch Fortfall des Nacherben (RG 110, 94, 95; Hamm OLG 1981, 282) sowie der §§ 1365ff durch Aufhebung des Güterstands nach Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs (BGH NJW 1982, 1099; Celle NJW-RR 2001, 866). In entspr Anwendung des Abs II S 1 Fall 2 kann auch ein Pfändungspfandrecht an einer Sache wirksam werden, wenn der Schuldner die Sache nachträglich zu Eigentum erlangt (vgl RG 69, 68, 73; Staud/Gursky Rn 91). Zur Forderungspfändung s Rn 3. Die durch eine insolvenzrechtliche Rückschlagsperre (§§ 88, 89 I InsO) unwirksam gewordene Zwangshypothek eines Dritten auf einem Grundstück des Insolvenzschuldners kann, sofern sie noch im Grundbuch eingetragen ist, wieder wirksam werden (allerdings nur mit neuem Rang entspr dem Zeitpunkt der Freigabe), wenn der Insolvenzverwalter das Grundstück aus der Masse freigibt oder das Insolvenzverfahren eingestellt wird (BGH 166, 74 m Anm Demharter Rpfleger 2006, 253; Lüke/Stengel LMK 2006, 180525; K. Schmidt JuS 2006, 1028).

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d) Wirkung. Anders als zB bei § 108 III hängt die Wirksamkeit der Verfügung nicht von einer neuen Entscheidung des nunmehr Berechtigten ab. Die Verfügung wird aber nicht rückwirkend, sondern erst vom Zeitpunkt des Erwerbs an wirksam (RG 89, 152, 158; BGH WM 1978, 1406). Verfügt jemand über ein erst noch zu erwerbendes Recht (etwa GmbH-Anteil, vgl BFH NJW 1996, 1079), dann wird die Verfügung mit seinem (Durchgangs-)Erwerb wirksam (anders bei Verfügung über das Anwartschaftsrecht, BGH 20, 88, 101; 49, 197, 205). Wegen des Durchgangserwerbs unterliegt der Gegenstand den am Eigentum des Verfügenden anknüpfenden Haftungen (§§ 562, 647, 1120). Zu Zwangsverfügungen s Rn 29. Zwischenzeitlich eingetretene Verfügungsbeschränkungen (zB § 81 InsO) verhindern die Konvaleszenz (BGH NJW-RR 2004, 259 mwN).

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3. Beerbung des Verfügenden durch den Berechtigten (Abs II S 1 Fall 3). Wenn der verfügende Nichtberechtigte stirbt und vom Berechtigten beerbt wird und dieser für die Nachlassverbindlichkeiten unbeschränkt haftet (dazu §§ 1967ff; s auch Habersack JZ 1991, 70), tritt die Wirksamkeit der Verfügung ohne Rückwirkung ein. Entscheidend ist der Zeitpunkt, in dem die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung entfällt (str; Nachw bei MüKo/Schramm Rn 71; s auch Ebel NJW 1982, 725). Bis dahin bleibt die Verfügung unwirksam (Stuttgart NJW-RR 1995, 968). Die Konvaleszenz ist in diesem Fall vom Fortbestand des Kausalverhältnisses abhängig. Die Verfügung wird also nur wirksam, wenn der Berechtigte als Erbe des Verfügenden den Verfügungserfolg noch schuldet und daher ohnehin verpflichtet wäre, die von ihm vorgenommene Verfügung nach Erwerb der Rechtszuständigkeit zu genehmigen (BGH NJW 1994, 1470, 1471; MüKo/Schramm Rn 70; ohne Beschränkung auf den 3. Fall auch Pal/Ellenberger Rn 11 und Soergel/Leptien Rn 27, 30). Umstr ist, ob es für die Wirksamkeit einer nach § 1365 zustimmungsbedürftigen Verfügung ausreicht, dass der zustimmungsberechtigte Ehegatte Alleinerbe wird (bejahend Celle NJW-RR 1994, 647 mwN; verneinend Karlsruhe FamRZ 1978, 505; offengelassen in BGH 77, 293, 300). Wegen der Rechtsgrundabhängigkeit der Konvaleszenz im 3. Fall ergibt sich dies nicht aus § 185 II S 1 allein, denn nach § 1365 ist schon das Kausalgeschäft schwebend unwirksam. Es kommt also darauf an, ob dieses Wirksamkeitshindernis mit dem Tod des kon-

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G. Maier-Reimer

Fristen, Termine

§ 186

trahierenden Ehegatten wegfällt (zum Wegfall mit dem Tod des anderen Ehegatten BayObLG NJW 1972, 1470). V. Kollisionsregel des Abs II S 2. Von mehreren einander widersprechenden Verfügungen wird im 29 Fall der Konvaleszenz durch Erwerb oder Erbgang nur die frühere wirksam (Prioritätsprinzip). Unter widersprechenden Verfügungen sind nur solche zu verstehen, die sich gegenseitig ausschließen. Bei Überschneidungen wirkt die jüngere Verfügung in dem Umfang, in dem sie die ältere nicht berührt; so lässt die Übereignung bei früherer Verpfändung belastetes Eigentum übergehen (Pal/Ellenberger Rn 12). Mehrfache Verpfändung begründet Pfandrechte mit einer Rangfolge nach zeitlicher Priorität (Staud/Gursky Rn 88); zu einer möglichen Ausnahme bei gesetzlichen Pfandrechten Staud/ Gursky Rn 90. Das gilt nach hM entspr für den Fall des Zusammentreffens von Übereignung und Zwangsverfügungen. Auch hier gilt der Prioritätsgrundsatz, so dass die Übereignung zuvor gepfändeter Sachen nur zum Übergang belasteten Eigentums führt (Pal/Ellenberger Rn 12; Staud/Gursky Rn 88, 91 mwN); BGH 20, 88, 101 geht aber von einem Vorrang der späteren Pfändung aus, wenn der Vorbehaltskäufer vorher das Eigentum und nicht das Anwartschaftsrecht übertragen hat. Zur Genehmigung im Falle sich widersprechender Verfügungen s Rn 23.

Abschnitt 4 Fristen, Termine

186

Geltungsbereich Für die in Gesetzen, gerichtlichen Verfügungen und Rechtsgeschäften enthaltenen Fristund Terminsbestimmungen gelten die Auslegungsvorschriften der §§ 187 bis 193. 1. Bedeutung. Die §§ 186–193 enhalten allg Regelungen zur Berechnung von gesetzlich, rechts- 1 geschäftlich oder richterlich bestimmten Fristen oder zur Konkretisierung von ebenso bestimmten Terminen.

2. Frist ist ein abgegrenzter, also bestimmter oder jedenfalls bestimmbarer Zeitraum (RG 120, 355, 2 362); er braucht nicht zusammenhängend zu verlaufen (vgl § 191). Allg zur Berechnung von Fristen: Schroeter JuS 2007, 29. Die Frist kann unterschiedliche Funktionen haben, zB den Zeitpunkt zu bestimmen, bis zu dem eine Leistung zu erbringen oder eine Erklärung abzugeben oder ein Recht auszüben ist. Sie kann aber auch einen Zeitraum bestimmen, innerhalb dessen bestimmte Vorgänge bestimmte Folgen haben (zB §§ 443 II, 476) oder für welchen bestimmte Rechtsverhältnisse bestehen oder Verbote (zB §§ 3 II, 6 MuSchG) gelten. Der Ablauf der Frist kann Rechte begründen (so die Ersitzungsfrist gem § 937 I), Rechte vernichten (Ausschlussfristen), Einreden begründen (so die Verjährungsfrist), den Verzug begründen oder Hindernisse beenden (so der Ablauf von Sperrfristen, zB § 51, §§ 225 II AktG, 58d GmbHG). a) Höchst- und Mindestfristen. Der in §§ 187ff zugrunde gelegte Typ der Frist läuft „vorwärts“ bis 3 zu einem vom Fristbeginn an gerechneten zukünftigen Zeitpunkt. Die Fristen für Handlungen oder Erklärungen sind idR Höchstfristen, dh die vorgesehenen Maßnahmen müssen innerhalb der Frist getroffen werden. Mindestfristen sind dagegen idR durch Maßnahmen außerhalb der First zu wahren; zu dem mit dem maßgeblichen Vorgang gleichzeitigen Ablauf einer Mindestfrist (§ 16 BetrAVG) BAG ZInsO 2010, 100. Weder Höchst- noch Mindestfristen sind Fristen, mit deren Ablauf ein Rechtsverhältnis beginnt oder endet, sowie Sperrfristen, die abgelaufen sein müssen, bevor eine Maßnahme zulässig ist, oder Fristen, welche die Dauer eines Rechtsverhältnisses, zB eines Mietvertrags, festlegen. b) „Zwischenfristen“. Oft sind Fristen dadurch bestimmt, dass zw zwei Vorgängen eine bestimmte 4 Frist liegen, oder der eine Vorgang eine bestimmte Frist vor dem anderen liegen muss. Im letzteren Fall ist die Frist nicht von einem bestimmten Ausgangspunkt aus „vorwärts“ zu bestimmen, sondern von einem festliegenden Endzeitpunkt aus „rückwärts“. Solche „Rückwärtsfristen“ sind zB Kündigungsfristen, Einberufungsfristen (zB § 123 I AktG), Anmeldefristen (§ 123 II S 2 AktG), Vor-Unterrichtungspflichten (zB § 5 III UmwG) oder Ankündigungsfristen (zB § 43 ZVG). Solche Fristen unterscheiden sich von den in §§ 186ff unmittelbar geregelten dadurch, dass die erforderliche Maßnahme außerhalb der Frist getroffen werden muss. Die Fristen sind also idR Mindestfristen. Auch hier bestehen jedoch Höchstfristen, zB hins des „Alters“ einer Bilanz (s zB §§ 209 I AktG, 17 II UmwG). Der Unterschied zw Mindest- und Höchstfristen bei der Berechnung rückwärts zu rechnender Fristen wird nicht immer hinreichend beachtet (s dazu Staud/Repgen Rn 7). Die §§ 187ff sind auf solche „Rückwärtsfristen“ grds entspr anzuwenden; ihren Besonderheiten ist aber unter Berücksichtigung des jeweiligen Zwecks der Frist angemessen Rechnung zu tragen. 3. Termin iSd BGB ist ein bestimmter Zeitpunkt, an dem etwas geschehen soll oder eine Rechts- 5 wirkung eintritt. Auch er kann durch Gesetz, richterliche Anordnung oder Parteiwillen bestimmt sein. 4. Gesetzliche Zeit ist die Mitteleuropäische Zeit (§ 1 II ZeitG, BGBl 1978 I 1110). Zur Einf der Som- 6 merzeit Ekrutt NJW 1978, 1844. Zum maßgeblichen Kalender s Staud/Repgen Rn 4; MüKo/Grothe Rn 3. G. Maier-Reimer

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Fristen, Termine

§ 186

trahierenden Ehegatten wegfällt (zum Wegfall mit dem Tod des anderen Ehegatten BayObLG NJW 1972, 1470). V. Kollisionsregel des Abs II S 2. Von mehreren einander widersprechenden Verfügungen wird im 29 Fall der Konvaleszenz durch Erwerb oder Erbgang nur die frühere wirksam (Prioritätsprinzip). Unter widersprechenden Verfügungen sind nur solche zu verstehen, die sich gegenseitig ausschließen. Bei Überschneidungen wirkt die jüngere Verfügung in dem Umfang, in dem sie die ältere nicht berührt; so lässt die Übereignung bei früherer Verpfändung belastetes Eigentum übergehen (Pal/Ellenberger Rn 12). Mehrfache Verpfändung begründet Pfandrechte mit einer Rangfolge nach zeitlicher Priorität (Staud/Gursky Rn 88); zu einer möglichen Ausnahme bei gesetzlichen Pfandrechten Staud/ Gursky Rn 90. Das gilt nach hM entspr für den Fall des Zusammentreffens von Übereignung und Zwangsverfügungen. Auch hier gilt der Prioritätsgrundsatz, so dass die Übereignung zuvor gepfändeter Sachen nur zum Übergang belasteten Eigentums führt (Pal/Ellenberger Rn 12; Staud/Gursky Rn 88, 91 mwN); BGH 20, 88, 101 geht aber von einem Vorrang der späteren Pfändung aus, wenn der Vorbehaltskäufer vorher das Eigentum und nicht das Anwartschaftsrecht übertragen hat. Zur Genehmigung im Falle sich widersprechender Verfügungen s Rn 23.

Abschnitt 4 Fristen, Termine

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Geltungsbereich Für die in Gesetzen, gerichtlichen Verfügungen und Rechtsgeschäften enthaltenen Fristund Terminsbestimmungen gelten die Auslegungsvorschriften der §§ 187 bis 193. 1. Bedeutung. Die §§ 186–193 enhalten allg Regelungen zur Berechnung von gesetzlich, rechts- 1 geschäftlich oder richterlich bestimmten Fristen oder zur Konkretisierung von ebenso bestimmten Terminen.

2. Frist ist ein abgegrenzter, also bestimmter oder jedenfalls bestimmbarer Zeitraum (RG 120, 355, 2 362); er braucht nicht zusammenhängend zu verlaufen (vgl § 191). Allg zur Berechnung von Fristen: Schroeter JuS 2007, 29. Die Frist kann unterschiedliche Funktionen haben, zB den Zeitpunkt zu bestimmen, bis zu dem eine Leistung zu erbringen oder eine Erklärung abzugeben oder ein Recht auszüben ist. Sie kann aber auch einen Zeitraum bestimmen, innerhalb dessen bestimmte Vorgänge bestimmte Folgen haben (zB §§ 443 II, 476) oder für welchen bestimmte Rechtsverhältnisse bestehen oder Verbote (zB §§ 3 II, 6 MuSchG) gelten. Der Ablauf der Frist kann Rechte begründen (so die Ersitzungsfrist gem § 937 I), Rechte vernichten (Ausschlussfristen), Einreden begründen (so die Verjährungsfrist), den Verzug begründen oder Hindernisse beenden (so der Ablauf von Sperrfristen, zB § 51, §§ 225 II AktG, 58d GmbHG). a) Höchst- und Mindestfristen. Der in §§ 187ff zugrunde gelegte Typ der Frist läuft „vorwärts“ bis 3 zu einem vom Fristbeginn an gerechneten zukünftigen Zeitpunkt. Die Fristen für Handlungen oder Erklärungen sind idR Höchstfristen, dh die vorgesehenen Maßnahmen müssen innerhalb der Frist getroffen werden. Mindestfristen sind dagegen idR durch Maßnahmen außerhalb der First zu wahren; zu dem mit dem maßgeblichen Vorgang gleichzeitigen Ablauf einer Mindestfrist (§ 16 BetrAVG) BAG ZInsO 2010, 100. Weder Höchst- noch Mindestfristen sind Fristen, mit deren Ablauf ein Rechtsverhältnis beginnt oder endet, sowie Sperrfristen, die abgelaufen sein müssen, bevor eine Maßnahme zulässig ist, oder Fristen, welche die Dauer eines Rechtsverhältnisses, zB eines Mietvertrags, festlegen. b) „Zwischenfristen“. Oft sind Fristen dadurch bestimmt, dass zw zwei Vorgängen eine bestimmte 4 Frist liegen, oder der eine Vorgang eine bestimmte Frist vor dem anderen liegen muss. Im letzteren Fall ist die Frist nicht von einem bestimmten Ausgangspunkt aus „vorwärts“ zu bestimmen, sondern von einem festliegenden Endzeitpunkt aus „rückwärts“. Solche „Rückwärtsfristen“ sind zB Kündigungsfristen, Einberufungsfristen (zB § 123 I AktG), Anmeldefristen (§ 123 II S 2 AktG), Vor-Unterrichtungspflichten (zB § 5 III UmwG) oder Ankündigungsfristen (zB § 43 ZVG). Solche Fristen unterscheiden sich von den in §§ 186ff unmittelbar geregelten dadurch, dass die erforderliche Maßnahme außerhalb der Frist getroffen werden muss. Die Fristen sind also idR Mindestfristen. Auch hier bestehen jedoch Höchstfristen, zB hins des „Alters“ einer Bilanz (s zB §§ 209 I AktG, 17 II UmwG). Der Unterschied zw Mindest- und Höchstfristen bei der Berechnung rückwärts zu rechnender Fristen wird nicht immer hinreichend beachtet (s dazu Staud/Repgen Rn 7). Die §§ 187ff sind auf solche „Rückwärtsfristen“ grds entspr anzuwenden; ihren Besonderheiten ist aber unter Berücksichtigung des jeweiligen Zwecks der Frist angemessen Rechnung zu tragen. 3. Termin iSd BGB ist ein bestimmter Zeitpunkt, an dem etwas geschehen soll oder eine Rechts- 5 wirkung eintritt. Auch er kann durch Gesetz, richterliche Anordnung oder Parteiwillen bestimmt sein. 4. Gesetzliche Zeit ist die Mitteleuropäische Zeit (§ 1 II ZeitG, BGBl 1978 I 1110). Zur Einf der Som- 6 merzeit Ekrutt NJW 1978, 1844. Zum maßgeblichen Kalender s Staud/Repgen Rn 4; MüKo/Grothe Rn 3. G. Maier-Reimer

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§ 186

Allgemeiner Teil

Fristen, Termine

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5. Auslegungsvorschriften. Die Bestimmungen des 4. Abschnitts sind nach der Regelung des § 186 Auslegungsvorschriften. Sie gelten also nur, sofern Gesetz, richterliche Verfügung oder – bei Rechtsgeschäften – erkennbarer Parteiwille nichts anderes bestimmen. Auch Handelsbrauch oder Verkehrsübung kann diese Bestimmungen ausschließen. Überdies kann die Auslegung der einzelnen Fristbestimmung – zB bei Rückwärtsfristen – zu einem anderen Ergebnis führen.

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6. Anwendungsbereich. Die §§ 187–193 gelten nicht nur für das bürgerliche Recht und das übrige Privatrecht. Vielmehr sind sie – vorbehaltlich entgegenstehender bereichsspezifischer Regelungen – auch für alle Frist- und Terminsbestimmungen in anderen Rechtsgebieten (vgl GSoGB BGH 59, 397) anzuwenden: im Gesellschafts-, Handels- und Wertpapierrecht (aber Spezialregelungen in § 675n, §§ 359, 361 HGB, § 120 VII AktG, Art 20 UN-Kaufrecht, Art 36, 37, 72, 73, 74 WG, Art 29, 30, 55, 56 ScheckG), im Patentrecht (RG 65, 24, 25), im öffentlichen Recht (§§ 31 VwVfG, 108 AO), im Privatund Sozialversicherungsrecht (§ 10 VVG, § 26 I SGB X), im Tarifvertrags- und Betriebsverfassungsrecht (zum TVG: BAG AP Nr 1 zu § 186; DB 1967, 824; zum BetrVG: BAG 106, 14), im Verfahrensrecht (vgl § 222 I ZPO, § 57 II VwGO, § 64 SGG, § 54 II FGO, § 16 II FamFG; abw Regelung für den Strafprozess in §§ 42, 43 StPO) und ferner bei Gesetzen rein formalen Charakters, zB dem PStG (BayObLG JW 1926, 2450; str). Für Fristen in Europäischen Rechtsakten gilt die VO des Rates Nr 1182/71 (ABlEG Nr 124, 1); dazu MüKo/Grothe Rn 2.

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7. Anwendung. Fristvorschriften sind im Interesse der Rechtssicherheit streng anzuwenden. Jedoch kann die Berufung auf eine geringfügige Fristüberschreitung in Ausnahmefällen eine unzulässige Rechtsausübung darstellen (RG 117, 354; BGH NJW 1974, 360). Jede Frist, die einer Partei zur Verfügung steht, kann von ihr voll ausgenützt werden (RG HRR 1942 Nr 583). Zur Technik und Grenze der Anwendbarkeit des § 186 außerhalb des BGB infolge Verweisungen in anderen Gesetzen Müller NJW 1964, 1116.

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Fristbeginn (1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. (2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tag der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.

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1. Abs I. a) Nach dieser Auslegungsregel wird nur nach vollen Kalendertagen gerechnet (Zivilkomputation). Dabei wird der Tag, in dessen Verlauf das für den Fristbeginn maßgebliche Ereignis oder der entspr Zeitpunkt fällt, nicht mitgezählt. Die Frist beginnt daher mit dem Beginn des folgenden Tages. Für den Beginn einer Frist ist es im Gegesatz zum Fristende (vgl § 193) unerheblich, ob er auf einen Werk-, Sonn- oder Feiertag fällt. Läuft eine Frist „ab heute“ oder „von heute“, wird idR das „heute“ nicht mitgezählt (RG Recht 1924 Nr 947). Anwendungsbeispiele: Die Verzinsungspflicht bei einem Darlehen (§ 488) beginnt am Tag nach dem Empfang (BGH WM 1997, 1192, 1193; dazu Borges WM 1998, 105; zur abw Praxis im Emissionsgeschäft s BuB/Bosch Muster 10/246a § 2). Prozesszinsen (§ 291) sind vom Tag nach der Rechtshängigkeit an zu zahlen (BGH NJW-RR 1990, 518, 519). Abs I ist auch auf die Fristen gem § 477 aF (seit 1.1.2002 § 438) anzuwenden (BGH NJW-RR 1989, 629) und § 651g (Karlsruhe NJW-RR 1991, 54) sowie auf etwaige Widerrufsfristen, zB nach § 355 iVm §§ 312, 312d und 495 (BGH 126, 56, 63; Jena NJOZ 2003, 874). Gleiches gilt für die in einem Mahnschreiben gesetzte Frist, die grds erst mit dem auf den Zugang folgenden Tag beginnt (Nachw MüKo/Grothe Rn 2). Eine nach wirksamer gerichtlicher Zustellung überflüssige Wiederholung der Zustellung führt nicht zu einer neuen Frist (BGH NJW-RR 2006, 563). Ist nach den Versicherungsbedingungen ein Versicherungsfall „innerhalb von zwei Tagen“ anzumelden, wird der Tag des Versicherungsfalls nicht mitgerechnet (RG JW 1938, 683). Die Sechswochenfrist bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall beginnt ebenfalls erst am Tag nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, sofern der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit erkrankt; für den Tag der Erkrankung bleibt der Entgeltanspruch ohnehin bestehen (BAG DB 1971, 1482 mwN).

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b) Auch wenn der fristauslösende Vorgang rechtsgeschäftlich (zB durch Abtretung eines Herausgabeanspruchs) auf den Beginn eines Tages gelegt ist, soll die Frist erst mit dem folgenden Tag beginnen (BGH WM 1989, 826; WM 2005, 381, 382 zum auf 0:00 Uhr des folgenden Tages vordatierten Insolvenzeröffnungsbeschluss; zust Staud/Repgen Rn 7). Dem ist nicht zu folgen. Der Tagesbeginn und das Tagesende mögen noch zu dem Tag gehören (Stuttgart WM 2010, 1330, 1333), fallen aber nicht in den Tag. Entgegen dem BGH macht es deshalb keinen Unterschied, ob 17.12., 24:00 Uhr oder 18.12., 0:00 Uhr als auslösender Zeitpunkt angegeben wird. Die gegenteilige, ausf, aber nicht überzeugend begründete Entscheidung BAG 18, 345 betrifft in Wahrheit die Auslegung des § 5 I c BUrlG und nicht des § 187; zur gleichen Frage beim Fristablauf s zutr BGH NJW 2007, 2045, 2046 („vor Beginn des Folgetages“); vgl auch § 188 II iVm § 187 II, der den Beginn eines Tages mit dem Ablauf des Vortags gleichsetzt. Der Unterschied liegt nicht in der Zeit, sondern in der Perspektive (zur steuerrechtlichen Behandlung s auch Abschn 59 II 1, 2 KStR). Die Auslegung der Fristennorm muss ergeben, auf welche Perspektive es ankommt. Die Regelverjährung (§ 199) eines Anspruchs, der mit dem Ablauf eines Kalenderjahres entsteht, beginnt vorbehaltlich der subjektiven Voraussetzungen mit dem Ablauf desselben Jahres (Stuttgart WM 2010, 1330, 1333).

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G. Maier-Reimer

Fristen, Termine

§ 188

c) Es entspricht dem Charakter des § 187 als Auslegungsregel, dass jede abw Verkehrsauffassung 3 oder Parteivereinbarung (RG JW 1911, 92) vorgeht. So wird zB bei der Berechnung der Gültigkeitsdauer einer Fahrkarte der Lösungstag mitgezählt (weitere Bsp Staud/Repgen Rn 9a ff). § 187 I gilt nur für Fristen von mindestens Tageslänge. Stunden- und Minutenfristen werden von 4 Augenblick zu Augenblick gerechnet (Naturalkomputation). Das gilt grds auch für Fristen von 24 und 48 Stunden, es sei denn, dass „innerhalb eines Tages“ oder „innerhalb von zwei Tagen“ gemeint ist (so im Zweifel bei Versicherungsbedingungen; Nachw Soergel/Niedenführ Rn 3). Bei Fristen, deren Beginn an die Kenntnis bestimmter Umstände geknüpft ist (zB §§ 626 II, 1944 II S 1), ist die Erlangung der Kenntnis das auslösende Ereignis iSv Abs I, sofern der Fristbeginn nicht auf das Jahresende verschoben ist (§ 199). Abs I gilt nicht für die Zeit der Hemmung einer Frist (§§ 203ff), da sie keine Frist iSd §§ 186ff ist (RG 161, 125, 127; MüKo/Grothe § 186 Rn 4). 2. Abs II enthält Abweichungen von der Grundregel des Abs I. a) Ist für den Anfang einer Frist der 5 Beginn eines Tages maßgeblich, so zählt nach Abs II S 1 dieser Tag mit. Das ist zB der Fall bei Miete ab 1. April. Bei Arbeitsverhältnissen sind für die Berechnung einer Frist (zB Dauer einer Probezeit) jedenfalls bei einer entspr Vereinbarung der Tag des Eintritts und der Tag des Austritts als volle Arbeitstage mitzuzählen (BAG 102, 49; dazu Boemke JuS 2003, 613). Für die Berechnung der Kündigungsfrist ist nach der Rspr Abs II S 1 anzuwenden, wenn der Ver- 6 trag über ein Dauerschuldverhältnis vor dessen Beginn gekündigt wird und er frühestens mit dem Vertragsbeginn gekündigt werden kann (BAG NJW 1980, 1015; s auch BGH 73, 350 zu einem Mietvertrag). Die von der Rspr verwendete Formulierung vom „Beginn der Kündigungsfrist“ in solchen Fällen ist ungenau und berücksichtigt nicht, dass die Kündigung regelmäßig außerhalb der Kündigungsfrist, nämlich vor deren Beginn, erklärt werden muss (§ 186 Rn 4). Kann die Kündigung nicht vor Vertragsbeginn wirksam erklärt werden, so ist sie nach dieser Entscheidung mit Beginn des Vertragsverhältnisses wirksam erklärt (s auch § 188 Rn 3). Unter Abs II S 1 fallen auch die Fristen für die Auslegung von Bauleitplänen und ähnliche Fristen (GemS in BGH 59, 396). Gesetze, die mit dem (oder einem bestimmten) Tag nach der Verkündung in Kraft treten, gelten vom Beginn dieses Tages an (BVerfG 102, 254, 295); maßgebend für die Verkündung ist der Zeitpunkt der Ausgabe des GBl (BVerfG NJW 1963, 1444; dazu Heinze NJW 1965, 524; Sachs/Lücke/Nierhaus GG Art 82 Rn 20). b) Eine weitere Ausnahme bildet Abs II S 2. Danach ist bei der Berechnung des Lebensalters der 7 Geburtstag mitzurechnen. Volljährigkeit tritt also mit dem Beginn des Tages ein, an dem das 18. Lebensjahr vollendet wird. Diese Regelung gilt nach der Rspr auch im Recht der Sozialversicherung (zB für den Beginn des Rentenalters; BVerwG 30, 167; BAG BB 1965, 1311; BSG DB 1970, 1548). Wer am Ersten eines Monats geboren ist, vollendet ein Lebensjahr mit Ablauf des letzten Tages des vorausgehenden Monats des nachfolgenden Jahres und deshalb nach BAG BB 1965, 1311 auch im Vormonat; aM Vogt BB 1966, 625. § 188 III führt nicht zu einer weiteren Änderung. Wer am 29. Februar 1996 geboren ist, ist erst am 1. März 2014 volljährig, da seine Lebensjahre gem § 188 II iVm § 187 II S 2 mit Ablauf des 28. Februar enden (MüKo/Grothe Rn 7). 3. Ausdr geregelt ist in § 187 nur der Beginn einer in die Zukunft laufenden Frist. Die Vorschrift gilt 8 entspr für rückwärts zu berechnende Fristen (MüKo/Grothe Rn 4; Staud/Repgen Rn 7; Krause NJW 1999, 1448; ZIP 1995, 935, 940). In rückwärts zu rechnende Mindestfristen ist der Tag, in den das auslösende Ereignis fällt, nicht einzurechnen (Staud/Repgen Rn 7; Krause NJW 1999, 1448, jeweils ohne Differenzierung für Höchst- und Mindestfristen). Anders, wenn die Frist – wie typischerweise im Fall der Kündigung – erst mit dem Ende dieses Tages ausgelöst wird; entspr Abs II ist in diesem Fall der Tag, mit dessen Ende die Frist ausgelöst wird, in die Frist einzurechnen. Die Kündigung zum 31.8. kann daher mit Monatsfrist am 31.7. erklärt werden. Einzurechnen ist der Tag des fristauslösenden Ereignisses dagegen in rückwärts zu rechnende Höchstfristen (zB §§ 209 I AktG, 17 II UmwG). Viele Zweifelsfragen aktienrechtlicher Rückwärtsfristen (dazu Kinzl NZG 2004, 701 und Sasse NZG 2004, 153, 155f) sind jetzt durch §§ 121 VII, 122 II S 3, 2. HS, 123 I S 2, 126 I S 2 AktG geklärt.

188

Fristende (1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist. (2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum – Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr – bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des § 187 Abs. 2 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht. (3) Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats. 1. Abs I. Entscheidend für das Ende von Tagesfristen ist der Ablauf des letzten Tages (beachte 1 aber § 193). Das folgt aus der in § 187 I geregelten Zivilkomputation, wonach nur in ganzen Tagen gerechnet wird. Wer sich bis zu einem bestimmten Tag bindet, bindet sich bis zum Ende dieses Tages (RG 105, 417). Bei einer (rechtsgeschäftlich bestimmten) Frist von acht Tagen muss durch Auslegung ermittelt werden, ob damit eine Frist von einer Woche gemeint ist (Soergel/Niedenführ Rn 2). Ist in einer behördlichen Verfügung zur Vornahme einer Handlung eine Frist von acht Tagen gesetzt, sind darunter im Zweifel volle acht Tage zu verstehen (RG DR 1944, 909). Entspr bestimmt § 359 II HGB für Handelsgeschäfte. Im Wechselrecht gilt diese Auslegung gem Art 36 IV WG in jedem Fall.

G. Maier-Reimer

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§ 188

Allgemeiner Teil

Fristen, Termine

Zur Bedeutung der Bestimmung im Giroverhältnis zu einer Bank eingehend Borges WM 1998, 105ff mwN. 2

2. Abs II. Wochenfristen laufen von Wochentag zu Wochentag, Monats- und Jahresfristen von Datum zu Datum. Auch hier ist grds der Ablauf des letzten Tages für das Fristende maßgebend. Eine Wochenfrist, die mit Beginn eines Dienstags anfängt, endet mit Ablauf des folgenden Montags; ist für den Anfang einer Monatsfrist zB der Beginn des 4. 6. entscheidend, endet die Frist mit Ablauf des 3. 7.; die Berufung gegen ein am 28. 2. zugestelltes Urt ist vor dem Ablauf des 28. 3. einzulegen (BGH NJW 2007, 2045); auf die Zahl der Tage eines Monats kommt es nicht an (§ 188 III und BGH NJW 1984, 1358, 2003, 2487; ferner – zu § 110 AO – FG Hamburg EFG 2007, 730; zur Viermonatsfrist des § 32 IV b EStG BFH NJW 2004, 632, LS). Eine Frist von vier oder sechs Wochen gilt grds – vorbehaltlich abw Vereinbarung – als Wochenfrist und nicht als Frist von einem Monat oder von eineinhalb Monaten (BaRo/Henrich § 189 Rn 3; Staud/Repgen § 189 Rn 2). Unter „Beginn der Woche“ ist im Zweifel der Montag zu verstehen; hat etwas „bis zum Schluss der Woche“ zu geschehen, so ist der Samstag als der letzte Wochentag anzusehen (s aber § 192 Rn 1). In entspr Anwendung des § 188 ist bei einer ohne Angabe eines Tages nur nach Monaten bestimmten Frist (zB „Lieferzeit Januar bis März“) der zuletzt genannte Monat einzubeziehen (RG 95, 22). Die Mindestfrist des § 1b BertrAVG ist erfüllt, wenn sie gleichzeitig mit dem Arbeitsverhältnis endet (BAG ZInsO 2010, 100 zu § 30f I S 1, 2. Hs BetrAVG)

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3. Abs III. Die unterschiedliche Tageszahl der Monate wird folgendermaßen berücksichtigt: Wenn bei Monatsfristen der entspr Tag im letzten Monat fehlt, ist für das Fristende der Ablauf des letzten Monatstages entscheidend. Für rückwärts zu rechnende Mindestfristen (zB Kündigungsfristen) würde die entspr Anwendung bedeuten, dass eine mit Monatsfrist zu erklärende Kündigung zum 28. Februar bereits am 28. Januar erklärt werden müsste. Das entspricht nicht dem Sinn der Regelung. Es muss genügen, wenn die Kündigung vor Beginn des Februar erklärt wird. Zw der Kündigung am 31. Januar und dem Ende des 28. Februar liegt ein voller Monat. Für rückwärts zu rechnende Höchstfristen (§§ 209 I AktG, 17 II UmwG) fällt der Stichtag einer auf das Ende des Monatsletzten erstellten Bilanz nicht mehr in diesen Monat (§ 187 Rn 2), es genügt deshalb, wenn der Zeitraum zw dem Beginn des Folgemonats und dem fristauslösenden Ereignis die Höchstfrist nicht überschreitet; die Frist von maximal acht Monaten vor der am 31.10. erfolgenden Anmeldung wird also durch eine Bilanz auf den 28.2. gewahrt (s § 187 Rn 2; i Erg ebenso Semler/Stengel/Schwanner UmwG § 17 Rn 17; aM Köln GmbHR 1998, 1085, welches die Frist vorwärts berechnet).

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4. Zugang. Von der Berechnung der Frist zu unterscheiden ist die Frage, was innerhalb der Frist zu geschehen hat, ob zB eine Erklärung noch innerhalb der Frist iSv § 130 zugehen muss und kann. Das richtet sich nicht nach §§ 187ff, sondern nach der einzelnen Fristvorschrift (verneinend für § 126 AktG BGH NJW 2000, 1328; ausf Staud/Repgen Rn 4ff; s auch BGH 23, 307, 310ff; zum Zugang s § 130 Rn 7ff).

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5. Einzelfälle. a) Grds kann eine Frist voll ausgeschöpft werden. Das Fristende (bei Tagen: 24.00 Uhr) fällt nach BAG 18, 345 noch in die Frist; anders BGH NJW 2007, 2045, 2046. In der Entscheidung des BAG ging es um die Auslegung des § 5 I c BUrlG; die Verortung der Frage in § 188 durch das BAG und seine Begründung überzeugen nicht. Zur Fristwahrung mit den Mitteln der Telekommunikation ist erforderlich, dass die gesendeten Signale vom Empfangsgerät des Empfängers noch innerhalb der Frist vollständig empfangen (gespeichert) worden sind (BGH NJW 2007, 2045 mwN).

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b) Zur Umdeutung einer lediglich durch einen Endtermin bestimmten richterlichen Frist in eine nach Zeitraum bestimmte (und dann durch die Gerichtsferien oder ein Armenrechtsgesuch alten Rechts gehemmte) Frist s RG 120, 1; BGH NJW 1973, 2110; aM RG JW 1927, 3007.

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c) Ist eine Frist „bis morgen früh“ gesetzt, so ist die Leistung spätestens am Anfang der Geschäftszeit des folgenden Tages, also etwa bis eine Stunde nach Geschäftsbeginn, zu bewirken. Eine bis zu einem bestimmten Tag vorzunehmende Handlung kann idR noch an diesem Tag vorgenommen werden (RG 105, 417).

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6. Keine Anwendung findet § 188 auf nicht zusammenhängende Zeiträume; hier gilt § 191.

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Berechnung einzelner Fristen (1) Unter einem halben Jahr wird eine Frist von sechs Monaten, unter einem Vierteljahr eine Frist von drei Monaten, unter einem halben Monat eine Frist von 15 Tagen verstanden. (2) Ist eine Frist auf einen oder mehrere ganze Monate und einen halben Monat gestellt, so sind die 15 Tage zuletzt zu zählen. Die Regel des Abs I, dass unter einem halben Monat eine Frist von 15 Tagen zu verstehen ist, gilt auch für die Monate, die mehr oder weniger als 30 Tage haben. Abs II ist wegen der unterschiedlichen Tageszahl der Monate erforderlich. Das Gleiche gilt im Wechselrecht nicht nur als Auslegungsregel, sondern immer (Art 32 II, V WG).

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Fristverlängerung Im Falle der Verlängerung einer Frist wird die neue Frist von dem Ablauf der vorigen Frist an berechnet.

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1. Anwendungsbereich. § 190 gilt für laufende und abgelaufene Fristen. Die Voraussetzungen und Folgen einer Verlängerung der bereits abgelaufenen ursprünglichen Frist, wie zB der Verzicht auf die 568

G. Maier-Reimer

Fristen, Termine

§ 193

eingetretenen Verzugsfolgen oder des Rechts, Schadensersatz statt der Leistung zu verlangen (§ 280 I S 1), regelt die Vorschrift nicht (dazu MüKo/Grothe Rn 2). Die Vorschrift gibt nur eine Auslegung für die Berechnung der verlängerten Frist. Auch dafür gilt sie nicht, wenn insgesamt eine neue Frist bestimmt und nicht die alte verlängert ist. Die Verlängerung läuft im Zweifel nicht erst oder schon von der Bewilligung, sondern vom Endzeit- 2 punkt der ersten Frist ab (Karlsruhe DB 1971, 1410), auch wenn dieser an einem Wochenende liegt. § 193 ist auf den Beginn der Verlängerung nicht anwendbar, weil die ursprüngliche Frist mit der Verlängerungsfrist eine zusammenhängende einheitliche Frist bildet (RG 131, 337, 338), die ursprüngliche Frist also nicht iSv § 193 endet (Soergel/Niedenführ Rn 2). – Bei einer Verlängerung von Prozessfristen soll nach der hM § 193 anwendbar sein, so dass bei Ablauf der ursprünglichen Frist an einem Wochenende oder Feiertag die neue Frist erst mit Ablauf des nächsten Werktages beginnt (BGH NJW 2006, 700 unter Bestätigung von BGH 21, 43; Pal/Ellenberger Rn 1; aM – keine unterschiedliche Behandlung von materiellen und prozessualen Fristen – RG 131, 337; BaRo/Henrich Rn 2; MüKo/ Grothe Rn 3; Staud/Repgen, Rn 4). Die Verlängerung einer abgelaufenen prozessualen Frist kommt – anders als etwa bei rechtsgeschäftlich bestimmten Fristen – nur in Betracht, wenn der Verlängerungsantrag noch vor dem Fristablauf bei Gericht eingegangen ist (BGH [GS] 83, 219; BGH 116, 377). 2. § 190 findet keine Anwendung, wenn anstelle der ursprünglichen Frist eine völlig neue tritt; diese 3 fällt dann unter den Anwendungsbereich des § 187. Ob es sich um eine Fristverlängerung oder um die Bestimmung einer neuen Frist handelt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Bei abgelaufenen gesetzlichen Fristen ist eine Fristverlängerung nicht möglich.

191

Berechnung von Zeiträumen Ist ein Zeitraum nach Monaten oder nach Jahren in dem Sinne bestimmt, dass er nicht zusammenhängend zu verlaufen braucht, so wird der Monat zu 30, das Jahr zu 365 Tagen gerechnet.

1. Anwendungsbereich. ZB Bewilligung eines mehrmonatigen Urlaubs, welcher nicht zusammen- 1 hängend genommen werden muss; Verpflichtung eines Reisenden zu mindestens neunmonatiger Reisetätigkeit; die Auflage, ein vermachtes Grundstück mindestens sechs Monate im Jahr zu bewohnen. In solchen Fällen erfolgt eine pauschalierte Berechnung durch Zusammenzählen der Tage, wobei 2 für einen Monat 30 Tage, für ein Jahr 365 Tage gezählt werden. Die Frist wird erst in Tage umgerechnet, und dann werden die tatsächlichen Tage des Fristverbrauchs auf diese Gesamtzahl angerechnet. Da Monate mit 30 Tagen gerechnet werden, sind auch Sonn- und Feiertage voll auf die Frist anzurechnen. Eine Frist von einem halben Jahr, die nicht zusammenhängend zu verlaufen braucht, ist zunächst nach Maßgabe des § 189 und dann nach § 191 zu bestimmen, sodass sie 6 × 30 = 180 Tage beträgt. Eine Frist von einem Vierteljahr umfasst demnach 90 Tage. Zur Berechnung tariflicher Urlaubszeiten BAG NZA 2003, 1167. 2. Keine Anwendung findet § 191 als Folge davon, dass der Lauf einer zusammenhängenden Frist 3 durch Hemmung aufgehalten wird (RG 161, 125, 127; BGH 5, 275; NJW 1962, 347; MüKo/Grothe Rn 1). Die Hemmung führt zur Verlängerung der Frist um die Anzahl der Tage ihrer Dauer; der Tag des Eintritts des hemmenden Ereignisses und der Beendigung der Hemmung werden als volle Tage der Hemmung gezählt (RG 161, 125; s Erl zu § 209).

192

Anfang, Mitte, Ende des Monats Unter Anfang des Monats wird der erste, unter Mitte des Monats der 15., unter Ende des Monats der letzte Tag des Monats verstanden. Die Auslegungsregel des § 192 setzt im Interesse der Rechtssicherheit einige übliche Termins- 1 bestimmungen auf bestimmte Tage fest. Die gleiche Regelung enthält Art 36 III WG. Die Ausdrücke „Beginn“ und „Ende der Woche“ sind entspr § 192 auszulegen und bedeuten Montag bzw Samstag (ebenso MüKo/Grothe Rn 1; Soergel/Niedenführ Rn 2). Mit „Ende der Woche“ kann in Bezug auf Arbeitstage auch der Freitag gemeint sein. „Mitte der Woche“ ist der Mittwoch. – Unter Angaben von Jahreszeiten wie „Frühjahr“ oder „Herbst“ sind im Zweifel die jeweiligen kalendermäßigen Zeitpunkte zu verstehen, sofern sich aus der Verkehrssitte für die jeweilige Region oder Branche im Einzelfall nichts anderes ergibt. – In privaten Rechtsgeschäften bedeutet die Angabe eines Kalendertages ohne Angabe des Jahres im Zweifel den nächsten entspr Kalendertag (Mot I 286).

193

Sonn- und Feiertag; Sonnabend Ist an einem bestimmten Tag oder innerhalb einer Frist eine Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken und fällt der bestimmte Tag oder der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag, einen am Erklärungs- oder Leistungsorte staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so tritt an die Stelle eines solchen Tages der nächste Werktag. 1. Zweck. § 193 schützt die Sonn- und Feiertagsruhe; seit Einbeziehung der Samstage durch G v 1 10.8.1965 trägt er auch dem weitgehenden Stillstand von Arbeits- und Geschäftsleben an diesen Tagen Rechnung und verhindert damit eine faktische Vorverlegung des Fristendes auf Freitag (BGH 171, 33 Tz 25; MüKo/Grothe Rn 1). Der Begriff des „Werktags“ ist im autonomen deutschen Recht nicht identisch mit demjenigen des Arbeitstages auf der Grundlage der Fünftagewoche (MüKo/GroG. Maier-Reimer

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§ 193

Allgemeiner Teil

Fristen, Termine

the Rn 2). Zu der EU-rechtlich gebotenen Auslegung von Werktagen als Arbeitstage im Geltungsbereich von EU-Rechtsakten und ihrer Umsetzung s MüKo/Grothe Rn 3. Die zu § 186 Rn 8 genannten Sondervorschriften enthalten zT weitere Abweichungen von § 193. 2

2. Anwendungsbereich. § 193 gilt für Fristen und Termine, die für die Abgabe einer Willenserklärung oder zur Bewirkung einer Leistung bestimmt sind. Bei den Willenserklärungen spielt es keine Rolle, ob zu ihrer Abgabe eine Rechtspflicht besteht oder ob sie nur der Wahrung eigener Rechte dienen (BGH 99, 288, 291 – Zeitbürgschaft). § 193 gilt auch für Ausschluss- (RG 100, 18; 105, 123) und Verjährungsfristen (RG 151, 347; BGH NJW-RR 2008, 459, 460). Soweit zur Fristwahrung nicht eine Willenserklärung oder Leistung erforderlich ist, sondern eine Prozesshandlung, gilt er entspr (Rn 5). Die Vorschrift gilt auch für fristgebundene geschäftsähnliche Handlungen (Bsp bei Staud/Repgen Rn 10). Sie soll für die Fünf-Monatsfrist für das Absetzen eines Urteils (§ 548 ZPO) nicht gelten (BSG v 17.2.2009 – B 2 U 189/08 B, juris Tz 9; anders BFH NJW 1997, 416).

3

a) Für Kündigungsfristen ist zu unterscheiden: Grds müssen Kündigungsfristen dem Adressaten ungeschmälert zur Verfügung stehen. § 193 hat deshalb nicht die Folge, dass die Kündigung auf einen bestimmten Termin später erklärt werden könnte und damit die Kündigungsfrist verkürzt würde (BGH 59, 265; 162, 175; BAG 22, 304). Das gilt nach hM auch, wenn die Frist nicht als Frist vor dem Kündigungstermin geregelt ist, sondern, wie in §§ 573c III, 621 Nr 3, als Termin, an dem die Kündigung spätestens erklärt werden muss (s §§ 580a Rn 3; 621 Rn 8). Bei den sog Karenztagen (§ 580a I Nr 3, II) zählen Samstage als Werktage mit (BGH NJW 2005, 2154), auch wenn der letzte Werktag ein Samstag ist (LG Wuppertal NJW-RR 1993, 1232; offengelassen in BGH NJW 2005, 2154; anders für die Zahlungsfrist gem § 556b I BGH NJW 2010, 2879, 2882 unter Hinw auf die Bankpraxis und § 675n). Ist die Frist wie in § 626 II ohne Bezug auf einen bestimmten Kündigungstermin allein von einem bestimmten Zeitpunkt an vorwärts rechnend bestimmt, so ist § 193 anwendbar (Staud/Preis § 626 Rn 308). Ist die Kündigung in bestimmter Frist vor dem Kündigungstermin zu erklären, so darf sie durch Anwendung des § 193 nicht verkürzt werden (BGH 162, 175; NJW 2005, 1354). Dies folgt bereits daraus, dass solche Fristen rückwärts zu rechnen sind (Ziegeltrum JuS 1986, 785). Anderes soll gelten, wenn die „Kündigung“ eine Vertragsverlängerung verhindern soll, weil dann ein mangels Widerspruchs zustande kommender neuer Vertrag vereinbart sei (BGH NJW 1975, 40; MüKo/Grothe Rn 7; Pal/Ellenberger Rn 3). Dem ist nicht zu folgen. Auch diese Frist ist rückwärts zu rechnen. Auch ohne den besonderen Schutz der Kündigungsfristen gibt es keinen Grund, die Frist zu verkürzen (wie hier Ziegeltrum JuS 1986, 784, 786). Andererseits führt die entspr Anwendung des § 193 in diesem Fall auch nicht dazu, dass die Erklärung bereits am letzten Werktag vor dem nach dem Kalender bestimmten Termin abgegeben werden müsste (s auch Rn 7).

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b) § 193 gilt – selbstverständlich – auch im Gesellschaftsrecht (zB bzgl der Fälligkeit einer Einzahlung). Str ist allerdings seine Geltung für Einberufungs- und ähnliche Fristen. Diese Frage ist aktienrechtlich durch § 121 VII AktG geklärt. Für die GmbH wird sie weiter kontrovers erörtert (s Baumbach/Hueck/Zöllner GmbHG § 51 Rn 20 einerseits und Scholz/Schmidt/Seibt GmbHG § 51 Rn 11 andererseits). Die Diskussion berücksichtigt nicht ausreichend, dass keine Handlung oder Erklärung des Einberufenen innerhalb der Frist erforderlich und überdies die Frist rückwärts zu rechnen ist (zutr Tettinger GmbHR 2008, 346; MüKo/Grothe Rn 10, allerdings aufgrund der Annahme, die Frist sei, anders als im Aktienrecht, vorwärts zu rechnen). § 193 gilt nicht für den Stichtag, auf den sich der Nachw gem § 123 II S 3 AktG beziehen muss (Hüffer AktG § 123 Rn 12 mwN). Die Anwendung von § 193 auf die Frist des § 242 II S 1 AktG verneint Düsseldorf NZG 2001, 1036, 1038 wegen der Art dieser Frist; dazu K. Schmidt/Lutter/Schwab AktG § 242 Rn 6.

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c) § 193 gilt entspr für Prozesshandlungen, wenn zur Wahrung einer materiellrechtlichen Frist eine Prozesshandlung erforderlich ist, wie die Klageerhebung zur Hemmung der Verjährung (RG 151, 347; BGH NJW 1984, 1559; 1978, 2091). Er gilt auch für prozessuale Fristen (§ 222 ZPO) und für den Widerruf eines Prozessvergleichs (BGH NJW 1978, 2091).

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d) Dem § 193 entspr Spezialvorschriften für andere Rechtsgebiete enthalten §§ 31 III VwVfG, 108 AO, 222 II ZPO, 16 II FamG, 43 II StPO, 77b I 2 StGB und Art 72 WG, 55 ScheckG.

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3. Für rückwärts zu rechnende Mindestfristen ist § 193 nicht in dem Sinne anzuwenden, dass die gebotene Maßnahme am nächsten Werktag getroffen werden könnte (aM BGH NJW 1975, 40 für den Widerspruch gegen eine automatische Vertragsverlängerung), denn damit würde sich die Frist verkürzen. Die entspr Anwendung hätte eine Verlängerung der Frist zur Folge, weil die zur Fristwahrung gebotene Maßnahme am letzten Werktag vor dem nach dem Kalender bestimmten Termin erforderlich wäre. Damit würde die entspr Anwendung auf rückwärts zu rechnende Fristen überspannt. Dafür besteht kein Bedürfnis. Wenn die gebotene Maßnahme auch an einem der Karenztage getroffen werden kann und getroffen wird, besteht kein Anlass, ihr diese Wirkung zu versagen. Ob sie an einem solchen Tag getroffen werden kann (ob zB der Zugang einer Willenserklärung möglich ist), richtet sich nach der Fristennorm und den Umständen des Einzelfalls. Kann die Maßnahme an diesem Tag nicht getroffen werden, bedarf es nicht der entspr Anwendung des § 193; vielmehr verlängert sich die Frist faktisch dadurch, dass die Maßnahme am letzten Tag vor Ablauf der rückwärts gerechneten Frist nicht getroffen werden kann und eine Fristverkürzung nicht stattfindet.

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4. Keine Anwendung findet die Auslegungsregel des § 193, wenn etwas anderes vereinbart ist (idR bei Stundenfristen, MüKo/Grothe Rn 5; s aber § 222 III ZPO) oder dies aus den Umständen oder einer Verkehrsübung folgt. § 193 ist stets ausgeschlossen, wenn die Leistung gerade für einen Samstag, Sonn- oder Feiertag bestimmt ist (zB erhöhter Bierbezug für den Feiertagsabend; Fertigstellung eines Zeltes für eine Feiertagsveranstaltung). BGH NJW 2001, 2324, 2325 nimmt dies bereits für den 570

G. Maier-Reimer

Verjährung

Vor § 194

Fall einer nach dem Kalender bestimmten Fälligkeit an, wenn diese auf einen Sonntag fällt. Die Vorschrift gilt auch nicht für Fristen, die zum Eintritt oder Nichteintritt einer Bedingung gesetzt sind (RG SeuffA 86 Nr 59; Staud/Repgen Rn 14). Ist aber bei einer Bürgschaft vereinbart, dass sie an einem bestimmten Tag erlösche, wenn bis dahin die Inanspruchnahme nicht erklärt ist, und fällt dieser Endtermin auf einen Sonntag, so kann die Inanspruchnahme auch noch am nächsten Werktag erklärt werden, wenn die Parteien nicht ausdr das Fristende auf den Sonntag festgelegt haben (BGH 99, 288). § 193 gilt unmittelbar für einen befristeten Verjährungsverzicht; zum früheren Recht, nach dem der Verjährungsverzicht nur über § 242 wirkte, BGH WM 1990, 695, 699; dazu MüKo/Grothe Rn 8. 5. Wirkung. § 193 gibt demjenigen, welcher eine Leistung zu bewirken oder eine Willenserklärung 9 abzugeben hat, das Recht, erst am nächsten Werktag zu leisten oder zu erklären. Der andere Teil wird dadurch aber nicht berechtigt, die Entgegennahme der Leistung oder der Willenserklärung an einem Samstag, Sonn- oder Feiertag zu verweigern (MüKo/Grothe Rn 13; s aber § 358 HGB; zur Frage des Zugangs namentlich bei Zwischenfristen § 188 Rn 4). § 193 gilt auch für den Eintritt der Fälligkeit und des Verzugs (BGH 171, 33 Tz 13, 27f; MüKo/Grothe Rn 13; aM obiter BGH NJW 2001, 2324, 2325). Wird aber eine verzinsliche Schuld, die an einem Samstag, Sonn- oder Feiertag fällig wird, erst am folgenden Werktag zurückgezahlt, besteht die Zinspflicht auch für diese (sog Karenz-)Tage (Frankfurt NJW 1975, 1971; MüKo/Grothe Rn 13). Zur Bedeutung von § 193 für die Zahlungstermine von Mieten s Meist ZMR 1999, 801. 6. Örtliche Feiertage. Bei Abgabe von Willenserklärungen findet § 193 nur Anwendung, wenn der 10 betreffende Tag am Erklärungsort als allg Feiertag anerkannt ist, bei Bewirkung von Leistungen nur, wenn der betreffende Tag am Erfüllungsort (§ 269) als solcher gilt. Das Ende einer Rechtsmittelfrist wird nur dann hinausgeschoben, wenn der betreffende Tag an dem Ort, an dem das Rechtsmittel einzulegen ist, gesetzlicher Feiertag ist (BAG NJW 1989, 1181; VGH München NJW 1997, 2130 mwN); eine vom Gericht einzuhaltende prozessuale Frist läuft auch an einem bei Gericht dienstfreien Tag ab, der kein gesetzlicher Feiertag ist (BFH NJW 1997, 416 für Rosenmontag). 7. Gesetzliche Feiertage sind im gesamten Bundesgebiet: Neujahrstag, Karfreitag, Ostermontag, 11 Christi Himmelfahrt, 1. Mai, Pfingstmontag, 3. Oktober, erster und zweiter Weihnachtsfeiertag. Der 3. Oktober ist durch Bundesgesetz, die übrigen Feiertage sind durch Landesgesetze geregelt. Kein Feiertag iSd Regelung sind der Heiligabend (24. Dezember; OVG Hamburg NJW 1993, 194 zu § 222 II ZPO) oder der Rosenmontag (vgl BFH NJW 1997, 416), auch wenn an diesen Tagen Geschäfte, Büros oder Behörden vielfach geschlossen sind. Zu den landesgesetzlich verschieden geregelten Feiertagen s Übersicht bei Staud/Repgen Rn 32ff und Soergel/Niedenführ Rn 13ff.

Abschnitt 5 Verjährung Vorbemerkung Schrifttum: Amann, Das Verjährungsrecht nach der Schuldrechtsreform aus notarieller Sicht, DNotZ 2002, 94; Franck, Die Verjährung erbrechtlicher Ansprüche nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, 2005; Haenicke, Zur Einrede der Verjährung im öffentlichen Recht, NVwZ 1995, 348; Mansel, Die Neuregelung des Verjährungsrechts, NJW 2002, 89; Maier, Verjährungsfragen in Schrottimmobilienfällen, ZfIR 2008, 753; Otto, Die Bestimmung des § 199 Abs. 1 Nr 2 BGB, 2006; Piepenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung, 2006; D. Rabe, Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts: Verjährung, NJW 1992, 2395; Spiro, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen, 1975; Springer, Checkliste – Das Verjährungsrecht nach der BGB-Reform 2002, MDR 2002, 992; Fang Zhang, Die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren als Mittel der Verjährungshemmung, 2006; Gsell, Negative Feststellungsklage und Hemmung der Verjährung, FS Manfred Wolf (2011) 393.

1. Der Zeitablauf kann unabhängig vom Willen der Beteiligten für die Begründung, die Änderung 1 oder den Verlust eines Rechts von Bedeutung sein. Diese Wirkung bezeichnet man als Verjährung iwS Ihre Wurzeln reichen bis ins attische Recht zurück (Paracraze, 402 v Chr.; dazu Piepenbrock aaO, 44f). Während das ALR zw erwerbender (Hauptfall: Ersitzung) und erlöschender Verjährung unterschied, fasst das BGB wie schon das sächs BGB von 1863 (§§ 1016–1018) und im Ansatz das ADHGB von 1861 (Art 906) den Verjährungsbegriff ieS auf. Er lässt sich bis auf eine Konstitution des oströmischen Kaisers Theodosius II. aus dem Jahre 424 n. Chr. zurückführen (dazu Piepenbrock aaO, 44, 62f) Der Erwerb von Rechten durch fortgesetzten Besitz ist im BGB kein Unterfall der Verjährung, sondern ein selbständiges Rechtsinstitut, das im Sachenrecht geregelt ist, und zwar für bewegliche Sachen in §§ 937, 1033, für Grundstücke in §§ 900, 927. Das BGB versteht unter Verjährung in den §§ 194ff nur die Anspruchsverjährung. Ihre sachlichrechtliche Wirkung besteht nicht in einem Erlöschen, sondern in einer Schwächung des Anspruchs. Der Verpflichtete hat nach § 214 I nur das Recht, die Leistung dauernd zu verweigern. Der Anspruch bleibt bestehen. Bei irrtümlicher Leistung kann das Geleistete nicht zurückgefordert werden (§ 214 II). 2. Die Verjährung dient der Verkehrssicherheit und dem Rechtsfrieden (BGH 59, 72, 74). Ob man 2 mit den Motiven (I S 291) immer davon ausgehen kann, dass ein Anspruch wohl nicht oder nicht mehr begründet ist, wenn er über längere Zeit nicht geltend gemacht wird, ist heute angesichts der G. Maier-Reimer/J. Schmidt-Räntsch

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Verjährung

Vor § 194

Fall einer nach dem Kalender bestimmten Fälligkeit an, wenn diese auf einen Sonntag fällt. Die Vorschrift gilt auch nicht für Fristen, die zum Eintritt oder Nichteintritt einer Bedingung gesetzt sind (RG SeuffA 86 Nr 59; Staud/Repgen Rn 14). Ist aber bei einer Bürgschaft vereinbart, dass sie an einem bestimmten Tag erlösche, wenn bis dahin die Inanspruchnahme nicht erklärt ist, und fällt dieser Endtermin auf einen Sonntag, so kann die Inanspruchnahme auch noch am nächsten Werktag erklärt werden, wenn die Parteien nicht ausdr das Fristende auf den Sonntag festgelegt haben (BGH 99, 288). § 193 gilt unmittelbar für einen befristeten Verjährungsverzicht; zum früheren Recht, nach dem der Verjährungsverzicht nur über § 242 wirkte, BGH WM 1990, 695, 699; dazu MüKo/Grothe Rn 8. 5. Wirkung. § 193 gibt demjenigen, welcher eine Leistung zu bewirken oder eine Willenserklärung 9 abzugeben hat, das Recht, erst am nächsten Werktag zu leisten oder zu erklären. Der andere Teil wird dadurch aber nicht berechtigt, die Entgegennahme der Leistung oder der Willenserklärung an einem Samstag, Sonn- oder Feiertag zu verweigern (MüKo/Grothe Rn 13; s aber § 358 HGB; zur Frage des Zugangs namentlich bei Zwischenfristen § 188 Rn 4). § 193 gilt auch für den Eintritt der Fälligkeit und des Verzugs (BGH 171, 33 Tz 13, 27f; MüKo/Grothe Rn 13; aM obiter BGH NJW 2001, 2324, 2325). Wird aber eine verzinsliche Schuld, die an einem Samstag, Sonn- oder Feiertag fällig wird, erst am folgenden Werktag zurückgezahlt, besteht die Zinspflicht auch für diese (sog Karenz-)Tage (Frankfurt NJW 1975, 1971; MüKo/Grothe Rn 13). Zur Bedeutung von § 193 für die Zahlungstermine von Mieten s Meist ZMR 1999, 801. 6. Örtliche Feiertage. Bei Abgabe von Willenserklärungen findet § 193 nur Anwendung, wenn der 10 betreffende Tag am Erklärungsort als allg Feiertag anerkannt ist, bei Bewirkung von Leistungen nur, wenn der betreffende Tag am Erfüllungsort (§ 269) als solcher gilt. Das Ende einer Rechtsmittelfrist wird nur dann hinausgeschoben, wenn der betreffende Tag an dem Ort, an dem das Rechtsmittel einzulegen ist, gesetzlicher Feiertag ist (BAG NJW 1989, 1181; VGH München NJW 1997, 2130 mwN); eine vom Gericht einzuhaltende prozessuale Frist läuft auch an einem bei Gericht dienstfreien Tag ab, der kein gesetzlicher Feiertag ist (BFH NJW 1997, 416 für Rosenmontag). 7. Gesetzliche Feiertage sind im gesamten Bundesgebiet: Neujahrstag, Karfreitag, Ostermontag, 11 Christi Himmelfahrt, 1. Mai, Pfingstmontag, 3. Oktober, erster und zweiter Weihnachtsfeiertag. Der 3. Oktober ist durch Bundesgesetz, die übrigen Feiertage sind durch Landesgesetze geregelt. Kein Feiertag iSd Regelung sind der Heiligabend (24. Dezember; OVG Hamburg NJW 1993, 194 zu § 222 II ZPO) oder der Rosenmontag (vgl BFH NJW 1997, 416), auch wenn an diesen Tagen Geschäfte, Büros oder Behörden vielfach geschlossen sind. Zu den landesgesetzlich verschieden geregelten Feiertagen s Übersicht bei Staud/Repgen Rn 32ff und Soergel/Niedenführ Rn 13ff.

Abschnitt 5 Verjährung Vorbemerkung Schrifttum: Amann, Das Verjährungsrecht nach der Schuldrechtsreform aus notarieller Sicht, DNotZ 2002, 94; Franck, Die Verjährung erbrechtlicher Ansprüche nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, 2005; Haenicke, Zur Einrede der Verjährung im öffentlichen Recht, NVwZ 1995, 348; Mansel, Die Neuregelung des Verjährungsrechts, NJW 2002, 89; Maier, Verjährungsfragen in Schrottimmobilienfällen, ZfIR 2008, 753; Otto, Die Bestimmung des § 199 Abs. 1 Nr 2 BGB, 2006; Piepenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung und Verwirkung, 2006; D. Rabe, Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts: Verjährung, NJW 1992, 2395; Spiro, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen, 1975; Springer, Checkliste – Das Verjährungsrecht nach der BGB-Reform 2002, MDR 2002, 992; Fang Zhang, Die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren als Mittel der Verjährungshemmung, 2006; Gsell, Negative Feststellungsklage und Hemmung der Verjährung, FS Manfred Wolf (2011) 393.

1. Der Zeitablauf kann unabhängig vom Willen der Beteiligten für die Begründung, die Änderung 1 oder den Verlust eines Rechts von Bedeutung sein. Diese Wirkung bezeichnet man als Verjährung iwS Ihre Wurzeln reichen bis ins attische Recht zurück (Paracraze, 402 v Chr.; dazu Piepenbrock aaO, 44f). Während das ALR zw erwerbender (Hauptfall: Ersitzung) und erlöschender Verjährung unterschied, fasst das BGB wie schon das sächs BGB von 1863 (§§ 1016–1018) und im Ansatz das ADHGB von 1861 (Art 906) den Verjährungsbegriff ieS auf. Er lässt sich bis auf eine Konstitution des oströmischen Kaisers Theodosius II. aus dem Jahre 424 n. Chr. zurückführen (dazu Piepenbrock aaO, 44, 62f) Der Erwerb von Rechten durch fortgesetzten Besitz ist im BGB kein Unterfall der Verjährung, sondern ein selbständiges Rechtsinstitut, das im Sachenrecht geregelt ist, und zwar für bewegliche Sachen in §§ 937, 1033, für Grundstücke in §§ 900, 927. Das BGB versteht unter Verjährung in den §§ 194ff nur die Anspruchsverjährung. Ihre sachlichrechtliche Wirkung besteht nicht in einem Erlöschen, sondern in einer Schwächung des Anspruchs. Der Verpflichtete hat nach § 214 I nur das Recht, die Leistung dauernd zu verweigern. Der Anspruch bleibt bestehen. Bei irrtümlicher Leistung kann das Geleistete nicht zurückgefordert werden (§ 214 II). 2. Die Verjährung dient der Verkehrssicherheit und dem Rechtsfrieden (BGH 59, 72, 74). Ob man 2 mit den Motiven (I S 291) immer davon ausgehen kann, dass ein Anspruch wohl nicht oder nicht mehr begründet ist, wenn er über längere Zeit nicht geltend gemacht wird, ist heute angesichts der G. Maier-Reimer/J. Schmidt-Räntsch

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Vor § 194

Allgemeiner Teil Verjährung

Verkürzung der Verjährungsfristen in dieser Allgemeinheit zweifelhaft. Nach wie vor gilt aber, dass jedenfalls nach einer bestimmten Zeit die Ungewissheit über das Bestehen und die Durchsetzbarkeit eines Anspruchs beendet sein soll. Der Schuldner soll gegen die Geltendmachung überholter Ansprüche geschützt werden, da er sich möglicherweise wegen des Zeitablaufs, insb wegen des Verlustes von Beweismitteln, nicht mehr sachgemäß verteidigen kann. Er soll deshalb die Möglichkeit erhalten, die Durchsetzung von Ansprüchen, gleich welcher rechtlichen Natur sie sind, zu verhindern. Der Schutz wird dadurch erreicht, dass der angebliche Schuldner den Anspruch als verjährt zurückweisen kann, ohne auf die Sache selbst einzugehen. Freilich kann durch Verjährung aus Unrecht Recht werden. Sie führt de facto zu einem Forderungsverlust und steht so in ihrer Einwirkung auf die Forderung der Erfüllung oder dem Erlass gleich. Diese Folge lässt sich aber in Kauf nehmen, da dem Berechtigten zuzumuten ist, zur Vermeidung von Rechtsnachteilen seinen Anspruch rechtzeitig geltend zu machen. 3

3. Durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts (v 26.11.2001, BGBl I 3138) ist das Verjährungsrecht des BGB grundlegend verändert und neu geordnet worden. a) Das bisherige Verjährungsrecht wies deutliche Mängel auf. Sein „fast barock zu nennender Formenreichtum“ (Peters/Zimmermann in BMJ [Hrsg], Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd I 1981, 187) war kaum noch überschaubar. Dies gilt für die Fristen ebenso wie für ihre Berechnung. Der frühere § 195 bestimmte eine Verjährungsfrist von 30 Jahren als „regelmäßige“ Verjährungsfrist. Die in zahlreichen gesetzlichen Vorschriften vorgesehenen kürzeren Verjährungsfristen ließen diese lange Verjährungsfrist indes zur Ausnahme werden, so dass der bisherige § 195 in der Rechtswirklichkeit einen Auffangtatbestand bildete, der immer dann zur Anwendung kam, wenn keine kürzere Verjährungsfrist einschlägig war. Eine systematische Einordnung war auch in groben Umrissen unmöglich. Über den Wortlaut hinaus hatte die Rspr die kürzeren Verjährungsfristen nicht nur auf die vertraglichen Erfüllungsansprüche, sondern auch auf andere Ansprüche angewandt, soweit diese wirtschaftlich an die Stelle der entspr Erfüllungsansprüche getreten sind. Da für derartige Ansprüche entscheidend war, dass sie einen „Ersatzwert des ursprünglich Bedungenen“ (so schon RG 61, 390) zum Inhalt haben, also einen Ausgleich dafür bieten, „dass der Vertrag gescheitert ist“ (BGH 57, 191, 195ff), konnten sie auch gesetzlicher Natur sein. Nicht weniger drastisch als bei der Verjährungsfrist rückte das bisherige Recht bisweilen von der Entstehung des Anspruchs als Zeitpunkt des Verjährungsbeginns ab. Im Deliktsrecht etwa wurde für die Verkürzung der Verjährungsfrist Kenntnis des Verletzten von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen vorausgesetzt. Außerhalb des BGB fanden sich auch ganz andere Anknüpfungen für den Verjährungsbeginn.

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b) Das Modell des BGB stimmte auch nicht mehr mit der internationalen Entwicklung überein. Diese wird bestimmt durch das Verjährungsmodell der Principles of European Contract Law, die die Kommission für Europäisches Vertragsrecht (sog Lando-Kommission) im Februar 2001 verabschiedet hat (deutsche Übersetzung abgedruckt ZEuP 2001, 400ff). Das darin vorgeschlagene Modell sieht eine regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren vor, die gehemmt ist, solange der Gläubiger die Person des Schuldners oder die Umstände, auf denen sein Anspruch beruht, nicht kennt und vernünftigerweise nicht kennen kann (Art 17:102 und 17:105). Sie werden von Zimmermann wie folgt bewertet (ZEuP 2001, 217, 220): „Die Grundregeln des Europäischen Verjährungsrechts (die sich übrigens nicht auf das Vertragsrecht beschränken, sondern das Schuldrecht insgesamt erfassen) gehen von der Erkenntnis aus, dass ein möglichst einheitlicher Verjährungsbeginn der Schlüssel zu einem möglichst einheitlichen Verjährungsrecht ist. Eine derartige Einheitlichkeit kann nur auf der Basis des Kenntnis- oder Erkennbarkeitskriteriums erreicht werden (unabhängig davon, ob dieses Kriterium tatsächlich den Verjährungsbeginn bestimmt oder – so die Europäischen Grundregeln – eine Anlaufhemmung darstellt …). Dann (und nur dann) ist auch eine weitgehend einheitliche Frist von drei Jahren sinnvoll. Dies entspricht auch der internationalen Entwicklung, die, berücksichtigt man die Neuregelungen und Reformvorschläge der vergangenen einhundert Jahre, im Wesentlichen durch drei Trends gekennzeichnet ist: Verkürzung der Fristen, Vereinheitlichung der Fristen und Aufstieg des Erkennbarkeitskriteriums für den Verjährungsbeginn.“

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c) Diese Analyse stimmt im Wesentlichen mit den Feststellungen der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts überein, die in ihrem Bericht auf der Grundlage des Gutachtens von Peters/Zimmermann eine Abkehr von dem bisherigen Modell vorgeschlagen hatte. In der konkreten Ausgestaltung der Neuregelung hat sich der Gesetzgeber im Anschluss an die Kritik enger an Peters/ Zimmermann angelehnt und die Vorschläge der Schuldrechtskommission nur teilw übernommen.

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Die Neuregelung folgt folgendem Modell: aa) Es gibt weiterhin eine regelmäßige Verjährungsfrist, die für alle Ansprüche gilt und von der in bestimmten Bereichen Abweichungen vorgesehen sind. Die von der Schuldrechtskommission vorgeschlagene Unterscheidung zw vertraglichen und nicht vertraglichen Ansprüchen wird im Anschluss an die Kritik (zB Haug, Die Neuregelung des Verjährungsrechts, 1999, 32ff, 36f; Mansel in Ernst/Zimmermann, Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, 333, 403) nicht übernommen. bb) Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre (§ 195). Die 30-jährige Frist wird damit aber nur als regelmäßige Frist aufgegeben. In bestimmten Fällen (zB § 197) gilt sie nach wie vor. Zu diesen Ansprüchen gehörten nach § 197 I Nr 2 bis zum 31.12.2009 auch famlien- und erbrechtliche Ansprüche. Diese Ausnahme ist mit dem ErbRÄndG v 24.9.2009 (BGBl I 3142) aufgegeben worden. Sie gilt nach § 197 I Nr 1 nur noch für die Ansprüche des Erben gegen den Erbschaftsbesitzer, des Nacherben gegen den Vorerben auf Herausgabe der Erbschaft und des Erben gegen den Besitzer auf Herausgabe eines unrichtigen Erbscheins an das Nachlassgericht und die der Durchsetzung des Erbschaftsanspruchs dienenden Auskunftsansprüche. cc) 572

J. Schmidt-Räntsch

Verjährung

Vor § 194

Der Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist entspricht der bisherigen deliktischen Verjährung (§ 852 I aF). Sie beginnt nicht, wie von der Schuldrechtskommission vorgeschlagen, mit der Pflichtverletzung, sondern entspr dem Vorschlag von Peters/Zimmermann (Gutachten S 320 [§ 199]) mit Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen und der Person des Schuldners (§ 199 I Nr 2). Dies gleicht die Härten der deutlichen Verkürzung der Frist aus (Mansel aaO, 404; Haug aaO, 59ff; Eidenmüller JZ 2001, 283, 285). dd) Die Frist für Mängelansprüche beträgt im Grundsatz zwei Jahre und beginnt mit der Übergabe/Abnahme (§§ 438 II, 634a II). Dies betrifft nicht nur die verschuldensunabhängigen (so die Forderung von Eidenmüller JZ 2001, 283, 285), sondern alle Mängelansprüche. Entspr einem Vorschlag der Schuldrechtskommission (§ 195 III BGB-KE) sehen §§ 438, 634a für Einbauteile, für Bauwerke und für Bauleistungen eine Frist von 5 Jahren vor. d) Erleichterungen und Erschwerungen der Verjährung, also der Verjährungsfrist und der Modali- 7 täten ihrer Berechnung unterliegen grds der Vertragsfreiheit. Das starre Verbot einer rechtsgeschäftlichen Verjährungserschwerung im früheren § 225 hat sich in der Praxis als wenig praktikabel erwiesen. Zwar liegt es nicht nur im Schuldnerinteresse, sondern auch im Interesse des Rechtsfriedens, die Verjährungsfristen nicht beliebig zu verlängern. Andererseits können vor allem bei kurzen Verjährungsfristen Vereinbarungen, die den Eintritt der Verjährung erschweren oder verlängern, durchaus im Interesse beider Parteien liegen. Dem hatte schon das frühere Recht durch eine Reihe von Ausnahmen Rechnung getragen (§§ 477, 638 BGB aF; §§ 439 IV, 452b II, 463, 475a HGB). Angesichts der deutlichen Verkürzung der Verjährungsfristen besteht auch darüber hinaus ein Bedürfnis, Länge und Lauf der Verjährungsfristen vereinbaren zu können. Dem trägt das BGB in § 202 Rechnung. Künftig sind solche Vereinbarungen nur noch untersagt, wenn sie zu einer Frist von effektiv mehr als 30 Jahren ab dem gesetzlichen Beginn führen (§ 202 II). Ausländisches Recht, das die Verjährung von Forderungen ausschließt, kann in diesen Grenzen nach wie vor dem deutschen ordre public iSd Art 6 EGBGB widersprechen (RG 106, 82), jedoch wird dies heute nur noch selten der Fall sein. 4. Die Geltendmachung der Verjährung stellt ein Recht des Schuldners dar, das nicht aus seinem, 8 sondern aus dem Verhalten des Gläubigers erwächst (Mot I S 296). Guter Glaube des Schuldners an das Nichtbestehen des Anspruchs ist deshalb nicht erforderlich. Für die Verjährung des Anspruchs kommt es auf die Verwirklichung des Verjährungstatbestands an; die subjektiven Vorstellungen der Parteien sind unerheblich (Düsseldorf OLGRp 2002, 259). Im Geschäftsleben wird es im Allg nicht als anständig angesehen, sich ggü begründeten Ansprüchen hinter der Verjährungseinrede zu verschanzen. Daraus folgt jedoch noch nicht, dass hierin schon ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, wenn die Berufung auf Verjährung nach § 242 unzulässig sein soll (Düsseldorf OLGRp 2002, 124 u 259; Köln IBR 1997, 499; iÜ § 214 Rn 11). 5. Von ähnlichen Rechtseinrichtungen grenzt sich die Verjährung wie folgt ab: a) Die Ausschluss- 9 frist hat zur Folge, dass eine Handlung nur innerhalb einer bestimmten Frist vorgenommen werden kann. Der grds Unterschied liegt in der Wirkung des Zeitablaufs. Die Verjährung begründet nach § 214 ein Leistungsverweigerungsrecht, der Ablauf der Ausschlussfrist das Erlöschen des Rechts. Diese ist als Einwendung von Amts wegen, jene als Einrede nur zu beachten, wenn der Schuldner sich auf sie beruft (RG 128, 46). Bei einer Ausschlussfrist muss der Gläubiger die Wahrung der Frist, bei Verjährung der Schuldner den Zeitablauf beweisen. Es gibt strukturelle Unterscheidungsmerkmale, die aber in der Praxis an Schärfe verloren haben: Die Verjährung beruht auf Gesetz. Die Ausschlussfrist kann auf Gesetz, richterlicher Anordnung 10 oder Rechtsgeschäft beruhen. Ein unverjährbarer Anspruch (zB §§ 194 II, 902, 1632) kann vertraglich nicht zu einem verjährbaren gemacht werden. Eine Ausschlussfrist kann dagegen auch für Ansprüche vereinbart werden, für die sie im Gesetz nicht vorgesehen ist. Allerdings unterliegen nach § 194 I alle nicht ausdr unverjährbar gestellten Ansprüche der Verjährung. Die Verjährung bezieht sich nur auf Ansprüche, nicht auf Rechte, § 194. Hängt die Ausübung eines 11 Gestaltungsrechts von einer Frist ab, so liegt grds eine Ausschlussfrist vor (zB §§ 121, 124, 218, 438 IV, 532, 634a IV, 1944). Wohl aber können Ausschlussfristen auch Ansprüche begrenzen. Gesetzliche Ausschlussfristen für Ansprüche gibt es bisher nur wenige (zB §§ 382, 562b II, 651g I, 801 I S 2, 864 I, 977 S 2, 1002 I BGB, § 8 I VerkFlBerG). Mit der Modernisierung des Schuldrechts sind die bisher als Ansprüche ausgestalteten Gläubigerrechtsbehelfe des Rücktritts und der Minderung zu Gestaltungsrechten geworden. Sie unterliegen nach §§ 218, 438 IV, 634a IV einer Ausschlussfrist, die aber inhaltlich an die Verjährung des zugrunde liegenden Anspruchs gekoppelt ist. Zweifel über den Charakter der Frist können nicht auftreten, da eine Verjährungsfrist nur vorliegt, wenn dies ausdr gesagt ist. Bei einer Ausschlussfrist gebraucht das Gesetz Wendungen, die eine Befristung klar ergeben (zB §§ 124, 864). Eine Ausschlussfrist ist zB die für Versicherungsverträge früher geltende (heute nicht mehr bestehende) Klagefrist nach § 12 III VVG aF (BGH 43, 235; RG JW 1910, 244; RG 152, 340). Die Gründe, die den Lauf der Verjährung hemmen oder unterbrechen, gelten für gesetzliche Aus- 12 schlussfristen insoweit, wie dies ausdr bestimmt (BGHRp 2006, 300; RG 158, 140; zB §§ 218, 438 IV, 634a IV) oder im Einzelfall sachgerecht ist (Dresden BtPrax 1999, 240). Man unterscheidet daher reine und gemischte Ausschlussfristen. Eine entspr Anwendung einzelner Verjährungsvorschriften sehen zB §§ 124 II, 802, 1002 II, 1997 vor. Die Wesensverschiedenheit von Ausschluss- und Verjährungsfrist schließt die entspr Anwendung einzelner für die Verjährung geltender Regelungen nicht grds aus. Die Frage der Anwendbarkeit lässt sich nicht aus dem Begriff der Ausschlussfrist, sondern nur von Fall zu Fall nach dem Sinn und Zweck der jeweiligen Einzelvorschrift entscheiden (BGH 43, 235, 237 für § 12 III VVGaF; 73, 99, 101 für § 89b IV S 2 HGB). Auch bei vertraglichen Ausschlussfristen ist J. Schmidt-Räntsch

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Vor § 194

Allgemeiner Teil Verjährung

es eine Frage der Auslegung, welche Umstände dem Ablauf der Frist entgegenstehen sollen. Verjährungsvorschriften sind in mancher Hinsicht entspr anwendbar (RG 87, 283; 142, 285; RG JW 1937, 533 m Anm Prölß; vgl auch BSG NJW 1964, 124). 13

Die Berufung auf eine Ausschlussfrist kann sich ebenso wie die Berufung auf Verjährung im Einzelfall als unzulässige Rechtsausübung darstellen.

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b) Die Verwirkung beruht auf dem Gedanken, dass unter besonderen Umständen einer verspäteten Geltendmachung von Ansprüchen die rechtliche Wirkung versagt werden muss, weil darin ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt. Es handelt sich um einen Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Angesichts der deutlichen Verkürzung der Verjährungsfristen durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts wird der Verwirkung bei Ansprüchen deutlich geringere Bedeutung zukommen als bisher. Rechtsgrundlage der Verwirkung ist § 242 (BGH MDR 2003, 207; WM 1963, 1029; RG 155, 148). Verwirkt werden können nicht nur Ansprüche, sondern auch Rechte (BGH ZIP 2002, 400; BGHRp 2001, 367), ausgenommen die Mitgliedschaft in einem Verein und dingliche Rechte. Während die Verjährung nach genau bestimmten Fristen eintritt, kommt es bei der Verwirkung nicht nur auf den Zeitablauf, sog Zeitmoment (dazu BGH MDR 2003, 86), an. Hinzutreten müssen vielmehr noch Umstände, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen, sog Umstandsmoment (BGH MDR 2003, 207; BGHRp 2003, 90; 2001, 367; Hamm, NJW-RR 2003, 81, 82; vgl iÜ § 242 Rn 123). Die Verwirkung wird von Amts wegen berücksichtigt (BGH NJW 1966, 345). Ggü der Verjährung gewinnt sie naturgemäß dann besondere Bedeutung, wenn deren Fristen sehr lang sind, wie zB nach §§ 196 oder 197. Auch unverjährbare Ansprüche können verwirkt werden (BGH 122, 308, 314; OGH 1, 282 für § 894). Geltung besitzt die Verwirkung nicht nur auf einzelnen Sonderrechtsgebieten, wie zB Arbeits- und Wettbewerbsrecht, sondern für das gesamte Recht (BGH MDR 1993, 26; RG 155, 148; 159, 99; OGH 1, 283, eingehend § 242 Rn 123ff).

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c) Die sog unvordenkliche Verjährung (dazu Piepenbrock aaO, 111ff) kennt das BGB nicht. Rechtlich handelt es sich nicht um Verjährung, sondern um eine widerlegbare Rechtsvermutung, die anders als die Ersitzung nicht zum originären Rechtserwerb führt, sondern den Rechtsnachweis entbehrlich macht (BGH 16, 234, 238, Stuttgart Justiz 1983, 14; Larenz NJW 1955, 1786). Wer sich darauf berufen konnte, dass der als Recht beanspruchte Zustand in einem Zeitraum von 40 Jahren als Recht besessen worden ist und dass weitere 40 Jahre vorher keine Erinnerung an einen anderen Zustand seit Menschengedenken bestanden hat, zu dessen Gunsten wurde vermutet, dass der Rechtserwerb oder Rechtsverlust rechtmäßig erfolgt ist (BGH 16, 234, 238). Die unvordenkliche Verjährung kann zur Begründung von Altrechten im öffentlichen Wegerecht, aber auch im Privatrecht, etwa zu beschränkten dinglichen Rechten an Grundstücken oder Fischereirechten führen (öffentliche Wege: Hamburg OLGRp 1997, 237; Dienstbarkeiten: BayObLG OLGRp 1997, 24; Frankfurt OLGRp 1992, 4; Fischereirecht: Stuttgart aaO). Das gilt aber nur in den Gebieten des früheren Gemeinen Rechts (Hamm MDR 1987, 234).

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6. Übergangsvorschriften enthalten Art 169, 174 II für Ansprüche aus der Zeit vor 1900, 231 § 6 für Ansprüche aus der DDR-Zeit, 229 §§ 5, 6 EGBGB für die Zeit vor der Modernisierung des Schuldrechts, 229 § 12 für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts um 2004 und 229 § 23 für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts von 2009. Sie folgen alle einem im Wesentlichen gleichen Schema. Das jeweils neue Verjährungsrecht gilt immer auch für altrechtliche, noch unverjährte Ansprüche (Art 169 I, 231 § 6 I S 1 und 229 § 6 I § 12 I § 23 I EGBGB). Die bisherigen Gesetze bleiben aber für den Beginn und etwaige Hemmungen oder Unterbrechungen bis zur Rechtsumstellung maßgeblich (Art 169 I S 2, 231 § 6 I S 2, 229 § 6 I S 2 § 12 I § 23 III EGBGB). Hatte die Verjährung vor der Rechtsumstellung begonnen und ist die neue Frist kürzer als die bisherige Frist, so wird die kürzere neue Frist von der Rechtsumstellung an gerechnet (Art 169 II S 1, 231 § 6 II S 1, 229 § 6 IV S 1 § 12 I EGBGB). Ist die neue Frist länger als die bisherige Frist oder läuft eine längere Altfrist früher ab als die Neufrist, so ist für den Ablauf der Verjährungsfrist der Ablauf der kürzeren bisherigen Frist maßgebend (Art 169 II S 2, 231 § 6 II S 2, 229 § 6 III, IV S 2 § 12 I § 23 II EGBGB). Ein Sonderproblem ergab sich bei der Modernisierung des Schuldrechts durch die Umstellung der Unterbrechungstatbestände auf Hemmungstatbestände (dazu Art 229 § 6 I S 3, II EGBGB). – Die Überleitungsvorschriften gelten auch für Ausschluss- und Ersitzungsfristen des früheren Rechts (Art 185, 231 § 6 III, 229 § 6 V EGBGB).

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7. Im öffentlichen Recht fehlen vielfach Vorschriften über die Verjährung von Ansprüchen. Üblicherweise wird dann auf die Vorschriften des BGB zurückgegriffen. Bei der Modernisierung des Schuldrechts war zunächst daran gedacht, dies ausdr in einem § 194 III BGB-E zu regeln (SchmidtRäntsch ZIP 2000, 1638, 1641; Dötsch DÖV 2004, 277, 278; AnwK/Mansel/Stürner § 194 Rn 14; Staud/ Peters [Bearb 2001] Vor §§ 194ff Rn 57). Um das Vorhaben nicht zu überfrachten, ist darauf verzichtet worden. Das bedeutet aber nicht, dass im öffentlichen Recht künftig ein Rückgriff auf das Verjährungsrecht des BGB nicht mehr möglich oder nicht mehr gewollt ist. Das Gegenteil ist der Fall: Wie bisher kann und soll im öffentlichen Recht auf das Verjährungsrecht des BGB zurückgegriffen werden, wo dies sachgerecht ist und soweit keine spezialgesetzlichen Vorschriften bestehen (BVerwG NJW 2002, 1968; NJW 2006, 3225, 3226; OVG Bautzen BauR 2006, 707 Rn 39f; VGH München, v 5.10.2005 – 4 ZB 05.740, Juris; VG Berlin v 5.8.2004 – 5 A 111.01, Juris; VG Lüneburg v 24.2.2004 – 4 A 162/02, Juris; Staud/Peters aaO; Dötsch DÖV 2004, 277, 278f). Derartige Vorschriften bestehen vor allem im Steuerrecht. Für die Verjährung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gelten nicht §§ 194ff, sondern §§ 228–232 AO (BFH v 5.4.2004 – VII S 3/04, Juris). Die Verjährungsfrist beträgt 574

J. Schmidt-Räntsch

Überleitung Art 229 §§ 6, 12, 23 EGBGB

Anh Vor § 194

nach § 228 AO fünf Jahre. Auch im Sozialrecht bestehen weitgehend Sondervorschriften, die auf einer Verjährungsfrist von vier Jahren aufbauen (§ 45 SGB I), aber Lücken lassen (Rolfs NZS 2002, 169ff; Fischer NZS 2003, 301, 304). Auf die Verjährungsregelungen des BGB kann dann nur zur Lückenfüllung und nur insoweit zurückgegriffen werden, als sie dem öffentlichen Recht nicht widersprechen (Bsp: BSG SGb 2006, 56 Rn 14). Entspr gilt für kirchenrechtliche Ansprüche VG Hamburg v 16.5.2006 – 4 K 4989/04, Juris – ev Pfarrerdienstverhältnis). Vgl iÜ § 195 Rn 20, 22.

Anhang zur Vorbemerkung §§ 194–218 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) Art 229 § 6 eingefügt durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl I 3138)

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Weitere Überleitungsvorschriften

§ 6 Überleitungsvorschrift zum Verjährungsrecht nach dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (1) Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Verjährung in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung finden auf die an diesem Tag bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung. Der Beginn, die Hemmung, die Ablaufhemmung und der Neubeginn der Verjährung bestimmen sich jedoch für den Zeitraum vor dem 1. Januar 2002 nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung. Wenn nach Ablauf des 31. Dezember 2001 ein Umstand eintritt, bei dessen Vorliegen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der vor dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung eine vor dem 1. Januar 2002 eintretende Unterbrechung der Verjährung als nicht erfolgt oder als erfolgt gilt, so ist auch insoweit das Bürgerliche Gesetzbuch in der vor dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung anzuwenden. (2) Soweit die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung anstelle der Unterbrechung der Verjährung deren Hemmung vorsehen, so gilt eine Unterbrechung der Verjährung, die nach den anzuwendenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der vor dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung vor dem 1. Januar 2002 eintritt und mit Ablauf des 31. Dezember 2001 noch nicht beendigt ist, als mit dem Ablauf des 31. Dezember 2001 beendigt, und die neue Verjährung ist mit Beginn des 1. Januar 2002 gehemmt. (3) Ist die Verjährungsfrist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung länger als nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung, so ist die Verjährung mit dem Ablauf der im Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung bestimmten Frist vollendet. (4) Ist die Verjährungsfrist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung kürzer als nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung, so wird die kürzere Frist von dem 1. Januar 2002 an berechnet. Läuft jedoch die im Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung bestimmte längere Frist früher als die im Bürgerlichen Gesetzbuch in der seit diesem Tag geltenden Fassung bestimmten Frist ab, so ist die Verjährung mit dem Ablauf der im Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung bestimmten Frist vollendet. (5) Die vorstehenden Absätze sind entsprechend auf Fristen anzuwenden, die für die Geltendmachung, den Erwerb oder den Verlust eines Rechts maßgebend sind. (6) Die vorstehenden Absätze gelten für die Fristen nach dem Handelsgesetzbuch und dem Umwandlungsgesetz entsprechend. 1. Nach § 5 S 1 (Anh Einl § 241) würden die neuen Verjährungsvorschriften nicht für Schuldverhält- 1 nisse gelten, die vor dem 1.1.2002 entstanden sind. Dafür bliebe es beim alten Recht. Das soll für die in § 6 geregelten Fragen des des Verjährungsrechts nicht gelten. Für die in § 6 nicht angesprochenen Fragen des Verjährungsrechts bleibt es hingegen bei der Regelung in § 5. Das betrifft vor allem die Fragen nach der Gültigkeit von Vereinbarungen über die Verjährung und den Verzicht auf die Einrede der Verjährung (BGH NJW 2010, 602, 603; BAG 122, 304; BAG, Urt v 19.1.2010, 3 AZR 191/08, Juris). In Ansehung der in § 6 geregelten Aspekte soll dagegen das modernisierte Verjährungsrechtnach § 6 I S 1 auch für bestimmte Altansprüche gelten. Diese Abweichung von dem Grundsatz „Alte Verträge altes Recht“ ist auf den ersten Blick überraschend. Gerade beim Verjährungsrecht würde man die Anwendung des Grundsatzes im Hinblick auf den Vertrauensschutz am ehesten erwarten. Dann aber würden die verjährungsrechtlich relevanten Tatbestände eine je nach dem betroffenen Anspruch unterschiedliche rechtliche Wertigkeit haben. Dies würde den Rechtsverkehr erheblich beeinträchtigen. Deshalb haben schon Art 169 bei Einführung des BGB am 1.1.1900 und Art 231 § 6 bei seiner Einführung in den neuen Ländern die Anwendung des neuen Verjährungsrechts auch für Altverträge bestimmt. Diesem Muster folgt Art 229 § 6. In § 6 I S 1 bestimmt er den Grundsatz und in § 6 I S 2, 3 und II–VI die im Hinblick auf den Vertrauensschutz erforderlichen Ausnahmen. Das neue Verjährungsrecht gilt danach unmittelbar auch für nach dem 1.1.2002 entstandene Ansprüche aus einem Schuldverhältnis, das seinerseits vor dem 1.1.2002 begründet wurde (Stuttgart WM 2010, 1330, 1332; offengelassen in BGH NJW-RR 2008, 459, 460 jedenfalls analog). Die Übergangsregelungen sind J. Schmidt-Räntsch

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Anh Vor § 194

Allgemeiner Teil Verjährung

dispositiv Die Parteien konnten etwas anderes vereinbaren. Eine abw Regelung kann sich auch im Wege erg Vertragsauslegung ergeben (BGH NJW 2010, 1956, 1957 Tz 13, 15). 2

2. § 6 I S 1 erfasst Ansprüche aller Art Er erfasst also nicht nur Ansprüche aus zivilrechtlichen Verträgen oder aus dem BGB. Das schließt Ansprüche aus dem Arbeitsrecht ein (LAG Köln v 4.3.2005 – 4 Sa 1198/04, Juris). Erfasst werden vielmehr auch Ansprüche, die auf dem BGB aufbauen (zB Ansprüche gegen Steuerberater, dazu BGH MDR 2007, 835) oder auf die die Vorschriften des BGB über die Verjährung aufgrund pauschaler oder spezieller Verweisung Anwendung finden (BT-Drucks 14/6040, 273). Zum Verjährungsrecht des BGB gehört nicht nur das materielle Verjährungsrecht im BGB selbst, sondern auch die Vorschriften, die seine intertemporale Geltung regeln. Entspr gilt, wenn Regeln des IPR oder Art 3 VertrG z CSIG auf deutsches Verjährungsstatut verweisen (Zweibrücken IHR 2002, 67). Weil eine solche Verweisung bei den Fristen des HGB und des UmwG nicht vorhanden und auch nicht unter Anwendung von Art 2 EGHGB zu konstruieren ist, ist im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens dem § 6 der Abs VI angefügt worden (BT-Drucks 14/7052, 207), der deshalb auch nur das HGB und das UmwG anspricht. Deshalb ist das Überleitungsrecht für die Verjährung von Ansprüchen außerhalb des BGB im EGBGB zu suchen, wenn dort eine Verweisung auf das Verjährungsrecht des BGB enthalten ist. Das ist zB auch bei § 17 KostO der Fall. Deshalb richtet sich das Überleitungsrecht nicht nach dem hierfür nicht bestimmten § 161 KostO (so aber MüKo/Grothe [4. Aufl] Vor § 194 Rn 45; Amann aaO, 338), sondern nach § 6.

3

Für Ansprüche, die am 1.1.2002 bereits verjährt waren, bleibt es bei dem Grundsatz des § 5 S 1 und damit bei der Anwendung des alten Verjährungsrechts (LG Aachen WM 1974, 208; Staud/Peters Rn 3). Für alle nach diesem Zeitpunkt entstehenden Ansprüche gilt das neue Verjährungsrecht im Umkehrschluss aus § 5 S 1 schon aufgrund seines Inkrafttretens. Dasselbe gilt für Ansprüche, die am 1.1.2002 noch nicht bestehen, etwa weil sie noch nicht fällig sind, aber auf ein Schuldverhältnis zurückgehen, das schon vorher entstanden war. Hier würde zwar § 5 S 1 seinem Wortlaut nach wieder eingreifen. Das entspricht aber ebenso wenig wie bei Art 231 § 6 dem Zweck des Gesetzes. Die Vorschrift ist teleologisch erweiternd auszulegen und auch auf solche Ansprüche anzuwenden (BGH 129, 282, 287; 162, 30, 35; BGHRp 2006, 277; Naumburg OLG-NL 1995, 151, 153; Dresden OLG-NL 2000, 179, 181; Koblenz NJW-RR 2010, 778; AnwK/Budzikiewicz/Mansel Rn 12; BaRo/Kühnholz [1. Aufl] Art 231 § 6 Rn 6; MüKo/Grothe [4. Aufl] Vor § 194 Rn 36; Pal/Ellenberger Rn 3; Staud/Peters Rn 5; aA Gsell NJW 2002, 1297, 1302, 1303). Eine Einschränkung ergibt sich bei Dauerschuldverhältnissen aus Art 229 § 5 (vgl Anh Einl § 241 Art 229 § 5 Rn 10a).

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3. Nach § 6 I S 1 findet das neue Verjährungsrecht einschl der Vorschriften über die Verjährbarkeit von Ansprüchen (RG 136, 427, 429; Brandenburg OLG-NL 1995, 132, 135; Staud/Kanzleiter/Hönle Art 169 Rn 5) auch auf die am 1.1.2002 bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung. Aus welchem Grund die Verjährung nicht eingetreten war, ist unerheblich. Maßgeblich ist die neue Frist (aM LG Potsdam BauR 2006, 721). Das gilt auch, wenn das neue Recht neue Tatbestände einführt, die für den Anspruch bisher nicht gegolten haben, zB die Hemmung durch Verhandlung nach § 203 BGB (BGH MDR 2007, 835; AnwK/Budzikiewicz/Mansel Rn 34). Solche neuen Tatbestände können auch auf Sachverhalten aufbauen, die unter altem Recht entstanden und unter neuem Recht fortdauern (Staud/Rauscher, 13. Aufl, Art 231 § 6 Rn 38). Bsp: Verhandlungen, die unter altem Recht begannen und nach dem 31.12.2001 andauern, begründen ab dem 1.1.2002 eine Hemmung nach § 203 BGB (Pal/Ellenberger Rn 7; Staud/Peters Rn 17), die Hemmung nach § 207 BGB aufgrund eines schon vor dem 1.1.2002 bestehenden familiären Verhältnisses oder der Wechsel von der einseitigen zur beidseitigen Ablaufhemmung in § 210 BGB (aM o Begr Celle OLGRp 2002, 248f: Anfechtungsfrist nach § 1600b BGB). Eine Verlängerung der gesetzlichen Verjährungsfrist war vor dem 1.1.2002 grds unzulässig (§ 225 BGB aF). Lief die gesetzliche Verjährungsfrist vor diesem Datum ab, bleibt es dabei. Läuft sie später ab, ist es im Grundsatz nicht anders, auch wenn solche Vereinbarungen jetzt zulässig sind, und zwar auch für Verjährungsfristen, die unter altem Recht begonnen haben. Denn eine wegen Verstoßes gegen eine Verbotsnorm nichtige Vereinbarung bleibt auch bei späterer Aufhebung des Verbotsgesetzes nichtig (BGH MDR 1997, 571, 572; Düsseldorf OLGRp 1997, 22; BaRo/Wendtland § 134 BGB Rn 21; Pal/Ellenberger § 134 BGB Rn 12a). Für die Aufhebung des Verlängerungsverbots des § 225 BGB aF ist nichts anderes bestimmt (aA AnwK/Budzikiewicz/Mansel Rn 49, 50). Anders ist es, wie auch sonst (BGH 11, 59, 60), wenn die Parteien eine solche Verlängerungsvereinbarung unter neuem Recht bestätigen (§ 141 BGB). Sie gilt dann für die Zukunft, aber eben nur, wenn der Bestätigungswille irgendwie deutlich wird.

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4. Nach § 6 I S 2 bestimmen sich der Beginn, die Hemmung und der Neubeginn der Verjährung für den Zeitraum vor dem 1.1.2002 nach dem BGB in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung, wobei unter „Neubeginn“ nach der bisherigen Terminologie die Unterbrechung der Verjährung zu verstehen ist. Dies entspricht Art 169 I S 2 und Art 231 § 6 I S 2. Zu den Vorschriften über den Verjährungsbeginn gehört auch der frühere § 201 BGB aF. Das bereitet entgegen Gsell (NJW 2002, 1297, 1301f) auch bei Ansprüchen, die im Laufe des Jahres 2001 entstanden sind, keine Schwierigkeiten. Denn die Verjährung solcher Ansprüche begann mit dem Ablauf des Jahres 2001, also am 31.12.2001, 24.00 Uhr (Pal/Heinrichs, 61. Aufl, § 201 Rn 1, allg M) und nicht erst mit Beginn des Jahres 2002. Im Rahmen von § 6 I gilt nichts anderes (Köln OLGRp 2007, 61, 63). Diese Tatbestände müssen unter altem Recht verwirklicht worden sein. Verwirklichen sie sich erst unter neuem Recht, beurteilen sich auch die Wirkungen nach neuem Recht § 167. ZPO gilt im Rahmen des § 6 I nicht (LG Bochum IBR 2005, 245).

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5. § 6 I S 2 könnte zu einem „Überschießen“ des Vertrauensschutzes führen (Schmidt-Räntsch, Das neue Schuldrecht Rn 1217). Die bisherigen Verjährungsvorschriften des BGB sehen vielfach vor, 576

J. Schmidt-Räntsch

Überleitung Art 229 §§ 6, 12, 23 EGBGB

Anh Vor § 194

dass bei Vorliegen bestimmter Umstände die Unterbrechung der Verjährung als nicht erfolgt gilt. Die wichtigste Regelung ist die des bisherigen § 212 I BGB aF. Danach gilt die Unterbrechung durch Klageerhebung als nicht erfolgt, wenn die Klage zurückgenommen oder durch ein nicht in der Sache selbst entscheidendes Urt rechtskräftig abgewiesen wird. Nach § 6 I S 2 würde die Unterbrechung unter neuem Recht erhalten bleiben, während sie nach altem Recht entfallen wäre. Für eine solche Begünstigung gibt es keinen sachlichen Grund. Der Vertrauensschutz lässt sich hierfür jedenfalls nicht in Anspruch nehmen. Deshalb soll § 6 I S 3 dies unterbinden (BT-Drucks 14/7052, 207). Die Vorschrift bestimmt, dass eine aufgrund einer vor dem 1.1.2002 bewirkten Unterbrechung eingetretene Hemmung der Verjährung rückwirkend entfällt, wenn nach Ablauf des 31.12.2001 ein Umstand eintritt, der die Unterbrechungswirkung nach früherem Recht hätte entfallen lassen. Dabei sind die Tatbestände des früheren Rechts unverändert anzuwenden (BGH NJW 2007, 2034, 2035; NJW-RR 2006, 948, 949; Köln OLGRp 2007, 61, 63f). § 6 I S 3 enthält eine ebensolche Klarstellung auch für den umgekehrten Fall, dass nämlich eine vor dem 1.1.2002 bewirkte Unterbrechung rückwirkend durch einen nach Ablauf des 31.12.2001 eintretenden Umstand als erfolgt gilt. Bsp hierfür ist der bisherige § 212 II BGB: Wenn der Gläubiger nach Zurücknahme der Klage oder ihrer Abweisung durch Prozessurteil binnen sechs Monaten von neuem Klage erhebt, gilt die Verjährung als durch die Erhebung der ersten Klage unterbrochen. Auch insoweit ist das frühere Recht unverändert maßgeblich. Ein anderes Bsp ist der Fall, dass die Zustellung der vor dem 1.1.2002 erhobenen Klage iSd § 167 ZPO „demnächst“ nach diesem Zeitpunkt erfolgt (BGH BGHRp 2008, 713, 714). 6. § 6 II trägt dem Umstand Rechnung, dass das neue Verjährungsrecht nur noch den Neubeginn 7 und die Hemmung, nicht aber die für bestimmte Zeit dauernde Unterbrechung kennt. Dies würde zu der Frage führen, ob eine Unterbrechung nach dem 31.12.2001 andauern kann und unter welchen Voraussetzungen sie ggf endet. Diese Frage beantwortet § 6 II in dem Sinne, dass die altrechtliche Unterbrechung als Hemmung andauert und unter den für den jeweiligen Hemmungstatbestand im neuen Recht bestimmten Voraussetzungen endet (BGH VersR 2006, 533; Düsseldorf BauR 2006, 996; KGRp 2006, 257). Dies erreicht Abs II in zwei Schritten (Schmidt-Räntsch aaO): Im ersten Schritt wird die Unterbrechung alten Rechts mit dem Ablauf des 31.12.2001 kraft Gesetzes beendet, auch wenn sie nach altem Recht noch nicht beendet gewesen wäre. Gleichzeitig tritt kraft Gesetzes aufgrund des alten Unterbrechungstatbestandes eine Hemmung nach dem entspr Hemmungstatbestand des neuen Rechts ein. Die Wirkung dieser Hemmung richtet sich nach neuem Recht. Eine altrechtliche Unterbrechung durch Klage wird also durch Gesetz mit dem 31.12.2001 beendet, auch wenn das Verfahren noch andauert. Eben dieses Verfahren löst aber auch kraft Gesetzes ab dem 1.1.2002 eine Hemmung aus, wie sie § 204 BGB nF für die Klage vorsieht (BGH NJW 2007, 2034, 2035). 7. § 6 III und IV bestimmt, welche Fristen in der Übergangsphase maßgeblich sein sollen. Die Rege- 8 lungen bauen auf Art 169 und Art 231 § 6 auf (§ 6 IV), enthalten aber zusätzliche Bestimmungen, für die es in den genannten Überleitungsvorschriften kein Vorbild gibt (Schmidt-Räntsch aaO Rn 1219). Die Regelung dient dem Schutz des Schuldners und bestimmt, dass die Verjährung eines Anspruchs, für den nach bisherigem Recht eine kürzere Verjährungsfrist galt als jetzt, mit dem Ablauf der alten Frist vollendet ist. So verbleibt es, um den wichtigsten Anwendungsfall zu nennen, bei den am 1.1.2002 bestehenden und noch nicht verjährten kaufvertraglichen Gewährleistungsansprüchen bei der sechsmonatigen Verjährungsfrist nach dem bisherigen § 477 I BGB aF. Das gilt auch, wenn der spätere Anspruch seine Grundlage in einem Vertrag hat, der vor dem 1.1.2002 entstanden ist. Ein solcher Anspruch unterliegt dem neuen Verjährungsrecht nicht als neurechtlicher Anspruch, sondern gem § 6 I S 1 als altrechtlicher Anspruch (vgl Rn 3). Dann gilt aber auch die Ausnahme des § 6 III (BGHRp 2006, 277, 278; MüKo/Grothe [4. Aufl] Vor § 194 Rn 41; Pal/Ellenberger Rn 5; PWW/Kesseler Rn 4; i Erg ebenso Amman in Amman/Brambring/Hertel, Vertragspraxis nach neuem Schuldrecht 2. Aufl, 2003, 431; Gsell NJW 2002, 1297, 1303; aM AnwK/Budzikiewicz/Mansel Rn 14f). Der umgekehrte Fall trat bei Einführung des BGB am 1.1.1900 und in den neuen Ländern am 9 3.10.1990 ebenfalls auf. Die Lösung dieses Falls in § 6 IV orientiert sich nahezu wörtlich an jenen Vorschriften (Art 169 II, Art 231 § 6 II). Ist die neue Frist für den Anspruch kürzer als die alte, wäre sie uU schon mit dem Inkrafttreten abgelaufen. Das wäre aber unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nicht vertretbar. Deshalb bestimmt § 6 IV S 1 nach dem Vorbild von Art 169 II S 1, Art 231 § 6 II S 1, dass die kürzere Frist zwar gelten, aber erst am 1.1.2002 zu laufen beginnen soll (PWW/Kesseler Rn 5). Bei dem Fristenvergleich sind bei der regelmäßigen Verjährungsfrist sowohl die objektiven als auch die subjektiven Elemente und auch die Höchstfristen des § 199 II–IV zu berücksichtigen (AnwK/Budzikiewicz/Mansel Rn 61; Pal/Ellenberger Rn 6; Gsell NJW 2002, 1297, 1298). Nach dem Wortlaut der Vorschrift würde die neue Frist unabhängig von dem Entstehen des Anspruchs und der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners zu laufen beginnen. Das würde aber dem Ziel der Vorschrift zuwiderlaufen, dem Schuldner zum Ausgleich der Verkürzung der Verjährungsfrist eine ausreichend lange Überlegungszeit zur Verfügung zu stellen. Deshalb kann die Vorschrift wörtlich nur angewandt werden, wenn diese beiden Umstände am 1.1.2002 gegeben waren. Lagen sie nicht vor, beginnt die Verjährungsfrist erst, wenn sie nach den neuen Vorschriften beginnen würde (BGH 171, 1, 8f m zust Anm Kesseler BGHRp 2007, 433f; NJW-RR 2008, 258, 260; WM 2009, 542, 545; Celle ZGS 2007, 195; München NJW-RR 2007, 1097; Saarbrücken NJW-RR 2009, 128, 130; Pal/Ellenberger Rn 6; Gsell NJW 2002, 1297, 1298f; Hess NJW 2002, 253, 258; Schulte-Nölke/Hawxwell NJW 2005, 2118, 2120; Schmidt NJW 2007, 2447, 2448; aM Celle OLGRp 2007, 24, 26; Assmann/Wagner ZfIR 2007, 562, 565f). Lag die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis am 1.1.2002 aber vor, dann gilt die neue Frist, auch wenn die alte Frist länger war oder zB wegen einer zwzeitlichen Hemmung später abgelaufen wäre (aM Piepenbrock wie vor). Die sog Ultimo-Verjährung findet nur im zuerst genannten J. Schmidt-Räntsch

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Anh Vor § 194

Allgemeiner Teil Verjährung

Fall, nicht aber dann Anwendung, wenn der Anspruch am 1.1.2002 entstanden war und der Gläubiger zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners hatte oder infolge grob fahrlässiger Unkenntnis nicht hatte (Köln OLGRp 2007, 61, 63f; Düsseldorf NJW-RR 2005, 1495f; AnwK/Budzikiewicz/Mansel Rn 60; ders in Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/ Ring, Das neue Schuldrecht, § 14 Rn 29; Hess NJW 2002, 253, 258; Schulte-Nölke/Hawxwell NJW 2005, 2118; aM Staud/Peters [Bearb 2003] Art 229 § 6 EGBGB Rn 11; Kandelhard NJW 2005, 630). Die vorstehenden Überlegungen gelten sinngemäß, wenn der Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist in Sondervorschriften hinausgeschoben ist. Beispiele sind § 695 S 2 und § 696 S 3. 10

Läuft jedoch die nach den bisherigen Vorschriften bestimmte längere Frist früher als die Frist des neuen Verjährungsrechts des BGB ab, so bestimmt Abs IV S 2, dass die Verjährung mit dem Ablauf der längeren bisherigen Frist vollendet ist. Ein Bsp wäre ein Anspruch aus pVV, dessen bisherige Verjährungsfrist von 30 Jahren schon bis auf einen Rest von zwei Jahren abgelaufen ist. Hier bleibt es bei den zwei Jahren. Auch das entspricht den früheren Überleitungsvorschriften (Art 169 II S 2, Art 231 § 6 II S 2).

10a

§ 6 IV gilt nicht nur für die originären Verjährungsfristen, sondern auch für die Höchstverjährungsfristen nach § 199 II–IV BGB. Hier stellt sich das gleiche Problem. Vor allem die im Vergleich zur früheren regelmäßigen Verjährungsfrist von 30 Jahren deutlich kürzere Verjährungshöchstfrist von 10 Jahren nach § 199 IV BGB kann schon vor Inkrafttreten der neuen Verjährungsregelung abgelaufen sein. Das muss durch einen hinausgeschobenen Verjährungsbeginn verhindert werden.

11

8. Nach Abs V sind die Abs I–III entspr auf Fristen anzuwenden, die für die Geltendmachung, den Erwerb oder den Verlust eines Anspruchs oder Rechts maßgebend sind. Zu den wichtigsten Anwendungsfällen gehören die Ausschlussfristen für die Anfechtung nach den bisherigen und neuen §§ 121 und 124 BGB. Erfasst werden ferner die Ersitzungsfristen, die aber im sachlichen Ergebnis nicht geändert worden sind. Jedenfalls kraft Verweisung gehört zB auch die Anfechtungsfrist nach § 1600b BGB hierher (insoweit zutr Celle OLGRp 2002, 248). Auch das entspricht den früheren Überleitungsvorschriften: Art 185 iVm Art 169, Art 231 § 6 III). Entspr gilt nach Abs VI für Ausschlussfristen nach HGB (Ott MDR 2002, 1, 2). Art 229 § 12 eingefügt durch das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 3214) § 12 Überleitungsvorschrift zum Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts (1) Auf die Verjährungsfristen gemäß den durch das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Dezember 2004 (BGBl I S. 3214) geänderten Vorschriften 1. im Arzneimittelgesetz, 2. im Lebensmittelspezialitätengesetz, 3. in der Bundesrechtsanwaltsordnung, 4. in der Insolvenzordnung, 5. im Bürgerlichen Gesetzbuch, 6. im Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung, 7. im Handelsgesetzbuch, 8. im Umwandlungsgesetz, 9. im Aktiengesetz, 10. im Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 11. im Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, 12. in der Patentanwaltsordnung, 13. im Steuerberatungsgesetz, 14. in der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden, 15. in der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden, 16. in der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser, 17. in der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme, 18. im Rindfleischetikettierungsgesetz, 19. in der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung und 20. in der Verordnung über die Allgemeine Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Obusverkehr sowie für den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen ist § 6 entsprechend anzuwenden, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. An die Stelle des 1. Januar 2002 tritt der 15. Dezember 2004, an die Stelle des 31. Dezember 2001 der 14. Dezember 2004. (2) Noch nicht verjährte Ansprüche, deren Verjährung sich nach Maßgabe des bis zum 14. Dezember 2004 geltenden Rechts nach den Regelungen über die regelmäßige Verjährung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch bestimmt hat und für die durch das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts längere Verjährungsfristen bestimmt werden, verjähren nach den durch dieses Gesetz eingeführten Vorschriften. Der Zeitraum, der vor dem 15. Dezember 2004 abgelaufen ist, wird in die Verjährungsfrist eingerechnet.

1

Mit dem Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts v 9.12.2004 (BGBl I 3214) sind die besonderen Verjährungsfristen in den in § 12 Abs. 578

J. Schmidt-Räntsch

Überleitung Art 229 §§ 6, 12, 23 EGBGB

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1 genannten Vorschriften weitgehend aufgehoben und durch die regelmäßige Verjährungsfrist ersetzt worden. Bei dieser Umstellung ergeben sich die gleichen Überleitungsfragen wie bei dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts. Deshalb wollte der Gesetzgeber hierfür so weit wie möglich auf das Regelungsmodell des § 6 zurückgreifen (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 15/3653, 16). Daher gelten nach Abs I auch die Überleitungsvorschriften des § 6 entspr. Sie betreffen, wie die Regelung des § 6, selbst nur die Verjährung von Ansprüchen, die vor dem Inkrafttreten der Änderung entstanden waren. Für nach dem 14.12.2004 entstandene Ansprüche aus einem Schuldverhältnis, das seinerseits vor dem 15.12.2004 begründet wurde, gilt allein das neue Recht (Stuttgart WM 2010, 1330, 1332). Die von der Änderung des Verjährungsrechts betroffenen Vorschriften werden einzelnen aufgeführt. Das war bei § 6 nicht nötig, weil von der Grundänderung des Verjährungsrechts nur das Verjährungsrecht des BGB und dasjenige Verjährungsrecht betroffen war, das auf das BGB und damit auch auf die dazu gehörenden Überleitungsbestimmungen verwies. Bei der Anpassung des sonstigen Verjährungsrechts an das neue Verjährungsrecht war es nötig, diese Vorschriften selbst anzusprechen, weil sie gerade nicht auf das Verjährungsrecht des BGB verwiesen. Ist danach das frühere Verjährungsrecht anzuwenden, gilt das für alle Ansprüche alten Rechts, bei der Anwaltshaftung nicht nur für § 51b BRAO, sondern auch für die von der Rspr entwickelte Sekundärhaftung (BGH NJW 2009, 1350, 1351). Wie bei § 6 ist auch bei den 2004 auf das neue Verjährungsrecht umgestellten Verjährungsvorschrif- 2 ten die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Anpassungsgesetzes mit der Rechtslage danach zu vergleichen. Maßgeblicher Stichtag ist dabei nicht mehr das Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (1.1.2002), sondern dasjenige des Anpassungsgesetzes (15.12.2004). Die geltenden Vorschriften des BGB sind dabei zT mit den nachträglich angepassten Verjährungsvorschriften des BGB in ihrer bis dahin geltenden Fassung, überwiegend aber mit dem früheren Sonderverjährungsrecht außerhalb des BGB zu vergleichen. Das gilt nicht nur dann, wenn das Sonderverjährungsrecht geändert, sondern auch dann, wenn es aufgehoben wird und so der Anwendung der regelmäßigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB Raum gibt. Nicht alle der mit dem Anpassungsgesetz von 2004 angepassten Verjährungsvorschriften enthalten 3 eine vollständige Regelung des Verjährungsrechts. Oft beschränken sie sich auf die Festlegung einer besonderen Verjährungsfrist. Wegen der weiteren Einzelheiten verweisen sie explizit oder stillschw auf das BGB. Diese Verweisungen sind schon durch § 6 mit Wirkung v 1.1.2002 auf das neue Verjährungsrecht übergeleitet worden. Daran ändert § 12 nichts (Entwurfsbegründung aaO). Das Anpassungsgesetz sieht im Handels- und Gesellschaftsrecht eine Ersetzung der regelmäßigen 4 durch eine inhaltlich an § 199 Abs. 4 BGB ausgerichtete Sonderverjährung vor, weil sich dort die Änderung der regelmäßigen Verjährung als unpraktikabel erwiesen hatte. Dies betrifft die Haftung für Einlagen. Hier bedurfte es einer neuen Überleitungsregelung, die § 6 nicht enthält. Sie ist in Abs II enthalten und bestimmt, dass sich entspr noch nicht abgelaufene Fristen kraft Gesetzes verlängern. Allerdings wird die bereits abgelaufene Verjährungsfrist auf die neue längere Frist angerechnet, Abs II S 2. Die Vorschrift ist zu weit gefasst. Die nach dem Wortlaut vorzunehmende uneingeschränkte Anrechnung ist bei noch nicht verjährten Einlageforderungen der GmbH in Altfällen verfassungskonform dahin auszulegen, dass in die ab 15.12.2004 laufende neue zehnjährige Verjährungsfrist des § 19 Abs. 6 GmbHG lediglich die seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, mithin ab 1.1.2002 verstrichenen Zeiträume der zuvor geltenden dreijährigen Regelfrist des § 195 BGB nF einzurechnen sind (BGHRp 2008, 646; NJW-RR 2008, 1254, 1255). Die Vorschrift gilt der Sache nach auch für die Änderung der Einlagenverjährung im AktG. Da dort aber noch besondere Vertrauensschutzregelungen erforderlich waren und das AktG ein eigenes Einführungsgesetz hat, ist die Überleitungsregelung dort als § 26e EGAktG eingestellt. Diese Vorschrift lautet: § 26e Übergangsregelung zum Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts § 327 Abs. 4 des Aktiengesetzes in der ab dem 15. Dezember 2004 geltenden Fassung ist auf vor diesem Datum entstandene Verbindlichkeiten anzuwenden, wenn 1. die Eintragung des Endes der Eingliederung in das Handelsregister nach § 10 des Handelsgesetzbuchs nach diesem Datum bekannt gemacht worden ist und 2. die Verbindlichkeiten nicht später als vier Jahre nach dem Tag, an dem die Eintragung des Endes der Eingliederung in das Handelsregister nach § 10 des Handelsgesetzbuchs bekannt gemacht worden ist, fällig werden. Auf später fällig werdende Verbindlichkeiten im Sinne des Satzes 1 ist das bisher geltende Recht mit der Maßgabe anwendbar, dass die Verjährungsfrist ein Jahr beträgt.

Im Vorgriff auf das Verjährungsanpassungsgesetz ist die den Regelungen der §§ 51a BRAO, 68 5 StBerG entspr Sonderverjährungsvorschrift für Wirtschaftprüfer (§ 51a WPO) aufgehoben worden. Die Überleitungsregelungen hierfür enthält § 139b WPO. Die Vorschrift lautet: § 139b Übergangsregelung für den bis zum 31. Dezember 2003 geltenden § 51a (1) Die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 des Bürgerlichen Gesetzbuchs findet auf die am 1. Januar 2004 bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche des Auftraggebers auf Schadensersatz aus dem zwischen ihm und dem Wirtschaftsprüfer bestehenden Vertragsverhältnis Anwendung. (2) Die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wird vom 1. Januar 2004 an berechnet. Läuft jedoch die bis zu diesem Tag geltende Verjährungsfrist des § 51a früher als die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ab, so ist die Verjährung mit Ablauf der bis zu diesem Tag geltenden Verjährungsfrist des § 51a vollendet.

Sie entspricht inhaltlich §§ 6, 12. J. Schmidt-Räntsch

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Anh Vor § 194

Allgemeiner Teil Verjährung

Art 229 § 23 eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts vom 24. September 2009 (BGBl I 3142) § 23 Überleitungsvorschrift zum Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts (1) Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Verjährung in der seit dem 1. Januar 2010 geltenden Fassung sind auf die an diesem Tag bestehenden und nicht verjährten Ansprüche anzuwenden. Der Beginn der Verjährung und die Verjährungsfrist bestimmen sich nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der vor dem 1. Januar 2010 geltenden Fassung, wenn bei Anwendung dieser Vorschriften die Verjährung früher vollendet wird als bei Anwendung der entsprechenden Vorschriften nach Satz 1. (2) Bestimmen sich der Beginn und die Verjährungsfrist nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der seit dem 1. Januar 2010 geltenden Fassung, beginnt die Frist nicht vor dem 1. Januar 2010. Läuft die nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der vor dem 1. Januar 2010 geltenden Fassung bestimmte Verjährungsfrist früher ab als die Verjährungsfrist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der seit dem 1. Januar 2010 geltenden Fassung, ist die Verjährung mit Ablauf der Frist nach den vor dem 1. Januar 2010 geltenden Vorschriften vollendet. (3) Die Hemmung der Verjährung bestimmt sich für den Zeitraum vor dem 1. Januar 2010 nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung. (4) … 1

1. Das ErbRÄndG v 24.9.2009 löst in der Sache einen Überleitungsbedarf nur für die Verjährung der familien- und erbrechtlichen Ansprüche aus, für die die Verjährungsfrist von bisher 30 Jahren auf drei Jahre mit den in § 199 BGB und den verschiedenen erbrechtlichen Abweichungen hiervon reduziert wird. Bei der Ausgestaltung der Überleitungsvorschrift hat sich der Gesetzgeber aber (wie auch bei den anderen Änderungen im Verjährungsrecht) an den bisherigen Überleitungsvorschriften, insb an Art 229 § 6 orientiert. Die Folge dieser konstruktiven Grundentscheidung ist, dass § 23 keine Überleitungsregelung speziell für die familien- und erbrechtlichen Anspürche vorsieht, sondern eine allg Überleitungsvorschrift für das Verjährungsrecht an sich. Es erfasst alle Altansprüche, unahängig davon, ob sie vor dem 1.1.2002 (SchuldRModG), vor dem 15.12.2004 (VerjRÄndG 2004) oder vor dem 1.1.2010 (ErbRÄndG) entstanden sind.

2

Solche Ansprüche unterliegen nach § 23 I S 1 dem durch das ErbRÄndG geänderten Verjährungsrecht, wenn sie entstanden, aber nicht nicht verjährt waren. Die wesentliche Änderung ergibt sich dadurch für die famlien- oder erbrechtlichen Altansprüche. Für sie gilt jetzt nicht mehr die frühere Verjährungsfrist von 30 Jahren nach § 197 I Nr 2 BGB aF, sondern die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren mit der besonderen Höchstverjährungsfrist von 30 Jahren nach § 199 IIIa BGB. Für einige dieser Ansprüche ist auch der Beginn abw von § 199 BGB geregelt (vgl §§ 1302, 1390 III 1, 2287 II, 2332 BGB). Alle diese Regelungen gelten auch für Altansprüche. Diese Änderungen haben für andere als famlien- und erbrechtliche Ansprüche inhaltlich keine Bedeutung. Etwas anders liegt es bei der allerdings nicht sehr weit gehenden Änderung des § 207 BGB, der einen Hemmungstatbestand auch für andere als famlien- und erbrechtliche Ansprüche begründet. Diese Änderung gilt auch für andere Altansprüche.

3

2. Abs I S 2 ist das geänderte Verjährungsrecht aber nur anzuwenden, wenn die Verjährung früher vollendet wird als bei Anwendung der geänderten Vorschriften. Damit will der Gesetzgeber den Schutz des Schuldners erreichen (BT-Drucks 16/8954, 26). Dieses Ziel hatte der Gesetzgeber auch bei der Einführung des modernisierten Verjährungsrecht durch das SchuldRModG verfolgt. Er hat dazu in Art 229 § 6 III und IV eine Unterscheidung danach getroffen, ob das bisherige Recht eine kürzere Verjährungsfrist vorsah als das neue oder eine längere. Im ersten Fall gilt nach Art 229 § 6 III das alte Recht, im zweiten nach Art 229 § 6 IV S 1 mit Modifikationen das neue. Dieses Regelungskonzept hat der Gesetzgeber mit § 23 I S 2 und § 23 II in der Sache übernommen. Die bei Art 229 § 6 III und IV mögliche Unterscheidung war hier nur bei der Verkürzung der Verjährung für familien- und erbrechtlichen Ansprüche denkbar. Ansonsten scheiterte sie daran, dass die Ansprüche alle der gleichen regelmäßigen Verjährungsfrist unterliegen, es also keine abstrakt kürze oder längere Frist gibt. Deshalb sieht § 23 I S 2 zunächst einen konkreten Fristenvergleich vor. Ist danach die bisherige Frist kürzer, bleibt es dabei. Ansonsten gilt die neue Frist, aber mit den Modifikationen des § 23 II.

4

Bei diesem Fristenvergleich ist die bisherige Frist unter Berückschtigung auch der einschlägigen Überleitungsregelungen, insb Art 229 §§ 6 und 12, zu berechnen. Sie ist mit der Verjährungsfrist zu vergleichen, wie sie sich unter unmittelbarer Anwendung des neuen Rechts ergäbe. Dabei wird sich außer bei familien- und erbrechtlichen Ansprüche herausstellen, dass die Verjährungsfrist nach bisherigem Recht kürzer ist. Dann ist dieses weiter anzuwenden. Es ändert sich für die Berechnung der Verjährungsfrist nichts. Wäre die Frist nach neuem Recht hingegen kürzer, was regelemäßig bei den familien- und erbrechtlichen Ansprüchen der Fall ist, dann gilt das neue Recht, bei familien- und erbrechtlichen Altansprüchen also §§ 195, 199 BGB und nicht der frühere § 197 I Nr 2 BGB.

5

3. Für die Anwendung des geänderten Verjährungsrechts auf alte Ansprüche bestimmt § 23 II Sonderregelungen, die nahezu wörtlich Art 229 § 6 IV entsprechen und nicht anders auszulegen sind als diese Regelung. Sie verfolgen das gleiche Ziel und regeln das gleiche Problem, nämlich die Anwendung der stark verkürzten neuen Fristen auf in langer Frist verjährende Altansprüche. Die neue Frist beginnt nach § 23 II S 1 nicht vor dem 1.1.2010 zu laufen. Mit dem 1.1.2010 beginnt zwar in jedem Fall die Höchstfrist von 30 Jahren (nach § 199 IIIa BGB) zu laufen (BT-Drucks 16/8954, 269). Daneben läuft aber auch die regelmäßige Verjährungsfrist, wenn der Anspruch entstandenen ist und der Gläu-

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J. Schmidt-Räntsch

Gegenstand und Dauer der Verjährung

§ 194

biger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen hat oder diese Umstände grob fahrlässig nicht kennt. Es liegt hier nicht anders als bei Art 229 § 6 IV 1. Diese Vorschrift zum Schutz des Gläubigers soll den Schuldner aber nicht ggü dem bisherigen 6 Recht benachteiligen. Deshalb bestimmt § 23 II S 2 wie Art 229 § 6 IV S 2, dass der Anspruch spätestens mit dem Ablauf der bisherigen Frist verjährt. Erlangt der Gläubiger zB zu einem Zeitpunkt Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen, zu dem die Verjährungsfrist nach § 197 I Nr 2 BGB aF iVm § 200 BGB bereits abgelaufen ist, dann ist der Anspruch unabhängig von § 199 BGB verjährt. 4. Nach § 23 III bestimmt sich die Hemmung der Verjährungsfrist von Altansprüchen vor dem 7 1.1.2010 nach den bis dahin geltenden Vorschriften des BGB. Zweck der Regelung ist es, das Vertrauen des Gläubigers in bis dahin verwicklichte Hemmungstatbestände und den entspr längeren Lauf der Frist zu schützen. Zu berücksichtigen ist, dass die Regelung auch Uraltansprüche erfasst, die vor dem 1.1.2002 entstanden sind. Bei solchen Ansprüchen bleiben nicht nur Hemmungstatbestandände erhalten, die zw dem 1.1.2002 und dem 31.12.2010 verwirklicht worden sind. Vielmehr bleiben auch vor dem 1.1.2002 verwirklichte Hemmungs- und Unterbrechungstatbestände erhalten. Das folgt daraus, dass zu den „Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs“ auch die Überleitungsvorschrift in Art 229 § 6 und § 12, insb Art 229 § 6 I 2 und § 12 I, gehören. Inhaltliche Änderungen bei der Hemmung der Verjährungsfrist ergeben sich im geänderten Verjährungsrecht durch die Änderung des § 207 BGB, der den Kreis der betroffenen Personen etwas anders fasst. Ansonsten stellt § 23 III klar, dass es für die Verwirklichung der Hemungstatbestände nicht nur auf Tatbestände ankommt, die nach dem 1.1.2010 verwirklicht werden, sondern auch auf solche aus der Zeit davor.

Titel 1 Gegenstand und Dauer der Verjährung

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Gegenstand der Verjährung (1) Das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (Anspruch), unterliegt der Verjährung. (2) Ansprüche aus einem familienrechtlichen Verhältnis unterliegen der Verjährung nicht, soweit sie auf die Herstellung des dem Verhältnis entsprechenden Zustandes für die Zukunft oder auf die Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung gerichtet sind. 1. Die Verjährung setzt dreierlei voraus: a) einen verjährbaren Anspruch (§ 194), b) den Beginn der 1 Verjährung (§§ 199–201), c) den Ablauf der Verjährungsfrist (§§ 195–197, 202–213). § 194 regelt die erste Voraussetzung, den Gegenstand der Verjährung.

2. Abs I enthält die Definition des Anspruchs im BGB. Nur Ansprüche können verjähren. „An- 2 spruch“ ist das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen. Es gibt schuldrechtliche, dingliche, familienrechtliche und erbrechtliche Ansprüche. Jeder materiellrechtliche Anspruch beruht auf einem subjektiven Recht oder rechtlich geschützten Interesse. Dieses ist jedoch dem Anspruch nicht gleichzusetzen. Ein Anspruch entsteht erst, wenn dem Berechtigten ein anderer als Verpflichteter ggüsteht. Rechte, die keine Ansprüche sind, wie zB absolute Rechte oder Gestaltungsrechte, verjähren nicht. An einem der Verjährung zugänglichen Anspruch fehlt es auch, wenn der Schuldner alle zur Erfüllung erforderlichen Leistungshandlungen vorgenommen hat (BGH MDR 2005, 382, 383). 3. Beim relativen Recht, insb einem Schuldverhältnis, ist ein Anspruchsgegner stets vorhanden. 3 Das Schuldverhältnis als der zur „Erzeugung von Einzelrechten geeignete Organismus“ (Planck/Siber Vorb Allg Schuldverhältnis I, 1) ist von dem aus ihm fließenden Einzelanspruch zu unterscheiden. Der gegenseitige Vertrag ist ein Schuldverhältnis. Aus ihm ergeben sich die wechselseitigen Leistungsansprüche der Parteien. Erschöpft sich das Schuldverhältnis in dem Anspruch, so sind beide Begriffe inhaltlich gleichbedeutend (Staud/Weber10 Einl § 241 Bem C 9). Nichts anderes gilt bei einseitigen Verträgen. Sie begründen zwar die Leistungspflicht nur einer Partei. Gleichwohl können sich aus einem solchen Schuldverhältnis auch andere Ansprüche ergeben, zB wegen Verletzung von Pflichten bei oder nach Vertragsschluss (§§ 280 I, 241 II, 311 II, III). Dagegen stimmt der Begriff des Anspruchs mit dem der Forderung überein, wenn man unter ihr nicht das Schuldverhältnis als Gesamtheit aller rechtlichen Beziehungen, sondern das aus ihm entspringende Recht auf die Leistung versteht. Das Schuldverhältnis als solches verjährt nicht (PWW/Kesseler Rn 5). Dies gilt gerade auch für 4 Dauerschuldverhältnisse (AnwK/Mansel/Stürner Rn 2). Hier verjähren nur die aus ihm entstehenden Einzelansprüche (BGH LM Nr 51 zu § 138 [Bb]; NJW 2008, 2995, 2996). Dieser Unterschied wird im Hinblick auf § 202 II gerade bei Garantieverträgen bedeutsam (BGH wie vor und unten § 202 Rn 10). Bei Leibrenten und ähnlichen Verpflichtungen zu wiederkehrenden Leistungen unterliegen nach hM nicht nur die Einzelansprüche der Verjährung, sondern auch das sog Stammrecht (BGH NJW 1973, 1684; RG 136, 427, 430; MüKo/Grothe Rn 3; Pal/Ellenberger Rn 7; PWW/Kesseler Rn 5; aM AnwK/Mansel/Stürner Rn 4; Staud/Peters/Jacoby Rn 16). J. Schmidt-Räntsch

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§ 194

Allgemeiner Teil Verjährung

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4. Beim absoluten Recht, zB dem Eigentum oder dem Namensrecht (§ 12), können Ansprüche erst entstehen, wenn sich eine bestimmte Person zu dem Recht in Widerspruch setzt, zB der Besitzer die Sache dem Eigentümer nicht herausgibt (§ 985) oder der unredliche Besitzer sie schuldhaft beschädigt (§§ 990, 989). Ähnlich liegt es bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen, deren Verjährung eine konkrete Zuwiderhandlung voraussetzt (BGH GRUR 1979, 121, 122; i Erg ebenso Köhler JZ 2005, 489, 490). Der Eigentumsherausgabeanspruch verjährt, soweit er nicht nach § 902 unverjährbar ist, nach dreißig Jahren (§ 197 I Nr 1), ohne dass dadurch das Eigentumsrecht hinfällig wird (dominium sine re – RG 138, 296, 300). Dieses kann sogar für den Eigentümer wieder einen Herausgabeanspruch erzeugen in dem seltenen Fall, dass der Dieb seinerseits bestohlen wird (Pal/Ellenberger Rn 4). Der Dieb kann und wird oft auch nach Treu und Glauben gehindert sein, sich auf die Verjährung zu berufen (Wendtland in: Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland, Das neue Schuldrecht, 2002, Kap 2 Rn 41). Seines Eigentums selbst kann der bisherige Eigentümer aber im Wege der Ersitzung durch einen gutgläubigen Besitzer verlustig gehen. Dies hat in der Reformdiskussion zu dem Vorschlag geführt, den Eigentumsherausgabeanspruch nicht nur bei Grundstücken und eingetragenen dinglichen Rechten, sondern generell für unverjährbar zu erklären (Siehr ZRP 2001, 346; Zimmermann/Leenen/Mansel/Ernst JZ 2001, 684, 693). Dem ist der Gesetzgeber aus Gründen des Verkehrsschutzes nicht gefolgt (BT-Drucks 14/7052, 179). Ausnahmsweise kann die Verjährung eines Anspruchs zum Erlöschen absoluter Rechte führen, nämlich die Verjährung des Rechtsverschaffungsanspruchs zum Erlöschen des zu Unrecht gelöschten Rechts (§ 901) und die Verjährung des Anspruchs auf Beseitigung einer die Dienstbarkeit störenden Anlage zum teilw Erlöschen der Dienstbarkeit (§ 1028 I). Kein Anspruch ist auch das Recht zum Besitz; es kann nur durch Geltendmachung eines gesetzlichen oder vertraglichen Herausgabeanspruchs ggf iVm der Beendigung des dem Recht zum Besitz zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses beendet werden (RG 138, 296, 298; 144, 378, 381f; AnwK/Mansel/Stürner Rn 3; MüKo/Grothe Rn 5).

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5. Auf rein dingliche, familien- und erbrechtliche Ansprüche können die allg Vorschriften über Schuldverhältnisse unmittelbar oder sinngemäß zur Anwendung kommen, soweit sich nicht aus der besonderen Natur des dinglichen Anspruchs oder aus den mit Rücksicht darauf gegebenen besonderen Vorschriften eine Abweichung ergibt. Anwendbar ist zB § 242 (RG 113, 19; 146, 385), nicht aber § 285 auf den Herausgabeanspruch gegen den redlichen Besitzer (BGH 75, 203, 208; RG 138, 45; 157, 40; Vor § 987 Rn 92; aM RG 105, 84) oder § 328 für Eigentumsübertragungen (RG 106, 1). Zu beachten ist, dass Ansprüche, die durch Verletzung eines dinglichen Rechts entstehen, trotz ihrer Regelung im Sachenrecht keine rein dinglichen, sondern schuldrechtlich geartete Ansprüche sind. Dies zeigt namentlich § 990 II. Auf Schadensersatzansprüche nach §§ 987ff sind deshalb §§ 249–255 anwendbar.

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6. Auch unklagbare Ansprüche können verjähren, da es gerade der Zweck der Verjährung ist, ein Eingehen auf die Sache selbst zu erübrigen (vgl Staud/Peters/Jacoby Rn 15; Pal/Ellenberger, Rn 2; anders noch Staud/Dilcher12 Rn 34). Gleiches gilt für klagbare, aber vollstreckungsunfähige Ansprüche (§ 888 II ZPO). Auch nicht (mehr) bestehende Ansprüche können verjähren (BGH MDR 2003, 583, 585 gegen KGRp 2002, 294).

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7. Vom materiellrechtlichen Anspruch des § 194 zu unterscheiden ist der Anspruch im prozessualen Sinne. Der prozessuale Anspruch umfasst sämtliche materiell-rechtlichen Ansprüche und Rechte, die sich aus dem durch den Klageantrag und den zu seiner Verfolgung vorgetragenen Tatsachen ergeben. Der prozessuale Anspruch umfasst deshalb meist einen materiell-rechtlichen Anspruch; er kann aber auch mehrere materiellrechtlich Ansprüche umfassen. Gegenstand des prozessualen Anspruchs können aber auch ein Recht und die sich aus seiner Wahrnehmung ergebenden Rechtsfolgen sein, zB bei einer Gestaltungs- oder rechtsverneinenden Feststellungsklage. Vereinzelt verwendet die ZPO den Ausdruck „Anspruch“ wie das bürgerliche Recht, zB in §§ 325 III, 592, 688, 916. Der prozessuale Feststellungsanspruch als solcher ist kein Anspruch iSd § 194 I. Er entsteht mit dem Prozessrechtsverhältnis und unterliegt nicht der Verjährung (BGH MDR 2011, 122 m krit Bespr Grote NJW 2011, 1121, 1122; Koblenz NZI 2010, 308, 310). Allerdings kann das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse davon abhängen, ob der festzustellende Anspruch verjährt ist. Kein Anspruch iSd § 194 sind der Justizgewährungsanspruch des Einzelnen gegen den Staat (Zöller/Vollkommer Einl ZPO Rn 48), der frührer diskutierte Rechtsschutzanspruch des Einzelnen gegen den Staat (Wach, Hdb I S 12ff; Einzelheiten bei Zöller/Vollkommer Einl ZPO Rn 49) oder das verfassungsmäßige Recht auf effektiven Rechtsschutz (dazu Zöller/Vollkommer Einl ZPO Rn 50 mwN), das heute als Teil des Justizgewährungsanspruchs verstanden wird. Sie sind Richtschnur für die Gestaltung und Anwendung des Verfahrensrechts und können nur im Rahmen des Verfahrensrechts oder mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden.

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8. Konkurrenz. Derselbe Sachverhalt kann mehrere materiellrechtlich Ansprüche zur Entstehung bringen, die auf die gleiche Leistung gehen, zB Herausgabeansprüche aus §§ 985, 1007 und 604; Surrogationsansprüche aus §§ 285, 687 II, 667 und 816 I; Schadensersatzansprüche aus Vertrag und unerlaubter Handlung und Bereicherungsansprüche. Bei einer solchen Anspruchskonkurrenz ist jeder Anspruch bzw Rechtsgrund nach seinen eigenen Vorschriften zu beurteilen (BGHRp 2005, 1112, 1113; RG JW 1938, 2413). Das gilt auch für das Verjährungsrecht. Jeder Anspruch verjährt grds auch selbständig und unabhängig von konkurrierenden Ansprüchen (BGH 9, 301, 303; 66, 315, 319; 100, 190, 201; NJW-RR 1989, 1258). Eine Ausnahme ist nur da anzuerkennen, wo das Gesetz für einen Anspruch eine kurze Verjährungsfrist festsetzt, die ihren praktischen Zweck verlieren würde, wenn sie nicht auch die konkurrierenden Ansprüche umfasst (BGHRp 2003, 84, 87). Diese Situation trat früher häufiger auf, weil die kurzen Verjährungsfristen des früheren Rechts die von der Rspr entwickelten Ansprüche aus pFV und aus cic nicht berücksichtigt hatten. Durch die Neuordnung des Verjäh582

J. Schmidt-Räntsch

Gegenstand und Dauer der Verjährung

§ 194

rungsrechts sind solche Fälle selten geworden (vgl aber Budzikiewicz WM 2003, 265, 267ff). Die meisten Ansprüche unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist, die meist auch gleichläuft. Die neuen Verjährungsfristen der §§ 438 I und 634a I erfassen teilw auch konkurrierende Ansprüche (dazu sogleich). Nach wie vor stellt sich etwa die Frage, ob die kurzen Verjährungsfristen für Ersatzansprüche des Vermieters und Verleihers nach §§ 548, 606 auch für konkurrierende Ansprüche aus unerlaubter Handlung gelten (bejahend BGH 47, 53; 55, 393, 396; 66, 315, 319; RG JW 1938, 2413). Der Unterschied zw der Verjährungsfrist für Ansprüche auf Entschädigung wegen Vorenthaltung der Mietsache aus § 546a I und Ansprüchen aus Verzug oder ungerechtfertigter Bereicherung (unter altem Recht für Anwendung der kurzen mietrechtlichen Verjährung BGH 68, 307, 310; anders für Ansprüche aus § 11 BKleingG BGHRp 2002, 764, 765, für Ansprüche aus § 988 BGHRp 2003, 1188), ist dagegen mit der Neuordnung entfallen; es gilt in jedem Fall die regelmäßige Verjährung nach §§ 195, 199. Ebenso ergreift die Verjährung aus § 61 HGB auch einen Anspruch auf Unterlassung aus § 60 HGB sowie die aus dem gleichen Sachverhalt abgeleiteten Schadensersatzansprüche (RG JW 1937, 2654). Nach wie vor differenziert ist die Regelung im Kauf- und Werkvertragsrecht: Alle vertraglichen Ansprüche wegen Mängeln unterliegen der meist kürzeren kauf- oder werkvertraglichen Verjährung von 2 oder 5 Jahren (§§ 438 I, 634a I). Deliktische oder (vor-)vertragliche Ansprüche aus nicht mangelbedingter Pflichtverletzung unterliegen demggü der regelmäßigen Verjährung. Auf sie ist, wie auch schon unter früherem Recht (BGH 55, 393; 66, 315, 319), die kurze Frist nicht anzuwenden, weil sich der Gesetzgeber für die Konkurrenz entschieden hat. Sollte die kauf- oder werkvertragliche Verjährung ausnahmsweise einmal länger sein als die regelmäßige Verjährung (§§ 438 III, 634a III), kann auf sie zurückgegriffen werden. Die Verjährung für vertragliche Ansprüche gegen den Frachtführer, Spediteur oder Lagerhalter wegen Verlustes oder Beschädigung des ihm anvertrauten Gutes (§§ 439 IV, 452b II, 463, 475a HGB) gilt nicht für konkurrierende deliktische Ansprüche (BGH 9, 301; 66, 315, 319). Bei Konkurrenz von Schadensersatzansprüchen aus § 823 BGB und UWG geht die Verjährungsregelung des § 11 UWG der regelmäßigen Verjährung nach §§ 195, 199 vor (BGH 36, 252, 257; Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl § 11 UWG Rn 1.8 u 1.9). Das gilt indes nicht für die Konkurrenz zu § 824 BGB (BGH 36, 252, 256; Köhler/Bornkamm aaO Rn 1.10) und zu § 826 BGB (BGH GRUR 1964, 218, 220; 1977, 539, 543; Köhler/Bornkamm aaO Rn 1.11). 9. Keine Ansprüche iSd § 194 sind: a) Absolute Rechte, insb dingliche Rechte. Sie können nicht ver- 10 jähren. Verjährbar sind dagegen, soweit nichts anderes bestimmt ist, dingliche und sonstige Ansprüche aus solchen Rechten. b) Gestaltungsrechte. Sie geben die Befugnis, durch einseitiges Rechtsgeschäft ein Recht zu be- 11 gründen, zu ändern oder aufzuheben. Bsp: Kündigung, Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung, Vertragsannahme, Rücktritt, Minderung, Vor- und Wiederkauf, Annahme und Ausschlagung einer Erbschaft, Pflichtteilsentziehung. Durch Ausübung eines Gestaltungsrechts können Ansprüche begründet werden, die verjährbar sind. Das Gestaltungsrecht selbst ist unverjährbar (Stuttgart OLGRp 2007, 314, 316; MüKo/Grothe Rn 4). Sind für seine Ausübung Fristen gesetzt, so handelt es sich um Ausschlussfristen (Vor § 194 Rn 9). Kein Gestaltungsrecht ist die Anfechtungsklage nach InsO und AnfG. Gegenstand dieser Klage ist nämlich der Rückgewähranspruch nach § 143 InsO bzw § 11 AnfG (BAG DZWIR 2004, 236; MüKo/Grothe Rn 2; Soergel/Niedenführ Rn 11). Dieser Anspruch kann auch einredeweise geltend gemacht werden (§ 146 II InsO, § 9 AnfG). Auch Klagerechte, die auf Rechtsgestaltung gerichtet sind, denen jedoch ein sachlich-rechtlicher 12 Anspruch nicht zugrunde liegt, sind unverjährbar. Bsp: Gestaltungsklagen auf Herabsetzung einer unverhältnismäßig hohen Vertragsstrafe (§ 343), auf Aufhebung der Ehe (§ 1314), der ehelichen Gütergemeinschaft (§§ 1447, 1469) oder einer Lebenspartnerschaft (§ 15 LPartG), auf Erbunwürdigkeit (§ 2342), auf Auflösung einer OHG (§ 133 HGB), auf Löschung einer Marke (§§ 48ff MarkenG). Sie können befristet sein (zB § 1318). c) Besitzrechte. Aus dem Besitztatbestand ergibt sich für den Besitzer eine geschützte Rechtsstel- 13 lung, nicht aber das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen. Das Recht zum Besitz unterliegt nicht der Verjährung, auch nicht, wenn es auf einem Überlassungsanspruch beruht (Kauf) und dieser verjährt ist (BGH 90, 269; RG 138, 296). Ein Verpächter ist zum Besitz der dem Pächter gehörenden Einrichtungen auf Dauer berechtigt, wenn der Anspruch des Pächters auf Gestattung der Wegnahme verjährt ist (BGH WM 1981, 1060). Eine Besitzverletzung kann Ansprüche erzeugen, die verjährbar sind, zB einen Schadensersatzanspruch nach § 823 I (RG 170, 6). Für die Besitzschutzansprüche sind in § 864 Ausschlussfristen vorgesehen. d) Einreden (Leistungsverweigerungsrecht). Handelt es sich um selbständige Einreden, die nicht 14 auf einem Leistungsanspruch beruhen, so ist eine Verjährung ausgeschlossen (PWW/Kesseler Rn 6). Sonst könnte die Verjährungseinrede (§ 214) selbst verjähren. Anders liegt es bei abgeleiteten Einreden, die auf einem Anspruch beruhen. Solche Einreden können nach Eintritt der Verjährung des ihnen zugrunde liegenden Anspruchs nicht mehr erhoben werden. Ausnahmen: §§ 438 IV S 2, 634a IV, 821, 853; § 146 II InsO). Bei den Einreden aus §§ 273, 320 differenzierte die hM früher; während die Einrede aus § 320 unabhängig von der Verjährung des ihr zugrunde liegenden Anspruchs erhoben werden konnte (RG 149, 328; RG HRR 1930, 1434; aM – für Anwendung des § 215 – BGH 53, 122, 125), sollte dies bei der Einrede aus § 273 analog § 390 S 2 aF nur dann möglich sein, wenn der ihr zugrunde liegende Anspruch noch nicht verjährt war (BGH 48, 116, 117). § 215 behandelt jetzt beide Fälle gleich und begründet dies auch mit einem Rückgriff auf BGH 53, 122, 125, so dass heute auch die gleichen Bedingungen gelten (MüKo/Grothe Rn 6; Soergel/Niedenführ Rn 14; ähnlich BaRo/Henrich § 214 Rn 4: analoge Anwendung von § 215; aM Pal/Ellenberger Rn 6). Das dürfte dann auch für das Zurückbehaltungsrecht nach § 1000 gelten (Soergel/Niedenführ Rn 14). Einem am Vertrag nicht beteiligten J. Schmidt-Räntsch

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§ 194

Allgemeiner Teil Verjährung

Dritten steht die Einrede der Verjährung grds nicht zu (BGH VIZ 2003, 526, 528ff Aufrechnung). Etwas anderes kann für Dritte gelten, die in den Schutzbereich des Vertrags einbezogen sind, wie zB für Hilfspersonen des Mieters oder Entleihers, die vom Vertragspartner Freistellung verlangen können (BGH 49, 278). 15

e) Obliegenheiten begründen keine Verpflichtung, die der andere Teil einfordern kann. Ihre Nichteinhaltung begründet lediglich rechtliche Nachteile, die durch Einhaltung der Obliegenheiten abgewendet werden können. Damit fehlt ihnen ein für Ansprüche wesentliches Merkmal. Sie können nicht verjähren (MüKo/Grothe Rn 6).

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f) Ein Angebot, das auf unbestimmte Zeit angenommen werden kann, unterliegt nicht der Verjährung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit gesichert ist (München OLGRp 2000, 81).

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10. Es gibt unverjährbare Ansprüche. IdR sind zwar alle Ansprüche verjährbar. Ausnahmen sind jedoch vorgesehen, wenn entweder eine Verdunklungsgefahr durch Zeitablauf nicht besteht oder wenn der Berechtigte zur Geltendmachung seines Anspruchs nicht gezwungen werden, der Anspruch vielmehr fortwährend neu entstehen soll. Im Einz kommen in Betracht:

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a) Ansprüche aus eingetragenen Grundstücksrechten (§ 902 I S 1), zB aus Eigentum (§ 985). Doch verjähren nach § 902 I S 2 Ansprüche aus solchen Rechten auf Rückstände wiederkehrender Leistungen (zB Zinsen, Einzelleistungen bei einer Reallast oder Rentenschuld, §§ 1105, 1199 I) und auf Schadensersatz. Ferner verjährt trotz Eintragung der Anspruch aus einer Grunddienstbarkeit oder beschränkten persönlichen Dienstbarkeit auf Beseitigung einer beeinträchtigenden Anlage (§§ 1028, 1090 II). Der Beseitigungsanspruch aus § 1004 ist kein Anspruch aus einem eingetragenen Recht iSd § 902 I S 1 (BGH 60, 235; Köln DWW 1994, 184), ebenso der aus dem Gemeinschaftsverhältnis abgeleitete Wohngeldanspruch in der WEG (München NJW-RR 2007, 1097). Bei dem Anspruch des Dienstbarkeitsberechtigten aus §§ 1027, 1004 BGB ist allerdings zu differenzieren: Soweit dieser Einzelstörungen seines Rechts abwehren will, gilt § 902 BGB nicht. Geht es ihm indes um die dem Herausgabeanspruch aus § 985 BGB entspr Rechtsverwirklichung, gilt § 902 BGB (BGH NJW 2011, 1068, 1069). Im Gegensatz zu den Ansprüchen aus Grundstücksrechten sind Ansprüche aus Fahrnisrechten stets verjährbar.

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b) Ansprüche aus Grundstücksrechten, die durch Widerspruch gesichert sind, § 902 II.

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c) Ansprüche auf Berichtigung des Grundbuchs, § 898, auch soweit sie in Spezialgesetzen begründet werden, wie zB in § 113 SachenRBerG (dazu Czub/J. Schmidt-Räntsch ZfIR 2007, 517, 518) oder des Schiffsregisters, § 20 SchiffsrechteG (BGBl III 403–4).

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d) Gewisse nachbarrechtliche Ansprüche, § 924. Die Ansprüche aus den Nachbarrechtsgesetzen der Länder unterliegen dagegen in aller Regel einer dort meist besonders geregelten Verjährungsoder einer Ausschlussfrist.

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e) Ansprüche auf Aufhebung der Gemeinschaft, § 758, oder der Erbengemeinschaft, § 2042 II (dazu Piepenbrock aaO [Vor § 194] S 384ff).

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f) Ansprüche aus einem familienrechtlichen Verhältnis, soweit sie auf Herstellung eines dem Verhältnis entspr Zustands für die Zukunft gerichtet sind, II Hs 1. Es sind dies namentlich die aus dem persönlichen Verhältnis und aus dem Ehegüterrecht sich ergebenden Ansprüche der Ehegatten untereinander etwa in Bezug auf die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft oder der Haushaltsführung (AnwK/Mansel/Stürner Rn 29) oder gegen Dritte (§§ 1353, 1356, 1360ff, 1619), die Ansprüche des sorgeberechtigten Elternteils oder des Vormunds auf Herausgabe des Kindes (§§ 1632, 1800), der Anspruch auf VersA als solcher (Karlsruhe OLGRp 2002, 426) und die Unterhaltsansprüche der Verwandten (§§ 1601ff) und der geschiedenen Ehegatten untereinander (§§ 1569ff). Auch diese familienrechtlichen Ansprüche unterliegen insoweit der Verjährung, wie sie nicht auf Herstellung eines künftigen Zustands gehen, so zB Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit (§§ 1585b, 1613). Ferner verjähren die Ansprüche aus dem Verlöbnis (§ 1302). Auch vergleichbare Ansprüche aus dem LPartG gehören hierher (AnwK/Mansel/Stürner Rn 27; MüKo/Grothe Rn 8). Nach II Hs 2 unterliegt auch der Einwilligungsanspruch nach § 1598a I nicht der Verjährung. Danach können zur Klärung der leiblichen Abstammung eines Kindes der Vater jeweils von Mutter und Kind, dessen Mutter jeweils von Vater und Kind und das Kind von seinen Eltern die Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und die Duldung der Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten genetischen Probe verlangen. Es soll hier nicht anders liegen als bei den in Hs 1 angesprochenen familienrechtlichen Ansprüchen, vor allem, weil der Anspruch der Vorbereitung einer nicht der Verjährung unterliegenden Vaterschaftsanfechtung dienen und für die Klärung der Erb- und Pflichtteilsberechtigung bedeutsam sein kann (BT-Drucks. 16/6561, 12).

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g) In der Rspr sind auch Fälle anerkannt, in denen an sich verjährbare Ansprüche für die Dauer des Schuldverhältnisses aus dem sie erwachsen, gewissermaßen vorübergehend unverjährbar sind. Anerkannt ist das etwa für den Anspruch des Mieters auf Mangelbeseitigung während der Mietzeit (BGH NJW 2010, 1292 Rn 17) und für den Anspruch auf Neuberechnung der Rückzahlungsverpflicht bei einem formmängelbehafteten Verbraucherdarlehensvertrag nach § 494 II S 4 BGB (BGH WM 2009, 542, 545). Der kann zwar sofort geltend gemacht werden. Sinn und Zweck der Regelung stehen aber einem sofortigen Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist entgegen.

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11. Der Verjährung unterliegen alle zivilrechtlichen Ansprüche, soweit sie im BGB selbst geregelt sind oder (arg aus § 311 I) in zivilrechtlichen Verträgen begründet werden. Auf außerhalb des BGB geregelte Ansprüche sind die Bestimmungen des Abschnitts 5 entspr anzuwenden, soweit dort ganz 584

J. Schmidt-Räntsch

Gegenstand und Dauer der Verjährung

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allg auf die Bestimmungen des BGB über die Verjährung oder auf bestimmte Vorschriften verwiesen wird. Eine Verweisung auf das BGB dürfte auch dann anzunehmen sein, wenn in den besonderen Vorschriften nur eine Verjährungsfrist geregelt wird. Denn eine solche Regelung setzt gedanklich die Bestimmungen des Abschnitts 5 voraus. Soweit die besonderen Vorschriften keine Regelungen zur Verjährung von Ansprüchen enthalten, sind die Vorschriften des Abschnitts 5 analog anzuwenden (i Erg ebenso AnwK/Mansel/Stürner Rn 11). Denn die Verjährung von zivilrechtlichen Ansprüchen entspricht einem allg Grundprinzip des Zivilrechts, so dass jedenfalls im Zivilrecht eine abw Vorstellung des Gesetzgebers ihren Ausdruck finden muss. Grds wird man auch davon ausgehen können, dass die Anwendung der Regelverjährung den Vorstellungen des Gesetzgebers entspricht. Dies gilt jedenfalls bei Gesetzen, die – wie das UKlaG – gleichzeitig mit den neuen Verjährungsvorschriften oder nach ihrer Verkündung erlassen worden sind. Denn das BGB enthält eine Grundregelung, die den Anspruch erhebt, auch außerhalb des BGB taugliche Grundlage der Anspruchsverjährung zu sein. Bei Vorschriften aus der Zeit vor dem 26.11.2001 kann sich die Frage stellen, ob die Anwendung der neuen Regelverjährung im Einzelfall angemessen ist (so AnwK/Mansel/Stürner Rn 13f). Im Zweifel wird man aber auch hier davon ausgehen können. Die entspr Anwendung der Verjährungsfrist des § 197 kommt jedenfalls nur in Betracht, wenn sich der fragliche Anspruch von anderen Ansprüchen so sehr unterscheidet, dass die Parallelwertung zu den dort genannten Ansprüchen gerechtfertigt ist. Das wird selten sein. Bei Ansprüchen aus internationalem Einheitsrecht kann auf das nationale Verjährungsrecht nur zurückgegriffen werden, soweit dies dem Zweck des Einheitsrechts entspricht (BGH NJW-RR 2006, 619, 620: für Ansprüche aus WA, jetzt MA, verneint; Zweibrücken VersR 2005, 97: für Ansprüche aus CMR bejaht). 12. Der Lauf der Verjährung wird durch eine Abtretung nicht beeinflusst, da der Anspruch derselbe 25 bleibt (Köln OLGRp 1994, 65).

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Regelmäßige Verjährungsfrist Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

1. Bei der Neuordnung des Verjährungsrechts hat der Gesetzgeber das Konzept einer regel- 1 mäßigen Verjährungsfrist fortgeführt. Die Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts hatte demggü in ihrem Bericht vorgeschlagen, dieses Konzept aufzugeben und an Stelle der regelmäßigen Verjährungsfrist unterschiedliche Fristen für vertragliche und gesetzliche sowie für Ansprüche aus unerlaubter Handlung vorzusehen (§§ 195, 198, 201 KE, dazu Bericht S 56, 66, 75). Diesem Konzept hat sich der Gesetzgeber nicht angeschlossen, weil es zusätzliche Abgrenzungsschwierigkeiten hervorgerufen und nicht zur angestrebten Vereinfachung geführt hätte (BT-Drucks 14/6040, 102ff). Für die Beibehaltung des Konzepts einer einheitlichen regelmäßigen Verjährungsfrist hatten sich auch Peters/Zimmermann in ihrem Gutachten ausgesprochen (§ 195 I E, dazu Peters/Zimmermann in BMJ [Hrsg] Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts Bd I 1981, 290ff). Bei der Länge der Frist ist der Gesetzgeber weder dem Vorschlag von Peters/Zimmermann, eine regelmäßige Verjährungsfrist von zwei Jahren vorzusehen, noch dem Vorschlag der Schuldrechtskommission, eine Verjährungsfrist von drei Jahren für vertragliche und zehn Jahren für gesetzliche Ansprüche vorzusehen, gefolgt. Der Gesetzgeber hat sich vielmehr der Hilfserwägung von Peters/Zimmermann (aaO, 297) angeschlossen und eine regelmäßige Verjährungsfrist vorgesehen, die der früheren Verjährungsfrist für Ansprüche aus unerlaubter Handlung entspricht. 2. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt nach § 195 drei Jahre. Eine Verjährungsfrist dieser Län- 2 ge wird auch in anderen Vorschriften vorgesehen. Das ist aber nicht die regelmäßige Verjährungsfrist. Für solche Fristen gilt der besondere Verjährungsbeginn in § 199 nicht, der der regelmäßigen Verjährungsfrist ihr eigentliches Wertungsgepräge gibt. Für die Berechnung der regelmäßigen Verjährungsfrist sind §§ 187, 188 maßgebend (AnwK/Mansel/Stürner Rn 3; Soergel/Niedenführ Rn 1). Auch § 193 ist sinngemäß anwendbar. Diese Vorschrift setzt keine Rechtspflicht zur Abgabe einer Willenserklärung voraus; es genügt, wenn man durch ihre Abgabe Rechtsnachteile abwenden kann, wie den Ablauf einer Ausschluss- oder Verjährungsfrist (BGH LM Nr 1 zu § 193 BGB; WM 1978, 461, 464; MDR 1990, 540; RG 151, 345, BaRo/Henrich § 193 Rn 7). Läuft die Verjährungsfrist an einem Sonntag ab, so kann der Gläubiger noch am nächstfolgenden Werktag die Verjährung wirksam zur Hemmung oder zum Neubeginn bringen. Nicht anwendbar ist dagegen § 191. Zwar kann die regelmäßige Verjährungsfrist gehemmt werden. Das ändert aber nichts daran, dass sie zusammenhängend läuft (BGH MDR 1962, 208; BaRo/Henrich § 191 Rn 2; Pal/Ellenberger § 191 Rn 1). 3. a) Die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 aF war der Form nach die normalerweise geltende 3 Frist. Sie war aber wegen ihrer Länge von 30 Jahren für den Normalfall nicht geeignet. Deshalb waren in zahlreichen Fällen kürzere Verjährungsfristen vorgesehen. Der gesetzliche war deshalb nicht auch der tatsächliche Regelfall. In Wahrheit waren die kürzeren Verjährungsfristen die Regel. § 195 aF kam nur subsidiär für alle Ansprüche zur Anwendung, für die weder durch Gesetz noch durch Rechtsgeschäft (§ 225 aF) eine andere Frist bestimmt war. Das ist jetzt anders. Die neue regelmäßige Verjährungsfrist ist gerade auch wegen ihres Beginns so bemessen, dass sie idR tatsächlich angemessen ist. Dem hat der Gesetzgeber im Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts Rechnung getragen, indem er zahlreiche Sondervorschriften aufgehoben hat. Die Revision auch der immer noch zahlreichen sonstigen besonderen Verjährungsfristen, die sich der Gesetzgeber vorgenommen hatte (BTDrucks 14/6857, 42), ist durch das Gesetz zur Anpassung von Verjährungvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts v 9.12.2004 (BGBl I S 3214) erfolgt. Eine Revision auch der erbrechtlichen Verjährung ist mit dem Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts v 24.9.2009 (BGBl I S 3142) erfolgt. Damit ist die heutige regelmäßige Verjährungsfrist nicht nur nach dem GeJ. Schmidt-Räntsch

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§ 195

Allgemeiner Teil Verjährung

setz, sondern auch in der Wirklichkeit die regelmäßige Frist. Sie gilt für zivilrechtliche Ansprüche aller Art, soweit für sie keine besondere Frist geregelt ist. Eine Unterscheidung zw vertraglichen und außervertraglichen Ansprüchen gibt es ebenso wenig wie eine Unterscheidung nach der inhaltlichen Herkunft des Anspruchs (AnwK/Mansel/Stürner Rn 4). 4

b) § 195 gilt für Ansprüche wegen der Verletzung von Schutzpflichten (§ 241 II) im Vertragsanbahnungsverhältnis (§ 311 II) und der Sachwalterhaftung (§ 311 III). Begründet die Verletzung der Schutzpflicht bei Zustandekommen des Vertrags einen Mangelanspruch, so verjährt der Anspruch nach §§ 438, 634a (BGH NJW 1985, 1769, 1772; Soergel/Niedenführ Rn 46). Privilegiert waren Wertpapierhandelsunternehmen bei der Verletzung von Beratungs- und Informationsfehlern bei Wertpapierdienstleistungen. Hier betrug die Verjährungsfrist drei Jahre ab Entstehen, ohne Rücksicht auf die Kenntnis (§§ 37a, 37d IV WpHG aF). Diese Regelungen sind durch G v 16.7.2007 (BGBl I 1330, § 37d WpHG) und v 31.1.2009 (BGBl I 2512, § 37a WpHG) aufgehoben werden, gelten aber noch für Altfälle. Wird eine Prospekthaftung aus Verletzung einer Schutzpflicht im vorvertraglichen Verhältnis (§§ 311 II, 241 II) abgeleitet, gelten die Verjährungsvorschriften der gesetzlich geregelten Prospekt- und Informationshaftung (§ 127 V InvG, § 46 BörsG, §§ 37b IV, 37c IV WpHG) entspr (BGH 83, 222, 224; MDR 2002, 638 und 699; NJW 2010, 1077, 1079; BaRo/Henrich Rn 15; Pal/Sprau § 311 Rn 72; Soergel/Niedenführ Rn 50). Diese beträgt ein Jahr nach Kenntniserlangung, längstens drei Jahre ab Herausgabe des Prospekts.

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c) aa) Von noch darzustellenden Ausnahmen abgesehen, gilt die regelmäßige Verjährungsfrist für alle vertraglichen Schuldverhältnisse. Auf die Art des Vertragsverhältnisses kommt es nicht an. Gegenseitige Verträge werden ebenso erfasst wie nicht gegenseitige Verträge, zweiseitige Verträge ebenso wie einseitig verpflichtende Verträge. Erfasst werden auch einseitige Schuldverhältnisse wie zB die Auslobung und abstrakte Schuldverhältnisse wie das Schuldanerkenntnis. Erfasst werden die Erfüllungsansprüche. Das sind nicht nur die Ansprüche auf die jeweilige Sachleistung (Übereignung, Herstellung des Werks, Überlassung der Sache usw). Anders als bisher unterliegen auch Vergütungsansprüche der regelmäßigen Verjährung. Allg Sondervorschriften wie die bisherigen §§ 196, 197 aF gibt es nicht mehr. Auch andere Ansprüche wie zB auf Ansprüche auf Auszahlung von Guthaben aus Abrechnungen über Nebenkosten (LG Berlin GE 2005, 1354), Erteilung einer Rechnung mit MwSt oder der Auskehrung überzahlter Abschlagszahlungen (Düsseldorf IBR 2003, 65) unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist (BGH 120, 315, 317). Auch Ansprüche aus einem Gemeinschaftsverhältnis unterliegen der Regelverjährung (Celle OLGRp 2002, 88). Die regelmäßige Verjährungsfrist gilt wie bisher auch für die Forderung aus dem Saldo bei einem Kontokorrent (BGH 51, 346, 349; 49, 24, 26). In dem Saldo zu Unrecht nicht berücksichtigte Forderungen unterliegen zwar nach wie vor der für sie jeweils geltenden Verjährungsfrist (BGH 51, 346, 349). Da das aber meist auch die regelmäßige Verjährungsfrist ist, hat die früher erhebliche Unterscheidung heute ihr Gewicht verloren. Der regelmäßigen Verjährung unterliegen nach wie vor auch Ansprüche auf Herausgabe des Erlangten, etwa des Kommittenten gegen den Kommissionär aus § 384 II HGB (BGH 79, 89, 93). Auch dies ist heute kein Wertungsproblem mehr, da auch die Ansprüche auf Vergütung dieser Frist unterliegen. Auch bei Ansprüchen aus einem konstitutiven Schuldanerkenntnis (§ 781) hat sich das Wertungsproblem entschärft. Dieser Anspruch unterliegt wie bisher auch dann der regelmäßigen Verjährungsfrist, wenn der bisherige Anspruch in kürzerer Zeit verjährt (BGH NJW 1982, 1809; RG 75, 6; SchmidBurgk/Ludwig DB 2003, 1046, 1047). Die früheren Ansprüche werden aber heute meist auch in der regelmäßigen Verjährungsfrist verjähren. Die regelmäßige Verjährungsfrist gilt, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch für Ansprüche aus Leistungsstörungen und für Nebenansprüche (BGH MDR 1999, 665). Bei Ansprüchen wegen Leistungsstörungen kommt es, soweit nicht (wie zB in §§ 438, 634a) etwas anderes bestimmt ist, für den Beginn der Frist auf die Voraussetzungen dieses, nicht auf die des gestörten Anspruchs an (BGH 57, 191, 195; NJW 1983, 1494; WM 1978, 495; RG 111, 102; 116, 281; 128, 76; Staud/Peters/Jacoby § 199 Rn 17f). Der regelmäßigen Verjährung unterliegt auch der Anspruch aus dem erklärten Rücktritt (Koblenz OLGRp 2006, 479, 480; Pal/Ellenberger Rn 5).

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bb) Bei einigen wichtigen vertraglichen Schuldverhältnissen gilt die regelmäßige Verjährungsfrist nicht uneingeschränkt. Beim Kauf gilt die regelmäßige Verjährungsfrist generell nicht für Mängelansprüche; insoweit wird die regelmäßige Verjährungsfrist durch die Sondervorschrift des § 438 verdrängt. Dies gilt aber nicht für andere Ansprüche, etwa solche aus erfolgtem Rücktritt wegen Mängeln (BGH 170, 31, 44 = NJW 2007, 674, 675; Koblenz OLGRp 2006, 479, 480), aus der Verletzung von Nebenpflichten, die nicht an die Beschaffenheit der Kaufsache anknüpfen (§ 438 Rn 3; aA Müller/ Hempel AcP 205 [2005] 246, 256f) oder aus einer (selbständigen oder unselbständigen) Garantie (Einzelheiten Grützner/Schmidl, NJW 2007, 3610, 3612f). Beim Kauf eines Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts gilt die regelmäßige Verjährungsfrist auch nicht für die Erfüllungsansprüche. Sie unterliegen der besonderen Verjährungsfrist des § 196. Diese besondere Frist gilt indessen nicht für die Verjährung eines Ankaufsrechts in der Form eines Kaufvorvertrags (BGH 47, 387, 392). Entspr gilt für Tauschverträge, die Rechte an einem Grundstück zum Gegenstand haben, sowie für Verträge, deren Gegenstand eine Verfügung über ein Recht an einem Grundstück oder grundstücksgleichen Recht ist. Beim Werkvertrag gilt die regelmäßige Verjährungsfrist zwar für die Erfüllungsansprüche, nicht aber für die Mängelansprüche. Insoweit gelten die Sonderverjährungsfristen des § 634a und der sonstigen Vorschriften des Sonderwerkvertragsrechts. Ähnlich liegt es beim Reisevertrag. Auch hier gilt die Sonderverjährungsregelung des § 651g für die Mängelansprüche. Ausnahmen gelten nach §§ 548, 591b für die Ersatzansprüche des Vermieters/Verpächters gegen den Mieter/Pächter und für die Aufwendungsersatzansprüche des Mieters/Pächters gegen den Vermieter/Verpächter (BaRo/Henrich Rn 11; Pal/Ellenberger Rn 18, Soergel/Niedenführ Rn 45). Der Anspruch des Vermieters/Verpächters auf Rückgabe der Miet- oder Pachtsache einschl des Zubehörs unterliegt aber der 586

J. Schmidt-Räntsch

Gegenstand und Dauer der Verjährung

§ 195

regelmäßigen Verjährungsfrist (BGH 65, 86). Entspr gilt für den Anspruch des Vermieters auf Stellung einer Mietkaution (LG Duisburg ZMR 2006, 533) und für Ansprüche nach § 24 II BBodSchG (BGH 178, 137, 145f). Eine Besonderheit gilt auch für Verträge, in denen sich der eine Teil verpflichtet, wettbewerbswidriges Verhalten zu unterlassen: Hier gilt die regelmäßige Verjährungsfrist für die meist ausbedungene Vertragsstrafe, jedoch die kurze Verjährungsfrist nach § 11 UWG für den Anspruch auf Unterlassung, Beseitigung und Schadensersatz wegen der einzelnen Zuwiderhandlung (BGH 130, 288, 291; Pal/Ellenberger Rn 18; MüKo/Grothe Rn 58; Soergel/Niedenführ Rn 48). cc) Für gemischttypische Verträge sind zwar im Allg die für den sie jeweils prägende Vertragstyp 7 maßgeblichen Vorschriften anzuwenden (BGH 72, 229, 232; BaRo/Henrich Rn 7; Soergel/Niedenführ Rn 6). Für die Bestimmung der Verjährungsfrist kommt es demggü aber nicht auf die Qualifikation des Vertrags als ganzen, sondern auf die Qualifikation des fraglichen Anspruchs an (BGH 70, 356, 361; AnwK/Mansel/Stürner Rn 37; BaRo/Henrich Rn 7; MüKo/Grothe Rn 43; Pal/Ellenberger Rn 19; Soergel/Niedenführ Rn 6). Angesichts der weitgehenden verjährungsrechtlichen Gleichstellung vertraglicher Ansprüche wirkt sich dies bei Erfüllungsansprüchen kaum aus. Anders ist es dagegen bei Mängelansprüchen. Hier kann die Zuordnung eines Anspruchs zB zu Kauf- oder Mietvertrag durchaus bedeutsam sein. d) Die regelmäßige Verjährungsfrist gilt auch für gesetzliche Schuldverhältnisse. Dies sind Ansprü- 8 che aus ungerechtfertigter Bereicherung, Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag, § 3 VermG (BGHRp 2002, 581) und auch der eigenständige Ausgleichsanspruch des Gesamtschuldners nach § 426 I. Ob der nach § 426 II übergegangene Anspruch der regelmäßigen Verjährungsfrist unterliegt, hängt davon ab, um was für einen Anspruch es sich dabei handelt. Bei dem Anspruch auf Aufwendungsersatz wegen Tilgung fremder Schulden aus Geschäftsführung ohne Auftrag hängt die Verjährungsfrist nicht davon ab, welcher Verjährungsfrist die getilgte Schuld unterlag (BGH 47, 370; 32, 14, 16; RG 86, 96; Jena OLG-NL 1998, 2; Staud/Peters/Jacoby Rn 18). Das gilt heute anders als früher (BGH 31, 329) auch für die Erfüllung fremder Unterhaltsschulden, weil auch sie der regelmäßigen Verjährungsfrist unterfallen. Bei Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung wurde die gleiche Frage bisher gegenteilig beantwortet und die Verjährungsfrist des erfüllten Anspruchs analog angewandt, weil dem Schuldner eine Befreiung aufgedrängt werde (BGH 70, 389, 398; NJW 2000, 3492). Diese Frage spielt heute kaum noch eine Rolle, weil die erfüllte Forderung meist ebenso der regelmäßigen Verjährungsfrist unterliegt wie der Bereicherungsanspruch. Unterschiede können sich indes bei dem genauen Zeitpunkt des Beginns der Verjährung ergeben. Dann wäre sie im Grundsatz genauso zu beantworten wie bisher (Pal/Ellenberger Rn 5). Es wäre dann auch bei der Berechnung der Frist auf die Verjährungsfrist für den erfüllten Anspruch abzustellen. Zweifelhaft ist aber, ob das Abstellen auf den erfüllten Anspruch unter neuem Recht uneingeschränkt, also etwa auch dann richtig ist, wenn der erfüllte Anspruch länger verjährt als der Bereicherungsanspruch (so Pal/Ellenberger Rn 5). Das ist zu verneinen. In einem solchen Fall wird der Schutzzweck der bisherigen Rspr verfehlt. Die bisherige Rspr stellt auf die Verjährung des erfüllten Anspruchs ab, um den Schuldner nicht gegen seinen Willen zu einem Verzicht auf die ihm sonst zustehende Einrede der Verjährung zu zwingen. In dem genannten Fall besteht diese Gefahr nicht; das Abstellen auf den erfüllten Anspruch führt zu einer sachlich nicht zu begründenden Besserstellung des Dritten. Ansprüche auf Ersatz des Vertrauensschadens (§§ 122 I, 179 II) verjähren in der regelmäßigen Verjährungsfrist (Pal/Ellenberger Rn 4). Das gilt auch dann, wenn für den Anspruch auf Erfüllung nach § 196 eine längere Frist laufen würde. Denn der Grund für die Anordnung einer längeren Frist in § 196 liegt bei diesem Anspruch nicht vor. Das würde an sich auch gelten, wenn der vertragliche Anspruch nach § 196 verjährte. Hier besteht aber die Besonderheit, dass § 196 auch Bereicherungsansprüche erfasst und sie damit einer besonderen Verjährung unterstellt. Die regelmäßige Verjährungsfrist gilt idR auch für Ansprüche aus unerlaubter Handlung (Düsseldorf OLGRp 2005, 626, 627) und Gefährdungshaftung. Dies gilt auch dann, wenn sie mit dem kürzer verjährenden (§ 11 UWG) Anspruch aus UWG konkurrieren (BGH 36, 252; NJW 1985, 1023, 1024; 1995, 2788, 2789; Soergel/Niedenführ Rn 48). Ansprüche aus unerlaubter Handlung lösen einen Anspruch auf Herausgabe der aus der unerlaubten Handlung gezogenen Vorteile aus (§ 852). Dieser Anspruch unterliegt einer Verjährungsfrist von zehn Jahren (§ 852 S 2). Eine der regelmäßigen Verjährungsfrist sehr ähnliche Verjährungsfrist gilt nach § 12 ProdHaftG für Ansprüche aus Produkthaftung gem dem ProdHaftG. e) Die regelmäßige Verjährungsfrist gilt grds auch für sachenrechtliche Ansprüche. Allerdings gibt 9 es hier weitreichende Ausnahmen. Unverjährbar sind nach §§ 902, 898, 924 Ansprüche, die auf im Grundbuch eingetragenen oder durch Widerspruch gesicherten Rechten beruhen, der Grundbuchberichtigungsanspruch und einige nachbarrechtliche Ansprüche des Bundesrechts. Verjährbar sind dagegen auch bei eingetragenen Rechten der Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch (BT-Drucks 14/6040, 104f; BGH 60, 235; NZM 2010, 365, 367), der Entschädigungsanspruch nach § 906 II S 2 auch, soweit er erweiternd ausgelegt wird (BGH MDR 1995, 573), die Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen (§§ 987, 988; BGHRp 2003, 1188; ZOV 2007, 144, 145), auf Nutzungsentgelt nach Art 233 § 2a I S 8 EGBGB (BGH AUR 2006, 105, 106) und auf Schadensersatz (§§ 989, 990, 992; BGH LM Nr 2 zu § 989). Verjährbar sind in aller Regel auch die Ansprüche nach Landesnachbarrecht. Sie unterliegen aber meist nicht der regelmäßigen, sondern der besonderen Verjährungsfrist nach dem jeweiligen Landesnachbarrechtsgesetz. Die dort bestimmte Verjährungsfrist erfasst die verjährbaren Ansprüche nach Bundesnachbarrecht nicht, weil Art 124 EGBGB dazu nicht ermächtigt (BGH NZM 2010, 365, 367). Bei beweglichen Sachen gibt es keine unverjährbaren Ansprüche. Allerdings unterliegen Herausgabeansprüche nicht der regelmäßigen Verjährungsfrist, sondern der besonderen Verjährungsfrist von 30 Jahren nach § 197 I Nr 1. Herausgabeansprüche können bei Fahrnis schon nach

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§ 195

Allgemeiner Teil Verjährung

zehn Jahren erlöschen, wenn ein gutgläubiger Eigenbesitzer das Eigentum ersitzt (§ 937). Die Verjährung wird dadurch gegenstandslos. 10

f) familienrechtliche Ansprüche unterliegen nach § 194 II nicht der Verjährung, soweit sie auf Herstellung des dem beeinträchtigten familienrechtlichen Verhältnis entspr Zustands für die Zukunft oder auf die Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung gerichtet sind. IÜ unterliegen sie nach Maßgabe der Überleitungsregelung in Art 229 § 23 EGBGB seit dem 1.10.2010 der regelmäßigen Verjährung. Diese Änderung beruht auf der Erkenntnis des Gesetzgebers, dass die zunächst für diese Ansprüche beibehaltene Verjährungsfrist von 30 Jahren nach § 197 I Nr 2 aF sachlich nicht zu rechtfertigen ist und auch zu nicht erklärbaren Wertungswidersprüchen führt (BT-Drucks 16/8954, 10f). Mit der Unterstellung der familienrechtlichen Ansprüche unter die regelmäßige Verjährungsfrist ist deren Abgrenzung von anderen Ansprüchen für die Bestimmung der Verjährungsfrist nicht mehr von Bedeutung. Aufgehoben worden sind nicht nur die frühere allg Verjährungsfrist nach § 197 I Nr 2 aF, sondern auch die früheren besonderen Verjährungsfristen für einzelne familienrechtliche Ansprüche (zB § 1302 aF).

10a

Die Änderung betrifft Ansprüche, die in dem Verlöbnis, der Ehe, der Lebenspartnerschaft oder im Eltern-Kind-Verhältnis ihren Grund haben. Sie unterliegen jetzt einheitlich der regelmäßigen Verjährungsfrist. Es kommt nicht darauf an, auf welches Leistungsziel der Anspruch gerichtet ist, oder ob sie im Vierten Buch des BGB geregelt sind oder ob sie, wie zB der von der Rspr entwickelte Anspruch auf Ausgleich ehebedingter sog unbenannter Zuwendungen unter Ehegatten (dazu BGH 116, 167, 170; 127, 48, 51; 129, 259, 264; MDR 1998, 602), mit § 313 in einer Norm des allg Schuldrechts ihre Grundlage haben. Sie unterliegen jetzt der gleichen Verjährungsfrist wie Ausgleichsansprüche, die nicht in der Ehe selbst wurzeln, etwa Anspruch der Ehegatten aus einer Gesellschaft oder einer Schenkung oder Ausgleichsansprüche der Eltern eines Ehegatten aus einer unbenannten Zuwendung (Bsp BGH NJW 2003, 510) oder Schenkung (Bsp BGH NJW 1999, 1623). Die Abgrenzung der beiden Anspruchsarten ist für die Verjährungsfrist nicht mehr bedeutsam. Durch die einheitliche Anwendung der regelmäßigen Verjährungsfrist sind auch die Unterschiede zw den im Vierten Buch geregelten Ansprüchen, die nicht alle der früheren Sonderverjährungsfrist unterlagen, zB nicht Ansprüche aus dem Vormundschafts- oder Betreuungsverhältnis, entfallen. Weggefallen ist auch die verjährungsrechtliche Unterscheidung zw Ansprüchen aus einem ehelichen Gemeinschaftsverhältnis und Ansprüchen aus einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft.

10b

Die regelmäßige Verjährungsfrist unterliegt bei familienrechtlichen Ansprüche zwei Besonderheiten: Zum einen gelten hier die besonderen Höchstfristen nach § 199 IIIa. Zum anderen beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist nicht bei allen famlienrechtlichen Ansprüchen nach Maßgabe von § 199. Bei Ansprüchen aus einem Verlöbnis beginnt sie nach § 1302 mit dessen Auflösung. Bei den Ausgleichsansprüchen nach § 1378 I und nach § 1390 beginnt sie mit dem Ende des Güterstandes (§ 1378 III, § 1390 III 1). Auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis kommt es nicht an.

10c

g) Auch für erbrechtliche Ansprüche (dazu eingehend: Franck, Die Verjährung erbrechtlicher Ansprüche nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, 2005) gilt seit dem 1.1.2010 die regelmäßige Verjährungsfrist. Ausgenommen hiervon sind nur die in § 197 I Nr 1 bezeichneten Herausgabeansprüche nach den §§ 2018, 2130 und 2362 und die Ansprüche, die der Geltendmachung dieser Ansprüche dienen. Damit trägt der Gesetzgeber auch der Kritik an der undifferenzierten Beibehaltung der früheren Verjährungsfrist von 30 Jahren für alle übrigen erbrechtlichen Ansprüche (krit Franck aaO, 20ff) Rechnung. Entfallen sind nicht nur die frühere allg Sonderverjährung nach § 197 I Nr 2, sondern auch spezielle Sonderregelungen für einzelne Ansprüche, etwa die §§ 2287 II aF und 2332 I aF. Damit unterliegen der regelmäßigen Verjährung insb der Vermächtnisanspruch, der Pflichtteilsanspruch und die Ansprüche in der Erbengemeinschaft (dazu Franck aaO, 89ff). Auch Ansprüche gegen den Testamentsvollstrecker unterliegen jetzt unabhängig davon der regelmäßigen Verjährungsfrist, ob sie im Erbrecht geregelt sind oder sich aus § 2218 iVm dem Auftragsrecht ergeben (dazu BGH MDR 2002, 1372; NJW 2007, 2174, 2175 gegen Karlsruhe OLGRp 2006, 58, 59). Auch die Erbfallschulden unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist. Ansprüche aus einem Erbschaftskauf unterliegen jetzt zwar grds auch der regelmäßigen Verjährungsfrist. Da der Erbschaftskauf auch ein Kaufvertrag ist, gilt auch für ihn die Sonderverjährung nach § 438. Keine Änderung ergibt sich bei der Haftung für eine Nachlassverbindlichkeit. Sie unterliegt der Verjährungsfrist, der sie ohne den Erbfall auch unterliegen würde. Denn Nachlassverbindlichkeiten gehen so, wie sie sind, auf den Erben über.

10d

Wie bei den familienrechtlichen Ansprüchen gelten bei der Anwendung der regelmäßigen Verjährungsfrist zwei Besonderheiten. Auch für sie gelten besondere Höchstfristen. Bei einigen erbrechtlichen Ansprüchen richtet sich der Beginn der regelmäßigen Verjährunggsfrist nicht nach § 199, sondern nach Sondervorschriften. Das sind die Ansprüche aus §§ 2287 I, 2329, bei denen die Verjährung mit dem Erbfall begint (§ 2287 II, 2332). Auf die Kenntnis oder Unkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände kommt es nicht an.

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4. a) Die Verjährungsvorschriften des BGB gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch für Ansprüche aus Handelsgeschäften und andere handelsrechtliche Ansprüche. Eine andere Verjährungsfrist ist in den jeweiligen Sondergesetzen für die Verjährungsfrist für Ansprüche auf Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung bestimmt; sie beträgt zehn Jahre. Für Ansprüche der Gesellschaft gegen ihre Gesellschafter und Organe wegen verbotener Rückzahlung des Stammkapitals gilt eine Sonderverjährungsfrist von fünf Jahren.

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b) In zivilrechtlichen Sondergesetzen, vor allem Gesetzen über gewerbliche Schutzrechte, aber auch § 117 II BBergG, wird meist pauschal auf die Vorschriften des Abschnitts 5 des Buchs 1 des 588

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Gegenstand und Dauer der Verjährung

§ 195

BGB verwiesen. Solche Verweisungen beziehen sich auf die regelmäßige Verjährungsfrist (BaRo/Henrich Rn 16). Genauso liegt es, wenn zivilrechtliche Sondergesetze keine Vorschriften über die Verjährung enthalten (BaRo/Henrich Rn 16). Ein Bsp sind §§ 1, 2 UKlaG (BT-Drucks 14/6040, 275). Anders liegt es, wenn solche Sondergesetze eine Verjährungsfrist festlegen und nur iÜ auf das Verjährungsrecht des BGB verweisen. Verweisen solche Vorschriften auf die Verjährungsfrist etwa für Ansprüche aus unerlaubter Handlung oder auf § 852 aF, ist diese Verweisung jetzt als Verweisung auf die regelmäßige Verjährungsfrist zu lesen (BaRo/Henrich Rn 16; MüKo/Grothe Rn 11; Soergel/Niedenführ Rn 9). § 195 gilt auch für zivilrechtliche Ansprüche aus EU-Verordnungsrecht, wenn dieses die Verjährung nicht selbst regelt und deutsches Recht nach IPR Sachrecht ist, zB Ansprüche aus der Fluggastrechte-VO (BGH MDR 2010, 614, 615). 5. Die Verjährungsfrist für Ansprüche, die der regelmäßigen Verjährungsfrist unterliegen, ändert 13 sich bei Veränderungen des Schuldverhältnisses nicht (AnwK/Mansel/Stürner Rn 45; BaRo/Henrich Rn 6; Pal/Ellenberger Rn 14; Soergel/Niedenführ Rn 51). Ohne Auswirkungen auf die Verjährungsfrist bleiben daher die Abtretung eines Anspruchs oder der Wechsel des Schuldners (BGH MDR 1988, 479; BAG DB 1984, 139; MüKo/Grothe Rn 36f; Pal/Ellenberger Rn 14). Genauso liegt es bei inhaltlichen Veränderungen des Schuldverhältnisses etwa durch einen Änderungsvertrag. Bei Abschluss eines Vergleichs oder der Abgabe eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses ändert sich zwar nicht die Verjährungsfrist (AnwK/Mansel/Stürner Rn 46f; Soergel/Niedenführ Rn 53). Sie beginnt aber nach § 212 von neuem zu laufen. Bei einer Novation oder der Abgabe eines abstrakten Schuldanerkenntnisses ändert sich zwar die Verjährungsfrist, weil eine neue Schuld begründet wird (AnwK/ Mansel/Stürner Rn 48f; MüKo/Grothe Rn 36; Soergel/Niedenführ Rn 52). Anders als früher macht das unter neuem Recht meist kaum einen Unterschied, weil es sich um die regelmäßige Verjährungsfrist handelt. Anders ist es dann, wenn das Anerkenntnis als Ersatz für eine Verurteilung zu verstehen ist. Dann nämlich liegt in dem Anerkenntnis eine Verlängerung der Verjährungsfrist auf 30 Jahre (BGH VersR 1998, 1387; NJW 2003, 1524, 1525; Pal/Ellenberger Rn 14; vgl aber BGH NJW 2002, 1791). 6. Nicht selten erfüllt ein Sachverhalt die Voraussetzungen mehrerer Ansprüche, die dann mit ei- 14 nander konkurrieren. Diese Ansprüche werden oft sämtlich der regelmäßigen Verjährungsfrist unterliegen. Allerdings kann die Frist wegen eines unterschiedlichen Entstehenszeitpunkts oder wegen eines unterschiedlichen Zeitpunkts der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt beginnen. Größer sind die Unterschiede, wenn für die konkurrierenden Ansprüche unterschiedliche Verjährungsfristen gelten. In diesen Fällen gilt der Grundsatz, dass jeder Anspruch in der für ihn vorgesehenen Frist verjährt (BaRo/Henrich Rn 10; MüKo/Grothe Rn 44; Pal/ Ellenberger Rn 17; PWW/Kesseler Rn 11; Soergel/Niedenführ Rn 42). Es gibt aber drei Fallgruppen, in denen Abweichungen gelten: a) Bei Miete, Pacht, Leihe und Nießbrauch gilt nach §§ 548, 591b, 1025, 1226 für Ansprüche auf Er- 15 satz von Schäden und Ersatz von Aufwendungen eine besondere kurze Verjährungsfrist von 6 Monaten, um dem Interesse an einer raschen Abwicklung dieser Verhältnisse Rechnung zu tragen. Neben den spezifisch miet-, pacht-, leihe- und nießbrauchsrechtlichen Ansprüchen können hier aber auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung, Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigter Bereicherung gegeben sein. Der Zweck dieser kurzen Frist würde vereitelt, wenn die regelmäßige Verjährungsfrist auch in dieser Konkurrenzsituation auf diese Ansprüche Anwendung fände. Deshalb hat hier die kurze Spezialverjährung Vorrang und gilt auch für die konkurrierenden Ansprüche (BaRo/Henrich Rn 11; MüKo/Grothe Rn 47ff). Der Vorrang der kurzen Verjährung gilt aber nicht uneingeschränkt: Er gilt nicht für den Entschädigungsanspruch nach § 11 I S 1 BKleingG, weil dieser Anspruch eine derartige Nähe zum öffentlich-rechtl Enteignungsentschädigungsanspruch hat, dass die für jenen geltende regelmäßige Verjährungsfrist anzuwenden ist (BGHRp 2002, 764). Ebenfalls nicht erfasst von § 548 werden der Anspruch des Vermieters gegen den Mieter auf Erstattung des nicht verbrauchten Vorschusses auf Mängelbeseitigungskosten (Celle MietRB 2010, 136) und der Ausgleichsanspruch des Gebäudeversicherers gegen den Haftpflichtversicherer des Mieters analog § 78 II 1 VVG (BGH MDR 2010, 571, 573). Nicht der kurzen Verjährung unterliegt auch der Anspruch auf Stellung einer Kaution (KG NJW-RR 2008, 1182). Ein vergleichbarer Vorrang kurzer Verjährungsfristen gilt bei § 61 II HGB (BAG NJW 2001, 172), bei § 11 UWG (Rn 8), bei § 117 BImSchG (BGH 76, 312, 314f) und bei § 439 HGB (BGH DB 2010, 1343 [Ls]; TranspR 2009, 132 Tz 15f; Pal/Ellenberger Rn 18). b) Ansprüche gegen Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sind meist werkvertrag- 16 licher Art und würden nach § 634a I Nr 3 auch als Ansprüche wegen Mängeln der regelmäßigen Verjährungsfrist unterliegen. Für solche Ansprüche waren aber in §§ 51b, 59m II BRAO, 45b, 52m II PatAnwO, 68 StBerG und 51a WPO jeweils aF unterschiedliche, ggü den Ansprüchen aus Werk- oder Dienstverträgen kürzere (dazu AnwK/Mansel/Stürner Rn 40f) Verjährungsfristen bestimmt. Diese Sondervorschriften sind inzw aufgehoben worden. Deshalb ist auch auf solche Ansprüche die regelmäßige Verjährung anzuwenden. Damit erübrigt (BGHRp 2004, 1483) sich auch die früher notwendige Differenzierung, ob sich der Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer in seinem spezifischen Aufgabenbereich als Rechtsanwalt usw. (dann Sonderverjährung) oder außerhalb dieses Bereichs (dann regelmäßige Verjährung) pflichtwidrig verhalten hat (dazu BGHRp 2006, 1301; 2004, 1483; AnwK/Mansel/Stürner Rn 42; Soergel/Niedenführ Rn 24). Die regelmäßige Verjährungsfrist gilt auch für die Gebührenansprüche der Rechtsanwälte (Köln JMBl 2006, 17) und Steuerberater (Saarbrücken GI 2007, 96, 99). Ansprüche aus Schutzpflichtverletzung unterfielen früher teilw der Sonderverjährung nach §§ 37a, 37d WpHG aF (BGH 100, 132, 136; Pal/Ellenberger Rn 11; Soergel/Niedenführ Rn 24; Meixner NJW 1998, 1896, 1899). Diese (unangemessen) kurze Frist galt für Ansprüche aus Pflichtverletzung aber nur, wenn Gegenstand des Vertrags oder der Vertragsanbahnung eine WertJ. Schmidt-Räntsch

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§ 195

Allgemeiner Teil Verjährung

papierhandelsgeschäft ist. Ist Gegenstand dagegen wirtschaftliche Beratung und Betreuung, so galt die Frist nicht (Pal/Ellenberger Rn 11). Die kurzen Verjährungsfristen für die besonderen Haftungsvorschriften nach §§ 37b, 37c WpHG gelten für die Haftung aus Delikt und Vertrag nicht, weil solche Ansprüche ausdr vorbehalten sind. Sie gelten aber für Ansprüche aus Prospekthaftung (Rn 4). 17

c) Eine besondere Konkurrenzsituation besteht im Bereich des Kauf- und Werkvertragsrechts. Hier gelten die speziellen Verjährungsvorschriften der §§ 438, 634a für alle Mängelansprüche. Diese Ansprüche können nach der Rspr des BGH zum sog Weiterfresserschaden (BGH 67, 3, 9) auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung auslösen. Diese Ansprüche bestehen nach der Rspr des BGH neben den vertraglichen Mängelansprüchen. Bei der Schaffung der §§ 438, 634a hat der Gesetzgeber dieses Problem auch erkannt. In der Vorbereitung des Regierungs- und Fraktionsentwurfs ist erörtert worden, in diese Verjährungsfrist auch die Ansprüche aus unerlaubter Handlung einzubeziehen. Davon ist aber abgesehen worden, weil eine solche Einbeziehung nur für Ansprüche aus unerlaubter Handlung in den Weiterfresserschadensfällen sachlich gerechtfertigt gewesen wäre. Davon hat der Entwurf aber Abstand genommen, weil es nicht gelang, diese Ansprüche von anderen Ansprüchen aus unerlaubter Handlung abzugrenzen, die zwar aus Pflichtverletzung hervorgehen, sich aber sachlich nicht von der Beschädigung des Hab und Guts und der Person eines unbeteiligten Dritten unterscheiden. Bsp sind die Beschädigung des Hauses oder der Käuferin bei der Anlieferung einer neuen Waschmaschine oder der explodierende Toaster, der auch andere Sachen des Käufers oder diesen selbst beschädigt. Der Gesetzgeber hat die Verjährungsfrage auch nicht offengelassen, sondern eindeutig beschrieben, dass die kurze Verjährung ausschließlich für die vertraglichen in den §§ 437, 634 bezeichneten Mängelansprüche gelten soll. Er hat allerdings die Gerichte dezent aufgefordert, die Rspr zum Weiterfresserschaden zu überdenken, für die jetzt kein sachliches Bedürfnis mehr besteht (BT-Drucks 14/6040, 229). Dem ist beizupflichten (ebenso AnwK/Raab § 634a Rn 3; MüKo/ Grothe Rn 52; Pal/Ellenberger Rn 10; Soergel/Niedenführ Rn 46 aE). Die von Mansel und Stürner vertretene These (AnwK Rn 57ff), dass auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung von der Verjährungsfrist der §§ 438, 634a erfasst würden, geht in der Sache zu weit und widerspricht gerade deshalb auch dem Willen des Gesetzgebers. Das zeigt sich auch darin, dass Mansel und Stürner ihre Lösung bei Ansprüchen wegen der Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter nicht anwenden wollen (AnwK Rn 63). Vom Wortlaut der §§ 438, 634a her ist die Erstreckung auch auf deliktische Ansprüche jedenfalls nicht gedeckt. Diese Wertungen hat der Gesetzgeber durch die Angleichung der Verjährung auch auf den Reisevertrag übertragen (BT-Drucks 14/6040, 268, 14/6857, 69), der inhaltlich schon bisher so angelegt war wie der Werkvertrag jetzt. Die Bezugnahme auf §§ 651c bis 651f in § 651g II entspricht inhaltlich auch der Bezugnahme auf §§ 437, 634 in §§ 438, 634a. Deshalb gilt § 651g II auch für alle vertraglichen Mängelansprüche (Pal/Sprau § 651g Rn 1, 4; aM Soergel/Niedenführ Rn 42), nicht aber auch für deliktische Ansprüche (BGH 103, 298, 302; Köln NJW-RR 1992, 1185; Pal/Sprau § 651g Rn 1, 4 und Soergel/Niedenführ Rn 42; MüKo/Grothe Rn 56; aM BaRo/Geib [1. Aufl] § 651g Rn 3). Die Sonderverjährung nach §§ 438, 634a gilt nur für die eigentlichen Mängelansprüche nach §§ 437, 634, einschl der Mangelansprüche auf Ersatz von Mangelfolgeschäden (Koblenz NJW-RR 2008, 501, 502). Sie gilt dagegen nicht für Folgeansprüche wie den Anspruch auf Rückzahlung eines nicht verbrauchten Vorschusses für die Beseitigung von Mängeln. Für solche Ansprüche gilt mangels Ausnahme in §§ 438, 634a die regelmäßige Verjährung (BGH NJW 2010, 1195, 1196).

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Zu berücksichtigen ist aber, dass Ansprüche aus selbständigem Garantievertrag (BGH WM 1977, 784; München NJW 1967, 1326) und Ansprüche wegen Verletzung einer Beratungspflicht (BGH 70, 356, 361; MDR 1999, 665) nach wie vor in der regelmäßigen Verjährungsfrist verjähren. Diese ist zwar jetzt der Verjährungsfrist für Mängelansprüche stark angenähert, aber in den meisten Fällen länger als diese. Deshalb kann die Frage nach wie vor Bedeutung haben, ob im Einzelfall eine selbständige Garantie oder ein Beratungsvertrag anzunehmen ist (Soergel/Niedenführ Rn 44; Grützner/Schmidt NJW 2007, 3610, 3612).

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7. Die regelmäßige Verjährungsfrist gilt für eine ganze Reihe von Ansprüchen nicht. Im BGB selbst sind dies die Fälle der §§ 196, 197. Sie gehen als leges speciales der regelmäßigen Verjährungsfrist vor.

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8. a) Die Verjährung von öffentlich-rechtl Ansprüchen ist oft nicht geregelt. In solchen Fällen hat man früher die Vorschriften des BGB analog angewandt. Dies hatte der Diskussionsentwurf mit einem § 194 III aufgreifen und ausdr regeln wollen. Er hat, um das Gesetzgebungsverfahren nicht zu überfrachten, davon Abstand genommen, hiermit aber nicht die Vorstellung verbunden, dass dies künftig nicht mehr möglich sein solle (MüKo/Grothe Rn 14f). Der Gesetzgeber ist vielmehr, ganz im Gegenteil, davon ausgegangen, dass sich die neue regelmäßige Verjährungsfrist auch für andere Rechtsgebiete als Modell empfiehlt (BT-Drucks 14/6040, 104). Deshalb können die Vorschriften des BGB über die Verjährung im öffentlichen Recht weiterhin analog angewendet werden (MüKo/Grothe Rn 17). Das gilt allerdings nur, soweit die Verjährung nicht besonders geregelt ist (Soergel/Niedenführ Rn 55). Dies ist bei steuerrechtlichen Ansprüchen in der AO und einigen Bereichen des Sozialrechts geschehen. Auch VwVfG und SGB I, X enthalten jetzt eine eigene, von der regelmäßigen Verjährungsfrist abw Verjährungsfrist von vier Jahren. Solche Fristen gehen der Anwendung des BGB vor. Dieses ist nur anzuwenden, soweit solche Vorschriften Lücken lassen oder hierauf Bezug nehmen (Rolfs NZS 2002, 169, 171f).

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b) Wie bei zivilrechtlichen Sondergesetzen wird auch im öffentlichen Recht idR die regelmäßige Verjährungsfrist heranzuziehen sein (BVerwG NJW 2002, 1968). Wenn aber für einen vergleichbaren Fall im BGB selbst eine andere Verjährungsfrist vorgesehen ist, dann gilt diese (MüKo/Grothe Rn 17 aE). Ein Bsp ist etwa die Verjährungsfrist für Herausgabeansprüche und Titel (§ 197 I Nr 1, 3–5), die auch im öffentlichen Recht gilt. Nicht angängig wäre es aber, eine solche Verjährungsfrist nur des590

J. Schmidt-Räntsch

Gegenstand und Dauer der Verjährung

§ 196

halb anzuwenden, weil sie länger ist. Die Anwendung der regelmäßigen Verjährung im öffentlichen Recht setzt allerdings voraus, dass der jeweilige öffentlich-rechtl Anspruch den der regelmäßigen Verjährung unterliegenden Ansprüchen vergleichbar ist. Hier ist die Rspr der Verwaltungsgerichte noch uneinheitlich. Während die regelmäßige Verjährungsfrist zB auf den Besoldunganspruch (VGH München, v 10.3.2010, 14 BV 08.2444, juris Tz 28; OVG Magdeburg v 18.6.2009, 1 L 50/09, Juris), den Zinsanspruch nach § 49a III ThürVwVfG (VG Meiningen, v 20.5.2009, 2 K 252/08, Juris, Tz 20; ebenso OVG Berlin v 11.3.2010, OVG 2 B 1.09, Juris für § 49a IV S 1 BBVwVfG) oder auf den Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Versorgungsbezüge angewendet wird (VGH Kassel RiA 2008, 272; VG Stuttgart, v 25.9.2009, 12 K 1925/09, Juris), soll sie auf den öffentlich-rechtl Erstattungsanspruch in anderen Fällen, zB bei § 8 IV VZOG, nicht anwendbar sein (BVerwGE 132, 324, 327f; ähnlich OVG Lüneburg v 19.1.2010, 10 LC 148/09, Juris für Rückforderung von EG-Beihilfen). Stattdessen soll § 195 aF weiterhin anzuwenden sein, was angesichts seiner Aufhebung und mangels Sondervorschriften nur gewohnheitsrechtlich zu begründen ist. Überzeugender wäre der uneingeschränkte Rückgriff auf das Verjährungsrecht des BGB, wenn das öffentliche Recht keine Sondervorschrift vorsieht. c) Die regelmäßige Verjährungsfrist gilt auch für Ansprüche wegen Amtshaftung. Für sie galt bisher 22 § 852 aF, der in § 195 aufgegangen ist. Diese Verjährungsfrist gilt jetzt auch für Ansprüche aus Enteignungsentschädigung und aus Aufopferung (BaRo/Henrich Rn 17; MüKo/Grothe Rn 16; Pal/Ellenberger Rn 20; Soergel/Niedenführ Rn 57; Dötsch DÖV 2004, 277, 279f; aM AnwK/Mansel/Stürner § 194 Rn 20ff). Eine entspr Anwendung dieser Verjährungsfrist auf Ansprüche aus Aufopferung (und Entschädigung) hatte der BGH allerdings seit seinem Grundsatzurteil v 9.4.1953 (BGH 9, 209, 213ff; vgl auch 13, 88, 98) in st Rspr abgelehnt. Dem Betroffenen sollten die besseren Möglichkeiten der bisherigen regelmäßigen Verjährungsfrist, seinen Anspruch geltend zu machen, erhalten bleiben. Die Grundlagen dieser Entscheidung haben sich jedoch durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts verschoben: Damals war zw der Geltung der regelmäßigen Verjährungsfrist und der besonderen deliktischen Verjährungsfrist abzuwägen. Heute ist die deliktische Verjährungsfrist die regelmäßige. Sie gilt nicht nur für Ansprüche aus unerlaubter Handlung, sondern schlechthin. Die Verjährungsfrist von 30 Jahren ist nur für Ansprüche vorgesehen, die den Ansprüchen aus Aufopferung und Entschädigung nicht vergleichbar sind. Alle vergleichbaren Ansprüche, insb Ansprüche aus unerlaubter Handlung, Amtshaftung und Pflichtverletzung, unterliegen dagegen der neuen regelmäßigen Verjährungsfrist (ähnlich auch: MüKo/Grothe Rn 16; Dötsch DÖV 2004, 277, 280). Bei seiner Wertung hatte der Gesetzgeber das öffentliche Recht durchaus im Blick, wie § 194 III BGB-DiskE, aber auch die Vorschläge von Peters/Zimmermann (in BMJ [Hrsg] Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd I, 1981, 340ff) zeigen, die auch im öffentlichen Recht einen Verzicht auf besondere Regelungen und die Geltung der dort sogar noch kürzer angesetzten regelmäßigen Verjährungsfrist für angezeigt hielten.

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Verjährungsfrist bei Rechten an einem Grundstück Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück sowie auf Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück oder auf Änderung des Inhalts eines solchen Rechts sowie die Ansprüche auf die Gegenleistung verjähren in zehn Jahren.

1. Der Diskussionsentwurf eines SchuldRModG v 4.8.2000 (Abdruck bei Ernst/Zimmermann, Zivil- 1 rechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, 613) hatte für Ansprüche auf die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück oder auf Verfügungen über ein Recht an einem Grundstück keine besondere Verjährungsfrist vorgesehen (zust F. Peters JZ 2003, 838, 839). Mit Rücksicht auf im Vorfeld des Regierungs- und Fraktionsentwurfs vorgetragene Bedenken (dazu Amann DNotZ 2002, 94, 102) hatte dieser eine besondere Verjährungsfrist für Ansprüche auf die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück und auf Verfügungen über Rechte an einem Grundstück vorgesehen. Hiermit sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Leistungserfolg, der zur Erfüllung führt, nicht ausschließlich von der Leistungshandlung des Schuldners abhängig ist, und zwar insb deshalb, weil Veränderungen von Rechten an Grundstücken der Eintragung ins Grundbuch bedürfen. Hier können erhebliche Zeitverzögerungen eintreten, die den Gläubiger nicht dazu zwingen sollen, voreilig gegen den Schuldner vorzugehen, der selbst leistungsbereit ist und auch alles zur Erfüllung Erforderliche getan hat. Die von dem BR vorgeschlagene Verlängerung dieser Frist auf 30 Jahre (BTDrucks 14/6857, 6) hat der Gesetzgeber aber auf Vorschlag der Bundesregierung (BT-Drucks 14/6857, 42) abgelehnt, weil die vorgesehenen zehn Jahre ausreichend lang seien (BT-Drucks 14/7052, 179). Er hat allerdings auch die Ansprüche auf die Gegenleistung dieser Verjährungsfrist unterstellt, um Wertungswidersprüche zu vermeiden (BT-Drucks 14/7052, 179). Das Motiv der Regelung hat sich im Gesetzestext nicht niedergeschlagen. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob im Einzelfall wirklich die Verzögerungen vorliegen, deretwegen die Verjährungsfrist länger angelegt worden ist (BGH NJW-RR 2008, 824, 826; NVwZ 2010, 531, 536; MüKo/Grothe § 194 Rn 5). § 196 lässt speziellere Verjährungsregelungen sowie Regelungen über die Unverjährbarkeit von Ansprüchen, insb § 902, unberührt. 2. Ansprüche auf die Übertragung eines Grundstücks sind in erster Linie Ansprüche auf Auflas- 2 sung aus Verträgen. Erfasst würden aber auch andere Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück. Diese können zwar ein anderes Anspruchsziel annehmen (Amann DNotZ 2002, 94, 102). Das ist aber auch bei Erfüllungsansprüchen so und ändert nichts an den ggf eintretenden Schwierigkeiten beim Grundbuchvollzug. Dies werden aber regelmäßig Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung, Geschäftsführung ohne Auftrag oder unerlaubter Handlung sein. Hier läuft § 196 in der Sache leer, weil § 199 I, III zum selben Ergebnis führt. Kein Anspruch auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück ist die Übertragung des Anteils an einer Grundstücksgesellschaft J. Schmidt-Räntsch

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§ 196

Allgemeiner Teil Verjährung

oder der Eintritt in eine Gesellschaft, die auch Eigentümerin von Grundstücken ist. Denn der Eigentumserwerb erfolgt nicht durch Verfügung über das Grundstück, sondern kraft Gesetzes (Pal/Ellenberger Rn 2), ein Rückgriff auf eine teleologische Reduktion (MüKo/Grothe Rn 5) ist dazu nicht notwendig. 3

Ansprüche auf Verfügungen über Rechte an einem Grundstück sind in erster Linie die Ansprüche auf Übertragung oder Löschung einer Grundschuld aus der Sicherungsabrede im Zusammenhang mit Darlehen, die sog stehen gelassenen Grundschulden. Ist zur Sicherung eines Darlehens zugunsten des Kreditinstituts eine Grundschuld eingetragen, wird mit der Tilgung des Darlehens idR der Rückgewähranspruch hins der Grundschuld aus dem Sicherungsvertrag fällig. Darlehensnehmer machen einen solchen Anspruch oft nicht geltend, weil sie nicht daran denken oder weil sie das Pfandrecht für einen erneuten Kreditbedarf verwenden und dann unmittelbar auf den neuen Kreditgeber übertragen wollen (Amann DNotZ 2002, 94, 121). Unberührt bleibt aber der unverjährbare Anspruch auf Verzicht aus §§ 1192 I, 1169 (Otte ZGS 2002, 57, 58; i Erg ebenso Budzikiewicz ZGS 2002, 276, 278), womit sich das Problem entschärft. Erfasst werden auch Ansprüche auf Begründung, Übertragung, Änderung oder Aufhebung anderer beschränkter dinglicher Rechte an Grundstücken. Bsp hierfür sind (Wohnungs-) Erbbaurechte, (Grund-)Dienstbarkeiten, Dauerwohn- und -nutzungsrechte, Bergwerkseigentum (AnwK/Mansel/Stürner Rn 15; BaRo/Henrich Rn 7; Soergel/Niedenführ Rn 5) oder auch landesrechtliche dingliche Rechte. Das können auch die zur Sicherung der Rechte aus einem Altenteilsvertrag vorgesehenen dinglichen Rechte (MüKo/Grothe Rn 4; Pal/Ellenberger Rn 3) sein, nicht aber das Altenteil als solches, das kein dingliches Recht ist. § 196 befasst sich unmittelbar nur mit dem Eigentum und dinglichen Rechten an Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten. Die Vorschrift gilt kraft Verweisung in § 62 VwVfG entspr für Ansprüche aus öffentlichrechtl Verträgen auf die Begründung oder Aufgabe von den genannten dinglichen Rechte vergleichbaren Rechtspositionen nach öffentlichem Recht(VGH München BayVBl 2010, 242). Das kann zB die Begründung einer Baulast oder einer Sonder(straßen)baulast sein (VGH München aaO). Auf zivilrechtliche Ansprüche auf die Begründung oder Aufgabe solcher dinglichen Rechte an Grundstücken vergleichbare Rechtspositionen nach öffentlichem Recht ist die Vorschrift entspr anwendbar. Denn hier bestehen, soweit die Ansprüche der Verjährung unterliegen, die gleichen Schwierigkeiten, die den Gesetzgeber zu der – an sich eng zu verstehenden – Sonderregelung bewogen haben (Bremen OLGRp 2009, 442f für bremische Grundlast). Außerdem ist der öffentlich-rechtl oder privatrechtliche Charakter solcher Rechtspositionen nicht immer eindeutig festzustellen (Bremen aaO).

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Der Rechtsgrund des Anspruchs ist gleichgültig. Das wird teilw anders gesehen. Mit Rücksicht auf die Motivation der Regelung, Schwierigkeiten beim Grundbuchvollzug Rechnung zu tragen (Entwurfsbegründung in BT-Drucks 14/6040, 105), wird die Ansicht vertreten, die Vorschrift sei auf vertragliche Ansprüche telelogisch zu reduzieren (LG Rottweil NJW-RR 2007, 452, 453; AnwK/Mansel/ Stürner Rn 29; BaRo/Henrich Rn 3). Dem ist nicht beizutreten. Schon in der Begründung wird als Grund für die Sonderverjährung nicht nur auf die Schwierigkeiten beim Grundbuchvollzug, sondern auch auf die stehen gelassenen Grundschulden verwiesen, Fälle also, in denen es nicht um die Schwierigkeiten beim Grundbuchvollzug, sondern um vermehrten Zeitbedarf bei der Geltendmachung von Ansprüchen geht. Diese allgemeinere Zielsetzung schlägt sich in einem bewusst allg gefassten Wortlaut nieder. Deshalb kommt es auf den Grund des Anspruchs nicht an (BGH NJW-RR 2008, 824, 825 ebenso Vorinstanz: Rostock ZGS 2007, 272, 273f). Entscheidend ist der Anspruchsinhalt (Pal/Ellenberger Rn 5; aM MüKo/Grothe Rn 5). Auch gesetzliche Ansprüche etwa auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek nach § 648 werden erfasst (BaRo/Henrich Rn 4). Die Vorschrift gilt deshalb auch für gesetzliche Ansprüche aus der Rückabwicklung von (nichtigen) Verträgen (BGH NJW-RR 2008, 824, 825; NVwZ-RR 2009, 412). Nichts anderes gilt für Ansprüche aus einer nichtigen Vereinbarung über die Rückabwicklung eines solchen Rechtsgeschäfts (BGH NJW 2010, 297). Beides gilt aber nur, wenn die nichtige oder rückabzuwickelnde Vereinbarung auf die Verpflichtung zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück, auf Rechte an einem Grundstück oder auf die Änderung des Inhalts solcher Rechte zielte. Fehlt es daran, ist § 196 nicht anwendbar, auch wenn die unzulässige und darum nichtige Vereinbarung in das Gewand eines (nicht vollzogenenen) Grundstückskaufvertrags gekleidet ist (BGH NJW 2010, 297). Diese andere Zielsetzung steht der Anwendung von § 196 aber nicht entgegen, wenn es tatsächlich zu einem Leistungsaustausch kommt und nunmehr auch das Eigentum an einem Grundstück und die (formale) Gegenleistung dafür rückabzuwickeln ist.

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§ 196 erfasst zwar auch die Gegenleistung für die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück oder die Übertragung oder Änderung des Inhalts von dinglichen Rechten an einem Grundstück (dazu Rn 3). Das bedeutet aber nicht, dass die Vorschrift nur anwendbar wäre, wenn es um beide Leistungen geht. Dann liefe sie praktisch leer, weil die Verjährung nach § 194 für jeden Anspruch gesondert zu beurteilen ist. § 196 ist vielmehr auf jeden einzelnen Anspruch aus einem solchen Rechtsgeschäft oder seiner Rückabwicklung anwendbar, also zB auch dann, wenn ein nichtiger Vertrag nur einseitig erfüllt ist und nur die Gegenleistung zurückgefordert wird (BGH NJW-RR 2008, 824, 825; NVwZ 2010, 531, 536). Dann aber gibt es keinen Grund, Ansprüche auf Übertragung des Eigentums oder auf Verfügungen über beschränkte dingliche Rechte an Grundstücken nur deshalb aus dem Anwendungsbereich des § 196 herauszunehmen, weil es sich um Sekundäransprüche handelt (BGH NJW 2011, 218, 219; Rostock wie vor; MüKo/Grothe Rn 5; PWW/Kesseler Rn 3; aM BaRo/Henrich Rn 3, 13; AnwK/Mansel/Stürner Rn 29). Auch gesetzliche Ansprüche auf Bestellung von Erbbaurechten oder Dienstbarkeiten nach §§ 32, 116, 121 SachenRBerG gehören dazu (Czub/J. SchmidtRäntsch, ZfIR 2007, 517, 518f). Die Vorschrift gilt entspr für das Ankaufsrecht nach §§ 61, 121 SachenRBerG. Es ist zwar formal auf Annahme des Angebots auf Abschluss eines Grundstückkauf592

J. Schmidt-Räntsch

Gegenstand und Dauer der Verjährung

§ 197

vertrags gerichtet, in der Sache aber auf Verschaffung des Eigentums am Grundstück (Czub/J. Schmidt-Räntsch wie vor; aM Maletz ZfIR 2007, 613). 3. Einer Verjährungsfrist von zehn Jahren unterliegt auch der Anspruch auf die Gegenleistung für 6 den Anspruch auf Auflassung eines Grundstücks oder für Ansprüche auf Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines beschränkten dinglichen Rechts an einem Grundstück. Das ist zunächst der Kaufpreis für ein Grundstück oder Erbbaurecht. Dieser muss nicht allein für das Grundstück oder beschränkte dingliche Rechte an einem Grundstück bestimmt sein. Deshalb gehört auch der Vergütungsanspruch des Bauträgers dazu (Brambring DNotZ 2001, 904; Pauly MDR 2004, 16, 17f; Pal/Ellenberger Rn 4; aM Wagner ZfIR 2002, 260). Anspruch auf die Gegenleistung ist auch ein Nachzahlungsanspruch, der dem (staatlichen) Verkäufer eines Grundstücks für den Fall zusteht, dass es nicht für den subventionierten Zweck verwendet wird (BGH NVwZ 2010, 531, 536). Erfasst wird auch die Gegenleistung für die Bestellung einer Dienstbarkeit oder dgl. Gegenleistung für die Bestellung eines Erbbaurechts ist nur der Erbbauzins als das reallastartige Stammrecht (BGH WM 1992, 705, 707), nicht die einzelnen Erbbauzinsraten (BGH ZGS 2009, 562). Auch der schuldrechtliche Erbbauzinsanspruch ist nicht die Gegenleistung, was der BGH aus dem systematischen Zusammehnag zu § 197 II ableitet (ZGS 2009, 562, 563). Es muss sich nicht unbedingt um einen Zahlungsanspruch handeln. Auch ein Anspruch auf eine Sachleistung wie zB beim Tausch ist möglich (MüKo/Grothe Rn 7; Soergel/Niedenführ Rn 7). Gegenleistung ist nur die Leistung, die um der Begründung, Übertragung, Änderung oder Aufhebung des Rechts willen ausbedungen worden ist, also im Synallagma steht (MüKo/Grothe § 194 Rn 3). Eine nicht synallagmatische Leistung würde nicht ausreichen (BaRo/ Henrich Rn 11; Amann DNotZ 2002, 94, 116f). Das Synallagma muss nicht durch eine rechtsgeschäftliche Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung begründet werden. Es genügt, wenn der Sache nach ein Gegenseitigkeitsverhältnis (Synallagma iwS) besteht (BGH NVwZ 2010, 531, 536). Ein solches Synallagma iwS kann auch durch Gesetz hergestellt werden, zB in § 118 SachenRBerG (Czub/J. Schmidt-Räntsch, ZfIR 2007, 517, 520f). Gegenleistung ist auch der Ankaufsanspruch des Eigentümers nach §§ 61, 121 SachenRBerG (Czub/J. Schmidt-Räntsch aaO, 521). Ein Synallagma iwS kann sich auch aus dem Vorgang ergeben, der mit den gesetzlichen Ansprüche bewältigt werden soll. Bsp hierfür sind die beiderseitigen Ansprüche aus der Rückabwicklung eines (nichtigen) Vertrags (BGH NJW-RR 2008, 824, 825; NJW 2010, 297; NVwZ 2010, 531, 536). Die Anwendung des § 196 auf den Leistungsanspruch hängt nicht von dem Bestehen einer Gegen- 7 forderung ab. Auf ihn ist § 196 auch anzuwenden, wenn es keine Gegenleistung gibt (MüKo/Grothe Rn 6; Soergel/Niedenführ Rn 7), wie zB bei dem Löschungsanspruch aus einer Sicherungsabrede, wenn sie nicht erbracht ist (BGH NJW-RR 2008, 824, 825; NJW 2010, 297) oder wenn sie bereits erfüllt ist (AnwK/Mansel Rn 28; BaRo/Henrich Rn 12; Soergel/Niedenführ Rn 7). 4. Auf einen Vertrag über die Verschaffung anderer Rechte ist § 196 nicht anwendbar. Dies wäre 8 nur im Wege der Analogie möglich. Der steht indessen grds der Wille des Gesetzgebers entgegen. Dieser hat Abweichungen von der regelmäßigen Verjährungsfrist bewusst auf das unabdingbare Minimum beschränkt. Deshalb ist § 196 nicht auf Ansprüche auf Besitzverschaffung anwendbar (AnwK/ Mansel/Stürner Rn 20). Etwas anderes gilt aber für den Anspruch auf Besitzverschaffung als Teil eines Anspruchs auf Verschaffung des Eigentums oder eines beschränkten dinglichen Rechts, das zum Besitz berechtigt. Die Nichtanwendung von § 196 würde den Gläubiger dazu zwingen, erst die Verschaffung des Eigentums oder dinglichen Rechts einzuklagen, um sich nach Vollstreckung dieser Anspruchs aus dem dinglichen Recht den Besitz zu verschaffen. Das entspricht nicht den Vorstellungen des Gesetzgebers, der zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auch den Anspruch auf die Gegenleistung in die lange Verjährung des § 196 einbezogen hat. Dem entspricht es, § 196 auf den begleitenden Besitzverschaffungsanspruch anzuwenden (AnwK/Mansel/Stürner Rn 20f; BaRo/Henrich Rn 9; MüKo/Grothe Rn 6; PWW/Kesseler Rn 5; aM Pal/Ellenberger Rn 6).

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Dreißigjährige Verjährungsfrist (1) In 30 Jahren verjähren, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, 1. Herausgabeansprüche aus Eigentum, anderen dinglichen Rechten, den §§ 2018, 2130 und 2362 sowie die Ansprüche, die der Geltendmachung der Herausgabeansprüche dienen, 2. (aufgehoben) 3. rechtskräftig festgestellte Ansprüche, 4. Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen oder vollstreckbaren Urkunden, 5. Ansprüche, die durch die im Insolvenzverfahren erfolgte Feststellung vollstreckbar geworden sind, und 6. Ansprüche auf Erstattung der Kosten der Zwangsvollstreckung. (2) Soweit Ansprüche nach Absatz 1 Nr. 3 bis 5 künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Inhalt haben, tritt an die Stelle der Verjährungsfrist von 30 Jahren die regelmäßige Verjährungsfrist. 1. Mit § 197 benennt der Gesetzgeber die Ansprüche, für welche weiterhin eine Verjährungsfrist von 1 30 Jahren gelten soll. Die Regelung ist abschließend. Sie soll aber auf Ansprüche erstreckt werden, die auf der vorsätzlichen Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit oder sexueller Selbstbestimmung beruhen (StORMG-E, BR-Drucks 213/11 v 15.4.2011, Art 4). Anders als der frühere § 218 (dazu Düsseldorf MDR 1995, 160) unterliegt die Verjährung auch nach § 197 I Nr 3–5 allen Vorschriften des Abschnitts 5.

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2. In 30 Jahren verjähren Herausgabeansprüche aus dinglichen Rechten. Dies entspricht der Rechtslage vor dem 1.1.2002 (BGH LM Nr 2 zu § 989 BGB; RG Warn 1929 Nr 27; MüKo/Medicus [4. Aufl] § 985 Rn 24; Piepenbrock aaO [Vor § 194], 394; Schoen NJW 2001, 537, 543). Im Gesetzgebungsverfahren waren im Anschluss an einen Beitrag von Siehr (ZRP 2001, 346) Zweifel daran aufgekommen. Es stellte sich aber heraus, dass diese Zweifel nicht berechtigt waren (BR-Drucks 819/01 [Beschl]). Rechtspolitische Forderungen nach einer Aufgabe der Verjährbarkeit von Herausgabeansprüchen hat der Gesetzgeber mit Rücksicht auf den Verkehrsschutz nicht aufgegriffen (BTDrucks 14/7052, 179). Auch der Rückgabeanspruch nach § 6 des Kulturgüterrückgabegesetzes (v 15.10.1998, BGBl I 3162) unterliegt nach § 10 I S 3 des Gesetzes grds einer Verjährung von 30 Jahren. Allerdings gelten hier zwei Ausnahmen: Die Verjährung beträgt bei Gegenständen aus öffentlichen oder kirchlichen Sammlungen 75 Jahre; der Anspruch ist unverjährbar, wenn und soweit er auch nach dem Recht des um die Rückgabe ersuchenden Mitgliedstaats keiner Verjährung und keinem durch Zeitablauf bedingten Erlöschen unterliegt (§ 10 II des Gesetzes). Auch bei Verjährbarkeit des Herausgabeanspruchs kann dem Schuldner allerdings im Einzelfall auch nach Ablauf der Verjährungsfrist von 30 Jahren versagt sein, sich auf den Eintritt der Verjährung zu berufen (BaRo/Henrich Rn 9; Jayme FAZ v 16.1.2002).

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Nicht jeder Herausgabeanspruch verjährt in 30 Jahren, sondern nur ein Herausgabeanspruch aus dinglichen Rechten. Herausgabeansprüche aus anderen absoluten Rechten (AnwK/Mansel/Stürner Rn 36f; MüKo/Grothe Rn 6) oder aus Vertrag (AnwK/Mansel/Stürner Rn 28; Soergel/Niedenführ Rn 5) werden nicht erfasst. Keinen Herausgabeanspruch aus Vertrag stellt der Anspruch des Vermieters auf Herausgabe nach § 562b II S 1 dar. Es handelt sich hierbei um einen speziell ausgeformten Herausgabeanspruch aus seinem gesetzlichen Vermieterpfandrecht, der § 197 I Nr 1 unterfällt (AnwK/Mansel/Stürner Rn 22). Dingliche Rechte sind das Eigentum und andere Ausschnitte aus dem Eigentum, die dem Inhaber ein Recht zum Besitz verschaffen. Denn andernfalls begründen sie keinen Herausgabeanspruch. Zu diesen Rechten gehören der Nießbrauch (§ 1036 I) und das Pfandrecht an beweglichen Sachen (§ 1227 iVm § 985). Ansprüche auf Herausgabe von Nutzungen fallen nicht unter § 197 I Nr 1, auch wenn sie auf die Herausgabe von Sachen gerichtet sind (AnwK/Mansel/ Stürner Rn 25; Pal/Ellenberger Rn 3). Dieser Anspruch ist die gesetzliche Folge der Herausgabe, nicht ihr Gegenstand, was sich auch darin zeigt, dass der Anspruch auf Nutzungsherausgabe auch dann besteht, wenn die gezogene Nutzung nicht in Gestalt einer herausgabefähigen Sache zur Verfügung steht. Die Voraussetzungen des § 197 I Nr 1 würden auch bei Nießbrauchen und Dienstbarkeiten an Grundstücken, Erbbaurechten, beim Wohnungsrecht, bei Bergwerkseigentum, bei WE und beim Dauerwohn- und Dauernutzungsrecht nach WEG vorliegen. Diese Rechte unterliegen aber nach § 902 S 1, nach § 34 II WEG iVm § 902 BGB, § 11 I S 1 ErbbauRG und nach § 9 I S 1 Hs 2 BBergG iVm § 902 S 1 nicht der Verjährung (BaRo/Kössinger [1. Aufl] § 902 Rn 4; aM KGRp 2003, 17, 18), so dass auch § 197 I Nr 1 keine Anwendung findet.

4

Nach ganz hM (BGH 32, 194, 204; AnwK/Mansel/Stürner Rn 27; BaRo/Henrich Rn 5; Soergel/Niedenführ Rn 5) gehört der Besitz nicht zu den dinglichen Rechten. Er stellt nicht das im Eigentum oder in einem Ausschnitt hieraus wurzelnde Recht des Besitzers zur unmittelbaren Herrschaft über eine Sache, sondern nur die tatsächliche unmittelbare Herrschaft des Besitzers dar.

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Nicht erfasst werden andere als Herausgabeansprüche. Das sind vor allem Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus dinglichen Rechten nach § 1004 (BayObLG ZfIR 2001, 486; AnwK/Mansel/ Stürner Rn 31–33; BaRo/Henrich Rn 7; Soergel/Niedenführ Rn 6). Soweit diese verjähren (dazu § 902 Rn 5), unterliegen sie der regelmäßigen Verjährung. Der Gesetzgeber hat kein Bedürfnis gesehen, sie ebenfalls der Verjährung von 30 Jahren zu unterstellen (BT-Drucks 14/6040, 105f). Der hinausgeschobene Verjährungsbeginn schütze den Gläubiger hinreichend. Das wird zT anders gesehen (etwa AnwK/Mansel/Stürner Rn 34). Zu berücksichtigen ist aber, dass Unterlassungsansprüche bei jeder Zuwiderhandlung neu entstehen. Eine Einbeziehung von Beseitigungsansprüchen würde auch zu Verwerfungen mit den meist gleichzeitig gegebenen Ansprüchen aus unerlaubter Handlung führen.

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3. Ebenfalls einer Verjährungsfrist von 30 Jahren unterliegen die erbrechtlichen Herausgabeansprüche nach den §§ 2018, 2130 und 2362. Als Ersten nennt die Vorschrift den Herausgabeanspruch des Erben gegen den Erbschaftsbesitzer gem § 2018. Damit spricht die Vorschrift nicht den Erbschaftsanspruch als einheitlichen Gesamtanspruch (dazu Ba/Ro/Müller-Christmann Rn 6) an. Vielmehr ist nur der dingliche Einzelanspruch aus § 2018 gemeint (BT-Drucks 16/8954, 12f). Dazu gehört auch der Anspruch auf Herausgabe der Erbschaftssurrogate nach § 2018 iVm § 2019. Nicht dazu gehören aber die obligatorischen Ansprüche des Erben auf Herausgabe einer Bereicherung nach § 2021 iVm §§ 812ff, der Anspruch auf Ersatz von Verwendungen nach § 2011, der Schadensersatzanspruch nach §§ 2023–2025 und der Anspruch auf Herausgabe der Früchte nach § 2020. Als zweiten Anspruch nennt § 197 I Nr 1 den Herausgabeanspruch des Nacherben gegen den Vorerben nach § 2130 BGB. Gemeint sind auch nicht alle Ansprüche des Nacherben gegen den Vorerben, sondern nur der Herausgabeanspruch selbst. Hier wie bei dem Anspruch des Erben gegen den Erbschaftsbesitzer wird von der Verweisung auch der Anspruch auf Herausgabe von Erbschaftssurrogaten nach §§ 2130 iVm § 2111 erfasst. Erfasst wird auch die Einschränkung aus § 2137. Nicht erfasst werden dagegen wie beim Erbschaftsherausgabeanspruch die Ansprüche auf Schadensersatz, gleich auf welcher Grundlage, und Bereicherungsansprüche. Schließlich unterliegt auch der Anspüruch des Erben gegen den Scheinerben auf Herausgabe eines unrichtigen Erbscheins nach § 2362 I einer Verjährungsfrist von 30 Jahren. Erfasst wird in erster Linie der Anspruch des Erben selbst. Die lange Verjährungsfrist gilt aber auch für den Nacherben und den Testamentsvollstrecker, denen der Anspruch aus § 2362 I

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J. Schmidt-Räntsch

Gegenstand und Dauer der Verjährung

§ 197

ebenfalls zusteht (§§ 2363 II, 2364 II). Nicht anzuwenden ist die lange Verjährungsfrist auf Sekundäransprüche. Einstweilen frei.

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4. Die Verjährungsfrist von 30 Jahren gilt auch für Ansprüche, die der Geltendmachung der Heraus- 8 gabeansprüche dienen. Die Erstreckung von § 197 I Nr 1 auf solche Ansprüche ist zwar mit dem ErbRÄndG 2009 eingeführt worden. Sie erweist sich hier auch als notwendig. Gleichwohl gilt dieser Teil der Regelung gilt nicht nur für Ansprüche, die der Geltendmachung der erbrechtlichen Herausgabeansprüche dienen. Der Gesetzgeber hat sich vielmehr ausdr dafür entschieden, diese Erstreckung auch für Ansprüche vorzunehmen, die der Geltendmachung der dinglichen Herausgabeansprüche dienen (BT-Drucks 16/8954, 13 r. Sp.). Sie gilt auch nicht nur für dingliche Ansprüche, die mit erbrechtlichen Ansprüchen in Konkurrenz stehen, sondern auch für dingliche Ansprüche ohne Bezug zu einem erbrechtlichen Sachverhalt. Die Hilfsansprüche verjähren eigenständig (BGH 33, 373, 379). Gedacht ist dabei in erster Linie an Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung (BT-Drucks 9 16/8954, 13). Solche sind für die erbrechtlichen Herausgabeansprüche speziell geregelt. Das sind insb die Auskunftsansprüche nach den §§ 260, 2027 und 2130 II, aber auch der Auskunftsanspruch nach § 2362 II, der ebenfalls der Durchsetzung des Herausgabeanspruchs nach § 2018 dient. Dazu gehören auch Ansprüche auf Auskunft oder Rechnungslegung nach den allg Vorschriften. Diese werden sich selten speziell auf die herauszugebende Sache beziehen. Sie werden sich meist auf Vorgänge im Zusammenhang mit einem Schuldverhältnis beziehen, in dessen Rahmen der Schuldner in den Besitz einer Sache gelangt sein kann, die (auch) einem dinglichen Herausgabeanspruch unterliegt. Bsp sind die Auskunftsansprüche nach §§ 666, 681 oder 713. Die Ansprüche aus solchen Verhältnissen unterliegen als solche nicht der Verjährung nach § 197 I Nr 1, sondern meist der regelmäßigen Verjährung. Das gilt grds auch für den Auskunftsanspruch. Etwas anderes gilt aber nach § 197 I Nr 1, soweit die verlangte Auskunft der Geltendmachung eines dinglichen oder erbrechtlichen Herausgabeanspruchs dient. Von der Privilegierung sind nur Hilfsansprüche erfasst, die dem Gläubiger des Herausgabeanspruchs zustehen. Denn nur solche Ansprüche „dienen“ der Geltendmachung des Herausgabeanspruchs. Auskunfts- und Rechnungslegungspflichten ggü anderen Personen oder Stellen, zB die Auskunftspflicht des Vormunds ggü dem FamG gem § 1839, können zwar letztlich auch bei der Geltendmachung der Ansprüche nützlich sein. Der Gläubiger des Herausgabeanspruchs kann aber gerade nicht selbst die Unterrichtung verlangen. Dann aber dient der Anspruch der Geltendmachung des Herausgabeanspruchs nicht. Nicht jeder Anspruch, der dem Eigentümer zum Besitz seiner Sache verhilft, ist ein Hilfsanspruch. So ermöglicht zB das Verfolgungsrecht des Eigentümers nach §§ 867, 1005 das Aufsuchen der Sache, sie dienen aber nicht der Geltendmachung des Herausgabeanspruchs. 5. a) Die 30-Jahres-Verjährung gilt nach § 197 I Nr 3 auch für rechtskräftig festgestellte Ansprüche. 10 Eine solche rechtskräftige Feststellung kann durch Leistungsurteil, ein auch sehr allg gehaltenes Feststellungsurteil (BGH NJW-RR 1989, 215), eine Verurteilung zur Leistung von Vorschuss zB auf Mängelbeseitigungskosten (BGH MDR 2008, 1387, 1388), durch Vollstreckungsbescheid (§ 700 ZPO), durch Feststellungsbeschluss nach § 253 FamFG, durch Kostenfestsetzungsbeschluss (MüKo/Grothe Rn 12, vgl aber unten Rn 15), sowie durch Vorbehaltsurteil (BT-Drucks 14/6040, 100; München OLGRp 1993, 23; AnwK/Mansel/Stürner Rn 62; MüKo/Grothe Rn 14) erfolgen, nicht jedoch durch Zwischenurteil über einzelne Angriffsmittel (§ 303 ZPO) oder über den Grund (§ 304 ZPO), das nur vorbereitende Bedeutung für das Endurteil hat und daher den Rechtsstreit nicht beendet (BGH NJW 1985, 791f; RG 117, 423). Wird durch rechtskräftiges Urt eine negative Feststellungsklage, die sich auf einen der Höhe nach bestimmten Anspruch bezieht, aus sachlichen Gründen abgewiesen, so ist damit zugleich positiv über den gegnerischen Anspruch entschieden, so dass dieser der dreißigjährigen Frist des § 197 I Nr 3 unterliegt. Umfang und Tragweite der positiven Feststellung ergeben sich aus den Gründen des rechtskräftigen Urt (BGH NJW 1972, 1043; 1975, 1320; 1983, 954; 1986, 2508 m Anm Tiedtke JZ 1986, 1051; Schleswig NJW 1976, 970; aA Staud/Peters/Jacoby Rn 42f). Ein Zahlungsanspruch, in den ein rechtskräftig zuerkannter Freistellungsanspruch aus Prospekthaftung übergegangen ist, verjährt erst 30 Jahre nach Rechtskraft des Freistellungsurteils (BGH NJW 1991, 2014). Gleichgültig ist, in welcher Gerichtsbarkeit und durch welches Gericht die Entscheidung getroffen worden ist (AnwK/Mansel/Stürner Rn 54; BaRo/Henrich Rn 13). Soweit allerdings (in den öffentlichrechtl Gerichtsbarkeiten) Zahlungsbescheide Gegenstand des Rechtstreits sind, geht die besondere Verjährungsregelung nach VwVfG, SGB X usw vor (Vor § 194 Rn 17). § 197 I Nr 3 gilt nicht nur für Urt inländischer, sondern auch für Urt ausländischer Gerichte. Aller- 11 dings müssen sie entweder nach der VO (EG) Nr 44/2001, nach Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen oder nach § 328 ZPO anerkennungsfähig sein. Grundlage der Verjährung ist dann das ausländische oder das Schiedsurteil, nicht die Entscheidung, aufgrund derer dieses im Inland vollstreckt werden kann (AnwK/Mansel/Stürner Rn 55; MüKo/Grothe Rn 13; Staud/Peters/Jacoby Rn 50 aE). § 197 I Nr 3 gilt nicht nur für staatliche Gerichte, sondern auch für Urt inländischer wie ausländischer Schiedsgerichte (AnwK/Mansel/Stürner Rn 56; PWW/Kesseler Rn 7). Mit dem Eintritt der Rechtskraft beginnt für den Anspruch eine neue Verjährungsfrist. Es ist dafür 12 unerheblich, welcher Verjährungsfrist der Titel vorher unterlegen hat. Auch auf die Art des Anspruchs kommt es nicht an (AnwK/Mansel/Stürner Rn 51; MüKo/Grothe Rn 15). Die Vollstreckungsverjährung gilt, soweit die rechtskräftige Feststellung erfolgt ist. Wird nur ein Teil des Anspruchs eingeklagt und ausgeurteilt, so gilt die Vollstreckungsverjährung auch nur für diesen Teil (MüKo/ Grothe Rn 19; PWW/Kesseler Rn 7). Welcher materiellrechtlich Anspruch dieser neuen Verjährung J. Schmidt-Räntsch

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§ 197

Allgemeiner Teil Verjährung

unterliegt, bestimmt sich nach dem Streitgegenstand des zur Titulierungen führenden Mahnbescheid- oder Klageverfahrens. Umfasste dieses auch einen Anspruch aus unerlaubter Handlung, dann kann zB im Blick auf § 850f II ZPO oder § 302 Nr 1 InsO festgestellt werden, dass der titulierte Anspruch ein Anspruch aus unerlaubter Handlung ist (weitergehend Koblenz NZI 2010, 308, 310). Die Feststellungswirkung des Urt erfasst auch den prozessualen Kostenerstattungsanspruch. Dieser wird durch die Kostengrundentscheidung des Urt rechtskräftig festgestellt. Er verjährt deshalb und nicht erst aufgrund seiner betragsmäßigen Festsetzung im Kostenfestsetzungsbeschluss in 30 Jahren (BGHRp 2006, 941, 942; BVerwG Rpfleger 2005, 53, 54; München OLGRp 2006, 602; Köln OLGRp 2006, 743; Koblenz OLGRp 2006, 566; LG Zweibrücken NStZ-RR 2006, 128; Naumburg OLG-NL 2002, 69; MüKo/Grothe Rn 16). Ohne Kostengrundentscheidung verjährt der Kostenerstattungsanspruch in der regelmäßigen Verjährungsfrist (Schneider NJW-Spezial 2009, 187). 13

b) Die gleiche Wirkung wie eine rechtskräftige Feststellung haben nach § 197 I Nr 4 vollstreckbare Vergleiche (§ 794 I Nr 1 ZPO) und vollstreckbare Urkunden (§ 794 I Nr 5, §§ 800, 801 ZPO). Vollstreckbar ist nach § 794 I Nr 5 ZPO eine Urkunde, wenn sie vor einem deutschen Notar oder Gericht errichtet wurde, auf Zahlung von Geld oder auf Leistung anderer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere (dazu Wolfsteiner DNotZ 1999, 306ff) gerichtet ist und sich der Schuldner wirksam der Zwangsvollstreckung unterworfen hat. Ist die Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung nicht wirksam, so verjährt der Anspruch in der für den Anspruch gewöhnlich laufenden Verjährungsfrist (BGH NJW 1999, 51, 52; Zweibrücken BauR 2000, 1209; MüKo/Grothe Rn 20). Vollstreckbare Vergleiche sind gerichtliche Vergleiche, gem §§ 796b oder 796c ZPO durch Gericht oder Notar für vollstreckbar erklärte Anwaltsvergleiche (Soergel/Niedenführ Rn 33), ein durch das Gericht oder den Notar nach §§ 1053 IV, 1060 I ZPO für vollstreckbar erklärter Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut oder notarielle Vergleiche. Dem vollstreckbaren Vergleich steht der Schuldenbereinigungsplan nach § 308 I 1 InsO gleich, § 308 I S 2 InsO. Dies gilt auch in verjährungsrechtlicher Hinsicht (MüKo/Grothe Rn 20). Vergleiche, die der Vollstreckbarerklärung bedürfen, werden teilw als Fälle von § 197 I Nr 3 angesehen (AnwK/Mansel/Stürner Rn 57, 64, 68; BaRo/Henrich Rn 17). Diese Frage kann Bedeutung nur für den Beginn der Verjährung haben. Insoweit besteht aber Einigkeit, dass ein für vollstreckbar zu erklärender Vergleich erst ab diesem Zeitpunkt die Vollstreckungsverjährung auslöst.

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Einem vollstreckbaren Vergleich wurden nach bisher hM (BGHRp 2002, 583; NJW 2003, 1524, 1525; Karlsruhe VersR 2002, 729; MDR 2000, 1014; Hamm SP 2001, 53; Koblenz OLGRp 1999, 243; München AnwBl 1998, 609; BaRo/Henrich [1. Aufl] Rn 19; Staud/Peters aF § 218 Rn 16) ein außergerichtlicher Abfindungsvergleich sowie Privatanerkenntnisse und Vergleiche gleichgestellt, in denen ein Anspruch dem Grund nach anerkannt wurde. Diese Rspr ist angreifbar und nur vor dem Hintergrund des bisher bestehenden Verbots von Vereinbarungen über die Verjährung verständlich (Staud/Peters aF § 218 Rn 16). Ihre Grundlagen sind aber heute entfallen. Parteien, die einen Vergleich vollstreckbar gestalten wollen, können dies durch Anwaltsvergleich nach § 796a ZPO erreichen und sind keineswegs auf einen Feststellungsprozess angewiesen. Seit dem 1.1.2002 können sie in den Grenzen des § 202 auch Vereinbarungen über die Verjährung treffen. Deshalb sind solche Vereinbarungen heute als nicht vollstreckbare Vergleiche anzusehen (aM o Begr KG MDR 2009, 1269). Daran ändert es auch nichts, dass ein in einer solchen Regelung enthaltenes Anerkenntnis nach § 212 I Nr 1 einen Neubeginn der Verjährung auslöst (insofern zutr KG MDR 2009, 1269, 1270). Denn das besagt über die Dauer der neu beginnenden Verjährungsfrist nichts. Sie können aber eine Verjährungsfrist von 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn regeln (AnwK/Mansel/Stürner Rn 59) oder Erklärungen über Tatsachen enthalten, von denen der gesetzliche Beginn der Verjährungsfrist abhängt.

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Als vollstreckbare Urkunde wird man nicht mehr die vollstreckbare Kostenrechnung des Notars nach § 155 KostO ansehen können. Der BGH hat diese bislang unterschiedlich beurteilte Frage (dafür: München DNotZ 1992, 114; Oldenburg DNotZ 1990, 330; Schleswig DNotZ 1983, 580; dafür bei bestätigter und unanfechtbarer Kostenrechnung: Zweibrücken JB 2001, 105; RenoR 2001, 33; Hamburg MittRhNotK 1996, 101; Soergel/Niedenführ Rn 35; Staud/Peters/Jacoby Rn 53; Ackermann DNotZ 1959, 327; dagegen: Celle OLGRp 1977, 118; Hamm MDR 1992, 715; KG RPfleger 1991, 83; NJW 1955, 633; Stuttgart DNotZ 1959, 325; BaRo/Henrich [1. Aufl] Rn 21; MüKo/Grothe Rn 12) inzw verneint (BGHRp 2004, 1665, 1666). Wesentlich für das Vorliegen einer rechtskräftigen Feststellung sei, dass diese durch die Entscheidung eines staatlichen Gerichts oder einer vergleichbaren unabhängigen Stelle getroffen wurde. Daran fehle es bei der unangefochtenen Kostenrechnung. Sie sei auch nicht mit einer Vollstreckungsunterwerfung gem § 197 I Nr 5 zu vergleichen, weil sich das Verhalten des Schuldners in der Entgegennahme der Kostenrechnung erschöpfe.

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c) Der Verjährungsfrist von 30 Jahren unterliegt nach § 197 I Nr 5 auch ein durch Feststellung zur Insolvenztabelle (§§ 174ff, 179 III InsO) vollstreckbar gewordener Anspruch. Voraussetzung hierfür ist nicht nur, dass die Forderung im Prüftermin oder im Prüfverfahren nicht bestr worden ist. Die Feststellung muss auch vollstreckbar geworden sein. Das ist der Fall, wenn das Insolvenzverfahren aufgehoben oder eingestellt worden ist.

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d) Nach § 197 I Nr 6 verjährt auch der Anspruch auf Erstattung der Kosten der Zwangsvollstreckung in 30 Jahren. Sie werden durch das Urt bereits dem Grunde nach festgestellt (MüKo/Grothe Rn 16; zweifelnd Strunk ZVI 2003, 153). Zwar bestimmt § 788 ZPO nur, dass es eines besonderen Titels nicht bedarf. Dem liegt aber die Vorstellung zugrunde, dass die Erstattungsfähigkeit dieser Kosten dem Grunde nach die notwendige Folge der rechtskräftigen Feststellung ist. Der Gläubiger hat deshalb gewöhnlich auch keine Möglichkeit, die Zwangsvollstreckungskosten gesondert rechtskräftig feststellen zu lassen. Für sie gilt die Verjährungsfrist von 30 Jahren (11. Aufl Rn 12). Um der Unsi-

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Gegenstand und Dauer der Verjährung

§ 197

cherheit (vgl LG Dortmund ZVI 2003, 349; Meyer JurBüro 2005, 134) vorzubeugen, hat der Gesetzgeber diese Verjährungsfrist ausdr bestimmt. e) Für den Eintritt der Verjährung von 30 Jahren nach § 197 I Nr 3–5 kommt es, wie oben Rn 12 aus- 18 geführt, nicht darauf an, welcher Art der eingeklagte Anspruch ist und welcher Verjährung er an sich unterläge. Das gilt allerdings nicht ohne Ausnahme. Die Ausnahme bestimmt § 197 II Alt 2. Soweit (also zB nicht bei der Titulierung bereits fällig gewordener Unterhaltsrückstände, Dresden OLGRp 2006, 667; Bergjan/Wermes FamRZ 2004, 1087, 1089f) der titulierte Anspruch künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Gegenstand hat, tritt an die Stelle der Verjährungsfrist von 30 Jahren die regelmäßige Verjährungsfrist (Naumburg MDR 2009, 393). Wird dagegen nur ein bestimmter Teil dieser Leistungen, zB ein bestimmter Betrag Wohngeld in der WEG (dazu BGH WuM 2005, 667) eingeklagt, dann hat der Titel keine wiederkehrenden Leistungen zum Gegenstand. Worauf die Leistung beruht, auf Gesetz oder Vertrag, ist unerheblich (Pal/Ellenberger Rn 10). Zu den regelmäßig wiederkehrenden Leistungen zählen etwa auch untitulierte (Düsseldorf OLGRp 1996, 176) Zinsen einschl der Verzugszinsen (BGH 98, 174, 187; MDR 1993, 574; MüKo/Grothe Rn 28), außer wenn sie in einer Summe, etwa bei Rückzahlung eines Darlehens, zu entrichten sind (Ricken NJW 1999, 1146, 1147), Renten, etwa Leibrente (§ 759), Schadensersatzrente (§ 843), Überbaurente (§ 913) oder Notwegrente (§§ 917 II, 913), Leistungen aus Reallasten (§ 1105) oder Rentenschulden (§ 1199), Vereinsbeiträge (MüKo/Grothe Rn 28), Unterhaltsbeiträge, auch vertragliche Unterhaltsleistungen, wenn sie wiederkehrend sein sollen, Auszugsleistungen, Besoldungen, Ruhegehalte oder Jahresvergütungen. Dazu gehört auch ein Anspruch auf Lagervergütung nach § 467 II HGB, wenn das Lagergeld nach bestimmten Zeitabschnitten berechnet wird (BGH 89, 82, 87). Der Betrag braucht nicht gleich zu bleiben (RG 88, 42) und kann gelegentlich auch ausbleiben (BGH 80, 357f). Deshalb gehört auch ein Anspruch auf Gewinnanteilsansprüche aus einem Patentverwertungsvertrag dazu (BGH 28, 144, 148). Allerdings ist nicht jede in Raten erbrachte (BGH WM 1975, 1280) oder in Raten zu erfüllende Verbindlichkeit eine wiederkehrende Leistung. Wiederkehrend sind nur Leistungen, die von vornherein und ihrer Natur nach nicht einmal, sondern in regelmäßiger zeitlicher Wiederkehr zu erbringen sind (BGH NJW 1957, 1148; 2001, 1063, 1064; Danckelmann NJW 1955, 1953). Es muss sich um eine Verbindlichkeit handeln, die nur in den fortlaufenden Leistungen besteht und darin ihre charakteristische Erscheinung hat (BGH 28, 144, 148; NJW 2001, 1063, 1064). Daran fehlt es zB bei einem Anspruch auf Teilwertersatz für geleistete Unterhaltszahlungen. Dieser ist nicht seiner Natur nach auf wiederkehrende Leistungen gerichtet, sondern ein Teilrückforderungsanspruch (BGH NJW 2001, 1063, 1064). Entspr gilt für die Auskehrung eingenommener Nutzungen unter Gemeinschaftern (Celle OLGRp 2002, 88) und für die Nutzungsherausgabe nach § 988, mag diese auch anhand von Mietzins berechnet werden (BGHRp 2003, 1188). Ein in Rentenform zu erfüllender Schmerzensgeld- oder Aufopferungsanspruch ist ebenfalls kein Anspruch auf wiederkehrende Leistung (BGH NJW 1957, 1148), wohl aber die Verdienstausfallrente (BGHRp 2002, 583, 585). § 197 II gilt nach § 497 III S 4 nicht für titulierte Zinsen aus einem Verbraucherdarlehensvertrag, es sei denn, dass die Zinsforderung die titulierte Hauptforderung ist, § 497 III S 5. Mit Rücksicht auf die durch Abs II eingeschränkte Geltung der Sonderverjährungsfrist nach Abs I kann ein Interesse an der Feststellung des bereits anderweit titulierten Anspruchs bestehen (Oldenburg NJW-RR 2010, 79). f) Die Verjährungsfrist nach § 197 I Nr 3–5 bleibt bestehen, wenn der Anspruch abgetreten wird 19 oder kraft Gesetzes auf einen anderen übergeht (München OLGRp 2009, 673; Soergel/Niedenführ Rn 30). Dies gilt, wenn der ursprüngliche Gläubiger eine Einziehungsermächtigung hat, auch dann, wenn der Anspruch schon vor Eintritt der Rechtskraft kraft Gesetzes auf einen anderen Gläubiger übergegangen war (BGH NJW 2002, 1877). Übernimmt nach Erwirkung des rechtskräftigen Urt (oder sonstigen Titels) gegen den ursprünglichen Schuldner ein Dritter die Schuld, so gilt auch ihm ggü die Titelverjährung nach § 197 I Nr 3–5 (BGH NJW 1987, 2863, 2864 für den früheren § 419 aF). § 425 II steht dem nicht entgegen, wenn die Titulierung vor der Übernahme erfolgt (BGH aaO). Auch der Bürge muss eine Titulierung der Hauptforderung und die dadurch bewirkte Vollstreckungsverjährung gegen sich gelten lassen (BaRo/Henrich Rn 15). Das gilt aber nur in den Grenzen des § 768 II. Deshalb greift die Vollstreckungsverjährung nur, wenn die Hauptforderung bei Klageerhebung noch nicht verjährt war (BGH NJW 1980, 1460, 1461). Die Verjährungsfrist des § 197 I Nr 3 wird nicht durch §§ 26, 160 HGB verdrängt. Der gegen den frü- 20 heren Inhaber eines Handelsgeschäfts oder gegen den ausgeschiedenen Gesellschaft vor der Abgabe des Handelsgeschäfts bzw vor dem Ausscheiden rechtskräftig festgestellte Anspruch unterliegt weiterhin der Verjährung von 30 Jahren (MüKo/Grothe Rn 15; Staud/Peters/Jacoby Rn 47; Baumbach/ Hopt32 § 26 HGB Rn 8; Pal/Ellenberger Rn 13; aM Erman/Hefermehl10 § 218 Rn 5). Denn „in einer in § 197 I Nr 3–5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Art festgestellt“, wie es in §§ 26 I S 1, 160 I S 1 HGB heißt, sind Ansprüche auch dann, wenn die Titulierung gegen den Inhaber oder ausscheidenden Gesellschafter schon vor seinem Ausscheiden erfolgt ist (MüKo/Grothe Rn 15). Bei einem solchermaßen titulierten Anspruch ergeben sich für den bisherigen Inhaber und den ausscheidenden Gesellschafter auch keine Unklarheiten über seine Haftung, so dass auch die Zielsetzung der Nachhaftungsbegrenzung keine kürzere Verjährungsfrist rechtfertigt. g) Eine dem § 197 I Nr 3, II nachgebildete Regelung enthält § 53 II VwVfG. I Erg wird also der unan- 21 fechtbare Verwaltungsakt behandelt wie ein rechtskräftiges Urt Dies folgt aber nicht mehr aus einer Verweisung auf das BGB, sondern aus einer eigenständigen Regelung (MüKo/Grothe Rn 12; übersehen bei Soergel/Niedenführ Rn 32). Ähnlich liegt es bei Verwaltungsakten auf dem Gebiete des Sozialrechts. Hier enthält § 52 II SGB X eine dem § 197 I Nr 3 entspr eigenständige Regelung. Anders als

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§ 197

Allgemeiner Teil Verjährung

in § 53 II S 2 VwVfG fehlt aber die Parallelregelung zu § 197 II. Sie wird auch durch die allg Verjährungsregelung des § 45 I SGB I nicht kompensiert.

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Verjährung bei Rechtsnachfolge Gelangt eine Sache, hinsichtlich derer ein dinglicher Anspruch besteht, durch Rechtsnachfolge in den Besitz eines Dritten, so kommt die während des Besitzes des Rechtsvorgängers verstrichene Verjährungszeit dem Rechtsnachfolger zugute.

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1. Bei einem persönlichen Anspruch hat der Wechsel in der Person des Berechtigten oder Verpflichteten keinen Einfluss auf den Lauf der Verjährung, da der Anspruch derselbe bleibt (BGH 60, 238, 240). Ähnlich liegt es beim Unterlassungsanspruch, wenn der Eigentümer wechselt (BGH aaO und NJW 1987, 187, 188). Bei einem dinglichen Anspruch, der sich gegen den Besitzer einer Sache richtet, entsteht dagegen grds ein neuer Anspruch, wenn die Sache in den Besitz einer anderen Person gelangt. Anders liegt es nur bei Gesamtrechtsnachfolge. Der Erbe des ursprünglichen Besitzers (§ 857) rückt in die Besitzstellung des Erblassers und ggf auch in dessen Verpflichtung zur Herausgabe ein, so dass der Anspruch als solcher nicht berührt wird.

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Entsteht durch Besitzwechsel ein neuer Anspruch, so würde für ihn nach §§ 194, 200 eine neue Verjährung beginnen. § 198 enthält jedoch eine Ausnahme. Für den Fall, dass ein neuer Besitzer die Sache durch Rechtsnachfolge erlangt hat, kommt die während des Besitzes des Rechtsvorgängers verstrichene Verjährungszeit dem Rechtsnachfolger zugute.

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Dingliche Ansprüche sind der Anspruch aus § 985 und andere Herausgabeansprüche aus dinglichen Rechten (BaRo/Henrich Rn 2). § 198 gilt aber auch für den Anspruch aus § 1004, soweit Grundlage das Eigentum oder ein dingliches Recht ist, sowie für den Anspruch aus § 861 (AnwK/Mansel/ Stürner Rn 5).

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2. Rechtsnachfolge in den Besitz kann durch Gesamt- oder Einzelnachfolge eintreten. Gesamtrechtsnachfolge ist der Übergang des Besitzes auf den Erben nach § 857. Einzelnachfolge setzt entweder körperliche Übergabe mit Willen des bisherigen Besitzers (Tathandlung) oder Einigung gem § 854 II voraus. Sie setzt nicht zwingend voraus, dass der bisherige Besitzer den Besitz vollständig aufgibt (Rn 6). Unerheblich ist, ob der Besitzer zur Übertragung des Besitzes berechtigt war (MüKo/ Grothe Rn 3). Auch auf eine Verpflichtung kommt es nicht an, wenn die Besitzübertragung ausbleibt (MüKo/Grothe aaO).

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Eine Rechtsnachfolge fehlt, wenn der neue Besitzer den Besitz nicht rechtsgeschäftlich, sondern originär (Fund, Okkupation) erwirbt (Pal/Ellenberger Rn 1; Staud/Peters/Jacoby Rn 6). Eine Rechtsnachfolge fehlt ferner, wenn die Nachfolge im Besitz durch verbotene Eigenmacht oder ohne den Willen des bisherigen Besitzers erfolgt (Staud/Peters/Jacoby Rn 6). Ob der Besitz in diesem Sinne willentlich erfolgt ist, bestimmt sich nach den Grundsätzen des § 858, wonach es nicht auf den rechtsgeschäftlichen, sondern auf den natürlichen Willen ankommt (§ 858 Rn 6). Liegt abgeleiteter Besitzerwerb vor, so schadet Schlechtgläubigkeit des Besitzerwerbers nicht (BaRo/Henrich Rn 6; Pal/Ellenberger Rn 1; Soergel/Niedenführ Rn 4; Finkenauer JZ 2000, 241). Erhält der frühere Besitzer die Sache wieder zurück, etwa weil die Übertragung unwirksam war, so liegt ebenfalls Rechtsnachfolge iSd § 198 vor (Soergel/Niedenführ Rn 3).

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3. Rechtsnachfolge ist möglich sowohl bei unmittelbarem als auch bei mittelbarem Besitz (BaRo/ Henrich Rn 5). Rechtsnachfolge liegt auch vor, wenn der bisherige unmittelbare Besitzer mittelbaren Besitz begründet. In diesem Fall bleibt der bisherige Besitzer zwar Besitzer. Der neue unmittelbare Besitzer ist aber Rechtsnachfolger des bisherigen unmittelbaren Besitzers; ihm ist die Besitzzeit des bisherigen Besitzers anzurechnen (BaRo/Henrich Rn 5; MüKo/Grothe Rn 4; anders Erman10 § 221 aF Rn 3; AnwK/Mansel/Stürner Rn 8 aE; Soergel/Niedenführ Rn 5). Keine Rechtsnachfolge liegt aber vor, wenn sich der mittelbare Besitzer durch Unterschlagung oÄ zum Eigenbesitzer macht. Denn dann liegt insoweit originärer Besitzerwerb und keine Rechtsnachfolge vor (i Erg genauso AnwK/ Mansel aaO am Anfang).

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4. Rechtsnachfolge ist mehrfach möglich. Die Besitzzeit aller Besitzvorgänger kommt dem letzten Besitzer zugute (AnwK/Mansel/Stürner Rn 7; BaRo/Henrich Rn 3; Staud/Peters/Jacoby Rn 5).

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Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen (1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem 1. der Anspruch entstanden ist und 2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. (2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an. (3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren 1. ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und

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Gegenstand und Dauer der Verjährung

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2. ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an. Maßgeblich ist die früher endende Frist. (3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an. (4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an. (5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung. I. Vorbemerkung. § 199 regelt den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist. Die Vorschrift gibt 1 der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 ihr eigentliches Wertungsgepräge. Gerade in dem Beginn unterscheidet sich die Gesetz gewordene regelmäßige Verjährungsfrist von dem Vorschlag der Schuldrechtskommission, die in § 195 I BGB-KE für vertragliche Ansprüche ebenfalls eine Verjährungsfrist von drei Jahren vorgeschlagen hatte. Diese Frist sollte aber nach § 196 I S 1 BGB-KE mit der Fälligkeit des Anspruchs beginnen. Das hätte aber dazu geführt, dass die (vertraglichen) Ansprüche des Gläubigers gerade in den problematischen Fällen oft verjährt gewesen wären, bevor der Gläubiger solcher Ansprüche ihrer hätte gewahr werden können. Deshalb hat schon der Regierungsund Fraktionsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts diesen Anknüpfungspunkt nicht übernommen und sich stattdessen für einen an den bisherigen § 852 I aF angelehnten Verjährungsbeginn entschieden (BT-Drucks 14/6040, 96, 102, 107). Wie die regelmäßige Verjährungsfrist gilt auch ihr Beginn ohne Unterschied für alle Ansprüche, die der regelmäßigen Verjährungsfrist unterliegen. Die von der Schuldrechtskommission vorgeschlagene Festlegung eines unterschiedlichen Verjährungsbeginns für gesetzliche und vertragliche Ansprüche haben weder der Regierungsund Fraktionsentwurf noch der Gesetzgeber übernommen. Das jetzt gefundene Modell entspricht den Vorschlägen der Lando-Kommission (Art 17:104, 105, 111). Fehlende Kenntnis führt dort aber zu einer Hemmung der Verjährung (Soergel/Niedenführ Rn 8). Dem ist der Gesetzgeber nicht gefolgt, weil es den Gläubiger gerade bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung ggü dem früheren Recht benachteiligt hätte (übersehen bei Derleder/Meyer KJ 2002, 325, 330f). § 199 gilt für die Verjährung von Ansprüchen, die keiner besonderen Verjährungsfrist unterstellt 2 sind und damit der regelmäßigen Frist unterliegen, und für Ansprüche, die ausdr der regelmäßigen Verjährungsfrist unterstellt sind. Er gilt dagegen nicht, wenn die Verjährungsfrist für einen Anspruch mit einem konkreten Zeitraum bestimmt wird, mag dieser auch genauso lang sein wie die regelmäßige Verjährungsfrist (Kirchhof WM 2002, 2037). Ist der Beginn einer solchen Frist nicht bestimmt, richtet er sich nicht nach § 199, sondern nach § 200 (Soergel/Niedenführ Rn 1). § 199 gilt auch nicht, wenn der Anspruch zwar der regelmäßigen Verjährungsfrist unterliegt, deren Beginn aber besonders geregelt ist. Bsp hierfür sind die Ansprüche auf Rückgabe aus Leihe und Verwahrung, die zwar in der Frist des § 195 verjähren, deren Beginn aber in §§ 604 V, 695 S 2 und 696 S 2 besonders geregelt ist. Die Voraussetzungen des § 199 müssen für jeden Anspruch und für jeden Schuldner gesondert fest- 2a gestellt werden (Otto [Vor § 194], 112ff). Lässt sich ein Schadensersatzanspruch auf mehrere selbst tragende Sachverhalte, zB mehrere Beratungsfehler, stützen, ist die Verjährungsfrist für jeden dieser Sachverhalte selbständig zu berechnen (BGH ZfIR 2008, 334, 836; BKR 2009, 372, 373; 2010, 118, 119; MDR 2011, 596; Maier ZfIR 2008, 753, 756f). Entspr gilt für Amtshaftungsfälle (BGH v 17.9.2008 – III ZR 129/07, Juris; Schlick NJW 2009, 3487, 3494). Das gilt aber nicht für verschiedene Vermögensnachteile, die auf eine einheitliche Pflichtverletzung (zB eine arglistige Täuschung) zurückgehen; hier läuft nur eine einheitliche Verjährungsfrist (BGH MDR 2008, 907; Fellner MDR 2009, 670, 671). II. Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist. 1. Entstehen des Anspruchs. Die regelmäßige Ver- 3 jährungsfrist beginnt nach Abs I Nr 1 nicht, bevor der Anspruch entstanden ist. Entstanden ist ein Anspruch in dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte den Anspruch erstmals geltend machen und notfalls Klage erheben kann, um die Hemmung der Verjährung zu erreichen (BGH 53, 222, 225; 55, 340, 341; 73, 363, 365; 79, 176, 177f; 100, 228, 231; 113, 188, 191; MDR 2000, 383, 384; 2010, 1425, 1426; Staud/Peters/Jacoby Rn 6; MüKo/Grothe Rn 4; Otto [Vor § 194] S 124f). Gewöhnlich genügt die Möglichkeit, Feststellungsklage zu erheben (st Rspr). Die Höhe des Anspruchs braucht nicht festzustehen (BGH 79, 176, 178; BauR 1979, 62; BaRo/Henrich/Spindler Rn 5). Es genügt aber nicht, wenn lediglich die Grundlagen für den Anspruch gelegt sind, er aber erst später durchgesetzt werden kann. Erforderlich ist vielmehr die Fälligkeit. Daran hat sich auch unter Geltung des neuen § 199 I Nr 1 nichts geändert. In dem Regierungs- und Fraktionsentwurf wurde zwar anstelle des im Gesetz jetzt wieder verwandten Begriffs des „Entstehens“ der Begriff „Fälligkeit“ verwandt (BT-Drucks 14/6040, 3, 108). Damit hatte sich der Entwurf aber in diesem Punkt nicht von der Auslegung des insoweit maßgeblichen früheren § 198 S 1 aF entfernen, sondern dessen Auslegung mit einer das Auslegungsergebnis deutlicher kennzeichnenden Formulierung übernehmen wollen (BT-Drucks 14/6040, 108; AnwK/Mansel/Stürner Rn 17). Auf Empfehlung des Rechtsausschusses ist der Gesetzgeber zur alten Terminologie zurückgekehrt (BT-Drucks 14/7052, 180). Der bisher in § 198 S 1 aF verwandte Begriff der „Entstehung des Anspruchs“ ist zwar weitgehend gleichbedeutend mit der Fälligkeit des Anspruchs. Soweit indes künftig auch die deliktischen Ansprüche der regelmäßigen Verjährungsfrist unterfallen, waren aber Zweifel daran aufgetreten, ob bei der Wahl des sprachlich stringenteren Begriffs der „Fälligkeit“ die Rspr zum namentlich im Deliktsrecht angewandten Grundsatz der Schadenseinheit fortgesetzt werden könnte (AnwK/Mansel/Stürner Rn 20f; nicht gesehen bei Otto J. Schmidt-Räntsch

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Allgemeiner Teil Verjährung

[Vor § 194], 109f). An dieser Rspr wollten der Regierungs- und Fraktionsentwurf nichts ändern (BTDrucks 14/7052, 180). 4

Entstanden ist ein Anspruch also nur, aber auch schon, wenn alle Voraussetzungen eingetreten sind, von denen er abhängt. Kann der Anspruch wegen Unmöglichkeit vorübergehend nicht geltend gemacht werden, entsteht er erst, wenn die Geltendmachung möglich ist (BGH MDR 2010, 1425, 1426). Bei einem Gesamtschuldnerinnenausgleich nach § 426 I ist das nicht erst der Zeitpunkt der Zahlung des begünstigten Gesamtschuldners an den Gläubiger (so aber Rechtsauschuss zum SchuldRModG in BT-Drucks 14/7052, 195), sondern das Entstehen des Gesamtschuldverhältnisses (BGH 114, 117, 122; 175, 221, 229; 181, 310, 313; BGH NJW-RR 2008, 256, 257). Ansprüche, die sich durch Ausübung eines Rücktrittsrechts ergeben, entstehen erst mit der Rücktrittserklärung (§ 349); entspr gilt für Vor- und Wiederkauf gem § 456 I 1, 464 II. Dies gilt für Sekundäransprüche aber nur mit Einschränkungen. Zwar beginnt die Verjährung eines Sekundäranspruchs grds erst, wenn seine Voraussetzungen, zB die Unmöglichkeit der Leistung, eingetreten sind (BGH 70, 167, 170; NJW 1999, 2884, 2886). In den entschiedenen Fällen war der Schadensersatzanspruch aber noch vor der Verjährung der Hauptforderung eingetreten. Ist die Hauptforderung jedoch verjährt, bevor die Voraussetzungen für die Sekundäransprüche entstehen, verjähren auch sie. Andernfalls würde die Verjährung der Hauptforderung unterlaufen werden können (KGRp 2005, 736, 737 best durch BGH v 14.4.2005, V ZR 158/04). Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass der Sekundäranspruch dann verjährte, bevor er entsteht. Dies trifft auch in anderen Fällen zu, zB im Falle der §§ 438, 634a BGB oder im Mietrecht (BGH WuM 2005, 126).

4a

Ist eine Gestaltung nach § 315 BGB erforderlich, so beginnt die Verjährung erst, wenn diese Gestaltung durch das Gericht erfolgt ist (BGH NJW 1996, 1054; offen BAG AP Nr 55 zu § 16 BetrAVG). Ist eine Genehmigung erforderlich, entsteht der Anspruch erst mit Erteilung der Genehmigung. Dass diese nach § 184 I Rückwirkung hat, ist verjährungsrechtlich unerheblich, weil der Anspruch vor Erteilung der Genehmigung nicht durchsetzbar war (RG 65, 245, 248; BaRo/Henrich/Spindler Rn 4; MüKo/Grothe Rn 5; Soergel/Niedenführ Rn 13). Hängt der Anspruch von einer Kündigung oder Anfechtung ab, ist anders als bisher nicht der Zeitpunkt maßgeblich, in dem die Kündigung oder Anfechtung erstmals möglich war, sondern der Zeitpunkt, in dem die Kündigung oder Anfechtung erklärt wird (BGH MDR 2002, 1387; BT-Drucks 14/6040, 99, 258; AnwK/Mansel/Stürner Rn 22f; BaRo/ Henrich/Spindler Rn 4; Pal/Ellenberger Rn 4; Soergel/Niedenführ Rn 13; Schmid-Burgk/Ludwig DB 2003, 1046, 1047). Die Rückwirkung der Anfechtung nach § 142 I ist verjährungsrechtlich unerheblich (MüKo/Grothe Rn 5). Entspr gilt für das rückwirkernde Wiederaufleben von Forderungen gem § 144 I InsO. Entstanden ist die Forderung iSd § 199 I erst mit ihrem Wiederaufleben (München ZIP 2009, 1310, 1311). Von dem Eintritt einer aufschiebenden Bedingung oder eines Termins abhängige Ansprüche entstehen erst mit Eintritt der Bedingung oder des Termins, und zwar auch dann, wenn es sich um eine sog Potestativbedingung handelt (BGH 55, 340, 341; NJW 1987, 2745). Hiervon zu unterscheiden ist der Fall, dass nicht die Entstehung des Anspruchs, sondern nur seine Geltendmachung hinausgeschoben sein soll. In diesem Fall entsteht der Anspruch gleich, seine Verjährung ist aber nach §§ 202, 205 gehemmt (BGH NJW 1977, 895). Hängt der Anspruch etwa auf eine Erbbauzinserhöhung von einer Einigung der Parteien und bei deren Scheitern von einer gerichtlichen Bestimmung analog § 315 III ab, so entsteht der Anspruch erst mit der Einigung resp der Rechtskraft der gerichtlichen Bestimmung (BGH MDR 1996, 355). Entspr gilt für Ansprüche, die von einer Festsetzung abhängen (BGH AnwBl 1978, 229). Eine vergleichbare Schwierigkeit entsteht bei Befreiungsansprüchen. Sie können vor der Forderung fällig werden, von der freigestellt werden soll. Es wäre wenig zweckmäßig, wenn der Gläubiger seinen Anspruch geltend machen müsste, bevor die andere Forderung fällig wird. Deshalb erscheint es sachgerecht, hier für das Entstehen des Anspruchs auf die Fälligkeit des Anspruchs abzustellen, von dem freigestellt werden soll (vgl BGH WM 2010, 72, 73f; ZIP 2010, 1295, 1297; Karlsruhe WM 2009, 2076, 2078). Verhaltene Ansprüche, die jederzeit, aber nur auf Verlangen des Berechtigten zu erfüllen sind, sind nach bisheriger Ansicht (etwa BGH MDR 2000, 383, 384) nach Eintritt der sonstigen Voraussetzungen entstanden, auch wenn der Gläubiger das Erfüllungsverlangen nicht ausspricht. Das war bisher auch sachgerecht, da ein Abstellen auf die Geltendmachung zu einer beträchtlichen Verlängerung der ohnehin schon langen Verjährungsfrist geführt und es auch erlaubt hätte, das Verbot einer Erschwerung der Verjährung nach § 225 aF zu unterlaufen. Diese Bedingungen haben sich grundlegend verändert: Die Verjährungsfrist beträgt heute nur noch drei Jahre und würde den Gläubiger zwingen, zur Rechtswahrung ein Schuldverhältnis zu beenden, das er aber fortsetzen möchte. Außerdem besteht das Erschwerungsverbot nicht mehr. Der Gesetzgeber hat zwar davon abgesehen, das Entstehen des Anspruchs in solchen Fällen explizit anders zu regeln. Er hat aber bei den Hauptanwendungsfällen, Leihe und Verwahrung, durch Sondervorschriften bestimmt, dass die Verjährung mit der Geltendmachung des Anspruchs beginnen soll (§§ 604 V, 695 S 2, 696 S 2). Hieraus ist das allg Prinzip zu entnehmen, dass verhaltene Ansprüche generell erst mit der Geltendmachung entstehen (AnwK/Mansel/Stürner Rn 23; BaRo/Henrich/Spindler Rn 10; MüKo/Grothe Rn 7; Pal/Ellenberger Rn 8; Soergel/Niedenführ Rn 17). Verhaltene Ansprüche können sich auch aus einer Vereinbarung der Parteien ergeben (BGH MDR 2000, 383). Sie würden ebenfalls erst mit dem Verlangen iSd § 199 I Nr 1 entstehen (Pal/Ellenberger Rn 12). Die Parteien könnten dies anders gestalten. Nicht zu den verhaltenen Ansprüchen gehört der Anspruch gegen den Bürgen. Er wird mit dem gesicherten Hauptanspruch fällig (BGH 175, 161, 169), und zwar auch bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern (BGH NJW-RR 2009, 378, 379). Das ergibt sich aus der Hemmungsregelung in § 771 S 2. Sie setzt gedanklich voraus, dass der Anspruch gegen den Bürgen gleichzeitig mit der Hauptforderung entsteht. Das war auch die Vorstellung des Gesetzgebers (Begr. SchuldRModG in BT-Drucks 14/7052, 206). Dafür spricht auch, dass der Bürgschaftsgläubiger 600

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nach Fälligkeit der Hauptforderung den Bürgen gleich in Anspruch nehmen kann, wenn die Einrede der Vorausklage abbedungen ist oder von vorherein nicht besteht (§ 349 S 1 HGB). In aller Regel ist ein Anspruch entstanden, wenn er fällig ist (BGH MDR 2000, 383, 384; RG 120, 355, 5 362). Die Fälligkeit bestimmt sich nach Gesetz oder Vereinbarung. Nach § 271 tritt Fälligkeit im Zweifel sofort ein. Dann entsteht der Anspruch auch sofort. Ist der Anspruch auf wiederkehrende Leistungen gerichtet, entsteht der Anspruch für jede Teilleistung gesondert, nämlich dann, wenn sie verlangt werden kann (MüKo/Grothe Rn 8). Mit der Möglichkeit, die erste Teilleistung zu verlangen, entsteht auch ein den Teilleistungen zugrunde liegendes Stammrecht (RG 136, 427, 432; MüKo/Grothe Rn 8). Dieses frühere Entstehen des Stammrechts hat den Gesetzgeber dazu veranlasst, in einem Fall, nämlich bei betrieblichen Altersversorgungen, das Stammrecht aus der regelmäßigen Verjährungsfrist herauszunehmen und einer Verjährungsfrist von 30 Jahren zu unterstellen (§ 18a S 1 BetrAVG). Damit sollte nach der Beschlussempfehlung der Rspr des BAG zu der unterschiedlichen Verjährung des Stammrechts und der einzelnen Ansprüche Rechnung getragen werden (BT-Drucks 14/7052, 213). In der Sache aber ging es darum, dass Betriebsrenten nach Eintritt des Rentenfalls oft übersehen werden, wenn sie aus früheren Beschäftigungsverhältnissen stammen, die der Berechtigte aus dem Blick verloren hat. Dann werden sie weder abgefordert noch erfüllt, so dass es anders als sonst auch nicht zu einem Anerkenntnis des Stammrechts durch Zahlung der Betriebsrente kommt. Solche Fälle können auch in anderen Rechtsverhältnissen auftreten. Der Gesetzgeber hat hierfür aber keine Ausnahmeregelungen geschaffen, weil die Instrumente des neuen Verjährungsrechts erlauben, den Eintritt der Verjährung zu verhindern. Ansprüche aus einer wiederholten Vertrags- oder Rechtsverletzung entstehen mit der jeweiligen Rechtsverletzung, also immer wieder neu (BGH MDR 2002, 1131; MüKo/Grothe Rn 13). Anders liegt es dann, wenn es sich um ein Tun oder Unterlassen handelt, das vertragliche oder gesetzliche Pflichten ggü dem Gläubiger ununterbrochen verletzt oder seine Rechte ununterbrochen stört. Dann entsteht der Anspruch mit dem ersten Tun oder Unterlassen und nicht immer wieder neu. Ein Anspruch aus einer Handlung, die zu einer dauernden Beeinträchtigung führt, entsteht mit der Beeinträchtigung (MüKo/Grothe Rn 13). Durch Gesetz oder Vereinbarung kann die Fälligkeit von einem Verhalten des Gläubigers, zB der 6 Kündigung (Schmid-Burgk/Ludwig DB 2003, 1046, 1047) oder der Erteilung einer Rechnung, abhängig sein. Auch dann entsteht der Anspruch iSd § 199 I Nr 1 erst in dem Zeitpunkt, in dem der Gläubiger die von ihm verlangte Handlung vornimmt, dem Schuldner also zB kündigt oder ihm die erforderliche Rechnung zusendet (BGH MDR 1999, 221; LG München I VersR 2004, 1009; Hohmann WM 2004, 757). Dies konnte unter altem Recht bedenklich erscheinen, weil eine Nichtvornahme dieser Handlung i Erg eine nach § 225 aF an sich unzulässige Verlängerung der Verjährung bewirken konnte. Gleichwohl hat es die Rspr abgelehnt, in solchen Fällen ein Entstehen des Anspruchs zu einem naheliegenden früheren Zeitpunkt, nämlich dem Zeitpunkt anzunehmen, in dem der Gläubiger die Fälligkeit seines Anspruchs selbst herbeiführen kann (BGH 55, 340, 344; NJW 1971, 1455). Dabei bleibt es auch unter neuem Recht, weil sich der Gesetzgeber für eine Anknüpfung an das bisherige Begriffsverständnis entschieden und nach Aufgabe des Erschwerungsverbots des früheren § 225 aF durch den neuen § 202 auch keinen Grund mehr für ein solches einengendes Begriffsverständnis hätte. Der Gesetzgeber ist deshalb auch dem Vorschlag des BR nicht gefolgt, in solchen Fällen eine Ausschlussfrist zu bestimmen, zumal es auch kaum Kriterien für deren Bemessung gibt (BT-Drucks 14/6857, 42, 43 gegen ibid S 6, 7). Die Ansprüche zB der Versorgungsunternehmen für die Versorgung mit Elektrizität, Gas, Fernwärme und Wasser entstehen nach wie vor gem § 17 I S 1 StromGVV und GasGVV, § 23 I S 1 NAV und NDAV, § 27 I AVBFernwärmeV und AVBWasserV zwei Wochen nach Zugang der Endoder Abschlagsrechnung. Dies gilt im Rahmen der Nachberechnungsbegrenzung von drei Jahren nach § 18 II StromGVVund GasGVV bzw. zwei Jahren nach § 21 II AVBFernwärmeV und AVBWasserV auch, wenn die Ansprüche wegen eines früheren Ablesefehlers nachträglich berechnet werden (BGH MDR 1982, 222; 1987, 312). Die Ansprüche des Werkunternehmers setzen bei einem VOB-Vertrag die Erteilung einer prüffähigen Schlussrechnung voraus (BGH 83, 382; 105, 290). Ähnlich bei HOAI: Schleswig BauR 2003, 1425, 1426. Wenn es der Gläubiger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unterlässt, die zur Herbeiführung der Fälligkeit erforderliche Rechnung zu erteilen, führt dies i Erg allerdings nicht zur Unverjährbarkeit seiner Forderung (so Pal/Ellenberger Rn 6). Der Gläubiger muss sich bei Nichterteilung der Rechnung zwar nicht analog § 162 so behandeln lassen, als habe er die Rechnung zum gesetzlich vorgeschriebenen Zeitpunkt erteilt (BGH 113, 188, 195; MDR 1987, 312 gegen BGH MDR 1987, 133; 2000, 206; LG München I NJW-RR 2003, 311, 312). Allerdings kommt in solchen Fällen eine Verwirkung in Betracht (BGH 91, 62, 71; 113, 188, 196; 157, 118, 132; BT-Drucks 14/6857, 43; AnwK/Mansel/Stürner Rn 25; Soergel/Niedenführ Rn 17; aM BaRo/Henrich/Spindler Rn 8). Diese wird man annehmen können, wenn der Gläubiger mit der Erteilung der Rechnung grundlos wartet, bis 3 Jahre nach dem Schluss des Jahres verstrichen sind, in dem die Rechnung hätte erteilt werden können (Pal/Ellenberger Rn 6). Etwas anderes gilt, wenn der Gläubiger deutlich macht, dass er die Forderung geltend machen wird (Karlsruhe GesR 2002, 101). Hat der Gläubiger eine Rechnung erteilt, führt diese nur dann zur Fälligkeit der abgerechneten Forderungen, wenn die Rechnung (insgesamt) prüffähig (dazu BGH 157, 118, 131) ist. Wird die Prüffähigkeit nicht binnen angemessener Frist (berechtigterweise) gerügt, verliert der Schuldner den Einwand mangelnder Prüffähigkeit. Wird das für den Gläubiger erkennbar, beginnt die Verjährung seines Anspruchs (BGH 157, 118, 128; etwas pauschaler zwei Monate: Dresden BauR 2005, 1500; Bremen NJWRR 2009, 1510, 1511). Ein Rückgriff auf diese Grundsätze ist unnötig, wenn der Schuldner die Rechnung wie nach § 14 Nr 4 VOB/B 2002 selbst erstellen oder wenn er auf Erteilung der Rechnung klagen kann (BGH 113, 188, 196; Nürnberg ArztR 2001, 249).

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Das Gesetz kann Ansprüche auch von dem Verhalten eines Dritten abhängig machen. Dann entsteht der Anspruch erst, wenn der Dritte tätig wird. Ein Bsp hierfür ist der Anspruch gegen einen Vertreter ohne Vertretungsmacht aus § 179. Er setzt nach § 179 I voraus, dass der Vertretene die Genehmigung des Vertrags verweigert. Deshalb entsteht der Anspruch auch erst mit dieser Verweigerung (BGH 73, 266, 271). Einem erst nach Eintritt der Verjährung ermittelten vollmachtlosen Vertreter kann allerdings die Berufung auf die Verjährung uU nach § 242 versagt sein.

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Schadensersatzansprüche entstehen nicht schon mit der Vornahme der zum Schadensersatz verpflichtenden Handlung oder mit dem Eintritt eines anderen Grundes für die Haftung auf Schadensersatz. Sie entstehen vielmehr erst, wenn ein Schaden eingetreten ist (BGH WM 1991, 1737, 1738; NJW 1993, 648, 650). Bei einer Pflichtverletzung von Steuerberatern ist das z. B der Fall, wenn der aufgrund der Pflichtverletzung des Steuerberaters zu hoch ausgefallene Steuerbescheid bestandskräftig wird (BGH 114, 150, 153; ungenau Celle OLGRp 2005, 489, 490). Dieser Grundsatz gilt, soweit nicht gesetzliche Ausnahmen eingreifen, auch für Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzung gem § 280. Auf solche Ansprüche wurde bisher zwar die kurze Verjährungsfrist im Kauf-, Werk- oder Mietvertrag angewandt (BGH 142, 36, 43; 107, 179, 182). In der Rspr wurde der gesetzliche Beginn dieser Verjährungsfrist aber nur bei Ansprüchen aus pFV zugrunde gelegt (BGH 77, 215, 222). Bei Ansprüchen aus § 326 aF stellte die Rspr demggü auf den Zeitpunkt ab, ab dem Schadensersatz verlangt werden konnte (BGH 107, 179, 184; 142, 36, 44; RG 128, 76, 79). Dies hatte in der Literatur Kritik gefunden, die sich überwiegend für ein umgekehrtes Vorgehen aussprach (Reinicke/Tiedtke ZIP 1999, 1905). Diese Frage ist jetzt für den Kauf und den Werkvertrag weitgehend auf der Linie der Rspr gesetzlich geregelt: Die in §§ 438 I, 634a I bestimmten meist kürzeren Verjährungsfristen gelten für alle in § 437 Nr 1 und 3, § 634 Nr 1, 2 und 4 bestimmten Ansprüche, also auch für Nacherfüllungs- und Schadensersatzansprüche (BT-Drucks 14/6040, 228, 229). Diese Verjährungsfristen beginnen für alle Ansprüche gem § 438 II mit der Ablieferung, wenn nicht § 438 III gegeben ist (BT-Drucks 14/6040, 229). IÜ aber bleibt es bei der regelmäßigen Verjährung und ihrem in § 199 bestimmten Beginn. Das bedeutet etwa für den Kauf: Der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung wegen (Sach- oder Rechts-)Mängeln verjährt gem §§ 437 Nr 3 iVm 280, 281 nach § 438 I, II. Der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung wegen Verzögerung oder Nebenpflichtverletzung nach §§ 280, 281 bzw 282 verjährt hingegen nach §§ 195, 199. Beim Mietvertrag ist das Problem trotz einer entspr Anregung des BR (BT-Drucks 14/6857, 35) keiner gesetzlichen Regelung zugeführt worden. Die Besonderheiten des Mietrechts (BT-Drucks 14/6857, 66) mögen eine andere Verjährungsfrist erforderlich machen; sie nötigen aber nicht dazu, die bisherige Rspr zum Lauf der Frist aufzugeben. Sie entspricht insoweit der neuen gesetzlichen Regelung. Diese gibt allerdings keinen Ansatzpunkt, im Rahmen des § 199 das Entstehen des Anspruchs auf Schadensersatz statt der Leistung anders zu bestimmen (so aber Pal/Ellenberger Rn 15; wie hier Soergel/Niedenführ Rn 24; Staud/Peters/Jacoby Rn 23f).

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Der Schaden kann später als die pflichtwidrige Handlung oder Unterlassung eintreten; seine Höhe braucht jedoch für den Beginn der Verjährung nicht festzustehen. Die Rspr nahm ursprünglich an, dass der gesamte Schaden, der aus einer unerlaubten Handlung stammt, eine Einheit darstellt, so dass der ganze Anspruch verjährt, sobald nur ein Teil des Schadens wirksam geworden ist. Dieser Standpunkt ist gemildert worden. Der Verjährungsbeginn erstreckt sich nur dann auf später eintretende Schadensfolgen, wenn sie sich nach den Anschauungen des Verkehrs voraussehen und erwarten lassen (st Rspr, BGH LM Nr 3 zu § 198, Nr 1 zu § 558; RG 83, 354, 360; 87, 306, 311; 153, 101, 107; BAG AP § 198 BGB Nr 8; Düsseldorf ZfIR 2010, 31, 35; BaRo/Henrich/Spindler Rn 27–29; MüKo/Grothe Rn 9–12). Dieser Gedanke ist unter Geltung des früheren § 852 I aF entwickelt worden. Der Gesetzgeber wollte diese Rspr unter Geltung des neuen § 199 bewusst aufrecht erhalten (BT-Drucks 14/7052, 180). Da diese Vorschrift aber nicht nur für deliktische Ansprüche, sondern schlechthin für alle Ansprüche gilt, die der regelmäßigen Verjährung unterfallen, gilt dieser Gedanke jetzt auch für andere Ansprüche auf Schadensersatz (Pal/Ellenberger Rn 14). Dies war auch dem früheren Recht nicht ganz fremd (BGH 50, 21, 24). Soweit keine Schadenseinheit besteht, ist der Anspruch auf Ersatz des zu erwartenden Schadens nach § 199 I Nr 1 erst entstanden, wenn dieser tatsächlich eingetreten ist (BGH WM 1991, 1737, 1738). Hat das zum Schadensersatz verpflichtende Verhalten zunächst nur zu einem Schadensrisiko geführt, so tritt der Schaden erst bei der Verwirklichung des Risikos ein; erst dann entsteht der Anspruch (BGH 100, 228, 233; MDR 2000, 793; 2009, 1167, 1169; BaRo/Henrich/Spindler Rn 13). Haftet ein Architekt für fehlerhafte Bauausführung nur im Fall des Unvermögens des Unternehmers, so beginnt die Verjährung des gegen ihn gerichteten Schadensersatzanspruchs nicht – wie vereinbart – schon mit der Abnahme des Bauwerks, sondern erst, wenn das Unvermögen des Unternehmers feststeht (BGH NJW 1987, 2743). Besteht der Schaden darin, dass Dritte Ansprüche geltend machen können, entsteht der für den Regressanspruch und damit für den Verjährungsbeginn maßgebende Schaden erst dann, wenn der Dritte seine Rechte gegen den Mandanten geltend macht (BGH NJW 1996, 2929; MDR 2000, 793). Bei einer schädigenden Dauerhandlung beginnt die Verjährung erst nach deren Beendigung. Dagegen beginnt für jede wiederholt zum Schadensersatz verpflichtende Handlung eine besondere Verjährung. Der strafrechtliche Begriff der fortgesetzten Handlung findet im Zivilrecht keine Anwendung (BGH LM Nr 3 zu § 21 UWG; RG 134, 335, 341).

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Das Entstehen eines vertraglichen Anspruchs kann sich auch aus dem Sinn und Zweck des Vertrags ergeben. Das ist etwa bei Ansprüchen aus einer vereinbarten Garantie anzunehmen, die eine Einstandspflicht für alle innerhalb der Garantiefrist aufgetretenen Mängel begründen soll. Nach dem Sinn und Zweck einer solchen Vereinbarung entstehen Ansprüche aus der Garantie erst mit dem Zeitpunkt der Entdeckung des Mangels (BGH 75, 75, 81; NJW 1979, 645). Ähnliches kann für gesetzliche Ansprüche gelten. So begann die Verjährungsfrist des Anspruchs auf Herausgabe nach dem 602

J. Schmidt-Räntsch

Gegenstand und Dauer der Verjährung

§ 199

VermG restituierten Grundvermögens als Surrogat nach § 281 BGB aF (= § 285 BGB) mit dem Inkrafttreten des VermG (BGHRp 2005, 1112, 1113; DtZ 1996, 26). Weitere Bsp: Ein persönlicher Anspruch entsteht im Allg mit Entstehung des Schuldverhältnisses, 11 ein dinglicher jedoch erst, wenn sich ein Dritter zu dem Recht in Widerspruch setzt. Eine Kaufpreisforderung entsteht nicht erst im Zeitpunkt der Lieferung, sondern idR mit Abschluss des Kaufvertrags, es sei denn, dass sie erst zu einem späteren Zeitpunkt fällig wird (BGH 55, 340, 342). So macht die Klausel „Zahlung gegen Dokumente“ die Forderung erst bei Vorlage der Dokumente fällig (BGH aaO). Die Heizkostennachforderung eines Vermieters gegen den Wohnungsmieter entsteht mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Mieter die Abrechnung über die Heizkosten zugeht (BGH 113, 188, 194). Der Werklohnanspruch entsteht mit der Abnahme des Werks (§ 641 I S 1), und zwar auch dann, wenn der Bauhandwerker noch keine Rechnung erteilt hat; vom Zeitpunkt der Abnahme an kann der Bauhandwerker mit einer Feststellungsklage die Vergütung geltend machen, gleichviel, ob die Vergütung schon bezifferbar ist (BGH 79, 176, 178; BauR 1979, 22; krit Dilcher JZ 1983, 825, 829). Der Anspruch auf Schlusszahlung des Werklohns nach VOB entsteht dagegen nach § 16 Nr 3 I S 1 VOB/B 2002 erst nach Vorlage der Schlussrechnung (BGH NJW 1968, 1962; 1970, 938; 1971, 1455; Staud/Peters/Jacoby Rn 17ff; MüKo/Grothe Rn 19). Beendet der Auftraggeber die Prüfung der Schlussrechnung schon vor Ablauf der Prüfungsfrist von zwei Monaten, so wird der Anspruch auf die Schlusszahlung bereits mit der Mitteilung des Prüfungsergebnisses an den Auftragnehmer fällig (§ 16 Nr 3 I S 1 VOB/B 2002; BGH 83, 382). Der Anspruch auf das Arzthonorar entsteht grds nach jeder einzelnen Konsultation, die allerdings auch mehrere Arztbesuche umfassen kann, auch wenn meist aus organisatorischen Gründen mehrere für einzelne Behandlungen angefallene Vergütungen in einer Rechnung zusammengefasst werden (Laufs, ArztR, 5. Aufl 1993, Rn 121; LG Göttingen NJW 1980, 645). Bei Kontokorrent beginnt die Verjährung mit der Saldierung. Die Einzelforderung kann nur maßgebend sein, wenn sie durch Bestreiten ihre rechtliche Selbständigkeit behält. Die Verjährungsfrist beim Anspruch der Staatskasse auf Rückzahlung einer überzahlten Sachverständigenentschädigung beginnt mit der Entstehung des Anspruchs bei Auszahlung der Entschädigung (Hamm OLGRp 2001, 268). Im öffentlichen Recht kann das Entstehen von Rückforderungsansprüchen von dem Erlass eines Rückforderungsbescheids abhängen (FG Hamburg v 28.10.2005 – IV 28/04, Juris). In Sonderfällen erkennt die Rspr an, dass Ansprüche, die aus einem Schuldverhältnis entstehen, zwar sofort geltend gemacht werden können, aber nicht verjähren. Dann entsteht der Anspruch iSd § 199 I nicht schon mit der Möglichkeit seiner Geltendmachung, sondern erst mit der Beendigung des Schuldverhältnisses (§ 194 Rn 23a). 2. Kenntnis und grob fahrlässige Unkenntnis von den Anspruchsgrundlagen. a) Kenntnis des 12 Gläubigers. Nach § 199 I Nr 2 beginnt die regelmäßige Verjährung nicht schon mit dem Entstehen des Anspruchs, sondern erst, wenn der Gläubiger Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht erlangt. Hierbei kommt es auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers an. Gläubiger ist der Inhaber des Anspruchs. Das ist bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung nicht nur der eigentlich Verletzte selbst, sondern auch der, der aufgrund von §§ 844f Ansprüche aus der Verletzung eines anderen ableiten kann. Im Fall der Drittschadensliquidation wird der Anspruch aber gerade nicht von dem formellen Inhaber des Anspruchs, sondern von dem geltend gemacht, in dessen Person der von dem Anspruch abgedeckte Schaden entstanden ist. Deshalb kann es für die Kenntnis sinnvollerweise auch nur auf diesen ankommen (BGH NJW 1967, 930). Besonderheiten ergeben sich auch bei Ansprüchen gegen den Insolvenzverwalter. Da Schadensersatzansprüche gegen ihn nur durch einen Sonderverwalter oder einen neu bestellten Verwalter verfolgt werden können, beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist für solche Ansprüche erst zu laufen, wenn dieser Verwalter von den maßgeblichen Umständen Kenntnis erlangt hat (BGH 113, 262, 280; 159, 25, 28f; BGHRp 2008, 994, 995). Der Gläubiger muss allerdings in der Lage sein, rechtsgeschäftlich tätig zu werden. Andernfalls 13 kann er seine etwaige (natürliche) Kenntnis nicht zur Verfolgung seiner Ansprüche einsetzen. Ist der Gläubiger minderjährig oder aus einem anderen Grund beschränkt oder nicht geschäftsfähig, kommt es auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des gesetzlichen Vertreters an (BGH NJW 1989, 2323; 1996, 2933, 2934; Schleswig OLGRp 2009, 467; Soergel/Niedenführ Rn 37). Sind die Eltern gesetzliche Vertreter, kommt es nicht immer auf die Kenntnis beider an. Hat der eine Elternteil dem anderen die Wahrnehmung der Kindesinteressen tatsächlich überlassen, muss er sich dessen Kenntnis zurechnen lassen (BGH NJW 1976, 2344). Bei jur Pers des Privat- wie des öffentlichen Rechts kommt es nach §§ 31, 89 grds auf die Kenntnis 14 der Organe an. Das sind die Organe, die die Geschäfte der jur Pers führen, und, falls es um Ansprüche gerade gegen diese geht, die Organe, die eine Klage gegen diese veranlassen müssen (Naumburg OLGRp 2001, 238; MüKo/Grothe Rn 32; PWW/Kesseler Rn 12). Bei jur Pers liegt die Anspruchsbearbeitung regelmäßig nicht in der Hand der Organe, sondern in der Hand von hierfür bestimmten Stellen und Mitarbeitern. In je nach Art des Anspruchs direkter oder analoger Anwendung von § 166 I reicht die Kenntnis solcher Stellen und innerhalb solcher Stellen nicht nur von deren Leitern, sondern auch von dort für die Anspruchsbearbeitung bestellten Mitarbeitern aus. Diese Grundsätze gelten für jur Pers des öffentlichen und des Privatrechts gleichermaßen. Bisher hat die Rspr im Rahmen von § 852 aF aber entscheidend auf das Wissen der Entscheidungsträger und nicht auf die Verfügbarkeit des Wissens in der Organisation abgestellt (BGH 133, 129, 139; MDR 2000, 698; Köln OLGRp 2002, 197; Dresden OLGRp 2001, 508; vgl aber BGHRp 2001, 567). Demggü hält die Rspr eine Zurechnung auch verfügbaren Wissens im rechtsgeschäftlichen Bereich für möglich (BGH 132, 30, 37; für Delikt aber auch BGHRp 2001, 567). Diese Unterscheidung wird sich im Rahmen von § 199 I in dieser J. Schmidt-Räntsch

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§ 199

Allgemeiner Teil Verjährung

Form nicht aufrechterhalten lassen (AnwK/Mansel/Stürner Rn 60; Soergel/Niedenführ Rn 49). § 199 behandelt rechtsgeschäftliche und deliktische Ansprüche gleich. Er stellt die grob fahrlässige Unkenntnis der Kenntnis gleich. Damit werden dem Gläubiger zwar keine eigenen Ermittlungspflichten auferlegt. Wohl aber wird ihm Verschulden gegen sich selbst zugerechnet. Ein Fall des Verschuldens gegen sich selbst sind die Folgen einer Wissensaufspaltung. Der Gläubiger einer jur Pers (des Privatoder des öffentlichen Rechts) darf nicht besser, aber auch nicht schlechter gestellt sein, als wenn sein Schuldner eine nat Pers wäre (BGH 132, 30, 36f). Das setzt die grds Zurechnung auch von verfügbarem Wissen voraus (Schmid ZGS 2002, 180, 181). Dabei wird man nicht grds zw gesetzlichen und rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Ansprüchen unterscheiden können (in diesem Sinne etwa BGHRp 2001, 567; für eine Unterscheidung aber BaRo/Henrich/Spindler Rn 35). Denn Anknüpfungspunkt der Wissenszurechnung ist die Wissensaufspaltung als solche, die sowohl bei gesetzlichen als auch bei vertraglichen Ansprüchen wirksam werden kann. Die Wissenszurechnung hat aber Grenzen, und hierbei können sich – und insoweit ist Spindler (aaO) zuzustimmen – in der konkreten Anwendung Unterschiede zw gesetzlichen und rechtsgeschäftlichen und rechtsgeschäftsähnlichen Ansprüchen ergeben. Eine Zurechnung verfügbaren Wissens kommt nur für die nach außen in Erscheinung tretende Funktionseinheit in Betracht, weil die jur Pers sonst schlechter stünde als eine nat Pers, die eben nicht über mehr Wissen verfügen muss als sie selbst hat (BGH 117, 104, 107). Auch innerhalb dieser Organisationseinheit kommt eine Zurechnung verfügbaren Wissens nur in Betracht, wenn eine reale Möglichkeit und auch konkreter Anlass bestehen, sich das Wissen zu beschaffen (BGH 132, 30, 38). Dazu kommt es darauf an, ob das Wissen überhaupt verfügbar gehalten werden musste und ob auch unter Berücksichtigung der zeitlichen Abläufe ein besonderer Anlass besteht, sich des verfügbaren Wissens zu vergewissern. Bei jur Pers des öffentlichen Rechts kommt es darauf an, dass die zuständige oder rechtsgeschäftlich tätig gewordene Behörde Kenntnis erhält. Denn nur diese Behörde könnte die Klage erheben (BGH 133, 129; 134, 343; MDR 2009, 926, 927). Nur auf das dort vorhandene Wissen kann die jur Pers verwiesen werden. Deshalb kann weder die Kenntnis eines Mitarbeiters noch vorhandenes Aktenwissen einer zur Verfügung über den Anspruch nicht zuständigen Stelle der zuständigen Stelle als Kenntnis zugerechnet werden (BGH 117, 104, 107; NJW 1997, 1584). Zugerechnet werden kann auch nicht die Kenntnis jedweden Mitarbeiters in der zuständigen Behörde (BGH NJW 1985, 2583; 1997, 1584 mN). Dieser muss zwar nicht ausschließlich für die Sachbearbeitung zuständig sein (BGH NJW 1994, 1150). Er muss aber nach der Wissensorganisation der Behörde der Sachbearbeitung so nah sein, dass Veranlassung besteht, auf sein Wissen zuzugreifen (BGH 132, 30, 39; MDR 2011, 596, 597). Das wird man nicht verneinen können, wenn die Kenntnis in einer Arbeitseinheit verfügbar ist, die zwar nicht selbst die Sachbearbeitung durchführt, wohl aber dafür Sorge zu tragen hat, dass die Sachbearbeitung der dafür zuständigen Arbeitseinheiten nach einheitlichen Grundsätzen abläuft (Schmid ZGS 2002, 180, 182; vgl aber BGH NJW 1986, 2315; 1992, 1755; Dresden OLGRp 2001, 508). Es genügt, dass die Kenntnis bei der zuständigen Körperschaft oder Behörde vorliegt; nicht erforderlich ist, dass auch etwa zu beteiligende Kontrollinstanzen, zB Rechnungsprüfungsämter, Kenntnis erlangt haben (BGH NJW 2008, 2427, 2428). Auch bei privaten Körperschaften kommt es nicht nur auf die Kenntnis der Organe an, die allerdings auch genügt (RG JW 1936, 3111). Auch hier genügt es, wenn der für die Anspruchsbearbeitung bestellte Mitarbeiter Kenntnis hat. Es gelten die gleichen Grundsätze wie bei Körperschaften des öffentlichen Rechts (BGH NJW 1994, 1150). Die oa Grundsätze der Wissenszurechnung gelten nach der Anerkennung ihrer Teilrechtsfähigkeit (BGH 163, 154, 162ff; § 10 VI S 1 WEG) auch für die WEG. Organ- und Sachbearbeiterwissen ist nicht zurechenbar, wenn das Organ oder der Sachbearbeiter selbst der Schuldner ist (BGH 179, 344, 354f Rn 34; WM 2011, 794, 795). 15

Auch in anderen Fällen kann dem Gläubiger nach § 166 I die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis anderer Personen zuzurechnen sein. Eine solche Zurechnung kommt aber nicht schon dann in Betracht, wenn der Gläubiger einen Vertreter bestellt hat. Voraussetzung ist vielmehr, dass die Erlangung solcher Kenntnis auch zum Aufgabenkreis des Vertreters gehörte (AnwK/Mansel/ Stürner Rn 59; Gaier NZM 2003, 90, 95, 96 für Zuordnung von Verwalterwissen ggü WEG). Hierbei wird man auch kaum zw rechtsgeschäftlichen und gesetzlichen Ansprüchen unterscheiden können (AnwK/Mansel/Stürner Rn 60). Denn die Vollmacht, einen bestimmten Vertrag abzuschließen, muss nicht unbedingt auch die Vollmacht zur Abwicklung dieses Vertrags umfassen. Deshalb wird man einem Gläubiger nicht ohne weiteres die Kenntnis seines Rechtsanwalts zurechnen können, sondern nur, wenn dieser gerade mit der Abwicklung der Angelegenheit und – bei Ansprüchen aus unelaubter Handlung – auch Tatsachenermittlung beauftragt (BGH NJW 1968, 988) oder – ggf auch ohen förmlichen Auftrag – tatsächlich betraut ist (BGH 114, 104, 107). Entspr gilt für Treuhänder (Schmidt NJW 2007, 2447, 2448; Maier ZfIR 2008, 73, 755f; offengelassen von BGH 171, 1, 12f), den Verwalter der WEG (München NJW-RR 2007, 1097, 1098), den Bauleiter, der mit der Rechnungsprüfung beauftragt ist (BGH NJW 2008, 2427, 2428; Celle OLGRp 2009, 878) oder den Steuerberater, der seinen Mandanten im Unklaren darüber lässt, dass er das gebotene Rechtsmittel im Besteuerungsverfahren nicht eingelegt hat (Celle DB 2011, 524). Ist der Treuhandauftrag wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig, entfällt eine Zurechnung (BGH 171, 12f; Fellner MDR 2009, 670).

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Bei Gläubigermehrheit sind alle auf Gläubigerseite Beteiligten Gläubiger. Es liegt deshalb nahe, die Kenntnis aller zu fordern. Dies ist bei einem Anspruch einer Erbengemeinschaft aus unerlaubter Handlung, bei dem die Kenntnis iSd § 852 I aF nicht in der Person des Erblassers eingetreten war, bejaht worden (Celle NJW 1964, 869, 870; RGRK/Kreft § 852 Rn 42). Daran wird man auch unter neuem Recht im Ausgangspunkt festhalten müssen (BaRo/Henrich/Spindler Rn 38; Gaier NZM 2003, 90, 93 für Mitglieder der WEG). Allerdings muss auch für eine Gläubigermehrheit gelten, was für Gesamtvertreter anerkannt ist (vgl Rn 13): Wenn die übrigen Gläubiger einem oder mehreren von ihnen die 604

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Gegenstand und Dauer der Verjährung

§ 199

Wahrnehmung einer Angelegenheit überlassen haben, dann müssen sie sich auch die Kenntnis dieses oder dieser Gläubiger analog § 166 I zurechnen lassen. Bei Personengesellschaften müssen sich deshalb Gesellschaft wie Gesellschafter die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis eines geschäftsführenden Gesellschafters zurechnen lassen (BaRo/Henrich/Spindler Rn 38). Wenn bei einem Vertrag auf einer oder beiden Seiten mehrere Personen beteiligt sind, wird man sie jeweils untereinander als „Kenntnisvertreter“ der anderen Personen dieser Vertragsseite ansehen und ihnen ihre Kenntnis in Ansehung von Ansprüchen im Zusammenhang mit diesem Vertrag zurechnen müssen (für § 123 Koblenz NJW-RR 2003, 119, 120; i Erg genauso, aber unter Hinw auf § 139 RG 65, 399, 405). Entspr gilt für Ansprüche in vertragsähnlichen Situationen wie zB der gemeinschaftlichen Geschäftsführung ohne Auftrag. In den Fällen des Gläubigerwechsels ist zu unterscheiden: Hatte der Zedent vor dem Anspruchs- 17 übergang Kenntnis, ist sie dem Zessionar anzurechnen (BGH VersR 1961, 910). Hatte der Altgläubiger noch keine Kenntnis, kommt es allein auf die Kenntnis des neuen Gläubigers an (BGH NJW 1982, 1761). Nach §§ 404, 412 gilt dasselbe bei einem gesetzlichen Forderungsübergang (BGH 38, 385, 389 für § 67 VVG; Celle OLGRp 2000, 195). Dies ist auch dann der Fall, wenn der Anspruch mit seiner Entstehung auf einen anderen übergeht, wie das zB bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung der Fall ist, die auf einen Sozialversicherungsträger übergehen (BGH 48, 181, 186; NJW 1983, 1912). b) Kenntnis und grob fahrlässige Unkenntnis. Der Gläubiger muss von den den Anspruch begrün- 18 denden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht erlangt haben. aa) Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und von der Person des Schuld- 18a ners hat der Gläubiger nicht erst dann, wenn der Anspruch bewiesen ist oder der Gläubiger selbst keinerlei Zweifel mehr hat. Kenntnis hat der Gläubiger vielmehr schon dann, wenn er aufgrund der ihm bekannten Tatsachen den Anspruch, wenn auch nur im Wege der Feststellungsklage (BGHRp 2006, 763, 764), mit hinreichender Aussicht auf Erfolg einklagen kann (BGH 48, 181, 183; 102, 246, 248; NJW 1990, 2208; 2008, 2576, 2578; NJW-RR 2008, 1495, 1497; WM 2008, 202, 203; MDR 2000, 793; BGHRp 2003, 557; MüKo/Grothe Rn 25). Es kommt darauf an, ob dem Gläubiger die Erhebung einer Klage zuzumuten ist (BGH NJW 1977, 198; 1984, 661; 1990, 245; 1993, 2303; 1994, 3092; BGHRp 2005, 829, 831). Dies bedeutet nicht, dass der Prozess für den Kläger risikolos erscheinen muss (BGH NJW 1963, 1103; BGH 169, 308; NJW 2008, 2576, 2578; WM 2008, 202, 203; Naumburg, Urt v 28.4.2009, 9 U 143/08). Deshalb hindert der fehlende Abschluss eines polizeilichen Ermittlungsverfahrens oder anderer Verfahren den Eintritt der Kenntnis, für sich genommen, nicht (BGH NJW 1994, 1150, 1151). Auch der Umstand, dass die Rspr später Beweiserleichterungen entwickelt hat, ändert an der Kenntnis von den anspruchsbegründenen Umständen nichts (BGH NJW 2008, 2576, 2578f; NJW-RR 2008, 1495, 1498f; Maier, ZfIR 2008, 753, 755; Fellner MDR 2009, 670). Die Kenntnis hiervon fehlt auch nicht deshalb, weil der Gläubiger mögliche Einwände des Schuldners nicht kennt (BGH NJW 1993, 2614). Anders liegt es aber dann, wenn der Gläubiger mit Einwänden des Schuldners rechnen muss, deren Grundlage aber nicht kennt (BGH NJW 1993, 2614; GRUR 2009, 1186, 1188). Entscheidend ist die Kenntnis der Tatsachen, aus denen der Anspruch abzuleiten ist. Zu denen gehören bei einem Amts- und Notarhaftungsanspruch allerdings auch die Tatsachen, aus denen sich das Fehlen anderweitiger Ersatzmöglichkeiten ergibt (BGH 102, 246, 248f; 121, 65, 71). Bei einem Anspruch aus § 945 ZPO gehört dazu die Kenntnis von der rechtskräftigen Entscheidung in der Sache (BGH 5, 1, 6). Anders liegt es dagegen bei einem Anspruch aus § 717 II ZPO, weil es hier nur auf die Aufhebung des Ausgangsurteils, nicht dagegen auf den Eintritt seiner Rechtskraft ankommt (BGH 169, 308 = BGHRp 2007, 177, 178). Auf die rechtliche Würdigung der erkannten Tatsachen kommt es dagegen nicht an (BGH MDR 1996, 151; 2001, 506; BGHRp 2008, 625, 626; NJW 2008, 2427, 2428; 2009, 984; Bamberg OLGRp 2006, 663, 664; Düsseldorf OLGRp 2002, 259; Naumburg OLGRp 2001, 238). Deshalb stehen mangelnde Rechtskenntnisse der Kenntnis regelmäßig nicht entgegen (BGH VersR 1966, 632; RG 142, 348, 350). Anders ist es ausnahmsweise dann, wenn der Gläubiger wegen der verwickelten und zweifelhaften Rechtslage daran gehindert ist, Anspruch und Schuldner überhaupt zu erkennen (BGH 6, 195, 202; NJW 2009, 984; Stuttgart ZIP 2005, 2152, 2157; WM 2010, 1330, 1332; VGH München v 10.3.2010, 14 BV 08.2444, Juris; Otto aaO [Vor § 194], 139), oder wenn das Vorliegen einer Anspruchsvoraussetzung aufgrund der bekannten Tatsachen rechtlich schwierig zu beantworten und die Rechtsfrage durch die Rspr noch nicht geklärt ist (BGH MDR 1999, 963; BGHRp 2005, 829, 831). Sie muss aber bestr sein, das bloße Fehlen einer die Frage bejahenden Rspr genügt nicht (BAG DB 2002, 218, 219; BaRo/Henrich/Spindler Rn 22). Entscheidend ist, ob sich der Gläubiger aufgrund der ihm bekannten Tatsachen erforderlichenfalls erfolgreich beraten lassen kann (BGH MDR 1999, 963). Ist die unklare Rechtslage zB durch eine Entscheidung des BGH geklärt, steht die zuvor unklare Rechtslage dem Verjährungsbeginn nicht mehr entgegen. Auf die Kenntnis bzw grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von der Klärung der Rechtslage kommt es hierfür nicht an (BGH MDR 2008, 1405, 1406). Diese Überlegung gilt auch für die Kenntnis von technischen Normen und anderen Standards, die für die Beurteilung des Schuldnerverhaltens herangezogen werden müssen. Hier wie dort kommt es deshalb im Grundsatz darauf an, ob der Gläubiger die Anknüpfungstatsachen kennt. Etwas anderes gilt nur, wenn unklar ist, welche Anforderungen die Normen und Standards stellen (zu weit daher BaRo/Henrich/Spindler Rn 25, die generell die Kenntnis von Normen und Standards verlangen). Die Unsicherheit des Gläubigers darüber, ob sich der Schuldner auf entlastende Einwände gleich welcher Art berufen kann, schließt die Kenntnis iSd § 199 I Nr 1 nicht aus (BaRo/Henrich/ Spindler Rn 30; MüKo/Grothe Rn 25; zu weit daher Karlsruhe OLGRp 2002, 349). Unschädlich ist auch, dass der Schuldner seine Verpflichtung bestreitet (Hamm OLGRp 2002, 157; AnwK/Mansel/ Stürner Rn 48; BaRo/Henrich/Spindler Rn 22). Anders ist es, wenn der Gläubiger Tatsachen nicht J. Schmidt-Räntsch

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Allgemeiner Teil Verjährung

kennt, die die Verpflichtung gerade des in Aussicht genommenen Schuldners begründen (BGH NJW 1996, 117; 1999, 2734, 2735). Keine Kenntnis hat der Gläubiger, wenn ihm hinreichende Anhaltspunkte dafür fehlen, dass zB das Amtswalten einer Behörde unvertretbar ist (BGH NJW 1998, 2051, 2052; 1994, 3162, 3163). Für die Kenntnis innerer Tatsachen kommt es auf die Kenntnis der Anknüpfungstatsachen an, aus denen die innere Tatsache abgeleitet werden kann (BGH NJW 1964, 493, 494; Otto aaO [Vor § 194], 145; PWW/Kesseler Rn 14). Entspr würde gelten, wenn es um den Anspruch aus der Pflichtwidrigkeit des Handelns eines Schuldners aus einem vertraglichen oder sonstigen gesetzlichen Schuldverhältnis geht (BGH 87, 27, 37). Kennt der Gläubiger den unmittelbar Handelnden, kann er daraus noch nicht in jedem Fall die Kenntnis haben, wer rechtlich sein Schuldner ist, gegen den er nach §§ 831, 278 oder 31 vorgehen könnte (BGH NJW 1999, 433). Wann mittelbar Geschädigte (vgl BGH VersR 1983, 273), zB anspruchsberechtigte Sozialversicherungsträger (vgl BGH NJW 2004, 510) oder gesetzliche Vertreter von Geschädigten, die ihre Kenntnis auf keine unmittelbaren persönlichen Wahrnehmungen des Schädigungsvorganges stützen können, aus anderen Quellen hinreichend zuverlässige Aufschlüsse für eine Rechtsverfolgung gegen den Schädiger gewonnen haben, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (BGH MDR 2005, 211, 212). Die Grundsätze gelten auch für vertragliche Ansprüche, insb Erfüllungsansprüche. Hier wird die Kenntnis aber meist früher eintreten als bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung oder gesetzlichen Ansprüchen, weil die Erfüllung vertraglicher Pflichten einfacher zu überblicken ist. Notwendig ist das aber nicht. So kann der Gläubiger in einem umfangreichen Vertragswerk ihm zustehende Nebenansprüche oder Einzelheiten seines Leistungsanspruchs nicht bemerkt haben (Bsp nach Otto aaO [Vor § 194], 96f). Bei der Verletzung von Schutzpflichten kann die Erlangung der Kenntnis für den Gläubiger auf ähnliche tatsächliche Schwierigkeiten stoßen wie bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung. Ähnlich liegt es bei Garantien (Grützner/Schmidt NJW 2007, 2310, 3614f). 19

bb) Grob fahrlässige Unkenntnis. Aus dem in § 162 enthaltenen Rechtsgedanken hatte die Rspr schon zum früheren § 852 I aF abgeleitet, dass es der positiven Kenntnis gleichstehe, wenn der Geschädigte eine sich ihm ohne weiteres anbietende, gleichsam auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeit, die weder besondere Kosten noch nennenswerte Mühe verursacht, nicht wahrnimmt (BGH 133, 192, 199; NJW-RR 1988, 411; NJW 1995, 776; 1999, 423, 425; 2000, 953; 2010, 1195, 1197; MDR 2001, 810; 2009, 40, 41; NStZ-RR 2011, 52, 53). Dies entsprach i Erg weitgehend der groben Fahrlässigkeit, auch wenn die Rspr eine Gleichstellung bis zuletzt verneint hat (BGH NJW 1999, 2734, 2735). Diese liegt nämlich vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden ist, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseitegeschoben wurden und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGH 10, 14, 16; 89, 153, 161; NJW-RR 1994, 1469, 1471; NJW 1992, 3235, 3236; NJW-RR 2010, 681, 683 = MDR 2010, 81). Diese Auflockerungstendenzen haben Peters/Zimmermann in ihrem Gutachten zu dem Vorschlag bewogen, die grob fahrlässige Unkenntnis der Kenntnis gleichzustellen (in BMJ [Hrsg], Vorschläge und Gutachten zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd I 1981, § 199 E – Hemmung durch Unkenntnis des Berechtigten, 316). In § 12 ProdHaftG hatte der Gesetzgeber diese Angleichung auch schon vollzogen. Die Einbeziehung der grob fahrlässigen Unkenntnis entspricht schließlich auch dem Rechtsgedanken des § 277, wonach grobe Fahrlässigkeit stets auch dann schadet, wenn man in eigenen Angelegenheiten handelt. Von der Existenz eines Anspruchs sowie der Person des Schuldners Kenntnis zu nehmen, ist eine eigene Angelegenheit des Gläubigers. Daher steht die grob fahrlässige Unkenntnis jetzt generell der Kenntnis gleich (BT-Drucks 14/6040, 108).

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Grob fahrlässige Unkenntnis liegt bei „erweiterter Kenntnis“ iSd eingangs der vorigen Rn dargestellten Rspr zu § 852 BGB aF also dann vor, wenn der Gläubiger Umstände nicht zur Kenntnis nimmt, die sich einem Gläubiger in seiner Lage aufdrängen, oder wenn er Erkenntnisquellen nicht nutzt, die ohne Mühe oder besondere Kosten zugänglich sind (Saarbrücken ZGS 2008, 433, 434; Schleswig MDR 2009, 985). Zur näheren Ausfüllung kann im Ansatz auf die Rspr zu § 852 aF zurückgegriffen werden. Zu beachten ist aber, dass der älteren Rspr Grenzen gesetzt waren, weil § 852 aF Kenntnis verlangt und grob fahrlässige Unkenntnis nicht ausreichen ließ. Diese Sperre hat der Gesetzgeber mit § 199 aufgegeben, was zu leicht verschärften Anforderungen an das führt, was der Gläubiger zur Kenntniserlangung unternehmen muss. Nach wie vor besteht keine Ermittlungspflicht des Gläubigers (AnwK/Mansel/Stürner Rn 57; BaRo/Henrich/Spindler Rn 24; MüKo/Grothe Rn 28; J. Schmidt-Räntsch DRiZ 2001, 501, 504 Fn 18). Deshalb muss ein Patient nach wie vor nicht die Krankenhausunterlagen daraufhin durchsehen, ob sich aus ihnen Anhaltspunkte für ärztliche Behandlungsfehler ergeben (BGH NJW 1989, 2323, 2324). Er muss sich nicht ärztliches Fachwissen aneignen (BGHRp 2007, 59, 62). Ein Geschädigter muss auch nicht anhand der behördlichen Ermittlungsakten oder durch Einholung von Auskünften bei der Polizei feststellen, ob er einen anderen klageweise wegen eines Verkehrsunfalls in Anspruch nehmen kann (BGH NJW 1996, 2933, 2934). Ein Transportversicherer muss nicht bei anderen Unfallbeteiligten Nachforschungen anstellen, wenn seine Anfrage in einem später relevanten Punkt unbeantwortet bleibt (BGH MDR 2001, 810; aM für neues Recht AnwK/Mansel/Stürner Rn 54). Ein Geschädigter ist jedenfalls dann nicht verpflichtet, den Ausgang eines Strafverfahrens gegen seinen möglichen Schuldner im Hinblick auf etwaige Schadensersatzansprüche zu verfolgen, wenn ihm nur aufgrund eines Erhebungsbogen das Verfahren bekannt ist und sein Schuldner in den Akten auch nicht als Beschuldigter geführt wird (BGH MDR 1990, 708). Richtet es sich aber gegen den Schuldner, dann wird man von dem Gläubiger eine Erkundigung verlangen müssen (so Schleswig MDR 2009, 985; Pal/Ellenberger Rn 40). Ähnlich liegt es bei einem Anspruch wegen Insolvenzverschleppung. Hier ist eine Einsichtnahme in die Insolvenzakten erst dann angezeigt, wenn es konkrete Anhaltspunkte für eine Insolvenzverschleppung gibt (Saarbrücken ZGS 2008, 433, 435). Im Hinblick darauf, dass das Gesetz früher „Kenntnis“ verlangte, hat die Rspr aller606

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dings in der Vergangenheit dem Schuldner zT in sehr weitgehendem Umfang zugestanden, die Tatsachenkenntnis gewissermaßen auf sich zukommen zu lassen. Das ist unter Geltung des § 199 I Nr 2 nicht mehr möglich (BaRo/Henrich/Spindler Rn 19; Otto aaO [Vor § 194], 239f, 244). Zugrunde zu legen ist die strengere Rspr. Hat der Gläubiger etwa hinreichende Anhaltspunkte für einen Anspruch zB wegen ärztlichen Behandlungsfehlers, dann muss er sich auch nach dem Namen des behandelnden Arztes erkundigen und darf es nicht dem Zufall überlassen, ob er diesen Namen erfährt (BGH NJW 1989, 2323, 2324; NJW-RR 2010, 681, 684 = MDR 2010, 81). Wer Anhaltspunkte für das Mitverschulden eines Unfallbeteiligten hat, muss diesem Anhaltspunkt nachgehen, auch wenn er zunächst einen anderen für den Schadensersatzpflichtigen gehalten hat (BGH MDR 1990, 532). Auch darf der Geschädigte mit dem Amtshaftungsprozess zuwarten, bis geklärt ist, ob eine anderweitige Ersatzmöglichkeit ausscheidet (BGH 121, 65, 71). Entspr gilt bei der Notarhaftung (BGH NJW 1999, 2041). Anders als bisher (BGH MDR 2002, 1064) wird man von dem Gläubiger aber schon verlangen müssen, sich der Realisierbarkeit seines Anspruchs ggü dem vorrangig Haftpflichtigen zu vergewissern, wenn ihm dieser selbst Tatsachen mitteilt, nach denen das nicht der Fall ist. Wer erkennt, dass die Ursache für die Verstopfung eines Abwasserrohrs eine staatliche Baumaßnahme war, dem ist anders als bisher (BGH MDR 2000, 582) zuzumuten, sich bei der ihm bekannten zuständigen Behörde zu erkundigen, wer die Arbeiten ausgeführt hat (Pal/Ellenberger Rn 40). Es mag sein, dass sich dann Unklarheiten darüber ergeben, wer von den an der Ausführung Beteiligten haftet, und eine grob fahrlässige Unkenntnis aus diesem Grund zu verneinen sein (so in casu BGH aaO; dazu weiter Rn 28). Das bedeutet aber nicht, dass eine nähere Erkundigung ganz unterbleiben kann (Pal/Ellenberger Rn 40; anders aber nach früherem Recht BGH NJW 1989, 2323). Entspr gilt für eine Bank, die es versäumt, sich nach der Aktualität der Anschrift des Bürgen zu erkundigen (BGH MDR 2009, 40, 41), oder für Behörden, die konkrete Veranlassung haben, die Akten anderer Behörden anzufordern (Pal/Ellenberger Rn 37; Soergel/Niedenführ Rn 49 bei Fn 177 gegen BGH 133, 129, 141) oder beim Geschädigten nachzufragen (Hamm OLGRp 2002, 340). Wer weiß, dass ein Dritter im Vorfeld eines Kabelunfalls beteiligt war, wird sich nach dem Unfall auch nach dessen Beteiligung erkundigen müssen (anders nach § 852 I aF: BGH NJW 2003, 288). Der Gläubiger eines Anspruchs aus Prospekthaftung oder wegen Beratungsfehlers muss den überreichten Prospekt nicht ohne Anlass daraufhin durchsehen, ob die mündlichen Äußerungen des Vertreters des Verkäufers mit diesem übereinstimmen (BGH MDR 2010, 1051 und 1183; NZG 2011, 68, 69; Celle OLGRp 2009, 121). Anders liegt es aber, wenn der Gläubiger den Prospekt schon länger in Händen hat, ihn nicht durchsieht und deshalb (auffällige) Abweichungen zw dem Prosekt und den mündlichen Erklärungen nicht bemerkt (Celle OLGRp 2009, 121, 122). Die Anforderungen an den Gläubiger können nach Inhalt und Art des Schuldverhältnisses anders, in einem Vertragsverhältnis zB höher sein als bei einem gesetzlichen Anspruch (BaRo/Henrich/ Spindler Rn 37; MüKo/Grothe Rn 28 bei Fn 161; ähnlich Zimmermann/Leenen/Mansel/Ernst JZ 2001, 684, 687 bei Fn 47). Bei der Rückforderung überzahlten Werklohns zB genügt es, wenn der Gläubiger Leistungsverzeichnis, Aufmaße und Schlussrechnung kennt und anhand dieser Unterlagen die vertragswidrige Abrechnung und Masseermittlung ermitteln kann (BGH NJW 2008, 2427, 2428; ähnlich WM 2010, 1655, 1656). Allerdings dürfen auch hier die Anforderungen nicht überspannt werden (Gaier NZM 2003, 90, 93 für WEG-Mitglieder als Gläubiger). Maßgeblich sind die verständige Sicht des Gläubigers und die ihm im Einzelfall zu Gebote stehenden Erkenntnismöglichkeiten (BGH NJW 2010, 1195, 1197). Die Anforderungen an Unternehmer sind tendenziell strenger als an Verbraucher (BaRo/Henrich/Spindler Rn 19; Ellenberger BB 2001, 1414, 1418; Mansel NJW 2002, 89, 91; aM Otto aaO [Vor § 194], 210f). c) Anspruchsbegründende Umstände. Der Gläubiger muss Kenntnis von den Umständen haben, 21 die den Anspruch begründen. Den Anspruch begründen in diesem Sinne nicht nur die eigentlichen Anspruchs-, sondern auch die Fälligkeitsvoraussetzungen (AnwK/Mansel/Stürner Rn 31). Denn vor Eintritt der Fälligkeit ist der Anspruch nicht durchsetzbar. Mit Umständen ist der Lebenssachverhalt gemeint, der die Grundlage des Anspruchs bildet. Bei einem Bereicherungsanspruch aus § 812 I S 1 gehören dazu die Leistung und die Tatsachen, aus denen sich das Fehlen eines Rechtsgrunds ergibt (BGH 175, 161, 170; 179, 260, 276f; NJW 2011, 1278, 1279). Bei einem Gesamtschuldnerinnenausgleich gehören zu diesem Lebenssachverhalt nicht nur die Umstände, die das Gesamtschuldverhältnis begründen, obwohl mit dessen Begründung die Verjährung beginnt (oben Rn 4). Dazu gehören vielmehr auch die Umstände, die Ansprüche des Gläubigers gegen den rückgriffsberechtigten und den rückgriffsverpflichteten Gesamtschuldner begründen, und schließlich auch die Umstände, welche die Ausgleichspflicht zw den Gesamtschuldner begründen (BGH 181, 310, 316; Pfeiffer NJW 2010, 23, 25). Auf die Kenntnis oder Unkenntnis einzelner Details dieses Lebenssachverhalts kommt es nur an, wenn es sich um die entscheidenden, den Lebenssachverhalt im Hinblick auf den Anspruch prägenden Umstände handelt. Dazu gehört auch die Kenntnis von den wirtschaftlichen Zusammenhängen, wenn sich erst daraus zB die Pflicht zur Aufklärung ergibt (BGH ZIP 2003, 1782, 1783; ZfIR 2008, 334, 336; NJW-RR 2008, 1495, 1498; BKR 2009, 372, 373; 2010, 118, 120; MDR 2011, 601; Maier ZfIR 2008, 753, 758f). Wenn der Gläubiger allerdings die Zusammhänge erfasst hat, liegt Kenntnis vor (LG Bonn MDR 2008, 1383, 1384). Auf die Kenntnis oder Unkenntnis anderer Einzelheiten kommt es dagegen nicht an (Hamburg OLGRp 2000, 441; Frankfurt NJW-RR 1999, 1474, 1475). Bei einem Anspruch aus Arzthaftung (sei es aus Vertrag oder aus Delikt) wäre es zB erforderlich, aber auch ausreichend, wenn der Patient die wesentlichen Umstände des Behandlungsverlaufs kennt, aus denen bei sachverständiger medizinischer und rechtlicher Würdigung auf einen schuldhaften Behandlungsfehler geschlossen werden kann (BGH NJW 1984, 661; 1991, 2350, 2351; VersR 2010, 214, 215; Karlsruhe OLGRp 2002, 169; Düsseldorf OLGRp 2001, 539). Die Kenntnis des Patienten von der Nichtvornahme einer Untersuchung genügt andererseits aber nur, wenn der Patient das auch als Abweichen vom meJ. Schmidt-Räntsch

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dizinischen Standard erkennt (BGH NJW 1991, 2350, 2351; Naumburg OLGRp 2002, 16). Ähnliches gilt für andere Pflichtverletzungen (Celle DB 2011, 524, 528 für Steuerberater). Beruht der Anspruch auf dem Unterlassen einer Aufklärung, kennt der Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände erst, wenn er die Umstände kennt, aus denen sich die Offenbarungspflicht ergibt (BGH NJW 1990, 2808; MDR 2002, 995 und 1262; Soergel/Niedenführ Rn 43). Ähnlich liegt es bei einem Amtshaftungsanspruch, der aus dem amtspflichwidrigen Untätigbleiben des Amtsträgers abgeleitet wird. Hier kommt es auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Umstände an, die auf eine Pflicht zum Handeln schließen lassen. Bei dem amtspflichtwidrigen Unterlassen einer Grundbucheintragung wäre diese Kenntnis etwa gegeben, wenn sich auch einem außenstehenden Dritten aufdrängen muss, dass die angemessene Bearbeitungszeit ganz erheblich überschritten ist (BGH 170, 260, 271). Wenn Zweifel an der Schuldfähigkeit bestehen, gehört zur erforderlichen Kenntnis auch die Kenntnis von den die Schuldfähigkeit begründenden Umständen (Köln OLGRp 2000, 418). Bei einer Klage auf Rückforderung des gezahlten Vorschusses zur Mängelbeseitigung gehören zu den anspruchsbegründenden Umständen auch diejenigen, die die Angemessenheit der dem Schuldner dazu zu setzenden (BGH NJW 2010, 1192, 1194) Frist bestimmen (BGH NJW 2010, 1195, 1196). 22

Bei einem Anspruch auf Schadensersatz gehört zur Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen auch die Kenntnis vom Schaden. Die Kenntnis von der Gefahr oder dem Verdacht eines Schadens würde nicht genügen (Köln OLGRp 2002, 252; anders aber nach § 334 ZGB: Naumburg VIZ 2002, 62). Nicht erforderlich ist, dass alle Einzelheiten bekannt sind. Den aus der nicht termingerechten Erbringung von Zahlungen entstandenen Schaden kennt der Gläubiger zB regelmäßig schon dann, wenn er weiß, dass die Zahlung ausgeblieben ist (BGH NJW-RR 1989, 472; 1990, 388). Denn hieraus kann der Gläubiger den Schaden bereits erkennen. Bei dem durch den schlechteren Rang eines Grundpfandrechts bedingten Schaden tritt Kenntnis nicht mit der Eintragung des Rechts am schlechteren Rang, wohl aber mit der Kenntnis von der wirtschaftlichen Wertlosigkeit ein; dass diese sich möglicherweise nicht realisiert, ändert an der Kenntnis nichts (Hamburg OLGRp 2002, 290). Die Verletzung einer Schutzpflicht nach § 241 II ist aber zB nicht in gleicher Weise beredt. Deshalb müssen hier zusätzliche Umstände hinzukommen, aus denen der Gläubiger den Schaden und seine Verursachung durch die Pflichtverletzung erkennen kann.

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Der Gläubiger muss nicht stets das ganze Ausmaß seines Schadens kennen. Es genügt, wenn der Schaden wenigstens dem Grunde nach erwachsen ist. Seine Höhe muss nicht feststehen. Es muss auch nicht feststehen, dass die eingetretene Vermögensverschlechterung endgültig ist (BGH 114, 150, 151; 119, 69, 71; WM 2009, 863, 864). Deshalb kann der Gläubiger, auch wenn er steuerliche Nachteile geltend machen will, nicht ohne weiteres den Eintritt der Bestandskraft des Steuerbescheids abwarten. Entscheidend ist, ob sich vorher bereits der Eintritt des Schadens hinreichend sicher abzeichnet (zu weit geht deshalb Saarbrücken NJW-RR 2009, 1520, 1521). Der aus einer Pflichtverletzung entstandene Schaden wird als Einheit begriffen, nicht als Summe einzelner und selbständiger Schäden (BGH 67, 372, 373; 100, 228, 231f; NJW 1988, 965; 1990, 2808; 1993, 648; RG 119, 204, 207f). Der Gläubiger hat deshalb im Rechtssinne Kenntnis auch von späten Schadensfolgen, wenn er die Richtung des Geschehens kennt (BGH NJW-RR 1992, 282). Es genügt, wenn solche Schadenselemente zZ der Kenntnis von einem Schaden überhaupt irgendwie als möglich vorauszusehen waren (BGH NJW 1979, 268; VersR 1982, 703; Koblenz OLGRp 2001, 489). Die Rspr geht dabei zT sehr weit, etwa wenn alle komplikationsbedingten Schäden einer Knochenverletzung als vorhersehbar angesehen werden (BGH VersR 1982, 703). Der Gläubiger ist deshalb gezwungen, selbst bei einer verhältnismäßig geringen Wahrscheinlichkeit künftiger Schäden alsbald Feststellungsklage auch insoweit zu erheben (Jaeger ZGS 2003, 329, 332). Hiergegen erhobene rechtspolitische Einwände (Peters JZ 1983, 121ff; Moraht, Verjährungsrechtliche Probleme bei der Geltendmachung von Spätschäden im Deliktsrecht, 1996, 229ff, Otto aaO [Vor § 194], 107f) hat der Gesetzgeber nicht aufgegriffen, sondern im Gegenteil § 199 I Nr 1 so formuliert, dass die Rspr weiterhin aufrecht erhalten werden kann (BT-Drucks 14/7052, 180). Dem ist zustimmen. Die Funktion der Vorschrift, die Auseinandersetzung um den Anspruch zu konzentrieren und das Risiko des Schuldners zu begrenzen, spricht dafür, am Grundsatz der Schadenseinheit festzuhalten. Von der Einheit des Schadens werden allerdings nicht erfasst Schäden oder Schadensfolgen, die auf atypischen, unerwarteten oder unvorhersehbaren Umständen beruhen. In solchen Fällen hat der Gläubiger Kenntnis nur, wenn er die Schäden selbst und ihren Zusammenhang mit dem Anfangsschaden erkennt (BGH VersR 1967, 1092; NJW 1973, 702). Dies gilt auch dann, wenn ein Zusammenhang zw dem anspruchsbegründenden Verhalten und dem Schaden erst allmählich in Fachkreisen erkannt wird (BGH NJW 1997, 2448). Als eine solchermaßen unerwartete Schadensfolge wurde bisher auch die Entwertung einer Schadensersatzrente durch die Veränderung der Lohn- und Preisverhältnisse angesehen (BGH 33, 112). Diese Rspr geht aber auf die bisher sehr engen währungsrechtlichen Grenzen einer Indexierung zurück. Die Ablösung des § 3 WährG durch § 2 PaPkG und die zu seiner Durchführung erlassene Verordnung, jetzt §§ 3, 4 PrKG v 7.9.2007 (BGBl I 2246), bieten aber seit dem 11.1.1999 hinreichende Möglichkeiten für eine Indexierung, zumindest aber für eine Anpassung solcher Renten (J. Schmidt-Räntsch NJW 1998, 3166, 3167).

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Von der Entstehung weiterer Folgen aus einer unerlaubten Handlung oder einer Pflichtverletzung ist die wiederholte Pflichtverletzung oder unerlaubte Handlung zu unterscheiden. Im zweiten Fall löst jede Einzelhandlung, auch wenn sie aufgrund eines einheitlichen Vorsatzes begangen wird, einen besonderen Schadensersatzanspruch aus, der einer eigenen Verjährung unterliegt (BGH 7l, 86, 94; NJW 1985, 1023; 1993, 648; RG 134, 335, 341). Entspr gilt für die wiederholte Schädigung durch eine fortdauernde rechtswidrige Unterlassung (RG 106, 283).

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Die Kenntnis des Schadens genügt als Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen 25 nicht, wenn der Anspruch auf Schadensersatz erst später entsteht. So liegt es im Allg bei dem Anspruch aus § 717 II ZPO (BGH NJW 1957, 1926) und dem Anspruch aus § 945 ZPO in der 2. Alternative, dass der Arrest oder die einstw Verfügung nach §§ 926 II oder 942 III ZPO aufgehoben wird. In den Fällen der 1. Alternative des § 945 ZPO, nämlich dass sich die Maßnahme des einstw Rechtsschutzes von Anfang an als ungerechtfertigt erweist, könnte man es anders sehen. Die Rspr stellt diesen Fall aber heute gleich (BGH 75, l; NJW 1992, 2297), so dass auch hier die Kenntnis erst mit der Kenntnis von der Aufhebung der einstw Verfügung eintritt. Wird das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes überhaupt nicht förmlich abgeschlossen, aber ein Hauptsacheverfahren durchgeführt, tritt Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erst mit dessen Ende ein (BGH NJW 1992, 2297; 1993, 863). d) Der Gläubiger muss auch Kenntnis von der Person des Schuldners, bei Schuldnerwechsel 26 Kenntnis vom neuen Schuldner (LG Berlin NJW-RR 2008, 822), haben. Das setzt gewöhnlich Kenntnis davon, wer überhaupt der Schuldner ist (Rostock MDR 2009, 1334) sowie Kenntnis von dessen Namen und ladungsfähiger (AnwK/Mansel/Stürner Rn 36) Anschrift (BGH NJW 1998, 988; 2009, 587; NStZ-RR 2011, 52, 53) voraus. Maßgeblich ist dabei der Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs (BGH ZIP 2008, 2167, 2168; Karlsruhe ZIP 2009, 1611, 1612). Es kommt deshalb, von dem Sonderfall des Art 229 § 6 EGBGB (dazu Anh Vor § 194 Art 229 § 6 EGBGB Rn 9) abgesehen, nicht darauf an, ob der Gläubiger auch einen späteren Wechsel der Anschrift des Schuldners kennt oder grob fahrlässig nicht kennt (BGH NStZ-RR 2011, 52, 53; Karlsruhe aaO). Wenn damit gerechnet werden kann, eine Zustellung durch Übergabe werde gelingen, reicht auch schon die Kenntnis der Arbeitsstätte des Schuldners (BGH MDR 2001, 164). Kennt der Gläubiger diese Angaben nicht, kann er diese Angaben aber in zumutbarer Weise ohne Mühe in Erfahrung bringen, liegt grob fahrlässige Unkenntnis vor, und zwar in dem Zeitpunkt, in dem der Gläubiger auf entspr Erkundigungen hin die Kenntnis erhalten hätte (BGH NJW 1973, 1496; BaRo/Henrich/Spindler Rn 31). Deshalb ist es auch nicht erforderlich, dass der Gläubiger bei Versterben seines Schuldners Kenntnis von der Person auch des Erben hat (Neustadt MDR 1963, 413; RGRK/Kreft § 852 Rn 61; MüKo/Grothe Rn 27; offen noch RG JW 1907, 302 Nr 5). Glaubt der Gläubiger, wenn auch zu Unrecht, ihm sei der Schuldner bereits bekannt, so muss er erg Erkundigungen nicht einziehen. Ihm ist dann die Person des Schuldners ohne grobe Fahrlässigkeit nicht bekannt (BGH VersR 1958, 519; 1999, 423). Die Kenntnis von der Person des Schuldners hat der Gläubiger aber nur, wenn er denjenigen, den 27 er für den Schuldner hält, auch sinnvoll verklagen kann (BGH VersR 1964, 50; RG 124, 111, 114). Dazu müssen dem Gläubiger auch die Umstände bekannt sein, aus denen sich ergibt, dass die ihm bekannte Person auch sein Schuldner ist (BGH 75, 1, 4; NJW 1984, 661; 1998, 1051; WM 2008, 202, 203). Bei der Haftung nach §§ 836–838 gehört dazu die Kenntnis, dass der Einsturz des Gebäudes oder die Ablösung von Teilen desselben die Folge fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung ist. Bei Erstattungsansprüchen eines WE gegen die übrigen wegen Erfüllung von Gemeinschaftsverbindlichkeiten muss er dazu aber nur wissen, dass es sich um Gemeinschaftsverbindlichkeiten handelt. Er kann sich nicht darauf berufen, dass er nicht damit habe rechnen könnenn, dass die Rspr später die Teilrechtsfähigkeit der WEG anerkennen und diese die Passivlegitimation verlieren würden (Rostock NJW-RR 2010, 160). Ist die als Schuldner in Betracht kommende Person prozessunfähig, muss der Gläubiger auch die Person des gesetzlichen Vertreters kennen (RGRK/Kreft § 852 Rn 61). Kommen mehrere Schuldner in Betracht, muss der Gläubiger auch Kenntnis von Umständen ha- 28 ben, die eine Verpflichtung gerade auch des später in Anspruch genommenen in Betracht kommen lassen (BGH NJW 2008, 2576, 2579 für mögliche Haftung der finanzierenden Bank bei einem Aufklärungsfehler des Verkaufsvermittlers). Bei mehreren Ersatzpflichtigen tritt die Kenntnis von ihrer Person für jeden von ihnen selbständig ein (BGH VersR 1963, 285; NStZ-RR 2011, 52, 53; MüKo/Grothe Rn 27), und zwar auch dann, wenn die anderen Schuldner Organe und Mitarbeiter des mitverklagten Unternehmens sind (BGH MDR 2001, 506 gegen Frankfurt NJW-RR 1999, 1474, 1476). Kommen mehrere Personen alternativ als Schuldner in Frage, tritt Kenntnis von der Person des Schuldners erst ein, wenn begründete Zweifel daran, wer der richtige Schuldner ist, ausgeräumt worden sind (BGH VersR 1964, 927). Kommt bei einer fahrlässigen Amtspflichtverletzung eine anderweitige Ersatzmöglichkeit in Betracht, tritt Kenntnis bzw grob fahrlässige Unkenntnis von der Person des Ersatzpflichtigen erst ein, wenn feststeht oder der Verletzte zumutbarerweise hatte feststellen können, dass die andere Ersatzmöglichkeit nicht gegeben ist (BGH 102, 246; 121, 65; NJW 1977, 198; 1979, 34; 1993, 933; VersR 1985, 642). Entspr gilt für die Subsidiarität des Anspruchs aus § 829 (RG 133, 1, 6). Erforderlich ist nur Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Person des Schuldners. 29 Nicht erforderlich ist auch Kenntnis von der Person des Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfen (AnwK/Mansel/Stürner Rn 40f). Allerdings kann die fehlende Kenntnis von der Person des Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfen dazu führen, dass der Gläubiger auch keine Kenntnis von der Person seines Schuldners hat. Das ist etwa dann der Fall, wenn er die handelnden Personen nicht kennt und deshalb seinem Schuldner nicht zuordnen kann. Ist ihm aber bekannt, wer sein Schuldner ist, kommt es auf die zusätzliche Kenntnis, wer für ihn gehandelt hat, nicht an. 3. Beginn mit dem Jahresschluss (Ultimo-Verjährung). Die regelmäßige Verjährung beginnt nach 30 Abs I nicht unmittelbar in dem Zeitpunkt, in dem der Gläubiger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht erlangt. Sie beginnt vielmehr erst mit dem Ablauf des (Kalender-) Jahres, in dem diese Voraussetzungen eintreten. Das ist der Fall, wenn sie bis zum Ablauf des 31.12. des betreffenden Jahres eintreten (Stuttgart WM 2010, 1330, 1333). Der Gesetzgeber kehrt damit im Gegensatz zu dem Entwurf J. Schmidt-Räntsch

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(BT-Drucks 14/6040, 99) zur sog Ultimo-Verjährung zurück. In der vor seinem Rechtsausschuss abgehaltenen Sachverständigenanhörung hat sich nämlich gezeigt, dass sie nicht unerhebliche praktische Erleichterungen bietet (Piepenbrock aaO [Vor § 194] S 421f). Ein solcher Verjährungsbeginn war früher nur für die bisher in zwei und in vier Jahren verjährenden Vergütungsansprüche vorgesehen. Diese Einschränkung übernimmt die Neuregelung nicht. Die Regelung gilt vielmehr für alle Ansprüche, die der regelmäßigen Verjährung unterliegen. Denn die Sachlage ist bei allen diesen Ansprüchen die gleiche. Die Regelung gilt aber nur für die regelmäßige Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 I, nicht für die Höchstfristen (Rn 32). Die Ultimo-Regelung gilt auch nur für den erstmaligen Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist, und weder in dem Fall, dass sie nach Hemmung weiter läuft, noch in dem Fall, dass sie neu beginnt (BGH 93, 287, 294; BAG NJW 1997, 3461; RG 128, 76, 80; Pal/Ellenberger Rn 38; wohl auch: AnwK/Mansel/Stürner Rn 62). 31

III. „Verjährungshöchstfristen“. 1. Sinn der Verjährungshöchstfristen. Das Abstellen auf die Fälligkeit einerseits und dem von subjektiven Umständen abhängigen Verjährungsbeginn andererseits führen zu Unsicherheiten über den Lauf der Verjährungsfrist. Das ist im Interesse des Gläubigers notwendig. Der Schuldner andererseits muss aber zu einem bestimmten Zeitpunkt auch Gewissheit haben, ob er noch in Anspruch genommen werden kann oder nicht. Deshalb sieht § 199 in den Abs II–IV sog „Höchstfristen“ vor. Sie sollen bewirken, dass der Anspruch unabhängig von dem Lauf der regelmäßigen Verjährungsfrist im Einzelfall jedenfalls zu dem dort jeweils bestimmten Zeitpunkt verjährt. Die „Höchstfristen“ sind keine Ausschlussfristen, sondern echte Verjährungsfristen. Sie laufen neben der regelmäßigen Verjährungsfrist gewissermaßen „im Hintergrund“. Das hat zur Folge, dass für Ansprüche, die der regelmäßigen Verjährungsfrist und ihrem in § 199 geregelten Beginn unterliegen, mehrere Verjährungsfristen parallel gelten. Der Anspruch ist verjährt, sobald eine von ihnen abgelaufen ist. Dies wird meist die regelmäßige Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 I sein. Verzögert sich deren Beginn, kann der Anspruch nach Maßgabe von § 199 II–IV verjährt sein, bevor sie zu laufen beginnt. Dieser Grundsatz wird in § 199 III S 2 für die dort bestimmte doppelte Höchstfrist zum Ausdruck gebracht, weil diese doppelte Höchstfrist sonst nicht mehr verständlich wäre (BT-Drucks 14/7052, 180). Er gilt aber generell für alle Höchstfristen.

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Da die Verjährungshöchstfristen eigenständige Verjährungsfristen sind, gelten für sie auch die Bestimmungen des Abschnitts 5. Sie können gehemmt werden und neu beginnen (Fischinger VersR 2006, 1475, 1477f). Die Verjährungshöchstfristen sind kein Unterfall der regelmäßigen Verjährungsfrist. Für ihren Beginn gilt weder das Erfordernis der Kenntnis noch das des Schadenseintritts, was im Text jeweils auch ausdr bestimmt wird. Für sie gilt auch nicht die Ultimo-Regelung (AnwK/Mansel/Stürner Rn 68; MüKo/Grothe Rn 43; Pal/Ellenberger Rn 42; PWW/Kesseler Rn 19). Dies folgt daraus, dass ihr Beginn eigenständig geregelt ist.

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2. Verjährungshöchstfrist bei Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter. a) Rechtsgüter. Nach § 199 II beträgt die Höchstfrist für Ansprüche auf Schadensersatz wegen der Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter 30 Jahre. Die Vorschrift spricht indessen nicht von „höchstpersönlichen Rechtsgütern“. Das wäre ein im BGB neuer Rechtsgriff, der auch ausgefüllt werden müsste. § 199 II lehnt sich deshalb an § 823 I an und übernimmt die dort aufgeführten Rechtsgüter, soweit es sich hierbei um höchstpersönliche Rechtsgüter handelt. Das sind Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit. Das Allg Persönlichkeitsrecht wird dort nicht erwähnt. Daraus zieht die hM den Schluss, dass insoweit die Höchstfrist nach § 199 III maßgeblich sei (AnwK/Mansel/Stürner Rn 76; MüKo/Grothe Rn 45; Pal/Ellenberger Rn 44; PWW/Kesseler Rn 20; Soergel/Niedenführ Rn 55; Mansel NJW 2002, 89, 93). Dieser Schluss würde aber voraussetzen, dass der Gesetzgeber die Aufzählung als abschließend angesehen hat. Das ist nicht der Fall. Der Gesetzgeber hat die Einordnung der von der Rspr praeter legem entwickelten Rechtsgüter unter § 199 II oder III der Rspr überlassen. In der Sache gibt es keinen Grund, das Allg Persönlichkeitsrecht anders zu behandeln als die Einzelrechtsgüter, die es überwölbt und auf denen es sich gründet (BaRo/Henrich/Spindler Rn 42; J. Schmidt-Räntsch, Das neue Schuldrecht, Rn 91). Ginge man so vor, ergäben sich im Gegenteil Wertungswidersprüche, weil die Höchstfrist des § 199 II immer dann eingriffe, wenn auch eines der benannten Rechtsgüter verletzt ist, und § 199 III, wenn dies nicht der Fall ist. Das wollte der Gesetzgeber aber gerade vermeiden. Er konnte dies im Text nicht zum Ausdruck bringen, weil er in einer Verjährungsvorschrift nicht ein Rechtsgut erwähnen konnte, das im eigentlichen Haftungstatbestand, § 823 I, keine Erwähnung findet. § 823 I anzupassen hätte eine Diskussion darüber ausgelöst, welche der von der Rspr außer dem Allg Persönlichkeitsrecht sonst entwickelten Rechtsgüter dort ebenfalls erwähnt werden müssten. Diese Diskussion konnte der Gesetzgeber nicht führen. Deshalb kann auch aus dem Nichtaufgreifen von Regelungsvorschlägen im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahren kein Schluss gezogen werden (so aber AnwK/Mansel/Stürner Rn 77).

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b) Ansprüche. Die Verjährungshöchstfrist nach § 199 II gilt für alle Schadensersatzansprüche aus der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter. Auf welchem Rechtsgrund sie beruhen, ist gleichgültig. Ansprüche aus unerlaubter Handlung werden ebenso erfasst wie Ansprüche aus Pflichtverletzung nach § 280 I, ggf iVm § 241 II (BaRo/Henrich/Spindler Rn 43; Soergel/Niedenführ Rn 55). Für andere Ansprüche aus der Verletzung solcher Rechtsgüter gilt die Höchstfrist nach § 199 II nicht. Dies können zB Unterlassungsansprüche aus § 1004 sein. Für sie gilt die Höchstfrist nach § 199 IV

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c) Beginn der Verjährungshöchstfrist. Die Verjährungsfrist von 30 Jahren beginnt bei Schadensersatzansprüchen aus unerlaubter Handlung mit der Begehung der Handlung, was dem bisherigen § 852 I entspricht. Handlung ist das Setzen der Schadensursache (BGH 117, 287, 292). Sie besteht normalerweise in einer punktuellen Handlung, die uU auch längere dauernde Wirkung haben kann. Maßgeblich ist der Zeitpunkt ihrer Vornahme. Bei Dauerhandlungen, wie zB einer Freiheitsberau610

J. Schmidt-Räntsch

Gegenstand und Dauer der Verjährung

§ 199

bung, ist die Handlung in diesem Sinne aber erst vorgenommen, wenn sie beendet ist (Bremen OLGRp 2002, 167; AnwK/Mansel/Stürner Rn 85). Die Verjährungsfrist beginnt mit diesem Zeitpunkt „ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis“, weil die Verjährung auch bei sehr spät eintretenden Schäden 30 Jahre nach Setzung der Schadensursache (BGH 117, 287, 292) eintreten soll. Auf den Eintritt des Schadens kommt es deshalb nicht an (BGH aaO; AnwK/Mansel/Stürner Rn 80; Pal/Ellenberger Rn 45). Bei einem Unterlassen kommt es darauf an, wann zu handeln gewesen wäre (MüKo/Grothe Rn 46). Bei Schadensersatzansprüchen aus Gefährdungshaftung beginnt die Verjährung mit der Verwirklichung der Gefahr. Der Regierungs- und Fraktionsentwurf hatte entspr dem Vorschlag der Schuldrechtskommission (vgl § 199 I BGB-KE) dies ausdr so bestimmt, um zu einer Vereinfachung zu gelangen. Dies greift das Gesetz nicht auf. Hierin liegt indessen keine Änderung in der Sache. Es gibt nämlich außer den im Entwurf genannten drei Anknüpfungspunkten noch weitere, zB bei Unterlassungsansprüchen den Zeitpunkt, in dem eine Handlung geboten gewesen wäre. Deshalb wird neben der Begehung der Handlung und der Pflichtverletzung das den Schaden auslösende Ereignis als Auffangtatbestand genannt. Bei Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung einer Pflicht aus einem vertraglichen oder vorvertraglichen (§ 311 II und III) Schuldverhältnis (§ 280) beginnt die Verjährungsfrist mit der Pflichtverletzung. Damit kann sich allerdings die Situation ergeben, dass zB aus derselben unerlaubten Handlung, et- 36 wa aus demselben Verkehrsunfall, resultierende Ansprüche je nach Art des verletzten Rechtsguts zu unterschiedlichen Zeitpunkten verjähren. Dieses Ergebnis muss aber hingenommen werden. Es hängt mit der dem Abs II zugrundeliegenden Wertung zusammen, die den dort genannten Rechtsgütern einen besonders hohen Stellenwert zumisst. 3. Verjährungsöchstfrist bei Verletzung anderer Rechtsgüter. a) Ansprüche. § 199 III regelt die Ver- 37 jährung anderer Ansprüche auf Schadensersatz als solcher wegen der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit sowie diesen Rechtsgütern gleichzustellender höchstpersönlicher Rechtsgüter. Der Grund für diese Regelung liegt auch hier darin, dass die Anknüpfung des Beginns der Verjährung an das Entstehen des Anspruchs und die Kenntniserlangung oder grob fahrlässige Unkenntnis in Abs I Nr 2 dazu führen würde, dass sich der Eintritt der Verjährung bei Nichtvorliegen des Kenntnismerkmals auf unabsehbare Zeit hinausschieben könnte. Dem will das Gesetz auch bei den Sach- und Vermögensschäden entgegenwirken. Erfasst werden in erster Linie Schadensersatzansprüche wegen anderer in § 823 I genannten und 38 diesen gleichgestellten praeter legem entwickelten Rechtsgüter. Das sind die Verletzung des Eigentums und des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs (MüKo/Grothe Rn 47). § 199 III gilt aber auch für Ansprüche auf Ersatz von Vermögensschäden nach §§ 823 II, 826. Er gilt ferner für Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzung gem § 280, auch wenn die Pflichtverletzung nicht zu einer Verletzung auch deliktisch geschützter Rechtsgüter geführt hat. Wie bei § 199 II ist auch bei § 199 III die Grundlage des Schadensersatzanspruchs gleichgültig. Er gilt auch für Ansprüche wegen Amtspflichtverletzung, sofern sie nicht unter § 199 II fallen. Die Schuldrechtskommission hatte vorgeschlagen, für solche Ansprüche auch außerhalb von § 199 II eine Frist von 30 Jahren vorzusehen. Dem ist der Gesetzgeber aber nicht gefolgt, weil er eine Frist von iÜ 10 Jahren für ausreichend ansah. Dies gilt, wie die Ablehnung eines entspr Antrags der Opposition zeigt, auch, wenn es sich um Ansprüche wegen vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführter Vermögensschäden handelt (BTDrucks 14/7052, 172; AnwK/Mansel/Stürner Rn 77). Ein im Gesetzgebungsverfahren diskutiertes Bsp sind Ansprüche aus Organisationsverschulden (dazu Acker/Bechtold NZBau 2002, 529, 531). b) Doppeltes Fristenregime. Die Höchstfrist soll bei anderen Schadensersatzansprüchen kürzer 39 sein als bisher und zehn Jahre betragen. Das bestimmt § 199 III S 1 Nr 1. Diese Verkürzung entspricht einem Vorschlag der Schuldrechtskommission (vgl §§ 198 und 199 BGB-KE). Sie findet auch in § 13 I ProdHaftG ein legislatives Vorbild. Diese Frist ist angemessen lang. Sie gilt allerdings auch dann, wenn der Anspruch auf einem arglistigen Verhalten beruht. Aber auch in solchen Fällen reicht die Zehn-Jahres-Frist aus, wie der internationale Vergleich zeigt. Bei höchstpersönlichen Rechtsgütern ist eine längere Frist auch in erster Linie wegen des hier ggü Eigentums- und Vermögensschäden deutlich schwereren Nachw von Spätschäden und weniger wegen des Anspruchsgrundes vorgesehen worden. Bei Schadensersatzansprüchen setzt der Beginn der Verjährung mit der Entstehung des An- 40 spruchs auch den Eintritt des Schadens voraus, wenn nicht ausnahmsweise die Grundsätze der Schadenseinheit greifen. Der Schaden kann mitunter sehr spät eintreten. In diesem Fall würde auch die Höchstfrist nach § 199 III S 1 Nr 1 nicht zu der angestrebten zeitlichen Begrenzung der Haftung führen. Deshalb bestimmt § 199 III S 1 Nr 2 in Anlehnung an den früheren § 852 I aF eine zweite Höchstfrist. Sie beträgt 30 Jahre und beginnt mit der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen den Schaden auslösenden Ereignis. Auch hier kommt es auf den Eintritt des Schadens nicht an. Diese beiden Höchstfristen laufen neben der regelmäßigen Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 I im 41 Hintergrund. Für solche Ansprüche laufen also drei Verjährungsfristen parallel. Um deren Verhältnis zueinander deutlich zu machen, bestimmt § 199 III S 2, dass die kürzere Frist maßgeblich ist. Diese Vorschrift gilt unmittelbar nur für das Verhältnis der beiden Höchstfristen zueinander. Für deren Verhältnis zur regelmäßigen Verjährungsfrist gilt nichts anderes. Dies folgt daraus, dass die Höchstfrist unabhängig von der Kenntnis bzw dem Entstehen des Anspruchs gelten soll. 4. Verjährungshöchstfrist bei „erbfallbezogenen“ Ansprüchen. Nach Abs IIIa beträgt die Verjäh- 41a rungshöchstfrist bei Ansprüchen, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die J. Schmidt-Räntsch

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Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzen, 30 Jahre. Der Gesetzgeber will damit dem Umstand Rechnung tragen, dass der Erbe, ein Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer oft erst sehr spät von dem Ableben des Erblassers und den Grundlagen seiner Anspruchsberechtigung erfährt (BT-Drucks 16/8854, 14). Diesem Umstand trug bis zum 31.12.2009 die lange Verjährungsfrist von 30 Jahren Rechnung. Die durch ihren Fortfall sonst im Hinblick auf die Regelung in Abs IV entstehenden Härten soll die in Abs IIIa bestimmte besondere Verjährungshöchstfrist ausgleichen. Die Regelung ist in ihrem Anwendungsbereich nicht deckungsgleich mit dem frühereren § 197 I Nr 2 aF. Sie gilt nur für Ansprüche, die der regelmäßigen Verjährung unterliegen, also zB nicht für die in § 197 I Nr 1 bestimmten Herausgabeansprüche. Sie gilt auch nicht schlechthin für erbrechtliche Ansprüche, sondern nur für solche, die, wie der Pflichtteilsanspruch (München ZErb 2011, 57), auf dem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt. Andererseits ist ihr Anwendungsbereich auch nicht auf erbrechtliche Ansprüche begrenzt. Sie ist auch auf nicht-erbrechtliche Ansprüche anwendbar, wenn sie auf dem Erbfall beruhen oder ihre Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen vorausetzt. Das kann etwa bei einem Bereicherungsanspruch des Erben oder einem Schadensersatzanspruch des Vermächtnisnehmers nach §§ 280, 281 BGB der Fall sein. Mit Abs IIIa hat der Gesetzgeber eine eigenständige Sonderregelung für erbfallbezogene Ansprüchegeschaffen. Sie ist allein nach ihrem Zweck, nämlich Härte durch die sonst geltende zu kurze Verjährungshöchstfrist nach Abs IV zu vermeiden, auszulegen. Ein Rückgriff auf die Auslegung der früheren Verjährungsregelung in § 197 I Nr 2 aF verbietet sich deshalb. Es wäre deshalb, was die Entwurfsbegründung ausdr hervorhebt (BT-Drucks 16/8954, 14), nicht gerechtfertigt, Abs IIIa in Anlehnung nach § 197 II aF einschränkend in dem Sinne auszulegen, dass für erbfallbedingte regelmäßig wiederkehrende Leistungen nicht die Verjährungshöchstfrist nach Abs IIIa, sondern diejenige nach Abs IV gilt. Keine Anwendung findet Abs IIIa hingegen auf Nachlassschulden und -forderungen (BT-Drucks 16/8954, 14). Für sie sind die Verjährungshöchstfristen anzuwenden, die auch sonst gelten, je nach Art der Verbindlichkeit oder Forderung Abs II oder IV Zwar kann der Erbfall die Geltendmachung solcher Ansprüche erschweren. Nach der Vorstellung des Gesetzegebers (aaO) rechtfertigt das aber keine Anwendung von Abs IIIa. Vielmehr reichen die Verjährungshemmung nach § 211 und die Möglichkeit der Bestellung eines Nachlasspflegers aus, um Nachteile zu vermeiden. 42

5. Verjährungshöchstfrist bei sonstigen Ansprüchen. Abs IV regelt die Höchstfrist für alle anderen Ansprüche. Sie beträgt 10 Jahre ab Entstehen. Sie gilt etwa für Ansprüche auf Erfüllung, aus ungerechtfertigter Bereicherung, aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder auf Unterlassung aus § 1004.

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IV. Unterlassungsansprüche. Soweit der Anspruch auf ein Unterlassen gerichtet ist, ist in § 199 I–IV statt auf das Entstehen des Anspruchs auf die Zuwiderhandlung abzustellen. Solange nicht zuwidergehandelt wird, wird der Anspruch auf Unterlassung nämlich befriedigt und kann deshalb sinnvollerweise nicht der Verjährung unterliegen (BGH 59, 73, 75; BB 1995, 1610; Soergel/Niedenführ Rn 61). Diese Überlegung trägt aber nur bei Ansprüchen auf dauerndes Unterlassen, nicht bei Ansprüchen, die auf ein einmaliges Unterlassen gerichtet sind. Ein einmaliges Unterlassen wird mit der Zuwiderhandlung unmöglich, so dass danach nur noch Schadensersatzansprüche bestehen können (§§ 280, 283). § 199 V betrifft deshalb nur Ansprüche auf dauernde Unterlassung, etwa dingliche Unterlassungsansprüche (AnwK/Mansel/Stürner Rn 99; Pal/Ellenberger Rn 23). Ihre Verjährung beginnt mit der Zuwiderhandlung. Bei Ansprüchen auf dauernde Unterlassung beginnt mit jeder Zuwiderhandlung eine neue Verjährung (RG 80, 438; BT-Drucks 14/6040, 105; AnwK/Mansel/Stürner Rn 100). Eine entspr Anwendung von § 199 V ist für Ansprüche geboten, die auf eine dauernde positive Leistung gerichtet sind, zB auf die Instandhaltung eines Weges oder auf Duldung der Ausbeute eines Bimsvorkommens. Die Verjährung beginnt auch bei solchen Ansprüchen erst, wenn die Leistungspflicht verletzt wird (BGH NJW 1995, 2548, 2549; Pal/Ellenberger Rn 23; Soergel/Niedenführ Rn 61; Enneccerus/Nipperdey § 232 Bem 3).

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V. Beweislast. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Anspruchsverjährung trägt der Schuldner (BGH 171, 1, 11; 176, 128, 131; NJW 2008, 2576, 2578; Fellner MDR 2009, 670, 672). Das gilt auch für die subjektiven Voraussetzungen. Es gelten die allg Regeln.

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Beginn anderer Verjährungsfristen Die Verjährungsfrist von Ansprüchen, die nicht der regelmäßigen Verjährungsfrist unterliegen, beginnt mit der Entstehung des Anspruchs, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist. § 199 Abs. 5 findet entsprechende Anwendung.

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1. Neben der regelmäßigen Verjährungsfrist gibt es besondere Verjährungsfristen. Für die Mehrzahl dieser besonderen Fristen ist auch der Beginn der Verjährung besonders geregelt. Bsp sind §§ 201, 438, 479, 634a, 651g II, 548, 591b II, III, 801, 1057, 1226, § 93 II AktG (Stuttgart ZIP 2009, 2386, 2391) oder § 146 I InsO (Kirchhof WM 2002, 2037). In solchen Fällen gilt § 200 nach seinem Hs 2 nicht. Ein Bsp ist § 548 I S 2, wonach die Verjährung von Ersatzansprüchen des Vermieters mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem er die Mietsache zurückerhält. Dieser Beginn ist, was § 200 S 1 Hs 2 ausdr zulässt, auch dann maßgeblich, wenn der Schadensersatzanspruch erst zu einem späteren Zeitpunkt entsteht (BGH 162, 30, 34; NJW 2006, 1588). Ein anderer Fall ist die spezialgesetzliche Verjährungsfrist gem § 43 IV GmbHG (BGH NJW 2009, 68, 70), deren Lauf nicht nach Maßgabevon § 199, sondern nach § 200 beginnt.

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2. Wird der Beginn der Frist aber nicht bestimmt, wie das zB in §§ 196, 197 I Nr 1 und 2 der Fall ist, dann ist § 200 anzuwenden. Er bestimmt, dass dann die Verjährung mit dem Entstehen des An612

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spruchs beginnt. Dieser Begriff ist deckungsgleich mit dem Begriff des Entstehens in § 199 I Nr 1. Auf die Erl dort wird Bezug genommen. 3. Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, beginnt die Verjährungsfrist nach Satz 2 iVm § 199 V mit 3 der Zuwiderhandlung. Dies gilt auch dann, wenn der Beginn einer besonderen Verjährungsfrist besonders geregelt, diese Frage dort aber nicht behandelt wird. Wegen der Einzelheiten wird auf die Erl zu § 199 V verwiesen.

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Beginn der Verjährungsfrist von festgestellten Ansprüchen Die Verjährung von Ansprüchen der in § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 6 bezeichneten Art beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung, der Errichtung des vollstreckbaren Titels oder der Feststellung im Insolvenzverfahren, nicht jedoch vor der Entstehung des Anspruchs. § 199 Abs. 5 findet entsprechende Anwendung. 1. § 201 bestimmt den Beginn der Verjährung für festgestellte Ansprüche. Sie unterliegen nach § 197 1 einer besonderen Verjährung. Für deren Beginn kann aber nicht auf das Entstehen abgestellt werden, wie es § 200 als allg Regel bestimmt. Denn der liegt meist vor der Titulierung. 2. Bei Ansprüchen, die durch eine Entscheidung tituliert werden, beginnt die Verjährungsfrist mit 2 der formellen Rechtskraft der Entscheidung. Auf die Art der Entscheidung kommt es nicht an. Bei ausländischen Entscheidungen (vgl § 197 Rn 11) sind der Zeitpunkt der Rechtskraft und der diesem Zeitpunkt in der Rechtsordnung des anderen Staats funktionell entspr Zeitpunkt maßgeblich. Bei Schiedssprüchen entscheidet deren formell wirksamer Erlass. Obwohl in diesen Fällen die Vollstreckung erst durch eine Vollstreckbarkeitsentscheidung möglich ist, stellt § 201 allein auf die Rechtskraft ab (AnwK/Mansel/Stürner Rn 7; MüKo/Grothe Rn 2). 3. Die Verjährung von Ansprüchen, die durch vollstreckbaren Vergleich oder vollstreckbare Urkun- 3 den tituliert werden, beginnt mit der Errichtung des Titels. Gerichtliche Vgl werden mit der Feststellung im Sitzungsprotokoll nach § 160 III Nr 1 ZPO oder mit der Feststellung des Gerichts nach § 278 VI S 2 ZPO errichtet. Notarielle Urkunden werden nach § 13 BeurkG durch Unterzeichnung der Niederschrift durch alle Beteiligten und den Urkundsnotar errichtet. Da die Urkunde eine Vollstreckungsunterwerfung enthalten muss und diese eine Prozesserklärung ist, muss noch ein Publikationsakt hinzutreten (AnwK/Mansel/Stürner Rn 9; Wieczorek/Schütze/Paulus § 794 ZPO Rn 91). Dieser besteht idR in der Übersendung einer Ausfertigung der Urkunde an den Gläubiger (Paulus aaO). Hat der Gläubiger an der Errichtung mitgewirkt, ist ein zusätzlicher Publikationsakt nicht nötig, weil der Gläubiger dann einen eigenen Anspruch auf Erteilung einer Ausfertigung hat. Der Anwaltsvergleich wird zwar schon mit Niederlegung eines von den beteiligten Rechtsanwälten unterzeichneten Schriftstücks errichtet (Zöller/Geimer § 796a ZPO Rn 13–18). Die Errichtung bewirkt aber nicht die Vollstreckbarkeit. Deshalb ist der Anwaltsvergleich vollstreckbar erst mit Vollstreckbarkeitsentscheidung des Gerichts (§ 796b II S 2 ZPO) oder auch des Notars (§ 796c I ZPO) iSd § 201 errichtet (AnwK/Mansel/Stürner Rn 8; BaRo/Henrich Rn 2). Eine Zustellung des Vergleichs oder der Urkunde ist anders als bisher nicht erforderlich. Beim Schuldenbereinigungsplan, der nach § 308 I S 2 InsO dem vollstreckbaren Vergleich gleichsteht, gehört zur Errichtung auch der Erlass des Gerichtsbeschlusses, der gem § 308 I S 1 InsO feststellt, dass er angenommen worden ist (AnwK/Mansel/Stürner Rn 10; BaRo/Henrich Rn 3; Soergel/Niedenführ Rn 3). 4. Bei Ansprüchen, die durch Aufnahme in die Insolvenztabelle festgestellt werden, beginnt die 4 Verjährung mit der Feststellung im Insolvenzverfahren. Gemeint ist damit aber nicht der Prüftermin oder der Abschluss des schriftlichen Prüfverfahrens nach §§ 177, 178 InsO, sondern der Zeitpunkt, in dem die Feststellung zur Insolvenztabelle vollstreckbar wird. Das sind nach §§ 201 II, 215 II InsO die Bek der Aufhebung oder der Einstellung des Insolvenzverfahrens. Vorher wäre die Verjährung ohnehin nach § 204 I Nr 10 gehemmt. 5. Entsteht der festgestellte Anspruch erst nach der Feststellung, so beginnt die Verjährung erst 5 mit dem Entstehen, Satz 1 Hs 2. Der Begriff des Entstehens entspricht dem in § 199 I Nr 1. Auf die Erl dort wird Bezug genommen. 6. Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so kommt es nach Satz 2 iVm § 199 V auf den Zeitpunkt 6 der Zuwiderhandlung an. Dies führt bei titulierten Unterlassungsansprüchen zu einer sehr beträchtlichen Verlängerung der Verjährungsfrist, uU auch weit über 30 Jahre hinaus.

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Unzulässigkeit von Vereinbarungen über die Verjährung (1) Die Verjährung kann bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. (2) Die Verjährung kann durch Rechtsgeschäft nicht über eine Verjährungsfrist von 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn hinaus erschwert werden. 1. Zur Dispositionsfreiheit der Parteien gehören nicht nur die Begründung und Ausgestaltung ei- 1 nes Anspruchs als solchen, sondern auch die Vereinbarung über die Frist, innerhalb derer er verjähren soll, und deren Lauf. Während das Gesetz bisher wie auch heute die Dispositionsfreiheit der Parteien in Ansehung seines Grundes und Inhalts anerkennt, erkannte es die Dispositionsfreiheit der Parteien in Ansehung der Verjährung nur zT an. Vereinbarungen über die sog Erleichterung, also die Verkürzung der Verjährung waren generell zulässig und sind nach wie vor nur im Rahmen von AGB

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nach Maßgabe der §§ 307ff beschränkt. Demggü war die sog Erschwerung, also die Verlängerung der Verjährung generell untersagt. Derartige Vereinbarungen waren ex lege nichtig (BGH NJW 1984, 289, 290). Dies widersprach aber den Interessen der Beteiligten, weshalb Wege entwickelt worden sind, das Verbot in seinen Wirkungen zu lockern (Schlüter in Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt [Hrsg], Das neue Schuldrecht in der Praxis, 90f). Den Bedürfnissen der Beteiligten entsprach und entspricht es, auch die Verjährung selbst vereinbaren zu können. Daran ist auch das jetzige Verjährungsrecht ausgerichtet. Die regelmäßige Verjährungsfrist ist jetzt so bemessen, dass sie im Normalfall zutrifft. Im Interesse einer übersichtlichen gesetzlichen Regelung verzichtet der Gesetzgeber darauf, jede Eventualität bei der Bemessung der Verjährungsfrist selbst gesetzlich auszuregeln. Stattdessen soll den Parteien die Möglichkeit gegeben werden, die Verjährungsfrist und die Modalitäten ihres Laufs so zu regeln, wie es ihnen richtig erscheint. 2

2. Diese eigentliche Aussage kommt in § 202 aber nur indirekt zum Ausdruck. Die Vorschrift regelt formal nur, welche Vereinbarungen die Parteien nicht treffen dürfen. Sie setzt gedanklich die grds nicht eingeschränkte Freiheit der Parteien voraus, die Verjährungsfrist und ihren Lauf nach Belieben zu regeln (BT-Drucks 14/6857, 7, 43). Und diese Dispositionsfreiheit ist das eigentlich Neue, die Hauptaussage der Vorschrift. Sie kann bei einseitigen Verpflichtungsgeschäften (§§ 657, 661a, 2147) einseitig, sonst nur durch Vertrag wahrgenommen werden (BaRo/Henrich Rn 5; Pal/Ellenberger Rn 6; PWW/Kesseler Rn 4). Bei Pflichtteilsansprüchen ist aber die Zuwendung eines Verjährungsvorteils möglich (Keim ZEV 2004, 173, 174f). Zu Vereinbarungen über die Verjährung sind grds nur die Parteien des Schuldverhältnisses befugt. Vereinbarungen über dier Verjährung können aber im Umfgang ihrer Regelungskompetenz auch von den Parteien eines Tarifvertrags getroffen werden (BAG DB 2009, 1660 Tz 27; NZA 2010, 518, 521 Rn 30).

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3. Eine Vereinbarung über die Verjährung bedarf keiner besonderen Form (AnwK/Mansel/Stürner § 202 Rn 9; BaRo/Henrich § 202 Rn 8). Das gilt allerdings nur, soweit Sondervorschriften nichts anderes bestimmen. So muss die Verjährung der Ansprüche im Transportrecht nach §§ 439 IV, 463, 475a HGB im Einz ausgehandelt werden, darf also nicht in AGB enthalten sein; AGB-Klauseln wären andernfalls nichtig (MüKo/Grothe Rn 5). Ob § 311b I S 1 für die Begründung der Verpflichtungen zum Erwerb und zur Veräußerung des Eigentums an Grundstücken (und grundstücksgleichen Rechten) eine solche Sondervorschrift enthält, wird unterschiedlich beurteilt (dagegen: BaRo/Henrich Rn 8; MüKo/Grothe Rn 5; dafür Staud/Peters/Jacoby Rn 6; Pal/Ellenberger Rn 5; PWW/Kesseler Rn 3). Hier wird man differenzieren müssen: Wollen die Parteien in einem Grundstückskaufvertrag eine Vereinbarung über die Verjährung treffen, muss sie, wie alles, was sonst zum Inhalt des Vertrags werden soll (BGH NJW-RR 2006, 1292f; Krüger ZfIR 2007, 175, 176), in den Vertragstext aufgenommen und gem § 311b I S 1 beurkundet werden. Eine andere Frage ist, ob eine solche Verjährungsregelung später geändert oder erst später getroffen werden kann. Das ist zu bejahen, wenn die Auflassung erklärt ist, weil die Formbedürftigkeit dann entfällt und eine Vereinbarung allein über die Verjährung der vertraglichen Ansprüche eine Verpflichtung zum Erwerb oder zur Veräußerung von Grundeigentum nicht begründet (vgl § 311b Rn 59). Auch vor der Erklärung der Auflassung ist eine Vereinbarung über die Verjährung oder die Änderung der im Grundstückskaufvertrag getroffenen Verjährungsregelung formlos möglich. Sie verändert die vereinbarten Pflichten nicht inhaltlich, sondern regelt nur eine Abwicklungsmodalität, was formfrei möglich ist (BGH 66, 270, 271; NJW 1986, 2759, 2760). Das wird insb durch die Nähe von Vereinbarungen nach § 202 zu den Tatbeständen der §§ 203, 205 deutlich, die ausdr Absprachen mit vergleichbaren Effekten erlauben.

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4. Die Parteien dürfen Vereinbarungen über die Verjährung frei treffen. Solche Vereinbarungen können die Verjährungsfrist betreffen. Darauf beschränkt sich die Dispositionsfreiheit der Parteien aber nicht. Die Parteien dürfen auch Regelungen über den Lauf der Verjährung treffen (AnwK/Mansel/ Stürner Rn 11; BaRo/Henrich Rn 3; Pal/Ellenberger Rn 4). Ein Teil der insoweit möglichen Regelungen ist gesetzlich besonders geregelt. Dies sind die Hemmung durch Verhandlungen in § 203 und die Hemmung durch Vereinbarung eines vorübergehenden Leistungsverweigerungsrechts nach § 205. Diese Vorschrift erfasst insb die Stundung und das Pactum de non petendo. Insoweit ist ein Rückgriff auf § 202 nicht geboten. Die Parteien haben aber das Recht, solche Tatbestände näher auszugestalten. Sie können zB das Ende der Verhandlungen, das § 203 offen gestaltet, formalisieren. Die Parteien dürfen auch neue Hemmungsgründe erfinden, frühere bestehende Hemmungstatbestände, zB die Hemmung durch Nachbesserung (§ 639 II aF), in ihrem Verhältnis zueinander wiederherstellen oder auch die Zahl der Hemmungsgründe einschränken (Soergel/Niedenführ Rn 6). Die Parteien dürfen sich auch auf Teilregelungen beschränken, zB nur die regelmäßige Verjährungsfrist verlängern, es aber iÜ bei § 199 belassen (BAG NZA 2010, 518, 521). Der Gesetzgeber hat keine Mindestverjährungsfristen vorgegeben (AnwK/Mansel/Stürner Rn 20). Dh aber nicht, dass die Parteien die Verjährung beliebig verkürzen dürften (AnwK/Mansel/Stürner Rn 21).

5

Vereinbarungen über die Verjährung sind nicht an einen bestimmten Zeitpunkt gebunden (Soergel/Niedenführ Rn 13; Schlüter aaO, 97). Die allg Vertragsfreiheit gestattet es, sowohl vor Entstehung des Anspruchs eine noch nicht laufende als auch nachträglich eine bereits laufende Verjährungsfrist zu verlängern, wenn die Parteien dies im konkreten Einzelfall für zweckmäßig halten (BaRo/Henrich Rn 3; Pal/Ellenberger Rn 4).

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5. Vereinbaren die Parteien eine Erleichterung oder Erschwerung der Verjährung für einen Anspruch, so wird sich diese regelmäßig auch auf solche Ansprüche erstrecken, die hiermit konkurrieren oder alternativ an deren Stelle treten (AnwK/Mansel/Stürner Rn 12; BaRo/Henrich § 202 Rn 9; J. Schmidt-Räntsch, Das neue Schuldrecht, Rn 119).

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J. Schmidt-Räntsch

Gegenstand und Dauer der Verjährung

§ 202

6. Die Dispositionsfreiheit gilt nur für Ansprüche, die der Verjährung unterliegen. Für Ansprüche, 7 die keiner Verjährung unterliegen, gilt weder § 202 noch das ihm zugrunde liegende Prinzip der Dispositionsfreiheit (BT-Drucks 14/6040, 111; BaRo/Henrich Rn 2; MüKo/Grothe Rn 6; Pal/Ellenberger Rn 10; Soergel/Niedenführ Rn 5; J. Schmidt-Räntsch aaO; Schlüter aaO, 92). Das sind vor allem die in §§ 194 II, 898, 902 bezeichneten Ansprüche. 7. Verjährungserleichternde Vereinbarungen, also Verkürzungen der Verjährungsfrist, sind nach 8 § 202 I unzulässig, wenn sie die Haftung wegen Vorsatzes betreffen und im Voraus getroffen werden. Diese Regelung legt eine sich im Grunde schon aus § 276 III ergebende Schlussfolgerung ausdr fest. Nach § 276 III kann die Haftung wegen Vorsatzes im Voraus nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Eine Verkürzung der Verjährung würde dieses Verbot umgehen und wäre auch ohne besondere Regelung als Umgehung unzulässig. Der in dieser Form neue § 202 I zeichnet dies für die Verjährungsvereinbarung nach. Sein Schutzzweck verlangt die Anwendung der Vorschrift nicht nur auf Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch auf entspr Ausschlussfristen (BAG ZIP 2005, 1699; ArbG Stralsund DB 2004, 1368; aM LAG Hannover LAGRp 2005, 193, 197). Regelmäßig haben sie aber nicht den Zweck, gerade die Haftung wegen Vorsatzes auszuschließen, weshalb sie ggf nur teilnichtig und iÜ wirksam sind (BAG aaO gegen München NJW 2007, 227, 228). Angesprochen wird in § 202 I nur die Vereinbarung im Voraus. Weder § 276 III noch § 202 I wollen verhindern, dass später ein Vergleich über solche Ansprüche oder eine Verjährungsvereinbarung getroffen wird. Der inhaltliche Bezug zu § 276 III markiert zugleich aber auch die inhaltlichen Grenzen des Verbots. Diese kommen in der Vorschrift nicht ganz deutlich zum Ausdruck. § 276 III gilt nämlich nicht uneingeschränkt. Für die Haftung für vorsätzliches Verhalten von Erfüllungsgehilfen gilt die Vorschrift nach § 278 S 2 nicht. Ist aber die Beschränkung oder der Ausschluss einer Haftung insoweit zulässig, fehlt einem Verjährungsverbot seine inhaltliche Rechtfertigung. § 202 I ist deshalb teleologisch zu reduzieren. Er gilt nur, soweit das Verbot des § 276 III gilt, also nicht in den Fällen des § 278 S 2. Ein vergleichbares Verbot für die Haftung wegen Fahrlässigkeit gibt es nicht. Allerdings ist § 309 9 Nr 7 zu beachten, wonach eine Beschränkung der Haftung wegen der Verletzung von Körper und Gesundheit und bei grobem Verschulden in AGB unwirksam ist. Das gilt auch für die Verkürzung der Verjährungsfrist (BGH NJW-RR 2009, 1416, 1417f). 8. Verjährungserschwerende Vereinbarungen, also Verlängerungen der Verjährung, sind nach Abs II 10 nur noch dann unzulässig, wenn sie zu einer 30 Jahre übersteigenden Verjährungsfrist ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn führen. Ansonsten, insb nach Ablauf der Verjährungsfrist, sind solche Vereinbarungen im Rahmen der allg Vertragsfreiheit grds zulässig. § 202 II betrifft nicht nur Abreden über die Verjährungsfrist. Er betrifft vielmehr sämtliche anderen Abreden, die die Parteien über die Verjährung treffen. Das sind Vereinbarungen über die Hemmung oder den Neubeginn der Verjährung oder auch der Verzicht auf die Einrede der Verjährung. Alle Vereinbarungen dieser Art dürfen nicht zu einer Verjährungsfrist führen, die insgesamt länger ist als eine Verjährungsfrist von 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn (BGH NJW-RR 1994, 1327, 1328; NJW 2008, 2995, 2996). Es kommt also nicht formal auf die Frist, sondern inhaltlich darauf an, wie lang die Frist effektiv ist oder werden kann (Pal/Ellenberger Rn 4). Von der Verlängerung der Verjährungsfrist ist das selbständige Garantieverhältnis zu unterscheiden. Hier ist die Garantiefrist nicht die Verlängerung der an sich bestehenden Verjährungsfrist, sondern die Bestimmung der Laufzeit des als Dauerschuldverhältnis angelegten Garantievertrags. Der Verjährung unterliegt nicht dieser Vertrag an sich, sondern die einzelnen aus ihm entstehenden Garantieansprüche (BGH NJW 2008, 2995, 2996). 9. Vereinbarungen, die gegen die Verbote in § 202 I oder II verstoßen, sind nach § 134 nichtig. Bei 11 Vereinbarung in AGB gilt wie auch sonst § 306 II, wonach bei Nichtigkeit einer Klausel die gesetzlichen Regelungen gelten. Eine Ausnahme ist nur für den Fall anerkannt, dass sich die AGB-Klausel nach ihrem Wortlaut aus sich heraus verständlich und sinnvoll in einen inhaltlich zulässigen und einen unzulässigen Regelungsteil trennen lässt (BGH 145, 202, 212). Das wird bei unzulässigen Verjährungsregelungen meist daran scheitern, dass sie nur durch eine Ergänzung AGB-Recht-konform ausgestaltet werden können. Das ist nicht möglich (BGH 170, 31, 38; NJW 1009, 1486, 1487). Es gilt dann die gesetzliche Verjährungsregelung für den betreffenden Anspruch. Außerhalb von AGB gilt dieses Verbot der geltungserhaltenden Reduktion nicht. Hier ist zu fragen, welche Regelung die Parteien dann getroffen hätten. Erst wenn sich das nicht ermitteln lässt, gelten die gesetzlichen Regelungen (AnwK/Mansel/Stürner Rn 23, 39, 59; aM Schlüter aaO, 95: sofort). Das kann, muss aber nicht zur gesetzlichen Verjährungsregelung führen (AnwK/Mansel/Stürner Rn 39). Haben die Parteien zB eine Vereinbarung getroffen, die theoretisch zu einem über 30 Jahre hinausgehenden Verjährungsbeginn führen kann, wird es ihrem Willen am ehesten entsprechen, wenn diese Vereinbarung mit der Maßgabe gilt, dass die Verjährung spätestens 30 Jahre nach dem gesetzlichen Beginn eintritt (AnwK/ Mansel/Stürner Rn 42; BaRo/Henrich Rn 11). Das Werben mit einer Verjährungsregelung, die § 202 II widerspricht, ist wettbewerbswidrig (Frankfurt GRUR 2006, 247; ebenso unter altem Recht: BGH GRUR 1994, 830 – Zielfernrohr). 10. Verjährungsvereinbarungen sind auch nicht möglich, wenn der Gesetzgeber partiell oder voll- 12 ständig zwingende Verjährungsregelungen getroffen hat (LAG Schleswig NZA-RR 2005, 320 für § 18a BetrAVG). So dürfen die Verjährungsregelungen im Verbrauchsgüterkauf nach § 475 nur zugunsten des Verbraucherkäufers, nicht aber zu seinen Lasten verändert werden. Hier ist also nur eine Verjährungsverlängerung, nicht aber eine Verjährungsverkürzung erlaubt. Nach § 478 IV S 1 kann sich auf eine Verkürzung der Verjährung des Rückgriffsanspruchs nur berufen, wer einen gleichwertigen Ausgleich einräumt. Ähnliche Beschränkungen enthalten §§ 651m S 2, 651g I BGB sowie §§ 439 IV, 463, 475a HGB. Grenzen ergeben sich aber auch aus allg Vorschriften. J. Schmidt-Räntsch

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§ 202

Allgemeiner Teil Verjährung

13

Das sind vor allem die §§ 307–309 (BT-Drucks 14/6040, 269; BGH NJW 2009, 1486, 1488), aber zB auch § 305c (Amann DNotZ 2002, 94, 123), für AGB und ggf noch §§ 242, 138. Bei der Überprüfung der Verjährungsvorschriften hat das Verjährungsrecht Leitbildfunktion. Diese ist ambivalent: Zum einen ist die gesetzliche Regelung als im Normalfall gerecht angelegt. Zum anderen sollen die Parteien ihren Sonderbedürfnissen Rechnung tragen und Änderungen vereinbaren können (AnwK/Mansel/ Stürner Rn 25). Die Grenzen einer Verkürzung der Verjährungsfrist hat der Gesetzgeber in § 309 Nr 8 lit b ff aufgezeigt. Danach kann die Verjährungsfrist für Mängelansprüche im Kauf- und im Werkvertrag (Ausnahme VOB/B) nicht unter ein Jahr verkürzt werden. Er hat zwar nicht mehr ausdr bestimmt, dass kürzere Verjährungsfristen nicht weiter verkürzt werden können. Dies ergibt sich aber in einem Erst-recht-Schluss aus der Jahresgrenze. Diese Wertung des Gesetzgebers gilt auch im Verhältnis von Unternehmern untereinander (zweifelnd AnwK/Mansel/Stürner Rn 35; aM Schlüter aaO, 102f: Verkürzung bis auf sechs Monate zulässig). Nicht verkürzt werden kann nach § 309 Nr 8 lit b ff auch die fünfjährige Verjährung nach §§ 438, 634a. Auch diese Wertung wird jedenfalls i Erg im Verhältnis von Unternehmern untereinander gelten müssen. Insb die Verjährungsfrist nach § 438 I Nr 2 lit b ist auf das Verhältnis von Unternehmern untereinander zugeschnitten (aM Schlüter aaO, 103: Verkürzung auf sechs Monate zulässig). Die langen Verjährungsfristen der §§ 196, 197 hat der Gesetzgeber vorgesehen, weil hier die regelmäßige Verjährungsfrist nicht ausreicht. Deshalb ist eine Verkürzung dieser Fristen im Zweifel unangemessen, auf jeden Fall aber dann, wenn eine kürzere als die regelmäßige Verjährungsfrist vorgesehen wird. Ähnlich liegt es bei der regelmäßigen Verjährungsfrist. Auch hier hat der Gesetzgeber kürzere Fristen vorgesehen, wo er sie für angebracht hielt. Deshalb ist eine Verkürzung im Zweifel unangemessen. Allerdings ist Mansel und Stürner (AnwK Rn 27f) darin zuzustimmen, dass eine Verkürzung der regelmäßigen Frist bei unverändertem subjektivem Verjährungsbeginn idR angemessen ist, wenn nicht eine zu kurze Überlegungsfrist eingeräumt wird. Insoweit könnte die Jahresfrist des § 309 Nr 8 lit b ff Orientierung sein (vgl aber Düsseldorf WM 2009, 1907, 1908f). Eine (verkürzte) Verjährungsfrist mit objektivem Beginn wird dagegen nur angemessen sein können, wenn der Gläubiger seinen Anspruch gewöhnlich dann noch wahren kann. Daran wird es bei Schadensersatzansprüchen regelmäßig fehlen (München NJW 2007, 227, 228; AnwK/Mansel/Stürner Rn 29). Ausschlussfristen, die kürzer sind als drei Monate, sind auch im Arbeitsrecht nicht ausreichend (BAG BB 2006, 327, 330f; 2005, 2131, 2134). Die Verkürzung von Verjährungsfristen, die kürzer sind als die regelmäßige Verjährungsfrist, wird regelmäßig zu einer unangemessenen Benachteiligung des Gläubigers führen (Grunewald AnwBl 2002, 258, 260). Je nach Interessenlage kann dies auch bei einer Verlängerung der Verjährungsfrist der Fall sein, die den Schuldner benachteiligen kann (Amann DNotZ 2002, 94, 123; Schmidt-Burgk/Ludwig DB 2003, 1046, 1048; Jungbauer JB 2002, 117, 120). In Individualvereinbarungen sind die Gestaltungsmöglichkeiten weiter. So könnte etwa beim Pferdekauf eine Verjährungsfrist von drei Monaten vereinbart werden (Hamm RdL 2009, 181). Aber auch hier muss dem Gläubiger eine angemessene Möglichkeit der Wahrung seiner Rechte verbleiben.

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Grenzen der Verlängerung von Verjährungsfristen zeigt das Gesetz in § 202 II nicht ausdr auf. Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche in §§ 438 I Nr 3, 634a I Nr 1 kann verlängert werden. Der Gesetzgeber selbst hat eine Verlängerung auf drei Jahre für zulässig gehalten (BT-Drucks 14/6040, 229). Dies würde auch der regelmäßigen Verjährungsfrist entsprechen, die der Gesetzgeber in §§ 438, 634a nicht vorschreiben, aber auch nicht ausschließen wollte. Die Bestimmung einer längeren Verjährungsfrist für Mängelansprüche bei Kauf- und Werkvertrag zeigt, dass eine solche Frist auch für Mängelansprüche aus anderen vergleichbaren Vertragsverhältnissen möglich ist (BGH WRP 2006, 243, 245). Zu denken wäre etwa an Miet- oder Leasingverträge. Eine weitergehende Verlängerung wird aber regelmäßig unangemessen sein (BGH 164, 196, 201–203 = WRP 2006, 243, 249 = BGHRp 2006, 138). Verlängert werden kann auch die Verjährungsfrist nach § 196. Hiervon ist der Gesetzgeber selbst ausgegangen (BT-Drucks 14/6857, 42).

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11. Außer Vereinbarungen über die Verjährung ist auch ein einseitiger Verzicht auf die Einrede der Verjährung möglich, und zwar anders als bisher vor wie nach Ablauf der Verjährung (BGH ZIP 2007, 2206, 2207; NJW 2009, 1598, 1600; Celle OLGRp 2006, 122, 123; Brandenburg OLGRp 2005, 547; Dresden NZI 2010, 102) AnwK/Mansel/Stürner Rn 44f; Lakkis ZGS 2003, 423, 424). Er kann auch konkludent erklärt werden. Ob eine Erklärung oder ein Verhalten einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung enthält, richtet sich nach dem objektiven Erklärungswert der Erklärung oder des Verhaltens des Schuldners (Hamburg SP 2001, 86; Lakkis aaO). Konkludentes Verhalten muss eindeutig auf einen Verzicht hindeuten (Celle OLGRp 2006, 122, 124; Dresden NZI 2010, 102; LG Bonn MMR 2009, 142). Die Rspr machte die Wirksamkeit früher davon abhängig, ob der Schuldner von dem Eintritt der Verjährung Kenntnis hatte, und zwar auch bei einem ausdr erklärten Verzicht (BGH 83, 382, 389). Dieser Rspr ist durch § 202 II die Grundlage entzogen (Pal/Ellenberger Rn 7; aM BaRo/Henrich Rn 7; Soergel/Niedenführ Rn 14). Ein vor Eintritt der Verjährung ausgesprochener Verzicht auf die Einrede der Verjährung konnte nämlich unter altem Recht als Umgehung des Erschwerungsverbots bewertet werden. Dieses ist aber ersatzlos entfallen. Damit kann die Kenntnis vom Eintritt der Verjährung für die Wirksamkeit eines Verzichts keine Bedeutung mehr haben (Pal/Ellenberger Rn 7). Der Verzicht auf die Einrede der Verjährung unterliegt der Einschränkung des § 202 II nicht (MüKo/Grothe Rn 11, 13 für nach Verjährung erklärten Verzicht; aM AnwK/Mansel/Stürner Rn 45) und macht den Anspruch nicht unverjährbar (Brandenburg OLGRp 2005, 547; AnwK/Mansel/Stürner Rn 46; aM MüKo/ Grothe Rn 13; Lakkis ZGS 2003, 423, 425). Er hat vielmehr den gleichen Effekt wie ein Anerkenntnis. Es läuft die Verjährungsfrist von neuem (BaRo/Henrich Rn 5; Pal/Ellenberger Rn 7).

616

J. Schmidt-Räntsch

Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn der Verjährung

§ 203

Titel 2 Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn der Verjährung

203

Hemmung der Verjährung bei Verhandlungen Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein. 1. Ansprüche sind nicht immer eindeutig und erfordern vielfach Verhandlungen. Deshalb hat der 1 Gesetzgeber 1977 in § 852 aF den bisherigen Abs II eingefügt, der eine Hemmung von deliktischen Ansprüchen während der Dauer von Verhandlungen vorsah. Diese Vorschrift konkretisiert den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242; BGH 93, 64, 69). Ein Schuldner, der sich in Verhandlungen mit dem Gläubiger einlässt und diesen damit zunächst von der Klageerhebung abhält, darf nicht nachher die Erfüllung des Anspruchs unter Hinw auf die auch während der Verhandlungen verstrichene Zeit ablehnen. Mit dem früheren § 852 II aF hatte der Gesetzgeber eine Regelung geschaffen, die es dem Gläubiger erlaubte, sich auf Verhandlungen einzulassen. Diese Regelung war gerade deswegen in weitem Umfang analogiefähig, weil sie auf einem verallgemeinerungsfähigen Gesichtspunkt beruhte (F. Peters NJW 1982, 1857; zurückhaltend aber BGH NJW 1990, 326; 1996, 48; Saarbrücken OLGRp 2002, 215, 217; Werkvertrag abl; Düsseldorf OLGRp 2002, 332, 336: Steuerberatervertrag abl). Davon wurde aber nur zurückhaltend Gebrauch gemacht (für Ansprüche aus §§ 92, 92b BinSchG: BGH 81, 370, 373; für Ansprüche aus dem Mietverhältnis: BGH 93, 64; Bremen NZM 2002, 292; LG Fulda ZLW 2002, 313; aM, aber überholt: Koblenz VersR 2000, 64). Die Rspr hat über den Geltungsbereich des bisherigen § 852 II aF hinaus die Einrede der Verjährung als treuwidrig (§ 242) nicht gelten lassen, wenn der Gläubiger durch Verhandlungen mit dem Schuldner – oder dessen Versicherung (BGH VersR 1971, 439f) – davon abgehalten worden war, rechtzeitig Klage zu erheben (BGH VersR 1977, 617ff, 619 für einen Anspruch aus Verletzung eines Anwaltsvertrags). Deshalb hat der Gesetzgeber nun § 203 zu einer allg Vorschrift umgestaltet, die generell für alle Verjährungsfristen gilt (BT-Drucks 14/6040, 111). 2. Einen anderen Ansatz enthält § 439 III HGB beim Frachtgeschäft für die Ansprüche aus einer 2 Beförderung. Danach wird die Verjährung nur durch eine schriftliche Erklärung des Berechtigten, mit der dieser Ersatzansprüche erhebt, dann aber so lange gehemmt, bis der Frachtführer die Erfüllung des Anspruchs schriftlich ablehnt. Eine vergleichbare Lösung gab es auch im Reiserecht (§ 651g II S 3 aF). Danach war, wenn der Reisende Ansprüche geltend gemacht hat, die Verjährung gehemmt, bis der Veranstalter die Ansprüche schriftlich zurückweist. Dieses Modell war im Diskussionsentwurf favorisiert, es ist aber wegen der Kritik, dass sich Verhandlungen nicht in ein Schema von schriftlichen Erklärungen pressen ließen (Mansel in Ernst/Zimmermann, 333, 398) nicht weiterverfolgt worden. Der Gesetzgeber hat sich stattdessen dafür entschieden, die in § 852 II BGB aF vorgesehene Hemmung der Verjährung durch Verhandlung als allg Regelung für alle Ansprüche einzuführen. Sie macht in der Sache formale Sicherungen von Ansprüchen, wie sie in § 651g II S 3 aF vorgesehen waren, entbehrlich. Der Gesetzgeber hat solche Sicherungen im Reiserecht deshalb aufgehoben. Im Transportrecht hat er sich dazu nicht entschlossen. Das ändert aber nichts daran, dass auch die Verjährung transportrechtlicher Ansprüche, deren Erhaltung von einer Anzeige abhängt, durch Verhandlungen nach § 203 gehemmt wird (BGH MDR 2008, 1347). 3. Einen besonderen Hemungstatbestand sehen §§ 15 und 115 II 3 VVG im Versicherungsrecht vor. 2a Danach ist die Verjährung, wenn ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag beim Versicherer angemeldet worden ist, bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem die Entscheidung des Versicherers dem Anspruchsteller in Textform zugeht. Dieser Hemmungstatbestand war schon im früheren Versicherungsrecht vorgesehen (§ 12 VVG aF). Er hätte an sich nicht in das neue Versicherungsrecht übernommen werden müssen, weil § 203 einen gleichwertigen Hemmungstatbestand bereits vorsieht. Denn der Begriff der Verhandlungen ist weit auszulegen (unten Rn 5). Der Gesetzgeber hat an dem bisherigen besonderen Hemmungstatbestand festgehalten, ohne sich mit seinem Verhältnis zu § 203 auseinanderzusetzen (BT-Drucks 16/3945, 64, 89). Inhaltlich bringt er ggü § 203 lediglich eine Klarstellung. Auch dient die Norm dem Schutz des Versicherungsnehmers (Muschner/Wendt MDR 2008, 609, 610f). Deshalb sind § 203 und §§ 15, 115 II S 3 VVG ähnlich wie § 203 und § 439 III HGB (vgl BGH MDR 2008, 1347) nebeneinander anwendbar. 4. Der Begriff „Anspruch“ ist hier nicht im Sinne einer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage, 3 sondern weiter im Sinne eines aus einem Sachverhalt hergeleiteten Begehrens auf Befriedigung eines Interesses zu verstehen. § 203 gilt anders als der frühere § 852 II aF für alle Ansprüche gleich aus welchem Grund. Er erfasst vertragliche Ansprüche genauso wie gesetzliche Ansprüche etwa aus unerlaubter Handlung, aus ungerechtfertigter Bereicherung oder Geschäftsführung ohne Auftrag oder familienrechtliche Ansprüche (überholt daher Hamm MDR 1999, 1328 für Zugewinnausgleich). Er gilt auch für Ansprüche, die nicht im BGB geregelt sind, aber den Verjährungsregelung des BGB unterliegen, also etwa Ansprüche gegen Angehörige der freien Berufe (Celle OLGRp 2005, 489, 490; überholt deshalb Hamm OLGRp 1998, 365 – Rechtsanwalt; Düsseldorf, OLGRp 2002, 332 und Koblenz OLGRp 1999, 250 – Steuerberaterhaftung). IdR wird man auch unter Berücksichtigung von § 213 davon ausgehen können, dass bei Verhandlungen über einen vertraglichen Anspruch auch möglicherweise konkurrierend oder alternativ gegebene Ansprüche aus Delikt oder absolutem Recht erJ. Schmidt-Räntsch

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§ 203

Allgemeiner Teil Verjährung

fasst werden. Dabei braucht das Begehren nicht besonders beziffert oder konkretisiert zu sein, wie ebenfalls aus der Formulierung „oder die den Anspruch begründenden Umstände“ folgt. 4

5. Über einen Anspruch im vorbeschriebenen Sinne können Verhandlungen nur gepflogen werden, wenn er bei Aufnahme der Verhandlung noch nicht verjährt war (Celle OLGRp 2005, 489, 490). Werden danach Verhandlungen aufgenommen, können sie auf die Verjährung nur im Rahmen von § 202 Einfluss haben. Es muss dann den Erklärungen oder dem Verhalten der Parteien zu entnehmen sein, dass der Schuldner sich auf die abgelaufene Verjährung nicht berufen will.

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6. Nach dem Sinn der Vorschrift war der Begriff der Verhandlung im Bereich des Deliktsrechts weit zu verstehen. Dieses Verständnis der Regelung ist auch nach der Erweiterung ihres Anwendungsbereichs und ihrer Erstreckung auf vertragliche und andere gesetzliche Ansprüche angezeigt. Das Regelungsziel ist dort das Gleiche. Zu berücksichtigen ist auch, dass § 203 im Bereich des Vertragsrechts den in dieser Form nicht mehr fortbestehenden Hemmungstatbestand des § 639 II aF ersetzt, die dort praktisch zum gleichen Ergebnis führte (Weyer NZBau 2002, 366, 369). Für die Annahme von Verhandlungen kommt es nicht auf die Bezeichnung an, die die Beteiligten ihrem Gespräch geben (Fischinger VersR 2005, 1641, 1643). Deshalb kann auch eine Mediation eine Verhandlung iSd § 203 darstellen (Begr zum Entwurf eines MediationsG in BT-Drucks 17/5335 v 1.4.2011, S 11; in der Sache ebenso Eidenmüller/Prause NJW 2008, 2737, 2741). Der Gläubiger muss zur Annahme von Verhandlungenlediglich klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn stützen will. Geschieht das, genügt jeder Meinungsaustausch über den Schaden oder einen anderen Sachverhalt, der Gegenstand von Ansprüchen sein kann, sofern nicht jeder Anspruch sofort und eindeutig abgelehnt wird (BGH 182, 76 = ZIP 2009, 1608, 1609; NJW 2004, 239, 240; 2008, 576, 577; NJW-RR 2011, 98, 99; MDR 2007, 835; Celle OLGRp 2006, 122, 124; Düsseldorf NJW-RR 2010, 528, 530f; Koblenz OLGRp 2006, 569, 570; Oldenburg OLGRp 2006, 117, 118; BauR 2010, 810; Staud/Peters/Jacoby Rn 7; Fischinger VersR 2005, 1641, 1643). Allerdings muss der Schuldner an der Erörterung von Ansprüchen beteiligt werden; es genügte also zB nicht, dass die Wohungseigentümergemeinschaft Ansprüche gegen ein abwesendes Mitglied diskutiert (Schmidt MDR 2009, 717, 718). Das Mitglied muss beteiligt werden. Dem Schuldner muss zumindest im Kern mitgeteilt werden, welcher Anspruch geltend gemacht werden soll (München NJOZ 2005, 4610, 4612 = ZIP 2005, 656; Karlsruhe OLGRp 2009, 771). Bei einem Werkmangel genügt dabei der bloße Hinw auf die Mangelerscheinungen, und zwar auch dann, wenn der Besteller irrtümlich annimmt, dass es sich gar nicht um einen Mangel, sondern lediglich um einen Bedienungsfehler handele (BGH NJW 2008, 576, 577). Damit erürbigen sich Überlegungen, § 203 bei einem Nachbesserungsverlangen analog anzuwenden (Faber/Werner, NJW 2008, 1910, 1913). An dem Vorliegen von Verhandlungen ändert es nichts, wenn der Schuldner bis zu einem bestimmten Zeitpunkt auf die Einrede der Verjährung verzichtet (BGHRp 2004, 871, 872; Karlsruhe OLGRp 2009, 771). Wird eine Ablehnung des Anspruchs mit der Bereitschaft verbunden, ihn bei neuem Tatsachenvortrag erneut zu prüfen, ist darin noch keine Verweigerung weiterer Verhandlungen zu sehen (BGH NJW 1998, 2819). Erfolgsaussicht und Vergleichsbereitschaft sind für die Annahme von Verhandlungen nicht Voraussetzung (BGH 182, 76 = ZIP 2009, 1608, 1609; Düsseldorf NZBau 2010, 177, 180; Staud/Peters/Jacoby Rn 7f). Das Einlassen auf eine Prüfung von Mängeln und auf deren Nachbesserung ist schon Verhandlung (BGHRp 2007, 145, 146; BGHRp 2006, 138, 140; MüKo/Grothe Rn 6; Soergel/Niedenführ Rn 5; Fischinger VersR 2005, 1641, 1644; Weyer NZBau 2002, 366, 369). Anders liegt es aber dann, wenn dies als Kulanz bezeichnet und Rechtsansprüche eindeutig abgelehnt werden (BGHRp 2006, 138, 140; AG Hannover RRa 2001, 225; Staud/Peters/Jacoby Rn 8). Dann hat der Gläubiger zwar Aussicht, anderweitige Kompensation zu erlangen. Das ist aber keine Verhandlung über den Anspruch, der ja gerade abgelehnt wird (so i Erg auch BGH 122, 317, 325; NJW 1990, 245). Eine Verhandlung liegt allerdings nicht schon dann vor, wenn ein Mangel lediglich besichtigt wird (BGH MDR 2002, 86), erst recht nicht, wenn dies im Rahmen von Verhandlungen zw den Parteien eines anderen Vertragsverhältnisses geschieht (BGH aaO). Auch die schlichte Entgegennahme eines gerichtlichen Vergleichsvorschlags ohne Äußerung (Schleswig OLGRp 2006, 766, 767) oder die Entgegennahme einer Anspruchsanmeldung nach Reiserecht (AG Baden-Baden RRa 2005, 30) stellen für sich genommen kein Verhandeln dar. Die sofortige Ablehnung eines Anspruchs wird auch nicht dadurch zum Beginn einer Verhandlung, dass sich der Schuldner die Mühe macht oder anbietet, seine Haltung zu erklären (PWW/Kesseler Rn 2). Dies wird zwar teilw aus BGH NJW 1997, 3447 abgeleitet (MüKo/Grothe Rn 5; Soergel/Niedenführ Rn 4), ist dort aber nicht entschieden worden. Dort ging es um die Beendigung begonnener Verhandlungen. Kein Meinungsaustausch findet statt, wenn der Eingang einer Mängelanzeige nach Reiserecht (Fischinger VersR 2005, 1641, 1645) oder einer Schadensanzeige oder, sofern keine Sonderregelung wie § 115 Abs 2 VVG besteht, eine Mängelrüge bloß formularmäßig bestätigt wird (BGH VersR 1975, 440). Entspr gilt, wenn der Schuldner dem Gläubiger mitteilt, er habe seine Haftpflichtversicherung unterrichtet, gleichzeitig aber ablehnt, zu Grund und Höhe seiner Haftung irgendwelche Erklärungen abzugeben (BGH WM 2011, 796, 798 Rn 16). Erst recht fehlt jedes Verhandlungselement, wenn es bei bloßen Aufforderungen des Berechtigten geblieben ist. Fragt der Schuldner aber nach, welche Ansprüche geltend gemacht werden, beginnen Verhandlungen (BGH NJW 2001, 1723; Soergel/Niedenführ Rn 4). Genauso liegt es, wenn der Schuldner sich nach anfänglicher Ablehnung wieder gesprächsbereit zeigt und das vom Gläubiger gesuchte Gespräch nicht unverzüglich beendet (BGHRp 2002, 583, 585; NJW 2003, 1524, 1525; Frankfurt MDR 2010, 326). Als Verhandlung ist auch der Abschluss eines Vergleichs auf Widerruf anzusehen (BGHRp 2005, 1165, 1167). Anders als unter bisherigem Recht wird man ein Verfahren vor den ärztlichen Schieds- und Gutachterstellen oder Innungsschlichtungsstellen nicht mehr ohne weiteres als Verhandlung (so noch BGH NJW 1983, 2075; Naumburg OLG-NL 2002, 241; Hamburg OLGRp 2001, 246; Zweibrücken OLGRp 2000, 483) qualifizieren können. Dies ist ein Verfahren vor einer sonstigen 618

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Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn der Verjährung

§ 203

Gütestelle, das den Hemmungstatbestand des § 204 I Nr 4 erfüllt (MüKo/Grothe Rn 6). Gegenansprüche gegen den Antragsteller werden jedenfalls nur dann zum Gegenstand von Verhandlungen, wenn sie konkret und eindeutig in das Verfahren eingeführt werden und sich der Antragsteller auf eine Erörterung im oben beschriebenen Sinne einlässt (LAG Berlin v 12.11.2009, 5 Sa 29/09, Juris). 7. § 203 regelt auch das Ende der Verhandlungen nicht im Einz. Entspr Forderungen sind im Ge- 6 setzgebungsverfahren abgelehnt worden, weil die Art und Weise, wie über str oder zweifelhafte Ansprüche verhandelt werden kann, so vielgestaltig seien, dass sie sich einer gesetzlichen Regelung entzögen (BT-Drucks 14/6040, 112). Die Hemmung endet, wenn eine Seite die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert (BGH VersR 1985, 642; NJW 1998, 2819). Eine Verhandlungspause führt demggü nicht zu einem Verhandlungsende (Fischinger VersR 2005, 1641, 1644). Dieses tritt vielmehr erst ein, wenn die Partei, die nach den Vereinbarungen die Verhandlungen aufgreifen muss, dies nicht tut (Fischinger VersR 2005, 1641, 1644). Lehnt der Schuldner aber Verhandlungen eindeutig ab, so sind die Verhandlungen jedenfalls beendet (AnwK/Mansel/Budzikiewicz Rn 38). Anders liegt es dagegen, wenn der Schuldner den Eindruck vermittelt, es habe trotz der Berufung auf Verjährung Zweck, zunächst weitere Gespräche abzuwarten (BGH NJW 1997, 3447; Köln VersR 2007, 521 Juris-Rn 23). Schlafen die Verhandlungen ein, endet die Hemmung, wenn der Berechtigte den Zeitpunkt versäumt, zu dem eine Antwort auf die letzte Anfrage des Ersatzpflichtigen spätestens zu erwarten gewesen wäre, falls die Regulierungsverhandlungen mit verjährungshemmender Wirkung hätten fortgesetzt werden sollen (BGH NJW 1963, 492; VersR 1967, 502; 1986, 1337, 1338; NJW 2009, 1806, 1807; Hamm NZV 1999, 334; Düsseldorf SP 2002, 284; aM Koblenz OLGRp 2006, 534: Fortdauer bis zu einer eindeutigen Ablehnung durch Schuldner). Feste Fristen hierfür bestehen nicht (Jänig ZGS 2009, 350, 353). Der Gesetzgeber hat solche entgegen einem Vorschlag des BR (BT-Drucks 14/6857, 7) auch nicht bestimmt, weil der Zeitraum, den man dem einen Teil zur Reaktion auf die Äußerung des anderen Teils einräumen muss, von dem Gegenstand der Verhandlung und der Verhandlungssituation abhängt (BT-Drucks 14/6857, 43). Düsseldorf, VersR 1999, 68, hält in einem typischen Schadensfall eine Frist von einem Monat für angemessen. Nach Celle, EWiR 2002, 331, enden Verhandlungen zur Schadensbeseitigung spätestens ein Jahr, nachdem sich der Auftragnehmer zu Nachbesserungen bereit gefunden hat, wenn er danach keinerlei Nachbesserungsversuche unternommen hat. Ansonsten muss der Abbruch der Verhandlungen wegen der Bedeutung für die Durchsetzbarkeit der geltend gemachten Ansprüche durch klares und eindeutiges Verhalten der einen oder der anderen Partei zum Ausdruck gebracht werden (BGH 93, 64, 67, NJW-RR 2005, 1044, 1047; 1991, 796; MDR 2004, 1050; NJW 1998, 2819, 2820; Hamm NJW-RR 1998, 101). Neue Verhandlungen setzen eine neue Hemmung in Gang (Düsseldorf SP 2002, 284; Frankfurt MDR 2010, 326). Von neuen Verhandlungen kann aber nicht gesprochen werden, wenn der Schuldner den Anspruch unter Hinw auf die Vorkorrespondenz oder unter Hinw auf fehlende neue Gesichtspunkte erneut zurückweist (AG Bad Homburg RRa 2001, 207; aM Frankfurt MDR 2010, 326). Sonst könnte der Gläubiger eine Hemmung schon dadurch herbeiführen, dass er den Gläubiger anschreibt und auf seinem Anspruch beharrt (so im Fall Frankfurt MDR 2010, 326 = Juris Rn 12, 23) 8. Die Verhandlung hemmt die Verjährung für den Anspruch, der Gegenstand der Verhandlung ist. 7 Gegenstand der Verhandlung sind alle Ansprüche, die sich aus dem Sachverhalt ergeben können, der dem anderen Teil zur Verhandlung vorgetragen worden ist. Auf die juristische Herleitung des Anspruchs kommt es nicht an, sondern darauf, ob dem anderen die dazu erforderlichen Tatsachen unterbreitet worden sind (München NJOZ 2005, 4610, 4612 = ZIP 2005, 656; Frankfurt NVwZ-RR 2007, 242, 244; MüKo/Grothe Rn 7; Staud/Peters/Jacoby Rn 14; Fischinger VersR 2005, 1641, 164). Deshalb ist es gleichgültig, wenn ein Anspruch wegen eines geschilderten Arzthaftungsfalles später nicht auf einen Behandlungs-, sondern auf einen Aufklärungsfehler gestützt wird. Wird nur ein abtrennbarer Teil des Schadens zum Gegenstand der Verhandlung gemacht, tritt auch nur teilw Hemmung ein (BGH NJW 1998, 1142). Ob aber nur eine Teilgeltendmachung vorliegt, ist durch Auslegung des Vorbringens zu ermitteln (Düsseldorf v 18.12.2009 – 23 U 187/08, Juris Tz 80). Hat der Gläubiger nur Teile beziffert, aber den gesamten Anspruch gemeint, ist auch der gesamte Anspruch Gegenstand der Verhandlung, die Verjährung also auch insgesamt gehemmt (BGH 83, 162, 166f). Entspr gilt, wenn die Verhandlungen Ansprüche des Gläubigers gegen mehrere Schuldner betreffen. Auch hier ist festzustellen, ob der Gläubiger Ansprüche gegen den einen oder anderen Schuldner aus den Verhandlungen herausnehmen will, was eher die Ausnahme ist (Rostock OLG-NL 2001, 172; Frankfurt VersR 1998, 1282). Auf die Hemmung der Verjährung des Hauptanspruchs durch Verhandlungen über seinen Bestand kann sich der Gläubiger auch ggü dem Bürgen berufen (BGH ZIP 2009, 1608, 1609; NJWSpezial 2010, 173). § 768 II ist nur bei Scheinverhandlungen zum Nachteil des Bürgen entspr anwendbar, nicht bei ernsthaften Verhandlungen über den Bestand der Hauptforderung (BGH aaO). 9. Verhandlungen müssen durch den Gläubiger mit dem Schuldner geführt werden. Beide können 8 durch Dritte vertreten werden. Verhandelt etwa der Geschädigte mit dem Kfz-Halter oder dessen Versicherung, erstreckt sich die Hemmung auf den Anspruch gegen den Fahrer (BGH NJW 1990, 245). Gerade im Vertragsrecht wird der Geschäftspartner oft durch seine Angestellten vertreten werden. Man wird davon ausgehen können, dass die üblichen „Reklamationen“ zu den Verkaufsgeschäften gehören, zu denen Ladenangestellte nach § 56 HGB ermächtigt sind (Baumbach/Hopt HGB32 § 56 Rn 4). Allerdings kann der Prinzipal dies ändern, indem er die Reklamationen entspr zuweist. Eine solche Beschränkung wird anzunehmen sein, wenn es eine besondere Reklamationsstelle gibt. Dann kann eine Verhandlung erst angenommen werden, wenn ein Mitarbeiter dieser Reklamationsstelle Prüfung oder Reparatur zusagt.

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§ 203 9

Allgemeiner Teil Verjährung

10. Da das Ende der Verhandlungen für den Gläubiger überraschend eintreten kann, ist in S 2 eine besondere Ablaufhemmung vorgesehen: Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Verhandlungen ein. Hierbei handelt es sich anders als bei der Sechs-Monats-Frist des § 204 II S 1 um eine Ablaufhemmung. Diese Frist tritt also nicht zu der Hemmung hinzu. Sie wird vielmehr nur bedeutsam, wenn der Verjährungsrest kürzer als drei Monate ist. Ist er länger, wirkt sich die Drei-Monats-Frist nicht aus.

204

Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung (1) Die Verjährung wird gehemmt durch 1. die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils, 2. die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger, 3. die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1). 4. die Veranlassung der Bekanntgabe des Güteantrags, der bei einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle oder, wenn die Parteien den Einigungsversuch einvernehmlich unternehmen, bei einer sonstigen Gütestelle, die Streitbeilegungen betreibt, eingereicht ist; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein, 5. die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess, 6. die Zustellung der Streitverkündung, 7. die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens, 8. den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens, 9. die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird, 10. die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren, 11. den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens, 12. die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Gütestelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt, 13. die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und 14. die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein. (2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt. (3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung. I. Vorbemerkung 1

Der Gläubiger muss die Möglichkeit haben, durch Maßnahmen der Rechtsverfolgung die Verjährung seines Anspruchs aufzuhalten. Das bisherige Recht sah in solchen Fällen regelmäßig eine Unterbrechung der Verjährung vor, die den Neubeginn der Verjährung mit einer Hemmung verband. Peters/Zimmermann haben nachgewiesen (in BMJ [Hrsg], Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd I 1981, 260ff, 308), dass dies den Schuldner unnötig belastete. In den Fällen, in denen die Klage zu einem rechtskräftigen Titel oder doch zur Abweisung der Klage in der Sache selbst führe, sei die nach Abschluss des Verfahrens (bisheriger § 211 I aF und bisheriger § 217 Hs 2 aF) erneut laufende alte Verjährungsfrist nicht von Interesse, da entweder nun die lange Verjährungsfrist für titulierte Ansprüche laufe oder rechtskräftig feststehe, dass der Anspruch nicht gegeben sei. Bedeutsam sei die seinerzeit geltende Regelung, wenn der Prozess in Stillstand gerate. Hier sei aber nicht einzusehen, weshalb die Verjährung dann zwingend erneut beginne. Es könne gute Gründe (zB Vergleichsverhandlungen) dafür geben, die Sache einschl der Verjährung in der Schwebe zu halten. Bedeutsam sei die geltende Regelung ferner in den Fällen der Klagerücknahme oder der Abweisung der Klage durch Prozessurteil. Hier lasse das seinerzeit geltende Recht (bisheriger § 212 aF) die Unterbrechung rückwirkend entfallen und sie wieder eintreten, wenn der Gläubiger binnen sechs Monaten nach Rücknahme oder Klageabweisung erneut Klage erhebe. Der Sache nach sei das eine bloße Hemmung der Verjährung. Für die Unterbrechung der Verjährung durch Maßnahmen nach dem bisherigen § 209 II aF seien weitgehend die gleichen Erwägungen anzustellen. Dort, wo die 620

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Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn der Verjährung

§ 204

Unterbrechung praktische Wirkungen habe, wirke sie sich i Erg wie eine Hemmung aus. Peters/Zimmermann haben daher vorgeschlagen, die Unterbrechung durch Maßnahmen der Rechtsverfolgung durch eine Hemmung zu ersetzen (Gutachten S 307ff, 316f zu §§ 205ff des dortigen Entwurfs). Diese Überlegung hat sich der Gesetzgeber zu Eigen gemacht (BT-Drucks 14/6040, 112). Die bisherigen Unterbrechungstatbestände sind durch Hemmungstatbestände ersetzt und in einer Norm, dem neuen § 204, zusammengefasst worden. Hierbei hat der Gesetzgeber die früher bestehenden sachlich überholten Unterschiede bei der Ausgestaltung dieser Tatbestände aufgegeben. Mit Rücksicht auf die nunmehr weniger einschneidenden, nämlich nur noch hemmenden, Wirkungen hat er die Tatbestände teilw erweitert. II. Die hemmenden Rechtsverfolgungsmaßnahmen (Abs I) 1. Klageerhebung (Abs I Nr 1). a) Art der Klage. Die wichtigste Maßnahme der Rechtsverfolgung, 2 die eine Hemmung auslöst, ist wie bisher die Erhebung der Klage. Die Klage muss auf Leistung (§§ 257ff ZPO), auf Feststellung (§ 256 ZPO; BGHRp 2006, 763, 764), auf Erteilung der Vollstreckungsklausel (§ 731 ZPO) oder wegen nicht anders vollstreckbarer ausländischer Urt auf Erlass eines Vollstreckungsurteils (§ 722 ZPO), dem im Anwendungsbereich der VO (EG) Nr 44/2001 (ABl EG Nr L 12 S 1 = EuZW 2002 Beil Heft 5) der Antrag auf Vollstreckbarkeitserklärung nach dem AVAG gleichsteht (MüKo/Grothe Rn 5), gerichtet sein. Die Leistungsklage muss auf die Durchsetzung des verjährenden Anspruchs gerichtet sein. Das ist nicht nur durch einfache Leistungsklage, sondern auch durch Klage auf künftige Leistung möglich. Mit dem Beginn der Verjährungsfrist tritt die Hemmungswirkung ein, wenn Klage schon erhoben ist (BGH 52, 47). Auch eine Feststellungsklage hemmt. Dgl eine Inzidentfeststellungsklage (Soergel/Niedenführ Rn 45). Hat Verjährung begonnen, so schließt die Leistungsklage – sei es auch nur mit Antrag auf Unterlassung – idR eine Feststellungsklage aus (RG 140, 235); zulässig bleibt diese nur, wenn trotz Möglichkeit der Leistungsklage ein Feststellungsinteresse besteht, zB der Schaden sich noch nicht genau beziffern lässt. Auch eine Stufenklage führt zur Hemmung, weil sie auch auf die Durchsetzung gerichtet ist, mag dieser Antrag in der ersten Stufe auch noch nicht gestellt werden (BGH NJW 1975, 1409, 1410; 1999, 1101; Brandenburg OLGRp 2005, 547). Anders ist es aber dann, wenn sich das Klageziel in der Erteilung der Auskunft und ggf Rechnungslegung erschöpft. Eine solche hemmt die Verjährung des Anspruchs auf Zahlung oder Herausgabe nicht, weil sie dessen Durchsetzung nur vorbereitet (RG JW 1937, 2101; RG 115, 27, MüKo/Grothe Rn 4, 11). Die Geltendmachung des verjährenden Anspruchs muss nicht das Hauptziel der Klage sein. Es genügt, wenn der Anspruch hilfsweise geltend gemacht wird (BGH NJW 1968, 692; Piepenbrock aaO [Vor § 194], 428f). Auch die Widerklage hemmt. Sie ist zwar ein Verteidigungsmittel, unabhängig hiervon aber auch eine vollwertige Klage. Der substantiierte Antrag auf Abweisung einer negativen Feststellungs(wider)klage ist zwar Verteidigung, führt aber im Erfolgsfall zur rkr Feststellung des Anspruchs (§ 197 Rn 10). Das rechtfertigt abw von der hier id 12. Aufl vertretenen Ansicht die Gleichstellung mit der Klage (Gsell GS Manfred Wolf [2011] 393, 396ff; Hinz in Festgabe Lübtow 1980, 735ff [analog]; Jauernig/Jauernig13 Rn 2; Macke NJW 1990, 1651; Piepenbrock aaO [Vor § 194], 430f; anders hM BGH 72, 23, 28; LM Nr 12 zu § 209; NJW 1983, 392; 1994, 3107, 3108; RG 60, 387, 391; 75, 302, 305; 153, 375, 380; MüKo/Grothe Rn 7; Pal/Ellenberger Rn 3; PWW/Kesseler Rn 2). Der Klageerhebung stehen der Mahn- und der Vollstreckungsbescheid nach Einlegung von Widerspruch bzw Einspruch gleich. Sie sind iSd § 204 I Nr 1 erhoben, wenn die Akten bei dem Gericht, an das die Sache nach §§ 697 I S 1, 700 III S 1 ZPO abzugeben sind, eingehen. Der Klageerhebung steht ferner gleich die Zustellung des Antrags in Familienstreitsachen gem §§ 113 I 2, 124 FamG. Entspr gilt für ein Verfahren zur Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren nach §§ 249ff FamFG nach Erhebung von Einwendungen gem § 254 FamFG und Eingang des Antrags auf Durchführung des str Verfahrens nach § 255 II FamFG. b) Fehlerhafte Klage. Eine Klage löst die Hemmung unabhängig davon aus, ob sie zulässig und be- 3 gründet ist (BGH 163, 259, 263; MDR 2011, 253; Düsseldorf v 18.12.2009 – 23 U 187/08, Juris Tz 74; AnwK/Mansel/Budzikiewicz Rn 32; MüKo/Grothe Rn 25; Staud/Peters/Jacoby Rn 24). Deshalb hemmen auch eine Klage vor einem örtlich oder sachlich unzuständigen Gericht (BGH MDR 2011, 253; NJW 1978, 1058), eine Feststellungsklage, der das Feststellungsinteresse fehlt (BGH 103, 298, 302; MDR 2011, 253) oder eine unschlüssige Klage (BGH NJW 1967, 2210 u 2354; BAG EzA § 1 AEntG Nr 10; BSG SGb 2006, 733). Liegt eine materiellrechtlich wirksame Ermächtigung vor, fehlt jedoch das für die gewillkürte Prozessstandschaft erforderliche eigene Rechtsschutzinteresse, so hemmt die prozessual unzulässige Klage dennoch die Verjährung (BGH NJW 1980, 2461). Dasselbe gilt, wenn der Gläubiger seinen Anspruch während des (nicht weiterbetriebenen) Rechtsstreits abtritt und der Zessionar eine wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässige Zweitklage wegen dieses Anspruchs erhebt (BGH MDR 2011, 253). Es müssen auch noch nicht alle Anspruchsvoraussetzungen eingetreten sein (BGH MDR 2003, 764, 765). Deshalb hemmt eine gegen den früheren Geschäftsführer einer GmbH erhobene Schadensersatzklage die Verjährung auch dann, wenn der für die Begründetheit des Klagebegehrens erforderliche Beschl der Gesellschafterversammlung noch nicht gefasst ist (BGH NJW 1999, 2115). Ist die Klage aber unwirksam, zB weil ihr die erforderliche Unterschrift fehlt (MüKo/Grothe Rn 22–25) oder weil sie durch einen Rechtsanwalt zu erheben war, aber nicht durch diesen erhoben worden ist (Naumburg FamRZ 2001, 1006; Braunschweig MDR 1957, 425, 426), so tritt Hemmung nicht ein. Form- und technische Erfordernisse, die nicht zwingend sind, stehen der Wirksamkeit der Klage und damit ihrer hemmenden Wirkung nicht entgegen (BAG AP Nr 3 zu § 211 BGB; MüKo/Grothe Rn 22f). c) Parteien des Rechtsstreits. Die Klage muss der Berechtigte gegen den Verpflichteten erheben 4 (BGH 25, 256; LM Nr 8 zu § 185 BGB; MDR 2011, 253; München NJW-RR 2010, 824, 825). Eine Klage J. Schmidt-Räntsch

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Allgemeiner Teil Verjährung

gegen den Staat muss gegen die vertretungsberechtigte Behörde gerichtet werden (BGHRp 2004, 857). Ein sachlich Nichtberechtigter ist bei Prozessstandschaft zur Klageerhebung befugt und kann die Verjährungshemmung herbeiführen (BGH NJW 2010, 2270, 2271 Rn 38; MDR 2011, 253). Diese kann auch auf stillschw erteilter Ermächtigung beruhen (BGH NJW 1957, 1838; Düsseldorf OLGRp 1999, 323). Fehlt die Ermächtigung, so tritt keine Hemmung ein; auch eine nachträgliche Genehmigung der Prozessführung durch den Berechtigten kann nicht analog § 185 diesen Erfolg herbeiführen (BGH LM Nr 8 zu § 185 BGB; NJW 1956, 298; MüKo/Grothe Rn 20). Dasselbe gilt, wenn die Ermächtigung vorliegt, aber nicht in den Rechtsstreit eingeführt wird (BGH NJW 1985, 1826, 1827; MDR 2003, 1172, 1173; Jena MDR 1998, 1468, 1469; offen BGH NJW 1999, 3707, 3708; BaRo/Henrich Rn 9; Piepenbrock aaO [Vor § 194], 436). Die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen, die Ehegatten aus der gemeinsamen Errichtung eines Hauses zustehen, wird auch durch eine Klage gehemmt, die nur einer der Ehegatten erhebt und mit der er Leistung an sich verlangt, wenn er von dem anderen Ehegatten dazu prozessual und materiell ermächtigt ist (BGH 94, 117 = JZ 1985, 888, 889 m Anm Reinicke und Tiedtke). Im Prozess muss sich der Kläger auf die Ermächtigung berufen und deutlich machen, wessen Recht er geltend macht, es sei denn, allen Beteiligten ist klar, wessen Recht eingeklagt wird. Die Klage des Erben hemmt nicht bei bestehender Nachlassverwaltung; auch hat die Aufhebung der Verwaltung keine Rückwirkung (BGH 46, 221). Die Klage gegen den Bürgen hemmt nicht die Verjährung der Hauptforderung (Düsseldorf OLGRp 2006, 261, 262). Etwas anderes gilt nur, wenn der Hauptschuldner weggefallen ist und die Verjährung nicht mehr durch eine Klage gegen ihn gehemmt werden könnte; dann reicht eine Klage gegen den Bürgen aus (BGH 153, 337, 342f; ZIP 2009, 1608, 1609 Tz 14). Die Klage gegen den Hauptschuldner führt nach § 771 S 2 zu einer Hemmung der Verjährung des Anspruchs gegen den Bürgen, wenn dieser die Einrede der Vorausklage erhoben hat. Der Direktanspruch des Geschädigten gegen die Versicherung des Schädigers verjährt, wenn nur dieser den Vorfall, nicht aber der Geschädigte seine Ansprüche gem § 115 II S 3 VVG anmeldet (AG Burgwedel ZfSch 2004, 366). Ist der Anspruch auf einen anderen übertragen oder übergegangen (zB nach § 116 SGB X), so kann idR nur der Erwerber die Hemmung herbeiführen (RG 85, 424; Karlsruhe NJW 1961, 1866). Hat ein Gläubiger dem Schuldner die Forderungsabtretung angezeigt, ist diese aber nicht erfolgt oder unwirksam und hat der Schuldner noch nicht an den Dritten gezahlt, so bleibt der Gläubiger auch dann zur Klageerhebung und damit zur Hemmung der Verjährung berechtigt, wenn er noch nicht vom Scheinzessionar die Zustimmung zur Rücknahme der Anzeige erlangt hat (BGH 64, 117; TranspR 2010, 200, Rn 38). Bei einer stillen Sicherungszession bleibt der Zedent gewöhnlich befugt, die abgetretene Forderung einzuziehen und Zahlung an sich zu verlangen, so dass durch Klageerhebung oder Zustellung eines Mahnbescheids die Verjährung gehemmt wird (§§ 167, 693 II ZPO; BGH NJW 1978, 698; MDR 1999, 884; Köln v 21.4.2009 – 18 U 148/07, Juris Tz 40). Die Klage des Gläubigers hemmt auch dann die Verjährung, wenn die Forderung vorher von einem Dritten gepfändet und diesem zur Einziehung überwiesen wurde (BGH NJW 1986, 423). Die Klage gegen eine Handelsgesellschaft hemmt die Verjährung ggü der Gesellschaft und dem Gesellschafter, der bei Klageerhebung der Gesellschaft angehört (arg § 129 HGB, BGH 73, 217; PWW/Kesseler Rn 3). Bei einer stillen Sicherungszession macht der Zedent die abgetretene Forderung grds als Berechtigter geltend, womit die Verjährung gehemmt wird, ohne dass es einer Offenlegung der Abtretung bedarf (BGH NJW 1999, 2110). Durch Klage gegen den nicht bloß falsch bezeichneten (AnwK/Mansel/Budzikiewicz Rn 29), sondern falschen Schuldner wird die Verjährung nicht gehemmt (BGH 80, 222; Staud/Peters/Jacoby Rn 6, 12). Die Klage gegen einen Streitgenossen hemmt die Verjährung nur im Verhältnis zu diesem, und zwar auch, wenn er notwendiger Streitgenosse ist (BGH 131, 376, 380 = NJW 1996, 1060; Soergel/ Niedenführ Rn 29). Dessen Klage bleibt begründet, auch wenn ggü den anderen Streitgenossen Verjährung eintritt (München OLGRp 2003, 48, insoweit veröffentlicht nur in Juris). 5

d) Erhebung der Klage. Die Klageerhebung geschieht idR durch Zustellung der Klageschrift oder des Protokolls über die Erhebung der Klage zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 498 ZPO). Wird die Klage vor Ablauf der Verjährungsfrist eingereicht, ist die verspätete Zustellung unschädlich. Sie wirkt nach § 167 ZPO zurück, wenn sie „demnächst“ erfolgt. Das führt dazu, dass die Frist schon durch die Klageerhebung gewahrt wird (BGH MDR 2010, 646, 647). Die Klage muss den Erfordernissen des § 253 II Nr 2 ZPO entsprechen; die Heilung eines solchen Mangels kann eine Fristversäumnis nicht rückwirkend beseitigen (BGH 22, 257; 25, 76; MDR 2010, 646; Soergel/Niedenführ Rn 8). Das gilt etwa für die fehlende Parteifähigkeit (Nürnberg NZG 2002, 874, in casu überholt). Wird die Klage gegen eine aufgelöste jur Pers gerichtet, löst sie daher keine Hemmung aus (KGRp 2003, 34). Allerdings ist dem Rechtsnachfolger die Berufung auf die Verjährung versagt, wenn und solange er den Eindruck erweckt, die Zustellung sei gelungen (KG aaO). Mängel der Zustellung führen dazu, dass die Klage nicht erhoben ist und auch nicht als rechtzeitig erhoben gilt. Sie können in den Fälle des § 189 ZPO (fehlender Nachw oder Verstoß gegen zwingenden Vorschriften) durch tatsächlichen Zugang geheilt werden (so schon BGH 25, 66, 75 für Klageerhebung BGH NJW 1960, 1947, 1948 für Klageerweiterung; BGH WM 2011, 903, 908 Rn 46f für Beweissicherungsantrag). Das muss aber in der Verjährungsfrist geschehen (BGH MDR 2010, 646f). Die unterbliebene rechtzeitige Heilung eines Zustellungsmangels führt grds dazu, dass die fristgerecht eingereichte Klage keine Hemmungswirkung auslöst. Anders ist es aber, wenn der Gläubiger für die wirksame Zustellung alles aus seiner Sicht Erforderliche getan hat, der Schuldner trotz unwirksamer Zustellung in unverjährter Zeit von der Klage (dem Erlass des Mahnbescheids) und ihrem (seinem) Inhalt Kenntnis erlangt und die Wirksamkeit der Zustellung ebenfalls in unverjährter Zeit in einem Rechtsstreit geprüft wird (BGH MDR 2010, 646, 647). Denn dann wird der Zweck des Zustellunsgerfordernisses erreicht: Der Gläubiger soll angemessene und unmissverständliche Schritte zur Durchsetzung des Anspruchs ergriffen (BT-Drucks 14/6040, 111) und so der Schuldner soweit wie möglich davor gewarnt werden, dass von ihm vor Ab622

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Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn der Verjährung

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lauf der Verjährungsfrist die Erfüllung eines Anspruchs verlangt wird (dazu Staud/Peters/Jacoby Rn 33). Die Klage ist wirksam erhoben, wenn sie zugestellt wird. Unerheblich ist, ob das Gericht auch andere Verfügungen vorgenommen hat, die an sich bei der Zustellung zu veranlassen sind, wie zB die Aufforderung an den Beklagten nach § 271 II ZPO ((BGH 11, 175). Der Klageerhebung stehen die Klageerweiterung oder Klageänderung, Abgabe des Verfahrens nach Widerspruch gegen den Mahnbescheid, Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid und der Antrag auf Durchführung des str Verfahrens wegen Unterhalts nach § 651 II ZPO gleich. Für die materiellrechtlichen Wirkungen nachgeholter Zustellung gilt § 167 ZPO. Danach wird die 6 Verjährung bereits mit der Einreichung der Klageschrift bei Gericht gehemmt, wenn die Zustellung demnächst nachgeholt wird (BGH NJW 1969, 928); dasselbe gilt bei entspr sonstiger Heilung des Mangels (BGH 25, 75). Entscheidend ist, ob die Klage gemessen vom Tage des Ablaufs der Verjährungsfrist „demnächst“ zugestellt wurde (BGH NJW 1986, 1347f; KGRp 2001, 67). Ob die Verjährung bei Zustellung bereits eingetreten war, ist unerheblich; § 167 ZPO gilt auch dann, wenn die Verjährung zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt gewesen sein sollte (BGHRp 2008, 713, 714). Verzögerungen ergeben sich oft wegen fehlenden Kostenvorschusses. Dessen Anforderung durch das Gericht darf abgewartet werden (BGH NJW 1993, 2811; BVerfG NJW 2001, 1125f). Es reicht daher zB Zahlung nach vier Wochen (Düsseldorf OLGRp 2003, 170), bei Aufforderung durch das Gericht zwei Wochen (Brandenburg MDR 2003, 771, 772). Zieht sich die Anforderung aber länger hin, muss der Kläger nachfragen (Saarbrücken OLGRp 2002, 215, 216; aM Bremen OLGRp 2006, 60, 63f). Erweist sich die Klage als unzustellbar, kann eine Zustellung demnächst nur angenommen werden, wenn der Gläubiger die gebotenen Anstrengungen zur raschen Erforschung und Mitteilung einer neuen Zustellanschrift unternimmt (Dresden WM 2007, 297). Stehen mehrere Zustellungsmöglichkeiten zur Verfügung, so kann dem Gläubiger die Wahl einer langsameren Alternative schaden (Schleswig NJW 1988, 3104; Kuntze-Kaufhold/Beichel-Benedetti NJW 2003, 1998; vgl aber BGH MDR 2003, 1368, 1369). Wird der Anspruch im Laufe des Prozesses erhoben, so tritt Unterbrechung ebenfalls mit Eintritt der Rechtshängigkeit, nämlich durch Geltendmachung in der mündlichen Verhandlung oder durch Zustellung eines Schriftsatzes ein (§ 261 II ZPO). Klageerweiterung durch Anschlussberufung bewirkt Hemmung erst bei Zustellung der Anschlussberufungsschrift im Amtsbetrieb, §§ 521, 522a ZPO (RG 156, 291). Auch durch Klageerhebung vor einem örtlich oder sachlich unzuständigen Gericht wird die Verjährung gehemmt (BGH NJW 1978, 1058). Anders als früher (dazu RG 66, 365, 368; 115, 135, 140) entfällt die Hemmung auch in diesem Fall nicht bei Abweisung der Klage. Die Hemmung endet dann. Zur Vorbereitung und Erhebung der Klage bei dem zuständigen Gericht steht dem Gläubiger die Sechs-Monats-Frist nach Abs II S 1 zur Verfügung. e) Umfang der Hemmungswirkung. aa) Betroffene Ansprüche. Die Hemmung tritt nur für den 7 Anspruch ein, der gerichtlich geltend gemacht ist, also für den Streitgegenstand der erhobenen Klage (BGH NJW 1983, 388; 1999, 2110, 2111; 2005, 2004, 2005; WM 2007, 1241). Der den Streitgegenstand bildende prozessuale Leistungsanspruch umfasst hierbei alle materiellrechtlichen Ansprüche, die den Klageantrag begründen können (BGH NJW 1996, 1743; 1983, 2813; Staud/Peters/Jacoby Rn 14). Nichts anderes ergibt die von Grothe befürwortete stärker materiellrechtlich Auslegung von § 204 I Nr 1 (MüKo/Grothe Rn 10). So hemmt die Klage aus dem Wechsel auch die Verjährung des Grundanspruchs (Köln OLGRp 2002, 18). Kann der Anspruch verschiedene technische Ausprägungen erfahren, werden sie alle erfasst. Deshalb hemmt Klage auf Schadensersatz wegen Belastung mit einer Verbindlichkeit auch den Freistellungsanspruch (BGH NJW 1985, 1152, 1154). Etwas anderes gilt nur, wenn der Freistellungsanspruch zusätzlich zu dem Zahlungsanspruch geltend gemacht wird (BGH ZIP 2008, 412, 416). Dann ist er keine technische Ausprägung des Schadensersatzanspruchs, sondern der Schadensersatzanspruch in Wirklichkeit eine Teilklage, die zu einer nur teilw Hemmung führt (unten Rn 8). Die gegen denselben Schuldner erhobene Zahlungsklage aus § 2325 hemmt die Verjährung des Duldungsanspruchs aus § 2329 und umgekehrt (BGH NJW 1974, 1327). Entspr gilt für die Umstellung einer auf eine stille Zession gestützten Klage auf Zahlung an den Zessionar nach Offenlegung der Zession (BGH NJW 1999, 2110, 2111) oder für eine zunächst auf Pfändung, später auf Abtretung gestützte Klage (BGH BGHRp 2007, 887, 888). Die Klage auf Herausgabe des Erlangten führt auch zur Hemmung der Verjährung des Anspruchs auf das Surrogat (BGH NJW-RR 2006, 736, 738). Der Streitgegenstand begrenzt zugleich auch die Hemmungswirkung: Ansprüche, die sich aus dem zum Gegenstand der Klage gemachten Prozessstoff nicht ableiten lassen, nehmen an der Hemmungswirkung der Klage auch nicht teil (BGH NJW 1996, 1743; Stuttgart OLGRp 2006, 556, 558). Deshalb führt eine Klage aus eigenem Recht nicht zur Hemmung der Verjährung des später eingeklagten abgetretenen Anspruchs (BGH NJW 2005, 2004, 2005; 2007, 2560, 2561). Die Hemmungswirkung einer auch auf eine gewillkürte Prozessstandschaft gestützte Klage tritt erst ein, wenn diese offen gelegt oder offensichtlich wird (BGH VIZ 2004, 79, 80). Diese Grundsätze geltend auch für künftige Ansprüche des Gläubigers, deren Verjährung bei Anwendung der sog Schadenseinheitslehre bereits begonnen hat, weil der zum Prozessstoff gemachte Lebenssachverhalt solche Ansprüche erkennen ließ. Diese müssen rechtzeitig zum Gegenstand eines eigenen Feststellungsantrags gemacht werden, der dann Hemmungswirkung auch insoweit hat (BGH NJW 1988, 965, 966; 1995, 1614). Deren Umfang bestimmt sich nach der Interessenlage des Klägers (BGH VersR 2000, 1521; Lepa in ARGG Verkehrsrecht im DAV, Homburger Tage 2000, S 7, 11). Bsp: Kündigungsschutzklage hemmt nicht auch die Verjährung der Gehaltsansprüche (BAG 9, 7 = SAE 60 Nr 35 m Anm Larenz; NJW 1961, 1787; AP Nr 31 zu § 4 TVG-Ausschlussfristen; MDR 2003, 939, 940; aM Lüke NJW 1960, 1333; Hueck zu AP § 209 BGB Nr 1; zur Problematik: Güntner BB 1962, 1044; Rewolle DB 1980, 1696; Becker/Bader BB 1981, 1709, 1713ff). Wird wegen Körperverletzung auf Zahlung einer Rente geklagt (§ 843), so wird dadurch zwar auch die Verjährung des Anspruchs auf Kapitalabfindung gehemmt (BGH NJW 1985, J. Schmidt-Räntsch

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1153, 1154; RG 77, 213, 216), nicht aber die Verjährung eines Schmerzensgeldanspruchs. Durch eine Klage auf Unterlassung einer geschäftsschädigenden Äußerung wird die Verjährung des Anspruchs auf ihren Widerruf nicht gehemmt (BGH NJW 1973, 2285). Die Klage auf Zahlung des „großen Pflichtteils“ (§ 2303 II iVm § 1371 I) hemmt nicht die Verjährung des Anspruchs auf Zugewinnausgleich nach § 1371 II, weil es sich um zwei verschieden ausgestaltete Ansprüche aus verschiedenen Rechtsbereichen handelt (BGH NJW 1983, 388f). Die Verjährung eines Anspruchs, für den der Kommanditist nach § 176 HGB unbeschränkt haftet, wird auch dann gehemmt, wenn der Gläubiger mit der Klage zunächst nur die beschränkte Haftung nach § 171 I HGB geltend macht (BGH NJW 1983, 2813). Die Verjährung eines aus abgetretenem Recht des Pächters stammenden Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung des Eigentums an den Erzeugnissen der Pachtsache wird nicht dadurch gehemmt, dass der Rechtsstreit zunächst der Schadensersatzanspruch auf eine Berechtigung der Miteigentümer der Pachtsache gestützt wird, und zwar auch dann nicht, wenn der Pächter zugleich Miteigentümer der Pachtsache war (BGH NJW 1996, 117). 8

bb) Umfang des Anspruchs. Die Hemmungswirkung tritt nur insoweit ein, wie Klageerhebung erfolgt (Jena OLG-NL 2004, 245). Eine unbezifferte Feststellungsklage hemmt grds die Verjährung für den str Anspruch im Ganzen (RG 75, 302). Das gilt auch dann, wenn der Anspruch beziffert, der Gegenstand der Klage aber weiter gefasst ist (MüKo/Grothe Rn 15). Das gilt zB für eine nicht bezifferte Schmerzensgeldklage, in der die tatsächlichen Bemessungsgrundlagen so genau wie möglich und für den Bekl übersehbar angegeben sind; sie hemmt die Verjährung für den ganzen Schadensersatzanspruch (BGH NJW 1974, 1551; 1996, 2425; 2002, 3769). Deshalb hemmt eine bezifferte Schadensersatzklage die Verjährung auch insoweit, als sich der Anspruch auf Geldersatz für einen entgangenen Grundstücksanteil später wegen einer Wertsteigerung des Grundstücks (BGH LM Nr 50 zu § 209 BGB aF) oder der Anspruch auf Ersatz von Vertiefungsschäden wegen Steigerung der Baukosten (BGH NJW 1982, 1809, 1810) erhöht. Entspr gilt für einen Anspruch wegen Beschädigung einer Mietsache, der später wegen gestiegener Beseitigungskosten erweitert wird (BGH WM 1979, 1263). Die hemmende Wirkung der Vorschussklage gegen den Werkunternehmer erfasst auch spätere Erhöhungen der Forderung, sofern sie denselben Mangel betreffen (BGHRp 2005, 958, 959). Werden Rentenansprüche während des Prozesses wegen einer wesentlichen Veränderung der Umstände, die der Schadensbemessung zugrunde liegen (Lohn-, Preisverhältnisse), erhöht, so ergreift die durch Klageerhebung eingetretene Hemmung auch die Verjährung des erweiterten Anspruchs (BGH NJW 1970, 1682). Allerdings muss sie in diesem Sinne als Teilklage noch erkennbar sein. Das ist bei Veränderungen der Forderungen, die auf einer Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse beruhen, der Fall, bei anderen dagegen nicht (BGH NJW 2002, 2169). Eine sog verdeckte Teilklage, bei der weder der Schuldner noch das Gericht (auch unter Berücksichtigung einer Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse) erkennen können, dass sie das Begehren nicht voll abdeckt, hemmt nur für den erkennbar gewordenen Teil (BGH MDR 1996, 932; NJW 2002, 2169 und 3769; KGRp 2004, 576, 578; Hamm VersR 2006, 1527). Die Möglichkeit, dass der Anspruch höher ausfällt, ist aber bei Schmerzensgeld immer erkennbar (BGH NJW 2002, 3769). Eine als Stufenklage erhobene Leistungsklage hemmt die Verjährung des Leistungsanspruchs auch dann, wenn zunächst nur der Auskunftsantrag gestellt wird (Brandenburg OLGRp 2005, 547; Naumburg OLGRp 2005, 950). Eine Stufenklage auf Zahlung von Schadensersatz wegen schuldhaft veranlasster Kündigung eines Vertragsverhältnisses hemmt die Verjährung auch hins eines zunächst nicht einbezogenen Zeitraums, wenn der gesamte Zeitraum Gegenstand des Rechtsstreits und dies für den Gegner erkennbar war (BGH MDR 1978, 467, 468). Wird ein Anspruchsteil rechtshängig gemacht, so hemmt eine solche Teilklage die Verjährung des Anspruchs nur für den eingeklagten Teil, nicht für den ganzen Anspruch (BGH 66, 142, 147; MDR 1998, 272; NJW 2009, 1950, 1951; RG 115, 27; 57, 372; Frankfurt OLGRp 2001, 85; Koblenz OLGRp 2009, 560; Zweibrücken ZEV 2010, 44, 45), auch nicht, wenn Geltendmachung des Restes vorbehalten ist und in der Klagebegründung der Anspruch seinem ganzen Umfang nach dargelegt wird (RG 77, 213). Eine spätere Klageerweiterung auf das Ganze kann dann die zuvor eingetretene Verjährung des Restanspruchs nicht mehr ausräumen (BGH 103, 298, 301). Eine Stufenklage hemmt die Verjährung eines zunächst noch unbestimmten Leistungsanspruchs nur in der Höhe, in der dieser Anspruch nach Erfüllung der seiner Vorbereitung dienenden Hilfsansprüche beziffert wird, sie hindert indessen die Verjährung weiterer, zunächst nicht geltend gemachter Anspruchsteile nicht (BGH NJW 1992, 2563).

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Die Reichweite der Hemmungswirkung in Bezug auf die Ansprüche bestimmt sich nach dem Streitgegenstand: Eine Klage auf Erstattung eines Teiles von Mängelbeseitigungskosten (§ 637 I, VOB/B [2002] § 13 Nr 5 II) hindert nicht die Verjährung des Anspruchs auf Ersatz weiterer Kosten, die bei der Nachbesserung derselben Mängel entstanden sind (BGH 66, 142, 147). Der Anspruch auf Ersatz von Mängelbeseitigungskosten ist ein endgültiger Anspruch, die Geltendmachung von Teilen hiervon ist Teilklage. Dagegen hemmt eine Klage auf Zahlung eines Vorschusses für die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten nach § 637 III auch die Verjährung des späteren, mit Kostensteigerungen begründeten Anspruchs auf Zahlung eines höheren Vorschusses zur Behebung desselben Mangels, da Gegenstand der Klage der Vorschussanspruch ist, der nichts Endgültiges ist und später abgerechnet werden muss (BGH 66, 138, 141). Die Klage auf Schadensersatz wegen verzögerter Wiederherstellung der Mietsache hemmt nicht auch den Wiederherstellungsanspruch selbst, weil die Streitgegenstände verschieden sind (BGH 104, 6, 12). Liegt zunächst nur ein nicht aufgegliederter Antrag wegen verschiedener Teilansprüche vor, so wird die Verjährung für jeden Teilanspruch iHd Gesamtsumme gehemmt, nicht aber für den weiteren, die Gesamtsumme übersteigenden Teil der Einzelansprüche (BGH NJW 1959, 1819 m Anm Arens ZZP 69, 143; NJW-RR 1988, 692). Die Hemmungswirkung der nicht aufgegliederten Teilansprüche ist auflösend bedingt. Im Verlauf des Rechts624

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Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn der Verjährung

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streits muss eine Konkretisierung erfolgen; geschieht dies nicht, entfällt die Hemmungswirkung vollständig (BGH 11, 192, 195; NJW 1959, 1819; 1984, 2346, 2347; NJW-RR 1996, 885). cc) Hemmung von Sekundäransprüchen. Eine Besonderheit gilt bei Amtshaftungs- und ähnlichen 10 Ansprüchen gegen den Staat. In einem Teil der Fälle ist hier ein Vorverfahren vorgeschrieben. Dann gilt für die Hemmung Abs I Nr 12. In der überwiegenden Zahl der Fälle ist ein solches Verfahren aber nicht vorgeschrieben. In diesen Fällen muss zunächst die Rechtmäßigkeit der haftungsauslösenden hoheitlichen Maßnahme vor den Verwaltungs-, Sozial-, Finanz- oder auch EG-Gerichten (BGH WM 2004, 693) überprüft werden. Erst danach kann der davon abhängige sog Sekundäranspruch zweckmäßigerweise verfolgt werden. Streitgegenstand des Verfahrens vor den öffentlich-rechtl Gerichtsbarkeiten ist aber formal nicht dieser Sekundäranspruch, sondern die Maßnahme, an die er anknüpft. Die Rspr misst der rechtzeitig erhobenen Klage im sog Primärrechtsweg unterbrechende, jetzt hemmende Wirkung auch für Sekundäransprüche zu. Daran hat sich nichts geändert (MüKo/ Grothe Rn 12; Soergel/Niedenführ Rn 13). Dies ist anerkannt für die Verjährung des Entschädigungsanspruchs aus Amtshaftung und enteignungsgleichem Eingriff (BGH 95, 238, 242; 97, 97, 110; 122, 317, 323; 181, 199, 217; NJW 1995, 2778, 2779; MDR 2011, 599, 600), und zwar auch dann, wenn das amtspflichtwidrige Verhalten nicht in dem Erlass, sondern im Vollzug eines Verwaltungsakts gesehen wird (BGH 97, 97, 100, NJW 1995, 2778, 2779). Durch Geltendmachung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs mittels Klage vor den Sozialgerichten wird die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs gehemmt, der auf dasselbe Fehlverhalten des Sozialverwaltungsträgers gestützt wird (BGH NJW 88, 1776; NVwZ-RR 2000, 746, 749; MDR 2011, 599, 600). Der Grundsatz des Vorrangs des Primärrechtsschutzes hat zur Folge, dass es anders als sonst (BGH WM 1988, 1030) ggü dem Staat nicht darauf ankommt, dass der Beklagte des Verwaltungsrechts-, Sozial- oder Finanzrechtsstreits die gleiche Körperschaft ist wie die, die später auf Schadensersatz verklagt wird (Brandenburg NVwZ 2001, 704, 707). Diese Grundsätze gelten nicht nur dann, wenn die Verwaltungsmaßnahme vor einem Gericht der Verwaltungs-, Sozial- oder Finanzgerichtsbarkeit zu überprüfen ist. Sie gelten in gleicher Weise, wenn eine solche Überprüfung anderen Gerichten vorbehalten ist, wie zB die Überprüfung von Sonderungsbescheiden nach dem BoSoG den ordentlichen Gerichten oder die Überprüfung von Umlegungsentscheidungen den Kammern für Baulandsachen oder Flurbereinigungsmaßnahmen den Flurbereinigungsgerichten. Diese Grundsätze gelten nicht für pachtrechtliche Ansprüche aus Anlass der Übertragung bzw Inanspruchnahme der Milchquote (BGH AgrarR 2001, 19, 20; Celle NdsRpfl 2003, 116; Rn 31). f) Gerichtsarten, Sonderfälle. Die Hemmung soll nach der Idee des Gesetzes durch die Erhebung 10a der Klage vor dem zuständigen ordentlichen Gericht eintreten. Sind für den Streitfall andere Gerichte zuständig, so tritt die Hemmung mit der Erhebung der Klage bei diesen Gerichten ein. Bsp hierfür sind etwa die Rhein-, Mosel- und sonstigen Schifffahrtsgerichte (§ 14 GVG) und die Arbeitsgerichte. Eine Zuständigkeit anderer Gerichte für die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche wird in aller Regel nicht gegeben sein. Da es aber nicht darauf ankommt, ob die Klage vor dem zuständigen Gericht erhoben wird, wird die Hemmungswirkung auch durch eine bei einem anderen Gericht erhobene Klage ausgelöst. Das lässt sich zwar heute nicht mehr mit § 212 aF begründen, folgt aber aus § 17b I S 2 GVG (BGH 35, 374, 377, 378). Normalerweise wird die Anrufung unzuständiger Gerichte nicht sinnvoll sein. Bei den öffentlichen Gerichtsbarkeiten ist die Klage aber schon mit Eingang bei Gericht erhoben, nicht erst mit Zustellung. Das kann ein Vorteil sein, wenn die Zustellung schwierig ist. Das frühere Risiko des rückwirkenden Fortfalls der Unterbrechungswirkung besteht heute nicht mehr; nach heutigem Recht endet die Hemmungswirkung dann ggf schneller (§ 204 II). Die Klageerhebung vor einem ausländischen Gericht löst jedenfalls im Anwendungsbereich der VO (EG) Nr 44/2001 die Hemmungswirkung aus wie die Klage vor einem inländischen Gericht. Denn die Klage dort begründet nach Art 27 VO (EG) Nr 44/2001 i Erg den Einwand der Rechtshängigkeit. Das gilt auch für die Klage vor einem unzuständigen ausländischen Gericht (Düsseldorf DB 1978, 584; Soergel/Niedenführ Rn 12). Außerhalb der VO (EG) Nr 44/2001 und bi- oder multilateralen Anerkennungsund Vollstreckungs-Übk wird man nach wie vor mit dem RG (129, 385) Hemmungswirkung nur annehmen können, wenn das Urt anerkennungsfähig wäre (§ 328 ZPO; Einzelheiten bei RGRK/Johannsen § 209 Rn 29; AnwK/Mansel/Budzikiewicz Rn 24f). Denn andernfalls wäre die Erhebung der Klage zur Rechtsverfolgung ungeeignet und könnte nicht als Klageerhebung iSd § 204 I Nr 1 angesehen werden (aM MüKo/Grothe Rn 9: Anerkennung schlechthin). Diese Frage hat aber nur untergeordnete praktische Bedeutung, da die Anerkennungsfähigkeit in den meisten Fällen außer Frage steht. Die Anrufung supranationaler Gerichte wie des EuG und des EuGH reicht zur Erhebung der Klage dagegen idR nicht aus, weil sie für Zivilklagen von Privatpersonen untereinander einen schlechthin wirkungslosen Versuch, Recht zu suchen, darstellen und deshalb zur Erhebung der Klage nicht ausreichen (vgl dazu: BGH 35, 374, 377; vgl aber BGH WM 2004, 693). Der Klageerhebung stehen gleich: der Antrag nach § 404 II StPO, durch den im Adhäsionsverfah- 11 ren ein aus einer Straftat erwachsener vermögensrechtlicher Anspruch geltend gemacht wird (Rostock OLGRp 2000, 47; Jaeger ZGS 2003, 329, 330); nach § 11 VII RVG der Antrag auf Festsetzung der Anwaltsvergütung (dazu BGH 21, 199, 204) und der Antrag auf Festsetzung der Insolvenzverwaltervergütung (LG Stade ZInsO 2005, 367). Hemmung der Verjährung bewirkt nach §§ 52 I SGB X, 53 I VwVfG auch ein Verwaltungsakt, bevor er unanfechtbar geworden ist. Ein Beitragsbescheid (Verwaltungsakt) der Krankenkasse hemmt deshalb die Verjährung von Beitragsrückständen, da diese ihre Ansprüche durch Bescheid titulieren darf und es ihr deshalb für eine Klage am Rechtsschutzinteresse mangeln würde (so schon: BGH NJW 1970, 1567). Das gilt aber nur für die öffentlich-rechtl Forderungen, die durch Bescheid tituliert werden dürfen. Deshalb führt ein Haftungsbescheid nicht zur Hemmung von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung (LG Dresden ZInsO 2004, 988, 989). J. Schmidt-Räntsch

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2. Vereinfachtes Unterhaltsverfahren (Abs I Nr 2). Nach Nr 2 hat der Antrag im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger gem §§ 249ff FamFG hemmende Wirkung. Er ersetzt nämlich funktionell die Klage im Zivilprozess und den Antrag im str Verfahren nach §§ 124, 231 FamFG und muss deshalb die gleiche Wirkung haben.

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3. Mahnbescheid (Abs I Nr 3). Die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren auch nach § 113 II FamFG führt wie die Erhebung der Klage und die Zustellung des Antrags in Familienstreitsachen nach §§ 113 I 2, 124 FamFG zur Hemmung. Für die Hemmungswirkung gelten die gleichen Grundsätze wie für die Klage. Wie bei der Klage kommt es auf die Zustellung an. Die Einreichung reicht allerdings, wenn die Zustellung demnächst (dazu Klose MDR 2010, 11f) erfolgt, § 167 ZPO. Formale Fehler des Mahnbescheids(-antrags) stehen der Hemmungswirkung nicht entgegen. Hemmungswirkung hat deshalb auch ein Mahnbescheid dem (zunächst) die Unterschrift fehlte oder der nach § 688 II Nr 2 ZPO wegen Abhängigkeit von einer Gegenleistung nicht hätte beantragt werden dürfen (Koblenz OLGRp 2005, 349, 350). Auch Mängel der Substantiierung, an die keine hohen Anforderungen zu stellen sind (BGH NJW 2000, 1420; MDR 1967, 993; Brandenburg v 27.8.2009 – 12 U 1/09, Juris Rn 34ff; Zhang aaO [Vor § 194], 99ff), stehen der Hemmungswirkung nicht entgegen (BGH NJW 1967, 2354), ebenso wenig das Fehlen von Begründungsteilen (BGH MDR 2003, 764, 765) oder materiellrechtliche Ungenauigkeiten (BGHRp 2005, 357: Abtretung statt Einziehungsermächtigung genannt; ähnlich NJW 2009, 56, 57), wohl aber die fehlende Individualisierung (BGH MDR 2001, 346 m abl Anm Maniak 347; NJW 2009, 56, 57; Düsseldorf BauR 2001, 1911; Köln OLGRp 2006, 550, 551; 2001, 334; KGRp 2005, 481; Dresden WM 209, 2371, 2372; LG Stendal ZIP 2006, 753, Klose MDR 2010, 11, 12). Werden mit einem Mahnbescheid mehrere Einzelforderungen geltend gemacht, muss der Schuldner erkennen können, aus welchen Einzelforderungen sich der Klagebetrag ergibt (BGH MDR 2008, 1294). DieNachholung der Individualisierung wirkt nur ex nunc (BGH NJW 2001, 305, 307; 2009, 56, 57; MDR 2008, 1294, 1295; PWW/Kesseler Rn 9). Die Einreichung bei einem unzuständigen Gericht genügt, vorausgesetzt, dass die Zustellung „demnächst“ erfolgt (BGH 86, 314, 322f; 150, 221). „Demnächst“ ist idR ein Zeitraum von vier Wochen (analog § 691 II ZPO, BGH 150, 221, 225f; NJW 2011, 842, 843), kann im Einzelfall aber auch länger sein (Hamm ZMR 2002, 912; aM Zhang aaO [Vor § 194] S 111f). Auf die „demnächstige“ Abgabe an das Prozessgericht kommt es nicht an (BGH NJW 1996, 2152; Saarbrücken OLGRp 2006, 204, 205; Ebert NJW 2003, 732, 733). Die Hemmung nach Abs I Nr 3 gilt auch für vergleichbare ausländische Anträge (BGH NJW-RR 2002, 937; MüKo/Grothe Rn 33; überholt daher München OLGRp 2000, 237), die nach Art 5 der RL 2000/35/EG (ABl EG Nr L 200 S 35) in den Mitgliedstaaten der EU einzuführen sind. Zur Hemmung führt auch der Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls nach Art 7, 12 der VO (EG) Nr 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates v 12.12.2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl EG Nr L 399 S 1).

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Die vollmachtlose Beantragung eines Mahnbescheids hemmt, wenn der Gläubiger später genehmigt (BGH LM Nr 10 zu § 209 BGB Nr 10). Reicht ein Prozessstandschafter den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids ein, so tritt Unterbrechung der Verjährung nur ein, wenn schon im Mahnbescheid angegeben wird, dass ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend gemacht wird (BGH NJW 1972, 1580). Wird der Mahnbescheid erst nach Insolvenz des Verpflichteten zugestellt, so hemmt er die Verjährung ggü diesem nicht mehr (RG 129, 339).

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Die Verjährung eines Anspruchs wird auch durch Zustellung eines Mahnbescheids grds nur in der Gestalt und in dem Umfang gehemmt, wie er mit dem Mahnbescheid geltend gemacht wird. Der Mahnantrag hemmt die Verjährung nur für den Anspruch, der sich aus dem mitgeteilten Lebenssachverhalt ergibt. Die für einen Anspruch ausreichende Individualisierung führt nicht zu einer Hemmung der Verjährung auch für verjährungsrechtlich selbständige Ansprüche, die im Hinblick auf den relevanten Sachverhalt, die Anspruchsvoraussetzungen und die Rechtsfolgen wesensmäßig verschieden sind (BGH NJW 1992, 1111; NJW-RR 2009, 544). Soll der Anspruch auf mehrere Lebenssachverhalte gestützt werden, muss das aus dem Mahnbescheid hervorgehen, weil der Schuldner sonst den Umfang der Hemmung nicht erkennen könnte (BGH NJW 2001, 305, 306; WM 2006, 592, 594). Anders liegt es nur bei subsidiären Ansprüchen und Folgeansprüchen, wenn es sich nicht um wesensmäßig verschiedene Ansprüche handelt und sie dem gleichen Rechtsverfolgungsziel dienen (BGH NJW 1992, 111; NJW-RR 2009, 544, 545). Hemmung tritt daher ein, wenn der Anspruch auf Zahlung einer Geldschuld in ausländischer Währung geht und nur für das Mahnverfahren in inländische Währung umgerechnet worden ist (BGH 104, 268ff). Die Bezeichnung eines Anspruchs als „Zugewinnausgleich“ rechtfertigt eine sichere Abgrenzung zu anderen materiell-rechtlichen Ansprüchen, so dass die Verjährung für einen weiteren Teil des Ausgleichsanspruchs gehemmt wird (BGH NJW 1996, 2152). Dagegen sind ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung und ein Werklohnanspruch wesensmäßig verschieden, so dass eine Verjährungshemmung des einen Anspruchs keine Hemmungswirkungen für den anderen Anspruch auslösen kann (BGH 92, 494). Entspr gilt für einen Anspruch auf „Schadensersatz wegen Beratungsverschuldens“, der auch auf ungerechtfertigte Bereicherung wegen unwirksamer Vollmacht gestützt werden soll (BGH NJW-RR 2009, 544, 545).

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4. Güteverfahren (Abs I Nr 4). Ein Güteantrag bei einer Gütestelle (§ 794 I Nr 1 ZPO) lässt ebenfalls eine Hemmung eintreten (krit Staud/Eidenmüller NJW 2004, 23, 25). Dies gilt indes nicht nur für die von den Landesjustizverwaltungen anerkannten Gütestellen iSd § 794 I Nr 1 ZPO, sondern auch auf die Verfahren vor einer „sonstigen Gütestelle, die Streitbeilegung betreibt“ iSv § 15a III EGZPO. Das können eine VOB-Schiedsstelle (ähnlich BGH NJW 2002, 1488, 1489) oder eine Einigungsstelle nach BPersVG und LPersVertrR (LAG Berlin v 26.6.2002 – 15 Sa 467/02, Juris) sein. Zusätzliche Voraussetzung der Hemmungswirkung ist in Übereinstimmung mit § 15a III S 1 EGZPO, dass der Einigungs626

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versuch von den Parteien einvernehmlich unternommen wird, wobei dieses Einvernehmen nach § 15a III S 2 EGZPO bei branchengebundenen Gütestellen oder den Gütestellen der Industrie- und Handelskammern, der Handwerkskammern oder der Innungen unwiderleglich vermutet wird. Die Anbringung muss in der für die jeweilige Gütestelle vorgeschriebenen Form erfolgen. Verlangt diese Schriftform, genügt nur die Einreichung per Brief oder in analoger Anwendung von § 130 Nr 6 ZPO auch per Fax (BGH v 22.2.2008 – V ZR 87/07, Juris), nicht aber eine Einreichung per E-Mail (BGH NJW 2008, 506f). Muss dem Antrag auch eine Vollmacht beigefügt werden, muss auch sie vor Ablauf der Verjährungsfrist schriftlich vorgelegt oder gefaxt werden; die Übermittlung einer Kopie genügt dann nicht (BGH v 22.2.2008 aaO). Erforderlich ist außer Zahlung eines Gebührenvorschusses auch die alsbaldige Benachrichtigung des Gegners (Hamburg MDR 1965, 130; Schumacher MDR 1956, 590). Die Verjährung wird auch dann gehemmt, wenn der Antragsteller bei der Gütestelle keinen Gerichtsstand hat (BGH LM Nr 77 zu § 209 BGB aF). Auch auf vertragliche Güteklauseln, die eine Vereinbarung der Einholung eines Vergleichsvorschlags bei einem Dritten vorsehen, ist § 204 I Nr 4 anzuwenden. Der BGH hat dies unter altem Recht zwar abgelehnt (BGH MDR 1993, 421; vgl aber NJW 2002, 1488, 1498). Da es aber auch bei den sonstigen Gütestellen nicht auf die Anerkennung durch die Landesjustizverwaltung, sondern darauf ankommt, dass der Einigungsversuch einvernehmlich unternommen wird (BT-Drucks 14/6040, 114), besteht – anders als bisher – ein sachlicher Grund für eine Differenzierung nicht mehr (MüKo/Grothe Rn 35). Analog § 15a III S 2 EGZPO ist dies Einvernehmen bei branchengebundenen Gütestellen zu vermuten (BT-Drucks 14/6040, 114; AnwK/Mansel/Budzikiewicz Rn 59). Eine sonstige Gütestelle kann, wenn die Parteien sie einvernehmlich anrufen, auch eine ausländische Stelle sein. Denn auch solche Stellen unterscheiden sich nicht von den übrigen sonstigen Gütestellen (Friedrich NJW 2003, 1781, 1782 gegen BGH NJW-RR 1993, 1059, die aber überholt ist; wie hier wohl auch AnwK/Mansel/Budzikiewicz Rn 60). Anders als bisher löst nicht die Anbringung und auch nicht die Bekanntgabe des Güteantrags, son- 17 dern die Veranlassung der Bekanntgabe des Güteantrags die Hemmung aus. Die Bekanntgabe als Anknüpfungspunkt hat der Gesetzgeber aufgegeben, weil eine Bekanntgabe durch förmliche Zustellung von § 15a EGZPO nicht vorgeschrieben ist und so auch eine formlose Bekanntgabe, insb durch einfachen Brief, möglich ist. Der Gesetzgeber hatte Sorge, dass der Schuldner bestreitet, den Brief erhalten zu haben, was in der Praxis kaum zu widerlegen ist und die Hemmungsregelung untauglich werden ließe. Deshalb ist auf das aktenmäßig nachprüfbare Vorgehen der Gütestelle abzustellen. Wenn die Gütestelle die Bekanntgabe des Güteantrags veranlasst, also bspw den an den Schuldner adressierten Brief mit dem Güteantrag zur Post gibt, sollen die Voraussetzungen für die Hemmung erfüllt sein (BT-Drucks 14/7052, 181). Erfolgt die Veranlassung der Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein. Anders als bisher kommt es also nicht auf die Mitteilung (Hamburg MDR 1965, 130), sondern darauf an, dass sie veranlasst wird. 5. Prozessaufrechnung (Abs I Nr 5). Die Verjährung wird auch durch die Aufrechnung im Prozess, 18 wozu auch das Verfahren nach dem FamFG gehört, gehemmt. Dazu muss die Aufrechnung im Prozess selbst erklärt oder vorgetragen werden, sie sei außerprozessual erklärt worden (Pal/Ellenberger Rn 20). Praktische Bedeutung kommt ihr als Hemmungsgrund zu, wenn die Aufrechnung erfolglos erklärt ist, sei es, dass der Klageanspruch schon aus anderen Gründen abgewiesen wird (Eventualaufrechnung), sei es, dass Aufrechnung nicht zulässig ist (BGH 160, 259, 263; Düsseldorf GI 1999, 301; Pal/Ellenberger Rn 20; MüKo/Grothe Rn 37). Die Hemmung erfordert ein prozessuales Tätigwerden des Gläubigers, für eine Eventualaufrechnung daher die Abgabe einer Aufrechnungserklärung (BGH BB 1965, 1372; RG HRR 1938, Nr 1041); sonst tritt keine Hemmung ein. Diese kann in einem Schriftsatz, aber auch durch mündliche Erklärung in der mündlichen Verhandlung erklärt werden. Die Verjährung eines Anspruchs wird durch die Geltendmachung der Aufrechnung im Prozess auch dann gehemmt, wenn die Aufrechnung aus prozessualen Gründen unzulässig ist (BGH 83, 260, 271; PWW/ Kesseler Rn 12; Staud/Peters/Jacoby Rn 67). Die Prozessaufrechnung wird regelmäßig vom Beklagten erklärt werden; denkbar ist aber auch die Prozessaufrechnung des Klägers (Koblenz OLGRp 2000, 470; BaRo/Henrich Rn 27; MüKo/Grothe Rn 37). Ein denkbarer Fall ist die Aufrechnung des Klägers gegen eine Widerklageforderung. Hemmungswirkung hat auch die mehrstufige Aufrechnung im Prozess, also der Fall, dass der Kläger gegen eine vom Beklagten zur Aufrechnung gestellte Forderung wiederum mit einer eigenen Forderung aufrechnet (BGH 176, 128, 131; NJW-RR 2009, 1169, 1171). Köln (NJW-RR 1989, 1079, 1080; dem folgend MüKo/Grothe Rn 37; Soergel/Niedenführ, § 209 Rn 24; JurisPK-BGB-Lakkis, § 204 Rn 52) hatte dies mit der Begründung abgelehnt, im Prozess müsse einen Entscheidung über die Aufrechnung möglich sein. Dafür lässt sich der Vorschrift nichts zu entnehmen. Die in ihr ausgesprochenen Hemmungswirkung tritt auch nur ein, wenn es gerade nicht zu einer Entscheidung über die Aufrechnung kommt. Gehemmt wird die Verjährung für den Anspruch nur insoweit, wie Aufrechnung erklärt wird, also nicht über die Höhe des Klageanspruchs hinaus (BGH NJW-RR 2008, 521, 522; 2009, 1169, 1170; LM Nr 57 zu § 209 BGB aF). Die Hemmungswirkung tritt nur ein, wenn die Aufrechnung im Prozess ggü dem richtigen Schuldner erfolgt (BGH 80, 222, 226). Die Aufrechnung führt nämlich deshalb zur Hemmung, weil der Gläubiger mit ihr ggü dem Schuldner seinen Rechtsverfolgungswillen genauso deutlich macht wie bei einer Klage und dieser ebenso wie bei der Klage damit rechnen muss, auch noch nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist in Anspruch genommen zu werden. Das kann nur bei der Klage und der Aufrechnung gegen den richtigen Schuldner gelingen (BGH aaO). Eine Ausnahme gilt bei der Aufrechnung gegen eine abgetretene Forderung im Prozess des Zessionars gegen den Schuldner. Hier darf der Schuldner nach Maßgabe von § 406 BGB materiellrechtlich mit Forderungen gegen den Zedenten aufrechnen. Diese Möglichkeit wird durch die Möglichkeit ergänzt, durch eine Aufrechnung im Prozess des ZesJ. Schmidt-Räntsch

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sionars eine Verjährungshemmung ggü dem Zedenten zu erreichen (BGH 176, 128, 133f). Der frühere noch anerkannten zweiten Ausnahme, im Prozess der Gesellschafter einer GbR mit einer Forderungen gegen einen der Gesellschafter aufzurechnen (BGH 80, 222, 226) ist dagegen durch die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR (BGH 146, 341, 344; NJW 2008, 1378, 1379) der Boden entzogen. Abs I Nr 5 gilt entspr für die (erfolglose) Aufrechnung im Schiedsverfahren, weil dies auch bisher schon so geregelt war und der Gesetzgeber das Schiedsverfahren nicht entwerten wollte (Köhne/ Langner RIW 2003, 361, 365). 19

6. Streitverkündung (Abs I Nr 6). Die Streitverkündung führt nur zur Hemmung, wenn sie nach §§ 72ff ZPO zulässig ist (BGH NJW 2002, 1414, 1416; BGH 175, 1, 4; PWW/Kesseler Rn 13; Staud/Peters/Jacoby Rn 77; aM BaRo/Henrich Rn 29; Zöller/Vollkommer § 74 ZPO Rn 9; Piepenbrock aaO [Vor § 195], 444). Das frühere Erfordernis, dass die Streitverkündung in einem Prozess erklärt werden musste, von dessen Ausgang der Anspruch abhängt (BGH MDR 2002, 879, 881; RG 58, 76, 79; JW 1913, 32), hat der Gesetzgeber bewusst aufgegeben (BT-Drucks 14/6040, 114, MüKo/Grothe Rn 40). Die Streitverkündung führt deshalb zur Hemmung der Verjährung immer dann, wenn sie prozessual zulässig ist, also die Voraussetzungen des § 72 ZPO vorliegen (BGH 36, 212, 214; 175, 1, 5; 179, 361, 366; VersR 2006, 533; MDR 2002, 879, 881). Eine zulässige und damit verjährungshemmende Streitverkündung liegt danach zunächst vor, wenn der Gläubiger dem Schuldner den Streit verkündet, weil er bei ungünstigem Verlauf des Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen den Schuldner und Streitverkündungsgegner erheben zu können glaubt (BGH 36, 212, 214; 175, 1, 5; 179, 361, 366; LM Nr 14 § 209 BGB aF m Anm Kreft). Es muss für den Streitverkündeten deutlich werden, welchen Anspruch der Streitverkündende im Blick hat (Hamm v 18.11.2010 – 24 U 19/10, juris). Es ist nicht erforderlich, dass die Entscheidung des Vorprozesses auch wirklich präjudizierend ist oder die tatsächlichen Feststellungen des Vorprozesses für den späteren Rechtsstreit wirklich maßgebend sind (so aber Staud/Peters/Jacoby Rn 78). Die Entscheidung des Vorprozesses muss sich aber aus der Sicht der streitverkündenden Partei auf den vermeintlichen Anspruch auswirken können (BGH 175, 1, 5; NJW 1989, 521, 522). Die Streiverkündung kann auch dann verjährungshemmende Wirkung haben, wenn der Streitverkünder dem Dritten den Streit verkündet, weil er für den Fall des Verlustes des Rechtsstreits besorgt, dass dieser Ansprüche gegen ihn geltend macht (BGH 179, 361, 368ff). Das überrascht auf den ersten Blick, weil die Streitverkündung in dieser Konstellation in erster Linie den Zweck hat, fremde Ansprüche, nämlich die des Streitverkündeten, abzuwenden, eine Verjährungshemmung aber die Verfolgung eigener Ansprüche voraussetzt. Eine solche Fallgestaltung kann aber auch bei der abwehrenden Streitverkündung nach § 72 I Fall 2 ZPO bestehen, nämlich, dann wenn der Streitverkünder befürchtet, dass eigene Ansprüche gegen den Streitverkündeten daran scheitern, dass dieser Gegensprüche oder Gegenrechte geltend macht, wenn der Streitverkünder den Vorprozess verliert (BGH 179, 361, 368). Entschieden ist das für den untervermietenden Mieter, der sich ggü seinen Vermieter mit Mietmängeln verteidigt und befürchtet, dieselben Mängel würden von dem Untermieter seinem eigenen Anspruch auf Untermietzins entgegengehalten. Das gilt auch in vergleichbaren Konstellationen. Vorliegen müssen auch die Formerfordernisse des § 73 ZPO; es muss also der Grund der Streitverkündung angegeben werden; andernfalls entfaltet sie keine hemmenden Wirkungen (BGH MDR 2000, 1271; überholt daher Naumburg OLGRp 1999, 446). Dem folgt die neue gesetzliche Regelung (MüKo/Grothe Rn 41).

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Die Hemmung der noch laufenden Verjährungsfrist kann so lange herbeigeführt werden, wie eine Streitverkündung prozessual möglich ist. Das ist nach § 72 I ZPO bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits und deshalb zB auch noch im form- und fristgerecht eingeleiteten Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem BGH möglich (BGH MDR 2010, 323, 325). Auch die Streitverkündung führt zu einer Hemmung nur, wenn sie dem Schuldner zugestellt wird. Denn erst dann wird der Streitverkündete durch die Streitverkündung darauf hingewiesen, dass er mit der Geltendmachung von Ansprüchen gegen sich rechnen muss. Das hat zur Folge, dass die Hemmung grds auch erst eintritt, wenn die Zustellung erfolgt ist. Wie bei der Zustellung der Klage wirkt auch die Zustellung einer Streitverkündung nach § 167 ZPO zurück, wenn sie „demnächst“ nach Einreichung bei Gericht erfolgt (BGH NJW 2010, 856, 857). Für Mängel bei der Zustellung gelten die Ausführung zu Mängel der Zustellung der Klage entspr. Die Streitverkündung muss ggü dem Schuldner erfolgen, bei einer GbR also ggü dieser, nicht ggü einem Gesellschafter persönlich (KGRp 2009, 263). Die Streitverkündung erfasst den gesamten Anspruch und beschränkt sich nicht auf den Ausspruch in dem Rechtsstreit, in dem sie erklärt wird (BGH MDR 2002, 879, 881); die Interventionswirkung erfasst den gesamten eingeklagten Anspruch; Ergänzungen der Streitverkündung sind nicht geboten (Frankfurt OLGRp 1999, 1). Auch eine Streitverkündung in einem selbständigen Beweisverfahren hat, wie das bisher auch schon anerkannt war (BGH NJW 1997, 859; ZfBR 1998, 28), hemmende Wirkung (BT-Drucks 14/6040, 114; KGRp 2009, 263 = NJW-Spezial 2009, 301). War im Zeitpunkt der Streitverkündung ein Feststellungsprozess bereits rechtskräftig abgeschlossen, so kann zwar hins des Grundes der Ersatzverpflichtung keine Hemmung der Verjährung mehr eintreten, wohl aber hins der Höhe des Schadens und damit der Ersatzverpflichtung (BGH NJW 1979, 264, 265). Eine Streitverkündung in ausländischen Prozessen ist für das Inland erheblich, wenn sie die wesentlichen Voraussetzungen der deutschrechtlichen Streitverkündung in sich trägt (RG 61, 390, 393; MüKo/Grothe Rn 42; Staud/Peters/Jacoby Rn 85). Soweit eine Streitverkündung im Schiedsverfahren zulässig ist, hemmt auch sie. Die Beiladung im Verwaltungsverfahren steht der Streitverkündung nicht gleich, weil sie die Rechtsverfolgungsabsicht des Beigeladenen nicht voraussetzt und andere Wirkungen hat (BGH MDR 2003, 628).

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7. Selbständiges Beweisverfahren (Abs I Nr 7). Das selbständige Beweisverfahren war nach früherem Recht nur beim Kauf- und beim Werkvertrag als Hemmungsgrund anerkannt. Einen sachlichen 628

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Grund, dies nicht auch in andern Fällen vorzusehen, gab es nicht. Deshalb hat der Gesetzgeber diesen Hemmungsgrund allg eingeführt (BT-Drucks 14/6040, 114). Der Antrag muss vom Berechtigten gestellt werden (BGH NJW 1983, 1916). Das ist bei Errichtungsmängeln am WE aber der einzelne WE, nicht die Gemeinschaft (BGH 114, 383, 393). Der Antrag muss sich gegen den Schuldner richten; es genügt nicht, wenn er nur gegen unbekannt gerichtet wird (BGH NJW 1980, 1458; LG Berlin NJWRR 1991, 1123, 1124). Das Verfahren hemmt nur wegen der Ansprüche, die sich aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Mängeln oder Mangelerscheinungen ergeben (BGH 66, 138, 140; 120, 329, 331; München, NJW-RR 2007, 657, 676). Ansprüche wegen anderer Mängel werden nicht gehemmt (Soergel/Niedenführ Rn 73; München NJW-RR 2007, 675, 676; dazu NJW-Spezial 2007, 264). Je nach Art des zur Prüfung gestellten Mangels kann allerdings bei Benennung einzelner Mängel in der Sache auch das Werk an sich zur Prüfung stehen (München NJW-RR 2010, 824, 826). Die Hemmung gilt nur für Ansprüche gegen den Schuldner, nicht auch gegen andere Beteiligte (Köln VersR 1971, 378). Das Verfahren muss vom Gläubiger oder durch einen berechtigten Prozessstandschafter eingeleitet werden (BGH NJW 2009, 2449, 2450). Die Einleitung des Verfahrens durch den Schuldner, etwa zur Vorbereitung einer negativen Feststellungsklage, reicht nicht (AnwK/Mansel/Stürner Rn 80; Staud/Peters/Jacoby Rn 89 aE). Allerdings könnte der Schuldner ein vom Gläubiger eingeleitetes Verfahren fortführen (zu bisherigem Recht BGH MDR 2001, 447, 448 und unter neuem Recht MüKo/ Grothe Rn 40; aM Stuttgart IBR 2003, 123; Saarbrücken OLGRp 2005, 849, 851; Pal/Ellenberger Rn 22). Er könnte das Verfahren zur Verfolgung eigener Ansprüche auch selbst einleiten, wenn die zu ermittelnden Tatsachen für den Anspruch bedeutsam sein können (BGH 66, 138, 140). Das ist auch bei Ansprüchen des Verkäufers oder Bestellers der Fall, wenn sie davon abhängen, ob die Sache mangelfrei ist. Die Hemmung hängt nicht davon ab, ob sich behauptete Mängel bestätigen; es genügt, wenn ein Sachverhalt zum Gegenstand gemacht wird, der auf Mängel hindeutet (BGH MDR 1998, 963). § 204 I Nr 7 gilt auch für ausländische Beweissicherungsverfahren (MüKo/Grothe Rn 46; Staud/ Peters/Jacoby Rn 85). Das sind Verfahren, die einem selbständigen Beweisverfahren funktionell vergleichbar sind. Die Hemmung beginnt mit Zustellung des Antrags, bei Zustellung demnächst auch schon mit Einreichung (§ 167 ZPO). Fehlt es an der Zustellung, greift § 204 I Nr 7 nicht (LG Darmstadt IBR 2005, 678 gegen LG Magdeburg BauR 2006, 1192). Unter Zustellung ist die förmliche Zustellung zu verstehen (BGH MDR 2010, 646; WM 2011, 903, 906 Rn 29f; aM Karlsruhe NJW-RR 2008, 402f). Diese kann aber geheilt werden. Unterbleibt die Zustellung des Antrags, wird die Verjährungsfrist grds nicht gehemmt (BGH WM 2011, 903, 906 Rn 30). Etwas anderes gilt, wie bei der Zustellung des Mahnbescheids (dazu BGH MDR 2010, 646, 647), nur, wenn der Sinn und Zweck der Zustellung des Antrags auf Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens auf andere Weise vollständig erreicht wird. Das ist bei einer anderweitigen Zuleitung des Antrags (BGH WM 2011, 903, 908 Rn 47f) oder bei der Zustellung des Beweisbeschlusses der Fall, der auf den nicht zugestellten Antrag hin ergeht (Frankfurt NJW-RR 2010, 535). Scheitert eine Hemmung nach Abs I Nr 7, kommt eine Hemmung nach § 203 in Betracht, wenn sich der Schuldner an dem Verfahren beteiligt. 8. Vereinbartes Begutachtungsverfahren (Abs I Nr 8). Nach Abs I Nr 8 haben auch ein Verfahren 22 nach § 641a und ein vereinbartes Begutachtungsverfahren hemmende Wirkung. Für die Hemmung soll es keinen Unterschied machen, ob der Gläubiger ein gerichtliches oder ein außergerichtliches Verfahren zur Klärung der tatsächlichen Voraussetzungen des Anspruchs einleitet. Ein vereinbartes Begutachtungsverfahren ist jede Begutachtung einer Vertragsleistung durch die Parteien. Gegenstand der Begutachtung kann jede Leistung in einem Vertrag sein, die nicht in der Zahlung von Geld besteht. Oft wird es sich um Werkverträge handeln. Zwingend ist das nicht. Die Vereinbarung kann in dem eigentlichen Vertrag selbst enthalten sein. Sie kann aber auch später getroffen werden. Gegenstand der Vereinbarung darf nicht „nur“ die Streitschlichtung sein. Ein Schiedsvertrag würde deshalb nicht ausreichen. Gegenstand des Vertrags muss vielmehr die (sachverständige) Begutachtung der begutachtungsfähigen Vertragsleistung sein. Welche Wirkung diese Begutachtung hat, ist ohne Bedeutung. Typischer Fall ist die Schiedsgutachtervereinbarung. Die Vereinbarung kann der Begutachtung aber auch weniger weitgehende Wirkung beimessen. Wer das Verfahren einleitet, ist gleichgültig. Hemmend wirkt es aber nur für Ansprüche, zu deren Durchsetzung es auf die Begutachtung ankommt oder wenigstens ankommen kann. Auslösend ist der Beginn des Verfahrens. Worin dieser zu sehen ist, bestimmen die Parteien selbst. Er wird oft in der Beauftragung des Gutachters zu sehen sein. Denkbar wäre aber auch der Antrag auf Bestellung des Gutachters. Nach Abs I Nr 8 Fall 1 wird die Verjährung von Kostenansprüchen gehemmt, wenn zu ihrer Ermittlung ein informelles Wertermittlungsverfahren durchgeführt wird (Jena NJW-RR 1999, 1015). Auf die Hemmungswirkung einer Schiedsgutachterabrede kann sich der Gläubiger nicht berufen, wenn er an der Bestellung des Schiedsgutachters nicht mitwirkt und unmittelbar Klage erhebt (BGH NJW 1990, 1231; Düsseldorf OLGRp 2004, 246, 248). 9. Arrest und einstw Verfügung (Abs I Nr 9). Nach früherem Recht löste weder der Antrag auf Er- 23 lass noch die Vollziehung des Arrests oder der einstw Verfügung eine Unterbrechung aus. Der Grund hierfür lag darin, dass diese Verfahren als Sicherungsverfahren begriffen wurden. Diesen Sicherungsmaßnahmen sollte nicht dieselbe weitreichende Wirkung einer Unterbrechung der Verjährung zukommen. Auch der Vollzug von Arrest und einstw Verfügung löste unter dem Gesichtspunkt der Vollstreckungshandlung keine verjährungsbezogene Wirkung aus (BGH NJW 1979, 217; 1981, 1955; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl, § 21 UWG Rn 1a; krit Soergel/Walter12 § 209 Rn 28; aM Hamm WRP 1977, 500 und 816; Hamburg WRP 1979, 317). Diese Rechtslage wurde aber nicht dem Umstand gerecht, dass in einigen schnelllebigen Rechtsgebieten kaum Hauptsacheverfahren geführt werden, sondern nur einstw Verfügungsverfahren. Dies sind die Fälle der sog Leistungsverfügung. Betroffen sind in erster Linie (wettbewerbsrechtliche) Unterlassungsansprüche. Soweit in J. Schmidt-Räntsch

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diesen Fällen der Anspruch selbst im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstw Verfügung geltend gemacht werden kann, wird in diesem Verfahren nicht nur über die Sicherung des Anspruchs, sondern über die vorläufige Befriedigung des Gläubigers entschieden. Der Gläubiger hat dann häufig kein Interesse mehr an dem Hauptsacheverfahren. Da jedoch die Unterlassungsansprüche nach § 11 I UWG einer sechsmonatigen Verjährungsfrist unterliegen, war der Gläubiger mitunter gezwungen, ein Hauptsacheverfahren allein zur Verjährungsunterbrechung anhängig zu machen, um zu verhindern, dass während eines sich hinziehenden Verfahrens auf Erlass einer einstw Verfügung die Verjährung eintritt und er mit leeren Händen dasteht. Entspr galt für den presserechtlichen Gegendarstellungsanspruch, der innerhalb der in den Landespressegesetzen bestimmten Aktualitätsgrenze geltend gemacht sein muss. 24

Arrest und einstw Verfügung die Wirkungen der Klage beizumessen war unter altem Recht nicht unproblematisch, weil die Klage zum Neubeginn führt. Diese Wirkung ging für ein nur vorläufiges oder ein Sicherungsverfahren wie Arrest und einstw Verfügung sehr weit. Das jetzt geltende Recht gibt der Klage „nur noch“ hemmende Wirkung. Diese Wirkung kann ohne weiteres auch Arrest und einstw Verfügung zugebilligt werden (BT-Drucks 14/6040, 115). Hierfür ist es ohne Bedeutung, ob Arrest und vor allem einstw Verfügung die Hauptsache vorwegnehmen oder sich auf die ihnen eigentlich nur zugedachte Sicherung von Ansprüchen beschränken (AnwK/Mansel/Budzikiewicz Rn 88; enger Ellenberger BB 2001, 1417, 1421). Es ist auch gleichgültig, um was für einen Anspruch es geht. Entscheidend ist – wie bei der Klage – nur, dass der Gläubiger den Antrag stellt. Arrest und einstw Verfügung lösen die Hemmung im gleichen Umfang aus wie eine Klage. Sie hemmen deshalb die Verjährung nur für den geltend gemachten Verfügungsanspruch, nicht zB auch für den später geltend gemachten Schadensersatzanspruch (Hamburg Magazindienst 2010, 55 Rn 50). IÜ wird auf die Ausführungen zur Klage Bezug genommen. Allerdings hemmen Arrest und einstw Verfügung nur im Umfang des erlassenen Arrests bzw der erlassenen einstw Verfügung, wenn sie ohne mündliche Verhandlung erlassen werden. Denn nur insoweit kann die wirkungserhaltende Zustellung erfolgen (Schabenberger WRP 2002, 293, 297).

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Die Hemmung beginnt grds mit der Zustellung des jeweiligen Antrags. Dies stellt sicher, dass die Hemmung nicht eintritt, ohne dass der Schuldner hiervon Kenntnis erlangt. Die Rückwirkung der Hemmungswirkung auf den Zeitpunkt der Einreichung des Antrags ergibt sich aus § 167 ZPO (aM Schabenberger WRP 2002, 293, 296). Vielfach wird jedoch über das Gesuch ohne mündliche Verhandlung entschieden und der Antrag daher nicht zugestellt. Für diesen Fall sieht Abs I Nr 9 vor, dass die Hemmungswirkung bereits mit der Einreichung des Antrags eintritt, jedoch unter der Bedingung steht, dass der Arrestbefehl, die einstw Verfügung oder einstw Anordnung innerhalb eines Monats nach Erlass dem Antragsgegner zugestellt wird. Diese Frist entspricht der Vollziehungsfrist des § 929 II ZPO, die der Entwurf noch übersehen hatte (BT-Drucks 14/7052, 181). Diese (auflösende) Bedingung vermeidet eine „heimliche“ Hemmung, die bspw zu besorgen wäre, wenn der Gläubiger von einem ohne Kenntnis des Schuldners ergangenen Sicherungsmittel keinen Gebrauch macht. Tritt die Bedingung nicht ein, weil das Gericht einen nicht zugestellten Antrag ablehnt und es daher überhaupt nicht zu einem Arrestbefehl usw kommt, der zugestellt werden könnte, tritt die Hemmung nicht ein.

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10. Anmeldung im Insolvenzverfahren (Abs I Nr 10). (Überblick bei: Vallender ZInsO 2002, 110; Wenner BB 2006, 2649). Nach Abs I Nr 10 löst auch die Anmeldung von Ansprüchen im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren eine Hemmung aus, und zwar auch ggü einem Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft (BAG EzA § 4 TVG Nr 154). Gegenstand der Insolvenzanmeldung können nur Insolvenzforderungen (§ 174 I InsO) sein (Vogel BauR 2004, 1365). Sie muss schriftlich erfolgen, § 174 Ans. 1 Satz 1 InsO. Der Gläubiger muss den Anspruch nicht substantiieren, wohl aber den Anspruchsgrund angeben (Wenner BB 2006, 2649, 2651; im Einz str vgl Vogel BauR 2004, 1365, 1366). Fehlt es daran, tritt die Hemmung nicht ein (Wenner aaO, 2652). Deshalb kann die Hemmung hins künftiger Zinsforderungen entfallen (BGHRp 2001, 897). Maßgeblich ist die Anmeldung als solche. Sie kann auch nachträglich erfolgen (Brandenburg v 29.4.2009 – 4 U 130/08, Juris Rn 43), hemmt aber auch erst von diesem Zeitpunkt an. Die Anmeldung als Masseschuld ist kein Hemmungsgrund (LG Wuppertal ZInsO 2010, 1281, 1282). Wie die Anmeldung im Insolvenzverfahren wirkt auch die Anmeldung des Anspruchs im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren verjährungshemmend. Auf das Verfahren findet die Schifffahrtsrechtliche Verteilungsordnung (SVertO) idF v 23.3.1999 (BGBl I 530, ber I 2000, 149) Anwendung.

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11. Schiedsrichterliches Verfahren (Abs I Nr 11). Ein Schiedsurteil hat nach § 1055 ZPO zw den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen Urt Es ist Vollstreckungstitel, § 1060 I ZPO. Das Bestehen einer Schiedsabrede begründet eine den Prozess vor einem staatlichen Gericht hindernde Einrede, § 1032 I ZPO. Deshalb führt der Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens zur Hemmung der Verjährung. Hierfür kommt es zunächst darauf an, dass die Parteien überhaupt einen Schiedsvertrag abgeschlossen haben. Darauf, dass dieser Vertrag wirksam ist, kommt es für die Hemmung nicht an. Sie stellt auf den Beginn des Verfahrens ab, das nach § 1032 III ZPO auch während eines Streits über die Wirksamkeit des Schiedsvertrags weiterbetrieben werden kann. Demggü hatte § 203 Nr 13 SchuldRModG-DiskE (Abdruck bei Ernst/Zimmermann [Hrsg], Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, 612ff) noch in Anlehnung an § 220 aF die zusätzliche Voraussetzung enthalten „wenn der Anspruch vor einem Schiedsgericht geltend zu machen ist“ und damit die Hemmung letztlich davon abhängig gemacht, ob der Schiedsvertrag wirksam ist. Diese Voraussetzung ist schon im Entwurf nicht (mehr) vorgesehen worden, weil sie § 1032 III ZPO widerspricht. Diese Änderung führt dazu, dass die Verjährung während der Dauer eines Streits über die Wirksamkeit des Schieds630

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vertrags und ggf der an das Streitende anschließenden sechs Monate gehemmt ist, wenn das Verfahren gleichwohl betrieben wird. Das ist aber auch vertretbar, weil die Parteien immerhin den Schiedsvertrag abgeschlossen haben und es akzeptieren müssen, wenn sich die eine Seite bis zur Klärung seiner Wirksamkeit daran hält. Die Hemmung als solche ist nicht abhängig davon, welches Schiedsgericht die Parteien vereinbart 28 haben. Sie können also institutionelle wie gewissermaßen „freie“ inländische Schiedsgerichte vereinbaren. Die Parteien können aber auch ausländische und internationale Schiedsgerichte wählen (RG SeuffA 67, 240; Junker KTS 1987, 37, 43ff). Um dies auch im Text auszudrücken, hat der Gesetzgeber bei der Formulierung des Hemmungstatbestands bewusst auf die Erwähnung des § 1044 ZPO über den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens verzichtet (BT-Drucks 14/7052, 181 ggü BT-Drucks 14/6857, 45). Die Hemmung durch ein schiedsrichterliches Verfahren tritt weder mit der Erhebung der Klage 29 vor dem Schiedsgericht (so § 220 aF) noch mit dem Empfang des Antrags, die Streitigkeit einem Schiedsgericht vorzulegen (so § 204 I Nr 11 SchuldRModG-RegE), sondern mit dem Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens ein. Wann das der Fall ist, richtet sich nach den Verfahrensregeln des vereinbarten Schiedsgerichts. Bei institutionellen Schiedsgerichten liegt der Beginn oft schon beim Eingang der Schiedsklage (zB Art 4 II der SchiedsO des Internationalen Schiedsgerichtshofs der IHK Paris). Bei nicht institutionellen Schiedsgerichten liegt der Beginn meist später. Wenn nichts (anderes) vereinbart ist, beginnt das Verfahren nach § 1044 I ZPO mit dem Empfang des Antrags, die Streitigkeit einem Schiedsgericht vorzulegen. Der Entwurf hatte diesen Zeitpunkt vorgegeben und sich damit von den Regelungen der Schiedsvereinbarungen unabhängig machen wollen (BT-Drucks 14/6040, 115). Dies hat sich angesichts der Bedenken des BR (BT-Drucks 14/6857, 8) nicht durchsetzen können. Wenn die Schiedsvereinbarung also einen anderen Beginn vorsieht, also zB den Eingang bei der Institution, ist dieser maßgeblich. Die Hemmung hängt aber nicht mehr davon ab, dass der Berechtigte alles sonst noch zur Erledigung der Sache seinerseits Erforderliche vornimmt. Das kann etwa die Benennung der Schiedsrichter oder die Mitwirkung daran sein. Auf solche Umstände hat der Berechtigte meist keinen Einfluss. Deshalb soll es hierauf auch nicht mehr ankommen (BT-Drucks 14/6040, 115). Unter Abs I Nr 11 fällt nur die Schiedsabrede, nicht jedoch Abreden, die keine Einrichtung eines 30 Schiedsgerichts zum Gegenstand haben: Schiedsgutachtenabreden oder die Vereinbarung einer gütlichen Einigung vor einer Gütestelle. Sie fallen unter § 204 I Nr 8, § 205 oder unter § 202 (MüKo/Grothe Rn 48). 12. Verwaltungsvorverfahren (Abs I Nr 12). Die Vorschrift trägt Fällen Rechnung, in denen der Be- 31 rechtigte die Klage erst erheben kann, wenn er zunächst ein Vorverfahren bei einer Verwaltungsbehörde zu durchlaufen hat (BAG 9, 7 = SAE 60 Nr 35). Ist die zivilrechtliche Klage dagegen vom Verwaltungsvorverfahren unabhängig, gilt Abs I Nr 12 nicht (Bsp Milchquote: BGH AgrarR 2001, 19, 20; Celle NdsRpfl 2003, 116f). Die Vorentscheidung einer Behörde setzen zB Art VII des NATO-Truppenstatuts, § 10 über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG), § 25 SchutzbereichsG oder §§ 49ff BundesleistungsG voraus. Vergleichbare Vorschriften gibt es im Landesrecht. In Bayern ist zB vor einer Klage gegen den Landesfiskus ein Abhilfeverfahren durchzuführen (Art 2 AGZPO; §§ 16ff VertretungsVO). Solche Regelungen sind dem verwaltungsrechtlichen Vorverfahren nach §§ 68ff VwGO nachempfunden, auf das diese Regelung indessen nicht anzuwenden ist. Denn es geht dort nicht um die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche. Sie finden sich meist dort, wo der Staat angesichts der Gefährlichkeit der staatlichen Aufgabe mit dem Entstehen von meist dem Grunde nach unstr Schadensersatzansprüchen rechnet. In dem praktisch bedeutsamen Fall, dass staatliche Behörden aufgrund von fehlerhaftem Amts- 32 walten zu Schadensersatz oder Entschädigung verpflichtet sind, ist ein solches Verfahren demggü nicht vorgesehen. Auf solche Fälle ist Abs I Nr 12 nicht anwendbar. Dies gilt auch dann, wenn die Verjährung des Schadensersatzanspruchs durch Klage und Vorverfahren gegen die Verwaltungsmaßnahmen gehemmt wird. Keine Vorentscheidung iSv Abs I Nr 12 ist die Kostenfestsetzung durch den Urkundsbeamten, da die Zulässigkeit des Rechtsweges nicht notwendig von einer Zurückweisung des Festsetzungsantrages abhängig ist (BGH 21, 205; aM Werthauer JR 1955, 186; vgl auch KG JR 1955, 426). § 204 I Nr 12 ist auch nicht entspr anwendbar, wenn eine Klage auf Gehaltszahlung erst nach Erstreiten eines das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses feststellenden Urt erhoben wird, da hier die Leistungsklage von vornherein möglich war (BAG 9, 7 = SAE 60 Nr 35 m Anm Larenz). Auch der Antrag des Mieters auf Festsetzung der preisrechtlich zulässigen Miete hemmt nicht die Verjährung (LG Berlin GE 1975, 350). Anders liegt es im öffentlichen Recht. Das förmliche Widerspruchsverfahren, das der klageweisen Geltendmachung öffentlich-rechtl Ansprüche vorgeschaltet ist, hemmt die Verjährung entspr Abs I Nr 12 (VGH München v 10.3.2010, 14 BV 08.2444, Juris; OVG Lüneburg v 7.1.2009 – 5 LA 98/06, Juris). Anders als früher hemmt der Antrag an die Behörde die Verjährung nur, wenn es innerhalb von 33 drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs auch zur Erhebung der Klage kommt. Diese Frist ist der Frist für die Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO nachempfunden. Anders als § 75 VwGO sieht § 204 I Nr 12 die Frist nicht für die Bescheidung des Gesuchs, sondern für die Erhebung der Klage nach Erledigung des Gesuchs vor. Die Dauer des Vorverfahrens ist also verjährungsrechtlich unerheblich. Verstreicht die Frist, ohne dass die Klage erhoben wird, tritt die Hemmung nicht ein. Dies gilt entspr für bei einem Gericht oder bei einer in Nr 4 bezeichneten Gütestelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt.

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13. Zuständigkeitsbestimmung durch höheres Gericht (Abs I Nr 13). In den Fällen des § 36 ZPO kann die Klage nicht erhoben werden, ohne dass zuvor entschieden wird, bei welchem Gericht dies zu geschehen hat. Da dem Gläubiger in einem solchen Fall eine Rechtsverfolgung nicht möglich ist, genügt die Einreichung des Antrags auf Bestimmung des zuständigen Gerichts bei dem höheren Gericht. Eine Sachentscheidung oder ein Erfolg des Antrags sind für die Auslösung der Hemmungswirkung nicht erforderlich (BGH 160, 259, 262f). Um auch hier einer „heimlichen“ Hemmung vorzubeugen, wird aus dem bisherigen § 210 die Bedingung übernommen, dass innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird. § 204 I Nr 13 stellt allg auf Anträge, für die die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, ab. Die Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 ZPO ist nicht nur auf den Fall der Klageerhebung anzuwenden, sondern bspw auch für den Fall, dass das für einen Mahnantrag zuständige Gericht bestimmt werden soll.

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14. Prozess- oder Verfahrenskostenhilfeantrag (Abs I Nr 14). Mit Nr 14 erkennt das Gesetz jetzt den Antrag auf Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe als Hemmungsgrund ausdr an. Früher sah man eine Partei als durch höhere Gewalt iSd § 203 aF an der Rechtsverfolgung gehindert an, wenn sie am Tage des Ablaufs der Verjährungsfrist infolge Armut keine Klage erheben konnte, aber spätestens in diesem Zeitpunkt das zur Behebung des Hindernisses notwendige Prozesskostenhilfeverfahren durch einen ordnungsgemäß begründeten Antrag eingeleitet hatte und darüber nicht vor Ablauf der Verjährungsfrist entschieden worden war (BGH 70, 235, 239). Auf diesen Umweg verzichtet § 204 I Nr 14. Der Antrag auf PKH/VKH löst die Hemmung immer aus. Anders als früher (BGH VersR 1977, 622; LM Nr 2 zu § 254 BGB [E]) kommt es nicht (mehr) darauf an, dass der Antrag ordnungsgemäß begründet (überholt daher Celle OLGRp 2001, 250), vollständig, von den erforderlichen Unterlagen begleitet und dass die Bedürftigkeit ordnungsgemäß dargelegt ist (BT-Drucks 14/6040, 116; KGRp 2006, 257, 258; AnwK/Mansel/Budzikiewicz Rn 109). § 204 I Nr 14 geht davon aus, dass die Gleichheit vor dem Gesetz verlangt, dass der armen Partei gleiche Chancen der Rechtsverfolgung, aber auch der Rechtswahrung gewährt werden. Deshalb soll das Prozess- bzw Verfahrenskostenhilfegesuch als solches zur Hemmung der Verjährungsfrist reichen (BT-Drucks 14/6040, 116). Deshalb führt auch der PKH/VKH-Antrag eines bemittelten Gläubigers zur Hemmung (BaRo/Henrich Rn 45; Soergel/Niedenführ Rn 98; Staud/Peters/Jacoby Rn 114; aM Oldenburg FamRZ 2010, 1098; Pal/Ellenberger Rn 30; MüKo/Grothe Rn 65), die durch zügige Zurückweisung rasch beendet werden kann. In jedem Fall muss der Antrag schon erkennen lassen, welcher Rechtsstreit geführt werden soll (Stuttgart FamRZ 2005, 526). Mehrere Anträge in unterschiedlichen Abschnitten des Verfahrens (z.B Mahnverfahren, str Verfahren) führen mehrmals zur Hemmung (KGRp 2006, 257, 258).

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Die Hemmung müsste eigentlich mit der Bekanntgabe des Antrags beginnen, wodurch sichergestellt ist, dass der Schuldner Kenntnis von der Hemmung erlangt. Um aber Streit über die erfolgte Bekanntgabe zu vermeiden, stellt das Gesetz auf die Veranlassung der Bekanntgabe ab. Auch sie gibt die Gewähr für den Zugang beim Gegner. An die Zustellung als die förmliche Art der Bekanntgabe anzuknüpfen, kommt nicht in Betracht, da sie zivilprozessual nicht vorgeschrieben ist. In Entsprechung zu § 167 ZPO, der mangels Zustellung keine Anwendung findet, wird bestimmt, dass die Hemmungswirkung auf die Einreichung des Antrags zurückwirkt, wenn die Bekanntgabe „demnächst“ nach der Einreichung erfolgt. Wenn dies geschieht, ist es unerheblich, ob der Antrag vollständig war (Nürnberg v 6.4.2010 – 4 W 535/10, Juris). Geschieht dies nicht, tritt die Hemmung nicht ein (Schleswig OLGRp 2009, 393, 394). Anträge, die vom Gericht dem Schuldner nicht bekannt gegeben werden, bewirken keine Hemmung (BGHRp 2008, 659f). Dies hat seinen Grund darin, dass es sich dann entweder um von vornherein aussichtslose Gesuche oder um solche Gesuche handelt, bei denen zugleich der Antrag auf Erlass eines Arrestes, einer einstw Verfügung oder einer einstw Anordnung gestellt wird und die Hemmung bereits durch die Nr 9 sichergestellt ist. Der Antragsteller hat aber das Recht, die Zustellung auch eines aussichtslosen PKH/VKH-Antrags zu beantragen, um einen Hemmung, die immerhin die Sechs-Monats-Frist nach § 204 II auslöst; einem solchen Antrag muss das Gericht entsprechen (BGHRp 2008, 659f). Wie auch sonst, kann der Antragsteller die Frist ausnutzen (BGH NJW 1981, 1550).

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Auch wenn die Hemmung nur bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Zurückweisung des Gesuchs dauert, würde ohne zusätzliche Vorkehrungen eine gewisse Missbrauchsgefahr bestehen. Die Abweisung würde nicht an der Stellung eines neuen Gesuchs hindern. Die Sechs-Monats-Frist würde es erlauben, eine Hemmung zu erreichen, ohne den Rechtsstreit zu führen. Um das zu verhindern, bestimmt § 204 I Nr 14, dass nur der erste Antrag die Hemmungswirkung einschl der Nachlauffrist auslöst. Wird er abgelehnt, löst ein Folgeantrag keine Hemmungswirkung (mehr) aus (BGH MDR 2009, 278; Celle Familienrecht kompakt 2007, 9). Der Antragsteller kann dann eine Hemmung nur noch durch Klage, Mahnbescheid oder auf anderem Wege herbeiführen. Diese Folge tritt nur ein, wenn beide Prozesskostenhilfeanträge denselben Anspruch und dasselbe Verfahren betreffen. Daran könnte es fehlen, wenn der Gläubiger nach gescheitertem Prozesskostenhilfeantrag im Mahnverfahren nunmehr Prozesskostenhilfe im Klageverfahren beantragt (Zhang aaO [Vor § 194], 128f). Die damit mögliche Flucht in den Prozesskostenhilfeantrag für das Klageverfahren widerspricht aber erkennbar dem Zweck der Vorschrift und berücksichtigt auch nicht, dass der Mahnbescheid nur eine besondere Form der Einleitung des Verfahrens ist. Ist der Prozessgegenstand beider Verfahren derselbe, schließt die Zurückweisung des Prozesskostenhilfeantrags für das Mahnverfahren auch eine Hemmung der Verjährung mit einem erneuten Prozesskostenhilfeantrag für das Klageverfahren aus. Das gilt entspr für den Antrag in Familienstreitsachen mit vorausgegangenem Antrag auf Verfahrenskostenhilfe. Der Ausschluss gilt nur für Anträge auf PKH/VKH, die nach dem 31.1.2001 gestellt werden (BGH MDR 2009, 278).

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III. Dauer der Hemmung (Abs II) 1. Beendigung der Hemmung (Abs II S 1). a) Ende der Rechtsverfolgung. Die Hemmung dauert bis 38 zu dem Zeitpunkt, in dem die gewählte Art der Rechtsverfolgung rechtskräftig abgeschlossen oder anderweitig erledigt ist. Im Falle einer Klage, die durch rechtskräftiges Sachurteil beschieden worden ist, stellt sich ein Bedürfnis für eine weitere Hemmung nicht mehr: Ist die Klage rechtskräftig abgewiesen worden, steht damit fest, dass der Anspruch nicht oder nicht mehr besteht. Die Verjährung braucht dann auch nicht mehr gehemmt zu werden. Hat die Klage ganz oder teilw Erfolg gehabt, läuft für den Anspruch im Umfang seiner rechtskräftigen Feststellung eine neue Verjährungsfrist von 30 Jahren, §§ 197 I Nr 3, 201, die nach jeder Vollstreckungshandlung gem § 212 I Nr 2 neu beginnt. Entspr gilt für die Hemmung durch Mahnbescheidsantrag, der zu einem Vollstreckungsbescheid führt. Nimmt der Gläubiger mehrere Schuldner in einem Rechtsstreit in Anspruch, muss das Ende der Rechtsverfolgung für jeden Schuldner gesondert festgestellt werden. Bei einfachen Streitgenossen (§ 61 ZPO) ergibt sich das schon daraus, dass die Prozesshandlungen des Gläubigers nur ggü dem Streitgenossen wirken, dem ggü sie vorgenommen werden (BGH ZIP 2010, 933, 934 Rn 22). Bei notwendigen Streitgenossen ist es aber nicht anders, weil das Gesetz eine entspr Wirkung nicht vorsieht (BGH 131, 376, 380 für Klageerhebung). In allen anderen Fällen kann sich an die zunächst herbeigeführte Hemmung durch eine Maßnah- 39 men der Rechtsverfolgung noch eine weitere anschließen. So endet zB die Hemmung durch den Antrag auf Prozesskostenhilfe mit der (positiven oder negativen) Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch. Daran wird sich eine weitere Hemmung durch die bewilligte Rechtsverfolgung durch Klage anschließen. An eine Hemmung durch Verwaltungsvorverfahren nach § 204 I Nr 12 wird sich die Hemmung durch Klage oder auch zunächst eine Hemmung durch Prozesskostenhilfegesuch und dann eine Hemmung durch Klage anschließen. Der Hemmung durch einstw Verfügung kann eine Hemmung durch Hauptsacheklage nahtlos folgen. Anders als die frühere Unterbrechung fällt die einmal eingetretene Hemmung grds nicht rückwirkend wieder fort. Es stellt sich damit anders als bei der Unterbrechung auch nicht mehr das Bedürfnis, rückwirkend eine Wiederherstellung der früheren Unterbrechungswirkung erreichen zu können. So kann nach Zuerkennung des Hauptanspruchs im Vorprozess wegen des dort nur hilfsweise erhobenen Anspruchs eine neue Klage erhoben werden (schon früher BGH NJW 1968, 692; Celle NJW 1965, 1486; überholt dagegen Oehlers NJW 1970, 845). Endet die Hemmung durch einen Auslandsrechtsstreit ohne Sachurteil, so kann die Verjährung durch eine Inlandsklage erneut gehemmt werden. Die Nachlauffrist führt auch dazu, dass die Hemmungswirkung in den meisten Fällen nahtlos aufrecht erhalten werden kann (zu diesem Anliegen Schlosser in FS Bosch 1976 S 859). Anders als früher (BGH 53, 43, 46; Düsseldorf NJW 1968, 2380; aM Hamm NJW 1965, 1535) kann die Hemmungswirkung eines selbständigen Beweisverfahrens ohne weiteres durch eine anschließende Klage, ggf auch durch Prozesskostenhilfegesuch und anschließende Klage aufrechterhalten werden. b) Klage. Das Klageverfahren muss rechtskräftig abgeschlossen oder anderweit erledigt sein. 40 Rechtskräftig abgeschlossen wird es durch ein Endurteil, das auch ein Teil- oder Vorbehaltsurteil sein kann. Ein Grundurteil schließt den Rechtsstreit nicht rechtskräftig ab, weil der Betrag offen bleibt. Das Urt kann ein Sachurteil, aber auch ein Prozessurteil sein. Wird durch Teilurteil rechtskräftig entschieden, so endet nur für diesen Teil die Hemmung. Anderweit erledigt wird eine Klage durch einen gerichtlichen Vergleich, durch Erledigung in der Hauptsache oder durch Klägerwechsel (BGH NJW-RR 1989, 1269). Nichts anderes gilt für Klagerücknahme oder Klageverzicht (RG 66, 14). Die Klagerücknahme führt zwar nach § 269 III ZPO dazu, dass der Rechtsstreit als nie anhängig anzusehen ist. Das ändert aber an der Verjährungshemmung nichts; diese setzt mit der Erhebung der Klage ein und ist von der An- oder Rechtshängigkeit dieser Klage im prozessualen Sinne unabhängig. Denkbar ist auch eine teilw anderweitige Erledigung, etwa durch Teilrücknahme (RG JW 1928, 100). Keine anderweitige Erledigung ist die Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige Gericht. Denn das Verfahren wird dort fortgeführt. Rücknahme ist nicht anzunehmen, wenn ein Feststellungsantrag bei Erweiterung eines daneben gestellten Leistungsantrags weggelassen (nach RG 168, 56 wird der Anspruch hier nur „nicht weiter verfolgt“) oder bei Schadensfeststellung auf die nicht auf den Versicherungsträger übergegangenen Ansprüche beschränkt wird (BGH LM Nr 6 zu § 256 ZPO). Die Hemmung endet auch, wenn die Klage nur teilw zurückgenommen wird, es aber auf die Verjährung des zurückgenommenen Teiles ankommt (BAG JZ 1962, 357; krit dazu Henckel JZ 1962, 335). Bei einer Stufenklage kann die Hemmung enden, wenn der Anspruch nach Erfüllung der seiner Vorbereitung dienenden Hilfsansprüche nicht beziffert wird; sie dauert aber fort, solange aus einem Urt über einen Hilfsanspruch vollstreckt wird, weil die klagende Partei gerade auf diese Weise ihren Zahlungsanspruch weiterverfolgt (BGHRp 2006, 988, 989f = NJW-RR 2006, 948). c) Vereinfachtes Unterhaltsverfahren. Die Hemmung der Verjährung durch einen Antrag auf Fest- 41 setzung des Unterhalts im vereinfachten Verfahren nach §§ 249ff FamFG endet mit der Zurückweisung des Antrags gem § 250 II FamFG. Da das Kind dann auf die Verfolgung seiner Ansprüche im ordentlichen Verfahren angewiesen ist, kann eine weitere Hemmung durch Zustellung eines Antrags nach §§ 113 I S 2, 124, 231 FamFG oder durch Verfahrenskostenhilfegesuch gem §§ 76, 231 FamFG, 117 ZPO und anschließenden Antrag nach §§ 113 I S 2, 124, 231 FamFG folgen. Wird der Unterhalt festgesetzt, endet die Hemmung mit der Rechtskraft des Beschl nach § 253 FamFG. Werden Einwendungen nach § 254 FamFG erhoben, endet die Hemmung nach § 204 I Nr 2 mit dem Eingang des Antrags auf Durchführung des str Verfahrens. Da nach dessen Eingang wie nach Eingang eines Antrags in einer Unterhaltssache zu verfahren ist, § 255 II FamFG, schließt sich durch ihn sofort eine Hem-

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mung nach § 204 I Nr 1 an (MüKo/Grothe Rn 84). Wird Beschwerde nach § 256 FamFG erhoben, endet das Verfahren, wenn diese rechtskräftig erledigt ist. 42

d) Die Hemmung durch Mahnverfahren endet, wenn der Vollstreckungsbescheid rechtskräftig ist (§ 700 ZPO). Wird rechtzeitig Widerspruch erhoben und Termin beantragt oder der Rechtsstreit an das LG verwiesen (§ 696 ZPO) oder Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid erhoben (§ 700 ZPO), so endet die Hemmung nach § 204 I Nr 3 mit dem Eingang der Akten bei dem Gericht, bei dem die Hauptsache durchzuführen ist (BGH TranspR 2009, 132 Tz 20). Da nach Widerspruch gegen den Mahnbescheid wie nach Eingang einer Klage zu verfahren ist (§ 697 II S 1 ZPO) und der Vollstreckungsbescheid einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleichsteht (§ 700 I ZPO), schließt sich in diesen Fällen mit der Abgabe an das Gericht, an das die Sache abgegeben wird, nahtlos eine Hemmung nach § 204 I Nr 1 an (BGH 55, 212, 215; MüKo/Grothe Rn 88). Gerät das Verfahren aber in Stillstand, kommt es entscheidend darauf an, ob es in der Frist des Abs II zu einer weiteren Hemmung nach Abs I Nr 1 oder Nr 14 kommt (BGH TranspR 2009, 132, Tz 21).

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e) Die Hemmung durch ein Güteverfahren endet, wenn die Parteien sich einigen, wenn der Güteantrag zurückgenommen wird oder wenn sich ergibt, dass eine Einigung nicht möglich ist (vgl zB § 5 III 4 SchlichtVerfVO) und die Beteiligten davon unterrichtet werden (Celle ZGS 2007, 195; offen, ob Einstellung oder Mitteilung der Einigung an Beteiligte: BGH 182, 284 = ZGS 2009, 5050, 507). Haben die Parteien in dem Verfahren einen Widerrufsvergleich geschlossen, endet die Hemmung mit der Erklärung des Widerrufs (BGH WuM 2005, 381) und der Unterrichtung des anderen Teils hierüber.

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f) Die Hemmung durch Aufrechnung oder Streitverkündung dauert so lange wie die durch Klageerhebung. Sie endet erst, wenn der Prozess rechtskräftig entschieden oder anderweit erledigt ist. Das ist allerdings nicht schon bei einer Zwischenfeststellungsklage der Fall (Soergel/Niedenführ Rn 107). Anders als früher (dazu BGH 65, 127, 134; RG HRR 1935, Nr 670) gilt das auch im Falle der Klagerücknahme. Diese beseitigt nach § 204 II S 1 wie bei der Klage nicht rückwirkend die Hemmung. Vielmehr endet die Hemmung mit dem Wirksamwerden der Rücknahme (MüKo/Grothe Rn 94). Eine anderweitige Beendigung der Hemmung durch Aufrechnung liegt im Fallenlassen des Vorbringens (MüKo/Grothe Rn 95; Soergel/Niedenführ Rn 107).

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g) Die Verjährungshemmung durch ein selbständiges Beweisverfahren endet mit der Beweisaufnahme nach § 492 I ZPO. Was dazu erforderlich ist, richtet sich nach den zu erhebenden Beweisen. Soll ein Zeuge vernommen werden, so endet die Hemmung, wenn dieser in einem Termin vernommen worden ist. Ist dagegen ein Sachverständigengutachten einzuholen, ist zu unterschieden. Wünscht keine Partei eine mündliche Erläuterung des Gutachtens und hält das Gericht eine solche Erläuterung oder eine Erörterung des Gutachtens nicht für erforderlich (§ 492 III ZPO), endet die Hemmung mit der Zustellung des schriftlichen Gutachtens (BGH 120, 329, 330 = MDR 1993, 979; BGH 150, 55, 59; MDR 2011, 185; München NJW-RR 2010, 824, 825). Soll das Gutachten mündlich erläutert werden (§ 411 III ZPO) oder hält das Gericht eine Erörterung für erforderlich (§ 492 III ZPO), so endet die Hemmung erst mit dem Abschluss dieser Erläuterung oder Erörterung (BGH 150, 55, 59; NJW 1973, 698, 699; NJW 2009, 1243; Düsseldorf OLGRp 2009, 486f). Zu dieser gehört aber nicht mehr die Übersendung des Protokolls über die Vernehmung des Sachverständigen (BGH 150, 55, 59; NJW-RR 2009, 1243, 1244). Wird das Verfahren auf Gegenantrag des Gegners fortgeführt, endet es erst mit Erledigung auch dessen Antrags (BGH MDR 2001, 447). Für das Ende der Hemmung ist ohne Bedeutung, ob das eingeholte Gutachten inhaltlich ausreichend ist; entscheidend ist allein der formale Verfahrensablauf (Düsseldorf OLGRp 2009, 486, 487). Die Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens durch Ablauf einer Frist nach § 411 IV S 2 ZPO setzt eine formgerechte Fristsetzung und deren Zustellung gem § 329 II S 2 ZPO voraus (Celle OLGRp 2005, 588, 589). Die Hemmung endet auch, wenn der Kostenvorschuss nicht eingezahlt (Frankfurt OLGRp 2004, 325, 326f), der Antrag zurückgenommen oder zurückgewiesen wird, wenn die Begutachtung nicht fortgesetzt werden kann und sich die Parteien trotz Aufforderung des Gerichts dazu nicht äußern (München NJW-RR 2010, 824, 826) oder wenn das Gericht Einwände gegen das Gutachten zurückweist und die Beteiligten keine weiteren Anträge stellen (BGH MDR 2011, 185, 186). Wird gegen die Zurückweisung sofortige Beschwerde (§ 567 I Nr 2 ZPO) erhoben, endet die Hemmung mit deren rechtskräftiger Erledigung. Sollen mehrere Gutachten eingeholt werden, kommt es darauf an, ob sie denselben Mangel betreffen oder mehrere Mängel. Betreffen sie denselben Mangel, endet die Verjährung mit der Zustellung und ggf. Erörterung des letzten Gutachtens (BGH 120, 329, 331). Betreffen sie verschiedene Mängel, endet die Hemmung für jeden Mängelanspruch gesondert mit der Zustellung und ggf Erörterung des ihn jeweils betreffenden Gutachtens; darauf, ob die Mängel in einem oder in getrennten Verfahren geprüft werden, kommt es nicht an (BGH 120, 329, 331; Hamm NJW-Spezial 2009, 205, 206).

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h) Vereinbarte Begutachtung. Bei dem vereinbarten Begutachtungsverfahren (Abs I Nr 8) richtet sich dessen Ende primär nach der Parteivereinbarung. IdR wird es enden, wenn die Begutachtung erfolgt ist. Zieht sich die Erledigung des Gutachtenauftrags länger hin, kann ein Stillstand nach Abs II S 2 eintreten.

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i) Die Hemmung durch den Antrag auf Arrest oder Erlass einer einstw Verfügung endet grds mit der Zurückweisung des Antrags oder dem Erlass des Arrests oder der einstw Verfügung. Die Vollziehung des Arrests oder der einstw Verfügung gehört nicht mehr zum Verfahren. Der Gläubiger muss allerdings jedenfalls die Zustellung an den Schuldner bewirken, da die Hemmungswirkungen von Arrest und einstw Verfügung nach § 204 I Nr 9 rückwirkend entfallen, wenn der Arrest oder die einstw Verfügung nicht innerhalb eines Monats nach Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger auch an den Schuldner zugestellt werden. Wird der Antrag zurückgewiesen, kann der Gläubiger gegen ei634

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nen Beschl sofortige Beschwerde (§ 567 I Nr 2 ZPO) und gegen ein Urt Berufung einlegen. Die Hemmung dauert in diesem Fall bis zur Entscheidung über Beschwerde oder Berufung fort. Eine Revision gegen ein Arrest- oder Verfügungsberufungsurteil ist kraft Gesetzes ausgeschlossen (§ 542 II S 1 ZPO). Wird der Arrest oder die einstw Verfügung erlassen, steht dem Schuldner der Widerspruch zu (§§ 924, 936 ZPO), über den durch Endurteil zu entscheiden ist. Die Hemmung dauert auch hier bis zur rechtskräftigen Erledigung fort. Wird dem Gläubiger nach §§ 926, 936 ZPO eine Frist zur Klageerhebung gesetzt, so ist die Klage kein Teil des Arrest- oder Verfügungsverfahren. Sie begründet vielmehr eine neue eigenständige Hemmung nach § 204 I Nr 1, die sich nahtlos an die Hemmung nach § 204 I Nr 9 anschließen wird. j) Anmeldung im Insolvenz- oder Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren. Bei der Anmel- 48 dung einer Forderung im Insolvenzverfahren kommt es wie bisher auf die Beendigung des Insolvenzverfahrens an. Bleibt die Forderung im Prüftermin (§ 176 InsO) unbestritten, kann der Gläubiger seine Forderung erst nach Abschluss des Insolvenzverfahrens weiter durchsetzen. Wird die Forderung bestr, obliegt es nach § 179 I InsO dem Gläubiger, ihre Feststellung zu betreiben, was nach § 180 I S 1 InsO durch Klage im ordentlichen Verfahren zu geschehen hat. Diese Klage kann auch schon während des Insolvenzverfahrens erhoben werden. Auch in einem solchen Fall besteht aber eine Hemmung nach § 204 I Nr 10 bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens fort (BGH MDR 2010, 319, 320; BaRo/Henrich Rn 66; Pal/Ellenberger Rn 42; Wenner BB 2006, 2649, 2653; aM Vogel BauR 2004, 1365, 1367). Mit der Anmeldung nimmt der Gläubiger am Insolvenzverfahren und nicht nur an dem Verfahrensausschnitt der Forderungsprüfung teil, mag er im Bestreitensfall auch schon während der Dauer des Insolvenzverfahrens Klage erheben können. Das Insolvenzverfahren endet mit der Bek des Aufhebungsbeschlusses nach § 200 InsO, die zwei Tage nach ihrer Veröffentlichung als bewirkt gilt. Das Insolvenzverfahren kann und wird in vielen Fällen auch durch Einstellung mangels Masse oder aus anderen Gründen enden (§§ 207, 212, 213 InsO). Dagegen ist nach § 216 InsO die sofortige Beschwerde gegeben. Diese hat zwar keine aufschiebende Wirkung (§ 4 InsO iVm § 570 ZPO), ist aber jetzt der formellen Rechtskraft fähig. Mit Grothe (MüKo/Grothe Rn 100) ist deshalb ein Ende der Hemmung in diesem Fall erst mit Eintritt der formellen Rechtskraft anzunehmen. Die Hemmung nach § 204 I Nr 10 endet auch mit der Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses und mit Rücknahme der Anmeldung (Brandenburg v 29.4.2009 – 4 U 130/08; Juris Tz 42; MüKo/Grothe Rn 101). Ist die angemeldete Forderung str geblieben, kann der Gläubiger im Klageweg die Feststellung betreiben. Diese Klage löst eine eigenständige neue Hemmung nach § 204 I Nr 1 aus (MüKo/Grothe Rn 102). Das gilt auch für den Fall, dass für diese Forderung Anteile der Masse bei der Verteilung zurückgehalten worden sind (BTDrucks 14/6040, 117). Ähnlich liegt es mit der Anmeldung von Ansprüchen im schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren. Auch die Hemmung durch die Anmeldung von Ansprüchen in einem solchen Verteilungsverfahren endet nicht schon mit dem Abschluss des Prüftermins nach § 18 SVertO, sondern mit der Aufhebung des Verteilungsverfahrens nach § 29 SVertO. Wird die Forderung bestr, obliegt es dem Gläubiger nach §§ 19 III SVertO, 180 I S 1 InsO, die Feststellung der Forderung im Wege der Klage zu betreiben. Diese Klage ist auch im Verteilungsverfahren kein Teil der Anmeldung, sondern ein eigenständiger Hemmungsgrund nach § 204 I Nr 1, und zwar anders als früher auch dann, wenn Anteile an der Verteilungsmasse zur Befriedigung dieser Forderung zurückgehalten worden sind. Die Hemmung durch Anmeldung einer Forderung entfällt auch bei der Anmeldung im Verteilungsverfahren mit der Rücknahme der Anmeldung. Sie wirkt in beiden Fällen nur ex nunc, nicht ex tunc. k) Die Hemmung durch Schiedsverfahren endet gewöhnlich mit dem Schiedsspruch, der das Ver- 49 fahren nach § 1056 I ZPO beendet. Dieser Schiedsspruch hat nach § 1055 ZPO zw den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen Urt und setzt nach §§ 197 I Nr 3, 201 eine neue Verjährungsfrist von 30 Jahren in Gang, die bei Vollstreckungshandlungen neu beginnt (§ 212 I Nr 2). Das Schiedsverfahren kann aus den in § 1056 II bezeichneten Gründen ohne Schiedsspruch enden. Für die Feststellung, ob und vor allem wann das Schiedsverfahren und die durch dieses ausgelöste Hemmung endet, kommt es nicht auf den Eintritt des Grundes, sondern auf die förmliche Feststellung nach § 1056 ZPO an. Etwas anderes gilt nur, wenn das Schiedsgericht den Beschl nach § 1056 II ZPO nicht fasst, obwohl die Gründe offensichtlich eingetreten sind. Ob sich an das beendete Schiedsverfahren in den Fällen des § 1056 II ZPO noch eine andere Hemmung durch Rechtsverfolgung anschließen kann, hängt von den Vereinbarungen der Parteien ab. Wenn diese lediglich von der Durchführung des Schiedsverfahrens abgesehen haben, ist das möglich. Haben sie weitergehende Vereinbarungen getroffen, ist das nicht möglich. Die Aufhebungsklage nach § 1059 ZPO ist eine eigenständige Klage mit Hemmungswirkung nach § 204 I Nr 1 und nicht Teil des Schiedsverfahrens (MüKo/Grothe Rn 103). Das Auslegungsverfahren nach § 1058 ZPO ist eigenständiges Verfahren mit Hemmungswirkung nach § 204 I Nr 11 (MüKo/Grothe Rn 103). l) Die Hemmung durch ein behördliches Vorverfahren endet mit der Entscheidung der Behörde. 50 Sie kann auch schon vorher enden, wenn der Antrag zurückgenommen wird. Die Entscheidung der Behörde ist die Erledigung des Gesuchs, nach der innerhalb von drei Monaten Klage erhoben worden sein muss, soll die Hemmungswirkung erhalten bleiben. Deshalb wirkt es sich auch nicht zulasten des Gläubigers aus, wenn die Untätigkeitsfrist wie nach § 25 II SchutzberG nicht drei, sondern sechs Monate beträgt. m) Zuständigkeitsbestimmung. Das Verfahren endet mit der Bestimmung der Zuständigkeit.

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n) Prozess-/Verfahrenskostenhilfeantrag. Die Hemmung durch Stellung eines Prozess-/Verfahrens- 52 kostenhilfeantrags dauert bis zu dessen Erledigung. Dies geschieht durch Bewilligung oder Ablehnung des Antrags. Da die Bewilligung von Prozess-/Verfahrenskostenhilfe unanfechtbar ist, ist die J. Schmidt-Räntsch

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Allgemeiner Teil Verjährung

Hemmung durch Stellung des Antrags damit beendet. Gegen die Ablehnung von Prozess-/Verfahrenskostenhilfe steht dem Antragsteller die Beschwerde, wenn zugelassen, auch eine Rechtsbeschwerde zu. Macht der Antragsteller von diesen Rechtsmitteln Gebrauch, dauert die Hemmung bis zu deren Erledigung fort (BGH NJW 2001, 2545). Entspr gilt, wenn die Staatskasse Beschwerde erheben kann, weil keine Raten festgesetzt wurden. 53

2. Nachlauffrist von sechs Monaten (Abs II S 1 aE). Die Hemmung endet nicht unmittelbar mit der Beendigung des Verfahrens. Insb bei Verfahren, die nicht mit einer Sachentscheidung enden, muss dem Gläubiger noch eine Frist bleiben, in der er – verschont von dem Lauf der Verjährung – weitere Rechtsverfolgungsmaßnahmen einleiten kann. Dies ist bspw der Fall bei der Geltendmachung der Aufrechnung, wenn über die Aufrechnungsforderung nicht entschieden wurde, bei einem selbständigen Beweisverfahren oder bei einem Prozesskostenhilfeverfahren. Deshalb sieht § 204 II S 1 vor, dass in jedem Fall die Hemmung noch sechs weitere Monate andauert, damit sich der Gläubiger einrichten kann. Das frühere Recht hatte ähnliche, aber unterschiedliche Fristen vorgesehen. Sie sind jetzt vereinheitlicht. Vom Gläubiger kann erwartet werden, dass er bei der Handlung, die hier die Hemmung auslöst, den Anspruch prüft und seine Verfolgung bedenkt, so dass es beim Ende der Hemmung keiner über sechs Monate hinausgehenden Überlegungs- und Vorbereitungsfrist mehr bedarf. Die Nachlauffrist gilt in allen Fällen des Abs I, auch im Fall des beendeten Güteverfahrens (BGH 182, 284 = ZGS 2009, 505, 508). Diese Frist ist abschließend. Sie kann nicht verlängert werden. Auf sie sind auch die §§ 203, 206, 210 und 211 nicht entspr anwendbar. Die Hemmung kann jederzeit durch weitere Rechtsverfolgung fortgesetzt werden (München NJW-RR 2010, 824, 826). Möglich ist allerdings, dass die Verjährungsfrist selbst zB durch höhere Gewalt gehemmt wird. Wenn die Parteien in der Nachlauffrist Verhandlungen aufnehmen (§ 203), dann wird nicht die Nachlauffrist gehemmt (so aber: Piepenbrock aaO [Vor § 194], 465), sondern die eigentliche Verjährungsfrist, die bis zum Ablauf der Sechs-Monats-Frist gehemmt ist. Entspr gilt für Vereinbarungen nach § 202 (aM Zhang aaO [Vor § 194], 115).

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3. Stillstand des Verfahrens (Abs II S 2). Eine Beendigung des Verfahrens stellt es nach 204 II S 2 dar, wenn das Verfahren dadurch in Stillstand gerät, dass die Parteien es nicht betreiben. Für ein Betreiben muss mehr unternommen werden, als Anträge auf Fristverlängerung zu stellen (AG Hamburg v 30.8.2006 – 46 C 86/05, Juris) oder um Mitteilung von AZ und Hinw zum nötigen Vorgehen zu bitten (Karlsruhe OLGRp 2006, 643, 644). So muss in einem Mahnverfahren nach Widerspruch die Abgabe an das Prozessgericht oder bei Ausbleiben oder Rücknahme eines Widerspruchs der Erlass eines Vollstreckungsbescheids beantragt werden (Zhang aaO [Vor § 194], 120f). Allerdings genügt es, wenn die Partei sich nach Kräften, wenn auch vergeblich, bemüht, die ladungsfähige Anschrift der anderen Partei herauszufinden (BGHRp 2004, 1585, 1586). Dass das Gericht das Nichtbetreiben angeregt hatte, ist gleichgültig (Koblenz JB 2003, 278 [Ls]). Es reicht also nicht jeder Stillstand aus. Gesetzliche Unterbrechungen des Verfahrens etwa wegen Insolvenz (BGH NJW 1963, 2019) nach §§ 239ff ZPO und Aussetzungen nach §§ 246ff ZPO beenden die Hemmung nicht, da der Prozessbetrieb nach § 249 ZPO für die Parteien nicht möglich ist (BGH 15, 80, 82; RG 145, 239; Rostock OLGRp 2006, 730, 731). Erst wenn das Verfahren wegen Wegfalls des Unterbrechungs- oder Aussetzungsgrundes weiterbetrieben werden kann, jedoch nicht wird, tritt Stillstand ein (RG 72, 185; Rostock, wie vor; Hamm WM 2006, 1477). Das Gleiche gilt für die Aussetzung nach § 148 ZPO (BGH 106, 295, 297), auch wegen eines Auslandsverfahrens (BGH MDR 1993, 521). An einem Stillstand iSd § 204 II S 2 fehlt es auch, wenn die Parteien alles ihrerseits Mögliche getan haben und das Gericht das Verfahren nicht betreibt, obwohl es tätig werden könnte (BGH VersR 1976, 36; ZGS 2009, 505, 507; Bremen OLGRp 2003, 44, 46; AnwK/Mansel/Budzikiewicz Rn 125; MüKo/Grothe Rn 77f). Das kann etwa daran liegen, dass es überlastet ist oder dass es den Eingang eines Sachverständigengutachtens abwartet. Die Parteien sind in einem solchen Fall auch nicht gehalten, das Verfahren bei Gericht in Erinnerung zu bringen oder um Vornahme von Maßnahmen zu dringen. Sie dürfen deshalb nach Erlass eines Grundurteils die Terminsbestimmung durch das Gericht abwarten, auch wenn sich dieses damit sehr viel Zeit lässt (BGH NJW 1979, 2307: Vier Jahre; gegen die Entscheidung: Grunsky ZZP 80, 179f; zust Soergel/Niedenführ Rn 124). Die Parteien müssen das Verfahren nicht unbedingt durch Anträge oder Schriftsatze fördern. Bei einer Stufenklage würde zB genügen, dass der Kläger die zur Bezifferung seines Leistungsanspruchs erforderlichen Hilfsansprüche in der Vollstreckung durchsetzt (BGH NJW 1992, 2563). Bei einem Widerrufsvergleich tritt Stillstand erst nach Ablauf der Widerrufsfrist ein (BGH NJW-RR 2006, 948, 950). Es kann auch sein, dass Stillstand nur für einen Teil des Anspruchs eintritt, etwa dadurch, dass nicht alle vorbereitenden Anträge verlesen werden (Soergel/Niedenführ Rn 125).

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Nach überwiegender Meinung (AnwK/Mansel/Budzikiewicz Rn 129; MüKo/Grothe Rn 73; Pal/Ellenberger Rn 47; Soergel/Niedenführ Rn 119; Staud/Peters/Jacoby Rn 130; Ebert NJW 2003, 732, 733) soll das Nichtbetreiben nach wie vor nicht in jedem Fall zu einem Stillstand des Verfahrens führen, sondern nur, wenn die Parteien dafür keinen triftigen Grund (so bisher BGH NJW 1987, 371; NJW-RR 1988, 279; Frankfurt v 21.4.2010 – 4 U 93/03, Juris) haben. Umgekehrt soll es wie bisher auch gleichgültig sein, ob das Nichtbetreiben des Verfahrens zur Anordnung des Ruhens des Verfahrens führt oder nur zu einem Liegenlassen der Akten (MüKo/Grothe Rn 72; Pal/Ellenberger Rn 48; zum alten Recht BGH NJW 2001, 218). Dies liegt nahe, weil die Bundesregierung den Vorschlag des BR, dies im Gesetzestext festzuschreiben (BT-Drucks 14/6857, 8f) nicht aus inhaltlichen, sondern aus redaktionellen Gründen abgelehnt hat (BT-Drucks 14/6857, 45). Dem kann aber gleichwohl nicht gefolgt werden. Wie Grothe zu Recht feststellt, sind nämlich die Grundlagen für ein solches Textverständnis entfallen (MüKo/Grothe Rn 72; Zhang aaO [Vor § 194], 125). Das frühere Recht verbot den Parteien in § 225 aF Vereinbarungen, die zu einer Verlängerung der Verjährung führten. Um ein Unterlaufen dieses 636

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Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn der Verjährung

§ 204

Verbots zu verhindern, sah § 211 II aF ein Entfallen der Unterbrechungswirkung bei Stillstand des Verfahrens vor (BGH NJW 1999, 3774, 3775; BAG AP Nr 3 zu § 211 BGB). Konsequenterweise konnte es auch nicht darauf ankommen, ob das Gericht auf Bitten der Parteien das Ruhen des Verfahrens förmlich anordnete oder die Parteien es selbst nicht betrieben. Um die sachlich gerechtfertigte Unterbrechung eines ruhenden Verfahrens zu ermöglichen, blieb bei der damaligen Ausgangslage keine andere Wahl, als einen Stillstand zu verneinen, obwohl das Verfahren nicht betrieben wurde, wenn es dafür triftige Gründe gab (BGH aaO). Dafür reichte es aber nicht aus, einen Musterprozess (BGH NJW 1999, 1101; 2001, 218; BAG wie vor) oder Vergleichsverhandlungen zu führen (BGH NJW 2009, 1598, 1600) oder den Erfolg einer Teilklage abwarten zu wollen (Frankfurt OLGRp 2004, 203, 204). Unter neuem Recht können die Parteien demggü frei Vereinbarungen über die Länge der Verjährungsfrist, aber auch über ihren Lauf treffen. Die Parteien haben auch das Recht, von § 204 II S 2 abzuweichen und zu vereinbaren, dass das Gerichtsverfahren hemmen soll, obwohl es in Stillstand geraten ist. Eine solche Vereinbarung ist auch möglich, wenn die Parteien dafür keinen triftigen Grund haben. Es kann deshalb unter neuem Recht nicht mehr darum gehen, § 204 II S 2 so auszulegen, dass eine Umgehung des Erschwerungsverbots verhindert wird. Dieses ist entfallen. Deshalb sind die bisherigen Auslegungsmaßstäbe für die Auslegung von § 204 II nicht hilfreich. § 204 II S 2 bestimmt als Grundsatz, dass die Hemmung durch Rechtsverfolgung endet, wenn eine Rechtsverfolgung seitens der Parteien nicht mehr betrieben wird. Nach den Gründen fragt das Gesetz nicht; es braucht auch nicht danach zu fragen. Die Parteien können sowohl bei Vorliegen triftiger Gründe als auch bei ihrem Fehlen eine Fortdauer der Hemmung des in Stillstand geratenen Verfahrens vereinbaren. Zwar könnten die Parteien eine solche Vereinbarung auch stillschw treffen. Aus dem bloßen Nichtbetreiben des Verfahrens durch die eine Partei wird die andere aber angesichts der Vorgabe des Gesetzes grds den Schluss ziehen müssen, dass die Hemmung enden soll, und zwar auch dann, wenn sie damit einverstanden ist (BGH NJW 2009, 1598, 1600). Wenn trotz des Nichtbetreibens des Verfahrens die Verjährung weiterhin gehemmt sein soll, müssen die Parteien eine entspr Absprache treffen und diese auch hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen und mehr tun als nur das Verfahren nicht zu betreiben. Genauso liegt es, wenn das Gericht auf Bitten oder mit Zustimmung des Klägers von einer Terminierung auf unbestimmte Zeit absieht (in diesem Sinne schon zu § 211 aF BGH NJW 1983, 2496). Anders ist es aber dann, wenn das Gericht auf Antrag der Parteien das Verfahren nach§ 251 ZPO förmlich zum Ruhen bringt (aM LG Karlsruhe IBR 2009, 304; Soergel/Niedenführ Rn 124: dann Stillstand). Eine solche Maßnahme hat unter verjährungsrechtlichen Aspekten nur Sinn, wenn die Parteien die Hemmungswirkung des Verfahrens trotz des Stillstands aufrechterhalten wollen, sonst bräuchten sie nichts zu veranlassen (Piepenbrock aaO [Vor § 194], 457; Zhang aaO [Vor § 194], 126). Anders als früher liegt in einem solchen Fall kein Stillstand durch Nichtbetreiben der Parteien vor; das Verfahren hemmt die Verjährung weiter (so i Erg auch Frankfurt aaO). Kommt es nicht zu einem förmlichen Ruhen, müssen die Parteien dagegen eine Vereinbarung nach §§ 202 oder 205 treffen. Wollen sie zB einen Musterprozess abwarten, müssen sie entweder das Gericht dazu veranlassen, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, oder sich über die Hemmung gem § 202 verständigen (anders unter früherem Recht BGH NJW 1979, 810). Entspr gilt, wenn die Parteien außergerichtliche Verhandlungen über Höhe und Ausgleich der Klageforderung betreiben (schon zu § 211 aF BGH NJW 1999, 1101; BAG AP Nr 3 zu § 211 BGB; Koblenz JB 2003, 278 [Ls]; Zhang aaO [Vor § 194], 126). Wenn es danach zu einem Stillstand kommt, ist aber zu prüfen, ob die Verjährung nicht aus einem anderen Grund weiterhin gehemmt ist. Wenn die Parteien zB das Verfahren nicht betreiben, weil sie außergerichtliche Vergleichsverhandlungen führen wollen, führt das ohne eine Vereinbarung über die Verjährung oder eine Entscheidung nach § 251 ZPO zwar zum Stillstand und damit zu dem Ende der Hemmung in der Frist des § 204 II S 2 (BGH NJW 2009, 1598, 1600). Werden die Vergleichsverhandlungen aber tatsächlich geführt, kommt es dadurch zu einer weiteren Hemmung nach § 203 (nicht geprüft in BGH NJW 2009, 1598). Da der Stillstand nicht äußerlich erkennbar ist, knüpft § 204 II S 2 an die letzte Verfahrenshand- 56 lung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle an. Diese führt nicht sofort das Ende der Hemmung herbei. Diese letzte Verfahrenshandlung tritt vielmehr an die Stelle der Beendigung des Verfahrens. Die Hemmung endet dann nach § 204 II S 1 sechs Monate nach diesem Zeitpunkt (AnwK/Mansel/Budzikiewicz Rn 126; Pal/Ellenberger Rn 49; Köper ZGS 2005, 60, 61f). Verfahrenshandlung ist jede auf Einleitung, Führung und Beendigung des Prozesses gerichtete Handlung (MüKo/Grothe Rn 80), zB auch ein Prozess- bzw Verfahrenskostenhilfegesuch (RG 77, 324). Da Verfügungen des Gerichts mit ihrem Zugang wirksam werden, endet die Hemmung erst mit dem Zugang der letzten Verfügung des Gerichts. Die Verfügung der Geschäftsstelle nach § 697 I ZPO wird daher als Verfahrenshandlung erst mit ihrem Zugang wirksam (BGH NJW 1997, 1777; 2010, 1662, 1663). Sieht das Gericht Veranlassung, seine letzte Verfahrenshandlung zu wiederholen oder zusätzliche Maßnahmen vorzunehmen, dann ist diese wiederholte oder neue Verfahrenshandlung iSv § 204 II die letzte (BGH NJW 2010, 1662f). Die Gründe für die zusätzliche Maßnahme sind unerheblich. Sie können auch bei einer Partei liegen (BGH NJW 2010, 1662). Ein Ende der Hemmung setzt nicht voraus, dass die Parteien den Verfahrensstillstand in Umgehungsabsicht herbeigeführt haben. § 204 II S 2 stellt vielmehr allein darauf ab, ob der Stillstand auf ein Nichtbetreiben seitens der Parteien zurückzuführen ist (BGH NJW 1983, 2496; 1988, 128). 4. Wiederaufnahme des Verfahrens (Abs II S 3). Wird das Verfahren vor Ablauf der Frist von sechs 57 Monaten wieder aufgenommen, läuft die bisherige Hemmung weiter. Ist die Sechs-Monats-Frist bei Wiederaufnahme dagegen schon abgelaufen, beginnt die Hemmung nach § 240 II S 3 durch Wiederaufnahme erneut. Zum „Weiterbetreiben“ des Verfahrens genügt jede zu dessen Förderung bestimmte und nach objektiven, nicht zu engen Maßstäben geeignet erscheinende Handlung einer Partei, J. Schmidt-Räntsch

637

§ 204

Allgemeiner Teil Verjährung

und zwar ohne Rücksicht darauf, ob diese Handlung eine Förderung des Prozesses tatsächlich demnächst bewirkt (BGH 55, 212; 73, 8; Saarbrücken OLGRp 2005, 939, 942f; MüKo/Grothe Rn 83). Unerheblich ist, welche Partei das Verfahren betreibt (RG 157, 384). Unerheblich ist auch, wie das Weiterbetreiben geschieht; entscheidend ist nur, dass eine Handlung vorgenommen wird, die den Willen zum Ausdruck bringt, dem Verfahren Fortgang zu geben. Es genügt daher: die Zahlung der noch ausstehenden halben Prozessgebühr (BGH 52, 47; NJW 1982, 2662), der Antrag auf Terminsbestimmung (BGH 55, 212, 216), die Stellung eines Antrags auf Prozess- bzw Verfahrenskostenhilfe (BGH NJW 1984, 2102, 2104; RG 77, 324), die Beauftragung eines Gerichtsvollziehers mit der Zustellung eines Vollstreckungsbescheids, auch wenn der Auftrag wegen Wohnsitzwechsels des Beklagten zurückgegeben wird (BGH 73, 8, 10f). Sogar ein Antrag auf Aussetzung des Verfahrens kann ein Weiterbetreiben sein, weil er den Stillstand durch Nichtbetreiber seitens der Parteien beendet (BGH NJW-RR 1988, 279). Bei der Wiederaufnahme müssen Anträge und Prozessstoff nicht unbedingt auf den aktuellen Stand gebracht werden (BGH NJW 1984, 2102 für die unterlassene Umstellung der Klage nach Abtretung des Anspruchs). 58

5. Hemmung der Vollziehungs- und Klagefrist (Abs III). Nach Abs III finden auf die Monatsfrist des § 204 I Nr 9 und die Drei-Monats-Frist des § 204 I Nr 12 und 13 die Vorschriften über die Hemmung bei höherer Gewalt (§ 206), die Ablaufhemmung bei nicht voll Geschäftsfähigen (§ 210) und die Ablaufhemmung in Nachlassfällen (§ 211) entspr Anwendung. Hins der Fälle des Abs I Nr 12 und 13 entspricht dies dem bisherigen § 210 S 2 aF; erweitert wird die Anwendung auf den neuen Tatbestand des Absatzes I Nr 9.

205

Hemmung der Verjährung bei Leistungsverweigerungsrecht Die Verjährung ist gehemmt, solange der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Gläubiger vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist.

1

1. Die Vorschrift geht auf § 202 aF zurück, auf den auch ganz hätte verzichtet werden können. Peters/Zimmermann haben überzeugend dargestellt (in BMJ [Hrsg] Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts Bd I 1981 S 253), dass § 202 aF keinen eigenständigen Nutzen hatte. In der weit überwiegenden Zahl der möglichen Anwendungsfälle sei die Forderung noch gar nicht iSd § 198 aF entstanden und habe die Verjährung noch gar nicht begonnen oder es liege ein Anerkenntnis vor, das zur Unterbrechung der Verjährung führe. Dieser Befund trifft nach der Neuordnung des Verjährungsrechts in gleicher Weise zu. Hinzu kommt unter neuem Recht, dass § 202 nF den Parteien Vereinbarungen nicht nur über die Verjährungsfrist, sondern auch über den Lauf der Verjährung erlaubt, was die von § 205 erfassten Fälle sämtlich abdecken würde. Diese Kritik hat sich der Gesetzgeber im Kern zu Eigen gemacht. Er hat den früheren § 202 aF im Wesentlichen aufgehoben und auf ein Klarstellung reduziert. Der Gesetzgeber war sich nicht sicher, ob alle nachträglichen Vereinbarungen, die dem Schuldner einen Aufschub gewähren, als Anerkenntnis gewertet werden können. Mit dem neuen § 205 hat er deshalb eine Regelung vorgesehen, die sich auf vereinbarte vorübergehende Leistungsverweigerungsrechte beschränkt und deren verjährungshemmende Wirkung eindeutig bestimmt (BT-Drucks 14/6040, 118).

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2. Nach § 205 wird die Verjährung nur durch eine Vereinbarung gehemmt. Die Vereinbarung kann wie stets ausdr oder stillschw geschlossen werden. Anders als § 202 aF erfasst § 205 keine gesetzlichen Leistungshindernisse, auch nicht, wenn sie vertraglich nachvollzogen werden (AnwK/Mansel/ Budzikiewicz Rn 12; MüKo/Grothe Rn 2). Auch tatsächliche Leistungshindernisse führen nicht nach § 205 zur Hemmung (Soergel/Niedenführ Rn 3). Das bedeutet nicht, dass die Verjährung bei Vorliegen gesetzlicher oder tatsächlicher Leistungshindernisse nach neuem Recht stets ungehindert läuft. Solche Hindernisse können dazu führen, dass der Anspruch nicht iSd §§ 199 I, 200 entsteht oder ein anderer Hemmungs- oder Neubeginntatbestand verwirklicht ist. Das Ruhen eines Klageverfahrens führt nach § 204 II dazu, dass die Hemmung durch Rechtsverfolgung nach Ablauf von sechs Monaten endet. Es löst anders als nach § 202 aF auch bei Anordnung durch das Gericht (RGRK/Johannsen, § 202 aF Rn 9, 10) keine Hemmung der Verjährung kraft Gesetzes aus (MüKo/Grothe Rn 4). Vielmehr ist zu prüfen, ob in den Umständen, die zum Ruhen des Verfahrens ohne Anordnung durch das Gericht (zur Anordnung s § 204 Rn 54f) geführt haben, eine Verjährungsvereinbarung gesehen werden kann. Das soll nach Ansicht des RG (RG 73, 394) nicht der Fall sein. Ob dem noch gefolgt werden kann, wenn sich die Parteien auf das neue Recht eingestellt haben, ist zweifelhaft. Unter neuem Recht wird man im vereinbarten Ruhen eine Hemmungsvereinbarung sehen müssen. Sollten Zweifel daran bestehen, muss dies klargestellt werden. Gegenstand der Vereinbarung muss ein vorübergehendes Leistungshindernis sein. Ist Gegenstand der Vereinbarung die Fälligkeit des Anspruchs, beginnt die Verjährung regelmäßig nicht zu laufen, §§ 199, 200. Ist Gegenstand der Vereinbarung die Verjährung selbst, handelt es sich um eine Verjährungsvereinbarung nach § 202. Allerdings kann eine Vereinbarung auch Doppelwirkung haben. So kann in einer Stundungsvereinbarung zugleich ein Anerkenntnis liegen, das auch einen Neubeginn auslöst. Das Leistungshindernis muss vorübergehend sein. Dauernde Leistungshindernisse führen nicht zur Hemmung nach § 205 (MüKo/Grothe Rn 2).

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3. Ein Anwendungsfall des § 205 ist wie bisher auch die Stundung. Hierunter ist jedoch nur eine Vereinbarung zu verstehen, durch die die Fälligkeit einer Forderung nach Verjährungsbeginn hinausgeschoben wird (BGH 86, 98, 104; WM 1977, 895; RG JW 1908, 430; RGRK/Johannsen § 202 Rn 7). In der sog „ursprünglichen Stundung“ ist keine Stundung, sondern ein Hinausschieben der Fälligkeit zu sehen, das schon das Entstehen des Anspruchs hindert. Die Verjährung beginnt dann nach §§ 199 I, 200 erst mit der Fälligkeit (BGH WM 1977, 895, 896; MüKo/Grothe Rn 3). Die Stundung ist kein einseitiger Akt, der dem Gläubiger erlaubt, selbst zu entscheiden, wann der Anspruch verjährt, 638

J. Schmidt-Räntsch

Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn der Verjährung

§ 205

sondern ein Vertrag (BGH WM 1977, 895, 896). Ein Stundungsangebot führt allein nicht zur Hemmung nach § 205 (MüKo/Grothe Rn 3), wenngleich es auch stillschw angenommen werden kann und meist auch angenommen wird. Bei nachträglich vereinbarter Stundung wird oft zugleich auch ein Anerkenntnis vorliegen, das nach § 212 I Nr 1 zum Neubeginn der Verjährung führt (MüKo/Grothe Rn 3; Soergel/Niedenführ Rn 5; Staud/Peters/Jacoby Rn 6). Die neue Verjährung ist dann sogleich gehemmt und beginnt erst nach Ablauf der Stundungsfrist. Eine solche Stundung muss zw dem Gläubiger und dem Schuldner vereinbart werden. Allerdings kann ein Pfändungsgläubiger, solange ihm die Forderung zusteht, eine Stundung mit dem Schuldner vereinbaren; sie wirkt nur ihm selbst ggü (BGH NJW 1978, 1914, 1915), nicht ggü dem Vollstreckungsschuldner (BGH aaO; RG 169, 54, 56). Eine Stundung wird oft stillschw vereinbart (Soergel/Niedenführ Rn 6). Sie kann zB in der Vereinbarung über den Sicherheitseinbehalt beim Werkvertrag liegen (Frankfurt OLGRp 2006, 7, 8). In der Inzahlungnahme eines Wechsels erfüllungshalber liegt die Vereinbarung, Befriedigung zu- 4 erst aus dem Wechsel und erst danach aus der Grundforderung zu suchen. Diese ist zwar keine Stundung im technischen Sinn, aber ein vorübergehendes Leistungshindernis mit gleicher Wirkung (BGH NJW 1974, 1336; RG 153, 179, 182; Baumbach/Hefermehl/Casper Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht der kartengestützten Zahlungen, 23. Aufl, Einl WG Rn 43). Das Gleiche gilt bei der Inzahlungnahme eines Schecks erfüllungshalber (Baumbach/Hefermehl/Casper aaO, Einl ScheckG Rn 23) oder einer anderen Forderung (RG 70, 37). 4. Ein weiterer Anwendungsfall des § 205 ist das Pactum de non petendo (Stillhalteabkommen). Es 5 ist anzunehmen, wenn der Schuldner aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt sein soll und sich der Gläubiger der Möglichkeit begibt, seinen Anspruch weiterzuverfolgen (BGH NJW 2002, 1488f; 1983, 2496f; RdE 2009, 377 Rn 7). Dazu muss kein fest bestimmtes Ende vereinbart werden (Hamburg ZUM-RD 2000, 443). Ein solches Stillhalteabkommen wird oft ausdr abgeschlossen werden. Vielfach ergibt sich dies aber konkludent aus den Umständen. Ein Stillhalteabkommen ist bejaht worden, wenn die Verwaltungsbehörde vor Entscheidung über ein Abhilfegesuch weitere Ermittlungen anstellt (BGH LM Nr 3 zu § 202 BGB aF); wenn im Einverständnis zw Schädiger und Geschädigtem der Versuch gemacht wird, durch Inanspruchnahme eines Dritten die eingetretenen Schäden zu vermindern (BGH LM Nr 5 zu § 202 BGB aF); wenn die Parteien vereinbaren, Ansprüche Dritter, die die Haftung einer Partei auslösen können, gemeinsam zu bekämpfen (BGH MDR 1999, 468, 469); wenn die Parteien eine Schiedsgutachtenabrede treffen (BGH NJW 1990, 1231, 1232; RG 142, 258, 263; Hamm MDR 1976, 578), ggf kann die Hemmung analog § 319 bei einseitiger Verzögerung der Begutachtung durch den Gläubiger entfallen (Soergel/ Niedenführ Rn 12); wenn die Parteien auf Anregung, aber ohne Anordnung (dann Hemmung, § 204 Rn 54ff) des Gerichts einem Ruhen des Verfahrens bis zum Abschluss eines Musterprozesses in anderer Sache zustimmen (BGH VersR 1979, 348, 349; MDR 1972, 513), jedoch nur, wenn die Bereitschaft erkennbar wird, auf die Möglichkeit, das Verfahren jederzeit weiter zu betreiben, zu verzichten (BGH NJW 1998, 2274, 2277; BAG AP Nr 3 zu § 211 BGB; Soergel/Niedenführ Rn 10); zugunsten des Versicherungsnehmers, wenn der Haftpflichtversicherer des Schädigers aufgrund eines Teilungsabkommens Zahlungen an den Sozialversicherungsträger leistet (BGH LM Nr 12, 14 und 15 zu § 202 BGB aF; Braunschweig VersR 1977, 450); wenn der Haftpflichtversicherer mit dem Geschädigten eine „Verhandlungspause“ vereinbart, um die weitere Entwicklung des Gesundheitsschadens abzuwarten (BGH NJW 1998, 1137, 1138); wenn der Schädiger auf Aufforderung des Geschädigten einen Deckungsprozess gegen seine Versicherung führt (Köln OLGRp 1996, 188); wenn der Verwalter einer WE-Gemeinschaft von den WE eine Sonderumlage verlangt, in Ansehung der Ansprüche gegen die WE (Köln OLGRp 2001, 249), wenn die WE beschließen, einen zu beseitigenden Anbau bis auf weiteres zu dulden (KG ZMR 2009, 790 Tz 18). Der BGH hat unter altem Recht auch die Anrufung einer VOB-Schlichtungsstelle als Stillhalteabkommen gewertet (NJW 2002, 1488). Unter neuem Recht dürfte hierin eher eine Hemmung nach § 204 I Nr 4 durch Anrufung einer sonstigen Gütestelle zu sehen sein (vgl § 204 Rn 16). Eine Schiedsgutachterabrede ist unter altem Recht ebenfalls als Stillhalteabkommen bewertet worden (Hamm ZMR 1996, 660). Unter neuem Recht stellt das kein Stillhalteabkommen, sondern eine Hemmung nach § 204 I Nr 8 dar. Ein (konkludentes) Stillhalteabkommen ist dagegen verneint worden, wenn der Schuldner eines Leistungsanspruchs den vorbereitenden Auskunftsanspruch anerkennt (BGH NJW 1999, 1101, 1103); wenn eine in AGB enthaltene Musterprozessvereinbarung nichtig ist (BGH NJW 1988, 197, 198); wenn eine Partei bittet, mit Rücksicht auf einen Parallelprozess vorläufig von einer Terminierung abzusehen (BGH MDR 1998, 856, 857); wenn der Rechtsanwalt seiner Partei mitteilt, er werde ein Urt, durch das Ansprüche seines Mandanten gegen einen Dritten wegen Verjährung abgewiesen wurden, schon wegen möglicher Regressansprüche anfechten (BGH NJW 2000, 2661); wenn ein Gläubiger gegen die Zurückweisung seines Anspruchs durch den Schuldner bei diesem „Gegenvorstellung“ erhebt (Köln JB 2001, 219). Früher hat der BGH aus der Sicherungsabrede einer Grundschuld eine Hemmung der nach § 902 I S 2 trotz Eintragung der Grundschuld laufenden Verjährung der Grundschuldzinsen bis zum Eintritt des Sicherungsfalls entnommen (BGH NJW 1996, 253; ZIP 1993, 257). Diese Rspr hat der BGH aufgegeben (BGH NJW 1999, 3705, 3706). Daran hat § 205 nichts geändert (BT-Drucks 14/6040, 118). Allerdings besteht nach § 202 die Möglichkeit, die Hemmung der Verjährung solcher Zinsansprüche zu vereinbaren. Eine solche Vereinbarung wäre im Hinblick auf das Arg der Übersicherung (BGH NJW 1999, 2590; 3705, 3706) an § 307 I zu messen und nicht ohne weiteres in bisherigem Umfang möglich. Nach Ablauf eines Stillhalteabkommen steht dem Gläubiger noch eine kurze Überlegungsfrist zu, deren Länge sich nach den Umständen bestimmt (BGH WM 1983, 472, Düsseldorf NJW 2001, 2265; Bremen OLGRp 1998, 135). Die Parteien können dazu auch Vereinbarungen treffen.

J. Schmidt-Räntsch

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§ 205

Allgemeiner Teil Verjährung

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5. Vertragsverhandlungen enthalten als solche keine Stillhaltevereinbarung (BGH LM Nr 2 zu § 222 BGB aF; München VersR 1967, 463; PWW/Kesseler Rn 2). Das kann im Einzelfall anders sein (MüKo/ Grothe Rn 5; Staud/Peters/Jacoby Rn 15, 17). Bei der Annahme eines Stillhalteabkommens durch Verhandlungen ist aber Zurückhaltung geboten. Unter neuem Recht begründen Verhandlungen schon als solche eine Hemmung, deren Voraussetzungen und Dauer in § 203 speziell geregelt sind. Weitergehende verjährungsbezogene Wirkungen werden die Parteien der Führung von Verhandlungen nicht beimessen wollen. § 205 gewinnt aber Bedeutung, wenn die Parteien eine Verhandlungspause vereinbaren (§ 203 Rn 6).

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6. Kontokorrent. Ist eine Forderung kontokorrentgebunden, so darf sie erst nach Schluss der Rechnungsperiode geltend gemacht werden. Dies ist eine Vereinbarung, die nach § 205 zur Hemmung der Verjährung bis zum Schluss der Rechnungsperiode führt, und zwar gleichviel, ob sie tatsächlich in das Kontokorrent aufgenommen wurde oder nicht (BGH 49, 24, 27; 51, 346; WM 1975, 555; 1976, 505; MüKo/Grothe Rn 10; Soergel/Niedenführ Rn 16). Nach Schluss der Periode beginnt die Verjährung nach den für die Forderung geltenden Vorschriften, sofern sie nicht im anerkannten Saldo vorhanden ist. Die Saldoforderung verjährt nach § 205 nicht, solange das Kontokorrentverhältnis besteht und der Saldo nicht verlangt werden kann (BGH 51, 346, 348f).

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7. Eine entspr Anwendung des § 205 scheidet aus. Der Gesetzgeber hat die Vorschrift bewusst auf das zur Klarstellung erforderliche Maß beschränkt. Damit wäre eine Ausweitung ihres Anwendungsbereichs nicht zu vereinbaren.

206

Hemmung der Verjährung bei höherer Gewalt Die Verjährung ist gehemmt, solange der Gläubiger innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist durch höhere Gewalt an der Rechtsverfolgung gehindert ist.

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1. Die Vorschrift übernimmt den früheren § 203 II zur Hemmung der Verjährung, wenn der Gläubiger durch höhere Gewalt an der Rechtsverfolgung gehindert ist. Peters/Zimmermann (in BMJ [Hrsg], Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd I 1981, 252, 308) hatten vorgeschlagen, statt auf höhere Gewalt in Angleichung an § 233 ZPO darauf abzustellen, ob der Gläubiger ohne Verschulden an der Geltendmachung seines Anspruchs gehindert war. Dem ist der Gesetzgeber nicht gefolgt, weil die beiden Fallgruppen zu verschieden und eine Übertragung auf die Hemmung der Verjährung mit zu großen Unsicherheiten verbunden seien (BT-Drucks 14/6040, 119). Daraus folgt, dass eine Hemmung nach wie vor grds nicht eintritt, wenn der Gläubiger tatsächlich an der Rechtsverfolgung gehindert ist. Eine Ausnahme gilt aber nach § 206 bei höherer Gewalt. Diese Ausnahme entspricht internationalem Verjährungsrechtsstandard. Die Lando-Kommission hat in Art 17:107 eine vergleichbare Regelung vorgeschlagen.

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2. § 206 formuliert keinen allg gültigen Grundsatz. Er gilt deshalb für andere Fristen nur, wenn dies ausdr bestimmt ist (BGH 33, 360, 362f; MüKo/Grothe Rn 2; Soergel/Niedenführ Rn 3). Kraft spezieller Verweisung ist die Vorschrift anwendbar zB auf die Fristen nach §§ 204 III, 802, 1002 II, 1317 I S 3, 1600b VI S 2, 1762 II S 3, 1903 I S 2, 1944 II, 1954 II, 1997, 2082 II, 2283 II BGB, §§ 26 I, 27 II S 2, 160 I HGB, §§ 45 II S 2, 133 IV S 2, 157 II S 2 und 224 III S 2 UmwG. § 206 ist auch anwendbar, wenn für Fristen allg auf die Vorschriften des BGB über die Verjährung verwiesen wird.

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3. Hemmung tritt nach § 206 nur ein, wenn die höhere Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist vorlag. Während der ganzen sechs Monate brauchen die Hemmungsgründe nicht vorgelegen zu haben (MüKo/Grothe Rn 2; Pal/Ellenberger Rn 2; Soergel/Niedenführ Rn 1). Der Zeitraum der Hemmung wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet, § 209.

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4. Höhere Gewalt liegt nur vor, wenn die Verhinderung auf Ereignissen beruht, die auch durch die äußerste, billigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden konnten (BGH NJW 1973, 698; 1997, 3164; RG 158, 357; MüKo/Grothe Rn 3; Pal/Ellenberger Rn 4; PWW/Kesseler Rn 2; Soergel/Niedenführ Rn 4; Staud/Peters/Jacoby Rn 3f; Enneccerus/Nipperdey Allg Teil § 219 III 1; aM Schmid NJW 1979, 15, 18: für objektive Theorie). Das gilt auch bei kriegerischen Auseinandersetzungen nur, wenn sie sich tatsächlich auf den Rechtsverkehr auswirken (LSG Essen v 31.1.2006 – L 18 KN 17/04, Juris) Worin dieser Zustand begründet liegt, ist nicht entscheidend. Er kann auch in einem psychischen Ausnahmezustand zu sehen sein, der zB dem Opfer langjähriger Vergewaltigungen eine Verfolgung des Täters unmöglich macht (Karlsruhe OLGRp 2002, 4). Insoweit greift jetzt aber teilw schon § 208 ein. § 208 schließt einen Rückgriff auf § 206 nicht aus, weil er den Opferschutz lediglich verbessern soll (BT-Drucks 14/6040, 119). Auch eine falsche behördliche Auskunft zu den Rechtsschutzmöglichkeiten kommt in Betracht (Celle DAVorm 1998, 237). Höhere Gewalt kann auch vorliegen, wenn ein Elternteil für sein Kind nicht rechtzeitig Klage erheben kann, weil er den anderen Elternteil nicht auffinden kann (Hamburg OLGRp 1997, 278). Entspr gilt, wenn sich die Erteilung der erforderlichen vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung verzögert (Naumburg OLGRp 1997, 41). Schon das geringste eigene Verschulden, auch das eines Vertreters, insb auch das eines Prozessbevollmächtigten, schließt höhere Gewalt gewöhnlich aus (BGH 17, 199, 206; 31, 342, 347; 81, 353, 356; NJW 1973, 698; 1997, 3164; MüKo/Grothe Rn 3; Pal/Ellenberger Rn 4; Soergel/Niedenführ Rn 4; Staud/ Peters/Jacoby Rn 26f, anders für einen Ausnahmefall: RG 158, 357, 361; krit Melzer NJW 1959, 926; Wenzel BB 1975, 791). Der Gläubiger muss sich auch das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters zurechnen lassen (BGH LM Nr 2 zu § 254 BGB (E); MüKo/Grothe Rn 4; Pal/Ellenberger Rn 4). Das gilt aber nicht beim Kind in Ansehung der Kenntnis seiner Mutter von seiner Scheinehelichkeit, solange diese nicht die alleinige Sorge hat (Celle OLGRp 1997, 263). Auch muss sich der Gläubiger nicht das Verschulden des Notars zurechnen lassen (Hamm NJW 1994, 522; KG DNotZ 1959, 51). 640

J. Schmidt-Räntsch

Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn der Verjährung

§ 207

Entspr gilt für Verschulden von Ämtern und Amtspersonen (BGH NJW 1994, 2752, 2753; MüKo/Grothe Rn 4 mwN). Verschulden nimmt de