222 78 4MB
German Pages 82 [84] Year 1973
Privatrecht Band III Hartwig, Besondere Schuldverhältnisse mit Hinweisen auf den Zivilprozeß
Privatrecht Lehrbuch für Fachhochschulstudenten
Band I: Grundlagen des bürgerlichen Rechts mit Hinweisen auf den Zivilprozeß Von Horst Hartwig, Richter am Oberlandesgericht, Dozent an der Fachhochschule Dortmund Band II: Allgemeines Schuldrecht mit Hinweisen auf den Zivilprozeß Von Horst Hartwig, Richter am Oberlandesgericht, Dozent an der Fachhochschule Dortmund Band III: Besondere Schuldverhältnisse mit Hinweisen auf den Zivilprozeß Von Horst Hartwig, Richter am Oberlandesgericht, Dozent an der Fachhochschule Dortmund Band IV: Sachenrecht und Wertpapierrecht Von Horst Hartwig, Richter am Oberlandesgericht, Dozent an der Fachhochschule Dortmund Band V: Gesellschaftsrecht Von Dr. Hubert Klingberg, Vorsitzender Richter am Landgericht, Dozent an der Fachhochschule Dortmund Band VI: Wettbewerbsrecht Von Dr. Hubert Klingberg, Vorsitzender Richter am Landgericht, Dozent an der Fachhochschule Dortmund
J. Schweitzer Verlag • Berlin
Privatrecht Lehrbuch für Fachhochschulstudenten
Band III
Besondere Schuldverhältnisse mit Hinweisen auf den Zivilprozeß Von
Horst Hartwig Richter am Oberlandesgericht Dozent an der Fachhochschule Dortmund
1 973
J. Schweitzer Verlag • Berlin
I S B N 3 8059 0309 X © 1973 by J. Schweitzer Verlag, Berlin. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Satz, Druck und Bindearbeiten: Sellier GmbH, Freising. — Printed in Germany.
Vorwort
Die einzelnen Schuldverhältnisse des BGB sind für einen Fachhochschulstudenten im Bereich Wirtschaft nicht alle gleich wichtig. Vorrangig interessieren ihn Probleme des Kauf- und Werkvertragsrechts sowie alle Fragen der Kreditsicherung. Beim Kaufrecht ist auf die speziell handelsrechtlichen Regelungen Rücksicht zu nehmen. Unter diesem Blickwinkel habe ich die besprochenen Fälle ausgewählt. Eingehend sind die mannigfachen Formen des Eigentumsvorbehaltes dargestellt. Das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung und der unerlaubten Handlung ist demgegenüber nur kursorisch behandelt. Weitere besondere Schuldverhältnisse (Darlehen, Anweisung, Inhaberschuldverschreibung) sollen in einem vierten Band, der vornehmlich dem Sachenrecht, den Grundzügen des Wertpapierrechts und Einzelproblemen des Handelsrechts vorbehalten ist, erörtert werden. Alle wichtigen Rechtsfragen sind am praktischen Fall entwickelt und erläutert. Dem Studenten wird dringend empfohlen, die Fälle in der dargebotenen Reihenfolge zu bearbeiten. Bei Unklarheiten und Erinnerungslücken bitte unbedingt die Verweisungen auf frühere Fälle beachten. Nur ständige Wiederholung verhilft zu einem gesicherten Wissen. Altlünen, Juli 1973
Horst Hartwig
Inhaltsverzeichnis
Fall
Gegenstand
Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.
10 11 12 13 14 15
Nr. 16 Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.
17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29
Nr. 30 Nr. 31 Nr. 32 Nr. 33 Nr. 34
Verschaffungspflicht des Verkäufers Haftung für Rechtsmängel Rechtskauf Gefahrübergang mit Übergabe Gefahrübergang mit Übergabe Einfacher Eigentumsvorbehalt Eigentumsvorbehalt und Weiterveräußerung Erweiterter Eigentumsvorbehalt: Weitergeleiteter EV Erweiterter Eigentumsvorbehalt: Nachgeschalteter EV, Recht zum Besitz Erweiterter Eigentumsvorbehalt: Verlängerter EV Erweiterter Eigentumsvorbehalt: Kontokorrentvorbehalt Erweiterter Eigentumsvorbehalt: Konzernvorbehalt Gewährleistungsrecht; Wandelung wegen Sachmängel Minderung; nach dem Vertrage vorausgesetzter Gebrauch Schadensersatz wegen Nichterfüllung, Fehlen zugesicherter Eigenschaften Gewährleistungsbeschränkungen; arglistiges Verhalten des Verkäufers Gattungskauf; zugesicherte Eigenschaft und Mangelfolgeschaden Gattungskauf; positive Vertragsverletzung und Gewährleistung . . . Mangelfolgehaftung bei arglistigem Verhalten Vollzug der Wandelung; Verjährung Leistungsverweigerungsrecht nach rechtzeitiger Mängelrüge . . . . Falschlieferung; Rügepflicht des Kaufmanns Mengenfehler Bestimmungskauf, Aufbewahrungspflicht Leasing; Inhaltskontrolle der AGB Abzahlungskauf, Gesamtschuld Rücktritt durch Rücknahme der Kaufsache Erfüllungsansprüche beim Werkvertrag vor Abnahme Erfüllungsansprüche beim Werkvertrag nach Abnahme; Bedeutung der Abnahme Gewährleistung vor Abnahme Gewährleistung nach Abnahme; Schadensersatz, Garantie Verjährung der Gewährleistungsansprüche; Ansprüche aus pVV; VOB Unternehmerpfandrecht; Kündigungsrecht des Bestellers Werklieferungsvertrag
Seite 1 2 3 5 5 6 6 7 8 11 13 14 15 18 19 21 23 25 26 28 29 30 31 32 33 38 41 43 45 46 48 49 51 52
VIII Fall
Gegenstand
Nr. 35
Ungerechtfertigte Bereicherung; Bürgschaft, Garantieversprechen, Schuldübernahme, Schuldanerkenntnis und Schuldversprechen . . Einreden des Bürgen, selbstschuldnerische Bürgschaft Ausfallbürgschaft Unerlaubte Handlung; Schutz absoluter Rechte Schutzgesetze; sittenwidrig vorsätzliche Schädigung; Anspruchskonkurrenz Haftung nach dem StVG; Schmerzensgeld; Verrichtungsgehilfe . . . Lösungsschema
Nr. Nr. Nr. Nr.
36 37 38 39
Nr. 40
Stichwortverzeichnis
Seite
53 59 60 61 63 65 69 71
1 Fall Nr. 1: Verschaffungspflicht des Verkäufers V hat dem K einen echten Orient-Teppich für 10000,-DM verkauft. Durch eine Zeitungsanzeige erfährt K, daß der Teppich dem E gestohlen worden ist. K händigt dem E den Teppich aus und verlangt von V die gezahlten 10000,- DM zurück. Mit Recht?
Lösung Der geltend gemachte Anspruch könnte seine Grundlage in §§ 440, 325 BGB haben. Nach § 433 Abs. 1 S. 1 BGB ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die verkaufte Sache zu übergeben und zu übereignen. Diese Verkäuferpflichten erwachsen natürlich nur aus einem wirksamen Kaufvertrag. Zweifel an der Wirksamkeit des Kaufvertrages können im Hinblick auf die §§ 306, 935 BGB bestehen. Gem. § 306 BGB ist ein Vertrag, der auf eine unmögliche Leistung gerichtet ist, nichtig (nachlesen Fall Nr. 15 in Bd. II); aber § 306 BGB hat nur die anfänglich objektive Unmöglichkeit im Auge. Wir müssen also prüfen, ob niemand in der Lage ist, dem K das Eigentum an dem Teppich zu verschaffen. Dazu ein kleiner Vorgriff auf das Sachenrecht: Eigentumserwerb an einer gestohlenen Sache ist unmöglich (§ 935 BGB). Nur der Eigentümer selbst kann sie unter besonderen Voraussetzungen übereignen.
Da V nicht Eigentümer des gestohlenen Teppichs war, hätte nur E dem K das Eigentum daran verschaffen können. Die Erfüllung des auf Eigentumsübertragung gerichteten Kaufvertrages war dem V also subjektiv unmöglich. Auf Fälle der anfänglichen subjektiven Unmöglichkeit (Unvermögen) ist § 306 BGB jedoch unanwendbar. Der Kaufvertrag ist daher wirksam. Wenn der Verkäufer seine Pflicht zur Übereignung der verkauften Sache nicht erfüllt, haftet er dem Käufer nach den §§ 320-327 BGB (§ 440 Abs. 1 BGB). Dadurch eröffnen sich folgende Möglichkeiten: 1. Wenn der Verkäufer den Kaufpreis verlangt, ohne seinerseits die Kaufsache übergeben und übereignet zu haben, kann der Käufer die Einrede des nichterfüllten Vertrages erheben (§ 320 BGB; vgl. Fall Nr. 37 in Bd. II). 2. Wenn der Verkäufer mit der Übergabe oder mit der Übereignung oder mit beidem im Verzuge ist, kann der Käufer nach Setzung einer Nachfrist mit Ablehnungsandrohung vom Kaufvertrage zurücktreten (§ 326 Abs. 1 BGB). Macht der Käufer Schadensersatz geltend, dann muß er § 440 Abs. 2 BGB beachten: Das Gesetz will verhindern, daß der Käufer, dem die Sache bereits übergeben worden ist, den Besitz behält und dennoch Schadensersatz vom Verkäufer verlangt. Deshalb muß er die Sache zuvor dem herausgabeberechtigten Dritten oder dem Verkäufer zurückgegeben haben. Dem steht es gleich, wenn die Sache untergegangen ist. Lesen Sie bitte auch die Absätze 3 und 4 des § 440 BGB sorgfältig durch, und machen Sie sich deren wirtschaftliche Bedeutung klar. 3. Wenn es dem Verkäufer unmöglich ist, dem Käufer die Sache zu übergeben oder ihm das Eigentum zu verschaffen, oder wenn er beides nicht erfüllen kann, dann hat der Käufer das Rücktrittsrecht aus § 325 BGB. Obwohl es dort heißt: . . . „Wird . . . die Leistung unmöglich . . . " gilt § 325 BGB in Verbindung
2 mit § 440 Abs. 1 BGB auch für die Fälle der anfänglichen subjektiven Unmöglichkeit. Verlangt der Käufer Schadensersatz, muß er auch hier die Sache zunächst gem. § 440 Abs. 2 BGB zurückgegeben haben. Auf unseren Sachverhalt trifft die zweite der unter Ziff. 3.) erörterten Möglichkeiten zu: V kann dem K wegen § 935 BGB an der Kaufsache endgültig kein Eigentum verschaffen. Die Erfüllung des Kaufvertrages ist ihm also unmöglich. K hat die Sache auch gem. § 440 Abs. 2 BGB dem Eigentümer herausgegeben. Danach ist sein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach gerechtfertigt. Der Höhe nach ist der Schadensersatzanspruch identisch mit dem geleisteten Kaufpreis (vgl. dazu Fall Nr. 17 Buchstabe c) in Bd. II). Sie müßten jetzt eigentlich widersprechen; denn wir haben nicht geprüft, ob V die Unmöglichkeit der Leistung zu vertreten hat. Nehmen wir an, V habe den Teppich ohne Fahrlässigkeit in dem Glauben erworben, der Veräußerer sei Eigentümer. Dann ist die Rechtslage folgendermaßen: Man muß unterscheiden, ob es sich um eine nachträglich oder anfänglich unmögliche Leistung handelt. Wenn die Leistung des Verkäufers nachträglich subjektiv oder objektiv unmöglich wird, dann ist § 325 BGB anzuwenden. Folglich hat der Käufer nur bei Vertretenmüssen des Verkäufers ein Rücktrittsrecht oder einen Schadensersatzanspruch. Bei anfänglichem Unvermögen hingegen übernimmt der Verkäufer stillschweigend die Garantie dafür, daß er erfüllen kann. Sein Unvermögen hat er also in jedem Falle zu vertreten.
Fall Nr. 2: Haftung für Rechtsmängel V hat dem K am 1. 4. 1969 4ha Wiesen als Bauland für 600000,- DM verkauft. Die Nutzung des Geländes soll auf den K am 10. 1. 1970 übergehen. Pächter der Wiesen ist der P. Sein Pachtvertrag mit V endet am 31. 12. 1969, wenn P oder V bis zum 30. 9.1969 kündigen. Ansonsten verlängert er sich stillschweigend um drei weitere Jahre, also bis zum 31. 12. 1972. V vergißt die Kündigung des Pachtvertrages. K, der deswegen erst am 1.1.1973 mit der Bebauung des Geländes beginnen kann, erleidet einen Mietausfall von 300000,- DM. Muß V ihm diesen Betrag ersetzen? Lösung Der Schadensersatzanspruch des K kann sich aus §§ 440, 326 in Verb. m. § 434 BGB ergeben. Nach § 434 BGB muß der Verkäufer dem Käufer den verkauften Gegenstand frei von Rechten verschaffen, die Dritte gegen den Käufer geltend machen können. Der Käufer soll das unbeschränkte Herrschafts- und Nutzungsrecht an dem Kaufgegenstand erlangen. Im vorliegenden Falle ist Kaufgegenstand ein Grundstück. Rechte Dritter an einem Grundstück bestehen häufig in Form von Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden, Dienstbarkeiten oder Nießbrauch. Dabei handelt es sich um dingliche Rechte an der Sache (vgl. Fall Nr. 8 in Bd. I). Denkbar sind aber auch Ansprüche auf Gebrauchsüberlassung aus Miete und Pacht. Diese schuldrechtlichen (obligatorischen) Ansprüche fallen ebenfalls unter § 434 BGB, soweit sie den Käufer bei der Ausübung seines Eigentumsrechtes behindern. Der Pächter einer Sache ist gem. § 581 Abs. 1 S. 1 BGB zum Gebrauch
3 der Sache berechtigt. Das setzt in aller Regel den Besitz der Sache voraus. Also fragt es sich, ob der Pächter P dem Käufer K die Wiesen herausgeben muß. Da der Anspruch des Pächters nur ein schuldrechtlicher Anspruch gegen den Vertragspartner auf Gebrauchsüberlassung ist, könnte man folgern, der Anspruch gegen den Verpächter könne nicht gegen den neuen Eigentümer der verpachteten Sache geltend gemacht werden. Auf die Pacht finden grundsätzlich die Vorschriften über die Miete entsprechende Anwendung (§ 581 Abs. 2 BGB), und im Mietrecht gilt der Satz: Kauf bricht nicht Miete (§ 571 BGB). Wird das vermietete (verpachtete) Grundstück nach Überlassung an den Mieter (Pächter) von dem Vermieter (Verpächter) an einen Dritten veräußert, so tritt der Erwerber an die Stelle des Vermieters (Verpächters). Dadurch erfährt die Miete (Pacht) eines Grundstücks eine gewisse Verdinglichung. Für unseren Fall bedeutet das: P braucht das Grundstück nicht an K herauszugeben. V kann dem K also nicht rechtzeitig das unbeschränkte Herrschaftsrecht am Grundstück verschaffen. K ist trotzdem daran interessiert, das Grundstück zu behalten. Deswegen tritt er nicht vom Vertrage zurück, sondern verlangt Schadensersatz. Sie haben hoffentlich erkannt, daß § 326 BGB diesen Schadensersatzanspruch nicht zuläßt. Dort tritt der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung an die Stelle des Erfüllungsanspruchs. Der Verzögerungsschaden, der durch die verspätete Erfüllung eintritt, fällt hingegen unter § 286 BGB (nachlesen Fälle Nr. 21 u. 31 in Bd. II). Er besteht neben dem fortdauernden Erfüllungsanspruch. Deswegen können wir § 326 BGB im Rahmen von § 440 BGB nur anwenden, wenn der Käufer nach Setzung einer Nachfrist mit gleichzeitiger Ablehnungsandrohung an Stelle der ursprünglich geschuldeten Leistung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt oder vom Vertrage zurücktreten will. Überwiegt sein Interesse an der - wenn auch verspäteten - Erfüllung, so ist er darauf beschränkt, den Verzögerungsschaden nach § 286 BGB geltend zu machen, wie es in unserem Falle auch geschieht. Diesen Anspruch hat der Käufer unabhängig von § 440 BGB. Als Anspruchsgrundlage kommt nach allem hier allein § 286 BGB in Betracht. Der Schadensersatzanspruch aus § 286 BGB setzt Schuldnerverzug voraus, also Fälligkeit, Mahnung (§ 284 BGB) und Vertretenmüssen (§ 285 BGB). Fällig war die Übergabe der Wiesen am 10. 1. 1970. Eine Mahnung erübrigte sich wegen der kalendermäßigen Bestimmung der Leistungszeit (§ 284 Abs. 2 BGB). Die rechtzeitige Leistung ist unterblieben, weil V unter Nichtbeachtung der verkehrsüblichen Sorgfalt, also fahrlässig (§ 276 Abs. 1 S. 2 BGB), die fristgerechte Kündigung versäumt hat. Fahrlässigkeit hat der Schuldner zu vertreten (§ 276 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Schadensersatzforderung des K ist daher begründet aus § 286 BGB.
Fall Nr. 3: Rechtskauf V ist berechtigt, aus dem Grundstück des E Ton und Lehm für seine Ziegelei abzubauen oder abbauen zu lassen. Da er Absatzschwierigkeiten hat, überläßt er dem K die Ausbeute für die Zeit vom 1. 6. bis zum 31. 7. 1972. K zahlt dafür 1000,- DM. Schon nach einer Woche stößt Kauf eine massive Sandschicht, so daß er kein brauchbares Material mehr gewinnen kann. Deswegen möchte er vom Vertrag zurücktreten. Ist er dazu berechtigt?
4 Lösung Das Rücktrittsrecht des K könnte sich aus §§ 440 Abs. 1, 437 in Verbindung mit § 325 BGB ergeben. Gegenstand des Kaufvertrages war das Recht, dem Grundstück des E Bestandteile (vgl. § 94 Abs. 1 BGB) entnehmen zu dürfen. Auch Rechte und Forderungen sind käuflich! Beim Rechtskauf hat der Verkäufer dem Käufer das Recht zu verschaffen, und wenn das Recht zum Besitz einer Sache berechtigt, die Sache zu übergeben (§ 433 Abs. 1 S. 2 BGB). Wir prüfen, ob V diese Hauptpflichten erfüllt hat. Da er den Abbau auch durch andere betreiben lassen durfte, wollen wir unterstellen, daß er das Abbaurecht übertragen konnte. Beachten Sie bitte: Es ist rechtlich ein Unterschied, ob er durch einen anderen Unternehmer für sich selbst abbauen läßt, oder ob er einem anderen Unternehmer den Abbau für dessen Betrieb erlaubt. Nur weil er sein Abbaurecht einem anderen abtreten durfte (vgl. § 399 BGB und Fall Nr. 52 in Bd. II), konnte er seine Pflicht aus § 433 S. 2 BGB, dem K das Recht zu verschaffen, erfüllen. (Wiederholen Sie bei dieser Gelegenheit: Worin liegt der rechtliche Unterschied zwischen dem Abschluß des Kaufvertrages und der Verschaffung des verkauften Rechts? Warum ist die Abtretung ein Verfügungsgeschäft? Nachlesen Fall Nr. 46 in Bd. I). Außerdem hat V dem K auch den Besitz an dem Grundstück verschafft, wodurch K erst in den Stand gesetzt wurde, sein Recht auf Ausbeute zu verwirklichen. Weitere Pflichten obliegen dem Verkäufer nach § 433 Abs. 1 S. 2 BGB nicht. Nun wollen wir untersuchen, ob sich aus § 437 BGB etwas anderes ergibt. Gem. § 437 Abs. 1 BGB haftet der Verkäufer für den rechtlichen Bestand des Rechts. In aller Regel kann nur ein bestehendes Recht übertragen werden. Für den Bestand des verkauften Rechts garantiert der Verkäufer kraft Gesetzes; aber die Garantie ist durch freie Vereinbarung abdingbar (Klausel: z.B. „ohne Gewähr"). Dagegen haftet der Verkäufer nicht für die Ergiebigkeit eines Rechts; es sei denn, er hat die Haftung ausdrücklich übernommen. Gleiches gilt für verkaufte Forderungen. Merke: Der Verkäufer haftet für die Verität, (lat.: veritas = Wahrheit) nicht für die Bonität (lat.: bonus = gut). Da in unserem Fall aus dem bestehenden Recht nicht der erwartete Nutzen zu erzielen war, fehlte lediglich die Bonität. Weil V dafür nicht einzustehen braucht, hat K keine Rechte aus §§ 440 Abs. 1,437 BGB. Genauso ist die Rechtslage, wenn der Käufer einer Geldforderung zwar die Geldforderung erwirbt, aber einen zahlungsunfähigen Schuldner erwischt. Wie schnell die Rechtslage sich jedoch ändert, mag folgender Hinweis zeigen: Hätte K das Abbaurecht nicht gekauft, sondern mit V einen erlaubten Unterpachtvertrag geschlossen (vgl. §§ 581 Abs 1 u. 2, 549 BGB), dann hätte K die Rechte aus Pacht, was zu einem anderen Ergebnis führen würde. Die rechtlichen Möglichkeiten liegen nahe beieinander: Der auf entgeltliche Ausbeute eines Grundstücks gerichtete Vertrag ist regelmäßig Pacht; es ist aber auch ein Sachkauf der durch Abbau zu gewinnenden Bodenbestandteile denkbar, wobei der Käufer selbst abbaut. Die entgeltliche Abtretung des Abbaurechtes aus einem Pachtvertrag ist ein Rechtskauf; die Übertragung aller Rechte aus dem Pachtvertrag unter Ausscheiden des alten Pächters ist als Weiterverpachtung anzusehen; die Weitergabe eines Teiles der Rechte unter Aufrechterhaltung des alten Pachtverhältnisses ist Unterpacht oder, wenn der neue Interessent gleichberechtigt neben den alten Pächter tritt, Mitpacht. So vielfältig sind die rechtlichen Möglichkeiten und Konsequenzen!
5 Fall Nr. 4: Gefahrübergang mit Übergabe K hat von V einen LKW mit der Abrede gekauft, daß der Vertrag erst wirksam werden soll, wenn K die Erlaubnis für den gewerbsmäßigen Güternahverkehr bekommt. Der LKW steht bereits bei K, ist aber noch auf den Namen des V zugelassen. Am 1. 7. 1972 wird der LKW durch Blitzschlag zerstört. Die Güternahverkehrserlaubnis wird dem K am 15. 7. 1972 wegen persönlicher Unzuverlässigkeit endgültig verweigert. Muß K trotzdem den vereinbarten Kaufpreis von 10000,- DM zahlen? Lösung Vorbemerkung: Dieser Fall soll zeigen, wie wichtig ein systematisches Angehen der Probleme ist. Ich stelle mir vor, daß Ihre Gedanken nach dem Lesen des Falles, vor allem der Überschrift, zum Versendungskauf und der dort besprochenen Gefahrtragung geeilt sind (vgl. Fall Nr. 8 in Bd. II). Vielleicht denken Sie jetzt: Wahrscheinlich wird die Gefahr des zufälligen Untergangs mit der Übergabe auf den Käufer übergegangen sein, so daß er bezahlen muß. Das ist ein voreiliger Schluß! Wir wollen die Probleme von der Anspruchsgrundlage her aufrollen!
Ein Kaufpreisanspruch des V setzt einen gültigen Kaufvertrag voraus (§ 433 Abs. 2 BGB). Hier waren sich die Parteien bei Abschluß des Vertrages noch nicht darüber im klaren, ob K für den LKW Verwendung finden würde. Das hing von der Erteilung der Nahverkehrserlaubnis ab, also von einem zukünftigen ungewissen Ereignis, von einer Bedingung. Da der Kaufvertrag erst nach Eintritt der Bedingung voll wirksam werden sollte, handelte es sich um eine aufschiebende Bedingung (nachlesen Fall Nr. 43 in Bd. I). Bis zum Eintritt der Bedingung hatte K nur eine Anwartschaft auf den Übereignungs- und Übergabeanspruch aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB; anders ausgedrückt: auf den Abschluß eines Kaufvertrages. Beachten Sie bitte: K hatte keine Anwartschaft auf das Eigentum. Schon der Abschluß des Verpflichtungsgeschäftes (Kauf) war bedingt! Wenn die Bedingung eingetreten wäre, sollte die Übereignung (Verfügungsgeschäft) unbedingt erfolgen. Die vorzeitige Übergabe des LKW's an K stellt eine echte Vorleistung des V dar. Nachdem nun feststeht, daß sich die Bedingung nicht erfüllen wird, ist der angebahnte Kaufvertrag in sich zusammengebrochen. Da es ohne Kaufvertrag keine Kaufpreisforderung gibt, braucht K nicht zu zahlen.
Fall Nr. 5: Gefahrübergang mit Übergabe V hat dem K einen LKW für 10000,- DM verkauft und übergeben. Da K nicht bar bezahlen konnte, hat V sich das Eigentum bis zur restlosen Begleichung des Kaufpreises vorbehalten. Noch bevor K bezahlt hat, wird der LKW bei einem Unfall, für den K nicht verantwortlich gemacht werden kann, völlig zerstört. Muß K den restlichen Kaufpreis bezahlen? Lösung Hier ist der Kaufvertrag unbedingt geschlossen, aber die Übereignung, zu der V nach § 433 Abs. 1 S. 1 BGB verpflichtet ist, steht unter der aufschiebenden Bedingung restloser Zahlung des Kaufpreises. Ob K den vereinbarten Kaufpreis
6 zahlen muß, hängt von der Anwendbarkeit des § 323 Abs. 1 BGB ab. Danach verliert der Verkäufer den Anspruch auf den Kaufpreis, wenn ihm die Übereignung der Kaufsache infolge eines Umstandes unmöglich wird, den er und der Käufer nicht zu vertreten haben (Sie haben wohl gemerkt, daß ich in die allgemeine Vorschrift für gegenseitige Verträge die Personen des besonderen Vertrags „Kauf" hineingelesen habe). Die Vernichtung des LKW's kann keinem von beiden angelastet werden. Nach diesem Zwischenergebnis wäre K von der Zahl ungspflicht frei geworden, wenn es den § 446 BGB nicht gäbe. Er ergänzt den § 323 BGB für das Kaufrecht, und das mit gutem Grund: Wenn sich die Sache im Herrschaftsbereich des Käufers befindet, soll er das Risiko für die zufällige Verschlechterung oder den zufälligen Untergang tragen, und zwar auch dann, wenn er zwar die tatsächliche Herrschaftsgewalt über die Sache hat, aber noch nicht deren Eigentümer ist. Da dem K die Sache übergeben war, geht mit dem zufälligen Untergang der Sache die Kaufpreisforderung nicht unter. Er muß also bezahlen. Wegen der Gefahrtragung beim Versendungskauf wird auf Fall Nr. 8 in Bd. II verwiesen. Fall Nr. 6: Einfacher Eigentumsvorbehalt Großhändler G hat dem Einzelhändler E 10 Fernsehgeräte für zusammen 14000,- DM unter Eigentumsvorbehalt (nachfolgend EV abgekürzt) bis zur restlosen Bezahlung der Geräte verkauft. E verkauft die Geräte gegen bar an Kunden. Da er die am 1. 2. fällige Rate nicht zahlt, tritt V am 15. 2. vom Vertrage zurück. Zu seiner Überraschung stellt er fest, daß E nur noch ein Gerät besitzt. Kann eres von E herausverlangen? Lösung Wenn G wirksam vom Vertrage zurückgetreten ist, muß E ihm das noch vorhandene Gerät nach § 346 BGB zurückgeben. Wer eine bewegliche Sache unter EV bis zur Zahlung des Kaufpreises geliefert hat, ist im Zweifel zum Rücktritt vom Vertrage berechtigt, wenn der Käufer mit der Zahlung in Verzug kommt (§ 455 BGB). Da E die am 1. 2. fällige Rate nicht gezahlt hat und G wegen der kalendermäßigen Bestimmung der Leistung (§ 284 Abs. 2 S. 1 BGB) nicht zu mahnen brauchte, ist E in Schuldnerverzug geraten, es sei denn, er brauche die Verzögerung nicht zu vertreten. Es obliegt ihm, die Umstände vorzutragen, aus denen sich das Nichtvertretenmüssen ergibt. Der Sachverhalt gibt dafür keine Anhaltspunkte. Wir können also davon ausgehen, daß E die Verspätung zu vertreten hat. Eine Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung ist im Rahmen des § 455 BGB nicht erforderlich, sofern der Verkäufer zurücktreten und nicht Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen will (vgl. § 326 Abs. 1 BGB); nachlesen Fall Nr. 23 in Bd. II). G ist also wirksam vom Vertrage zurückgetreten. Das noch vorhandene Gerät muß ihm der E aushändigen.
Fall Nr. 7: Eigentumsvorbehalt und Weiterveräußerung Wie vor; G möchte wissen, ob er die von E noch nicht bezahlten, aber an Kunden verkauften Geräte von den Kunden herausverlangen kann.
7 Lösung Ein vertraglicher Anspruch gegen die Kunden steht dem G nicht zu. (Warum nicht? Nachlesen Fall Nr. 8 in Bd. I). Als gesetzliche Grundlage kommt der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB in Betracht (eine sehr wichtige Anspruchsgrundlage!). Dieser Anspruch hat jedoch zur Voraussetzung, daß G noch Eigentümer der Geräte ist. Sein Eigentumsvorbehalt könnte durch die Veräußerung an die Kunden untergegangen sein. Sie sind möglicherweise die neuen Eigentümer. Das Eigentum an einer beweglichen Sache wird dadurch übertragen, daß der bisherige Eigentümer dem Erwerber die Sache übergibt und beide darüber einig sind, daß das Eigentum übergehen soll (§ 929 Abs. 1 S. 1 BGB). Schlagwortartig ausgedrückt heißt es: Eigentum an beweglichen Sachen überträgt man durch Einigsein bei Übergabe. E war bei der Einigung mit den Kunden und der Übergabe der Geräte an sie noch nicht Eigentümer sondern Nichtberechtigter. (Was ist darunter zu verstehen? Nachlesen Fälle Nr. 65 u. 72 in Bd. I). Die Verfügung eines Nichtberechtigten ist wirksam, wenn sie mit Einwilligung des Berechtigten erfolgt (§ 185 Abs. 1 BGB). Bei objektiv vernünftiger Betrachtung der wirtschaftlichen Situation ist davon auszugehen, daß E mit Erlaubnis des G die Geräte an Kunden übereignen durfte. Dem G war im eigenen Interesse an einem guten Geschäftsgang des E gelegen. Je bessere Geschäfte der E machte, um so größer die Aussicht auf Liquidität des E. Deswegen verlangte G sicherlich nicht, daß E den Kunden die Geräte unter Aufrechterhaltung des EV lieferte. Welcher Kunde hätte unter solchen Voraussetzungen mit barem Gelde gezahlt? Nach allem hat E zwar als Nichtberechtigter, aber mit Einwilligung des G das Eigentum an den Geräten auf die Kunden übertragen. G hat daher sein Eigentum und damit den Herausgabeanspruch gem. §985 BGB verloren.
Fall Nr. 8: Erweiterter Eigentumsvorbehalt: Weitergeleiteter EV V hat dem K für 3000,- DM Büromöbel geliefert. Da K nicht bar zahlen kann, vereinbaren sie einen EV des V bis zur Zahlung des Kaufpreises. Außerdem heißt es in dem Kaufvertrag: „Falls K seinen Gewerbebetrieb aufgibt, verpflichtet er sich, die noch im Eigentum stehenden Sachen des V nur in der Weise weiterzugeben, daß V Eigentümer bleibt." Unter Mißachtung dieser Abrede verkauft E die Möbel an D, der von der Vereinbarung zwischen V und K nichts weiß. Kann V die Möbel von D herausverlangen? Lösung Da V nicht in vertraglichen Beziehungen zu D steht, kommt nur ein Herausgabeanspruch nach § 985 BGB in Betracht. Fraglich ist, ob V trotz der Veräußerung an D Eigentümer geblieben ist. K hat als Nichtberechtigter verfügt. Wegen der anderslautenden vertraglichen Abmachung verbietet sich die Annahme, V sei mit der vorbehaltlosen Übereignung der Möbel einverstanden gewesen. § 185 Abs. 1 BGB findet daher keine Anwendung. V kann sein Eigentum aber durch gutgläubigen Erwerb verloren haben. Von § 929 BGB, demzufolge nur der Eigentümer das Eigentum an einer beweglichen Sache übertragen kann, macht § 932 BGB zu Gunsten eines Gutgläubigen eine
8 Ausnahme: Durch Einigung mit dem Nichtberechtigten wird der Erwerber ebenfalls Eigentümer, es sei denn, daß er bei der Übergabe der Sache an ihn nicht gutgläubig ist (§ 932 Abs. 1 BGB). Bösgläubig ist der Erwerber, wenn ihm bekannt (positive Kenntnis erforderlich!) oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, daß die Sache nicht dem Veräußerer gehört (§ 932 Abs. 2 BGB). Unkenntnis infolge leichter Fahrlässigkeit hindert den gutgläubigen Erwerber also nicht. (Wegen der Fahrlässigkeitsformen vgl. Fall Nr. 38 in Bd. I). Trotz Gutgläubigkeit ist der Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten jedoch ausgeschlossen, wenn die veräußerte Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist (§ 935 BGB). Derartige Sachen stehen außerhalb des Rechtsverkehrs! Vgl. auch Fall Nr. 1 in Bd. III. Die Möglichkeit, über § 185 Abs. 1 BGB das vorbehaltene Eigentum zu verlieren, ist für den um Kreditsicherung bemühten Kaufmann viel harmloser als der drohende Verlust durch gutgläubigen Erwerb. Wenn der Vertragspartner vertragsbrüchig wird, gibt es meistens keinen Schutz. Das zeigt der vorliegende Fall: D brauchte nach den Umständen nicht zu wissen, daß K die Möbel unter Eigentumsvorbehalt gekauft hatte. Anders ist es, wenn K in Zahlungsschwierigkeiten gewesen sein sollte, dem D die Verhältnisse des K bekannt waren. Unter solchen Umständen könnte man von D verlangen, daß er sich Kaufvertrag und Zahlungsbelege hinsichtlich der Möbel vorlegen ließ. War D aber gutgläubig, dann hat V sein Eigentum und so den Herausgabeanspruch aus § 985 BGB verloren. Das Ergebnis lautet: Der weitergeleitete Eigentumsvorbehalt ist ein sehr schwaches Sicherungsmittel. Es versagt, wenn der Vertragspartner gegenüber einem gutgläubigen Erwerber die Abrede verschweigt.
Fall Nr. 9: Erweiterter Eigentumsvorbehalt: Nachgeschalteter EV, Recht zum Besitz Der Fabrikant F hat dem Großhändler G 100 Fernsehgeräte unter EV geliefert. G veräußert die Geräte seinerseits an X, Y und Z unter EV. Nachdem G mit der Zahlung in Verzug geraten ist, tritt F vom Vertrage zurück. Kann er die Geräte von X, Y und Z herausverlangen? Lösung Da F nicht in vertraglichen Beziehungen zu X, Y und Z steht, kommt lediglich ein Herausgabeanspruch nach § 985 BGB in Betracht. Als erstes ist zu prüfen, ob F noch Eigentümer der Geräte ist. Durch den ersten Verkauf (von F an G) hat F sein Eigentum wegen des Vorbehaltes nach § 455 BGB nicht verloren. Aus dem gleichen Grunde konnten auch X, Y und Z nicht Eigentümer werden. Beim nachgeschalteten Eigentumsvorbehalt verliert der erste Verkäufer das Eigentum nur, wenn seine Kaufpreisforderung gegen den Erstkäufer oder dessen Kaufpreisforderung gegen die Zweitkäufer getilgt wird. Hier stehen die Kaufpreisforderungen aus dem ersten und zweiten Verkauf noch offen. Die aufschiebende Bedingung für den Eigentumsübergang ist noch nicht eingetreten. Also ist F nach wie vor Eigentümer der Geräte. Dennoch kann F die Geräte von X, Y und Z nicht herausverlangen, wenn die Zweitkäufer ein Recht zum Besitz haben (§ 986 BGB).
9 Jetzt wird es sehr schwierig! Um § 986 BGB verstehen zu können, müssen Sie zunächst erfahren, was die Juristen unter Besitz verstehen. Der juristische Laie wirft die Begriffe Besitz und Eigentum häufig durcheinander (z.B. die „besitzende" Klasse . . . der „Besitz" an den Produktionsmitteln . . . ; der „Besitzer" einer Gastwirtschaft...; die Grundbesitzer" ...). Gemeint sind hier in der Regel die Eigentümer, die allerdings zugleich Besitzer sein können; denn Besitz ist die tatsächliche SachherrschaftEigentum ist das Recht, mit der Sache nach Belieben zu verfahren und andere von der Einwirkung auf die Sache auszuschließen. (Bitte nachlesen §§ 854 Abs. 1 und 903 BGB). Beispiele: Der Dieb ist Besitzer der gestohlenen Sache - der Bestohlene bleibt ihr Eigentümer. Der Finder ist Besitzer der gefundenen Sache - der Verlierer bleibt ihr Eigentümer. Der Mieter ist Besitzer der gemieteten Sache - der Vermieter bleibt ihr Eigentümer. Der Pfandgläubiger ist Besitzer der verpfändeten Sache - der Verpfänder bleibt ihr Eigentümer. Vom besitzenden Dieb kann der Bestohlene als Eigentümer die Sache jederzeit herausverlangen (§ 985 BGB), weil der Dieb ihm gegenüber kein Recht zum Besitz hat (§ 986 BGB). Gegenüber dem besitzenden Finder hat es der Eigentümer (Verlierer) schon schwerer. Der Finder hat unter Umständen einen Anspruch auf Verwahrungskosten und Finderlohn. Wegen dieser Ansprüche gewährt ihm das Gesetz ein Zurückbehaltungsrecht (was ist das? Nachlesen Fall Nr. 39 in Bd. II). Der Verlierer kann also die Herausgabe nur Zug um Zug gegen Bezahlung der Aufwendungen und des Finderlohns verlangen. Dieses Zurückbehaltungsrecht gibt dem Finder nach der herrschenden Lehre ein Besitzrecht im Sinne des § 986 BGB. Ebenso hat der Mieter für die Dauer der Mietzeit und der Pfandgläubiger für die Dauer der Verpfändung ein Recht zum Besitz.
Aus Vorstehendem können Sie ableiten: Es gibt absolute und relative Rechte zum Besitz. (Wenn Sie nicht mehr wissen, was unter absoluten und relativen Rechten zu verstehen ist, bitte Fall Nr. 8 in Bd. I nachlesen.) Die absoluten Besitzrechte sind meist sachenrechtlicher (dinglicher), die relativen schuldrechtlicher (obligatorischer) Natur. Beide Arten gewähren ein Besitzrecht nach § 986 BGB. Die relativen Rechte müssen entsprechend ihrer Natur selbstverständlich auf schuldrechtlichen Beziehungen zum Eigentümer beruhen. Von besonderer Art ist das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers, dem der Besitz an der Kaufsache bereits übertragen worden ist (wie in unserem Falle). Nach der herrschenden Meinung stellt dieses Anwartschaftsrecht ein Durchgangsstadium dar. Es befindet sich in der Entwicklung auf das Vollrecht „Eigentum", ist aber nur eine Vorstufe, ein „Weniger". Gegenüber dem bloß schuldrechtlichen Anspruch auf Verschaffung des Eigentums (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB) ist es jedoch ein „Mehr". Es wird bereits wie ein dingliches Recht behandelt. Daraus folgert die Praxis: Das Anwartschaftsrecht ist nicht nur übertragbar, es kann auch wie das Vollrecht „Eigentum" gutgläubig erworben werden und gewährt dann gegenüber dem Eigentümer ein Recht zum Besitz. Im einzelnen sind folgende Fallgestaltungen denkbar: 1. Normalfall: Der verkaufende Eigentümer überträgt unter EV den Besitz auf den Käufer. Hier erwirbt der Käufer vom Berechtigten das Anwartschaftsrecht und damit das Besitzrecht. Gleichzeitig hat er ein Besitzrecht aus dem Kaufvertrag, also ein dingliches und obligatorisches Besitzrecht. 2. Der verkaufende Nichteigentümer (Nichtberechtigter) überträgt unter EV den Besitz auf den Käufer: Wenn der Käufer gutgläubig ist, erwirbt er das Anwartschaftsrecht, und zwar mit der Folge, daß er auch gegenüber dem wahren
10 Eigentümer zum Besitz berechtigt ist. Selbst wenn er nach Besitzerlangung, aber vor Bedingungseintritt erfährt, daß sein Verkäufer nicht Eigentümer war, hindert das den Eigentumserwerb bei Eintritt der Bedingung nicht mehr. 3. Der Erstkäufer gibt zu erkennen, daß er Nichteigentümer ist und nur ein Anwartschaftsrecht hat. Dieses Anwartschaftsrecht, also das ihm schon zustehende, will er auf den Zweitkäufer übertragen (weitergeleiteter EVI): Der Zweitkäufer erwirbt das bis dahin dem Erstkäufer zustehende Anwartschaftsrecht. 4. Der Erstkäufer hat kein Anwartschaftsrecht erlangt, weil er wußte, daß der Verkäufer Nichtberechtigter war. Sein gar nicht bestehendes Anwartschaftsrecht überträgt er auf den gutgläubigen Zweitkäufer. Auch in diesem Falle erwirbt der Zweitkäufer ein Anwartschaftsrecht. Der gutgläubige Erwerb des Anwartschaftsrechts vom Nicht-Anwartschattsberechtigten vollzieht sich genau so wie der gutgläubige Eigentumserwerb vom Nicht-Eigentümer. M.a.W.: Der gute Glaube an das Anwartschaftsrecht des Veräußernden wird genau so geschützt wie der gute Glaube an das Eigentum des Veräußernden. 5. Der Kaufvertrag zwischen Erstkäufer und Verkäufer ist aus irgendeinem Grunde unwirksam. Dennoch überträgt der Erstkäufer sein vermeintliches Anwartschaftsrecht auf einen gutgläubigen Zweitkäufer. Hier ist die Rechtslage anders! Erinnern Sie sich bitte an den Merksatz: Es gibt keinen gutgläubigen Erwerb von Forderungen (Fall Nr. 47 in Bd. II nachlesen). Daraus folgt: Wenn keine Forderung bestand, weil der Kaufvertrag unwirksam war, dann ist auch keine Erfüllung möglich, und damit kann die aufschiebende Bedingung für den Eigentumsübergang überhaupt nicht eintreten. Der gute Glaube des Zweitkäufers an den Bestand des Kaufvertrages wird nicht geschützt. Daran scheitert der gutgläubige Erwerb des Anwartschaftsrechts. 6. Der Kaufvertrag zwischen dem Verkäufer und dem Erstkäufer ist wirksam; aber die bedingte Übereignung ist aus irgendeinem Grunde unwirksam. Der Erstkäufer überträgt das ihm vermeintlich zustehende Anwartschaftsrecht auf einen gutgläubigen Zweitkäufer. Jetzt ist es wieder wie im Falle Nr. 4: Der gute Glaube erstreckt sich nicht auf den Bestand einer Forderung, sondern auf das Vorhandensein des dinglichen Rechts „Anwartschaft". Das ermöglicht den gutgläubigen Erwerb. Arbeiten Sie diese Beispiele w i e d e r h o l t d u r c h . Das Gebiet der Kreditsicherung mit d e m Ineinandergreifen s c h u l d r e c h t l i c h e r u n d sachenrechtlicher Normen, ist nur zu d u r c h schauen, w e n n man den w i r t s c h a f t l i c h e n V o r g a n g in seine rechtlichen Bestandteile zerlegen kann. Deswegen sollten Sie an dieser Stelle Eifer zeigen. Zur Vertiefung Ihres Wissens sei f o l g e n d e Lektüre e m p f o h l e n : BGH 10, 73; 20, 88; 28, 16; 35, 85; Raiser, D i n g l i c h e Anwartschaften, 1961; J. Blomeyer, Das Besitzrecht des Vorbehaltskäufers, Juristen-Zeitung 1968, 691 u n d Betrieb 1969, 2117. Sie w e r d e n d o r t weitere Literaturangaben finden.
Wir können nun zu der eigentlichen Lösung des Falles zurückkehren: Im Sachverhalt heißt es nur, G habe den Käufern X, Y und Z die Geräte unter EV veräußert. Aus dem Wortlaut ist nicht zu entnehmen, a) ob sich G als Eigentümer der Geräte ausgegeben hat. Wenn das der Fall gewesen sein sollte, hat er als Nichtberechtigter verfügt. War ihm das nach dem Vertrage mit F erlaubt, wovon wir ausgehen wollen, dann verfügte er mit Einwilligung des Berechtigten (§185 Abs. 1 BGB; nachgeschalteter EV). X, Y und Z haben also ein Anwartschaftsrecht unmittelbar aus der Hand des G
11
erlangt und damit ein Besitzrecht nach § 986 BGB gegenüber dem F. F kann von ihnen die Geräte nicht herausverlangen. b) Wenn G offenbart hat, daß er selbst auch nur ein Anwartschaftsrecht hat und dieses übertragen will, erwerben X, Y und Z dieses Anwartschaftsrecht (weitergeleiteter Eigentumsvorbehalt), das ihnen ebenfalls ein Besitzrecht gegenüber dem F verleiht. Es fragt sich nun noch, welchen Einfluß der Rücktritt des F vom Kaufvertrage mit G hat. Denken Sie an die unter Ziff. 5 behandelte Fallgestaltung. Mit dem Rücktritt ist die Kaufpreisforderung untergegangen. Es besteht nur noch ein Rückgewährsschuldverhältnis (nachlesen Fall Nr. 23 in Bd. II). Das könnte zu dem Schluß verführen, wegen des Fehlens einer Kaufpreisforderung sei ein gutgläubiger Erwerb des Anwartschaftsrechts nicht möglich. Dieser Schluß ist falsch! In dem Augenblick, als X, Y und Z das Anwartschaftsrecht aus der Hand des G erlangten, fand kein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten statt, sondern im Falle a) ein Erwerb vom Nichtberechtigten mit Einwilligung des Berechtigten (§185 Abs. 1 BGB); im Falle b) eine ebenfalls erlaubte Übertragung des Anwartschaftsrechts. Der wirksame Erwerb des Anwartschaftsrechts wird durch den nachträglichen Fortfall der Kaufpreisforderung nicht mehr beeinträchtigt. Das ist der Unterschied gegenüber dem Fall zu Ziff. 5!
Fall Nr. 10: Erweiterter Eigentumsvorbehalt: Verlängerter EV F hat dem U 100qm Eichenfurnier unter EV geliefert. Im Kaufvertrage heißt es: „Die Verarbeitung der gelieferten Ware geschieht für uns (F) mit der Maßgabe, daß an die Stelle des vorbehaltenen Eigentums an der von uns gelieferten Ware nunmehr das Miteigentum an der hergestellten Sache tritt. U darf die hergestellte Sache im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebes verkaufen. Die Forderungen aus dem Verkauf der Sachen sind im voraus an uns (F) abgetreten, und zwar in Höhe des Wertes der Vorbehaltsware. Das gilt ohne Rücksicht darauf, ob U die Sachen unter EV oder unbedingt verkauft". U hat 90 qm Furniere bei der Herstellung von Tischen verarbeitet. 10 qm Furniere und 30 Tische stehen noch auf seinem Lager. 10 Tische hat er unter EV an X geliefert. X schuldet noch 500,- DM. Weitere 15 Tische hat er gegen bar an Y verkauft. Das Geld befindet sich auf dem Konto des U. F möchte wissen, welche Rechte ihm an den restlichen Furnieren, den Tischen, an den 500,- DM und an dem Geld auf dem Konto des U zustehen. Lösung a) 10 qm Furniere: Solange U die gelieferten Furniere nicht voll bezahlt hat, ist die aufschiebende Bedingung nicht eingetreten. Bis zum Bedingungseintritt bleibt F zwar Eigentümer der Furniere; er kann sie von U aber nicht herausverlangen, weil U auf Grund des Kaufvertrages und des Anwartschaftsrechts ein Recht zum Besitz hat. Sollte U in Verzug geraten und F vom Vertrage zurücktreten, ist U nach § 346 BGB zur Rückgabe der restlichen Furniere verpflichtet. b) 30 Tische im Lager des U: Wer durch Verarbeitung oder Umbildung eines oder mehrerer Stoffe eine neue bewegliche Sache herstellt, erwirbt das Eigentum an
12 der neuen Sache, sofern nicht der Wert der Verarbeitung oder Umbildung erheblich geringer ist als der Wert des Stoffes (§ 950 Abs. 1 BGB). Der kraft Gesetzes eintretende Eigentumsverlust macht den Eigentumsvorbehalt zunichte. Das ist insbesondere für Rohstofflieferanten eine unliebsame Rechtsfolge. Daher versuchen sie, sich durch verlängerten EV zu schützen. Der Begriff des „Herstellers" kommt ihnen zu Hilfe. Hersteller ist nämlich nicht nur, wer eigenhändig anfertigt, sondern auch, wer durch einen anderen herstellen läßt. Deswegen ist nicht der Fabrikarbeiter Hersteller, sondern der Inhaber des Unternehmens. Soll ein Dritter, z.B. der Rohstofflieferant als Hersteller gelten, so läßt der Bundesgerichtshof eine bloße Parteivereinbarung darüber genügen. Diese Ansicht ist zwar bestritten; man tut jedoch gut, sich danach zu richten. Die Verarbeitungsklausel, wie sie F und U vereinbart haben, genügt, um Eigentum des F an den Tischen entstehen zu lassen, und zwar auch dann, wenn U bei der Verarbeitung entgegen der Abrede nicht mehr für U herstellen will. Schwierig wird es, wenn Verarbeitungsklauseln mehrerer Rohstofflieferanten miteinander konkurrieren. Grundsätzlich entsteht in einem solchen Falle Miteigentum der Lieferanten. Wenn bei den Tischen auch Material verarbeitet worden ist, daß dem U gehörte, stehen die Tische im Miteigentum aller Rohstofflieferanten, für die U hergestellt hat, und des U selbst. Die Miteigentumsquote richtet sich mangels einer Vereinbarung nach dem Wert der Vorbehaltsware zum Gesamtwert der hergestellten Sache. F ist auf Grund der Verarbeitungsklausel auf jeden Fall Miteigentümer. Die Höhe seiner Quote läßt sich nur bei Kenntnis aller rechtlichen und tatsächlichen Einzelheiten bestimmen. W i c h t i g e E n t s c h e i d u n g e n des Bundesgerichtshofs
zu diesen Problemen: BGH
14, 117;
20,163:46,117.
c) Forderung von 500,- DM: Außer dem verlängerten EV durch Verarbeitungsklausel kennt die Praxis verlängerten EV in Form der Vorausabtretung. Lesen Sie zunächst die Fälle Nr. 48 und 51 in Bd. II nach. Die Vorausabtretung wird häufig kombiniert mit dem weitergeleiteten oder nachgeschalteten EV bei Lieferung von Fertigprodukten sowie mit der Verarbeitungsklausel bei Lieferung von Rohstoffen oder Halbfertigfabrikaten. Das wirkt sich dann so aus: Hat der Erstkäufer den EV weitergeleitet oder einen EV nachgeschaltet, so bleibt das Eigentum des Verkäufers erhalten. Durch die Vorausabtretung der Forderung des Erstkäufers gegen den Zweitkäufer erlangt der Verkäufer eine weitere Sicherheit. Tilgt der Erstkäufer die Kaufpreisschuld gegenüber dem Verkäufer, so verliert der Verkäufer das vorbehaltene Eigentum und die im voraus abgetretene Forderung; aber er ist auch befriedigt. Zahlt der Zweitkäufer an den Erstkäufer, dann behält der Verkäufer zwar seine Forderung gegen den Erstkäufer, aber sein Eigentumsvorbehalt geht unter und die im voraus abgetretene Forderung erlischt durch Erfüllung gegenüber dem Erstkäufer. Das Erlöschen der vorausabgetretenen Forderung durch Zahlung an den Erstkäufer läßt sich nur vermeiden, wenn die Vorausabtretung vom Erstkäufer gegenüber dem Zweitkäufer offenbart wird, so daß der Zweitkäufer nicht mehr mit befreiender Wirkung an den Erstkäufer zahlen kann (§ 407 Abs. 1 BGB; nachlesen Fall Nr. 47 in Bd. II). Die Pflicht zur Offenbarung kann zwar vereinbart werden; wenn der Erstkäufer sie aus geschäftlichen Gründen mißachtet, ist der Verkäufer allein auf einen Schadensersatzanspruch gegen ihn angewiesen.
13 Zur Frage der Bestimmbarkeit der im voraus abgetretenen Forderung Fall Nr. 48 in Bd. II nachlesen. Wenn wir davon ausgehen, daß die noch ausstehenden 5 0 0 , - D M wirksam im voraus abgetreten waren, ist F Gläubiger dieser Forderung. Zur Wiederholung und Vertiefung, insbesondere auch zu der Frage, durch welche Klauseln die Höhe der Vorausabtretung bestimmt werden kann, Fall Nr. 48-51 in Bd. II nachlesen. Zur Frage des nachgeschalteten EV mit Vorausabtretung vgl. auch BGH in Neue Juristische Wochenschrift 1971,1038. d) Geld auf dem Konto des U: Auf dieses Geld hat F nach den getroffenen Vereinbarungen keinen Anspruch. Das Eigentum, also auch der Eigentumsvorbehalt, klammert sich immer an ganz genau bestimmte Sachen. Mit der im voraus abgetretenen Forderung ist das darauf gezahlte Geld nicht identisch. F hätte mit U zusätzlich vereinbaren können, daß Zahlungen auf die vorausabgetretenen Forderungen nur an F oder auf ein Sperrkonto geleistet werden dürfen.
Fall Nr. 11: Erweiterter Eigentumsvorbehalt: Kontokorrentvorbehalt V steht mit K seit vielen Jahren in Geschäftsverbindung. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des V heißt es u.a.: „Das Eigentum an der gelieferten Ware geht erst über, wenn sämtliche Forderungen aus unseren Lieferungen beglichen sind". Am 1 . 1 0 . 1 9 7 2 kauft K telefonisch 200 Sack Fertigputz für die Baustelle des D. D überweist nach Absprache mit K den Kaufpreis in Höhe von 2 5 0 0 , - D M an V. Zwei Wochen später fällt K in Konkurs. 50 Sack hatte er bereits a m Bau des D verarbeitet; weitere 80 Sack liegen auf der Baustelle des D. Die restlichen 70 Sack befinden sich in den Lagerräumen des K. V hat gegen K aus vorhergehenden Lieferungen noch 1 0 0 0 0 , - D M zu fordern. Kann er den noch nicht verarbeiteten Putz von D bzw. K herausverlangen?
Lösung Wir wollen zunächst untersuchen, ob V die auf der Baustelle liegenden 80 Sack von D herausverlangen kann. Als Anspruchsgrundlage kommt § 985 BGB in Betracht. O b V noch Eigentümer der 8 0 Sack Fertigputz ist, erscheint fraglich. Da wir weitere Einzelheiten der Vereinbarungen zwischen V und K nicht kennen, wollen wir alle Varianten durchgehen. Der einfache EV nach § 455 BGB endet mit Bedingungseintritt, d.h. mit Zahlung des Kaufpreises. Geht man von dieser Bestimmung aus, dann hat V das Eigentum verloren. O b D oder K Eigentümer geworden ist, kann offen bleiben. Der weitergeleitete EV erlischt ebenfalls mit Bezahlung der Kaufpreisforderung des Verkäufers. Gleiches gilt für den nachgeschalteten EV. Der verlängerte EV durch Verarbeitungsklausel oder Vorausabtretung hilft d e m V auch nicht: Die Verarbeitungsklausel ist gegenstandslos, weil der Putz noch nicht verarbeitet ist. (Wie ist die Rechtslage hinsichtlich des verarbeiteten Materials? Vgl. § 94 Abs. 2 BGB; nachlesen Fall Nr. 10 in Bd. I). Die Vorausabtretung ist wegen der Zahlung bedeutungslos. Nur die im Sachverhalt erwähnte Vereinbarung hat vielleicht den Eigentumsübergang auf K oder D verhindert. Vereinbarungen, nach denen der
14 EV erst erlöschen soll, wenn der Käufer alle oder einen bestimmten Teil der Forderungen aus der Geschäftsverbindung bezahlt hat, nennt man Kontokorrentvorbehalt. Ein Kontokorrent i.e.S. braucht nicht zu bestehen. (Was ist ein Kontokorrent? Fall Nr. 45 in Bd. II nachlesen). Gegen die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung hat die gerichtliche Praxis keine Bedenken. Fraglich ist, ob im vorliegenden Fall eine entsprechende Vereinbarung zustande gekommen ist. Am Telefon ist über diesen Punkt nicht verhandelt worden; aber die Regelung steht in den AGB, und im Sachverhalt heißt es, V und K seien langjährige Geschäftspartner. Daraus darf man entnehmen, daß dem K bekannt ist, unter welchen Voraussetzungen der V verkauft, und daß er sich auch in diesem Falle den AGB unterworfen hat. (Zu den AGB nachlesen Fall Nr. 25 in Bd. II). Der Kontokorrentvorbehalt ist also Vertragsbestandteil. Zur Sicherung der noch offenen 10000,- DM aus früheren Lieferungen können daher grundsätzlich auch spätere oder noch frühere Lieferungen, die bereits bezahlt sind, dienen. Eine andere Frage ist es, ob die auf der Baustelle liegenden 80 Sack nicht bereits in das Eigentum des D übergegangen sind. Im allgemeinen will ein Bauunternehmer das Baumaterial nicht vor dem Einbau übereignen. Wenn er allerdings in Geldverlegenheit ist und der Bauherr das für sein Bauvorhaben bestimmte Material direkt beim Baustoffhändler bezahlt, kann es anders liegen. Da D und K keine besonderen Abreden getroffen haben, möchte ich mich für den Normalfall entscheiden. Eine stillschweigende Übereignung (Einigung bei Besitzübertragung) ist eine ziemlich gewagte Konstruktion. Trotz der Bezahlung durch D ist somit die Annahme gerechtfertigt, K habe das zur Baustelle gefahrene Material nicht dem D übereignen wollen. Bei dieser Lösung ist auch berücksichtigt, daß K noch gar nicht Eigentümer war und deswegen nur als Nichtberechtigter hätte verfügen können. Hinsichtlich der noch bei K lagernden Säcke ist die Rechtslage einfach: Hier greift der Kontokorrentvorbehalt ohne weiteres durch. Wir haben uns nicht näher mit der Frage befaßt, welchen Einfluß der Konkurs auf das Eigentumsrecht des V hat. An dieser Stelle nur ein kurzer Hinweis: Der Eigentümer kann seine Sachen aus der Konkursmasse herausverlangen (§ 43 KO). Der konkursrechtliche Ausdruck für das Herausgabeverlangen heißt Aussonderung. Einen Aussonderungsanspruch hat nicht nur der Eigentümer (dinglicher = Sachen rechtlicher Anspruch aus § 985 BGB); auch schuldrechtliche = obligatorische Herausgabeansprüche berechtigen zur Aussonderung; z.B. Herausgabeanspruch des Vermieters, Verpächters, Verleihers gegen den in Konkurs gefallenen Mieter, Pächter oder Entleiher. Der Käufer einer Sache ist hingegen nicht aussonderungsberechtigt. Er hat gegen den Verkäufer keinen Herausgabeanspruch an der Sache, sondern nur einen Verschaffungsanspruch auf die Sache. Ähnlich hat der Darlehensgeber keinen Herausgabeanspruch hinsichtlich des als Darlehen gewährten Geldes oder anderer vertretbarer Sachen, sondern nur einen Anspruch auf Rückgabe von Sachen in gleicher Art, Güte und Menge (§ 607 Abs. 1 BGB).
Fall Nr. 12: Erweiterter Eigentumsvorbehalt: Konzernvorbehalt Zum X-Konzern gehören die Vereinigten Ölraffinerien Neustadt AG, die Lagerhausgesellschaft Niedorf mbH, die Reederei Y & Co GmbH, die Friedericus-Hütte AG, das Bankhaus Meyer & Müller oHG, die Neustädter Transportgesellschaft mbH und die Vereinigte Braunkohlen AG in Altdorf. Mit der Vereinigten Braun-
15 kohlen AG steht die Firma Heinrich Y, Heizmaterial, seit Jahren in Geschäftsverbindung. Viele Transporte läßt die Firma Heinrich Y durch die Neustädter Transportgesellschaft mbH besorgen. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Vereinigten Braunkohlen AG heißt es u.a.: „Die gelieferten Braunkohlen und Braunkohlenprodukte bleiben unser Eigentum bis zur Begleichung aller Forderungen der nachfolgend genannten Unternehmen: . . . (Es folgen die eingangs aufgeführten Gesellschaften). Y bezieht von der Vereinigten Braunkohlen AG (im folgenden AG genannt) 100to Brikett. Einen Monat später fällt er in Konkurs. Auf seinem Lager befinden sich noch 20 to. Er hat zwar die Brikettlieferung bezahlt; schuldet aber der Transportgesellschaft mbH (im folgenden GmbH genannt) aus Frachtgeschäften noch 2500,- DM. Wegen dieser Forderung macht die AG ein Aussonderungsrecht an den 20 to Brikett geltend. Muß der Konkursverwalter die Brikett an die AG herausgeben?
Lösung Der Aussonderungsanspruch der AG gegen den Konkursverwalter (im folgenden KV genannt) kann aus § 43 KO in Verb. m. § 985 BGB folgen. Voraussetzung ist, daß die AG ihren EV nicht durch Bezahlung der Brikettrechnung verloren hat (einfacher EV und Kontokorrentvorbehalt sollen versagen). Eine Möglichkeit, das Eigentum über die bisher besprochenen Konstruktionen hinaus vorzubehalten, bietet der Konzernvorbehalt. Wenn der Kontokorrentvorbehalt auf Forderungen erstreckt wird, die einem anderen Gläubiger zustehen, der demselben Konzern angehört wie der Vorbehaltsverkäufer, dann spricht man von einem Konzernvorbehalt. Die Praxis gestattet auch diese Erweiterung des EV. Unter dem Gesichtspunkt der übermäßigen Sicherung läßt sich gegen den Konzernvorbehalt manches Bedenken vortragen; aber solange die Rechtsprechung und überwiegend auch die Literatur derartige Vereinbarungen billigt, ist kein Kaufmann gehindert, sich ihrer zu bedienen. Das bedeutet für unseren Fall: Der Konkursverwalter, der nach Konkurseröffnung zunächst das gesamte tatsächlich zur Konkursmasse gehörige Vermögen sofort in Besitz nehmen mußte (§ 117 Abs. 1 KO), ist verpflichtet, die 20 to Brikett an die AG herauszugeben. Wenn es in dem vorhergehenden Satz heißt, „das gesamte tatsächlich zur Konkursmasse gehörige Vermögen", so hat das einen besonderen Grund: Von dem tatsächlich zur Konkursmasse gehörigen Vermögen ist das rechtlich dazugehörige zu unterscheiden. Die tatsächliche Masse wird auch „Istmasse" genannt. Sie umfaßt alle Gegenstände, Sachen und Rechte, über die der Gemeinschuldner im Zeitpunkt der Konkurseröffnung gebietet. Die „Sollmasse" setzt sich demgegenüber aus den Rechten und Sachen zusammen, die dem Gemeinschuldner im genannten Zeitpunkt gehören. Wenn Sie eine hervorragende Abhandlung über das Konkursrecht lesen wollen, empfehle ich Ihnen die als Einführung bezeichnete Abhandlung von Max Pagenstecher, Der Konkurs.
Fall Nr. 13: Gewährleistungsrecht, Wandelung wegen Sachmängel V hat dem K einen gebrauchten PKW für 6000,- DM verkauft. Nachdem K 1000 km mit dem Wagen gefahren ist, fressen sich die Kolben fest, weil der Motor die frisch aufgefüllten 2,51 Motoröl schon nach etwa 700 km verbraucht hat. K will den
16 Wagen Zug um Zug gegen den Kaufpreis zurückgeben. Muß V sich darauf einlassen? Lösung Das Verlangen des K kann in den §§ 462, 467, 346 BGB seine Grundlage haben. Wegen eines Mangels, den der Verkäufer nach den §§ 459, 460 BGB zu vertreten hat, kann der Käufer Rückgängigmachung des Kaufes (Wandelung) oder Herabsetzung des Kaufpreises (Minderung) verlangen. Da K den PKW Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises dem V aushändigen möchte, stellt sich sein Vorhaben als Wandelungsverlangen dar. Auf die Wandelung findet ein großer Teil der für das vertragsmäßige Rücktrittsrecht geltenden Vorschriften Anwendung (§ 467 BGB); anders als der Rücktritt ist das Wandelungsverlangen aber keine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, sondern ein Anspruch des Käufers gegen den Verkäufer auf Zustimmung zur Rückgängigmachung des Kaufvertrages. Das ist keine blasse Theoriees hat auch praktische Folgen! Bei der Verjährung von Gewährleistungsansprüchen werde ich Sie daran erinnern! Erste Voraussetzung für den Anspruch auf Wandelung ist das Vorhandensein eines Mangels, den der Verkäufer nach den §§ 459, 460 BGB zu vertreten hat. Der Verkäufer einer Sache haftet dem Käufer dafür, daß sie zu der Zeit, zu welcher die Gefahr auf den Käufer übergeht, nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern. Eine unerhebliche Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit kommt nicht in Betracht (§ 459 Abs. 1 BGB). Die verkaufte Sache ist also mangelfrei zu liefern. Allein mit der Übergabe und Übereignung der Sache ist dem Käufer nicht gedient. Sein neues Eigentum kann er nur ungetrübt genießen, wenn es frei von Mängeln ist. Die Beeinträchtigung durch Rechtsmängel und die Haftung dafür haben Sie bereits kennengelernt (vgl. Fall Nr. 2 in Bd. III). Lesen Sie trotzdem die §§ 439-443 BGB nach und merken Sie sich nochmals: Für Rechtsmängel haftet der Verkäufer über § 440 BGB nach §§ 320-327 BGB. In den §§ 459ff ist von Sachmängeln die Rede. Beides zusammen, die Haftung für Rechtsmängel und für Sachmängel, ergibt die Gewährleistungspflicht des Verkäufers. Wir müssen nun untersuchen, ob der verkaufte PKW einen Mangel aufweist. Das Gesetz spricht in § 459 Abs. 1 BGB von Fehlern. Darunter ist die dem Käufer ungünstige Abweichung der Kaufsache von der Beschaffenheit, wie sie vereinbart worden ist, zu verstehen (subjektiver oder konkreter Fehlerbegriff). Er hat sich in der Praxis durchgesetzt. Demgegenüber ist nach dem objektiven Fehlerbegriff unter Fehler nur eine Abweichung von der Norm zu verstehen. Diese Auffassung gerät in Schwierigkeiten, wenn die Sache trotz normaler Beschaffenheit für den Vertragszweck untauglich ist. Der weit über dem Durchschnitt liegende Ölverbrauch eines Motors stellt einen Fehler im objektiven und subjektiven Sinne dar: Der ganz ungewöhnliche Ölverbrauch läßt den Motor von der normalen Beschaffenheit abweichen. Er entspricht auch nicht dem, was sich die Parteien unter der vertragsgemäßen Beschaffenheit der Kaufsache vorgestellt haben. Die Fehlerhaftigkeit der Kaufsache muß den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern (§ 459 Abs. 1 S. 1 BGB). Das ist eine weitere Voraussetzung für
17 den Wandelungsanspruch. Wir müssen also, nachdem wir das Vorliegen eines Fehlers bejaht haben, prüfen, ob dieser Fehler den Wert oder die Tauglichkeit der Sache in der beschriebenen Weise mindert oder gar aufhebt. Dabei gibt es wieder einen objektiven und einen subjektiven Maßstab. Der gewöhnliche Gebrauch ist der normale, der übliche Gebrauch. Hier gelten objektive Maßstäbe. Der nach dem Vertrag vorausgesetzte Gebrauch bringt subjektive Elemente in die Wertung. An dieser Stelle berührt sich der subjektive Fehlerbegriff mit dem subjektiven Vertragszweck. Nun subsumieren wir: Der übergroße ölhunger des Motors mindert seine Tauglichkeit zu einem gewöhnlichen Gebrauch. Der vertraglich vorausgesetzte Gebrauch ist, wenn der Vertrag ausdrücklich nichts besagt, durch Auslegung zu ermitteln, wobei auch die Vertragsgrundlage herangezogen werden kann. Wir subsumieren: Ein PKW, der nicht zum Aufstellen, sondern zum Fahren angeschafft wird, gestattet keinen vertragsmäßigen Gebrauch, wenn er eine Überdosis ö l benötigt und dadurch die Betriebskosten in erheblichem Maße steigert. Die zweite Subsumtion hätten Sie sich in einer Klausur schenken können, well die eine oder die andere Möglichkeit im konkreten Falle als Anspruchsvoraussetzung genügt.
Der Verkäufer haftet nach § 459 BGB grundsätzlich nur, wenn die Sache bei Gefahrübergang mangelhaft ist. Die Gefahr geht mit der Übergabe (§ 446 BGB) oder mit der Absendung (§ 447 BGB) auf den Käufer über. Bis zu diesem Zeitpunkt befindet sich der Kaufgegenstand im Herrschaftsbereich des Verkäufers. Daher kann der Käufer regelmäßig nicht untersuchen, ob ihm der Verkäufer eine mangelfreie Sache übergeben wird. Auf der anderen Seite hat der Verkäufer bis zur Übergabe der Sache immer noch die Möglichkeit, vorhandene Mängel abzustellen. Deswegen stehen dem Käufer die Gewährleistungsansprüche ausnahmsweise schon vor Gefahrübertragung zu, wenn sich der Mangel erweislich bis zur Übergabe nicht beseitigen läßt, oder wenn der Verkäufer die Mangelbeseitigung endgültig abgelehnt hat. Dem entspricht es, daß der Verkäufer für Mängel, die nach Vertragsschluß, aber noch vor Gefahrübertragung entstanden sind, haftet, jedoch nicht für Mängel, die bei Vertragsschluß vorhanden waren, vom Verkäufer aber noch vor Gefahrübergang beseitigt werden konnten. Wir können davon ausgehen, daß sich der Zeitpunkt des Gefahrübergangs im vorliegenden Falle nach § 446 BGB richtet. Mit Rücksicht auf die wenigen Kilometer, die K bis zum endgültigen Motordefekt gefahren ist, drängt sich auch der Schluß auf, daß der Fehler bei Übergabe des PKW's bereits vorhanden war. Das Wandelungsbegehren des K ist also berechtigt; diese Feststellung drückt aber nur ein Zwischenergebnis aus. Wir müssen unterscheiden zwischen dem Anspruch auf Wandelung und den Ansprüchen aus Wandelung. Der Anspruch auf Wandelung geht - wie oben bereits ausgeführt - gegen den Verkäufer auf Einwilligung in die Rückgängigmachung des Kaufvertrages. Er ist streng genommen auf die Abgabe einer Willenserklärung gerichtet (so die ältere Vertragstheorie). Darausfolgt: Wenn der Verkäufer nicht einwilligt, muß der Käufer ihn auf Abgabe dieser Willenserklärung verklagen. Die Vertragstheorie stützt sich auf § 465 BGB, wonach die Wandelung oder Minderung erst vollzogen ist, wenn sich der Verkäufer auf Verlangen des Käufers mit ihr einverstanden erklärt. Für die Praxis sind die Auswirkungen dieser Theorie viel zu umständlich. Deswegen steht die Rechtsprechung auf dem Boden der Herstellungstheorie. Sie besagt: Der
18 Käufer kann sofort die Rechte aus Wandelung geltend machen, z.B. Rückzahlung des Kaufpreises verlangen. Kommt es darüber, ob der Käufer ein Recht auf Wandelung hat, zwischen den Parteien des Kaufvertrages zu einem Prozeß, so wird über den Anspruch des Käufers auf Wandelung im Verlauf des Prozesses nebenbei (inzidenter) entschieden. Man kann es auch anders ausdrücken: Für die Frage, ob der Käufer die Rechte aus Wandelung hat, ist der Anspruch auf Wandelung (nur) eine Vorfrage. Der Sinn des § 465 BGB besteht nach der Herstellungstheorie allein darin, daß der Käufer nicht mehr zwischen Wandelung, Minderung und Schadensersatz wegen Nichterfüllung wählen kann, wenn er sich für eine von diesen drei Möglichkeiten entschieden und der Verkäufer daraufhin zugestimmt hat. Der Käufer verliert also durch die Zustimmung des Verkäufers nur das ihm zunächst gebührende Wahlrecht. K hat entsprechend der Herstellungstheorie sofort Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW's verlangt, also die Rechte aus Wandelung geltend gemacht. Wie die Wandelung durchzuführen ist, sagt § 467 BGB. Aus der Verweisung auf die §§ 346, 348 BGB folgt die Verpflichtung zur Rückgewähr der empfangenen Leistungen Zug um Zug. Auch daran hat sich K gehalten. Sein Verlangen ist also berechtigt. Fall Nr. 14: Minderung; nach dem Vertrage vorausgesetzter Gebrauch V hat dem K eine gebrauchte Planierraupe für 40000,- DM verkauft. Die Parteien waren sich darüber einig, daß die Raupe im Steinbruch des K eingesetzt werden sollte. Beim ersten Einsatz verbiegen sich die Zähne am Räumschild. Sie waren nur für das Schieben weicher Erdmassen geeignet. K läßt die Zähne für 3000,- DM auswechseln und zieht diesen Betrag von den 40000- DM ab. Außerdem macht er geltend, anläßlich der Reparatur habe er erfahren, daß die Raupe nur noch einen Marktwert von 35000,- DM habe. V wehrt sich gegen den Abzug mit der Begründung, er habe selbst nicht gewußt, daß die Zähne für das Schieben von Fels zu weich gewesen seien. Kann K die 3000,- DM trotzdem abziehen? Lösung K will den Kaufpreis herabsetzen (mindern). Dazu ist er berechtigt, wenn die Kaufsache mangelhaft war, und der Verkäufer dafür nach § 459 BGB haftet (§ 462 BGB). Der Verkäufer haftet für einen bei Gefahrübergang vorhandenen Fehler, der die Tauglichkeit zum vertragsmäßigen Gebrauch nicht nur unerheblich mindert. Die Zähne am Räumschild waren als Vorsätze für die Bewältigung weichen Erdreichs gedacht und auch geeignet. Hinsichtlich ihres ursprünglichen Bestimmungszweckes mögen sie der Norm entsprochen und daher für den gewöhnlichen Gebrauch ausgereicht haben; aber vom Vertragszweck her waren sie untauglich. Im Sinne des subjektiven Fehlerbegriffs weicht hier die Kaufsache von der Beschaffenheit ab, die sich die Parteien vorgestellt haben. Dabei spielt es keine Rolle, ob V die mangelnde Eignung kannte oder nicht. Er haftet für die Abwesenheit von Fehlern im Sinne des § 459 Abs. 1 BGB ohne Rücksicht auf ein etwaiges Verschulden. Es kommt also insbesondere nicht darauf an, ob der Verkäufer den Mangel kannte oder kennen mußte, oder ob er ihn verursacht hat. Die Gewährleistungspflicht folgt aus der vom Gesetz gewollten Garantie des Verkäufers für die Mangelfreiheit der Kaufsache. Wegen der zu weichen Zähne am
19 Räumschild (Vorhandensein des Mangels bei Gefahrübergang ist offensichtlich!) darf K also mindern. Eine andere Frage ist es, ob er mindern darf, weil er sich „verkauft" hat. Fehler im Sinne des § 459 BGB ist eine negative Eigenschaft, die der Sache unmittelbar und nicht nur vorübergehend anhaftet. Deswegen kommen Ustände, die außerhalb der Sache selbst liegen, als Fehler nicht in Betracht. Ein außerhalb der Sache selbst liegender Umstand ist ihr Geldwert. Der Wert einer Sache ergibt sich aus ihren wertbildenden Faktoren. Der wertbildende Faktor ist immer ein Einzelumstand. Z.B.: Ob ein Teppich 3000,- DM oder 3500,- DM wert ist, hängt davon ab, ob er hand- oder maschinengeknüpft ist, wieviel Knoten auf einem Flächenmaß sitzen, ob die Farben auf Pflanzen- oder Chemiebasis beruhen, ob das Muster korrekt durchgeführt ist, usw. Jeder einzelne Umstand ist wertbildender Faktor. Dagegen spielt es keine Rolle, ob der gleiche Teppich bei einem anderen Händler billiger zu kaufen ist. Vgl. Sie auch Fall Nr. 33 in Bd. I zum Eigenschaftsirrtum. Wir müssen jetzt noch prüfen, wie die Minderung berechnet wird. K hat einfach die Reparaturkosten vom Kaufpreis abgezogen. Diese Berechnungsart wird viel praktiziert; sie entspricht jedoch nicht dem Gesetz. Nach § 472 BGB ist der Kaufpreis in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem z. Z. des Verkaufs der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Werte gestanden haben würde. Die Verhältnisgleichung lautet: Objektiver Wert der mangelfreien Sache zum objektiven Wert der mangelhaften Sache wie vereinbarter Kaufpreis zum geminderten Kaufpreis. Z. B.: Objektiver Wert der mangelfreien Sache 35000,- DM, objektiver Wert der mangelhaften Sache 30000,- DM; vereinbarter Kaufpreis 40000,- DM, geminderter Kaufpreis = X. 35000,- _ 40000,30000,X X=
30000
' 4 0 0 0 0 = 34285,71 DM 35000
Diese Proportionsbildung führt in der Praxis wegen der Bewertungsfragen oft zu Schwierigkeiten. Der Gesetzgeber hat sich nicht für den einfachen Abzug entschlossen, weil dabei die jeweilige Preiskalkulation nicht genügend berücksichtigt würde. Im vorliegenden Fall können wir den geminderten Kaufpreis korrekt nur ermitteln, wenn wir die objektiven Werte der mangelfreien und der mangelhaften Sache kennen.
Fall Nr. 15: Schadensersatz wegen Nichterfüllung zugesicherter Eigenschaft V hat dem K einen gebrauchten PKW für 10000,- DM verkauft. Auf ausdrückliches Befragen des K hat V beteuert, der PKW habe noch keinen Unfall gehabt. Einen Monat nach Übergabe des PKW's stellt die Werkstatt des K beim Auswechseln der Vorderräder fest, daß die Vorderachse nachgerichtet worden ist. Vorspur und Sturz der Räder stimmen nicht mehr, so daß höherer Reifenverschleiß die Folge
20 ist. Das Auswechseln der Vorderachse kostet 1000,- DM. Kann K diesen Betrag von V als Schadensersatz verlangen?
Lösung Nach § 459 Abs. 2 BGB haftet der Verkäufer auch dafür, daß die Sache z.Z. des Gefahrübergangs die zugesicherten Eigenschaften hat. Fehlt der verkauften Sache z.Z. des Kaufs eine zugesicherte Eigenschaft, so kann der Käufer statt der Wandelung oder Minderung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen (§ 463 S. 1 BGB). Aus diesen Vorschriften kann der Schadensersatzanspruch des K gegen V folgen. Zunächst wollen wir prüfen, ob V dem K eine bestimmte Eigenschaft des PKW's, nämlich dessen Unfallfreiheit, zugesichert hat. Der Begriff „Eigenschaft" ist nahezu identisch mit dem des wertbildenden Faktors. Man versteht darunter alle Verhältnisse, die wegen ihrer Art und Dauer nach der Verkehrsanschauung Einfluß auf die Wertschätzung und Brauchbarkeit der Sache haben. Das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft kann zugleich einen Fehler der Sache bedeuten; begriffsnotwendig ist das jedoch nicht. Z.B.: V sichert zu, das Fernsehgerät sei fabrikneu. In Wirklichkeit hat das Gerät bereits 4 Wochen im Geschäft des V als Vorführgerät gedient. Die relativ kurze Benutzung macht das Gerät nicht fehlerhaft i.S.d. § 459 Abs. 1 BGB. Sie läßt die Gebrauchsfähigkeit nicht von der Norm abweichen und beeinträchtigt auch nicht den vertragsgemäßen Gebrauch. Dennoch hat der Kunde ein Interesse daran, mit einem fabrikneuen Gerät beliefert zu werden. Die Unfalleigenschaft eines PKW's ist immer ein wertbildender Faktor und damit Eigenschaft i.S.d. § 459 Abs. 2 BGB, sofern aus dem Unfall ein technischer Mangel zurückgeblieben ist. In einem solchen Falle liegt zugleich ein Fehler i.S.d. § 459 Abs. 1 BGB vor. Wenn die Unfallschäden technisch vollständig behoben worden sind, ist die Sache nicht mehr fehlerhaft; aber die Unfalleigenschaft als solche bleibt bestehen; es sei denn, der Wagen ist nur ganz unerheblich beschädigt worden. Lehrreiche Beispiele aus der Rechtsprechung zu der Frage, ob eine Eigenschaft zugesichert ist oder nicht, finden Sie bei Erman-Weitnauer, Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 459, Anm. II 4 a-d. Dort finden Sie auch Ausführungen zu dem nächsten Tatbestandsmerkmal, das wir untersuchen müssen.
Es ist die Frage, wann eine Erklärung des Verkäufers als Zusicherung aufzufassen ist. Nicht jede Erklärung, die der Verkäufer bei den Kaufverhandlungen über die Kaufsache abgibt, ist eine Zusicherung. Als erstes scheiden Anpreisungen allgemeiner Art aus, die schon rein zeitlich vor den eigentlichen Kaufverhandlungen liegen, z.B. Anzeigenwerbung mit Eigenschaftswörtern wie „hervorragende Qualität", „ohne Konkurrenz", „tadelloser Zustand", „kaum gebraucht" usw. Die Rechtslage ändert sich, sobald der Verkäufer bei den eigentlichen Vertragsverhandlungen Erklärungen über die Sache abgibt. Aus Gründen der Redlichkeit ist der Verkäufer an Aussagen festzuhalten, die einen konkreten Inhalt haben. Außerdem muß der Käufer erkennbar Wert auf das Vorhandensein oder Fehlen der konkret beschriebenen Eigenschaft gelegt haben. Deswegen ist es z. B. als Zusicherung aufzufassen, wenn auf Fragen des Käufers ein Motor als „generalüberholt" bezeichnet wird. Die Erklärung des Verkäufers muß erkennen lassen,
21 daß er für das Vorhandensein oder Fehlen einer bestimmten Eigenschaft einstehen will. Sie muß sich als Garantie darstellen. Ob eine Erklärung des Verkäufers so aufzufassen ist, hängt oft von den jeweiligen Umständen des Falles ab. Eine allgemeinverbindliche Formel gibt es nicht. Es ist leichter auszudrücken, wann eine Zusicherung fehlt. Eine Begriffsbestimmung durch negative Abgrenzungen ist allerdings unbefriedigend. Man tut gut daran, zugesicherte Eigenschaften ausdrücklich als solche zu bezeichnen. Wenn der Kaufvertrag formbedürftig ist, müssen die Zusicherungen ohnehin in der durch Rechtsgeschäft oder Gesetz vorgeschriebenen Form erklärt werden. Bei formlosen Kaufverträgen ist eine stillschweigende Zusicherung zwar denkbar; als Kaufmann sollte man sich jedoch auf solche Unsicherheiten nicht einlassen. Ein Beispiel für eine stillschweigende Zusicherung kraft Gesetzes ist der Kauf nach Probe oder Muster (§ 494 BGB). Im vorliegenden Fall fällt die Subsumtion nicht schwer: Da V ausdrücklich beteuert hat, der Wagen habe noch keinen Unfall gehabt, liegt eine Zusicherung vor. Ob er selbst der Meinung war, der PKW sei unfallfrei, spielt keine Rolle. Auf Verschulden kommt es auch hier nicht an. Es bleibt zu prüfen, in welchem Zeitpunkt die zugesicherte Eigenschaft vorhanden sein muß. Soll wegen Fehlens der zugesicherten Eigenschaft gewandelt oder gemindert werden, so kommt es allein darauf an, ob sie bei Gefahrübergang vorhanden war. Ein Schadensersatzanspruch, den § 463 BGB ausnahmsweise ohne Verschulden des Verkäufers gewährt, ist jedoch nur gegeben, wenn die zugesicherte Eigenschaft bei Vertragsschluß und Gefahrübergang gefehlt hat. Mithin entfällt der Schadensersatzanspruch, wenn die zugesicherte Eigenschaft zwar bei Vertragsabschluß gefehlt, bei Gefahrübergang aber vorhanden war. Ebenso ist es im umgekehrten Falle. Nun müssen wir subsumieren: Der PKW war schon bei Vertragsabschluß durch den Unfall geschädigt und blieb es auch bis zur Übergabe (und darüber hinaus). Folglich hat K einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung. Der Schadensersatz wegen Nichterfüllung geht auf das Erfüllungsinteresse (positive Interesse). K kann also verlangen, gestellt zu werden, wie er stehen würde, wenn die Sache die zugesicherte Eigenschaft gehabt hätte. Ohne die Beschädigung der Vorderachse hätte K die Reparaturkosten nicht aufzuwenden brauchen. Wir unterstellen, daß für 1000,- DM nur unfallbedingte Schäden ausgebessert worden sind, und eine nennenswerte Wertverbesserung nicht eingetreten ist (vgl. dazu Fall Nr. 3 in Bd. II). Unter diesen Umständen hat K einen Anspruch auf die vollen 1000,-DM.
Fall Nr. 16: Gewährleistungsbeschränkung; arglistiges Verhalten des Verkäufers V hat dem K einen gebrauchten PKW für 5000,- DM verkauft. Im Kaufvertrage heißt es: „Der Verkäufer verpflichtet sich zur Nachbesserung solcher Mängel, die bei einer eingehenden Probefahrt und Besichtigung nicht feststellbar sind, wenn sie innerhalb von 3 Monaten, höchstens jedoch bis zu einer Kilometerleistung von 5000 seit Übergabe der Kaufsache schriftlich angezeigt werden. Eine weitergehende Haftung des Verkäufers besteht nicht". 4 Monate nach Übergabe des PKW's stellt K fest, daß der Motorblock einen alten Riß hat. V hatte ihn vor dem Verkauf an K kunstgerecht mit einem Dichtungsmittel verschmiert und dann mit
22 einer silbergrauen Farbe überpinselt. Bei den Kaufverhandlungen hatte V den Riß verschwiegen. K läßt den Motor auswechseln und verlangt die Reparaturkosten in Höhe von 1200,- DM als Schadensersatz von V. Muß V zahlen? Lösung Nach § 463 S. 2 BGB ist der Verkäufer zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er einen Fehler arglistig verschweigt. Der Riß im Motorblock stellt eine negative Abweichung von der Norm dar. Deswegen ist der Motor sogar nach dem objektiven Fehlerbegriff mangelhaft. Der Fehler war bei Vertragsabschluß und Gefahrübergang vorhanden. Bei der Frage, ob V ihn verschwiegen hat, müssen wir einen Augenblick länger verweilen. Schweigen ist bloßes Nichtstun. Es besteht keine grundsätzliche Pflicht des Verkäufers, auf alle Mängel und nachteiligen Eigenschaften der Kaufsache hinzuweisen. Eine Offenbarungspflicht besteht jedoch bei erheblichen Umständen, deren Kenntnis nach der allgemeinen Lebenserfahrung für den Entschluß des Käufers zum Erwerb der Sache bedeutsam ist. Demgemäß ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß der Verkäufer z.B. die Unfalleigenschaft eines Kraftfahrzeuges ungefragt offenbaren muß. Arglistig ist das Verschweigen, wenn der Verkäufer a) den Fehler kennt, b) damit rechnet, daß der Käufer auf die Abwesenheit dieses Fehlers vertraut und c) bei Kenntnis des Fehlers nicht kaufen würde. Der Verkäufer braucht sich dagegen nicht vorzustellen, daß der Käufer geschädigt wird (zum Begriff der Arglist vgl. auch Fall Nr. 36 in Bd. I). Wir prüfen jetzt, ob V den Riß im Motorblock arglistig verschwiegen hat. V hat mehr getan als nur geschwiegen. Seine Flickarbeiten an dem defekten Motorblock sollten einen intakten Zustand vorspiegeln. Das ist rechtlich als Erklärung durch schlüssiges Verhalten zu werten. Seit langem ist es anerkannt, daß arglistiges Vorspiegeln nicht vorhandener Eigenschaften oder der Abwesenheit von Fehlern dem arglistigen Verschweigen gleichzusetzen ist. Wer mehr tut als nichts (Schweigen), muß erst recht für sein Verhalten einstehen. Deswegen ist die Manipulation des V dem Schweigen mindestens gleichwertig. Arglistig hat er gehandelt, weil - wie wir zur Abkürzung unterstellen wollen - die genannten Voraussetzungen zu a), b) und c) erfüllt sind. Nach § 463 S. 2 BGB ist V daher schadensersatzpflichtig. Es bleibt zu prüfen, ob die vertraglichen Vereinbarungen daran etwas ändern. Die Vorschriften über die Gewährleistung sind abdingbar. Durch freie Vereinbarung kann die Haftung beschränkt oder erweitert werden. Davon macht die Wirtschaft regelmäßig Gebrauch. Weit häufiger als Haftungserweiterungen sind Haftungsbeschränkungen. Unbeschränkte Freizeichnungen, also der Ausschluß jeglicher Gewährleistung, wird für den Handel mit Gebrauchtfahrzeugen gebilligt. Ansonsten ist bei völliger Freizeichnung, insbesondere wenn sie in Allgemeinen Geschäftsbedingungen steht, zu prüfen, ob sie nicht gegen die guten Sitten verstößt und deswegen unbeachtlich ist (§§ 138, 242 BGB). Beschränkungen werden regelmäßig durch kurze Klauseln ausgedrückt. So bedeutet „ohne Gewähr" oder „unter Ausschluß jeglicher Gewährleistung" eine völlige Freizeichnung; „wie besichtigt" Ausschluß der Gewährleistung für alle Mängel, die bei einer Besichtigung ohne Sachverständigenkenntnisse feststellbar sind; „wie sie (die verkaufte Sache) steht und liegt" Ausschluß auch für verborgene Mängel; „wie besichtigt und Probe gefahren" Ausschluß für Mängel, die ein Laie bei der Besichtigung und Probefahrt feststellen kann; „ohne Garantie" bedeutet hingegen nur, daß keine
23 Eigenschaften besonders zugesichert werden, im übrigen gilt die gesetzliche Gewährleistung. Eine Besonderheit ist die Klausel „tel quel". Sie bedeutet, daß der Verkäufer aus einer bestimmten Gattung die geringwertigste Qualität liefern darf. Klauseln der vorstehenden Art beschränken die Haftung auf Mängel bestimmter Art (offene, verborgene Mängel). Denkbar ist aber auch eine Beschränkung der Gewährleistung durch Abschneiden der Rechte auf Wandelung, Minderung oder Schadensersatz. So ist es z.B. möglich, statt des Rechtes auf Wandelung oder Minderung dem Verkäufer ein Nachbesserungsrecht oder Nachlieferungsrecht einzuräumen. In sogenannten „Garantiescheinen" heißt es häufig: „Der Verkäufer verpflichtet sich zur kostenlosen Ausbesserung oder Nachlieferung, wenn der Mangel nachweislich auf einem Material- oder Konstruktionsfehler beruht, sofern die Ausbesserung noch nicht vom Käufer oder von einem Dritten versucht worden ist; weitere Gewährleistung ist ausgeschlossen". Derartige Garantiescheine sind eine Irreführung des juristischen Laien. Die oftmals nach Art einer Geldnote aufgemachten Scheinchen gewähren dem Käufer keine zusätzlichen Rechte, wofür der Ausdruck Garantie sprechen könnte - im Gegenteil: Der Käufer wird auf Nachbesserung oder Nachlieferung verwiesen, während er nach dem Gesetz wandeln oder mindern könnte; aber das fürchtet der auf Umsatz und Gewinn bedachte Kaufmann. Die Gewährleistung läßt sich außerdem durch Verkürzung der Gewährleistungsfristen beschränken. Der Anspruch auf Wandelung, Minderung und Schadensersatz verjährt bei beweglichen Sachen in sechs Monaten von der Ablieferung, bei Grundstücken in einem Jahr von der Übergabe an (§ 477 BGB). Diese Frist kann in Abweichung von § 225 S. 1 BGB verlängert werden (§ 477 Abs. 1 S. 2 BGB). Die Zulässigkeit der Verkürzung folgt aus § 225 S. 2 BGB. Alle Haftungsbeschränkungen sind unwirksam, wenn dem Verkäufer arglistiges Verhalten zur Last fällt. Das gilt nach § 476 BGB nicht nur beim arglistigen Verschweigen eines Mangels, sondern auch beim arglistigen Vorspiegeln einer bestimmten Eigenschaft oder der Abwesenheit eines Fehlers. V hatte vorgespiegelt, der Fehler sei nicht vorhanden. Deswegen ist die vereinbarte Haftungsbeschränkung unwirksam, und zwar sowohl die Beschränkung nach der Art des Mangels als auch die Beschränkung auf den Nachbesserungsanspruch und auf eine kürzere Verjährungsfrist. K hat daher den Schadensersatzanspruch aus § 463 S. 2 BGB nicht verloren. Er kann verlangen, so gestellt zu werden, wie wenn die gelieferte Sache den Fehler nicht gehabt hätte. Ohne den Fehler hätte K keine 1200,-DM Reparaturkosten aufwenden müssen. Also ist sein Anspruch in voller Höhe begründet. Gesetzliche Haftungsbeschränkungen finden sich in den §§ 460, 464 BGB. Bitte nachlesen! Fall Nr. 17: Gattungskauf; zugesicherte Eigenschaft und Mangelfolgeschaden V hat dem K 50 kg weißen Lack verkauft, der nach ausdrücklicher Zusicherung für Außenanstrich hervorragend geeignet ist. Infolge fehlerhafter Zusammensetzung blättert der Lack 4 Monate nach dem Anstrich ab. K verlangt nochmalige Belieferung und 4500,- DM Schadensersatz für das Entfernen der Lackreste, das Wiederholen des Vorstrichs und des Lackanstrichs. Muß V liefern und zahlen?
24 Lösung Die dem K verkaufte Farbe ist nur der Gattung nach bestimmt. Für den Gattungskauf gilt die Regelung in § 480 BGB. Der Käufer einer nur der Gattung nach bestimmten Sache kann statt der Wandelung oder Minderung verlangen, daß ihm an Stelle der mangelhaften Sache eine mangelfreie geliefert wird. Diesen Nachlieferungsanspruch hat der Käufer jedenfalls bis zur Annahme der gelieferten Sache. Er kann also die mangelhafte Sache zurückweisen und statt dessen eine mangelfreie verlangen. Wenn er die Sache angenommen hat, wird es kompliziert; wir wollen hier nur der herrschenden Meinung Gehör schenken: Sie wissen, daß konkretisierte Gattungsschuld wie eine Stückschuld behandelt wird (nachlesen Fall Nr. 8 in Bd. II). Die Konkretisierung tritt ein durch ein Angebot, daß den Annahmeverzug begründet (nachlesen Fall Nr. 30 in Bd. II). Da der Käufer eine mangelhafte Sache zurückweisen und Nachlieferung verlangen kann, tritt Konzentration (Konkretisierung) folglich nur durch das Angebot einer mangelfreien Sache ein. Sein Anspruch auf Nachlieferung geht also durch die Annahme der mangelhaften Sache nicht unter. Erst wenn er statt der Nachlieferung Wandelung, Minderung oder Schadensersatz verlangt, wird aus der Gattungsschuld eine Stückschuld. Nun gibt es Fehler, die zwar im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorhanden, aber noch nicht erkennbar sind. Gleiches gilt für zugesicherte Eigenschaften. Da ist z.B. die Haltbarkeit einer Farbe. Ihre Eignung für den vorgenannten Zweck läßt sich erst feststellen, wenn sie längst verbraucht ist. Es fällt schwer, hier zu konstruieren, die Gattungsschuld habe sich trotz Verbrauchs der Farbe noch nicht in eine Stückschuld verwandelt. Einleuchtender ist folgende Begründung: Die Zusage einer Eignung für bestimmte Zwecke, enthält zugleich ein stillschweigendes Nachlieferungsversprechen i.S.d. § 480 Abs. 1 BGB, wenn sich die Eignung erst zukünftig, insbesondere erst nach dem Verbrauch der Sache herausstellen kann. So ist auch der vorliegende Fall zu lösen. V hat versprochen, einen Lack zu liefern, der für Außenstrich geeignet ist. Der dem Gattungskauf eigentümliche Nachlieferungsanspruch bleibt hier auch bei vorbehaltloser Annahme bestehen, weil die Eignung erst nach dem Verbrauch festgestellt werden kann. Wir wollen nun prüfen, ob K auch einen Schadensersatzanspruch hat. Nach § 480 Abs. 2 BGB kann der Käufer einer Gattungssache, der bei Gefahrübergang die zugesicherte Eigenschaft fehlt, statt der Wandelung, Minderung oder Nachlieferung auch Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Der Schadensersatzanspruch steht wie beim Stückkauf nicht neben den sonstigen Gewährleistungsansprüchen sondern nur wahlweise zur Verfügung (... statt...). Anders als beim Stückkauf kommt es aber nur darauf an, ob die zugesicherte Eigenschaft bei Gefahrübergang vorhanden ist; denn bei Abschluß des Kaufvertrages steht noch gar nicht fest, welche Sache der Verkäufer aus der Gattung auswählen wird. Wir unterstellen, daß die Eignung für Außenanstrich zugesicherte Eigenschaft ist. Da K bereits Nachlieferung verlangt hat, kann er nach dem soeben Gesagten nicht außerdem Schadensersatz wegen Nichterfüllen gem. § 480 Abs. 2 BGB verlangen. Eine andere Frage ist es, ob K hier überhaupt einen Schaden geltend macht, für den der Begriff Schadensersatz wegen Nichterfüllung paßt. Man unterscheidet zwischen dem Schaden, der dem Objekt unmittelbar anhaftet (Objektschaden), und dem Schaden, der durch das mangelhafte Objekt an anderen Gütern hervorgerufen wird (Mangelfolgeschaden). Betrachten Sie unseren Fall: Der Schaden
25 am Objekt wird nicht geltend gemacht. Statt dessen verlangt K Nachlieferung. Den Objektschaden hätte er, wenn die übrigen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches nach § 480 Abs. 2 BGB gegeben sind, wie folgt berechnen können: Er verlangt als Schadensersatz den Betrag, den er zum Kauf einer mangelfreien Farbe dieser Art benötigt. Der Mangelfolgeschaden setzt sich zusammen aus den Kosten, die K aufwenden muß, um den mangelhaften Anstrich zu entfernen und den neuen aufzubringen. So einleuchtend dieser Unterschied zunächst auch erscheinen mag, letztlich ist er trügerisch. Auszugehen ist von der Formel: Wer Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann, kann verlangen, so gestellt zu werden, wie er bei voller Erfüllung gestanden hätte. Übertragen auf das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft lautet sie: Wer Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann, kann verlangen, so gestellt zu werden, wie er bei Vorhandensein der zugesicherten Eigenschaft gestanden hätte. Hätte die Farbe die erforderlichen Eigenschaften eines Außenlackes besessen, hätte K den Anstrich nicht entfernen und nochmals aufbringen müssen. Begrifflich ist der Mangelfolgeschaden deswegen ein Teil des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung aus §§ 463, 480 Abs. 2 BGB. Die herrschende Meinung gewährt daher, wenn die übrigen Voraussetzungen der §§ 463, 480 Abs. 2 BGB erfüllt sind, nach diesen Vorschriften auch den Ersatz des Mangelfolgeschadens, sofern der Mangelfolgeschaden in einem Bereich liegt, der von der Zusicherung überdeckt wird. (... im Schutzbereich der übernommenen Haftung, in der Reichweite der Zusicherung). Das ist für Folgekosten, die sich aus der Wiederholung des Anstrichs ergeben, zu bejahen. Jetzt folgt aber eine überraschende rechtliche Notwendigkeit: Da der Käufer einer Gattungssache nur Nachlieferung oder Wandelung oder Minderung oder Schadensersatz verlangen kann, und K sich schon für die Nachlieferung entschieden hat, steht ihm der Schadensersatzanspruch nicht mehr zu. Diese Konsequenz nötigt den Käufer einer Gattungssache, der zugesicherte Eigenschaften fehlen, auf Nachlieferung zu verzichten und nur Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen, wenn er auch Mangelfolgeschäden liquidieren will, die im Schutzbereich der Zusicherung liegen. Der Schadensersatzanspruch umfaßt dann die Kosten für den Deckungskauf und die Beseitigung der Mangelfolgeschäden. Daran muß man denken!
Fall Nr. 18: Gattungskauf; positive Vertragsverletzung und Gewährleistung V hat dem K einen Preßlufthammer verkauft. Infolge eines Fehlers beim Zusammenbau dringt zuviel Preßluft ein. Dadurch kann ein Arbeiter des K den Hammer beim Freilegen einer Lichtleitung, die dem K gehört, plötzlich nicht mehr halten. Der ausrutschende Meißel zerstört die Leitung. Die so entstandenen Schäden (Betriebsausfall, Reparatur der Leitung) belaufen sich auf 1000,- DM. K verlangt einen neuen Preßlufthammerund Bezahlung der 1000,- DM. Mit Recht?
Lösung Da K den Nachlieferungsanspruch bei Lieferung einer fehlerhaften Sache (wir unterstellen, daß V einen fehlerhaften Hammer geliefert hat) erst verliert, wenn er sich für Wandelung, Minderung oder Schadensersatz entschließt, kann er auch
26 noch nach Annahme der Sache, deren Fehler er nicht erkannt hat, Nachlieferung gem. § 480 Abs. 1 BGB verlangen. Schwieriger wird es bei der Frage, ob er auch den geltend gemachten Schadensersatzanspruch hat. Zusicherung einer Eigenschaft, arglistiges Verschweigen eines Fehlers oder Vorspiegelung der Fehlerfreiheit und damit die Anwendbarkeit des § 480 Abs. 2 BGB scheiden aus. Wir wollen nun untersuchen, ob K neben den Gewährleistungsansprüchen aus §§ 459, 480 BGB einen Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung hat. Lesen Sie zunächst Fall Nr. 32 in Bd. II. Es ist allgemein anerkannt, daß Mangelfolgeschäden, die durch Gewährleistung nicht erfaßt werden, nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung (pVV) zu erstatten sind. Während jedoch die Gewährleistungsansprüche kein Verschulden voraussetzen, sind Ansprüche aus pVV nur bei schuldhafter Schlechtlieferung gegeben. Der Verkäufer muß also mindestens leicht fahrlässig gehandelt haben. Die Beschädigung des Stromkabels war eine Folge der Arbeit mit dem mangelhaften Preßlufthammer. Damit ist die erste Voraussetzung für die Annahme eines Mangelfolgeschadens erfüllt. Die weitere Voraussetzung, das Verschulden, ist in der Praxis weitaus schwieriger darzulegen. Deswegen ist es von großer Bedeutung, ob der Käufer dem Verkäufer ein Verschulden nachweisen, oder ob sich der Verkäufer entlasten muß. Der Bundesgerichtshof und auch schon das Reichsgericht bürden dem Schuldner die Beweislast jedenfalls dann auf, wenn die Gefahr aus seinem Bereich kommt, auf den der Gläubiger nicht einwirken und den er nicht einsehen kann. Das bedeutet für unseren Fall: Da K unter normalen Umständen nicht in der Lage ist, zu ergründen, wie sich der Zusammenbau im Betriebe des V vollzogen hat, ist es ihm schlechthin unmöglich, dazu etwas vorzutragen und zu beweisen. Er kann nur den mangelhaften Zustand der gelieferten Ware darlegen. Es ist dann Sache des Schuldners V, die Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, aus denen evtl. folgt, daß er die Schlechtlieferung nicht zu vertreten hat. Wenn dem V dieser Entlastungsbeweis nicht gelingt, muß er den entstandenen Schaden nach dem Grundsatz der positiven Vertragsverletzung ersetzen.
Fall Nr. 19: Mangelfolgehaftung bei arglistigem Verhalten V hat dem K einen gebrauchten PKW verkauft und bei den Kaufverhandlungen arglistig einen Fehler an der Lenkung verschwiegen. K erleidet mit dem Wagen infolge dieses Fehlers einen Unfall. Dabei wird auch die wertvolle Kamera des K zerstört. Er verlangt von V für die Beschaffung einer gleichwertigen Kamera 1200,-DM. Muß V zahlen?
Lösung K macht einen Mangelfolgeschaden geltend. Die Vernichtung der Kamera stellt einen sonstigen Vermögensschaden dar, den K infolge der Schlechtlieferung hinnehmen mußte. Da arglistiges Verhalten in aller Regel schuldhaft ist, könnte der Mangelfolgeschaden nach den Grundsätzen der pVV zu verlangen sein; nach ganz herrschender Meinung ist der Mangelfolgeschaden bei arglistigem Verhalten des
27 O Q. ® O O
2
5 ? .2> •c -cT® OU ) E ® Ë rara® s; X) c c £ o = o) N N _ rara® ®TO ra (D ® IB .Q S n O un o.
co co un
Sí m un
O)
\