Besonderes Verwaltungsrecht [9., neubearb. Aufl. Reprint 2019] 9783111655796, 9783111271620


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German Pages 782 [784] Year 1992

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Table of contents :
Vorwort zur neunten Auflage
Autoren- und Inhaltsübersicht
Abkürzungsverzeichnis
ERSTER ABSCHNITT
Kommunalrecht
ZWEITER ABSCHNITT
Polizei- und Ordnungsrecht
DRITTER ABSCHNITT
Wirtschaftsverwaltungsrecht
VIERTER ABSCHNITT
Baurecht
FÜNFTER ABSCHNITT
Umweltschutzrecht
SECHSTER ABSCHNITT
Das Recht des öffentlichen Dienstes
SIEBENTER ABSCHNITT
Sozialrecht
ACHTER ABSCHNITT
Straßen- und Verkehrsrecht
Sachverzeichnis
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Besonderes Verwaltungsrecht [9., neubearb. Aufl. Reprint 2019]
 9783111655796, 9783111271620

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de Gruyter Lehrbuch

Besonderes Verwaltungsrecht Herausgegeben von

Ingo von Münch und

Eberhard Schmidt-Aßmann Bearbeitet von

Peter Badura Karl Heinrich Friauf Philip Kunig Jürgen Salzwedel

Rüdiger Breuer Walter Krebs Franz Ruland Eberhard Schmidt-Aßmann

9., neubearbeitete Auflage

w DE

G 1992 Walter de Gruyter • Berlin • New York

Zitiervorschlag z.B. Badura in von Münch/Schmidt-Aßmann, BesVerwR, 9.Aufl. 1992, S. 198

® Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-Ansi-Norm über Haltbarkeit erfüllt. Die Deutsche Bibliothek — CIP

Einheitsaufnahme

Besonderes Verwaltungsrecht / hrsg. von Ingo von Münch und Eberhard Schmidt-Aßmann. Bearb. von Peter Badura . . . — 9., neubearb. Aufl. — Berlin; New York: de Gruyter, 1992 (De-Gruyter-Lehrbuch) ISBN 3-11-012428-9 kart. ISBN 3-11-013483-7 Gb. NE: Münch, Ingo von/Schmidt-Aßmann, Eberhard [Hrsg.]; Badura, Peter

©

Copyright 1992 by Walter de Gruyter & Co., 1000 Berlin 30.

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Satz und Druck: Saladruck, 1000 Berlin 36. — Buchbindearbeiten: Lüderitz 8c Bauer, 1000 Berlin 61.

Vorwort zur neunten Auflage Die Gebiete des besonderen Verwaltungsrechts zeigen eine unverminderte Wachstumskraft. Neben die bekannten Wachstumsfaktoren der neuen Gesetze, neuer Erkenntnisse der Rechtsprechung und der neuen Literatur sind seit dem Erscheinen der Vorauflage (1988) zusätzliche Impulse der nationalen und der supranationalen Rechtsentwicklung getreten: Die am 3. Oktober 1990 vollzogene Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands verlangt, die sich ausbildenden Verwaltungsrechtsordnungen der neuen Bundesländer und manche der Überleitungsregelungen, z. B. im Städtebaurecht, Umwelt- und Sozialrecht in die Darstellung einzubeziehen. Dazu gewinnen die Vorgaben der Europäischen Gemeinschaften für das mitgliedstaatliche Verwaltungsrecht zunehmend mehr an Gewicht. Die Fülle des Stoffes hat dazu veranlaßt, die in diesem Bande vertretenen Beiträge noch stärker auf die Pflichtfächer und die Wahlfächer der Ausbildungsordnungen zu konzentrieren. Im Kreis der Autoren haben sich daher Veränderungen ergeben: Otto Kimminich, Thomas Oppermann, Dietrich Rauschning und Walter Rudolf sind danach mit ihren Beiträgen nicht mehr vertreten. Sie waren an allen Vorauflagen beteiligt, und deshalb gebührt ihnen großer Dank. Zwei Beiträge sind ganz neu bearbeitet worden: Als Autoren wurden für das Baurecht Walter Krebs und für das Recht des öffentlichen Dienstes Philip Küttig gewonnen. Das Wasserrecht, das keinen eigenen Abschnitt mehr hat, wird in seinen umweltspezifischen Teilen von Rüdiger Breuer im Umweltschutzrecht mit behandelt. Eberhard Schmidt-Aßmanrt hat die Mitherausgeberschaft übernommen. Unverändert geblieben ist das seit der 1. Auflage (1969) verfolgte Ziel des Buches: nämlich den Studenten ein gut lesbares Lehrbuch an die Hand zu geben, darüber hinaus aber durch die wissenschaftlich-praktische Gestaltung des Buches allen mit dem Verwaltungsrecht Befaßten — insbesondere Richtern, Rechtsanwälten und Verwaltungsbeamten — ein Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, das trotz der Fülle des Stoffes Präzision und Übersichtlichkeit bietet. Auch in der vorliegenden 9. Auflage versteht sich dieses Lehrbuch als Ergänzung und Fortsetzung des in derselben Reihe erschienenen, von Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens (f) herausgegebenen Lehrbuchs „Allgemeines Verwaltungsrecht". Das Sachverzeichnis hat Frau Referendarin Annette Ballschmidt erstellt. Für Hinweise und Anregungen sind die Bearbeiter — jeder von ihnen trägt für den von ihm verfaßten Abschnitt die alleinige Verantwortung — und die Herausgeber dankbar. Im Dezember 1991

Peter Badura • Rüdiger Breuer • Karl Heinrich Friauf • Walter Krebs • Philip Kunig • Schmidt-Aßmann Ingo von Münch • Franz Ruland • Jürgen Salzwedel • Eberhard

V

Autoren- und Inhaltsübersicht* Dr. Eberhard Schmidt-Aßmann Professor an der Universität Heidelberg Kommunalrecht Dr. Karl Heinrich Friauf Professor an der Universität Köln Polizei- und Ordnungsrecht

1

97

Dr. Peter Badura Professor an der Universität München Wirtschaftsverwaltungsrecht

179

Dr. Walter Krebs Professor an der Universität Münster Baurecht

265

Dr. Rüdiger Breuer Professor an der Universität Trier Umweltschutzrecht

391

Dr. Philip Kunig Professor an der Freien Universität Berlin Das Recht des öffentlichen Dienstes

517

Dr. Franz Ruland Professor, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger, Frankfurt a. M. Sozialrecht

603

Dr. Jürgen Salzwedel Professor an der Universität Bonn Straßen-und Verkehrsrecht

689

Sachverzeichnis

731

* Jedem Abschnitt ist eine ausführliche Gliederung vorangestellt. VII

Abkürzungsverzeichnis A. a. A. a.E. a. F. a. M. aaO ABA AbfG abl. ABl. Abs. Abschn. abw. AbwAG Achterberg, AllgVwR Achterberg/Püttner, BesVwR AcP AFG AfK AG AGB AGBauGB AGBSHG AgrarR AK-GG AktG allg. ALR ANBA ÄndG Anh. Anl. Anm. AnV AO AöR ArbplSchG ArbRGgwart ArbSiStG ArbuR ArchVR arg. ARGEBAU Art.

Ausschuß anderer Auffassung am Ende alte Fassung anderer Meinung am angegebenen Ort Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung Abfallgesetz ablehnend Amtsblatt Absatz Abschnitt abweichend Abwasserabgabengesetz N. Achterberg, Allg. Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1986 N. Achterberg, G. Püttner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1, 1990 Archiv für die civilistische Praxis Arbeitsförderungsgesetz Archiv für Kommunalwissenschaften Ausführungsgesetz, Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Ausführung des Baugesetzbuches Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz Agrarrecht, Zeitschrift für das gesamte Recht der Landwirtschaft, der Agrarmärkte und des ländlichen Raums Alternativkommentar zum Grundgesetz Aktiengesetz allgemein Preußisches Allgemeines Landrecht Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit Änderungsgesetz Anhang Anlage Anmerkung Angestelltenversicherung Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsplatzschutzgesetz Das Arbeitsrecht der Gegenwart (Jahrbuch für das gesamte Arbeitsrecht und die Arbeitsgerichtsbarkeit) Arbeitssicherstellungsgesetz Arbeit und Recht Archiv des Völkerrechts argumentum Arbeitsgemeinschaft der für das Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen Minister der Länder Artikel IX

Abkürzungsverzeichnis ArV ASOG AtG, AtomG AtVfV Aufl. AuR AuS ausf. AVAVG AVB

B BA BAB1. bad.-württ. Bad.-Württ., B W Badura, StR BAföG BAG BAnz. BAT BauGB BauGBMaßnG baul. BauNVO BauO, B O BauR BauZVO Bay. bay., bayer. BayBS BayObLG BayRS BayVBl. BayVerfGH BB BBahnG BBankG BBauG BBergG BBesG BBG Bd. BDH BDHE BDO BDSG BEG

X

Arbeiterrentenversicherung Allgemeines Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin Atomgesetz Atomrechtliche Verfahrensverordnung Auflage s. ArbuR Arbeits- und Sozialrecht ausführlich Gesetz über die Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung Allgemeine Versorgungsbedingungen

BundesBundesanstalt für Arbeit Bundesarbeitsblatt baden-württembergisch Baden-Württemberg P. Badura, Staatsrecht, 1986 Bundesausbildungsförderungsgesetz Bundesarbeitsgericht Bundesanzeiger Bundesangestelltentarifvertrag Baugesetzbuch MaßnahmenG zum BauGB baulich Baunutzungsverordnung Bauordnung Baurecht Bauplanungs- und Zulassungsverordnung Bayern bayerisch Bereinigte Sammlung des Bayerischen Landesrechts Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerische Rechtssammlung Bayerische Verwaltungsblätter Bayerischer Verfassungsgerichtshof Betriebsberater Bundesbahngesetz Bundesbankgesetz Bundesbaugesetz Bundesberggesetz Bundesbesoldungsgesetz Bundesbeamtengesetz Band Bundesdisziplinarhof Entscheidungen des Bundesdisziplinarhofs Bundesdisziplinarordnung Bundesdatenschutzgesetz Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (Bundesentschädigungsgesetz)

Abkürzungsverzeichnis Begr. Beil. Bek., Bekanntm. Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR BenzinbleiG ber. BErzGG bes. Betr. BfA BFH BFStrG BG bga-Berichte BGB BGBl. BGH BGHSt. BGHZ BgmVfg BGSG BHO Bibl. BImSchG BImSchV BK BKGG BKK BldW BliWaG Bln. bin., berl. BlStSozArbR BLV BMA BMI BMT-G II BMU BMV-Ä BNatSchG BNotO BO Bonner Kommentar, GG BPersVG

Begründung Beilage Bekanntmachung E.Benda, W. Maihofer, J.Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1983 Gesetz zur Verminderung von Bleiverbindungen in Ottokraftstoffen für Kraftfahrzeugmotore berichtigt Bundeserziehungsgeldgesetz besonders Der Betrieb Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Bundesfinanzhof Bundesfernstraßengesetz Beamtengesetz, Die Berufsgenossenschaft Berichte des Bundesgesundheitsamts Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bürgermeisterverfassung Bundesgrenzschutzgesetz Bundeshaushaltsordnung Bibliothek Bundes-Immissionsschutzgesetz Bundes-Immissionsschutzverordnung Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Lsbl., Zitiervorschlag: BK Bundeskindergeldgesetz Die Betriebskrankenkasse Blätter der Wohlfahrtspflege Blindenwarenvertriebsgesetz Berlin berlinisch Blätter für Steuer-, Sozial-, Arbeitsrecht Bundeslaufbahnverordnung Bundesministerium für Arbeit Bundesminister des Innern Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Bundesmantelvertrag-Ärzte Bundesnaturschutzgesetz Bundesnotarordnung s. BauO s. BK Bundespersonalvertretungsgesetz

XI

Abkürzungsverzeichnis BR-Drucks. BRAO BRat BRD, BRep. BReg. brem. BRep. BROG BRRG BRS BSchG, BSchVG BSG BSHG BStatG BStBl. BT(ag) BT-Drucks. BTOElt. BVA BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVG BW BWaldG BWVB1. BWVPr. bzw.

Drucksachen des Deutschen Bundesrates Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesrat Bundesrepublik Deutschland Bundesregierung bremisch s. BRD Bundesraumordnungsgesetz Beamtenrechtsrahmengesetz Baurechtssammlung Gesetz über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr Bundessozialgericht Bundessozialhilfegesetz Bundesstatistikgesetz Bundessteuerblatt Bundestag Drucksachen des Deutschen Bundestages Bundestarifordnung Elektrizität Bundesversicherungsamt Bundesverfassungsgericht Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Amtlichen Sammlung Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Bundesversorgungsgesetz Baden-Württemberg Bundeswaldgesetz s. VB1BW Baden-Württembergische Verwaltungspraxis beziehungsweise

ca. ChemG CITES

circa Chemikaliengesetz Washingtoner Artenschutzabkommen

d. d.h. DÄ DAngVers. DAR DB dB DBP DDR DDT dems. ders. DGO DIN DirRufV Diss.

durch das heißt Deutsches Ärzteblatt Die Angestellten-Versicherung Deutsches Autorecht Der Betrieb dezibel Deutsche Bundespost Deutsche Demokratische Republik Dichloridiphenyltrichloräthan demselben derselbe Deutsche Gemeindeordnung Deutsches Institut für Normung e. V. Direktrufverordnung Dissertation

XII

Abkürzungsverzeichnis DJT DM DöD DOK DÖV DRiG DRiZ DRV DSchG dt. DtZ DuR DV DVB1. DVGW DVO DVP

Deutscher Juristentag Deutsche Mark Der öffentliche Dienst Die Ortskrankenkasse Die öffentliche Verwaltung Deutsches Richtergesetz Deutsche Richterzeitung Deutsche Rentenversicherung Denkmalschutzgesetz deutsch Deutsch-Deutsche Rechtszeitschrift Demokratie und Recht Die Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. Durchführungsverordnung Deutsche Verwaltungspraxis

e.V. ebd. EEA EEG EG EGBGB Einl. EinV EnWG Erg. Erichsen/Martens, AllgVwR ErstattungsG

eingetragener Verein ebenda Einheitliche Europäische Akte Enteignungsgesetz Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einleitung s. EV Energiewirtschaftsgesetz Ergebnis H.-U.Erichsen, W.Martens (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 1988 Gesetz über das Verfahren für die Erstattung von Fehlbeständen an öffentlichem Vermögen Entscheidungssammlung Einkommensteuergesetz Entscheidungssammlung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg Energiewirtschaftliche Tagesfragen und so weiter Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europarecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Einigungsvertrag Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG-Vertrag = Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft E. Eyermann, L. Fröhler, J. Kormann, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 9. Aufl. 1988 Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht

ES EStG ESVGH ET etc. EuGH EuGRZ EuR EuZW EV, EinV EWG EWGV Eyermann/Fröhler, VwGO EzA

XIII

Abkürzungsverzeichnis f f. F. FAG FamRZ FeststG FEVG ff Fg. fin. FinArch. FlurbG Fn. Forsthoff, VwR FRG FS FStrG FuR G GAL GaststG GBl. geänd. GefahrstoffV gem. Gem. GemHVO GemKVO GemSOGB GenTG ges. GewArch. GewO GG ggf., ggfls. GGK GK-SGB GKÖD GmbH GMB1. GO GRe GRG Grundrechte

XIV

die nächste folgende Seite für Finanzausgleich Fernmeldeanlagengesetz Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Gesetz über die Feststellung von Vertreibungsschäden und Kriegsschäden Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen die nächsten folgenden Seiten Festgabe finanziell Finanzarchiv Flurbereinigungsgesetz Fußnote E. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1, 10. Aufl. 1973 Fremdrentengesetz Festschrift s. BFStrG Familie und Recht Gesetz Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte Gaststättengesetz Gesetzblatt geändert Gefahrstoffverordnung gemäß Gemeinde Gemeindehaushaltsverordnung Gemeindekassenverordnung Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes Gentechnikgesetz gesetzlich Gewerbearchiv Gewerbeordnung Grundgesetz gegebenenfalls s. v. Münch, GG Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch Gesamtkommentar öffentliches Dienstrecht Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gemeinsames Ministerialblatt Gemeindeordnung, Geschäftsordnung s. Grundrechte Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen Die Grundrechte, Handbuch der Theorie und Praxis der Grundrechte, Bd. 1, 1. u. 2. Halbbd., hrsg. v. K. A. Bettermann, F. L. Neumann, H. C. Nipperdey, 1966/67; Bd. 2, hrsg. v. F. L. Neumann, H. C. Nipperdey, U. Scheuner, 2. Aufl. 1968; Bd. 3, 1. u.

Abkürzungsverzeichnis

GS Gs. GuG GüKG GV N W GVB1., GVOB1. GVG GWB GZBW h.M. hamb., hbg. HandwO Hbg. HdbStR HDSW Hdwb Hess. hess. Hesse, VerfR HGrG HHG hins. Hinw. HIV HKG HkW-VO HkWP

HÖV, HöV HRG Hrsg., hrsg. HS HStR HVerfR HwVG HZ i.d. F. i.d. R. i.e. S. i. S. (von)

2. Halbbd., hrsg. v. K.A. Bettermann, H . C . Nipperdey, 1958/59; Bd.4, 1.Halbbd., hrsg. v. K.A. Bettermann, H . C . Nipperdey, U.Scheuner, 1960; 2.Halbbd., hrsg. v. K.A. Bettermann, H . C . Nipperdey, 1962; Zitiervorschlag: GRe Gesetzessammlung Gedächtnisschrift Grundstücksmarkt und Grundstückswert Güterkraftverkehrsgesetz Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Nordrhein-Westfalen Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Kartellgesetz Baden-württembergische Gemeindezeitung herrschende Meinung hamburgisch Handwerksordnung Hamburg s. Isensee/Kirchhof, HdbStR Handwörterbuch der Sozialwissenschaften Handwörterbuch Hessen hessisch K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 17. Aufl. 1990 Haushaltsgrundsätzegesetz Häftlingshilfegesetz hinsichtlich Hinweis Human Immunodeficiency Virus Gesetz über Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer Verordnung über die Entsorgung gebrauchter halogenierter Lösemittel Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, hrsg. v. G. Püttner unter Mitarbeit von M. Borchmann, 2. Aufl., Bd. 1 Grundlagen 1981, Bd. 2 Kommunalverfassung 1982, Bd. 3 Kommunale Aufgaben und Aufgabenerfüllung 1983, Bd. 4 Die Fachaufgaben 1983, Bd. 5 Kommunale Wirtschaft 1984, Bd. 6 Kommunale Finanzen 1985 Handbuch für die öffentliche Verwaltung Hochschulrahmengesetz Herausgeber, herausgegeben Halbsatz s. Isensee/Kirchhof s. Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR Gesetz über eine Rentenversicherung der Handwerker Historische Zeitschrift in der Fassung in der Regel im engeren Sinne im Sinne von

XV

Abkürzungsverzeichnis i. V. (mit) i. w. S. IHKG InfAuslR insbes. InvZulG Isensee/Kirchhof, HdbStR IUR

in Verbindung mit im weiteren Sinne Gesetz über die Industrie- und Handelskammern Informationsschrift für Ausländerrecht insbesondere Investitionszulagengesetz J. Isensee, P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 1 u. 2 1987, Bd. 3 1988, Bd. 4 1990 Informationsdienst Umweltrecht

JA JbPostw. jew. Jh. JMB1NW JR jüng. jur. Jura JuS JZ

Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch für das Postwesen jeweils Jahrhundert Nordrhein-westfälisches Justizministerialblatt Juristische Rundschau jünger juristisch Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung

KAG Kap. Kennz. Kfz KGG KHG KJ KJHG Knack, VwVfG

KV KVG KVLG KWG

Kommunalabgabengesetz Kapitel Kennziffer Kraftfahrzeug Hessisches Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit Krankenhausfinanzierungsgesetz Kritische Justiz Kinder- und Jugendhilfegesetz H.-J. Knack (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 3. Aufl. 1989 Kommentar s. HkWP Verwaltungsgerichtsordnung, erl. v. F. O. Kopp, 8. Aufl. 1989 Verwaltungsverfahrensgesetz, erl. v. F. O. Kopp, 4. Aufl. 1986, 5. Aufl. 1991 Die Kriegsopferversorgung Kreisgericht kritisch Kreisordnung Die Krankenversicherung Kommunale Steuer-Zeitschrift Kommunalselbstverwaltungsgesetz, Künstlersozialversicherungsgesetz Kassenärztliche Vereinigung Kommunalverfassungsgesetz Gesetz über eine Krankenversicherung für Landwirte Gesetz über das Kreditwesen, Kommunalwahlgesetz

LAbfG LadSchlG

Landesabfallgesetz Ladenschlußgesetz

Komm. KommHdb Kopp, VwGO Kopp, VwVfG KOV KreisG krit. KrO KrV KStZ KSVG

XVI

Abkürzungsverzeichnis LBeschG LBG LBO, LBauO LdR Leibholz/Rinck, GG

LG LImSchG Lit. LKV LOG LPflG LP1G LROP LS Lsbl. LSG LStrG LuftVG LuftVZO LV(erf.) LVA LVerbO LVG, LVwG m. m. E. m. w. N. v. Mangoldt/Klein, GG Maunz/Dürig, GG

Maunz/Zippelius, StaatsR Maurer, AllgVwR Mayer, VwR Mayer/Kopp, AllgVwR MBO MdE MDR ME med. MedR MOG Mrd.

Landbeschaffungsgesetz Landesbeamtengesetz Landesbauordnung Lexikon des Rechts G. Leibholz, H. J. Rinck, D. Hesselberger, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar anhand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 6. Aufl. Lsbl. Landgericht Landes-Immissionsschutzgesetz Literatur Landes- und Kommunalverwaltung Nordrhein-westfälisches Gesetz über die Organisation der Landesverwaltung Landschaftspflegegesetz Landesplanungsgesetz Landesraumordnungsplan Leitsatz Loseblattsammlung Landessozialgericht Landesstraßengesetz Luftverkehrsgesetz Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung Landesverfassung Landesversicherungsanstalt Landschaftsverbandsordnung Landesverwaltungsgesetz mit meines Erachtens mit weiteren Nachweisen Das Bonner Grundgesetz, erläutert von H. v. Mangoldt, 2. Aufl. neu bearb. v. F. Klein, 3. Aufl. neu bearb. v. Chr. Starck, Bd. 1 1966, Bd. 2 1966, Bd. 3, 2. Aufl. 1974, Bd. 1, 3. Aufl. 1985 Th. Maunz, G. Dürig, R. Herzog, R. Scholz, P. Lerche, H.-J. Papier, A. Randelzhofer, E. Schmidt-Aßmann, Grundgesetz, Kommentar, 4 Bde., 6. Aufl., Lsbl. Th. Maunz / R. Zippelius, Deutsches Staatsrecht, 28. Aufl. 1991 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 1990 O.Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1 u. 2, 3.Aufl. 1924 E.Mayer, F.Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 1985 Musterbauordnung Minderung der Erwerbsfähigkeit Monatsschrift für deutsches Recht Musterentwurf medizinisch Medizinrecht Gesetz zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen Milliarde

XVII

Abkürzungsverzeichnis MTB II MTL II v. Münch, GG MuSchG N n. F. Nachw. NatSchG Nds. nds., nieders. NDV NF NJ NJW Nr. NRW NStZ NuR NVwZ NVwZ-RR NW, Nordrh.-Westf. nw, nordrh.-westf. NWVB1. NZA NZV O o. ä. Obermayer, VwVfG OBG OECD OEG OHG OLG ÖPNV ORDO örtl. östl. OVG PAG ParlStG PBefG PCB PCT PersV XVIII

Manteltarifvertrag für Arbeiter des Bundes Manteltarifvertrag für Arbeiter der Länder Grundgesetz-Kommentar, Hrsg. I. v. Münch, Bd. 1, 3. Aufl. 1985, Bd. 2, Bd. 3, 2. Aufl. 1983, siehe GGK Mutterschutzgesetz s. nds. neue Fassung, neue Folge Nachweise Naturschutzgesetz Niedersachsen niedersächsisch Nachrichtendienst des deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge Neue Folge Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift Nummer s. N W Neue Zeitschrift für Strafrecht Natur und Recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ-Rechtsprechungs-Report Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfalen nordrhein-westfälisch Nordrhein-westfälische Verwaltungsblätter Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht Ordnung oder ähnliches Kl. Obermayer, Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. 1990 Ordnungsbehördengesetz Organization for Economic Cooperation and Development Opferentschädigungsgesetz Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Öffentlicher Personennahverkehr Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft örtlich östlich Oberverwaltungsgericht Polizeiaufgabengesetz Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre Personenbeförderungsgesetz Polychlorierte Biphenyle Polychlorierte Tetrakohlenwasserstoffe Die Personalvertretung

Abkürzungsverzeichnis PG Pkw PlafeR PlanzV POG PolG PolOrg.VO PostArch. pr., preuß. PrAllgGewO PrALR priv. PrOVGE PrWegeRG PVG PVS R RabelsZ

s. PolG Personenkraftwagen Planfeststellungsrecht Planzeichenverordnung Polizeiorganisationsgesetz Polizeigesetz Verordnung über die Organisation und Zuständigkeit der hessischen Vollzugspolizei Postarchiv preußisch Preußische Allgemeine Gewerbeordnung Preußisches Allgemeines Landrecht privat Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts Preußisches Gesetz über die Reinigung öffentlicher Wege Polizeiverwaltungsgesetz Politische Vierteljahresschrift

RaumOR RdA RdE RdWW Redeker/v. Oertzen, VwGO Reg.Entw. RehaAnglG Rez. RGBl. RGZ Rh.-Pf. rheinl.-pfälz., rhpf RhPfVerfGH RiA RKG Rn. ROG RRG Rspr. RÜG RuStAG RV RVerwBl. RVO

Recht Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begründet von Rabel Raumordnungsrecht Recht der Arbeit Recht der Elektrizitätswirtschaft Recht der Wasserwirtschaft K. Redeker, H.-J. v. Oertzen, VwGO: Kommentar, 9. Aufl. 1988 Regierungsentwurf Rehabilitationsangleichungsgesetz Rezension Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rheinland-Pfalz rheinland-pfälzisch Verfassungsgerichtshof in Rheinland-Pfalz Das Recht im Amt Reichsknappschaftsgesetz Randnummer Raumordnungsgesetz Rentenreformgesetz Rechtsprechung Rentenüberleitungsgesetz Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz Die Rentenversicherung, Rentenversicherung Reichsverwaltungsblatt Reichsversicherungsordnung

S S. s. s. o.

s. saarl. Seite, bei Gesetzeszitaten Satz siehe siehe oben XIX

Abkürzungsverzeichnis s. u. Saarl. saarl. sachl. SAE Schl.-H. schlesw.-holst., schlh SchlHAnz. SchrVfS SchwbG SF SG SGb SGB SGG SGVNW SH Slg. SOG sog. SozR SozSich. SozVers. Sp. SRH StabG StAnz. stat. StBauFG std. Steiner, BesVwR Stelkens u. a., VwVfG Stern, StaatsR, StR StGB StGH StGHG StHbKG StHG StPO str. StrG StrReinG StrlSchVO, StrSchV StrWG StT StuGB StuGR StuR

XX

siehe unten Saarland saarländisch sachlich Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen Schleswig-Holstein schleswig-holsteinisch Schleswig-Holsteinische Anzeigen Schriften des Vereins für Sozialpolitik Schwerbehindertengesetz Sozialer Fortschritt Sozialgericht Die Sozialgerichtsbarkeit Sozialgesetzbuch Sozialgerichtsgesetz Sammlung des bereinigten Gesetz- und Verordnungsblattes für das Land Nordrhein-Westfalen s. Schl.-H. Sammlung Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung sogenannte(r) Sozialrecht Soziale Sicherheit Die Sozialversicherung Spalte B. v. Maydell/F. Ruland (Hrsg.), Sozialrechtshandbuch, 1 9 8 8 Stabilitätsgesetz Staatsanzeiger statistisch Städtebauförderungsgesetz ständig U.Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1988 P.Stelkens, H . J . Bonk, K.Leonhardt, M.Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz: Kommentar, 3. Aufl. 1990 K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 2. Aufl. 1984, Bd. 2 1980, Bd. 3/1 1988 Strafgesetzbuch Staatsgerichtshof Staatsgerichtshofsgesetz Gesetz „Stiftung Hilfswerk behindertes Kind" Staatshaftungsgesetz Strafprozeßordnung strittig Straßengesetz Straßenreinigungsgesetz Strahlenschutzverordnung Straßen- und Wegegesetz Der Städtetag Städte- und Gemeindebund Städte- und Gemeinderat Staat und Recht (DDR)

Abkürzungsverzeichnis StuVwR StuW StVG StVO StVZO SVG

Staats- und Verwaltungsrecht Steuer und Wirtschaft Straßenverkehrsgesetz Straßenverkehrsordnung Straßenverkehrs-Zulassungsordnung Soldatenversorgungsgesetz

TA teilw. TELEKOM TelwegG TGL Tschira/Schmitt Glaeser, VwPrR TuP TVG Tz.

Technische Anleitung teilweise Deutsche Bundespost, Betriebszweig Fernmeldedienste Telegraphenwegegesetz Technische Güter- und Lieferbestimmungen W. Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, mitbegründet von O. Tschira, 9. Aufl. 1988, 10. Aufl. 1990 Theorie und Praxis der sozialen Arbeit Tarifvertragsgesetz Textziffer

u. u. a. u. U. Überbl. ÜberlG übl. Ule, VwPrR UmweltHG UmwR undeutl. UnterhG UPR UTR UVP UVPG UWG UZwG

und unter anderen(m), und andere unter Umständen Überblick Überleitungsgesetz üblich C. H. Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 9. Aufl. 1987 Umwelthaftungsgesetz Umweltrecht undeutlich Unterhaltsvorschußgesetz Umwelt- und Planungsrecht Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts Umweltverträglichkeitsprüfung Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwangs

v. v. H. VA VB1BW VDE VDI VdK-Mitt. VDR VEnergR Verf. VerfGH VerfGHG Verk.Mitt. VersR

von vom Hundert Verwaltungsakt Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Verband deutscher Elektrotechniker e. V. Verein deutscher Ingenieure e. V. Mitteilungen des Verbandes der Kriegs- und Wehrdienstopfer Verband deutscher Rentenversicherungsträger Veröffentlichungen des Instituts für Energierecht Verfassung Verfassungsgerichtshof Verfassungsgerichtshofsgesetz Verkehrsrechtliche Mitteilungen Versicherungsrecht XXI

Abkürzungsverzeichnis VerwArch. VerwRdSch. VerwRspr. VG VGH vgl. VGS

VkBl. VO VOB Vorauf!. Vorb. VR VRS VRspr., VerwRspr. VSSR WDStRL WG Vw VW VwGO VwR VwVfG WaStrG weit. WertV WG WHG WiGBl. WiR wiss. WissR WiVerw. WM WoGG Wolff/Bachof, VwR I Wolff/Bachof, VwR II Wolff/Bachof, VwR III Wolff/Bachof/Stober, VwR II WPfG WRV WUR WuW WVG WzS XXII

Verwaltungsarchiv Verwaltungsrundschau Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Verordnung über die Genehmigungspflicht für die Einleitung von Abwasser mit gefährlichen Stoffen in öffentliche Abwasseranlagen Verkehrsblatt, Amtsblatt des Bundesministers für Verkehr Verordnung Verdingungsordnung für Bauleistungen Vorauflage Vorbemerkung Verwaltungsrundschau Verkehrsrechts-Sammlung Verwaltungsrechtsprechung Vierteljahresschrift für Sozialrecht Veröffentlichungen der Vereinigung Deutscher Staatsrechtslehrer Versicherungsvertragsgesetz Verwaltung Volkswagen Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsrecht Verwaltungsverfahrensgesetz Wasserstraßengesetz weitere Wertermittlungsverordnung Wassergesetz, Wegegesetz Wasserhaushaltsgesetz Wirtschaftsgesetzblatt Wirtschaftsrecht wissenschaftlich Wissenschaftsrecht, Wissenschaftsverwaltung, Wissenschaftsförderung Wirtschaft und Verwaltung, Vierteljahresbeilage zum Gewerbearchiv Wertpapier-Mitteilungen Wohngeldgesetz H.-J. Wolff, O.Bachof, Verwaltungsrecht, Bd. 1, 9. Aufl. 1974 H.-J. Wolff, O.Bachof, Verwaltungsrecht, Bd.2, 4. Aufl. 1976 H.-J. Wolff, O.Bachof, Verwaltungsrecht, Bd.3, 4. Aufl. 1978 H.-J. Wolff, O.Bachof, R.Stober, Verwaltungsrecht, Bd.2, 5. Aufl. 1987 Wehrpflichtgesetz Weimarer Reichsverfassung Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrecht, Wirtschaft und Recht Wirtschaft und Wettbewerb Wasserverbandsgesetz Wege zur Sozialversicherung

Abkürzungsverzeichnis Z. z. B. z. T. ZA zahlr. ZAS ZBR ZDG ZevKR ZFA ZfB ZfBR ZfE ZfF ZfS ZfSH ZfU ZfW ZG ZGB-DDR ZGR ZHR ZIP zit. ZLR ZLW ZögU ZPO ZRP ZSR ZTR zul. Zust.VO SOG ZVersWiss

Zuweisung zum Beispiel zum Teil Zumutbarkeits-Anordnung zahlreich Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht Zeitschrift für Beamtenrecht Zivildienstgesetz Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Bergrecht Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht Zeitschrift für Energierecht Zeitschrift für das Fürsorgewesen Zentralblatt für Sozialversicherung, Sozialhilfe und Versorgung Zeitschrift für Sozialhilfe Zeitschrift für Umweltpolitik Zeitschrift für Wasserrecht Zeitschrift für Gesetzgebung Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für Haushaltsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zeitschrift für das gesamte Luftrecht Zeitschrift für Luftrecht und Weltraumrechtsfragen Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Sozialreform Zeitschrift für Tarifrecht zuletzt Verordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr in Niedersachsen Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft

XXIII

ERSTER ABSCHNITT

Kommunalrecht Eberhard Schmidt-Aßmann Gliederung I. Grundlagen 1. Gesetzeslage 2. Zur Entwicklung des Kommunalwesens II. Die Verfassungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG 1. Rechtssubjektsgarantie 2. Rechtsinstitutsgarantie a) Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft b) Allzuständigkeit (Universalität) c) Eigenverantwortlichkeit d) Gesetzesvorbehalt aa) Kernbereichsgarantie bb) Gemeindespezifisches materielles Aufgabenverteilungsprinzip . . . e) Sog. Gemeindehoheiten 3. subjektive Rechtsstellungsgarantie 4. Erstreckungsgarantien a) Grundsatz des gemeindefreundlichen Verhaltens b) Mitwirkungsrechte Spezialliteratur

Rn. 1— 7 2 3— 7 8 10—12 13 14—17 18 19 20—22 21 22 23 24 25—26 25 26

III. Weitere Verfassungspositionen der Gemeinden 1. Gewährleistungen im Grundgesetz a) partielle Finanzgarantien b) Grundrechte aa) Bereiche öffentlicher Aufgabenerfüllung bb) Bereiche fiskalisch-erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit 2. Selbstverwaltungsgarantien der Landesverfassungen

27—31 27—30 27 28-30 29 30 31

IV. Gemeinden und Staatsaufsicht 1. Aufgaben der Gemeinden a) Aufgabendualismus aa) Selbstverwaltungsangelegenheiten bb) Auftragsangelegenheiten b) Aufgabenmonismus aa) interne Gliederung bb) Weisungsaufgaben als Mischform c) andere Formen öffentlicher Verwaltung im gemeindlichen Raum . . . . 2. Rechtsaufsicht a) Aufsichtsmittel b) Rahmenbedingungen und Rechtsschutz

32—49 33—40 34—36 35 36 37—39 38 39 40 41—43 42 43 1

1. AbSChn.

Eberhard Schmidt-Aßmann

3. Fachaufsicht a) Wesen und Regelungen b) Rechtsschutz gegen fachaufsichtliche Maßnahmen 4. Mittel präventiver Aufsicht a) Zweck und Typik b) spezielle Genehmigungsvorbehalte aa) rechtliche Unbedenklichkeitserklärung bb) staatliche Mitentscheidung, Kondominium Spezialliteratur V. Das Recht des internen Gemeindeaufbaus (Gemeindeverfassungsrecht) Vorbemerkungen a) Das Bild der Einheitsgemeinde b) kreisfreie und kreisangehörige Gemeinden aa) kreisangehörige Gemeinden bb) kreisfreie Städte cc) privilegierte kreisangehörige Gemeinden 1. Gemeindeverfassungstypen (Überblick) 2. Der Gemeinderat a) Zusammensetzung und Mitgliederstatus aa) Rechts- und Pflichtenstatus bb) insbesondere: Befangenheitsvorschriften b) interne Organisation und Verfahren des Rates aa) Ratsvorsitzender bb) Ratsgeschäftsordnung cc) Ratssitzungen dd) Ratsausschüsse c) Aufgaben des Gemeindesrates aa) Systematik bb) Vorbehaltsaufgaben des Rates (Überblick) 3. Der Gemeindevorsteher a) Status b) Aufgaben aa) Ratszuarbeitung, Ratsvorsitz bb) Geschäfte der laufenden Verwaltung cc) übertragene Angelegenheiten dd) Dringlichkeitsentscheidungen ee) Verwaltungschef ff) Vertretung der Gemeinde gg) Einspruchsrecht 4. Besonderheiten der Magistratsverfassung 5. Kommunalverfassungsstreit a) Grundfragen und Entwicklung b) Einzelheiten Spezialliteratur VI. Die Mitwirkung der Bürger und Einwohner an der Gemeindeverwaltung . . . 1. Kommunalwahlen a) Grundsätze b) Rechtsschutz bei Kommunalwahlen 2

44—45 44 45 46—49 46 47—49 48 49

50—84 50 50 51—54 52 53 54 55—58 59—61 59—61 60 61 62—66 63 64 65 66 67—69 68 69 70—79 71 72-79 73 74 75 76 77 78 79 80—81 82—84 83 84

85—92 86—87 86 87

Kommunalrecht 2. Ehrenamtliche Tätigkeiten und neuere Beteiligungsformen a) ehrenamtliche Tätigkeiten b) neuere Beteiligungsformen aa) schlichte Mitwirkungsmöglichkeiten bb) Mitentscheidungsmöglichkeiten 3. Gemeindeinterne Gliederungen: Bezirke, Ortschaften Spezialliteratur VII. Die Rechtsetzung der Gemeinden 1. Gemeindliche Satzungen a) Regelungstypus b) Grundlagen, Gesetzesvorbehalt c) Verfahren aa) allgemein bb) Verfahrensfehler d) Rechtsschutz gegen Satzungen 2. Weitere gemeindliche Rechtsetzungsakte a) Rechtsverordnungen b) inneradministrative Rechtssätze Spezialliteratur VIII. Die Leistungen der Gemeinden für ihre Einwohner 1. öffentliche Einrichtungen a) Begriff b) Nutzungsrechte c) Benutzungsverhältnis aa) öffentlich-rechtliches Einheitsmodell bb) Typenvielfalt 2. Einrichtungen mit Anschluß-und Benutzungszwang a) Tatbestand b) Grundrechtsfragen aa) Anschlußpflichtige bb) Anbieter gleichartiger Leistungen Spezialliteratur IX. Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde 1. Begriffe und Abgrenzungen 2. kommunalrechtliche Schranken gemeindlicher Wirtschaftstätigkeit a) Ausgrenzungen b) kommunalrechtliche Schrankentrias c) Rechtsschutz 3. allgemeine wirtschaftsrechtliche Schranken 4. Rechtsformen wirtschaftlicher Unternehmen a) Formenvielfalt aa) öffentlich-rechtliche Formen bb) privatrechtliche Formen b) Eigenbetriebe Spezialliteratur X. Finanzen und Haushalt 1. Gemeindefinanzsystem

1. Abschn. 88— 91 88 89 90 91 92

93 — 103 94— 99 94 95— 96 96 97 9 8 - 99 100—101 102—103 102 103

104—117 105 105-107 108 109—113 110 111-113 114 114-115 116 116 117

118 —126 118 119 — 121 119 120 121 122 123 — 126 123 — 125 124 125 126

127—135 128 — 132 3

1. Abschn.

Eberhard Schmidt-Aßmann

a) Steuereinnahmen aa) Gemeindesteuern bb) Steuererfindungsrecht b) Gebühren und Beiträge c) Finanzzuweisungen 2. Haushaltsrecht a) Haushaltssatzung, Haushaltsplan b) Haushaltsvollzug Spezialliteratur XI. Das Recht der Landkreise (Kreise) 1. Grundgesetzliche Rechtsstellung a) Rechtssubjektsgarantie b) Rechtsinstitutsgarantie 2. Aufgaben der Kreise a) Kreisaufgaben und staatliche Steuerung b) Aufgabenverteilung zwischen Kreis und kreisangehörigen Gemeinden aa) übergemeindliche Aufgaben bb) ergänzende Aufgaben cc) ausgleichende Aufgaben dd) die Kompetenz-Kompetenz 3. Die Organe des Kreises a) Kreistag b) Landrat c) Kreisausschuß 4. Staatliche Verwaltung im Kreis Spezialliteratur XII. Sonstige Gemeindeverbände, Zweckverbände 1. Gesamtgemeinden 2. Höhere Gemeindeverbände 3. Zweckverbände a) interkommunale Zusammenarbeit b) insbes. Zweckverbandsbildungen

4

129 130 130 131 132 133-135 134 135

136-149 136 — 138 137 138 139 — 1 4 4 139 140 — 1 4 4 141 142 143 144 145 — 148 146 147 148 149

150—157 153 — 154 155 156 156 157

1. Abschn.

Kommunalrecht

Gesetze Baden- Württemberg: GemeindeO vom 25.7.1955 i.d.F. vom 3.10.1983 (GBl. S.578), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.12.1991 (GBl. S. 860). LandkreisO vom 10.10.1955 i.d.F. vom 19.6.1987 (GBl. S.288), geändert durch Gesetz vom 12.12.1991 (GBl. S.860). NachbarschaftsverbandsG vom 9.7.1974 (GBl. S.261). Gesetz über kommunale Zusammenarbeit i.d.F. vom 16.9.1974 (GBl. S. 408), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.12.1990 (GBl. S. 860). Bayern: GemeindeO vom 25.1.1952 i.d.F. der Bekanntmachung vom 11.9.1989 (GVB1. S.585), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.8.1990 (GVB1. S.268). LandkreisO vom 16.2.1952 i.d.F. der Bekanntmachung vom 11.9.1989 (GVB1. S.612), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.8.1990 (GVB1. S.269). Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit vom 12.7.1966 (GVB1. S. 218, ber. S. 314), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.7.1982 (GVB1. S.471). VerwaltungsgemeinschaftsO für den Freistaat Bayern i.d.F. der Bekanntmachung vom 26.10.1982 (GVB1. S.965). Berlin: Gesetz über die Zuständigkeiten in der allgemeinen Berliner Verwaltung vom 2.10.1958 (GVB1. S. 947), zuletzt geändert durch Gesetz vom 6.7.1989 (GVB1. S. 1289). Bezirksverwaltungsgesetz von Berlin i.d.F. vom 17.7.1989 (GVB1. S. 1494). Brandenburg: S. „Neue Bundesländer" am Ende dieser Aufstellung. Bremen: Ortsgesetz über Beiräte und Ortsämter vom 20.6.1989 (BremGBl. S. 241), zuletzt geändert durch Entscheidung des StGH vom 8.7.1991 (BremGBl. S. 239). Hamburg: BezirksverwaltungsG der Freien und Hansestadt Hamburg vom 22.5.1978 (GVB1. S. 178), i. d. F. vom 27.6.1984 (GVB1. S. 135), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.9.1988 (GVB1. S. 179). Hessen: GemeindeO vom 25.2.1952 i. d. F. vom 1.4.1981 (GVB1.1 S. 66), geändert durch Gesetz vom 26.6.1990 (GVB1.I S.197). Gesetz über den Umlandverband Frankfurt vom 11.9.1974 (GVB1.1 S. 427), geändert durch Gesetz vom 16.6.1988 (GVB1.1 S. 235). Hessische LandkreisO vom 25.2.1952 i. d. F. vom 1.4.1981 (GVB1.1 S. 97), geändert durch Gesetz vom 16.6 1988 (GVB1.1 S. 235). Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit vom 16.12.1969 (GVB1.1 S.307), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.6.1978 (GVB1.1 S. 420). Mecklenburg- Vorpommern S. „Neue Bundesländer" am Ende dieser Aufstellung u. Ges. vom 13. 8.1991 (GVB1. S. 292). Niedersachsen: Niedersächsische GemeindeO i. d. F. vom 22.6.1982 (Nds. GVB1. S. 229), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.3.1990 (Nds. GVB1. S. 115). Niedersächsische LandkreisO i. d. F. vom 22.6.1982 (Nds. GVB1. S. 256), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.3.1990 (Nds. GVB1. S. 115). ZweckverbandsG vom 7.6.1939 i.d.F. der Verordnung vom 11.6.1940 (RGB1.I S.876), geändert durch Gesetz vom 30.7.1985 (GVB1. S.246). 5

1. Abschn.

Eberhard Schmidt-Aßmann

NordrheinWestfalen: GemeindeO i. d. F. der Bekanntmachung vom 1 3 . 8 . 1 9 8 4 (GV NRW S. 475), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3 0 . 4 . 1 9 9 1 (GV NRW S.214). KreisO i.d.F. der Bekanntmachung vom 1 3 . 8 . 1 9 8 4 (GV NRW S.497), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7 . 3 . 1 9 9 0 (GV NRW 1987 S. 141). Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit i.d.F. der Bekanntmachung vom 1 . 1 0 . 1 9 7 9 (GV NRW S. 621), geändert durch Gesetz vom 2 6 . 6 . 1 9 8 4 (GV NRW S.362). Rheinland-Pfalz: GemeindeO vom 1 4 . 1 2 . 1 9 7 3 (GVB1. S.491), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8 . 4 . 1 9 9 1 (GVB1. S.110). LandkreisO i.d.F. der Bekanntmachung vom 2 . 4 . 1 9 9 1 (GVB1. S. 177), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8 . 4 . 1 9 9 1 (GVB1. S. 104). Zweckverbandsgesetz vom 2 2 . 1 2 . 1 9 8 2 (GVB1. S.476). Saarland: KommunalselbstverwaltungsG i.d.F. der Bekanntmachung vom 1 8 . 4 . 1 9 8 9 (ABl. S.557). Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit vom 2 6 . 2 . 1 9 7 5 (ABl. S. 490), geändert durch Gesetz vom 1 8 . 1 . 1 9 8 9 (ABl. S.321). Sachsen: S. „Neue Bundesländer", am Ende dieser Aufstellung. Sachsen-Anhalt: S. „Neue Bundesländer", am Ende dieser Aufstellung u. Ges. vom 3 0 . 8 . 1 9 9 0 (GVB1. S. 286). Schleswig-Holstein: GemeindeO vom 2 4 . 1 . 1 9 5 0 (GVOB1. S.25) i.d.F. vom 2 . 4 . 1 9 9 0 (GVOB1. S. 160). KreisO vom 2 7 . 2 . 1 9 5 0 (GVOB1. S.49) i.d.F. vom 2 . 4 . 1 9 9 0 (GVOB1. S. 193). AmtsO vom 1 7 . 6 . 1 9 5 2 (GVB1. S.95) i.d.F. der Bekanntmachung vom 2 . 4 . 1 9 9 0 (GVOB1. S. 209). Landesverordnung über Nachbarschaftsausschüsse vom 2 9 . 1 0 . 1 9 7 4 (GVB1. S. 412). Landesverordnung über Ortsbeiräte vom 6 . 2 . 1 9 7 0 (GVB1. S. 39), geändert durch Landesverordnung vom 1 9 . 9 . 1 9 7 3 (GVB1. S.326). Gesetz über kommunale Zusammenarbeit i. d. F. der Bekanntmachung vom 2 . 4 . 1 9 9 0 (GVOB1. S. 216). Thüringen: S. „Neue Bundesländer", am Ende dieser Aufstellung. Neue Bundesländer: Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung) vom 1 7 . 5 . 1 9 9 0 (GBl. DDR S. 255), das gemäß Art. 9 des Einigungsvertrages vom 3 0 . 8 . 1 9 9 0 (BGBl. II S. 877) in Kraft bleibt, soweit es mit dem Grundgesetz ohne Berücksichtigung des Art. 143, mit dem in den neuen Ländern in Kraft gesetzten Bundesrecht sowie mit dem unmittelbar geltenden Recht der EG vereinbar ist und soweit im Einigungsvertrag sonst nichts anderes bestimmt wird.

Literatur 1. Zum Kommunalrecht

allgemein

H.H. V.Arnim, Selbstverwaltung und Demokratie, AöR Bd. 106 (1988), 1 ff. H. Bethge, Parlamentsvorbehalt und Rechtsatzvorbehalt für die Kommunalverwaltung, NVwZ 1983, 577 ff. H.Borchert, Kommunalaufsicht und kommunaler Haushalt, 1976. S.Broß, Ausgewählte Probleme des Kommunalrechts, VerwArch 1989 (Bd. 80), 143 ff. 6

1. Abschn.

Kommunalrecht

W. Brückner, Die Organisationsgewalt des Staates im kommunalen Bereich, 1974. ]. Burmeister, Verfassungstheoretische Neukonzeption der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, 1977. H.-U.Derlieti/D.V.Queis, Kommunalpolitik im geplanten Wandel, 1986. D.Fürst/].}. Hesse/H.Richter, Stadt und Staat, 1984. R. Hendler, Selbstverwaltung als Ordnungsprinzip, 1984. H. Hill, Die politisch-demokratische Funktion der kommunalen Selbstverwaltung nach der Reform, 1987 (zitiert: Hill, Funktion). H. Klüber, Das Gemeinderecht in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland, 1972. L.Macher, Der Grundsatz des gemeindefreundlichen Verhaltens, 1971. H.Meier, Regionalplanung und kommunale Selbstverwaltung, 1984. K.-U.Meyn, Gesetzesvorbehalt und Rechtsetzungsbefugnis der Gemeinden, 1977. H.Müthling, Die Geschichte der deutschen Selbstverwaltung, 1966. A. v. Mutius, Sind weitere rechtliche Maßnahmen zu empfehlen, um den notwendigen Handlungs- und Entfaltungsspielraum der kommunalen Selbstverwaltung zu gewährleisten? Gutachten E zum 53. Deutschen Juristentag 1980. H.Pagenkopf, Kommunalrecht, 2.Aufl. Bd. 1, 1975, Bd.2, 1976 (zitiert: Pagenkopf, KomR Bd. 1 u. 2). H.Preuss, Die Entwicklung des deutschen Städtewesens, 1906 (Nachdruck 1965). G. Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 1—5, 1981 ff (zitiert: Bearbeiter, HkWP). W. Roters, Kommunale Mitwirkung an höherstufigen Entscheidungsprozessen, 1975. E. Schmidt-]ortzig, Kommunalrecht, 1982 (zitiert: Schmidt-Jortzig, KomR). ders., Kommunale Organisationshoheit, 1979. H. Scholler, Grundzüge des Kommunalrechts in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl. 1990 (zitiert: Scholler, KomR). O. Seewald, Kommunalrecht, in: U. Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 1988, 1 ff. R. Stober, Kommunalrecht, 1987 (zitiert: Stober, KomR). B.Stüer, Funktionalreform und kommunale Selbstverwaltung, 1980. P.J. Tettinger, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1990, S. 4 ff (zitiert: Tettinger, BesVerwR). W. Weber, Staats- und Selbstverwaltung in der Gegenwart, 2. Aufl. 1967. Zur Entwicklung der Rechtsprechung vgl. die jährl. Berichte von Erlenkämper, 621; 1985, 795 ff; 1986, 989 ff; 1988, 21 ff; 1990, 116 ff; 1991, 325 ff. II. Zur Einführung

in das Kommunalrecht

der einzelnen

NVwZ 1984,

Bundesländer:

Baden-Württemberg: H.Maurer, Kommunalrecht, in: H. Maurer/R. Hendler, Baden-württembergisches Staatsund Verwaltungsrecht, 1989, 173 ff (zitiert: Maurer in: Maurer/Hendler, StuVwR BW). B. ReichertIA. Gern, Kommunalrecht, 4. Aufl. 1990. Bayern: F.-L. Knemeyer,

Bayerisches Kommunalrecht, 7. Aufl. 1991 (zitiert: Knemeyer,

Hessen: H.Meyer, Kommunalrecht, in: H.Meyer/M.Stolleis, recht, 1986, 138 ff. Niedersachsen: H. Faber, Kommunalrecht, in: H.Faber IH.P. waltungsrecht, 1985, 225 ff.

KomR Bay).

Hessisches Staats- und Verwaltungs-

Schneider,

Niedersächsisches Staats- und Ver-

7

1. Abschn.

Eberhard Schmidt-Aßmann

Th.Elster, in: Z.Körte/B.Rebe, Verfassung und Verwaltung des Landes Niedersachsen, 1986, 228 ff. ]. Ipsen, Niedersächsisches Kommunalrecht, 1989 (zitiert: Ipsen, KomR Nds.). Nordrhein-Westfalen: H.-U. Erichsen, Kommunalrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 1988 (zitiert: Erichsen, KomR NRW). ders., Kommunalrecht, in: D. Grimm/H.J. Papier, Nordrhein-westfälisches Staats- und Verwaltungsrecht, 1986, 105 ff. J. Oebbecke, Gemeindeverbandsrecht, Nordrhein-Westfalen, 1984. Schleswig-Holstein: A. Galette/O. A. Laux, Kommentar zur Gemeindeordnung, Kreisordnung, Amtsordnung für Schleswig-Holstein, Bd. 1 und 2 Lsbg. Neue Bundesländer: S.Petzold, Zur neuen Kommunalverfassung in der DDR, DÖV 1990, 816. Th.Reiners, Kommunalverfassungsrecht in den neuen Bundesländern, 1991. G.Schmidt-Eichstaedt, Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR vom 17. Mai 1990, DVB1.1990, 848. G.Schmidt-Eichstaedt/S.Petzold/H.Melzer, u.a., Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung), 1990. Schützenmeister, Zur Entwicklung von Kommunaleigentum, Gemeindevermögen und kommunaler Selbstverwaltung im Rahmen des Einigungsvertrages, LKV 1991, 25 ff.

8

1. Abschn. I 1

Kommunalrecht

I. Grundlagen Als Kommunalrecht bezeichnet man die Summe derjenigen Rechtssätze, die sich 1 auf Rechtsstellung, Organisation, Aufgaben und Handlungsformen der Kommunalkörperschaften beziehen1. Zu den Kommunalkörperschaften zählen die Gemeinden, die Landkreise, die Kommunalverbände und Sonderverbände sowie die kommunalen Zweckverbände. Das Gemeinderecht ist ein Teil des Kommunalrechts — der wichtigste Teil, weil die Gemeinden die Basis des körperschaftlich gegliederten kommunalen Verwaltungsgefüges sind. Zudem enthalten die anderen Teile des Kommunalrechts oft Verweisungen auf die Regelungsgebiete des Gemeinderechts. Daher steht das Gemeinderecht im Zentrum auch dieses Beitrages (Abschnitt II—X), während das Recht der Landkreise und der sonstigen Gemeindeverbände nur knapp dargestellt wird (XI, XII).

1. Gesetzliche Grundlagen Weder für das Kommunalrecht als Ganzes noch für das Gemeinderecht existiert 2 eine geschlossene systematische Kodifikation. Wohl aber besteht in jedem Flächenstaat2 der Bundesrepublik eine Gruppe von Gesetzen, die die Hauptmaterien des Kommunalrechts abdecken. Hierzu zählen die Gemeinde- und Landkreisordnungen und die Zweckverbandsgesetze. Kommunalabgabengesetze und Vorschriften über das kommunale Eigenbetriebs-, Kassen- und Haushaltswesen ergänzen diesen engeren Kreis kommunalrechtlicher Gesetze3. Kommunalrecht ist also in seinem Kern Landesrecht. In einem weiteren Sinne freilich finden sich wichtige kommunalrechtliche Regelungen in vielen Bundes- oder Landesgesetzen4, die einzelne Materien des Verwaltungsrechts regeln (Fachgesetze), z. B. die gemeindliche Bauleitplanung im Baugesetzbuch, das kommunale Markt- und Jahrmarktswesen in der Ge1 2

Ähnlich Schmidt-Jortzig, K o m R Rn. 1; Erichsen, K o m R N R W 1. Die Stadtstaaten Berlin und Hamburg unterscheiden nicht zwischen staatlicher und gemeindlicher Aufgabenträgerschaft. Z u m organisatorischen Aufbau und der Binnengliederung Hamburgs Haas, in: Hoffmann-Riem/Koch, Hamburgisches Staats- und Verwaltungsrecht, 1 9 8 8 , 9 1 ; Becker/Schneider, H k W P Bd. 2, 2 6 5 . Z u Berlin, Machelet, H k W P Bd. 2, 2 6 4 ; speziell zur Eingliederung Ost-Berlins, Gesetz zur Änderung der Verfassung von Berlin vom 3 . 9 . 1 9 9 0 , Art. 4 (GVB1. Be 1 9 9 0 , 1 8 7 7 ) und Gesetz vom 2 8 . 9 . 1 9 9 0 , § § 1 - 3 (GVB1. Be 1 9 9 0 , 2 1 1 9 ) ; Finkelnburg, L K V 1 9 9 1 , 6 ; Ortloff, L K V 1 9 9 1 , 1 4 5 . Bremen kennt zwar eine eigene kommunale Ebene; in der nachfolgenden Darstellung bleibt jedoch auch dieses Land wie die beiden anderen Stadtstaaten außer Ansatz; zu Bremen Heise, H k W P Bd. 2, 3 1 0 .

3

Darstellung der Rechtsgrundlagen bei Blümel, in den neuen Bundesländern Schmidt-Eichstaedt,

H k W P Bd. 1, 2 2 9 ; zu den Rechtsgrundlagen DVB1. 1 9 9 0 , 8 4 8 .

4

Z u den kompetenzrechtlichen Grundlagen, BVerfGE 2 6 , 1 7 2 ( 1 8 2 ) und 7 7 , 2 8 8 ( 2 9 8 f). Die daraus resultierende Rechtszersplitterung bereitet dem Studium ebenso wie jeder vereinheitlichenden Darstellung des Kommunalrechts erhebliche Schwierigkeiten. Die nachfolgenden Ausführungen wollen mit dem T e x t der jeweiligen Gemeindeordnung in der Hand gelesen werden. Z u m Vergleich der Gemeindeordnungen Schmidt-Eichstaedt/StadelBorchmann, Die Gemeindeordnungen und die Kreisordnungen in der Bundesrepublik Deutschland (Lsbg.), mit Einführungen und synoptischen Tafeln im Anhang; vgl. dort auch die Nachweise zur kommunalrechtlichen Literatur.

9

1. A b s c h n . I 2

Eberhard Schmidt-Aßmann

werbeordnung; Straßen-, Abfall-, Schul-, Sozialhilfegesetze — sie alle haben auch ihre kommunalrechtliche Seite, denn Gemeinden und Kreise sind zentrale Verwaltungsträger und finden in diesen Gesetzen die Grundlagen für ihre einzelnen Aufgabengebiete (Verwaltungsagenden).

2. Zur Entwicklung des Kommunalwesens 3

Das Wort Gemeinde bezieht sich ursprünglich auf ein bestimmtes Gebiet, die Allmende, eine Gemarkung, an der eine Gruppe von Personen gemeinsame Rechte und Pflichten besaß. Von diesem Realvermögen übertrug sich die Bezeichnung auf die in einem als Einheit verstandenen Gebiet ansässigen Rechtsgenossen, deren Ordnung aus der Notwendigkeit zur Erledigung gemeinsamer Pflichten erwuchs. Seit dem 12. Jahrhundert entwickelte sich ein kommunales Gemeinwesen besonderer Art, die Stadt 5 . Hier siedelten sich neben den Handeltreibenden auch Handwerker an, die ihre Wohnstätte, häufig im Schutz einer Burg gelegen, gegen Angriffe von außen befestigten. Die Bürgerschaft gliederte sich in Gilden und Zünfte nach verschiedenen Erwerbszweigen. Diese Verbände führten häufig einen heftigen Streit um die politische Leitung des Gemeinwesens mit der Folge, daß soziale Schichtungen innerhalb der Städte mannigfache Differenzierungen schufen, so daß vielerorts nur Patrizier ratsfähig waren und eine hegemoniale Stellung erlangten. So wich das genossenschaftliche Prinzip, das einst wichtige Impulse zur Entwicklung dieser Gemeinden gegeben hatte, der Herrschaft einflußreicher Familien, die nun innerhalb der Stadt als Obrigkeit auftraten. Ein wesentliches Kriterium der Stadt war seit dem 13. Jahrhundert ihre Autonomie zur Rechtssetzung. Von größeren Orten, wie Nürnberg, Lübeck oder Magdeburg übernahmen Tochterstädte bis weit in die östlichen Staaten Europas ihre Verfassung, so daß „Stadtrechtsfamilien" entstanden, die in der Entwicklung des Rechts in Europa keine geringe Rolle spielen.

4

Mit der Entwicklung des absolutistisch regierten Territorialstaates erstarrte fast überall in Deutschland das kommunale Leben. Städte und Dörfer bildeten nicht viel mehr als obrigkeitliche Verwaltungsbezirke. Neu belebt und auf neue Rechtsgrundlagen gestellt wurde die Idee einer gemeindlichen Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert. Hier waren es zunächst die Stein-Hardenbergschen Reformen, die auf dieses Gedankengut zurückgriffen 6 . Ihren klarsten Ausdruck fanden diese Überlegungen in der preußischen Städteordnung vom 19. November 1 8 0 8 , die ihren Zweck dahingehend umreißt, „den Städten eine selbständigere und bessere Verfassung zu geben, in der Bürgergemeinde einen festen Vereinigungspunkt gesetzlich zu bilden, ihnen eine tätige Einwirkung auf die Verwaltung des Gemeinwesens beizulegen und durch diese Teilnahme Gemeinsinn zu erregen und zu erhalten". Zunächst eher als staatsorganisatorisches Prinzip gedacht, geriet die Selbstverwaltungsidee im weiteren Verlauf der Entwicklung stärker unter die vom süddeutschen Konstitutionalismus gespeisten Vorstellungen eines vorstaatlichen Status der Gemeinden 7 . § 1 8 4 der Paulskirchenverfassung von 1 8 4 9 und Art. 127 der Weimarer Reichsverfassung von 5 6

7

Scholler, KomR, 1 ff m. w. Nachw. Dazu E.R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 1, 2. Aufl., 1967, 102 ff und 172ff; Lange, in: FS f. W.Weber, 1974, 851. Hendler, Selbstverwaltung, 19 ff.

10

Kommunalrecht

1.Abschn. I 2 b

1919 führten die Selbstverwaltung der Gemeinden unter den Grundrechten auf. Die kommunalrechtliche Praxis dagegen blieb stets stärker der staatsorganisatorischen Deutung der gemeindlichen Selbstverwaltung verhaftet. Art. 28 Abs. 2 GG nimmt diese Gedanken auf und stellt die Selbstverwaltung in den Dienst einer gegliederten, freiheitswahrenden Demokratie (Rn. 8 ff). a) Der heutige Gebietszuschnitt und Bevölkerungsstand der Kommunalkörper- 5 Schäften in den bisherigen („alten") Ländern der Bundesrepublik geht im wesentlichen auf die Territorialreform zwischen 1967 und 1978 zurück8. Vor der Reform gab es in der Bundesrepublik ca. 2 4 0 0 0 Gemeinden; davon hatten 10760 weniger als 500 Einwohner. Die Gebietsreform, die durch umfangreiche verwaltungswissenschaftliche Gutachten vorbereitet worden war, hatte sich eine Stärkung der Verwaltungskraft und die Lösung des Stadt-Umland-Problems („Einheit von Planungs- und Verwaltungsraum") zum Ziel gesetzt9. Mittel zur Erreichung dieses Zieles waren vor allem die Eingemeindung und der Gemeindezusammenschluß — teils auf freiwilliger Grundlage, teils durch Hoheitsakt verordnet. Die Zahl der Gemeinden ging dadurch bundesweit auf ein Drittel (8505) zurück. Länderweise fiel die Reduktion allerdings recht unterschiedlich aus: Während Nordrhein-Westfalen (2277 und 396) zu radikalen Eingemeindungen griff, verminderten Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein die Zahl ihrer Gemeinden nur geringfügig und versuchten im übrigen, durch die Bildung zusätzlicher Gemeindeverbände (Verbandsgemeinden, Ämter) das Neuordnungsziel zu erreichen. In der gleichen Zeit ging die Zahl der kreisfreien Städte von 139 auf 92, die der Landkreise von 425 auf 235 zurück. b) Die Verfassung der DDR von 1949 hatte die gemein-deutsche Garantie 6 kommunaler Selbstverwaltung zunächst beibehalten. Praktische Bedeutung erlangte das Institut jedoch nicht; es wurde in den Folgejahren vielmehr zusammen mit der föderalen Gliederung der Länder als mit den Bedürfnissen des sozialistischen Staates unvereinbares Element planmäßig beseitigt10. Gemeinde, Städte und Landkreise fungierten danach im Sinne des „demokratischen Zentralismus" als nachgeordnete Vollzugsinstanzen. Nach der friedlichen und demokratischen Revolution von 1989 wurde neben der Wiederherstellung der Länder die Reaktivierung der Kommunen als Selbstverwaltungsträger ein wichtiges Ziel. Durch Gesetz vom 1 7 . 5 . 1 9 9 0 ist für Gemeinden und Landkreise eine rechtsstaatlich-demokratische Kommunalverfassung eingeführt worden, die die Idee der Selbstverwaltung in den Mittelpunkt stellt11. In ihren Grundzügen greift die Neuregelung auf die wesentlichen Gestaltungselemente zurück, die auch die Gemeinde- und Landkreisordnungen der alten Bundesländer bestimmen: Körperschaftsstatus der Kommunen (Rn. 10, 137 ff), differenzierte Aufgabenstruktur (Rn. 32), Satzungs- und Finanzhoheit u.a. (Rn.93 ff, 127ff). Doch sind auch eigenständige Gestaltungselemente, 8 9 10 11

Dazu die Darstellung bei Mattenklodt, HkWP Bd. 1, 154. Zur Bewertung der Reformen aus heutiger Sicht Hill, Funktion, 129 ff. Bauer, BayVBl. 1990, 263. Dazu Schmidt-Eicbstaedt, DVB1. 1990, 848; Petzold, DÖV 1990, 816. 11

1. Abschn. I 2 c

Eberhard Schmidt-Aßmann

zumal in die Regelung der „inneren Kommunalverfassung", d.h. das Zusammenspiel zwischen Bürgermeister und Gemeindevertretung bzw. Landrat und Kreistag, eingeflossen (Rn. 76, 80) 12 . Das noch von der Volkskammer beschlossene Gesetz gilt als Landesrecht zunächst fort, bis die Länder eigene Gemeinde- und Landkreisordnungen erlassen haben werden13. Verfassungsrechtliche Grundlage, Rahmen und Grenze für die Kommunalordnungen in den neuen Bundesländern sind seit dem 3. Oktober 1990, wie in den alten Bundesländern auch, die Bestimmungen des Grundgesetzes, insbesondere die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG und die Verfassungsvorgaben rechtsstaatlicher Verwaltung in Art. 1 Abs. 3, 19 Abs. 4 und 28 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 GG. Gebietszuschnitt und Bevölkerungszahlen der Gemeinden und Kreise knüpfen an die bisherigen Verhältnisse14 an. Sie sind wesentlich kleiner dimensioniert als in den alten Bundesländern15: Von den insgesamt 7563 Gemeinden haben nahezu die Hälfte unter 500 und nur 15 über 100000 Einwohner. Die Zahl der Landkreise beträgt 189. Inwieweit eine Gebietsreform angestrebt und damit zu größeren Kommunalkörperschaften gelangt werden sollte, muß nach manchen ernüchternden Erfahrungen in anderen Bundesländern sorgfältig erwogen werden16. 7

c) In jüngster Zeit werden auch die europäischen Dimensionen des Kommunalwesens deutlicher17. Die stärksten Impulse gehen dabei natürlich vom Recht der Europäischen Gemeinschaften aus. Manche Gemeinde befürchtet ihnen gegenüber, in den Sog einer Zentralisierung zu geraten, der wenig Rücksicht auf die gewachsenen deutschen Kommunalstrukturen und ihre spezifischen Absicherungen nehmen wird18. Und in der Tat werden manche kommunalen Verwaltungsbereiche durch ihre Bindung an europarechtliche Vorgaben für lokal getroffene Entscheidungen weniger steuerbar werden. Dazu tritt mit der Pflicht zur Beachtung eines immer engermaschigen Netzes von Rechtsregeln, die zunehmend auch an kommunale Amtsträger gerichtet sind19, eine erhebliche Zunahme der Arbeitsbelastung. Auf der anderen Seite sollten die Chancen, die die Europäisierung des Rechts-, Wirtschaftsund Soziallebens auch über den Bereich der EG-Mitgliedstaaten hinaus bietet, von Städten und Gemeinden positiv als Erweiterung ihrer Handlungsmöglichkeiten 12

13 14 15 16 17

18 15

12

Einzelheiten dazu im jeweiligen Kontext der nachfolgenden Darstellung; in den Einzelnachweisen der Gemeindeordnungen in den Fn. folgen die neuen Bundesländer mit dem Zitat KVG den in alphabetischer Reihenfolge nachgewiesenen anderen Landesrechten nach. Art. 9 Einigungsvertrag vom 30. 8 . 1 9 9 0 (BGBl. II 889). Nachweise bei Bauer (Fn. 10). Nachweise bei Schmidt-Eichstaedt (Fn. 11), 852. Bauer, BayVBl. 1990, 263 (267); Schmidt-Eichstaedt, DVB1. 1990, 848 (852). v. Lennep, Hessische Städte- und Gemeinde-Zeitung 1988, 383 f; Siedentopf, DÖV 1988, 891 (895); Mombaur/v. Lennep, DÖV 1988, 9 8 8 (991 f); Blair, DÖV 1988, 1002 (1008); Kreiner, RiA 1989, 141; Spannowsky, DVB1. 1991, 1120 ff. Rengeling, DVB1. 1990, 8 9 4 m.w.Nachw. Zur Direktwirkung nicht oder nicht rechtzeitig umgesetzter EG-Richtlinien EuGH DVB1. 1990, 6 8 9 ; Pieper, DVB1. 1990, 6 8 4 (685); Jarass, NJW 1991, 2 6 6 5 ff; zur kommunalen Leistungsverwaltung Bleckmann, NVwZ 1990, 820.

Kommunalrecht

I . A b s c h n . II

erfaßt und genutzt werden, um die Idee einer Selbstverwaltung im europäischen Zeitalter auszubilden. Ein Ansatz hierzu ist mit der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung gemacht, die die Mitglieder des Europarats 1985 unterzeichnet haben20. Die Charta will gewisse Grundelemente der kommunalen Selbstverwaltung europaweit sichern.

II. Die Verfassungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG Gemeinden sind nach heutigem Verständnis Teil des Staates. Sie üben Staatsge- 8 walt aus, die sich gem. Art. 20 Abs. 2 S. 1 i. V. mit Art. 28 Abs. 1 GG vom Volk ableiten muß 21 . Als Verwaltungsträger sind sie der vollziehenden Gewalt i. S. von Art. 20 Abs. 3 GG zuzuordnen. Im dualistischen Einteilungsschema der Bundesstaatlichkeit (Bund/Länder) gehören sie zum Organisationsbereich der Länder und bilden hier das Zentrum jenes Verwaltungsteilbereichs, den man „Selbstverwaltung" nennt und der „Staatsverwaltung" (i. S. staatsunmittelbaren, behördlichen Verwaltungsvollzuges) gegenüberstellt22. Gleichwohl wäre mit dieser Zuordnung die besondere Stellung der Gemeinden im Staat nur unvollständig beschrieben. Nicht nur in der Politik werden die Kommunen gern als „dritte Säule" oder „dritte Ebene" bezeichnet. Auch das Grundgesetz nimmt von ihnen mehrfach neben Bund und Ländern Notiz und macht ihr Verhältnis zu diesen etablierten Gewalten zum Gegenstand genauerer Regelungen. Es ist geradezu das Lebensgesetz der gemeindlichen Verwaltung, daß sie sich immer in einer Doppelrolle befindet: Teil organisierter Staatlichkeit zwar, aber eben doch nicht in jenem engeren Sinne hierarchisch aufgebauter Entscheidungszüge, sondern als dezentralisiert-partizipative Verwaltung mit einem eigenen Legitimationssystem, das der Bürgernähe, Überschaubarkeit, Flexibilität und Spontanität verbunden sein soll. Das Grundgesetz hat sich für eine auf Selbstverwaltungskörperschaften aufgebaute „gegliederte Demokratie" 23 entschieden. So ist es nur konsequent, wenn Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG für die beiden wichtigsten Typen von Kommunalkörperschaften (Landkreise und Gemeinden) zwingend vorsieht, das Volk müsse in ihnen genauso wie in Bund und Ländern eine aus direkten Wahlen hervorgegangene Volksvertretung haben. Diese wichtigen Verbindungslinien zwischen Selbstverwaltungsidee und demokratischer Verfassungsstruktur, die freilich nicht ein in jeder Der Deutsche Bundestag hat dem Vertragswerk durch Gesetz vom 2 2 . 1 . 1 9 8 7 (BGBl. II 65) zugestimmt. Der Text der Charta ist u.a. abgedruckt in NVwZ 1988, 1111. Dazu Knemeyer, DÖV 1988, 997. 21 BVerfGE 83, 37 ff. 22 Rudolf, in: Erichsen/Martens, AllgVwR, §5611 mit Hinw. auf Forsthoff, VwR, 1979, 471 ff. « BVerfGE 52, 95 ( l l l f ) . 20

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1. Abschn. II 1

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Hinsicht spannungsfreies Verhältnis beider Komponenten kennzeichnen, konstituieren auch die verfassungsrechtliche Stellung der Gemeinden und müssen zur Auslegung der „Selbstverwaltungsgarantie" (Art. 28 Abs. 2 GG) herangezogen werden 24 . 9 Das Verhältnis der Gemeinden zum Staat wird vor allem durch jenen Normenkomplex bestimmt, den man etwas verkürzend die Verfassungsgarantie der kommunalen Selbstverwaltung nennt. Die wichtigste Bestimmung dieses Gefüges ist Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, der von einigen Komplementärbestimmungen des Grundgesetzes umlagert (Rn. 25 f) und durch das Landesverfassungsrecht teils wiederholt, teils ergänzt wird (Rn. 31). Nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG muß den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Die Vorschrift ist keine bloße Normativbestimmung für eine gesetzliche Ausformung, sondern unmittelbar geltendes Verfassungsrecht, das Gesetzgeber, Verwaltung und Judikative im Bund und in den alten wie in den neuen Bundesländern bindet. Auch „benachbarte" Hoheitsträger (Landkreise, Nachbargemeinden) haben sie zu respektieren 25 . Keine Wirkung entfaltet Art. 28 Abs. 2 GG dagegen im Verhältnis der Gemeinde zu privaten Dritten 26 . Die Tatsache, daß eine Materie zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gehört, ergibt folglich noch kein eigenständiges Eingriffsmandat der Gemeinde in Rechtspositionen Privater. Hier hat sich die Gemeinde an das zu halten, was für die öffentliche Verwaltung allgemein zu beachten ist (Grundrechte, Gesetzesvorbehaltslehre). Im einzelnen erleichtert man sich die Arbeit, wenn man innerhalb des Art. 28 Abs. 2 S. 1 drei „Garantieebenen" trennt: die Rechtssubjektsgarantie (1), die Rechtsinstitutionsgarantie (2), die subjektive Rechtsstellungsgarantie(3 ) 2 7 .

1. Rechtssubjektsgarantie 10

Gewährleistet wird als erstes, daß es überhaupt Gemeinden als Elemente des Verwaltungsaufbaus geben muß. Gemeinde in dem von der Verfassung vorausgesetzten Sinne ist „ein auf personaler Mitgliedschaft zu einem bestimmten Gebiet beruhender Verband, der die Eigenschaft einer (rechtsfähigen) Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzt" 2 8 . Die Garantie bezieht sich also nicht auf eine beliebig zugeschnittene Verwaltungseinheit, sondern auf einen bestimmten Typus. Dazu gehören eine gewisse Überschaubarkeit des gemeindlichen Raumes, die von einer Grundlegend BVerfGE 79, 127 (149 f), und 83, 3 7 (54f); Schoch, VerwArch. 1990 (Bd. 81), 18; Clemens, NVwZ 1990, 8 3 4 m. w.Nachw. Ferner Hendler, Selbstverwaltung, 3 0 2 ff; ders., in: HStR Bd. 4 (1990), § 106 Rn. 12 ff; Hill, Funktion, 18 ff; Frotscher, in: FS f. v.Unruh, 127; Schuppert, dort 1 8 3 ; ders., AöR 1 9 8 9 (Bd. 114), 127; v.Unruh, DÖV 1986, 2 1 7 ; v. Arnim, AöR 1988 (Bd. 106), 1; Schmidt-Aßmann, FS f. Sendler, 1991, 121 ff. 2 * BVerwGE 67, 321 (322).

24

26 27 28

14

A.A.: Schmidt-Jortzig, KomR R n . 5 2 3 . So Stern, StR Bd. 1, § 12 II 4 b. Stern, in: BK Rn. 80 zu Art. 28 GG.

Kommunalrecht

1. Abschn. II 1

„raumgemeinschaftlichen Einheit" (Werner Weber) sprechen läßt 29 , sowie die Rechtsfähigkeit und die Gebietshoheit. Gemeinden sind rechtsfähige Einheiten (Verwaltungsträger). Es muß ihnen also von der Rechtsordnung allgemein die Fähigkeit zuerkannt sein, Träger von Rechten und Pflichten zu sein30. Die Rechtsfähigkeit schafft „Bewegungsfähigkeit" im Rechtsverkehr und ist so rechtstechnisch der Garant einer Selbständigkeit gegenüber dem Staat. Gemeinden besitzen ferner Gebietshoheit, weil ihr Verhältnis als Verband zu ihren Verbandsmitgliedern nicht wie bei anderen Körperschaften auf punktuellen Zuordnungskriterien, sondern kraft Gesetzes umfassend durch den Wohnsitz begründet wird. Gemeinden sind Körperschaften in dem qualifizierten Sinne einer Gebietskörperschaft31. Für sie gilt: quid-quid est in territorio, etiam est de territorio32. Die Garantie eines solchermaßen geformten Verwaltungsträgers gilt nicht der 11 einzelnen Gemeinde in ihrem überkommenen Bestände, sondern grundsätzlich nur institutionell: Dem Staat ist es durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nicht verwehrt, eine Gemeinde aufzulösen und sie mit einer anderen Gemeinde zusammenzuführen. Verwehrt ist es ihm aber, die gemeindliche Verwaltungsebene ganz oder überwiegend zu beseitigen oder an die Stelle der Gemeinden des beschriebenen Typs unselbständige Verwaltungseinheiten zu setzen33. Daneben enthält Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG indirekt aber auch eine beschränkt individuelle Rechtssubjektsgarantie. Gegen ihren Willen34 darf die einzelne Gemeinde nämlich nicht beliebig, sondern nur nach vorheriger Anhörung und nur aus Gründen öffentlichen Wohles aufgelöst oder in ihrem Gebietszuschnitt geändert werden35. Es war diese beschränkt individuelle Bestandsgarantie, die in der kommunalen Gebietsreform (Territorialreform) vor den Verfassungsgerichten vielfach bemüht worden ist und in einigen Fällen zur Nichtigkeit einer Neugliederungsmaßnahme geführt hat, weil entweder die Anhörung nicht ordnungsgemäß erfolgt war, oder die Maßnahme durch keinerlei greifbare Gemeinwohlgründe gedeckt war. Letztere bilden einen unbestimmten Gesetzesbegriff, der den neugliedernden Instanzen zwar einen weiten Gestaltungsspielraum beläßt, gerichtlich jedoch auf eine prinzipielle Zweckeignung und auf die Einhaltung des Obermaßverbots überprüft werden kann.

30 31

32 33

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35

Schmidt-Jortzig, D Ö V 1989, 142 (146). Rudolf, in: ErichsenlMartens, AllgVwR, § 56 II. BVerfGE 5 2 , 95 (117 f); str. ist, inwieweit die Universalität zum Begriff der Gebietskörperschaft gehört. Die überwiegende Meinung geht dahin, zumindest die subsidiäre Universalität des Wirkungskreises für ein konstituierendes Merkmal der Gebietskörperschaft zu halten, während andere (Nachw. BVerfGE 52, 95 [118]) es genügen lassen, wenn die Summe der Einzelzuständigkeiten zur effektiven Universalität neigt. Pagenkopf, KomR Bd. 1, 26. Roters, in: v. Münch, G G Rn. 36 zu Art. 28. Nicht garantiert sind gemeindliche Binnengliederungen, z.B. Bezirke, Ortschaften (vgl. unten R n . 5 0 , 92). Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG schützt allerdings die Gemeinden nicht gegen sich selbst. Das Recht auf Selbstauflösung durch Eintritt in eine andere Gemeinde ist länderweise verschieden geregelt, z. B. für BW anerkannt in Art. 74 Abs. 2 LV BW. Vgl. ferner Saarl. VerfGH DVB1. 1984, 3 2 5 . BVerfGE 50, 195 (202); Stern, StR Bd. 1, § 12 I I 4 c m.w. Nachw. 15

1. Abschn. II 2 a aa 12

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Zur Rechtssubjektsgarantie rechnet auch der Schutz des Gemeindenamens36 als eines Statuselements, das der Individualisierung und der bürgerschaftlichen Integration dient. Der Name ist vielfach historisch überkommen. Zusätze („Bad", „Markt") gehören zwar nicht direkt dazu, genießen aber, wenn sie rechtens geführt werden, den gleichen Rechtsschutz. Die Gemeindeordnungen enthalten darüber Einzelregelungen. Der rechtens geführte Name ist dann gegen Beeinträchtigungen nicht nur im Zivilrechtsverkehr gemäß § 12 BGB, sondern auch im Rechtsverkehr mit anderen Hoheitsträgern geschützt37. 2. Rechtsinstitutionsgarantie

13

Die zweite Garantieebene des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ist die Gewährleistung der Institution „gemeindliche Selbstverwaltung"38. Die meisten im kommunalrechtlichen Schrifttum behandelten Probleme liegen auf dieser Ebene: Die Übertragung einer bisher gemeindlichen Aufgabe auf einen anderen Verwaltungsträger, die Einführung eines staatlichen Weisungsrechts, die Aufstellung eines qualifizierten Fachplans, die Auferlegung finanzieller Belastungen — sie alle stellen immer wieder die Frage nach ihrer Vereinbarkeit mit der Institutionsgarantie. Die Tatbestandsmerkmale dieser Garantieebene sind: die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft (a), die Allzuständigkeit (b) und die Eigenverantwortlichkeit (c), die freilich unter einem Vorbehalt gesetzlicher Ausformung stehen (d).

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a) Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Darunter sind solche Aufgaben zu verstehen, „die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf die örtliche Gemeinschaft einen spezifischen Bezug haben" 39 . Auf die Verwaltungskraft der Gemeinde soll es hierbei nicht ankommen40. Das Bundesverfassungsgericht betont vielmehr die Ausrichtung auf das bürgerschaftliche Engagement: Gemeint sind Angelegenheiten, die „den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der (politischen) Gemeinde betreffen"41.

15

aa) Zahlreiche Fragen lassen sich bereits nach dieser Definition lösen. So gehören z.B. die Außenpolitik, die Verteidigungspolitik oder Maßnahmen der Globalsteuerung nicht zum gemeindlichen Aufgabenkreis. Die Gemeinde und ihre Organe haben kein uneingeschränktes allgemeinpolitisches Mandat42. Wohl aber kann eine einzelne Frage aus einem solchen Politikbereich ausnahmsweise in den Garantiebereich des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG hineinragen, wenn sie einen spezifischen Bezug zu einer bestimmten Gemeinde annimmt, eine einzelne Gemeinde z.B. in Durchführung eines verteidigungspolitischen Konzepts als Standort für 36

37 38 39 40 41 42

16

BVerfGE 59, 216 (225 ff); ausf. Winkelmann, Das Recht der öffentlich-rechtlichen Namen und Bezeichnungen, 1984, bes. 47 ff; Bethge, Jura 1985, 44. BVerwGE 44, 351 (355) und DÖV 1980, 97 f. Dazu ausführlich Knemeyer, in: FS f. v.Unruh, 209; Stern, StR Bd. 1, § 12 II4d. BVerfGE 79, 127 (151) unter Bezugnahme auf BVerfGE 8, 122 (134); 52, 95 (120). BVerfGE 79, 127 (150). BVerfG aaO. BVerfG aaO 147; BVerwG NVwZ 1991, 682 (683); Lehnguth, DÖV 1989, 655; Schoch, JuS 1991, 728 ff.

Kommunalrecht

1. Abschn. II 2 a bb

besondere militärische Einrichtungen vorgesehen wird 43 . Ähnliches gilt für Städtepartnerschaften 44 und — nicht zuletzt im Zuge einer stärkeren Europäisierung (Rn. 7) — für den kommunalen Jugendaustausch und die staatsgrenzenüberschreitende Zusammenarbeit im nachbarlichen Bereich45. Demgegenüber wären großangelegte Projekte der Entwicklungszusammenarbeit mit Staaten der Dritten Welt regelmäßig nicht von der Selbstverwaltungsgarantie gedeckt 46 . Ist eine Angelegenheit danach keine solche der örtlichen Gemeinschaft, so hat das zwei Konsequenzen: Zum einen fällt sie aus dem die Gemeinde berechtigenden Schutzgehalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG heraus; der Staat kann über sie verfügen, ohne an das gemeindespezifische Aufgabenverteilungsprinzip dieser Vorschrift gebunden zu sein. Neben seiner berechtigenden Funktion wirkt Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zweitens aber auch kompetenzbeschränkend, insofern Gemeinden Materien, die eindeutig nicht Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind, nicht zum Gegenstand ihrer Aktivitäten machen können, es sei denn, der Gesetzgeber habe ihnen solche Aufgaben zusätzlich zugewiesen (Rn. 36). Man kann das als kommunalrechtliche ultra-vires-Lehre bezeichnen. bb) In manchen Bereichen ist es allerdings schwer, eine bestimmte Aufgabe nach 16 der genannten Definition den Angelegenheiten der örtlichen oder aber einer nichtörtlichen Gemeinschaft eindeutig zuzuweisen. Das hat mehrere Gründe: Zum einen ist der Aufgabenkreis vom Zuschnitt der Gemeinden, ihrer Einwohnerzahl, flächenmäßigen Ausdehnung und Struktur abhängig. Bei manchen Aufgaben schwankt die Zuordnung zudem in der historischen Entwicklung („Wanderungsprozesse"). So wurde die Versorgung mit leitungsgebundenen Energien (Strom, Gas) ursprünglich als Kommunalaufgabe verstanden, ging dann mit zunehmender technischer Zentralisierung vielfach auf regionale und überregionale Versorgungsunternehmen über und wird erst im Zusammenhang mit der Fernwärme unter dem Stichwort „örtliche Versorgungskonzepte" neuerdings wieder als Angelegenheit örtlicher Politik entdeckt 47 . Neben solchen Fällen von Wanderungsprozessen stehen Sachverhalte, an denen die örtliche und die überörtliche Gemeinschaft gleichermaßen interessiert und beteiligt sind („Gemengelagen"). Beispiele finden sich in der Raumplanung. Die Standorte und Trassen regional bedeutsamer Verkehrs- und Versorgungsanlagen treffen immer zugleich das Gebiet einer einzelnen Gemeinde. Ist die raumrelevante Planung solcher Einrichtungen darum eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft, eines anderen Verwaltungsträgers oder ein mixtum compositum? Ähnliche Fragen ergeben sich im Umweltschutz 48 . 43

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45 46

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48

BVerwG N V w Z 1 9 9 1 , 6 8 4 f; D V B 1 . 1 9 9 1 , 4 5 1 ff und DVB1. 1 9 9 1 , 4 9 4 f; VGH BW N V w Z 1984, 659 (661 f) und D Ö V 1988, 476; BayVGH DVB1. 1989, 158 (160) und NVwZ-RR 1990, 211. BVerwG, N V w Z 1989, 4 6 9 und N V w Z 1991, 695; Blumenwitz, in: FS f. v. Unruh, 747; Dauster, NJW 1990, 1084; Tettinger/Pielow, N W VB1. 1989, 184. Hoppe/Beckmann, DVB1. 1986, 1; Beyerlin, Rechtsprobleme, 173 ff. Einzelheiten bei Schmidt-]ortzig, DÖV 1989, 142; Treffer, StT 1989, 341; Heberlein, DÖV 1990, 3 7 4 und DÖV 1991, 916; Meßerschmidt, DV 1990, 425. Schmidt-Aßmann, in: FS f. Fabricius, 1989, 251 ff; Tettinger, N R W VB1. 1989, 1; Löwer, Energieversorgung, 213 ff; ders., DVB1. 1991, 132 ff. Dazu Schmidt-Aßmann, N V w Z 1987, 265; Hoppe, DVB1. 1990, 609. 17

1. Abschn. II 2 c

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Dieses Abgrenzungsdilemma ist oft beschrieben worden49. Zuweilen hat es Autoren veranlaßt, eine Neukonzeption der Selbstverwaltungsgarantie jenseits des Verfassungstextes zu suchen50. Die ganz herrschende Ansicht hält jedoch an dem Tatbestandsmerkmal der „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" fest 51 . Sie orientiert sich an der Definition des Bundesverfassungsgerichts in der Art einer Faustregel und gewinnt ihre Ergebnisse materienspezifisch, indem sie prüft, ob eine Angelegenheit erstens nach überkommener Gesetzeslage und eingespielter Praxis gemeindlich oder übergemeindlich wahrgenommen worden ist, und inwiefern sie zweitens in gemeindlicher Trägerschaft eine sachangemessene, für die spezifischen Interessen der Einwohner förderliche und auch für den Bestand anderer Gemeindeaufgaben notwendige Erfüllung finden kann 52 . Unter Umständen nimmt sich auch der Gesetzgeber dieser Qualifizierungsaufgaben an; tut er es, so darf er eine verfassungsrechtlich nur begrenzt überprüfbare Typisierungs- und Einschätzungsermächtigung nutzen53.

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b) Allzuständigkeit (Universalität): Soweit eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft vorliegt, fällt sie nach dem Garantiegehalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG grundsätzlich in den gemeindlichen Aufgabenbereich. Der Gesetzgeber kann zwar auch für solche Angelegenheiten im Rahmen seines Regelungsvorbehalts eine andere Zuständigkeit begründen; er ist dabei aber Schranken unterworfen (s. Rn. 20). Liegt keine anderweitige Zuweisung vor, so ist die Gemeinde regelungsbefugt. Dieser Grundsatz gilt auch für den Zugriff auf neue Sachaufgaben (Recht der SpontanitätJ54.

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c) Eigenverantwortlichkeit: Selbstverwaltung besteht darin, daß die eigenen Angelegenheiten „in eigener Verantwortung" geregelt werden können. Eigenverantwortlichkeit heißt Freiheit von Zweckmäßigkeitsweisungen anderer Hoheitsträger, insbesondere des Staates55. Darin liegt der politische Gestaltungsspielraum der Gemeinden, ohne den die Verpflichtung zu einem eigenen, direkt gewählten Legitimationssystem (Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG) sinnlos wäre. Die Eigenverantwortlichkeit bezieht sich grundsätzlich auf das Ob, Wann und Wie der Aufgabenwahrnehmung; sie drückt sich in einem Ermessen im weitesten Sinne aus. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ermächtigt zu eigenverantwortlicher Regelung. Eine Festlegung der Gemeinden auf bestimmte Formen hoheitlichen Handelns ist damit nicht gemeint. Regelung heißt jede zulässige Art von Aufgabenerledigung; sie mag sich in den Formen des öffentlichen oder des privaten Rechts, direkt oder indirekt durch Einschaltung Dritter, planerisch, spontan oder routinemäßig vollziehen. Oft Roters, Mitwirkung, 25 ff; Brohm, DVB1. 1984, 283; ders., DÖV 1989, 429 ff; SchmidtJortzig, DÖV 1989, 142. 50 Burmeister, Neukonzeption, 1 ff; Roters, Mitwirkung, 5 ff; Darstellung und Kritik bei Stern, StR Bd. 1, § 1 2 IUI und Schmidt-]ortzig, KomR Rn. 4 9 8 - 5 0 1 ; Antikritik bei Roters, in: v. Münch, GGK Rn. 41 zu Art. 28. 5 1 Std. Rspr. des BVerfG: jüngst BVerfGE 79, 127 (152). 5 2 Ähnlich Schmidt-Jortzig, KomR Rn.466ff; ders., DÖV 1989, 142 (145 f). " BVerfGE 79, 127 (153 f). 54 Stern, in: BK Rn. 87 zu Art. 28 GG. 55 Schmidt-Jortzig, KomR Rn.480; Erichsen, KomR NRW 329.

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1. Abschn. II 2 d

wird sich eine effektive Regelung nicht ohne eigene rechtssatzmäßige Absicherung vollziehen lassen. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG legt die Rechtsordnung deshalb darauf fest, den Gemeinden mindestens ein Rechtsinstitut zur allgemeinen Regelung (Breitensteuerung) ihrer Angelegenheiten verfügbar zu halten. Daher gehört auch die gemeindliche Rechtsetzungshoheit zum Garantiebereich (Rn. 95 ff). Nicht entbindet die Eigenverantwortlichkeit dagegen von der Beachtung der Gesetze und des Rechts. Das folgt schon aus der Gesetzesbindung der Exekutive (Art. 20 Abs. 3 GG), der alles gemeindliche Handeln verpflichtet ist. Dem korrespondiert die als Rechtmäßigkeitskontrolle wirksame Aufsicht des Staates über die Gemeinden (Rn. 41 ff). So selbstverständlich das ist, so liegen hier doch Gefahren für die gemeindliche Gestaltungsfreiheit; denn der Staat hat es weitgehend in der Hand, seine Zweckmäßigkeitsvorstellungen in Gesetzesformen zu gießen und die Gemeinden dann auf den Gesetzesvollzug festzulegen. Soll Art. 28 Abs. 2 GG durch eine zu weit getriebene Verrechtlichung nicht ausgehöhlt werden, so muß eine kommunalspezifische Fassung des Bestimmtheitsgebotes und der Gesetzestatbestandlichkeit verlangt werden56. d) Gesetzesvorbehalt: Gewährleistet ist die Selbstverwaltung „im Rahmen der 20 Gesetze". Der Vorbehalt bezieht sich auf beide Garantieelemente (Eigenverantwortlichkeit und Universalität)57. Er ist ein Vorbehalt, der den Gesetzgeber zur Ausformung des Garantiegehalts, zur Fixierung immanenter Grenzen, aber auch zu Eingriffen in verfassungsunmittelbare Garantiebereiche ermächtigt58. Die Einrichtung der gemeindlichen Selbstverwaltung bedarf, wie das Bundesverfassungsgericht gerade in jüngerer Zeit betont, „der gesetzlichen Ausgestaltung und Formung" 59 . Das hat sich auch schon oben (Rn. 14) bei der Bestimmung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gezeigt. Gesetz i. S. des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG sind neben Landes- und Bundesgesetzen auch Rechtsverordnungen60 und Satzungen anderer Hoheitsträger, z. B. eines Landkreises oder eines Regionalverbandes. Verwaltungsvorschriften geben dagegen für sich keinen Bindungsrahmen; sie können insbesondere ein kommunales Ermessen nicht dirigieren61. Der Gesetzesvorbehalt kann zur Achillesferse der Garantie werden, wenn man ihm nicht seinerseits Grenzen setzt. Die dogmatischen Schwierigkeiten mit solchen Grenzen sind aus der in manchen Strukturen ähnlichen Problematik grundrechtlicher Gesetzesvorbehalte bekannt. Literatur und Rechtsprechung hatten denn auch bisher die aus der Grundrechtsdogmatik bekannten Schranken einer Respektivierung des Kernbereichs und des Übermaßverbots herangezogen62. In der RastedeAusführlich dazu Janssen, Grenzen, 128 ff. BVerfGE 56, 2 9 8 (312); 79, 127 (146). 5 8 Ganz herrschende Meinung: BVerfGE 56, 298 (309 f), 79, 127 (143); Maunz, in: Maunzl Dürig, GG Rn. 51 f zu Art. 2 8 ; a.A.: Roters, in: v. Münch, GGK R n . 5 1 f f zu Art. 2 8 ; Schmidt-]ortzig, KomR Rn. 4 8 6 ; auch Burmeister, Neukonzeption, 2 7 ff, 84 ff. 5 9 BVerfGE 79, 127 (143). «o BVerfGE 26, 2 2 8 (237); 56, 2 9 8 (309). 6 1 Besonderheiten gelten jedoch für nicht rechtssatzförmig festgelegte Ziele der Raumordnung i.S.d. § § 5 Abs.4 ROG, 1 Abs.4 BauGB, s.u. Krebs, 4.Abschn. R n . 9 5 ; Erbguth, DVB1. 1983, 305. 6 2 BVerfGE 56, 2 9 8 (312f); Blümel, in: FS f. v.Unruh, 265 (269 ff) m.w.Nachw. 56 57

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1. Abschn. II 2 e

Eberhard Schmidt-Aßraann

Entscheidung geht das Bundesverfassungsgericht jedoch von einer solchen „Parallelisierung" grundrechtlicher und organisatorisch-institutioneller Gewährleistungsgehalte ab. Danach ist neben der Kernbereichsgarantie (aa) nun ein aus dem Sinnzusammenhang des Art. 28 Abs. 2 GG direkt zu erschließendes Aufgabenverteilungsprinzip beachtlich (bb) 63 . 21

aa) Die Kernbereichsgarantie (Wesensgehaltsgarantie) schützt „das Essentiale, das man aus einer Institution nicht entfernen kann, ohne daran Struktur und Typus zu ändern" 64 . Um diesen Kern zu bestimmen, wird wiederum auf die historische Entwicklung, aber auch auf das aktuelle Erscheinungsbild der Selbstverwaltung abgestellt65. Eine exakte Abgrenzung fällt gleichwohl oft schwer, wenn es darum geht, ob eine einzelne Handlungsmöglichkeit oder gar nur eine spezifische Form ihrer Wahrnehmung zum Wesensgehalt gehört. So läßt sich zwar allgemein feststellen, daß die Bebauungsplanung nicht nur überhaupt eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft ist, sondern sogar zum Kern des kommunalen Aufgabenbestandes zählt. Ob das aber auch für alle 26 Festsetzungsarten gilt, aus denen sich nach § 9 Abs. 1 BauGB der Bebauungsplan zusammensetzt, ist damit noch nicht gesagt. Nicht gesagt ist damit auch, inwieweit die Bebauungsplanung in einzelnen Bezügen nicht doch durch staatliche Vorgaben dirigiert werden kann. Ein gegenständlich festumrissener Aufgabenkatalog ist der Kernbereich nicht66. Nur in seltenen Fällen besonders krasser oder rabiater Eingriffe des Gesetzgebers wird der Wesensgehalt daher als absolute Sperre wirksam werden.

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bb) Gemeindespezifisches materielles Aufgabenverteilungsprinzip: Es setzt dem Gesetzgeber insofern Schranken, als er Angelegenheiten mit örtlich relevantem Charakter, die Regel-Ausnahme-Systematik des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG respektivierend, den Gemeinden nur aus Gründen des Gemeininteresses entziehen und einem anderen Träger nur zuweisen darf, wenn anders die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung nicht sicherzustellen wäre67. Verwaltungspraktische Gründe oder allgemeine Wirtschaftlichkeitsüberlegungen reichen dazu nicht. Die die gesetzliche Entscheidung tragenden Gründe müssen das verfassungsrechtliche Aufgabenverteilungsprinzip überwiegen. Diese zweite Schranke des Gesetzgebers im Garantiebereich des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ist also in der Art eines „WechselwirkungsKonzepts" zu entfalten, das dem Gesetzgeber eine erhebliche Darlegungslast aufbürdet, wenn er von der Regelzuweisung der Verfassung abweichen will. Das Bundesverfassungsgericht überprüft die gesetzgeberische Entscheidung im Streitfall nicht nur auf ihre Willkürfreiheit, sondern auf ihre Vertretbarkeit$s.

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e) Sog. Gemeindehoheiten: Der Verdeutlichung des verfassungsgemäßen Aufgabenkreises dienen mehrere eingeführte Begriffe, die man als „Gemeindehoheiten" BVerfGE 79, 127 (146, 149); dazu Schoch, VerwArch. 1990 (Bd. 81), 18 (28). Stern, StR Bd. 1, § 12 III4b, 4 1 6 . 6 5 Std. Rspr. des BVerfG, BVerfGE 38, 2 5 8 (278 f); 76, 107 (118); 79, 127 (146). 6 6 BVerfGE 79, 127 (146). 6 7 BVerfGE 79, 127 (154); Schmidt-Aßmann, FS-Sendler, 1991, 121 (135 ff). Zum umgekehrten Fall gesetzlicher Aufgabenzuweisung vgl. Petz, DÖV 1991, 3 2 0 ff. «8 BVerfG aaO; krit. Schoch (Fn.63), 38. 63

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Kommunalrecht

1. Abschn. II 2 e

bezeichnen kann69. Genauer betrachtet handelt es sich nicht um isolierte oder ausschließliche Gemeindekompetenzen und schon gar nicht um eindeutige Fixierungen von Wesensgehaltselementen. Die Begriffe bündeln vielmehr eine Vielzahl von Handlungsmöglichkeiten, ohne für sie alle eine isolierte eigenverantwortliche kommunale Entscheidungsbefugnis verfassungsfest zu postulieren. Die Rechtsnatur dieser „Hoheiten" läßt sich durch zwei allgemeine Aussagen umschreiben: Jede dieser Hoheiten ist in ihrem Grundgedanken (nicht in allen Einzelausprägungen) für die Selbstverwaltungsgarantie unverzichtbar; denn sie beziehen sich auf elementare Handlungssektoren (insbes. Raum, Personal, Finanzen). Keine dieser Hoheiten besteht aber ohne gesetzliche Rahmenvorgaben und staatliche Einschränkungen. So bezeichnen sie eher einen eingespielten, sich freilich auch ständig wandelnden Dogmenbestand, der das von der herrschenden Anschauung für Rechtens erachtete Zusammenspiel von Staat und Gemeinde wiedergibt. — allgemeine Planungshoheit: Sie bezeichnet die Befugnis, die eigenen Angelegenheiten nicht nur von Fall zu Fall zu erledigen, sondern aufgrund von Analyse und Prognose erkennbarer Entwicklungen ein Konzept zu erarbeiten, das den einzelnen Verwaltungsvorgängen Rahmen und Ziel weist70. Da Planung, genau betrachtet, keine zusätzliche Sachaufgabe, sondern eine Methode der Aufgabenerledigung ist, folgt die Planungskompetenz grundsätzlich der Sachkompetenz. Die Gemeinden besitzen also, insofern nichts anderes bestimmt ist, für ihre Angelegenheiten auch die Planungshoheit. Ergebnisse ihrer planerischen Tätigkeit sind Organisations- und Geschäftsverteilungspläne, Infrastrukturpläne (z.B. Kindergärten-, Altersheim-, Sportstättenbedarfspläne). Für die Planung der wichtigen Ressourcen Raum und Finanzen gelten Besonderheiten (vgl. Raumplanungshoheit, Finanzhoheit). In jüngerer Zeit wird dieser Bereich allgemeiner planerischer Entfaltungsmöglichkeiten gern als „Selbstgestaltungsrecht" der Gemeinden bezeichnet71. Über die Bindungskraft solcher Pläne gegenüber anderen Hoheitsträgern oder privaten Dritten ist damit noch nichts gesagt. — Raumplanungshoheit ist ein Sonderfall der allgemeinen Planungshoheit72. Sie umfaßt die Befugnis, für das eigene Gebiet die Grundlagen der Bodennutzung festzulegen. Entsprechend dem hohen Grad gesetzlicher Fixierung des gesamten öffentlichen Raumplanungssystems bestehen für die gemeindliche Raumplanungshoheit zahlreiche Vorschriften des einfachen Rechts, die den Begriff der örtlichen Angelegenheiten verdeutlichen, konkretisieren und abgrenzen. Ausdrucksformen der kommunalen Raumplanungshoheit sind der Bebauungsplan (§ 9 BauGB) und der gesamtgemeindliche Flächennutzungsplan (§ 5 BauGB)73. 69

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Dazu Stern, StR Bd. 1, § 12 I I 4 d ; Tettinger, BesVerwR R n . 2 6 ; Wolff/Bachof/Stober, VwR II § 8 6 R n . S l f f . Zur Planung allgemein vgl. Erichsen, in: Erichsen/Martens, AllgVwR § § 2 1 — 2 3 . Langer, VerwArch. 1989 (Bd. 80), 352, 378 m.w.Nachw. BVerfGE 56, 298 (310 ff) und 7 6 , 1 0 7 (118); BVerwGE 81, 95 und 111; Schmidt-Aßmann, VerwArch. 1980 (Bd. 71), 117; Steinberg, DVB1. 1982, 13; Hoppe, in: FS f. v. Unruh, 5 5 5 ; Widera, Zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung kommunaler Planungshoheit, 1985; Langer, VerwArch. 1990 (80) 3 5 2 ; Brohm, DÖV 1989, 4 2 9 ; BayVerfGH NVwZ 1987, 1069; BVerfGE 76, 107 (117ff). S. u. Einzeldarstellung bei Krebs, 4. Abschn. Rn. 16 ff. 21

1. Abschn. II 3

Eberhard Schmidt-Aßmann

— Personalhoheit74 könnte man in einem weiten Sinne als Befugnis definieren, sowohl über die allgemeinen Fragen des eigenen Personalwesens (Stellenplanung, Einstellungs- und Beförderungsvoraussetzungen, Besoldungs- und Vergütungsmaßstäbe) als auch über die konkreten Maßnahmen der Personaleinstellung, der Beförderung und des Personaleinsatzes nach eigenem Ermessen zu entscheiden. Zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft wird traditionell nur ein Ausschnitt aus diesem Kreis personalrelevanter Maßnahmen gerechnet. Er betrifft im wesentlichen nur Einzelentscheidungen, „vornehmlich die Befugnis, das Personal, insbesondere die Gemeindebeamten auszuwählen, anzustellen, zu befördern und zu entlassen"75. Die allgemeinen Entscheidungen, z.B. des Laufbahn- und Besoldungswesens, werden seit langem von überörtlichen Instanzen getroffen. — Organisationshoheit: Sie ist die Befugnis, den Aufbau und das Zusammenspiel der eigenen Beschluß- und Vollzugsorgane, gemeindeinterner räumlicher Untergliederungen, gemeindeeigener Einrichtungen und Betriebe sowie deren Geschäftsgang zu regeln76. Die Gemeinden haben hier traditionell einen breiten Entfaltungsspielraum, den sie z. B. mit ihrer Hauptsatzung und ihren Anstaltsordnungen ausfüllen. Gesetzliche Grenzen bringen vor allem das Kommunalverfassungsrecht (Rn.50ff) und das Gemeindewirtschaftsrecht (Rn. 118 ff). — Rechtsetzungshoheit: Sie ist um einer effektiven eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung willen notwendig. Ausgeübt wird sie vor allem durch den Erlaß von Satzungen (Rn. 93 ff). — Finanzhoheit77: Sie „gewährt den Gemeinden die Befugnis zu einer eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltswesens"78. Dazu gehört als Basis auch das Recht auf eine aufgabenadäquate Finanzausstattung79. Seit je gab es in diesem Sektor freilich zahlreiche staatliche Eingriffsbefugnisse (vgl. zu weiteren Finanzgarantien Rn. 27, 31 und 127 ff). 3. Subjektive Rechtsstellungsgarantie 24

Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gewährt den Gemeinden kein Grundrecht80. Nach dem Verständnis unserer Verfassung sind die Gemeinden Teil des Staatsaufbaus. Damit ist zwischen die kommunale Selbstverwaltungsgarantie und die bürgerlichen Grundrechtsgewährleistungen eine klare Zäsur gelegt. Andererseits beläßt es Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG für die Gemeinden nicht beim objektiven Konstitutionsprin74

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Lecheler, in: FS f. v. Unruh, 541; Schmidt-Aßmann, in: FS f. Ule, 1977, 461; BVerwG NVwZ 1985, 415f. Zur Personalhoheit des Dienstherrn allgemein s.u. Kunig, 6.Abschn. Rn. 29 ff., 127 ff. Stern, HkWP Bd. 1, 214 mit Nachw. der Rspr. in Fn. 67. Dazu Pagenkopf, KomR Bd. 1, 68 ff; allgemein Schmidt-]ortzig, Kommunale Organisationshoheit, 1979, 26 ff. Grawert, in: FS f. v.Unruh, 587; VerfGH NRW DVB1. 1983, 714 ff; BayVerfGH DÖV 1989, 306. Zu Konzessionsabgaben BVerwG DÖV 1991, 289 f. BVerfGE 26, 228 (244). Kirchhof, HkWP Bd. 6, 1 ff; offengelassen in BVerfGE 81, 25 (36); Henneke, Jura 1986, 568; VerfGH NRW NJW 1985, 2321; Mets, Beziehungen, 20ff. So die h. M.; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG Rn. 56 zu Art. 28.

1. Abschn. II 4 b

Kommunalrecht

zip, sondern gewährt eine subjektive Rechtsstellung81. Die einzelne Gemeinde kann vom Garantieverpflichteten die Einhaltung der Gewährleistung verlangen. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG wird folglich von einer Reihe von Unterlassungs-, Beseitigungs-, Teilhabe- und gegebenenfalls auch Leistungsansprüchen begleitet. Dazu zählt auch ein Anspruch auf Gerichtsschutz, der unmittelbar aus der materiellen Garantienorm des Art. 28 Abs. 2 GG folgt. Ob sich die Gemeinden außerdem auf Art. 19 Abs. 4 GG stützen können, ist streitig82. Die Frage kann jedoch dahingestellt bleiben; jedenfalls auf der Ebene des derzeit geltenden einfachgesetzlichen Prozeßrechts werden die aus Art. 28 Abs. 2 GG folgenden subjektiven Rechte der Gemeinden mit den subjektiven Rechten der Bürger gleich behandelt (§§40, 42 Abs. 2 VwGO). Ergänzt wird der gemeindliche Rechtsschutz durch die kommunale Verfassungsbeschwerde83 (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 b GG, §91 BVerfGG). Das Institut dient der Verteidigung speziell der Rechte aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG 84 gegen Verletzungen durch Gesetze. Gesetze i. S. dieser Vorschriften sind auch Rechtssätze unterhalb des förmlichen Gesetzes85. Bei der Verletzung durch ein Landesgesetz ist die Subsidiaritätsklausel zugunsten der Landesverfassungsgerichte zu beachten (Rn.31). 4. Erstreckungsgarantien Zum Gehalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gehören schließlich einige Grundsätze, die sich zwar nicht unmittelbar aus dem Verfassungstext ergeben, aber notwendig Ergänzungen und Erstreckungen darstellen. a) Hierher zählt zum einen der Grundsatz des gemeindefreundlichen Verbal- 25 tensH6. Es handelt sich um eine allgemeine Rücksichtnahmepflicht anderer Hoheitsträger auf gemeindliche Belange. Bei der weitreichenden gesetzlichen Durchnormierung der gemeindlichen Rechtsstellung ist dieser Grundsatz auf wenige Fälle der Lückenfüllung beschränkt. Keinesfalls unterbindet er „harte" Entscheidungen, die nach dem Gesetz gegenüber den Gemeinden getroffen werden müssen. Zu vermeiden sind nur unnötige Belastungen und Nebenfolgen. Bei der generalklauselartigen Unbestimmtheit dieses Grundsatzes verschwimmen die Grenzen zwischen Rechtsund Stilfragen; im Umgang mit ihm ist daher Vorsicht geboten. b) Als eine Erstreckungsgarantie wird man auch jene Fälle zu behandeln haben, 26 in denen den Gemeinden ein verfassungsunmittelbares Mitwirkungsrecht an staatlichen Planungen zuerkannt worden ist87. Teilweise handelt es sich bei diesen Pagenkopf, KomR Bd. 1, 5 9 m. w . N a c h w . Nachw. bei Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG Rn. 4 3 zu Art. 19 IV. '3 Burmeister, JA 1 9 8 0 , 17 ff; Sachs, BayVBl. 1 9 8 2 , 3 7 ff. 84 Stern, StR Bd. 1, § 12 II 8 a; zum sog. „Rügepotential" der kommunalen Verfassungsbeschwerde Blümel, in: FS f. v.Unruh, 2 6 5 (297 f). 85 BVerfGE 7 1 , 2 5 (34); 7 6 , 107 ( 1 1 4 ) ; Erichsen, KomR N R W 3 3 9 ff; ob auch Gewohnheitsrecht und Richterrecht dazu gehören, bleibt in BVerfG N V w Z 1 9 8 7 , 123 offen. 86 Macher, Der Grundsatz des gemeindefreundlichen Verhaltens, 1 9 7 1 ; Stern, StR Bd. 1, § 12 115 m . w . N a c h w . 87 Schmidt-Aßmann, AöR 1 9 7 6 (Bd. 101), 5 2 0 ; Hoppe, in: FS f. v.Unruh, 5 5 5 (573).

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1. Abschn. III 1 a

Eberhard Schmidt-Aßmann

Planungen um originäre örtliche Angelegenheiten, die durch Gesetz ausnahmsweise einem anderen Verwaltungsträger zur Entscheidung übertragen worden sind; hier folgt das gemeindliche Mitwirkungsrecht aus dem Gedanken der Kompensation88. Teilweise handelt es sich aber auch um Planungen von überörtlicher Substanz, die jedoch wegen erheblicher Auswirkungen auf die einzelne Gemeinde zu einem Mitwirkungsrecht — regelmäßig in der Form des Anhörungsrechts — führen 89 .

Spezialliteratur R.Bauer, Zur Verwaltungsstruktur der Deutschen Demokratischen Republik, BayVBl. 1990, 263; W.Berg, Grundfragen kommunaler Kompetenzen, BayVBl. 1990, 33; U.Beyerlin, Rechtsprobleme der lokalen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, 1988; P. Blair, Die Gestaltung der kommunalen Selbstverwaltung in den europäischen Staaten, DÖV 1988, 1002; ]. Burmeister, Die kommunale Verfassungsbeschwerde im System der verfassungsgerichtlichen Verfahrensarten, JA 1980, 17; Th. Clemens, Kommunale Selbstverwaltung und institutionelle Garantie, NVwZ 1990, 834; M.Dauster, Kommunale Deutschlandpolitik?, NJW 1990, 1084; W. Erbguth, Zu Rechtsfragen regionaler Energieversorgungskonzepte, DVB1.1983, 305; D.Frers, Zum Verhältnis zwischen Gemeinde und Gemeindeverband nach Art. 28 II GG, DVB1.1989, 449; H. Heberlein, Kommunale Zusammenarbeit mit Gemeinden und Kreisen in der DDR, BayVBl. 1990, 268; ders., Rechtsprobleme kommunaler Entwicklungshilfe, DÖV 1990, 37; H.-G. Henneke, Das Gemeindefinanzierungssystem, Jura 1986, 568; R. Hinket, Zur Situation der kommunalen Selbstverwaltung, NVwZ 1985, 225; W. Hoppe, Umweltschutz in den Gemeinden, DVB1.1990, 609; A.Janssen, Über die Grenzen des legislativen Zugriffsrechts, 1990; S. Langer, Gemeindliches Selbstgestaltungsrecht und überörtliche Raumplanung, VerwArch. 1989 (Bd. 80), 352; G. Lehnguth, Allgemeinpolitische Erklärungen und Beschlüsse von Gemeinden, DÖV 1989, 655; W. Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft, 1989; C.Meis, Verfassungsrechtliche Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden, 1989; W. Roters, Kommunale Mitwirkung an höherstufigen Entscheidungsprozessen, 1975; M.Sachs, Die kommunale Verfassungsbeschwerde im System der verfassungsgerichtlichen Verfahrensarten, BayVBl. 1982, 37; B.Schlüter, Das Gemeinderecht in der neuen Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg, VB1BW 1987, 54; E. Schmidt-Aßmann, Der Umweltschutz im Spannungsfeld zwischen Staat und Selbstverwaltung, NVwZ 1987, 265; E. Schmidt-Jortzig, Gemeindliche Selbstverwaltung und Entwicklungszusammenarbeit, DÖV 1989, 142; R. Steinberg, Verwaltungsgerichtlicher Schutz der kommunalen Planungshoheit gegenüber höherstufigen Planungsentscheidungen, DVB1.1982, 13; G. Treffer, Rechtliche Aspekte der kommunalen Entwicklungszusammenarbeit, StT 1989, 341; G.Ch. v. Unruh, Demokratie und kommunale Selbstverwaltung, DÖV 1986, 217; B. Widera, Zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung kommunaler Planungshoheit, 1985.

III. Weitere Verfassungspositionen der Gemeinden 1. Gewährleistungen im Grundgesetz 27

a) partielle Finanzgarantien: Unter den Bestimmungen des Grundgesetzes, die die Stellung der Gemeinden im Staat weiter absichern, haben einige finanzverfas88 89

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Blümel, W D S t R L 36 (1977), 171 (245 ff). BVerwGE 51, 6 (13 f); std. Rspr., jüngst BVerwGE 81, 95 (106).

Kommunalrecht

1. Abschn. II 1 b aa

sungsrechtliche Vorschriften einen wichtigen Rang90. Hierher gehören vor allem die Realsteuergarantie (Art. 106 Abs. 6 S. 1 HS 1 GG), die Ertragshoheit der örtlichen Verbrauchs- und Aufwandsteuern (Art. 106 Abs. 6 S. 1 HS 2 GG), die Beteiligung der Gemeinden am Aufkommen der Einkommensteuer (Art. 106 Abs. 5 GG) und die Aussicht auf einen Prozentsatz am Länderanteil des Aufkommens der Gemeinschaftssteuern (Art. 106 Abs. 7 GG). Diese Vorschriften ergänzen die schon in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG angelegte kommunale Finanzhoheit (Rn. 23), indem sie ihr Teile ihres realen Substrats liefern (Rn. 127 ff)91. b) Grundrechte: Umstritten ist, inwieweit sich Gemeinden außer auf ihre speziel- 28 len Gewährleistungen auch auf Grundrechte92 berufen können. Systematisch gehört dieses Problem in den Rahmen des Art. 19 Abs. 3 GG 93 , demzufolge die Grundrechte auch für inländische juristische Personen gelten, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Die kaum noch überschaubare Literatur94 zu diesem Thema vermittelt zuweilen den Eindruck, für manchen sei die rechtsstaatliche Welt nur dann in Ordnung, wenn möglichst alle grundgesetzlichen Freiheitssicherungen möglichst gleichmäßig auf möglichst alle nur denkbaren Schutzsituationen verteilt sind. Daß damit die differenzierten Garantien und Sicherungsmechanismen nivelliert und um ihre spezifische Wirkung gebracht würden, wird dabei zu wenig beachtet95. Jedenfalls für die Gemeinden als universelle Verwaltungsträger des örtlichen Bereichs muß die grundrechtliche Hauptsicherungslinie doch wohl eindeutig zwischen verwaltender Kommune und verwaltetem Bürger und nicht zwischen verwaltender Kommune und verwaltendem Staat verlaufen. Im einzelnen sind zu trennen: aa) Bereiche öffentlicher Aufgabenerfüllung: Soweit die Gemeinden öffentliche 29 Aufgaben (Selbstverwaltungs- oder Fremdaufgaben) — in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Form — wahrnehmen, versagte ihnen die herrschende Ansicht96 schon bisher die Grundrechtsfähigkeit. In diesem Bereich ist weder eine „grundrechtstypische" eigene Gefährdungslage der Gemeinden gegeben, noch ist ihr Handeln dem Lebensbereich ihrer Bürger so unmittelbar zugeordnet, daß ihnen daraus in der Art eines „Durchgriffs" grundrechtliche Substanz zuwachsen kann97. 90 91

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Systematisch Stern, StR Bd. 1, § 12 117. Sie sind daher auch nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 b GG rügefähig; aber Str.: Nachweise bei Stern, StR Bd. 1, § 12 118; differenzierend BVerfGE 71, 25 (37f). Für Justizgrundrechte BVerfGE 61, 82 (104, 109). Nicht jedoch in den des Art. 28 Abs. 2 GG. Nachweise bei v. Mutius, in: BK Rn. 78 ff zu Art. 19 Abs. 3 GG; Stern, StR Bd. 3, § 71, III 4, VII6; Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen nach Art. 19 Abs. 3 GG, 1985, 25 ff; Broß, VerwArch. 1986 (Bd. 77), 65. Zutreffend Burmeister, Neukonzeption, 1 ff. Stern, in: BK Rn. 70 zu Art. 28 GG; v. Mutius, in: BK Rn. 133 zu Art. 19 Abs. 3 GG; Dürig, in: MaunzlDürig, GG Rn.48 zu Art. 19 Abs. 3; Bethge, AöR 1979 (Bd. 104), 265 ( 2 7 7 - 2 7 9 ) ; BGHZ 63, 196 ff. BVerfGE 45, 63 (78 f); ebenso für die als Anstalten öffentlichen Rechts organisierten Sparkassen BVerfGE 75, 192 (200). 25

1. Abschn. II 2

Eberhard Schmidt-Aßmann

Das gilt selbst dann, wenn es sich um ein gemeindeeigenes Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit handelt, z. B. ein als Aktiengesellschaft betriebenes Wasserversorgungsunternehmen98. 30

bb) Bereiche fiskalisch-erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit: Für diese Bereiche wurde in der Literatur bisher ein Grundrechtsschutz, z.B. der Art. 12 und 14 GG, überwiegend für möglich gehalten". Dem ist das Bundesverfassungsgericht jedoch im Sasbach-Beschluß100 entgegengetreten: Die Rechtsordnung billige den Gemeinden zwar die Möglichkeit zu, privatrechtliches Eigentum innezuhaben, das besage jedoch nicht, daß dieses auch grundrechtsgeschützt sein müsse; vielmehr fehle es auch hier an einer „grundrechtstypischen Gefährdungslage". Das Gericht weist dazu auf zahlreiche Vorrechte („Fiskusprivilegien") hin, die das Eigentum öffentlich-rechtlicher Körperschaften genießt. „Auch die mannigfachen Einflußmöglichkeiten über staatsinterne Wege schließen jedenfalls eine Vergleichbarkeit mit der ,Abhängigkeit' des Bürgers, die materielle Grundrechtsverbürgungen besonders dringend macht, aus" 1 0 1 . Dem ist im Ergebnis zuzustimmen102. Allerdings werden neue Abgrenzungsfragen aufgeworfen. Können Gemeinden sich künftig wenn nicht mehr auf Grundrechte, so doch auf grundrechtskonkretisierende Normen des einfachen Rechts berufen? Das wird man auch nach dem Sasbach-Beschluß bejahen müssen103. 2. Selbstverwaltungsgarantien der Landesverfassungen

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Keine gesonderte Behandlung erfahren hier die Selbstverwaltungsgarantien der Landesverfassungen104. Die meisten von ihnen sind zwar „gesprächiger" als Art. 28 BVerfGE 45, 63 ff; zur Frage, inwieweit Unternehmen privater Rechtsform, an denen neben Gemeinden auch Private beteiligt sind (gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen), Grundrechtsfähigkeit zukommt; Schmidt-Aßmann, in: FS f. Niederländer, 1991, 383; Zimmermann, JuS 1991, 294 ff. 99 v. Mutius, in: BK Rn. 103 zu Art. 19 Abs. 3 GG; Pagenkopf, KomR Bd. 1, 32 f; Stern, in: BK Rn. 71 zu Art. 28 GG; W. Weber, Staats- und Selbstverwaltung, 37; a. M. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG Rn. 48 zu Art. 19, Abs. 3 GG; Bethge, AöR 1979 (Bd. 104), 265, 297 ff. 100 BVerfGE 61, 82 (105 f); vgl. aber auch 70, 1 (20). 101 BVerfGE 61, 82 (106) mit Verweis auf Dürig, in: Maunz/Dürig, GG Rn.46 zu Art. 19 Abs. 3; ebenso BVerwG NVwZ 1989, 247 (249). 1 0 2 Ebenso Ronellen,fitscb, JuS 1983, 594 (589); Papier, in: Maunz/Dürig, GG Rn. 192 ff zu Art. 14; kritisch: Mögele, NJW 1983, 805. Für die LV Bay. die Grundrechtsfähigkeit der Gemeinden bejahend BayVerfGH NVwZ 1985, 260; dazu Bambey, NVwZ 1985, 248 ff; Bethge, NVwZ 1985, 402. 103 Bambey, DVB1. 1983, 936 ff (938); vgl. auch Papier, in: Maunz/Dürig, GG Rn. 198 zu Art. 14 GG; OVG Lüneburg DVB1. 1984, 895 ff und NVwZ 1987, 999 (1001); VGH Kassel, NVwZ 1987, 987 (999). Art. 69, 71 - 7 6 LV BW; Art. 9 - 1 2 und 83 LV Bay.; Art. 137 und 138 LV Hess.; Art. 44, 45 LV Nds.; Art. 78, 79 LV NW; Art. 49, 50 LV Rh.-Pf.; Art. 1 1 7 - 1 2 3 LV Saarl.; Art. 4 6 - 4 9 LV Schl.-H. 98

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1. Abschn. IV

Kommunalrecht

Abs. 2 S. 1 GG 105 ; doch ist durch die breite Entfaltung, die die Garantie der Bundesverfassung in Rechtsprechung und Lehre erfahren hat, eine weitgehende „Standardisierung" erfolgt106. (Den Bearbeiter eines juristischen Falles, in dem eine Landesverfassungsgarantie einschlägig ist, entbindet das freilich nicht von der exakten Auseinandersetzung mit dem Verfassungstext!). Eigenständige Garantieerweiterungen finden sich vor allem für die Finanzhoheit107. Die Garantien der Landesverfassungen und des Grundgesetzes bestehen nebeneinander108: Landesgesetzgebung und Landesexekutive haben beide Garantien zu beachten, während Bundesrecht nur an Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gebunden ist. Dem Bund ist in Art. 28 Abs. 3 GG zudem zu gewährleisten aufgegeben, daß die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des Art. 28 Abs. 2 GG entspricht; ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch der Gemeinden auf ein bestimmtes Handeln des Bundes folgt daraus m. E. nicht109. Besonderes Gewicht erlangen die Landesgarantien wegen der Subsidiaritätsklausel des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 b GG durch eigenständige kommunale Rechtsschutzgarantien vor den Landesverfassungsgerichten110.

IV. Gemeinden und Staatsaufsicht Die gemeindliche Verwaltung untersteht der Aufsicht des Staates. Die Staatsauf- 32 sieht111 wird in gewissen Bereichen als eine auf die Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkte Rechtsaufsicht (2), in anderen Bereichen als eine auch die Zweckmäßigkeit umgreifende Fachaufsicht (3) wirksam. Um die Grundgedanken des Aufsichtswesens zu verstehen, sollte man zunächst den Bestand der von den Gemeinden

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Art. 83 der BayLV und § 2 Abs. 2 KVG beschreiben den gemeindlichen Wirkungskreis durch eine Auflistung; mehr als behutsam verwendbares Argumentationsmaterial wird damit jedoch nicht geboten, denn weder sind die Aufzählungen erschöpfend gemeint, noch könnte sich eine landesrechtliche Konkretisierung gegenüber abweichendem Bundesrecht durchsetzen; zu § 2 Abs. 2 KVG in diesem Sinne Schmidt-Eichstaedt, DVB1. 1990, 848 (849).

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Roters, in: v. Münch, GGK Rn. 32 zu Art. 28. Zur Verfassungsdirektive des Art. 78 Abs. 3 LV N R W (Kostenausgleich für neue Aufgabenzuweisungen) VerfGH N R W NVwZ 1985, 8 2 0 ff und DÖV 1989, 310, auch OVG Münster, NVwZ 1988, 77 ff. Ferner Art. 71 Abs. 3, Art. 73 LV BW; Art. 83 Abs. 3 LV Bay.; Art. 137 LV Hess.; Art. 45 LV Nds.; Art. 4 9 Abs. 5 LV Rh.-Pf.; Art. 41, 4 2 LV Schl.-H. Zur örtlichen Raumplanung als Bestandteil der Selbstverwaltungsgarantie gem. Art. 11 Abs. 2 LV Bay. vgl. BayVerfGH NVwZ 1987, 1069 f.

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Stern, StR Bd. 1, § 12 116. Anders Stern, StR Bd. 1, § 12 116. Art. 76 LV BW i.V.m. § 5 4 StGHG BW; Art. 130 Abs. 1, 49 LV Rh.-Pf.; Art. 123 LV Saarl. i. V. m. § 49 VerfGHG Saarl.; ferner § 5 2 VGHG NW. Vgl. dazu Hoppe, in: Starckl Stern (Hrsg.), Landesverfassungsgerichtsbarkeit, Bd. 2, 1983, 2 5 7 ff. Knemeyer, HkWP B d . l , 2 6 5 ; Rudolf, in: Erichsen/Martens, AllgVwR, § 5 6 IV3; Erichsen, DVB1. 1985, 943 ff; Schröder, JuS 1986, 371 ff. 27

1. Abschn. IV 1 a bb

Eberhard Schmidt-Aßmann

wahrgenommenen Aufgaben betrachten112 (1). Das Aufsichtssystem ist aufgabenorientiert.

1. Aufgaben der Gemeinden 33

Eine rechtlich aussagekräftige Gliederung des Aufgabenbestandes wird dadurch erschwert, daß die Gemeindeordnungen der Länder in den Begriffen und im Grundkonzept voneinander abweichen; zudem arbeiten die beiden wichtigsten Gliederungsmodelle — das dualistische (a) und das monistische (b) — mit Trennlinien, die mit den Hauptbegriffen der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie zwar vereinbar, nicht aber vollständig harmonisiert sind.

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a) Aufgabendualismus: Das dualistische Modell folgt der überkommenen Aufteilung der öffentlichen Aufgaben nach ihrer Substanz und trennt danach Selbstverwaltungsaufgaben und Staatsaufgaben. Für die Gemeinden bilden die Selbstverwaltungsaufgaben den eigenen Wirkungskreis, während Staatsaufgaben auf sie nur im Wege gesetzlicher Übertragung i. d. R. als Auftragsangelegenheiten überkommen113.

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aa) Selbstverwaltungsangelegenheiten: Zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinden zählen alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, sofern solche nicht ausnahmsweise durch Gesetz einem anderen Träger überwiesen sind. Dieser Kreis wird bereits durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG konstituiert; er kann sich aber erweitern, insofern durch einfache Gesetze den Gemeinden auch solche Aufgaben zugewiesen werden können, die an sich nicht eindeutig solche der örtlichen Gemeinschaft sind oder bei denen eine örtlich-überörtliche Substanzenmischung vorliegt (Rn. 22). Jedenfalls macht dieser gesamte Bereich den festen eigenen Aufgabenkreis der Gemeinden aus, der nur durch Gesetz geändert werden kann. Staat und Gemeinden stehen sich hier im Außenrechtsverhältnis gegenüber, dessen typische Schutzinstrumente (Gesetzesvorbehalt; Verfahren, Gerichtsschutz) den Gemeinden zugute kommen. Rechte aus dem eigenen Wirkungskreis sind Rechte i. S. v. § 42 Abs. 2 VwGO. Dem Staat fehlt die Befugnis zu Zweckmäßigkeitsweisungen. Innerhalb dieses Bereichs unterscheiden die Gemeindeordnungen regelmäßig zwischen freien Selbstverwaltungsaufgaben (z. B. Bau von Sportstätten, Museen), bei denen die Gemeinden allein entscheiden können, ob sie diese Aufgabe überhaupt in Angriff nehmen und wie sie sie durchführen wollen, und Pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben, bei denen das Ob der Aufgabenwahrnehmung gesetzlich festgelegt ist (z. B. Bauleitplanung, Baulandumlegung, z.T. Schulbau).

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bb) Auftragsangelegenheiten: Den übertragenen Wirkungskreis machen die Auftragsangelegenheiten aus. Bei ihnen fallen Aufgabensubstanz und Aufgabenwahrnehmung auseinander. Die Aufgabensubstanz ist und bleibt staatlich114. Das Gesetz 112 113

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Dazu Schmidt-Eichstaedt, HkWP Bd. 3, 9 ff; Maurer, AllgVwR, § 2 3 Rn. 12 ff. Art. 7 GO Bay.; § 4 GO Nds.; § 2 Abs. 1 GO Rh.-Pf. ; § 5 KSVG Saarl.; §§ 2, 3 KVG. Vgl. Ipsen, NdsKomR 72 ff; Knemeyer, BayKomR Rn. 122 f. BVerwGE 19, 121 (123); vgl. auch BVerwG NVwZ 1983, 6 1 0 (611).

Kommunalrecht

1. Abschn. IV 1 b bb

überträgt den Gemeinden nur die Ausführung. Damit verbunden ist ein staatliches Weisungsrecht, das — wenn es nicht ausdrücklich begrenzt ist — als unbegrenztes existiert. b) Aufgabenmonismus: Das monistische Gliederungsschema, das auf den sog. 37 Weinheimer Entwurf 1 1 5 zurückgeht, möchte, statt zwischen staatlichen und gemeindeeigenen Aufgaben zu trennen, von einem einheitlichen Begriff der öffentlichen Aufgaben ausgehen. Die Erfüllung aller dieser Aufgaben soll im Gemeindegebiet grundsätzlich allein und in eigener Verantwortung den Gemeinden obliegen, sofern die Gesetze nichts anderes bestimmen 1 1 6 . Freilich ist damit das Problem des Staatseinflusses noch nicht gelöst. aa) interne Gliederung: Auch das monistische Modell kommt nicht ohne interne 38 Anerkennung einer Aufgabentrias aus: freie Aufgaben, Pflichtaufgaben und Weisungsaufgaben, d.h. Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung gemäß einem gesetzlich festgelegten staatlichen Weisungsrecht. Das Weisungsrecht wird in der Gesetzespraxis für das einzelne Aufgabengebiet teils als beschränktes 1 1 7 , teils als unbeschränktes 118 eingeräumt. Pflichtaufgaben nach Weisung sind die ordnungsbehördlichen Aufgaben der Gemeinden und ihre Tätigkeit als untere Verwaltungsbehörden 1 1 9 . Während sich die freien und die Pflichtaufgaben, transponiert man sie auf das dualistische Schema, einigermaßen unproblematisch als solche des „eigenen Wirkungskreises" wiederfinden, besteht über eine vergleichbare Zuordnung der Weisungsaufgaben seit langem Streit 120 : Sind sie die alten Auftragsangelegenheiten unter „neuem Etikett", sind sie den Auftragsangelegenheiten wenigstens insoweit verwandt, daß man beide unter dem Oberbegriff der „Fremdverwaltung" 1 2 1 im wesentlichen gleichbehandeln kann, sind sie im Gegenteil echte Selbstverwaltungsaufgaben oder aber ein Mischgebilde mit je gesondert zu ermittelnden Konsequenzen? bb) Weisungsaufgaben als Mischform: Keine der beiden eindeutigen Zuordnun- 39 gen entspricht dem Aufgabenzuschnitt: Das Weisungsrecht paßt nicht zur Selbstverwaltungsaufgabe; die Begrenztheit dieses Rechts wiederum steht einer Einstufung als Auftragsangelegenheit entgegen. Überhaupt ist die gesetzliche Ausgestaltung, die die Weisungsaufgaben im Recht der einzelnen Bundesländer gefunden haben, zu unterschiedlich, um die typischen, mit der dualistischen Einstufung geklärten Probleme auch hier einheitlich lösen zu können — und nur das ist ja der Sinn des Qualifikationsstreits. Weisungsaufgaben sind auf dem Hintergrund eines dualistischen Schemas eine Zwischenform, für die die dogmatischen Konsequenzen nur 115

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Entwurf einer GO für die Länder der Bundesrepublik Deutschland, erarbeitet von den Landesinnenministern und den kommunalen Spitzenverbänden 1948 in Weinheim. § 2 Abs. 1 GO BW; § 4 GO Hess.; § 3 Abs. 2 GO NRW; § 3 Abs. 1 GO Schl.-H. Z.B. § 9 Abs.2 OBG NRW. §51 PolG BW; §25 LVG BW. Friauf, 2. Abschn. Rn. 162. Zum Streitstand Schmidt-Eichstaedt, HkWP Bd. 3, 20 m.w.Nachw.; Maurer, AllgVwR, §23 Rn. 16; Erichsen, KomR NRW, §59f; Dehmel, Wirkungskreis, 9 1 - 1 0 0 . Schmidt-Jortzig, KomR Rn.541, im Anschluß an WolffIBachoflStober, VwR II, § 8 6 X . 29

1. Abschn. IV 1 c

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nach genauerer Analyse der Gesetzeslage gefunden werden können 122 . Dabei mögen zunächst zwei Aussagen hilfreich sein, selbst wenn sie nur Faustregeln sind: — Wie Auftragsangelegenheiten sind Weisungsaufgaben dann zu behandeln, wenn es sich um Ländervollzug im Auftrage des Bundes nach Art. 85 GG 1 2 3 , um Fälle des Art. 84 Abs. 5 GG oder um Bereiche handelt, in denen das Gesetz den Staatsbehörden ein unbeschränktes Weisungsrecht zuerkennt. — In Bereichen dagegen, in denen das Weisungsrecht beschränkt ist, stehen die Weisungsaufgaben den Selbstverwaltungsangelegenheiten näher; denn hier wächst den Gemeinden sozusagen außerhalb der Tatbestandsmerkmale des Weisungsrechts ein eigener Rechtskreis zu. Von diesen Faustregeln unabhängig werden die Weisungsaufgaben in der Spezialfrage der zuständigen Widerspruchsbehörde (§ 73 Abs. 1 VwGO) einheitlich als Auftragsangelegenheiten behandelt. Den Widerspruchsbescheid erläßt nicht die Gemeinde, sondern die nächsthöhere Behörde124. Ebenfalls unabhängig von den genannten Faustregeln können Weisungen grundsätzlich nicht auf die Handlungsformen des Außenrechts (Verwaltungsakt, Rechtsverordnung) festgelegt werden. Schon der Begriff „Weisung" steht dem entgegen. Vor allem aber passen die Institute der Verwaltungsverfahrensgesetze (Anhörungs-, Beratungs-, Begründungszwang), die mit der Qualifikation als Verwaltungsakt automatisch ins Spiel kämen, für das Verhältnis der Gemeinde zum Staat in Weisungsmaterien nicht. Die Frage, inwieweit Gemeinden gegen staatliche Weisungen um Gerichtsschutz nachsuchen können, ist damit noch nicht negativ entschieden, denn die Rechtswegeröffnung hängt heute anders als früher nicht mehr davon ab, daß die angegriffene Maßnahme als Verwaltungsakt eingestuft wird (Rn. 45). 40

c) andere Formen öffentlicher Verwaltung im gemeindlichen Raum: Das unter a) und b) behandelte Spektrum öffentlicher Aufgaben und Aufgabenträgerschaft erschöpft die Erscheinungsformen öffentlicher Verwaltung im gemeindlichen Raum nicht vollständig. Das Bild von der Einheit der Verwaltung auf der Ortsebene125 ist daher mehr Wunsch als Wirklichkeit. — Sonderbehörden: Zum einen gibt es zahlreiche Aufgaben, die der Staat auch „vor Ort" durch eigene Sonderbehörden wahrnimmt. Traditionell zählen hierher die Tätigkeiten der Finanz-, Arbeits- und Wehrverwaltung sowie der Gewerbeaufsichtsämter. Das Landesrecht kennt vielfältige weitere Fälle (z.B. Schulämter, Eichämter, Flurbereinigungsbehörden). Auch die Tätigkeiten von Bahn und Post müssen hierher gerechnet werden. — Organleihe: Eine Sonderform staatlicher Verwaltung begründen ferner diejenigen Gesetze, die ein einzelnes Gemeindeorgan ohne Rückbindung an seine 122 123

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Zutreffend Schmidt-Eichstaedt, HkWP Bd. 3, 22. Zur Sonderstellung der durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Auftragsverwaltung vgl. die „Transmissionsklauseln" § 129 Abs. 3 GO BW, § 16 Abs. 1 LOG NRW. Z.B. § 7 AGVwGO NRW; Kopp, VwGO § 73 Rn.4. In manchen Landesverfassungen (z. B. Art. 137 LV Hess., Art. 44 LV Nds., Art. 78 Abs. 2 LV NRW) wird der Grundsatz der Einheit der örtlichen Verwaltung garantiert, nicht jedoch im Grundgesetz; a. A.: Stern, in: BK Rn. 93 zu Art. 28 GG.

1. Abschn. IV 2 a

Kommunalrecht

originäre kommunale Trägerkörperschaft mit einer staatlichen Aufgabe betrauen. In diesen Fällen der Organleihe126 wird das betreffende Organ der staatlichen Verwaltung inkorporiert und unterliegt als solches allen Aufsichtsrechten des staatlichen Instanzenzuges. Bei gemeindlichen Organen sind solche Fälle selten127; der Standardfall dagegen findet sich auf der Landkreisebene (Rn. 149). 2. Rechtsaufsicht Die Rechtsaufsicht128 („Kommunalaufsicht", „allgemeine Aufsicht") ist die Stan- 41 dardaufsicht des Staates über die Tätigkeit der Gemeinden129. Sie folgt aus dem parlamentarischen System und aus der Gesetzesbindung der Verwaltung und gehört notwendig zum Körperschaftsstatus der Gemeinde. Rechtsaufsicht heißt Überprüfung der Rechtmäßigkeit. Wo Maßstäbe des Rechts fehlen, mangelt der Rechtsaufsicht der Kontrollmaßstab. Der dogmatischen Vorstellung nach hat die Aufsichtsbehörde die gleichen rechtsmethodischen Schritte zu vollziehen, wie wir sie sonst bei der gerichtlichen Rechtskontrolle kennen: Ermessensfehler sind Rechtsfehler nach Maßgabe der § 40 VwVfG, § 114 VwGO 130 . Bei den Selbstverwaltungsaufgaben ist der Staat grundsätzlich auf diese Art der Aufsicht beschränkt. Systematisch lassen sich eine repressive, d. h. nachträglich einsetzende, und eine präventive, d. h. vor Vollendung eines gemeindlichen Rechtsaktes eingreifende Rechtsaufsicht unterscheiden131. Die Gemeindeordnungen regeln unter der Überschrift „Aufsicht" zusammenhängend nur die repressive Rechtsaufsicht132, während sich präventive Aufsichtsvorgänge verstreut vor allem in den einzelnen Vorschriften finden, die bestimmte gemeindliche Handlungen staatlicher Genehmigung unterstellen. Demgemäß wird auch in diesem Beitrag verfahren (zu Genehmigungen Rn.46ff). Den normalen Instanzenzug der Rechtsaufsichtsbehörden stellen die Behörden der allgemeinen inneren Verwaltung dar: der Innenminister — der Regierungspräsident — und, sofern es um kreisangehörige Gemeinden geht, das Landratsamt (Oberkreisdirektor) als untere staatliche Verwaltungsbehörde. a) Aufsichtsmittel13i: Aufsichtsvorgänge vollziehen sich in der Praxis vielfach 42 durch informelle Kontakte zwischen Gemeinde und Aufsichtsbehörde (Beratung, 126

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Dazu Schmidt-Eichstaedt, HkWP Bd. 3, 28 f; Erichsen, KomR N R W 98: „Institutionsleihe". Z. B. § 4 7 Abs. 3 GO NRW; § 62 Abs. 1 Ziff. 3 GO Nds; s. aber auch § 146 a GO Hess. Ausführlich Knemeyer, HkWP Bd. 1, 271; Erichsen, DVB1. 1985, 943 ff. BVerfGE 78, 331 (341): „Die Kommunalaufsicht ist das verfassungsrechtlich gebotene Korrelat der Selbstverwaltung". Dazu Erichsen, in: Erichsen!Martens, AllgVwR, § 12 112. Systematisch Wolff/Bachof/Stober, VwR II, § 8 6 R n . l 7 8 f f ; Schmidt-Jortzig, KomR Rn. 86 ff; Tettinger, BesVwR, § 11; Scholler, KomR, § 12. §§ 118 ff GO BW; Art. 108 ff GO Bay.; §§ 135 ff GO Hess.; §§ 127 ff GO Nds.; §§ 106 ff GO NRW; §§ 117ff GO Rh.-Pf.; §§ 127 ff KSVG Saarl.; §§ 120 ff GO Schl.-H.; §§ 63 ff KVG. Schmidt-Jortzig, KomR Rn. 86 ff; Knemeyer, HkWP Bd. 1, 272 ff. 31

1. Abschn. IV 2 a

Eberhard Schmidt-Aßmann

Anregung, Korrekturvorschlag). Die Aufsicht soll den Gemeinden bekanntlich helfen und möglichst ohne Konfrontation erfolgen. Wenn das aber nicht zum Erfolg führt, muß das Recht allerdings auch zwangsweise gegen die Gemeinde durchgesetzt werden können. Für diese Eingriffsfälle halten die Gemeindeordnungen ein Instrumentarium bereit, das in der Art einer Klimax von einfachen Informationsrechten bis zu „schweren Geschützen" (z.B. Ersatzvornahme, Staatsbeauftragter) reicht. In Einzelheiten weichen die Gemeindeordnungen voneinander ab; zu den üblichen Mitteln gehören: — Informationsrecht: Soweit es zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist, kann sich die Rechtsaufsichtsbehörde über einzelne Angelegenheiten unterrichten. Verlangt werden können die Vorlage von Akten, die Erstellung von Berichten, die Einsichtnahme in Bücher. Eine generelle Vorlagepflicht, z.B. für alle Ratsbeschlüsse, kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden134. — Beanstandungsrecht: Rechtswidrige Handlungen (Beschlüsse, Anordnungen) kann die Aufsichtsbehörde beanstanden und ihre Korrektur durch die Gemeinde verlangen, sofern die Gemeinde mit einer solchen Korrektur nicht erneut gegen das Gesetz verstoßen müßte135, indem sie z.B. zu einer rechtlich nicht möglichen Rücknahme eines Verwaltungsakts (§ 48 VwVfG) angehalten wird. Die in einigen Gemeindeordnungen vorgesehene „aufschiebende Wirkung" der Beanstandung136 gilt nicht für die Außenwirksamkeit des betreffenden Aktes; sie enthält aber ein Vollzugsverbot an die Gemeinde. — Anordnungsrecht: Erfüllt die Gemeinde die ihr nach Gesetz und Recht obliegenden Pflichten nicht, so kann die Aufsichtsbehörde anordnen137, daß die Gemeinde die notwendigen Maßnahmen innerhalb einer angemessenen Frist nachholt. Das Anordnungsrecht ist das auf gemeindliches Unterlassen bezogene Korrelat zur Beanstandung, die auf rechtswidriges Tun reagiert. — Ersatzvornahme: Kommt die Gemeinde einem der vorstehend genannten Verlangen der Aufsichtsbehörde innerhalb einer bestimmten Frist nicht nach, so ist die Aufsicht befugt, die notwendigen Maßnahmen an Stelle und auf Kosten der Gemeinde selbst durchzuführen. Hier wird die Aufsicht u.U. auch gegenüber Dritten tätig. Im Vorgang der Ersatzvornahme liegt also regelmäßig ein Doppelakt: ein Verwaltungsakt gegenüber der Gemeinde, der die Ausübung des Aufsichtsmittels zum Regelungsgegenstand hat, und ein zweiter Akt, dessen Rechtsnatur sich aus seinem Regelungsumfeld heraus bestimmt und der folglich z.B. Realakt, Akt der Normsetzung, aber auch eine privatrechtliche Willenserklärung sein kann138. 134 135

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Knemeyer, HkWP Bd. 1, 272. Ericbsen, DVB1. 1985, 943 ff; Mögele, BayVBl. 1985, 519 ff; OVG Münster, NVwZ 1987, 155. Z. B. § 121 Abs. 1 S. 3 GO BW; § 108 Abs. 2 GO NRW; § 66 Abs. 2 KVG. In allen Gem.Ord.; vgl. allerdings Art. 112 S. 2 GO Bay. („auffordern"). Ausführlich dazu Schnapp, Die Ersatzvornahme in der Kommunalaufsicht, 1972; OVG Münster, DVB1. 1989, 1009 f und 1273 (Auflösung einer Schule).

Kommunalrecht

1. Abschn. IV 2 b

— weitere Aufsichtsmittel: Länderweise unterschiedlich eingeführt sind darüber hinaus weitere Aufsichtsmittel für schwere Fälle, z. B. die Bestellung eines Staatsbeauftragten139, die Auflösung des Gemeinderates140 oder die vorzeitige Beendigung der Amtszeit des Bürgermeisters141. b) Rahmenbedingungen und Rechtsschutz: Die eingreifenden Aufsichtsmittel 43 unterliegen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Zuweilen ist ausdrücklich vorgesehen, daß zunächst das gemeindeinterne Kontrollsystem einzuschalten ist142. Generell dürfen Aufsichtsmaßnahmen nur durchgeführt werden, wenn sie dem öffentlichen Wohl dienen. Mit Ausnahme des Informationsrechts setzen alle Aufsichtsmaßnahmen rechtswidriges Gemeindehandeln voraus. Die Rechtswidrigkeit folgt primär aus Rechtssätzen des öffentlichen Rechts. Verstöße gegen privatrechtliche Vorschriften reichen jedenfalls dann nicht aus, wenn sie nur den Interessen des Privatrechtsverkehrs dienen143. Eine zum Einschreiten berechtigende Rechtsverletzung liegt auch dann vor, wenn sich ein Gemeindeorgan mit Materien beschäftigt, die wegen ihres überörtlichen Charakters nicht in seinen Kompetenzbereich fallen (Rn. 14ff). Auch bei Vorliegen des Aufsichtsfalles ist die Aufsichtsbehörde, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, nicht zum Einschreiten verpflichtet, sondern kann nach Ermessen entscheiden (Opportunitätsprinzip)144. Klare Fälle einer Ermessensschrumpfung dürften selten sein, sind aber nicht ganz auszuschließen. In keinem Falle haben private Dritte einen Rechtsanspruch auf aufsichtsbehördliches Einschreiten; denn Aufsichtsvorschriften sind nicht einmal beiläufig ihren Interessen zu dienen bestimmt145. Adressat der genannten Aufsichtsmaßnahmen ist die Gemeinde als solche, die in ihrem Körperschaftsstatus dem Staat (Aufsichtsbehörde) im Außenverhältnis entgegentritt146. Regelnde Maßnahmen der Aufsichtsbehörde haben daher unstreitig die Qualität eines Verwaltungsaktes. Für ihren Erlaß sind, soweit das Kommunalrecht keine gleichlautenden oder entgegenstehenden Vorschriften enthält, ergänzend die Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder einschlägig. Der Gerichtsschutz147 der Gemeinden richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften. Soweit die Gemeindeordnungen darauf verweisen, kommt ihnen angesichts des §40 Abs. 1 S. 1, § 4 2 Abs. 2 VwGO nur deklaratorische Bedeutung zu148. »9 § 124 GO BW; Art. 114 GO Bay.; § 141 GO Hess.; § 132 GO Nds.; § 110 GO N R W ; § 124 GO Rh.-Pf.; § 134 KSVG Saarl.; § 127 GO Schl.-H. 1 4 0 Art. 114 Abs. 3 GO Bay.; § 141 a GO Hess.; § 5 4 Abs. 1 GO Nds.; § 111 GO N R W ; § 125 GO Rh.-Pf.; § 5 3 Abs. 2 KSVG Saarl.; § 4 4 GO Schl.-H. 141 § 128 GO BW; Art. 114 Abs. 3 GO Bay. 1 4 2 § 108 GO N R W ; dazu OVG Münster DVB1. 1985, 172. 143 OVG Münster DVB1. 1963, 862 ff; gegen dieses Subsidiaritätsdogma Hassel, DVB1. 1985, 695 ff. 1 4 4 Str.; Knemeyer, HkWP Bd. 1, 268 f; ferner Borchert, DÖV 1978, 721 ff. 1 4 5 H . M . ; vgl. Knemeyer, HkWP Bd. 1, 2 7 0 ; vgl. Schnapp, DVB1. 1971, 4 8 0 ff; Maurer, in: Maurer/Hendler, StuVwR BW 2 5 6 ; auch BVerwG DÖV 1972, 723 (LS); OVG Koblenz DÖV 1986, 152 f. 1 4 6 OVG Münster DVB1. 1981, 2 2 7 f; Fehrmann, DÖV 1983, 311 (317). 1 4 7 Dazu Schmidt-Jortzig, KomR Rn. 101 f; Knemeyer, HkWP Bd. 1, 275. 148 Schmidt-Jortzig, KomR Rn. 102. 33

1. Abschn. IV 3 b

Eberhard Schmidt-Aßmann

3. Fachaufsicht 44

aj Wesen und Regelungen: Als Fachaufsicht149 bezeichnet man die besondere Aufsicht in Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises bzw. der Weisungsaufgaben. Die Gemeindeordnungen enthalten hierüber nur marginale Vorschriften und verweisen im übrigen auf die einschlägigen Fachgesetze150. Das Wesen der Fachaufsicht liegt in der ihr zugeordneten Weisungsbefugnis. Diese Befugnis ist im dualistischen Aufgabenmodell grundsätzlich unbegrenzt151, während sie im monistischen Modell für das einzelne Aufgabengebiet gesetzlich besonders verliehen sein muß. Weisungen erstrecken sich auf die Handhabung des gemeindlichen Ermessens und sind selbst vorrangig von Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit bestimmt. Damit bekommt die Aufsicht eine ganz andere Funktion: Repressive Kontrolle und präventive Steuerung fließen hier zusammen. Eine immanente Grenze aller Weisungsrechte liegt darin, daß sie Sachentscheidungen steuern sollen. Wie die Gemeinde die organisatorischen Voraussetzungen dafür schafft, muß ihr dagegen selbst überlassen bleiben152. Fachaufsicht ist nicht Dienstaufsicht153. Die Weisungsrechte werden von den zuständigen Fachbehörden ausgeübt, die mit den allgemeinen Aufsichtsbehörden häufig, aber keinesfalls durchgängig identisch sind. Außer zur Ausübung des Weisungsrechts sind die FacAaufsichtsbehörden zu Eingriffen in den gemeindlichen Bereich nicht berechtigt154. Kommt eine Gemeinde einer Weisung nicht nach, so ist allein die Rechtsauisicht berechtigt, darauf mit ihren allgemeinen Aufsichtsmitteln zu reagieren; die Fachaufsichtsbehörden haben sich an sie zu wenden.

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b) Rechtsschutz gegen fachaufsichtliche Maßnahmen: Dieses Problem wird heute eher in den Begründungsschritten als im Ergebnis kontrovers behandelt155. Dabei sollte zwischen der generellen Zulässigkeit einer gemeindlichen Klage, der richtigen Rechtsschutzform und der im Rahmen der Klagebefugnis und der Begründetheit zu behandelnden Frage nach den verletzten gemeindeeigenen Rechten unterschieden werden: — Unbestreitbar ist, den Gemeinden wird der Rechtsweg auch gegen fachaufsichtliche Maßnahmen nicht generell versperrt. Solche Maßnahmen sind keine gerichtsfreien Hoheitsakte, sondern Vorgänge, über die nach Maßgabe des öffentlichen Rechts zu entscheiden ist (§ 40 Abs. 1 S. 1 VwGO). — Davon unabhängig besteht der Streit um die Rechtsnatur fachaufsichtlicher Weisungen. Er hat Bedeutung für die Bestimmung der statthaften Klageart: Stuft man Weisungen als Verwaltungsakte ein, ist um Rechtsschutz mit der Anfechtungs149

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In NRW „Sonderaufsicht". Dieser Begriff wird sonst anderen Fällen (vgl. unten 4) vorbehalten; Pagenkopf, KomR Bd.l, 372, 385 ff. Darstellung bei Knemeyer, HkWP Bd. 1, 276 ff. Zu Besonderheiten des Art. 109 Abs.2 GO Bay. Knemeyer, HkWP Bd.l, 281; VGH München DÖV 1978, 100 f. Schmidt-Jortzig, KomR Rn. 548 f. Unterscheidung bei Wolff/Bachof, VwR II, § 77 IIc2. Ausdrücklich: § 129 Abs. 2 GO BW; Art. 116 Abs. 1 S.2 GO Bay. Dazu: Knemeyer, HkWP Bd. 1, 278 f, 280; Schmidt-Jortzig, JuS 1979, 488 ff; Erichsen, DVB1. 1985, 943 (947); Stober, KomR, § 12 112; Tettinger, BesVwR, § 11 Rn. 184 ff.

1. Abschn. IV 4 a

Kommunalrecht

klage nachzusuchen. Tut man das nicht — und manche verwaltungsverfahrensrechtlichen Konsequenzen sprechen dafür, es generell nicht zu tun156 — so bleibt der Gemeinde immer noch die allgemeine Leistungsklage. — Die für allgemeine Leistungs- wie für Anfechtungsklagen gleichermaßen entscheidende Frage ist die nach den verletzten subjektiven Rechten157. Sind solche nachweisbar, so kann der Rechtsschutz nicht scheitern. Auf der Basis des monistischen Aufgabenmodells lassen sich solche gemeindeeigenen Rechte leichter ausmachen, weil hier alles, was außerhalb des gesetzlichen Weisungstatbestandes liegt, dem gemeindlichen Rechtskreis anwächst. Hält sich die Weisung nicht im Rahmen dieses Tatbestandes, so trifft sie sozusagen von selbst auf gemeindliche Rechte. Aber auch bei den Auftragsangelegenheiten des dualistischen Modells ist die Betroffenheit gemeindeeigener Rechte nicht auszuschließen; denn die Gemeinden bleiben auch hier mit ihrer Verwaltungsorganisation Körperschaften. Das Weisungsrecht darf, selbst wenn die Sachaufgabe staatliche Angelegenheit ist, nicht in den gemeindlichen Organisationsvorbehalt eingreifen158. Inwieweit eine Betroffenheit eigener Rechte nach der Konstellation des Einzelfalls immerhin möglich ist, inwieweit sie wirklich vorliegt und rechtsverletzend wirkt, ist dann eine Frage der Aufteilung des Prozeßstoffes auf die im Rahmen der Zulässigkeit zu prüfende Klagebefugnis und die letztendlich entscheidende Begründetheit. Hält sich die fachaufsichtliche Maßnahme im Rahmen der ihr durch das Recht gezogenen Grenzen, so mag sie so unzweckmäßig sein, wie sie will — ein gemeindliches Rechtsmittel kann dann keinen Erfolg haben. Gleiches gilt wegen der umfassenden Verantwortung der Fachaufsicht i. d. R. dann, wenn Gemeinde und Aufsichtsbehörde über die richtige Auslegung der materiellen Vorschriften des jeweiligen Fachgesetzes streiten159. 4. Mittel präventiver Aufsicht a) Zweck und Typik: Die Aufsicht ist nicht notwendig darauf beschränkt, 46 nachträglich korrigierend tätig zu werden. Oft ist es für alle Beteiligten besser, die Aufsichtsinteressen werden erfüllt, bevor das Kalb in den Brunnen gefallen ist. Auch die informellen Mittel der Beratung und Besprechung lassen sich besser vorab 156

157 158 159

So auch Meyer-Borgs, VwVfG, 2. Aufl., § 3 5 R n . 4 9 ; HessVGH, NVwZ-RR 1990, 4 ; a. M.: Knemeyer, HkWP Bd. 1, 279, 2 8 0 ; Schmidt-]ortzig, JuS 1979, 4 8 8 (491); differenzierend Kopp, VwGO, Rn. 4 5 zum Anh. § 4 2 m. w. Nachw.; OVG Lüneburg NVwZ 1982, 3 8 5 f ; VGH München DÖV 1978, lOOf. Anfechtungsklage hat die Gemeinde ausnahmsweise dann zu erheben, wenn sie sich gegen Entscheidungen der Aufsichtsbehörde wendet, die diese als Widerspruchsbehörde (§ 73 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) in einem von einem Dritten gegen eine gemeindliche Entscheidung angestrengten Widerspruchsverfahren getroffen hat. Der Widerspruchsbescheid erhält seinen Verwaltungsaktcharakter aus seiner Außenwirksamkeit gegenüber dem Dritten und behält ihn auch der Gemeinde gegenüber. Vgl. BVerwG NVwZ 1982, 3 1 0 f. BVerwG NJW 1978, 1820; BVerwG NVwZ 1983, 6 1 0 (611). Schmidt-]ortzig, JuS 1979, 4 8 8 (490). VG Köln DVB1. 1985, 180 ff. Zur strukturell vergleichbaren Problematik der Aufsicht des Bundes über die Länder in Bundesauftragsangelegenheiten nach Art. 85 GG vgl. BVerfGE 81, 3 1 0 (338 f). 35

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einsetzen. Freilich birgt gerade die präventive Aufsicht auch die Gefahr, daß sie über eine Mitgestaltung zur Besserwisserei ausartet, weil hier die notwendige Distanz zwischen Aufsichtsbehörde und Gemeinde leichter verlorengehen kann. Folglich muß das präventive Aufsichtswesen besonders sorgfältig gesetzlich geordnet sein. Aufsichtsmittel, die der Gemeinde verbindlich etwas vorschreiben wollen, bedürfen gesetzlicher Grundlage. Fehlt es daran, so können die Staatsbehörden nicht tätig werden. Im übrigen haben sich solche Mittel auf Vorgänge zu beschränken, in denen sich ein besonderes „Gefährdungs"- oder ein spezielles „Mitsprachepotential" angesammelt hat. Zu den Instrumenten der präventiven Aufsicht gehören als mildere Mittel Anzeige- oder Vorlagepflichten160; sie sind Rechtstechniken, die der Aufsichtsbehörde die Kontrolle erleichtern sollen. Vor allem aber sind gesetzliche Genehmigungsvorbehalte Mittel präventiver Aufsicht. 47

b) spezielle Genehmigungsvorbehalte: Sie finden sich als Erfordernisse aufsichtsbehördlicher Genehmigung, Zustimmung oder Bestätigung, z. B. bei Gebietsänderungen und im gemeindlichen Wirtschaftsrecht, eingeschränkt auch beim Satzungsrecht (Rn. 96 f) und in Fachgesetzen, z. B. gegenüber der gemeindlichen Bauleitplanung (§§ 6, 11 BauGB) 161 . Nicht einheitlich zu beantworten ist die Frage, inwieweit die Aufsichtsbehörde auf die reine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt ist oder ihrer Genehmigungsentscheidung auch Zweckmäßigkeitserwägungen zugrunde legen darf. Nach überwiegender Ansicht müssen mehrere Typen von Genehmigungsvorbehalten unterschieden werden162:

48

aa) rechtliche Unbedenklichkeitserklärung: Der Normaltatbestand gestattet allein eine Rechtskontrolle. Die Genehmigung ist hier rechtliche Unbedenklichkeitserklärung. Solche Vorschriften finden sich dort, wo der gemeindliche Rechtsakt mit besonderen rechtlichen Risiken behaftet ist oder weitreichende rechtliche Folgen hat. Wenn keine zusätzlichen Genehmigungsmaßstäbe genannt sind oder aus dem Kontext zwingend erschlossen werden können, ist allein eine Rechtskontrolle als das die Gemeinden am wenigsten belastende Mittel zulässig. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn der Rechtsakt gegen berücksichtigungsfähige Rechtsvorschriften nicht verstößt. Die Gemeinde hat auf die Genehmigung einen Rechtsanspruch, den sie mit der verwaltungsgerichtlichen Verpflichtungsklage verfolgen kann 163 .

49

bb) staatliche Mitentscheidung, Kondominium: Daneben kennt das Gemeinderecht traditionell aber auch solche Genehmigungstatbestände, die den Staat zu einer mehr oder weniger umfassenden Zweckmäßigkeitskontrolle ermächtigen. So unterliegt z.B. die Veräußerung (historisch) wertvoller Gegenstände des Gemeindevermögens einer Genehmigung, bei der es nicht allein um die Rechtmäßigkeit geht, sondern deren Sinn gerade darin liegt, gemeindliches Vermögen vor gemeindlicher 160

161 162

36

Systematisch: Keller, Genehmigung, 50 ff; Humpert, Genehmigungsvorbehalte, 16 ff und 63 ff; ders., DVB1. 1990, 804 ff. S.u. Krebs, 4.Abschn. Rn.114. Dazu Salzwedel, AfK 1, 1962, 203ff; W.Weber, Staats- und Selbstverwaltung, 123 (129 f); Wolff/Bachof/Stober, VwR II, § 86 Rn. 180; Humpert, Genehmigungsvorbehalte, 63 ff. OVG Münster OVGE 19, 192 ff.

1. Abschn. IV 4 b bb

Kommunalrecht

Unbedachtsamkeit in Schutz zu nehmen164. Ähnliches gilt für Genehmigungen gemeindlicher Kreditaufnahmen oder gegenüber der Eingehung von Bürgschaften 165 . Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verbietet solche Tatbestände nicht grundsätzlich, denn auch die hier betroffene Eigenverantwortlichkeit steht unter einem Gesetzesvorbehalt (Rn. 20). Größere Probleme werfen — freilich nur für landesgesetzliche Genehmigungsvorbehalte — diejenigen Selbstverwaltungsgarantien der Landesverfassungen auf, die die Staatsaufsicht außerhalb der Weisungsaufgaben ausdrücklich auf die Rechtmäßigkeitsprüfung beschränken166. Teilweise hat man versucht, diese Verfassungsbestimmungen nur auf die repressive Aufsicht zu beziehen und die präventiven Aufsichtsvorgänge ganz aus dem Garantiebereich auszuklammern167. Angängig ist das freilich nur bei Materien, die wegen eines eindeutigen staatlichen Mitgestaltungsinteresses ohnehin in den Grenzbereichen des örtlichen Wirkungskreises liegen und die man als Angelegenheiten eines staatlich-gemeindlichen Kondominiums bezeichnen kann: gemeindliche Gebietsänderungen168, Zweckverbandsbildungen, Wappen- und Siegelführung. Bei den meisten Genehmigungstatbeständen des Kommunalwirtschaftsrechts dagegen geht es ganz vorrangig um örtliche Belange, um einen Schutz der Gemeinde vor sich selbst. Eine exakte Regelung enthält hier allein Art. 75 Abs. 1 S. 2 der bad.-württ. LV, der die Genehmigungsmaßstäbe in den Grundzügen selbst normiert. Will man auch in den anderen Bundesländern die notwendige und eingespielte Präventivkontrolle weiterhin für zulässig ansehen, so bleibt nur der Weg, den Genehmigungsmaßstab auf einen freilich weit zu interpretierenden Rechtsbegriff der „Wirtschaftlichkeit" zurückzuführen und den Genehmigungsvorbehalt so als eine (weite) Rechtmäßigkeitskontrolle zu deuten169.

Spezialliteratur H. Borchert, Legalitätsprinzip oder Opportunitätsprinzip für die Kommunalaufsicht?, D Ö V 1 9 7 8 , 7 2 1 ff; H. H. Dehmel, Übertragener Wirkungskreis, Auftragsangelegenheiten und Pflichtaufgaben nach Weisung, 1 9 7 0 ; H.-U.Erichsen, Kommunalaufsicht — Hochschulaufsicht, DVB1.1985, 9 4 3 ff; P. P. Humpert, Genehmigungsvorbehalte im Kommunalverfassungsrecht, 1 9 9 0 ; D.Keller, Die staatliche Genehmigung von Rechtsakten der Selbstverwaltungsträger, 1 9 7 6 ; R.Mögele, Das Zusammenspiel von Gemeinderecht und Verwaltungsverfahrensrecht bei der rechtsaufsichtlichen Beanstandung gemeindlicher Verwaltungsakte, BayVBl. 1 9 8 5 , 5 1 9 ff; E. Schmidt-]ortzig, Rechtsschutz der Gemeinden gegenüber fachaufsichtlichen Weisungen bei der Fremdverwaltung, JuS 1 9 7 9 , 4 8 8 ff; F. E. Schnapp, Zum Funktionswandel der Staatsaufsicht, DVB1.1971, 4 8 0 ff; M. Schröder, Grundfragen der Aufsicht in der öffentlichen Verwaltung, JuS 1 9 8 6 , 3 7 1 ff.

164 165

166 167 168 169

Beispiele bei WolffIBachoflStober, VwR II, § 8 6 Rn. 1 8 0 . Borchert, Kommunalaufsicht, 1 6 2 ff; Pagenkopf, KomR Bd. 2 , 2 4 3 ; VG Köln, DVB1. 1986, 737ff. § 1 3 7 Abs. 3 LV Hess.; Art. 4 4 Abs. 5 LV Nds.; Art. 7 8 Abs. 4 S. 1 LV N R W . Keller, Genehmigung, 71 ff m. w. Nachw. Spies, N V w Z 1 9 8 4 , 6 3 0 f. BayVerfGH D Ö V 1 9 8 9 , 3 0 6 ( 3 0 7 ) ; vgl. auch OVG Münster, D Ö V 1 9 9 1 , 6 1 1 f.

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1. Abschn. V b bb

Eberhard Schmidt-Aßmann

V. Das Recht des internen Gemeindeaufbaus (Gemeindeverfassungsrecht) Vorbemerkungen Das Recht des internen Gemeindeaufbaus, das man auch das Gemeindeverfassungsrecht nennt, beschäftigt sich mit den Arten und dem Zusammenwirken der Gemeindeorgane. Es weist einen erheblichen Variantenreichtum im Ländervergleich auf, der vor allem historisch zu erklären ist. Gleichwohl gibt es vereinheitlichende Grundannahmen und Grundzüge. Hier sind vorab die externen Grundannahmen kurz zu erläutern. 50

a) Das Bild der Einheitsgemeinde: Gemeinsam gehen alle Gemeindeordnungen vom Bild der Einheitsgemeinde aus. Die Einheitsgemeinde, so wie sie Gewährleistungsträger des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ist — ohne Rücksicht auf ihre Größe, Verwaltungskraft, Versorgungsfunktion —, ist das Bezugsobjekt, an das das Gemeinderecht seine Regelungen standardmäßig knüpft170. Sie ist nach außen mit ihrem Körperschaftsstatus die Einheit, die ihre Bürger umschließt und in einem rechtstechnischen Sinne ihren Organen und Untergliederungen Rückhalt und Zuordnung gibt. Weder interne Untergliederungen (Ortschaften, Gemeindebezirke [Rn. 92]) noch Zusammenschlüsse von Gemeinden zu neuen Verwaltungsträgern (Verwaltungsgemeinschaften, Samtgemeinden [Rn. 150 ff]) sind in diesem Rechtssinne Gemeinden.

51

b) kreisfreie und kreisangehörige Gemeinden: Allerdings kann das Verwaltungsrecht nicht die Augen davor verschließen, daß in der Realität der Gebietszuschnitt, die Raumsituation, die Bevölkerungszahlen und die Leistungskraft der Gemeinden erheblich voneinander abweichen und zu Differenzierungen auch des Rechtsstatus veranlassen. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen kreisangehörigen und kreisfreien Gemeinden171, die sich an der unterschiedlichen Größe und Verwaltungskraft orientiert und daraus Konsequenzen für die Zuständigkeiten zieht. Vor allem bei der gesetzlichen Zuweisung von Auftragsangelegenheiten/Weisungsaufgaben wird auf diese Unterscheidung oft Bezug genommen.

52

aa) kreisangehörige Gemeinden: Die allermeisten Gemeinden der Bundesrepublik sind kreisangehörig. Ohne ihre rechtliche Selbständigkeit anzutasten, besteht „oberhalb" — nicht eigentlich über ihnen — ein Gemeindeverband (Landkreis, Kreis), um diejenigen Aufgaben zu erfüllen, die ihre Leistungsfähigkeit übersteigen (Rn. 136 ff).

53

bb) kreisfreie Städte: Kreisfreie Städte (Stadtkreise) sind diejenigen größeren Städte, denen der Status der Kreisfreiheit besonders zuerkannt ist. Länderweise variieren die Schwellenwerte, an denen man sich bei dieser Entscheidung ausrichtet, 170

171

38

Dieser für alle Gemeindeordnungen geltende Satz ist klar ausgedrückt in § 81 KVG: Gemeinden im Sinne dieses Gesetzes sind die kreisangehörigen Städte und Gemeinden sowie kreisfreien Städte. Zu Differenzierungen vgl. Hiepas, AfK 1990, 70 ff. Daneben gibt es Sonderformen; z.B. „stadtverbandsangehörige" G. ( § 4 Abs.2 KSVG Saarl.).

1. Abschn. V 1

Kommunalrecht

nicht unerheblich. Insgesamt gibt es 108 kreisfreie Städte. Sie sind Gemeinden nach dem Bild der Einheitsgemeinde; insofern ist der Begriff des „Stadtkreises" (BW) irreführend. Ihr Aufgabenbestand ist wegen ihrer größeren Leistungsfähigkeit aber schon auf natürliche Weise größer als der der kreisangehörigen Gemeinden. Außerdem sind ihnen diejenigen Aufgaben übertragen, die im Landkreis von den Kreisorganen erfüllt werden, die Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörden. Was im Landkreis von unterschiedlichen Verwaltungseinheiten (kreisangehörigen Gemeinden, Landkreisen, Landratsamt als unterer staatlicher Verwaltungsbehörde) geleistet wird, erfüllen die kreisfreien Städte „in einer Person". cc) privilegierte kreisangehörige Gemeinden: Die kreisangehörigen Gemeinden 54 haben unter sich wiederum stark voneinander abweichende Einwohnergrößen und Erscheinungsformen: kreisangehörig sind die vor allem in den neuen Bundesländern anzutreffenden Kleingemeinden mit nicht mehr als 500 Einwohnern; kreisangehörig kann aber auch eine Gemeinde mit 100 000 Einwohnern und total städtischem Gepräge sein. Um diesen Unterschieden Rechnung zu tragen, stellen die Gemeindeordnungen der meisten Flächenländer eine — Niedersachsen und NordrheinWestfalen zwei — besondere Kategorien einer größeren kreisangehörigen Gemeinde zur Verfügung172. Die Erlangung dieses besonderen Status setzt das Erreichen eines länderweise (zwischen 20 000 und 60 000) variierenden Einwohnergrenzwertes und außer in Hessen einen besonderen staatlichen Akt der Statusverleihung voraus. Gemeinden mit privilegiertem Status erfüllen in den meisten Ländern neben ihren Aufgaben als kreisangehörige Gemeinden im übertragenen Wirkungskreis auch einen Teil derjenigen Aufgaben, die sonst nur von den kreisfreien Städten, im Landkreis aber normalerweise von den Kreisverwaltungsorganen als unterer staatlicher Verwaltungsbehörde wahrgenommen werden. Außerdem bestehen für privilegierte kreisangehörige Gemeinden Abweichungen im normalen Instanzenzug der Rechtsaufsicht.

1. Gemeindeverfassungstypen (Überblick) Als Körperschaften des öffentlichen Rechts sind Gemeinden handlungsfähig durch 55 ihre Organe. Alle Gemeindeordnungen kennen wenigstens zwei Hauptorgane, den Gemeinderat als zentrales Beschlußorgan und ein Hauptverwaltungsorgan, das in den meisten Ländern monokratisch (Gemeindevorsteher: Bürgermeister, Gemeindedirektor), in einigen Ländern kollegial (Magistrat) verfaßt ist 173 . Status und gegenseitige Zuordnung dieser Organe sind in den deutschen Ländern stets recht unterschiedlich geregelt worden174. Die Geschichte des Kommunalrechts überliefert zur Kennzeichnung der wichtigsten Gemeindeverfassungstypen die Begriffe Bürgermeister-, Magi172

173 174

Übersicht bei Schleberger, HkWP Bd. 2, 1 9 9 ; nicht vorgesehen in den neuen Bundesländern, § § 8 , 9 KVG; dort ist der Schwellenwert der Einwohnerzahl zur Erlangung des Status der kreisfreien Stadt niedriger angesetzt: 5 0 0 0 0 E. Wolff/Bacbof/Stober, VwR II, § 87 Rn. 3 ff. v. Mutius, Jura 1 9 8 1 , 1 2 6 ; zur Machtverteilung der beiden Hauptorgane in den einzelnen Verfassungstypen vgl. Scbmidt-Eichstaedt, AfK 1 9 8 5 , 2 0 ; Wallerath, DÖV 1 9 8 6 , 5 3 3 ; Webling, H k W P Bd. 2, 2 3 0 ; zu Reformfragen Saipa, DÖV 1 9 9 1 , 6 3 7 ff; Hillmann, DÖV 1 9 9 1 , 4 1 ff. 39

1. Abschn. V 1

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strats- und Ratsverfassung, die auch heute noch gebräuchlich sind. Sofern mit diesen Begriffen schlagwortartig dasjenige Organ mit dem größeren Gewicht genannt werden soll, verwirren die Bezeichnungen mehr als daß sie erhellen. Die grundgesetzlich vorgeschriebene Direktwahl des Gemeinderats (Art. 2 8 Abs. 1 S. 2 GG) gibt diesem Gremium heute in allen Gemeindeverfassungstypen einen natürlichen Vorrang. Variationsmöglichkeiten bestehen daher nur (noch) in der Frage, ob der Gemeinderat allein das allzuständige Gremium sein oder ob ihm ein ebenfalls aus einer Direktwahl hervorgegangenes oder durch einen festen Kompetenzbereich qualifiziertes zweites Organ von politischem Eigengewicht an die Seite gestellt werden soll. Die derzeitigen Gemeindeverfassungstypen zeigen, daß auch dieser beschränkte Spielraum den Eigenwilligkeiten der Landesgesetzgebung kaum Einhalt gebietet. Keine Gemeindeordnung gleicht hier der anderen; zum Teil gibt es innerhalb desselben Landes zwei Modelle je nach der Größenklasse der Gemeinden. Die Unterschiede in der Begrifflichkeit, mit der die Gemeindeorgane belegt werden, machen die Sache noch bunter. Ein hohes M a ß an Einheitlichkeit besteht allein unter den fünf neuen Bundesländern, in denen das noch vor dem Beitritt verabschiedete Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der D D R (Rn. 6) als Landesrecht zunächst fortgilt. Unübersichtlich wie die Materie sind auch die Einteilungsversuche des kommunalrechtlichen Schrifttums. Keine Bezeichnung gibt ein Modell lupenrein wieder. Mehr als Orientierungspunkte sind alle Begriffe nicht. Entscheidend bleibt die Detailregelung der jeweils einschlägigen Gemeindeordnung. Für den Überblick mögen wenige Bezeichnungen genügen, die die derzeitigen Gemeindeverfassungstypen zu „Familien" zusammenfassen 175 : 56

— norddeutsche Ratsverfassung176: Ihr liegt ein vom englischen Kommunalrecht beeinflußter Monismus zugrunde: Der Idee nach wird die Verwaltung der Gemeinde ausschließlich durch den Gemeinderat bestimmt, während der vom Rat gewählte Hauptverwaltungsbeamte nur Vollzugsorgan der Ratsentscheidungen sein soll. Diesem Modell folgen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. In beiden Ländern hat sich allerdings nach und nach ein gemäßigter Monismus durchgesetzt, in dem auch der Hauptverwaltungsbeamte mit einem eigenständigen Kompetenzbereich ausgestattet worden ist. — süddeutsche Ratsverfassung177: Sie ist durch einen gemäßigten Dualismus bestimmt: Die zentrale Position des Gemeinderates ist gewahrt. Dazu tritt jedoch der aus eigener Volkswahl hervorgegangene Bürgermeister, der Verwaltungschef und stimmberechtigter Ratsvorsitzender ist. Dieser Gemeindeverfassungstypus herrscht in Baden-Württemberg und Bayern.

175

176

177

WolffIBachofIStober, VerwR II, § 8 7 Rn.66; Schaubilder bei Schmidt-]ortzig, KomR Rn. 116 ff. Einzeldarstellung bei Berg, HkWP Bd. 2, 222; Erichsen, KomR NRW 67 ff; Ipsen, KomR Nds., 135 f. Einzeldarstellung bei Wehling, HkWP Bd. 2, 230 ff; Reichart/Gern, KomR BW 151 ff;

Maurer, in: Maurer/Hendler, 40

StuVwR BW 201 ff; Knemeyer, KomR Bay., Rn. 230.

Kommunalrecht

1. Abschn. V 1

— Magistratsverfassung178: Sie steht bei aller Anerkennung der zentralen Stel- 57 lung des Rates dem dualistischen Modell näher. Die laufende Verwaltung besorgt ein vom Rat gewählter Gemeindevorstand, der kollegial verfaßte Magistrat (Bürgermeister und Beigeordnete). Diesem Typus folgen Hessen und für Städte Schleswig-Holstein. Ansätze finden sich ferner in Rheinland-Pfalz. Der Bürgermeister erhält sein Gewicht nicht 58 — Bürgermeisterverfassung179: durch eine eigene Volkswahl; er wird vielmehr vom Gemeinderat gewählt und ist mit qualifizierter Mehrheit von diesem vorzeitig abberufbar. Gleichwohl hat der Bürgermeister durch einen festen gesetzlichen Kompetenzenstamm, durch seine Funktion als Verwaltungschef und als Ratsvorsitzender eine gewichtige Position. Wesentlich ist die Trennung von Beschluß- und Ausführungsorgan. Das Grundmodell findet sich in der rheinischen Bürgermeisterverfassung. Heute ist es in unterschiedlichen Varianten im Gemeinderecht von Rheinland-Pfalz, des Saarlands und von Schleswig-Holstein vorgesehen: Mit dem Bürgermeister als stimmberechtigtem Ratsvorsitzenden (echte BgmVfg) oder als nicht stimmberechtigtem Ratsvorsitzenden (unechte BgmVfg)180. Für die neuen Bundesländer hat sich das KommunalverfassungsG (Rn. 6) um ein eigenes Modell bemüht181, das bewährte Elemente aus den anderen Bundesländern in der Art einer „eklektizistischen Gemeindeverfassung" verbindet: Die aus unmittelbarer Volkswahl hervorgegangene Gemeindevertretung (Stadtverordnetenversammlung) ist als oberstes Willens- und Beschlußorgan für alle Angelegenheiten zuständig, soweit nicht dem Bürgermeister durch Gesetz oder Beschluß bestimmte Angelegenheiten übertragen sind. Der Bürgermeister wird von der Gemeindevertretung für die Dauer von vier Jahren gewählt182. Er ist Leiter der Gemeindeverwaltung, vertritt die Gemeinde im Rechtsverkehr und erledigt in eigener Zuständigkeit alle Angelegenheiten, die nicht von der Gemeindevertretung wahrgenommen werden; gerade der letztere Tatbestand (§27 Abs. 3 S. 3 KVG) umschreibt einen rechtlich zwar abhängigen, faktisch jedoch bedeutenden Kompetenzenkreis. Außerdem sitzt der Bürgermeister dem als Koordinations- und Planungsgremium gedachten Hauptausschuß, nicht aber der Gemeindevertretung vor, die einen eigenen „Gemeindevertretervorsteher" wählt. — Für kreisfreie Städte mit mehr als 100000 Einwohnern ist die Möglichkeit eröffnet, nach näherer Bestimmung der Hauptsatzung dem Bürgermeister ein Gremium zuzuordnen, dem alle Beigeordneten angehören und das mit dem Bürgermeister gemeinsam entscheidet (§28 Abs. 5 KVG); insofern läßt sich von Elementen der Magistratsverfassung sprechen.

178 179 180 181 182

Einzeldarstellung bei Schneider, HkWP Bd. 2, 2 0 9 ff und unten Rn. 80. Einzeldarstellung bei Dreibus, HkWP Bd. 2, 2 4 1 . § 3 6 Abs. 1 und 3 G O Rh.-Pf. einerseits, § 4 2 KVSG Saarl. andererseits. Schmidt-Eichstaedt, DVB1. 1990, 848 (850 f). Inwieweit einzelne der neuen Bundesländer bei der Verabschiedung eigener Gemeindeordnungen zum Modell der süddeutschen Ratsverfassung mit einem direkt vom Volk gewählten Bürgermeister überwechseln, bleibt abzuwarten; vgl. Petzold, D Ö V 1990,

816 (820).

41

1. Abschn. V 2 a

Eberhard Schmidt-Aßmann

2. Der Gemeinderat 59

a) Zusammensetzung und Mitgliederstatus: Der Gemeinderat183 ist die gewählte Repräsentation der Bürgerschaft; gleichwohl ist er kein Parlament184, sondern, wie die Gemeinde insgesamt, Teil der Exekutive. Begriffe und Regeln des Parlamentsrechts lassen sich nur im Ausnahmefalle auf ihn übertragen185. Soweit er als „Vertretungskörperschaft" bezeichnet wird, liegt dem ein erweiterter Körperschaftsbegriff zugrunde; jedenfalls ist damit dem Rat keine Rechtsfähigkeit zuerkannt. Letztere besitzt allein die Gemeinde, deren Organ er ist. Das schließt nicht aus, daß der Gemeinderat intern im Verhältnis zu anderen Gemeindeorganen Träger von organschaftlichen Rechten ist und diese gerichtlich durchsetzen kann (Rn. 82 f). Mitglieder des Gemeinderates186 sind die aus unmittelbaren Wahlen (Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG) hervorgegangenen Gemeindevertreter. Die Mitgliederzahl richtet sich nach der Einwohnergröße. Zu den solchermaßen gewählten Mitgliedern tritt in einigen Ländern der Bürgermeister als Mitglied und Vorsitzender des Gemeinderates 187 . Die Mitglieder haben ein kommunalrechtliches Mandat eigener Prägung, das die meisten Gemeindeordnungen mit dem Rechts- und Pflichtenstatus ehrenamtlich Tätiger bezeichnen188. Jedenfalls sind sie Inhaber eines öffentlichen Amtes189 — auch im haftungsrechtlichen Sinne (Art. 34 GG i.V.m. § 8 3 9 BGB) 190 - , nicht jedoch (Ehren-)191 Beamte 192 . Die Institute der parlamentarischen Immunität und Indemnität sind dem kommunalrechtlichen Mandat fremd 193 . Die Ratsmitglieder entscheiden im Rahmen der Gesetze nach ihrer freien, nur durch das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung; an Verpflichtungen und Aufträge, durch die diese Freiheit beschränkt wird, sind sie nicht gebunden194. 183

184 185

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Die Bezeichnung der Gemeindevertretung ist in den verschiedenen Bundesländern nicht einheitlich: „Gemeinderat" in BW, Bay., Rh.-Pf. und Saarl.; „Rat" in NRW und Nds.; „Gemeindevertretung" in Hess., Schl.-H., KVG. „Stadtverordnetenversammlung" in Bremerhaven und in den Städten Hessens und der neuen Bundesländer; vgl. allgemein Ehlers, Jura 1988, 337. BVerfGE 78, 344 (348). M.Schröder, Grundlagen und Anwendungsbereich des Parlamentsrechts, 1979, 37ff; Erichsen, KomR NRW 76; eher für eine Übertragbarkeit BayVerfGH NVwZ 1985, 823; Frowein, HkWP Bd. 2, 84. In manchen Gemeindeordnungen werden die Mitglieder der Gemeindevertretung selbst als „Gemeinderat" bezeichnet, z. B. § 25 Abs. 1 GO BW. BW; Bay.; Rh.-Pf.; nur Vorsitz: Saarl., Schl.-H.; vgl. Borchmann, NVwZ 1983, 457 (458 f). Zweifelhaft für NRW, dazu Erichsen, KomR NRW 76; Müller, JuS 1990, 997. § 30 Abs. 1 KSVG Saarl. Std. Rspr. BGH NJW 1989, 976 (938). Ausnahmen dann, wenn Mitglied der Gemeindevertretung zugleich oberstes Verwaltungsorgan ist: vgl. § 7 0 Abs. 3 GO Nds.; § 4 8 GO Schl.-H. „Berufsmäßige Gemeinderatsmitglieder" gem. Art. 40, 41 GO Bay. werden zu Beamten auf Zeit ernannt; sie haben eine Doppelstellung. Wolff/Bachof/Stober, VwR II, § 86 Rn. 145. Ausnahme in Bayern: Art. 51 Abs. 2 GO (nur für Abstimmungsverhalten). So ausdrücklich z. B. § 32 Abs. 3 GO BW, § 30 Abs. 1 GO NRW; § 22 Abs. 3 KVG; vgl. auch Frowein, DÖV 1976, 44 ff; BayVerfGH NVwZ 1985, 823 ff.

Kommunalrecht

1. Abschn. V 2 a bb

aa) Rechts- und Pflichtenstatus: Im einzelnen wird der Status des Ratsmitglieds 60 durch ein Netz von Regelungen bestimmt195, in dem dem Hauptrecht auf Mandatsausübung und einigen Annexrechten (Aufwandsentschädigung, Fürsorge bei Dienstunfall) eine Anzahl von Pflichten gegenübersteht. Mit ihnen versuchen die Gemeindeordnungen das für die Selbstverwaltung erwünschte, aber auch prekäre Element eines Entscheidens in geringer Distanz zum Sachvorgang rechtsstaatlich auszubalancieren. Hierher gehören außer den im wahlrechtlichen Vorfeld liegenden Unwählbarkeitsregeln196 ein Verschwiegenheitsgebot197 und gewisse Neutralitätspflichten. So darf ein Ratsmitglied regelmäßig Ansprüche und Interessen eines anderen gegen die Gemeinde nicht geltend machen, soweit er nicht als gesetzlicher Vertreter handelt („kommunales Vertretungsverbot")198. bb) insbesondere: Befangenheitsvorschriften: Im kommunalen Alltag besonders 61 bedeutsam sind die Vorschriften der Gemeindeordnungen über den Ausschluß befangener Ratsmitglieder199. Sie haben einen ähnlichen Aufbau wie § 20 VwVfG, betreffen aber andere Vorgänge und Adressaten. Kommunalrechtliche Mitwirkungsverbote bestehen bei Angelegenheiten, die dem Ratsmitglied selbst, seinen Familienangehörigen oder sonstigen natürlichen oder juristischen Personen, zu denen eine spezielle Bindung besteht, einen unmittelbaren200 Vorteil oder Nachteil bringen können. Das gilt nicht bei Vorteilen oder Nachteilen, die nur darauf beruhen, daß jemand einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe angehört, deren gemeinsame Interessen berührt werden — konkret: Der hundebesitzende Ratsherr darf beim Erlaß der Hundesteuersatzung gleichwohl mitwirken, nicht aber der im Planbereich Eigentum besitzende Ratsherr beim Erlaß eines Bebauungsplanes201. Entscheidend ist, ob ein „individuelles Sonderinteresse" vorliegt202. Das Verbot erstreckt sich auf Abstimmungen, aber auch auf die Entscheidungsvorbereitung203. Es zwingt dazu, die Beratung zu verlassen204; bei öffentlicher Sitzung ist ein Verweilen im Zuhörerraum zulässig205. Die Mitwirkung eines an sich ausgeschlosWolff/Bachof/Stober, VwR II, § 86 Rn. 140 ff; Frowein, HkWP Bd. 2, 86; OVG Koblenz NVwZ 1987, 1105; OVG München NVwZ 1987, 154; OVG Münster NVwZ-RR 1989, 317. 19« BT-Drucks. 10/2977. 1 0 7 Dazu Peine, in: UTR Bd. 3, 1987, 201 ff (m. w.Nachw.). 1 0 8 Dazu Koch, Bodensanierung nach dem Verursacherprinzip, 1985; Papier, Altlasten und polizeirechtliche Störerhaftung, 1985; ders., DVB1.1985, 873 ff; ders., NVwZ 1986, 2 5 6 ff; Kloepfer, NuR 1987, 7 ff; Altlasten und UmwR, UTR Bd. 1, 1986; Breuer, JuS 1986, 3 5 9 ff; ders., NVwZ 1987, 751 ff; zur Amtshaftung des Trägers der Bauleitplanung bei der Überplanung eines durch Altlasten kontaminierten Geländes BGHZ 106, 323 mit Anm. von Papier, DVB1. 1989, 5 0 8 f und Ossenbühl, J Z 1989, 1125 f; BGH NJW 1990, 3 8 1 ; 1990, 1 0 3 8 ; 1990, 1 0 4 2 mit Anm. von Ossenbühl, J Z 1990, 6 4 9 ; ferner Jochum, NVwZ 1989, 635 ff; Dörr/Schönfelder, NVwZ 1989, 933 ff; Warm, UPR 1990, 201 ff. 105

109 110

111

BVerfGE 15, 1 (15). I.d.F. d. Bek. vom 2 3 . 9 . 1 9 8 6 (BGB1.I 1529, ber. 1654), zuletzt geändert durch G vom 1 2 . 2 . 1 9 9 0 (BGBl. I 205). Zusammenstellung bei Wüsthoff/ Kump f/v.Lersner/Roth, Hdb. des Dt. WasserR, Bd. 2 - 4 . 413

5. Abschn. II 3 a

Rüdiger Breuer

Zungsfunktion erfüllt das Abwasserabgabengesetz112, das seit dem 1 . 1 . 1 9 8 1 das Einleiten von Abwasser in ein Gewässer mit einer Abgabepflicht belastet. 40

c) Das Umweltmedium Luft wird nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz113 in umfassender Weise gegen schädliche Umwelteinwirkungen geschützt. Immissionen sind nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 2 BImSchG „auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen". Den Immissionsschutzgesetzen der Länder 114 bleibt nur noch ein enger Spielraum für ergänzende Regelungen. Wichtige Spezialgesetze des Bundes auf dem Sektor des medialen Schutzes der Luft sind das Fluglärmschutzgesetz115, das die Festsetzung von Lärmschutzbereichen für bestimmte Verkehrsflughäfen und militärische Flugplätze vorschreibt, und das Benzinbleigesetz116, das im Interesse der Luftreinhaltung den Gehalt an Blei und anderen Metallverbindungen in Ottokraftstoffen beschränkt hat.

3. Der kausale Umweltschutz 41

Die Medienunabhängigkeit des kausalen Umweltschutzes ist nicht in dem Sinne zu verstehen, daß die gefährlichen Stoffe ihre Wirkungen nicht über eines der zuvor erwähnten Umweltmedien entfalten könnten. Wesentlich ist, daß der kausale Umweltschutz nicht einem medienbezogenen, sondern einem stoffbezogenen Ansatz folgt. Er sucht bestimmte Gefahrenquellen zu erfassen, indem er das Inverkehrbringen bestimmter Stoffe oder den Umgang mit ihnen reglementiert. Die systematische Unterscheidung zwischen medialem und kausalem Umweltschutz darf allerdings nicht im Sinne einer trennscharfen Abgrenzung mißverstanden werden. Es gibt vielmehr zahlreiche Berührungen und Überschneidungen zwischen diesen beiden Arten des Umweltschutzes. So enthalten z. B. die § § 32 ff BImSchG im Interesse des medialen Schutzes der Luft stoffbezogene Regelungen über die Beschaffenheit von Anlagen, Stoffen, Erzeugnissen, Brennstoffen und Treibstoffen 117 . Einer eindeutigen Zuordnung entzieht sich z.B. das Waschmittelgesetz 118 , das einerseits dem medialen Schutz der Gewässer dient und andererseits als Regelung des kausalen, stoffbezogenen Umweltschutzes verstanden werden kann.

42

a) Das Atom- und Strablenschutzrecht119 nimmt innerhalb des kausalen Umweltschutzes eine herausragende Sonderstellung ein. Es regelt Tätigkeiten, die sich auf Kernbrennstoffe und sonstige radioaktive Stoffe beziehen. Dabei geht der 112

113

114 115 116 117 118 119

414

I . d . F . d. Bek. vom 5 . 3 . 1 9 8 7 (BGB1.I 8 8 0 ) , zuletzt geändert durch G vom 2 . 1 2 . 1 9 9 0 (BGBl. I 2 4 2 5 ) . I. d. F. d. Bek. vom 1 4 . 5 . 1 9 9 0 (BGBl. I 8 8 0 ) , zuletzt geändert durch den Einigungsvertrtag vom 3 1 . 8 . 1 9 9 0 i . V . m . G vom 2 3 . 9 . 1 9 9 0 (BGBl.II 8 8 5 , 1 1 1 4 ) . Zusammenstellung bei Burhenne, UmwR, Bd. 4, 1 3 1 5 1 1 (BW) - 1 3 7 5 1 1 (SH). Vom 3 0 . 3 . 1 9 7 1 (BGBl. I 2 8 2 ) , zuletzt geändert durch G vom 1 6 . 1 2 . 1 9 8 6 (BGBl. I 2 4 4 1 ) . Vom 5 . 8 . 1 9 7 1 (BGBl. I 1 2 3 4 ) , zuletzt geändert durch G vom 1 8 . 1 2 . 1 9 8 7 (BGBl. I 2 8 1 0 ) . Hierzu unten R n . 2 1 2 . I . d . F . d. Bek. vom 5 . 3 . 1 9 8 7 (BGBl.I 8 7 5 ) . A t o m G i. d. F. d. Bek. vom 1 5 . 7 . 1 9 8 5 (BGBl. I 1 5 6 5 ) ; StrahlenschutzV i. d. F. d. Bek. vom 3 0 . 6 . 1 9 8 9 (BGBl.I 1 3 2 1 , 1 9 2 6 ) ; StrahlenschutzvorsorgeG vom 1 9 . 1 2 . 1 9 8 6 (BGBl.I

Umweltschutzrecht

5. Abschn. II 3 b

Schutzzweck des § 1 Nr. 2 AtomG dem Förderungszweck des § 1 Nr. 1 AtomG vor, der auf die Erforschung, Entwicklung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken gerichtet ist120. Der stoffbezogene Ansatz des Atom- und Strahlenschutzrechts zeigt sich in der Vielzahl der genehmigungspflichtigen Tatbestände. Hierunter fallen die Einfuhr und Ausfuhr, die Beförderung und der nicht-staatliche Besitz von Kernbrennstoffen, die Errichtung, der Betrieb, die sonstige Innehabung und die wesentliche Änderung einer ortsfesten Anlage zur Bearbeitung oder Verarbeitung von Kernbrennstoffen oder zur Aufarbeitung bestrahlter Brennelemente sowie die Bearbeitung, Verarbeitung und sonstige Verwendung von Kernbrennstoffen außerhalb genehmigungspflichtiger Anlagen (§§3—9 AtomG), ferner grundsätzlich auch der Umgang mit sonstigen radioaktiven Stoffen, deren Beförderung, Einfuhr und Ausfuhr sowie die Errichtung und der Betrieb von Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlen (§§3—20 StrlSchVO). Der stoffbezogene Ansatz liegt auch der Regelung über die Verwertung radioaktiver Reststoffe und die Beseitigung radioaktiver Abfälle (§§9a—9 c AtomG) zugrunde. Die Strahlung, die von den genehmigungspflichtigen Anlagen und Handlungen ausgehen kann, beschränkt sich nicht auf ein bestimmtes Umweltmedium, etwa die Luft. Sie kann vielmehr auf sämtliche Umweltmedien sowie auf die Güter des vitalen Umweltschutzes einwirken. Während das Atomgesetz und die Strahlenschutzverordnung präventive Genehmigungsvoraussetzungen, insbesondere Auslegungsmerkmale für kerntechnische Anlagen und Geräte, regeln, sucht das Strahlenschutzvorsorgegesetz die nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl zutage getretenen Rechtsunsicherheiten zu beheben. Es ermächtigt und verpflichtet die Bundes- und Landesbehörden, die Radioaktivität der Umwelt zu überwachen sowie durch Verordnungen und andere Maßnahmen die Strahlenexposition der Menschen und die radioaktive Kontamination der Umwelt bei „nuklearen Ereignissen" unter Beachtung des Standes der Wissenschaft und unter Berücksichtigung aller Umstände so gering wie möglich zu halten121. b) Das weiteste Feld des kausalen Umweltschutzes ist im Jahre 1980 durch das 43 Chemikaliengesetz122 erschlossen worden. Dieses Gesetz dient dem Zweck, den Menschen und die Umwelt vor schädlichen Einwirkungen gefährlicher Stoffe und Zubereitungen zu schützen, insbesondere sie erkennbar zu machen, sie abzuwenden und ihrem Entstehen vorzubeugen (§ 1 ChemG). Nach der Legaldefinition sind Stoffe „chemische Elemente oder chemische Verbindungen, wie sie natürlich nicht vorkommen oder hergestellt werden, einschließlich der Verunreinigungen und der

120 121 122

2 6 1 0 ) ; alle diese Rechtsgrundlagen sind zuletzt durch den Einigungsvertrag vom 3 1 . 8 . 1 9 9 0 (BGBl. II 8 5 5 ) geändert worden; vgl. im übrigen die Zusammenstellung der Rechtsnormen bei Kloepfer, Umweltschutz, Nr. 9 0 0 ff. Grundlegend: BVerwG DVB1. 1 9 7 2 , 6 7 8 (680) (Würgassen). Dazu im einzelnen Czajka, N V w Z 1 9 8 7 , 5 5 6 ff; Rengeling, DVB1. 1 9 8 7 , 2 0 4 ff. I . d . F . d. Bek. vom 1 4 . 3 . 1 9 9 0 (BGB1.I 5 2 1 ) ; zu diesem G, dessen Bewährung noch aussteht: Rehbinder, Das Recht der Umweltchemikalien, 1 9 7 8 ; Schäfer, Recht der umweltgefährlichen Stoffe, 1 9 8 0 ; Kloepfer, N J W 1 9 8 1 , 17 ff; ders., ChemikalienG, 1 9 8 2 ; ders., UmwR, § 13 Rn. 14 ff; Bender/Sparwasser, UmwR, Rn. 1 0 8 1 ff; Hoppe/Beckmann, § 2 7 Rn. 7 ff; ChemikalienR, Sehr, der Gesellsch. für Rechtspolitik, Bd. 3 , 1 9 8 6 (mit Beiträgen von Kloepfer, Rehbinder, Breuer und Marburger). 415

5. Abschn. II 3 d

Rüdiger Breuer

für die Vermarktung erforderlichen Hilfsstoffe" (§3 Nr. 1 ChemG); die Zubereitungen werden definiert als „aus zwei oder mehreren Stoffen bestehende Gemenge, Gemische oder Lösungen" (§3 Nr. 4 ChemG). Eine Reihe von spezialgesetzlich reglementierten Stoffen ist allerdings in mehr oder minder weitreichendem Umfang aus dem Anwendungsbereich des Chemikaliengesetzes ausgeklammert (§ 3 ChemG). Ergänzende, den Arbeits- und Gesundheitsschutz einschließende Regelungen über das Inverkehrbringen gefährlicher Stoffe und Zubereitungen sowie über den Umgang mit Gefahrstoffen trifft die Verordnung über gefährliche Stoffe (GefahrstoffV)123. Als Spezialgesetze des kausalen Umweltschutzes fungieren auf dem Gebiet des Schutzes vor gefährlichen chemischen Stoffen vor allem das (Verbots-)Gesetz über den Verkehr mit DDT 124 , das Düngemittelgesetz125 und das Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter126. 44

c) Zum kausalen Umweltschutz muß ferner das Lebensmittel-, Futtermittel- und Arzneimittelrecht127 gerechnet werden. Die Besonderheit dieser Rechtsmaterien besteht darin, daß die erfaßten Stoffe bestimmungsgemäß auf den Körper und die Gesundheit des Menschen einwirken, und zwar Lebens- und Arzneimittel direkt und Futtermittel indirekt über den Belastungspfad tierischer Lebensmittel. Für alle drei Stoffgruppen spielen heute technische, in der Regel chemische Herstellungsund Bearbeitungsverfahren eine ausschlaggebende Rolle. Daraus erwachsen nicht nur die erstrebten Fortschritte für die physische Versorgung des Menschen, sondern auch spezifische Risiken128. Das Lebensmittel-, Futtermittel- und Arzneimittelrecht dient vorwiegend der Kontrolle solcher Umweltrisiken.

45

d) An der Schnittstelle zwischen dem kausalen und dem vitalen Umweltschutz präsentiert sich das jüngst verabschiedete Gentechnikgesetz129. Es verfolgt einen doppelten Zweck. Sein Schutzzweck geht dahin, Leben und Gesundheit von Menschen, Tieren, Pflanzen sowie die sonstige Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge und Sachgüter vor möglichen Gefahren gentechnischer Verfahren und Produkte zu schützen und dem Entstehen solcher Gefahren vorzubeugen; daneben dient das Gesetz dem Förderungszweck, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen und technischen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 GenTG). Was den Anwendungsbereich betrifft, so folgt das Gesetz einem kombinierten Anlagen- und Tätigkeitskonzept. Es 123

124 125

126 127

128 129

416

V o m 2 6 . 8 . 1 9 8 6 (BGB1.I 1 4 7 0 ) , zuletzt geändert durch V O vom 2 3 . 4 . 1 9 9 0 (BGB1.I 7 9 0 ) ; dazu Storni, N V w Z 1 9 8 7 , 113 ff. V o m 7 . 8 . 1 9 7 2 (BGBl. I 1 3 8 5 ) , zuletzt geändert durch G vom 1 5 . 9 . 1 9 8 6 (BGBl. I 1 5 0 5 ) . V o m 1 5 . 1 1 . 1 9 7 7 (BGB1.I 2 1 3 4 ) , zuletzt geändert durch G vom 1 8 . 7 . 1 9 8 9 (BGB1.I 1435). V o m 6 . 8 . 1 9 7 5 (BGBl. 1 2 1 2 1 ) , zuletzt geändert durch G vom 1 2 . 1 0 . 1 9 8 9 (BGBl. 1 1 8 3 0 ) . G über den Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen vom 1 5 . 8 . 1 9 7 4 (BGB1.I 1 9 4 5 , ber. 1 9 7 5 I 2 6 5 2 ) , zuletzt geändert durch G vom 1 9 . 1 2 . 1 9 8 6 (BGBl. I 2 6 1 0 ) ; G über den Verkehr mit Arzneimitteln vom 2 4 . 8 . 1 9 7 6 (BGBl. 1 2 4 4 5 ) , zuletzt geändert durch G vom 2 0 . 7 . 1 9 8 8 (BGBl. I 1 0 5 0 ) ; FuttermittelG vom 2 . 7 . 1 9 7 5 (BGB1.I 1 7 4 5 ) , zuletzt geändert durch G vom 1 2 . 1 . 1 9 8 7 (BGBl. I 138). Vgl. etwa den Contergan-Fall (BVerfGE 4 2 , 2 6 3 ) . V o m 2 0 . 6 . 1 9 9 0 (BGB1.I 1 0 8 0 ) .

5. Abschn. II 4

Umweltschutzrecht

gilt demgemäß für gentechnische Anlagen und Arbeiten (§ 2 Nr. 3 GenTG) und grundsätzlich auch für das Inverkehrbringen von Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen (§ 2 Nr. 4 GenTG). Die gentechnische Anlage ist nach der Legaldefinition eine Einrichtung, in der gentechnische Arbeiten i. S. des Gesetzes „im geschlossenen System durchgeführt werden und für die physikalische Schranken verwendet werden, gegebenenfalls in Verbindung mit biologischen oder chemischen Schranken oder einer Kombination von biologischen und chemischen Schranken, um den Kontakt der verwendeten Organismen mit Menschen und der Umwelt zu begrenzen" (§3 Nr. 4 GenTG). Der Rechtsbegriff der gentechnischen Arbeiten umfaßt zum einen die Erzeugung gentechnisch veränderter Organismen und zum anderen die Verwendung, Lagerung, Zerstörung oder Entsorgung sowie den innerbetrieblichen Transport gentechnisch veränderter Organismen, soweit noch keine Genehmigung für die Freisetzung oder das Inverkehrbringen zum Zweck des späteren Ausbringens in die Umwelt erteilt wurde (§ 3 Nr. 2 GenTG). Diese Bestimmungen werden von dem Bestreben des Gesetzgebers beherrscht, grundsätzlich lückenlos jeglichen Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen zu erfassen, und zwar von deren Erzeugung bis zu den abschließenden Tätigkeiten der Entsorgung, der Freisetzung oder des Inverkehrbringens. Systematisch betrachtet, erweist sich das Gentechnikgesetz somit als Normierung des kausalen Umweltschutzes in bezug auf das stoffliche Risikopotential gentechnisch veränderter Organismen130. Daß die Humangenetik vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes ausgeklammert ist, entspricht der systematischen Abgrenzung des spezifischen Umweltschutzrechts und der Erkenntnis, daß die gentechnische Manipulation am Menschen bereits aus ethischen und verfassungsrechtlichen Gründen besondere und andersartige Probleme in sich birgt. e) Stoffbezogene Regelungen des kausalen Umweltschutzes enthält schließlich 46 das Abfallrecht. Es hat seine allgemeine Grundlage im (Bundes-)Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen (AbfG)131 und in den ergänzenden Landesgesetzen132 gefunden. Über den früheren Rahmen der Abfallbeseitigung hinausreichend und den kausalen, stoffbezogenen Ansatz konsequent ausfüllend, umfaßt die gesetzlich geregelte Abfallentsorgung das Gewinnen von Stoffen oder Energie aus Abfällen (Abfallverwertung) und das Ablagern von Abfällen sowie die hierzu erforderlichen Maßnahmen des Einsammelns, Beförderns, Behandeins und Lagerns (§3 Abs. 2 AbfG). 4. Der vitale Umweltschutz Rechtsgrundlage des vitalen, unmittelbar auf den Schutz von Tieren und Pflanzen 47 gerichteten Umweltschutzes sind — wie bereits erwähnt133 — das Bundesnatur130

131

132 133

Näher zum Ganzen KloepferlDelbrück, DÖV 1990, 897 ff; HirschISchmidt-Didezuhn, NVwZ 1990, 713 ff; Fluck, BB 1990, 1716 ff; Fritsch/Haverkamp, BB 1990, Beil. 31 zu Heft 25; Breuer, in: UTR Bd. 14, 1991, 37. I.d.F. d. Bek. vom 2 7 . 8 . 1 9 8 6 (BGB1.I 1410, ber. 1501), zuletzt geändert durch den Einigungsvertrag vom 3 1 . 8 . 1 9 9 0 i.V.m. G vom 2 3 . 9 . 1 9 9 0 (BGBl. II 855, 1117). Zusammenstellung bei Burhenne, UmwR, Bd. 4, 471511—478511. Oben Rn. 38. 417

5. Abschn. II 5 a

Rüdiger Breuer

Schutzgesetz sowie die Naturschutz- und Landschaftspflegegesetze der Länder für die wildwachsenden Pflanzen und wildlebenden Tiere. Ergänzend treten als herkömmliche Grundlagen des vitalen Umweltschutzes das Pflanzenschutzrecht134, das Tierschutzgesetz135 sowie die Jagd- und Fischereigesetze136 hinzu. Der Klarstellung halber ist hinzuzufügen, daß der vitale Umweltschutz nicht den unmittelbaren Schutz der menschlichen Gesundheit umfaßt. Spezifischer Umweltschutz bezieht sich begriffsnotwendig auf die Pflege und Kontrolle der menschlichen Umwelt, nicht unmittelbar auf die Erhaltung und Pflege der menschlichen Physis. 5. Der integrierte Umweltschutz a) Der konkurrierend integrierte Umweltschutz zeichnet sich dadurch aus, daß er in eine übergreifende Aufgabenstellung und einen Zielkonflikt mit gegenläufigen Belangen eingebunden ist. Seine Reichweite muß somit im Wege eines gesetzlich vorgezeichneten Kompromisses ausgelotet werden. Vor dem Hintergrund des Konflikts zwischen Ökonomie und Ökologie gebührt dem konkurrierend integrierten Umweltschutz besondere Aufmerksamkeit. Sein wichtigstes Anwendungsfeld liegt im Recht der Raumplanung. Hierunter fällt sowohl die raumbezogene Gesamtplanung in Gestalt der Bauleitplanung137 sowie der Raumordnung und Landesplanung138 als auch die raumbezogene, nicht umweltspezifische Fachplanung, die insbesondere durch Planfeststellungen für bestimmte Großvorhaben wie überörtliche Straßen, Schienenwege oder Flughäfen erfolgt139. Der Umweltschutz bildet für die gesamte Raumplanung entweder ein Planungsziel oder einen gewichtigen abwägungserheblichen Belang140. 49 Die insofern erforderliche Abwägung geschieht in der Umweltverträglichkeitsprüfung. Deren Rechtsgrundlage bildet das „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie des Rates vom 27. 6.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten" (UPVG)141. Mit diesem Gesetz soll sicherge48

134

PflanzenschutzG vom 1 5 . 9 . 1 9 8 6 (BGB1.I 1 5 0 5 ) , geändert durch G vom 1 4 . 3 . 1 9 9 0 (BGBl. I 4 9 3 ) ; BundeswaldG vom 2 . 5 . 1 9 7 5 (BGBl. I 1 0 3 7 ) , zuletzt geändert durch G vom 2 7 . 7 . 1 9 8 4 (BGBl. I 1 0 3 4 ) .

135

TierschutzG i . d . F . d. Bek. vom 1 8 . 8 . 1 9 8 6 2 0 . 8 . 1 9 9 0 (BGBl. I S. 1 7 6 2 ) .

136

Zusammenstellung bei Burhenne, U m w R , Bd. 4 , S. 1 7 0 0 — 1 8 8 5 . Vgl. § § 1 ff BauGB; hierzu Krebs (oben) 4. Abschn., R n . 9 7 f f . RaumordnungsG i . d . F . d. Bek. vom 1 9 . 7 . 1 9 8 9 (BGB1.I 1 4 6 1 ) ; Zusammenstellung der LandesplanungsG bei Bielenberg/Erbguth/Söfker, Raumordnungs- und LandesplanungsR des Bundes und der Länder, Bd. 1, Abschn. D und E ; vgl. auch Krebs (oben) 4 . Abschn., Rn. 3 9 ff.

137 138

(BGB1.I 1 3 1 9 ) , geändert durch G vom

SS 17 ff FStrG, § 3 6 BahnG, §§ 2 8 ff PBefG, §§ 8 ff LuftVG. ° Vgl. zu dieser Unterscheidung BVerwGE 4 8 , 5 6 (62 f); Hoppe, NuR 1980, 93.

139 14

141

418

DVB1. 1 9 7 7 , 1 3 7 ;

Breuer,

Vom 1 2 . 2 . 1 9 9 0 (BGB1.1 2 0 5 ) ; zu der zugrundeliegenden EG-Richtlinie ( 8 5 / 3 3 7 / E W G , ABl. EG 1 9 8 5 , L 1 7 5 / 4 0 ) und ihrer Umsetzung Cupei, Umweltverträglichkeitsprüfung, 1 9 8 6 ; Bunge, Die Umweltverträglichkeitsprüfung im Verwaltungsverfahren, 1 9 8 6 ; Bartlsperger, DVB1. 1 9 8 7 , 1 ff; Hoppe/Püchel, DVB1. 1 9 8 8 , 1 ff; Erbguth, N V w Z 1 9 8 8 , 9 6 9 ff; Steinberg, DVB1. 1 9 8 8 , 9 9 5 ff; Weber, Die Umweltverträglichkeitsrichtlinie im deutschen Recht, 1 9 8 8 ; Hundertmark, Die Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung, 1 9 8 8 .

Umweltschutzrecht

5. Abschn. II 5 b

stellt werden, daß bei bestimmten Vorhaben zur wirksamen Umweltvorsorge nach einheitlichen Grundsätzen die Auswirkungen auf die Umwelt frühzeitig und umfassend ermittelt, beschrieben und bewertet werden (§ 1 Nr. 1 UVPG). In der Anlage zu § 3 UPVG sind die Vorhaben aufgeführt, bei denen eine UVP durchzuführen ist. Die gesetzliche Regelung erfaßt danach — über die Raumplanung und die genannten Planungsakte hinausgreifend — u. a. nukleare und konventionelle Kraftwerke, größere Anlagen der chemischen Industrie sowie sonstige bedeutendere Anlagen, die der Genehmigung nach § 5 BImSchG bedürfen, ferner Abfallentsorgungs- und Abwasserbehandlungsanlagen, Gewässerausbauten, Bundesfernstraßen, Bundesbahnstrecken, Flugplätze und Rohrleitungsanlagen für den Ferntransport von Öl oder Gas. Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist ein unselbständiger Teil verwaltungsbehördlicher Verfahren, die der Entscheidung über die Zulässigkeit der betroffenen Vorhaben dienen. Sie umfaßt die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der Auswirkungen eines Vorhabens auf Menschen, Tiere und Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, einschließlich der jeweiligen Wechselwirkungen, sowie auf Kultur und sonstige Sachgüter (§2 Abs. 1 UVPG). Hierbei ist die Öffentlichkeit einzubeziehen (§ 9 UVPG). Das Ergebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung ist so früh wie möglich bei allen behördlichen Entscheidungen über die Zulässigkeit des Vorhabens zu berücksichtigen142. b) Der konvergierend integrierte Umweltschutz ist ebenfalls in eine übergrei- 50 fende Aufgabenstellung eingebunden. Seine Ziele und die Schutzziele der übergreifenden Aufgabenstellung stehen jedoch nicht in einem Konkurrenzverhältnis, sondern in einem Verhältnis gleichgerichteter Ergänzung. Diese Merkmale erfüllt z. B. das Gesundheitsrecht143, das unmittelbar die Erhaltung und Pflege der menschlichen Physis bezweckt und daher nicht dem vitalen Umweltschutz zugerechnet werden kann. Die staatliche Gesundheitsfürsorge hat es heute weithin mit sog. Zivilisationskrankheiten zu tun, die nachweislich oder vermutlich Folgen des Lebens in der technisierten Umwelt sind144. In einem ähnlichen Verhältnis gleichgerichteter Ergänzung stehen der Schutz des Menschen gegen die Gefahren im Umgang mit technischen Geräten und der Umweltschutz. Demgemäß bildet auch das Recht der technischen Sicherheit und des Arbeitsschutzes ein Anwendungsfeld des konvergierend integrierten Umweltschutzes. Die wichtigste Grundlage dieses Rechtsgebiets ist das Gesetz über technische Arbeitsmittel (Gerätesicherheitsgesetz)145. 142

Näher zum Ganzen Storm/Bunge, Hdb. der Umweltverträglichkeitsprüfung; Hellmann, N J W 1 9 9 0 , 1 6 2 5 ff; SoelUDirnberger, N V w Z 1 9 9 0 , 7 0 5 ff; Erbguth, Arch. 81 (1990), 3 2 7 ff.

Weberl Verw-

Vgl. insb. das Bundes-SeuchenG vom 1 8 . 1 2 . 1 9 7 9 (BGBl. I 2 2 6 2 ) , zuletzt geändert durch G vom 1 9 . 1 2 . 1 9 8 6 (BGB1.I 2 5 5 5 ) ; FleischbeschauG i . d . F . d. Bek. vom 2 8 . 9 . 1 9 8 1 (BGBl. I 1 0 4 5 ) , zuletzt geändert durch G vom 1 3 . 4 . 1 9 8 6 (BGB1.I 3 9 8 ) ; Zusammenstellung der einschlägigen Rechtsnormen bei Etmer, Dt. GesundheitsR, Bd. 1 — 4 . 144 Yg[ Baier,Die Wirklichkeit der Industriegesellschaft als Krankheitsfaktor, in: Der Kranke in der modernen Gesellschaft, Neue wiss. Bibl. 2 2 , 3 7 ff; zur Bedeutung der Gesundheit im UmwR Salzwedel, NuR 1 9 8 8 , 161 ff. 143

145

Vom 2 4 . 6 . 1 9 6 8 (BGB1.I 7 1 7 ) , zuletzt geändert durch G vom 1 8 . 2 . 1 9 8 6 (BGB1.I 2 6 5 ) ; weitere Vorschriften des technischen SicherheitsR enthalten z.B. die § § 2 4 f f GewO.

419

5. Abschn. II 6

Rüdiger Breuer

6. Innerdeutsche Vereinheitlichung des Umweltschutzrechts 51

Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung hat sich die Rechtsangleichung im Umweltschutzrecht in zwei Schritten vollzogen 146 . Zunächst hat die D D R in Ausführung des Staatsvertrages vom 1 8 . 5 . 1 9 9 0 1 4 7 das Umweltrahmengesetz vom 2 9 . 6 . 1 9 9 0 1 4 8 erlassen. Dieses Gesetz ordnete die schrittweise und modifizierte Übernahme umweltrechtlicher Vorschriften der Bundesrepublik Deutschland an, und zwar für die Bereiche des Immissionsschutzes (Art. 1), der kerntechnischen Sicherheit und des Strahlenschutzes (Art. 2), der Wasserwirtschaft (Art. 3), der Abfallwirtschaft (Art. 4), des Chemikalienrechts (Art. 5), des Naturschutzes und der Landschaftspflege (Art. 6) und der Umweltverträglichkeitsprüfung (Art. 7). Im zweiten Schritt hat der Einigungsvertrag vom 3 1 . 8 . 1 9 9 0 1 4 9 folgende Bestimmungen getroffen: Mit dem Wirksamwerden des Beitritts der D D R zur Bundesrepublik Deutschland (am 3 . 1 0 . 1 9 9 0 ) ist in dem Gebiet der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie im östlichen Teil Berlins das Bundesrecht in Kraft getreten, soweit es nicht in seinem Geltungsbereich auf bestimmte Länder oder Landesteile der Bundesrepublik Deutschland beschränkt ist und soweit durch den Einigungsvertrag nichts anderes bestimmt wird (Art. 8). Dies gilt auch für das vorgefundene Umweltschutzrecht der Bundesrepublik Deutschland. Modifizierungen ergeben sich aus den Anlagen I und II des Einigungsvertrages, und zwar auf den Sachgebieten des Immissionsschutzes (A), der kerntechnischen Sicherheit und des Strahlenschutzes (B), der Wasserwirtschaft (C), der Abfallwirtschaft (D), des Chemikalienrechts (E) sowie des Naturschutzes und der Landschaftspflege (F) 1 5 0 .

52

Im Gebiet der neuen Länder bleiben als fortgeltendes Recht der D D R vor allem einige Vorschriften des Umweltrahmengesetzes vom 2 9 . 6 . 1 9 9 0 anwendbar. Insbesondere gilt in bezug auf Altlasten Art. 1 § 4 Abs. 3 dieses Gesetzes in veränderter Fassung fort 1 5 1 . Danach sind Eigentümer, Besitzer oder Erwerber von Anlagen, die gewerblichen Zwecken dienen oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, für die durch den Betrieb der Anlage oder die Benutzung des Grundstücks vor dem 1 . 7 . 1 9 9 0 verursachten Schäden nicht verantwortlich, soweit die zuständige Behörde im Einvernehmen mit der obersten Landesbehörde sie von der Verantwortung freistellt. Eine solche Freistellung kann erfolgen, wenn dies unter Abwägung der Interessen des Eigentümers, des Besitzers oder des Erwerbers, der durch den Betrieb der Anlage oder die Benutzung des Grundstücks möglicherweise Geschädigten, der Allgemeinheit und des Umweltschutzes geboten ist. Der Hierzu Kloepfer, DVB1. 1991, 1 ff; ders., Das UmwR in der deutschen Einigung, 1991; zum Umweltschutz und UmwR in der DDR Oebler, DVB1. 1990, 1322 ff. 147 BGBl. II 5 1 8 . 1 4 8 GBl. I Nr. 42, 6 4 9 . 1 4 9 BGBl. II 885. IJO YG[ z u d e n Bestimmungen der einzelnen Teilbereiche Kloepfer, DVB1. 1991, 1 (5 ff); für das ImmissionsschutzR Hansmann, NVwZ 1991, 316 ff; Müggenborg, NVwZ 1991, 735 ff. 151 I. d. F. des G vom 2 2 . 3 . 1 9 9 1 , BGB1.I 7 6 6 ; dazu Müggenborg, NVwZ 1991, 738 ff; 146

Dombert/Reichert, 420

NVwZ 1991, 744 ff.

Umweltschutzrecht

5. Abschn. II 6

Antrag auf Freistellung muß spätestens innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen (am 2 9 . 3 . 1 9 9 1 ) gestellt sein. Nach Maßgabe der novellierten Gesetzesfassung bezieht sich die mögliche Freistellung nicht nur auf die öffentlich-rechtliche, sondern auch auf die privatrechtliche Haftung für die genannten Altlasten. Im übrigen ist auch auf den Sachgebieten des Umweltschutzes zu beachten, daß 53 das im Zeitpunkt des Einigungsvertrages geltende Recht der DDR, das nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes Landesrecht ist, in Kraft bleibt, soweit es mit dem Grundgesetz (ohne Berücksichtigung des Art. 143 GG), mit dem in den neuen Ländern in Kraft gesetzten Bundesrecht sowie mit dem unmittelbar geltenden EG-Recht vereinbar ist und soweit im Einigungsvertrag nichts anderes bestimmt wird (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 EV). Hiernach beurteilt sich insbesondere, inwieweit Vorschriften des Wassergesetzes der DDR vom 2 . 7 . 1 9 8 2 1 5 2 , des Landeskulturgesetzes der DDR vom 1 4 . 5 . 1 9 7 0 1 5 3 und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Naturschutzverordnungen vom 1 8 . 5 . 1 9 8 9 1 5 4 als Recht der neuen Länder fortgelten. Unter den genannten Voraussetzungen gilt ferner das Recht der DDR, das nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes Bundesrecht ist und das nicht bundeseinheitlich geregelte Gegenstände betrifft, bis zu einer Regelung durch den Bundesgesetzgeber als Landesrecht fort (Art. 9 Abs. 1 Satz 2 EV). Programmatische Grundsätze für die künftige Fortentwicklung des deutschen 54 Umweltschutzrechts sind in Art. 16 des Staatsvertrages vom 1 8 . 5 . 1 9 9 0 und in Art. 34 des Einigungsvertrages festgelegt 155 . In dem zuerst erwähnten Vertrag haben die Bundesrepublik Deutschland und die DDR vereinbart, daß der Schutz von Menschen, Tieren und Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft sowie von Kultur- und sonstigen Sachgütern vor schädlichen Umwelteinwirkungen „besonderes Anliegen beider Vertragsparteien" ist (Art. 16 Abs. 1 Satz 1). Zugleich sind die Vertragsparteien übereingekommen, daß sie sich dabei von dem Vorsorge-, Verursacher- und Kooperationsprinzip leiten lassen (Art. 16 Abs. 1 Satz 2). Gleichermaßen bedeutsam erscheint die im Staatsvertrag getroffene Vereinbarung, daß bei der weiteren Gestaltung eines gemeinsamen Umweltrechts die Umweltanforderungen der Bundesrepublik Deutschland und der D D R „so schnell wie möglich auf hohem Niveau angeglichen und weiterentwickelt" werden sollen (Art. 16 Abs. 4). Hierauf nimmt der Einigungsvertrag Bezug: Ausgehend von der in Art. 16 des Staatsvertrages i. V. m. dem Umweltrahmengesetz der D D R vom 2 9 . 6 . 1 9 9 0 begründeten deutschen Umweltunion ist es Aufgabe der künftigen deutschen Gesetzgeber, „die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen unter Beachtung des Vorsorge-, Verursacher- und Kooperationsprinzips zu schützen und die Einheitlichkeit der ökologischen Lebensverhältnisse auf hohem, mindestens jedoch dem in

152

153

154 155

GBl. I Nr. 26, 4 6 7 ; hierzu Oehler u. a., WasserR-Kommentar, 1987; Lübbe-Wolff, DVB1. 1990, 855 ff. GBl. I Nr. 12, 67; zur partiellen Fortgeltung im Rahmen des BundesR Oehler, Standortnutzung, 1990. GBl. I Nr. 12, 159; zum NaturschutzR in der DDR v. Mutius, NuR 1990, 2 4 2 ff. Vgl. dazu Kloepfer, DVB1. 1991, 1 (2 ff).

421

5. Abschn. II 7

Rüdiger Breuer

der Bundesrepublik Deutschland erreichten Niveau zu fördern" (Art. 3 4 Abs. 1). Zur Förderung dieses Ziels sind nach dem Einigungsvertrag im Rahmen der grundsätzlichen Zuständigkeitsregelungen ökologische Sanierungs- und Entwicklungsprogramme für das Gebiet der neuen Länder aufzustellen; vorrangig sind dabei Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung vorzusehen (Art. 3 4 Abs. 2). Alle diese programmatischen Grundsätze haben keinen Verfassungsrang, da sie — anders als die Art. 3 ff des Einigungsvertrages — nicht über die Geltung oder den Inhalt des Grundgesetzes disponieren und das Verbot der verborgenen Verfassungsdurchbrechung (Art. 7 9 Abs. 1 Satz 1 GG) unverändert gilt. Dennoch kommt den wiedergegebenen programmatischen Grundsätzen eine rechtserhebliche Bedeutung zu, die nach Maßgabe der rechtsstaatlichen Selbstbindung des Gesetzgebers durch Programm- und Plangesetze 156 bestimmt werden muß.

7. Das Vorhaben eines allgemeinen Umweltschutzgesetzes 55

Trotz der Regelungsdichte und der systematischen Konsistenz des geltenden deutschen Umweltschutzrechts provoziert die Vielfalt der einschlägigen Rechtsnormen die Frage, ob die Systematik und Übersichtlichkeit dieses Rechtsgebiets — nicht zuletzt im Interesse eines effektiven Vollzuges — durch den Erlaß eines allgemeinen Umweltschutzgesetzes verbessert werden kann. Teilweise an frühere Vorschläge von Michael Kloepfer1S7 anknüpfend, hat eine rechtswissenschaftliche Arbeitsgruppe im Auftrag des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Jahre 1 9 9 0 einen Entwurf für den Allgemeinen Teil eines Umweltgesetzbuchs vorgelegt 158 . Es ist vorgesehen, daß eine abermals durch den Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit eingesetzte, aus Rechtswissenschaftlern bestehende Kommission bis Mitte 1993 einen Entwurf für den Besonderen Teil eines Umweltgesetzbuchs erarbeiten soll. Dieser soll die Sachgebiete Immissionsschutz, Kernenergie und Strahlenschutz, Naturschutz und Landschaftspflege, Gewässerschutz und Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Abfallentsorgung, Gefährliche Stoffe und Bodenschutz umfassen 159 .

56

Ein solches Kodifikationskonzept mag auf den ersten Blick bestechend erscheinen. Dieser Eindruck wird — vordergründig gesehen — dadurch verstärkt, daß einige ausländische Staaten sich in jüngster Zeit Umweltschutzgesetze gegeben haben 1 6 0 , die der deutschen Gesetzgebung als Vorbilder empfohlen werden. Bei näherer Betrachtung löst das Vorhaben eines allgemeinen deutschen Umweltschutzgesetzes jedoch eher Skepsis aus. Die inhaltliche Richtung einer tiefgreifenden Umschichtung mit dem globalen Ziel einer Harmonisierung und Arrondierung des Umweltschutzrechts ist gegenwärtig nicht hinreichend erkennbar. Auch der im Auftrag des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit erar156

Vgl. Breuer,

DVB1. 1970, 101 ff; Kloepfer,

W D S t R L 4 0 (1982), 63 (83 f).

, a " 5 b Q " O E u . bojog .1 ® 2 > § 3 " a> 3N cÖ rS .2, < O > -o "g "S , § g J¡2S -QJ3 4> rt c ti •Sis 3

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7. Abschn. III 2 b

Franz Ruland

sind grundsätzlich alle Nettoeinkünfte (§76 II) in Geld (Renten, Kindergeld131, Arbeitslosengeld oder -hilfe, Zinsen etc.) oder Geldeswert (z. B. freies Wohnen), nicht jedoch Schmerzensgeld und die Grundrente nach dem BVG und BEG (§§ 76 I, 77 II) sowie zweckbestimmte Leistungen (z. B. Pflege-, Bestattungsgeld), es sei denn, die Hilfe dient demselben Zweck (§ 77 I) 132 . Der Bezug von Ausbildungsförderung schließt — von besonderen Härtefällen abgesehen — eine Hilfe zum Lebensunterhalt aus (§ 26) 133 . 54 Forderungen müssen geltend gemacht werden, soweit sie, weil in angemessener Zeit zu realisieren, „bereite Mittel" darstellen. Dazu rechnen auch Unterhaltsansprüche134. Vielfach wird Hilfe jedoch unabhängig davon gewährt und der Anspruch gem. § 90 übergeleitet. Vermögen ist, vom Schonvermögen (z. B. selbstbewohntes, kleines Einfamilienhaus135, Hausrat, Erbstücke) abgesehen, voll einzusetzen (§ 88) 136 . Da Familien aus „einem Topf" wirtschaften137, werden nicht getrenntlebende Ehegatten und — geht es um deren Bedürftigkeit — die im Haushalt lebenden minderjährigen unverheirateten Kinder zur Bedarfsgemeinschaft zusammengefaßt (§11 I). Ihr Einkommen und Vermögen wird zusammengerechnet. Reicht es für alle in die Bedarfsgemeinschaft einbezogenen Personen nicht aus, sind diese anteilig bedürftig und jeder für sich sozialhilfeberechtigt138. Über die Kernfamilie hinaus reicht die Haushaltsgemeinschaft (§ 16) 139 . Soweit Hilfesuchende in Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaften mit Verwandten und Verschwägerten zusammenleben, wird widerlegbar vermutet, daß sie von ihnen unterhalten werden140. Auch die allein durch Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichnete nichteheliche Gemeinschaft141 stellt — schon um die Ehe nicht zu benachteiligen — eine Bedarfsgemeinschaft dar (§ 122). 55 Der Hilfeempfänger muß bereit sein, zu arbeiten (§ 18). Die Arbeitspflicht entspricht nicht nur der Subsidiarität der Hilfe142, sie ist auch ein Mittel sozialer Integration und Therapie143. Zumutbar ist jede erlaubte Tätigkeit. Jedenfalls bei längerfristig Hilfsbedürftigen kann es schon aus Gleichheitsgründen keinen BerufsZu seinen sozialhilferechtlichen Auswirkungen: BVerwG 39, 314; 60, 18; Mergler/Zink, $72 R n . 2 7 ; Schellhorn/Jirasek/Seipp, §76 Rn.28. 1 3 2 Vgl. VO zu § 76 BSHG v. 2 8 . 1 2 . 1 9 6 2 (BGBl. I, 692), Sartorius, Nr. 415. 133 Krit. Krahmer, NDV 1981, 212 ff; s. auch BVerwGE 61, 352 (354); VGH BW, FamRZ 1987, 120 f. 134 Zur Pflicht der Mutter eines nichtehelichen Kindes, Unterhaltsansprüche gegen dessen Vater geltend zu machen, BVerwG, NJW 1983, 2954. I 3 i BVerwGE 47, 103 ff; BVerwG, NDV 1980, 321 ff; VG Berlin, NJW 1987, 144. 136 Ygi J j e vom Deutschen Verein veröffentlichten „Empfehlungen für den Einsatz des Vermögens in der Sozialhilfe und der öffentlichen Jugendhilfe", 1971. 137 BVerfGE 9, 20 (30); BVerwGE 15, 306 (312); s. auch BVerfGE 12, 180 (190). 138 Siehe o. Rn. 44. 139 Zu ihr v. Maydell, ZfS 1963, 430 ff. 140 Beweislast beim Hilfesuchenden: BVerwGE 21, 208 (213); 23, 255 (258); Anforderungen dürfen nicht zu hoch sein: Fichtner, ZfF 1964, 3 (4); s. auch BVerwG, FEVS 25, 274. 141 Zu ihr BVerwG, FamRZ 1977, 3 9 2 ; FEVS 34, 37; Grave, ZfF 1978, 152 ff; Perl, ZfF 1971, 37; Schulte/Trenk-Hinterberger, 190 ff. 1 4 2 Generell: Zacher, SGb 1982, 329. 143 Dazu BVerwGE 29, 99 (102).

131

628

7. Abschn. III 3

Sozialrecht

schütz geben (§18 III)144. Aus familiären Gründen (Kindererziehung) kann eine Erwerbstätigkeit unzumutbar werden145. Wer der Arbeitspflicht nicht nachkommt, verliert den Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt146. Als Ermessensleistung kann sie bis auf das zum Lebensunterhalt Unerläßliche beschränkt werden. Dies darf nicht zu Lasten der Familienangehörigen gehen (§ 25) 147 . Der Hilfeträger hat geeignete Tätigkeiten anzubieten, um die Arbeitsbereitschaft zu testen oder um den Hilfesuchenden wieder an Arbeit zu gewöhnen (§20 I). Er hat sich zusammen mit dem Arbeitsamt um einen Arbeitsplatz zu bemühen (§ 18 II) oder selbst Arbeitsgelegenheiten z.B. in städtischen Lagern oder Heimen zu schaffen (§ 19 I) 148 . Die dabei bevorzugte öffentlich-rechtliche Heranziehung begründet kein Arbeitsverhältnis, der Betreffende bleibt Hilfeempfänger (§ 19 II, III). Anspruchsberechtigt sind grundsätzlich auch Ausländer (§ 120 I), wenn sie nicht 56 nur deswegen in das Bundesgebiet gekommen sind. Der Anspruch von Asylsuchenden kann auf das zum Lebensunterhalt Unerläßliche beschränkt werden (§120 II 3) 149 . Sofern nicht zwischenstaatliche Abkommen oder supranationales Recht (z. B. Europ. Fürsorgeabkommen) entgegenstehen, können Ausländer, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, ausgewiesen werden (§ 46 Nr. 6 AuslG)150. Deutschen im Ausland wird in Ausnahmefällen Sozialhilfe gewährt (§ 119) 1J1 .

3. Die Hilfen in besonderen Lebenslagen Von den 10 Arten der Hilfe in besonderen Lebenslagen (§27 I) fallen die Hilfe 57 zur Pflege (§§68ff), die Eingliederungshilfe für Behinderte (§39ff) l s 2 und die Krankenhilfe (§37) zahlenmäßig und wirtschaftlich am stärksten ins Gewicht. Die Subsidiarität dieser Hilfen ist eingeschränkt. Die allgemeine Einkommensgrenze (§ 79 I) soll dem Hilfeempfänger die zum Lebensunterhalt notwendigen Mittel belassen. Sie errechnet sich für den Haushaltsvorstand aus dem Grundbetrag in Höhe von 834 DM (Ostdeutschland: 700 DM), den Kosten für Unterkunft (Miete, Nebenkosten, nicht: Heizung) und je Familienmitglied einem Zuschlag in Höhe von 8 0 % seines Regelsatzes. Erhöhte Einkommensgrenzen (§81) gelten für besonders kostenintensive Hilfen. Bei Schwerbehinderten ist der Grundfreibetrag auf 2580DM (Ostdeutschland: 1450DM) erhöht (§81 II). Einkommen oberhalb dieser Grenzen, von denen beim Zusammentreffen mehrerer Hilfen die günstigste gilt (§ 83), ist in angemessenem Umfang einzusetzen (§ 84), soweit es im Bedarfszeitraum zufließt (Ausnahme: § 84 II, III). Nach dem Abzug „besonderer Belastun144 145 146 147 148

149 150 151 152

So auch Schulte/Trenk-Hinterberger, 199; s. auch BVerwGE 32, 362. Vgl. Knopp/Fichtner, § 18 Rn. 11; Mergler/Zink, § 18 R n . 3 4 . Dazu BVerwGE 12, 129 ff (verfassungsmäßig); BVerwG, NVwZ 1983, 410. Vgl. BVerwG, NDV 1968, 139. Dazu BVerwGE 68, 91 ff; Münder, NVwZ 1984, 2 0 6 ff; Schulte, NVwZ 1986, 3 5 9 ; zu Asylbewerbern: Binkert, ZfS 1982, 2 2 6 ff; Zuleeg, ZAR 1984, 80 ff. Dazu Anm. 52. Vgl. BVerwG, NJW 1982, 2 7 4 2 ; Huber, NDV 1991, 30 ff. Schulte, ZfSH/SGB 1988, 641 ff, 1989, 65 ff. Zu diesen Hilfen Mrozynski, Rehabilitationsrecht, 2. Aufl., 1986, 125 ff, 135 ff. 629

7. Abschn. III 4

Franz Ruland

gen" (z.B. Ausbildungskosten, Abzahlungspflichten; pauschal: 2 0 % ) 1 5 3 wird zumeist ein Einsatz von 5 0 — 7 0 % der Restmittel verlangt154. Einkommen unterhalb der Freigrenzen muß nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden, vor allem dann, wenn eine Heimunterbringung zu häuslichen Einsparungen führt (§ 85). Deckt das einzusetzende Einkommen nur einen Teil der Aufwendungen ab, kann der Hilfeträger die Hilfe insgesamt erbringen und ihren Empfänger durch Bescheid zum Ersatz heranziehen (§ 29). Vermögen ist — vom Schonvermögen abgesehen — voll einzusetzen. Allerdings verfährt die Praxis großzügig (s. § 88 III 2) 155 . Bei den meisten dieser Hilfen kommt ein Einsatz der Arbeitskraft nicht in Betracht (s. § 67 IV). In Ostdeutschland sind diese Ansprüche nur insoweit zu erfüllen, als die im Einzelfall dafür erforderlichen sozialen Dienste und Einrichtungen vorhanden oder erreichbar sind.

4. Kostenersatz und Überleitung von Ansprüchen Von dem Hilfeempfänger kann Kostenersatz nur innerhalb von 3 Jahren und nur dann verlangt werden, wenn er seine oder seiner Angehörigen Hilfsbedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat (§92a) 1 5 6 . Diese Verpflichtung geht auf die Erben über, die — auf den Nachlaß begrenzt — grundsätzlich auch die Leistungen erstatten müssen, die dem Hilfeempfänger und seinem nicht getrennt lebenden Ehegatten in den letzten 10 Jahren vor dem Erbfall gewährt wurden (§92c). Der Kostenersatz hat nur geringe wirtschaftliche Bedeutung. 59 (Vermeintliche)157 Ansprüche des Hilfeempfängers z.B. auf Unterhalt oder Sozialleistungen kann der Hilfeträger dadurch, daß er dem Schuldner die Hilfegewährung schriftlich anzeigt, insoweit auf sich überleiten, als ihre rechtzeitige Erfüllung die zu Recht gewährte Hilfe158 erübrigt hätte (§ 90). Zugunsten der Unterhaltsschuldner gelten die Einkommens- und Vermögensverschonungen für die Hilfen in besonderen Lebenslagen (§ 91 I) 159 . Die Überleitungsanzeige bewirkt, daß mit befreiender Wirkung nur noch an den Hilfeträger geleistet werden kann160. Sie ist ein Verwaltungsakt. Widerspruch und Anfechtungsklage161 haben keine aufschiebende Wirkung (§ 90 III). Der übergeleitete Anspruch behält seine 58

Gottschick/Giese, § 8 4 Rn.4.7. 1J4 Ygj j m einzelnen die von dem Deutschen Verein veröffentlichten „Empfehlungen für die Anwendung der §§ 84 ff, BSHG", 1975. 155 Vgl. BVerwGE 32, 89ff; BVerwG, NJW 1991, 1968; s.a. Schulte, NJW 1991, 546. 156 Dazu BVerwGE 51, 61. 157 Das Bestehen des Anspruchs ist keine Voraussetzung der Rechtmäßigkeit der Überleitung, vgl. BVerwGE 34, 2 2 0 ; 58, 214; zu Auskunftspflichten: Baur, FamRZ 1986, 1175. 158 A.A. BVerwGE 55, 26; BVerwG, NJW 1987, 915; krit.: Schulte/Trenk-Hinterberger, 386; andernfalls ist sie zu erstatten, vgl. BVerwG, NJW 1983, 2954. 1J9 Vg[ dazu die durch den Deutschen Verein veröffentlichten „Empfehlungen für die Heranziehung Unterhaltspflichtiger", 3. Aufl., 1988; zu den unterhaltsrechtlichen Auswirkungen der Verschonungen: Giese/Brühl, FamRZ 1982, 11 ff; 13 ff; Münder, NJW 1990, 2031 f; Ruland, Unterhalt, 98 ff; ders., NDV 1986, 164 (169); SchollerlFuchs, J Z 1984, 304ff; LG Offenburg NJW 1984, 1189; s.a. OLG Oldenburg, NJW 1991, 2031. 153

160 161

630

BVerwGE 41, 115; s. auch Schulze-Werner/Bischoff, Auch des Unterhaltsschuldners: BVerwGE 29, 229.

NJW 1986, 696 ff.

7. Abschn. III 5

Sozialrecht

Rechtsnatur162. Ist er bestritten, muß er, handelt es sich z. B. um einen Unterhaltsanspruch, vor den Zivilgerichten eingeklagt werden163. Schadensersatzansprüche gehen im Zeitpunkt der Schädigung auf den Sozialhilfeträger über, wenn durch sie die Hilfsbedürftigkeit ausgelöst wurde (§ 116 SGB X).

5. Träger und Finanzierung der Sozialhilfe Staatliche und private, insbesondere kirchliche Fürsorge standen seit jeher in 60 einem Verhältnis gegenseitiger Ergänzung und Verdrängung164. Das BSHG hat der freien Wohlfahrt165 ihren Tätigkeitsbereich vor allem durch eine Verpflichtung der staatlichen Stellen zur Zusammenarbeit (§§ 17 III, 28 II SGB I) und — im Bereich der persönlichen Hilfen — durch eine institutionelle Subsidiarität staatlicher Fürsorge garantiert (§ 10) 166 . Örtliche Träger sind die kreisfreien Städte und die Landkreise (§ 96 I), die 61 einzelne Verwaltungsfunktionen auf die Gemeinden übertragen können167. Die Sozialhilfe gehört traditionell zu den Selbstverwaltungsangelegenheitenus. Überörtliche Träger (§ 96 II) sind teils die Länder selbst (Berlin, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein und die 5 neuen Länder), teils die Bezirke (Bayern), die Landeswohlfahrtsverbände (Baden-Württemberg, Hessen) oder die Landschaftsverbände (Nordrhein-Westfalen)169. Ihre sachliche Zuständigkeit ist enumerativ bestimmt (§§99ff). Im übrigen sind die örtlichen Träger zuständig. Für die örtliche Zuständigkeit ist grundsätzlich der Aufenthaltsort der Hilfesuchenden maßgeblich (§§ 97 f). Erstattungsansprüche zwischen den Hilfeträgern (§§ 103 ff) sichern trotz Vorleistung die örtliche und sachliche Zuständigkeit. Für Streitigkeiten besteht eine Schiedsvereinbarung170. Die Länder führen das BSHG als eigene Angelegenheit aus. Sie haben die 62 Ausgaben zu tragen. Soweit die Kommunen zuständig sind, haben sie auch für die Kosten aufzukommen. Spezialliteratur zum

Sozialhilferecht

H. Gottschick/D.Giese, BSHG, 9. Aufl., 1985; O. MerglerlG. Zink/E. Dahlinger/ H. Zeitler, BSHG-Kommentar, 3. Aufl., 1 9 8 5 ff; E. Oestreicher/ K. Schelter/ E. Kunz, BSHG, 1 9 8 6 ff; P. Trenk-Hinterberger, in: SRH, Rn. 2 1 / 1 ff; W. Schellhorn I H.Jirasekl P.Seipp, BSHG, 13. Aufl., 1 9 8 9 ; B. SchulteIP. Trenk-Hinterberger, Sozialhilfe, 2 . Aufl., 1 9 8 6 . 162 163 164

BVerwGE 3 4 , 2 1 9 ; BSG, Breithaupt 1 9 7 2 , 1 7 9 ; BSGE 4 1 , 2 3 7 . Auch das Pfändungsvorrecht nach § 8 5 0 d Z P O bleibt erhalten, BAGE 2 3 , 2 2 6 . Dazu v. Campenhausen, Kirche-Staat-Diakonie, 1 9 8 2 , 10 ff; Scheuner, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche, Bd. 8, 1 9 7 4 , 4 3 ff; Stolleis, ZevKR 1 9 7 3 , 3 7 6 ff; Wegener, Staat und Verbände im Sachbereich Wohlfahrtspflege, 1 9 7 8 .

Z u ihr: Rinken, Das Öffentliche als verfassungstheoretisches Problem, dargestellt am Rechtsstatus der Wohlfahrtsverbände, 1 9 7 1 . 1 6 6 Dazu vor allem BVerfGE 2 2 , 1 8 0 ff. 167 Ygi § 4 Nds. AGBSHG; zur Kommune als Träger der Sozialarbeit: Pitschas, in: SRH, Rn. 2 3 / 1 4 ff.

16s

168

170

Dazu BVerfGE 2 2 , 1 8 0 ( 1 9 9 ff). Einzelheiten bei Wolff/Bachof, VwR III, 2 8 6 ff. Abgedruckt: N D V 1 9 6 5 , 3 2 6 ff; vgl. Zeitler, N D V 1 9 9 1 , 3 2 9 ff.

631

63

7. Abschn. IV 2

Franz Ruland

IV. Sonstige staatliche Hilfen 1. Die Kinder- und Jugendhilfe 64

1990 konnte das sehr umstrittene Kinder- und Jugendhilferecht endlich reformiert werden171. In seiner Neufassung beschränkt es sich auf Leistungsangebote, auf die früheren Eingriffsbefugnisse (z. B. Fürsorgeerziehung) wurde zugunsten einer stärkeren Wahrung des elterlichen Erziehungsrechts (§ 1 II)172 verzichtet (s. auch §1666 BGB). Zu den Aufgaben gehören nach näherer landesrechtlicher Regelung die Jugendarbeit, -sozialarbeit, der Kinder- und Jugendschutz (§§ 11 ff). Insbesondere bei Alleinerziehenden ist die Erziehung in der Familie durch Beratung, Unterstützung und Betreuung zu fördern (§§16 ff). Unter Wahrung des Landesrechts (§ 26) werden Grundsätze zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Tagespflege aufgestellt (§§22 ff). Praktisch bedeutsam sind vor allem die individuellen Hilfen zur Erziehung und für junge Volljährige die neuen Formen der Erziehung außerhalb der Familie (Tagesgruppen, Pflegefamilien), auf die ein Rechtsanspruch besteht (§§ 27 ff). Träger sind die Jugendämter unter zu fördernder Beteiligung der freien Träger (§§ 3 f, 69 ff, 85 ff).

65

Der vollzieht sich neben steuerrechtlichen Vergünstigungen (z.B. Ehegattensplitting) und dem Erziehungsgeld vor allem durch das Kindergeld174. Es ist, nachdem die Altenversorgung durch Vorsorge- und Entschädigungssysteme „vergesellschaftet" wurde, eine notwendige Ergänzung des ihnen zugrundeliegenden Generationenvertrages175. Das Kindergeld beträgt 1990 monatlich für das erste Kind 50 DM, das zweite 130 DM, das dritte 220 DM und für das vierte und jedes weitere Kind 240 DM, wenn das typisierte Netto-Jahreseinkommen (§11) 176 des Berechtigten 26 600 DM (Ledige: 19000 DM) nicht übersteigt, andernfalls wird es für das zweite bis auf 70 DM und für jedes weitere Kind bis auf 140 DM gekürzt (§ 10) 177 . Der Berechtigte und das Kind müssen ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Inland haben (§§ 1, 2 V) 178 . Die Altersgrenze liegt

2. Das Kindergeld Familienlastenausgleich173

171

Z u ihm: ScheUhorn/Wienand,

Das Kinder- und Jugendhilfegesetz, 1 9 9 1 ; s . a .

Habermann/

Tries, NDV 1990, 205 ff, 231 ff; 1991, 48 ff; Rüfner, NJW 1991, 1 ff; s.a. NDV 1991, 4 0 1 ff. 172 173

Paragraphen ohne Angabe des Gesetzes sind solche des SGB VIII. Dazu m. zahlr. N a c h w . Heldmann, Kinderlastenausgleich in der Bundesrepublik Deutschland, 1 9 8 6 ; Igl, in: SRH, Rn. 2 7 / 1 ff; s. auch BT-Drucks. 1 1 / 5 1 0 6 .

174

Z u ihm: Hönsch, Erziehungs- und Kindergeldrecht, 1 9 8 8 ; ¡gl, Kindergeld und Erziehungsgeld, 2 . Aufl., 1 9 9 1 ; Ruland, in: FS f. BSG, 1 9 7 9 , 4 3 7 ff; ders., FuR 1 9 9 1 , 3 0 7 ff; Wilkenhagen/Krebs, Bundeskindergeldgesetz, 1 9 7 1 ff.

175

Siehe o. Fn. 8 1 . Paragraphen ohne Angabe des Gesetzes sind solche des BKGG. Dazu BVerfGE 8 2 , 6 0 ff; geplante Änderung: BT-Drucks. 1 2 / 1 1 0 8 , 1 3 6 8 . Vorbehaltlich zwischenstaatlicher Abkommen. Z u m Schulbesuch des Gastarbeiterkindes im Heimatland: BSG, SozR 5 8 7 0 § 2 B K G G N r . 2 5 ; Asylbewerber haben noch keinen ständigen Aufenthalt: BSGE 6 5 , 2 6 1 .

176 177 178

632

7. Abschn. IV 4

Sozialrecht

nunmehr schon bei 16 Jahren. Bis zum 27. Lebensjahr werden Kinder nur berücksichtigt, solange besondere Gründe (z. B. Schul- oder Berufsausbildung ohne eigenes Einkommen über 750 DM/Monat) vorliegen. Verzögert der Wehrdienst den Abschluß der Ausbildung, verlängert sich die Anspruchsdauer über das 27. Lebensjahr hinaus. Für Schulabgänger ohne Ausbildungs- oder Arbeitsplatz liegt die Altersgrenze bei 21 Jahren (§ 2 II—V). Kindergeld wird durch sonstige Kinderzulagen oder -Zuschüsse verdrängt (§ 8) 179 . Die Rangfolge zwischen mehreren Berechtigten (§3) weist es dem zu, der das Kind tatsächlich unterhält. Die Aufwendungen trägt der Bund (§ 16), ausgezahlt wird das Kindergeld in dessen Auftrag von der Bundesanstalt für Arbeit als „Kindergeldkasse" (§ 15). Beamte erhalten es von ihrem Dienstherrn (§ 45 I Nr. 1). 3. Das Erziehungsgeld Ein Elternteil erhält in den ersten 24 Monaten der Erziehung seines Kindes 66 Erziehungsgeld, wenn er nicht voll erwerbstätig ist (§§ 1—4 BErzGG)180. Es beträgt 600,— DM/Monat, ab dem 7. Monat wird Einkommen oberhalb eines Freibetrages angerechnet (§ 5). Es darf auf andere Sozialleistungen (auch Sozialhilfe) nicht angerechnet werden (§8). 4. Das Wohngeld Wer für eine angemessene Wohnung unzumutbar viel ausgeben muß, erhält 67 Wohngeld (§ 7 SGB I, § l) 181 . Es wird für Mieter als Mietzuschuß, für Eigentümer eines Eigenheims oder einer Eigentumswohnung als Lastenzuschuß gewährt (§§2, 3). Seine in Tabellen festgelegte Höhe ist abhängig zum einen von dem Wohnraumbedarf, der mit der Zahl der zusammenwohnenden Familienmitglieder (§ 4) steigt, zum anderen von der Höhe der Aufwendungen, die aber nur bis zu gesetzlich festgelegten, von dem Mietniveau der Gemeinde, dem Alter und der Ausstattung der Wohnung abhängigen Beträgen berücksichtigt werden (§§ 7, 8). Die Zumutbarkeit der Aufwendungen hängt von der Höhe des kompliziert zu ermittelnden (§§ 11 ff) Familieneinkommens (§§ 9 f) ab. Das Wohngeld ist gegenüber vergleichbaren Leistungen (z.B. §12 BSHG i.V.m. §3 Regelsatz-VO; § 2 7 c BVG), aber auch gegenüber der Ausbildungsförderung (§ 41 III) subsidiär, so daß z. B. alleinstehende Studenten, denen BAföG zusteht, am Studienort grundsätzlich kein Wohngeld erhalten182. Das WoGG wird von den Ländern im Auftrag des Bundes durchgeführt, der mehr als 50 % der Aufwendungen trägt (§ 34). 17? Dazu BVerfGE 22, 163 (168); 30, 3 5 5 (364). Zu ihm: Coester-Waltjen, FamRZ 1986, 423 ff; Gross!Wienand, NDV 1986, 43 ff; Hönsch (Fn. 174), 4 5 ff; ¡gl, (Fn. 174), 115 ff; Köhler, FamRZ 1986, 2 2 9 ff. 181 Fuchs, in: SRH, Rn. 2 6 / 1 ff; Lenhard, Das neue Wohngeldgesetz, 2. Aufl., 1 9 8 6 ; Schwerz, Das neue Wohngeldrecht, 1979 ff; Stadlerl Gutekunst, 2. Wohngeldgesetz, 1986 ff. Paragraphen ohne Angabe des Gesetzes sind solche des WoGG. 1 8 2 Dazu BVerwGE 44, 2 7 1 ; auch bei Darlehen: OVG Hamburg, FamRZ 1986, 111; nun aber Kreikebohm, SGb 1988, 53 ff; BVerwG, NVwZ 1991, 675. 180

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7. Abschn. IV 5

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5. Die Ausbildungsförderung Die Ausbildungsförderung183 soll als Entfaltungshilfe Chancengleichheit in dem für die weitere Lebensgestaltung so wichtigen Bereich der Ausbildung eröffnen. Sie ergänzt das Grundrecht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte (Art. 12 I GG) auf einfachgesetzlicher Ebene i. S. eines Teilhaberechts (§2 1 SGB, § 1, s. Rn. 78). 69 Der Gesetzgeber hat — von steuerrechtlichen Freibeträgen abgesehen (§ 33 a II EStG) — die Ausbildungsförderung weitgehend auf die Leistungen nach dem BAföG beschränkt. Das AFG fördert keine Hochschulausbildung als berufliche Bildung mehr (§34 IV AFG). Die Förderung wird grundsätzlich (Ausnahme: z.B. SchülerBAföG) hälftig als Darlehen und Zuschuß gewährt (§17). Sie ist subsidiär. Einkommen und Vermögen des Auszubildenden, seines Ehegatten und zumeist auch seiner Eltern dürfen gesetzlich festgelegte Grenzen nicht überschreiten (§11 II). Förderungsfähig ist der Besuch von weiterführenden allgemeinbildenden Schulen normalerweise ab der 10. Klasse, von Abend-184, Berufsfach-, höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen, aber auch die Teilnahme an entsprechenden Fernunterrichtslehrgängen (§§2, 3). Förderung erhalten Deutsche, eingeschränkt auch Ausländer (§8) 185 . Das Höchstalter bei Beginn der Ausbildung beträgt 30 Jahre. Ausnahmen betreffen vor allem die Absolventen des 2. Bildungswegs (§10 III). Geeignet ist man schon dann, wenn zu erwarten ist, daß das angestrebte Ausbildungsziel erreicht wird (§ 9 I, II). Das wird, solange die Ausbildungsstätte besucht wird, unterstellt. Lediglich Studenten müssen mit Prüfungsbescheinigungen einen Zwischennachweis führen (§§9 II, 48). 70 Gefördert wird grundsätzlich nur die Erstausbildung im Rahmen der Förderungshöchstdauer (§15 III i. V. m. §§1 — 10 Förderungshöchstdauer-VO)186, die von der 12monatigen Nachfrist für Studenten in selbständigen Studiengängen abgesehen (§15 IIIa) nur wegen schwerwiegender Gründe (z.B. lang andauernde Erkrankung187, nicht aber: zusätzliche Belastung aus Doppelstudium)188, der Mitwirkung in Hochschulgremien, der Kindererziehung oder wegen des erstmaligen Nichtbestehens der Abschlußprüfung verlängert werden kann (§ 15). Eine Zweitausbildung wird, sofern die Erstausbildung nicht an einer Berufsschule erfolgte, nur unter erschwerten Voraussetzungen gefördert, z. B. dann, wenn sie die Erstausbildung in derselben Richtung fachlich weiterführt und auf längstens 2 Jahre angelegt (nicht z.B. Jurastudium nach Rechtspflegerausbildung189, oder sie für den angestrebten Beruf erforderlich ist (z. B. Zusatzausbildung nach der ersten Lehrerprü68

Zu ihr vor allem Ramsauerl Stallbaum, BAföG, 2. Aufl., 1988; Richter, in: SRH, Rn.28/ BAföG, 4. Aufl., 1989; Paragraphen ohne Angabe des Gesetzes sind 1 ff; Rothe/Blanke, solche des BAföG. 184 Neben der Ausbildung darf keine Berufstätigkeit ausgeübt oder gefordert werden (§ 2 V), dazu BVerwG, FamRZ 1976, 242. 185 Zu EG-Ausländern: EuGH, FamRZ 1991, 741. 186 BGBl. 1981 I, 5 7 7 ; zuletzt geändert BGBl. 1989 I, 1029. 187 BVerwG, FamRZ 1982, 544. 188 OVG Hamburg, FamRZ 1982, 207. 189 OVG Münster, FamRZ 1982, 851. 183

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7. Abschn. IV 5

fung für das Lehramt an Sonderschulen). Fachhochschulabsolventen können an wissenschaftlichen Hochschulen weiterführend studieren; Absolventen des 2. Bildungswegs können noch ein Studium gefördert bekommen ( § 7 II). Wird die 1.Ausbildung aus wichtigem Grund (z.B. gesundheitliche Gründe, Neigungswechsel 190 , u.U. auch Parkstudiumi9i, nicht: endgültiges Scheitern 192 ) abgebrochen, kann eine 2. Ausbildung gefördert werden (§ 7 III) 193 . Die Höhe der Förderung hängt vom Bedarf ab 194 . Er beträgt z. B. bei Fach- 71 Schülern 310 D M (250 D M in Ostdeutschland), bei auswärts Studierenden (einschließlich Unterkunft) 750 DM (550 D M in Ostdeutschland)/Monat, zuzüglich des Zuschusses zum Krankenversicherungsbeitrag von 45 DM (§§12 ff). Kann dieser Bedarf durch anzurechnendes Einkommen oder Vermögen des Auszubildenden, seines Ehegatten oder seiner Eltern gedeckt werden, entfällt die Förderung. Freibeträge zugunsten des Ehegatten (1240 DM) und der Eltern (1800 DM) zuzüglich eventueller Kinderzuschläge und des anrechnungsfreien Differenzbetrages (25 % + 10 % pro Kind) sollen — trotz Anpassungspflicht (§ 35) unzureichend — den Eigenbedarf dieser Personen sichern (§ 25). Einkommen der Eltern bleibt außer Betracht 195 , wenn der Auszubildende ein Abendgymnasium besucht, bei Beginn der Ausbildung 30 Jahre alt oder zuvor schon 5 Jahre erwerbstätig war oder wenn sie ihm schon eine Ausbildung bezahlt haben ( § 1 1 III) 196 . Kommen Eltern ihrer Unterhaltspflicht nicht nach, wird Ausbildungsförderung voraus geleistet. In Höhe der Leistungen geht kraft Gesetzes der Unterhaltsanspruch über ( § § 3 6 f ) . Die Darlehen werden grundsätzlich nicht verzinst (§ 18 I). Sie sind nach Ablauf 72 von 5 Jahren innerhalb von 20 Jahren zurückzuzahlen (aaO Abs. 2). Die Rückzahlung wird bei geringem Einkommen ausgesetzt (§ 18 a). Ein gutes Examen bewirkt einen Teilerlaß des Darlehens (§ 18 b). Zuständig sind die Ämter und Landesämter für Ausbildungsförderung ( § § 4 0 ff). 7 3 Weil der Bund zu 65 % die Ausgaben trägt (§ 56), wird das Gesetz in seinem Auftrag von den Ländern vollzogen (§ 39 I). Die Darlehensverwaltung obliegt dem Bundesverwaltungsamt (aaO Abs. 2). Über die auf Antrag zu gewährende Förderung wird in der Regel für ein Jahr entschieden (§§ 46, 50). Sie wird aber nur für die Dauer der Ausbildung gewährt. Unterbrechungen ohne wichtigen Grund führen zum Verlust der Förderung 197 .

190 191 192 193 194 195

196

197

Dazu BVerwGE 50, 161 (164); BVerwG, FamRZ 1985, 647. Vgl. BVerwG, FamRZ 1984, 5 1 6 ; 5 2 0 ; 1988, 109. BVerwG, FamRZ 1985, 1 0 8 4 ; OVG Münster, FamRZ 1982, 6 4 6 . Dazu BVerfGE 70, 2 3 0 (239). Nur des Auszubildenden (vgl. § 12 III)! Familienzuschläge gibt es nicht. Auf unterhaltsunabhängige Förderung besteht im übrigen kein Anspruch, BVerwGE 49, 3 3 1 ; s. auch Atzler, FamRZ 1986, 5 2 2 ; OVG Münster, FamRZ 1986, 2 0 4 . Zu den Grenzen der unterhaltsrechtlichen Verpflichtung, eine Zweitausbildung zu finanzieren, BGH, NJW 1989, 2 2 5 3 ; s.a. VGH München, NJW 1990, 2 5 7 6 . Vorlesungsboykott: BVerwGE 47, 9 9 ; 55, 2 8 8 ; VGH Kassel, NVwZ-RR 1988, 88.

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7. Abschn. V 1

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V. Das Arbeitsförderungsrecht 74

Die teilhaberechtliche Komponente des Art. 12 GG verpflichtet den Staat im Rahmen des „magischen Vierecks" zur Vollbeschäftigungspolitik (§ 1 StabG). Ihr dient vor allem das Arbeitsförderungsrecht (§ l) 1 9 8 , das Arbeitslosigkeit verhindern und bekämpfen will199. Die wirtschaftliche Sicherung Arbeitsloser ist dem Ziel nach nur ultima ratio. Arbeitsförderung bedeutet aber auch Versorgung von Wirtschaft und Verwaltung mit qualifizierten Arbeitskräften (§§ 2 Nr. 1, 14). Zuständig ist die Bundesanstalt für Arbeit (BA) mit Hauptstelle in Nürnberg (§§ 3, 189 I, 2, II), eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 189 I l) 2 0 0 . Untergliederungen sind die Landesarbeitsämter und die Arbeitsämter.

1. Beschäftigung und Arbeitsmarkt Die BA hat, um die ihr gesetzten Ziele — hoher Beschäftigungsstand und Verbesserung der Beschäftigungsstruktur (§ 1) — erreichen zu können, ein differenziertes Instrumentarium201. Sie kann die Rahmenbedingungen des Arbeitsmarktes beeinflussen durch Kontrolle und Beschränkung des Zugangs von Ausländern (Arbeitserlaubnis, § 19) 202 , durch Berufsaufklärung (Berufswahlunterricht, Informationszentren etc., §31), durch Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (§§3 II 2, 6) und durch Bekämpfung illegaler Beschäftigung (§2 Nr. 8). Mit Leistungen nach dem Altersteilzeitgesetz sollen durch Herausnahme älterer Arbeitnehmer Arbeitsplätze für jüngere freigemacht werden (§§ 1 ff ATG) 203 . 76 Klassische Aufgabe der Arbeitsämter sind die Arbeitsberatung (§15) und die Arbeitsvermittlung (§§13 ff). Dafür steht der BA ein vom EuGH inzwischen beanstandetes Monopol (§ 4) zu204. Die Arbeitsaufnahme wird durch Zuschüsse zu den Kosten der Bewerbung, des Umzugs oder der Familienheimfahrten gefördert (§53). Von größerer Bedeutung sind aber strukturelle Subventionen. So kann die BA die Schaffung neuer Arbeitsplätze (§§54, 91 II, 94, 97, s. auch §49) fördern. Das Kurzarbeitergeld205 (§§63 ff) soll bei vorübergehendem, nicht branchenüblichem Arbeitsausfall aus wirtschaftlichen Gründen Arbeitsplätze erhalten. Es bemißt sich nach dem Arbeitsentgelt, das ohne die Kurzarbeit erzielt worden wäre (§ 68 I). Das Schlechtwettergeld für Arbeitnehmer im Baugewerbe soll einen witterungsbedingten Einkommensverlust ausgleichen (§§83 ff). Mit der Qualifikation der Arbeitnehmer, insbesondere der Arbeitslosen, soll die Beschäftigungsstruktur206 75

Paragraphen ohne Angabe des Gesetzes sind solche des AFG. Vgl. BVerfGE 53, 313 (324). 200 Mit deutlicher Tendenz zur Anstalt, vgl. Schulin, Rn. 6 2 4 ; s. u. Rn. 222. 2 0 1 Siehe auch den Überblick bei Baltzer, JuS 1985, 4 3 2 ff. 2 0 2 Zu diesem „Puffer" für die Arbeitslosenversicherung: Kühl, ABA 1974, 82; s. auch Höfler, SGb 1982, 59ff; Reuter, JuS 1976, 608; Rittstieg, NJW 1978, 1078. 2 « BGBl. 1988 I, 2 3 4 3 ; Siegers, NZA 1989, 289 ff; s. auch BVerfGE 81, 156 ff. 2 0 4 Verfassungsmäßig: BVerfGE 22, 271 ff; nun a.A. BGH, NJW 1991, 3 2 4 0 ; s.a. EuGH, NJW 1991, 2 8 9 1 ; Eichenhofer, NJW 1991, 2857 ff. 2»5 Zu ihm: Jülicher, in: FS f. Wannagat, 1981, 201 f. 2 0 6 Dazu ausführlich Gagel, § 1 Rn.7ff. 198

199

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7. Abschn. V 2

Sozialrecht

verbessert werden. Dem dienen individuelle Ausbildungs-, Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen (§§33 ff) 207 . Institutionell wird der Aufbau, die Errichtung und die bessere Ausstattung von Bildungseinrichtungen gefördert (§§50 ff). Die gegenüber sonstigen staatlichen Förderungen subsidiäre (§37) individuelle Förderung knüpft an ihre arbeitsmarktpolitische Zweckmäßigkeit (§36 Nr. 3) 208 an 209 . Bei all diesen Maßnahmen werden die Kosten übernommen (§§45, 47). Außerdem wird Berufsausbildungshilfe (§§40 ff) oder — wenn eine beitragspflichtige Beschäftigung von 2 Jahren voranging (§ 46) — Unterhaltsgeld gezahlt (§§ 44, 47). Gruppenspezifisch soll die Beschäftigungsstruktur durch gezielte Maßnahmen etwa zugunsten älterer Arbeitnehmer (§§ 97 ff) verbessert werden. Behinderten hat die BA berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation zu gewähren (§§ 56 ff) 210 . 2. Arbeitslosengeld — Arbeitslosenhilfe Bei Arbeitslosigkeit sieht das AFG Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe vor 211 . 77 Sie setzen zunächst voraus (§§ 100, 134 I Nr. 1), daß der Arbeitnehmer (§§ 168 I 1, 101 II) arbeitslos ist, sich als solcher gemeldet und die Leistung beantragt hat (§105). Arbeitslos ist, wer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine kurzzeitige Beschäftigung — weniger als 18 Stunden wöchentlich (§ 102 I) — ausübt (§ 101 I 1). Das „vorübergehend" kann Jahre dauern und erfaßt selbst den Fall, daß z. B. wegen des Alters eine Rückkehr ins Erwerbsleben nicht mehr möglich oder gewollt ist 212 . Eine mehr als kurzzeitige Tätigkeit als Selbständiger oder als mithelfender Familienangehöriger schließt Arbeitslosigkeit aus. Gleiches gilt für mehrere kurzzeitige Beschäftigungen von zusammen mehr als 18 Stunden. Der Arbeitslose muß der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen (§ 103). Objektiv setzt dies voraus, daß er für das Arbeitsamt erreichbar sein muß (§ 103 11 Nr. 3) und daß er vor allem gesundheitlich in der Lage ist, zu den üblichen Bedingungen beschäftigt zu werden. Allerdings steht im Interesse der Nahtlosigkeit von Arbeitsförderungs- und Rentenversicherungsrecht213 eine längere Minderung der Leistungsfähigkeit Arbeitslosigkeit nur dann entgegen, wenn Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vom Rentenversicherungsträger festgestellt wurde (§§105a, 134 IV 2). Trotz einer Erkrankung während des Leistungsbezugs wird für 6 Wochen die Leistung weiter gewährt (§§ 105 b, 134 IV 1), erst danach zahlt in ihrer Höhe die Krankenkasse Krankengeld (§ 158 I; § 49 I Nr. 3 SGB V). Wer über 65 Jahre alt ist, erhält keine Leistungen mehr (§ 100 II) 214 . Auch sonstige Gründe 207 208 209

210 211

212 213

214

Hoppe/Berlinger, Förderung der beruflichen Bildung, 1985. Dazu Hoppe, SF 1973, 39; ders., SF 1976, 217; Schneider, Soz.Sich. 1975, 170. Zur generellen Problematik: Pitschas, Berufsfreiheit und Berufslenkung, 1983; Rüfner, ZRP 1980, 114 (118) m.w.Nachw. Dazu Mrozynski, Rehabilitationsrecht, 2. Aufl., 1986, 127 f. Vgl. HeueriLomb, Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenhilfe, 1972; Thieme, in: FS f. BSG, 1979, 378 ff. Schönefelder/Kranz/Wanka, § 101 Rn. 12. Dazu: „Empfiehlt es sich, die Voraussetzungen für Sozialleistungen an leistungsgeminderte Personen zur Herstellung der Nahtlosigkeit neu zu regeln?", 1979. Dazu BVerfGE 30, 185 (191).

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7. Abschn. V 2

Franz Ruland

können ausschließen, daß man der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht: z.B. Beschäftigungsverbote215, Strafhaft, häusliche Bindungen (nicht aber wegen Kindererziehung und Betreuung Pflegebedürftiger), Trunksucht (§ 103 I 3). 78 Subjektiv muß Arbeitsbereitschaft bestehen (Ausnahme für Arbeitslose über 58 Jahre: § 105 c). Sie muß alle Beschäftigungen umfassen, die der Arbeitslose seinen Fähigkeiten nach ausüben kann und die ihm unter Abwägung seiner Interessen und der der Gesamtheit der Beitragszahler zumutbar sind (§103 I 1 Nr. 2, II). Präzisiert wird dies in der Zumutbarkeits-Anordnung (ZA) 216 des Verwaltungsrates der BA vom 16.3.1982. Geringfügige Verschlechterungen im Berufsniveau sind immer zumutbar (§ 2 ZA). Im übrigen nimmt der Berufsschutz mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit ab. In den ersten 4—6 Monaten ist der Arbeitslose nur auf Beschäftigungen verweisbar, die seiner Qualifikation entsprechen und mindestens Vs des früheren Einkommens erreichen (§§8 — 10 ZA). Danach durchläuft er in entsprechenden zeitlichen Abständen niedrigere Qualifikationsstufen, bis er auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar ist. Die Qualifikationsstufen sind: 1. Hochschul-/Fachhochschulausbildung, 2. Fachschulausbildung, 3. Ausbildungs-, 4. Anlernberufe, 5. alle übrigen Beschäftigungen (§ 12 ZA). Für den Arbeitsweg sind 2Vi Stunden zumutbar (§ 3 ZA), Pendeln wird nur in Ausnahmefällen angesonnen (§ 5 ZA). Das Einkommen aus der Verweisungstätigkeit darf weder hinter dem Leistungsanspruch des Arbeitslosen noch hinter den einschlägigen Tarifbestimmungen zurückbleiben. Eine Beschränkung für Teilzeitbeschäftigung (§11 ZA) wird nur anerkannt, wenn sie auch bei der anspruchsbegründenden Beschäftigung bestand. Zwar ist bei der Zumutbarkeit immer auf den Einzelfall abzustellen (§ 1 ZA), doch werden sonstige Gründe eher ausnahmsweise anerkannt: So sind z. B. Wehrdienstverweigerer auf Beschäftigungen in Rüstungsbetrieben verweisbar217. Die Verweigerung zumutbarer Arbeit führt wie die selbstverschuldete Aufgabe des Arbeitsplatzes das l . M a l zu einer Sperrzeit von 8 Wochen, während derer weder Leistungen der BA (SS 119 f) noch Krankengeld ($49 I Nr. 3 SGB V) gezahlt werden, beim 2. Mal zum Verlust der Ansprüche (§ 19 III). 79 Der Anspruch auf Arbeitslosengeld hängt weiter von der Erfüllung der Anwartschaftszeit (§ 104) ab. In den letzten 3 Jahren vor Beginn der Arbeitslosigkeit muß eine Beitragspflicht von mindestens 360 Kalendertagen oder eine Ersatzzeit (§ 107) bestanden haben. Der Anspruch ist befristet (§ 106). Die maximale Bezugsdauer von 1 Jahr ( = 3 1 2 Werktage, § 114) setzt in den letzten 7 Jahren eine Beitragspflicht von 720 Kalendertagen voraus. War sie kürzer, verringert sich die Anspruchsdauer in Stufen auf wenigstens 78 Tage. Für ältere Arbeitslose (ab 42 Jahren) gelten längere Fristen. Das Arbeitslosengeld beträgt für Empfänger mit 1 Kind 68 % , sonst 63 % des um die typischen Abzüge (Steuern, Sozialabgaben) geminderten regelmä215 216

217

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Nicht aber das Fehlen der Arbeitserlaubnis: BSGE 4 3 , 153 (160); 4 9 , 2 8 7 (288). ANBA 1982, 5 2 3 ff; zu ihr: Albrecht/Reidegeld, Soz.Sich. 1978, 3 6 0 ; Bender, Soz.Sich. 1979, 73 ff; Bley, in: FS f. Wannagat, 1981, 19 (30 ff); Gagel, BIStSozArbR 1980, 115; Hoppe, SF 1979, l f f ; Klees, BIStSozArbR 1978, 3 6 9 ff, 1979, 1 ff. Vgl. BVerfG, NJW 1984, 9 1 2 ; BSG, SGb 1987, 5 7 4 ; NJW 1983, 7 0 1 ; v.Mutius, ZSR 1983, 663 ff; Pitschas, SGb 1984, 3 4 ff; s. auch BSGE 58, 9 7 ; 64, 202.

Sozialrecht

7. Abschn. V 2

ßigen Arbeitsentgelts ohne Mehrarbeitszuschläge ( § l l l f ) 2 1 8 . Es wird wie die gesetzlichen Renten angepaßt (§ 112 a). Die Arbeitslosenhilfe beträgt für Berechtigte mit 1 Kind 5 8 % , sonst 5 6 % des typisierten Nettoarbeitsentgelts (§136 I). Anschluß-Arbeitslosenhilfe gibt es, wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld erschöpft ist (§134 I Nr. 4 a). Originäre Arbeitslosenhilfe erhält, wer zwar die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, aber im Jahr vor der Arbeitslosmeldung mindestens 150 Kalendertage beitragspflichtig beschäftigt war. Gleichgestellt sind z. B. Zeiten einer Ersatzzeit, eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses oder des Wehrdienstes, aber auch Zeiten des Bezugs einer Einkommensersatzleistung wegen Erwerbsminderung (§ 134 I Nr. 4 b, II, III). Die Arbeitslosenhilfe setzt Bedürftigkeit voraus (§§ 134 I Nr. 3, 137). Die Subsidiarität wird durch Anrechnung des Einkommens des Ehegatten und bei Minderjährigen auch der Eltern (§ 138) oder durch Überleitung insbesondere der Unterhaltsansprüche (§ 140) realisiert. Die Arbeitslosenhilfe ist, solange Arbeitslosigkeit besteht, unbefristet (§ 139 a). Die Leistungen werden nachträglich jeweils für 14 Tage ausgezahlt (§§ 122, 134 80 IV 1). Die Ansprüche ruhen, solange Arbeitsentgelt, Urlaubsabgeltung, eingeschränkt eine Abfindung219, oder sonstige Einkommensersatzleistungen (z. B. Erwerbsunfähigkeits-, Altersrente) beansprucht werden können (§§ 117f). Um der Schwarzarbeit von Leistungsempfängern entgegenwirken zu können, sind der BA Kontrollrechte eingeräumt worden (§§ 132f). Die BA ist bei Arbeitskämpfen zur Neutralität verpflichtet (§ 116 I) 220 . Daher 81 ruhen die Ansprüche der Arbeitnehmer, die wegen ihrer Beteiligung am Arbeitskampf arbeitslos geworden sind (§ 116 II)221. Das gilt — um nicht Schwerpunktstreiks zu fördern — auch für mittelbar betroffene Arbeitnehmer von Betrieben, die im räumlichen und fachlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrages liegen. Es ruhen aber auch Ansprüche von Arbeitnehmern gleichartiger Betriebe in anderen Tarifbezirken, wenn auch dort eine der umkämpften Hauptforderungen erhoben wurde und damit zu rechnen ist, daß sie im wesentlichen übernommen wird (§116 III). Über das Vorliegen dieser Voraussetzungen entscheidet der paritätisch besetzte Neutralitätsausschuß (§§ 116 V, 206 a). An sonstige mittelbar betroffene Arbeitnehmer — z. B. im Zuliefererbetrieb — sind Leistungen zu erbringen, da die BA mit ihrer Verweigerung das Streikrisiko auch nicht zu Lasten der Arbeitnehmer verschieben darf. In den 5 neuen Bundesländern ist das AFG mit befristeten Maßgaben übernom- 82 men worden222. So war bis Ende 1991 Kurzarbeitergeld auch dann zulässig, wenn der Erhalt der Arbeitsplätze nicht gesichert war. Altersübergangsgeld konnte für Zugänge längstens bis 1992 an 57jährige Arbeitslose für die Dauer von 3 Jahren, längstens bis zum frühestmöglichen Bezug der Rente gezahlt werden. Es beträgt 65 % 218

219 220

Deren Nichtberücksichtigung ist verfassungsgemäß: BVerfGE 5 1 , 1 1 5 ( 1 2 4 ) ; s. auch BVerfGE 6 3 , 2 5 5 ff; BSGE 6 5 , 2 1 4 . Dazu BVerfGE 4 2 , 1 7 6 ff. Benda, Sozialrechtliche Eigentumspositionen im Arbeitskampf, 1 9 8 6 , 2 2 1 ff; Isensee,

Betr. 1986, 429 ff; Löwisch, Betr. 1987, 1351 ff; Papier, ZRP 1986, 72 ff; Schulin, Betr. 1985, Beilage Nr. 32; Seiter, NJW 1987, 1 ff. 221

Vgl. u. Fn. 2 6 7 .

222

Dazu Bubeck, NZA 1990, 966 ff. 639

7. Abschn. VI 1 a

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des letzten Nettoentgelts. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen werden stärker als in Westdeutschland gefördert. 3. Konkursausfallgeld 83

Das Konkursausfallgeld (§§ 141 äff) ersetzt das (Netto-)Arbeitsentgelt für längstens 3 Monate, das infolge des Konkurses vom Arbeitgeber nicht mehr ausgezahlt wurde. Die anfallenden Sozialabgaben entrichtet das Arbeitsamt (§ 141 n). 4. Finanzierung

Die Leistungen der BA werden durch Beiträge, Umlagen und Mittel des Bundes finanziert. Die Kosten des Konkursausfallgeldes tragen die Arbeitgeber über Umlagen ihrer Berufsgenossenschaften (§ 186 b). Die Mittel für die Arbeitslosenhilfe zahlt der Bund (§ 188), in dessen Auftrag (keine Selbstverwaltungsangelegenheit) die BA insoweit tätig wird (§ 3 IV). Im übrigen sind die Ausgaben aus den Beiträgen zu bestreiten. Falls sie nicht ausreichen, muß der Bund zuschießen (§ 187). 85 Beitragspflichtig sind alle gegen Entgelt oder zu ihrer Berufsausbildung nicht nur kurzzeitig beschäftigten Arbeitnehmer unter 63 Jahren (§§168f). Die Beitragspflicht erfaßt die Einkommen bis zu der für die Rentenversicherung maßgeblichen Beitragsbemessungsgrenze (§175 I Nr. 1; 1992: 81600 [Ostdeutschland: 57600] DM). Die Beitragsfreiheit folgt weitgehend der Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung (§169 Nr. 1). Beitragspflichtig sind auch Wehr- oder Zivildienstleistende und Gefangene (§ 168 II—III a), für sie zahlt der Bund bzw. das für die Vollzugsanstalt zuständige Land die Beiträge (§171 II, III). Im übrigen tragen Arbeitgeber und -nehmer sie grundsätzlich zu gleichen Teilen (z. Zt. 3,4 %, §§ 167 S. 2, 171 I, 174 I). Die Beiträge werden als Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags von den Krankenkassen eingezogen (§§28dff SGB IV). 84

Spezialliteratur zum Arbeitsförderungsrecht 86

F. Ambsl K.Eckert, Gemeinschaftskommentar zum AFG, 1985 ff; A.Gagel, AFG, 1982 ff; W. Hennig / H. Kühl / E. Heuer, AFG, 1969 ff; A.Knigge / ]. Ketelsen / D. Marschall, Kommentar zum AFG, 1984; E. Schönefelder IG. Kranz/R. Wanka, AFG, 1972 ff; K.Wagner, in: SRH, Rn. 2 0 / 1 ff.

VI. Die Sozialversicherung Die Sozialversicherung ist als Regelsicherungssystem das wichtigste Instrument 87 sozialer Sicherung gegen die Risiken Krankheit, Schwangerschaft, Erwerbsminderung, Arbeitsunfall, Alter, Tod. Sie weist als Summe verschiedener Einzelsysteme nur wenig Einheitliches auf. Daher liegt das Gewicht der folgenden Darstellung bei den Einzelsystemen. 1. Allgemeines Sozialversicherungsrecht a) Durch Beitrag finanzierte Vorsorgesysteme: Trotz aller Unterschiede ist ihren 88 3 Zweigen — Kranken-, Unfall-, Rentenversicherung einschließlich der Altershilfe für Landwirte — gemeinsam, daß sie ausschließlich oder jedenfalls vor allem durch 640

Sozialrecht

7. Abschn. VI 1 b

Beiträge der Gesicherten finanzierte Vorsorgesysteme sind. Die Unfallversicherung ist zugunsten ihrer Versicherten (der Arbeitnehmer) ein Entschädigungssystem, zugunsten ihrer Mitglieder — der Unternehmer (§ 658 RVO) — eine Art Haftpflichtversicherung gegen die aus Arbeitsunfällen herrührenden Ersatzansprüche der Versicherten (Rn. 30). Mittel der Vorsorge ist der Beitrag223. Er ist der Preis für die Möglichkeit, 89 Sozialleistungen zu erhalten224. Auch der, den das versicherte Risiko nicht traf, hat wegen des genossenen Versicherungsschutzes den Beitrag nicht umsonst gezahlt. Beiträge i. S. des Sozialversicherungsrechts sind grundsätzlich alle Geldleistun- 90 gen, die von Versicherten, ihren Arbeitgebern oder Dritten (§ 20 SGB IV) auf Grund gesetzlicher Vorschriften zur Deckung des Finanzbedarfs der Versicherungsträger aufgebracht werden225. Die Kompetenz des Bundes, solche Leistungspflichten aufzuerlegen, ergibt sich aus der, das Recht der Sozialversicherung zu regeln (Art. 74 Nr. 12 GG). Der Beitrag bringt — selbst wenn das BVerfG zweifelt226 — Leistung und Gegenleistung in Abhängigkeit zueinander. Wegen seiner unterschiedlichen Höhe rechtfertigt er unterschiedlich hohe (Einkommensersatz-)Leistungen. Jede Annäherung an eine Finanzierung durch Steuern bringt rechtlich notwendig Nivellierungstendenzen mit sich und gefährdet damit das Wesen der Versicherung und den Bestandsschutz der Anrechte227. Dem Arbeitgeberbeitrag kommt Entgeltcharakter zu 228 . Das Versicherungsprinzip wird durch einen in den einzelnen Zweigen unterschiedlich ausgestalteten sozialen Ausgleich229 modifiziert. Wegen des notwendigen Synallagmas zwischen Beitrag und Versicherungsschutz stoßen Pläne, den Arbeitgeberbeitrag in der Rentenversicherung vom individuellen Einkommen des Versicherten loszukoppeln und an die betriebliche Wertschöpfung anzubinden („Maschinenbeitrag"), auf verfassungsrechtliche Bedenken230. Für die Sozialversicherung sind Staatszuschüsse (Art. 120 I 4 GG; § 20 SGB IV) nicht charakteristisch. Es gibt sie nur in einzelnen Versicherungszweigen (z.B. Rentenversicherung, GAL). Im übrigen beschränkt sich die staatliche Fürsorge auf die Organisation der Versicherung und auf die Garantie ihrer Leistungsfähigkeit231. b) Der Versichertengrundbestand: Allen Versicherungszweigen ist ein Grundbe- 91 stand an Pflichtversicherten (§ 2 II SGB IV) gemeinsam232. Für die personelle 223 224

225 226

227 228

229

230 231 232

Zum Beitragsrecht: Bley, VSSR 1976, 289 ff; Rüfner, in: Zacher, Beitrag, 177ff. BVerfGE 51, 1 (29); 80, 2 9 7 (309f); daher ist z.B. die Hinterbliebenensicherung kein sozialer Ausgleich im Verhältnis zu den Ledigen, denn sie können noch heiraten, vgl. Krause, VSSR 1980, 158; Ruland, ZRP 1978, 113; a.A.: Gitter, 53. BVerfGE 14, 312 (317). BVerfGE 11, 105 (117); 14, 312 (318); 51, 115 (124); 53, 313 (328); 60, 68 (77); anders zur AO: BVerfGE 7, 2 4 4 (254); 14, 312 (317); krit. Ruland, SGb 1987, 133 ff. Isensee, DRV 1980, 147 (154); Ruland, DRV 1985, 13 ff; Zacher, DRV 1977, 197 (216). Vor allem: Badura, in: FS f. BSG, 1979, 687; Isensee, in: Zacher, Beitrag, 487; ders., DRV 1980, 145 (149). Er wird gemeinhin als Wesenselement der Sozialversicherung angesehen, vgl. statt aller W.Bogs, 25; Gitter, 45; Isensee, in: Zacher, Beitrag, 4 8 5 ; Rüfner, 17. Arndt, DRV 1987, 2 8 2 f f ; Isensee, DRV 1980, 145ff; Ruland, SGb 1981, 391 (397). Dazu BSGE 47, 148. Albrecht, Die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, 1977; Figge, Sozialversicherungshandbuch für die betriebliche Praxis, 1982. 641

7. Abschn. VI 1 b aa

Franz Ruland

Begrenzung in den Versicherungszweigen sind allein deren Regelungen maßgeblich. § 2 II SGB IV hat nur deklaratorische Bedeutung233. 92

aa) Gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Arbeiter und Angestellte: Versichert sind zunächst Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 2 II Nr. 1 SGB IV). Das Gesetz definiert Beschäftigung als nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§7 1 SGB IV). Die Versicherungspflicht knüpft mithin nicht an das Arbeits-, sondern an das Beschäftigungsverhältnis234 an. Beschäftigungs- und Arbeitsverhältnis sind nicht voll, aber weitgehend identisch. Für das Beschäftigungsverhältnis ist kennzeichnend die in persönlicher Abhängigkeit von einem Dritten, regelmäßig dem Arbeitgeber, geleistete Arbeit. Kriterien der Abhängigkeit sind die sachliche Weisungsgebundenheit und oder die Eingliederung in den Betrieb. Der sachlichen Weisungsgebundenheit entspricht das Direktionsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich Arbeitszeit, -ort, -dauer, -inhalt und -ausführung. Die Eingliederung in den Betrieb ergibt sich aus der Bindung an Arbeitszeiten, der Ortsgebundenheit der Tätigkeit, daraus, ob der Arbeitgeber das Arbeitsmaterial stellt und das Risiko trägt, ob ein Urlaubsanspruch besteht und Nebentätigkeiten unzulässig oder begrenzt sind. Indizien sind auch eine feste Vergütung und die Lohnsteuerpflicht. (Zumindest) in den Betrieb eingegliedert sind z. B. auch Chefärzte235, freie Mitarbeiter z. B. der Rundfunkanstalten236 und Filial- oder Bezirksstellenleiter237, nicht jedoch Arztverteter238, Reiseleiter239 oder Kantinenwirte240. Gesellschafter-Geschäftsführer leisten fremd bestimmte Arbeit, wenn ihr Gesellschaftsanteil weniger als 50 % beträgt241, nicht aber Vorstandsmitglieder einer AG242 oder Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitgeberseite243. Familiäre Beziehungen schließen ein Beschäftigungsverhältnis nicht aus, sofern es sich nicht um eine rein familiäre Mitarbeit gegen Kost, Logis und Taschengeld handelt244. Nur die freiwillig geleistete Arbeit begründet ein Beschäftigungsverhältnis245. Daran fehlt es z.B. bei Strafgefangenen246, deren bereits beschlossene Einbeziehung in die Sozialversicherung, von der Unfallversicherung abgesehen (§ 540 RVO), noch in Kraft gesetzt

Statt aller: Merten, in: GK-SGB IV, § 2 Rn. 114 ff. Zu ihm: Bley, SGb 1977, 86 ff; Gitter, in: FS f. Wannagat, 1981, 141 ff; Heußner, AuR 1975, 3 0 7 ff; Merten, in: GK-SGB IV, § 7 Rn. 8 ff; Riecheis, ZSR 1962, 1 ff, 3 4 6 ff, 4 0 9 ff; Seiter, VSSR 1976, 179 ff. 2 3 5 BSGE 32, 38. 2 3 i BSGE 36, 2 6 2 ; s. auch JuS 1974, 5 9 9 . 2 3 7 BSGE 11, 2 5 7 ; 35, 2 0 ; s. auch 45, 199; dazu Heinze, in: FS f. BSG, 1979, 3 5 0 ff. 2 3 8 BSGE 10, 4 1 ; Merten, in: GK-SGB IV, § 7 Rn. 12. 2 3 9 BSGE 36, 7. 24° Bley, 133. 2 4 1 BSGE 13, 96; 23, 83; Einzelheiten bei Eicher/Haase/Rauschenback, § 1 2 2 7 Anm. 8 c; Heinze (Fn.237), 3 4 7 ff; s. auch BSGE 66, 69. 2 4 2 Anders bei einem e.V.: BSG, SGb 1985, 198; dazu Seiter, SGb 1985, 179ff. 243 Bley, 134 m.w.Nachw. 2 4 4 BSGE 3, 30 (35); 17, 1 (6); s. auch BSG, NJW 1988, 843. 2 4 5 BSGE 18, 2 4 6 (251); 27, 197 (198); 38, 2 4 5 (246). 2 4 6 Anders: Freigänger, Neumann-Duesberg, DOK 1977, 10 (13). 233

234

642

7. Abschn. VI 1 b aa

Sozialrecht

werden muß (§ 198 III StrafVollzugG). Sonderregelungen finden sich in § 19 III BSHG und in § 10 ArbSiStG. Für das Bestehen des Beschäftigungsverhältnisses kommt es, von erkennbaren 93 strafbaren oder sittenwidrigen Beschäftigungen abgesehen 247 , auf die Gültigkeit des Arbeitsvertrages nicht an 248 . Insoweit hat das Arbeitsrecht mit seiner Lehre vom faktischen Arbeitsverhältnis gleichgezogen249. Abweichungen ergeben sich, wenn das Arbeitsverhältnis ohne Entgeltzahlung fortbesteht (unbezahlter Urlaub, Arbeitskampf, § 192 I SGB V). Versicherungsbedingt ist auch die Abweichung, zu der im Krankenversicherungsrecht die Lehre vom mißglückten Arbeitsversuch führt 250 . Vom Arbeitsverhältnis weicht das Beschäftigungsverhältnis vor allem dadurch ab, daß es auch öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse erfaßt, z. B. das Beamtenverhältnis251. Das ergibt sich zum einen aus den Bestimmungen über die Versicherungsfreiheit der Beamten (z.B. § 6 I Nr. 2 SGB V; § 5 I Nr. 1 SGB VI), die ansonsten überflüssig wären, zum anderen aus der Nachversicherung ausgeschiedener Beamter in der Rentenversicherung (§8 II SGB VI). Diese Abweichungen rechtfertigen, daß das Sozialversicherungsrecht an seiner Lehre vom Beschäftigungsverhältnis festhält 252 . Es ist eine sozialversicherungsrechtliche Wertung privater Arbeits- oder öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse mit Konsequenzen etwa im Hinblick auf die Beitragspflicht 253 . Abhängig beschäftigt sind vor allem Arbeiter und Angestellte. Die Unterschei- 94 dung hat Auswirkungen nur noch im Bereich der Zuständigkeit: Wahlrecht zugunsten einer Ersatzkasse (§ 183 SGB V); in der Rentenversicherung Trennung zwischen LVA (für Arbeiter) und BfA (für Angestellte; § § 1 2 7 , 132 SGB VI). Die Unterscheidung — Arbeiter: überwiegend körperlich, Angestellte: überwiegend geistig beschäftigt — wird zunehmend fragwürdig254. Das Sozialrecht muß sich auf einen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff einstellen255. Voraussetzung der Versicherungspflicht ist das entgeltliche Beschäftigungsver- 95 hältnis. Das Entgelt begründet Vorsorgebedarf und schafft Vorsorgemöglichkeiten. Arbeitsentgelt sind grundsätzlich alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Anspruch auf sie besteht (z. B. Trinkgelder), unter welcher Bezeichnung (z. B. Unterhaltszuschuß, Taschengeld) oder in welcher Form (Geld- oder Sachleistung) sie geleistet und ob sie unmittelbar oder nur 247

248 249 250 251 252

Vgl. BSGE 15, 8 9 ( 9 1 ) ; Merten, in: GK-SGB IV, § 7 R n . 2 6 f ; Seiter, VSSR 1 9 7 6 , 1 7 9 ( 1 8 8 ) ; "Wannagat, 3 1 1 ; s. auch Heine/Koch, ArchSozArb. 1 9 9 0 , 91 ff. BSGE 1, 1 1 5 ( 1 1 7 ) ; 1 1 , 8 6 ( 8 9 ) ; 15, 8 9 (91). Seiter, VSSR 1 9 7 4 , 1 7 9 ( 1 8 7 ) . BSGE 10, 1 5 6 ( 1 5 9 ) ; 5 4 , 2 5 7 ( 2 5 8 ) ; Kunze, D O K 1 9 8 1 , 4 5 4 f f ; krit. Bley, 1 6 2 f . BSGE 2 0 , 1 2 3 ff; 3 6 , 2 5 8 ( 2 6 1 ) ; Ruland, Beamtenversorgung, R n . 6 6 . Krit. Gitter, in: FS f. Wannagat, 1 9 8 1 , 1 4 2 ff; Krejci, VSSR 1 9 7 7 , 3 0 1 ( 3 0 6 ) ; Seiter, VSSR 1 9 7 6 , 1 7 9 ff.

253

Merten, in: FS f. Sieg, 1976, 386.

254

Dieterich, VSSR 1976, 61 ff; Göge, BB 1986, 1772 ff; Kraushaar, AuR 1981, 65 ff; Peters, ZSR 1 9 7 4 , 5 2 4 ; Tons, ZSR 1 9 7 1 , 2 0 5 f; s. auch Hromadka Arbeitern und Angestellten, 1 9 8 9 .

255

(Hrsg.), Gleichstellung von

Dieterich, VSSR 1976, 61 (70); Ruland, SGb 1981, 391 (402 f). 643

7. Abschn. VI 2 a

Franz Ruland

im Zusammenhang (nicht bei Abfindungen256) mit der Beschäftigung erzielt werden (§§ 14, 17 SGB VI; Einzelheiten: Arbeitsentgelt-VO257). Es besteht, schon um den Lohnabzug der Steuern und Sozialabgaben zu vereinfachen, eine weitgehende Übereinstimmung mit dem Steuerrecht. 96

bb) Die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten: Zum Versichertengrundbestand gehören des weiteren die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten (§ 2 II Nr. 1 SGB IV). Dabei „gilt die Berufsausbildung als Beschäftigung" (§ 7 II SGB IV). Auf ein Entgelt kommt es nicht an. Gemeint sind all die Personen, die in Betrieben der Wirtschaft oder des öffentlichen Dienstes eine berufliche Aus-, Fortbildung oder Umschulung erfahren. Der Besuch berufsbildender Schulen allein reicht nicht aus.

97

cc) Behinderte: Es sind Personen mit erheblichen körperlichen, geistigen oder seelischen Regelwidrigkeiten258, die in geschützten Einrichtungen (§ 54 SchwbG; § 5 I BliWaG) beschäftigt werden (§ 2 II Nr. 2 SGB IV)25».

98

dd) Landwirte: Für die (selbständigen) Landwirte (§2 I Nr. 3 SGB IV) gilt Sonderrecht (KVLG; GAL). Ihre berufsständisch organisierten Sicherungssysteme decken zwar die gleichen Risiken ab wie sonst die Sozialversicherung. Insbesondere in der Altershilfe, die nur das „Altenteil" ergänzen soll, sind aber Leistungen und Beiträge ganz anders ausgestaltet. Der hohe Bundeszuschuß und die besonders mit der Altershilfe verfolgte agrarpolitische Zielsetzung lassen die landwirtschaftliche Sozialversicherung zu einer Mischung aus Subvention und Sozialleistung werden260.

2. Das Krankenversicherungsrecht 99

Bei der Darstellung des durch das GRG 261 1988 reformierten Krankenversicherungsrechts steht im Vordergrund die größte Versichertengruppe: die Arbeiter und Angestellten. Sonderregelungen für sonstige Versicherte (z. B. Rentner, Studenten) werden am Ende nachgetragen.

100

a) Die Versicherungspflicht der Arbeiter und Angestellten: Sie ist durch das GRG nun einheitlich geregelt worden. Arbeiter und Angestellte sind versicherungspflichtig, soweit ihr Einkommen einschließlich einmaliger Zuwendungen (z. B. Weihnachtsgeld) die Versicherungspflichtgrenze von 6 1 2 0 0 DM in West- und 256 257 258 259

BSG, JuS 1 9 9 0 , 9 4 3 . BGBl. 1 9 8 4 I, 1 6 4 2 ; Aichberger, N r . 3 5 . S . a . Burger, VSSR 1 9 9 1 , 2 0 5 ff. Vgl. §§ 1 - 3 Eingliederungs-VO, BGBl. 1 9 7 5 I, 4 3 4 . Dazu ausführlich Schulin, Soziale Sicherung der Behinderten, 1 9 8 0 , 5 8 ff, 7 9 ff; s. auch

Compter, DRV 1975, 216 ff. 260

Einzelheiten: Breuer, in: SRH, Rn. 1 8 / 1 ff; Kolb, in: Sachverständigenkommission Alterssicherungssysteme, Bd. 2, 2 8 3 ff; Krasney/Noell/Zöllner (Fn.8).

261

Zu ihm die Nachw. u. Rn.179; Gitter, SGb 1991, 85 ff; Rüfner, NJW 1989, 1001 ff; s. auch Bieback, DuR 1989, 130 ff; Bewertung: Kiefer, KrV 1991, 226; Knieps, SF 1991, 2 1 2 ff.

644

Sozialrecht

7. Abschn. VI 2 c

43 200 DM in Ostdeutschland (1992) nicht übersteigt (§§ 5 I Nr. 1, 6 I Nr. I) 1 6 2 . Sie können sich dann aber freiwillig versichern (§§ 6 IV, 190 III; s. auch § 9 I Nr. 1). Versicherungsfrei sind geringfügig Beschäftigte (§ 8 SGB IV) 263 mit Ausnahme vor allem der Auszubildenden (§ 7) und Behinderten (§5 1 Nr. 7, 8) und der beihilfeberechtigten Beamten auch in einer ansonsten versicherungspflichtigen Nebenbeschäftigung (§ 6 I Nr. 2, III). b) Die Mitgliedschaft: Die Versicherungspflicht führt zur Mitgliedschaft264. 101 Diese ist grundsätzlich Voraussetzung für den Leistungsanspruch (§ 19 I). Aus der Mitgliedschaft leitet sich die Familienversicherung (§10) ab 265 . Der Ehegatte und die Kinder sind, soweit sie nicht selbst versichert oder selbständig tätig sind und ein Gesamteinkommen oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze erzielen, zwar selbst versichert und somit auch anspruchsberechtigt, nicht aber Mitglied der Krankenkasse. Der abgeleitete Versicherungsschutz endet spätestens einen Monat nach dem Tode des Mitglieds (§ 9 III). Die Mitgliedschaft beginnt mit dem Tag des Eintritts in die Beschäftigung (§ 186 102 I). Es darf sich allerdings nicht um einen „mißglückten Arbeitsversuch"266 gehandelt haben. Die Mitgliedschaft ist unabhängig von einer Anmeldung des Versicherungspflichtigen und davon, ob Beiträge gezahlt oder vom Lohn einbehalten wurden (vgl. § 191 Nr. 3). Besteht das Arbeitsverhältnis ohne Entgeltzahlung fort, bleibt die Mitgliedschaft für längstens einen Monat erhalten, im Falle eines rechtmäßigen Arbeitskampfes267 bis zu dessen Beendigung (§ 192 I Nr. 1). Die Mitgliedschaft besteht auch fort, solange Anspruch auf Kranken- oder Mutterschaftsgeld besteht oder während einer Rehabilitationsmaßnahme z. B. Verletztengeld gezahlt wird (§192 I Nr. 3). Gleiches gilt, wenn während des Wehr- oder Zivildienstes Entgelt weiter zu gewähren ist (§192 I, 3). Die Mitgliedschaft endet mit dem Ausscheiden aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung, wenn nicht aus sonstigen Gründen, z. B. Bezug von Rente oder Arbeitslosengeld, die Versicherungspflicht andauert. Ist dies nicht der Fall, besteht Anspruch auf die Leistungen für längstens einen Monat nach Ende der Mitgliedschaft (§ 19 II). c) Die durch die Krankenversicherung gesicherten Risiken: Die Krankenversi- 103 cherung gewährt Leistungen bei Krankheit und Schwangerschaft/Mutterschaft. Sterbegeld gibt es nur noch für am 1.1.1989 Versicherte (§ 58). Da die Krankenversicherung ein finales Sicherungssystem ist, kommt es auf die Ursache des Risikos nicht an. Bei vorsätzlicher Selbstschädigung können Leistungen beschränkt werden 262 263

264

265 266 267

Paragraphen ohne Angabe des Gesetzes sind solche des SGB V. Dazu Krauskopf, § 8 SGB IV, Anm. 1 ff; Meydam, SGb 1983, 228 ff; Seewald, in: Kasseler Kommentar, § 8 SGB IV, Rn. 3 ff. Dazu Schulin, KV 1989, 215 ff; s. auch Hertwig, Das Verwaltungsrechtsverhältnis der Mitgliedschaft Versicherter in einer gesetzlichen Krankenkasse, 1989. Dazu Gerlach/Esping, Familienversicherung, 2. Aufl., 1989; Tons, BKK 1989, 322 ff. Vgl. o. Fn. 250. Zur Auswirkung von Streik und Aussperrung auf das Beschäftigungsverhältnis: BSGE 33, 254; 37, 10; Demuth, Die Einwirkung von Arbeitskämpfen auf das Versicherungsverhältnis der Sozialversicherung, Diss. jur. Göttingen, 1969; Jülicher, in: Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, 1982, 470 ff; Krause, DB 1974, Beilage 14; Maier, in: FS f.BSG, 1979, 285. 645

7. Abschn. VI 2 d

Franz Ruland

(§ 52). Versichert sind grundsätzlich auch die Risiken, die vor der Mitgliedschaft eingetreten sind 268 . Für die Folgen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit sind die Berufsgenossenschaften zuständig ( § 1 1 IV). 104 Krankheit269 ist ein regelwidriger Körper- und/oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf und/oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat 270 . Der Körper- oder Geisteszustand ist regelwidrig, wenn er von der Norm abweicht, die durch das Leitbild des gesunden Menschen geprägt ist. Pflegebedürftigkeit allein wegen Altersschwäche löst keine Leistungspflicht der Krankenversicherung aus 271 . Trunksucht 272 , Kieferanomalien 273 , Zahnlosigkeit 274 oder Zeugungsunfähigkeit275 sind jedoch Krankheiten, ebenso wie ein ernsthafter, wenn auch beständiger Verdacht 276 . Die Krankheit muß behandlungsbedürftig sein oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge haben. Behandlungsbedürftig ist sie, wenn sie ohne ärztliche Hilfe nicht behoben oder vor Verschlimmerung bewahrt werden kann. Ihre Heilbarkeit ist nicht erforderlich 277 . Ausreichend ist, daß Schmerzen oder sonstige Beschwerden gelindert werden (§ 27) 2 7 8 . Schönheitsfehler reichen nicht aus, es sei denn, sie lassen psychische Schäden befürchten. Arbeitsunfähig ist, wer infolge der Krankheit nicht oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung seiner bisherigen Beschäftigung nachgehen kann 279 . Da die Krankenversicherung kurzfristige Einkommensausfälle ersetzen soll, stellt sie bei der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich nur auf die zuletzt ausgeübte Beschäftigung ab. Bei langfristig Erkrankten ist aus dem Gesichtspunkt der Schadensminderung heraus eine Verweisung auf ähnliche Berufe möglich, die um so weiter greift, je weniger qualifiziert die zuletzt ausgeübte Tätigkeit war 280 . 105

Schwangerschaft und Mutterschaft sind keine regelwidrigen Körperzustände, somit keine Krankheiten (anders z. B.: Fehlgeburt). Daher ist ihretwegen ein eigener Versicherungsfall (§195 RVO) notwendig. Aus politischen Gründen ist dieser noch in der RVO geregelt.

106

d) Die Leistungen der Krankenversicherung: Die Krankenversicherung hat nicht nur die Risiken der Krankheit und Schwangerschaft/Mutterschaft umfassend abzusichern, sie ist darüber hinaus zur Prävention, d. h. zu Leistungen zur Förderung der Gesundheit und zur Verhütung von Krankheiten verpflichtet. Dem dienen nicht nur 268

269

270

271

Schulin, KV 1989, 215 (216).

Zum Krankheitsbegriff: Eicher, KrV 1987, 153 ff; Faude, SGb 1978, 374 ff; Krasney, ZSR 1 9 7 6 , 4 1 1 ff; Jung, BSGE 3 5 , 1 0 (12).

Wirtschaftsdienst 1 9 8 7 , 1 1 5 ( 1 1 9 ) ; BT-Drucks. 1 1 / 2 2 3 7 , 1 0 .

Dazu ausführlich: BSG, BKK 1984, 438 f; Naendrup,

ZSR 1982, 322 ff;

Roishoven,

Pflegebedürftigkeit und Krankheit im Recht, 1 9 7 8 , 2 2 2 ff. 272 273 274 275

276

BSGE 2 8 , 1 1 4 ; BSG, Soz.Vers. 1 9 7 8 , 1 6 1 . BSG, Breithaupt 1 9 7 3 , 6 0 3 ; BSGE 3 5 , 10. BSGE 3 5 , 1 0 5 . BSGE 3 9 , 1 6 7 .

Dazu Baltzer, JuS 1982, 568; Tons, DOK 1971, 424 (425 f); zur HIV-Infektion: SGb 1 9 9 0 , 4 3 7 ff.

277

Schroeder-Printzen,

WzS 1979, 129 (131).

Dazu BSGE 2 6 , 2 8 8 ( 2 8 9 ) . 2 7 » BSGE 19, 1 7 9 ; ausführlich: Heinze, 278

280

646

DAngVers. 1 9 8 1 , 3 8 5 ff.

Z u r Problematik: BSGE 2 6 , 2 8 8 ; 3 2 , 18 ( 2 0 f); 4 1 , 2 0 1 ; 4 7 , 4 7 ; 5 3 , 2 2 ; 5 7 , 2 2 7 .

Brocke,

Sozialrecht

7. Abschn. VI 2 d aa

allgemeine Maßnahmen wie Aufklärung und Beratung (§ 20), sondern auch individuelle Leistungen, die bestimmte Krankheiten (Zahnerkrankungen, § § 2 1 f , oder Herz-, Kreislauf- oder Krebserkrankungen, § 25) vermeiden sollen. Sie haben über Fragen der Empfängnisregelung zu beraten und Leistungen bei rechtmäßiger Sterilisation und rechtmäßigem Schwangerschaftsabbruch ( § § 2 0 0 e f f RVO) zu erbringen281. Ist der Versicherte erkrankt und arbeitsunfähig geworden, hat es für ihn drei 107 Konsequenzen: den Aufwand für ärztliche Behandlung und Arznei, den Einkommensverlust (ggf. erst nach Wegfall der Lohnfortzahlung) und die mit dem Einkommen verlorene Möglichkeit der Vorsorge. Die Krankenversicherung bietet umfassenden Schutz. Die Krankenbehandlung umfaßt (zahn)ärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz, Arznei, Verbands-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häusliche Krankenpflege, Haushaltshilfe, Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung (§ 27 a) und Leistungen zur Rehabilitation (§ 27). Das Kranken- (§ 44) oder MutterschaftsgeW (§§ 200 ff RVO) soll das weggefallene Einkommen ersetzen. Von der Versicherung und dem Versicherten gemeinsam getragene Beiträge zu anderen Versicherungszweigen sorgen für andere Risiken vor (§§3 S. 1 Nr. 3, 170 I Nr. 2 a SGB VI). Seit 1.1.1991 übernehmen die Krankenkassen einen Teil der Kosten für die Pflege innerhalb der Familien. Der Pflegebedürftige hat entweder Anspruch auf monatlich 400 DM Pflegegeld oder auf 750 DM Sachleistungen in Form von 25 Pflegestunden im Monat. Dies gilt allerdings nur für besonders schwere Pflegefälle (§§53 ff). Die meisten Leistungen sind Pflichtleistungen (§ 31 SGB I; § 30 SGB IV). Die Krankenkassen können in ihren Satzungen im gesetzlichen Rahmen (§20 III) weitere Leistungen vorsehen, z.B. (höhere) Zuschüsse zu Kuren (§ 23 II 2) oder zu Vorsorgekuren für Mütter (§ 24 I 2), erweiterte häusliche Krankenpflege oder Haushaltshilfe (§§ 37 f) oder Erprobungsregelungen (§§ 63 ff). Nur ausnahmsweise stehen die Leistungen im Ermessen (§38 SGB I; §§23 IV, 24 I, 41). aa) Die Krankenbehandlung: Die Krankenbehandlung wird vom Beginn der 108 Krankheit an gewährt. Sie hat ausreichend und zweckmäßig zu sein und darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§§ 12, 70) 282 . Inhaltlich ausgefüllt werden diese unbestimmten Rechtsbegriffe durch Richtlinien für die kassenärztliche Versorgung, die von den paritätisch (Kassen, Ärzte) zusammengesetzten Bundesausschüssen beschlossen werden (§ 92). Die Leistungen sind grundsätzlich als Sach- oder Dienstleistungen zu erbringen 109 (§ 2 I, II) 283 . Die Krankenkasse „kauft" sie bei Ärzten, Apothekern und Krankenhäusern ein und verschafft dem Versicherten so entsprechende Behandlungs- und 281

282 283

BVerfGE 6 7 , 2 6 ; 7 8 , 3 2 0 ; BSG, SGb 1 9 8 5 , 4 7 1 ; Faude, Selbstverwaltung und Solidarverantwortung im Sozialrecht, 1 9 8 3 , 1 4 6 ff; Geiger, E u G R Z 1 9 8 4 , 4 0 9 ff; Isensee, N J W 1 9 8 6 ,

1645 ff; Kluth, FamRZ 1985, 441 ff; Krause, NVwZ 1985, 87 ff; Wendt, KJ 1983, 202 ff. Einzelheiten: Krauskopf, § 27 SGB V Rn. 8 ff; s. auch Tons, BKK 1980, 231 f. Z u m Sachleistungsprinzip: BSGE 19, 2 1 ( 2 3 ) ; 4 2 , 1 1 7 ( 1 1 9 f); BSG, N J W 1 9 8 9 , 2 9 7 0 ; v.Maydell, Z u r Kostenerstattung in der gesetzlichen Krankenversicherung, 1 9 8 2 , 2 4 ff;

Meydam, SGb 1977, 92 ff; Unger, SGb 1983, 340 ff; Zacher/Friedrich-Marczyk, ZfS 1980, 97 ff; s. auch Müller/Wasem, ZSR 1987, 300 f.

647

7. Abschn. VI 2 d bb

Franz Ruland

Leistungsansprüche. Er braucht nicht vorzuleisten und ist nicht auf die Erstattung seiner Auslagen angewiesen, muß andererseits aber auch, vom Notfall abgesehen, die Leistung als Sachleistung entgegennehmen. Er kann nicht als „Privatpatient" auftreten und sich den Kassenanteil erstatten lassen (§13; s. aber § 6 4 ; Art. 61 GRG) 284 . Das Sackleistungsprinzip ist mehrfach begrenzt worden. Bei kieferorthopädischen Behandlungen und bei Zahnersatz gibt es nur eine anteilige Kostenerstattung (§§ 29 ff). Bei Arznei-, Verbands- und Hilfsmitteln sind Festbeträge vorgesehen und z.T. schon festgesetzt worden (§§35, 36, 12 II), bis zu deren Höhe die Krankenkassen die Kosten übernehmen. Wird ein teureres Produkt gewählt, muß der Versicherte zuzahlen285. Eine Zuzahlungspflicht besteht auch bei Kuren, Rehabilitationsmaßnahmen, Krankenhausbehandlung (§§23 VI, 24 II, 39 IV, 40 V, 41 II) und bei Fahrtkosten (§ 60 II). Bei Brillengestellen, Kontaktlinsen und Vorsorgeund Müttergenesungskuren wird nur ein Zuschuß gezahlt (§§ 23 II 2, 24, 33 III, IV, 41). Von der Versorgung ausgeschlossen sind Arznei-, Heil- und Hilfsmittel bei nur geringfügiger Gesundheitsstörung (§ 34) und die Ersatzbeschaffung von Sehhilfen (§ 33 IV). Um Härten zu vermeiden, kann von der Zuzahlung ganz oder teilweise befreit werden, wenn ansonsten eine unzumutbare Belastung eintreten würde (§§61f) 2 8 '. 110 Die Krankenkassen erbringen ihre Sachleistungen nur in Ausnahmefällen selbst. Eigeneinrichtungen sind durch Gesetz beschränkt (§§76 I 3, 140). Nicht einmal Brillen dürfen sie selbst abgeben287. Die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen, (Zahn-)Ärzten und Versicherten richten sich nach dem Kassenarztrecht (§§72ff). Aber auch die Beziehungen zu Krankenhäusern (§§ 107ff) und Apotheken (§§ 129 ff) unterliegen Sonderrecht. 111 Die Krankenbehandlung wird bei fortdauernder Mitgliedschaft zeitlich unbegrenzt geleistet. Eine Aussteuerung gibt es nicht. Über das Ende der Mitgliedschaft hinaus wird die Krankenbehandlung jedoch für längstens 1 Monat gewährt (§ 19 II). bb) Das Krankengeld: Das Krankengeld hat Einkommensersatzfunktion (§47 III). Bezog der Versicherte kein Einkommen — z.B. Auszubildende —, steht ihm kein Krankengeld zu (§ 44 I 2). Diese Konsequenz ist von der Rechtsprechung auch auf den Fall des unbezahlten Urlaubs übertragen worden288. Wird der Lohn fortgezahlt oder werden sonstige Einkommensersatzleistungen bezogen, ruht der Anspruch auf Krankengeld (§§ 49 f). Er endet mit der Bewilligung der Alters- oder Erwerbsunfähigkeitsrente (§50 I). Die Krankenkasse kann verlangen, daß der Versicherte entsprechende Anträge stellt (§51; § 1 1 6 II SGB VI). 113 Das Krankengeld beträgt brutto maximal 80 % des der Beitragspflicht unterworfenen Arbeitsentgelts ohne einmalige Zahlungen (Regellohn), darf aber das entgan112

284

285

286 287 288

648

Dazu Heller, BAB1. 1989/4, 15; Meydam, SGb 1991, 377 ff; Schulin, Kostenerstattung der Ersatzkassen, 1989. Vgl. Schönbach/Waldeck, AuSP 1990, 12 ff; s. auch Bever-Breitenbach, BKK 1991, 549ff; jensen/Schmeinck, BKK 1989, 104ff; Paetow, AuSP 1989, 314ff. Nass, DOK 1988, 656 ff; Zipperer, BAB1. 1989/4, 30 ff. Dazu BGHZ 82, 375; BSGE 63, 173. BSGE 43, 86 ff; dazu Kunze, DOK 1979, 665; Schulin, SGb 1977, 476.

7. Abschn. VI 2 e aa

Sozialrecht

gene Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen (§ 47) 2 8 9 . An das Krankengeld sind Beitragspflichten zur Rentenversicherung geknüpft (§170 I Nr. 2 a SGB VI). Das Krankengeld wird, kommt es zu einer längerfristigen Zahlung, wie die gesetzlichen Renten dynamisiert (§ 47 V). Der nach Kalendertagen berechnete Anspruch auf Krankengeld beginnt — außer 114 bei stationärer Behandlung — mit dem auf die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgenden Tag (§ 46). Er ruht, solange sie nicht gemeldet ist (§ 49 I Nr. 5). Er ist an sich unbefristet, doch wird wegen derselben Krankheit Krankengeld nur für höchstens 78 Wochen innerhalb einer Blockfrist von 3 Jahren gezahlt (§ 48). Ist diese 78Wochen-Frist, die unter Einschluß des Ruhens (z.B. wegen Lohnfortzahlung) berechnet wird 290 , erschöpft, fällt der Anspruch weg und kann mit Beginn einer neuen Blockfrist von 3 Jahren für maximal 78 Wochen wieder aufleben291 — soziale Sicherung mit Unterbrechungen, eine wenig sinnvolle Regelung. cc) Leistungen an Ausländer und Versicherte im Ausland: Aus dem Territorialitätsprinzip (§30 SGB I) folgt, daß Leistungen im Inland zu erbringen sind (§§ 16 I Nr. 1, 4, 18). Auf Grund zahlreicher Sozialversicherungsabkommen können nach deutschem Recht Anspruchsberechtigte Leistungen auch in den Vertragsstaaten erhalten. Bei Sachleistungen sind sie Versicherten des aushelfenden Versicherungsträgers gleichgestellt. Geldleistungen erhalten sie nach deutschem Recht 292 . Bestehen solche Abkommen nicht, gibt es Sonderregelungen z. B. für im Ausland Tätige (§ 17). Für die Kosten eines Rücktransports kommt die Krankenkasse nicht auf 293 . Für Ausländer im Inland gelten keine Besonderheiten.

115

e) Das Kassenarztrecht häusern und Apotheken:

116

und die Beziehungen

der Krankenkassen

zu Kranken-

aa) Das Kassenarztrecht: Ärztliche Leistungen werden als „Sachleistungen" nach den Regeln des Kassenarztrechts (§§2, 72 ff) 294 gewährt. Sie gelten eingeschränkt auch für die Ersatzkassen (§72 III). Ihrem leichteren Verständnis dient der Überblick auf S. 650. Das Gesetz gibt nur einen Rahmen vor, der durch Verträge (Bundesmantelver- 117 träge, Gesamtverträge) zwischen den Verbänden der Krankenkassen und den kassen(zahn)ärztlichen (Bundes-)Vereinigungen ausgefüllt wird 295 . Die größere Bedeutung kommt den Bundesmantelverträgen zu 296 . In ihnen ist bundesweit der » 9 Einzelheiten bei Krauskopf, § 4 7 SGB V Rn. 3 ff. BSGE 19, 179 (180); 27, 66 (68); zum (unzulässigen) Verzicht auf Lohnfortzahlung: BSGE 5 1 , 82; Schmalz, BKK 1981, 173. 2 9 1 BSGE 31, 125. 2 9 2 Vgl. Schuler, SGb 1983, 4 6 9 ff. 2 9 3 BSGE 47, 79; Wortmann, DOK 1975, 364. 2 9 4 Zu ihm vor allem Heinemann/Liebold, Kassenarztrecht, 5. Aufl., 1980; Krauskopfl Siewert, Kassenarztrecht, 3. Aufl., 1980; Schnapp/Düring, NJW 1989, 2913 ff; Schneider, Kassenarztrecht, 1983; Wanner, BKK 1989, 190ff; zum Knappschaftsarztsystem (§72 IV): Emmerich, in: FS f. Grüner, 1972, 125 ff. 295 Ygi z g die Sammlung von Lippe, Vertrags- und Gebührenrecht der Krankenkassen in Niedersachsen, 1983. 296 Vgl z . b. Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä), Aichberger, Nr. 242.

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290

649

7. Abschn. VI 2 e aa 118

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Sozialrecht

7. Abschn. VI 2 e aa

allgemeine Inhalt der Gesamtverträge vereinbart (§§ 82, 87). Die Bundesmantelverträge präzisieren zunächst die Pflichten der Kassenärzte. Stichwortartig seien genannt: persönliche Behandlung (§4 I, III), Aufzeichnungen (§5), Sprechstunden (§ 6), Hausbesuche (§ 7 jew. BMV-Ä). Auch darf von Kassenpatienten eine Vergütung grundsätzlich nicht gefordert werden (§ 4 V aaO). Geregelt sind auch die Pflichten der Versicherten. Sie müssen die Krankenversichertenkarte oder den Krankenschein (§15 II) vorweisen (§§8 ff BMV-Ä) und sollen den Arzt ohne triftigen Grund im Quartal nicht wechseln (§ 76 III; § 8 II lit. b BMV-Ä). Festgelegt sind des weiteren die Voraussetzungen einer Überweisung (§ 20), Krankschreibung (§ 21), von Auskunftspflichten (§ 30) und die Verantwortlichkeiten bei der Überprüfung der Kassenärzte (§§ 33 f jew. aaO). Bei der Behandlung sind die Ärzte an die Richtlinien der Bundesausschüsse (§92) gebunden (§§92 VII, 95 III), die Bestandteil der Bundesmantelverträge sind. Gleiches gilt für die Bewertungsmaßstäbe (§ 87 II) 297 , mit denen die einzelnen ärztlichen Leistungen nach einem Punktesystem bewertet werden. Mit ihrer Bewertung, die Grundlage der Vergütung ist, kann je nach Einstufung z.B. technischer Leistungen Art und Weise der Behandlung beeinflußt werden298. Die Gesamtverträge (§ 83) 299 regeln vor allem Art und Umfang der Vergütung 119 (§§82 III, 83 III) der Kassenärzte, die Rechnungslegung und Richtgrößen für die Verordnung von Arznei und Hilfsmitteln (§ 84). Sie werden von den Landesverbänden der Kassen und den kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen geschlossen. An sie sind Krankenkassen (§210 II) und Kassen(zahn)ärzte (§95 III) gebunden. Daher kommt den Bundesmantel- und den Gesamtverträgen Normqualität zu300. Kommt es zu keiner Vereinbarung dieser Verträge, kann ihr Inhalt durch Schiedsämter festgesetzt werden (§ 89). Ihr Spruch ist für die betroffenen Vertragspartner ein Verwaltungsakt101, gegen den Anfechtungsklage möglich ist (§§ 54, 70 Nr. 4 SGG). Geleistet wird die kassenärztliche Versorgung von den Kasse« (zahn)ärzten 120 (§ 15) 302 . Nichtärzte, wie z.B. Psychotherapeuten, haben zu ihr keinen unmittelbaren Zugang (§§ 15 I 2, 28 I 2) 303 . Auf die Zulassung zum Kassenarzt besteht ein Anspruch304, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen (§§95 II, 96 ff; ZulassungsVO) erfüllt sind. Er kann zur Verhinderung einer Unterversorgung regional beschränkt werden (§§99 ff). Sonstige Ärzte können bei Bedarf zur kassenärztli297

BSGE 4 2 , 2 6 8 .

29 ®

Schauenburg/Korbmacher, BKK 1987, 221 f; Schirmer, BKK 1977, 218 (226); s. auch Partsch, DOK 1986, 709; KBV, DÄ 1987, 591 ff. Zu ihnen: Lüke, SGb 1983, 8 ff.

299 300

Wie hier: BSGE 2 0 , 7 3 ( 8 1 ) ; 2 8 , 7 3 ( 7 5 ) ; 2 9 , 2 5 4 ( 2 5 6 ) ; Papier,

VSSR 1 9 9 0 , 1 2 3 ( 1 3 4 ff);

Schneider (Fn.294), 223; a.A.: Sieg, SGb 1965, 289. sei BSGE 2 0 , 7 3 (75). 3 0 2 Dazu Laufs, Arztrecht, 4 . Aufl., 1 9 8 8 ; Meier-Greve, Öffentlich-rechtliche Bedingungen und freiberufliche Stellung des Kassenarztes, Diss. jur. Göttingen 1 9 6 8 ; Narr, Ärztliches Berufsrecht, 2 . Aufl., 1 9 8 5 . 303 304

Dazu BVerfGE 7 8 , 1 5 5 ff; 1 6 5 ff. Vgl. BVerfGE 1 1 , 3 0 ff; 12, 1 4 4 ff; s. auch BVerfGE 1 6 , 2 8 6 ; H. Bogs, in: FS f. Wannagat, 1 9 8 1 , 5 1 ff. Z u r neueren Diskussion: Wannagat, M e d R 1 9 8 6 , 1 ff; Schirmer, BKK 1 9 8 7 , 4 8 ff.

651

7. Abschn. VI 2 e bb

Franz Ruland

chen Versorgung ermächtigt werden (§ 95 III, IV). Mit der Zulassung und der Ermächtigung, die ebenso wie ihr Entzug durch paritätisch zusammengesetzte Zulassungsausschüsse erfolgen, wird man kraft Gesetzes (§ 95 III) Mitglied der kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung (§§77ff). Sie hat in ihrem Gebiet die kassenärztliche Versorgung sicherzustellen, wofür sie den Krankenkassen, die ihren Versicherten gegenüber entsprechend verpflichtet sind (§§11, 27), haftet (§75). Die Versicherten haben freie (Kassen-)Arztwahl (§ 76). Zwischen ihnen und dem Arzt kommt kein Vertrag zustande305; der Arzt haftet gleichwohl nach bürgerlichem Vertragsrecht (§ 76 IV)306. Er soll darüber hinaus auch der Krankenkasse ersatzpflichtig sein307. 121 Die Vergütung der Kassenärzte308 erfolgt ganz überwiegend nach dem Einzelleistungssystem (§ 85 II). Die Ärzte rechnen die Krankenversicherungskarten bzw. Krankenscheine anhand der Bewertungsmaßstäbe mit ihrer kassenärztlichen Vereinigung ab, die darüber einen Honorarbescheid erläßt und auf der Basis der von ihr erteilten Honorarbescheide von den Krankenkassen die Gesamtvergütung einfordert (§85 I). Deren Höhe hängt von der Zahl der abgerechneten Punkte und ihrem im Gesamtvertrag vereinbarten DM-Wert ab. Die Gesamtvergütung wird dann nach dem Verteilungsmaßstab (§ 85 IV) auf die Kassenärzte verteilt. Veränderungen der Gesamtvergütung sollen Empfehlungen der Bundesverbände bzw. der „konzertierten Aktion" (§§141f) 3 0 9 angemessen berücksichtigen (§86), was notfalls durch Schiedssprüche geschieht310. 122 Kontrolliert werden Kassenärzte zunächst durch ihre Vereinigung, die die Honorarforderungen rechnerisch überprüft. Paritätisch zusammengesetzte Prüfungsausschüsse (§106 IV) überwachen die Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Maßnahmen. Der Medizinische Dienst (§§275ff) kann auch auf Antrag des Arbeitgebers z.B. Krankschreibungen überprüfen. Seine Entscheidung ist insoweit maßgeblich (§21 VIII BMV-Ä). Kaum kontrollierbar ist, was die Ärzte an Leistungen abrechnen311. Daher können einzelne Krankenkassen ihren Versicherten mitteilen, was ihretwegen in Rechnung gestellt wurde (§63). 123

bb) Die Beziehungen zu den Krankenhäusern und Apotheken: Auch mit den an der Versorgung der Versicherten beteiligten Krankenhäusern (§§ 107 f), zwischen denen der Versicherte nur noch unter der Gefahr der Zuzahlung wählen kann (§ 39 II), werden öffentlich-rechtliche Versorgungsverträge (§§ 109 ff) geschlossen, denen Wie hier: BSGE 33, 158 (160 f); Eberhardt, AcP 1971, 2 8 9 (296): Haueisen, NJW 1956, 1745 (1746); Schnapp/Düring, NJW 1989, 2 9 1 6 ; Tiemann/Tiemann, Kassenarztrecht im Wandel, 1983, 2 8 8 ; a.A.: BGH, NJW 1980, 1452 (1453); Laufs (Fn.302), 12 f. Dazu Krause, SGb 1982, 4 2 5 (429 ff); s. nun auch BSGE 55, 144ff; dazu Natter, NJW 1986, 1529 ff; Plagemann, NJW 1984, 1377. 3 0 7 BSGE 55, 144 (148); krit. Plagemann, NJW 1984, 1377ff; Tiemann, NJW 1985, 2 1 6 9 ff. 308 Vgl lüke, Beiträge zum neuen Kassenarztrecht, 1980, 6 ff; Schneider (Fn.294), 2 3 8 ff. 3 0 9 Zu ihr: H. Bogs und Herder-Dorneich, in: Gesundheitspolitik zwischen Staat und Selbstverwaltung, 1982, 3 8 6 ff; 4 1 8 ff; Bogs, SGb 1982, 1 ff; Fischwasser, BAB1. 1977, 310. 3 1 0 Vgl. Lüke (Fn. 308), 136 ff. 3 1 1 Die Anforderung von Gebühren für nicht erbrachte Leistungen rechtfertigt den Entzug der Zulassung: BSGE 33, 161; Weber/Droste, NJW 1990, 2 2 8 1 ff.

652

7. Abschn. VI 2 f

Sozialrecht

auf Bundesebene erarbeitete Rahmenempfehlungen zugrunde liegen (§ 112). Diese der Zwangsschlichtung unterworfenen (§114) Verträge regeln die allgemeinen Bedingungen der Krankenhauspflege; die Höhe der Pflegesätze muß gesondert vereinbart werden (§§ 109 IV 3; 111 V), wenn sie nicht staatlich festgesetzt werden soll312. Die Versicherten können eine höhere als die allgemeine Pflegeklasse wählen, wenn sie die Kostendifferenz zuzahlen. Zu den Apotheken bestehen nunmehr durch öffentlich-rechtliche Rahmenver- 124 träge (§ 129 II) geregelte Beziehungen, die u. a. durch den Apothekenrabatt von 5 % (§ 130) 313 gesetzlich beeinflußt werden314. Auch die pharmazeutische Industrie soll vertraglich gebunden werden (§131). Die Beziehungen zu den übrigen Leistungserbringern (z. B. Orthopäden) sind jetzt dem öffentlichen Recht zugeordnet (SS 124 ff)315. f) Die Finanzierung der Krankenversicherung: Die Krankenversicherung finan- 125 ziert sich nahezu ausschließlich mit Beiträgen, die Arbeitgeber und -nehmer grundsätzlich je zur Hälfte tragen (§§ 220, 249 I). Beitragsschuldner ist der Arbeitgeber (§ 28 e I SGB IV), der den Arbeitnehmeranteil im Lohnabzugsverfahren einbehält (§ 28 g SGB IV). Er hat für Arbeitnehmer mit geringfügigem Einkommen die Beiträge allein zu tragen (§249 II Nr. 1). Mitglieder, deren Einkommen oberhalb der Versicherungspflichtgrenze liegt, die sich aber freiwillig weiterversichert haben, zahlen zwar den gesamten Beitrag selbst (§ 250 II). Ihr Arbeitgeber muß intern aber als versicherungsrechtliche Pflicht316 die Hälfte übernehmen (§ 257). Den Beitragssatz legt die Kasse durch Satzung fest (§ 194 I 4). Die Beiträge sollen 126 zusammen mit den anderen Einnahmen (z. B. aus Vermögen) die voraussichtlichen Ausgaben decken und die notwendigen Rücklagen sicherstellen (§21 SGB IV; § 220). Die Beitragssätze schwankten Ende 1991 zwischen 8,0 und 14,9 % (Schnitt: 12,5 %) 317 . Innerhalb der einzelnen Kassen sind sie grundsätzlich einheitlich (§§242 ff). Erhöhte Beiträge treffen jedoch Versicherte ohne Anspruch auf Lohnfortzahlung (§ 242). Kann Krankengeld nicht beansprucht werden, ermäßigt sich der Beitrag (§243). Differenzierungen nach dem Familienstand sind unzulässig318. Die Familienversicherung wird ohne zusätzliche Beiträge erbracht319 (§3 S.3).

312 313 314

316 317

Vgl. §§ 1 8 , 1 7 V K H G . Verfassungsmäßig: BVerfG, D O K 1 9 7 1 , 3 7 1 . Z u r problematischen Einbindung des einzelnen Apothekers: Schlink, der soz. Dienste 1 9 9 0 , 1 1 / 1 .

Beiträge zum Recht

BT-Drucks. 1 1 / 2 2 3 7 , 2 0 4 ; Heinze, VSSR 1 9 9 1 , 1 ff. GemSOGB, BSGE 3 7 , 2 9 2 ( 2 9 6 ) . B M A , BAB1. 1 9 9 1 / 1 1 , 1 1 5 ; zu den Ursachen und den sich daraus ergebenden Problemen:

BSGE 58, 134; Brunkhorst,

DOK 1987, 16 ff; Soellljaeger/Geißler,

Verfassungsrechtliche

Aspekte der Beitragssatzunterschiede in der gesetzlichen Krankenversicherung,

318 319

1980;

s. auch Henkel Adam, Wirtschaftsdienst 1982, 549 ff; Oldiges, in: FS f. Wannagat, 1981, 319 ff; PreiserIWeber, AuSP 1988, 38 ff. BSGE 56, 259; Löffler, SF 1979, 125. Gleichwohl ist zweifelhaft, ob sie ein Element des sozialen Ausgleichs ist, wie es BIStSozArbR 1 9 7 9 , 2 4 8 ( 2 5 0 ) ; Peters, SGb 1 9 8 1 , 3 7 8 ( 3 8 1 ) , annehmen, vgl.

Meydam, Rohwer-

Kahlmann, FS f. W.Bogs, 1967, 119 ff; Ruland, Unterhalt, 55. 653

7. Abschn. VI 2 g cc

Franz Ruland

Werden Leistungen nicht in Anspruch genommen, können Beiträge erstattet werden (§64). Der Bund trägt nur die Kosten für das Mutterschaftsgeld (§200d). Er ist aber Garant für die finanzielle Leistungsfähigkeit des Systems320. 127

g) Sonderregelungen für einzelne Gruppen: aa) Die Krankenversicherung der Rentner: Die zweitgrößte Gruppe der Pflichtversicherten stellen die Rentner (§51 Nr. 11, 12) dar, zu denen die Bezieher sowohl von Versicherten- als auch von Hinterbliebenenrenten rechnen. Ihre wegen der hohen Kosten immer wieder „reformierte" Sicherung321 hängt derzeit davon ab, ob sie in der 2. Hälfte ihres Erwerbslebens zu 9/io der Zeit Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung oder familienversichert waren. Mitglieder einer privaten Krankenversicherung können befreit werden (§8 1 Nr. 4). Die Versicherung beginnt, wenn der Rentenantrag gestellt wird. Wird er abgelehnt, kommt es zur Formalversicherung (§ 189). Die Mitgliedschaft erlischt mit dem Tode des Versicherten oder dem Wegfall der Rente (§ 190 XI). Dem Rentner steht die gesamte Palette der Leistungen zu, aber kein Krankengeld (§ 50 I Nr. 1; Ausnahme: Berufsunfähige). Die Rentner müssen Beiträge zahlen (§§225, 249 a). Beitragspflichtig sind nicht nur Renten (§§ 226 I Nr. 3, 228) mit dem durchschnittlichen Beitragssatz (§247), sondern auch sonstige Versorgungsbezüge (§229) mit aber nur halbem Beitragssatz (Arbeitnehmeranteil, § 248) 322 . Die Beiträge werden von den Rentenversicherungs- und den übrigen Versorgungsträgern einbehalten und an die Krankenkassen abgeführt (§§ 255 £). Die Rentenversicherungsträger tragen den auf die Rente entfallenden Beitrag zur Hälfte (§249a). Das Defizit aus der Krankenversicherung der Rentner tragen die Krankenkassen gemeinsam (§§268 ff).

128

bb) Die studentische Krankenversicherung: Versichert sind auch Studenten und Praktikanten (§5 1 Nr. 9, 10), soweit sie nicht sonst pflichtversichert sind oder für sie und ihre Angehörigen Anspruch auf Familienversicherung besteht (§ 5 VII). Ihre Mitgliedschaft beginnt mit der Einschreibung oder Rückmeldung (§ 186 VII) und endet 7 Monate nach Beginn des letzten versicherten Semesters (§190 IX). Sie haben keinen Anspruch auf Krankengeld (§44 I 2) und zahlen demgemäß einen einheitlichen, aber verringerten Beitrag (§ 236), zu dem es für BAföG-Empfänger einen Zuschuß von 45 DM gibt (§ 13 II a BAföG). Ab dem 14. Semester oder nach dem 30. Lebensjahr ist grundsätzlich nur noch eine freiwillige Versicherung mit höheren Beiträgen möglich (§§ 5 I Nr. 9, 9 I Nr. I) 323 .

129

cc) Die Krankenversicherung der Arbeitslosen: Arbeitslose, die Leistungen von der Bundesanstalt für Arbeit beziehen, werden auf deren Kosten gegen Krankheit versichert (§§ 155, 157 I AFG)324. Krankengeld erhalten sie in Höhe der von der 320 Yg[ BSGE 34, 177; 47, 148; zu den Fremdlasten der Krankenversicherung: Brunkhorst, SGb 1987, 2 2 6 ff. 321

322

323 324

654

Bebrendsl

Laufer, in: VDEVRuland (Rn. 179), Rn. 2 6 / 1 ff; Lauferl Eibs/Ott, KVdR, 8. Aufl., 1990, s. auch Jacobs/Schräder, AuSP 1989, 182 ff. Zur verfassungsrechtlichen Problematik: BVerfGE 79, 2 3 3 ff; zu Betriebsrenten: BSG, SGb 1986, 23. Krit.: Bieback, DuR 1989, 130 (136); Rüfner, NJW 1989, 1001 (1003). Schaller, ZfS 1990, 33 ff.

7. Abschn. VI 3

Sozialrecht

Bundesanstalt gezahlten Leistung (§ 158 I AFG). Während einer Kurzarbeit bleibt die Mitgliedschaft erhalten, der Arbeitgeberbeitrag wird bezuschußt (§§ 162, 163 AFG). h) Die Organisation der gesetzlichen Krankenversicherung: Die Mitgliedschaft 130 besteht grundsätzlich bei den Allgemeinen Ortskrankenkassen ( § § 1 7 3 , 143 ff). Ausnahmen gelten für Betriebs- (§§174, 147ff) und Innungskrankenkassen (§§175, 157 ff). Seeleute sind bei der See-Krankenkasse (§176), Beschäftigte im Bergbau bei der Bundesknappschaft (§ 177; §§ 6, 15 ff RKG), Landwirte bei den landwirtschaftlichen Krankenkassen ( § § 4 4 f KVLG) versichert. Die Ersatzkassen ( § § 1 6 8 ff) 325 haben keine gesetzlichen Mitglieder. Sie müssen sie den anderen Krankenkassen abwerben (§ 183), was zu einem starken Wettbewerb führt 326 . All diese Krankenkassen und ihre Verbände ( § § 2 0 7 ff; Ausnahme: der der Ersatzkassen, § 2 1 2 V, s. auch § 2 1 4 II) sind Körperschaften des öffentlichen Rechts ( § 2 9 SGB IV; §§ 4 I, 212 IV). Finanziell sind die Kassen voneinander unabhängig. Einen Finanzausgleich gibt es — von der Krankenversicherung der Rentner abgesehen ( § § 2 6 8 ff) - nur in Ausnahmefällen (§§ 265 ff) 327 . i) Besonderheiten in den 5 neuen Bundesländern: Das SGB V gilt ab 1 . 1 . 1 9 9 1 131 mit einigen Besonderheiten: 328 Der Beitragssatz beträgt einheitlich 12,8 % . Mit Ausnahme des Zahnersatzes (20 %) sind Zuzahlungen bis 3 0 . 6 . 1 9 9 2 auf 50 % des westdeutschen Niveaus begrenzt. Die Preise für Arzneimittel und die Honorare der Ärzte sollen — politisch allerdings sehr umkämpft — begrenzt werden.

3. Rentenversicherungsrecht Die nun einheitlich im SGB VI geregelte Rentenversicherung329 gliedert sich in 132 drei Zweige: Arbeiterrenten-, Angestelltenversicherung und knappschaftliche Rentenversicherung (§ 23 II SGB I). Die Arbeiterrenten- und die Angestelltenversicherung sind rechtlich weitgehend identisch, Voraussetzung dafür, daß sie über den Finanzausgleich zu einem einheitlichen Solidarverband zusammengefaßt wurden. In der knappschaftlichen Rentenversicherung — einer Kombination aus Regelsicherung und betrieblicher Altersversorgung — werden mehr und höhere Leistungen durch höhere Beiträge erkauft 330 . Die Altershilfe für Landwirte (GAL), vom Gesetz ebenfalls der Rentenversicherung zugeordnet ( § 1 1 SGB IV), ist aus bereits genannten Gründen ganz anders ausgestaltet (Rn. 98). Z u ihnen: Hillert, Die Ersatzkassen in der gesetzlichen Krankenversicherung, Diss. jur. Göttingen 1 9 7 3 ; Stolt/Vesper, Die Ersatzkassen der Krankenversicherung: Geschichte, Gestalt, Recht, 7. Aufl., 1 9 7 3 . 3 2 « Dazu BSGE 3 6 , 2 3 8 ( 2 3 9 ) ; Brackmann, N J W 1 9 8 2 , 8 4 ff; Peters, in: FS f. Wannagat, 325

1981, 329; Rohwer-Kahlmann,

SGb 1980, 89; die Wettbewerbsgrundsätze des BVA, WzS

1 9 8 3 , 2 7 5 ; s. auch BKK 1 9 8 5 , 2 4 1 . 327

Dazu: Brunkhorst, Z u r Problematik unterschiedlicher Risikostrukturen und ihres Ausgleichs in der Sozialversicherung, 1 9 8 7 ; s. auch Meydam, SGb 1 9 8 8 , 1 3 5 ff.

328

Vgl. Knieps, AuSP 1 9 9 0 , 3 9 2 ff. Überblick über das neue Rentenrecht: Ruland,

329

330

N J W 1 9 9 2 , 1 ff; s. im übrigen: Rn. 1 7 9 .

Zu den Abweichungen: Lueg, in: VDR/Ruland, Rn. 28/1 ff. 655

7. Abschn. VI 3 b aa

Franz Rutand

133

a) Die Versicherungspflicht der abhängig Beschäftigten: Alle Arbeiter und Angestellten (§ 1 Nr. I) 3 3 1 sind unabhängig von der Höhe ihres Einkommens rentenversicherungspflichtig. Allerdings erfaßt die Versicherung Einkommen nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 159, 1992: 81 600 DM in West- und 5 7 6 0 0 DM in Ostdeutschland). Versicherungsfrei sind Personen, die nur geringfügig (§ 8 SGB IV; § 5 II) beschäftigt sind, Werkstudenten (Nr. 5 III), Altersrentner und Beamte (§5 1 Nrn. 1, 2, IV). Mitglieder von berufsständischen Versorgungswerken können sich befreien lassen ( § 6 1 Nr. I) 3 3 2 . Personen, die wegen einer Anwartschaft auf eine lebenslängliche Versorgung von der Versicherungspflicht befreit sind oder wurden, müssen für die Zeit, in der sie sonst versicherungspflichtig gewesen wären, nachversichert werden, wenn diese Anwartschaft weggefallen ist (§§ 8 I, II, 181 f) 333 .

134

b) Die durch die Rentenversicherung gesicherten Risiken: Die Rentenversicherung schützt bei Invalidität, Alter und Tod. Auch bei ihr ist es, von der absichtlichen Herbeiführung abgesehen (§§ 103 ff), unerheblich, aus welchem Grunde der Versicherungsfall eingetreten ist.

135

aa) Berufs- und Erwerbsunfähigkeit: Eine körperlich oder geistig bedingte Leistungsminderung kann dazu führen, daß der Betroffene nicht mehr (a) seinen bisherigen Hauptberuf, (b) eine ihm seinem sozialen Status nach zumutbare Verweisungstätigkeit oder (c) irgendeine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben kann. Die Rentenversicherung reagiert mit Berufs- (§43) und Erwerbsunfähigkeit (§ 44) abgestuft 334 . Die beiden Versicherungsfälle unterscheiden sich in folgendem:

136 — Der Erwerbsunfähige ist auf nicht absehbare Zeit außerstande, irgendeine Erwerbstätigkeit entweder mit gewisser Regelmäßigkeit oder von mehr als nur geringfügigem Ertrag auszuüben ( § 4 4 II). Berufsunfähig ist dagegen schon der, der in seinem bisherigen Hauptberuf oder in einem zumutbaren Verweisungsberuf nicht mehr die Hälfte des Einkommens eines gesunden vergleichbaren Versicherten erzielen kann (§43 II 1). Was er in anderen Berufen noch leisten kann, ist unerheblich. 137 — Da der Erwerbsunfähige kein verwertbares Restleistungsvermögen mehr hat, braucht und bekommt er einen vollen, mit dem Rentenartfaktor 1,0 (§67) berechneten Lohnersatz. Die Berufsunfähigkeitsrente ist um Vi geringer (§67, Rentenartfaktor: 0,6667); ein voller Lohnersatz ist dem System nach nicht erforderlich, das davon ausgeht, daß das Restleistungsvermögen es dem Versicherten noch erlaubt, Einkommen zu erzielen. 138

Der Umfang des Restleistungsvermögens entscheidet über Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Kriterien dafür sind aber nicht nur Ausbildung, Fähigkeiten und körperliche bzw. geistige Konstitution des Versicherten, sondern nach der vom 331 332 333 334

656

Paragraphen ohne Angabe des Gesetzes sind solche des SGB VI. Z u Abgrenzungsproblemen anschaulich: BVerwG, JuS 1 9 8 4 , 1 5 2 . Dazu ausführlich: Brackmann, 6 2 6 b II ff. Zusammenfassende Darstellung des geltenden Rechts: D R V 1 9 9 0 , 2 0 1 ff; zur historischen Entwicklung: Tennstedt, Berufsunfähigkeit im Sozialrecht, 1 9 7 2 ; DAngVers. 1 9 7 6 , Sonderheft; zur Kritik und Reform: Ruland, Z S R 1 9 9 0 , 4 8 6 ff m . w . N a c h w .

Sozialrecht

7. Abschn. VI 3 b aa

Großen Senat des BSG 335 vorgeschriebenen „konkreten Betrachtungsweise" auch die Arbeitsmarktsituation336. Der Versicherte darf auf ihm ansonsten zumutbare Berufe nur dann verwiesen werden, wenn dafür Arbeitsplätze offenstehen. Kann er noch und sei es mit Einschränkungen337 vollschichtig tätig sein, wird das unterstellt. Das Arbeitsplatzrisiko trägt dann der Versicherte bzw. die Bundesanstalt für Arbeit. Der nicht mehr vollschichtig einsatzfähige Versicherte kann aber nur auf einen konkret nachgewiesenen Arbeitsplatz verwiesen werden. Gibt es ihn innerhalb der maximal einjährigen Frist für Vermittlungsversuche nicht, ist der Versicherte gleich — häufig aber nur auf Zeit (§ 102 II) — erwerbsunfähig. Das Risiko der mangelnden Verwertbarkeit seines Restleistungsvermögens tragen somit weder er noch die dafür an sich zuständige Bundesanstalt für Arbeit, sondern der Rentenversicherungsträger. Da es Teilzeitarbeitsplätze nur wenige, für Behinderte fast gar nicht gibt, wird der größte Teil der Behindertenarbeitslosigkeit von der Rentenversicherung sozial aufgefangen. Die Differenzierung zwischen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit ist praktisch 139 bedeutsam nur noch für vollschichtig einsatzfähige oder für solche Versicherte, die trotz ihrer Behinderung einen Arbeitsplatz innehaben. Bei ihnen kommt es darauf an, ob der Verweisungsberuf sozial zumutbar ist (keine Rente) oder nicht (dann Berufsunfähigkeitsrente). Das BSG konkretisiert die Zumutbarkeit durch ein Schema abgestufter Arbeiterberufe338. Es gilt entsprechend auch für Angestellte339. Unterschieden wird zwischen: (1) Vorarbeitern mit Vorgesetztenfunktion, (2) Facharbeitern, (3) angelernten und herausgehobenen ungelernten Tätigkeiten, (4) ungelernten Tätigkeiten. Der mit seinem zuletzt ausgeübten (Haupt-)Beruf340 in dieses Schema eingestufte Versicherte kann auf alle Berufe der eigenen oder jeweils nächst unteren Gruppe verwiesen werden, soweit sie ihn weder seinen Fähigkeiten noch seinem Gesundheitszustand nach überfordern. So kann z.B. ein Vorarbeiter nur auf andere Vorarbeiter- oder auf Facharbeiterberufe zumutbar verwiesen werden. Da somit alle Versicherte in Anlernberufen und in ungelernten Tätigkeiten auf (nahezu) den gesamten Arbeitsmarkt verweisbar sind341, ist für sie, solange sie vollschichtig einsatzfähig sind, ein Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente praktisch ausgeschlossen342. Sie bleibt Facharbeitern mit und ohne Vorgesetztenfunktion vorbehalten. Daher ist sie zahlenmäßig kaum noch von Bedeutung. Sie ist auch nicht in der Lage, den sozialen Status des Versicherten zu schützen. Er ist wegen ihrer geringen Höhe doch genötigt, eine „unzumutbare" Beschäftigung anzuneh335 336

337 338

339 340 341 342

BSGE 3 0 , 1 6 7 ff; 1 9 2 ff; 4 3 , 7 5 ff; dazu Maier, in: FS f. BSG, 1 9 7 9 , 2 8 6 ff. Anders bei Renten für Ausländer im Ausland, vgl. § 1 1 2 . Ist die Arbeitsmarktsituation für die Rentengewährung mitentscheidend, ist Rente nur auf Zeit zu gewähren (§ 1 0 2 II 1 Nr. 2). Zu ihnen krit.: Wolff, DRV 1 9 8 0 , 2 2 8 ; dagegen Kolb, DRV 1 9 8 0 , 2 4 6 . BSGE 4 3 , 2 4 3 ( 2 4 6 ) ; 4 5 , 2 7 6 ( 2 7 8 ) ; 5 9 , 2 0 1 ( 2 0 3 ) ; Ruland, in: SRH, R n . l 6 / 1 1 4 f f m . w . N a c h w . ; s.a. Ockenga/Weiler, SGb 1 9 9 1 , 177ff. BSGE 5 5 , 4 5 ff; 5 7 , 2 9 1 ; s. auch BSGE 4 9 , 5 4 (56); 6 6 , 2 2 6 ; Ruland, aaO Rn. 123 ff. Zu den zahlreichen damit zusammenhängenden Fragen: D R V 1 9 9 0 , 2 3 2 ff. Vgl. BSGE 4 3 , 2 4 3 ( 2 4 7 ) ; BSG, SozR 2 2 0 0 § 1 2 4 6 Nr. 75. Dagegen sollen verfassungsrechtlich keine Einwände bestehen: BVerfGE 5 9 , 3 6 f f ; a . A . : LSG Stuttgart, JuS 1 9 8 0 , 1 5 5 ; s. auch Ruland, ZSR 1 9 9 0 , 4 8 6 (494).

657

7. Abschn. VI 3 c aa

Franz Ruland

men. Mit dem Einkommen aus ihr führt die Rente dann zumeist aber zu einer Übersicherung. Sie hat daher vielfach nur noch „Prestigeersatzfunktion"343. 140

bb) Das Alter: Für die Renten wegen Alters gibt es (noch) 3 Altersgrenzen: Die Regelaltersgrenze wird mit Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht (§ 35). Die an längere Wartezeiten geknüpfte „flexible" Altersgrenze ermöglicht es dem Versicherten, schon mit Vollendung des 63., bei Schwerbehinderung des 60. Lebensjahres „in Rente zu gehen" (§ § 36 f). Die Altersrente für Frauen bei Vollendung des 60. Lebensjahres steht weiblichen Versicherten zu, die nach dem 40. Lebensjahr mehr als 10 Jahre pflichtversichert waren (§ 39) 344 . Altersrente wegen Arbeitslosigkeit können arbeitslose Versicherte ab Vollendung des 60. Lebensjahres beanspruchen, die in den letzten 1 Vi Jahren 1 Jahr arbeitslos und in den letzten 10 mindestens 8 Jahre versicherungspflichtig beschäftigt oder arbeitslos waren (§38). Voraussetzung in all diesen Fällen ist die Erfüllung der Wartezeit (Rn. 144). Nebenverdienst ist neben flexiblem und vorgezogenem Altersruhegeld nur begrenzt zulässig (§ 34 II). Ab 2001 werden die vorgezogenen und flexiblen Altersgrenzen in einer langen Übergangszeit auf die Regelaltersgrenze 65 angehoben, ausgenommen die Altersgrenze für Schwerbehinderte, Berufs- und Erwerbsunfähige (§41). Die Versicherten können jedoch bis zu 3 Jahre früher in Rente gehen, müssen dies jedoch mit versicherungsmathematischen Abschlägen (0,3 % je Monat) bezahlen. Umgekehrt können sie ihre Rente steigern, wenn sie den Rentenbeginn über das 65. Lebensjahr hinaus aufschieben (0,5 % je Monat, §§41, 77) 345 .

141

cc) Der Tod: Für alle Leistungen an die abgeleitet gesicherten Hinterbliebenen sind Tod (§ 46) oder Verschollenheit (§ 49) des Versicherten der Versicherungsfall. Auf die Ursache kommt es nicht an. Auch der Selbstmord kann Hinterbliebenenrente auslösen (§195).

142

c) Die Leistungen der

Rentenversicherung:

aa) Rehabilitationsmaßnahmen: Das Prinzip „Rehabilitation vor Rente" (§ 7 RehaAnglG)346 gilt auch für die Rentenversicherung (§9 12). Mit Rehabilitationsmaßnahmen347 soll die aus gesundheitlichen Gründen geminderte oder gefährdete Erwerbsfähigkeit erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden (§ 91). Im Ermessen steht nur die Art der Maßnahme (§ 13 I) 348 . Auf die vor allem in Kur- und Spezialeinrichtungen zu erbringenden medizinischen Leistungen zur Rehabilitation (ärztliche Behandlung, Arznei etc., § 15), für die die Rentenversicherungsträger vor den Krankenkassen zuständig sind (§ 40 IV SGB V) 349 , haben Versicherte schon dann Anspruch, wenn sie in den letzten 2 Jahren vor der 343

So Scbeerer,

344

Nach BVerfGE 7 4 , 163 ff verfassungsmäßig; a . A . Ruland,

345

Ausführlich: Ruland, Kompaß 1990, 505 ff; ders., DRV 1989, 746 ff.

346

Z u ihm statt aller Köbl, VSSR 1 9 7 9 , 1 ff. Zu ihnen: Kugler, Rehabilitation in der Rentenversicherung, 2. Aufl., 1 9 8 4 ;

347

DRV 1976, 9 ff; a.A.: Hesse, DRV 1981, 304 f.

Rehabilitationsrecht, 1984, 300 ff; Mrozynski

F a m R Z 1 9 8 6 , 9 5 0 f.

KolblSeidel,

(Fn. 152), 65 ff; Schaub, in: VDR/Ruland,

Rn. 2 2 / 1 ff. Vgl. BSGE 4 5 , 183 ( 1 8 5 ) ; 4 8 , 7 4 (75); 5 0 , 3 3 (34); Eicher/Haase/Rauschenbach, A n m . 6 ; Zweng/Scheerer, § 1 2 3 6 Anm. III, s. auch § 7 RehaAnglG. 3 4 ' Dazu KolblSeidel (Fn.347), Rn.300ff.

348

658

§ 1236

7. Abschn. VI 3 c bb

Sozialrecht

Antragstellung 6 Monate lang versicherungspflichtig waren ( § 1 1 II). Die berufsfördernden Leistungen zur Rehabilitation (Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes, Förderung der Arbeitsaufnahme, Eingliederungshilfen an Arbeitgeber etc., §§ 16 f) sind hingegen von einer Versicherungszeit von 180 Monaten abhängig (§11 I). Während der Maßnahme steht dem Betreuten Übergangsgeld zu, wenn er arbeitsunfähig ist bzw. sich noch schonen muß oder wegen der Maßnahme nicht arbeiten kann (§ 20). Es wird wie das Krankengeld berechnet, ist aber vielfach höher, da das Einkommen des Versicherten bis zur für die Rentenversicherung maßgebenn (höheren) Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird (§21). Die Durchfühng der Maßnahmen kann anderen Stellen übertragen werden (§§ 15 II, 16 III). bb) Die Renten: Den Renten kommt Einkommensersatzfunktion zu. Jedoch ist 143 ein tatsächlicher Einkommensverlust allenfalls Voraussetzung der Erwerbsunfähigkeitsrente. Doch haben Nebenverdienstgrenzen bei „flexiblen" und vorgezogenen Renten wegen Alters eine ähnliche „Siebfunktion". Neben der normalen Rente wegen Alters und der Berufsunfähigkeitsrente kann uneingeschränkt hinzuverdient werden. Der Anspruch der Hinterbliebenen (Witwen, Witwer und Waisen) beruht auf abgeleitetem Recht. Ihren Renten kommt Unterhaltsersatzfunktion zu. Sie sollen den durch den Tod des Versicherten weggefallenen Unterhalt ersetzen350. Renten sind mit dem Ertragsanteil zu versteuern (§ 22 EStG) 351 . Da der Zugang zur Rentenversicherung vom individuellen Gesundheitsrisiko des 144 Versicherten unabhängig ist, schützen Wartezeiten vor allzu schlechten Risiken. Sie betragen grundsätzlich fünf Jahre. Längere Wartezeiten gelten z. B. für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit, für Frauen (15 Jahre) und die für langjährig Versicherte und für Schwerbehinderte, Berufs- oder Erwerbsunfähige (35 Jahre, § 50). Unter bestimmten Voraussetzungen (z. B. Arbeitsunfall) kann die Erfüllung der Wartezeit fingiert werden (§ 53). Auf Wartezeiten werden Beitrags- ( § § 5 4 I Nr. 1, 55), Ersatz- (§250) und ausnahmsweise (Wartezeit von 35 Jahren) auch Anrechnungs- (§§58, 252) und Berücksichtigungszeiten (§57) angerechnet (§51). Beitragszeiten sind Zeiten, in denen Beiträge entrichtet wurden oder als entrichtet gelten (z.B. § 203; § 119 III SGB X). Auch Kindererziehungszeiten begründen eine Versicherungspflicht, bei Geburten vor 1992 im ersten Jahr, bei Geburten danach für die ersten drei Jahre (§§3 Nr. 1, 56, 249 I) 3S2 . Zu den Beitragszeiten rechnen auch beitragsgeminderte Zeiten. Das sind Kalendermonate, die sowohl mit Beitragszeiten als auch mit beitragsfreien Zeiten (Anrechnungs-, Ersatzzeiten oder Zurechnungszeit) belegt sind (§ 54 III). Während der Ersatzzeiten unterblieb eine Versicherung aus politischen Gründen (Zeiten vor 1992 z.B. des militärischen Dienstes, der Gefangenschaft, Vertreibung, Flucht etc.). Anrechnungszeiten sind z. B. Zeiten der Krankheit, Ausbildung (künftig: 7 Jahre) oder Arbeitslosigkeit, soweit nicht Pflichtbeitragszeit. Die Zurechnungszeit schreibt als Mindestsiche350 351

352

Vgl. BVerfGE 17, 1 (10); 48, 3 4 6 (359); BSGE 9, 36 (38); Ruland, Unterhalt, 138. Vgl. BVerfGE 54, 11 ff; Birk, DRV 1986, 129 ff; ders., Altersversorgung und Alterseinkünfte im Einkommensteuerrecht, 1 9 8 7 ; Heine/Rische, DRV 1984, 101 ff; Söhn, StuW 1986, 3 2 4 ff.

Dazu Dederer/Krusemark,

DRV 1985, 524 ff; Ruland, NJW 1986, 24 ff; Sonderregelung

für vor 1921 geborene Mütter: § § 2 9 4 f f .

659

7. Abschn. VI 3 c bb

Franz Ruland

rungselement bei frühem Tod oder Frühinvalidität die Versicherungszeit bis zum 60. Lebensjahr fort, wobei die Zeit zwischen dem 55. und dem 60. Lebensjahr nur zu Vi gewertet wird (§ 59). Berücksichtigungszeiten sollen verhindern, daß sich Zeiten der Kindererziehung oder der Pflege negativ auf die Versicherung auswirken. 145 Die Höhe der Rente353 richtet sich entsprechend dem Versicherungsprinzip vor allem nach der Höhe des während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitseinkommens (§63 I). Ihr Monatsbetrag ergibt sich aus der Multiplikation der persönlichen Entgeltpunkte mit dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert (§ 64). Die individuelle Grundgröße der neuen Rentenformel sind die Entgeltpunkte. Sie werden aus allen Beitrags- und beitragsfreien Zeiten berechnet. Für Beitragszeiten ergeben sie sich aus der Relation, in der der Versicherte mit seinem individuellen Bruttoarbeitsentgelt zum durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelt aller Versicherten stand (§ 70). Daher ergibt die Versicherung eines Arbeitseinkommens in Höhe des Durchschnittsentgelts eines Kalenderjahres einen vollen Entgeltpunkt (§ 63 II). Der Versicherte, der 1988 ein Bruttojahresarbeitsentgelt von 50 000 DM verdient hat, hat bei einem durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelt aller Versicherten von 38 896 DM (Anlage 1 zu §63) 1,2855 Entgeltpunkte erreicht. Kindererziehungszeiten werden mit 75 % des Durchschnitts bewertet, bekommen somit pro Monat 0,0625 Entgeltpunkte, soweit nicht in dieser Zeit höhere Pflichtbeiträge gezahlt worden sind (§ 70 II). In die Berechnung der Entgeltpunkte gehen auch die beitragsfreien Zeiten (Ersatz-, Anrechnungszeiten und Zurechnungszeit) ein. Ihre Bewertung richtet sich nach der von dem Versicherten sonst erreichten „Beitragsdichte". Je länger und je höher er Beiträge gezahlt hat, um so höher ist die Bewertung seiner beitragsfreien Zeiten (§§63 III, 71 ff). Lücken während der Zeit der Kindererziehung oder der Pflege werden durch Berücksichtigungszeiten ausgeglichen (§ 71 III). Die Bewertung der Ausbildungszeiten darf 75 % sowohl des individuellen als auch des allgemeinen Durchschnitts nicht überschreiten (§ 74). 146 Der „aktuelle Rentenwert" (§ 68 I) gibt den monatlichen Betrag der Altersrente an, der sich errechnet, wenn für ein Kalenderjahr Beiträge nach dem Durchschnittsentgelt aller Versicherten entrichtet worden sind (bis zum 30. 6.1992: 41,44 DM). In der neuen Rentenformel ist er der Dynamisierungsfaktor (§65). Das RRG hat sich für die Nettoanpassung entschieden, somit verändert sich der aktuelle Rentenwert durch die Rentenanpassung jeweils zum 1. Juli entsprechend der Entwicklung der Nettoarbeitsentgelte (§ 68) 354 . Das Sicherungsziel wird durch den Rentenartfaktor bestimmt (§ 63 IV). Soll die Rente eine volle Sicherung bieten, beträgt er 1,0 (z. B. Renten wegen Alters oder Erwerbsunfähigkeit). Die Rente wegen Berufsunfähigkeit soll ein Drittel niedriger sein, ihr Rentenartfaktor beträgt 0,6667 355 . 147 Der Zugangsfaktor (§ 77) soll bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente oder bei Aufschub ihres Beginns über das 65. Lebensjahr hinaus Vor- oder Nachteile der unterschiedlich langen Rentenbezugsdauer durch einen Abschlag (0,3 % je Monat) oder einen Zuschlag (0,5 % je Monat) ausgleichen. Da der Zugangsfaktor

353 354 355

660

Zu ihrer Berechnung: Michaelis, in: VDRJRuland, Rn. 24/1 ff; Ruland, DRV 1989, 741 ff. Ausführlich: Ruland, DRV 1989, 778 ff; s. auch Müller, DRV 1987, 649 ff. Höhere Werte in der (bifunktionalen) Knappschaft, § 82.

Sozialrecht

7. Abschn. VI 3 c dd

in Zusammenhang mit der Anhebung der Altersgrenzen von 60 und 63 Jahren bei gleichzeitiger Flexibilisierung steht, wird er vor dem Beginn dieser Anhebung im Jahr 2001 immer mindestens 1 betragen. Ein Hinausschieben des Rentenbeginns führt schon jetzt zu einem höheren Zugangsfaktor. Die Entgeltpunkte mit dem Zugangsfaktor multipliziert ergeben die „persönlichen Entgeltpunkte" (§ 66 I), die erst Faktor der eigentlichen Rentenformel (§ 64 Nr. 1) sind. Die Versicherten können eine Rente wegen Alters in voller Höhe als „Voll- 148 rente" oder als „Teilrente" in Höhe von Vi, der Hälfte oder Vi der erreichten Vollrente in Anspruch nehmen (§ 42). Ihnen wird mit der Teilrente die Möglichkeit geboten, gleitend aus dem Erwerbsleben auszuscheiden. Sie können ihren Arbeitseinsatz reduzieren und den sich daraus ergebenden Einkommensausfall im Rahmen der wesentlichen höheren Hinzuverdienstgrenzen mit der Rente ausgleichen (S 34 III). cc) Die Renten an Hinterbliebene: Nach der von dem BVerfG erzwungenen356 149 Neuregelung der Witwen-/Witwerrenten erhalten Witwen und Witwer unter gleichen Voraussetzungen Renten wegen Todes, auf die allerdings Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen zu 40 % angerechnet werden, soweit sie einen dynamischen Freibetrag von (1992) 1094,02 DM zuzüglich 232,06 DM je waisenrentenberechtigtes Kind übersteigen (§ 97; §§ 1 8 ä f f SGB IV). Die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung ist sehr umstritten357. Die „große Witwenrente" beträgt (ungekürzt!) 60 % der Versichertenrente (Rentenartfaktor: 0,6, § 67 Nr. 6) 358 . Ist die Witwe noch keine 45 Jahre alt, weder berufs- noch erwerbsunfähig und hat sie auch kein Kind zu erziehen, bekommt sie nur die „kleine Witwenrente" mit dem Rentenartfaktor 0,25 (Nr. 5 aaO). In den ersten 3 Monaten nach dem Tod des Versicherten („Sterbequartal") wird die Versichertenrente in voller Höhe gezahlt (Rentenartfaktor 1,0). Halbwaisen steht Vio, Vollwaisen Vs der Vollrente zu, erhöht um einen Zuschlag (§§ 67 Nr. 7, 8, 87). Bei über 18jährigen Waisen wird Einkommen angerechnet (§97 I Nr. 3). Für vor dem 1 . 7 . 1 9 7 7 Geschiedene gibt es eine vom Unterhalt abhängige Geschiedenen-Hinterbliebenenrente (§243). Nunmehr partizipieren Geschiedene über den Versorgungsausgleich (§§ 1587 ff BGB; § 76) 359 an den Rentenanrechten des früheren Ehegatten360. Soweit sie Kinder erziehen, können sie nach seinem Tod Erziehungsrente aus eigener Versicherung beanspruchen (§47). dd) Leistungen in das Ausland: Das Auslandsrentenrecht (§§ 110 ff)361 gilt nur 150 insoweit, als nicht über- oder zwischenstaatliches Recht vorgeht. So werden zumeist Angehörige der Vertragsstaaten den Inländern und der Aufenthalt im Vertragsstaat dem im Inland gleichgestellt. Fehlen solche Sonderregelungen, ist die Zahlung von 356 357

358 359 360 361

BVerfGE 39, 169 ff; anders noch: BVerfGE 17, 1 ff. Pro: Krause, DRV 1985, 2 5 4 ff; Volz, BAB1. 1 9 8 5 / 1 0 , 19 ff; Wannagat, DAngVers. 1985, 101 ff; contra: Heine, FamRZ 1986, 113 ff; Heinze, DRV 1985, 2 4 5 ff; v.Maydell, DRV 1984, 6 6 2 ff; Papier, DRV 1985, 272 ff; Ruland, NJW 1986, 2 5 ff. Verfassungsmäßig: BVerfGE 48, 3 4 6 (356); a.A. Ruths!Arndt, SGb 1975, 159 ff. Dazu Hahne, in: Johannsen/Henrich, Eherecht, 1987; Ruland, NJW 1992, 77 ff. Zu seiner Verfassungsmäßigkeit: BVerfGE 53, 2 5 7 ; 63, 88 ff; 71, 3 6 4 ff. Zu ihm: Hannemann, in: VDRJRuland, Rn. 2 9 / 1 3 2 ff m.w. Nachw. 661

7. Abschn. VI 3 d bb

Franz Ruland

Renten in das Ausland begrenzt, es sei denn, der Auslandsaufenthalt ist nur vorübergehend (§ 110). Wenn nicht, werden Leistungen nur insoweit erbracht, als sie auf Beitragszeiten im Bundesgebiet beruhen; bei Ausländern erfolgt noch ein Abschlag von 3 0 % (§113). Bei Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten trägt der Versicherte das Risiko der Verwertbarkeit des Restleistungsvermögens voll (§ 112). 151

d) Die Finanzierung der Rentenversicherung: aa) Beiträge und Bundeszuschuß: Die Rentenversicherung wird im wesentlichen durch Beiträge der Versicherten und ihrer Arbeitgeber, außerdem durch einen Zuschuß des Bundes finanziert (§ 153 II). Die Höhe der Beiträge hängt zum einen von dem Beitragssatz (z. Zt. 17,7%, § 158; Art. 81 II RRG) 362 , zum anderen von der Höhe des Bruttoarbeitsentgelts ab, das aber nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze von 81 600 (57600) DM (1992, § 159) versichert ist. Die Beiträge werden von den Krankenkassen eingezogen (§§28hff SGB IV) und grundsätzlich vom Versicherten und seinem Arbeitgeber je zur Hälfte getragen (§ 168 I Nr. 1), wobei die Arbeitnehmeranteile vom Lohn einbehalten werden (§28g SGB IV). Wird die Versicherung endgültig abgebrochen (z. B. Rückkehr von Ausländern in ihre Heimat) oder führt sie, weil die Wartezeit nicht erfüllt ist, zu keinen Leistungen, werden die Beiträge (nur: Arbeitnehmeranteil) erstattet (§ 210) 363 . Der Bundeszuschuß (Art. 120 14 GG; § 213) - 1991: 38,4 Mrd. DM - wird zu Recht überwiegend als Ausgleich versicherungsfremder Leistungen (z.B. Kindererziehungszeiten, §287 IV 2) angesehen364. Seine Höhe hängt künftig nicht nur von der Entwicklung der Entgelte, sondern auch des Beitragssatzes ab. Sollte sich unterjährig die Notwendigkeit ergeben, die Liquidität zu sichern, hat der Bund als „Liquiditätshilfe" Darlehen zur Verfügung zu stellen (Bundesgarantie, §214). Das Defizit der knappschaftlichen Rentenversicherung hat der Bund zu tragen (§ 215).

152

bb) Umlageverfahren und Anteilsgerechtigkeit: In der Rentenversicherung wird — von einer „Schwankungsreserve" (§216) abgesehen — kein Deckungskapital angesammelt. Sie wird voll im Umlageverfahren finanziert365. Die Beiträge werden sofort zur Finanzierung der Renten verwendet. Die Sicherheit des Beitragszahlers, später einmal Rente zu bekommen, beruht auf der durch den Versicherungszwang gewährleisteten Kontinuität der Versicherung, auf dem durch den Eigentumsschutz der Renten abgesicherten „Generationenvertrag" 366 . In der im Umlageverfahren finanzierten Rentenversicherung kann es keine Beitragsäquivalenz wie in der Privatversicherung, sondern nur eine „Anteilsgerechtigkeit" geben367. Der Anteil an der Umverteilung entspricht dem, was im Lebensdurchschnitt zu ihr beigetragen

362

In der knappschaftlichen Rentenversicherung: 2 3 , 4 5 % (Art. 81 II R R G ) .

363

BVerfG, NJW 1988, 250; Sieveking, NJW 1988, 246 ff. Ruland, in: SRH, Rn. 16/252 ff.

364 365

Z u ihm: Schreiber,

Existenzsicherheit in der industriellen Gesellschaft,

1 9 5 5 , 2 8 ff;

W.Bogs, 130 ff; Ruland, in: VDRJRuland, Rn. 19/71 ff. 366

367

662

Im Sinne Schreibers (Fn. 3 6 5 ) ; v. Nell-Breuning, BVerfGE 5 4 , 11 (28). Ausführlich: Ruland, ( F n . 3 6 4 ) , Rn. 1 9 / 2 6 6 f.

in: FS f. Meinhold, 1 9 8 0 , 3 6 9 ff; s. auch

Sozialrecht

7. Abschn. VI 3 e

wurde368. Die Rente spiegelt wegen ihrer Abhängigkeit von den Entgeltpunkten die auf das Versicherungsleben bezogene Relation wider, in der der individuelle Anteil des Versicherten an der Umverteilung zum durchschnittlichen Anteil aller Versicherten stand. Die Leistungen sind im Grundsatz, nicht in festgelegter Höhe, an die allgemeine (Netto-)Einkommensentwicklung gekoppelt369. Davon abgesehen kann die „Anteilsgerechtigkeit" Gleichheit immer nur in der Gruppe der jetzigen Beitragszahler und der jetzigen Rentner herstellen. Ihre Gleichbehandlung in der fortdauernden zeitlichen Dimension kann wegen der immer wieder auftretenden Veränderungen im Bereich der gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Determinanten, die Änderungen des Beitragssatzes und/oder des Leistungsniveaus notwendig machen, nicht gewährleistet werden. Beispiele für den sozialen Ausgleich in der Rentenversicherung sind neben den 153 Kindererziehungs- und -berücksichtigungszeiten (§§ 56 f) vor allem die „Rente nach Mindesteinkommen" (§262; Art. 82 RRG) und die Anrechnungs- und Ersatzzeiten370. Im übrigen ist sein Umfang im Streit371. Er wird durch den Bundeszuschuß nicht voll kompensiert. cc) Der Finanzausgleich innerhalb der Rentenversicherung: Der Finanzaus- 154 gleich372 innerhalb der Rentenversicherung ist abgestuft. In der Arbeiterrentenversicherung gibt es den Finanzverbund (§219): Die Leistungen werden von den Trägern im Verhältnis ihrer Beitragseinnahmen gemeinsam getragen. Er wird ergänzt durch einen Finanzausgleich zwischen der Arbeiterrenten- und der Angestelltenversicherung (§218). Er verläuft z. Zt. ausschließlich zugunsten der Arbeiterrentenversicherung, weil sie wegen struktureller Verschiebungen — mehr Angestellte, weniger Arbeiter — eine größere Altlast zu tragen hat. e) Die übrigen Versicherungspflichtigen und die zur Versicherung Berechtigten: 155 Die Rentenversicherung bietet auch Selbständigen Schutz. Versicherungspflichtig kraft Gesetzes sind z. B. selbständige Lehrer, Pflegepersonen, Hebammen, Hausgewerbetreibende, Seelotsen, Küstenschiffer und -fischer und Handwerker (§ 2). Letztere können sich befreien lassen, wenn für sie mindestens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt wurden (§6 1 Nr. 4). Sonderregelungen für Künstler finden sich im KSVG. Alle übrigen Selbständigen können innerhalb von 5 Jahren nach Aufnahme ihrer selbständigen Tätigkeit die Versicherungspflicht beantragen (§ 4 II). Sie entsteht mit dem Zugang des Antrags und begründet grundsätzlich die gleichen (Leistungs-)Rechte und (Beitrags-)Pflichten wie eine antragsunabhängige Pflichtversicherung. Selbständige (Ausnahme: Hausgewerbetreibende) haben aber ihre vollen Beiträge selbst zu entrichten (§ 169). Wehrpflichtige sind versicherungspflichtig (§3 Nr. 2). Für sie zahlt der Bund 156 Beiträge auf der Basis von 8 0 % der Bezugsgröße (= 3500 DM/Monat [1992]; 368

369 370

371

372

Das BVerfG (E 5 4 , 11, 2 8 ) spricht von der „Rangstelle" des Versicherten innerhalb der Solidargemeinschaft; s. auch ClausinglReimann, DAngVers. 1 9 8 4 , 2 0 5 ff. Dazu BVerfGE 6 4 , 8 7 ff; s. auch Jantz, ZSR 1 9 7 3 , 5 3 9 ff. Ebenso Krause, VSSR 1 9 8 0 , 115 (156); Schewe, in: FS f. Bogs, 1 9 6 7 , 1 5 5 ; s. auch Poser/ Rürup, DRV 1 9 8 3 , 4 5 1 ff. Vgl. Krause, VSSR 1 9 8 0 , 115 ff; Mörschel, DRV 1 9 7 8 , 3 4 5 ff; Ruland, N J W 1 9 8 2 , 1 8 4 7 ( 1 8 5 3 ff); den., SGb 1 9 8 7 , 133 ff. Dazu Wolf, in: VDRJRuland, Rn. 3 4 / 1 ff. 663

7. Abschn. VI 4

Franz Ruland

§§166 Nr. 1, 170 I 1). Empfänger von Einkommensersatzleistungen (z.B. Kranken-, Arbeitslosengeld) sind versicherungspflichtig (§3 Nr. 3). Die Beiträge sind ganz oder zur Hälfte von den Leistungsträgern zu tragen (§ 170). 157 Soweit keine Versicherungspflicht besteht, kann jeder (z.B. Hausfrauen) vom 16. Lebensjahr an freiwillig Beiträge entrichten (§ 7). Einschränkungen gelten für Beamte und Rentner (§7 II, III). Die freiwillige Versicherung begründet nur eine Beitragslast (§171). Der Versicherte kann Beiträge zahlen, muß aber nicht. Mit freiwilligen Beiträgen kann ein Anspruch auf Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten nicht begründet werden (§§ 43 I Nr. 2, III, IV, 44 I Nr. 2, 240 f) 373 . Auslaufend ist die Höherversicherung (§ 234), die eine Grundsicherung voraussetzt und nur zu statischen Leistungen führt (§ 269). 158

f) Die Organisation der Rentenversicherung: Träger der Arbeiterrentenversicherung (§§127, 130) sind die Landesversicherungsanstalten, bei denen auch die Handwerker versichert sind (§129 I), und als Sonderanstalten die BundesbahnVersicherungsanstalt und die Seekasse. Träger der Angestelltenversicherung ist die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte mit Sitz in Berlin (§§ 132 ff). Die Bundesknappschaft mit Sitz in Bochum ist für Bergbaubetriebe zuständig (§136). Träger der Altershilfe für Landwirte sind die landwirtschaftlichen Alterskassen (§16 GAL).

g) Sonderregelungen in den 5 neuen Bundesländern: Das Rentenrecht des SGB VI wird ab 1.1.1992 auch im Beitrittsgebiet gelten374. Weil aber in der ehemaligen DDR ein völlig anderes „Rentenversorgungssystem" galt375, wurden zahlreiche Übergangsregelungen notwendig, die vor allem die Umstellung der Bestandsrenten (§S307af), die Berechnung der Zugangsrenten (§§254bff, 255af, 2 5 6 a f , 263a) und deren Anpassung (§ 254c) sowie die Wahrung des nach dem 1.7.1990 durch eine zu großzügige Umstellung der Renten erlangten sozialen Besitzstandes (Auffüllbeträge, §315a, Rentenzuschlag, § 3 1 9 a ; Sozialzuschlag, Art. 40 RÜG) betreffen376. 160 Trotz des im wesentlichen gleichen Rechts wird es für eine Übergangszeit bei einheitlichem Finanzverbund zwei verschiedene Rentenversicherungssysteme geben. Dies liegt vor allem daran, daß der aktuelle Rentenwert (Ost), obwohl die Renten im Beitrittsgebiet seit dem 30. 6.1990 um rund 100 % angehoben wurden, mit 23,57 DM (ab 1.1.1992) immer noch erst 56 % des westlichen Wertes ausmacht. In dem Maße, in dem die Löhne im Beitrittsgebiet aufholen werden, wird auch der aktuelle Rentenwert (Ost) durch häufigere und höhere Anpassungen aufholen.

159

4. Das Unfallversicherungsrecht 161

Wegen ihres Doppelcharakters — (Haftpflicht-) Versicherung zugunsten der Unternehmer, Entschädigungssystem zugunsten der von Arbeitsunfall oder Berufskrankheit Betroffenen — weist die Unfallversicherung Gemeinsamkeiten sowohl mit den übrigen Sozialversicherungs- als auch mit den sonstigen Entschädigungs373

374

375 376

664

Krit. dazu Maier, SGb 1 9 8 3 , 3 3 3 ff; Platzer, SGb 1 9 8 4 , 1 7 9 ff; Ruland, D R V 1 9 8 5 , 2 6 ; anders jetzt BVerfGE 7 5 , 7 8 ff. Vgl. Renten-Überleitungsgesetz - RÜG, BGBl. 1 9 9 1 I, 1 6 0 6 ; Änderung: BT-Drucks. 1 2 / 1 4 7 9 ; s. bereits Kolb/Ruland, DRV 1 9 9 0 , 141 ff. Kodifiziert nunmehr in Art. 2 RÜG; vgl. Polster, D R V 1 9 9 0 , 1 5 4 ff. Dazu Michaelis/Stephan, DAngVers. 1 9 9 1 , 1 4 9 f f ; Ruland, DRV 1 9 9 1 , 5 1 7 f f .

Sozialrecht

7. Abschn. VI 4 a

systemen auf. Entschädigt werden aber auch zahlreiche Tatbestände, für die den Unternehmer keine Verantwortlichkeit trifft 377 . Die Abgrenzung zwischen der ihm zugeordneten Risikosphäre und dem allgemeinen, durch die Unfallversicherung nicht geschützten Lebensrisiko verschwimmt in den Zufälligkeiten einer nuancenreichen, manchmal kaum nachvollziehbaren Kasuistik. Je weiter die Unfallversicherung über die eigentliche Risikosphäre der Unternehmer hinausgreift, um so unklarer wird der Rechtsgrund für die durch sie vermittelte zusätzliche gehobene soziale Sicherung378. Die Frage, warum in diesen Fällen nicht die Leistungen der Kranken- und Rentenversicherung ausreichen, wird um so drängender, je mehr die Finanznot zwingt, die vorhandenen knappen Mittel gerechter aufzuteilen. Mehr als allen anderen Systemen ist der Unfallversicherung Prävention, Unfall- 162 Verhütung, zur Aufgabe gemacht (§§ 708 ff) 379 . Dem dienen vor allem die Unfallverhütungsvorschriften (§ 708) und ihre Überwachung (§ 7 1 2) 3 8 0 . a) Die Versicherten: Es entspricht unternehmerischem Interesse, von Ersatzan- 163 Sprüchen aus Unfällen im Betrieb möglichst freigestellt zu werden. Daher ist der Kreis der Versicherten („Entschädigungsberechtigten") weiter als sonst in der Sozialversicherung. Versichert sind vor allem Arbeitnehmer (§ 539 I Nr. 1), Hausgewerbetreibende (Nr. 2), wenn es die Satzung vorsieht, auch Betriebsfremde, die sich im Betrieb aus privaten (Besucher) oder beruflichen (z. B. Steuerberater) Gründen aufhalten ( § 5 4 4 Nr. I) 3 8 1 . Versichert sind aber auch arbeitnehmerähnliche Tätigkeiten (§ 539 II) 382 . Dieser weitgefaßte Tatbestand erfaßt all die auch kurzfristigen Betätigungen, die, ohne daß ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt (wie z. B. bei Schwarzarbeitern!) 383 , fremden Interessen dienen und über bloße Gefälligkeiten hinausgehen (z. B. Pannenhilfe384, Ausführen von Hunden 385 ). Mitgesichert ist auch der durch einen Arbeitsunfall der Mutter geschädigte nasciturus (§ 555 a) 386 . Unternehmer sind z. T. kraft Gesetzes versicherungspflichtig (Landwirte, Küstenfischer, § 5 3 9 I Nr.5, 6). Die Satzung kann sie generell erfassen ( § § 5 4 3 , 632ff) 3 8 7 . Von der „unechten" Unfallversicherung (Versorgungstatbestände) werden z.B. 164 erfaßt: Nothelfer (§ 539 I Nr. 9) 3 8 8 , soweit es Inländer sind, auch im Ausland (§ 539 377

378

Z . B. Wegeunfälle, vom Arbeitnehmer selbst verschuldete Unfälle, vgl. Jantz, in: FS f. Lauterbach, 1 9 6 1 , 1 8 ; Schäfer, Soziale Schäden, soziale Kosten, soziale Sicherung, 1 9 7 2 , 5 8 ff. Zu diesem Grundproblem: Albers, Möglichkeiten einer stärker final orientierten Sozialpolitik, 1 9 7 6 ; v.Hippel, Z R P 1 9 7 6 , 2 5 2 ff; Faude, Selbstverantwortung und Solidarverantwortung im Sozialrecht, 1 9 8 3 , 2 3 9 ff; Schäfer (Fn. 3 7 7 ) , 1 6 0 ff; s. auch Gitter, ZAS 1 9 8 3 , 4 3 (44); Henke, W d S t R L 2 8 ( 1 9 7 0 ) , 1 7 6 f.

Paragraphen ohne Angabe des Gesetzes sind solche der RVO. Dazu Gitter, in: SRH, Rn. 1 5 / 6 1 ff; s. auch BT-Drucks. 1 1 / 8 1 6 5 . 381 plagemann/Plagemann, Rn. 7 0 . 379

38°

382 383

384 385 386 387 388

Dazu a a O Rn. 1 4 ; Gitter, 92. Zu ihrer unfallversicherungsrechtl. Situation: Plagemann/Plagemann, Rn. 5 7 ; s. auch LSG Niedersachsen, SozVers. 1 9 8 7 , 82. BSGE 3 5 , 1 4 0 . LSG Baden-Württemberg, VersR 1 9 6 6 , 1 1 3 5 . Vgl. BVerfGE 4 5 , 3 7 6 ; 7 5 , 3 4 8 ; s. auch BSGE 5 8 , 8 0 ; 83. Z u ihr: Benz, Unternehmerversicherung, 1 9 7 8 . Schon das Ausweichen, um einen Autounfall zu vermeiden, ist Nothilfe: BSG, N J W 1 9 8 4 , 3 2 5 ; dazu Denck, SGb 1 9 8 3 , 3 9 7 ff.

665

7. Abschn. VI 4 b aa

Franz Ruland

III 2); Blutspender (§539 I Nr. 10); Luftschutzhelfer (Nr. 12); Zeugen und ehrenamtlich Tätige (Nr. 13); Kindergartenkinder, Schüler, Studenten (Nr. 14) 389 ; Eigenheimbauer (Nr. 15); Entwicklungshelfer (Nr. 16); Arbeitslose, soweit sie ihren Verpflichtungen dem Arbeitsamt gegenüber nachkommen (Nr. 4; § 165 AFG) 390 , und schließlich Gefangene, die arbeitnehmerähnlich eingesetzt werden (§540) 3 9 1 . 165

b) Die durch die Unfallversicherung gesicherten Risiken: Das Risiko der Unfallversicherung ist der Arbeitsunfall392 (§ 547). Ihm stehen gleich der Unfall mit dem Arbeitsgerät (§ 549), der Wegeunfall (§ 550), aber auch die Berufskrankheit (§551). Absichtlich herbeigeführte Unfälle, genauer: Unfall/o/ge«393, und Unfälle bei schweren Straftaten lösen keine Ansprüche aus (§§553f), anders bei nur verbotswidrigem Verhalten (§548 III).

aa) Der Arbeitsunfall: Als kausales Entschädigungssystem kommt die Unfallversicherung nur für Unfälle „bei" einer versicherten Tätigkeit auf (§548 I 1). Diese muß für den Unfall („haftungsbegründende Kausalität") und der Unfall muß für den auszugleichenden körperlichen Schaden („haftungsausfüllende Kausalität") die rechtlich wesentliche Bedingung gewesen sein. Der in der Mitte der „dreigliedrigen Kausalkette" 394 stehende Unfall ist ein „von außen auf den Menschen einwirkendes, ihn körperlich schädigendes, plötzliches Ereignis" 395 . Der Herzinfarkt am Arbeitsplatz z. B. hat eine innere Ursache396, stellt mithin keinen Unfall dar. 167 Wesentliche Bedingung des Unfalls muß die versicherte Tätigkeit gewesen sein. Obwohl weit gefaßt, werden über ihre Abgrenzung einige Kausalitätsprobleme gelöst. Zu ihr rechnen neben der eigentlichen beruflichen Tätigkeit all die Verrichtungen, mit denen der Versicherte den Interessen des Betriebes dienen wollte397. Zur beruflichen Tätigkeit gehören auch Fortbildungsveranstaltungen398, Geschäftsreisen399, Tätigkeiten als Betriebsrat*00, medizinische Selbstversuche401, Besuch beim Werksarzt402, Abholen des Lohnes oder sein erstmaliges Abheben vom Konto (§ 548 I 2), Betreuung von Arbeitsgerät (§ 549), Betriebsausflüge, eingeschränkt 166

389

Dazu Wollmar, Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten, 4 . Aufl., 1 9 9 0 ; vgl. BSGE 2 8 , 1 2 2 ; 5 6 ; 1 6 ; krit. Faude ( F n . 3 7 8 ) , 2 5 1 .

390

Nicht bei der Arbeitssuche, vgl. BSG, SGb 1 9 8 8 , 2 1 m. Anm. Udsching;

BSG, SGb 1 9 8 6 ,

577; Köbl, SGb 1986, 529 ff. 391 392

393

Vgl. B G H , N J W 1 9 8 3 , 5 7 4 . Z u ihm ausführlich Jegust/Hermsen, Der Arbeitsunfall, 5 . Aufl., 1 9 8 2 ; Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 4 . Aufl., 1 9 8 8 ; Wolber,

Schönbergerl 3 9 ff.

Dazu B G H , N J W 1 9 8 0 , 9 9 6 m . A n m . Bodenberg; zum Selbstmord: BSGE 5 4 , 1 8 4 ; SGb 1 9 9 0 , 4 9 6 f f ; grundsätzlich: Faude ( F n . 3 7 8 ) , 2 4 7 f f .

394

So Bley, 206 ff.

395

BSGE 2 3 , 1 4 9 ( 1 4 1 ) ; 5 8 , 7 6 ( 7 7 ) ; BSG, SozR 2 2 0 0 § 5 5 0 N r . 3 5 .

396 Yg] Wolber, 41 f; zur inneren Ursache: Plagemann/Plagemann,

Rn. 116; s. auch Barta,

Kausalität im Sozialrecht, 1 9 8 3 , 5 5 2 ff. 397

Seine Absicht ist entscheidend: BSGE 3 0 , 2 8 2 ( 2 8 3 ) .

398

BSG, SGb 1973, 110; Bley, SGb 1973, 390.

399

BSGE 15, 1 9 3 ; BSG, Breithaupt 1 9 7 1 , 9 9 6 ff. BSGE 17, 1 1 ; 4 2 , 3 6 ; BSG, Breithaupt 1 9 7 1 , 5 5 0 ff; Wallerath,

400

401 plagemann/Plagemann, 402

666

Rn. 103.

BSG, SozR 2 2 0 0 § 5 4 8 N r . 3 1 .

SGb 1 9 7 7 , 6 0 f.

Sozialrecht

7. Abschn. VI 4 b aa

auch Betriebssport403. Der Weg von und zur Arbeit ist der versicherten Tätigkeit gleichgestellt (§ 550 I). Er führt von der Außentür des Hauses404, in dem sich die Wohnung (§ 550 III) befindet, unmittelbar zur Arbeitsstätte. Nicht versichert sind eigenwirtschaftliche Tätigkeiten, auch wenn sie in zeitlicher und räumlicher Nähe zum Betrieb erfolgen, wie Nahrungsaufnahme405, Erledigung von Arbeiten und Behördenbesuche406 im privaten Interesse oder Einkäufe im Geschäft des Arbeitgebers407. Die Grenze zur versicherten Tätigkeit ist unscharf. So sind der Gang zur Toilette408 und das Sich-Reinigen nach der Arbeit versichert409, das Umkleiden aber nicht410. Geringfügige Unterbrechungen der versicherten Tätigkeit (Gang zum Zigarettenautomaten) schaden jedoch nicht411. Eine Lösung vom Betrieb412 darf aber nicht eintreten. Sie setzt innerhalb des Betriebes gravierende Umstände voraus: z. B. Volltrunkenheit413, Auslösen — nicht: Abwehr — einer Schlägerei414. Unterbrechungen des Weges von und zur Arbeit sind so lange geringfügig und versichert, wie sich der Versicherte im öffentlichen Straßenraum befindet415. Verläßt er ihn, weil er z. B. ein Geschäft betritt, gehört der Aufenthalt dort zum nicht versicherten privaten Bereich416. Wird innerhalb von 2 Stunden der Weg wieder aufgenommen, war der Versicherungsschutz nur unterbrochen, für den Rest des Weges lebt er wieder auf417. Dauert die private Verrichtung länger, tritt eine endgültige Lösung vom Betrieb ein418. Wird der unmittelbare Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte verlassen, ist der Abweg nur versichert, wenn er betriebs- oder verkehrsbedingt ist oder irrtümlich419 oder deshalb erfolgt, um Kinder in den wegen der Berufstätigkeit der Eltern notwendigen Kindergarten zu bringen oder um Kollegen einer Fahrgemeinschaft abzuholen (§ 550 II)420. Die versicherte Tätigkeit muß nicht alleinige, aber wesentliche Ursache421 des 168 Unfalles sein. Mit- oder Alleinverschulden Dritter (z. B. Überfall auf Kassierer)422, 403 404

405 406 407 408 409 410 411 412 413 414 415 416 417 418 419 420 421

422

BSGE 1, 179 ff; Wolber, 4 9 f; Gitter, SGb 1990, 3 9 3 ff. BSGE 42, 293 (294); BSG, VersR 1988, 1035; s. auch BSGE 2, 2 3 9 ; 11, 156 (157); 37, 36. BSGE 11, 2 6 7 (269); 12, 2 4 7 ; 2 5 4 ; s. aber BSG, Breithaupt 1969, 7 5 5 ; NJW 1990, 1064. BSGE 11, 154; 17, 11 (13); 36, 222. BSGE 20, 2 1 9 ; s. auch BSG, SozR 2 2 0 0 § 5 5 0 Nr. 2 8 ; BSG, SGb 1977, 3 0 2 f. BSGE 16, 73 (76); BSG, Breithaupt 1967, 744. BSGE 16, 2 3 6 (239); s. auch Gitter, in: SRH, Rn. 15/68. Plagemann/Plagemann, Rn. 96. Gitter, in: SRH, Rn. 1 5 / 9 6 ff. BSGE 48, 2 2 4 (226). BSG, aaO; Plagemann/Plagemann, Rn. 104 f; Wolber, 48 f. BSG, SGb 1969, 3 3 5 (337). BSGE 20, 2 1 9 (221); BSG, SozR 2 2 0 0 § 5 5 0 Nr. 20, 4 1 ; krit.: Benz, BB 1979, 943 ff. BSG, SozR 2 2 0 0 § 5 5 0 Nr. 20. BSGE 62, 100. BSG, SozR 2 2 0 0 § 5 5 0 Nr. 6. Plagemann/Plagemann, Rn. 135 f; s. auch BSG, Breithaupt 1977, 883. BSGE 57, 84 ff. Dazu Barta (Fn.396), 6 7 4 ff; Battenstein, SGb 1983, 135 ff; Bley, 205 ff; Gitter, Schadensausgleich, 99 ff, 125 ff. BSGE 26, 4 5 (47).

667

7. Abschn. VI 4 c aa

Franz Ruland

selbst des Arbeitgebers oder von Kollegen (arg. §§ 636, 637), steht der Einstandspflicht der Unfallversicherung nicht entgegen. Ersatzansprüche gehen auf sie über (§116 SGB X) oder sie fordert Regreß (§ 640). Ein Mitverschulden des Verletzten schließt Leistungen nur dann aus, wenn er in so hohem Maße vernunftwidrig gehandelt hat, daß er mit dem Unfall mit großer Wahrscheinlichkeit rechnen mußte („selbstgeschaffene Gefahr")423. Die Rechtsprechung bejaht das nur selten. Bei Trunkenheit im Straßenverkehr ist sie ausnahmsweise strenger. Typisch durch Alkohol verursacht, ist es kein Wegeunfall424. Dafür trägt bei unter 1,1 %o die Berufsgenossenschaft die Beweislast425. Darüber besteht Versicherungsschutz nur dann, wenn betriebsbezogene Umstände (z. B. Eilbedürftigkeit, Noteinsatz, Glatteis) mitursächlich waren. Die Beweislast dafür liegt bei dem Anspruchssteller426. 169 Die haftungsausfüllende Kausalität wird schon bei überwiegender Wahrscheinlichkeit bejaht 427 . Sie ist zu verneinen, wenn der Körperschaden auch ohne den Unfall aus innerer Ursache eingetreten wäre, z. B. das Leiden, das gelegentlich des Unfalls ausbricht, ohne ihn aber auch gekommen wäre428. Seine Verschlimmerung durch den Unfall ist zu entschädigen429. Kommt der todkranke Versicherte ums Leben, ist für den Anspruch der Hinterbliebenen (Ausnahmen: §§ 592 I, 593, 596 I) die restliche Lebenserwartung unerheblich. Hat der Unfall das zum Tode führende Leiden verschlimmert, ist die Kausalität zu bejahen, wenn der Tod ein Jahr früher eingetreten ist430. 170

bb) Die Berufskrankheiten: Dem Arbeitsunfall gleichgestellt sind Berufskrankheiten (§551). Sie sind in der Berufskrankheiten-VO aufgezählt431. Andere Krankheiten können, soweit neue Erkenntnisse über ihre berufliche Verursachung vorliegen, einer Berufskrankheit gleichgestellt werden (§551 II) 432 .

171

c) Die Leistungen der Unfallversicherung: Der Arbeitsunfall kann — ab 1.1.1992 in West- und Ostdeutschland gleich — auslösen: Heilbehandlung, Rehabilitation, Einkommensersatz, solange Arbeitsunfähigkeit besteht, Ausgleich der Minderung der Erwerbsfähigkeit und Renten an Hinterbliebene. Soweit über- oder zwischenstaatliches Recht dem nicht entgegensteht, ruhen Ansprüche von Ausländern, die sich im Ausland aufhalten (§ 625 ) 433 .

172

aa) Heilbehandlung und Verletztengeld — Rehabilitation und Übergangsgeld: Die Heilbehandlung (§ 557 ff) entspricht im Umfang der Krankenbehandlung des 423

424 425 426

427 428 429 430 431 432 433

668

Zahlreiche Bsp. bei Plagemann/Plagemann, Rn. 91; zum Ganzen: Faude (Fn. 378), 2 4 9 ff; zur Selbsttötung o. Fn. 393. BSGE 53, 2 1 5 ; BSG, SGb 1 9 7 9 , 3 2 3 ; ausf. Schulin, Rn. 345 ff; Wolber, NZA 1988, 233 ff. BSGE 4 3 , 110 (112); 48, 2 2 8 (229); krit.: Benz, BG 1979, 5 7 5 (580 f). BSGE 43, 110 (112); 58, 76; BSG, SGb 1979, 2 1 7 ; zum ganzen auch Behn, SGb 1979, 4 4 5 ; Gitter, 1 0 5 f ; Wolber, 70ff. Bley, 2 1 6 f; s. auch BSGE 61, 123 (128). Dazu Plagemann/Plagemann, Rn. 116. AaO Rn. 117; Wolber, 75 f je m.w.Nachw. Dazu BSGE 12, 2 4 7 ; 22, 2 0 0 (203); 40, 2 7 3 (275 f); 62, 2 2 0 . V. 2 0 . 6 . 1 9 6 8 (BGBl. I, 721); Elster, Berufskrankheitenrecht, 2. Aufl., 1986. Dazu BVerfGE 58, 3 6 9 ; Faude, SGb 1982, 401 ff. Bedenken bei Plagemann/Plagemann, Rn. 2 8 6 .

Sozialrecht

7. Abschn. VI 4 c bb

Krankenversicherungsrechts. Das Verletztengeld (§ 560) kommt in Funktion und Berechnung (§561) dem Krankengeld gleich434. Es kann aber wegen der anderen Bemessungsgrundlage (Jahresarbeitsverdienst statt Regellohn) höher sein und wird grundsätzlich bis zum Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit gezahlt (§560 I). Auch das Verletztengeld ist Einkommen (Lohnfortzahlung!) und Einkommensersatzleistungen (z.B. Arbeitslosengeld) gegenüber subsidiär (§§560 I 2—4, 561 V). Als Rehabilitationsmaßnahmen werden vor allem (§§569 af) berufsfördernde 173 Leistungen (Berufshilfe, § 567) und Übergangsgeld (§ 568) gewährt. Für sie ist der Unfallversicherungsträger primär zuständig (§ 12 I SGB VI). bb) Die Verletztenrente: Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wird, 174 wenn sie über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall andauert und Heilbehandlung und Berufshilfe abgeschlossen sind (§580 I, II), durch die Verletztenrente entschädigt. Ihr Ausmaß wird abstrakt ermittelt435. Nicht der konkrete Einkommensverlust ist maßgeblich436, sondern die Differenz zwischen der vor und nach dem Unfall bestehenden Erwerbsfähigkeit des Verletzten. Sie ist vor dem Unfall selbst bei einem Vorschaden grundsätzlich mit 100 % anzusetzen437. Der Grad der Resterwerbsfähigkeit ergibt sich aus dem Vergleich zur Fähigkeit eines gesunden Versicherten, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Einkommen zu erzielen. Daher ist bei gleicher Schadensfolge (z. B. Verlust der rechten Hand) bei allen Versicherten der MdE-Satz gleich hoch (60%), soweit nicht die Härteklausel des §581 II eingreift438. Ihretwegen ist auch zu berücksichtigen, daß der Verletzte besondere berufliche Kenntnisse wegen der Unfallfolgen nicht mehr (voll) nutzen kann. Auch ein Vorschaden kann die MdE verschärfen (unfallbedingter Verlust des letzten Auges)433. Kumulieren mehrere unfallbedingte Behinderungen, ist eine „Gesamt-MdE" zu bilden440. Nicht unfallbedingte Nachschäden bleiben unberücksichtigt441. Die MdE wird nach in Tabellen festgelegten Erfahrungssätzen bestimmt442. Sie muß, um zu einer Rente zu führen, mindestens 20% betragen (§581 I Nr. 2). Hat der Verletzte seine Erwerbsfähigkeit völlig verloren (MdE = 100%), 175 bekommt er die Vollrente in Höhe von % des Jahresarbeitsverdienstes. Ist sie nur eingeschränkt, bekommt er als Teilrente den Teil der Vollrente, der dem Grad

434 435

436

Einzelheiten aaO Rn. 2 1 5 ff. Dazu BSGE 3 1 , 185 ( 1 8 7 ) ; BSG, SozR 2 2 0 0 § 5 8 1 Nr. 2 2 ; Benz, BB 1 9 8 7 , 6 0 9 ff; Brackmann, 5 6 6 y II ff; Dassbach/Jung, in: FS f. Grüner, 1 9 8 2 , 1 1 6 ; Gitter, Schadensausgleich, 1 5 9 ff; ders., in: FS f. Brackmann, 1 9 7 7 , 103 ff; Krasney, in: FS f. Lauterbach II, 1 9 8 1 , 2 7 3 f. Der Geschädigte kann sogar ein höheres Einkommen erzielen, BSGE 3 0 , 6 4 (68); krit.: Gitter, VersR 1 9 7 6 , 5 0 5 ; ders., SGb 1 9 8 1 , 2 0 4 ; Watermann, SGb 1 9 8 1 , 3 9 2 f f ; zur Reform: Gitter, ZAS 1 9 8 3 , 4 3 (45 f).

Plagemann/Plagemann, Rn. 2 3 0 m . w . Nachw. Beispiele: aaO R n . 2 3 9 , z.B. Vertragsfußballspieler: BSGE 3 8 , 118 ( 1 2 5 ) ; Gitter, in: FS f. BSG, 1 9 7 9 , S. 2 6 8 ; krit. Schimanski, SGb 1 9 8 5 , 2 3 5 ff. 4 3 9 BSG, Breithaupt 1 9 6 2 , 9 1 7 ; s. auch BSGE 2 1 , 6 3 (65). 4 4 0 BSG, SGb 1 9 7 9 , 5 2 2 (523) m . A n m . Henke. 44 1 BSGE 2 7 , 1 4 2 (145); 4 1 , 7 0 (72); krit.: Wallerath, VSSR 1 9 7 4 , 2 3 3 ( 2 4 6 ff). 4 4 2 Vgl. Bereiter-Hahn!'SchieckelMehrtens, Unfallversicherung, Stand 1 9 9 1 , Anhang 12. 437

438

669

7. Abschn. VI 4 d

Franz Ruland

seiner MdE entspricht (§581 I). Jahresarbeitsverdienst sind alle Einkünfte des Verletzten im Jahr vor dem Arbeitsunfall (§ 571 I). Er beträgt mindestens 40 (Minderjährige) bzw. 6 0 % der Bezugsgröße nach §18 SGB IV. Die im Gesetz vorgesehene Höchstgrenze von 36000 DM ist je nach Satzung (§575) auf 48 000—120000 DM heraufgesetzt worden443. In den beiden ersten Jahren nach dem Unfall kann wegen der Ungewißheit des Heilungserfolges der MdE-Satz vorläufig, danach muß er endgültig festgesetzt werden (§§ 1585, 622). Die Verletztenrente kann sich durch Schwerverletzten- und um Kinderzulagen von je 10 % auf höchstens 85 % des Jahresarbeitsverdienstes erhöhen (§§582 ff). Die Vollrente ist auch zu zahlen, wenn der Verletzte infolge der durch den Arbeitsunfall erlittenen Behinderungen arbeitslos ist (§ 587). Die Kumulation mit Renten aus der Rentenversicherung ist begrenzt ( 7 0 % des Jahresarbeitsverdienstes, §93 SGB VI). Die Renten werden der Entwicklung der Durchschnittsnettolöhne angepaßt (§ 579). 176

cc) Die Leistungen an Hinterbliebene: Hinterbliebene erhalten neben dem Sterbegeld (§589 I 1) Rente, wenn der Arbeitsunfall den Tod des Versicherten wesentlich verursacht hat. Ansonsten ist an die Witwe oder die Waisen eine einmalige, in Härtefällen eine laufende Beihilfe zu zahlen (§§600 ff). Wie in der Rentenversicherung werden die Witwen- oder Witwerrenten im übrigen unbedingt gewährt, jedoch erfolgt auch hier die Anrechnung von Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen (§590; §§18 äff SGB IV)444. Im „Sterbequartal" wird die Vollrente gezahlt (§ 591). Nach dem Unfall geschlossene Versorgungsehen (§ 594) lösen keine Ansprüche aus. Rentenberechtigt ist auch der geschiedene Ehegatte (§592). Die „kleine" Witwenrente beträgt 3/io, die „große" 2/i, Vollwaisen bekommen 3/io, Halbweisen Vs jeweils des Jahresarbeitsverdienstes (§§ 590 II, 595). Für Entschädigungssysteme typisch ist die Elternrente (§ 596J 445 , die für die Dauer des ohne den Unfall voraussichtlich gewährten Unterhalts gezahlt wird.

177

d) Die Unfallversicherung als Vorsorgesystem: Träger der „echten", betrieblichen Unfallversicherung sind die nach Gewerbezweigen und z.T. regional gegliederten Berufsgenossenschaften (§§ 646, 790, 850 I). Ihre Mitglieder sind — entsprechend der Haftpflichtfunktion der Unfallversicherung — die Unternehmer (§658), die allein die Beiträge zu zahlen haben (§ 723 I). Deren Höhe ist von der des Entgelts der Versicherten und der Unfallgefahr im Betrieb (§§725 ff) abhängig446. Mit den Beiträgen wird die Beschränkung der Schadensersatzpflicht des Unternehmers (§636) erkauft, die auch auf Arbeitskollegen erstreckt wurde (§ 63 7) 447 . Sie haften dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen nur dann, wenn sie den Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt haben oder wenn er bei der Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr eingetreten ist (§§636f). Gemeint sind damit die Fälle, daß Arbeitskollegen bei der Heimfahrt zusammenstoßen448, nicht dagegen Unfälle der 443 444 445 446 447

448

670

Vgl. BKK 1 9 9 0 , 3 3 6 ff. Dazu: HauckIFreischmidt, SGb 1 9 8 5 , 1 ff; Watermann, SGb 1 9 8 5 , 4 5 ff. Vgl. Geiger-Nietsch, SGb 1 9 7 8 , 3 6 9 ff. Greiner, in: 1 0 0 Jahre Unfallversicherung, 1 9 8 5 , 2 2 6 ff; Platz, BB 1 9 9 1 , 2 4 3 7 ff. Zu zahlreichen Einzelfragen: Gamillscheg/Hanau, Haftung des Arbeitnehmers, 2. Aufl., 1 9 7 4 ; Plagemann/Plagemann, Rn. 4 2 5 ff. Plagemann/Plagemann, Rn. 4 1 9 ; s. auch BSG, SGb 1 9 8 4 , 4 4 7 m. Anm. Löwisch.

Sozialrecht

7. Abschn. VI 4 e

Arbeitnehmer, die beruflich am Straßenverkehr teilnehmen (z.B. Busfahrer)449. Ansonsten bestehen Ansprüche nur gegen die Unfallversicherung, selbst wenn sie im Einzelfall keine Leistungen gewähren muß (z.B. Schmerzensgeld450, MdE unter 20 %, Sachschäden, s. auch § 765 a). Die Vorsatzhaftung des Unternehmers oder der Arbeitskollegen ist auf den durch Sozialleistungen nicht abgedeckten Schaden begrenzt (§636 I 2). Sie können jedoch schon dann, wenn sie den Unfall grob fahrlässig verursacht haben, innerhalb eines Jahres (§ 642) von der Berufsgenossenschaft in Regreß genommen werden (§ 640). Hat der Arbeitnehmer den versicherten Arbeitgeber geschädigt, kommt ihm die Haftungsfreistellung nicht zugute451. e) Besonderheiten der „unechten" Unfallversicherung: Besonderheiten weist die 178 eher als Versorgung einzustufende „unechte" Unfallversicherung452 vor allem im organisatorischen Bereich auf. Ihre Träger sind der Bund (§ 653), die Länder (§ 655) und die zumeist zu Gemeindeunfallversicherungsverbänden zusammengeschlossenen Gemeinden (§§ 656 f). Für die Arbeitslosen ist die Bundesanstalt für Arbeit zuständig (§ 654). Die Leistungen werden aus den Steuer- oder Beitragseinnahmen finanziert. Materiell-rechtlich ergeben sich wenig Abweichungen. Die „versicherte Tätigkeit" bei Schulkindern z.B. ist der Schulbesuch einschließlich schultypischer Verhaltensweisen (z.B. Raufereien während der Pause)453. Gesichert ist auch der Schulweg, ja selbst die Anschaffung der Schulbücher (§ 549) 454 . Ersatzansprüche gegen Mitschüler, Lehrer oder sonstiges Personal sind, von bewußten Schädigungen abgesehen, ausgeschlossen (§637 IV) 455 . Auch die Berechnung der Leistungen richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen (Jahresarbeitsverdienst bei Schülern: § 575 I Nr. 2).

Spezialliteratur zum Sozialversicherungsrecht Allgemein: Brackmann; Jahn; Kasseler Kommentar; zum Krankenversicherungsrecht: D. Krauskopf, Soziale Krankenversicherung — SGB V, Kommentar, 3. Aufl., 1990; B.von Maydell, Gemeinschaftskommentar zum SGB V, 1989 ff; Nicolay/Knieps, in: SRH, Rn. 14/ 1 ff; H.Peters, Handbuch der Krankenversicherung, 17.Aufl., 1970ff; BT-Drucks. 11/6380; zum Rentenversicherungsrecht: Bank/Bachmann/Kreikebohm/Schmidt, Rentenreform 1992, 1990; H. Eicher/ W.Haase/F. Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, 7.Aufl., 1986; Kolb/Ruland u.a., DRV 1989, 726ff; W.Pelikan, Rentenversicherung, 7. Aufl., 1989; F.Ruland, in: SRH, Rn. 16/1 ff; Verbandskommentar, hrsg. v. Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR), 1990; VDRJF.Ruland (Hrsg.), Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 1990; }. Zweng/ R. Scheerer/ G. Buschmann, Handbuch der Rentenversicherung, 2. Aufl., 1966 ff; zum Unfallversicherungsrecht: W.BauBGH, VersR 1979, 32; NJW 1976, 673 (674). « o BVerfGE 34, 118 ff. 4 5 1 BGH, NJW 1981, 53; krit.: Gitter, in: FS f. Grüner, 1982, S.169; Plagemann, VersR 1981, 632. 4 5 2 Zu ihr: Lauterbach/Watermann, in: FS f. Brackmann, 1977, 119 ff; Rüfner, Vhdlgen d. 49.DJT, 1972, E 10 ff; Schulin, Entschädigung, 87 ff, 91 ff. 4 5 3 BGHZ 67, 2 7 9 ; dazu Gitter, in: FS f. BSG, 1979, S.260. 4 5 4 BSGE 57, 260; BSG, SozR 2200 § 549 RVO Nr. 2, 6; s. auch BSGE 55, 139 ff; OLG Köln, VersR 1990, 915. 4 5 5 Ersatzanspruch des Nothelfers: BGHZ 38, 270 (280); LG Arnsberg, VersR 1961, 209. 671

179

7. Abschn. VII 1

Franz Ruland

mer/ H. Fischerl]. Salzmann, Die gesetzliche Unfallversicherung, 1978 ff; Gitter, in: SRH, Rn. 15/1 ff; H. Lauterbach /F. Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., 1967 ff; J. Plagemann/H. Plagemann, Gesetzliche Unfallversicherung, 1981; K.Wolber, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., 1991; neue Bundesländer: Aulmann, SGb (B) 1991, 65 ff.

VII. Soziales Entschädigungsrecht 180

Gegenstände des sozialen Entschädigungsrechts i. S. des § 5 SGB I (S. 618 f) sind die Verfolgtenversorgung (BEG) 456 , die Versorgung von Wehrpflichtigen in Bundeswehr (§§80 ff SVG) 457 , Bundesgrenzschutz (§59 I BGSG) oder Zivildienst (§47 ZDG), der Impfgeschädigten (§ 51 BSeuchenG)« 8 , der Kriegs- (BVG, HHG) 4 5 9 und Verbrechensopfer (OEG) 460 . Weil auslaufend, ist die Verfolgtenversorgung nicht in das SGB aufgenommen (Art. II § 1 Nr. 11 SGB I) und hier auf ihre Darstellung verzichtet worden. Grundmuster der sozialen Entschädigung sind die Leistungsvorschriften des BVG 461 . Die anderen Entschädigungsnormen statuieren nur zusätzliche Entschädigungsgründe. Die Folgen bestimmen sich einheitlich nach dem BVG. Das ist nicht sachgerecht. Das Ausmaß der Entschädigung muß auch dem Maß der Verantwortlichkeit des Staates für den Schaden entsprechen462. Sie ist für Soldaten z. B. eine andere als für Verbrechensopfer (S. 619).

1. Die Entschädigungstatbestände 181

Bei den Entschädigungstatbeständen im Zusammenhang mit Dienstleistungen gibt es — wie in der Unfallversicherung — eine dreigliedrige Kausalkette: Der Dienst muß ursächlich gewesen sein (haftungsbegründende Kausalität) für ein Ereignis (Unfall), das den Tod oder einen Gesundheitsschaden verursacht hat (haftungsausfüllende Kausalität). Entschädigungsrechtlich abgesichert sind der militärische Dienst in der deutschen Wehrmacht oder unter ihrem Oberbefehl (z. B. Waffen-SS 463 , Volkssturm, §§ 1, 2) 4 6 4 , der militärähnliche Dienst (z.B. Wehrmacht-, Luftschutzhelfer, Reichsarbeitsdienst, §§ 1, 3), die Gefangenschaft, der Wehrdienst in der Bundeswehr als Wehrpflichtiger oder aufgrund freiwilliger Blessin/Ehrig/Wilden, Bundesentschädigungsgesetz, 3. Aufl., 1960; Blessin/Giessler, Bundesentschädigungsschlußgesetz, 1967. 4 5 7 Vgl. Wilke/Wunderlich/Fehl, 851 ff. 4 5 8 AaO 938 ff; Küper, NJW 1961, 2045 ff; KüperIWalter, NJW 1963, 2 3 5 2 ff. 459 Wilke/Wunderlich/Fehl, 15 ff. 4 6 0 Außer Kunz, Schoreit/Düsseldorf, jew. aaO; auch Schoreit, Entschädigung der Verbrechensopfer als öffentliche Aufgabe, 1973; Schulz-Lüke/Wolf, Gewalttaten und Opferentschädigung, 1977; Stolleis, in: FS f. Wannagat, 1981, 5 7 9 ff; Weintraud, Staatliche Entschädigung für Opfer von Gewalttaten, 1980. 4 6 1 Das BVG werten als „Grundgesetz der sozialen Entschädigung" Leisner, KOV 1972, 49 (51 ff); Rohwer-Kahlmann, VdK-Mitteilungen 1971, 200 ff; Tichy, Das Soziale Entschädigungsrecht, 1975, 7 ff; Wulfhorst, DRiZ 1972, 267. 4 6 2 Krit.: Gitter/Schnapp, J Z 1972, 4 7 4 (477); Ruland, AöR 99 (1974), 505 (510); Schulin, Entschädigung, 280 ff; Zacher, DÖV 1972, 461 (468). 4« Dazu BSG, JuS 1979, 301 ff; Wilke/Wunderlich/Fehl, 84 f. 4 6 4 Paragraphen ohne Angabe des Gesetzes sind solche des BVG.

456

672

7. Abschn. VII 2

Sozialrecht

Verpflichtung (§ 80 SVG), der Dienst bei dem Bundesgrenzschutz (§ 59 I BGSG) und der Zivildienst (§ 47 ZDG). Mitgesichert ist jeweils auch der Weg von und zum Dienst (§4; §81 IV SVG). Die Abgrenzung zum nicht geschützten allgemeinen Lebensrisiko erfolgt weitgehend wie in der Unfallversicherung465. Dem militärischen Dienst werden auch Straf- und Zwangsmaßnahmen deutscher Stellen zugerechnet, soweit sie offensichtliches Unrecht waren (§ 1 II lit. d)466. Die haftungsbegründende Kausalität ist gegeben, wenn für das schädigende 182 Ereignis der Dienst oder die ihm eigentümlichen Verhältnisse wesentlich mitwirkende Bedingung waren467. Dafür genügt z. B. schon die Zugehörigkeit zur Bundeswehr, wenn ihretwegen Soldaten angegriffen werden (§81 II Nr. 1 SVG). Bei einer absichtlich herbeigeführten Schädigung ist die Kausalität zu verneinen (§ 1IV; § 81 VI SVG), wenn nicht besondere, dem Dienst zuzurechnende Umstände für sie mit ursächlich waren (z. B. Furcht vor Gefangenschaft)468. Im übrigen bleibt auch hier ein Mitverschulden des Geschädigten, von der Trunkenheit im Straßenverkehr abgesehen469, weitgehend unberücksichtigt. Für die haftungsausfüllende Kausalität genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§1 III; §81 V SVG); es muß mehr für als gegen ihn sprechen. Bei der Entschädigung wegen zugemuteten Risikos tritt in der dreigliedrigen Kausalkette an die Stelle der Dienstleistung der Risikotatbestand: die erzwungene oder empfohlene Impfung (§51 I BSeuchenG), die unmittelbare Kriegseinwirkung infolge von Kampfhandlungen, Flucht, Verschleppung, Besetzung oder Vertreibung oder die nachträgliche Auswirkung kriegerischer Vorgänge, z.B. Kinder spielen mit Bombe (§§1 II lit. a, 5), und der vorsätzliche rechtswidrige, nicht selbst provozierte470 (§2 OEG) Angriff gegen die eigene oder eine andere Person oder dessen Abwehr (§1 I—III OEG). Hinsichtlich der übrigen Glieder der Kausalkette bestehen keine Besonderheiten. 2. Die Entschädigungsleistungen Entschädigt werden die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädi- 183 gung (§ 1 I; § 80 SVG; § 1 I OEG). Die Heilbehandlung (§§ 10, 11) entspricht im wesentlichen der der Krankenkassen. Sie wird weitgehend auch von ihnen als Sachleistung erbracht ( § 1 8 c II) gegen Ersatz ihrer Aufwendungen (§19). Bei Schwerbeschädigten (MdE mindestens 5 0 % , §31 III 1) ist als Ausgleich ihrer beeinträchtigten Vorsorgefähigkeit der Anspruch auf Heilbehandlung nicht nur auf anerkannte Schäden beschränkt, auch die Angehörigen sind mitgesichert (§ 10 IV). Der beruflichen Rehabilitation (§ 26) liegt der übliche Leistungskatalog zugrunde, sie kann auch einen beruflichen Aufstieg anstreben. Während Heilbehandlung und Rehabilitation wird der vorübergehende Einkommensverlust durch Übergangsgeld 465 466

467

468 469 470

Wilke/Wunderlich/Fehl, 2 8 ff. Vgl. z.B. LSG Baden-Württemberg, SGb 1 9 6 5 , 2 1 6 ; LSG München, Breithaupt 1 9 5 9 , 8 3 0 ; SG Düsseldorf, Breithaupt 1 9 5 6 , 1 1 4 7 . Zu ihr: Wallerath, VSSR 1 9 7 4 , 2 3 3 ff; Weishäupl, Die Kausalität in der Kriegsopferversorgung, 1 9 5 8 . BSGE 1, 1 5 0 ; s. aber BSGE 5 7 , 1 6 8 ; Schulin, in: SRH, Rn. 2 4 / 3 8 ff. BSGE 19, 1 3 9 ; 6 2 , 1 8 7 ; Kurz, KOV 1 9 7 2 , 81 ff. BSGE 4 9 , 1 0 4 ff; Baumann, SGb 1 9 8 0 , 2 2 1 ff; Stolleis, in: FS f. Wannagat, 1 9 8 1 , 5 9 1 ff. 673

7. Abschn. VII 2

Franz Ruland

ausgeglichen, das wie das Krankengeld berechnet wird (§§ 16f). Bei Dauerschäden kommen mehrere Renten in Betracht. Der Grundrente (§31), deren einheitliche Höhe von dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) abhängt (bis Juni 1992 maximal: 998 DM), kommt, weil vom tatsächlichen Einkommensverlust unabhängig, nur bedingt Einkommensersatzfunktion zu. Sie gleicht die Beeinträchtigung der körperlichen Integrität und schädigungsbedingte Mehraufwendungen aus, ist also Ersatz für materielle wie für immaterielle Schäden471. Schwerstbeschädigte erhalten einen Zuschlag von maximal 709 DM. Die Ausgleichsrente (§32) steht Schwerbeschädigten zu, die infolge ihres Gesundheitszustandes oder Alters (60 Jahre) keine zumutbare Erwerbstätigkeit mehr ausüben können. Dabei werden abweichend vom kausalen Prinzip nicht nur anerkannte Schäden, sondern es wird der Gesamtleidenszustand berücksichtigt. Die Ausgleichsrente beträgt je nach dem Grad der MdE bis zu 998 DM, zuzüglich eventueller Ehegatten- oder Kinderzuschläge (§§ 33 a f). Einkommen wird oberhalb von Freibeträgen angerechnet. Der Berufsschadensausgleich (§30 III) ist am konkreten Einkommensverlust orientiert, aber begrenzt auf 40 % des Unterschiedes zwischen dem Einkommen nach der Schädigung einschließlich der Ausgleichsrente und dem durch Verordnung472 bestimmten Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Geschädigte ohne die Schädigung angehören würde. Einkommensverlust einer Hausfrau sind die Mehraufwendungen bei der Haushaltsführung, bei Erwerbsunfähigkeit z. B. 998 DM (§ 30 IV, VIII). Für die Minderung der Erwerbsfähigkeit ist — wie in der Unfallversicherung — das Maß der Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben entscheidend. 184 Hinterbliebene erhalten neben dem Bestattungs- (§ 36) und Sterbegeld ( = Umstellungshilfe, § 37) Rente, wenn der Geschädigte an den Folgen seiner Schädigung verstorben ist (§§ 1 V, 38), ansonsten gibt es Beihilfen (§48). Auch bei den Renten an den hinterbliebenen — auch geschiedenen (§42) — Ehegatten wird zwischen der Grund- (§40), der Ausgleichsrente (§41) und dem Schadensausgleich (§40a) unterschieden. Während der Betrag für die Grund- und die Ausgleichsrente gesetzlich festgelegt ist (597 bzw. 660 DM), beträgt der Schadensausgleich 40 % des Unterschiedes zwischen dem Einkommen der Witwe und der Hälfte des Einkommens, das der Verstorbene ohne die Schädigung erzielt hätte. Gleiches gilt für den Witwer (§ 43). Zu den leistungsberechtigten Hinterbliebenen zählen auch Waisen (§§45—47) und Eltern (§§49f) 4 7 3 . Die Leistungen werden wie gesetzliche Renten jeweils zum 1. Juli angepaßt (§56). 185 Die subsidiäre Kriegsopferfürsorge (§§25 ff) ergänzt die am typischen Schaden ausgerichteten Regelleistungen des BVG und trägt so dem Gebot einer mehr individualisierenden Entschädigung Rechnung. Es werden Wohnungs-, Erholungsund Erziehungsbeihilfen (§§27, 27 bf) gewährt, im übrigen unter erleichterten Voraussetzungen alle Hilfen in besonderen Lebenslagen nach dem BSHG (§ 27 d). 186 In den 5 neuen Bundesländern können diese Entschädigungsleistungen ab 1991 beantragt werden. Die Leistungen sind aber entsprechend der Relation der Durchschnittsrenten in West- und Ostdeutschland noch niedriger (ca. 56 %). 471 472 473

674

BSGE 40, 225 (227). BGBl. 1984 I, 861. Vgl. Wilke/Wunderlich/Fehl,

8 4 3 ; zur „Bräuteversorgung" s.a. BSG, NJW 1991, 3 2 9 9 .

7. Abschn. VIII 1

Sozialrecht

3. Verwaltungs- und Kostenträger Grundsätzlich (s. aber § 88 I 1 SVG) wird die Versorgung von den Versorgungs- 187 und Landesversorgungsämtern durchgeführt (§ § 2 ff KOV — VwVfG), soweit nicht die Krankenkassen eingeschaltet sind (§ 18 c II). Historisch bedingt liegt die Zuständigkeit für die Kriegsopferfürsorge bei den Hauptfürsorgestellen und den Sozialhilfeträgern (§24 II SGB I; s. auch §51 II 2 SGG). Obwohl der Bund Kostenträger (Art. 120 I 1 GG; §§ 1 I, 8 des l.ÜberlG) ist, vollziehen die Länder das BVG abweichend zu Art. 104 a III GG als eigene Angelegenheit474. Die Versorgung beschädigter Bundeswehrsoldaten erfolgt im Auftrag des Bundes (§ 88 I 2 SVG). Die Lasten des OEG tragen der Bund zu 40 %, die Länder zu 60 %, die es mithin (Art. 104 a III GG) als eigene Angelegenheit vollziehen. Gleiches gilt für die Versorgung der Impfgeschädigten, für deren Kosten die Länder allein aufzukommen haben (§ 59 II BSeuchenG). Spezialliteratur zum sozialen Entschädigungsrecht E.Kunz, OEG, 2.Aufl., 1989; Lenz, ZSR 1988, 140 ff; 2 0 9 ff; W. Schönleiter / H. Aul U. Schönleiter, Handbuch der Bundesversorgung, 2. Aufl., 1974 ff; A. Schoreitl T. Düsseldorf, Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten, 1977; Schulin, Entschädigung, aaO; ders., in: SRH, Rn. 24/1 ff; G. Wilke / G. Wunderlich / H. Fehl, Bundesversorgungsgesetz, 6. Aufl., 1987.

188

VIII. Die Sozialleistungen und ihr Ersatz durch Dritte 1. Die Sozialleistungen Die für alle Sozialleistungen gemeinsamen Vorschriften finden sich im SGB I. Sie stehen aber unter dem Vorbehalt abweichender Regelungen in den besonderen Teilen (§ 37) 475 . Für ihre Unanwendbarkeit genügt bereits, daß sie nicht in das System des jeweiligen Leistungsbereichs hineinpassen476. Daher sind z. B. die Vorschriften über die Sonderrechtsnachfolge und die Vererbung (§§56f) auf Leistungen der Sozialhilfe nicht anwendbar477. Sozialleistungen unterliegen einem Gesetzesvorbehalt (§31), Verträge dürfen über sie nur dann geschlossen werden, wenn sie im Ermessen des Trägers stehen -|go (§53 II SGB X). Auf sie besteht grundsätzlich ein Rechtsanspruch (§38). Ermessensleistungen sind die Ausnahme. Das Ermessen ist dann pflichtgemäß auszuüben (§ 39). Es betrifft zumeist nur das „Wie" der Leistung (z. B. § 4 II BSHG; § 13 I SGB VI; s. aber § 318 SGB VI). Der Rechtsanspruch — bei wiederkehrenden Leistungen: das Stammrecht — entsteht und wird fällig (Ausnahmen: § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V — Barleistungen der Krankenversicherung; § 619 I 2 RVO — Verletztengeld; § 122 I AFG — Arbeitslosengeld und -hilfe), sobald die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen (§§40 I, 41). Zu ihnen zählt vielfach (nicht: §5 BSHG) auch der Antrag 474 475 476 477

Vgl. BSGE 39, 20 (22). Paragraphen ohne Angabe des Gesetzes sind solche des SGB I. Vgl. Bley, in: Gesamt-Kommentar, § 37 Anm. 4 b; Schellhorn, in: GK-SGB I, § 37 Rn. 18. Vgl. BVerwGE 58, 68 ff; s. auch Petersen, NDV 1976, 66 (72); Schellhorn, ebd. 163.

675

7. Abschn. Vili 1

Franz Ruland

des Berechtigten, dem dann materiell-rechtliche Bedeutung zukommt (z.B. § § 9 9 1 , 115 SGB VI; § 1 BVG). Bei Ermessensleistungen ist der Zeitpunkt der Bekanntgabe der Entscheidung maßgeblich ( § 4 0 II; § 37 SGB X), sofern diese nicht einen anderen Termin bestimmt. Dabei ist zu beachten, daß sich die Verfahrensdauer nicht immer und nicht voll zu Lasten des Antragstellers auswirken darf 478 . 191 Lassen sich dem Grunde nach unstreitige Ansprüche der Höhe nach noch nicht festsetzen, können — auf Antrag: müssen — Vorschüsse gezahlt werden (§ 42) 4 7 9 . Vorläufige Leistungen (§43) verhindern einen Kompetenzstreit zu Lasten des Berechtigten. Für die Bearbeitung des Antrags hat der Leistungsträger 6 Monate, für die Auszahlung nach der Entscheidung 1 Monat Zeit 4 8 0 . Danach tritt die Zinspflicht ( 4 % ) ein (§44). Die Verjährungsfrist beträgt 4 Jahre (§45). Auf Leistungen kann schriftlich verzichtet werden, soweit nicht Dritte (z. B. Sozialhilfeträger, Unterhaltspflichtige) belastet werden (§ 46). Bei wiederkehrenden Leistungen bleibt das Stammrecht 481 unberührt, da der Verzicht für die Zukunft widerrufen werden kann. Die Leistungen werden kostenfrei überwiesen (§ 47). Kommt der Berechtigte seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Ehegatten und seinen Kindern nicht nach, kann diesen ein angemessener Teilbetrag ausgezahlt werden (§ 48) 4 8 2 . Der mißbräuchlichen Inanspruchnahme von Sozialleistungen soll durch den Sozialversicherungsausweis entgegengewirkt werden (§§ 95 ff SGB IV). 192 Da Sozialleistungen inzwischen recht hoch sein können, hielt das SGB an ihrer Unpfändbarkeit483 nicht länger fest 484 . Sie gilt nur noch für Ansprüche auf Dienstund Sachleistungen, die auch weder übertragen noch verpfändet werden dürfen (§§53 I, 54 I). Geldleistungen unterliegen dieser Einschränkung nicht mit Ausnahme der Leistungen nach dem BSHG ( § 4 1 2 BSHG i.V.m. §37). Sie können, wenn überhaupt, nur auf dem Konto gepfändet werden. Im übrigen ist zwischen einmaligen (z.B. Sterbegeld), laufenden (z.B. Grundrente nach BVG) und laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt (z. B. Rente) zu unterscheiden. Letztere können, soweit sie die Pfändungsgrenzen übersteigen, übertragen und verpfändet werden (§ 53 III), alle Geldleistungen ohne Rücksicht auf die Pfändbarkeit dann, wenn es der Absicherung von Vorleistungen Dritter (z. B. Darlehen) dient oder im Interesse des Berechtigten liegt (z.B. Kauf einer Eigentumswohnung). Die Entscheidung liegt bei dem Sozialleistungsträger (§ 53 II). 193 Gepfändet werden können einmalige Leistungen, wenn es der Billigkeit entspricht, was weitgehend von der Zweckbestimmung der Leistung abhängt (§ 54 II) 485 . Laufende Geldleistungen können wie Arbeitseinkommen wegen Unterhaltsansprüchen, wegen sonstiger Ansprüche nur dann gepfändet werden, wenn es der Billigkeit entspricht und keine Hilfsbedürftigkeit eintritt ( § 5 4 III) 486 . Die Pfän478

Vgl. BVerfGE 60, 16 ff.

479

Zu ihnen: Heinze, in: SRH, Rn. 8/105 ff.

480

Zu dieser Deutung des § 4 4 : Gitter, in: Bochumer Kommentar, § 4 4 Rn. 4 4 f. Zur Differenzierung: BSGE 34, 1; s. auch Weber, Stammrecht und Einzelansprüche bei wiederkehrenden Geldleistungen des Sozialrechts, Diss. jur. Freiburg 1978.

481

482 483

484

485 486

676

Dazu Bracht, NJW 1976, 1252 ff; Maier, SGb 1976, 305.

Zu ihr BVerfGE 11, 283 (288); 3 3 , 199 (205); 4 6 , 55 (61).

Zur Neuregelung: Heinze, in: SRH, Rn. 8/135 ff. Vgl. Maier, SGb 1979, 457 f; v.Maydell, in: GK-SGB I, §53 Rn. 14. Krit.: Heinze,

in: Bochumer Kommentar, § 5 4 Rn. 3 ff.

7. Abschn. VIII 2 a

Sozialrecht

dungsfreigrenzen stellen das nicht immer sicher487. Da Sozialleistungen heute bargeldlos erbracht werden (§47 I), muß ihr Pfändungsschutz auch die Kontogutschrift erfassen. Sie ist in den ersten 7 Tagen unpfändbar. Von einer sonstigen Kontenpfändung wird sie nicht erfaßt (§ 55 I). Die Bank darf die Gutschrift nicht mit einem Schuld-Saldo verrechnen488. Nach Ablauf der 7 Tage nimmt die Unpfändbarkeit laufender Geldleistungen auf dem Konto zeitanteilig ab (§ 55 IV): Ist z. B. zur Monatsmitte noch mehr als die Hälfte ihres Betrages auf dem Konto, kann (nur) dieses „Mehr" ohne sozialrechtliche Besonderheiten gepfändet werden. Gleiches gilt für Bargeld. Soweit Sozialleistungen pfändbar sind, kann der Sozialleistungsträger mit eigenen Ansprüchen aufrechnen oder mit denen eines anderen Trägers verrechnen (§§ 51 f). Mit dem Tode des Berechtigten erlöschen Ansprüche auf Dienst- und Sachlei- 194 stungen. Waren, als er starb, fällige Ansprüche auf Geldleistungen festgestellt oder Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens489, stehen sie in der Reihenfolge dem Ehegatten, den Kindern, den Eltern und dem Haushaltsführer490 (§56) zu. Erst nach dieser Sonderrechtsnachfolge491 gilt Erbrecht (§ 58). Da mit ihr eine Haftung verbunden ist, kann auf sie verzichtet werden (§ 57). Zu Unrecht erbrachte Sozialleistungen sind zu erstatten, Sach- und Dienstleistun- 195 gen in Geld (§ 50 I SGB X). Voraussetzung ist, daß der der Leistung zugrundeliegende Verwaltungsakt aufgehoben wurde oder, gab es ihn nicht, er, seinen Erlaß unterstellt, hätte aufgehoben werden können. (Nur) bei dieser Prüfung (Rn. 211) wird der Vertrauensschutz berücksichtigt. Der Anspruch verjährt in 4 Jahren (§ 50 I I - I V SGB X). 2. Ersatzansprüche gegen Dritte a) Die Fälle: Für die Pflicht Dritter (nicht: andere Sozialleistungsträger, s. Rn. 196 225), Sozialleistungen zu ersetzen, gibt es 4 Fallgruppen: (1) Sozialleistungen wurden notwendig, weil der Dritte seiner vorrangigen Leistungspflicht nicht nachgekommen ist. Der Anspruchsübergang stellt die gesetzliche Rangfolge wieder her. Vorrangige Leistungspflichten sind vor allem: Unterhaltspflichten (z.B. §§ 9 0 f BSHG; § 7 UnterhVG; §140 AFG; §37 BAföG) und Lohnfortzahlungspflichten (§ 115) 492 . (2) Es werden Sozialleistungen aufgrund einer Schädigung erbracht, für die der Dritte verantwortlich ist. Der Anspruchsübergang auf den Sozialleistungsträger (§116 I) verhindert eine Doppelleistung an den Geschädigten (Sozialleistung + Schadensersatz) und eine Entlastung des Schädigers. In beiden Fällen geht der Anspruch in Höhe der (zu Recht) erbrachten Sozialleistung über. Das kann kraft 487 488

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Dazu Brühl, ZfSH/SGB 1988, 72 ff; Sans, NDV 1991, 381 ff; BR-Drucks. 476/91. Vgl. OVG Münster, NJW 1988, 156; OVG Hamburg, NJW 1988, 157: Heinze, in: Bochumer Kommentar, § 5 5 Rn. 12. Bei der zweiten Alternative: keine Ermessensleistungen, vgl. § § 4 1 , 4 0 II. Zu ihm § 56 IV und BSGE 14, 203; 20, 148; 29, 225. Vgl. Heinze, in: SRH, Rn. 8/241 ff; Tegtmeyer, Erbfolge und Sonderrechtsnachfolge im sozialen Versicherungsrecht, Diss. jur. Göttingen 1974. Paragraphen ohne Angabe des Gesetzes sind solche des SGB X.

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Gesetzes (z.B. §§ 115f; § 3 7 BAföG; § 7 UnterhVG) oder durch schriftliche Anzeige der Leistung an den Verpflichteten erfolgen (z. B. § 90 BSHG; § 140 AFG). Der übergeleitete Anspruch behält seine Rechtsnatur und ist ihr entsprechend gegebenenfalls einzuklagen und zu vollstrecken (Rn. 59). (3) Auch in der 3. Fallgruppe werden Sozialleistungen aufgrund einer Schädigung erbracht, für die ein Dritter verantwortlich ist. Für diesen Schaden kommt aber eine Solidargemeinschaft auf, der der Dritte angehört. Hat er ihn unter Verletzung ihr gegenüber bestehender Verhaltenspflichten verursacht, muß er für ihre Leistungen (= ihren Schaden) aufkommen. Gemeint ist der Regreß der Unfallversicherungsträger gegen Unternehmer und Arbeitskollegen, die einen Arbeitsunfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben (§ 640 RVO). Zu ersetzen ist nicht der Schaden des Verletzten, sondern der des Unfallversicherungsträgers. Darauf kann nach billigem Ermessen verzichtet werden. (4) Dritte haben schließlich auch dann die Sozialleistung zu ersetzen, wenn sie durch falsche Angaben etc. ihre Gewährung verursacht haben (z. B. § 47 a BAföG; § 145 AFG) 493 . 197

b) Speziell: der Übergang von Schadensersatzansprüchen: Die in der Praxis wichtigsten Überleitungsnormen sind der schon dargestellte § 90 BSHG (Rn. 59) und §116, mit dem der Übergang von Schadensersatzansprüchen auf eine neue Rechtsgrundlage494 gestellt worden ist. Sie hat den Sozialleistungsträgern ihr umstrittenes Quotenvorrecht495 genommen, ohne aber die Regelungen zu übernehmen, die im Beamten- (§52 BRRG; § 8 7 a BBG) oder im Privatversicherungsrecht (§ 67 W G ) gelten. Bei einem Sonderrecht der Sozialleistungsträger ist es geblieben496. 198 § 116 führt zu einer cessio legis. Im Moment ihrer Entstehung, d.h. des Schadensereignisses, gehen Ersatzansprüche dem Grunde nach auf den Versicherungsoder Sozialhilfeträger über, soweit er wegen des Schadens Leistungen zu erbringen hat, die mit dem Ersatzanspruch sachlich und zeitlich kongruent sind497. Dies begründet ein Verfügungsverbot (§ 135 BGB). Ausgenommen sind Ansprüche gegen Familienangehörige, es sei denn, sie beruhen auf vorsätzlicher Schädigung (§116 VI) 498 . Dem Familienetat soll nicht das, was ihm als Sozialleistung zufließt, wieder durch den Ersatzanspruch genommen werden. Davon profitieren auch Haftpflichtversicherungen499. Die Subsidiarität der Amtshaftung (§ 839 I 2 BGB) führt dazu, daß ein (übergangsfähiger) Anspruch nicht entsteht. Bei Unfällen im Straßenverkehr ist sie aber, wurden keine Sonderrechte in Anspruch

Dazu BSG, SGb 1985, 3 0 m.Anm. Schnapp. Ausführlicher: Plagemann, in: SRH, Rn. 1 0 / 5 ff. 4 « Vgl. die Nachweise in BGH, JuS 1969, 188; LG Frankfurt, JuS 1976, 6 8 2 ff; s. noch Neumann-Duesberg, BKK 1979, 201 (209); Ritze, SozVers. 1978, 2 8 5 . 4 9 6 Krit. Marschall v. Bieberstein, ZVersWiss. 1983, 111 ff; Sieg, SGb 1983, 179 ff. 4 9 7 Voraussetzung ist, daß schon zu diesem Zeitpunkt die Versicherung bestand: BGH, VersR 1982, 5 4 6 ; zur Kongruenz: v.Maydell, in: GK-SGB X 3, § 116 R n . 9 2 f f . 4 '8 Ausführlich: Künnel, VersR 1983, 223. 4 9 9 BGH, VersR 1979, 2 5 6 (257); 1980, 6 4 8 ; krit. Ritze, SozVers. 1981, 2 5 2 f . 493

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genommen500, zugunsten der haftungsrechtlichen Gleichstellung im Verkehr von der Rechtsprechung aufgegeben worden501. Nicht übergangsfähig sind auch Ansprüche auf Schmerzensgeld?01, es fehlt an der 199 sachlichen Kongruenz. Sozialleistungen gleichen keine immateriellen Schäden aus503. Das gilt grundsätzlich auch für Ansprüche auf Ersatz der Sachschäden. Sie werden durch Sozialleistungen nur selten (§ 765 a RVO; § 21 II BSHG) ersetzt. Bei den übrigen Schadensgruppen (Heilungskosten, vermehrte Bedürfnisse, Erwerbsund Unterhaltsschaden) kommt je nach Sozialleistung Kongruenz in Betracht504. Hinterbliebenenrenten sind mit dem Unterhaltsschaden selbst dann kongruent, wenn sie hinter der Leistung zurückbleiben, die an den verunglückten Rentner erbracht wurde505. Zwischen den auf den Sozialleistungsträger übergegangenen und den bei dem 200 Geschädigten verbliebenen Ansprüchen gibt es Konkurrenzprobleme, wenn (1) die Haftung des Schädigers aus Rechtsgründen wegen eines Mitverschuldens des Geschädigten (§254 BGB) oder wegen einer gesetzlichen Höchstgrenze (z.B. § 12 StVG) beschränkt ist oder (2) der unbegrenzt haftende Schädiger tatsächlich, d. h. wirtschaftlich, nicht für den vollen Schaden aufkommen kann. Im zuletzt genannten Fall hat der Geschädigte ein Befriedigungsvorrecht (§116 IV)506. Er kann vor dem Sozialleistungsträger vollstrecken und wird daher durch den Anspruchsübergang nicht benachteiligt. Ist der Ersatzanspruch aus rechtlichen Gründen begrenzt, wird unterschieden: Ist seine Höhe limitiert, werden zunächst die dem Geschädigten verbliebenen Ansprüche berücksichtigt. Nur der Rest geht über (Quotenvorrecht des Geschädigten, §116 II). Beim Mitverschulden wird der Ersatzanspruch im Verhältnis der übergangsfähigen Sozialleistungen zum Restschaden zwischen dem Sozialleistungsträger und dem Geschädigten aufgeteilt (relative Theorie, §116 III l) 507 . Soweit dieser dadurch sozialhilfebedürftig würde, verbleibt ihm der Ersatzanspruch (S. 3 aaO) 508 . Eine weitere Ausnahme gilt, wenn der Sozialleistungsträger infolge der Schädigung keine höheren Aufwendungen als zuvor hatte (§116 V), wenn z. B. die Rente des bei dem Unfall getöteten Versicherten höher ist als die Witwenrente an dessen Frau. Ist der Ersatzanspruch sowohl durch eine gesetzliche Haftungshöchstsumme als auch durch ein Mitverschulden des Geschädigten begrenzt, werden zunächst die der Haftungsquote entsprechenden Teilforderungen des Sozialleistungsträgers und des Geschädigten ermittelt und dann im Verhältnis der Haftungshöchstsumme zum ursprünglichen Gesamtbetrag der Ersatzansprüche gekürzt (§ 116 III 2)5