Betriebswirtschaftslehre für Ingenieure [3. Aufl.] 9783662622629, 9783662622636

Ingenieure tragen wesentlich dazu bei, dass Unternehmen ihre Ziele erreichen und wirtschaftlich erfolgreich sind. Dafür

272 49 12MB

German Pages XVI, 804 [813] Year 2020

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Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XVI
Merkmale von Unternehmen, Akteuren und Produkten (David Müller)....Pages 1-57
Entscheidungstheorie (David Müller)....Pages 59-249
Produktplanung und Produktgestaltung (David Müller)....Pages 251-326
Produktion (David Müller)....Pages 327-390
Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse (David Müller)....Pages 391-446
Kostenrechnung (David Müller)....Pages 447-565
Finanzierung (David Müller)....Pages 567-619
Investitionsrechnung (David Müller)....Pages 621-709
Kooperative Spieltheorie (David Müller)....Pages 711-777
Back Matter ....Pages 779-804
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Betriebswirtschaftslehre für Ingenieure [3. Aufl.]
 9783662622629, 9783662622636

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David Müller

Betriebswirtschaftslehre für Ingenieure 3. Auflage

Betriebswirtschaftslehre für Ingenieure

David Müller

Betriebswirtschaftslehre für Ingenieure 3., wesentlich überarbeitete Auflage

David Müller Inhaber des Lehrstuhls ABWL und Besondere des Rechnungswesens und Controlling Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg Cottbus, Deutschland

ISBN 978-3-662-62262-9 ISBN 978-3-662-62263-6  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-62263-6 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detail­ lierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2006, 2013, 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Vorwort zur 3. Auflage

Seit dem Erscheinen der zweiten Auflage sind nunmehr sieben Jahre vergangen, so dass eine Überarbeitung erforderlich wurde. Die vorliegende Neuauflage unterscheidet sich in den folgenden Punkten von den vorangegangenen Versionen: •

Die Lösungen für sämtliche 90 Übungsaufgaben wurden in das Buch eingegliedert, um den Studierenden das Arbeiten zu erleichtern.



Zwei Kapitel wurden neu aufgenommen: Entscheidungstheorie und kooperative Spieltheorie. Diese Themen sind von fundamentaler Bedeutung für Entscheidungen. Dabei wurde ein axiomatischer Zugang gewählt, der den Lesern entgegen kommen dürfte.



Für die neu aufgenommenen Inhalte mussten die Kapitel zur Unternehmensführung und zum Marketing weichen. Dies erfolgte zum einen aus Platzgründen und zum anderen, da ich die Themen weder in der Lehre noch in der Forschung bearbeitet habe. Deshalb ist es ehrlicher, die Studierenden auf andere Literatur zu verweisen.

Darüber hinaus wurden Normen, Richtlinien, Gesetze, Literatur aktualisiert sowie Abbildungen und Erläuterungen verbessert. Ohne Hilfe wäre das Buch nicht in der vorliegenden Form fertiggestellt worden. Ganz besonderen Dank schulde ich meinem Mentor, Herrn Univ.-Prof. Dr. rer. pol. habil. Ralf Trost, der mich geduldig und tatkräftig unterstützt hat. Herzlich möchte ich mich auch bei Frau K. Wagner, M. A. für die engagierte Mitwirkung bedanken. Fehler, die sich trotz aller Sorgfalt eingeschlichen haben, gehen allein zu meinen Lasten. Den Lesern wünsche ich eine angenehme und erhellende Lektüre! Cottbus, August 2020

David Müller

Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V 1

Merkmale von Unternehmen, Akteuren und Produkten . . . .

1

1.1 Unternehmen und andere wirtschaftliche Akteure . . . . . . . . . . . .

1

1.1.1 Grundlagen des Wirtschaftens und wesentliche Akteure

1

1.1.2 Funktionsbereiche und Anspruchsgruppen . . . . . . . . . . . .

6

1.2 Homo oeconomicus als idealtypischer Akteur . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1.3 Produktbegriffe und Produktmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1.3.1 Merkmale und Nutzen technischer Produkte . . . . . . . . . . 12 1.3.2 Erweiterte Produktbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1.3.3 Lebenszyklus von Produkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1.4 Unternehmensrechtsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1.4.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1.4.2 Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1.4.3 Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1.4.4 Mischformen und andere Gesellschaftsformen . . . . . . . . . 35 1.5 Ziele, Kultur und Philosophie von Unternehmen . . . . . . . . . . . . . 37 1.5.1 Eigenschaften und Arten von Zielen . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1.5.2 Gewinnbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1.5.3 Unternehmenskultur und -philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1.6 Unternehmensstandort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

VIII

Inhaltsverzeichnis

1.7 Zitierte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2

Entscheidungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2.1 Entscheidungen als Bestandteil der Planung . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2.1.1 Einordnung der Planung in die Unternehmensführung . . 59 2.1.2 Rationalität, Formen und Ablauf der Planung . . . . . . . . . 61 2.1.3 Grenzen der Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2.1.4 Arten und Bestandteile von Entscheidungen . . . . . . . . . . 68 2.2 Präferenzen, Skalen, Funktionen und Funktionale . . . . . . . . . . . . 73 2.2.1 Nutzenfunktionen und Präferenzfunktionale . . . . . . . . . . . 73 2.2.2 Arten von Skalen und Nutzenfunktionen . . . . . . . . . . . . . 77 2.3 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und einem Ziel . . . . . . 84 2.3.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2.3.2 Anforderungen an rationale Präferenzen . . . . . . . . . . . . . . 85 2.4 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und mehreren Zielen . 99 2.4.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 2.4.2 Nicht-kompensatorische Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2.4.3 Kompensatorische Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2.4.3.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2.4.3.2 Theorie des additiven Nutzens . . . . . . . . . . . . . . . 107 2.4.3.2.1 Anforderungen an Präferenzen . . . . . . 107 2.4.3.2.2 Zielgewichte und Indifferenzkurven . . 119 2.4.3.2.3 Lineare Indifferenzkurven . . . . . . . . . . 123 2.4.3.2.4 Ermittlung der Zielgewichte . . . . . . . . 125 2.4.3.3 Multiattributive Nutzentheorie . . . . . . . . . . . . . . 130 2.4.3.4 Nutzwertanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 2.4.3.5 Analytischer Hierarchieprozess . . . . . . . . . . . . . . . 137 2.4.3.6 Goal-Programming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 2.5 Einstufige Entscheidungen bei Ungewissheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2.5.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2.5.2 Anforderungen an ein rationales Verfahren . . . . . . . . . . . . 153

Inhaltsverzeichnis

IX

2.5.3 Klassische Entscheidungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 2.5.4 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 2.6 Einstufige Entscheidungen bei Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 2.6.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 2.6.2 Klassische Präferenzfunktionale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 2.6.3 Erwartungsnutzentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2.6.3.1 Grundlagen und Axiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2.6.3.2 Anwendung und Interpretation . . . . . . . . . . . . . . 186 2.6.3.3 Ermittlung der Risikonutzenfunktion . . . . . . . . . 188 2.6.3.4 Kritik und Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2.6.4 Stochastische Dominanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 2.6.4.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 2.6.4.2 Dominanz erster Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 2.6.4.3 Dominanz zweiter Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 2.7 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2.8 Mehrstufige Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 2.8.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 2.8.2 Entscheidungen bei Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 2.8.3 Entscheidungen bei Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 2.9 Aufgaben und Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2.9.1 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2.9.2 Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 2.10 Zitierte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 3

Produktplanung und Produktgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 3.1 Grundlagen der Produktplanung und -gestaltung . . . . . . . . . . . . 251 3.2 Produktentwicklung als Problemlösungsprozess . . . . . . . . . . . . . . 256 3.2.1 Innovation als Grundlage der Produktentwicklung . . . . . 256 3.2.2 Modelle, Phasen und Einordnung der Produktentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 3.2.3 Akteure der Produktentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265

X

Inhaltsverzeichnis

3.2.4 Festlegung von Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 3.3 Strategisches Variantenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 3.3.1 Baureihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 3.3.2 Modularisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 3.3.2.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 3.3.2.2 Baukästen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 3.3.2.3 Plattformkonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 3.3.2.4 Badge-Engineering . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 3.4 Ausgewählte betriebswirtschaftliche Instrumente . . . . . . . . . . . . . 287 3.4.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 3.4.2 Identifikation von Kundenanforderungen . . . . . . . . . . . . . 288 3.4.2.1 Conjoint-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 3.4.2.2 Quality-Function-Deployment . . . . . . . . . . . . . . . 290 3.4.3 Value Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 3.4.4 Ansätze des Kostenmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 3.4.4.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 3.4.4.2 Zielkostenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 3.4.4.3 Lebenszyklusrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 3.4.4.3.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 3.4.4.3.2 Analyse aus Kundensicht . . . . . . . . . . 310 3.4.4.3.3 Analyse aus Herstellersicht . . . . . . . . . 312 3.5 Aufgaben und Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 3.5.1 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 3.5.2 Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 3.6 Zitierte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 4

Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 4.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 4.1.1 Produktionsfunktionen und Anpassungsformen . . . . . . . . 327 4.1.2 Layout-Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 4.1.3 Ermittlung des kurzfristigen Produktionsprogramms . . . 333

Inhaltsverzeichnis

XI

4.2 Materialwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 4.2.1 Bedarfsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 4.2.1.1 Verbrauchsgebundene Verfahren . . . . . . . . . . . . . 344 4.2.1.2 Programmgebundene Verfahren . . . . . . . . . . . . . . 346 4.2.2 Bestands- und Beschaffungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 4.3 Fertigungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 4.3.1 Ziele der Fertigungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 4.3.2 Terminplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 4.3.2.1 Durchlaufterminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 4.3.2.2 Kapazitätsterminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 4.3.3 Reihenfolgeplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 4.4 Aufgaben und Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 4.4.1 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 4.4.2 Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 4.5 Zitierte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 5

Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse . . . . . . . . . . . . . . . 391 5.1 Aufgaben, Gliederung und Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 5.2 Bilanz und Bilanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 5.2.1 Buchführungs- und Bilanzierungsgrundsätze . . . . . . . . . . 396 5.2.2 Bilanzstruktur und -positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 5.2.2.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 5.2.2.2 Aktiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 5.2.2.3 Passiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 5.2.3 Bewertungsprinzipien und Abschreibungen . . . . . . . . . . . 404 5.3 Gewinn- und Verlustrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 5.4 Jahresabschlussanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 5.4.1 Finanzwirtschaftliche Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 5.4.2 Erfolgswirtschaftliche Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 5.5 Wertorientierte Kennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 5.5.1 Relation unterschiedlicher Gewinnbegriffe . . . . . . . . . . . . 424

XII

Inhaltsverzeichnis

5.5.2 Ermittlung der Kapitalkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 5.5.3 Ausgewählte Kenngrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 5.5.3.1 Periodenbezogene Überschussgrößen . . . . . . . . . . 428 5.5.3.2 Rentabilitätsgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 5.5.3.3 Gesamtwertgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 5.6 Aufgaben und Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 5.6.1 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 5.6.2 Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 5.7 Zitierte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 6

Kostenrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 6.1 Grundbegriffe, Merkmale und Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 6.2 Kostenfunktionen und Kosteneinflussgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 6.2.1 Grundlegende Zusammenhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 6.2.2 Kosteneinflussfaktor „Intensität“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 6.2.3 Minimale Kosten vs. minimaler Zeitbedarf . . . . . . . . . . . . 469 6.2.4 Kosteneinflussfaktor „Stückzahl“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 6.3 Kostenartenrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 6.3.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 6.3.2 Erfassung ausgewählter Kostenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 6.3.2.1 Grundkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 6.3.2.2 Kalkulatorische Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 6.3.2.2.1 Kalkulatorische Abschreibungen . . . . 485 6.3.2.2.2 Kalkulatorische Zinsen . . . . . . . . . . . . 491 6.3.2.2.3 Kalkulatorische Wagnisse . . . . . . . . . . 494 6.3.2.2.4 Unternehmerlohn und Miete . . . . . . . 496 6.3.2.3 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 6.4 Kostenstellenrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 6.4.1 Einteilung der Kostenstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 6.4.2 Ablauf der Kostenstellenrechnung im Betriebsabrechnungsbogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500

Inhaltsverzeichnis

XIII

6.5 Kostenträgerrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 6.5.1 Kostenträgerstückrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 6.5.1.1 Divisionskalkulationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 6.5.1.2 Äquivalenzziffernkalkulationen . . . . . . . . . . . . . . . 512 6.5.1.3 Zuschlagskalkulationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 6.5.1.4 Kuppelkalkulationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 6.5.2 Kostenträgerzeitrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 6.6 Deckungsbeitragsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 6.6.1 Einfache und stufenweise Fixkostendeckungsrechnung . . 530 6.6.2 Gewinnschwellenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 6.7 Aufgaben und Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 6.7.1 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 6.7.2 Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 6.8 Zitierte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562 7

Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 7.1 Terminologische und finanzmathematische Grundlagen . . . . . . . 567 7.1.1 Begriff und Charakteristika der Finanzierung . . . . . . . . . 567 7.1.2 Finanzmathematische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 7.1.3 Effektivzins als Vergleichsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 7.2 Außenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581 7.2.1 Beteiligungsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581 7.2.1.1 Beteiligungsfinanzierung nicht emissionsfähiger Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . 582 7.2.1.2 Beteiligungsfinanzierung emissionsfähiger Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 7.2.2 Externe Fremdfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 7.2.2.1 Grundlagen der Fremdfinanzierung . . . . . . . . . . . 587 7.2.2.2 Kurzfristige Fremdfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . 591 7.2.2.3 Mittel- und langfristige Fremdfinanzierung . . . . 593 7.2.2.3.1 Kredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 7.2.2.3.2 Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 596

XIV

Inhaltsverzeichnis

7.2.2.4 Sonderformen der Fremdfinanzierung . . . . . . . . . 600 7.3 Innenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603 7.4 Aufgaben und Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 7.4.1 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 7.4.2 Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 7.5 Zitierte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 618 8

Investitionsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621 8.1 Grundlagen der Investitionsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621 8.1.1 Begriff und Charakteristika der Investition . . . . . . . . . . . 621 8.1.2 Ziele, Begriffe und Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623 8.2 Statische Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627 8.2.1 Kosten- und Gewinnvergleichsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . 628 8.2.2 Rentabilitätsvergleichsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633 8.2.3 Statische Amortisationsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634 8.2.4 Zusammenfassende Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 637 8.3 Dynamische Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 638 8.3.1 Modellrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 638 8.3.2 Kapitalwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 639 8.3.3 Annuität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 646 8.3.4 Interner Zins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 646 8.3.5 Dynamische Amortisationsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 649 8.3.6 Zusammenfassende Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652 8.4 Nutzungsdauer und Ersatzzeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652 8.4.1 Optimale Nutzungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 654 8.4.1.1 Anlage ohne Ersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 654 8.4.1.2 Anlage mit einmaligem Ersatz . . . . . . . . . . . . . . . 656 8.4.1.3 Anlage mit identischem, mehrmaligem Ersatz . 658 8.4.1.4 Anlage mit nicht identischem Ersatz . . . . . . . . . 661 8.4.2 Optimaler Ersatzzeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 666 8.5 Methode der vollständigen Finanzpläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 670

Inhaltsverzeichnis

XV

8.6 Einstufige Entscheidungen unter Unsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . 674 8.6.1 Einführung und Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 674 8.6.2 Korrekturverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 675 8.6.3 Sensitivitätsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 676 8.6.4 Risikoanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 678 8.7 Aufgaben und Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 686 8.7.1 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 686 8.7.2 Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 692 8.8 Zitierte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 708 9

Kooperative Spieltheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 711 9.1 Einführung und Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 711 9.2 Eigenschaften kooperativer Spiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 712 9.3 Prinzipielle Anforderungen an eine gerechte Lösung . . . . . . . . . . 717 9.4 Vorstellung und Analyse ausgewählter Lösungskonzepte . . . . . . 723 9.4.1 Kern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 723 9.4.1.1 Beschreibung und Definition . . . . . . . . . . . . . . . . 723 9.4.1.2 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 724 9.4.2 Shapley-Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 730 9.4.2.1 Beschreibung und Definition . . . . . . . . . . . . . . . . 730 9.4.2.2 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 733 9.4.3 Nucleolus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 734 9.4.3.1 Beschreibung und Definition . . . . . . . . . . . . . . . . 734 9.4.3.2 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 738 9.4.4 Dutta-Ray-Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 740 9.4.4.1 Beschreibung und Definition . . . . . . . . . . . . . . . . 740 9.4.4.2 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 745 9.4.5 Vergleichende Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 746 9.5 Spezialfragen kooperativer Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 749 9.5.1 Kooperative Kostenreduktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 749 9.5.2 Minimalkostenverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 752

XVI

Inhaltsverzeichnis

9.6 Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 756 9.7 Aufgaben und Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 757 9.7.1 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 757 9.7.2 Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 761 9.8 Zitierte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 775 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 779 Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 785 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 791

1 Merkmale von Unternehmen, Akteuren und Produkten

1.1 Unternehmen und andere wirtschaftliche Akteure 1.1.1 Grundlagen des Wirtschaftens und wesentliche Akteure Ein wichtiger Ausgangspunkt menschlichen Handelns sind Bedürfnisse. Ein Bedürfnis ist ein Mangelempfinden, verbunden mit dem Wunsch nach Befriedigung. Bedürfnisse werden nach ihrer Dringlichkeit in physiologische Bedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse, soziale Bedürfnisse, Wertschätzungsbedürfnisse und Selbstverwirklichungsbedürfnisse unterschieden. Bei Existenz von Kaufkraft wird aus dem Bedürfnis ein Bedarf, welcher auch als Nachfrage bezeichnet wird.1 Zur Bedürfnisbefriedigung können Dinge herangezogen werden. Z. B. werden technische Produkte2 eingesetzt, um aus Sicht des Nutzers eine Problemlösung herbeizuführen. Dinge, welche aus Sicht eines Individuums zur Lösung eines Problems geeignet sind bzw. ein Bedürfnis befriedigen, werden als Güter bezeichnet.3 Neben diesen materiellen Gütern werden immaterielle Güter ebenfalls zur Bedürfnisbefriedigung herangezogen. Charakteristisch für den Begriff des Gutes ist seine Fähigkeit, einen Nutzen zu stiften und somit ein Bedürfnis zu befriedigen.4 Demzufolge umfassen Güter Gegenstände, Tätigkeiten bzw. Rechte, die in materielle Güter (Sachgüter) und in immaterielle Güter (Dienstleistungen) unterteilt werden. Diejenigen Güter, die fast unbegrenzt verfügbar sind, werden als freie Güter bezeichnet. Dazu zählen z. B. Sonnenlicht und Wind. Nur begrenzt verfügbare Güter werden als knappe Güter bezeichnet.5 1 2 3 4 5

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Gelbrich/Wünschmann/Müller (2018: 37–38). Abschn. 1.3.1. Richter (2012: 30–32). Corsten/Gössinger (2015: 15). Schierenbeck/Wöhle (2016: 3–4).

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Müller, Betriebswirtschaftslehre für Ingenieure, https://doi.org/10.1007/978-3-662-62263-6_1

2

1 Merkmale von Unternehmen, Akteuren und Produkten

Da die menschlichen Bedürfnisse unbegrenzt, die Mehrzahl der Güter jedoch begrenzt sind, folgt die Notwendigkeit zum planmäßigen Einsatz knapper Güter. Dies wird als wirtschaftliches Handeln bezeichnet. Wirtschaftliches Handeln unterliegt dem Rationalprinzip, welches fordert, entweder:6 •

ein gegebenes Ziel mit minimalem Mitteleinsatz zu erreichen (Minimalprinzip) oder



mit den gegebenen Mitteln die Zielgröße zu maximieren (Maximalprinzip).

Das ökonomische Prinzip stellt die wirtschaftliche Ausprägung des allgemeinen Vernunftprinzips (Rationalprinzip) dar. Darüber hinaus ist das ökonomische Prinzip wertneutral und systemunabhängig, da es lediglich die Durchführung wirtschaftlichen Handelns charakterisiert, nicht jedoch die damit verfolgten Ziele. Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre sind Betriebe und Unternehmen. Grundsätzliches Merkmal des Betriebs ist die Zusammenführung von Personen in einer rechtlichen und wirtschaftlichen Einheit, in der Sachgüter hergestellt bzw. Dienstleistungen erstellt werden. Einheiten können dann als Betrieb bezeichnet werden, wenn die erstellten Güter zur Deckung des Bedarfes anderer Personen bzw. Institutionen dienen. Die Leistungserstellung erfolgt durch die Kombination unterschiedlicher Produktionsfaktoren nach dem ökonomischen Prinzip. Strebt eine Einheit im marktwirtschaftlichen System einen Gewinn an, ist diese ebenso zur Einhaltung des ökonomischen Prinzips gezwungen wie eine Einheit in einem planwirtschaftlichen System, welche ein vorgegebenes Planziel zu erreichen hat. Darüber hinaus ist jede Wirtschaftseinheit nur dann existenzfähig, wenn diese in der Lage ist, den Zahlungsverpflichtungen termingerecht nachzukommen. Zusammenfassend ist ein Betrieb:7 •

eine rechtliche, soziale und wirtschaftliche Einheit,



welche durch die Kombination von Produktionsfaktoren Sachgüter bzw. Dienstleistungen zur Fremdbedarfsdeckung erstellt,



dabei das ökonomische Prinzip berücksichtigt und



das finanzielle Gleichgewicht aufrecht erhält.

Unternehmen stellen eine spezifische Ausprägung von Betrieben in der Marktwirtschaft dar. Wesentliche Kennzeichen von Unternehmen sind das Privateigentum an Produktionsmitteln sowie die Autonomie bei der Erstellung und Realisierung der Wirtschaftspläne. Betriebe der Marktwirtschaft können 6 7

Vgl. Thommen et al. (2017: 46). Zu dieser frühen Begriffsfassung und dessen Diskussion vgl. Gutenberg (1983: 1-8). Zu einer aktuellen Diskussion unterschiedlicher Unternehmensdefinitionen vgl. Brockhoff (2017: 74–75).

1.1 Unternehmen und andere wirtschaftliche Akteure

3

selbst entscheiden, welches Produkt sie für welchen Markt herstellen und welche Produktionsfaktoren dabei verwendet werden. Damit ist gleichzeitig die Übernahme des Marktrisikos verbunden, d. h. der Betrieb hat das Risiko zu tragen, dass die erstellten Güter nicht abgesetzt werden können. Neben diesem Autonomieprinzip unterliegt ein Unternehmen dem erwerbswirtschaftlichen Prinzip. Ziel des Unternehmens ist die Erwirtschaftung eines Einkommens für die Eigentümer des Unternehmens, welches als Gewinn bezeichnet werden kann. Hohe Gewinne führen zu einer Erhöhung, sinkende Gewinne hingegen zu einer Verringerung des Angebotes. Als weiteres Beschreibungsmerkmal eines Unternehmens ist deshalb die Gewinnmaximierung zu nennen (vgl. Abb. 1.1).

ƵƚŽŶŽŵŝĞƉƌŝŶnjŝƉ

DĂƌŬƚǁŝƌƚƐĐŚĂĨƚ͗ ĞƚƌŝĞďс hŶƚĞƌŶĞŚŵĞŶ

WƌŝŶnjŝƉĚĞƌ tŝƌƚƐĐŚĂĨƚůŝĐŚŬĞŝƚ

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WƌŝŶnjŝƉĚĞƐ WƌŝǀĂƚĞŝŐĞŶƚƵŵƐ

ĞƚƌŝĞď

0 die Verkettung h ◦ u definiert durch (h ◦ u)(e) = h(u(e)) und führt zu e1  e2 ⇔ h(u(e1 )) ≥ h(u(e2 )). Ordinale Nutzenfunktionen sind vielfach anzutreffen und vielseitig einsetzbar. 3. Intervallskala: Die Intervallskala unterstellt, dass neben den verwendeten Größen auch die verwendeten Intervalle ordnungsfähig sind. Deshalb ist es möglich, den Abstand zwischen den Intervallen zu messen. Auf diese Weise können die Ausprägungswerte derart verglichen werden, dass Aussagen möglich sind, um wie viele Einheiten der Skala sich die Werte unterscheiden. Die Ordnung auf Intervallskalen ist invariant gegenüber positiv-affinen Transformationen.29 Eine affine Transformation setzt sich zusammen aus einer linearen Abbildung zuzüglich eines Verschiebungsvektors.30 Für die Beschreibung von Präferenzen und Nutzenfunktionen sind affine Transformationen wichtig, weshalb sie in Definition 2.2.6 beschrieben werden.31 27 28 29 30 31

Vgl. Gäfgen (1974: 150–155); Zangemeister (1976: 153–154). Vgl. Fishburn (1989: 129); Chankong/Haimes (1983: 69); Maschler/Zolan/Samir (2013: 11). Vgl. Bitz (1981: 84–85). Vgl. Bär (2018: 239–240). Vgl. Schneeweiß (1963: 185); Maschler/Solan/Zamir (2013: 22).

80

2 Entscheidungstheorie

Definition 2.2.6 Eine Funktion f : E → R ist eine positiv-affine Transformation von e, wenn es eine positive reelle Zahl α > 0 und eine reelle Zahl β gibt, so dass gilt: f (e) = α · e + β ∀ e ∈ E. In der Definition 2.2.6 wird deutlich, dass es sich um eine positiv-affine Transformation handelt, da α > 0. Der Term β ist demzufolge der Verschiebungsvektor. Mittels einer positiv-affinen Transformation werden nur der Nullpunkt und die Maßeinheit verändert. Deshalb bleibt die Präferenzrelation erhalten, auch wenn sich die verwendeten Maßeinheiten ändern. Im weiteren Verlauf wird für Funktionen nach Definition 2.2.6 der Begriff der affinen Transformation und synonym der Begriff „positiv lineare Transformation“ verwendet, da dieser in der - besonders englischen - Literatur sehr häufig zu finden ist. Das bekannteste Beispiel für intervallskalierte Größen sind die verschiedenen Skalen der Temperaturmessung.32 Der untere Fixpunkt der Celsius-Skala liegt bei Pu = 0◦ C und wird auf den Gefrierpunkt von Wasser bei Normaldruck festgelegt. Der obere Fixpunkt liegt bei Po = 100◦ C und wird auf den Siedepunkt von Wasser bei Normaldruck definiert. Das Skalenintervall ergibt Po − Pu . Im Fall der Fahrenheit-Skala wurde ein unterer Fixpunkt sich aus: 100 (Gefrierpunkt von Wasser) mit Pu = 32◦ F und der obere Fixpunkt (Siedepunkt von Wasser) mit Po = 212◦F definiert. Als Nullpunkt P0 = 0◦ F wurde eine künstlich erzeugte Temperatur definiert, die bei ca. −18◦ C liegt. Das Po − Pu . Die Umrechnung einer Temperatur Skalenintervall ergibt sich aus: 180 von f ◦ F in c ◦ C erfolgt durch: 100 180 32 · 100 100 + ·f =− 180 180 7 5 = −17 + · f. 9 9

c = (f − 32) ·

Dies ist eine einfache positiv-lineare Transformation. Auf welcher Skala die Temperaturen gemessen werden ist demzufolge unerheblich, da die Relationen zwischen den Ergebnissen erhalten bleiben. Nachteilig an dieser Skalenform ist der Umstand, dass der Fix- bzw. Nullpunkt der Skala subjektiv gewählt wird. Es sind lediglich die Verhältnisse der Wertdifferenzen vergleichbar, nicht jedoch die Verhältnisse der Werte selbst. Für das Beispiel der oben angeführten Temperaturskalen ist es deshalb nicht möglich, eine Aussage zu treffen, dass 10 ◦ C doppelt so warm sind wie 5 ◦ C. Wird der Nutzen auf einer Intervallskala gemessen, so wird die Funktion als kardinale Nutzenfunktion bezeichnet (vgl. Def. 2.2.7). 32

Vgl. Bitz (1981: 156–157).

2.2 Präferenzen, Skalen, Funktionen und Funktionale

81

Definition 2.2.7 Eine kardinale Nutzenfunktion ist eine Funktion u : E → R mit den Eigenschaften, dass für irgend zwei e1 , e2 aus E gilt: e1  e2 ⇔ u(e1 ) ≥ u(e2 ). Für jede andere Funktion v, die diese Forderung erfüllt, gilt: v(e) = α · u(e) + β mit α > 0 und α, β ∈ R. Im weiteren Verlauf wird eine Nutzenfunktion entsprechend Definition 2.2.7 als intervallskalierte Funktion bzw. kardinale Nutzenfunktion bezeichnet. Eine Nutzenfunktion nach Def. 2.2.7 berücksichtigt jedoch keine Nutzendifferenzen zwischen Wertepaaren. Um dies zu erreichen, wird der Übergang der Präferenz vom Ergebnis 2 zum Ergebnis 1 betrachtet. Das Paar (e1 ← e2 ) beschreibt den Übergang vom Ergebnis 2 zum Ergebnis 1. Im Fall der Relation e1  e2 ist die Differenz der zugehörige Nutzenzuwachs. Der Übergang von e2 zu e1 wird bezeichnet mit e2 → e1 bzw. e1 ← e2 . Im Folgenden werden Präferenzen in Bezug auf die Differenzen zwischen zwei Ergebnissen formuliert und es wird dafür ein spezifiziertes Relationssymbol D eingeführt. Wie bereits erwähnt, wird mit (e1 ← e2 ) der Übergang vom Ergebnis 2 zum Ergebnis 1 beschrieben. Im weiteren Verlauf wird von ausschließlich positiven Differenzstrukturen ausgegangen, so dass beim Übergang e1 ← e2 ein Nutzenzuwachs entsteht. Dies führt zu einer Nutzenfunktion, die kardinal messend ist (vgl. Def. 2.2.8).33 Definition 2.2.8 Eine kardinal messende Nutzenfunktion ist die Funktion u : E → R mit den Eigenschaften, dass für irgend zwei e1 , e2 aus E gilt: e1  e2 ⇔ u(e1 ) ≥ u(e2 ) und weiterhin für irgend zwei Paare (e1 , e2 ) und (e3 , e4 ) mit (e1 ← e2 ) D (e3 ← e4 ) gilt: u(e1 ) − u(e2 ) ≥ u(e3 ) − u(e4). Für jede andere Funktion v, die diese Forderungen erfüllt, gilt: v(e) = α · u(e) + β mit α > 0 und α, β ∈ R. Eine Funktion, die dieser Definition entspricht, wird als „kardinal messende Funktion“ bezeichnet.34 Die Messung erfolgt auf einer Intervallskala und ist invariant gegenüber linear-affinen Transformationen (vgl. Def. 2.2.6). Das bedeutet jedoch im Umkehrschluss nicht, dass jede Funktion, die invariant gegenüber linear-affinen Transformationen ist, auch kardinal messend nach Def. 2.2.8 ist. Ein Beispiel dafür ist eine Nutzenfunktion nach Def. 2.2.7. Jedoch werden in vielen Quellen Nutzenfunktionen nach Def. 2.2.7 als kardinale Nutzenfunktionen bezeichnet,35 obwohl sie streng genommen lediglich ordinal messend sind.36 33 34 35 36

Vgl. Alt (1936: 164–165); Schneeweiß (1963: 196); Fishburn (1970: 84–85); Dyer/Sarin (1979: 811); Dyckhoff (1993: 140). Vgl. Dyckhoff (1993: 140); Eisenführ/Weber/Langer (2010: 114); Klein/Scholl (2011: 100); Bamberg/Coenenberg/Krapp (2019: 35). Vgl. Fishburn (1989: 129). Vgl. Dyckhoff (1993: 141).

82

2 Entscheidungstheorie

Zusammenfassend ergeben sich zwei unterschiedliche Verständnisse von Kardinalität: 1. Kardinalität im Sinn der Abbildung von Rangunterschieden und Invarianz gegen positiv-affine Transformationen entsprechend Def. 2.2.7 oder 2. Kardinalität im Sinn der Abbildung von Präferenzabständen und Invarianz gegen positiv-affine Transformationen entsprechend Def. 2.2.8. Das erste Verständnis ist allgemeiner – aber auch weniger aussagekräftig – im Vergleich zur zweiten Definition. Ausgehend von der Arbeit von Alt ist das zweite Verständnis das ältere, wurde jedoch durch die erste Interpretation abgelöst. Dies liegt im Wesentlichen an dem Beitrag von Samuelson.37 Er stellte - ob in Kenntnis oder Unkenntnis des Beitrags von Alt, ist umstritten38 - den Zusammenhang bzw. die Bedeutungsgleichheit zwischen einer Funktion, die invariant gegenüber positiv-linearen Transformationen ist, und dem Begriff der kardinalen Messbarkeit her.39 Ausgehend vom englischsprachigen Raum wurde diese Sichtweise später auch im deutschsprachigen Raum abgelöst,40 obwohl frühzeitig auf die mangelnde Kardinalität von Definition 2.2.7 hingewiesen wurde.41 Deshalb wird oftmals auch im deutschsprachigen Raum mit dem Begriff der kardinalen Nutzenfunktion das erste Verständnis bezeichnet. Zur besseren Unterscheidung wird diese Bezeichnung beibehalten und eine Funktion in der zweiten Interpretation als „kardinal messende Funktion“ bezeichnet. 4. Verhältnisskala: Mit Blick auf Definition 2.2.6 wurde geschlussfolgert werden, dass die Anordnung der Wertdifferenzen invariant gegenüber positiv-linearen Transformationen ist. Jedoch kann gezeigt werden, dass die Relation der Verhältnisse nicht invariant gegen eine derartige Transformation ist: e1 f (e1 ) α · e1 + β = = . f (e2 ) α · e2 + β e2 Die Skala, welche eine Bildung von Verhältnissen der Merkmalswerte selbst erlaubt, wird aufgrund dieser Eigenschaft als Verhältnisskala bezeichnet. Diese Form bietet eine stärkere Form der Skalierung, da die verwendeten Zahlen alle Axiome aus der Abbildung 2.6 erfüllen.42 Der Nullpunkt dieser 37

38 39 40 41 42

Vgl. Samuelson (1938). Paul A. Samuelson (1915–2009) erhielt 1970 zusammen mit Leonid Hurwicz – dem Begründer des Hurwicz-Prinzips (vgl. Abschn. 2.5.3) – und Eric Maskin den „Wirtschaftsnobelpreis“. Vgl. Moscati (2013: 930–931). Vgl. Fishburn (1989: 129). Vgl. die historische Analyse von Moscati (2013). Vgl. Baumol (1958). Vgl. Zangemeister (1976: 154).

2.2 Präferenzen, Skalen, Funktionen und Funktionale

83

Skala ist eindeutig festgelegt. Mit den Werten können alle mathematischen Operationen ohne Einschränkung durchgeführt werden. e1 f (e1 ) = , f (e2 ) e2 wenn β = 0. Deshalb ist die Ordnung auf der Verhältnisskala invariant gegen Streckungen nach Definition 2.2.9 - auch als lineare Transformationen bezeichnet.43

Ein Blick auf die obige Darstellung der Quotienten zeigt, dass

Definition 2.2.9 Eine Funktion f : E → R ist eine lineare Transformation von e, wenn es eine positive reelle Zahl α > 0 gibt, so dass gilt: f (e) = α·e ∀ e ∈ E. Als Verständnisbeispiel kann hier auf die verschiedenen Skalen zur Temperaturmessung hingewiesen werden. In Ergänzung zu den obigen Ausführungen kann darauf hingewiesen, dass die Kelvin-Skala eine Verhältnisskala ist. Die Aussage, dass 40◦ K doppelt so warm sind wie 20◦ K ist korrekt, da es einen absoluten Nullpunkt gibt. Die Angabe von Preisen in verschiedenen Währungen erfolgt ebenfalls auf einer Verhältnisskala, da der Nullpunkt stets fixiert ist und lediglich die Skaleneinheiten frei gewählt werden. 5. Differenzskala: Von lediglich geringerer Bedeutung ist die Differenzskala. Diese zeichnet sich durch eine festgelegte Einheit und einen willkürlich festzulegenden Nullpunkt aus. Die Ergebnisse auf dieser Skala sind invariant gegenüber Transformationen vom Typ: f (e) = e + β mit β ∈ R. Ein Beispiel ist die sog. Rasch-Skala zur Messung des Einflusses von Persönlichkeitsmerkmalen auf die Leistungsfähigkeit.44 6. Absolute Skala: Eine Skala mit festgelegtem Nullpunkt und definierter Einheit ist eine absolute Skala. Die zulässigen Transformationen beschränken sich auf f (e) = e, d. h. es sind keine Transformationen zulässig. Beispiele für absolute Skalen sind Stückzahlen oder Wahrscheinlichkeiten. In Tabelle 2.4 sind die vorgestellten Skalenniveaus und ihre wichtigsten Eigenschaften zusammenfassend dargestellt. Die Intervall-, Verhältnis-, Differenzund Absolute Skala werden auch unter dem Begriff metrische bzw. kardinale Skala zusammengefasst.

43 44

Vgl. Schneeweiß (1963: 185). Vgl. Schiel (2006: 235–245).

84

2 Entscheidungstheorie

Tabelle 2.4. Eigenschaften der Skalen. Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an: Schneeweiß (1963: 185); Zimmermann/Gutsche (1991: 11–13). Skalenniveau Nominalskala

Zulässige Transformation

Invariant bleiben bei der zulässigen Transformation jede eindeutige Funktion Eindeutigkeit der f (x) Meßwerte jede streng monoton Rangordnung der steigende Funktion f (x) Meßwerte

Beispiele

Kontonummern, Matrikelnummern Ordinalskala Schulnoten, Erdbebenskala nach Richter Intervallskala jede positiv-affine Verhältnisse der Celsius-Temperaturskala, Funktion f (x) = α · x + β Intervalle zwischen den Fahrenheitmit α, β ∈ R sowie α > 0 Messwerten Temperaturskala, Verhältnisjede lineare Funktion Verhältnisse der Kelvin-Temperaturskala, skala f (x) = α · x mit α ∈ R, Messwerte Preisangaben, Zeit-/ α>0 Gewichtsmessung Differenzskala jede Funktion Differenz der Messwerte Personenparameter im f (x) = x + β mit β ∈ R Rasch-Modell Absolute jede Funktion f (x) = x Messwerte Häufigkeiten, Skala Wahrscheinlichkeiten

Es wird deutlich, dass die Verhältnisskala als Sonderfall der Intervallskala bezeichnet werden kann, wenn β = 0. Die Differenzskala kann ebenfalls als Sonderfall der Intervallskala bezeichnet werden, wenn α = 1.

2.3 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und einem Ziel 2.3.1 Einführung Die einfachste Form der Entscheidung liegt bei einfacher Zielsetzung und sicheren Erwartungen vor. In der Zukunft existiert lediglich ein möglicher Zustand. Im weiteren Verlauf ist die endliche Aktionenmenge A = {a1 , ..., am } gegeben durch m Alternativen ai (i = 1, ...., m). Jede Alternative ai führt zu einem bekannten, sicheren Ergebnis ei . Sämtliche Ergebnisse ei mit i = 1, ..., m bilden die Ergebnismenge E = {e1 , ..., em } (vgl. Tab. 2.5). Tabelle 2.5. Ergebnistabelle bei Sicherheit und einem Ziel. Quelle: Eigene Darstellung. Alternative a1 a2 . . . am−1 am

Ergebnis e1 e2 . . . em−1 em

2.3 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und einem Ziel

85

Standardmäßig wird angenommen, dass sich diese Alternativen gegenseitig ausschließen. Wichtig dabei ist, dass jede Handlungsmöglichkeit, also auch die Unterlassungsalternative, abgebildet wird. Die Entscheidung wird von einer Instanz – Person, Personengruppe oder Gremium – getroffen. Diese Instanz wird im Folgenden als Akteur bezeichnet und entspricht der Charakterisierung des homo oeconomicus in Abschn. 1.2. Möglichkeiten zur Herbeiführung kollektiver Entscheidungen werden hier nicht betrachtet, sondern es wird auf die weiterführende Literatur verwiesen.45 Zur Entscheidungsfindung muss die beste Alternative ausgewählt werden. Das Präferenzfunktional bei Entscheidungen mit einer Zielsetzung unter Sicherheit lautet:46 Φ(a) = u(a). Für den hier vorliegenden einfachen Fall ist diejenige Alternative zu wählen, welche den höchsten Nutzen erzielt. Die optimale Alternative aopt ist deshalb durch das Präferenzfunktional Φ(a) in Verbindung mit Definition 2.2.3 bestimmt durch: Φ(aopt ) = max Φ(ai ) = max(ui ) i

i

In den folgenden Abschnitten werden die wesentlichen Axiome, welche rationales Entscheiden inhaltlich und formal beschreiben, vorgestellt. Damit ist klar, dass die Vorgehensweise zur Bestimmung des Präferenzfunktionals in der zweiten Variante aus Tab. 2.3 besteht. Damit der Leser den Überblick behält, werden in Tabelle 2.51 die wesentlichen Axiome und die sich daraus ergebende Funktionen bzw. Funktionale zusammengefasst.

2.3.2 Anforderungen an rationale Präferenzen Zur rationalen Entscheidungsfindung unter Sicherheit werden traditionell eine Reihe von Anforderungen an die Präferenzen eines Akteurs gestellt. Die Axiome werden nun kurz erläutert. Grundlegend wird vom Akteur gefordert, alle Ergebnisse zu erfassen und miteinander zu vergleichen, so dass eine vollständige Präferenzrelation entsteht.47 Anforderung 2.3.1 (Vollständigkeit) Die Präferenzrelation  auf E ist vollständig, wenn für jedes Paar e1 , e2 ∈ E mit e1 = e2 festgelegt wird: entweder e1  e2 oder e2  e1 oder beides. Jedes Ergebnis muss sich selbst gegenüber schwach präferiert werden, was als Reflexivität bezeichnet wird. 45 46 47

Vgl. Müller (2019: 261–320). Vgl. Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2018: 38). Vgl. Ossadnik (1998: 17–19); French (1988: 69–70); Zimmermann (2008: 18–19).

86

2 Entscheidungstheorie

Anforderung 2.3.2 (Reflexivität) Die Präferenzrelation  auf E ist reflexiv, wenn gilt: e1  e1 für jedes ei ∈ E. Die nächste Forderung beschreibt den Umstand, dass die Relation von zwei Ergebnissen indirekt aus der Relation dieser Ergebnisse zu einem dritten Ergebnis resultieren muss. Anforderung 2.3.3 (Transitivität) Die Präferenzrelation  auf E ist transitiv, wenn aus e1  e2 und e2  e3 für jede Kombination e1 , e2 , e3 ∈ E mit e1 = e2 , e1 = e3 und e2 = e3 folgt: e1  e3 . Die Forderung nach Transitivität ist weithin akzeptiert und erscheint zweckmäßig bzw. logisch. Beispiel 2.1 soll jedoch auf die möglichen Probleme hinweisen.48

Beispiel 2.1 Ein Akteur soll seine Präferenz für die Raumtemperatur angeben. Da er nicht in der Lage ist, Temperaturdifferenzen von 0, 001◦ C zu bemerken/erfühlen, gibt er folgende Beziehung an: 20◦ C ∼ 20, 001◦ C

20, 001◦ C ∼ 20, 002◦ C 20, 002◦ C ∼ 20, 003◦ C .. . 99, 999◦ C ∼ 100◦ C Wenn die Angaben transitiv sind, so gilt für ihn folgende Relation: 20◦ C ∼ 100◦ C

Beispiel 2.1 zeigt, welche praktischen Implikationen mit den grundsätzlichen Anforderungen an Präferenzen verbunden sein können. So einleuchtend die Anforderungen auch sein mögen, muss doch immer geprüft werden ob und wie die Auswirkungen bzw. Umsetzung in der Praxis sind. Wenn eine Präferenzrelation vollständig, reflexiv und transitiv ist, handelt es sich um eine - wenn auch lediglich schwache - Präferenzordnung. Zur weiteren Erläuterung werden die Ergebnisse e1 und e2 als Bündel der Güter (x, y) interpretiert. Die Menge dieser Güter ist endlich. Dann bezeichnen (x1 , y1 ) das Güterbündel e1 und (x2 , y2 ) das Güterbündel e2 . 48

Vgl. French (1988: 64).

2.3 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und einem Ziel

87

Es wird davon ausgegangen, dass ein Akteur gegenüber Güterbündeln mit identischen Nutzen indifferent ist. Damit wird die Indifferenzmenge beschrieben (vgl. Def. 2.3.1). Definition 2.3.1 Die Indifferenzmenge I(e1 ) besteht aus sämtlichen Güterkombinationen für die gilt e1 ∼ ei , so dass folgt: I(e1 ) = {e1 ∈ E|e1 ∼ ei }. Die Indifferenzmenge kann unterschiedlich gestaltet sein. In der Regel wird sie als Indifferenzkurve dargestellt. In dem Beispiel gilt e1 ∼ e2 (vgl. Abb. 2.7 a). Jede Indifferenzkurve besteht aus Güterkombinationen, die für den Akteur dasselbe Nutzenniveau stiften. Deshalb wird üblicherweise davon ausgegangen, dass die Ergebnismenge E unendlich ist, dass es sich also um Güter bzw. Güterkombinationen handelt, deren positive Mengen beliebig teilbar sind. Die Anzahl der möglichen Güterkombinationen und demzufolge die Anzahl der Indifferenzkurven ist deshalb unendlich.49 Das Nutzenniveau nimmt mit steigendem Abstand vom Koordinatenursprung zu. In der Abb. 2.7 a) gilt deshalb u(I1 ) < u(I2 ) < u(I3 ), was in der Abb. 2.8 b) besser ersichtlich wird. Die Transitivität der Präferenzen (vgl. Anf. 2.3.3) führt zur Parallelität sämtlicher Indifferenzkurven. Wären die Präferenzen intransitiv, würden sich die Indifferenzkurven schneiden.

dž

 Ğϭ

ࢤ࢞

Ğϯ

ࢤ࢟

Ğϰ /ϯ /Ϯ /ϭ

ĞϮ LJ Abb. 2.7 a): Indifferenzkurven



Ϯ ࢤ࢞ ࢤ࢟

 Abb. 2.7 b): Grenzrate der Substitution

Abbildung 2.7. Indifferenzkurven und Grenzrate der Substitution. Quelle: Eigene Darstellung. 49

Diese Annahme wird auch in einem anderen Zusammenhang relevant. Vgl. Def. 2.4.2.

88

2 Entscheidungstheorie

Werden nun die Güterkombinationen ein und derselben Indifferenzkurve betrachtet, kann die Frage nach der Austauschrate zwischen den Gütern beantwortet werden. Da der Nutzen für den Entscheidungsträger für sämtliche Punkte ein und derselben Indifferenzkurve konstant ist, muss die Verringerung der Menge eines Gutes durch die Erhöhung der Menge des anderen Gutes kompensiert werden. Zur Erklärung wird der Nutzen zweier Güter x und y sowie die damit verbundene Nutzenfunktion u = f (x, y) betrachtet. Die Änderung des Gesamtnutzens bei gleichzeitiger Variation der Gütermengen ergibt sich aus: ∂u ∂u · dx + · dy. du = ∂x ∂y Wird von einem konstanten Gesamtnutzen ausgegangen, folgt du = 0 und somit: ∂u ∂u 0= · dx + · dy. ∂x ∂y Dies kann formuliert werden zu: ⎛

⎞ ∂u ⎜ ∂y ⎟ dx ⎟ − = ⎜ ⎝ ∂u ⎠ . dy ∂x

Die linke Seite der letzten Gleichung wird als Grenzrate der Substitution bezeichnet (vgl. Def. 2.3.2). Definition 2.3.2 Die Grenzrate ⎛ ⎞ der Substitution von Gut x durch Gut y ist ∂u dx ⎜ ∂y ⎟ ⎟. =⎜ definiert durch: − ⎝ ∂u ⎠ dy ∂x dx beschreibt diejenige notwendige Erhöhung dy der Menge des Gutes x, um eine Senkung der Menge von Gut y zu kompensieren. Sie beschreibt demzufolge das marginale Austauschverhältnis zwischen den Gütern. ∂u Term definiert den Nutzenzuwachs, den eine zusätzliche Einheit des Gutes ∂x x stiftet und der deshalb als Grenznutzen bezeichnet wird. Damit wird deutlich, dass die Grenzrate der Substitution dem umgekehrten Verhältnis der Grenznutzen der Güter entspricht.

Die Grenzrate des Substitution

2.3 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und einem Ziel

89

Die Grenzrate der Substitution entspricht grafisch der Tangente an einem Punkt der Indifferenzkurve (vgl. Abb. 2.7 b). Offensichtlich unterscheiden sich in der Abb. 2.7 b) die Anstiege der verschiedenen Tangenten, was gleichbedeutend mit unterschiedlichen Grenzraten der Substitution ist. Eine Erklärung dafür wird mit der strengen Konvexität in Anf. 2.3.10 geliefert. Die nächste Anforderung ist die Stetigkeit der Präferenzen. Die Bedeutung dieser Forderung lässt sich wie folgt grafisch veranschaulichen: Zur Erstellung der Nutzenfunktion ist es erforderlich, die Indifferenzkurven aus der 2dimensionalen in eine 3-dimensionale Darstellung zu überführen (vgl. Abb. 2.8 a). Dazu dürfen die Indifferenzkurven keine Sprungstellen aufweisen. Die Stetigkeit der Präferenzen sichert die Stetigkeit der Nutzenfunktion, welche die Indifferenzkurven verbindet und den Übergang von einem Nutzenniveau zum anderen Niveau an jeder Stelle der Indifferenzkurve ermöglicht (vgl. Abb. 2.8 b).

Ƶ;/ŝͿ



Ƶ;/ϯͿ

Ƶ;/ϭͿ



dž

Ƶ;/ϮͿ

 

 Ğϭ Ğϯ ĞϮ

 Ğϰ



LJ Abb. 2.8 a): Nutzenwerte

Abb. 2.8 b): Stetige Nutzenfunktion

Abbildung 2.8. Nutzenwerte und Nutzenfunktion. Quelle: Eigene Darstellung.

Die Grundlage für die Formulierung der Stetigkeit in der Nutzenmessung bildet das sog. Archimedische Axiom (vgl. Axiom 2.1).50 Axiom 2.1 (Archimedisches Axiom) Sind x, y ∈ R und ist x > 0, so existiert eine natürliche Zahl n ∈ N mit y < n · x. Es handelt sich also um eine grundsätzliche Eigenschaft, die den natürlichen Zahlen zugewiesen wird. In der Geometrie wird das Stetigkeits-Axiom wie folgt formuliert: „Sind AB und CD irgendwelche Strecken, so gibt es eine Anzahl n

50

Vgl. Schindler (2002: 40–41).

90

2 Entscheidungstheorie

derart, daß das n-malige Hintereinander-Abtragen der Strecke CD von A aus auf den durch B gehenden Halbstrahl über den Punkt B hinausführt.“ 51 Diese Eigenschaft ist grundlegend für eine ganze Reihe von Beiträgen zur Nutzentheorie,52 wie z. B.: •

die grundlegenden Gedanken zur der Meßbarkeit des Nutzens,53



die multiattributive Nutzentheorie,54



der von-Neumann-Morgenstern-Nutzen.55

Die Stetigkeit wird im weiteren Verlauf wie in Axiom 2.3.4 beschrieben.56 Anforderung 2.3.4 (Stetigkeit) Die Präferenzrelation  auf E ist stetig, wenn für drei Ergebnisse mit e1  e2  e3 ein λ ∈ [0, 1] existiert, so dass gilt: λ · e1 + (1 − λ) · e3 ∼ e2 . Es ist demzufolge plausibel, dass λ·e1 +(1 − λ)·e3 dem Ergebnis e2 vorgezogen wird, wenn λ den Wert 1 annimmt oder sehr nah am Wert 1 liegt. Weiterhin ist es plausibel anzunehmen, dass die Änderung von λ vom Wert 1 hin zum Wert Null zu einem Punkt führt, an dem die beiden - wie beschrieben - gleichwertig sind. Eine weitere Änderung von λ führt anschließend zu einer Umkehrung der Präferenzrelation. Dieses Stetigkeits-Verständnis liegt auch dem Erwartungsnutzen zugrunde.57 In der Literatur sind weitere Definitionen der Stetigkeit zu finden. Diese werden in verschiedenen Kontexten und Axiomen-Systemen verwendet. Da im weiteren Verlauf einige davon notwendig sind, werden diese kurz vorgestellt. Ergänzend zur Indifferenzmenge I(e1 ) aus Def. 2.3.1 können die folgenden zwei Mengen unterschieden werden:58 •

die „Nicht-besser-als-Menge“ (synonym: untere Konturmenge) und



die „Nicht-schlechter-als-Menge“ (synonym: obere Konturmenge).

Diese Mengen sind in Def. 2.3.3 beschrieben.

51 52 53 54 55 56 57 58

Hilbert (1987: 30). Vgl. Krantz et al. (1971: 25–26). Vgl. Alt (1936: 164); Schneeweiß (1963: 195–196). Vgl. Abschn. 2.4.3. Vgl. Neumann/Morgenstern (1953: 630) sowie Abschn. 2.6.3. Vgl. Jarrow (1988: 10); Kruschwitz/Lorenz (2019: 276). Vgl. Abschn. 2.6.3. Vgl. Kreps (2013: 7–8).

2.3 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und einem Ziel

91

Definition 2.3.3 Für eine Präferenzrelation  auf E ist die NBA-Menge von e1 definiert durch N BA (e1 ) = {ei ∈ E|e1  ei } und die NSA-Menge von e1 ist definiert mit N SA (e1 ) = {ei ∈ E|e1  ei }. Die NSA-Menge von e1 beinhaltet diejenigen Güterkombinationen, für die aus Sicht des Akteurs die Relation ei  e1 gilt. Diese Menge beinhaltet also alle Kombinationen, die besser bzw. ebenso gut sind wie e1 , demzufolge auch die Kombinationen auf der Indifferenzkurve. In dem Beispielfall gilt demzufolge N SA (e1 ) = {e2 , e3 , e4 } (vgl. Abb. 2.7 a). Für die NBA-Menge gilt dann die umgekehrte Relation. Eine häufig zu findende Formulierung der Stetigkeit ist in Def. 2.3.4 beschrieben.59 Definition 2.3.4 (Stetigkeit) Die Präferenzrelation  auf E ist stetig, wenn für alle ei ∈ E sowohl die N BA (ei )-Menge als auch die N SA (ei )Menge abgeschlossen ist. Die Stetigkeit fordert, dass die Präferenzen des Akteurs keine „Sprünge“ aufweisen und ist mathematisch notwendig, um stetige Nutzenfunktionen bilden zu können. Das lässt sich aus der Abgeschlossenheit der Konturmengen folgendermaßen erklären: Die Abgeschlossenheit einer Menge garantiert, dass der Grenzwert jeder konvergenten Folge von Gliedern aus dieser Menge ebenfalls ein Element dieser Menge ist. Damit wird sichergestellt, dass sich die Präferenzrelationen nicht umkehren, wenn ein Grenzübergang im Unendlichen erfolgt. Infinitesimal kleine Änderungen der Güterbündel führen demzufolge nicht zu einer Umkehrung der Präferenzrelation. Deshalb kann die Stetigkeit auch alternativ wie in Def. 2.3.5 formuliert werden.60 Definition 2.3.5 (Stetigkeit) Die Präferenzrelation  auf E ist stetig, wenn (e1;n ) mit n ∈ N eine konvergente Folge aus E ist und –

für e1;n  e2 für alle n sowie lim e1;n = e∗1 gilt e∗1  e2 sowie



für e2  e1;n für alle n sowie lim e1;n = e∗1 gilt e2  e∗1 .

n→∞ n→∞

Dieses Stetigkeits-Verständnis wird auch im Zusammenhang mit der axiomatischen Begründung von Entscheidungsregeln unter Ungewissheit verwendet.61 Ein prominentes Beispiel für nicht stetige Präferenzen sind lexikografische Präferenzordnungen (vgl. Beispiel 2.2).62 59 60 61 62

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Debreu (1954: 160–161); Kolmar (2017: 168). Kreps (2013: 14). Axiom 2.5.4 in Abschn. 2.5.2. Debreu (1954: 164); Schneeweiß (1963: 190); Hens/Pamini (2008: 35).

92

2 Entscheidungstheorie

Beispiel 2.2 Die Präferenzordnung eines Akteurs ist lexikografisch, wenn er die Güter in der Reihenfolge absteigender Wertigkeit ordnet. Ein bekanntes Beispiel sind Medaillenspiegel bei Sportwettkämpfen. Die Präferenzordnung lautet üblicherweise Gold  Silber  Bronze. Teilnehmer 1 dominiert Teilnehmer 2 lexikografisch, d. h. T1 Lex T2 wenn gilt:



T1 Lex T2

wenn G1 > G2 , wenn G1 = G2 und S1 > S2 , wenn G1 = G2 und S1 = S2 und B1 > B2 .

Zur Veranschaulichung wird das bisherige Beispiel verändert und verschiedene Kombinationen in einer zweidimensionalen Abbildung dargestellt (vgl. Abb. 2.9 a).

Ƶ;ĞŝͿ

Ğ

Ğ Ğ

ϲ Ğ

ϯ

^ŝůďĞƌͲ ŵĞĚĂŝůůĞŶ

Ƶ;ĞϰͿ Ğ

Ƶ;ĞϮͿ

Ğ

Ƶ;ĞϯͿ Ğ

ϭ ϭϯϱ

Ğϭ Ğϯ

Ƶ;ĞϭͿ 

Ğ Ğ

Abb. 2.9 a): Zweidimensionale Darstellung

'ŽůĚͲ ŵĞĚĂŝůůĞŶ

ĞϮ

Ğϰ

Abb. 2.9 b): Dreidimensionale Darstellung

Abbildung 2.9. Lexikografische Präferenzen. Quelle: Eigene Darstellung. In dem Beispiel gilt Gold  Silber, was zu folgender Präferenzordnung führt: e4  e2  e3  e1 . Eine solche Ordnung ist vollständig, transitiv und reflexiv, jedoch nicht stetig. Dies kann wie folgt erklärt werden: •



63

Es wird deutlich, dass eine infinitesimal kleine Änderung in der MedaillenKombination eine Veränderung der Ordnung bewirkt. Erhält e2 nur eine GoldMedaille mehr, ändert sich die Ordnung zu e2  e4 . Selbst für den Fall beliebig teilbarer Güterbündel würde eine kleine Erhöhung des Gold-Anteils von e2 zu einer entsprechenden Änderung führen. Andererseits führen selbst große Änderungen des Silber-Anteils, z. B. bei e1 zu keiner Änderung der Ordnung. Selbst wenn der Silber-Anteil unendlich groß wäre, hätte dies keine Auswirkungen. Die mathematisch formulierte Begründung basiert auf dem Fakt, dass eine Menge, die mit einer lexikografischen Ordnung versehen wird, nicht abgeschlossen ist.63 Das kann dazu führen, dass der Grenzwert einer Reihe aus Elementen Vgl. Hülsmann et al. (2005: 23–24).

2.3 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und einem Ziel

93

dieser Menge selbst kein Element dieser Menge ist. Zur Erläuterung sei für das bisher diskutierte Beispiel angenommen, es handele sich um beliebig teilbare Gold- und Silbermengen mit der bekannten lexikografischen Präferenzordnung. Das Güterbündel e1 beinhaltet die Kombination (1, 6), wohingegen das Güterbündel e2 so verändert wird, dass es die Kombination (1 + 4/n, 1) enthält. Die Präferenzordnung ist bekannt: e2  e1 . Für das Bündel e2 folgt jedoch der Grenzwert: lim e2 = (1, 1). Die ursprüngliche Präferenzordnung e2  e1 veränn→∞

dert sich nun zu e1  e2 .

Es wird deutlich, dass lexikografische Präferenzen nicht mittels einer stetigen Nutzenfunktion erfasst werden können. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie irrational sind. Die lexikografische Ordnung ist für multikriterielle Probleme anwendbar.64 Lexikografische Präferenzen können lediglich nicht so elegant mathematisch erfasst werden. Diese vier bisher formulierten Anforderungen - Vollständigkeit, Reflexivität, Transitivität, Stetigkeit - sind hinreichende Bedingungen, um ausgehend von den Präferenzen des Akteurs eine stetige, ordinale Nutzenfunktion entsprechend der Definition 2.2.5 zu beschreiben (vgl. Merksatz 2.1).65 Merksatz 2.1 Wenn die Präferenzen eines Akteurs vollständig, reflexiv, transitiv und stetig sind, existiert eine ordinale Nutzenfunktion u : E → R mit der Eigenschaft, dass für irgend zwei e1 , e2 aus E gilt: e1  e2 ⇔ u(e1 ) ≥ u(e2 ). Zusätzlich zu diesen Eigenschaften werden in der ökonomischen Literatur häufig noch Beschränktheit und Monotonie erwähnt bzw. gefordert. Zuerst soll die Beschränktheit erläutert werden (vgl. Eigenschaft 2.1). Ein Akteur muss in der Lage sein, das beste Ergebnis e und das schlechteste Ergebnis e zu identifizieren, jedoch so, dass diese Werte nicht unendlich groß sind. Sämtliche anderen Ergebnisse müssen dazwischen eingeordnet werden können.66 Dies wird durch das Stetigkeits-Axiom gesichert, wie ein Blick auf Definition 2.3.4 zeigt. Wenn es ein Ergebnis e2 geben soll, welches gleichwertig zur Kombination von e1 und e3 ist, so sind unendliche Werte von e1 und e3 ausgeschlossen. Eigenschaft 2.1 (Beschränktheit) Die Präferenzrelation  auf E ist beschränkt, wenn für das beste Ergebnis e und das schlechteste Ergebnis e sowie sämtliche anderen Ergebnisse ei mit ei = e und ei = e gilt: e  ei  e.

64 65 66

Vgl. Abschn. 2.4.2. Vgl. Debreu (1954); Schneeweiß (1963: 193); Hens/Pamini (2008: 291). Vgl. Jarrow (1988: 11); Kruschwitz/Husmann (2012: 28).

94

2 Entscheidungstheorie

Damit wird die Ergebnismenge auf endliche Werte beschränkt. Der Akteur muss in der Lage sein, ein bestes Ergebnis mit endlichen Werten und ein schlechtestes Ergebnis, wiederum mit endlichen Werten, anzugeben. Die Monotonie (vgl. Def. 2.3.6) beschreibt den Umstand, dass ein rationaler Akteur von zwei Güterbündeln e1 mit x1 , y1 und e2 mit x2 , y2 das Bündel e1 bevorzugt, wenn x1 = x2 und y1 > y2 , wenn also e1 von keinem Gut weniger und mindestens von einem Gut mehr beinhaltet als e2 . Er wählt demzufolge nach dem Motto „Mehr ist besser“ (vgl. Definition 2.3.6). Damit die Monotonie allgemeingültig definiert werden kann, wird festgelegt, dass jedes Ergebnis ei durch eine Kombination aus endlich vielen Güterarten gk;i mit k = 1, ..., z repräsentiert wird, so dass gilt: ei = (g1;i , g2;i , ..., gz;i ). Dabei beschreibt gk;i die Menge, das Gewicht bzw. die Anzahl der Güterart k. Definition 2.3.6 (Monotonie) Die Präferenzrelation  auf E ist monoton, wenn für alle ei ∈ E mit e1 = e2 und gk;1 ≥ gk;2 für alle k sowie ∃ k : gk;1 > gk;2 folgt: e1  e2 . Monotonie bezieht sich offensichtlich auf qualitativ vergleichbare Güter, da bei großen Qualitätsunterschieden keine rein quantitative Betrachtung ausreicht. Die Güter müssen deshalb auf einer absoluten Skala mess- und vergleichbar sein.67 Die Monotonie der Präferenzen kann jedoch auch auf einem anderen Weg formuliert werden. Dazu dient die Vorstellung, dass der Akteur über eine Präferenzordnung der Form e1  e2 verfügt und sich zwischen zwei - aus diesen Güterbündeln - zusammengesetzten Güterkörben entscheiden soll. Wenn er sich rational verhält, müsste er denjenigen Korb bevorzugen, welcher einen größeren Anteil des Bündels e1 beinhaltet (vgl. Axiom 2.3.5). Anforderung 2.3.5 (Monotonie) Die Präferenzrelation  auf E ist monoton, wenn für zwei Ergebnisse mit e1  e2 und λ, μ ∈ [0, 1] ∧ λ > μ gilt: λ · e1 + (1 − λ) · e2  μ · e1 + (1 − μ) · e2 . Das Monotonie-Axiom wird in der Literatur auch als „Order-preservingaxiom“ 68 oder Dominanz-Axiom69 bezeichnet. Mit diesen Eigenschaften kann die Nutzenfunktion wie folgt beschrieben werden (vgl. Merksatz 2.2).70

67 68 69 70

Vgl. Kolmar (2017: 169). Vgl. Jarrow (1988: 9). Vgl. Kruschwitz/Husmann (2012: 29). Vgl. González-Díaz/García-Jurado/Fiestras-Janeiro (2010: 8); Kruschwitz/Husmann (2012: 29–30).

2.3 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und einem Ziel

95

Merksatz 2.2 Wenn die Präferenzen eines Akteurs vollständig, reflexiv, transitiv, stetig und monoton sind, existiert eine ordinale Nutzenfunktion u : E → R mit den Eigenschaften, dass für irgend zwei e1 , e2 aus E gilt: e1  e2 ⇔ u(e1 ) ≥ u(e2 ) sowie: ⎧ wenn e ∼ e, ⎨ 1 λ ∈]0, 1[ wenn e  e  e und e ∼ λ · e + (1 − λ) · e, u(e) = ⎩ 0 wenn e ∼ e . Nachdem die Anforderungen an die Präferenzen für die Existenz einer ordinalen Nutzenfunktion vorgestellt wurden, soll erläutert werden, welche Bedingungen für die Existenz einer kardinal messenden Funktion nach Definition 2.2.8 erfüllt sein müssen. Ziel ist demzufolge eine Nutzenfunktion mit folgenden Eigenschaften: Eigenschaft 2.2 e1  e2 ⇔ u(e1 ) ≥ u(e2 ) sowie Eigenschaft 2.3 (e1 ← e2 ) D (e3 ← e4 ) ⇔ u(e1 ) − u(e2) ≥ u(e3 ) − u(e4). Dazu sind die Präferenzen zwischen dem Übergang von einem Ergebnis zu einem anderen Ergebnis zu betrachten. Dabei gilt: •

Schwache Präferenz: Für den Fall, dass die Präferenz für den Übergang zwischen den Ergebnissen (e2 , e1 ) größer bzw. nicht geringer ist, als die Präferenz für die Differenz zweier anderer Ergebnisse (e4 , e3 ) wird formuliert: (e1 ← e2 ) D (e3 ← e4 ). Das bedeutet, der Wechsel von e2 zu e1 wird dem Wechsel von e4 zu e3 schwach vorgezogen.



Strikte Präferenz: Wird der Wechsel von e2 zu e1 dem Wechsel von e4 zu e3 strikt vorgezogen, gilt: (e1 ← e2 ) D (e3 ← e4 ), mit: ¬((e3 ← e4 ) D (e1 ← e2 )).



Indifferenz: Ist die Präferenz identisch, gilt: (e1 ← e2 ) ∼D (e3 ← e4 ), mit: (e1 ← e2 ) D (e3 ← e4 ) ∧ (e3 ← e4 ) D (e1 ← e2 ).

Wie bereits erwähnt, wird von ausschließlich positiven Differenzstrukturen ausgegangen, so dass beim Übergang e2 → e1 ein Nutzenzuwachs entsteht. Grundsätzlich müssen für die Präferenzrelationen von Ergebnisdifferenzen D auf E dieselben Anforderungen gelten, wie für die Präferenzrelationen von Ergebniswerten  auf E: Vollständigkeit, Reflexivität und Transitivität (Axiome 2.3.1 bis 2.3.3). Zusätzlich sind weitere Relationen zu beachten.71 Zur Erfüllung der Eigenschaften 2.2 und 2.3 muss gefordert werden, dass die Wertdifferenz eines Nutzenzuwachses beim Übergang von zwei unterschiedlich einge71

Vgl. Roberts (1985: 134–142); French (1988: 83–85); Zimmermann (2008: 20–21).

96

2 Entscheidungstheorie

schätzten Ergebnissen größer ist, als die Wertdifferenz beim Austausch eines Ergebnisses mit sich selbst (vgl. Anforderung 2.3.6). Anforderung 2.3.6 (Relevanz) Für jedes Paar e1 , e2 ∈ E mit e1 = e2 muss gelten: e1  e2 ⇔ (e1 ← e2 ) D (e3 ← e3 ) ∀e3 ∈ E. Weiterhin wird festgehalten, dass aus der Eigenschaft 2.3 folgt:72 (e1 ← e2 ) D (e3 ← e4 ) ⇔ u(e1 ) − u(e2 ) ≥ u(e3 ) − u(e4 ), ⇔ u(e4 ) − u(e3 ) ≥ u(e2 ) − u(e1 ), ⇔

(e4 ← e3 ) D (e2 ← e1 ) .

Das bedeutet, wenn der Nutzenzuwachs beim Übergang von (e2 → e1 ) (also Aufgabe von e2 und Erhalt von e1 ) nicht geringer ist als beim Übergang von (e4 → e3 ), muss auch umgekehrt gelten, dass der Nutzenverlust beim Übergang von (e1 → e2 ) (also Aufgabe von e1 und Erhalt von e2 ) nicht geringer sein darf, als der Verlust bei Aufgabe von e3 und Erhalt von e4 . Diese Äquivalenz wird in Anforderung 2.3.7 formuliert. Anforderung 2.3.7 (Äquivalenz) Für alle e1 , e2 , e3 , e4 ∈ E muss gelten: (e1 ← e2 ) D (e3 ← e4 ) ⇔ (e4 ← e3 ) D (e2 ← e1 ) . Daneben impliziert Eigenschaft 2.3 folgende Relation:73   (e1 ← e2 ) D (e4 ← e5 ) u(e1 ) − u(e2 ) ≥ u(e4 ) − u(e5 ), ⇔ (e2 ← e3 ) D (e5 ← e6 ) u(e2 ) − u(e3 ) ≥ u(e5 ) − u(e6 ), ⇔ u(e1 ) − u(e3 ) ≥ u(e4 ) − u(e6 ), ⇔ (e1 ← e3 ) D (e4 ← e6 ). Damit wird ausgedrückt, dass die Differenzunterschiede konsistent sein müssen. Das muss unerheblich davon gelten, ob es sich um direkte oder indirekte Wertdifferenzen handelt. Dies wird in der Anforderung 2.3.8 zusammengefasst.74 Anforderung 2.3.8 (Konsistenz) Für alle e1 , e2 , e3 , e4 , e5 , e6 ∈ E muss gelten:  (e1 ← e2 ) D (e4 ← e5 ) ⇒ (e1 ← e3 ) D (e4 ← e6 ). (e2 ← e3 ) D (e5 ← e6 ) Bei den bisherigen Darstellungen wurde davon ausgegangen, dass die Anzahl der Indifferenzkurven unendlich ist, d. h. jeder Punkt auf der Zwei72 73 74

Vgl. Krantz et al. (1971: 143); French (1988: 84). Vgl. French (1988: 84). Vgl. French (1988: 84).

2.3 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und einem Ziel

97

Güterkombinationen-Fläche eine zulässige Kombination darstellt, da die positiven Gütermengen beliebig teilbar sind. Nun liegen jedoch keine beliebig teilbaren Gütermengen, sondern eine endliche Anzahl sich gegenseitig ausschließender Alternativen vor. Jede dieser Alternativen verspricht jeweils ein Ergebnis (vgl. Tab. 2.5). Damit eine kardinal messende Wertfunktion existiert, muss sichergestellt werden, dass jede Wertdifferenz durch eine Kombination von Ergebnissen – ergo: Alternativen – ausgedrückt werden kann. Die Alternativenmenge muss demzufolge „reich genug“ sein. Diese Forderung wird als Lösbarkeit bezeichnet (vgl. Anforderung 2.3.9).75 Anforderung 2.3.9 (Lösbarkeit) Für alle e2 , e3 , e4 ∈ E ∃ e1 ∈ E, so dass gilt (e1 ← e2 ) ∼D (e3 ← e4 ) und für alle e2 , e3 ∈ E ∃ e1 ∈ E, so dass gilt (e2 ← e1 ) ∼D (e1 ← e3 ). Diese Forderung ist – streng genommen – primär nicht an die Präferenzen des Akteurs, sondern an die Alternativenmenge gerichtet. Mit diesen Anforderungen werden die Eigenschaften 2.2 und 2.3 erfüllt. Damit – und zuzüglich der Stetigkeit – kann die Existenz einer kardinal messenden Wertfunktion sichergestellt werden (vgl. Merksatz 2.3).76 Merksatz 2.3 Wenn die Präferenzen eines Akteurs bezüglich der Wertausprägungen vollständig, reflexiv, transitiv und stetig sind sowie bezüglich der Wertdifferenzen vollständig, reflexiv, transitiv, stetig, relevant, äquivalent und konsistent sind und die Lösbarkeitsbedingung erfüllt ist, existiert eine Nutzenfunktion u : E → R, die kardinal messend nach Def. 2.2.8 ist. Grundsätzliche Voraussetzung ist die Erfüllung der bisherigen Eigenschaften der Präferenzen in Bezug auf die Wertausprägungen. Eine weitere Annahme rationalen Verhaltens besteht in der Konvexität. Die strenge Konvexität in Anf. 2.3.10 beschreibt den Umstand, dass ein rationaler Akteur anstelle von zwei Extremergebnissen, die für ihn dieselbe Wertigkeit besitzen, eine Mischung aus diesen Ergebnissen - eine konvexe Linearkombination - lieber hätte. Ein intuitives Beispiel sind die Ergebnisse „2 l Apfelsaft“ und „2 kg Rindersteak“. Mit dem Axiom der strengen Konvexität wird postuliert, dass der Akteur - wenn aus seiner Sicht gilt „2 l Apfelsaft ∼ 2 kg Rindersteak“ - eine Mischung der Form „1 l Apfelsaft“ und „1 kg Rindersteak“ bevorzugen würde.77 Anforderung 2.3.10 (Strikte Konvexität) Die Präferenzrelation  auf E ist streng konvex, wenn für alle ei ∈ E mit e1 = e2 ∧ e1 ∼ e2 folgt: λ · e1 + (1 − λ) · e2  e1 für alle λ ∈ ]0, 1[. 75 76 77

Vgl. Krantz et al. (1971: 254–256); Roberts (1985: 137); French (1988: 87–88). Vgl. Roberts (1985: 135–139); French (1988: 88–89). Vgl. Kolmar (2017: 169).

98

2 Entscheidungstheorie

In der Abbildung 2.10 a) ist die bisherige Darstellung der Präferenzordnung erweitert um die Konsumbündel e5 und e6 . Es wird deutlich, dass die Relation streng konvex ist, da λ · e1 + (1 − λ) · e2  e6 . Jede beliebige Mischung aus e1 und e2 wird e6 vorgezogen und liegt auf einer Indifferenzkurve mit einem höheren Nutzen, wie z. B. e5 .



dž

    



Ğ

Ƶ;ʄ Ğн;ϭͲ ʄͿĞͿ сƵ;ĞͿсƵ;ĞͿ сƵ;ĞͿ Ğ сʄ Ğн;ϭͲ ʄͿĞ

    

      





Abb. 2.10 a): Streng konvexe Präferenzen

Ğ LJ

Abb. 2.10 b): Konvexe Präferenzen

Abbildung 2.10. Konvexe und streng konvexe Präferenzen. Quelle: Eigene Darstellung.

Die strenge Konvexität der Präferenzen ist die Begründung für die bereits dargestellten unterschiedlichen Grenzraten der Substitution in Abb. 2.7 b). Mit Blick auf die Abb. 2.10 a) werden die zwei Konsumbündel e1 und e2 betrachtet. Im Punkt e1 hat der Akteur bereits eine relativ hohe Menge von Gut x in seinem Bündel. Um eine zusätzliche Einheit des Gutes y zu erhalten, wäre er deshalb bereit, auf eine relativ große Menge von Gut x zu verzichten. Diese Verzichtmenge nimmt jedoch in dem Maße ab, wie die Menge von Gut y ansteigt. Deshalb wird der Akteur im Punkt e2 für eine zusätzliche Einheit von Gut y auf eine - im Vergleich zum Punkt e1 - geringere Menge von Gut x verzichten. Die Grenzrate der Substitution (vgl. Def. 2.3.2) nimmt demzufolge ab. Streng konvexe Präferenzen implizieren deshalb abnehmende Grenzraten der Substitution. Im Gegensatz zur strengen Form der Konvexität würde ein Akteur im Fall von „einfacher“ Konvexität die Einzelbündel als nicht schlechter im Vergleich zum Mischbündel einschätzen (vgl. Anf. 2.3.11).78 Anforderung 2.3.11 (Konvexität) Die Präferenzrelation  auf E ist konvex, wenn für alle ei ∈ E mit e1  e2 folgt: λ · e1 + (1 − λ) · e2  e1 für alle λ ∈ [0, 1]. 78

Vgl. Kolmar (2017: 169).

2.4 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und mehreren Zielen

99

In der Abbildung 2.10 b) ist eine Präferenzrelation dargestellt, die zwischen den Punkten e1 und e2 konvex ist. Das Mischbündel im Punkt e5 wird als nicht schlechter eingeschätzt, wie die beiden reinen Güterbündel. In Tabelle 2.51 sind die wesentlichen Axiome und die sich daraus ergebende Nutzenfunktion zusammengefasst.

2.4 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und mehreren Zielen 2.4.1 Einführung Häufig werden in einem Unternehmen mehrere Ziele verfolgt. Demzufolge liegt ein Zielsystem vor, welches folgende Ansprüche zu erfüllen hat: •

Realisierbarkeit und Durchsetzbarkeit: Ziele sollen erreichbar und durchsetzbar sein, was im Rahmen von Prognosen zu überprüfen ist.



Operationalität: Ziele müssen hinreichend präzise sein, d. h. Zielinhalt, angestrebtes Ausmaß, zeitlicher Bezug und erforderliche Präferenzen sind so konkret wie möglich festzulegen.



Ordnung: Zwischen den einzelnen Zielen muss eine Hierarchie festgelegt werden, die beschreibt, welche Ziele über-, unter- oder gleichgeordnet sind.



Konsistenz: Ziele sollten aufeinander abgestimmt und widerspruchsfrei sein, womit jedoch nicht ausgeschlossen wird, dass zwischen den Zielen Konflikte auftreten können.



Vollständigkeit: Alle wichtigen Ziele sind in das Zielsystem aufzunehmen.



Organisationskongruenz: Zielsystem und Organisationsstruktur sollen insoweit kongruent zueinander sein, dass die Ziele durch entsprechende Organisationseinheiten bearbeitet werden können, dass die Ziele nicht im Konflikt mit organisatorischen Gegebenheiten stehen und dass eine eindeutige sowie klare Zuordnung von Zielen zu Verantwortlichkeiten möglich ist.



Transparenz und Überprüfbarkeit: Das Zielsystem muss verständlich, übersichtlich und überprüfbar sein.



Redundanzfreiheit: Es ist sicherzustellen, dass nicht mehrere Ziele mit demselben Inhalt, jedoch unterschiedlichen Formulierungen in dem System enthalten sind.

Die Ziele des so entstandenen Zielsystems sind darauf hin zu überprüfen, in welcher Beziehung die angestrebten Zustände zueinander stehen. Stehen die Ziele in keinem Zusammenhang, handelt es sich um Zielneutralität. Wird

100

2 Entscheidungstheorie

durch die Erreichung eines Zieles auch die Erreichung eines anderen Zieles unterstützt, liegt Zielkomplementarität vor. Führen Maßnahmen zur Erreichung eines Zieles zu negativen Wirkungen auf die Erreichung eines anderen Zieles, liegt Zielkonkurrenz bzw. liegen Zielkonflikte vor. Im Extremfall schließen sich die Ziele gegenseitig aus, was als Zielantinomie bezeichnet wird.79 Zur Lösung von Zielkonflikten bieten sich prinzipiell folgende Vorgehensweisen an:80 •

Zielunterdrückung: Das als dominant erkannte Ziel wird unter Vernachlässigung der anderen Ziele minimiert bzw. maximiert, so dass Zieldominanz vorliegt.



Zielkompromiss: Die Unterdrückung von Zielen (temporär oder dauerhaft) ist in den Unternehmen selten durchsetzbar bzw. sinnvoll, da i. d. R. mehrere Ziele verfolgt werden. Deshalb versucht der Akteur einen Zielkompromiss zu finden.



Anspruchsniveaufestlegung: Neben diesen Vorgehensweisen kann für ein oder mehrere Ziele ein Erfüllungsgrad vorgegeben werden, der mindestens zu erreichen ist. Unter Berücksichtigung dieses Anspruchsniveaus kann ein dominantes Ziel verfolgt werden, so dass die Zielrestriktion folgt.

Im weiteren Verlauf wird zwischen zwei Entscheidungssituationen und daraus resultierenden Modellklassen unterschieden: •

Multi-Attribute-Decision-Making (MADM): Es steht eine endliche Menge von Alternativen zur Auswahl, die klar voneinander abgegrenzt sind und sich gegenseitig ausschließen. Die Lösung für das Problem besteht in der Auswahl einer dieser Alternativen.



Multi-Objective-Decision-Making (MODM): Ausgehend von einer Zielfunktion und einer Reihe von Nebenbedingungen muss eine Lösung gesucht werden. Es stehen keine Alternativen zur Auswahl, die Lösungsmenge ist demzufolge unendlich. Das ist die klassische Ausgangslage für Optimierungsverfahren. Dabei wird eine oder mehrere Ergebnisgrößen unter Berücksichtigung von Nebenbedingungen minimiert oder maximiert. Auf diese Verfahren wird nicht hier, sondern an anderer Stelle eingegangen.81

Im weiteren Verlauf werden ausschließlich Situationen des MADM vorgestellt. Die verschiedenen Zielkriterien können mit Blick auf die Kompensierbarkeit auch wie folgt unterteilt werden: 79 80 81

Vgl. Klein/Scholl (2011: 100); Wild (1974: 63–64). Vgl. Bitz (1981: 29); Küpper et al. (2013: 146). Vgl. Abschn. 4.1.3.

2.4 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und mehreren Zielen

101



kompensierbares Kriterium: Eine geringe Ausprägung dieses Kriteriums kann durch eine bessere Ausprägung eines anderen Kriteriums kompensiert werden. Jede beliebige Ausprägung, auch der Wert Null, ist zulässig.



Anspruchsniveau-Kriterium: Wird ein definiertes Anspruchsniveau dieses Kriteriums über- oder unterschritten, wird die Alternative ausgeschlossen. Eine Kompensation mit anderen Kriterien ist nicht möglich. Durch die Festlegung von derartigen Mindeststandards kann die Vorauswahl strukturiert werden.



Ausschluss-Kriterium: Es existieren einige Kriterien, die lediglich binär auf das Vorliegen einer positiven Ausprägung abgefragt werden können, wie z. B. das Vorliegen einer notwendigen Zertifizierung. Das Nicht-Vorliegen des Merkmals führt zum Ausschluss vom weiteren Verfahren. Eine Kompensation ist ebenfalls nicht möglich.

Bei Entscheidungsproblemen in der Praxis erfolgt i. d. R. eine Vorprüfung der Alternativen hinsichtlich Ausschluss- bzw. Anspruchsniveau-Kriterien. Diejenigen Alternativen, die diese Vorauswahl bestehen, werden eingehender geprüft. Im weiteren Verlauf wird von einer bereits erfolgten Vorprüfung ausgegangen. Im weiteren Verlauf werden l Ziele kr (r = 1, ...., l) und der endliche Aktionenraum A betrachtet. Jede Alternative ai führt bei jedem Teilziel kr zu einem Ergebnis eir . Die Ergebnisse sämtlicher Teilziele treten zu einem identischen Zeitpunkt ein. Wichtig ist der Hinweis darauf, dass der Ausgangspunkt der Betrachtung in einer Ergebnismatrix besteht. Das bedeutet, die vorliegenden Ergebnisse sind noch in Nutzenwerte zu transformieren. Zur Entscheidungsfindung muss die beste Alternative ausgewählt werden. Dazu ist die Frage zu beantworten, ob und wie der Nutzen einer Alternative unter Berücksichtigung der Erfüllung der Teilziele gemessen und verglichen werden kann. Es wurde bereits ausführlich auf die drei möglichen Typen von Nutzenfunktionen eingegangen: •

ordinale Nutzenfunktion (vgl. Def. 2.2.5),



kardinale Nutzenfunktion (vgl. Def. 2.2.7) und



kardinal messende Nutzenfunktion (vgl. Def. 2.2.8).

Bei den Ausführungen wurden auch die notwendigen Anforderungen an die Präferenzen diskutiert. Ohne eine Kenntnis der Erfüllung der Anforderungen kann auch keine Aussage zur Art der Nutzenfunktion getroffen werden. Im Abschn. 2.4.3 wird auf die Anforderungen an die Präferenzen und auf die Konsequenzen für die Art der Nutzenfunktion detailliert eingegangen. Der erste Schritt zu Lösung eines multikriteriellen Entscheidungsproblems besteht in der Überprüfung der Alternativenmenge auf ineffiziente Alterna-

102

2 Entscheidungstheorie

tiven.82 Wird eine Alternative ai von der Alternative aq dominiert, so ist die Alternative ai ineffizient und kann aus der weiteren Betrachtung ausgeschlossen werden. Definition 2.4.1 Gegeben sind l Ziele kr (r = 1, ...., l) und der Aktionenraum A. Eine Aktion ai ∈ A heißt genau dann effizient bezüglich der Aktionenmenge A und der Ziele k1 , ...., kl , wenn es keine Aktion aq ∈ A gibt, für welche gilt:83 eqr ≥ eir ∀ r = 1, ..., l und eqr > eir f u ¨r mindestens ein r Wenn es eine Aktion aq ∈ A gibt, welche diese beiden Kriterien erfüllt, so dominiert aq die Alternative ai . Dies ist gleichbedeutend damit, dass die Aktion ai ineffizient ist. Für die weiteren Darstellungen wird das Beispiel 2.3 eingeführt und es wird die Effizienzprüfung erläutert.

Beispiel 2.3 Für die weiteren Darstellungen wird das Beispiel aus Tabelle 2.6 eingeführt. Dabei wird deutlich, dass es sich bei den Ergebnissen um positive Ergebnisgrößen, wie z. B. Gewinn oder Umsatz, handelt.

Tabelle 2.6. Beispielhafte Ergebnismatrix bei mehrfacher Zielsetzung. Quelle: Eigene Darstellung.

PP Teilziel PP PP Aktion P a1 a2 a3 a4 a5

k1

k2

k3

10 14 15 15 16

20 19 19 13 18

16 18 15 15 12

Es ist festzustellen, dass in dem Beispiel die Alternative a4 durch a3 dominiert wird, ¨r r = 2 sowie e3r = e4r f u ¨r r = 1 und r = 3. da: e3r > e4r f u

82 83

Für das Goal-Programming kann diese Überprüfung nicht durchgeführt werden. Vgl. Bamberg/Coenenberg/Krapp (2019: 51).

2.4 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und mehreren Zielen

103

Zur Lösung stehen •

nicht-kompensatorische und



kompensatorische

Verfahren zur Auswahl. Kompensatorische Verfahren gehen davon aus, dass aus Sicht des Entscheidungsträgers eine geringe Ausprägung eines Teilziels durch eine bessere Ausprägung eines anderen Teilziels kompensiert werden kann. Deshalb werden sämtliche Verfahren der multikriteriellen Entscheidungsfindung, die auf dieser Annahme basieren, als kompensatorische Verfahren bezeichnet. Nichtkompensatorische Verfahren hingegen verwenden diese Annahme nicht. Es werden folgende Verfahren bzw. Theorien vorgestellt: – lexikografische Ordnung, – Körth-Regel, – – – –

multiattributive Nutzentheorie (Abschnitt 2.4.3.3), Nutzwertanalyse (Abschnitt 2.4.3.4), analytischer Hierarchieprozess (Abschnitt 2.4.3.5) sowie Goal-Programming (Abschnitt 2.4.3.6).

 Nicht-kompensatorische Verfahren

 Kompensatorische Verfahren

Im ersten Schritt werden die nicht-kompensatorischen Modelle vorgestellt.

2.4.2 Nicht-kompensatorische Verfahren Lexikografische Ordnung: Bei diesem Verfahren wird im ersten Schritt eine Rangordnung der Ziele gebildet und im Anschluss daran werden die Alternativen lediglich hinsichtlich ihres Erfüllungsgrades des Zieles der ersten Ordnung beurteilt. Existiert auf der Ebene der Ziele der ersten Ordnung keine relativ vorteilhafte Alternative, wird der Vergleich auf den nachrangigen Ebenen fortgesetzt, bis eine vorteilhafte Alternative identifiziert ist. Allgemeingültig werden k Ziele kr (r = 1, ...., l) betrachtet. Diese Ziele werden vom Akteur in der Reihenfolge absteigender Wichtigkeit geordnet, so dass k1 das wichtigste Ziel, k2 das zweitwichtigste Ziel und kl das unwichtigste Ziel darstellt. Die Ergebnisse der Alternative aA werden entsprechend der Wichtigkeit der Ziele geordnet in eA;1 , eA;2 , ..., eA;l und die Ergebnisse der Alternative aB werden geordnet in eB;1 , eB;2 , ..., eB;l . Die Alternative aA ist lexikografisch kleiner bzw. gleich aB , wenn gilt:84 (eA;1 , eA;2 , ...eA;l ) = (eB;1 , eB;2 , ...eB;l ) oder (eA;1 ) < (eB;1 ) 84

Vgl. Henze/Last (2005: 53). Vgl. auch die Verwendung der lexikografischen Ordnung im Rahmen der kooperativen Spieltheorie im Abschnitt 9.4.3.

104

2 Entscheidungstheorie

oder (eA;1 ) = (eB;1 ) und (eA;2 ) < (eB;2 ) oder (eA;1 ) = (eB;1 ) und (eA;2 ) = (eB;2 ) und (eA;3 ) < (eB;3 ) oder ... oder (eA;1 ) = (eB;1 ) und ... und (eA;l−1 ) = (eB;l−1 ) und (eA;l ) < (eB;l ) Dieses Vorgehen wird nun kurz erläutert.

Fortführung des Beispiels 2.3: Wird für das Beispiel aus Tabelle 2.6 unterstellt, dass für die Relation von Nutzen und Ergebnis folgende Relation gilt: ui;r = ei;r und wird außerdem eine Zielordnung aufgestellt, so dass k2  k3  k1 , ist Alternative a1 die optimale Alternative. Auf Rang zwei folgt Alternative a2 , die zwar wie Alternative a3 denselben Zielerreichungsgrad, jedoch bei dem nächstwichtigen Ziel k3 einen höheren Zielerreichungsgrad aufweist. Demzufolge folgen a3 und a5 auf den nächsten Positionen.

Es wird deutlich, dass die Wahl der optimalen Alternative von der festgelegten Rangordnung der Teilziele abhängig ist. Das Verfahren basiert auf einer lexikografischen Präferenzordnung. Auf die Unmöglichkeit der Abbildung solcher Ordnungen mittels einer stetigen Nutzenfunktion wurde bereits hingewiesen.85 Geeignet ist das Verfahren deshalb primär für Probleme, bei denen lediglich ordinal-skalierte Informationen über die Relevanz der Teilziele vorliegen. Da keine Kompensation zwischen den unterschiedlichen Erfüllungsgraden bei allen Teilzielen erfolgt, nutzt das Verfahren nicht sämtliche vorliegende Informationen. Körth-Regel: 86 Dieser Ansatz wurde 1969 entwickelt87 und entspricht dem Minimax-Kriterium unter Unsicherheit, weshalb er auch als Maximierung des minimalen Zielerreichungsgrades bezeichnet wird.88 In einem ersten Schritt wird für jedes Teilziel kr diejenige Alternative ermittelt, die das Maximum in Bezug auf dieses Teilziel maxh ehr erreicht. Im nächsten Schritt werden die Resultate der übrigen Alternativen in Relation zu diesem Wert gesetzt. eir Es resultiert: . maxh ehr Im Anschluss wird dasjenige Teilziel ermittelt, bei dem den  jede Alternative  eir minimalen Wert dieses Quotienten erzielt, d. h. min . r maxh ehr 85 86 87 88

Vgl. Bspl. 2.2. Benannt nach deren Begründer Heinz Körth. Vgl. Bamberg/Coenenberg/Krapp (2019: 54–55). Vgl. Abschn. 2.5.

2.4 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und mehreren Zielen

105

Das Maximum dieser minimalen Quotienten definiert im letzten Schritt die optimale Alternative. Die optimale Alternative aopt ergibt sich aus:89 



aopt = max min r

i

eir maxh ehr

 .

Die Anwendung dieser Regel wird im folgenden Beispiel demonstriert.

Fortführung des Beispiels 2.3: Unter Verwendung der Eingangsdaten aus Tabelle 2.6 ergeben sich die Werte in Tabelle 2.7.

Tabelle 2.7. Anwendungsbeispiel der Körth-Regel. Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von Tab. 2.6.

HH Teilziel HH HH Aktion

k1

k2

k3

a1

10 16

20 20

16 18

10 = 0, 625 16

a2

14 16

19 20

18 18

14 = 0, 875 16

a3

15 16

19 20

15 18

15 ≈ 0, 833 18

a5

16 16

18 20

12 18

12 ≈ 0, 667 18

 min r

eir maxh ehr



⇐ max

Die optimale Alternative gemäß der Körth-Regel ist demzufolge die Alternative a2 .

Während diese Regel im betrachteten Beispielfall plausibel erscheint, lassen sich Situationen konstruieren, in denen diese Plausibilität nicht mehr gegeben ist. Dazu sei das Beispiel in Tabelle 2.8 betrachtet.

89

Vgl. Bamberg/Coenenberg/Krapp (2019: 54).

106

2 Entscheidungstheorie

Tabelle 2.8. Modifiziertes Anwendungsbeispiel der Körth-Regel. Quelle: Bamberg/Coenenberg/Krapp (2019: 55).

H H Teilziel HH HH Aktion a1 a2

k1

k2

k3

k4

 min r

eir maxh ehr



Ausgangsdaten 1 1000 1000 1000 1001 1 1 1 ⇒ Das führt zu den folgenden Ergebniswerten

a1

1 1001

a2

1

1

1

1

1 1001

1 1000

1 1000

1 1000

1 1000

⇐ max

Die Feststellung der Alternative a2 als optimale Alternative der Körth-Regel ist vor dem Hintergrund, dass diese Alternative in Bezug auf das Maximum im Ziel k1 nur unwesentlich besser ist als die Alternative a1 , die jedoch in Bezug auf die drei anderen Teilziele eine bessere Ausprägung besitzt, fraglich.

2.4.3 Kompensatorische Verfahren 2.4.3.1 Einführung Es wurde bereits im Abschn. 2.4.1 dargelegt, dass kompensatorische Verfahren auf der Annahme beruhen, eine geringe Ausprägung eines Teilziels durch eine bessere Ausprägung eines anderen Teilziels zu kompensieren. Damit können die verschiedenen Teilziele additiv zu einer Gesamtgröße verknüpft werden. Eine ganze Reihe von Verfahren der multikriteriellen Entscheidungsfindung wurde auf der Basis der Wertaddition entwickelt, wie z. B. die multiattributive Nutzentheorie, die Nutzwertanalyse der analytische Hierarchieprozess. Aber auch im Rahmen der Produktentwicklung wird auf die theoretischen Grundlagen des additiven Nutzens zurückgegriffen, z. B. bei der Conjoint-Analyse.90 Alle diese Verfahren basieren auf meßtheoretischen Grundlagen, die im nächsten Abschnitt als Theorie des additiven Nutzens zusammengefasst sind. Damit wird die Basis für die detaillierte Vorstellung der einzelnen Verfahren geschaffen.

90

Vgl. Abschn. 3.4.2.1.

2.4 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und mehreren Zielen

107

2.4.3.2 Theorie des additiven Nutzens 2.4.3.2.1 Anforderungen an Präferenzen Ausgangspunkt der folgenden Betrachtungen ist ein Rückblick auf den einleitenden Abschnitt 2.2. In diesem wurde der Begriff des Präferenzfunktionals (vgl. Def. 2.2.2) und der Unterschied zur Nutzenfunktion erläutert. Diese definitorischen Grundlagen werden hier wieder aufgegriffen und folgendermaßen spezifiziert: •

Für jede Alternative existiert eine Nutzenfunktion über sämtliche Teilziele.



Diese Funktion kann durch ein ordnungstreues Präferenzfunktional aggregiert werden.

In diesem Zusammenhang wird synonym für das Präferenzfunktional der Begriff der Wertfunktion (value function), der messbaren Wertfunktion (measurable value function), Gesamtnutzenfunktion oder auch der Präferenzfunktion verwendet.91 Aus Konsistenzgründen werden diese Begriffe hier nicht verwendet. Die im Folgenden dargestellte Vorgehensweise zur Entwicklung des Präferenzfunktionals besteht in der Formulierung von Anforderungen an die Präferenzen des Akteurs. Dies entspricht der Vorgehensweise bei Entscheidungen unter Sicherheit und somit der zweiten Variante der in Tabelle 2.3 vorgestellten Möglichkeiten. Um die folgenden Darstellungen möglichst einfach zu halten, werden lediglich additive Funktionale betrachtet und darauf hingewiesen, dass auch andere Formen, z. B. multiplikative oder multilineare Funktionale, möglich sind. Es stellt sich die Frage, welche Anforderungen die Präferenzen erfüllen müssen, damit ein additives Funktional entsprechend Definition 2.4.2 existiert.92 Definition 2.4.2 Das Präferenzfunktional einer Alternative bei mehrfacher Zielsetzung Φ(a) ergibt sich aus der Summe der Nutzenwerte ur der Ergebnisse l  ur (er ). er sämtlicher l Teilziele wie folgt: Φ(a) = r=1

Damit eine solche additive Zusammenfassung möglich ist, müssen die Präferenzen bestimmte Anforderungen erfüllen. Dies kann mit der Eigenschaft und der Messbarkeit der Teilziele wie folgt erklärt werden: Jedes Teilziel kann auf 91 92

Vgl. Dyer/Sarin (1979); Schneeweiß (1991: 98); Eisenführ/Weber/Langer (2010: 111); Klein/Scholl (2011: 109). Vgl. Krantz et al. (1971: 302); French (1988: 103); Keeney/Raiffa (1993: 116); Bamberg/Coenenberg/Krapp (2019: 57).

108

2 Entscheidungstheorie

einer Ursprungsskala gemessen werden, wie z. B. Entfernungskilometer, Arbeitnehmeranzahl, Temperatur, Grundstücksgröße, Kaufpreis. Ausgehend von dieser Ursprungsskala bringt der Akteur die zur Verfügung stehenden Alternativen in eine Reihenfolge, so dass eine Bewertungsskala entsteht. Auf Basis dieser relativen Bewertungen wird der Nutzen der Ausprägung der Teilziele ermittelt. Schlussendlich erfolgt eine Zusammenfassung dieser Ausprägungen. Im Abschnitt 2.3.2 wurden Anforderungen an Präferenzen beschrieben, die für eine mathematische Modellierung stetiger Nutzenfunktionen bei einfacher Zielsetzung gelten. Nun soll geklärt werden, welche Anforderungen für die Abbildung eines additiv zusammengesetzten Funktionals zu beachten sind. Mit den folgenden Ausführungen sollen die Bedingungen für die Existenz einer additiven Präferenzstruktur offengelegt werden. Im englischsprachigen Bereich werden diese Inhalte unter dem Begriff „conjoint measurement“ subsummiert. Bisher – bei Vorliegen von lediglich einem Ziel – wurden die Präferenzrelationen auf der Ergebnismenge E beschrieben. Für die nun folgende Betrachtung der endlichen Anzahl von l Zielen ist die Menge E jedoch das l-dimensionale kartesische Produkt E = E1 ×E2 ×...×El . E1 ist die Menge der Ergebnisse der Alternativen im Teilziel 1, E2 ist die Menge der Ergebnisse der Alternativen im Teilziel 2 usw. Die Alternativen werden als Vektoren der Ausprägung bzw. Ergebnisse der verschiedenen Teilziele notiert, so dass ai = (ei,1 , ei,2 , ..., ei,l ).93 Die folgenden Darstellungen – und damit die gesamte Theorie additiver Präferenzfunktionale – beziehen sich auf das vollständige kartesische Produkt E = E1 × E2 × ... × El .94 Dies ist eine Implikation der mathematischen Grundlagen, jedoch sind aus praktischer Sicht oftmals lediglich Teilmengen von Interesse oder existent. Zur Veranschaulichung dient Beispiel 2.4.

Beispiel 2.4 Es wird der Fahrzeugkauf mit vier Teilzielen Beschleunigung (B), Größe (G), Leistung (L) und Ausstattung (A) betrachtet. Diese Eigenschaften liegen in den Ausprägungen B [m/s2 ] = {9, 3, 3/2},95 G = {klein, mittel, groß}, L [P S] = {50, 100, 150} und A = {einfach, gediegen, luxuriös} vor. Dann folgt die Anzahl der Elemente der Ergebnismenge |E| = |A| · |B| · |G| · |L| mit 81 geordneten Paaren. Für jede dieser Kombinationen muss sichergestellt werden, dass diese in der Realität existiert. Jedoch ist es fraglich, ob es ein großes, luxuriös ausgestattetes Fahrzeug mit lediglich 50 PS gibt und ob es ein solches Fahrzeug gibt, welches eine Beschleunigung von 9 m/s2 aufweist.

93 94 95

Vgl. Krantz et al. (1971: 247); French (1988: 103); Wakker (1989: 27); Takemura (2019: 157–158). Vgl. Krantz et al. (1971: 311). Hinweis: Eine Beschleunigung von 9 m/s2 entspricht einer Beschleunigung von 0 km/h auf 100 km/h in ca. 3 Sekunden.

2.4 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und mehreren Zielen

109

Ausgangspunkt der weiteren Analyse sind die im Abschnitt 2.3.2 vorgestellten grundsätzlichen Annahmen rationaler Präferenzen. Diese Eigenschaften wurden im Merksatz 2.2 zusammengefasst und werden nun für die paarweise Bewertung der Ergebnisse auf sämtlichen Teilzielen vorausgesetzt und im weiteren Verlauf als die “Axiome rationalen Entscheidens“ für jedes Teilziel bezeichnet (vgl. Def. 2.4.3). Definition 2.4.3 Die Axiome rationalen Entscheidens für die Präferenzrelation  auf E = E1 × E2 × ... × El sind Vollständigkeit, Reflexivität, Transitivität (Axiome 2.3.1 bis 2.3.3), Stetigkeit (Axiom 2.3.4) und Monotonie (Axiom 2.3.5). Nun stellt sich die Frage, ob und wie die verschiedenen Teilnutzen-Dimensionen entsprechend Definition 2.4.2 zusammengefasst werden können. Zur Erläuterung werden im Folgenden die drei wesentliche Teilziele X, Y und Z betrachtet. Kompensatorische Verfahren setzen voraus, dass für den Akteur eine geringere Ausprägung des Teilziels X durch eine bessere Ausprägung des Teilziels Y kompensiert werden kann. Mit der Annahme der additiven Präferenzstruktur wird demzufolge die Substituierbarkeit der Teilziele vorausgesetzt. Damit kann Merksatz 2.4 formuliert werden. Merksatz 2.4 (Kompensation) Wenn für den Akteur die Teilziele kompensatorischer Natur sind, so müssen für jedes Paar von Teilzielen Indifferenzkurven und Grenzraten der Substitution existieren. Im Folgenden werden fünf Anforderungen an Präferenzen vorgestellt, die zusätzlich zu den in Def. 2.4.3 genannten Axiomen erforderlich sind. Anders ausgedrückt: Es wird gezeigt, welche Anforderungen die Präferenzen des Akteurs erfüllen müssen, so dass diese durch ein additives Funktional erfasst werden können. Zu Beginn sind zwei Restriktionen einzuführen, die die Lage und Existenz der Indifferenzkurven betreffen. a) Wesentlichkeit: Es muss sichergestellt werden, dass keine Teilziele enthalten sind, die für die Präferenzordnung des Akteurs irrelevant sind.96 Dies wird mit dem Begriff „Wesentlichkeit“ beschrieben. Zur Erläuterung wird eine Alternative a betrachtet, mit l Teilzielen (k1 , ..., ki−1 , ki , ki+1 , ..., kl ), so dass gilt: a = (e1 , ..., ei−1 , ei , ei+1 , ..., el ). Das Ergebnis ei wird ersetzt mit einem anderen Wert γ, so dass die Alternative a−i γ wie folgt beschrieben wird: 96

Vgl. Wakker (1991: 505–506); Fishburn/Edwards (1997: 147); Bleichrodt/Quiggin (1999: 705).

110

2 Entscheidungstheorie

a−i γ = (e1 , . . . , ei−1 , γ, ei+1 , . . . , el ). Somit weisen die beiden Alternativen – bis auf das Teilziel i – in sämtlichen anderen Teilzielen identische Werte auf. Damit kann ein wesentliches Teilziel definiert werden (vgl. Anf. 2.4.1). Anforderung 2.4.1 (Wesentlichkeit) Das i-te Teilziel ist wesentlich für die Präferenzordnung auf E = E1 × E2 × ... × El , wenn es zwei Alternativen gibt a, a−i γ ∈ A für die gilt: a  a−i γ. Es dürfen nur Teilziele enthalten sein, die wesentlich sind. Diese Forderung erscheint auf den ersten Blick trivial. Jedoch ist es bei Existenz von vielen Teilzielen durchaus vorstellbar, dass die Erfüllung von l − 1 Teilzielen dazu führt, das ein Teilziel letztlich irrelevant ist. Mit der Wesentlichkeits-Forderung wird vermieden, dass Neutralität zwischen den Teilzielen existiert, so dass die Indifferenzkurven parallel zu den Achsen verlaufen. Die Wesentlichkeit der Teilziele sichert die Existenz eines additiven Funktionals, deren Wertrelation die Präferenzen zwischen den Alternativen abbildet (vgl. Merksatz 2.5). So kann gezeigt werden, dass bei Erfüllung sämtlicher – bisher aufgeführten und noch folgenden – Axiome, aber Nichterfüllung der Wesentlichkeit, die Präferenzen nicht abgebildet werden können.97 Die folgende Axiomatik ist auf Entscheidungssituationen mit mindestens drei wesentlichen Teilzielen ausgerichtet.98 b) Begrenzte Lösbarkeit: Die kompensatorische Natur der Teilziele erfordert die Existenz von Indifferenzkurven zwischen den Teilzielen. Bei der Darstellung der grundlegenden Axiome rationalen Verhaltens wurde die Lösbarkeit als eine Anforderung an die Präferenzen bzw. an die Alternativenmenge vorgestellt (vgl. Anforderung 2.3.9). Jede Wertdifferenz muss durch eine geeignete Alternative abbildbar sein, die Alternativenmenge muss möglichst dicht sein. Dies ist auch für multikriterielle Probleme zu fordern, wobei jedoch eine etwas schwächere Form, die sog. begrenzte Lösbarkeit erforderlich ist (vgl. Def. 2.4.2).99 Anforderung 2.4.2 (Begrenzte Lösbarkeit) Die Relation  auf E = X × Y erfüllt die Bedingung der begrenzten Lösbarkeit, wenn für alle x, x, x ∈ X und y1 , y2 ∈ Y mit: (x, y1 )  (x, y2 )  (x, y1 ) ein x∗ ∈ X existiert, so dass gilt: (x∗ , y1 ) ∼ (x, y2 ).

97 98

99

Vgl. Roberts (1985: 229). Liegen lediglich zwei wesentliche Teilziele vor, ist die Eigenschaft der wechselseitigen Präferenzunabhängigkeit durch die Thomson-Bedingung zu ersetzen. Vgl. Krantz et al. (1971: 256); French (1988: 116); Nitzsch (1992: 50–52). Vgl. Krantz et al. (1971: 256); French (1988: 114); Pomerol/Barba-Romero (2000: 154); Takemura (2019: 161).

2.4 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und mehreren Zielen

111

Mit dieser Eigenschaft soll sichergestellt werden, dass sämtliche Ausprägungen für jedes Paar von Teilzielen in einer Indifferenzkurve abgebildet werden können (vgl. Abb. 2.11 a). Zur Erklärung kann ein Akteur herangezogen werden, dem mehrere Bündel der beliebig teilbaren Güter (x, y) mit unterschiedlichen Mengen zur Auswahl stehen. Wenn für ihn gilt: (x, y1 )  (x, y2 )  (x, y1 ), so muss es eine Menge x∗ mit x < x∗ < x geben, so dass folgt: (x∗ , y1 ) ∼ (x, y2 ) (vgl. Abb. 2.11 b). Die Relation (x∗ , y1 ) ∼ (x, y2 ) liefert auch die Erklärung für die Bezeichnung der Bedingung: Wenn drei Ausprägungswerte bekannt sind, muss es möglich sein, daraus den vierten fehlenden Wert zu ermitteln. Die Ausprägung der Teilziele bei den einzelnen Alternativen muss demzufolge die Konstruktion beliebig vieler Indifferenzkurven ermöglichen. Abb. 2.11 a) macht deutlich, dass das Lösbarkeits-Axiom allein keine rationalen Präferenzen sicherstellt. Erst in Ergänzung zu den übrigen Axiomen resultiert die bekannte Darstellung (vg. 2.11 b).

Y

૛ ૚

Y

, ૛

 , ૚ 

, ૚

∗ , ૚

X

Abb. 2.11 a): Bei intransitiven Präferenzen



 , 

 , 

 ∗ , 

, 





∗

 

X

Abb. 2.11 b): Bei transitiven Präferenzen

Abbildung 2.11. Indifferenzkurven und begrenzte Lösbarkeits-Axiom. Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an: French (1988: 114); Pomerol/Barba-Romero (2000: 154); Takemura (2019: 163).

Die Bedeutung der Wesentlichkeit und Lösbarkeit wird im Zusammenhang mit der Ermittlung der Skalierungskonstanten am Beispiel 2.7 deutlich. Ohne die Erfüllung dieser Eigenschaften ist das Trade-off-Verfahren nicht durchführbar. Die Fortführung des Beispiels 2.4 zeigt, dass mit Blick auf die Eigenschaft von Teilzielen jedoch kritisch gefragt werden muss, ob die Lösbarkeits-Anforderung immer – speziell bei qualitativen Kriterien – erfüllbar ist.

112

2 Entscheidungstheorie

Fortführung des Beispiels 2.4: Es wird wiederum der Fahrzeugkauf mit vier Teilzielen Beschleunigung (B), Größe (G), Leistung (L) und Ausstattung (A) betrachtet. Werden nun z. B. die Teilziele „Größe“ als X und „Leistung“ als Y betrachtet, so ist es fraglich, ob es eine Größe x∗ gibt, welche zur Indifferenz der unterschiedlichen Leistungen führt. Die Lösbarkeitsbedingung fordert, dass es ebenso viele Größen-Klassen wie Leistungen gibt. So sind zwar die Eigenschaften „Beschleunigung“ und „Leistung“ fast stetig variierbar, nicht jedoch die Eigenschaft „Größe“.

Besonders bei Eigenschaften, die lediglich binär ausgeprägt sind, ist die Erfüllung der Lösbarkeits-Forderung problematisch. Mit diesen Voraussetzungen ist die Existenz von Indifferenzkurven für jedes Paar von Teilzielen sichergestellt. Nach diesen Annahmen können die folgenden Anforderungen eingeführt werden: c)

einfache Präferenzunabhängigkeit,

d)

wechselseitige Präferenzunabhängigkeit sowie

e)

Differenzunabhängigkeit.

Diese werden nun ausführlich erläutert. c) Einfache Präferenzunabhängigkeit (EPU): Diese grundlegende Form liegt vor, wenn für ein Teilziel (bzw. Merkmal oder Attribut) die Präferenz zwischen zwei Ausprägungen angegeben werden kann, ohne dass die Ausprägungen anderer Merkmale relevant sind (vgl. Anf. 2.4.3).100 Anforderung 2.4.3 (EPU) Merkmal X ist präferenzunabhängig von Merkmal Y , wenn für alle x, x ∈ X gilt: (x, y  )  (x , y  ) ⇒ (x, y)  (x , y) für alle y∈Y. Ein klassisches Beispiel für die Nichterfüllung der einfachen Präferenzunabhängigkeit lässt sich beim Restaurantbesuch mit der Entscheidung über Getränk und Hauptgericht finden. Wenn der Akteur die Wahl des Getränks von dem begleitenden Gericht abhängig macht, sind beide Teilziele nicht präferenzunabhängig. Häufig wird ein Fischgericht mit Weißwein kombiniert oder ein Wildgericht wird von Rotwein begleitet. Die Wahl des Getränks ist in diesem Fall nicht präferenzunabhängig von der Wahl des Essens. Diese Zuordnung 100

Vgl. Fishburn (1970: 43); Keeney/Raiffa (1993: 109); Dyer/Sarin (1979: 812); Fishburn/Wakker (1995: 1138–1139).

2.4 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und mehreren Zielen

113

ist jedoch von Person zu Person unterschiedlich. Es handelt sich immerhin um Präferenzen - diese sind subjektiv. Für einen passionierten Biertrinker mögen solche Gedanken deshalb abwegig sein: Er wählt immer Bier, unabhängig von der Speise. Deshalb sind für ihn beide Teilziele „Getränk“ und „Hauptgericht“ präferenzunabhängig. Zur Erläuterung wird das Beispiel 2.5 eingeführt. Beispiel 2.5 Für ein Entwicklungsprojekt werden drei Teilziele - Kosten (K), Qualität (Q), Zeit (T) - definiert. Wenn der Akteur von zwei alternativen Projekten immer dasjenige mit den geringsten Kosten bevorzugt, wäre das Merkmal „Kosten“ präferenzunabhängig. Bevorzugt er jedoch immer das Projekt mit der kürzesten Dauer, wäre Merkmal „Zeit“ präferenzunabhängig. Es ist jedoch offensichtlich oft so, dass die Merkmale Kosten“ und „Qualität“ bzw. „Kosten“ und „Zeit“ nicht präferenzunabhängig sind.

Die Präferenzunabhängigkeit kann auf sämtliche Teilziele ausgeweitet werden, was zur wechselseitigen Präferenzunabhängigkeit führt. d) Wechselseitige Präferenzunabhängigkeit (WPU): Wenn jede Teilmenge von Attributen präferenzunabhängig von der Menge der restlichen Attribute ist, liegt wechselseitige Präferenzunabhängigkeit (WPU) vor (vgl. Anf. 2.4.4).101 Anforderung 2.4.4 (WPU) Die Menge der Attribute Z ist wechselseitig präferenzunabhängig, wenn jede Teilmenge der Merkmale X ⊆ Z präferenzunabhängig von der Komplementärmenge der Attribute Y = Z\X ist. Es gilt für jedes X ⊆ Z und Y = Z\X: (x, y  )  (x , y  ) ⇒ (x, y)  (x , y) für alle y, y  ∈ Y . WPU des Attributspaares {X, Y } von dem Merkmal Z bedeutet, dass die Lage der Indifferenzkurve und somit die Grenzrate der Substitution von X und Y nicht von der Ausprägung des Merkmals Z abhängt. Demzufolge wird – wie in Abbildung 2.12 dargestellt – auch die Lage und Gestalt der Indifferenzkurven von X und Y nicht durch die Ausprägung von Z beeinflusst.102

101 102

Vgl. Keeney/Raiffa (1993: 111); Chankong/Haimes (1983: 73). Vgl. Keeney/Raiffa (1993: 101).

114

2 Entscheidungstheorie



z njϯ

njϮ

njϭ

y

Abbildung 2.12. Wechselseitige Präferenzunabhängigkeit. Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an: U. S. Department of Energy (1986: G-6).

Diese Form der Unabhängigkeit wird am bereits eingeführten Beispiel 2.5 erläutert.

Fortführung des Beispiels 2.5: Die Menge der Attribute ist Z = {K, T, Q}. Es ist denkbar, dass die Relation der Merkmale „Qualität“ und „Zeit“ unabhängig vom Merkmal „Kosten“ ist. Dann wäre die Menge X = {T, Q} präferenzunabhängig von der Komplementärmenge Y = {K}. Das könnte der Fall sein, wenn z. B. Qualität wichtiger ist als Zeit, unabhängig von der Kosten-Dimension. Auch ist ein Akteur vorstellbar, für den {K, T } präferenzunabhängig von {Q} ist. Dann wäre z. B. Zeit wichtiger als Kosten, unabhängig von der erreichten Qualität. Letzte mögliche Kombination wäre die Präferenzunabhängigkeit der Merkmalsmenge {K, Q} vom Merkmal Y = {T }, wenn z. B. Qualität immer wichtiger wäre als Kosten, unabhängig von der Projektdauer.

Das Beispiel 2.5 zeigt, dass diese Eigenschaft nicht in jedem Fall erfüllt ist. Es ist hier wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Eigenschaft der Unabhängigkeit von Präferenzen immer subjektiv ist. Es ist keine Eigenschaft, die sich personenunabhängig zwingend aus den physischen, optischen, haptischen, technischen oder anderen Eigenschaften von betrachteten

2.4 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und mehreren Zielen

115

Objekten, Produkten bzw. Alternativen ergibt. Im Gegenteil - es handelt sich immer um eine subjektive Einordnung der Wichtigkeit dieser Eigenschaften. Mit zunehmender Merkmalsmenge steigt auch der Berechnungsaufwand. Die Prüfung der WPU lässt sich jedoch wie folgt vereinfachen:103 Wenn jedes Paar von Attributen präferenzunabhängig von seiner Komplementärmenge ist, so sind die Attribute wechselseitig präferenzunabhängig. Die Forderung nach Unabhängigkeit ist nicht nur Bestandteil der Axiomatik der additiven Nutzentheorie, sondern auch für andere Axiomensysteme von grundlegender Bedeutung. Dies betrifft:104 •

Entscheidungen unter Ungewissheit in der Axiomatik von Milnor (vgl. Anforderung 2.5.9) sowie



Entscheidungen bei Risiko in der Axiomatik der Erwartungsnutzentheorie nach von Neumann und Morgenstern (vgl. Anforderung 2.6.7).

Sie wird in diesen Kontexten als Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen bezeichnet. WPU ist eine notwendige Voraussetzung für die Existenz einer additiven Präferenzstruktur.105 Deshalb kann als erstes Zwischenfazit festgehalten werden: Die WPU stellt die Existenz einer additiven Nutzenfunktion und damit eines entsprechenden Präferenzfunktionals sicher (vgl. Merksatz 2.5).106 Merksatz 2.5 Wenn in einem Entscheidungsproblem mit mindestens 3 wesentlichen Teilzielen (Def. 2.4.1) die Präferenzen des Akteurs die Axiome rationalen Entscheidens (Def. 2.4.3) sowie das Lösbarkeits-Axiom (Def. 2.4.2) erfüllen und wenn alle Teilziele wechselseitig präferenzunabhängig (Def. 2.4.4) sind, dann existiert eine Nutzenfunktion u : E → R, die die Präferenzrelation  auf E = E1 × E2 × ... × El so repräsentiert, dass gilt: l  r=1

ur (ex;r ) ≥

l 

ur (ey;r ) ⇔ x  y.

r=1

Jede andere Funktion v mit: v(e) = α · u(e) + β wobei α > 0 und α, β ∈ R, bildet ebenfalls die Präferenzrelation ab. Im Merksatz 2.5 sind die Anforderungen festgehalten, die erfüllt sein müssen, damit eine Präferenzrelation auf dem l-dimensionalen Kartesischen Produkt durch ein Präferenzfunktional abgebildet werden kann. Die Funktion 103 104 105 106

Vgl. Keeney/Raiffa (1993: 114). Vgl. Ballestero/Romero (1998: 52–55). Vgl. Keeney/Raiffa (1993: 105); Chankong/Haimes (1983: 74). Vgl. French (1988: 119–120); Krantz et al. (1971: 301–302); Chankong/Haimes (1983: 80–81); Roberts (1985: 219–220); Fishburn/Edwards (1997: 147).

116

2 Entscheidungstheorie

in Merksatz 2.5 ist offensichtlich kardinaler Natur entsprechend Definition 2.2.7. Merksatz 2.5 ist für alle Verfahren der additiven Nutzenmessung gültig. Die darin zusammengefassten Anforderungen bzw. Aussagen stellen die Richtschnur für eine additive Zusammenfassung mehrerer Teilnutzenfunktionen dar. Im Merksatz 2.5 sind alle Anforderungen zusammengefasst, die mess- und nutzentheoretisch erforderlich sind. Für ein besseres Verständnis – und weil es für die Ausführungen bei Entscheidungen unter Risiko (vgl. Abschn. 2.6.3.1) hilfreich ist – werden die inhaltlich wichtigsten Anforderungen an die Präferenzen wie folgt zusammengefasst: •

Ordnung,



Stetigkeit sowie



Unabhängigkeit.

e) Differenzunabhängigkeit: Bei den Erläuterungen der Anforderungen an rationale Präferenzen für eine kardinal messende Nutzenfunktion nach Def. 2.2.8 ist bereits auf die Bedeutung von Nutzendifferenzen (vgl. Merksatz 2.3) eingegangen worden. Diese Anforderungen müssen auch für multikriterielle Entscheidungen gelten. Deshalb kann der folgende Gedanke formuliert werden: Wenn ein additives, kardinal messendes Präferenzfunktional existieren soll, so muss die Differenz zwischen der Präferenz für zwei Ergebnisse in Bezug auf ein Merkmal unabhängig davon sein, welche Ausprägungen andere Merkmale aufweisen. Zur Erläuterung wird die Abbildung 2.13 verwendet, in der zwei Merkmale X und Y abgebildet sind.

z

LJϮ

LJϭ

džϭ

džϮ

dž

dž

y

Abbildung 2.13. Schwache Differenzunabhängigkeit. Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an: Chankong/Haimes (1983: 83).

2.4 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und mehreren Zielen

117

Der Abstand zwischen dem Ergebnis x4 und x3 ist größer als zwischen x2 und x1 . Dieser Unterschied ist unabhängig davon, ob Merkmal Y als y1 oder y2 ausgeprägt ist. Damit kann die schwache Differenzunabhängigkeit in Anf. 2.4.5 festgehalten werden.107 Anforderung 2.4.5 Merkmal X ist schwach differenzunabhängig von Merkmal Y , wenn für jedes beliebige x, x , x , x ∈ X mit (x , y) ← (x , y) D (x , y) ← (x, y) für ein y ∈ Y auch gilt: (x , y  ) ← (x , y  ) D (x , y  ) ← (x, y  ) für jedes y  ∈ Y . Schwache Differenzunabhängigkeit des Merkmals X vom Merkmal Y bedeutet, dass die Ordnung der Präferenzdifferenzen für X nur von den Ausprägungen dieses Merkmals abhängt und nicht von den Ausprägungen des Merkmals Y . Im Beispiel 2.5 würde schwache Differenzunabhängigkeit des Merkmals „Zeit“ vorliegen, wenn die Reduktion der Projektdauer um 20 Tage (50 d  70 d) einer Reduktion um 10 Tage (50 d  60 d) vorgezogen wird, unabhängig davon welche Ausprägungen die Merkmale „Kosten“ bzw. „Qualität“ aufweisen. Die Eigenschaft der schwachen Differenzunabhängigkeit kann verstärkt werden, so dass nicht nur die Ordnung sondern der Wert der Präferenzdifferenzen bezüglich eines Merkmals unabhängig von anderen Merkmalen ist (vgl. Anf. 2.4.6).108 Anforderung 2.4.6 (Differenzunabhängigkeit) Merkmal X ist differenzunabhängig von Merkmal Y , wenn für alle x, x ∈ X mit (x, y)  (x , y) für ein y ∈ Y gilt, auch gelten muss: (x, y) ← (x , y) ∼D (x, y  ) ← (x , y  ) für jedes y ∈ Y . Wenn der Akteur die Ausprägung x der Ausprägung x vorzieht, so bleibt die Differenz zwischen diesen Werten erhalten, unabhängig davon, welche Ausprägungen andere Merkmale aufweisen. Dies wird am zuvor eingeführten Beispiel 2.5 erklärt.

Fortführung des Beispiels 2.5: Differenzunabhängigkeit des Merkmals „Zeit“ im Beispiel 2.5 wäre gegeben, wenn die oben beschriebene Präferenzrelation der Projektdauer (50 d  70 d) zur Folge hätte, dass der Wert einer Reduktion um 20 Tage für den Akteur identisch ist, unabhängig von den Ausprägungen der Merkmale „Kosten“ bzw. „Qualität“. Einfach ausgedrückt: Für eine Reduktion der Projektdauer um 20 Tage wäre der Akteur beispielsweise bereit, sowohl eine Kostenerhöhung um 10.000  als auch um 30.000  in Kauf zu 107 108

Vgl. Dyer/Sarin (1979: 814); Chankong/Haimes (1983: 83). Vgl. Dyer/Sarin (1979: 812); Keller/Simon (2019: 245).

118

2 Entscheidungstheorie

nehmen, aber auch eine Kostensenkung. Der Wert der 20-Tage-Reduktion wäre für ihn derselbe.

Die Präferenzrelation D auf E = E1 × E2 × ...× El muss zusätzlich die bereits erwähnten Grundlagen der Abstandsmessung •

Relevanz: Axiom 2.3.6,



Äquivalenz: Axiom 2.3.7 sowie



Konsistenz: Axiom 2.3.8

erfüllen. Mit diesen Eigenschaften von Präferenzen ist die Existenz einer kardinal messenden, additiven Nutzenfunktion sichergestellt (vgl. Merksatz 2.6).109 Merksatz 2.6 Wenn in einem Entscheidungsproblem mit mindestens 3 wesentlichen Teilzielen (Anf. 2.4.1) die Präferenzen eines Akteurs die Axiome rationalen Entscheidens (Def. 2.4.3) sowie das Axiom begrenzter Lösbarkeit (Anf. 2.4.2) erfüllen und wenn alle Teilziele wechselseitig präferenzunabhängig (Anf. 2.4.4) und differenzunabhängig (Anf. 2.4.6) sind, dann existiert eine Nutzenfunktion u : E → R, die die Präferenzrelation  auf E = E1 × E2 × ... × El in folgender Weise repräsentiert: l 

ur (ex;r ) ≥

r=1 l  r=1

ur (ex;r ) −

l  r=1

ur (ey;r ) ≥

l  r=1

l 

ur (ey;r ) ⇔ x  y

r=1

ur (ez;r ) −

l 

ur (ew;r ) ⇔ (y → x) D (w → z).

r=1

Jede andere Funktion v mit: v(e) = α · u(e) + β wobei α > 0 und α, β ∈ R, bildet ebenfalls die Präferenzrelation ab. Aus Merksatz 2.6 wird deutlich, dass die Anforderungen an die Präferenzen für die Existenz eines kardinal messenden Funktionals sehr umfangreich sind. Für reale Entscheidungsprobleme dürfte deshalb eher ein kardinales Funktional entsprechend Merksatz 2.5 vorlegen bzw. konstruiert werden können. In Tabelle 2.51 sind die wesentlichen Axiome und die sich daraus ergebenden Funktionale zusammengefasst. Mit diesen Axiomen werden die messtheoretischen Anforderungen deutlich, die für eine additive Verknüpfung von Einzelnutzenfunktionen erforderlich sind. In der praktischen Umsetzung ist zusätzlich die korrekte Berücksichtigung der unterschiedlichen Teilziel-Dimensionen erforderlich. Dies wird im nächsten Abschnitt vorgestellt. 109

Vgl. Dyer/Sarin (1979: 813); Dyer/Sarin (1981: 131).

2.4 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und mehreren Zielen

119

2.4.3.2.2 Zielgewichte und Indifferenzkurven Das additive Funktional aus Definition 2.4.2 wird häufig wie in der Definition 2.4.4 formuliert.110 Definition 2.4.4 Der Gesamtnutzen einer Handlungsalternative U (a) ergibt l  λr · ur (er ). sich wie folgt: U (a) = r=1

Die Verwendung von Definition 2.4.4 erfordert bzw. impliziert:111 •



die Erfüllung der Anforderungen an additive Präferenzstrukturen (vgl. Merksatz 2.5 bzw. Merksatz 2.6), wobei mindestens die Axiome aus Merksatz 2.5 erfüllt sein müssen sowie l  λr = 1. die Definition von λr , so dass 0 < λr ≤ 1 und r=1

Der Variablen λr in Definition 2.4.4 kommt eine besondere Bedeutung zu. Es handelt sich dabei um eine Skalierungskonstante.112 Die Funktion der Konstanten kann wie folgt erklärt werden: Jedes der unterschiedlichen Teilziele wird auf einer Ursprungsskala gemessen, wie z. B. Entfernung [km], Arbeitnehmer [Anzahl], Grundstücksgröße [m2 ], Kaufpreis []. Aufgrund der verschiedenen Breite der Skalen ist jede Einheit auf jeder Skala unterschiedlich lang. Die Einzelnutzenfunktionen sind auf das Intervall [0; 1] normiert. Es muss sichergestellt werden, dass der Einzelnutzen jedes Teilziels auf identisch lange Einheiten bezogen ist. Deshalb sind die Ursprungs-Skalen in sog. Standard-Skalen umzurechnen.113 Damit ist sichergestellt, dass nicht „Äpfel und Birnen addiert werden“. Die Höhe der Variablen hängt von den Ausprägungsintervallen jedes Teilzieles ab. Je größer ein Intervall ist, desto höher ist auch der Wert der Skalierungskonstanten.114 Dazu wird Beispiel 2.6 betrachtet.

110

111 112 113 114

Vgl. Nitzsch (1992: 22); Keeney/Raiffa (1993: 117); Schneeweiß (1991: 99); Eisenführ/Weber/Langer (2010: 131); Klein/Scholl (2011: 111); Bamberg/Coenenberg/Krapp (2019: 58). Vgl. Zangemeister (1976: 84–86); Keeney/Raiffa (1993: 85–86); French (1988: 128– 130). Vgl. Keeney/Raiffa (1993: 117); Chankong/Haimes (1983: 72); Eisenführ/Weber/Langer (2010: 131). Vgl. dazu auch Abb. 2.14. Vgl. Bouyssou/Pirlo (2016: 133).

120

2 Entscheidungstheorie

Beispiel 2.6 Im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Grundstücks werden Kriterien, Alternativen und Ausprägungen wie in Tab. 2.9 betrachtet.

Tabelle 2.9. Ausgangswerte des Skalierungs-Beispiels. Quelle: Eigene Darstellung.

``` Alternative ``` Teilziel `` Entfernung [km] Wohnfläche [m2 ] Preis [T sd. ]

a1

a2

e

e

10 100 140

50 150 180

0 200 100

100 100 200

In der Tab. 2.9 sind nicht alle verfügbaren Alternativen abgebildet. Dies wird dadurch deutlich, dass die Alternative 2 die geringste Ausprägung der Wohnfläche verzeichnet, die anderen Extremwerte jedoch bei keiner der beiden Alternativen auftreten. Bei Annahme eines linearen Wertverlaufs ergeben sich die folgenden Einzelnutzenfunktionen: • • •

1 · e + 1, 100 E 1 · e − 1, Wohnfläche: uW (eW ) = 100 W 1 · e + 2. Preis: uP (eP ) = − 100 P

Entfernung: uE (eE ) = −

Wird nun davon ausgegangen, dass sämtliche Teilziele dieselbe Gewichtung erhalten,115 ergibt sich die folgende Bewertung: U (a1 ) = λE · uE;a1 + λW · uW ;a1 + λP · uP ;a1       1 1 1 1 1 1 = · − · 10 + 1 + · · 100 − 1 + · − · 140 + 2 3 100 3 100 3 100 = 0, 5 U (a2 ) = λE · uE;a2 + λW · uW ;a2 + λP · uP ;a2  1  1  1  1  1  1 · 50 + 1 + · · 150 − 1 + · − · 180 + 2 = · − 3 100 3 100 3 100 = 0, 4

Ein Blick auf die Skalen im Beispiel 2.6 zeigt, dass offensichtlich gilt: u(1 m2 ) = u(1 km) = u(1 T sd. ). Um dies zu kompensieren, muss die Gewichtung angepasst werden. Dazu wird in einem ersten Schritt der Faktor der Skalenänderung des Teilziels j ermittelt:116 115 116

Die konsistente Ermittlung der Skalierungskonstanten wird im Abschn. 2.4.3.3 dargestellt. Vgl. Eisenführ/Weber/Langer (2010: 157).

2.4 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und mehreren Zielen

121

ΔSj = ualt (eneu ) − ualt (eneu ) Mit ΔSj wird die Differenz ermittelt, die sich bei Verwendung der ursprünglichen Nutzenfunktion (also der Nutzenfunktion mit den alten Skalengrenzen) auf die neuen Skalengrenzen für Teilziel j ergeben. Mit diesem Faktor werden im nächsten Schritt die neuen Skalierungen wie folgt ermittelt:117 λj;neu = 

λj;alt · ΔSj λi;alt + λj;alt · ΔSj

i =j

λi;neu = 

λi;alt λi;alt + λj;alt · ΔSj

i =j

Diese Ermittlung und die Konsequenzen werden durch Fortführung von Beispiel 2.6 demonstriert.

Fortführung des Beispiels 2.6: Nun wird angenommen, dass bei der weiteren Alternativensuche ein Objekt gefunden wird, das über eine Fläche von 300 m2 verfügt. •



Ermittlung von ΔSj für die Wohnfläche:  1   1  · 300 − 1 − · 100 − 1 = 2 ΔSW = 100 100 Ermittlung der neuen Gewichtungsfaktoren: 1/3 1 • Entfernung: λE;neu = = 1/3 + 1/3 + 2 · 1/3 4 •

Wohnfläche: λW ;neu =



Preis:

λP ;neu =

1/3 · 2 1/3 + 1/3 + 2 · 1/3 1/3 1/3 + 1/3 + 2 · 1/3

=

1 2

=

1 4

Die Existenz des neuen Objektes verdoppelt die Skalenlänge, auf welcher der Nutzen einer Einheit Wohnfläche gemessen wird. Damit ändert sich gleichzeitig der Wert einer Nutzeneinheit pro Skalen-Einheit Wohnfläche. Das Verhältnis von λW zu den anderen zwei Skalierungskonstanten beträgt nun 2 : 1. Der Nutzen von zwei Einheiten auf der Wohnflächen-Skala entspricht dem Nutzen einer Einheit auf den anderen Skalen. Damit ergeben sich die Teil-und Gesamtnutzenwerte der zwei Alternativen mit der veränderten Nutzenfunktion: U (a1 ) = 0, 375; U (a2 ) = 0, 300. Die Rangfolge zwischen den Alternativen bleibt jedoch unverändert.

117

Vgl. Eisenführ/Weber/Langer (2010: 157–158).

122

2 Entscheidungstheorie

Das Beispiel 2.6 zeigt auch, dass die Skalierungskonstante λi – genau betrachtet – nicht dimensionslos ist, sondern immer das Verhältnis einer Nutzeneinheit in Relation zu einer Einheit der Skala zur Messung des Teilzieles i als Einheit erhalten müsste. Die Skalierungskonstante fungiert quasi als Äquivalenzziffer zur Umrechnung sämtlicher Skalen in eine Einheitsskala. Oftmals werden Werte für die Gewichte von Teilzielen bestimmt, ohne die Ausprägungsintervalle der Skalen zu berücksichtigen118 und es wird dem Faktor λr die Bedeutung eines Gewichtes des Teilzieles r zugewiesen. Damit wird jedoch nicht der Natur des additiven Modells entsprochen.119 Die Bedeutung und Ermittlung der Skalierungskonstanten wird mit Blick auf Abb. 2.14 motiviert. Die Attribute werden auf unterschiedlichen Ursprungsskalen gemessen, welche naturgemäß verschiedene Intervallgrenzen und Längen aufweisen. Nun muss der Nutzen, den eine Einheit der Ursprungs-Skala stiftet, normiert werden, damit die daraus entstehenden Teilnutzenwerte addiert werden können. Die additive Struktur erfordert demzufolge die Verwendung von Skalen mit identischer Länge für sämtliche Attribute. Jede Einheit auf jeder Skala muss gleich lang sein, damit die Addition der Nutzenwerte sämtlicher Attributsausprägungen zu einem vergleichbaren Urteil für alle Alternativen führt. Anders ausgedrückt: Da der Nutzen aus allen Teilzielen additiv ermittelt wird, muss die Relation von Nutzeneinheit zu Skaleneinheit für alle Teilnutzen und Teilziele identisch sein. ^ĐŚůĞĐŚƚĞƐƚĞƵƐƉƌćŐƵŶŐ

ĞƐƚĞƵƐƉƌćŐƵŶŐ ͙͙͙͙͙͙͙͙͙͙͙͘͘

dĞŝůnjŝĞůϭ͗'ƌƂƘĞ ϭϬϬŵϮ dĞŝůnjŝĞůϮ͗ ƐƚŚĞƚŝŬ

EŽƚĞϮ

dĞŝůnjŝĞůϯ͗ŶƚĨĞƌŶƵŶŐ ϮϬŬŵ

ϭ͘ϬϬϬŵϮ ͙͙͙͙͙͙͙͙͙͙͙͘͘

EŽƚĞϭϬ

͙͙͙͙͙͙͙͙͙͙͙͘͘ ϮŬŵ

Abbildung 2.14. Skalen unterschiedlicher Teilziele. Quelle: Eigene Darstellung.

Die vorausgesetzte Erfüllung der Anforderungen an additive Präferenzstrukturen von Merksatz 2.5 bzw. Merksatz 2.6 impliziert die Existenz von Indifferenzkurven zwischen jedem Paar von Teilzielen. 118 119

Vgl. Abschn. 2.4.3.2.4. „Again, note that we are speaking here of [...] as scaling constants and not as weights. As already mentioned weights that would reflect the “importance“ of attributes are irrelevant to assess the additive value function model. [...] This point is unfortunately too often forgotten when using a weighted average of some numerical attributes.“ Bouyssou/Pirlo (2016: 133). Vgl. Klein/Scholl (2011: 114) zu einer ähnlichen Argumentation.

2.4 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und mehreren Zielen

123

2.4.3.2.3 Lineare Indifferenzkurven Die Komponenten des kompensatorischen Modells aus Merksatz 2.4 werden häufig so spezifiziert, dass die Indifferenzkurven zwischen jedem Paar von Teilzielen linear sind.120 Die Annahme linearer Indifferenzkurven bei multikriteriellen Entscheidungsproblemen ist in der Ökonomie weit verbreitet. So basieren z. B. die Nutzwertanalyse (vgl. Abschn. 2.4.3.4) und das Kapitalwertkriterium (vgl. Abschn. 8.3.2) ebenfalls auf dieser Annahme. Zur Erklärung werden die Nutzen zweier Teilziele u1 , u2 und die damit verbundene Gesamtnutzenfunktion U (u1 , u2 ) = λ1 u1 + λ2 u2 betrachtet. Die Änderung des Gesamtnutzens bei gleichzeitiger, infinitesimaler Variation der Teilnutzen ergibt sich aus: ∂U (u1 , u2 ) ∂U (u1 , u2 ) · du1 + · du2 . dU (u1 , u2 ) = ∂u1 ∂u2 Wird von einem konstanten Gesamtnutzen ausgegangen, folgt dU (u1 , u2 ) = 0 und somit: ∂U (u1 , u2 ) ∂U (u1 , u2 ) 0= · du1 + · du2 . ∂u1 ∂u2 Im vorliegenden Fall gilt: ∂U (u1 , u2 ) ∂U (u1 , u2 ) =λ1 , = λ2 ∂u1 ∂u2 Es folgt: 0 =λ1 · du1 + λ2 · du2 Dies kann formuliert werden zu: du2 λ1 − = . du1 λ2 Die Grenzrate der Substitution (vgl. Def. 2.3.2) folgt dann aus: ∂U (u1 , u2 ) du2 λ1 ∂u1 GRS(u1 , u2 ) = − = = ∂U (u1 , u2 ) du1 λ2 ∂u2 Die Grenzrate der Substitution zwischen den Teilzielen entspricht demzufolge dem umgekehrten Verhältnis der Vorfaktoren λ. Mit der Linearität der Indifferenzkurven ist gleichzeitig die Existenz konstanter Austauschraten zwischen 120

Indifferenzkurven und die Grenzrate der Substitution wurden bereits vorgestellt. Vgl. Abb. 2.7.

124

2 Entscheidungstheorie

dem Nutzen von Teilzielen festgelegt.121 . Dies wird in Abb. 2.15 dargestellt. Die Grenzrate der Substitution ist konstant, was wechselseitige Präferenzunabhängigkeit für sämtliche Paare von Teilzielen impliziert. Dies ist in Merksatz 2.7 festgehalten.122 Merksatz 2.7 Die Verwendung konstanter Grenzraten der Substitution impliziert die Existenz gegenseitiger Präferenzunabhängigkeit sämtlicher Teilziele.

ϭ

U = l1u1 + l2 u 2 = konstant

⎛l ⎞ Du1 = -⎜⎜ 2 ⎟⎟ D u2 ⎝ l1 ⎠

Du1 D u2

Ϯ

Abbildung 2.15. Lineare Indifferenzkurve und konstante Substitutionsrate. Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an: Zangemeister (1976: 86).

du2 λ1 = . Zur Vereinfachung wird du1 λ2 der Faktor αij eingeführt, der angibt, wie viel Mal das Ziel i wichtiger ist als das Ziel j. Dabei gilt:123 λi αij = . λj

Aus obiger Darstellung ist ersichtlich, dass

Mit der Linearität sind zwei Eigenschaften der Skalierungskonstanten verbunden: •

Konsistenz und



Reziprozität.

Für das Verhältnis der relativen Wichtigkeiten der Ziele h, i, j muss im Falle konsistenter Relationen gelten: 121 122 123

Vgl. Keeney/Raiffa (1993: 85). Vgl. French (1988: 131). Vgl. French (1988: 129); Bamberg/Coenenberg/Krapp (2019: 58–59).

2.4 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und mehreren Zielen

125

αhi · αij = αhj ∀ 1 ≤ h, i, j ≤ l Auf Basis dieser Beziehung der relativen Wichtigkeiten muss für die Zielgewichte gelten:124 λh λi λh · = ∀ 1 ≤ h, i, j ≤ l λi λj λj Die zweite Grundanforderung an konsistente Paarvergleiche beinhaltet, dass die Austauschraten der Gewichte zweier Ziele zueinander reziprok sind. Es gilt: 1 αhi = αih Als dritte Bedingung ist korrekterweise noch zu fordern αhi = ∞ ∀ 1 ≤ h, i ≤ l. Damit wird ausgedrückt, dass eine Alternative nie unendlich besser sein kann als die Vergleichsalternative. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, können die normierten Zielgewichte aus folgender Beziehung ermittelt werden:125 λi =

αij l 

∀ 1≤i≤l

αrj

r=1

2.4.3.2.4 Ermittlung der Zielgewichte Zentrale Fragestellung ist deshalb die Ermittlung bzw. Festlegung der Variablen λr bzw. der „Zielgewichte“. Dazu können die folgenden Verfahren verwendet werden: •

Trade-off-Verfahren,



direkter, vollständiger Paarvergleich oder



holistische Zuweisung.

Trade-off-Verfahren Der Akteur wird in eine Situation gebracht, in der er sich zwischen zwei Alternativen entscheiden muss, also ein trade-off vorliegt. Dem Entscheidungsträger werden zwei Alternativen präsentiert, die in den zwei Teilzielen i und j abweichende, jedoch in sämtlichen anderen Teilzielen dieselbe Ausprägung 124 125

Vgl. Bamberg/Coenenberg/Krapp (2019: 58–59). Vgl. Zimmermann/Gutsche (1991: 56).

126

2 Entscheidungstheorie

aufweisen und er muss angeben, bei welcher Kombination er indifferent ist. Dies wird an den Alternativen a1 und a2 erläutert:126 a1 =(e(1,1) , ..., e(1,i−1) , ρ1 , e(1,i+1) , ..., e(1,j−1) , τ1 , e(1,j+1) , ..., e(1,l) ) a2 =(e(2,1) , ..., e(2,i−1) , ρ2 , e(2,i+1) , ..., e(2,j−1) , τ2 , e(2,j+1) , ..., e(2,l) ) a1 ∼ a2 Aufgrund der Identität der Ausprägung sämtlicher Teilziele außer i und j folgt bei dieser Indifferenz: λi · ui (ρ1 ) + λj · uj (τ1 ) = λi · ui (ρ2 ) + λj · uj (τ2 ) Das führt zu: λi · [ui (ρ1 ) − ui (ρ2 )] = λj · [ui (τ2 ) − ui (τ1 )] λi uj (τ2 ) − uj (τ1 ) = λj ui (ρ1 ) − ui (ρ2 ) Die Darstellungen können wie folgt interpretiert werden: Indifferenz zwischen den Alternativen a1 und a2 bedeutet, dass die Präferenzdifferenz zwischen den Ausprägungen ρ1 und ρ2 bei dem Attribut i exakt ausgeglichen wird durch die Präferenzdifferenz zwischen den Ausprägungen τ2 und τ1 bei dem Attribut j. Die Skalierungskonstanten λi und λj sorgen dafür, dass beide Attribute auf einer einheitlichen Skala abgetragen und verglichen werden. Die Präferenzintervalle beider Attribute haben also exakt dieselbe Länge und deshalb entspricht jede Einheit auf beiden Skalen einer identischen Nutzeneinheit. Im Abschnitt 2.4.3.3 erfolgt eine Erläuterung des Verfahrens. Das Trade-offVerfahren ist das einzige methodisch einwandfreie Verfahren. Jedoch ist es nicht einfach durchzuführen. Deshalb sind einfachere Methoden entstanden, die im Folgenden vorgestellt werden. Direkter, vollständiger Paarvergleich Aufgrund höherer Aussagekraft besser geeignet ist der direkte Paarvergleich, welcher ebenfalls auf Basis einer Ordinal-, Intervall- oder Verhältnisskala durchgeführt werden kann. Bei Verwendung einer Ordinalskala muss der Akteur für jedes Ziel angeben, ob er dieses Ziel für wichtiger oder für unwichtiger im Vergleich zu dem anderen Ziel einordnet. Diese Einordnung wird für jedes Zielpaar vorgenommen. Das Ergebnis kann als Dominanzmatrix dargestellt werden. Wird in dem Einführungsbeispiel angenommen, der Akteur schätze das Teilziel k2 wichtiger ein als die Ziele k1 und k3 und gleichzeitig schätze er das Ziel k3 wichtiger ein als das Ziel k1 , resultiert die Dominanzmatrix in Tabelle 2.10. 126

Vgl. Eisenführ/Weber/Langer (2010: 140).

2.4 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und mehreren Zielen

127

Tabelle 2.10. Ordinalskalierte Paarvergleichsmatrix des Beispiels. Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an: Zangemeister (1976: 161).

PP PPTeilziel PP Teilziel P k1 k2 k3

k1

k2

k3

Summe

1 1

-

1 -

0 2 1

Die Ergebnisse der Dominanzmatrix wiederum können auf zwei Wegen verwendet werden. Entweder es wird eine einfache Präferenzrelation erstellt, die in diesem Falle lauten würde: k2  k3  k1 . Oder die Summe der dominierten Paarvergleiche für jedes Teilziel wird auf die Gesamtsumme der dominierten Ziele bezogen. Dies würde ein Gewicht für das Ziel k2 von 2/3 und für das Ziel k3 von 1/3 ergeben. Der in Tabelle 2.10 dargestellte Paarvergleich kann auch variiert werden, indem für den Vergleich jeder Alternative mit sich selbst ein Punkt vergeben wird. Dies führt zwar nicht zu einer anderen ordinalen Präferenz, jedoch zu einer anderen Gewichtung (vgl. Tab. 2.11).

Tabelle 2.11. Alternative ordinalskalierte Paarvergleichsmatrix des Beispiels. Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an: Adam (1997: 416–417).

PP PPTeilziel PP Teilziel P k1 k2 k3

k1

k2

k3

Summe

1 1 1

1

1 1

1 3 2

Bei dieser Vorgehensweise erhält Ziel k1 ein Gewicht von 1/6, k2 erhält ein Gewicht von 1/2 und k3 einen Anteil von 1/3. Als Verfahren der vollständigen Paarvergleiche auf Basis einer Intervallskala ist der analytische Hierarchieprozess zu nennen, der auf der Verwendung einer 9-Punkte-Skala basiert. Diese Vorgehensweise wird im Zusammenhang mit dem zugrunde liegenden Verfahren im Abschnitt 2.4.3.5 detailliert vorgestellt. Die Methode der paarweisen Vergleiche kann jedoch auch auf Basis einer Verhältnisskala durchgeführt werden. Dieses Verfahren wird auch als DirectRatio-Verfahren bezeichnet.127 Dabei wird angegeben, um wie viel wichtiger ein Ziel im Verhältnis zu dem anderen Ziel ist. Dies wird durch den Faktor αij ausgedrückt, der angibt, wie viel Mal das Ziel i wichtiger ist als das Ziel j. Dabei gilt:128 127 128

Vgl. Eisenführ/Weber/Langer (2010: 145–146). Vgl. Zimmermann/Gutsche (1991: 55).

128

2 Entscheidungstheorie

αij =

λi . λj

Wird von konstanten Austauschraten zwischen den Teilzielen ausgegangen (vgl. Abb. 2.15), kann die Matrix der Zielgewichte auf Konsistenz geprüft werden. Dass erfolgt durch die folgenden Bedingungen:129 •

Konsistenz,



Reziprozität und



Endlichkeit.

Zum Verständnis wird das bisherige Beispiel aus Tabelle 2.6 an dieser Stelle fortgeführt. Für die dort aufgeführten drei Teilziele kann der Akteur im direkten Paarvergleich angeben, dass: •

das Ziel k2 drei mal so wichtig ist wie das Ziel k1 ,



das Ziel k2 doppelt so wichtig ist wie das Ziel k3 ,



er für die Beziehung der Ziele k1 und k3 keine Relation angeben kann.

Trotzdem ist der Akteur bestrebt, einen konsistenten Paarvergleich durchzuführen. Aus diesen Informationen ergibt sich: α21 = 3 und α23 = 2. Nun stellt sich noch die Frage nach der Relation von k1 und k3 . Dies wird mit der Beziehungsanforderung an konsistente Paarvergleiche wie folgt ermittelt: α12 · α23 = α13 führt zu 1/3 · 2 = 2/3. Aus den Anforderungen an die konsistente Zielgewichtung ist bekannt, dass α12 = 1/α21 . Demzufolge muss α12 = 1/3 sowie α32 = 1/2 gelten. Außerdem ergibt sich die Relation α31 = 3/2. Mit diesen Werten kann die Paarvergleichsmatrix aufgestellt werden, die in Tabelle 2.12 zu sehen ist. Tabelle 2.12. Verhältnisskalierte Paarvergleichsmatrix des Beispiels. Quelle: Eigene Darstellung.

PP Teilziel PP PP Teilziel P k1 k2 k3

k1

k2

k3

1 3 3/2

1/3

2/3

1 1/2

2 1

Nun ist noch die Frage nach den normierten Gewichtungsfaktoren zu beantworten. Dazu werden folgende Relationen verwendet: 129

Vgl. Abschn. 2.4.3.2.3.

2.4 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und mehreren Zielen

λ1 =

129

α11 α21 α31 ; λ2 = ; λ3 = α11 + α21 + α31 α11 + α21 + α31 α11 + α21 + α31

Es resultieren: λ1 = 2/11, λ2 = 6/11 sowie λ3 = 3/11. Alternativ könnten auch die folgenden Relationen verwendet werden: α12 α22 α32 ; λ2 = ; λ3 = λ1 = α12 + α22 + α32 α12 + α22 + α32 α12 + α22 + α32 Die damit ermittelten Gewichtungsfaktoren sind identisch mit den zuvor errechneten Faktoren. Diese Gewichtungsfaktoren werden auf die Ausgangsstellung aus Tabelle 2.6 angewendet und führen zu den Resultaten in Tabelle 2.13. Tabelle 2.13. Anwendungsbeispiel der Zielgewichtung. Quelle: Eigene Darstellung.

HH Teilziel HH HH Aktion

l 

k1

k2

k3

λr · eir

r=1

a1

10 ·

2 11

20 ·

6 11

16 ·

3 11

188 11

a2

14 ·

2 11

19 ·

6 11

18 ·

3 11

196 11

a3

15 ·

2 11

19 ·

6 11

15 ·

3 11

189 11

a5

16 ·

2 11

18 ·

6 11

12 ·

3 11

176 11

⇐ max

Alternative a2 ist bei dieser Konstellation die optimale Alternative. Die Vorgehensweise verdeutlicht, dass es bei einer steigenden Anzahl an Teilzielen zu erheblichen Bewertungsschwierigkeiten kommen kann bzw. dass die resultierende Vergleichsmatrix die Konsistenzanforderungen nicht mehr erfüllt. Holistische Zuweisung Im Rahmen der holistischen Zuweisung werden sämtliche Zielstellungen in einem Verfahrensschritt betrachtet und die jeweiligen Gewichte zugeteilt. Dabei findet eine ganzheitliche Betrachtung der Wichtigkeit eines Teilzieles in Bezug auf die anderen Teilziele statt. Diese Methode kann auf Basis einer Ordinal-, Intervall- oder Verhältnisskala durchgeführt werden,130 ist jedoch relativ ungenau, da sämtliche Ziele auf einmal betrachtet werden.

130

Zur Beschreibung der Skalentypen vgl. Abschn. 2.2.

130

2 Entscheidungstheorie

2.4.3.3 Multiattributive Nutzentheorie Diese Form der additiven Zusammenfassung wurde unter dem Begriff „MultiAttribute Utility Theory (MAUT)“ 1976 von Ralph L. Keeney und Howard Raiffa vorgestellt.131 Basis sind die im vorangegangenen Abschnitt eingeführten theoretischen Grundlagen zu additiven Funktionalen. Das Funktional wird nach Definition 2.4.5 ermittelt. 132 Definition 2.4.5 Das Präferenzfunktional einer Alternative bei Verwendung der multiattributiven Nutzentheorie ΦM AU T (a) lautet: ΦM AU T (a) =

l 

ur (er ) · λr .

r=1

In Verbindung mit der Beschreibung der allgemeinen Entscheidungsregel in Def. 2.2.3 ist die optimale Alternative aopt definiert durch:  aopt = max i

l 

 λr · ui;r (ei;r )

r=1

Die MAUT basiert auf den folgenden Schritten:133 1. Auswahl/Festlegung der Teilziele, 2. Prüfung der Kriterien auf Unabhängigkeit, 3. Bestimmung der Einzelnutzenfunktionen, 4. Ermittlung der Skalierungskonstanten, 5. Berechnung des Gesamtnutzens der Alternativen, 6. Beurteilung der relativen Vorteilhaftigkeit. Zur Erläuterung wird das Beispiel 2.7 herangezogen. Beispiel 2.7 Ein Akteur sucht ein Grundstück mit Gebäude. Der Akteur kann nach einiger Überlegung die folgenden, wechselseitig präferenzunabhängigen Entscheidungskriterien festhalten:

131 132 133

Vgl. Keeney/Raiffa (1976). Vgl. Schneeweiß (1991: 130); Keeney/Raiffa (1993: 117). Vgl. Götze (2014: 219).

2.4 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und mehreren Zielen •

Größe (k1 ),



Ästhetik als Summe architektonischer Merkmale (k2 ) sowie



Entfernung vom Zentrum (k3 ).

131

Dem Akteur stehen vier Alternativen a1 , a2 , a3 sowie a4 zur Auswahl. In der Tab. 2.14 sind die Ausprägungen der Alternativen abgebildet.

Tabelle 2.14. Ausgangswerte des multikriteriellen Beispiels. Quelle: Eigene Darstellung.

``` `` Teilziel Alternative ```

Größe [m2 ]

a1 a2 a3 a4

100 1000 500 600

Ästhetik (Aufsteigende Note) 0 5 10 10

Entfernung [km] 8 2 20 15

Die ersten beiden Bedingungen können als erfüllt eingestuft werden. Im nächsten Schritt werden die Einzelnutzenfunktionen wie folgt bestimmt: Größe: Die geringste Grundstücksgröße beträgt 100 m2 und erhält den Nutzenwert 0, wohingegen das größte Grundstück eine Fläche von 1.000 m2 umfasst und 1 1 deshalb den Wert 1 erhält. Bei linearer Relation folgt: uG (eG ) = ·e − . 900 G 9 • Ästhetik: Die Ästhetik umfasst die bauliche Eignung und den Zustand der Gebäude. Diese wird auf einer 10-Stufen-Skala aufsteigend bewertet. Null Punkte ent1 ·e . sprechen dem selben Nutzenwert. Bei linearer Ausprägung folgt: uA (eA ) = 10 A • Entfernung: Die kürzeste Entfernung beträgt 2 km und erhält den Nutzenwert 1, die größte Distanz beträgt 20 km und erhält den Nutzenwert 0. Bei linearer 1 10 Relation resultiert: uE (eE ) = − · eE + . 18 9 •

Im Folgenden wird zur Bestimmung des Faktors λ das Trade-off-Verfahren vorgestellt, welches auf der – im Abschnitt 2.4.3.2.1 bereits erwähnten – Eigenschaft konstanter Substitutionsraten aufbaut.134 Grundlage der Betrachtung ist die Erfüllung der Anforderungen an rationale Präferenzen aus Def. 2.4.3. Wichtig für das Trade-off-Verfahren sind: •

grundlegende Anforderungen an Präferenzen (Def. 2.4.3) insbes. Transitivität und Stetigkeit der Präferenzen,



Wesentlichkeit der Teilziele (Def. 2.4.1),

134

Vgl. Eisenführ/Weber/Langer (2010: 140–141); Bouyssou et al. (2006: 140–141).

132

2 Entscheidungstheorie



Erfüllung der Lösbarkeitsbedingung (Def. 2.4.2) sowie



Erfüllung der wechselseitigen Präferenzunabhängigkeit (Def. 2.4.4).

Im Folgenden wird das Vorgehen anhand des bereits eingeführten Beispiels erläutert.

Fortführung des Beispiels 2.7: Mit der Befragung des Akteur bezüglich der Indifferenz wird an den oberen bzw. unteren Grenzen des Ausprägungsintervalls begonnen, um dies abbilden zu können. Es wird im ersten Schritt die Austauschrate zwischen den Kriterien Entfernung und Größe analysiert. Der Akteur muss angeben, bei welcher Kombination aus diesen beiden Teilzielen er indifferent. Es kann nach einer schrittweisen Gegenüberstellung unterschiedlicher Kombinationen Indifferenz bezüglich folgender Kombination fest¨ ¨ ∼ (800 m2 , 15 km, Asthetik). Diese Werte gestellt werden: (400 m2 , 5 km, Asthetik) werden in die obigen Einzelnutzenfunktionen eingesetzt, womit folgt: λG · uG (400) + λE · uE (5) + A = λG · uG (800) + λE · uE (15) + A λE · [uE (5) − uE (15)] = λG · [uG (800) − uG (400)] λE u (800) − uG (400) = G λG uE (5) − uE (15) 7/9 − 1/3 λE = 5/6 − 5/18 λG 4/9 λE = 5/9 λG λE = 0, 80 · λG Im nächsten Schritt wird die Austauschrate zwischen Entfernung und Ästhetik vom Akteur abgefragt. Es wird Indifferenz bezüglich folgender Kombination festgestellt: (Gr¨ osse, 15 km, N ote 8) ∼ (Gr¨ osse, 3 km, N ote 2). Das bekannte Procedere ergibt: G + λE · uE (15) + λA · uA (8) = G + λE · uE (3) + λA · uA (2) λA · [uA (8) − uA (2)] = λE · [uE (3) − uE (15)] u (8) − uA (2) λE = A λA uE (3) − uE (15) 8/10 − 2/10 λE = 17/18 − 5/18 λA 6/10 λE = 12/18 λA λE = 0, 90 · λA Da gelten muss: λE + λA + λG = 1, können mit diesen Relationen folgende Werte ermittelt werden: λA = 40/121 ≈ 0, 3306, λE = 36/121 ≈ 0, 2975, λG = 45/121 ≈ 0, 3719.

2.4 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und mehreren Zielen

133

Mit diesen Skalierungskonstanten wird der Gesamtnutzenwert für a1 auf Basis von Def. 2.4.4 wie folgt ermittelt: Φ(a1 ) =

l 

λr · u(1,r) (e(1,r) ).

r=1

1 1 1 1 10 · e 1 − + λ2 · · e 2 + λ3 · − · e 3 + 900 9 10 18 9 1 1 1 10 1 · 100 − + 0, 3719 · · 0 + 0, 2975 · − · 8 + = 0, 3306 · 900 9 10 18 9 ≈ 0, 1983 = λ1 ·

Dieselbe Vorgehensweise erbringt die Resultate der übrigen Alternativen: Φ(a2 ) = 0, 8333, Φ(a3 ) = 0, 4815, Φ(a4 ) = 0, 6111. Die Rangfolge lautet deshalb: a2  a4  a3  a1 .

An diesen Ausführungen wird die Bedeutung der Wesentlichkeit und Lösbarkeit deutlich. Diese stellen sicher, dass für jede Ausprägung eine Indifferenzkombination gefunden werden kann. Folgende Stärken und Schwächen der MAUT können festgestellt werden: •

Stärken: • Die MAUT ist konsequent theoretisch fundiert. Mit den vorgestellten Anforderungen an die Präferenzen bietet das Verfahren eine sehr gute Handlungsorientierung. • Die spezifische Ermittlung von Einzelnutzenfunktionen und Skalierungskonstanten prädestiniert das Verfahren für ein sehr großes Einsatzspektrum. • Das Verfahren ist innerhalb der community akzeptiert und weit verbreitet.135



Schwächen: • Erfüllung der Annahmen, insbes.:

135

-

Es wird implizit von einer vollständigen, konsistenten und transitiven Präferenzordnung auf dem gesamten kartesischen Produkt aus sämtlichen Teilzielen ausgegangen. Im Beispiel 2.4 wurde schon demonstriert, dass dies in der Praxis selten der Fall ist.

-

Auf die – in der Praxis – problematischen Implikationen der Lösbarkeits-Annahme wurde durch Fortführung von Beispiel 2.4 aufmerksam gemacht.

-

Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass die hier kritisierte Erfüllung der Annahmen – gemeinsam mit anderen Anforderungen (vgl.

Vgl. Wallenius et. al. (2008).

134

2 Entscheidungstheorie

Merksatz 2.5) – aus messtheoretischer Sicht für die Existenz sämtlicher additiver Nutzenfunktionen gelten. Deshalb ist deren Erfüllung kein spezifisches Problem der MAUT. • Praktische Umsetzung: -

Beim Trade-off-Verfahren wird davon ausgegangen, dass der Akteur in der Lage ist, die verschiedensten Indifferenz-Kombinationen konsistent anzugeben. Das setzt hohe Ansprüche an die Urteilsfähigkeit bzw. an das Vorstellungsvermögen, da es sich ja teilweise lediglich um imaginäre Kombinationen handelt.

-

Die Bestimmung der Einzelnutzenfunktionen wurde hier nicht thematisiert. Dafür existieren verschiedenste Verfahren, die wiederum die Befragung des Akteurs bedingen.136 Auch dabei wird ein nicht unerhebliches Urteilsvermögen bzw. ein nicht unerheblicher Arbeitsaufwand impliziert.

Die Schwächen dürften den praktischen Einsatz einschränken.

2.4.3.4 Nutzwertanalyse Die Nutzwertanalyse (NWA) wurde von Zangemeister 1970 entwickelt und ist auch als Scoring-Modell bekannt.137 Das Präferenzfunktional ΦN W A wird oft als Nutzwert bezeichnet und entspricht der Summe der Teilnutzenwerte ur der Erfüllung von l Teilzielen, die mit Gewichten gr versehen sind (vgl. Def. 2.4.6).138 Definition 2.4.6 Das Präferenzfunktional einer Alternative bei Verwendung der Nutzwertanalyse ΦN W A (a) ergibt sich aus: ΦN W A (a) =

l 

gr · ur (er ) .

r=1

In Verbindung mit der Beschreibung der allgemeinen Entscheidungsregel in Def. 2.2.3 ist die optimale Alternative aopt definiert durch:

136 137

138

Vgl. Eisenführ/Weber/Langer (2010: 115–122). Der Begriff des Scoring-Modells als Synonym für die NWA ist primär im deutschsprachigen Raum verbreitet. Im englischsprachigen Bereich existiert zwar eine Reihe von Scoring-Modellen, diese weisen jedoch nicht zwingend Ähnlichkeiten zur NWA auf. Das inhaltlich ähnlichste Pendant im englischsprachigen Raum zur NWA ist das Weighted Sum Model. Vgl. Zangemeister (1974: 84); Schneeweiß (1991: 122).

2.4 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und mehreren Zielen

 aopt = max i

l 

135

 gr · ur (eir )

r=1

Die NWA basiert auf folgenden Annahmen:139 a) Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen, b)

Nutzenunabhängigkeit,

c)

Existenz einer linearen, monoton-steigenden Gesamtnutzenfunktion,

d)

Standardisierung der verwendeten Skalen.

zu a): Die erste Annahme fordert die Unabhängigkeit der Präferenzordnung zwischen zwei Alternativen gegenüber dem Hinzufügen weiterer Alternativen. Dieses Kriterium wird sehr häufig als Anforderung an einen rationalen Aggregations- oder Entscheidungsprozess bzw. eine Präferenzordnung gestellt.140 zu b): Die Erklärungen zur Nutzenunabhängigkeit141 lassen auf eine inhaltliche Übereinstimmung mit der einfachen Präferenzunabhängigkeit (vgl. Def. 2.4.3) schließen. Zusätzlich wird auf die Linearität der Indifferenzkurven hingewiesen.142 Damit ist klar, dass aufgrund von Merksatz 2.7 implizit auch von einer wechselseitigen Präferenzunabhängigkeit (vgl. Def. 2.4.4) ausgegangen wird. zu c): Mit dieser Annahme wird deutlich, dass es sich um ein multiattributives, additives Modell handelt. Offen bleibt, von welchem KardinalitätsVerständnis bei dieser Annahme und dem Hinweis auf eine kardinale Präferenzmessung ausgegangen wird.143 Die Ausführungen lassen ein KardinalitätsVerständnis nach Def. 2.2.7 vermuten, so dass keine Differenzunabhängigkeit nach Def. 2.4.6 erfüllt sein muss. zu d): Es erscheint hier wichtig darauf hinzuweisen, dass in der Grundkonzeption der NWA auf die Problematik der abweichenden Skalenlängen für unterschiedliche Teilkriterien - so wie im Abschnitt 2.4.3.2.2 vorgestellt - hingewiesen wurde.144 In diesem Zusammenhang wird auch eine hierarchieabhängige Ermittlung der Zielgewichte vorgeschlagen.145 Diese Darstellungen konnten sich jedoch nicht durchsetzen. 139 140 141 142 143 144 145

Für die Annahmen a) bis c) vgl. Zangemeister (1976: 75–85) und für d) vgl. Zangemeister (1976: 272–277). Vgl. z. B. Axiom 2.5.9 und Axiom 2.6.7 . Vgl. Zangemeister (1976: 78–84). Vgl. Zangemeister (1976: 85–86). Vgl. Zangemeister (1976: 84). Vgl. Zangemeister (1976: 167–169 und 216–244). Vgl. Zangemeister (1976: 207–215). Eine ähnliche Vorgehensweise wird beim AHP genutzt. Vgl. Abschn 2.4.3.5.

136

2 Entscheidungstheorie

Die NWA besteht aus den folgenden Schritten:146 1. Auswahl/Festlegung der Teilziele, 2. Prüfung der Kriterien auf Unabhängigkeit, 3. Ermittlung der Gewichtungsfaktoren der Teilziele gr , 4. Bestimmung der Nutzwerte der Ergebnisse der Teilziele ur (er ), 5. Berechnung des Gesamtnutzens der Alternativen, 6. Beurteilung der relativen Vorteilhaftigkeit. Die Umsetzung der NWA wird nun durch Fortführung des bisherigen Beispiels 2.7 demonstriert.

Fortführung des Beispiels 2.7: Die ersten beiden Schritte sind als erfüllt einzustufen. Im dritten Schritt erfolgt die Festlegung der Teilzielgewichte. An dieser Stelle wird nochmals auf die prinzipielle Abhängigkeit der Gewichte von den Skalen hingewiesen.147 Die verschiedenen Verfahren zur Ermittlung der Gewichte wurden im Abschn. 2.4.3.2.4 vorgestellt. Für das vorliegende Beispiel gilt: g1 = 0, 50, g2 = 0, 25 und g3 = 0, 25. Im vierten Schritt wird die Erfüllung der Teilkriterien beurteilt. Zur Erfassung der Erfüllung eines Teilkriteriums wird eine Skala von 0 bis 10 verwendet. Der Wert 0 drückt die schlechteste Erfüllung und der Wert 10 die beste Erfüllung des Teilzieles zum Ausdruck. Die Ausprägungen der Teilziele werden von Tab. 2.14 übernommen und für die 10-Stufen-Skala „übersetzt“. Das Ergebnis dieser Bewertung sowie die Ergebnisse des fünften Schritts sind in der Tabelle 2.15 zu sehen.

Tabelle 2.15. Nutzwertanalyse zur Standortauswahl. Quelle: Eigene Darstellung. 3 

a1 a2 a3 a4

r1 : Größe (g1 = 0, 40) m2 u1 (ei1 ) 100 0 1000 10 500 5 600 6

r2 : Ästhetik (g2 = 0, 20) Note u2 (ei2 ) 2 2 5 5 10 10 10 10

r3 : Entfernung (g3 = 0, 40) km u3 (ei3 ) 8 6 2 10 20 0 15 2,5

gr · ur (eir )

r=1

2,80 9,00 4,00 5,40

Auf Basis dieser Darstellung kann im sechsten Schritt die relative Vorteilhaftigkeit durch die Präferenzfolge a2  a4  a3  a1 festgestellt werden.

Folgende Vor- und Nachteile der NWA können zusammengefasst werden: 146 147

Vgl. Zangemeister (1976: 73); Götze (2014: 193). Zur Illustration der Problematik vgl. Bspl. 2.6.

2.4 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und mehreren Zielen



137

Stärken: • Positiv hervorzuheben sind die einfache Handhabung und die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten. • Im deutschsprachigen Raum ist die NWA weit verbreitet und akzeptiert.



Schwächen: • Mit der Annahme von linearen Indifferenzkurven zwischen sämtlichen Teilzielen wird implizit von einer vollständigen, konsistenten und transitiven Präferenzordnung auf dem gesamten kartesischen Produkt aus sämtlichen Teilzielen ausgegangen. Im Beispiel 2.4 wurde schon darauf hingewiesen, dass dies in der Praxis selten der Fall ist. • Durch die Verwendung von relativen Wichtigkeiten der Teilkriterien wird der Zusammenhang zwischen Skalenlänge des Teilziels einerseits und der Skalierungskonstanten andererseits ignoriert.148 Das Beispiel 2.6 hatte diesen Zusammenhang illustriert. • Abschließend muss wiederholt darauf hingewiesen werden, dass es sich bei der NWA um ein Verfahren handelt, das eine Gesamtnutzenfunktion additiv aus Teilnutzenfunktionen erstellt. Die meßtheoretischen Anforderungen an die Präferenzen des Akteur aus Merksatz 2.5 für die Existenz der Funktion gelten demzufolge auch für die NWA. Das gilt insbes. für die wechselseitige Präferenzunabhängigkeit (vgl. Def. 2.4.4) und für die Lösbarkeit (vgl. Def. 2.4.2). Dies ergibt sich aus der Annahme von linearen Indifferenzkurven zwischen den Nutzenbeiträgen für alle Teilziele.

2.4.3.5 Analytischer Hierarchieprozess Der Analytische Hierarchieprozess (AHP) wurde von Saaty theoretisch begründet und auch frühzeitig praktisch eingesetzt.149 Ursprünglich wurde die Methode zur konsistenten Bestimmung der Zielgewichte unter Berücksichtigung von hierarchischen Strukturen entwickelt, da aus psychologischen Studien bekannt war, dass Entscheidungsträger mit der Zuordnung von Gewichtungen häufig inkonsistent sind. Der AHP basiert auf lediglich vier Axiomen und erzeugt eine ordinale Reihung der Alternativen auf Basis der ermittelten Gewichte. Die Axiome betreffen nicht die Präferenzen des Akteurs, sondern die Zuordnung der Gewichte und die Struktur der Hierarchie. Die Grundaussage des AHP lautet: Wenn die Matrix der Paarvergleiche konsistent und hierarchisch im Sinne der vier 148 149

Vgl. Nitzsch (1990: 35–37). Vgl. Saaty (1977a); Saaty (1977b); Saaty (1980). Thomas Saaty (1926–2017).

138

2 Entscheidungstheorie

Axiome ist, so ist diejenige Alternative mit der höchsten Summe aller Gewichte die optimale Alternative.150 Die Axiome betreffen das Präferenzfunktional selbst, womit die Methodik dem dritten Vorgehen aus Tabelle 2.3 entspricht. Damit ist der Anspruch des AHP ein anderer als der bisher vorgestellten Verfahren: Diese Verfahren zielen auf die Ermittlung eines additiven Funktionals auf der Basis von Einzelnutzenfunktionen. Dazu sind verschiedene Anforderungen an die Präferenzrelationen zu berücksichtigen (vgl. Merksatz 2.5). Der AHP hingegen möchte eine ordinal konsistente Reihung der Alternativen, dadurch sicherstellen, dass für den Bewertungsvorgang selbst Vorschriften gemacht werden. Eine nutzen-theoretische Begründung ist nicht beabsichtigt. Der gesamte Bewertungsprozess besteht aus der Zuweisung relativer Wichtigkeiten für Teilziele getrennt nach den Hierarchiestufen und einer anschließenden simultanen Ermittlung von Gewichtungsfaktoren. Die wesentlichen Alleinstellungsmerkmale des AHP sind: a. hierarchische Ableitung von Teilzielen aus übergeordneten Oberzielen, b.

Durchführung von direkten Paarvergleichen auf Basis einer 9-PunkteSkala,

c. Ermittlung der Zielgewichte mittels Eigenwertverfahren sowie d.

Ignoranz der Ursprungsskalen der Teilziele.

Der Akteur muss deshalb lediglich die relative Bedeutung der Teilziele untereinander bestimmen, um anschließend eine ordinal konsistente Reihung der Alternativen zu erhalten. Um welche Art von Teilzielen es sich handelt und auf welcher Skala diese gemessen werden, ist für das Verfahren unerheblich. Die konkrete Vorgehensweise ist wie folgt:151 1. Bestimmung und Hierarchisierung der Zielkriterien, 2. Ermittlung der Zielbeiträge einer Hierarchiestufe zu den Zielen der übergeordneten Ebene mittels direkter Paarvergleiche und Eigenwertverfahren (inklusive Konsistenzprüfung), 3. Ermittlung der Zielbeiträge für alle weiteren Hierarchiestufen – einschließlich der Ebene der Alternativen – mittels direkter Paarvergleiche und Eigenwertverfahren (inklusive Konsistenzprüfung), 4. Ermittlung der Gesamtnutzenwerte der Alternativen, 5. Beurteilung der relativen Vorteilhaftigkeit. 150 151

Vgl. Saaty (1977a: 240); Saaty (1987: 166–168); Ossadnik (1998: 99–107). Vgl. Zimmermann/Gutsche (1991: 70); Obermaier/Saliger (2013: 62).

2.4 Einstufige Entscheidungen bei Sicherheit und mehreren Zielen

139

Zur Erfüllung eines Fundamentalzieles werden beim AHP mehrere Instrumentalziele in streng hierarchischer Beziehung abgeleitet. Dies ermöglicht die Ermittlung der Zielbeiträge für alle Hierarchiestufen (vgl. Abb. 2.16).

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