Allgemeines Schuldrecht mit Hinweisen auf den Zivilprozeß: Anhang: Incoterms 1953 [2., verbesserte und erweiterte Auflage, Reprint 2020] 9783112316115, 9783112304921


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German Pages 117 [120] Year 1977

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Table of contents :
Vorwort zur 1. Auflage
Vorwort zur 2. Auflage
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Teil 1: Grundbegriffe des Schadensersatzrechts
Teil 2: Ort und Gegenstand der Leistung
Teil 3: Leistungsstörungen
Teil 4: Aufrechnung
Teil 5: Abtretung
Teil 6: Schuldübernahmeformen
Anhang
Stichwortverzeichnis
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Allgemeines Schuldrecht mit Hinweisen auf den Zivilprozeß: Anhang: Incoterms 1953 [2., verbesserte und erweiterte Auflage, Reprint 2020]
 9783112316115, 9783112304921

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Privatrecht Band II Hartwig, Allgemeines Schuldrecht mit Hinweisen auf den Zivilprozeß 2. Auflage

Privatrecht Lehrbuch für Fachhochschulstudenten Band II

Allgemeines Schuldrecht mit Hinweisen auf den Zivilprozeß Anhang: Incoterms 1953 2., verbesserte und erweiterte Auflage

Von

Horst Hartwig Richter am Oberlandesgericht Dozent an der Fachhochschule Dortmund

w 19 7 7

W

J. Schweitzer Verlag • Berlin

CIP-Kurztitelaufnahme

der Deutschen

Bibliothek

Privatrecht: Lehrbuch für Fachhochschulstudenten / hrsg. von Horst Hartwig.-Berlin : Schweitzer. NE: Hartwig, Horst [Hrsg.] Bd. 2. Allgemeines Schuldrecht mit Hinweisen auf den Zivilprozess : Anh.: Incoterms 1953 / von Horst Hartwig. - 2 . , verb. u. erw. Aufl. -1977. ISBN 3-8059-0487-8

© 1977 by J. Schweitzer Verlag, Berlin. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Satz: Sedier GmbH Freising. Druck: Karl Gerike, Berlin. Bindearbeiten: Dieter Mikolai, Berlin.

Vorwort zur 1. Auflage

Unter dem allgemeinen Teil des Schuldrechts versteht man gewöhnlich die §§ 241 - 4 3 2 BGB. Sie enthalten Grundsätzliches über die Abwicklung eines bestehenden Schuldverhältnisses. Ihre völlige und vollständige Beherrschung setzt ein intensives und fortwährendes juristisches Studium voraus. Dazu fehlen den Studenten an Fachhochschulen für WirtschaftZeit und Ziel. Deshalb war auch hier eine scharfe Auswahl zu treffen, die dennoch einen Überblick über regelmäßig wiederkehrende juristische Vorgänge des kaufmännischen Lebens gestattet. Das wiederum erforderte die Berücksichtigung besonderer Regeln aus dem Recht der Kaufleute. Auch Hinweise auf prozessuale Vorgänge erschienen mir für die Ausbildung eines Praktikers unerläßlich. Der Leser wird die Behandlung einiger Vorschriften völlig vermissen und an manchen Stellen eine Vertiefung für wünschenswert halten. So bot es sich an, bei der Besprechung des Kontokorrents das Clearingverfahren zu streifen, bei den Haftungsmaßstäben die Gefährdungshaftung einzubeziehen, bei § 254 BGB über Unfallregulierungen zu sprechen und am Ende die Gesamtschuld zu behandeln. Da der Stoff jedoch rein zeitlich auf die Lern- und Lehrkapazität eines Semesters beschränkt sein soll, hielt ich es für ratsam, diese Rechtsgebiete bei der Besprechung einzelner Schuldverhältnisse in einem dritten Band zu berücksichtigen. Altlünen, Juli 1973

Horst Hartwig

Vorwort zur 2. Auflage

In der 2. Auflage des Bandes II bleibt die grundsätzliche Linie der Lehrmethode erhalten; dankbar bin ich allerdings der zahlreich geäußerten Anregung gefolgt, doch einige Hinweise auf die Rechtsprechung und das weiterführende Schrifttum zu geben. Dadurch soll dem Leser, der das Gelernte vertiefen will, die Suche erleichtert werden. Ich möchte aber nochmals betonen: Diese Lehrbuchreihe beansprucht nicht, dem Jurastudenten über eine Einführung hinaus die für sein Examen benötigten Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln zu können. Zweck der Reihe ist es nach wie vor, den Studenten der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten beim Erwerb streng praxisbezogener Rechtskenntnisse zu helfen. Lünen, Februar 1977

Horst Hartwig

Privat recht Lehrbuch für Fachhochschulstudenten Herausgegeben von Horst Hartwig Richter am Oberlandesgericht, Dozent an der Fachhochschule Dortmund

Band I: Grundlagen des bürgerlichen Rechts mit Hinweisen auf den Zivilprozeß Von Horst Hartwig, Richteram Oberlandesgericht, Dozent an der Fachhochschule Dortmund Band II: Allgemeines Schuldrecht mit Hinweisen auf den Zivilprozeß Von Horst Hartwig, Richter am Oberlandesgericht, Dozent an der Fachhochschule Dortmund Band III: Besondere Schuldverhältnisse mit Hinweisen auf den Zivilprozeß Von Horst Hartwig, Richter am Oberlandesgericht, Dozent an der Fachhochschule Dortmund Band IV: Sachenrecht und Wertpapierrecht mit Hinweisen auf den Zivilprozeß Von Horst Hartwig, Richter am Oberlandesgericht, Dozent an der Fachhochschule Dortmund Band V: Gesellschaftsrecht mit Hinweisen auf den Zivilprozeß Von Dr. Hubert Klingberg, Vorsitzender Richter am Landgericht, Dozent an der Fachhochschule Dortmund Band VI: Wettbewerbsrecht mit Hinweisen auf den Zivilprozeß Von Dr. Hubert Klingberg, Vorsitzender Richter am Landesgericht, Dozent an der Fachhochschule Dortmund

J. Schweitzer Verlag • Berlin

Inhaltsverzeichnis

Fall

Gegenstand

TeiM: Nr. 1 Nr. 2 Nr. 3 Nr. 4 Nr. 5 Nr. 6 Nr. 7

Grundbegriffe des Schadensersatzrechts Naturalrestitution; Formen des Schadensersatzes Zeitwert, Wiederbeschaffungswert Neu für Alt Bewertung der eigenen Ersatzleistung Unmittelbarer und mittelbarer Schaden Entgangener Gewinn Mitwirkendes Verschulden

Teil 2: Nr. 8 Nr. 9 Nr. 10 Nr. 11

Ort und Gegenstand der Leistung Leistungsort, Erfüllungsort Geldschuld, Beförderungsgefahr, Zeitgefahr Leistungserfolg Teilleistung, Leistung durch Dritte

9 9 12 13 14

Teil 3: Nr. 12 Nr. 13 Nr. 14 Nr. 15 Nr. 16 Nr. 17 Nr. 18 Nr. 19 Nr. 20 Nr. 21 Nr. 22 Nr. 23 Nr. 24 Nr. 25 Nr. 26 Nr. 27 Nr. 28 Nr. 29 Nr. 30 Nr. 31 Nr. 32 Nr. 33 Nr. 34 Nr. 35 Nr. 36 Nr. 37 Nr. 38 Nr. 39

Leistungsstörungen Unmöglichkeit und Unvermögen Nicht zu vertretende Unmöglichkeit; gegenseitiger Vertrag . . . . Zu vertretende Unmöglichkeit; gegenseitiger Vertrag Anfängliche objektive Unmöglichkeit Anfängliche subjektive Unmöglichkeit Schadensersatz wegen Nichterfüllung, § 3 2 5 BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung, § 280 BGB Herausgabe des Ersatzes Liefervorbehalte Schuldnerverzug Rücktritt wegen Verzugs Nachfristsetzung und Ablehnungsandrohung, Rücktrittsfolgen Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung Interessewegfall Fixgeschäft Sorgfalt des ordentlichen Kaufmanns; Fixhandelskauf Haftungsverschärfung durch Verzug Zinspflichten im Schuldnerverzug Gläubigerverzug Gläubigerverzug; wörtliches Angebot, überflüssiges Angebot. . Erfüllungsgehilfe; positive Vertragsverletzung Haftung für Organe p W bei Dauerschuldverhältnissen Verschulden bei Vertragsschluß Zurückbehaltungsrecht, § 320 BGB; Versäumnisverfahren . . . . Zweites Versäumnisurteil Zurückbehaltungsrecht, § 273 BGB Versäumnisurteil gegen den Kläger; Vollstreckung aus Versäumnisurteilen Vertragsstrafe, Handelsgeschäft, § 348 HGB

16 16 17 19 20 21 22 24 25 26 27 29 30 32 33 34 36 38 39 40 41 45 48 49 50 52 55 56

Nr. 40

Seite 1 1 2 3 4 4 6 7

58 59

VIII Fall

Gegenstand

Teil 4: Nr. 41 Nr. 42 Nr. 43

Aufrechnung Aufrechnung, Verfallklauseln Aufrechnung mit abgetretener Forderung Aufrechnung gegen unpfändbare Forderung; Aufrechnung mit Forderungen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung Aufrechnung gegen Forderungen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung Aufrechnungsvertrag, Kontokorrent

Nr. 44 Nr. 45 Teil 5: Nr. 46 Nr. 47 Nr. 48 Nr. 49 Nr. 50

Seite 62 62 64 65 66 66

Nr. 51 Nr. 52 Nr. 53 Nr. 54 Nr. 55

Abtretung Saldozession Übergang der Einwendungen Vorausabtretung Globalzession Abtretung wegen einer Mehrheit von Forderungen; Bestimmtheitsgrundsatz Globalzession und verlängerter Eigentumsvorbehalt Vereinbartes Abtretungsverbot Abtretungsverbot, Unpfändbarkeit Abtretung und Aufrechnung Abtretung und Aufrechnung

68 68 69 71 73 74 76 79 80 80 81

Teil 6: Nr. 56 Nr. 57 Nr. 58 Nr. 59 Nr. 60 Nr. 61 Nr. 62 Nr. 63 Nr. 64 Anhang

Schuldübernahmeformen Schuldübernahme nach § 414 BGB Schuldbeitritt Erfüllungsübernahme Einwendungen des Übernehmers Übernahme hypothekarisch gesicherter Forderungen Vermögensübernahme Haftungsbeschränkung nach § 419 BGB Gesellschaftsübernahme Schuldübernahme durch Firmenfortführung Incoterms 1953

82 82 82 83 84 86 88 90 92 93 95

Abkürzungsverzeichnis

aA AbzG AcP AGB AGBG BAG BAnz BaumbachDuden BauR BB Betr BGH EKG Enn.-Lehmann Erm.-Bearbeiter Esser GruchB h.L. HRR IherJ IngenstauKorbion Jagusch JR JuS JW Larenz LZ MDR Medicus m. weit. Nachw. OLGZ Pal.-Bearbeiter Recht RG RGRK-Bearbeiter SchlegelbergerBearbeiter SoergelBearbeiter st. Rspr.

anderer Ansicht Gesetz betr. die Abzahlungsgeschäfte vom 15.9.1894 Archivfür zivilistische Praxis (Band und Seite) Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von 1976 Bundesarbeitsgericht, auch Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bundesanzeiger Baumbach-Duden, Kurzkommentar zum HGB, 22. Aufl., 1977 baurecht, Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht (Jahr und Seite) Betriebsberater (Jahr und Seite) Betrieb (Jahr und Seite) Bundesgerichtshof, auch Entscheidungen in Zivilsachen (Band und Seite) Einheitliches Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen vom 17. 7.1973 (BGBl. I S. 856) Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, begründet von Enneccerus, Kipp und Wolff. 2. Band: Recht der Schuldverhältnisse Erman, Handkommentar zum BGB, 6. Aufl., 1975 Esser, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. 2 Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, begründet von Gruchot (Band und Seite) herrschende Lehre Höchstrichterliche Rechtsprechung (Jahr und Nr.) Iherings Jahrbücher (Band und Seite) VOB, Kommentar, 7. Aufl., 1974 Straßenverkehrsrecht, 22. Aufl., 1976 Juristische Rundschau (Jahr und Seite) Juristische Schulung (Jahr und Seite) Juristische Wochenschrift (Jahr und Seite) Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. II, 10. Aufl., 1972 Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht (Jahr und Seite) Monatsschrift für Deutsches Recht (Jahr und Seite) Bürgerliches Recht, 7. Aufl., 1975 mit weiteren Nachweisen Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen (Jahr und Seite) Palandt, Kurzkommentar zum BGB, 36. Aufl., 1977 Das Recht (Jahr und Nr.) Reichsgericht, auch Entscheidungen in Zivilsachen (Band und Seite) Das BGB, Kommentar, herausgegeben von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern Schlegelberger, Kommentar zum HGB Soergel-Siebert, Kommentar zum BGB, 10. Aufl., 1969 ständige Rechtsprechung

X StaudingerBearbeiter StVG StVO WarnRsp WPM

Staudinger, Kommentar zum BGB, 11. Aufl., 1958 Straßenverkehrsgesetz vom 19. 12. 1952 (BGBl. Nr. 9233-1) Straßenverkehrsordnung vom 16.11.1970 (BGBl. 11665) Warneyer, Die Rechtsprechung des RG (Jahr und Nr.) Wertpapier-Mitteilungen (Jahr und Seite)

I

837,

1

Teil 1: Grundbegriffe des Schadensersatzrechts Fall Nr. 1: Naturalrestitution; Formen des Schadensersatzes Der LKW des Transportunternehmers T ist bei einem Verkehrsunfall durch J, den Inhaber einer Autoreparaturwerkstatt, schwer beschädigt worden. J trägt die Alleinschuld. Die voraussichtlichen Reparaturkosten belaufen sich auf 5000,- DM. J weigert sich, das Geld vorzulegen. Er bietet sich an, den LKW in seiner Werkstatt zu reparieren. Kann T das Geld verlangen?

Lösung Nach § 249 S. 1 BGB muß der schadensersatzpflichtige Schuldner den Zustand herstellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Das ist der Grundsatz der Naturalrestitution. Selbstverständlich läßt sich der frühere Zustand im naturalistischen Sinne nicht wiederherstellen: Eine zerbrochene Fensterscheibe läßt sich nicht in die frühere zurückverwandeln. Eine verbeulte Karosserie läßt sich ausbeulen oder durch Neuteile ergänzen; aber sie bleibt nicht dieselbe, die sie vorher war. Naturalrestitution bedeutet daher nur die Wiederherstellung eines wirtschaftlich gleichwertigen Zustandes. Hinweise bei Pal.-Heinrichs, § 249, Anm. 3a. Wir unterstellen - wie es auch in § 249 BGB geschieht - daß J zum Schadensersatz verpflichtet ist (also keine Untersuchung der Anspruchsgrundlage). Aus der Bearbeitung früherer Fälle (vgl. Fall Nr. 28 und 29 in Bd. I) sind Ihnen die Begriffe Vertrauensinteresse = negatives Interesse und Erfüllungsinteresse = positives Interesse geläufig. Sie sagen etwas darüber aus, in welcher Höhe Schadensersatz zu leisten ist. Jetzt müssen wir prüfen, in welcher Form der Schuldner zum Schadensersatz herangezogen werden kann. § 249 S. 2 BGB gewährt dem Gläubiger bei Verletzung einer Person oder bei Beschädigung einer Sache ein Wahlrecht. Es liegt beim Gläubiger, die Herstellung durch den Schuldner oder von ihm den dafür erforderlichen Geldbetrag zu verlangen. Der Verletzte soll selbst herstellen dürfen; er muß es aber nicht. Vgl. BGH LM § 251 Nr. 11. Der Gesetzgeber will dem Verletzten nicht zumuten, die eingetretenen Schäden gerade durch den beheben zu lassen, der sie verursacht hat. Hat sich der Gläubiger jedoch einmal für die Ersatzleistung in Geld entschieden, dann ist er daran gebunden. (Ebenso im Falle des § 250 BGB. Bitte nachlesen!) T kann also die 5000,- DM von J verlangen, obwohl J möglicherweise in der Lage ist, den Schaden für wesentlich weniger Geld in seiner Werkstatt zu beseitigen.

Fall Nr. 1a: Kaufmann X und Kaufmann Y unterhalten beide in der Stadt Z eine Brotfabrik. X hat in seinem Kegelklub beiläufig die Bemerkung fallen gelassen, Y treibe ruinösen Wettbewerb. Er biete seine Erzeugnisse unter Gestehungskosten an; aber das könne er nicht mehr lange durchstehen. Der Pleitegeier kreise bereits über seinem Betrieb. Y erfährt von dieser Äußerung, die nicht auf Wahrheit beruht. Er möchte wissen, ob es eine rechtliche Möglichkeit gibt, den X zum Widerruf seiner abfälligen Erklärung zu zwingen.

2 Fall Nr. 2: Zeitwert, Wiederbeschaffungswert Wie Nr. 1; aber die Haftpflichtversicherung des J erklärt, sie wolle den Schadensfall auf Totalschadenbasis regulieren. Lösung Die sog. Regulierung auf Totalschadenbasis spielt im Schadensersatzrecht, soweit Kraftfahrzeuge betroffen sind, eine große Rolle. Zu unterscheiden ist zwischen dem technischen und dem wirtschaftlichen Totalschaden. Erste Voraussetzung ist in beiden Fällen: Es muß sich um ein gebrauchtes Fahrzeug handeln. Wird ein gebrauchtes Fahrzeug vollständig zerstört (z. B. Betriebssicherheit nicht herzustellen) oder geht es auf sonstige Weise verloren (z. B. Diebstahl), so ist der Betrag als Schadensersatz zu zahlen, der erforderlich ist, um ein gleichwertiges Fahrzeug zu kaufen (einschl. Kosten einer gründlichen technischen Untersuchung und evtl. Finanzierungskosten). Das ist der Wiederbeschaffungswert. Vgl. die Hinweise bei Pal.-Heinrichs, § 249, Anm. 3Ba. Davon zu unterscheiden ist der Zeitwert. Hierunter versteht man den Preis, den der Geschädigte für das unbeschädigte Fahrzeug im Unfallzeitpunkt bei einem Verkauf erlöst hätte. Er kann je nach der Marktlage höher oder niedriger als der Wiederbeschaffungswert liegen; aber auf den Wiederbeschaffungswert kommt es allein an. Bei gebrauchten Fahrzeugen übersteigen die Kosten erforderlicher Reparaturen häufig den Wiederbeschaffungswert. Dann spricht man von einem wirtschaftlichen Totalschaden. Auch in diesem Falle kann der Geschädigte den Wiederbeschaffungswert verlangen, obwohl eine technisch einwandfreie Reparatur möglich ist. Schwierig wird es, wenn der Geschädigte Reparaturkosten verlangt, die den Wert der Sache vor dem Schadensfall übersteigen. Grundsätzlich ist er auch dazu berechtigt; aber § 251 Abs. 2 BGB zieht die Grenze: Wenn die Reparatur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden ist, kann der Schuldner den Gläubiger in Geld entschädigen, d. h. den Wiederbeschaffungspreis zahlen (nicht die Reparaturkosten, die ja auch in Geld ausgedrückt werden!). Beachten Sie bitte den systematischen Unterschied: Zwar wird in beiden Fällen Geld gezahlt, aber bei den Reparaturkosten handelt es sich um Herstellungskosten (§ 249 S. 2 BGB). Bei den Wiederbeschaffungskosten besteht von vornherein nur eine Geldschuld (§ 251 Abs. 1 und 2 BGB). Der Gläubiger hat also nie ein Wahlrecht gehabt. Anders ausgedrückt: Ist die Reparatur technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll, dann ist der Schuldner zur Herstellung verpflichtet, und der Gläubiger kann wählen, ob er selbst herstellen und den dafür erforderlichen Geldbetrag verlangen will oder ob er durch den Schuldner herstellen läßt (Fälle des § 249 BGB). Ist eine Herstellung nicht möglich, greift § 251 BGB ein. Die Ersatzpflicht besteht sofort in einer Geldschuld. Oft ist es fraglich, ob die Herstellung unverhältnismäßige Aufwendungen erfordert (§ 251 Abs. 2 BGB). Eine Grenzziehung mit mathematischer Sicherheit ist unmöglich. Vielleicht darf man sagen, wenn die Reparaturkosten um mehr als 25% höher liegen als der Zeitwert, wird die dem Schuldner zumutbare Opfergrenze überschritten. J und seine Haftpflichtversicherung können die Bezahlung der Reparaturkosten (Herstellungskosten gem. § 249 BGB) also nur verweigern, wenn entweder eine Herstellung unmöglich ist (§ 251 Abs. 1 BGB) oder wenn sie unverhältnismäßige Aufwendungen erfordert (§ 251 Abs. 2 BGB). Zum technischen und merkantilen Minderwert vgl. BGH 35,397.

3 Fall Nr. 2a: Transportunternehmer T hat eine Pechsträhne: In einer Woche werden durch Unfälle, die er und seine Fahrer nicht verschuldet haben, ein soeben in Betrieb gestellter Lkw, eine Zugmaschine mit 250 000 km Fahrtleistung und ein Pkw (Tachostand 56 000 km) beschädigt. Alle Fahrzeuge lassen sich zwar reparieren; aber T verlangt von den Schädigern, die ihm unstreitig dem Grunde nach haften, a) einen fabrikneuen Lkw, der inzwischen um 8% teurer geworden ist; b) eine gleichwertige Zugmaschine gegen Überlassung der beschädigten; c) die Reparatur des Pkw's, obwohl es wirtschaftlich sinnvoller wäre, auf dem Gebrauchtwagenmarkt einen um 20% - gegenüber der Reparatur - billigeren Ersatzwagen zu kaufen. Ist T im Recht? Vgl. auch die Entscheidungen BGH MDR 1962, 207; OLG München VersR 1970, 67; OLG Oldenburg VersR 1973, 379; OLG Schleswig NJW 1971, 141; BGH NJW 1965, 1756; KG MDR 1971, 578 und 1973, 135 (alle zur Regulierung auf Totalschaden basis).

Fall Nr. 3: Neu für Alt Wie Nr. 2; aber bei dem Unfall sind lediglich die ohnehin schon angerostete Stoßstange, die rechte vordere Beleuchtungseinrichtung und der rechte vordere Kotflügel, der ebenfalls erhebliche Rostschäden aufwies, beschädigt worden. Die Reparatur einschließlich Lackarbeiten kostet 1800,- DM. J will nur 1500,- DM zahlen. Er meint, das Fahrzeug sei nach der Reparatur wertvoller als vor dem Unfall. Kann T trotzdem 1800,-DM verlangen? Lösung Der Geschädigte soll zwar durch die Schadensersatzleistung nicht besser gestellt werden, als er ohne den Schadensfall gestanden hätte; aber ein kleinlicher Wertvergleich findet nicht statt. Das hat bereits der vorige Fall gezeigt. Geringe Abweichungen zu Gunsten des Gläubigers liegen im Rahmen der „Herstellung eines gleichwertigen wirtschaftlichen Zustandes". Dennoch sind in manchen Fällen Abzüge von den Reparaturkosten aus dem Gesichtspunkt „Neu für Alt" erlaubt. Das gilt unstreitig, wenn die Wiederbeschaffung einer gleichwertigen gebrauchten Sache nicht möglich ist. Läßt sich der Schaden nur durch Beschaffung einer neuen Sache beseitigen, so ist von den Wiederbeschaffungskosten die Differenz zwischen dem Neuwert und dem Zeitwert der vernichteten Sache abzuziehen. Schwierigkeiten setzen ein, wenn es - wie in unserem Falle - nicht um den Ersatz der gesamten Sache, sondern um Reparaturen und dadurch bedingte Werterhöhungen geht. Hier ist ein Abzug „Neu für Alt" nur gestattet, sofern durch den Einbau von Neuteilen der Wert der Gesamtsache erhöht worden ist. Das ist nicht anzunehmen, wenn die ersetzten Teile ohne den Schadensfall die Lebensdauer der Gesamtsache voraussichtlich erreicht hätten. Für die Lösung unseres Falles kommt es also entscheidend darauf an, ob T die Stoßstange, die Beleuchtungseinrichtung und den Kotflügel auch ohne den Unfall vorzeitig, insbesondere aus Gründen der Verkehrssicherheit hätte erneuern müssen. Das ist eine Tatfrage, die Sie mangels näherer Anhaltspunkte nicht beantworten können.

4

Fall Nr. 3a: Auf dem Betriebsgelände des K ist durch Funkenflug vom Nachbargrundstück des S eine Lagerhalle abgebrannt. Ihr Buchwert betrug 1000,- DM. Ein Sachverständiger hat ihren Verkehrswert (vor dem Brand) auf 20 0 0 0 - DM geschätzt. Der Neubau kostet 50 0 0 0 , - DM; obwohl er nicht größer ist als die alte Halle und billiger nicht zu erstellen war. S will nur die 20 0 0 0 , - D M erstatten. Hat er Recht?

Fall Nr. 4: Bewertung der eigenen Ersatzleistung Wie Nr. 3. Die Reparaturkosten an dem neuwertigen LKW betragen nach dem Gutachten eines zuverlässigen Sachverständigen 2500,- DM. T führt die Reparatur selbst für 2 0 0 0 , - D M aus. Kann er trotzdem von J 2 5 0 0 , - D M verlangen?

Lösung Hier taucht wieder die Frage auf, ob der Geschädigte durch die Ersatzleistung etwas „verdienen" darf. Man muß dabei unterscheiden: 1. Der Geschädigte kann den zur Reparatur erforderlichen Betrag verlangen, ohne die Reparatur ausführen zu lassen. Dabei verdient er nichts; denn er nimmt auf der anderen Seite die Beschädigung der Sache in Kauf. Der Geschädigte ist nicht gezwungen, den Schaden zu beseitigen. 2. Wenn der Geschädigte die Reparatur selbst ausführt, darf er natürlich seine Eigenleistung in Rechnung setzen. Auch hier „verdient" er nichts. Er läßt sich lediglich die eigene Arbeit bezahlen. Zu der eigenen Arbeitsleistung kann er sogar Zuschläge für die Gemeinkosten der eigenen Werkstatt machen. 3. Wird die Reparatur durch einen Dritten besorgt, der billiger arbeitet, als der Sachverständige in seinem Kostenvoranschlag angenommen hat, so kann der Geschädigte nur die wirklichen, nicht die mutmaßlichen Kosten ersetzt verlangen; denn nur sie sind erforderlich i. S. d. § 249 S. 2 BGB. In unserem Falle hat T Eigenleistungen erbracht, die bei Leistung durch einen Dritten als Reparaturkosten zu bezahlen waren. Mithin kann auch T sie ersetzt verlangen.

Fall Nr. 4a: Bei einem Einbruch in eine Elektrohandlung hat der Dieb D die elektrische Warnanlage zerstört. Der Inhaber I läßt die Anlage von seinem Angestellten A reparieren und berechnet dem D das Material sowie die Arbeitsstunden des A mit insgesamt 5 0 0 , - DM. Hätte I den Spezialisten S beauftragt, wäre die Reparatur 150,- DM billiger gewesen. Muß D trotzdem die 5 0 0 , - D M zahlen?

Fall Nr. 5: Unmittelbarer und mittelbarer Schaden Wie Nr. 4. Während der Reparaturzeit von 4 Tagen hat T einen Mietwagen benutzt, für den er 8 0 0 , - D M zahlen muß. J will die 8 0 0 , - DM nicht ersetzen. Zur Begründung führt er aus, in dieser Zeit habe T seinen eigenen Wagen schonen können.

5 Lösung Bisher haben wir den Ersatz von Kosten besprochen, die zur Beseitigung des Schadens an der Sache selbst erforderlich waren. Bei den 800,- DM handelt es sich demgegenüber um Aufwendungen, die nicht auf die beschädigte Sache gemacht worden sind. Die Juristen unterscheiden demgemäß zwischen dem unmittelbaren und dem mittelbaren Schaden. Der unmittelbare Schaden ist der Schaden am Objekt oder Subjekt. Darunter fallen bei Beschädigungen die Reparaturkosten, bei Zerstörung oder Verlust die Wiederbeschaffungskosten, bei Verletzung einer Person die Heil- und Pflegekosten. Mittelbare Schäden sind die durch den Schadensfall ausgelösten sonstigen Vermögenseinbußen, z. B. Erwerbs- und Nutzungsausfall. Hierher gehören auch die Kosten für gemietete Ersatzfahrzeuge. Nach dem BGB sind der unmittelbare und der mittelbare Schaden zu ersetzen. Dennoch ist die Unterscheidung nicht von theoretischer Bedeutung; denn in sehr vielen allgemeinen Geschäftsbedingungen ist von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Haftung für mittelbare Schäden auszuschließen. Da hier von einem Haftungsausschluß nicht die Rede ist, muß J dem Grunde nach auch den mittelbaren Schaden ersetzen. Eine andere Frage ist es, in welcher Höhe Schadensersatz zu leisten ist. T hat durch die Benutzung des Mietwagens seinen eigenen LKW nicht einzusetzen brauchen. Das war ein Vorteil; aber nicht alle Vorteile, die ein Schadensfall mit sich bringen kann, sind anrechnungsfähig. Im Wege der Vorteilsausgleichung oder Vorteilsanrechnung sind nur solche Vorteile zu berücksichtigen, die a) durch das schädigende Ereignis adaequat verursacht worden sind. Zum Begriff der adaequaten Verursachung vgl. Fall Nr. 38 in Bd. I (bitte nachlesen). b) Die Anrechnung muß dem Geschädigten zumutbar sein. Das ist sie, wenn sie dem Zweck des Schadensersatzes entspricht. c) Schließlich darf sie den Schädiger nicht unbillig entlasten. Muß der Gläubiger wegen der Beschädigung seines Kraftfahrzeugs einen Mietwagen fahren, während er sonst das eigene Fahrzeug benutzt, also auch abgenutzt hätte, so erlangt er dadurch einen adaequat verursachten Vorteil (der Vorteil liegt nicht so weit außerhalb der Lebenserfahrung, daß mit ihm nicht gerechnet zu werden brauchte). Die Anrechnung ist dem Gläubiger auch zumutbar, weil ein mittelbarer Schaden (Nutzungsausfall) dadurch gemindert wird, und er ohnehin verpflichtet ist, den Eintritt eines weiteren Schadens nach Kräften zu hindern (Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 S. 1 BGB. Bitte nachlesen!). Eine unbillige Entlastung des Schuldners ist ebenfalls nicht zu erkennen. Dabei sei jedoch bemerkt, daß die Frage der Billigkeit eine reine Wertungsfrage ist und Werturteile leicht subjektiven Maßstäben unterliegen. Wie hoch die ersparten Eigenkosten bei Benutzung eines Mietwagens zu veranschlagen sind, ob sie überhaupt berücksichtigt werden können, wenn der Geschädigte den Mietwagen nur wenige Tage benutzt hat, ob zwischen PKW und LKW (Baustellenfahrzeugen!) Unterschiede zu machen sind - das alles ist recht streitig. Feste Werte lassen sich nicht nennen. Deshalb kommt es auch für die Entscheidung des vorliegenden Falles auf alle Einzelheiten an. Bei einem LKW kann eine Benutzungszeit von 4 Tagen nur dann ins Gewicht fallen, wenn das Fahrzeug stark beansprucht wird. Deswegen neige ich dazu, hier keine Ersparnis anzurechnen. Beispiele aus der Rechtsprechung: BGH 8, 329; 10; 108; 30, 33; 49, 62; BAG NJW 1968,222.

6 Fall Nr. 5a: G hat auf der Autobahn eine Panne an der Hinterachse seines LKW's. Die Abschleppanweisung des Herstellers empfiehlt für solche Fälle, immer die Steckachsen auszubauen, da sonst beim Abschleppen das Getriebe zerstört werden könne. H wird von G beauftragt, den Wagen abzuschleppen. Beiden kommt nicht der Gedanke, die Abschleppanweisungen des Herstellers zu lesen. Durch das unsachgemäße Abschleppen entsteht am LKW ein weiterer Schaden von 5000,DM. Die umfangreichere Reparatur bedingt außerdem einen zusätzlichen Betriebsausfall von 3 Tagen, wodurch weitere 1500,- DM Schaden entstehen. Auf der anderen Seite erhält G für den Schaden durch Betriebsausfall aus einer eigens hierfür abgeschlossenen Versicherung einen Betrag von 1000,— DM. Von H verlangt er die vollen 5000,- DM und 1500,- DM erstattet. Mit Recht? Zum Problem „unmittelbarer und mittelbarer Schaden" vgl. BGH 54, 50; 61, 203; MDR 1971,121; 1972, 504. Zum Problem der Vorteilsausgleichung finden Sie einen hervorragenden Literaturund Rechtsprechungsüberblick bei Erman-Sirp, § 249, Rdn. 108-125.

Fall Nr. 6: Entgangener Gewinn Wie Nr. 5. T mußte während der Reparaturzeit 5 schon vereinbarte Fahrten ausfallen lassen. Er hat dadurch einen Verdienst von 750,- DM verloren. Muß J auch diesen Betrag ersetzen? Lösung Nach § 252 BGB ist auch der entgangene Gewinn zu ersetzen. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (§ 252 S. 2 BGB). Der entgangene Gewinn ist immer ein mittelbarer Schaden. Also Vorsicht beim Einverständnis mit allgemeinen Geschäftsbedingungen! Da T die 5 Fahrten bereits vereinbart hatte, war nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit dem Erwerb der 750,- DM zu rechnen. J muß sie also ersetzen.

Fall Nr. 6a: E ist Eigentümer eines 10 000 qm großen Grundstücks am Rande der Stadt X. Er steht in aussichtsreichen Verhandlungen mit der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft Y mbH, die ihm pro qm 60,- DM zahlen will. In dieser Situation beschließt die Stadt X in Abänderung des bisherigen Bebauungsplanes, daß auf dem fraglichen Grundstück, das jetzt in den Grüngürtel fallen soll, keinerlei Bauwerke errichtet werden dürfen. E verlangt von der Stadt X eine Entschädigung von 300 000,- DM. Muß die Stadt zahlen? Sie sollten sich an dieser Stelle kurz mit dem Problem der Enteignung befassen. Vgl. BGH 11,156; 14, 363 zur Frage des entgangenen Gewinns bei Enteignung. Zur Enteignung selbst vgl. die Kommentare (z. B. Pal.-Bassenge, § 903, Anm. 5). Dort finden Sie weitere Hinweise.

7 Fall Nr. 7: Mitwirkendes Verschulden Kaufmann K hat im Abenddunkel seinen PKW auf einem unbewachten Parkplatz mit angelehnter Tür stehen lassen. Der angetrunkene A benutzt das Fahrzeug zu einer „Spritztour", wobei es durch Unfall beschädigt wird. Die Reparaturkosten belaufen sich auf 2000,- DM. A will nur 1500,- DM ersetzen. Er meint, K habe den Wagen abschließen sollen. Durch die Nachlässigkeit des K sei er verführt worden. Kann A 500,- DM abziehen?

Lösung Wir gehen davon aus, daß A zum Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 u. 2 BGB verpflichtet ist. Die Frage, ob A wegen der Nachlässigkeit des K von den Reparaturkosten einen Teil abziehen darf, soll näher untersucht werden. Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt, so hängen die Verpflichtung zum Ersatz und der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insb. davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teile verursacht worden ist (§ 254 Abs. 1 BGB). Diese Regelung ist bekannt unter dem Ausdruck mitwirkendes Verschulden. Der Geschädigte muß Kürzungen seines Schadensersatzanspruches oder sogar den Verlust des gesamten Anspruchs hinnehmen, wenn er in eigenen Angelegenheiten die gebotene Sorgfalt außer acht läßt und so mithilft, den Schaden herbeizuführen (BGH 52,168).

Der Grundsatz gilt für Schadensersatzansprüche aller Art, also für alle Lebensbereiche, z. B. den Rechts- und Geschäftsverkehr (mangelnde Überwachung des eigenen Kontos, Umherliegenlassen von Scheckformularen, ungenügende Kontrollen der Arbeitnehmer, schlechte Verpackung des Versandgutes), im Straßenverkehr (Unvorsichtigkeit des Fußgängers beim Überqueren der Fahrbahn, Überlassen des Fahrzeugs an einen Angetrunkenen), bei unvorsichtigem Umgang mit Maschinen, Betreten von Baustellen, usw.

Zwei Voraussetzungen sind sorgfältig zu untersuchen: 1. Liegt ein Mitverschulden vor? Es genügt jede Schuldform, also leichte Fahrlässigkeit bis Vorsatz. (Wenn Ihnen die Begriffe „leichte Fahrlässigkeit", „grobe Fahrlässigkeit" und „Vorsatz" nicht geläufig sind, lesen Sie nochmals die Lösung des Falles Nr. 38 in Bd. I nach.) Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerer Weise außer acht läßt (Schlagwort: Das ist ja ein starkes Stück!). So kann man das Verhalten des K, der seinen PKW im Abenddunkel auf unbewachtem Parkplatz mit angelehnter Tür stehengelassen hat, wohl kennzeichnen. Ein Mitverschulden des K liegt also vor. 2. Das Verschulden muß den Schaden in adaequater Weise (was bedeutet das?) mitverursacht haben. Die Möglichkeit eines KFZ-Diebstahls oder -Mißbrauchs liegt, wenn das KFZ in der beschriebenen Weise zurückgelassen wird, nicht so entfernt, daß diese Folgen nach der Lebenserfahrung vernünftigerweise nicht in Betracht zu ziehen sind. Daher hat K den KFZ-Mißbrauch und den nachfolgenden Unfall mitverursacht. Es bleibt zu prüfen, wie hoch die Quote zu veranschlagen ist, die sich K abziehen lassen muß. Nach dem Gesetzeswortlaut kommt es in erster Linie auf die „vorwie-

8 gende Verursachung" an, also auf den höheren Wirkungsgrad der objektiven Ursachen. Die subjektive Seite, das Verschulden, spielt erst in zweiter Linie eine Rolle. Vergleicht man die von K und A gesetzten Ursachen, das Stehenlassen des offenen unbewachten Fahrzeugs, mit einer Spritztour im fremden Auto bei Dunkelheit durch einen Angetrunkenen, so wird man der Verursachung, die dem A zuzuschreiben ist, das größere Gewicht beimessen. Auf der anderen Seite ist die Verführungssituation, die K geschaffen hat, auch nicht gering zu achten. Das Verschulden der beiden ist etwa entsprechend zu bewerten: Nach allem erscheint ein Abzug von 25%, wie ihn P vornimmt, berechtigt. K kann also nur 1500,- DM verlangen. Zur Anrechnung der von einem KFZ ausgehenden Betriebsgefahr vgl. § 7 StVG; BGH 20, 262; 26, 75.

Fall Nr. 7a: A hat auf dem Wege von der Arbeit nach Hause unverschuldet einen Unfall mit Schädelverletzungen erlitten. Obwohl B, der ihn angefahren hat, dringend rät, ein Krankenhaus aufzusuchen, konsultiert A zunächst keinen Arzt. Drei Tage später machen sich erhebliche Sehstörungen bemerkbar. Die Röntgenaufnahme ergibt einen Schädelbruch mit Beeinträchtigung des Gehirns. Darauf ist auch die Sehstörung zurückzuführen. Es steht jedoch fest, daß diese Störung nicht aufgetreten wäre, wenn A sofort stationär behandelt worden wäre. Mit Rücksicht auf die Sehstörung, die bleibender Natur ist, verlangt A 30 000,- DM Schmerzensgeld. Hat B Recht, wenn er einwendet, für die Sehstörung könne er überhaupt nicht verantwortlich gemacht werden? Allenfalls könne A wegen seiner „Sturheit" die Hälfte verlangen. Erinnern Sie sich an das Problem der adaequaten Verursachung?

Teil 2: Ort und Gegenstand der Leistung

Fall Nr. 8: Leistungsort, Erfüllungsort Der Landwirt L hat bei seiner Ein- und Verkaufsgenossenschaft mbH 10 dztr. Saatkartoffeln Marke „Grata" gekauft. Die Kartoffeln sollen „frei Hofstelle" geliefert werden. Der Lkw-Fahrer der Genossenschaft erleidet unterwegs einen Unfall, ohne daß ihn ein Verschulden trifft. Bei dem Unfall wird die gesamte Ladung vernichtet. Die Genossenschaft hat keine Saatkartoffeln der Marke „Grata" mehr auf Lager. Muß L die Kartoffeln, die er gar nicht erhalten hat, bezahlen oder kann er Nachlieferung verlangen? Lösung Dieser Fall enthält viel Grundsätzliches. Sie sollten die Lösung deshalb besonders gewissenhaft verfolgen und mehrmals kritisch wiederholen. Die Genossenschaft kann den Kaufpreis möglicherweise gem. § 433 Abs. 2 B G B fordern. Das Bestehen eines Kaufvertrages ist nicht zweifelhaft, bedarf daher keiner Prüfung. Problematisch ist hingegen, ob der Anspruch auf den Kaufpreis trotz Verlustes der Ladung noch besteht. Das ist zu bejahen, wenn die Genossenschaft ihre vertraglichen Pflichten erfüllt hat. Nach § 433 Abs. 1 S. 1 B G B hat der Verkäufer dem Käufer die verkaufte Sache zu übergeben und ihm das Eigentum daran zu verschaffen. Die Übergabe stellt einen körperlichen Vorgang dar, an dem Verkäufer und Käufer mitwirken müssen. Der Verkäufer kann naturgemäß nur die Handlungen vornehmen, die seinerseits zur Übergabe, also zur Entäußerung des Besitzes notwendig sind. Die zur Entgegennahme der Sache erforderlichen Handlungen obliegen dem Käufer (vgl. auch § 433 Abs. 2 BGB). Deswegen ist hier zu prüfen, ob die Genossenschaft alles ihr Obliegende zur Besitzübertragung getan hat. Zweifel daran könnten bestehen, weil sich die Genossenschaft verpflichtet hatte, die Kartoffeln frei Hofstelle zu liefern, und L noch nicht in der Lage war, die Ware anzunehmen. Auf der anderen Seite hatte die Genossenschaft die Kartoffeln bereits abgeschickt, also wesentliche Schritte zur Erfüllung ihrer Pflicht getan. Ob sie ausreichen, hängt davon ab, wo die Genossenschaft ihre Pflichten zu erfüllen hatte. Es stellt sich die Frage nach dem Leistungsort. Das ist der Ort, an dem der Schuldner die Leistungshandlungen vorzunehmen hat. Davon zu unterscheiden ist der Leistungserfolg, der an einem anderen Ort eintreten kann. Vergleichen Sie die rechtliche Situation mit einem Elfmeterstoß: Die Leistungshandlung nimmt der Schütze am Elfmeterpunkt vor. Der Leistungserfolg tritt ein (oder bleibt aus) jenseits der Torlinie! Der Leistungsort wird häufig auch Erfüllungsort genannt; das ist aber keine glückliche Ausdrucksweise. Der Schuldner kann nämlich die Leistungshandlungen, die er schuldet, am Leistungsort vorgenommen haben, und dennoch bleibt der Leistungserfolg, die echte Erfüllung aus. (Der Ball verfehlt das Tor.) Der Ort, an dem die Leistungshandlung vorzunehmen ist, braucht sich nicht mit dem des Leistungserfolges zu decken. Das Gesetz nennt in § 269 Abs. 1 B G B als Leistungsort den Wohnsitz des Schuldners, den er zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses hatte. Das ist der gesetzliche Leistungsort; aber die Parteien können durch freie Vereinbarungen, sei es ausdrücklich, sei es stillschweigend, einen anderen Leistungsort bestim-

10 men. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen, Einkaufs-, Verkaufs- oder Lieferungsbedingungen der regelmäßig am Wirtschaftsleben teilnehmenden natürlichen oder juristischen Personen trachten danach, den jeweils für sie günstigen Ort als Leistungsort festzulegen, nennen ihn jedoch leider häufig Erfüllungsort! Hier sollte die Lieferung „frei Hofstelle" erfolgen. Wir prüfen, ob darin eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung über den Leistungsort liegt. Man unterscheidetzwischen Bringschuld, Schickschuld und Holschuld. Eine Bringschuld verpflichtet den Schuldner zur Leistung am Wohnsitz des Gläubigers. Bei der Bringschuld fallen also der Ort der Leistungshandlung und der des Leistungserfolges zusammen. Bei der Holschuld ist der Schuldner lediglich gehalten, den Leistungsgegenstand an seinem Wohnsitz bereitzustellen. Dort muß ihn der Gläubiger abholen. Wie bei der Bringschuld fallen auch hier Ort der Leistungshandlung und Ort des Leistungserfolges zusammen. Anders ist es bei der Schickschuld: Leistungsort (Ort der Leistungshandlung) bleibt zwar der Wohnsitz des Schuldners; der Schuldner muß die Sache aber an den sogenannten Ablieferungs- oder Bestimmungsort abschicken. Eine besonders wichtige Form der Schickschuld ist der Versendungskauf (§ 447 BGB). Versendet der Verkäufer auf Verlangen des Käufers die verkaufte Sache nach einem anderen Orte als dem Erfüllungsort, so geht die Gefahr auf den Käufer über, sobald der Verkäufer die Sache dem Spediteur, dem Frachtführer oder der sonst zur Ausführung der Sendung bestimmten Person oder Anstalt ausgeliefert hat. Der Verkäufer braucht also nur am Erfüllungsort (Leistungsort) diejenigen Handlungen vorzunehmen, die es ermöglichen, daß der Erfolg am Ablieferungs(Bestimmungsort) eintritt. Ob der Erfolg wirklich eintritt, hängt oft von Umständen ab, auf die der Verkäufer keinen Einfluß hat; z.B. ein Verkehrsunfall, den ein Dritter verschuldet, vernichtet die Ladung. Dann taucht die Frage auf, wer die Nachteile aus dem Verlust, der Zerstörung oder der Beschädigung des Transportgutes zu tragen hat. Das Problem lautet: Muß der Verkäufer nochmals leisten, bevor er das vereinbarte Entgelt verlangen kann, oder muß der Käufer zahlen, ohne die Kaufsache zu erhalten. Die Antwort hängt davon ab, wer die Gefahr des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung des Leistungsgegenstandes trägt. Gefahrtragung bedeutet Übernahme des Risikos für den Zufall. Geht die Ware unter oder wird sie verschlechtert, weil der Verkäufer schuldhaft Vertragspflichten verletzt hat (z. B. mangelhafte Verpackung der Ware, Beauftragung eines ungeeigneten Frachtführers), oder weil der Käufer die Ware nicht rechtzeitig abnimmt, so kann von Gefahrtragung keine Rede mehr sein. Unter Zufall versteht man ein Ereignis, das weder der Gläubiger noch der Schuldner verursacht haben, also in erster Linie Naturereignisse, aber auch Verhaltensweisen eines Dritten, für den die Vertragsparteien nicht haften. Beim Versendungskauf (§ 447 BGB) trägt der Käufer die Gefahr. Wird die Ware nach Auslieferung an eine der in § 447 BGB genannten Personen oder Anstalten durch Zufall zerstört, beschädigt oder geht sie zufällig unter, dann muß der Käufer bezahlen, ohne die Gegenleistung-die Kaufsache-zu bekommen. Deswegen ist es wichtig zu wissen, durch welche Klauseln ein Versendungskauf vereinbart wird. Klauseln, denen zufolge der Verkäufer Transportkosten übernimmt, entsprechen den §§ 269 Abs. 3, 447 BGB, also Gefahrtragung durch den Käufer. Die meisten Klauseln enthalten ohnehin primär Vereinbarungen darüber, wer die Kosten des Be- und Entladens, des Transportes oder der Versicherung, die Steuern und Zölle zu tragen hat. So bedeuten auch die Klauseln „frei Haus", „frei Bahn", „frei Waggon" und in unserem Falle „frei Hofstelle" in erster Linie, daß der

11 Verkäufer die Kosten des Aufladens, des Transportes und des Aushändigens an der genannten Stelle übernimmt. Wer die Gefahr trägt, ergibt sich bei diesen Klauseln mittelbar aus §§ 269 Abs. 3, 447 BGB. Danach wäre in unserem Falle die Gefahr für den (zufälligen) Untergang der Kartoffeln mit der Auslieferung an einen Frachtführer auf L übergegangen; aber die Genossenschaft hat durch einen ihrer Lkw's den Transport besorgen lassen. Das macht keinen Unterschied! Auch bei Beförderung durch den Verkäufer oder einen seiner Arbeitnehmer geht die Gefahr auf den Käufer über, sobald der Verkäufer mit dem Verladen der Kaufsache begonnen hat. Die Kaufsache, nämlich Pflanzkartoffeln Marke „Grata", stellt rechtlich eine Gattungsschuld dar. Unter Gattung ist im juristischen Sprachgebrauch eine Sachgruppe mit gemeinschaftlichen und sich dadurch von Sachen anderer Art abhebenden Merkmalen zu verstehen, z. B. Naturprodukte (Eier oder Obst einer bestimmten Handelsklasse), typisierte Industrieprodukte (Kraftfahrzeuge, Maschinen, konfektionierte Kleidung), insbesondere Ersatzteile zu typisierten Erzeugnissen, Halbfertigfabrikate, Rohmaterial. In aller Regel ist eine Gattungssache zugleich eine vertretbare Sache (wiederholen Sie Fall Nr. 10 in Bd. I); die Begriffe sind jedoch nicht identisch. So ist z. B. ein Grundstück immer unvertretbare Sache; der Kauf eines Grundstücks kann jedoch eine Gattungsschuld zum Inhalt haben, etwa ein Wochenendgrundstück von 500 bis 600 qm Größe an der Costa Brava. Für Gattungsschulden sieht das Gesetz einige Sonderregelungen vor. Zunächst bestimmt § 243 Abs. 1 BGB: Wer eine nur der Gattung nach bestimmte Sache schuldet, hat eine Sache von mittlerer Art und Güte zu leisten. Der Schuldner braucht also nicht auf Verlangen des Käufers unter den Eiern der Handelsklasse A die größten auszusuchen; er darf aber auch nicht die kleinsten dieser Klasse liefern. Weitere Sonderregelungen enthalten u. a. die §§ 279, 480 BGB. Gemeinschaftlich ist den Vorschriften folgender Grundgedanke: Die unbeschränkte Leistungspflicht soll erhalten bleiben, solange eine vertragsgemäße Lieferung aus der Gattung möglich ist. Darin liegt für den Schuldner ein Nachteil. Wenn er die Gattungssache nicht mehr vorrätig hat, muß er sie notfalls von dritter Seite beschaffen. Das kann mit erheblichen Kosten verbunden sein und zum Wegfall des Gewinns führen, den sich der Schuldner aus dem Vertrag erhofft hatte. Diese Nachteile kann der Schuldner vermeiden durch Konkretisierung (oder Konzentration) der Gattungsschuld zu einer Stückschuld. Die Stückschuld, auch Speziesschuld genannt, stellt das Gegenteil der Gattungsschuld dar. Sie ist eher mit der unvertretbaren Sache zu vergleichen. Von einer Stückschuld oder Speziesschuld spricht man, wenn sich die Leistungspflicht auf einen ganz bestimmten Gegenstand bezieht, z. B. Verkauf eines bestimmten Kunstwerkes, einer nach individuellen Plänen gefertigten Maschine, eines Maßanzuges, eines gebrauchten Fahrzeuges. Maßgeblich sind also nicht die Merkmale der Gattung, sondern die der individuellen, der einzelnen, bestimmten (konkreten) Sache. Bei einer Stückschuld beschränkt sich die Leistungspflicht von vornherein nur auf diese Sache, während der Verkäufer bei der Gattungssache aus der Gattung Sachen mittlerer Art und Güte liefern muß. Jede Gattungsschuld läßt sich aber durch Konkretisierung in eine Stückschuld verwandeln - genauer gesagt: Sie wird nach Konkretisierung wie eine Stückschuld behandelt. So bestimmt § 243 Abs. 2 BGB: Hat der Schuldner das zur Leistung einer Gattungssache seinerseits Erforderliche getan, so beschränkt sich das Schuldverhältnis auf diese Sache. Nach der Konkretisierung gilt § 279 BGB also nicht mehr.

12 Es bleibt die Frage, wodurch der Schuldner konkretisieren oder konzentrieren kann. Die Faustregel lautet: Der Schuldner muß soviel tun, daß der Gläubiger nur noch zuzugreifen braucht, um den für ihn bestimmten Gegenstand in Empfang zu nehmen. Bei der Holschuld muß er die für den Gläubiger durch Beschriftung oder Lagerung gekennzeichnete Sache abholbereit halten; bei der Bringschuld muß er die Sache am Wohnsitz, d. h. an der Wohnung oder Niederlassung des Gläubigers anbieten. Bei der Schickschuld (Versendungskauf) besteht eine Ausnahme. Hier genügt die Auslieferung an den Transporteur oder, beim Transport durch den Schuldner, der Versendungsbeginn, also der Beginn des Verladens am Leistungsort, nicht das bloße Aussortieren! Die für den Versendungskauf geltende Ausnahme ist notwendig; denn sonst würde bei der Gattungsschuld - und sie bildet im Wirtschaftsleben die große Zahl - die Gefahrtragung auf dem Umwege über § 279 BGB doch auf den Verkäufer verlagert. Daraus ergibt sich im Umkehrschluß, daß die Gefahr, sofern der Versendungskauf eine Gattungsschuld zum Inhalt hat, erst auf den Käufer übergeht, wenn die Gattungsschuld konkretisiert ist. Das ist eine sehr wichtige Folge! Jetzt können wir unseren Fall endgültig lösen: Mit der Versendung war die Gattungsschuld - 10 dztr. Saatkartoffeln Marke „Grata" - konkretisiert, also die Gefahr (zufälliger Untergang der Sendung) auf den Käufer L übergegangen. Da die Genossenschaft den Unfall nicht zu vertreten hat, trägt der Käufer das Risiko allein. L muß daher die Ware bezahlen, ohne sie erhalten zu haben und ohne Nachlieferung verlangen zu können. Merke: Gefahrtragung heißt Belastung mit dem Risiko des Zufalls! Wiederholen Sie mehrfach die Lösung dieses Falles! Im übrigen sei an dieser Stelle auf die sogenannten Incoterms 1953 verwiesen. Dabei handelt es sich um „Internationale Regeln für die Auslegung handelsüblicher Vertragsformen" (International Commercial Terms). Ihre Lektüre veranschaulicht die Vielfalt der Vereinbarungen, die sich hinter einer kurzen Klausel verbirgt. (Abgedruckt im Anhang.)

Fall Nr. 8a: U hat den Auftrag, für die Stadt X einen 5 km langen Tunnel im Rahmen des UBahn-Projektes aufzufahren. Für diesen Zweck mietet er von der Firma F eine Streckenvortriebsmaschine, „Maulwurf" genannt. Die Firma F hat es übernommen, die Maschine bis zum Einsatzort zu transportieren, weil sie entsprechende Spezialfahrzeuge hat. Der Transport selbst erfolgt unentgeltlich im Rahmen des Kundendienstes. Unterwegs ereignet sich ohne Verschulden der F ein Unfall, bei dem der „Maulwurf" beschädigt wird. Er kommt dadurch 6 Tage später zum Einsatz. Kann F für die 6 Tage Mietzins verlangen?

Fall Nr. 9: Geldschuld, Beförderungsgefahr, Zeitgefahr Herr M aus Münster hat im Ladengeschäft des Kaufmanns K in Köln ein Schlafzimmer für 2000,- DM gekauft. Der Kaufpreis ist zahlbar 10 Tage nach Anlieferung mit 3% Skonto oder netto innerhalb vier Wochen nach Anlieferung. Das Zimmer wird am 4. 4. 1972 ordnungsgemäß geliefert. M gibt seiner Bank am 15. 4. 1972 den

13 Auftrag, an K 1940,- DM zu überweisen. Der Betrag wird dem K am 20. 4. 1972 gutgeschrieben. Kann K den Skontobetrag nachfordern?

Lösung Nach § 433 Abs. 2 BGB schuldet M den vereinbarten Kaufpreis. Demgemäß darf er 3% Skonto nur bei Zahlung innerhalb von 2 Wochen nach Lieferung abziehen. Es kommt mithin darauf an, ob der Zeitpunkt der Auftragserteilung an die eigene Bank oder der Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto des K entscheidend ist. Geldschulden sind im Zweifel Schickschulden (was bedeutet „im Zweifel"? Bitte Fall Nr. 16 in Bd. I nachlesen). § 270 Abs. 1 BGB macht dem Schuldner zur Pflicht, Geld auf seine Gefahr und seine Kosten an den Wohnsitz des Gläubigers zu übermitteln. Ist die Forderung im Gewerbebetrieb des Gläubigers entstanden, so tritt der Ort der Niederlassung an die Stelle des Wohnsitzes, wenn beide Orte verschieden sind (§ 270 Abs. 2 BGB). Dieselbe Regelung enthält bereits § 269 Abs. 2 BGB für den Leistungsort schlechthin. Da die Kaufpreisschuld im Gewerbebetrieb des Gläubigers in Köln entstanden ist, muß M das Geld auf seine Kosten und Gefahr nach Köln übermitteln. Das bedeutet: Leistungsort für die Kaufpreisschuld bleibt zwar der Wohnsitz des Schuldners, also Münster; aber er trägt die Beförderungsgefahr = Risiko des zufälligen Verlustes des Geldes auf dem Wege nach Köln (vgl. § 270 Abs. 4 BGB. Die Vorschriften über den Leistungsort bleiben unberührt!) M hätte daher nochmals zahlen müssen, wenn die Überweisung zufällig nicht durchgekommen wäre. Hier ist sie lediglich zu einem Zeitpunkt gutgeschrieben worden, der jenseits der Zweiwochenfrist für die Skontierung liegt. Das fällt nicht unter den Begriff der Gefahrtragung im Sinne des § 270 BGB. Verspätungen sind vielmehr dem Begriff der Zeitgefahr zuzuordnen. Falls das Geld überhaupt und vollwertig ankommt, hat der Schuldner rechtzeitig geleistet, wenn er das Geld rechtzeitig abgesandt hat. Für die Rechtzeitigkeit kommt es also auch nicht darauf an, wann der Leistungserfolg eintritt, sondern wann die Leistungshandlung vorgenommen wird. Erfüllt ist die Geldschuld allerdings erst mit vorbehaltloser Gutschrift auf dem Konto des Empfängers. Da die rechtzeitige Erfüllungshandlung genügt, sofern der Erfüllungserfolg später überhaupt eintritt, ist für die Lösung des Falles auf den Zeitpunkt der Auftragserteilung an die Bank des M abzustellen. Deswegen hat M rechtzeitig gehandelt, und K muß sich den Abzug gefallen lassen.

Fall Nr. 9a: U hat noch die alte Angewohnheit, seine Arbeitnehmer bar zu bezahlen. Jeweils am Monatsletzten läßt er sich von dem Boten der X-Bank die benötigten Lohn- und Gehaltsgelder bringen. Am 30. 4. wird der Bote überfallen. Der Verlust beträgt 32 000,- DM. Kann die Bank den U mit diesem Betrag belasten? Vgl. z. B. Erman-Sirp, § 270, Rdn. 7 m. weit. Hinw.

Fall Nr. 10: Leistungserfolg G braucht dringend Bargeld. Er hat dem S einen Preisnachlaß von 20% auf eine Ware zugesagt, wenn er bis zum 30. 6. 1972 über das Geld verfügen kann. Die vorbehaltlose Gutschrift auf dem Konto des G erfolgt am 3. 7.1972. Hat S rechtzeitig gezahlt?

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Lösung Der Grundsatz, nach dem es auf den Zeitpunkt der Leistungshandlung des Zahlungspflichtigen, nicht auf den des Leistungserfolges ankommt, wird durchbrochen, wenn die Parteien ausdrücklich auf den Zeitpunkt der Erfüllung (Leistungserfolg) abgestellt haben oder wenn sich eine solche Vereinbarung aus den Umständen ergibt. Hier hat G, der in Geldverlegenheit ist, nur für den Fall einen außergewöhnlichen Preisnachlaß versprochen, daß er bis zum 30. 6. 1972 über das Geld verfügen kann, also eine vorbehaltlose Gutschrift auf seinem Konto steht. Da dieser Erfolg ausgeblieben i s t - a u f den Zeitpunkt der Leistungshandlung kommt es jetzt nicht an - kann S keinen 20%-igen Nachlaß verlangen.

Fall Nr. 10a: Dr. A behandelt in seiner Privatklinik den Kaufmann K 6 Wochen lang mit Frischzellen, um die Gedächtnisleistungen des K zu verbessern. Der Erfolg ist gleich Null. K will deswegen nichts für die Therapie bezahlen. Mit Recht? Achten Sie auf den Unterschied zwischen Dienst- und Werkvertrag. Wiederholen Fall Nr. 38 in Bd. I.

Fall Nr. 11: Teilleistung, Leistung durch Dritte S schuldet dem G 10 000,- DM. Bei Fälligkeit der 10 000,- DM bietet S dem G eine Teilzahlung von 3000,- DM an. G möchte den S zum Ruin treiben. Deswegen lehnt er die 3000,- DM ab, um einen Konkursantrag stellen zu können - wie er meint. Da meldet sich für S sein Schwiegervater D und bietet dem G die vollen 10 000,- DM an. Dieses Mal lehnt G die Annahme mit der Begründung ab, D sei nicht sein Schuldner. Durfte G die ihm angebotenen Zahlungen ablehnen?

Lösung 1. Zahlungsangebot des S: Nach § 266 BGB ist der Schuldner zu Teilleistungen nicht berechtigt. Unter einer Teilleistung versteht man jede objektiv unvollständige Leistung, gleichgültig, ob der Schuldner annimmt, er schulde nicht mehr oder ob er selbst das Geleistete nicht für die volle Leistung hält. Der Gläubiger darf jedoch eine Teilleistung nicht zurückweisen, wenn ihm die Annahme nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zuzumuten ist. Das ist bei Ratenzahlungen, auch wenn sie nicht vereinbart sind, regelmäßig der Fall, sofern es sich nicht um lächerliche Kleinbeträge handelt. Bei Geldleistungen spielt § 266 BGB daher eine untergeordnete Rolle. Sein Sinn ist es, eine Belästigung des Gläubigers zu vermeiden. G mußte die 3000,- DM annehmen. 2. Zahlung des D: Hat der Schuldner nicht in Person zu leisten, so kann auch ein Dritter die Leistung bewirken (§ 267 Abs. 1, S. 1 BGB). Bei einer Geldleistung ist es für den Gläubiger, vom objektiven Standpunkt aus betrachtet, gleichgültig, wer zahlt. Ein schutzwürdiges Interesse an der persönlichen Leistung des Schuldners besteht regelmäßig dann, wenn es auf bestimmte Fertigkeiten, charakterliche Eignung, also auf persönliche Merkmale des Schuldners ankommt. G durfte die Zahlung des D daher nicht zurückweisen. Nur bei einem Widerspruch des Schuldners S hätte G ein Zurückweisungsrecht gehabt (§ 267 Abs. 2 BGB).

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Fall Nr. 11a: Die Stadt X hat eine zu bauende Straße von 10 km Länge an die Tiefbaufirma Y vergeben. Y soll den Werklohn in drei Raten erhalten: Die 1. Rate nach Fertigstellung der Kanalisation, die 2. nach Einbringung der Schotterschichten, die 3. nach Abnahme der fertigen Straße. Um die Bauzeit einhalten zu können, schaltet Y den Subunternehmer Z ein. Fragen: Sind die drei Teilabschnitte (Kanalisation, Einbringung der Schotterschichten, endgültige Fertigstellung) Teilleistungen i. S. des § 266 BGB? Ist Z Dritter i. S. des § 267 BGB?

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Teil 3: Leistungsstörungen

Fall Nr. 12: Unmöglichkeit und Unvermögen Der Autohändler V hat dem Käufer K für 10 000,-DM einen Vorführwagen verkauft. In der Nacht vor dem Auslieferungstag wird der ordnungsgemäß verschlossene Wagen vom Ausstellungsfreigelände des V gestohlen. K verlangt auf Grund des Kaufvertrages Lieferung eines gleichwertigen Fahrzeuges oder 1000,- DM Schadensersatz, weil er diesen Mehrbetrag für den Kauf eines gleichwertigen Wagens bei einem anderen Händler ausgeben müßte. Sind die Forderungen des K berechtigt? Lösung Wir wollen uns jetzt mit dem Gebiet der sogenannten Leistungsstörungen befassen. Darunterfallen die Regelungen der „Unmöglichkeit", des „Verzugs", der „positiven Forderungsverletzung" und des „Verschuldens beim Vertragsschluß". Sie nehmen in der Ausbildung des Jurastudenten einen sehr breiten Raum ein, weil sie hervorragend geeignet sind, in die Zusammenhänge der Rechtsnormen einzuführen und das juristische Denken zu üben. In der Praxis des Juristen spielen sie ebenfalls eine herausgehobene Rolle; es ¡6t jedoch nicht zu übersehen, daß die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der wirtschaftlich bedeutenden Unternehmen die gesetzliche Regelung weitgehend zurückgedrängt haben. Trotzdem ist es unerläßlich, die gesetzliche Regelung im Überblick zu kennen, um Änderungen durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen entdecken und einschätzen zu können.

Nach § 433 Abs. 1 BGB schuldet der Verkäufer dem Käufer die Übergabe und die Übereignung der Kaufsache. Der Schuldner- hier der Verkäufer-wird jedoch von der Verpflichtung zur Leistung frei, soweit die Leistung infolge eines nach der Entstehung des Schuldverhältnisses eintretenden Umstandes, den er nicht zu vertreten hat, unmöglich wird (§ 275 Abs. 1 BGB). Es ist also zu prüfen, ob die Lieferung des Autos nach Abschluß des Kaufvertrages infolge eines Umstandes unmöglich geworden ist, den V nicht zu vertreten hat. Als erstes müssen wir uns mit dem Begriff der Unmöglichkeit im Rechtssinne befassen. Im Gesetz wird er nicht erläutert. Unmöglich im naturwissenschaftlichen Sinne ist eine Leistung, die aus physikalischen Gründen von niemandem erbracht werden kann (z. B. Herstellung oder Lieferung einer Maschine, die angeblich keinem Verschleiß unterliegt oder sich aus eigener Kraft antreibt). Darunter fällt aber auch die Lieferung einer Sache, die es überhaupt nicht gibt oder nicht mehr gibt (z. B. Lieferung eines zerstörten Kunstwerkes). Die Unmöglichkeit im naturwissenschaftlichen Sinne ist nur eine Art der Unmöglichkeit. Im Rechtssinne ist eine Leistung auch dann unmöglich, wenn ihr dauernde rechtliche Hindernisse entgegenstehen (z. B. Übereignung einer Sache, die demjenigen, der Eigentum erwerben soll, bereits gehört). In der Praxis spielen die Fälle der naturwissenschaftlichen Unmöglichkeit die weitaus größere Rolle. Nach dem Sachverhalt, der uns zur Beurteilung vorliegt, kann von einer Unmöglichkeit im naturwissenschaftlichen Sinne nicht ohne weiteres gesprochen werden. Der Wagen ist möglicherweise noch vorhanden. Er befindet sich vielleicht bei dem Dieb, vielleicht beim Hehler oder bei einem gutgläubigen Käufer. Wenn aber irgendein Dritter - mag er auch einstweilen unbekannt sein - die Leistung erbringen kann, ist sie nicht objektiv unmöglich. Ist ein Dritter in der Lage zu erfüllen, jedoch der Schuldner nicht, so

17 sprechen die Juristen vom Unvermögen. § 275 Abs. 2 BGB stellt das nachträgliche Unvermögen der nachträglichen Unmöglichkeit gleich. Sehen wir darauf unseren Fall an: Ein Dritter kann möglicherweise den verkauften Wagen liefern; aber der Verkäufer kann es nicht mehr. (Es wird auch die Ansicht vertreten, der Diebstahl einer Sache führe zur objektiven Unmöglichkeit der Leistung, vgl. Gudian NJW71, 1239; sog. prakt. Unmöglichkeit.) Also liegt ein Fall des nachträglichen Unvermögens (nicht der nachträglichen Unmöglichkeit) vor. Die Unmöglichkeit in dem bisher besprochenen Sinne wird auch objektive Unmöglichkeit genannt, das Unvermögen hingegen subjektive Unmöglichkeit. Da das Unvermögen erst eingetreten ist, nachdem der Kaufvertrag zustande gekommen war, müssen wir ein nachträgliches Unvermögen annehmen. V ist von der Leistung frei geworden, wenn er die subjektive Unmöglichkeit (das Unvermögen) nicht zu vertreten hat. Was der Schuldner vertreten muß, steht in § 276 Abs. 1 BGB, also Vorsatz und Fahrlässigkeit (über diese Begriffe vgl. Fall Nr. 38 in Bd. I). Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht läßt (§ 276 Abs. 1, S. 2 BGB). V hatte den Wagen auf dem Freigelände für Gebrauchtwagen ordnungsgemäß verschlossen abgestellt. Das wird im allgemeinen genügen, um die Sorgfaltspflicht zu erfüllen. Man könnte hier einen anderen Maßstab anlegen, weil der Wagen schon an K verkauft war, und V deswegen gut daran getan hätte, ihn in eine verschließbare Garage zu stellen. Ob eine so weitgehende Verpflichtung im Einzelfall anzunehmen ist, hängt weniger von den räumlichen Möglichkeiten des V ab (objektiver Fahrlässigkeitsbegriff - erforderliche Sorgfalt - ) als von den Gepflogenheiten und Vorfällen am jeweiligen Ort. Unterstellt man, daß V die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hatte, dann ist er von seiner Lieferpflicht frei geworden. Es bleibt zu prüfen, ob er 1000,- DM Schadensersatz zu leisten hat. Freiwerden von der Verpflichtung zur Leistung bedeutet nicht nur, daß der Schuldner die ursprünglich geschuldete Leistung nicht mehr zu erbringen braucht - das kann er ja gerade nicht - es besteht auch keine Pflicht, Schadensersatz zu leisten. Andernfalls wäre die gesetzliche Regelung lückenhaft und unbillig. V braucht folglich die 1000,- DM nicht zu zahlen.

Fall Nr. 12a: Wirtschaftsprüfer W soll für X, den er schon seit 10 Jahren betrieblich und steuerlich betreut, die Überleitung des einzelkaufmännischen Unternehmens in eine GmbH & Co. KG per 1. 4.1977 vorbereiten. Der Plan scheitert, weil a) W krank wird; b) er wegen des Verdachtes strafbarer Handlungen in Untersuchungshaft genommen wird. X muß daher mit der Umwandlung seines Unternehmens ein weiteres Jahr warten. Daraus entsteht ihm ein Steuernachteil von 20 000,- DM. Muß W diesen Betrag ersetzen?

Fall Nr. 13: Nicht zu vertretende Unmöglichkeit; gegenseitiger Vertrag Wie Nr. 12; aber V kehrt den Spieß um. Er verlangt, obwohl er nicht mehr liefern kann, den vereinbarten Kaufpreis von 10 000,-DM. Muß K zahlen?

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Lösung K schuldet nach § 433 Abs. 2 BGB den vereinbarten Kaufpreis. In § 275 BGB ist nur von dem Schuldner die Rede, dessen Leistung nachträglich unmöglich geworden ist. Von dem Schuldner der Gegenleistung wird nicht gesprochen. Nun spielen aber im Wirtschaftsleben die Verträge eine überragende Rolle, bei denen der eine Teil etwas verspricht, um die Gegenleistung zu erhalten. Z. B. der Verkäufer verspricht die Ware, um den Kaufpreis zu bekommen; der Handwerker verspricht die Reparatur, um den Werklohn zu bekommen; der Arbeitnehmer geht ein Arbeitsverhältnis ein, um den Lohn zu bekommen; der Vermieter vermietet die Wohnung wegen des Mietzinses; die Brauerei verpachtet eine Wirtschaft wegen des Pachtzinses; die Bank gewährt ein Darlehen wegen der Zinsen, usw.

Verträge, in denen sich der eine Teil zur Leistung verpflichtet, um eine Gegenleistung zu erhalten, nennt man gegenseitige Verträge. Für sie gelten die §§ 320-326 BGB. Diese einfache Grundlage muß man sich klar machen und gut merken; denn auf dieser Basis wird es leichter, die einzelnen Bestimmungen anzuwenden. Es ist müßig zu fragen, was denn nun Leistung und was Gegenleistung ist: Das kommt auf den Standort an. Für den Käufer ist die Kaufpreisverpflichtung die Leistung und die Lieferung die Gegenleistung. Aus der Perspektive des Verkäufers ist es umgekehrt. Man kann auch ein niederdeutsches Sprichwort anwenden: Wat dem eenen sin Uhl (Eule), is dem annern sin Nachtigall Die §§ 323, 324 BGB behandeln das Schicksal der Gegenleistung, wenn die Leistung unmöglich geworden ist. Unmöglichkeit bedeutet dabei objektive und subjektive Unmöglichkeit. § 323 BGB gilt für die Fälle, in denen keine Partei die Unmöglichkeit zu vertreten hat. Da in unserem Falle weder V noch Kden Diebstahl des PKW vertreten müssen, richtet sich das Schicksal der Gegenleistung, also das der Kaufpreisforderung, nach § 323 Abs. 1 BGB. Dort heißt es, daß der Gläubiger, dessen eigene Leistung - hier Lieferung des PKW's-unmöglich geworden ist, den Anspruch auf die Gegenleistung verliert. Diese Konstruktion ist in den Grundzügen leicht zu überschauen, und sie entspricht auch unserem Rechtsempfinden. Achten Sie also auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, in denen es etwa heißt, der Käufer bleibt zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet, wenn die dem Verkäufer obliegende Leistung aus einem Umstände, den der Verkäufer nicht zu vertreten braucht, unmöglich wird. Darunter fällt auch eine Unmöglichkeit, die der Käufer ebenfalls nicht zu vertreten braucht! Da die §§ 323 ff. BGB abdingbar sind, müßte der Käufer trotzdem zahlen! Durch das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) hat der Gesetzgeber versucht, überspitzte Vorteile des Verwenders solcher AGB abzubiegen. Soweit es sich um Klauseln betreffend die Unmöglichkeit handelt, vgl. §§ 9 Abs. 1, 2 Nr. 1, 11 Nr. 8 u. 9. Eine kurze Kommentierung finden Sie bei Pal.-Heinrichs, S. 2345ff.

Im vorliegenden Falle gilt mangels abweichender Parteivereinbarung die gesetzliche Regelung, also § 323 Abs. 1 BGB. Hiernach ist auch der Käufer K von der Zahlungspflicht (Gegenleistung) frei geworden. Fall Nr. 13a: Wie Nr. 12a; aber der Plan scheitert, weil die Banken und Lieferanten des X nicht mitmachen. Sie wollen dem X keinen weiteren Kredit geben, wenn ersieh auf diese Weise aus der persönlichen Haftung schleichen will. Kann der W trotzdem die vereinbarte Vergütung von 10 000,-DM verlangen? Ist es anders, wenn ein Gesetz die Neugründung einer GmbH & Co. KG verbietet?

19 Fall Nr. 14: Zu vertretende Unmöglichkeit; gegenseitiger Vertrag K will den Wagen, den er von V für 10 000,- DM gekauft hat, erst 2 Tage später abholen. Bis dahin soll V noch kleine Reparaturen am Wagen vornehmen und ihn beim Straßenverkehrsamt umschreiben lassen; K möchte den Wagen aber für 2 Stunden leihen, um etwas zu besorgen. Er bringt ihn erst nach Feierabend zurück und läßt ihn unverschlossen mit dem Zündschlüssel auf dem Fahrersitz vor dem Betriebsgelände des V stehen. In der folgenden Nacht wird der Wagen gestohlen. Kann V trotzdem den vereinbarten Kaufpreis von K verlangen? Lösung Anspruchsgrundlage für den Kaufpreis ist § 433 Abs. 2 BGB. Ob der Anspruch des Verkäufers auf Bezahlung noch besteht, obwohl seine Leistung unmöglich geworden ist, hängt von den §§ 323, 324 BGB ab. Wird die aus einem gegenseitigen Vertrage dem einen Teil obliegende Leistung infolge eines Umstandes unmöglich, den der andere Teil zu vertreten hat, so behält er den Anspruch auf die Gegenleistung (§ 324 Abs. 1, S. 1 BGB). Auch diese Bestimmung ist in der Grundanlage leicht zu verstehen und wirtschaftlich vernünftig: Wer die Unmöglichkeit der Leistung, die er fordern kann, zu vertreten hat, soll von der eigenen Leistungspflicht nicht befreit sein. Wir müssen jetzt prüfen, ob K die Unmöglichkeit der Lieferung des PKW's zu vertreten hat. Dabei ist wiederum von § 276 Abs. 1 BGB auszugehen, also zu fragen, ob K zumindest fahrlässig gehandelt, d. h. die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen hat. Die Subsumtion wird Ihnen leichtfallen. Fahrlässiges Verhalten des K ist anzunehmen. Mithin hat er den Verlust des Autos, die Unmöglichkeit der Leistung des Verkäufers, zu vertreten. Der Verkäufer V hat daher den Anspruch auf die Gegenleistung - die Zahlung der 10 000,-DM-behalten. Merke: Ob der Schuldner von der Leistung (Schadensersatzleistung) frei wird, bestimmt sich nach § 275 BGB. Ob er den Anspruch auf die Gegenleistung trotz Unmöglichkeit der eigenen Leistung behält, ist in den §§ 323, 324 BGB geregelt.

Fall Nr. 14a: L hat dem K durch Vertrag gestattet, seine Fahrzeuge auf dem Gelände des L abzustellen, zu pflegen und an der eigenen Tankstelle des L verbilligt zu tanken. Die Stadt verbietet dem L, auf dem fraglichen Grundstück Fahrzeuge, deren Halter er nicht ist, regelmäßig abstellen zu lassen, weil dadurch die Anlieger zu stark belästigt werden. Ein gleichlautendes Verbot hatte die Stadt bereits vor zwei Jahren ausgesprochen, als L einen ähnlichen Vertrag mit X hatte. Das neuerliche Verbot hat die Stadt damit begründet, daß K auf dem Grundstück des L häufig zur Nachtzeit die Motoren warmlaufen läßt oder die Wagentüren geschlagen oder die Ladeklappen geräuschvoll betätigt werden. Fragen: Kann L das Entgelt für die restliche Mietzeit verlangen? Kann K Schadenersatz verlangen, weil er jetzt ein neues, teureres Gelände mieten muß? Beide berufen sich darauf, der andere sei Schuld: L, weil er dem K nichts von dem früheren Verbot gesagt habe; K, weil seine Leute nicht rücksichtsvoll genug seien.

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Fall Nr. 15: Anfängliche objektive Unmöglichkeit V verkauft dem K einen gebrauchten LKW für 20 000,- DM. Bei Abschluß des Kaufvertrages wissen die Vertragspartner nicht, daß dieser LKW wenige Stunden vorher bei einem Verkehrsunfall total ausgebrannt ist. Die Brandversicherung des V zahlt für den Wagen 18 000,- DM. Kann V die restlichen 2000,- DM von K verlangen?

Lösung Als Grundlage für den Anspruch des V gegen K kommt § 433 Abs. 2 BGB in Betracht. Voraussetzung ist ein wirksamer Kaufvertrag. Wir können davon ausgehen, daß Antrag und Annahme ordnungsgemäß erklärt worden sind. Bedenken gegen die Wirksamkeit des Vertrages könnten sich aber daraus ergeben, daß V den LKW verkauft hat, der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht mehr vorhanden war. Nach § 306 BGB ist ein auf eine unmögliche Leistung gerichteter Vertrag nichtig. Zweierlei ist allerdings zu beachten: 1. Es muß sich um eine objektive Unmöglichkeit und 2. um eine anfängliche Unmöglichkeit handeln. Zu 1: Anders als bei § 275 BGB wird hier das anfängliche Unvermögen (subjektive Unmöglichkeit) nicht erfaßt. Ein Vertrag, der auf eine subjektiv unmögliche Leistung gerichtet ist, ist also wirksam. Z. B.: V verkauft dem K eine Ware, die er nach Abschluß des Kaufvertrages erst beschaffen oder herstellen muß. Das ist ein alltäglicher Vorgang! Die moderne Wirtschaft, die oft „Aufträge" einholt, um danach herzustellen und dann erst zu liefern, könnte ohne solche Verträge nicht leben. Zu 2:. Nur anfängliche Unmöglichkeit macht nichtig! Nachträgliche Unmöglichkeit läßt den wirksam geschlossenen Vertrag unberührt. Lediglich in der Abwicklung des Vertrages ändert sich etwas: Im Falle der vom Schuldner nicht zu vertretenden Unmöglichkeit wird er von der Leistung frei (§ 275 Abs. 1 BGB). Hat keiner der Vertragspartner die Unmöglichkeit zu vertreten, verliert der Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung. Hat der andere Teil die Unmöglichkeit zu vertreten, behält der Schuldner der unmöglich gewordenen Leistung den Anspruch auf die Gegenleistung. Das bedeutet für unseren Fall: Durch das Ausbrennen des LKW's war dem V die Lieferung schon unmöglich (objektiv), als er den Kaufvertrag mit K schloß. Darauf, ob eine Partei die Unmöglichkeit zu vertreten hat, kommt es bei § 306 BGB nicht an! Wir brauchen also nicht zu prüfen, ob etwa V oder einer seiner Fahrer den Unfall schuldhaft herbeigeführt haben. Wie dem auch sei, der Kaufvertrag ist kraft Gesetzes nichtig. Da aus einem nichtigen Vertrag kein Anspruch auf Erfüllung der (unwirksam) versprochenen Leistung hervorgehen kann, braucht K die 2000,- DM nicht zu bezahlen. § 306 BGB gilt nicht ausnahmslos. Beim Verkauf eines nicht bestehenden Rechts haftet der Verkäufer gem. § 437 BGB für den Bestand des Rechts. Ebenso ist es, wenn der Schuldner eine besondere Gewährleistung übernommen hat (BGH 54, 238). Selbstverständlich kann der Schuldner nicht erfüllen; aber er muß das volle Erfüllungsinteresse leisten (RG 137,84).

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Fall Nr. 15a: A will auf seinem Grundstück einen Brunnen bohren lassen. Er ist der Meinung, sein Nachbar B habe das Recht, diesem Vorhaben zu widersprechen. So vereinbart er mit B, daß B gegen Zahlung von 10000,- DM gegenüber der „Behörde" keine Einwände erhebt. Später stellt sich heraus, daß B gar nicht gehört zu werden brauchte. Kann Bdie 10 000,-DM verlangen? Wie ist es, wenn beide als sicher davon ausgegangen sind, daß B zustimmen muß? Wie ist es, wenn beide vereinbart haben, daß A zahlen soll, gleichgültig, ob sich die „Behörde" an B wendet oder nicht? Abwandlung: Der Brunnenbauer garantiert, in spätestens 30 m Tiefe brauchbares Wasser in genügender Menge zu finden; er findet aber nicht einmal in 40 m Tiefe, was er versprochen hat. Kann er trotzdem Bezahlung verlangen? Vgl. auch § 631 BGB. Kann A von dem Brunnenbauer Erstattung der Kosten verlangen, die er für die Wiederinstandsetzung des Grundstücks aufwenden muß?

Fall Nr. 16: Anfängliche subjektive Unmöglichkeit Der Großhändler G hat dem Einzelhändler E am 15. 4.1972 15 Fernsehgeräte, Typ X, verkauft. Bei Abschluß des Kaufvertrages hatte er die Geräte nicht auf Lager; er hoffte aber, vom Hersteller noch beliefert zu werden. Nachdem er sie bestellt hat, muß er vom Hersteller erfahren, daß die Geräte seit Mai 1972 wegen eines Konstruktionsmangels nicht mehr produziert werden. Die übrigen Großhändler, mit denen G sich wegen einer Lieferung in Verbindung gesetzt hat, wollen von ihren Beständen nichts an ihn verkaufen. Muß G trotzdem „alles" unternehmen, um liefern zu können?

Lösung Der Lieferanspruch des Einzelhändlers E könnte sich aus § 433 Abs. 1 BGB ergeben. Wir gehen davon aus, daß Antrag und Annahme wirksam erklärt worden sind. § 306 BGB, der bei anfänglicher objektiver Unmöglichkeit Anwendung findet, kann hier nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden, weil andere Großhändler noch liefern können. Nur G ist „unvermögend" (subjektive Unmöglichkeit). Der Kaufvertrag ist mithin wirksam abgeschlossen und wirksam geblieben. Es taucht nun die Frage auf, was dem G vom Gesetz zugemutet wird, um liefern zu können. Auf § 275 Abs. 1 und 2 BGB kann man nicht zurückgreifen, weil dort nur von der nachträglichen Unmöglichkeit und dem nachträglichen Unvermögen die Rede ist, wobei zwischen der Stückschuld und der Gattungsschuld nicht unterschieden wird. Erst § 279 BGB bringt eine Sonderregelung für Gattungsschulden: Ist der Gegenstand nur der Gattung nach bestimmt, so hat der Schuldner sein Unvermögen zur Leistung auch ohne Verschulden zu vertreten, solange die Leistung aus der Gattung möglich ist. Es kommt nicht darauf an, ob es sich um ein anfängliches oder nachträgliches Unvermögen handelt. Das ist eine harte Regel! Deswegen haben Rechtsprechung und Literatur nach Einschränkungen gesucht. Es ist heute anerkannte Meinung, daß die Opfergrenze dort überschritten wird, wo der Schuldner unverhältnismäßige Mittel aufwenden müßte, um sich die Sache zu beschaffen. Vgl. hierzu RG 57,116; 88,172; 107,156; Nehlert NJW 48,141. Daraus folgt für unseren Fall: Da die Geräte nicht mehr hergestellt werden, kann G sie vom Hersteller nicht mehr beziehen. Die Gattung ist allerdings noch vorhanden,

22 nämlich in Form der Bestände, die bei anderen Großhändlern liegen. Demnach müßte G bei wortwörtlicher Anwendung des § 279 BGB zur Leistung verpflichtet geblieben sein, d. h. er müßte „alles" tun, um von den Großhändlern die dem E versprochenen Geräte zu beschaffen. „Alles" wird dem G aber nicht zugemutet. Wenn die Händler unter keinen Umständen liefern wollen, ist „Leistung aus der Gattung" nicht mehr möglich. Wenn sie nur zu enormen Überpreisen verkaufen wollen, ist die Opfergrenze ebenfalls überschritten. Wenn sie an G allerdings zu Ladenpreisen verkaufen wollen, erst recht, wenn sie ihm den Kaufpreis des Einzelhändlers einräumen wollen, muß G sich die Geräte aus der Gattung beschaffen, um E beliefern zu können.

Fall Nr. 16a: Am 1. 2.1977 schließt U mit B einen Vertrag, in dem U sich verpflichtet, dem B eine Gasheizung für 16 000,- DM zu installieren. Die Arbeiten sollen bis zum 31. 3.1977 ausgeführt sein. Nach Vertragsschluß erfährt B, daß U noch nicht bei den Stadtwerken zugelassen ist. Er kann seine Meisterprüfung erst am 10. 3.1977 ablegen. B stellt sich auf den Standpunkt, es komme darauf an, ob U bei Vertragsschluß in der Lage gewesen wäre, sofort mit der Arbeit zu beginnen. Jetzt habe er - der B einen Unternehmer gefunden, der 1000,- DM billiger ist. Würden Sie dem B raten, vom Vertrag mit U zurückzutreten und den billigeren Unternehmer zu beauftragen?

Fall Nr. 17: Schadensersatz wegen Nichterfüllung, § 325 BGB Wie vor. G weigert sich, den Großhändlern, die den Ladenpreis verlangen, mehr als den Einkaufspreis der Einzelhändler zu zahlen. Da er infolgedessen den E nicht beliefern kann, verlangt E pro Gerät 50,- DM Schadensersatz. Muß G die 750,- DM an E zahlen? Lösung Nach § 280 Abs. 1 BGB hat der Schuldner dem Gläubiger den durch die Nichterfüllung entstehenden Schaden zu ersetzen, soweit die Leistung infolge eines vom Schuldner zu vertretenden Umstandes unmöglich wird. Wir „könnten" jetzt wie folgt fortfahren: Die Leistung ist dem G unmöglich geworden, weil er die Geräte auf dem üblichen Wege nicht bekommen kann. Zwar liegt nur eine subjektive Unmöglichkeit vor; aber das nachträgliche Unvermögen steht der nachträglichen Unmöglichkeit gleich. Insoweit gilt bei § 280 BGB das gleiche wie bei § 275 BGB. Sein Unvermögen zur Leistung muß G vertreten; denn es handelt sich um eine Gattungsschuld, und Leistung aus der Gattung ist noch möglich. Dem G wird nämlich kein unverhältnismäßiges Opfer abverlangt, auch wenn er den Ladenverkaufspreis zahlen muß. Hoffentlich haben Sie gemerkt, daß hier - um abzukürzen - im Urteilstil geschrieben worden ist. Ich habe die kurze Begründung gewählt, um schneller zur richtigen Anspruchsgrundlage zu gelangen. Das ist § 325 BGB. Merken Sie sich bitte: Bei einem gegenseitigen Vertrag findet § 280 BGB keine Anwendung auf Leistungen, die im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen. Im Gegenseitigkeitsverhältnis

23 steht die Leistung, die versprochen wird, um die Gegenleistung zu bekommen. Sie wird auch Hauptleistung genannt. Beim Kaufvertrag ist das auf der einen Seite die Lieferung, auf der anderen Seite die Kaufpreiszahlung. Im vorliegenden Falle geht es um die Unmöglichkeit der Lieferung, so daß wir mit dem Lösungsversuch bei § 325 BGB ansetzen müssen. Demgemäß kann E Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen oder vom Vertrage zurücktreten, wenn die aus dem Kaufvertrag dem V obliegende Leistung infolge eines Umstandes unmöglich wird, den dieser Teil - V - z u vertreten hat. Da es sich um eine Gattungsschuld handelt, wenden wir uns sofort dem § 279 BGB zu. Leistung aus der Gattung ist noch möglich, weil die Gattung bei anderen Großhändlern vorhanden ist und V keine unverhältnismäßigen Opfer für die Beschaffung erbringen muß. Ob V schuldhaft unvermögend zur Leistung ist, spielt nach dem Wortlaut des § 279 BGB keine Rolle. Also hat er sein Unvermögen zu vertreten. Obwohl § 325 BGB nur von der Unmöglichkeit spricht, gilt er ebenso wie §§ 275, 280 BGB auch für das Unvermögen. Nach § 325 Abs. 1, S. 1 BGB hat der andere Teil die Wahl zwischen Schadensersatz wegen Nichterfüllung (positives Interesse - was ist das? Vgl. in Bd. I, Fall Nr. 28 und 29) und Rücktritt. E hat sich für den Schadensersatzanspruch entschieden. Wir müssen also prüfen, wie dieser Anspruch zu berechnen ist. Auszugehen ist von dem Grundsatz: Wer Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann, kann verlangen, so gestellt zu werden, wie wenn voll erfüllt worden wäre. Dieser gesicherte Ausgangspunkt befreit nicht von Schwierigkeiten in der Schadensberechnung. Nach der heute herrschenden Differenzlehre kann der Gläubiger den Mehrwert verlangen, den die unmöglich gewordene Leistung gegenüber dem Wert seiner eigenen ersparten Gegenleistung für ihn hat, also die Differenz beider Leistungen. Vgl. RG 50, 262; 152,112; BGH NJW 58,1915. Abweichend von § 249 S. 1 BGB richtet sich der Schadensersatzanspruch sofort auf Geld; RG 127,248; BGH LM Nr. 3 zu § 325. Für den Vorliegenden Fall wollen wir annehmen, der Schaden belaufe sich tatsächlich auf 750, - DM. Diesen Betrag müßte V dann als Schadensersatz zahlen. Wie verschieden der Schaden von Fall zu Fall berechnet wird, sollen einige kleine Beispiele zeigen: a) Käufer K hat die für 5000,- DM gekaufte Ware bereits für 6000,- DM an feste Abnehmer verkauft. Wenn er die Ware nicht bekommt, entgehen ihm 1000,- DM Gewinn. Die Ware hat für ihn also einen Wert von 6000,- DM. Mehrwert = Differenz = Erfüllungsinteresse = positives Interesse belaufen sich auf 1000,-DM. b) Käufer K hat zwar für die Ware noch keine Abnehmer; aber als Kaufmann darf er mit einem Verkauf und mit der üblichen Gewinnspanne rechnen. Zur Schadensberechnung (wie Beispiel a) ist daher der Nachweis von Abnehmern der gekauften, aber nicht gelieferten Ware entbehrlich. c) Wenn der Käufer bereits gezahlt hatte, wird vermutet, daß der Warenwert = Kaufpreis ist. Dann kann er den vollen Kaufpreis als Schadensersatz zurückverlangen, zusätzlich den entgangenen Gewinn wie bei a) und b). d) Der Käufer muß die gekaufte, aber nicht gelieferte Ware anderweitig zu einem höheren Preis beschaffen (sogenannter Deckungskauf). Der Preis des Deckungskaufes ist für den Käufer gleich dem Wert der nicht gelieferten Ware. Preis des Deckungskaufes minus Preis der nicht gelieferten Ware = Differenz = Mehrwert usw. e) Wenn der Käufer nicht zahlt und der Verkäufer noch nicht geliefert hat, kann der Verkäufer den Unterschied zwischen seinem niedrigeren Anschaffungspreis und dem vereinbarten Kaufpreis fordern. Die Ware behält der Verkäufer! Wenn er sie anderweitig verkaufen kann, braucht er keine Abzüge von seiner Schadensersatzforderung zu machen. Für den Kaufmann spricht die Vermutung, daß er die anderweitigen Kunden mit der gleichen (nicht mit derselben!), zusätzlich vorhandenen Ware beliefert hätte. Das gilt zumindest bei Gattungssachen, die der Verkäufer beziehen oderselbst herstellen kann.

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Fall Nr. 17a: E ist Eigentümer eines Grundstücks. Er möchte darauf ein Mietshaus errichten. Der Architekt A hat bereits die Bauvorlagen gefertigt, als E sein Vorhaben aufgeben muß, weil a) er die Mittel nicht beschaffen kann; b) das Bauordnungsamt die Baugenehmigung nicht erteilt. Muß E die Pläne bezahlen? A verlangt außerdem 2000,- D M Schadenersatz für entgangenen Gewinn. Mit Recht?

Fall Nr. 18: Schadensersatz wegen Nichterfüllung, § 280 BGB S hat sich von G einen LKW geliehen. Durch seine Unaufmerksamkeit wird der LKW bei einem Unfall total zerstört. Er hatte noch einen Wert von 30 000,- DM. Muß S diesen Betrag als Schadensersatz an G zahlen?

Lösung Als Grundlage für den Anspruch des G gegen S auf 30 000,- D M Schadensersatz kommt § 280 B G B in Verbindung mit § 604 Abs. 1 B G B in Betracht. Von § 325 B G B dürfen wir hier nicht ausgehen, weil die §§ 320-327 B G B nur für gegenseitige Verträge gelten. (Was ist darunter zu verstehen?) Der Leihvertrag ist kein gegenseitiger Vertrag. Nach § 598 B G B ist der Verleiher verpflichtet, dem Entleiher den Gebrauch der verliehenen Sache unentgeltlich zu gestatten. Der Entleiher muß die geliehene Sache zwar nach dem Ablauf der für die Leihe bestimmten Zeit zurückgeben; aber der Verleiher überläßt d e m Entleiher die S a c h e nicht, um sie zurückzubekommen. M. a. W.: Die Rückgabe ist nicht die Gegenleistung für die Hingabe. Die Hingabe erfolgt vielmehr unentgeltlich. Anders ist es bei der Miete. Dort will der Vermieter für die Gebrauchsüberlassung den vereinbarten Mietzins verdienen. Deswegen ist die Miete ein gegenseitiger Vertrag (vgl. §535 BGB).

Die Rückgabepflicht aus § 604 Abs. 1 B G B kann S nicht mehr erfüllen. Diese Leistung ist infolge der Vernichtung des LKW's unmöglich geworden. Da S den Unfall durch Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, also durch Fahrlässigkeit verursacht hat, muß er die nachträgliche Unmöglichkeit vertreten. Auch nach § 280 B G B ist das positive = Erfüllungsinteresse zu ersetzen. G kann daher verlangen, so gestellt zu werden, wie wenn S voll erfüllt hätte. Dann hätte G ein Objekt im Werte von 30 000,- D M zurückerhalten. Folglich muß S diesen Betrag an G zahlen.

Fall Nr. 18a: K hat seinem Steuerberater S u. a. den Kfz-Brief eines LKW's zur Aufbewahrung gegeben. Der LKW soll einer Bank zur Sicherheit übereignet werden. S kann den Brief nicht mehr finden. Der Ersatzbrief kostet 100,-DM. Außerdem zerschlägt sich der Verkauf des LKW's. Daraus resultiert ein Schaden von 1000,- DM. Kann K die Beträge von S ersetzt verlangen?

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Fall Nr. 19: Herausgabe des Ersatzes G hat seine Schreibmaschine dem S zur Reparatur gegeben. Nach durchgeführter Reparatur veräußert S die Maschine versehentlich als gebrauchtes Gerät für 200,DM an den gutgläubigen K. Die Maschine hatte noch einen Wert von 150,- DM. G verlangt von S 200,- DM Schadensersatz. Mit Recht?

Lösung Wir prüfen zunächst, ob § 280 BGB oder § 325 BGB als Grundlage für den Schadensersatzanspruch in Betracht kommt. Der Reparaturvertrag ist seinem Wesen nach ein Werkvertrag. (Lesen Sie dazu Fall Nr. 39 in Bd. I nach.) Der Unternehmer verpflichtet sich, gegen Bezahlung ein bestimmtes Werk herzustellen (hier die Reparatur der Schreibmaschine). Der Werkvertrag (§ 631 BGB nachlesen!) ist also ein gegenseitiger Vertrag. Das könnte dazu verführen, hier § 325 BGB anzuwenden; aber denken Sie bitte daran: Die §§320-327 BGB finden nur auf die im Gegenseitigkeits- (Austausch) Verhältnis stehenden Leistungen Anwendung. Das sind im Rahmen des § 631 BGB die Herstellungspflicht des Unternehmers und die Zahlungspflicht des Bestellers. Selbstverständlich muß der Unternehmer das hergestellte Werk, also die Maschine nach der Reparatur an den Besteller herausgeben. Ebenso ist er verpflichtet, die ihm zur Reparatur gegebene Sache sorgfältig aufzubewahren; das sind aber keine im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Hauptpflichten sondern nur Nebenpflichten. Wird die Erfüllung einer Nebenpflicht unmöglich, so wenden wir § 280 BGB an. Im Rahmen des § 280 BGB prüfen wir nun, ob sich S die Rückgabe der Maschine unmöglich gemacht hat. Da K die Maschine dem G aushändigen könnte, kommt nur eine subjektive Unmöglichkeit (Unvermögen) in Betracht. Beide Formen der Unmöglichkeit stehen sich auch in § 280 BGB gleich. Wir gehen davon aus, daß K gutgläubig Eigentümer der Maschine geworden ist (§ 932 BGB). Einzelheiten über den gutgläubigen Erwerb an beweglichen Sachen sollen jetzt nicht besprochen werden. Der neue Eigentümer braucht die Maschine weder dem G noch dem S herauszugeben. Folglich kann S seine Rückgabepflicht nicht erfüllen. Die Leistung ist ihm nachträglich unmöglich geworden. Ob der Schuldner oder der Gläubiger die Unmöglichkeit zu vertreten hat oder keiner von beiden, spielt keine Rolle. Der Anspruch aus § 281 BGB setzt nicht voraus, daß ein Schadensersatzanspruch nach § 280 besteht. S muß daher dem G das positive Interesse ersetzen. Wenn G so gestellt wird, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung gestanden hätte, hätte er einen Vermögensgegenstand zurückbekommen, der noch 150,- DM wert war. Zudem hätte er die Reparatur bezahlen müssen. Auf Grund des § 280 BGB könnte G daher nur 150,- DM abzüglich Reparaturkosten erstattet verlangen. Deswegen wollen wir prüfen, ob sich der Gläubiger über § 281 BGB eine bessere Rechtsstellung verschaffen kann. Erlangt der Schuldner infolge des Umstandes, welcher die Leistung unmöglich macht, für den geschuldeten Gegenstand einen Ersatz oder einen Ersatzanspruch, so kann der Gläubiger Herausgabe des als Ersatz Empfangenen oder Abtretung des Ersatzanspruches verlangen (§ 281 Abs. 1 BGB). Die Vorschrift will sicherstellen, daß derjenige die Ersatzleistung bekommt, dem sie wirtschaftlich zusteht (BGH LM Nr. 1 zu § 281). Rechtlich gebührt die Ersatzleistung zunächst dem Schuldner, dessen Leistung unmöglich geworden ist. Der Gläubiger erwirbt sie auch nicht automatisch; er muß sie vielmehr fordern. Das Gesetz gibt ihm nur die Möglichkeit, den Ersatz oder die

26 Abtretung des Ersatzanspruches zu verlangen. Macht er von seinem Recht Gebrauch, dann bekommt er alles, was der Schuldner als Ersatz erlangt hat, möglicherweise also mehr, als die unmöglich gewordene Leistung wert war. Als Ersatz oder Ersatzanspruch im Sinne des § 281 Abs. 1 BGB sind vor allem Versicherungsleistungen anzusehen; nach ganz herrschender Meinung aber auch der Erlös oder der Erlösanspruch aus einem unberechtigten Verkauf. Das trifft unseren Fall. Wenn Sie einmal den Wortlaut des § 281 Abs. 1 BGB genau prüfen, werden Sie erkennen, daß es für unseren Fall doch nicht so genau paßt: Der Umstand, welcher die Leistung unmöglich gemacht hat, ist die Eigentumsübertragung an K. Den Ersatz bzw. Ersantzanspruch hat S jedoch schon auf Grund des Kaufvertrages mit K! Vernünftigerweise werden hier allerdings Kaufvertrag (Kausalgeschäft! Was ist das? Fall Nr. 46 in Bd. I nachlesen!) und Übereignung (Erfüllungs- oder Verfügungsgeschäft) als wirtschaftliche Einheit gesehen. Vgl. § 323 Abs. 2 BGB für gegenseitige Verträge und die bestehenbleibende Pflicht zur Gegenleistung

Fall Nr. 19a: V hat dem K einen gebrauchten PKW für 2000,- DM verkauft. Nach dem Verkauf wird der PKW dem V gestohlen. Die Diebstahlversicherung zahlt dem V 2500,- DM. K möchte wissen, ob er von V die Differenz zwischen 2000,- und 2500,- DM herausverlangen kann, also Zahlung von 500,- DM.

Fall Nr. 20: Liefervorbehalte V hat dem K 201 Pflanzkartoffeln verkauft. Im Kaufvertrag heißt es „Liefermöglichkeit, insbesondere Selbstbelieferung vorbehalten". V kann infolge Geldmangels und fehlenden Kredites die Kartoffeln nicht einkaufen. Er beruft sich auf die vereinbarte Kausei. K muß einen Deckungskauf tätigen. Die so erworbenen Kartoffeln kosten 2000,- DM mehr als die bei V bestellten. Kann K von V 2000,- DM Schadensersatz verlangen?

Lösung Als Anspruchsgrundlage für die Schadensersatzforderung des K gegen V kommt §325 BGB in Betracht. Dem V ist die Erfüllung seiner Lieferpflicht - Hauptpflicht aus dem gegenseitigen Vertrag „Kauf" - unmöglich geworden. Zwar handelt es sich nur um Unvermögen; das ist aber der objektiven Unmöglichkeit gleichgestellt. Da es sich bei der Lieferung von Pflanzkartoffeln um eine Gattungsschuld handelt und Lieferung aus der Gattung noch möglich ist, muß V sein Unvermögen vertreten. Fraglich erscheint, ob V sich „freigezeichnet" hat. Grundsätzlich können die Parteien durch freie Vereinbarung die für Lieferanten gefährliche Bestimmung des § 279 BGB einschränken oder sogar ausschließen. Es gibt Klauseln mit unterschiedlicher Bedeutung. Wenn es heißt „Liefermöglichkeit vorbehalten" (BGH NJW 58, 1628), so ist der Schuldner verpflichtet, sich im Rahmen des Zumutbaren nach einem anderen Lieferanten umzusehen, wenn ihn sein ursprünglich ins Auge gefaßter Lieferant nicht beliefern kann oder will. Die Selbstbelieferungsklausel (BGH 49, 393) geht weiter. Danach wird der Schuldner grundsätzlich frei, wenn ihn sein Lieferant nicht beliefert. In beiden Fällen ist allerdings Voraussetzung, daß die

27 Lieferung aus Gründen unterbleibt, die nicht in der Person des Schuldners liegen. Für seine finanzielle Leistungsmöglichkeit hat jeder Schuldner einzustehen. Zwar kann auch das durch freie Vereinbarung geändert werden; die genannten Klauseln treffen diesen Fall aber nicht. Mithin muß V dem K 2000,- D M Schadensersatz zahlen.

Fall Nr. 20a: V verkauft seine gesamte Kartoffelernte an die Spritfabrik S. Bei Abschluß des Kaufvertrages rechnen die Parteien mit 600 dz Ertrag, und sie setzen diese Menge auch in den Vertrag als Liefermenge ein. Die Ernte beläuft sich auf 450 dz. Kann S die Lieferung von 600 dz verlangen? Wie ist es, wenn V je 300 dz an S und T verkauft hatte? Vgl. zu dieser Frage RG 84, 128; 95,268 und Krückmann in JW1919, 737

Fall Nr. 21: Schuldnerverzug G S G S

hat dem S einen PKW geliehen, den S am 30. 4.1972 wieder bei G abgeben soll. bringt den PKW erst am 10. 5.1972 zurück. Für die Zeit vom 2. bis 9. 5.1972 hatte einen Mietwagen genommen. Die Mietkosten belaufen sich auf 2 0 0 , - DM. Muß dem G diese 200,- D M erstatten?

Lösung Da die Rückgabe des Wagens noch möglich ist - sie erfolgt lediglich verspätet sind die Vorschriften über Unmöglichkeit nicht anzuwenden. Unmöglich ist eine Leistung nur, wenn sie endgültig nicht mehr erbracht werden kann. Davon zu unterscheiden sind die Fälle der nicht fristgemäßen, aber nachholbaren Leistung. Hier sprechen wir vom Verzug. Je nachdem, ob der Schuldner oder der Gläubiger mit seiner Leistung im Verzuge ist, handelt es sich um Schuldner- oder Gläubigerverzug. Zunächst wollen wir uns dem Schuldnerverzug widmen. Eine Folge des Schuldnerverzuges ist die Schadensersatzpflicht. Sie ist in § 286 B G B geregelt. § 326 B G B enthält wiederum eine Sonderregelung für gegenseitige Verträge. Da die Parteien hier einen Leihvertrag geschlossen haben, scheidet § 326 B G B als Anspruchsgrundlage aus. Nach § 286 Abs. 1 B G B hat der Schuldner dem Gläubiger den durch den Verzug entstehenden Schaden zu ersetzen. Das ist die Anspruchsgrundlage für den Schadensersatzanspruch. Die Voraussetzungen, unter denen der Schuldner in Verzug gerät, anders ausgedrückt, die einzelnen Begriffsmerkmale des Verzuges, finden sich in den §§ 284, 285 BGB. Wer einen Schadensersatzanspruch nach § 286 B G B prüft, muß also zuerst untersuchen, ob die einzelnen Voraussetzungen des Verzuges gegeben sind. Erste Voraussetzung des Verzuges ist die Fälligkeit der Leistung. Unter Fälligkeit ist hier die Vollfälligkeit zu verstehen, d. h. es muß der Zeitpunkt gekommen sein, in dem der Schuldner nicht nur leisten darf, sondern in dem er leisten muß. Nach § 271 Abs. 1 B G B ist jede Leistung, für die keine Zeit bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist, sofort fällig. Der Gläubiger kann sie sofort fordern, der Schuldner sie sofort bewirken. Ist eine Zeit bestimmt, so ist im Zweifel anzu-

28 nehmen, daß der Gläubiger sie nicht vor der Zeit verlangen, der Schuldner sie aber vorher bewirken kann (§ 271 Abs. 2 BGB). Hier sehen Sie den Unterschied zwischen dem Zeitpunkt der Fälligkeit (Vollfälligkeit) und dem der Erfüllbarkeit (einfache Fälligkeit). Beispiel: Die Parteien haben vereinbart; der Kaufpreis sei am Ende des der Lieferung folgenden Monats fällig. Dann darf der Käufer schon vorher zahlen (Erfüllbarkeit, einfache Fälligkeit), aber er muß es am Letzten des Monats, der auf den Liefermonat folgt (Vollfälligkeit). Gegenbeispiel: S hat von der Bank ein hypothekarisch gesichertes Darlehen zu 8% Zinsen erhalten, rückzahlbar in Vierteljahresraten. Die Laufzeit beträgt 15 Jahre. Nach einem Lottogewinn möchte S das gesamte Darlehen sofort zurückzahlen, um die Zinsen zu sparen. Hier kann die Bank die Annahme des Geldes verweigern-also keine Erfüllbarkeit der Darlehensschuld - weil sie die Zinsen für das gut gesicherte Darlehen verdienen möchte.

Für den zu beurteilenden Fall gilt § 271 Abs. 2 BGB. S hätte den PKW schon eher zurückbringen können (Erfüllbarkeit); spätestens am 30.4. 1972 mußte er ihn jedoch abliefern (Vollfälligkeit). Nächste Voraussetzung des Schuldnerverzuges ist die Mahnung. Ihrem juristischen Wesen nach handelt es sich bei der Mahnung um eine einseitige, empfangsbedürftige, formlose Aufforderung. Die Aufforderung muß vom Gläubiger oder seinem Vertreter ausgehen. Sie muß ferner eindeutig und bestimmt sein (RG 93, 301). Das bloße Übersenden der ersten Rechnung ist noch keine Mahnung, wohl wiederholte Rechnungsübersendungen (z. B. 2. Rechnung usw., insbesondere dann, wenn quittiert). In unserem Falle hatte G dem S noch keine Mahnung geschickt. Nach § 284 Abs. 2 S. 1 BGB ist die Mahnung jedoch entbehrlich, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist. Diese wichtige Vorschrift muß man sich merken! Eine Leistung ist kalendermäßig bestimmt, wenn sich die Fälligkeit allein mit Hilfe des Kalenders ermitteln läßt, so z. B. „am 10. April", oder „spätestens am 10. April" oder „im April" (dann ist der 30. April der Tag, an dem spätestens geleistet werden muß). Nicht genügend sind Angaben wie „10 Tage nach Lieferung". Hier müßte das Lieferdatum mit Mitteln außerhalb des Kalenders erforscht werden. Beispiele vgl. RG 68,22; 103,33; BGH WPM 71, 615; OLG Oldenburg NJW 59,888. Die Fälligkeit ist in unserem Falle eindeutig durch den Kalender bestimmt. G brauchte also nicht zu mahnen. Für ihn mahnte der Kalender! Letzte Voraussetzung des Schuldnerverzuges ist, daß der Schuldner die Verspätung zu vertreten hat. Was Vertretenmüssen bedeutet, ist wiederum dem § 276 Abs. 1 BGB zu entnehmen, nämlich vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten. Bitte merken Sie sich das Folgende gut: Wenn der Gläubiger Schadensersatz wegen Verzuges verlangt, braucht er nicht zu beweisen, daß der Schuldner die Verspätung zu vertreten hat. Es ist vielmehr umgekehrt: Der Schuldner muß beweisen, daß er nicht zu vertreten hat. Das ist für den Gläubiger im Prozeß eine große Erleichterung. Im Zivilprozeß gilt die Faustregel: Jede Partei muß die ihr günstigen Tatsachen vortragen und, wenn sie vom Gegner bestritten werden, auch beweisen. Da es für den Gläubiger günstig ist, wenn der Schuldner zu vertreten hat, hätte er nach dieser Regel das Vertretenmüssen des Schuldners zu behaupten und zu beweisen. Das Gesetz sieht die Dinge aber umgekehrt: Das Vertretenmüssen ist keine echte Voraussetzung des Verzuges, sondern das Nichtvertretenmüssen ist ein Befreiungsgrund, also ein dem Schuldner günstiger Umstand, den erfolglich zu beweisen hat. Für die nachträgliche Unmöglichkeit (Unvermögen) hat das Gesetz in § 282 BGB eine ausdrück-

29 liehe Beweisregel aufgestellt. Danach trifft den Schuldner auch die Beweislast dafür, daß er die Unmöglichkeit nicht zu vertreten hat. Für die Fallgestaltung bedeutet das: Wenn im Sachverhalt nichts darüber gesagt ist, wie der Schuldner die Unmöglichkeit oder den Verzug herbeigeführt hat, so ist nach der gesetzlichen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast davon auszugehen, daß der Schuldner zu vertreten hat. Damit sind auch für den vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Schuldnerverzuges erfüllt. Nun soll geprüft werden, was unter Schaden im Sinne des § 286 BGB zu verstehen ist. Der in Abs. 1 erwähnte Schaden heißt Verzögerungsschaden. Das ist der durch die Unpünktlichkeit verursachte Schaden. Dieser Schadensersatzanspruch existiert unabhängig neben dem bestehengebliebenen Leistungsanspruch. Auf den Fall bezogen bedeutet das: G kann neben der Rückgabe des Wagens selbständig den Schaden ersetzt verlangen, den er durch die Verzögerung der Rückgabe erlitten hat. Das sind die Kosten, die er für die Miete des fremden Wagens aufwenden mußte.

Fall Nr. 21a: K hat zum 50jährigen Firmenjubiläum am 1. 3. 1977 die Gesangsgruppe „The Roaring Oxes" engagiert. Die Gruppe tritt nicht auf, weil a) ein unverschuldeter Autobahnunfall das rechtzeitige Eintreffen verhindert hat; b) die Gruppe den Termin nicht notiert hatte; c) K den vereinbarten Vorschuß nicht überwiesen hatte. K ist von seiner Jubiläumsfeier maßlos enttäuscht. Er verlangt von den Sängern 1000,-DM, weil sie ihm die Pointe verdorben haben. Mit Recht?

Fall Nr. 22: Rücktritt wegen Verzugs K hat sich ein Moped gekauft. Es sollte am 1. 4.1972 geliefert werden; in den AGB heißt es unter Ziff. 5: „Alle Liefertermine sind nur ungefähr." Am 15.4. 1972 schreibt K dem Verkäufer V, er setze ihm zur Lieferung eine letzte Frist bis zum 30. 4.1972. Danach werde er Schadensersatz verlangen. Am 16. 5.1972 will V das Moped liefern. K verweigert die Abnahme mit den Worten, er wolle mit V nichts mehr zu schaffen haben. Muß K trotzdem das Moped abnehmen?

Lösung Nach § 433 Abs. 2 BGB schuldet der Käufer die Zahlung des vereinbarten Kaufpreises und die Abnahme der gekauften Sache. Voraussetzung ist der Fortbestand des Kaufvertrages, von dem wir ohne nähere Prüfung annehmen wollen, daß er wirksam geschlossen worden ist. Der Fortbestand des Kaufvertrages könnte durch die Erklärung des K, nach dem 30. 4.1972 werde er Schadensersatz verlangen, beeinträchtigt worden sein. Beim gegenseitigen Vertrag hat der Gläubiger unter bestimmten weiteren Voraussetzungen die Möglichkeit des Rücktritts vom Vertrage, wenn der Schuldner im Verzuge ist. Die Einzelheiten sind in § 326 BGB geregelt. Satz 1 dieser Vorschrift geht davon aus, daß der Schuldner sich im Verzuge befindet. Wir prüfen die erste Voraussetzung, die Fälligkeit der Leistung. Das Lieferdatum (1. 4. 1972) nennt, wenn der Vertrag keine anderslautende Vereinba-

30 rung enthält, den Tag, an dem der Verkäufer liefern muß, also den Zeitpunkt der Vollfälligkeit. Nun sollen aber nach Ziff. 5 des Vertrages alle Liefertermine nur ungefähr gelten. Derartige Klauseln führen in aller Regel zu großen Schwierigkeiten bei Bestimmung der Fälligkeit. Wenn sich der Schuldner von einem Leistungstermin völlig freizeichnen könnte, bestünde überhaupt keine ernsthafte Leistungspflicht. Der Schuldner könnte seine Leistung auf den St.-Nimmermehrstag verschieben und damit der vertraglichen Vereinbarung entrinnen. Eine völlige Freizeichnung von der Fälligkeit als einer Voraussetzung des Verzuges ist daher nicht zulässig. Die Abmachung „Liefertermine nur ungefähr" bedeutet mithin, daß sich der Käufer bei zumutbarer Fristüberschreitung nicht auf Verzug berufen kann. Und damit sind wir bei der eigentlichen Schwierigkeit der Praxis, die wissen möchte, was im Einzelfall zumutbar erscheint. Eine feste Regel gibt es nicht, es sei denn, man hält den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) für eine solche. Es ist maßgeblich darauf abzustellen, welchen wirtschaftlichen Zweck der Käufer mit der erwarteten Leistung verfolgt, und wann der Verkäufer den ungefähren Termin mit dem Käufer vereinbart hat. Z.B.: Verspricht der Verkäufer die Lieferung des im Haushalt dringend benötigten Elektroherdes am 1. 3. zum 15. 3. „ungefähr", dann ist eine Lieferung im April nicht mehr ungefähr. Wird der Liefertermin für ein nach den persönlichen Wünschen des Bestellers anzufertigendes Wohnzimmer auf 8 Monate hinausgeschoben, so ist eine Lieferung nach 10 Monaten noch „ungefähr".

Die Unsicherheiten derartiger Klauseln sind so groß, daß man sie tunlichst vermeiden sollte! Es tritt nämlich eine weitere Schwierigkeit auf: Wird der ungefähre Termin der Fälligkeit überschritten, dann gibt es keine Möglichkeit der kalendermäßigen Bestimmung i. S. des § 284 Abs. 2, S. 1 BGB. Das hat die Notwendigkeit einer ausdrücklichen Mahnung nach § 284 Abs. 1 BGB zur Folge. Für unseren Fall bedeutet das: Als K dem V am 15. 4. 1972 schrieb, mag die Leistung zwar fällig gewesen sein; K hatte vorher aber noch nicht gemahnt. Also befand sich V am 15. 4. 1972 nicht im Verzug. Damit fehlt bereits die erste Voraussetzung für ein Rücktrittsrecht wegen Verzuges. Vgl. auch § 10 Nr. 1 AGBGes., gültig ab 1. 4. 1977. Lit.-Hinweise bei Palandt, S. 2345.

Fall Nr. 22a: K hat von V einen gebrauchten LKW gekauft, den er sich am 1.3. 1977 abholen soll. V will bis zu diesem Tage die Umschreibung auf K besorgt haben. Den Kaufpreis muß K nach getroffener Vereinbarung bei Abholung in bar zahlen. Als K am 1.3. 1977 mit dem Geld erscheint, um den Wagen abzuholen, hat V die Umschreibung noch nicht veranlaßt. K weigert sich, den Kaufpreis zu zahlen. V verlangt daraufhin 4% Verzugszinsen. Mit Recht? Vgl. B G H Betr 1971,2155.

Fall Nr. 23: Nachfristsetzung und Ablehnungsandrohung, Rücktrittsfolgen Wie vor; aber die Klausel „Alle Liefertermine sind nur ungefähr" fehlte.

31 Lösung Jetzt ist die Leistung kalendermäßig bestimmt, so daß V ohne weitere Mahnung am 1. 4. 1972 in Schuldnerverzug gekommen ist. (Das Vertreten müssen untersuchen wir nicht!) Da V sich am 15. 4. 1972 im Verzuge befand, konnte ihm K zur Bewirkung der Leistung eine angemessene Frist setzen. Diese Frist wird Nachfrist genannt. Was angemessen ist, muß notfalls der Richter entscheiden. Auch hier sind Unsicherheiten nicht zu vermeiden. Man tut gut daran, die Nachfrist nicht zu kurz zu bemessen. Ist eine zu kurze Frist genannt, so wird eine angemessene in Lauf gesetzt (RG 62, 68; 106, 90). Zu kurz bemessene Nachfristen bringen zusätzliche Unsicherheit. Die Nachfrist, die K dem V gesetzt hat, wollen wir als angemessen hinnehmen. Um nach fruchtlosem Fristablauf vom Vertrage zurücktreten zu können, ist weiterhin erforderlich, daß der Gläubiger schon bei der Nachfristsetzung deutlich erklärt, er werde nach fruchtlosem Fristablauf die Annahme der Leistung verweigern (RG JW10,183; RG 120,193). Merke: Nachfristsetzung und Ablehnungsandrohung gehören bei § 326 BGB unlösbar zusammen! Anders ist es bei § 325 BGB (Unmöglichkeit). Dort hat der Gläubiger sofort das Wahlrecht zwischen Schadensersatz und Rücktritt, weil eine Nachfrist bei unmöglicher Leistung naturgemäß sinnlos ist. Der Gläubiger braucht allerdings nicht die Worte des Gesetzes zu verwenden. Es genügt, wenn er unmißverständlich zum Ausdruck bringt, daß er nach Fristablauf an der Leistung nicht mehr interessiert ist. Das hat K mit den Worten getan, er werde Schadensersatz verlangen. Damit hat er eine Wahl getroffen, die den späteren Rücktritt möglicherweise ausschließt. Es ist ein Unterschied, ob der Gläubiger Schadensersatz verlangt oder vom Vertrage zurücktritt. Begehrt er Schadensersatz, so bleibt der Vertrag in seiner ursprünglichen Form bestehen. An die Stelle des Anspruchs auf Erfüllung tritt jedoch der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung. Durch die Erklärung des Rücktritts wird hingegen die Zweckrichtung des Vertrages geändert. Aus dem auf die Erfüllung gerichteten Vertrag - aus dem Vormarsch - wird ein rückwärts gerichtetes Abwicklungsverhältnis - ein Rückzug. Mit den Erfüllungsansprüchen gehen beim Rücktritt auch die Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung verloren. Also große Vorsicht walten lassen! Wer den Rücktritt erklärt hat, kann nicht mehr Schadensersatz fordern! Er hat sich den Ast abgesägt (den Vertrag beseitigt), auf dem er sitzt. Den Rücktritt sollte nur erklären, wer die eigene Leistung schon erbracht hat und sie zurückbegehrt. Der Gläubiger kann schon mit der Fristsetzung und Ablehnungsandrohung entscheiden, ob er nach fruchtlosem Fristablauf Schadensersatz verlangen oder zurücktreten will (RG 61, 131). Aus der soeben beschriebenen Wirkung des Rücktritts auf den Vertragszweck ergibt sich aber: Wer mit der Fristsetzung und Ablehnungsandrohung die Rücktrittserklärung verbunden hat, kann nach fruchtlosem Fristablauf nicht mehr Schadensersatz verlangen. Umgekehrt ist es jedoch möglich, zugleich mit der Nachfristsetzung und Ablehnungsandrohung Schadensersatz zu verlangen und nach fruchtlosem Fristablauf den Rücktritt zu erklären (RG 109,184). Machen Siesich die Logik dieser unterschiedlichen Folge klar! Auch der Kaufmann muß sich an dieser Stelle um eine klare Ausdrucksweise bemühen. Verschwommene Ankündigungen gehen ins Leere. Vgl. die Beispiele in RG 91,164; BGH LM (D) Nr. 2 zu § 326; RG Recht 16,351; BGH NJW 68,103; RG JW

32 21,1359; RG DRZ 25, 96; RG 120, 194; RG 114, 7; RG 120,129; BGH LM (Ed) Nr. 3 zu § 326. Wir müssen nun noch prüfen, ob K am 16. 5. 1972 das Rücktrittsrecht ausgeübt hat. Zu unterscheiden ist zwischen dem vertraglichen (§ 346 S. 1 BGB: Hat sich in einem Vertrag ein Teil den Rücktritt vorbehalten . . . ) und dem gesetzlichen Rücktrittsrecht (z. B. §§ 325, 326 BGB). Die §§ 346 ff. BGB gelten an sich nur für das vertragliche Rücktrittsrecht; bei den wichtigsten gesetzlichen Rücktrittsrechten sind sie jedoch ganz oder zum Teil entsprechend anwendbar. Vgl. z. B. § 327 BGB. Nach § 349 BGB erfolgt der Rücktritt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil, also durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung. Das Wort „Rücktritt" oder „zurücktreten" braucht dabei nicht ausdrücklich zu fallen. Auch eine Form ist nicht vorgeschrieben. Einer Auslegung der Willenserklärung des K (er wolle mit V nichts mehr zu schaffen haben) muß die Überlegung vorangehen, welche Folgen wirtschaftlicher und rechtlicher Art der Rücktritt hat, was also unter dem durch Rücktritt entstandenen Abwicklungsverhältnis zu begreifen ist. Dazu sagt § 346 S. 1 BGB, die Parteien seien verpflichtet, einander die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Ein echtes Abwicklungsverhältnis entsteht also nur, wenn vorher schon Leistungen ausgetauscht worden sind. Ist das nicht der Fall, so bedeutet der Rücktritt schlicht das Ende der vertraglichen Beziehungen. Genau das wollte K erreichen. Seine Erklärung ist mithin als Rücktritt aufzufassen. Damit ist der Kaufvertrag zwischen den Parteien aufgelöst. K braucht das Moped folglich nicht abzunehmen.

Fall Nr. 23a: K hat seinen Steuerberater S beauftragt, bis zum 28. 2. 1977 einen GmbH-Vertrag zu entwerfen, damit er seinen Betrieb ab 1. 4.1977 als GmbH fortführen kann. Am 3. 3. 1977 hat K noch nichts von S gehört, nur soviel: S soll bis zum 15. 3.1977 in Hinterzarten Skiurlaub machen. K ist empört. Er nimmt jetzt die Hilfe des Wirtschaftsprüfers W in Anspruch, der ihm 1000,- DM mehr berechnet. Muß S diese 1000,- DM als Schadensersatz erstatten?

Fall Nr. 24: Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung V hat dem K eine Maschine für 10 000,- DM geliefert. Den Kaufpreis sollte K spätestens bis zum 30. 4. 1972 zahlen. Am 25. 4.1972 schreibt K an V, er befinde sich in Liquiditätsschwierigkeiten und könne beim besten Willen nicht zahlen; aber V werde wohl Verständnis dafür haben, wenn er den Kaufpreis nunmehr in 10 Raten, beginnend am 1. 6. 1972 zahle. V antwortete am 2. 5. 1972, er erkläre hiermit den Rücktritt vom Vertrage. Muß K die Maschine zurückgeben?

Lösung Das Rückforderungsrecht des V könnte sich aus § 346 S. 1 BGB in Verbindung mit § 326 Abs. 1, 327 BGB ergeben. Nach § 346 S. 1 BGB sind die Parteien nach wirksamer Rücktrittserklärung verpflichtet, einander die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Da hier nur ein gesetzliches Rücktrittsrecht aus § 326 BGB in Betracht kommt, untersuchen wir zunächst, ob K sich mit der Zahlung des Kauf-

33 preises im Verzuge befunden hat. Die Zahlung war am 30. 4.1972 fällig. Mit Rücksicht auf die kalendermäßige Bestimmung des Zahlungstages war eine Mahnung entbehrlich (§ 284 Abs. 2 BGB). Eine Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung fehlt. Wir wollen untersuchen, ob darauf unter bestimmten Voraussetzungen verzichtet werden kann. Die Vorschrift über die Nachfristsetzung ist nicht zwingend. Sie kann durch Parteivereinbarung ausgeklammert werden (RG 104, 375). Daneben gibt es von der Rechtsprechung entwickelte Grundsätze, denen zufolge die Nachfristsetzung unterbleiben darf. Das gilt vor allem, wenn der Schuldner ernsthaft und endgültig die Leistung verweigert oder wenn er selbst erklärt hat, er sei zur Leistung außerstande (RG 51,347; 129,145; st Rspr.). Ob der Schuldner die Leistung endgültig verweigern will - ganz gleich aus welchen Gründen - ist unter Anlegung eines strengen Maßstabes zu prüfen. Hinhaltende Erklärungen, Bitten um Stundung oder Ratenzahlung genügen nicht (RG 66, 430). Deswegen hätte V im vorliegenden Falle eine Nachfrist mit Ablehnungsandrohung setzen müssen. Seine sofortige Rücktrittserklärung ist unwirksam. Weitere Beispiele vgl. BGH Betr 71,1203; NJW 71,798; LM (De) Nr. 2 zu § 326.

Fall Nr. 24a: V hat dem K eine Sortiermaschine verkauft. Den Kaufpreis hat K im voraus bezahlt, weil V ihm gesagt hat, er sei im Moment etwas „schwach". Lieferung hat V für den 1. 3. 1977 versprochen. Den Termin kann er nicht einhalten; denn er hat das Geld bereits für andere Dinge ausgegeben. Am 3. 3.1977 erfährt K von den Gründen der Lieferverzögerung. Daraufhin schreibt er dem V, er löse alle Geschäftsbeziehungen auf, verlange die Anzahlung zurück und weitere 500,- DM, die er aufwenden muß, um sich anderweitig einzudecken. Ist K im Recht?

Fall Nr. 25: Interessewegfall Hotelier H hat bei V für den 1. 6. 1972 Liegestühle bestellt. Er rechnet ab Juni mit den ersten Sommergästen. Nachdem V bis zum 10. 6.1972 nicht geliefert hat, teilt H dem V am 12. 6. 1972 mit, daß er sich noch am selben Tage die Liegestühle im örtlichen Kaufhaus beschaffen werde und auf die Belieferung durch V verzichte. Am nächsten Tage erscheint V mit den Liegestühlen. Muß H sie abnehmen?

Lösung Von seiner Verpflichtung, die gekaufte Sache abzunehmen (§ 433 Abs. 2 BGB) ist H befreit, wenn er wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten ist. Seine Mitteilung an V, er verzichte auf die Belieferung durch ihn, kann als Rücktrittserklärung i. S. des § 349 BGB aufgefaßt werden. Ein Rücktrittsrecht könnte sich aus § 326 BGB ergeben. Da die Leistung kalendermäßig bestimmt war, ist V durch die Nichtlieferung am 1.6. 1972 ohne Mahnung in Verzug geraten (§ 284 Abs. 2 BGB). Eine Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung, wie nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB erforderlich, fehlt. Gemäß § 326 Abs. 2 BGB ist die Bestimmung einer Nachfrist jedoch entbehrlich, wenn das Interesse des Gläubigers an der Erfüllung des Vertrages infolge des Verzuges weggefallen ist. Ob das Interesse weggefallen ist, kann nurfürden Einzelfall beantwortet werden. Vgl. die Gegenbeispiele in RG 70,127; 96,129; BGH NJW 70,1502; WPM 71,617.

34 Ein typisches Beispiel für das Schwinden des Interesses ist die nicht rechtzeitige Belieferung mit Saisonartikeln (RG JW 05, 136). Ähnlich liegt unser Fall. Liegestühle sind zwar keine ausgesprochenen Saisonartikel, kommen ihnen aber sehr nahe, vor allem dann, wenn ein Gewerbetreibender, der zu einem wesentlichen Teil saisonabhängig ist, sie in seinem Betrieb rechtzeitig einsetzen möchte. Darauf, daß er sie auch nach Eintritt des Verzuges überhaupt noch gebrauchen kann, kommt es nicht an. Es genügt, daß ihm an einer alsbaldigen Beschaffung gelegen und ein weiteres Warten, was die Folge der Nachfristsetzung wäre, nicht zuzumuten ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. H konnte also ohne Nachfristsetzung vom Vertrage zurücktreten. Daher braucht er die Liegestühle nicht mehr abzunehmen.

Merke: Das Interesse muß infolge des Verzuges weggefallen sein. Fall Nr. 25a: Die Maschinenfabrik X-AG will auf der Bergbaumesse in Posen ihre neue Abbaumaschine ausstellen. Die Container soll die Inter-Transport bis zum 31.1. 1977 anliefern; denn die Sendung muß bis zum 10. 2. 1977 beim Zoll abgewickelt werden. Da die Inter-Transport bis zum 2. 2. 1977 nicht geliefert hat, läßt die AG in ihrer eigenen Schreinerei beschleunigt Verpackungskisten anfertigen. Der InterTransport gibt sie erst am 7. 2.1977 Nachricht von der Umdisposition. Gleichzeitig verlangt sie Ersatz von 5000,- DM Mehrkosten, die durch die Anfertigung in der eigenen Werkstatt angefallen sind. Mit Recht?

Fall Nr. 26: Fixgeschäft Kaufmann K hat bei X für das Weihnachtsgeschäft zur Lieferung am 15.11. 1971 200 Weihnachtsmänner aus Schokolade und 1000 Tafeln Schokolade in Weihnachtsverpackung bestellt. Ferner hat er den Waldbauern Y beauftragt, ihm spätestens bis zum 10.12.1971 50 Weihnachtsbäume zu liefern. Die Schokoladenartikel sind am 1.12. 1971 noch nicht eingetroffen. Daraufhin teilt K dem X mit, er trete vom Vertrage zurück. Die Weihnachtsbäume treffen am 24.12. 1971 ein. K lehnt die Annahme ab. Konnte K von den Verträgen zurücktreten?

Lösung a) Schokoladenartikel: Wir prüfen zunächst, ob K ein Rücktrittsrecht aus § 326 BGB hat. Daß X, dessen Leistung kalendermäßig bestimmt war, in Verzug geraten ist, liegt auf der Hand. Es fehlt wiederum die Nachfristsetzung mit der Ablehnungsandrohung. Da es sich um Saisonartikel handelt, ist eine Anwendung des § 326 Abs. 2 BGB in Betracht zu ziehen. Bejaht man einen Interessenwegfall mit der Begründung, K sei an der Erfüllung gerade dieses Vertrages nicht mehr interessiert, weil er sich nach einem anderen Lieferanten umsehen muß, der ihn sofort beliefert, dann steht dem Rücktrittsrecht aus § 326 Abs. 2 BGB nichts mehr im Wege. Aber: Da Verzug vorliegen muß, kann X den Rücktritt verhindern, wenn er nachweist, daß er die Verspätung nicht zu vertreten braucht. Wer die Erfüllung eines gegenseitigen Vertrages zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb einer bestimmten Frist wünscht, sollte

35 daher ein Fixgeschäft abschließen. Nach § 361 BGB ist der andere Teil (Gläubiger der fixierten Leistung) im Zweifel zum Rücktritt berechtigt, wenn die Leistung nicht zu der bestimmten Zeit oder innerhalb der bestimmten Frist erfolgt. Verzug ist also nicht Voraussetzung, d. h. auf Vertretenmüssen kommt es nicht an (RG 108, 159). Es genügt die bloße Fristüberschreitung. Das ist eine harte Regelung! Deswegen berechtigt § 361 BGB auch nur zum Rücktritt. Wer Schadensersatz verlangen will, muß nach § 326 BGB vorgehen! Ob ein Fixgeschäft vereinbart ist, kann sich aus den Gesamtumständen ergeben. Auslegungsprobleme bereiten aber immer Schwierigkeiten, und vor allem der Kaufmann sollte klare Vereinbarungen anstreben. Daher ist dringend anzuraten, sich der üblichen Klauseln zu bedienen, wenn das Geschäft Fixcharakter tragen soll. Üblich sind die Worte „genau", „präzis", „ f i x " , „prompt", „spätestens". Ungenügend sind die Worte „ohne Nachfrist", „binnen kürzester Frist", „sofort". (Weitere Beispiele vgl. Baumbach-Duden, § 376, Anm. 1C). Die letztgenannten Ausdrücke sind selbst auslegungsbedürftig und deswegen ungeeignet. Eine Klausel reicht zur Kennzeichnung eines Vertrages als Fixgeschäft nur aus, wenn sie den kalendermäßig bestimmten Leistungstag als letztmöglichen Termin zur Leistung hervorhebt. Das Reichsgericht hat die Formulierung geprägt, das Geschäft müsse mit der zeitgerechten Leistung „stehen und fallen". Auf die Bedeutung dieses Satzes ist noch an anderer Stelle einzugehen. Sieht man sich die „Schokoladengeschäfte" auf die Frage, ob ein Fixgeschäft vorliegt, näher an, so fällt zunächst das Fehlen einer Klausel auf. Hätte K mit X vereinbart: Lieferung spätestens (oder fix, prompt, genau, präzis) am 15.11. 1971, dann brauchte man keine Zweifel am Fixcharakter des Geschäftes zu hegen. So aber muß der Fixcharakter aus den Gesamtumständen abgelesen werden. Das ist hier möglich. Nach Weihnachten sind Weihnachtsmänner aus Schokolade nur noch zu erheblich herabgesetzten Preisen zu verkaufen. Ähnliches gilt für die Schokolade in Sonderverpackung; denn die Verpackung bietet nicht mehr den besonderen Anreiz zum Kauf. Das Ergebnis muß also lauten: K kann gem. § 361 BGB vom Kauf der Schokoladenartikel zurücktreten. b) Weihnachtsbäume: Hier wird der Fixcharakter des Geschäftes besonders deutlich. Weihnachtsbäume, die dem Wiederverkäufer erst am 24.12. geliefert werden, haben in aller Regel ihre Eigenschaft als absetzbare Ware verloren. Für so krasse Fälle erscheint die Formulierung des Reichsgerichtes passend. Hier steht und fällt das Geschäft mit der zeitgerechten Leistung. Daraus folgt weiterhin, daß die Leistung überhaupt nicht mehr nachholbar und damit unmöglich ist (vgl. den Unterschied zwischen Unmöglichkeit und Verzug; Fall Nr. 20). Wir haben hier gar kein Fixgeschäft im engeren Sinne vor uns. Deswegen finden auch nicht die §§ 326, 361 BGB Anwendung, sondern die §§ 275 ff., 323-325 BGB (BGH 60,16; NJW 74,1047). Fälle dieser Art sind z. B. Bestellung eines Hotelzimmers, eines Messeplatzes, Waren für Festveranstaltungen, Jubiläen. Jede verspätete oder auch verfrühte Leistung ist in solchen Fällen wirtschaftlich sinnlos und im rechtlichen Sinne unmöglich. Das Recht des K, vom Kauf der Weihnachtsbäume zurückzutreten, folgt mithin aus § 325 BGB. Bei Unmöglichkeit ist eine Nachfristsetzung schon begrifflich ausgeschlossen (denn was sollte eine Nachfrist, wenn die Leistung unmöglich ist?), so daß K ohne Umschweife zurücktreten konnte.

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Fall Nr. 26a: B baut eine Maschinenhalle. Der Unternehmer U hat den Bauzeitenplan des B, in dem fixe Termine für die Fertigstellung bestimmter Bauabschnitte und für die endgültige Fertigstellung genannt sind, akzeptiert. Nachdem U bereits mit der Fundamentierung eine Woche überzieht, schreibt ihm B, er habe das Vertrauen verloren und wünsche U nicht mehr auf der Baustelle zu sehen. Für die Mehrkosten, die durch die Beauftragung eines anderen Unternehmens entstehen könnten, mache er den U verantwortlich. Hat B sich sachgemäß verhalten?

Fall Nr. 27: Sorgfalt des ordentlichen Kaufmanns; Fixhandelskauf Der Möbelfabrikant F hat beim Holzhändler H für 10 000,-DM Furniere fix zum 5. 4. 1972 bestellt. Da die Furniere am 6. 4. 1972 noch nicht eingetroffen sind, teilt F dem H per Fernschreiben mit: „Ich storniere die bestellten Furniere wegen Fristüberschreitung. Habe die Furniere inzwischen anderweitig bestellt. Behalte mir Schadensersatzansprüche vor." H antwortet, er habe die Furniere am 5. 4. 1972 nicht liefern können, da an seinen drei ordnungsgemäß untergestellten LKW's in der Nacht zum 5. 4.1972 mutwillig die Windschutzscheiben zerstört worden seien. Um einen Ersatzwagen habe er sich vergeblich bemüht. Heute, am 6.4. 1972, könne er aber liefern. F lehnt trotzdem ab, weil er sich jetzt anderweitig festgelegt habe. Muß F die Furniere des H abnehmen?

Lösung F ist verpflichtet, die Furniere abzunehmen (§ 433 Abs. 2 BGB), wenn der Kaufvertrag nicht durch Rücktritt aufgelöst worden ist und keine Schadensersatzansprüche des F wegen Nichterfüllung bestehen. Ein Rücktrittsrecht des F aus § 326 Abs. 1 und 2 BGB scheidet aus, wenn H die Verspätung nicht zu vertreten braucht. Es fragt sich, ob die mutwillige Zerstörung der Windschutzscheiben an den ordnungsgemäß untergestellten LKW's ein Ereignis ist, das H trotz Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht abwenden konnte (§ 347 HGB). Wir sind hier auf einen neuen Haftungsmaßstab gestoßen. Nach § 276 Abs. 1 S. 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht läßt. Demgegenüber verlangt das HGB vom Kaufmann eine erhöhte Sorgfalt. Was unter einem ordentlichen Kaufmann zu verstehen ist, sagt das Gesetz allerdings nicht. Es kommt auf die Art des Geschäftes an. Das HGB nennt die ordentliche Sorgfalt eines Frachtführers (§ 429), ebenso die eines Reeders oder Schiffers (§§ 497, 511, 653 HGB). Außerhalb des Gesetzes läßt sich die Reihe fortsetzen für Groß- und Einzelhändler, Bankiers, Verleger usw. Eine sichere Beschreibung dieser „ordentlichen Sorgfalt" ist damit immer noch nicht erreicht. Sie muß für den einzelnen Fall bestimmt werden, notfalls durch den Richter. Allein mit der Erklärung, es sei ein gesteigertes Maß an Sorgfalt erforderlich, ist auch nicht viel gewonnen; denn dazu braucht man das Normalmaß der Sorgfalt. Sie sehen, wie schwer mit normativen (wertausfüllungsbedürftigen) Begriffen zu arbeiten ist. Solche Begriffe und Beweisschwierigkeiten tragen die gefürchteten Unsicherheiten in den Zivilprozeß. Die Sorgfalt des ordentlichen Kaufmanns muß nicht nur der Kaufmann persönlich beachten; dieselbe Pflicht trifft seine Hilfspersonen und Vertreter (vom Organ der Handelsgesellschaft bis zum Ladengehilfen!). Sie gilt nicht nur bei Handlungen,

37 die unmittelbar mit der Vertragserfüllung zusammenhängen. Auch Vorbereitungsmaßnahmen, z. B. Sicherung des Warenlagers gegen Diebstahl und Brand, die ausreichende Bevorratung, um lieferfähig zu sein, die Beschäftigung geeigneten Personals usw. fallen darunter. Schlechthin alles, was zur Führung eines kaufmännischen Betriebes notwendig ist, muß der Kaufmann mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes erledigen. Schließlich muß der Kaufmann seine besondere Sorgfaltspflicht erst recht beachten, wenn sein Partner kein Kaufmann ist (vgl. den Wortlaut des § 347 Abs. 1 HGB). Die Haftungsmaßstäbe sind nur milder, wenn es in den Vorschriften des HGB ausdrücklich für den Einzelfall bestimmt ist (§ 347 Abs. 2 HGB). Zur Wiederholung sollten Sie jetzt Fall Nr. 38 in Bd. I nochmals nachlesen. Dort sind die Grade der Fahrlässigkeit behandelt. Für unseren Fall werden wir feststellen müssen, daß H die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes beachtet hatte. Er braucht die Verspätung also nicht zu vertreten. Damit entfallen Ansprüche aus Verzug. Nun wenden wir uns dem § 361 BGB zu. Diese Vorschrift, die ein Vertretenmüssen der Verspätung nicht voraussetzt, gibt auf der anderen Seite nur ein Rücktrittsrecht, aber keinen Schadensersatzanspruch. Aus den Worten des F, er storniere wegen Fristüberschreitung, könnte man eine Rücktrittserklärung ablesen, wenn er nicht gleichzeitig von Schadensersatzansprüchen geredet hätte. Das könnte den Fall schwierig machen. Sie wissen hoffentlich noch: Wer den Vertrag durch Rücktritt aufgelöst (den Ast abgesägt) hat, kann nicht mehr Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Im Rahmen des § 361 BGB ist das Problem aber schnell gelöst: Da § 361 BGB sowieso nur ein Rücktrittsrecht gibt, ist der Vorbehalt, Schadensersatzansprüche geltend machen zu wollen, hier bedeutungslos. Neben dem Fixgeschäft nach bürgerlichem Recht gibt es den Fixhandelskauf (§ 376 HGB). Wie bei § 361 BGB ist für die Leistung eine bestimmte Zeit oder eine bestimmte Frist ausgemacht. Die Rechtsfolgen sind grundsätzlich die gleichen wie nach BGB: Wie bei § 361 BGB kann der andere Teil vom Vertrage zurücktreten, ohne eine Nachfrist setzen zu müssen und ohne daß es auf Vertretenmüssen der Verspätung ankommt. Ist Verzug gegeben (der Schuldner muß vertreten), dann kann der andere Teil Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen - also wie bei § 326 Abs. 2 BGB, aber ohne Nachfristsetzung und Ablehnungsdrohung. Ein Unterschied kommt hinzu: Der Gläubiger kann Erfüllung nur noch verlangen, wenn er sofort nach Ablauf der Zeit oder der Frist dem Schuldner anzeigt, daß er auf Erfüllung bestehe. Hier liegt die wichtigste Besonderheit des Fixhandelskaufes. Wer sich nicht sofort nach dem Ablauf der Zeit oder Frist mit dem Verlangen nach Erfüllung meldet, hat nur noch das Rücktrittsrecht oder, bei Verzug, den Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung. Wird Erfüllung verlangt, so wandelt sich der Handelsfixkauf in einen ganz gewöhnlichen Handelskauf. Der andere Teil hat nämlich zu erkennen gegeben, daß ihm an der Erfüllung noch gelegen ist, die Zeit also doch nicht die überragende Rolle gespielt hat. Selbstverständlich können die Parteien auch einen neuen fixen Zeitpunkt für die Leistung bestimmen. (Wegen der Schadensberechnung lesen Sie bitte § 376 Abs. 2 bis 4 HGB.) Nach herrschender Meinung gilt § 376 HGB auch dann, wenn nur ein Teil Kaufmann ist. Bedenken Sie die Gefahren für den Laien, der sich eine Ware, auf die er großen Wert legt, fix bestellt hat. Wenn er nach Fristablauf sich nicht „sofort" mit dem Verlangen auf Erfüllung meldet, hat er nur noch ein Rücktrittsrecht und, bei Verzug, den Schadensersatzanspruch! Zurück zum Fall: Da wir einerseits ein Verschulden des H nicht feststellen können, andererseits der

38 F keine Erfüllung des Vertrages wünscht, wird man seine Erklärung als Rücktritt auffassen müssen. Nun könnte die geringfügige Fristüberschreitung für einen vernünftigen Kaufmann Anlaß sein, die Furniere doch noch abzunehmen. Auch die Ausübung des Rücktrittsrechts nach § 376 HGB steht unter dem Grundsatz von Treu und Glauben. Sie darf also nicht mißbräuchlich oder gar schikanös sein. Davon wird man hier aber nicht sprechen können, weil F bereits einen Deckungskauf getätigt hat. Er müßte sich also übermäßig eindecken oder gegenüber dem neuen Vertragspartner vertragsbrüchig werden. Er darf folglich die Abnahme der bei H bestellten Furniere verweigern.

Fall Nr. 27a: Kaufmann A will in derZeit vom 14. bis 19. 3.1977 eine Werbewoche für Einbauküchen veranstalten. Zu diesem Zwecke hat er seine Lieferanten aufgefordert, ihm Ausstellungsstücke, die im Namen der Hersteller verbilligt angeboten werden sollen, bis zum 31.1. 1977 anzubieten. Hersteller H hat zwei Küchen angeboten und Aufstellung bis zum 5. 3. 1977 fix zugesagt, den Termin aber vergessen. Am 10. 3. 1977 erinnert ihn der A. Jetzt will H nicht mehr, weil er aus wettbewerbsrechtlichen Gründen Schwierigkeiten mit anderen Abnehmern befürchtet. Muß er trotzdem liefern?

Fall Nr. 28: Haftungsverschärfung durch Verzug V hat dem K für 5000,- DM einen Restposten Stoffe verkauft. Die Stoffe, die am 5. 4.1972 übergeben werden sollten, werden in der Nacht zum 7. 4.1972 gestohlen und von dem Dieb über die Grenze geschafft. K weist nach, daß er die Stoffe mit 750,- DM Gewinn hätte verkaufen können. Muß V die 750,- DM als Schadensersatz zahlen, obwohl er sein Lager, aus dem die Stoffe gestohlen wurden, ordnungsgemäß gesichert hatte?

Lösung Nach § 325 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Gläubiger (der andere Teil) Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, wenn die dem Schuldner aus einem gegenseitigen Vertrag obliegende Leistung infolge eines Umstandes unmöglich wird, den er - der Schuldner - zu vertreten hat. Im Normalfalle hat der Schuldner nur Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten (§ 276 Abs. 1 BGB); befindet er sich jedoch im Verzuge, dann verschärft sich seine Haftung gem. § 287 BGB. Nach Satz 1 dieser Vorschrift haftet er für jede Fahrlässigkeit. Das hat Bedeutung für Fälle, in denen er sonst für leichte Fahrlässigkeit nicht haftet (vgl. § 277 BGB). Wichtiger ist die Haftungsverschärfung nach § 287 S. 2 BGB. Hier wird dem Schuldner sogar die Haftung für die durch Zufall eintretende Unmöglichkeit aufgebürdet. Das ist eine üble Folge. Für den im Verzuge befindlichen V bedeutet sie, daß er den Diebstahl zu vertreten hat, obwohl sein Lager ordnungsgemäß gesichert war. Ähnlich wäre es ihm bei einem unverschuldeten Brand gegangen. Da der Schadensersatz wegen Nichterfüllung auch den entgangenen Gewinn umfaßt (§ 252 BGB), muß V die 750,- DM an K zahlen.

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Fall Nr. 28a: S schuldet dem K die Lieferung einer Regalwand, die S bei sich ausbauen und dem K am 1.3. 1977 zusenden soll. Die Absendung verzögert sich bis zum 4. 3. 1977, weil S seine neue Regalwand erst am 2. 3.1977 bekommt. Auf dem Transport von S nach K wird die Ladung durch einen Unfall vernichtet, den ein unbekannter, sehr wahrscheinlich angetrunkener Verkehrsteilnehmer verursacht hat. Muß K trotzdem den vereinbarten Kaufpreis zahlen?

Fall Nr. 29: Zinspflichten im Schuldnerverzug Bauunternehmer U hat dem Bauherrn B die Werklohnforderung bis zum 30. 11. 1971 gestundet. Da B nicht zahlt, verklagt er ihn am 3. 4. 1972. Neben der Forderung von 20 000,- DM fordert er mit der Begründung, er nehme selbst Bankkredit zu 11% Zinsen in Anspruch, von B ebenfalls 11% Zinsen seit dem 1.12. 1971. Ist die Zinsforderung berechtigt?

Lösung Nach § 288 Abs. 1 S. 1 BGB ist eine Geldschuld im Verzug mit 4% jährlich zu verzinsen. Aus beiderseitigen Handelsgeschäften beträgt der Verzugszins 5% (§352 HGB). Daß B ab 1.12. 1971 im Verzuge war, bedarf keiner näheren Darlegung (vgl. die §§ 284, 285, 279 BGB). Die Zinspflicht in Höhe von 4% reicht im Wirtschaftsleben meistens nicht aus, um den Schaden auszugleichen, den der Gläubiger dadurch erleidet, daß er nicht rechtzeitig über das ihm gebührende Geld verfügen kann. Deswegen lassen sich professionelle Geldgeber, also vor allem Kreditinstitute, für den Fall des Verzuges schon im Darlehensvertrage höhere Zinsen versprechen (§ 288 Abs. 1 S. 2 BGB). Auch Verkäufer, Unternehmer, Vermieter und Verpächter könnten sich vertraglich einen höheren Verzugszins zusagen lassen; aber vielfach möchte man bei Vertragsschluß davon nicht sprechen oder man denkt nicht daran. Gerät der Schuldner später mit der Bezahlung in Verzug, ist nach § 288 Abs. 2 BGB die Geltendmachung eines weiteren Schadens nicht ausgeschlossen. § 288 Abs. 2 BGB ist nur ein Hinweis auf § 286 BGB, wonach der Schuldner den Verzögerungsschaden zu ersetzen hat. Wenn der Gläubiger aus Gründen der eigenen Liquidität Kredit mit einem höheren Zinssatz als 4 oder 5% aufnehmen muß, kann er seine höhere Zinslast als Verzögerungsschaden geltend machen. Im Gegensatz zu dem gesetzlichen Zinssatz (4 bzw. 5%) oder dem vereinbarten Zinssatz muß er den als Verzögerungsschaden geltend gemachten höheren Zins (weiterer Schaden i. S. d. § 288 Abs. 2 BGB) jedoch im Prozeß beweisen. Wenn dem U dieser Beweis gelingt oder wenn B die Kreditaufnahme und die Höhe der dafür zu zahlenden Zinsen nicht bestreitet, wird U mit der Zinsforderung Erfolg haben. Wegen der sogenannten Prozeßzinsen lesen Sie bitte § 291 BGB. Rechtshängig ist ein Anspruch, wenn die Klage, mit dem er geltend gemacht wird, zugestellt worden ist. (Vgl. dazu Fall Nr. 74 in Bd. I.)

Fall Nr. 29a: In einem Bauvertrag heißt es, daß der Bauherr B im Zahlungsverzug jedenfalls 1 % über Lombardsatz als Verzugszinsen zu zahlen habe. Kann U diese Zinsen verlangen, obwohl er keinen Bankkredit in Anspruch nimmt? Was heißt Lombardsatz?

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Fall Nr. 30: Gläubigerverzug K hat von V einen PKW gekauft. V soll den Wagen nach Zulassung bei K am 4. 4. 1972 in den Nachmittagsstunden abgeben. K ist am Nachmittag nicht zu Hause, weil erwegen Straßenkrawalle keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen konnte. V fährt den Wagen in die Garage des K und legt den Zündschlüssel in das Handschuhfach. Trotzdem wird der Wagen gestohlen. Kann V den vereinbarten Kaufpreis von 9000,- DM verlangen?

Lösung Nach § 433 Abs. 2 BGB muß der Käufer den vereinbarten Kaufpreis zahlen und die gekaufte Sache abnehmen. Wird die aus einem gegenseitigen Vertrage dem einen Teil obliegende Leistung jedoch infolge eines Umstandes unmöglich, den weder er noch der andere zu vertreten hat, so verliert er den Anspruch auf die Gegenleistung (§ 323 Abs. 1 S. 1 BGB). Wir prüfen zunächst, ob die Leistung unmöglich geworden ist. Wenn es sich um einen Neuwagen gehandelt hat - davon wollen wir ausgehen - dann war der geschuldete Gegenstand nur der Gattung nach bestimmt, und es gilt der Grundsatz des § 279 BGB: Der Schuldner muß liefern, solange noch Leistung aus der Gattung möglich ist. Auf die konzentrierte Gattungsschuld sind jedoch die Vorschriften über die Stückschuld anzuwenden (vgl. Fall Nr. 8). Also müssen wir untersuchen, ob V die Gattungsschuld konzentriert hatte. Sie haben gelernt, zur Konzentration müsse der Schuldner so viel tun, daß der Gläubiger nur noch zuzugreifen braucht. Heute können wir das genauer formulieren: Der Schuldner muß seine Leistung in einer den Annahmeverzug begründenden Weise anbieten. So lassen sich für die Vielzahl der Fälle die Voraussetzungen einer Konzentration der Gattungsschuld am besten beschreiben. Was ist nun unter Annahmeverzug, auch Gläubigerverzug genannt, zu verstehen? Nach § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Merken Sie sich gleich an dieser Stelle: Vertretenmüssen (Verschulden) ist keine Voraussetzung des Gläubigerverzugs. Deswegen gewährt der Gläubigerverzug dem Schuldner auch keinen Schadensersatzanspruch. Gemäß § 294 BGB muß dem Gläubiger die Leistung so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten werden. Das ist das tatsächliche Angebot. In unserem Falle hat V den Wagen abredegemäß nach Zulassung auf K und am Nachmittag an dessen Wohnung präsentiert. Damit hat er den Anforderungen an das tatsächliche Angebot genügt. Nichtannahme bedeutet nicht mehr als fehlende Entgegennahme (oder Unterlassung einer Mitwirkungshandlung) der angebotenen Leistung. Eine Verweigerung der Annahme ist nicht erforderlich. Es genügt das bloße Fehlen der Entgegennahme. Da in § 433 Abs. 2 BGB von den Käuferpflichten die Rede ist und dort die Abnahme ausdrücklich erwähnt wird, ist es herrschende Ansicht, diese Abnahme sei keine Gläubigerpflicht sondern eine Schuldnerpflicht. Also begründe das Fehlen der Abnahme durch den Käufer wenn die übrigen Voraussetzungen gegeben sind-Schuldnerverzug und nicht Gläubigerverzug. Das ist eine am Wortlaut des Gesetzes klebende Auslegung. Jede Pflicht im Rechtssinne, und nur von solchen kann hier die Rede sein, ist eine geschuldete Leistung. Mitwirkungspflichten, z. B. die Anprobe eines Maßanzuges oder das öffnen der Tür, damit der Handwerker das Haus betreten kann, nehmen keinen anderen Rang ein. Wer auf den Wortlaut und die Systematik des Gesetzes so großen Wert legt, kommt nicht umhin, die in § 433 Abs. 2 BGB

41 erwähnte Abnahme grundsätzlich auch als Hauptpflicht (als im Gegenseitigkeitsverhältnis stehend) anzusehen; diese Folgerung wird aber nicht für alle Fälle gezogen. Dabei ist nicht zu übersehen, daß die Abnahme im Einzelfall wegen der Wichtigkeit für den Verkäufer eine echte Schuldnerpflicht, bisweilen sogar eine Hauptpflicht darstellt (z. B. Verkauf eines Haustieres in „gute Hände"; Verkauf schrottreifer Autos, Verkauf eines baufälligen Hauses - nicht des Grundstücks - zum Abbruch). In solchen Fällen ist dem Käufer oft weniger am Kaufpreis gelegen als daran, daß er sich der Sache entledigen kann. Zum Problem vgl. Pal.-Heinrichs, §293, Anm. 5; Erman-Battes, Rdn. 1 6 V o r § 293.

So liegt unser Fall indessen nicht. Deswegen betrachten wir die A b n a h m e - besser Entgegennahme - des Neuwagens als eine Gläubigerpflicht i. S. des § 293 BGB. (Ein Händler, der auf vielen Neuwagen sitzt und keinen Stellplatz mehr hat, kann allerdings auch ein gesteigertes Interesse an der Abnahme haben. Es kommt eben immer auf den Fall an!) Da K den Wagen nicht entgegengenommen hat - der Grund seiner Verhinderung spielt keine Rolle - ist er in Annahmeverzug geraten. Die Gattungsschuld war also konzentriert. Als Stückschuld ist die Leistung unmöglich geworden. Ob subjektive oder objektive Unmöglichkeit anzunehmen ist, brauchen wir wegen der rechtlich gleichen Folgen nicht zu entscheiden. Im Rahmen des § 323 Abs. 1 S. 1 BGB ist nun zu erwägen, ob der Schuldner - hier V - die Unmöglichkeit zu vertreten hat. Nach § 276 Abs. 1 BGB hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Darunter fällt auch leichte Fahrlässigkeit; ob V leicht fahrlässig gehandelt hat, braucht aber nicht entschieden zu werden, wenn für den Schuldner im Gläubigerverzug ein anderer Haftungsmaßstab gilt. Gem. § 300 Abs. 1 BGB hat der Schuldner im Gläubigerverzug nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Als grob fahrlässig kann man das Verhalten des V nicht bezeichnen. Folglich hat er die Unmöglichkeit nicht zu vertreten. Vielmehr greift § 324 Abs. 2 BGB ein. Danach behält der Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung, wenn seine Leistung infolge eines von ihm nicht zu vertretenden Umstandes zu einer Zeit unmöglich wird, zu welcher der andere Teil im Verzuge der Annahme ist. Die Leistung des V ist ohne daß er es vertreten muß unmöglich geworden, als K sich bereits im Annahmeverzug befand. Deswegen hat V den Anspruch auf den Kaufpreis behalten.

Fall Nr. 30a: D ist nebenberuflich Dozent an der Gesamthochschule G. In der Zeit vom 1. bis zum 19.2. 1977 werden die Abschlußklausuren geschrieben. Die Studenten erscheinen deswegen nicht mehr zu den Vorlesungen des D, so daß D vor leeren Bänken steht. Muß die Gesamthochschule dem D die ausgefallenen Stunden bezahlen? Vgl. die arbeitsrechtlichen Probleme und RG 106, 276; BGH 24, 96; 60,17; BAG AP § 6 1 5 Nr. 29; 3,346.

Fall Nr. 31: Gläubigerverzug; wörtliches Angebot, überflüssiges Angebot Die Fleischwarenfabrik K hat von dem Großviehhändler V, der eine eigene Mastanstalt betreibt, 100 Kälber gekauft. In den vereinbarten Lieferungsbedingungen des V heißt es: „Liefermöglichkeit aus eigenem Bestand bleibt vorbehalten. Der Ver-

42 kauf erfolgt ab Stall. Die Gefahr des Aufladens trägt der Käufer. Abholung am 28. 4. 1972." Da K nicht erscheint, telefoniert ihm V am 29. 4. 1972, er halte die Kälber noch bis zum 3. 5. 1972 bereit. Dann müsse er sie aus Platzgründen anderweitig verkaufen. Er weise darauf hin, daß die Preise fallen. a) Als K a m 4. 5.1972 erscheint, hat V nur noch 50 Kälber im Stall, die an X verkauft sind. Die für K bestimmten Kälber hat er 1 Stunde vorher an D verkauft. Kann K die 50 Kälber verlangen? b) Abwandlung: Das Ordnungsamt hat den gesamten Bestand des V wegen einer Tierseuche beschlagnahmt. Muß V sich anderweitig Kälber für die Belieferung des K beschaffen? c) Abwandlung: V verlangt zusätzlich die Futterkosten für 5 Tage. d) Abwandlung: V hat die Kälber am 4. 5. 1972 mit einem Mindererlös von 1000,D M an Y verkauft. Muß K diese 1000,- DM erstatten? Lösung Zu a): K hat nach § 433 Abs. 1 B G B einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung der verkauften Sache. Verkauft waren ihm 100 Kälber aus dem Vorrat des V. Die Lieferpflicht des V ist als Gattungsschuld anzusehen, so daß er, von der Qualität her gesehen, Kälber mittlerer Art und Güte zu liefern hat. Da solche auch außerhalb der Ställe des V zu haben sind, erscheint die Beschaffungsmöglichkeit zunächst unproblematisch. V wollte aber nur aus seinem Bestand liefern, m. a. W. er wollte seine Leistungspflicht auf den eigenen Vorrat beschränken. Das ist vielfach üblich, insbesondere bei Personen, die ihre eigenen Erzeugnisse verkaufen (Landwirte, Forstwirte, Fabrikanten). Man spricht dann von einer beschränkten Gattungsoder Vorratsschuld (Klausel: „ . . . solange der Vorrat reicht", „ . . . aus unserer Produktion"). Hier tritt an die Stelle des Unterganges der Gattung (§ 279 BGB) der Untergang oder die Vernichtung des Vorrates. Da V noch 50 Kälber hat, fragt es sich, ob K sie beanspruchen kann. Der schuldrechtliche Anspruch des X auf diese Kälber richtet sich nur gegen V. Deswegen beeinträchtigt der zweite Kaufvertrag die zeitliche Reihenfolge der Vertragsabschlüsse spielt keine Rolle - den Lieferanspruch des K nicht. Anders ist die Rechtslage möglicherweise zu beurteilen, wenn K im Gläubigerverzug war. Ein tatsächliches Angebot ist nicht erfolgt; es war aber auch nicht erforderlich, wie sich aus § 295 B G B ergibt. Danach genügt ein wörtliches Angebot, wenn der Gläubiger dem Schuldner erklärt hat, daß er die Leistung nicht annehmen werde, oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist (Anprobe, Ausübung eines Wahlrechts, Abruf der Lieferung, Rechnungserteilung), insbesondere, wenn der Gläubiger die geschuldete Leistung abzuholen hat. Hier steht dem Angebot der Leistung die Aufforderung an den Gläubiger gleich, die erforderliche Handlung vorzunehmen. Wir können aber noch einen Schritt weitergehen: Wenn für die vom Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, so bedarf es des Angebotes nur, wenn der Gläubiger die Handlung rechtzeitig vornimmt (§ 296 S. 1 BGB). Diese Vorschrift ist das Gegenstück zu § 284 Abs. 2 B G B (nachlesen!). Bei kalendermäßiger Bestimmung der Handlung des Gläubigers ist also ein Angebot überflüssig. So liegt unser Fall. K hatte die Abholung, die kalendermäßig bestimmt war, versäumt. Auf die Gründe dafür (Vertretenmüssen) kommt es nicht an. Mithin ist er in Gläubigerverzug geraten Das hat jedoch grundsätzlich nicht zur Folge, daß der Schuldner - hier V - von seiner Leistung frei wird. Die Wirkungen des Gläubigerverzugs sind für den Be-

43 reich des Bürgerlichen Rechts in den §§ 300-304 BGB und einigen Einzelbestimmungen (§§ 264 Abs. 2,372,383,274 Abs. 2,322 Abs. 2,324 Abs. 2,615,642, 644 BGB) geregelt. Für den handelsrechtlichen Bereich ist daneben das Recht des Selbsthilfeverkaufs von Bedeutung (§ 383 HGB). Nach keiner dieser Bestimmungen entfällt die Leistungspflicht des Schuldners ohne weiteres; sie wird nur modifiziert. Ansonsten bleibt es bei der Regelung der §§ 275, 323ff. BGB. Auch § 300 Abs. 2 BGB bringt insoweit nichts Neues. Er ist praktisch überflüssig. Wir müssen also prüfen, ob V nach § 275 BGB von der Leistung frei geworden ist. Da er die Tiere ohne die Voraussetzungen des Selbsthilfeverkaufs (§ 373 HGB) veräußert hat, hat er sich die Erfüllung schuldhaft teilweise unmöglich gemacht. K hat die Rechte aus §§ 325, 281 BGB; aber damit ist ihm nicht gedient. Er will die restlichen 50 Kälber, also Erfüllung, soweit sie noch möglich ist. Hier entstehen bei der beschränkten Gattungsschuld (Vorratsschuld) Schwierigkeiten. Folgendes ist anerkannt: Wenn der Vorrat von Anfang an für die vertragsgemäße Belieferung eines bestimmten Käuferkreises nicht reicht (z. B. mehrere Käufer bestellen aus der Zuckerrübenernte 1971; die Ernte reicht zur vollen Belieferung aller Käufer nicht aus), dann bilden die Käufer ohne ihr Zutun eine „Gefahrengemeinschaft". Vgl. RG 84, 125; 95, 268; Krückmann JW 19, 737. Sie müssen ihre Ansprüche anteilmäßig reduzieren. Unser Fall ist etwas anders gelagert. Hier bestand nicht von Anfang an ein fester Käuferkreis, den das Risiko vollständiger Belieferung aus einem bestimmten Vorrat verband. Es geht auch nicht um die anteilsmäßige Belieferung aller, sondern um die beiden Käufer, die übrig geblieben sind. Man wird auch hier den Grundsatz der Gefahrengemeinschaft anwenden müssen. Es kommt nicht darauf an, ob durch Naturereignis (zu geringe Ernte), durch vorhergehende Fehlkalkulation des Verkäufers (Abschluß zu vieler Kaufverträge) oder durch späteres Fehlverhalten des Verkäufers (wie hier - voreiliger Verkauf an Dritte) die Gefahrengemeinschaft ins Leben gerufen wird und wieviel Käufer an ihr noch beteiligt sind. Wer sich auf den Kauf aus Vorrat (beschränkter Gattung) einläßt, muß mit derartigen Einbußen an seinem Anspruch rechnen. Deswegen ist es trotz des Annahmeverzugs des K (sein Anspruch auf Lieferung bleibt der gesetzlichen Regelung zufolge dem Grunde nach bestehen!) billig, wenn X jetzt mit ihm teilen muß. Mehr kann K allerdings nicht verlangen. Im übrigen sind K und X auf Schadensersatzansprüche gegen V wegen zu vertretender teil weiser Unmöglichkeit angewiesen. Zu b): Wie wir bereits aus der Lösung zu a) wissen, tritt bei der beschränkten Gattungsschuld an die Stelle der Gattung der begrenzte Vorrat. Wenn er ohne Verschulden des Schuldners untergeht, wird der Schuldner frei wie bei einer Stückschuld. Die behördliche Beschlagnahme einer Ware fällt ebenfalls darunter. Wenn der Schuldner sie nicht verschuldet hat, wird er gem. § 275 BGB frei. Zu c): Nach § 304 BGB kann der Schuldner bei Gläubigerverzug Ersatz der Mehraufwendungen verlangen, die er für das erfolglose Angebot sowie für die Aufbewahrung und Erhaltung des geschuldeten Gegenstandes machen muß. Dazu gehören bei Tieren Kosten, die der Schuldner während des Gläubigerverzuges für die Fütterung der Tiere aufwendet. Dieser Aufwendungsersatz stellt jedoch keinen Schadensersatz dar! § 304 BGB durchbricht also nicht den Grundsatz, daß der Gläubigerverzug keine Schadensersatzpflicht des Gläubigers auslöst. Zu d): Der Ausgleich für den Mindererlös würde demgegenüber Ersatz eines Schadens

44 bedeuten. Vgl. § 252 BGB: Ersatz des entgangenen Gewinns. Nach den Vorschriften über den Gläubigerverzug ist das ausgeschlossen. Völlig anders stellt sich die Rechtslage dar, wenn man die Abnahme der Kaufsache als Schuldnerpflicht auffaßt. Das läßt sich gut begründen, wenn dem V an der pünktlichen Abnahme besonders gelegen war, weil er etwa für neue Kälber, die er am nächsten Tage erwartete, die Ställe räumen mußte. Sie sehen, wie dicht Gläubiger- und Schuldnerverzug beieinander liegen können. Deshalb sollte man bei Vertragsschluß deutlich machen, worauf Wert gelegt wird! Im Rahmen des Schuldnerverzuges kommt hier eine Abnahmepflicht als Nebenpflicht des Schuldners (Käufers) in Betracht. Daher können wir nicht § 326 BGB anwenden. Als Anspruchsgrundlage ist vielmehr § 286 BGB zu untersuchen. Die Abnahme war fällig am 28. 4.1972. Eine Mahnung erübrigte sich wegen § 284 Abs. 2 BGB. Das Vertretenmüssen wollen wir unterstellen. Es bleibt zu prüfen, ob der Schadensersatzanspruch nach § 286 BGB auch Fälle der vorliegenden Art erfaßt. Die in § 286 Abs. 1 BGB genannte Vermögenseinbuße, die mit den Worten beschrieben ist „durch den Verzug entstehenden Schaden", wird, wie Sie wissen, Verzögerungsschaden genannt (vgl. Fall Nr. 21). Davon zu unterscheiden ist der Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Ansprüche wegen Verzögerungsschadens treten neben den bestehengebliebenen Erfüllungsanspruch - der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung tritt an die Stelle des Erfüllungsanspruchs! Gerät der Schuldner mit Nebenpflichten aus einem gegenseitigen Vertrag oder mit Pflichten aus anderen (nicht gegenseitigen) Verträgen in Verzug, dann haftet er auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur unter der Voraussetzung des § 286 Abs. 2 BGB: Hat die Leistung infolge des Verzugs für den Gläubiger kein Interesse, so kann dieser unter Ablehnung der Leistung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Voraussetzung für den Ersatz des positiven Interesses ist also der Interessewegfall. Man kann nicht sagen, das Interesse des V am Verkauf der Kälber sei wegen Verzugs des Käufers K entfallen. Selbstverständlich ist V noch am Verkauf interessiert, sogar brennend, um Geld und freie Ställe zu bekommen. Der Preisverfall braucht ihn auch nicht zu beunruhigen; denn mit K hat er einen festen Kaufpreis vereinbart. Von einem Interessewegfall infolge Verzugs kann also keine Rede sein. Daher hat er auch keinen Schadensersatzanspruch nach § 286 Abs. 2 BGB. Wie ist dem V zu helfen? Bei einem Handelskauf hat der Verkäufer die Rechte aus § 373 HGB. Er kann hinterlegen, die Ware versteigern oder freihändig verkaufen. Wir gehen davon aus, daß V und K Vollkaufleute i. S. d. § 1 Abs. 2 Ziff. 1 HGB und die Kälber Waren i. S. dieser Bestimmung sind (zur Kauf man nseigenschaft und zum Begriff „Waren" vgl. Fall Nr. 52 und 22 in Bd. I). Es dürfte nicht einfach sein, lebendige Kälber zu hinterlegen. Eine Hinterlegung i. S. d. BGB (§§ 372-386; bitte nachlesen!) kommt ohnehin nicht in Betracht. Nach § 372 BGB können nur Geld, Wertpapiere, sonstige Urkunden und Kostbarkeiten das sind Sachen geringen Umfangs mit besonders hohem Wert, z. B. Schmuck hinterlegt werden. Diese Art der Hinterlegung ist durch die Hinterlegungsordnung vom 10.3.1937 (RGBl. 11937, 285), die dazu ergangene Durchführungsverordnung vom 12. 3.1937 und die Ausführungsbestimmungen vom 15. 3.1973 geregelt. Hinterlegungsstellen sind die Amtsgerichte.

Die Hinterlegung nach § 373 HGB kann demgegenüber auch in öffentlichen Lagerhäusern oder sonst in sicherer Weise geschehen. Was sonst sicher ist, muß für den Einzelfall entschieden werden.

45 Bei Kälbern bot sich die öffentliche Versteigerung an (§ 373 Abs. 2 S. 1 HGB). Sie geschieht nach § 383 BGB (nachlesen!), aber regelmäßig erst nach vorheriger Androhung. Das kann zeitraubend sein. Deswegen ist die Androhung überflüssig, wenn die Ware dem Verderb ausgesetzt und Gefahr im Verzuge besteht, oder wenn die Androhung aus anderen Gründen untunlich ist (§ 373 Abs. 2 S. 2 HGB). Schließlich konnte V die Kälber, die einen Marktpreis haben, freihändig, d. h. selbst verkaufen oder durch einen öffentlich ermächtigten Handelsmakler oder durch eine zur öffentlichen Versteigerung bestellte Person zum laufenden Preis verkaufen lassen. Auch diese Art der Verwertung hätte V dem K androhen müssen. Der Selbsthilfeverkauf erfolgt für Rechnung des säumigen Käufers (§ 373 Abs. 3 HGB). Das bedeutet: Mit Abschluß des Selbsthilfeverkaufs erlischt die Lieferschuld des Verkäufers. In Höhe des Erlöses, den der Verkäufer behalten kann, erlischt auch die Kaufpreisschuld des säumigen Käufers; aber soweit der Erlös zur Deckung des mit dem säumigen Käufer vereinbarten Kaufpreises nicht ausreicht, bleibt dessen Kaufpreisschuld bestehen. Auf diesem Wege hätte V sich vor einem Mindererlös schützen können, zumal er alle Kosten des Selbsthilfeverkaufs nach § 304 BGB (wenn man von Gläubigerverzug ausgeht) oder nach § 286 Abs. 1 BGB (wenn man von Schuldnerverzug ausgeht) und nach § 354 HGB sogar eine Provision vom Erlös hätte abziehen können. Letztlich - das ist für Kaufleute sicherlich der langwierigste Weg - hätte V den K auf Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Lieferung der Kälber verklagen können (§§ 433 Abs. 2, 320 BGB), um dann im Zwangsvollstreckungsverfahren auf weiteren Umwegen zu seinem Gelde zu kommen. Einzelheiten dazu wollen wir uns hier ersparen. Sie sehen, wie zahlreich die Möglichkeiten sind, aber auch, daß der Teufel im Detail steckt. Zu dieser Einsicht sollte der Fall verhelfen. Arbeiten Sie ihn mehrmals durch!

Fall Nr. 31a: S hat sich zum Fernstudium entschlossen und 3 Bände „Buchhaltung und Abschluß" bestellt. Die Leistungskontrolle soll durch Klausuren erfolgen. S traut sich nicht, die Klausuren zur Korrektur abzusenden. Der Veranstalter des Fernstudiums schreibt ihm, er habe für die Durchsicht der Klausuren ein Team angestellt. An den Kosten dieses Teams müsse sich S beteiligen, auch wenn er keine Klausur einsende. Muß S zahlen?

Fall Nr. 32: Erfüllungsgehilfe; positive Vertragsverletzung Hauseigentümer B hat den Installateur U beauftragt, Undichtigkeit am Heizkörperanschluß im Schlafzimmer zu beheben. Pünktlich schickt U seinen erfahrenen Gesellen G, der sich bisher in solchen Fällen stets korrekt verhalten hat. Dieses Mal entwendet er einen auf dem Frisiertisch liegenden Ring im Werte von 2000,DM. Bei der Reparatur benimmt er sich so tolpatschig, daß durch auslaufendes Wasser der Teppichfußboden beschädigt wird. Die Beseitigung des Schadens kostet 200,- DM. Ansonsten ist die Reparatur einwandfrei ausgeführt. Muß U dem B die entstandenen Schäden ersetzen?

46 Lösung Die Schäden, die G angerichtet hat, beruhen weder auf Verzug noch auf Unmöglichkeit. Da die Reparatur als solche ebenfalls nicht zu beanstanden ist, hat der Hauseigentümer auch keine Gewährleistungsansprüche aus Werkvertrag (§§ 633-635 BGB). Das Gesetz weist hier eine echte Lücke auf. Rechtswissenschaft und Rechtsprechung haben für Fälle dieser Art den Begriff der positiven Vertragsoder Forderungsverletzung entwickelt. Die in ständiger Rechtsprechung angewandten Grundsätze stellen inzwischen ein Gewohnheitsrecht dar. Der Streit darüber, wie die Schadensersatzpflicht aus positiver Vertragsverletzung und bei gegenseitigen Verträgen das Rücktrittsrecht dogmatisch zu begründen sind, ist zwar immer noch nicht völlig verebbt; er interessiert uns aber nicht. Halten Sie bitte fest: Unter den Begriff der positiven Vertragsverletzung fallen alle Pflichtverletzungen im Rahmen eines bestehenden Schuldverhältnisses - das muß nicht immer ein Vertrag sein (daher der Ausdruck „Forderungsverletzung") - die weder Unmöglichkeit noch Verzug herbeiführen und deren Folgen auch nicht von den gesetzlichen Gewährleistungsvorschriften erfaßt werden (z. B. §§ 459-493 BGB beim Kauf, §§ 633-639 BGB beim Werkvertrag). Der Ausdruck positive Vertragsverletzung ist nicht glücklich. „Positiv" ist irreführend, denn was kann an einer Verletzung positiv sein? Als Handlungen kommen positives Tun und Unterlassungen (negatives Tun) in Betracht. Auch von daher läßt sich das Wort „positiv" nicht rechtfertigen. Da Forderungen, die nicht aus einem Vertrag stammen, z. B. aus §§ 823 ff. BGB, verletzt werden können, ist der Ausdruck positive Forderungsverletzung vorgeschlagen worden. Man sollte die Namensgebung nicht zu hoch bewerten. Am besten eingebürgert hat sich der Ausdruck positive Vertragsverletzung (im folgenden abgekürzt: p W ) . Zur dogmatischen Vertiefung vgl. Stoll in AcP 136, 235 ff; Kopeke, Typen der positiven Vertragsverletzung, Stuttgart 1965; Canaris JZ 1965, 475; Thiele JZ 1967, 649; RG 52, 18; 53, 201; 54,102; 160, 314; BGH 14, 83; NJW 1958, 866 = MDR 1958, 422.

Da die Vertragsinhalte unübersehbar sind, sind auch die möglichen Vertragsverletzungen nicht im voraus zu erfassen. Eine Typisierung der Verletzungshandlungen ist ebenfalls kaum möglich, für praktische Bedürfnisse auch nicht erforderlich. Das Wort Schlechterfüllung gibt eine gute Hilfestellung. Einige Beispiele sollen das später noch verdeutlichen. Wir wollen prüfen, ob U den Werkvertrag (Reparaturvertrag) schlecht erfüllt hat. Er war nicht nur verpflichtet, pünktlich und fachgerecht zu leisten; es traf ihn vielmehr auch die Pflicht, bei der Reparatur die übrige Wohnungseinrichtung möglichst nicht zu beschädigen. Bei der Abwicklung eines Schuldverhältnisses hat der Schuldner die Pflicht, sich so zu verhalten, daß Person, Eigentum und sonstige Güter des anderen Teils nicht verletzt werden. Diese Schutzpflicht ist eine Nebenpflicht, die keiner besonderen Erwähnung im Vertrage oder im Gesetz bedarf. Wer sie mißachtet, erfüllt schlecht. Eine derartige Schlechterfüllung ist hier anzunehmen. U war gehalten, beim Ablassen des Heizungswassers fachgerechte Vorkehrungen zu treffen, um eine Verschmutzung des Teppichbodens zu verhindern. Die p W gewährt nur dann einen Schadensersatzanspruch oder ein Rücktrittsrecht (beim gegenseitigen Vertrag, RG 54, 98; 149, 404; BGH 11, 84; NJW 1969, 975), wenn sie schuldhaft begangen wird. Dieser Grundsatz ist der Regelung des Schuldnerverzuges und der Unmöglichkeit entnommen. Eigentlich müßten wir nun untersuchen, ob U schuldhaft Vertragspflichten verletzt hat; aber U hat die Handlungen, die unmittelbar den Schaden verursacht haben, gar nicht ausgeführt. Deswegen müssen wir prüfen, ob er für das Verhalten seines Gesellen G haftet.

47 Nach § 278 S. 1 BGB hat der Schuldner ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, im gleichen Umfange zu vertreten wie eigenes Verschulden. Was unter einem gesetzlichen Vertreter zu verstehen ist, müssen Sie wissen (wenn nicht, Fall Nr. 47 in Bd. I nachlesen!). „Personen, deren e r - d e r Schuldner-sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient", nennt man Erfüllungsgehilfen. Sie helfen dem Schuldner mit seinem Willen rein tatsächlich, ein bestehendes Schuldverhältnis zu erfüllen. Den Vorteil, den der Schuldner durch die Arbeitsteilung gewinnt, muß er mit der Haftung für seine Gehilfen erkaufen. Ihr Verschulden wird wie sein eigenes behandelt, ohne daß sich der Schuldner entlasten kann. Ob die Erfüllungsgehilfen zum Schuldner in einem Beamten-, Angestellten-, Arbeits- oder bloßem Gefälligkeitsverhältnis stehen, spielt keine Rolle. Der Geselle G, der dem U bei der Heizungsreparatur helfen sollte, war ein solcher Erfüllungsgehilfe. Der Schuldner haftet für den Erfüllungsgehilfen aber nur, wenn sich der Erfüllungsgehilfe (oder der gesetzliche Vertreter) in Erfüllung einer Verbindlichkeit betätigt hat. Daraus ist zweierlei abzuleiten: 1. Es muß bereits eine Verbindlichkeit bestehen. Im Wirtschaftsleben wird es sich meist um die Erfüllung vertraglicher Pflichten handeln. Hierzu gehören alle Pflichten, die der Schuldner selbst verletzen kann, also auch solche, die eine Haftung aus pVV begründen. Die den U treffende Pflicht, bei der Reparatur das Eigentum des B möglichst zu schützen, traf in gleicher Weise den G. In Erfüllung dieser Verbindlichkeit hat G versagt. Aus dem Wort „tolpatschig" entnehmen wir, daß er grob fahrlässig gehandelt hat. Diese schuldhafte pVV geht zu Lasten des U. Er muß die Reparaturkosten in Höhe von 200,- DM zahlen. 2. In Erfüllung einer Verbindlichkeit handelt nicht, wer nur bei Gelegenheit der Erfüllung tätig wird. Vgl. RG 63,343; BGH NJW 1965,1709; VersR 1966,1154. Die schuldhafte Handlung muß immer in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang mit den Aufgaben stehen, die dem Erfüllungsgehilfen gerade im Hinblick auf die Vertragserfüllung zugewiesen waren. Vgl. BGH 31, 366. Nutzt er seine Stellung als Erfüllungsgehilfe nur aus, um Handlungen zu begehen, die in keinem Zusammenhang mit der Vertragserfüllung stehen, dann haftet der Schuldner nicht. Ein gutes Mittel zur Feststellung, ob der Erfüllungsgehilfe in Erfüllung der Verbindlichkeit oder nur bei Gelegenheit der Erfüllung gehandelt hat, ist die Frage: Hat der Erfüllungsgehilfe gehandelt, um zu erfüllen? Ist diese Frage zu bejahen, dann haftet der Schuldner, mag sich der Erfüllungsgehilfe auch noch so unsachgemäß verhalten haben. Zwischen dem Diebstahl des Ringes und der Heizungsreparatur besteht keine sachliche Verbindung. G hat gestohlen, um sich zu bereichern, nicht um eine Vertragspflicht des U zu erfüllen. Deshalb haftet U nicht für den durch Diebstahl angerichteten Schaden. Fall Nr. 32a: Die Bauträgergesellschaft mbH hat für den Hotelkonzern X-AG mehrere Hotelbauten errichtet und dabei den Architekten A eingeschaltet. A hat etliche Hotelzimmer mit WC ohne Außenentlüftung geplant und gebaut. Da die Innenentlüfung zu schwach ist, hält sich in den Zimmern der WC-Geruch übermäßig lange, so daß die Zimmer kaum zu vermieten sind. Die X-AG muß daher ständig höhere Beträge für die „Desodorierung" ausgeben. Muß die GmbH diese Beträge ersetzen?

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Fall Nr. 33: Haftung für Organe G ist Geschäftsführer der X-Städter Feuerungsbau GmbH und für die kaufmännischen Angelegenheiten verantwortlich. Die GmbH hat beim Kunden K eine Großbackanlage installiert und für 5 Jahre die Wartung gegen einen Festpreis übernommen. Während der Ferienzeit, als der technische Geschäftsführer in Urlaub weilt, gibt G auf Anfrage des K eine falsche Auskunft über die Bedienung des Thermostaten. Dadurch verbrennt eine Charge Brot. Der Schaden beläuft sich auf 1000,- DM. Die GmbH will nicht zahlen. Sie stellt sich auf den Standpunkt, G sei von ihr nur für die kaufmännischen Angelegenheiten angestellt worden, und deswegen könne sie für sein eigenmächtiges Vorgehen nicht haften. Muß die GmbH zahlen?

Lösung Der Anspruch des K gegen die GmbH könnte sich aus einer p W ergeben. Auskunftspflichten bestehen häufig in Form von Nebenpflichten. So ist, wer eine gefährliche Anlage installiert hat, verpflichtet, dem Besteller die erforderliche Aufklärung und Auskunft zu geben. Das gilt erst recht, wenn zusätzlich ein Wartungsvertrag besteht. G hat eine „schlechte" Auskunft gegeben. (Beispiele für Verletzung von Aufklärungspflichten vgl. Pal.-Heinrichs, § 276, Anm. 7c dd). Sein Verhalten erfüllt objektiv die Voraussetzungen der pVV. Daß er auch schuldhaft gehandelt hat, unterstellen wir. Nun wollen wir uns mit dem Verteidigungsvorbringen der GmbH befassen. Sie will darlegen, G sei nicht mit ihrem Willen auf diesem Sektor tätig geworden und deswegen kein Erfüllungsgehilfe. Dabei übersieht die GmbH folgendes: Der Geschäftsführer einer GmbH ist ihr Organ (ebenso der Vorstand des rechtsfähigen Vereins, der AG, der vertretungsberechtigte Komplementär der KG, der vertretungsberechtigte Gesellschafter einer OHG). Das Organ ist niemals Erfüllungsgehilfe und auch nicht gesetzlicher Vertreter i. S. d. § 278 BGB. Handlungen des Organs einer juristischen Person werden so angesehen, als habe die juristische Person selbst gehandelt. Die Organe sind gleichzusetzen mit den Organen einer natürlichen Person. So wie der Schuldner, wenn er eine natürliche Person ist, sich nicht von dem Verhalten seiner Hände und Beine lossagen kann, kann sich die juristische Person nicht vom Handeln ihrer Organe, die sie zum Tätigwerden unbedingt braucht, trennen. Das Handeln der Organe ist Handeln der juristischen Person. Für den Grundgedanken des § 278 BGB ist überhaupt kein Raum. Es hat nicht jemand anders gehandelt, für den der Schuldner evtl. haftet, sondern der Schuldner hat durch sein eigenes Organ selbst gehandelt. Deswegen muß die GmbH für die schlechte Auskunft ihres Geschäftsführers einstehen. Die hier vertretene Ansicht ist nicht die h. L.! Das Reichsgericht und der Bundesgerichtshof wenden auch auf Organe § 278 BGB an. Zum Problem mit Hinweisen auf Literatur und Rechtsprechung vgl. Erman-Battes, § 278, Rdn. 12.

Fall Nr. 33a: K will sein einzelkaufmännisches Unternehmen auf eine GmbH umstellen, weil er glaubt, das neue Körperschaftssteuerrecht mache die Sache reizvoll. Außerdem möchte er der persönlichen Haftung entgehen. G, Geschäftsführer der Treuhandund Wirtschaftsprüfer GmbH, rät ihm dringend dazu. Das Finanzamt findet in der

49 Umwandlung eine Entnahme und die Auflösung aller stillen Reserven. K muß aus diesem Anlaß 400 000,- DM Steuern mehr zahlen. Unterstellt, der Rat des G war sachlich falsch, haftet die GmbH? Kann sie sich darauf berufen, daß G bisher immer zuverlässige Auskünfte gegeben habe?

Fall Nr. 34: pVV bei Dauerschuldverhältnissen Die Signal-Brauerei hat einen Bierlieferungsvertrag mit dem Gastwirt G, wonach G monatlich 50 hl abzunehmen hat und bis zum 31. 12. 1975 kein anderes Bier ausschenken darf. Die ersten 5 Lieferungen der Brauerei enthielten 3-5 hl angesäuertes Bier. Zwar hat die Brauerei das unbrauchbare Bier gegen einwandfreies ausgetauscht; G möchte aber trotzdem vom Vertrage mit der Brauerei los, weil er ihrer Produktion nicht mehr traut. Kann er vom Vertrage zurücktreten oder kündigen?

Lösung Ein Vertrag, durch den sich jemand zum regelmäßigen Bezug von Bier gegen Entgelt verpflichtet, ist ebenso ein Kaufvertrag wie der einmalige Kauf einer Flasche Bier an der Trinkhalle. Im Kaufrecht suchen wir vergeblich nach einem Kündigungsrecht. Die Wandlung (§ 462 BGB) gleicht dem Rücktritt; aber Wandlung ist nur hinsichtlich der mangelhaften Lieferungen denkbar. Darum geht es nicht mehr, weil die Brauerei das mangelhafte Bier zurückgenommen hat. Verzug und Unmöglichkeit scheiden ebenfalls aus. Deswegen wollen wir prüfen, ob aus pVV ein Rücktritts- oder Kündigungsrecht gegeben ist. Obwohl der Bierbezugsvertrag des G mit der Brauerei und der entgeltliche Erwerb eines Glases Bier ihrem juristischen Gehalt nach Kaufverträge sind, besteht zwischen ihnen doch ein Unterschied. Der Kauf des Glases Bier ist ein einmaliger Vorgang, der sich in relativ kurzer Zeit abspielt, während der Bierbezugsvertrag sich auf eine relativ lange Zeit erstreckt. Verträge, die sich nach ihrer Zweckbestimmung über einen längeren Zeitraum erstrecken sollen, nennen wir Dauerschuldverhältnisse. Literaturhinweis: Esser, § 23 II; Larenz, § 2 VI. Typische Verträge dieser Art sind Gesellschaft, Miete, Pacht, Arbeitsvertrag, u. U. Darlehen und Leihe. Zu diesen Dauerschuldverhältnissen paßt das Rechtsinstitut der Kündigung, die solche Verhältnisse für die Zukunft beendet (vgl. Unterschied zwischen Anfechtung und Kündigung, Fall Nr. 17 in Bd. I). Eine Unterart des Dauerschuldverhältnisses ist der Teillieferungsvertrag, auch Bezugs- oder Sukzessivlieferungsvertrag genannt. In einem solchen Vertrage verpflichtet sich der Empfänger, während eines bestimmten Zeitraumes in Raten bestimmte Mengen abzunehmen (Beispiele aus der Rechtsprechung: RG 148, 330; BGH NJW 1972, 246). Der Lieferant verpflichtet sich zur entsprechenden Lieferung. Es besteht Einigkeit darüber, daß solche Verträge, auch wenn sie ihrem Wesen nach Kaufverträge sind, unter ganz bestimmten Voraussetzungen gekündigt werden können. Vielleicht fragen Sie jetzt: „Warum läßt man den Rücktritt nicht genügen?" Die Antwort müssen Sie sich nach einigem Überlegen selbst geben können: Bei der Kündigung bleibt die Vergangenheit unangetastet (die ausgetauschten Leistungen bleiben beim jeweiligen Empfänger); aber nach dem Rücktritt müssen die empfangenen Leistungen einander zurückgewährt werden (§ 347 BGB). Wie sollte das z. B. bei einer Wohnraumnutzung geschehen? Zwar wird der Rücktritt nicht ausgeschlossen, wenn der Gegenstand, den der Zurücktretende empfangen hat,

50 durch Zufall untergegangen ist (§ 350 BGB); von dem verkauften Bier wird man das aber nicht sagen können! Deswegen benötigt die Praxis zur Beendigung von Dauerschuldverhältnissen die Kündigung.

Zur Wiederholung: Halten Sie die unterschiedlichen Wirkungen von Anfechtung, Rücktritt und Kündigung nebeneinander! Wenn bei einem Teillieferungsvertrag einzelne Lieferungen ausbleiben, zu spät eintreffen oder mangelhaft sind, so hat der Empfänger (Käufer) hinsichtlich jeder einzelnen Lieferung die Rechte aus Unmöglichkeit, Verzug oder Gewährleistung. Aufs Vertragsganze gesehen stellt jedoch jede unterbliebene, verspätete oder mangelhafte Lieferung auch eine Schlechtlieferung im Sinne einer pVV dar, die geeignet ist, die Vertrauensgrundlage zwischen den Partnern zu zerstören. Daher erwächst aus wiederholt unmöglichen, verspäteten oder mangelhaften Teillieferungen bei Teillieferungsverträgen ein Kündigungsrecht. 5 mangelhafte Lieferungen innerhalb einer kurzen Zeit reichen aus, um die Vertrauensgrundlage zu zerstören. Zu beachten ist allerdings: Da hier subjektive Elemente einfließen (Vertrauensgrundlage), ist es nicht unerheblich, wie sich der Schuldner nach der Vertragsverletzung verhält. Die Brauerei hat prompt die mangelhaften Lieferungen ersetzt. Das kann im Einzelfall eine erhebliche Rolle spielen. Hinweise auf die Rechtsprechung finden Sie bei Pal.-Heinrichs, § 276, Anm. 7e cc; §326, Anm. 13. Merke: Bei Dauerschuldverhältnissen berechtigt die p W auch zur Kündigung!

Fall Nr. 34a: Unternehmer U führt seit Jahren bei der X-AG alle Reparaturen aus, die im Bereich der Maurerarbeiten liegen. Sein Vertrag läuft noch bis zum 31.12.1980. Bei Überprüfung der für das Jahr 1976 eingereichten Stundenlohnzettel stellt das Baubüro der X-AG fest, daß U fahrlässig oder vorsätzlich um etwa 25% zuviel Stunden berechnet hat. Die Leitung der X-AG hat deswegen Zweifel an der Zuverlässigkeit des U und möchte den Vertrag fristlos kündigen. Ist das rechtlich erlaubt? Vgl. auch § 649 BGB und die Nachteile einer Kündigung nach dieser Vorschrift.

Fall Nr. 35: Verschulden beim Vertragsschluß Die B-Bank verhandelt mit S über die Gewährung eines Kredits. S braucht, wie die B-Bank weiß, das Geld sehr dringend. Das Darlehen soll durch eine Grundschuld gesichert werden. Zu diesem Zweck soll S ein Wertgutachten über das Grundstück vorlegen. Die Bank hat dem S zu verstehen gegeben, gegen eine Beleihung mit 40 000,- DM bestünden keine Bedenken, wenn das Grundstück mindestens 60 000,- DM wert ist. Das von S eingeholte Gutachten kostet 400,- DM. Es bescheinigt einen Grundstückswert von 65 000,- DM. Die Bank will den Kredit trotzdem nicht gewähren, weil sie nach ihren neuesten Grundsätzen nur noch Darlehen bis zu 40% des Wertes des Beleihungsobjektes gibt. Kann S die 400,- DM als Schadensersatz von der Bank verlangen?

51 Lösung Schadensersatzansprüche aus Verzug, Unmöglichkeit oder pVV setzen das Bestehen einer Leistungspflicht voraus. Eine vertragliche Leistungspflicht scheidet hier aus, weil zwischen den Parteien kein Vertrag zustande gekommen ist. Die Bank und S haben zwar Verhandlungen über die Gewährung eines Darlehens geführt; sie haben sich aber noch nicht gebunden. Rechtslehre und Rechtsprechung haben jedoch den Grundsatz entwickelt, daß schon der Eintritt in Vertragsverhandlungen, mag der Vertragsschluß auch unterbleiben, ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis unter den Beteiligten erzeugt, das sie zu einer Sorgfalt verpflichtet, als ob sie Schuldner i. S. d. § 276 BGB wären. Die Sorgfaltspflichten erstrecken sich auf die Zeit vom Beginn der Vertragsverhandlungen bis zum Vertragsabschluß. Das Rechtsinstitut ist unter dem Namen Verschulden beim Vertragsschluß zu einer genau so gesicherten Anspruchsgrundlage geworden wie die positive Vertragsverletzung. Die lateinische Übersetzung, die häufig verwandt wird, lautet: culpa in contrahendo, abgekürzt: c. i. c. Durch diese Anspruchsgrundlage ist eine weitere Gesetzeslücke geschlossen worden. Ohne die c. i. c. gab es nämlich - von den Fällen der unerlaubten Handlung abgesehen - keine Möglichkeit, dem Geschädigten zu helfen, wenn ihm schon bei den Vertragsverhandlungen schuldhaft von der Gegenseite ein Schaden zugefügt worden war. Darauf, ob der Vertrag später noch geschlossen wird, kommt es grundsätzlich nicht an. Zur dogmatischen Vertiefung vgl. Erman AcP 139, 274 u. 321; Ballerstedt AcP 151, 507; Medicus JuS 1965, 209; Nirk in Festschrift für Möhring, 1975, S. 71 ff. Rechtsprechung: RG 120, 251; 132, 79; 147, 109; 151, 358; 162, 156; BGH 6, 333; NJW 1973,1791. Nun ist allerdings nicht jede Aufwendung einer Partei, die sie im Vertrauen auf das Zustandekommen eines Vertrages macht, auf dem Wege über die c. i. c. zu ersetzen. Der Abbruch der Vertragsverhandlungen steht grundsätzlich jedem frei; ansonsten wäre es um die Vertragsfreiheit schlecht bestellt. Deswegen haftet der Abbrechende selbst dann nicht auf Schadensersatz, wenn er weiß, daß der andere Teil in Erwartung des Vertrages Aufwendungen gemacht hat. Anders ist die Rechtslage jedoch, wenn er den anderen zu diesen Aufwendungen veranlaßt und den Vertragsschluß nach Erfüllung bestimmter Voraussetzungen als sicher hingestellt hat. Dann hat er ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis geschaffen, das den anderen zu den Aufwendungen ermutigt hat. (Rechtsprechungsnachweise vgl. Pal.-Heinrichs, § 276, Anm. 6 b aa.) So ist es in unserem Falle. Die Bank hat die Hingabe des Darlehens in Aussicht gestellt, wenn das Gutachten einen bestimmten Beleihungswert des Grundstücks bescheinigt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Änderung der Beleihungsgrenzen ist eine interne Angelegenheit der Bank, die sie bei den Verhandlungen mit S berücksichtigen mußte. Wenn sie das nicht vorausgeplant hat, ist ihr die Verletzung der Sorgfalt eines „ordentlichen" Bankiers vorzuwerfen. Angebahnte Kreditverhandlungen, in deren Verlauf der Kreditnehmer zu nicht unbeachtlichen Aufwendungen veranlaßt worden ist, müssen zwar nicht nach den anfänglich geltenden Beleihungsgrundsätzen abgeschlossen werden; aber wenn die Bank von dem abrücken will, was sie selbst veranlaßt hat, haftet sie nach den Grundsätzen der c. i. c. Es bleibt zu prüfen, in welcher Höhe Schadensersatz zu leisten ist. Grundsätzlich gewährt c. i. c. nur den Anspruch auf das Vertrauensinteresse (negatives Interesse). Das hängt mit der Rechtfertigung der Anspruchsgrundlage c. i. c. zusammen. Sie ist aus den Rechtsgedanken der §§ 122, 179 Abs. 2, 307 und 309 BGB

52 entwickelt worden. Nach diesen Vorschriften haftet auf das negative Interesse, wer bei den Vertragsverhandlungen unachtsam gewesen ist. Das gleiche gilt bei der c. i. c. Eine Abweichung muß man sich allerdings merken: Das negative Interesse wird nicht immer durch das positive begrenzt (Fall Nr. 28 Bd. I). Vgl. BGH 57, 193; BB 1955, 429; BAG Betr 1974, 2060. Ausnahmsweise kann das positive Interesse gefordert werden, wenn der Vertrag ohne die c. i. c. zustande gekommen wäre. Grundsätzlich kann der Gläubiger aber nur verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne das schädigende Ereignis gestanden hätte (negatives Interesse). Ohne die Aufforderung, das Gutachten einzuholen, - das war das schädigende Ereignis hätte S 400,- DM gespart. Mithin kann er diese 400,- DM als Schadensersatz von der Bank verlangen.

Fall Nr. 35a: B hat einen Unfall mit seinem LKW erlitten. In der Werkstatt des U erteilt ihm der Meister M den Rat, die gesamte Hinterachse ausbauen und erneuern zu lassen. So geschieht es auch. Die Reparatur kostet 15 000,-DM. Da wird B stutzig und läßt die ausgebaute Hinterachse von einem Sachverständigen untersuchen. Dieser kommt zu dem Ergebnis, daß die Hinterachse für 5000,- DM einwandfrei hätte ausgebessert werden können. Muß B trotzdem die vollen 15 000,-DM zahlen?

Fall Nr. 36: Zurückbehaltungsrecht, § 320 BGB, Versäumnisverfahren V hat dem K für 10 000,- DM Waren verkauft. Ohne geliefert zu haben, verklagt er K auf Zahlung. K erhält am 1. 2. 1972 die Ladung zu einem Termin vom 16. 2. 1972 vor dem Landgericht. Im Termin erscheint K nicht. Auf Antrag des V erläßt der Richter, der weiß, daß V noch nicht geliefert hat, gegen K das Versäumnisurteil. Was kann K dagegen unternehmen?

Lösung Wir wollen uns mit einem Fall beschäftigen, der einen kleinen Einblick in das Verfahrensrecht gewährt. Wegen des Unterschiedes zwischen dem materiellen Recht und dem formellen Recht (Verfahrensrecht) vgl. vorab Fall Nr. 6 in Bd. I).

Zunächst betrachten wir die materielle Rechtslage: Der Kaufpreisanspruch des V folgt aus § 433 Abs. 2 BGB. Nach § 271 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, wenn für sie weder eine Zeit bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Der Grundsatz der sofortigen Fälligkeit gilt auch bei gegenseitigen Verträgen. Jeder Teil kann die ihm gebührende Leistung grundsätzlich sofort verlangen; aber der andere Teil kann seine Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern (§ 320 Abs. 1 S. 1 BGB). Diese Vorschrift beinhaltet die Einrede des nicht erfüllten Vertrages. Sie folgt aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis der Leistungen: Zwar kann jeder Teil sofort fordern; aber er muß die eigene Leistung zugleich anbieten. Der Gesetzgeber hat sich auch hier einen echten Leistungsaustausch, eine Leistung Zug um Zug vorgestellt. Zur dogmatischen Vertiefung vgl. Brox, Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages beim Kauf, 1948; RG 149,328.

53 Von diesem gleichzeitigen Leistungsaustausch macht das Gesetz einige Ausnahmen. Wir sprechen dann von einer gesetzlichen Vorleistungspflicht. (Bitte nachlesen! §§ 551, 614, 641 BGB.) Vertraglich kann selbstverständlich auch in anderen Fällen eine Vorleistungspflicht vereinbart (z. B. Vorleistungspflicht des Verkäufers, wenn es heißt „Zahlung . . . nach Lieferung"; Vorleistungspflicht des Käufers bei den Klauseln „Kasse gegen Faktura" oder „Kasse gegen Dokumente") oder die gesetzliche Vorleistungspflicht abbedungen werden. Der Grundsatz lautet jedoch: Gegenseitige Verträge sind Zug um Zug zu erfüllen.

Wenn der nicht vorleistungspflichtige Käufer ohne gleichzeitiges Angebot der gekauften Sache zur Zahlung aufgefordert wird, kann er die Einrede des nicht erfüllten Vertrages erheben. Da es sich um eine Einrede handelt, wird sie im Prozeß nicht von Amts wegen beachtet (wenn Sie nicht mehr wissen, was eine Einrede im rechtstechnischen Sinne ist, Fall Nr. 35 und 77 in Bd. I nachlesen). Jetzt wenden wir uns der formellen, der prozessualen Seite zu. Wir wollen prüfen, wie K sich im Prozeß verhalten mußte, um einer unbeschränkten Verurteilung zu entgehen. Nachdem gegen K durch Zustellung der Klageschrift die Klage erhoben worden war (§ 253 Abs. 1 ZPO); und der Richter Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt hatte, hätte K die Einrede des nicht erfüllten Vertrages im Prozeß vorbringen müssen. Da es sich um ein Verfahren vor dem Landgericht, also um ein Verfahren mit Anwaltszwang handelt (§ 78 ZPO), brauchte er dazu einen bei dem betreffenden Landgericht zugelassenen Anwalt. Eine persönliche Eingabe an das Gericht- mündlich oder schriftlich - w ä r e nutzlos gewesen. Der Beklagte wird auf die Rechtslage bei der Ladung hingewiesen (sollte Ihnen die Bedeutung des Anwaltszwanges entfallen sein, Fall Nr. 74 in Bd. I nachlesen!). Damit die verklagte Partei vor dem ersten Termin Zeit zum Überlegen hat, muß der Richter die sogenannte Einlassungsfrist beachten. Sie beträgt in landgerichtlichen Verfahren 2 Wochen zwischen Zustellung der Klageschrift und dem ersten Termin zur mündlichen Verhandlung (§ 262 ZPO). Im amtsgerichtlichen Verfahren beträgt sie nur 3 Tage, wenn die Zustellung der Klage an einem Ort erfolgt, der Sitz des Prozeßgerichtes ist oder im Bezirk des Prozeßgerichtes liegt, mindestens eine Woche, wenn die Zustellung sonst im Inland erfolgt (§499 Abs. 1 ZPO).'

Vor jedem weiteren Termin - und in einem Prozeß kann es viele Termine geben hat der Richter die Ladungsfrist zu wahren. Sie soll den Parteien wiederum Gelegenheit geben, sich auf den Termin einzurichten. Ladungsfrist heißt die Frist zwischen Zustellung der Ladung und dem Terminstag. Sie beträgt in Anwaltsprozessen mindestens eine Woche, in anderen Prozessen mindestens 3 Tage (§ 217 ZPO). (Wegen der 24-Stundenfristen in Meß- und Marktsachen vgl. §§ 262 Abs. 1 S. 2,499 Abs. 1, 217 ZPO; für den Wechselprozeß vgl. § 604 ZPO). Im vorliegenden Falle hat der Richter die Einlassungsfrist beachtet. Zwischen der Klageerhebung und dem ersten Termin liegen mehr als 2 Wochen. Da K trotz ordnungsgemäßer Ladung keinen Rechtsanwalt mit der Terminswahrung beauftragt hatte - sein persönliches Erscheinen wäre ohnehin nicht ausreichend gewesen - konnte der Kläger G gegen ihn das Versäumnisurteil beantragen (§ 331 ZPO). Nach § 331 Abs. 1 ZPO wird unterstellt, daß der Beklagte das tatsächliche mündliche Vorbringen des Klägers als wahr zugesteht. Diese Geständnisvermutung ist die Grundlage der Verurteilung. Ansonsten muß das Gericht nämlich über Tatsachen, auf die es für die Entscheidung ankommt, Beweis erheben, wenn die Tatsache von einer Partei bestritten wird. Vom tatsächlichen Vorbringen ist das Vorbringen einer Rechtsansicht zu unterscheiden.

54 Unter Tatsachen versteht man äußere oder innere Vorgänge, die der Nachprüfung durch Dritte zugänglich sind; z. B. der Ablauf eines Unfalls, der Inhalt eines Gespräches, eines Schreibens, der Hergang einer Reparatur, der Erfolg eines Verhaltens schlechthin (äußere Vorgänge), aber auch die Absichten, Motive und Vorstellungen einer Person (innere Vorgänge). Davon unterscheiden sich Rechtsansichten. Sie enthalten eine rechtliche Wertung (z. B. der Kläger glaubt, die Abnahme der Kaufsache sei Schuldnerpflicht, während der Beklagte den Standpunkt vertritt, es handele sich um eine Gläubigerverpflichtung - also Schuldneroder Gläubigerverzug?). Ob eine Rechtsansicht richtig oder falsch ist, prüft das Gericht immer u n a b h ä n g i g von der Meinung der Parteien - auch im Versäumnisverfahren. Das geht aus § 331 Abs. 2 ZPO hervor. Nur soweit die als zugestanden geltenden Tatsachen es rechtfertigen, ergeht das Versäumnisurteil. Soweit dies nicht der Fall ist, muß die Klage abgewiesen werden. Wer den wirklichen Verlauf der mündlichen Verhandlung, vor allem in Versäumnisverfahren erlebt hat, wird nicht viel mündlichen Tatsachenvortrag vernommen haben. Das hat folgenden Grund: Im landgerichtlichen Verfahren und in den meisten amtsgerichtlichen Verfahren - soweit Anwälte darin tätig sind - wird der Tatsachenstoff in vorbereitenden Schriftsätzen dem Gericht unterbreitet, damit auch das Gericht im Termin den Streitstoff beherrscht (§§ 129-133 ZPO, bitte nachlesen!). In der „mündlichen" Verhandlung genügt dann die Bezugnahme auf diese Schriftsätze. Das braucht nicht einmal ausdrücklich zu geschehen. Wenn der Anwalt in der mündlichen Verhandlung keine Einschränkungen macht, gilt sein schriftliches Vorbringen als mündlich vorgetragen. Selbstverständlich muß das Gericht dem Anwalt auf Wunsch Gelegenheit zum mündlichen Vortrag geben. Neuen Vortrag, also Überraschungen, kann es aber unter Hinweis auf § 129 ZPO ablehnen, und auch die Gegenseite braucht sich nicht darauf einzulassen. W e n n V, vertreten d u r c h seinen Anwalt, das Versäumnisurteil beantragt, unterstellt das Gericht den Sachvortrag des V als richtig und prüft, ob es den geltend gemachten A n s p r u c h auf den Kaufpreis rechtfertigt. Selbst w e n n dem Gericht bekannt ist, daß V noch nicht geliefert hat, muß es den K verurteilen, weil K die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nicht vorgebracht hat. V o n Amts wegen ist sie nicht zu berücksichtigen. Das Versäumnisurteil schafft aber noch keine endgültigen Verhältnisse. Der Partei, gegen die ein Versäumnisurteil erlassen ist, steht dagegen der E i n s p r u c h zu (§ 338 ZPO). Im landgerichtlichen Verfahren ist der Einspruch schriftlich (§ 340 ZPO) innerhalb einer Frist von 2 Wochen nach Zustellung des Versäumnisurteils einzulegen. Im amtsgerichtlichen Verfahren kann der Einspruch auch zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden (§496 Abs. 2 ZPO). Die Frist beträgt im amtsgerichtlichen Verfahren immer 1 Woche (§508 Abs. 2 ZPO). Das Gericht beraumt einen Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache an (§ 340a ZPO) und prüft von Amts wegen, ob der Einspruch statthaft sowie form- und fristgerecht ist (§ 341 ZPO). Die Partei braucht sich für ihre Säumnis nicht zu entschuldigen. Auch wer schuldhaft den Termin versäumt hat oder zwar erschienen war (beim Landgericht mit Anwalt), aber nicht verhandelt hat, kann Einspruch einlegen. Ist der Einspruch zulässig, d. h. statthaft sowie form- und fristgerecht, so wird der Prozeß in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand (§ 342 ZPO). K muß also einen Anwalt mit seiner Vertretung beauftragen, d u r c h ihn rechtzeitig und f o r m g e r e c h t Einspruch einlegen lassen sowie gleichzeitig d u r c h vorbereitenden Schriftsatz (§§ 129, 340 Abs. 2 ZPO) die Einrede des nicht erfüllten Vertrages

55 vorbringen lassen, genauer gesagt, die Tatsachen, aus denen sich ergibt, daß V noch nicht erfüllt hat. Wenn das geschehen ist, wird der Richter im nächsten Termin dieZulässigkeit des Einspruchs feststellen. Sollten die Parteien keinen weiteren Sachvortrag bringen, der eine andere Beurteilung der Rechtslage verlangt, so wird das Gericht jetzt ein streitiges Urteil erlassen. Streitig heißt das Urteil, weil es auf Grund widersprechender (streitiger) Anträge ergeht, während das Versäumnisurteil gegen die säumige Partei auf Grund des einseitigen Antrages der erschienenen Partei ergeht. In der normalen mündlichen Verhandlung stellt der Kläger seinen Klageantrag. Damit sagt er in der kürzesten Form, was er will (vgl. Fall. Nr. 74 in Bd. I). Demgegenüber bittet der Beklagte, der dem Verlangen des Klägers nicht nachkommen will, um Klageabweisung. Das sind die widersprechenden Anträge oder die streitige Verhandlung.

Das streitige Urteil wird nicht mehr auf eine unbeschränkte Verurteilung des K lauten. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages schafft ein Leistungsverweigerungsrecht (nachlesen Fall Nr. 35 und 77 in Bd. I). Wie Sie bereits wissen, gibt es Leistungsverweigerungsrechte, die zur endgültigen Leistungsverweigerung führen (z. B. die Verjährung), solche, die zu einer vorübergehenden Leistungsverweigerung berechtigen (z. B. Stundung) und solche, die nur zu einer Zug-um-ZugVerurteilung führen. Hierher gehört das aus der Einrede des nicht erfüllten Vertrages erwachsene Zurückbehaltungsrecht des § 320 Abs. 1 BGB. Nach § 322 Abs. 1 BGB hat die Geltendmachung der Einrede des nicht erfüllten Vertrages nur die Wirkung, daß der andere Teil zur Erfüllung Zug-um-Zug zu verurteilten ist. Mehr kann K nicht erreichen.

Fall Nr. 36a: Kaufmann V hat dem Kaufmann K für 30 000,- DM Waren verkauft, die am 1.3. 1977 geliefert und bezahlt werden sollen. V liefert nicht, verlangt aber von den 30 0 0 0 - DM, die K „selbstverständlich" nicht gezahlt hat, 5% Zinsen ab 2. 3.1977. Mit Recht?

Fall Nr. 37: Zweites Versäumnisurteil Wie Nr. 36. K hat durch seinen Anwalt schriftsätzlich einen zulässigen Einspruch erhoben. Im Termin zur Verhandlung über den Einspruch erklärt der Anwalt, er wolle für seinen Mandanten nicht auftreten (vermutlich hat er noch keinen Kostenvorschuß bekommen!). Daraufhin erläßt das Gericht das zweite Versäumnisurteil gegen den Beklagten. Was kann K jetzt noch unternehmen?

Lösung Als nicht erschienen (als säumig) ist auch eine Partei anzusehen, die im Termin zwar erscheint, aber nicht verhandelt (§ 333 ZPO). K brauchte im Termin nicht selbst zu erscheinen. Für ihn war sein Anwalt da. Vor Gericht muß die Partei allerdings erscheinen, sofern ihr persönliches Erscheinen angeordnet ist. Wenn sie beim Amtsgericht persönlich erscheint, - auch ohne Anordnung des persönlichen Erscheinens - kann sie selbst (ohne Anwalt) verhandeln. Beim Landgericht kann sie trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht verhandeln. Einen

56 Anwalt braucht sie immer, wenn sie kein Versäumnisurteil hinnehmen will. Das Gericht ordnet das persönliche Erscheinen an, wenn es die Parteien kennenlernen oder besondere Fragen an die Parteien stellen möchte (vgl. §§ 141, 610, 619, 654 ZPO. Bitte nachlesen). Das Fehlen des K im Termin zur Verhandlung über seinen Einspruch fällt also nicht ins Gewicht, gleichgültig, ob sein persönliches Erscheinen angeordnet war oder nicht. Aber das Nichtverhandein seines Anwalts - er bittet nicht um Klageabweisung und gibt auch sonst keine Erklärung zum Verfahren ab - ist ihm schädlich. Auf Antrag des Klägers mußte das Gericht nunmehr das zweite Versäumnisurteil gegen ihn aussprechen. Dagegen findet ein weiterer Einspruch nicht statt (§ 345 ZPO). Gegen dieses Urteil gibt es nur noch die Berufung mit der Begründung, ein Fall der Säumnis habe nicht vorgelegen (§ 513 Abs. 2 ZPO). Das kann K bei dem gegebenen Sachverhalt nicht vorbringen. Damit ist er endgültig unterlegen. Wenn V aus dem Urteil gegen ihn vollstreckt, kann er sich nicht mehr auf die Einrede des nicht erfüllten Vertrages berufen, obwohl sie ihm materiell zusteht.

Fall Nr. 37a: Gegen den Kaufmann K ist am 1. 3.1977 beim Amtsgericht X das zweite Versäumnisurteil ergangen. Er legt dagegen Berufung ein und macht geltend: 1. Er habe die Ladung zum Termin erst am 23. 2.1977 erhalten. 2. Die Ladung sei zwar schon am 14. 2. 1977 eingegangen; sie sei jedoch nicht ihm, sondern der Reinemachefrau übergeben worden, und diese habe sie einfach fortgeworfen. 3. Er habe auf dem Gerichtsflur gesessen und gewartet; aber niemand habe den Termin aufgerufen. 4. Der Termin sei auf 10 Uhr anberaumt gewesen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe er gewartet. Da niemand die Sache aufgerufen habe, sei er gegangen. 5. Er sei am 13. 2. 1977 mit einer akuten Blinddarmentzündung ins Krankenhaus gebracht und sofort operiert worden. An den Termin habe er in dieser Situation nicht mehr gedacht. Hat die Berufung des K Aussicht auf Erfolg?

Fall Nr. 38: Zurückbehaltungsrecht, § 273 BGB U hat bei B die Heizung repariert. Durch Unvorsichtigkeit hat er beim Schweißen den Fußboden verbrannt. Nach Beendigung der Arbeit hat er seine Armbanduhr vergessen. B hat wegen der Beschädigung des Fußbodens gegen U eine Schadensersatzforderung aus pVV in Höhe von 300,- DM. Als U seine Uhr abholen will, gibt B sie nicht heraus. Er verlangt vorab Bezahlung der 300,- DM. Mit Recht?

Lösung Wir stehen wieder vor der Frage, ob B ein Zurückbehaltungsrecht hat. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages kann B nicht erheben. Zwar handelt es sich bei dem Reparaturvertrag um einen Werkvertrag, also um einen gegenseitigen Vertrag; aber es geht hier nicht um den Austausch der Leistungen, die im Gegenseitigkeits-

57 Verhältnis stehen, sondern um eine Schadensersatzforderung des B aus pVV und um den Herausgabeanspruch des U, den wir noch nicht näher kennzeichnen wollen. Außer dem besonderen Zurückbehaltungsrecht beim gegenseitigen Vertrag kennt das Gesetz ein allgemeines Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB. Es hat drei Voraussetzungen: 1. Gegenseitigkeit 2. Fälligkeit 3. Konnexität Zu 1: Gegenseitigkeit bedeutet, das Zurückbehaltungsrecht kann nur zwischen den Personen bestehen, die durch das Schuldverhältnis miteinander verbunden sind. Im Regelfalle wird dieses Schuldverhältnis ein Vertrag sein; es kann aber auch ein gesetzliches Schuldverhältnis sein, z. B. eine Gemeinschaft nach § 741 BGB, ein erbrechtliches oder ein familienrechtliches Gemeinschaftsverhältnis. In unserem Falle stehen sich der Zahlungsanspruch des B und der Herausgabeanspruch des U gegenüber. Daher sind die Ansprüche gegenseitig. Zu 2: Fällig sind beide Ansprüche, wie sich aus § 271 Abs. 1 BGB ergibt. Zu 3: Unter Konnexität ist zu verstehen, was im Gesetz mit den Worten „aus demselben rechtlichen Verhältnis" beschrieben ist. Forderungen zwischen denselben Partnern, also wechselseitige Forderungen, brauchen nicht notwendig aus demselben rechtlichen Verhältnis zu fließen. Z. B.: V hat eine Kaufpreisforderung gegen K; K hat gegen V eine Mietzinsforderung. Der Ursprung beider Forderungen liegt in verschiedenen Verträgen. Daher fehlt die Konnexität. Um die Wirkungsbreite des § 273 BGB aber nicht ungebührlich einzuengen, ist es nicht erforderlich, daß die gegenseitigen Forderungen aus ein und demselben Schuldverhältnis hervorgegangen sind; es genügt vielmehr ein innerlich zusammengehöriges einheitliches Lebensverhältnis", ein „innerer natürlicher wirtschaftlicher Zusammenhang". Dieser Zusammenhang muß derart sein, daß es treuwidrig wäre, den einen Anspruch ohne den anderen geltend zu machen. Beispiele aus der Rechtsprechung vgl. RG 68, 34; 72, 65; 78, 336; 134, 146; 158, 14; BGH 47, 167; 54, 250; FamRZ 1970,642. Die Schadensersatzforderung des B aus p W hat ihren Ursprung in dem Werkvertrag zwischen U und B. Bei dem Herausgabeanspruch des U wird es schwierig. Man kann zwar sagen, es sei eine Nebenpflicht des Bestellers, vergessenes Arbeitsgerät des Unternehmers aufzubewahren. Bedenken bestehen aber gegen die Annahme, der Unternehmer habe aus dem Werkvertrag auch einen Herausgabeanspruch gegen den Besteller. Wenn er Eigentümer des Gerätes ist, steht ihm der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB zu. Wenn er nicht Eigentümer ist, hat er möglicherweise einen Anspruch aus § 1007 BGB. Sie brauchen das Problem aber nicht zu lösen. In unserem Falle dürfen Sie ein „innerlich zusammengehöriges einheitliches Lebensverhältnis" annehmen. Es wäre treuwidrig, wenn der eine oder der andere Teil seinen Anspruch durchsetzen könnte, ohne auf den Gegenanspruch Rücksicht zu nehmen. Deswegen ist die Konnexität zu bejahen. Die Folge des Zurückbehaltungsrechtes nach § 273 BGB ist im Prozeß dieselbe wie bei § 322 BGB. Als Einrede wird es nur beachtet, wenn sich der Berechtigte darauf beruft. Das Urteil lautet dann ebenfalls auf Zug-um-Zug-Leistung.

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Fall Nr. 38a: V beliefert den K seit 5 Jahren mit Heizöl für dessen Ziegelei. K kommt in Zahlungsschwierigkeiten, so daß V vorsichtig wird. Obwohl vereinbart ist, daß K vierteljährlich 50 000,- DM ä-cto-Zahlung leisten und die Spitze am Jahresende abgerechnet werden soll, will V jetzt nur noch gegen Vorkasse liefern. K braucht das Heizöl dringend, um produzieren zu können. Deswegen besteht er auf Lieferung ohne Vorkasse, zumal er in seiner jetzigen Finanzlage keinen anderen Lieferanten finden kann. Muß V liefern? Was verstehen Sie unter der „clausula rebus sie stantibus"?

Fall Nr. 39: Versäumnisurteil gegen den Kläger; Vollstreckung aus Versäumnisurteilen Wie vor. B hat den U auf Zahlung der 300,- DM verklagt und den gesamten Sachverhalt, wie im Fall Nr. 38 geschildert, vorgetragen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung erscheint er nicht. U ist anwaltlich vertreten. Auf seinen Antrag wird die Klage des B durch Versäumnisurteil abgewiesen. Was kann B unternehmen?

Lösung Gegen den Kläger, der im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erscheint, ergeht auf Antrag des Beklagten ohne Sachprüfung das Versäumnisurteil. Das Gericht darf also den Antrag des Beklagten selbst dann nicht zurückweisen, wenn der Beklagte den Sachvortrag des Klägers als richtig anerkennt (§ 330 ZPO). Auch gegen dieses Versäumnisurteil findet der Einspruch statt (§ 338 ZPO). Voraussetzungen und Folgen sind dieselben wie beim Einspruch des Beklagten. B müßte folglich zunächst Einspruch einlegen. Dadurch wird das Verfahren in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor Eintritt der Versäumnis befand (§ 342 ZPO). Eine Partei, gegen die das Versäumnisurteil ergangen ist, kann zwar durch den Einspruch die Folgen der Versäumnis beseitigen; zwei wesentliche Nachteile bleiben jedoch bestehen: 1. Die durch die Säumnis veranlaßten Kosten sind der säumigen Partei auch dann aufzuerlegen, wenn sie letztlich den Prozeß gewinnt (§ 344 ZPO). 2. Das Versäumnisurteil wird von Amts wegen ohne Sicherheit für vorläufig vollstreckbar erklärt (§ 708 Ziff. 3 ZPO). Damit bekommt die nicht säumige Partei einen Titel, aus dem sie sofort die Zwangsvollstreckung betreiben kann. Nach §§ 719, 707 ZPO kann das Gericht zwar auf Antrag des Verurteilten anordnen, daß die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung durch den Obsiegenden zulässig ist, oder auch die Zwangsvollstreckung einstweilen einstellen, wenn der Verurteilte Sicherheit leistet; diese Vorschriften, die in der Praxis eine große Rolle spielen, helfen dem Verurteilten jedoch wenig, wenn das Gericht von ihm Sicherheitsleistung zur Abwendung der Vollstreckung fordert, er dazu aber nicht in der Lage ist. Deswegen ist mancher Beklagte, der kein Geld hat und durch Versäumnisurteile Zeit gewinnen möchte, schlecht beraten. Aus dem Versäumnisurteil wird gegen ihn häufig schneller vollstreckt als das aus einem streitigen Urteil möglich gewesen wäre.

Für die Bedürfnisse der Wirtschaft reichen die Zurückbehaltüngsrechte nach §§ 273, 320 BGB häufig nicht aus. Deswegen sieht das kaufmännische Zurückbehal-

59 tungsrecht der §§ 369-372 HGB andere Voraussetzungen und Folgen vor. Es kann nur unter Kaufleuten entstehen, verlangt keine Konnexität, in Notfällen auch keine Fälligkeit der Forderung, wegen der zurückbehalten wird, und es gewährt dem Gläubiger die Möglichkeit, sich aus dem zurückbehaltenen Gegenstand zu befriedigen. Eine Besprechung von Einzelheiten ist an dieser Stelle noch verfrüht. Fall Nr. 39a: Was geschieht, wenn der durch Versäumnisurteil Verurteilte die einstweilige Einstellung der Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung beantragt und nun der Gläubiger erklärt, er sei auch bereit, Sicherheit zu leisten? Fall Nr. 40: Vertragsstrafe, Handelsgeschäft, § 348 HGB Großhändler G hat bei der Neustädter Hochbau GmbH den Bau einer Lagerhalle in Auftrag gegeben. Die Halle soll schlüsselfertig am 1. 10. 1970 übergeben werden. Für den Fall der Fristüberschreitung soll die GmbH nach der getroffenen Vereinbarung pro Tag 1000,- DM Vertragsstrafe zahlen. Die Halle wird erst am 20.11.1970 übergeben. G behauptet, er habe dadurch einen Betriebsausfall von 30 000,- DM erlitten. Statt einer spezifizierten Schadensersatzforderung macht er die 30 000,DM als Vertragsstrafe geltend. Die GmbH wendet ein, durch zwei Schlechtwetterperioden im Sommer und Herbst 1970 sowie durch übermäßiges Krankfeiern ihrer Arbeiter seien die Arbeiten um mehr als 30 Werktage verzögert worden. Dafür hafte sie nicht. Im übrigen sei die Strafe unangemessen hoch. Lösung Verspricht der Schuldner dem Gläubiger für den Fall, daß er seine Verbindlichkeit nicht oder nicht in gehöriger Weise erfüllt, die Zahlung einer Geldsumme als Strafe, so ist die Strafe verwirkt, wenn er in Verzug kommt (§ 339 S. 1 BGB). Zweck einer solchen Abrede, Vertragsstrafe genannt, ist es, die Erfüllung der Hauptverbindlichkeit durch ein Druckmittel zu sichern und dem Gläubiger den Schadensbeweis zu ersparen. Derartige Vereinbarungen empfehlen sich, wenn der Schaden nur unter besonderen Schwierigkeiten nachzuweisen ist, z. B. durch eine Betriebsprüfung. Ähnlich liegt es in unserem Falle. Es ist regelmäßig nur mit Hilfe eines kostspieligen Gutachtens möglich, einen Schaden aus der verspäteten Verlagerung oder Umgestaltung eines Betriebes zu beweisen. Deswegen hat G gut daran getan, die Vertragsstrafe zu vereinbaren. Besonders häufig finden sich Vereinbarungen über Vertragsstrafen in Bauverträgen, in denen zugleich die „VOB Teil B" zum Vertragsinhalt erklärt wird. Hier sind viele Details zu beachten. Vgl. Ingenstau-Korbion, VOB, 7. Aufl., § 11 VOB/B mit den dortigen Anmerkungen. Zur Vertragsstrafe allgemein vgl. Bötticher in ZfA 1970,3ff.; Horschitz in NJW1973,1958. § 339 BGB regelt, wann der Schuldner die für den Fall der Nichterfüllung oder der nicht gehörigen Erfüllung versprochene Vertragsstrafe verwirkt hat. Voraussetzung ist danach der Verzug des Schuldners, also eine schuldhafte Verzögerung der Leistung; die Strafe kann aber auch unabhängig vom Verschulden versprochen werden. Eine derartige „Strafe" hat die Wirkung einer Garantie. Vgl BGH NJW 1971, 883 = LM § 341 BGB Nr. 3 = BB 1971, 4 1 5 = Betr 1971, 714. Das dürfte

60 jedoch die Ausnahme sein und bedarf daher einer sorgfältigen Prüfung, vgl. BGH Betr 1973, 164. Auch im vorliegenden Falle ist das zweifelhaft. Schlechtwetterperioden und übermäßiges Krankfeiern der Arbeiter sind Umstände, auf die der Bauunternehmer keinen Einfluß hat. Ohne Verschulden liegt kein Schuldnerverzug vor. Also ist die Vertragsstrafe nicht verwirkt, es sei denn, aus der Vereinbarung ist zu entnehmen, daß die GmbH auch ohne schuldhafte Fristüberschreitung die Vertragsstrafe zahlen wollte. Dafür kann sprechen, daß nur von Fristüberschreitung, nicht von Verzug die Rede ist. Die Fristüberschreitung ist ein rein objektives Ereignis. Fragen der Verursachung und des Vertretenmüssens sind dabei ausgeklammert. Von Kaufleuten kann man klare Verabredungen erwarten. Wenn nur von Fristüberschreitung die Rede ist und nicht von Verzug, muß die bloße Fristüberschreitung abweichend vom Wortlaut des § 339 BGB als Voraussetzung für die Verwirkung der Strafe genügen. Denken Sie an die §§ 361 BGB, 376 HGB (Fixgeschäft), wo die bloße Fristüberschreitung zum Rücktritt berechtigt. Achten Sie daher auf eindeutige Vereinbarungen. Ob die Strafe neben der Erfüllung verlangt werden kann oder statt der Erfüllung, hängt davon ab, ob der Schuldner die Strafe für den Fall der Nichterfüllung oder der nicht gehörigen Erfüllung, insbesondere der verspäteten Erfüllung, versprochen hat. Ist die Strafe für den Fall der Nichterfüllung versprochen, so kann der Gläubiger die Strafe statt der Erfüllung verlangen. Der Anspruch auf Erfüllung ist ausgeschlossen (§ 340 Abs. 1 BGB). Wenn der Gläubiger einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung hat, z. B. aus § 325 BGB, kann er die verwirkte Strafe als Mindestbetrag des Schadens fordern (§ 340 Abs. 2 S. 1 BGB). Er spart sich also den Nachweis der Schadenshöhe. Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen (§ 340 Abs. 2 S. 2 BGB). In unserem Falle hat der Schuldner die Strafe für eine Fristüberschreitung versprochen. Diese Alternative ist in § 341 BGB geregelt. Danach kann der Gläubiger die verwirkte Strafe neben der Erfüllung verlangen (§ 341 Abs. 1 BGB). Im übrigen hat er die Rechte aus § 340 Abs. 2 BGB. G kann also ohne Nachweis der Schadenshöhe für die Fristüberschreitung von mindestens 30 Werktagen eine Vertragsstrafe von 30 000,- DM fordern. Sollte er in der Lage sein, einen höheren Schaden nachzuweisen, so kann er auch das Mehr verlangen. Der Einwand des Schuldners, die Strafe sei unangemessen hoch, kann zu ihrer Herabsetzung durch Urteil auf den angemessenen Betrag führen (§ 343 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Einzelheiten dieser Vorschrift brauchen wir jedoch nicht zu prüfen; denn nach § 348 HGB kann eine Vertragsstrafe, die von einem Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes versprochen ist, nicht auf Grund des § 343 BGB herabgesetzt werden. § 348 HGB findet nur unter Vollkaufleuten Anwendung. Was darunter zu verstehen ist, können Sie im Fall Nr. 52 in Bd. I nachlesen. G ist Kaufmann nach § 1 Abs. 2 Ziff. 1 HGB. Die GmbH ist stets Vollkaufmann, wie sich aus § 6 Abs. 2 HGB in Verbindung mit § 13 Abs. 3 GmbHGes. ergibt. Das gleiche gilt im übrigen für die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft, die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die eingetragene Genossenschaft. Weitere Voraussetzung für eine Anwendung des § 348 HGB ist, daß der Kaufmann die Vertragsstrafe im Betriebe seines Handelsgewerbes versprochen hat. Es muß sich also um ein Handelsgeschäft handeln. Nach § 343 Abs. 1 HGB sind alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören, Handelsgeschäfte. Eine GmbH, die Hochbauten errichtet, schließt beim Betrieb des Handelsgewerbes nicht nur Werkverträge mit Bauherren und Kaufverträge mit

61 Lieferanten ab. Zum Betrieb gehören auch die sogenannten Hilfs- und Nebengeschäfte, also Kauf von Betriebseinrichtungen, Anstellung von Personal, Finanzierungen, Geldanlagen, Beteiligungen usw. Für alle Geschäfte dieser Art gilt § 343 HGB. In unserem Falle ist die Entscheidung einfach. Das Versprechen einer Vertragsstrafe im Rahmen des Vertrages über die Errichtung einer schlüsselfertigen Lagerhalle ist selbstverständlich ein Handelsgeschäft. Wenn sich allerdings Schwierigkeiten bei Beantwortung der Frage zeigen, ob das Geschäft Handelsgeschäft ist oder in den privaten Bereich des Kaufmanns gehört (was nur bei natürlichen Personen denkbar ist!), hilft § 344 HGB. Danach gelten die von einem Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel als zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehörig. Das bedeutet: Wenn ein Kaufmann z. B. einen Schreibtisch kauft, so wird kraft Gesetzes vermutet, daß er ihn für seinen Gewerbebetrieb, und nicht für seinen Privathaushalt angeschafft hat. Behauptet er das Gegenteil, so obliegt ihm der Beweis. Da in unserem Falle die Vereinbarung der Vertragsstrafe ohne Zweifel ein Handelsgeschäft war, kann die Vertragsstrafe nicht gem. § 343 BGB herabgesetzt werden.

Fall Nr. 40a: Händler H läßt durch seine Werber an den Haustüren Kühltruhen anbieten und dabei versprechen, daß die Käufer ohne Berechnung tiefgefrorene Fleischwaren im Werte von 7 5 , - DM mitgeliefert bekommen. Der Konkurrent K droht mit einem Zivilprozeß. Um das zu vermeiden, unterschreibt H eine Erklärung, in der es heißt, für den Wiederholungsfall wolle er dem K eine Vertragsstrafe von 1000,- DM zahlen. Obwohl H seinen Werbern strikt verboten hat, irgendwelche Zuvaben zu versprechen, tanzt der W aus der Reihe. K verlangt von H die Vertragsstrafe. H beruft sich auf seine Anweisungen an die Werber. Muß H trotzdem zahlen?

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Teil 4: Aufrechnung Fall Nr. 41: Aufrechnung, Verfallklauseln Die Stadt X hat dem Gärtner G 5 ha Land für gärtnerische Zwecke verpachtet. Der Pachtpreis von 800,- DM ist jährlich, spätestens bis zum 31.1. des laufenden Pachtjahres zu entrichten. Wenn G länger als 2 Monate mit der Pachtzahlung in Verzug gerät, verliert er das Recht, unentgeltlich aus einem angrenzenden See Wasser für die Berieselung der unter Glas befindlichen Anlagen zu entnehmen. G hat für die Stadt Bepflanzungen durchgeführt und dafür eine am 28. 2. fällig gewordene Forderung über 3500,- DM. Im Vertrauen auf diese Forderung hat er nicht gezahlt, aber auch nicht gemahnt, um die städtischen Beamten nicht zu verärgern. Am 10. 4. erhält er von der Stadt die Nachricht, das Recht, Wasser aus dem See zu entnehmen, sei wegen des Pachtrückstandes verwirkt. G antwortet, er verrechne die Pachtforderung mit seiner Forderung und hoffe, die Angelegenheit sei damit erledigt. Trotzdem verbietet ihm die Stadt die Wasserentnahme. Mit Recht?

Lösung Es ist zu prüfen, ob G sein Wasserentnahmerecht verwirkt hat. Grundlage ist der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag, der eine Verfallklausel (Verwirkungsklausel, kassatorische Klausel) enthält. Derartige Klauseln sind zulässig. Sie weisen starke Ähnlichkeit mit einer Vertragsstrafe auf. Der Unterschied besteht darin, daß der Schuldner einer Vertragsstrafe eine zusätzliche Leistung zur Hauptleistung zu erbringen hat, während er bei Verwirkung der Verfallklausel eigene Rechte verliert. Wegen der nahen Verwandtschaft wenden Rechtswissenschaft und Rechtsprechung die Regeln über die Vertragsstrafe auf die Verfallklausel, die im Gesetz nicht geregelt ist, entsprechend an. Vgl. BGH NJW 1960, 1568; 1968, 1625; 1972,1893. Deswegen wird die Verfallklausel grundsätzlich wie die Vertragsstrafe nur fällig, wenn der Schuldner in Verzug gerät. Vgl. RG 95, 202; 145, 31; 152, 258. Wir müssen daher untersuchen, ob G mit der Zahlung des Pachtzinses im Verzuge war. Fällig war der Pachtzins spätestens am 31.1. Eine Mahnung erübrigte sich, weil die Leistung kalendermäßig bestimmt war (§ 284 Abs. 2 S. 1 BGB). Da die Geldschuld eine Gattungsschuld i. S. d. § 279 BGB ist, und der Rechtsgedanke dieser Vorschrift auch für den Verzug gilt, könnte man zu der Ansicht neigen, G habe die verspätete Zahlung zu vertreten. Seinem Wesen nach paßt § 279 BGB aber nur für die Fälle, in denen der Schuldner infolge Geldmangel vorübergehend oder auch ständig nicht in der Lage ist, zu erfüllen (Erm.Lehmann, § 46 I 1). Bei uns ist die Rechtslage möglicherweise eine andere. G war nicht in Geldverlegenheit, sondern er hatte eine Gegenforderung an die Stadt. Er vertraute auf eine Möglichkeit, die beiderseitigen Forderungen zu verrechnen, juristisch gesagt, auf eine Aufrechnungslage. Deswegen hat er nicht in bar geleistet. Die Aufrechnung ist die wechselseitige Tilgung zweier sich gegenüberstehender, gleichartiger Forderungen, von denen diejenige, mit der aufgerechnet wird, (voll-) fällig und die andere erfüllbar sein muß. Das ist in anderer Formulierung der Wortlaut des § 387 BGB. Die Voraussetzungen der gesetzlichen Aufrechnungslage lauten also:

63 1. Gegenseitigkeit der Forderungen (Begriff wie bei § 273 BGB). G hatte eine Forderung gegen die Stadt, und umgekehrt hatte die Stadt eine Forderung gegen G. Beide waren wechselseitig Gläubiger und Schuldner. Konnexität (was ist das?) ist nicht erforderlich. 2. Es muß sich um gleichartige Gegenstände handeln. Regelmäßig wird mit Geldforderungen gegen Geldforderungen aufgerechnet. Denkbar ist die Aufrechnung auch mit gleichartigen, vertretbaren Sachen. Außerhalb des Verkehrs mit Gattungsschulden ist sie kaum denkbar. Zu problematischen Fällen vgl. die Aufsätze von Brem NJW 1963, 2080 und Trinkl NJW 1968, 1077 sowie BGH 14, 346; 35, 325; WPM 1972, 53. Weitere Hinweise auf Rechtspr. z. B. bei Pal.-Heinrichs, § 387 Anm. 5. Da G und die Stadt einander Geld schuldeten, ist die Gleichartigkeit der Gegenstände zu bejahen. 3. Fälligkeit der Forderung, mit der aufgerechnet wird. Gemeint ist die Fälligkeit nach § 271 Abs. 1 BGB. Die zur Aufrechnung gestellte Forderung muß klagbar sein, d. h. der Gläubiger müßte sie in dem Augenblick, in dem er die Aufrechnung erklärt, auch einklagen können. Das ist z. B. nicht der Fall bei gestundeten oder verjährten Forderungen, G's Forderung war am 28. 2. fällig. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, daß er die Forderung noch nicht geltend oder nicht mehr geltend machen konnte, sind nicht ersichtlich. 4. Erfüllbarkeit der Forderung, gegen die aufgerechnet wird. Hier ist an die Erfüllbarkeit i. S. d. § 271 Abs. 2 BGB gedacht. Zweifel an der Erfüllbarkeit der bereits seit dem 31. 1. fälligen Pachtzinsforderung bestehen nicht. Damit sind die allgemeinen Voraussetzungen der Aufrechnung erfüllt. Ein besonderes Aufrechnungshindernis findet sich in § 395 BGB. Danach ist die Aufrechnung gegen Forderungen einer Gemeinde nur zulässig, wenn die Leistung an dieselbe Kasse zu erfolgen hat, aus der die Forderung des Aufrechnenden zu berichtigen ist. Ob es sich bei der Forderung der Gemeinde um eine privatrechtliche, also um eine fiskalische Forderung handelt, oder um eine öffentlich-rechtliche, spielt keine Rolle (zur Problematik vgl. BVerwG ZBR 1972, 211; BFH WPM 1973, 1006; Lukes JuS 1971, 171). (Was verstehen Sie unter Fiskus? Nachlesen Fall Nr. 7 in Bd. I). Hier hatte sich die Stadt privatrechtlich (fiskalisch) betätigt. Ihre Pachtzinsforderung stammt aus einem bürgerlich-rechtlichen Pachtvertrag mit G. öffentlich-rechtliche Forderungen können sich ergeben aus Steuerschulden, Abgaben für Müllabfuhr, Kanalanschluß usw. Dem G steht die Möglichkeit der Aufrechnung also nur offen, wenn er aus derselben Kasse bezahlt wird, an die er zahlen muß. Unter Kasse ist hier nicht eine bestimmte Zahlstelle im Verwaltungsapparat der Stadt zu verstehen, sondern eine Amtsstelle mit selbständiger Kassen Verwaltung (RG 82, 236). § 395 BGB will nämlich verhindern, daß die Übersichtlichkeit der Verwaltung von Behördengeldern durch Aufrechnungserklärungen leidet. Hat die Behörde aber eine eigene Kasse, also eine selbständige Kassenverwaltung, dann ist die Aufrechnung zulässig. Da die Gemeinden ihre Kassengeschäfte in eigener Verantwortung und Buchführung abwickeln, bietet § 395 BGB hier kein Hindernis für die Aufrechnung. Sollen sich die zur Aufrechnung geeigneten Forderungen wechselseitig tilgen, so muß die Aufrechnung erklärt werden. Wie bei der Anfechtung ist die Erklärung eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die dem anderen Teil gegenüber abzugeben ist. Da sie Klarheit schaffen soll, kann sie nicht unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung abgegeben werden (§ 388 BGB). Einer Form bedarf die Aufrechnungserklärung nicht. Sie muß auch nicht ausdrücklich erklärt werden (RG 59, 211). Das Wort „aufrechnen" oder „Aufrechnung" braucht nicht zu

64 fallen. Es genügt die erkennbare Absicht, mit der eigenen fälligen, gleichartigen Gegenforderung die bestehende Schuld tilgen zu wollen. Deswegen genügt die Erklärung des G gegenüber der Stadt, er wolle die Forderung verrechnen. Er hat also wirksam die Aufrechnung erklärt. Nun wollen wir prüfen, welche Folgen sich aus einer wirksamen Aufrechnung ergeben. Nach § 389 BGB bewirkt die Aufrechnung, daß die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Augenblick erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind. Die Aufrechnung hat also rückwirkende Kraft wie die Anfechtung. Der Tilgungseffekt greift auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Aufrechnungslage erstmals bestand (RG 101, 113). Die Rückwirkung hat ihren Grund darin, daß ein Schuldner, der aufrechnen kann, sich von Beginn der Aufrechnungsmöglichkeit nicht mehr als Schuldner zu fühlen braucht - genau so ist es dem G ergangen. Am 28. 2. war seine Gegenforderung fällig geworden. Von nun an bestand eine Aufrechnungslage. Auf diesen Zeitpunkt wirkt die Aufrechnung zurück. Es wird so angesehen, als hätte G am 28. 2. den Pachtzins bezahlt. Zu dieser Zeit war er noch keine 2 Monate im Verzug. Folglich hat er rechtzeitig erfüllt und sich das Wasserentnahmerecht bewahrt.

Fall Nr. 41a: Stahlhändler V hat der zum X-Konzern gehörenden Y-GmbH für 30 000,- DM Bleche geliefert. Die ebenfalls zum X-Konzern gehörende Z-GmbH hat dem V einen Gleisanschluß vermietet. Die Y-GmbH fällt in Konkurs. Da die Konkursquote nur 25% beträgt, möchte V mit seiner restlichen Forderung gegen die Mietforderung der Z-GmbH aufrechnen. Kann er das? Wie ist es, wenn in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Z- und Y-GmbH steht, daß die Muttergesellschaft, nämlich die X-AG, mit allen Forderungen ihrer Tochtergesellschaften gegen Gläubiger der X-AG aufrechnen kann? Was sind Konzernverrechnungsklauseln? Vgl. Erman-H. P. Westermann, § 386, Rdn. 8; BGH MDR 1966, 923. Zur Wirkung im Konkurs Pfeiffer-Franken NJW 1960, 1977; Dörner NJW 1961,1508.

Fall Nr. 42: Aufrechnung mit abgetretener Forderung Wie Nr. 41; aber G hat die Forderung, mit der er die Aufrechnung erklärt, erst am 10.4. durch Abtretung von D erworben. Fällig war diese Forderung allerdings schon am 1.1. Hat G rechtzeitig erfüllt?

Lösung Wegen der rückwirkenden Tilgungskraft der Aufrechnung müssen wir prüfen, wann die Aufrechnungslage frühestens bestanden hat. Gegenseitig waren die Forderungen erst nach der Abtretung. Da Gegenseitigkeit eine Voraussetzung der Aufrechenbarkeit ist, kann die erklärte Aufrechnung nur auf den Zeitpunkt zurückwirken, in dem die Abtretung wirksam wurde, also bis auf den 10. 4. Die frühere Fälligkeit spielt unter diesen Umständen keine Rolle mehr. G hat also nicht rechtzeitig erfüllt.

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Fall Nr. 42a: V hat von K 10 0 0 0 , - D M zu fordern, fällig am 1 . 1 . 1 9 7 7 . K erklärt mit einer Gegenforderung von 5000,- DM am 3 . 1 . 1977 die Aufrechnung, und zwar für den Fall, daß es ihm nicht gelingen sollte, bis zum 10.1. 1977 das nötige Bargeld zu beschaffen. Dieser Versuch schlägt fehl. V verlangt ab 3. 1. 1977 4 % Verzugszinsen von 10 0 0 0 , - DM. K weigert sich, die Zinsen zu zahlen, weil er glaubt, wirksam aufgerechnet zu haben. Ist seine Weigerung berechtigt? Abwandlung: Im Prozeß verteidigt sich K gegen die Kaufpreisforderung des V mit der Begründung: 1. Er habe wirksam angefochten wegen arglistiger Täuschung. 2. Falls die Anfechtung nicht wirksam sein sollte, rechne er mit einer gleich hohen Gegenforderung aus Darlehen auf. Darf K sich prozessual so verhalten? Zum Problem der Eventualaufrechnung im Prozeß vgl. RG 79, 24; weitere Hinweise bei Pal.-Heinrichs, § 388 Anm. 2 und 3.

Fall Nr. 43: Aufrechnung gegen unpfändbare Forderungen; Aufrechnung mit Forderungen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung Arbeiter A hat auf seiner Arbeitsstelle eine Elektrobohrmaschine entwendet. Der Schaden beläuft sich auf 2 5 0 , - DM. Wegen des Diebstahls wird er fristlos entlassen; er hat aber noch für den laufenden Monat eine Lohnforderung von 3 0 0 , - DM und für das begonnene Urlaubsjahr einen Anspruch auf 2 0 0 , - DM Urlaubsgeld. Der Arbeitgeber G zahlt dem A nur 2 5 0 , - DM zur Tilgung der noch bestehenden Forderungen aus. Im übrigen erklärt er die Aufrechnung. Durfte G aufrechnen?

Lösung Soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, findet die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt (§ 394 S. 1 BGB). Das zwingende Aufrechnungsverbot hat denselben Sinn wie das Pfändungsverbot: Dem Schuldner soll verbleiben, was er für den notwendigen Lebensunterhalt braucht. Sein Existenzminimum soll nicht durch Aufrechnung gefährdet sein (RG 146, 401; zur Verrechnung von Vorschüssen vgl. RG 133, 252; BAG NJW 1956, 926). Die Pfändbarkeit des Arbeitseinkommens ist in den §§ 850-850 i ZPO geregelt. Es handelt sich um eine Fülle von Einzelregelungen. Für die Lösung des Falles brauchen wir die Vorschriften über die Pfändung des Arbeitseinkommens ausnahmsweise nicht. Die Rechtsprechung hat nämlich den Grundsatz entwickelt, daß der Arbeitgeber gegenüber Lohn- und Gehaltsforderungen unabhängig von der Pfändbarkeit dieser Forderungen aufrechnen darf, wenn er eine Forderung aus einer vorsätzlich unerlaubten Handlung des Arbeitnehmers, begangen im Rahmen des Dienstverhältnisses, hat (BAG NJW 1960, 1590; 1965, 70; bei Aufrechnung gegenüber Unterhaltsansprüchen ähnlich, aber streitig; vgl. BGH AP Nr. 12, BGH 30, 39). Der Diebstahl der Bohrmaschine stellte eine vorsätzlich unerlaubte Handlung dar (§ 823 Abs. 1: Vorsätzliche Eigentumsverletzung; § 823 Abs. 2: Vergehen nach § 242 StGB - Diebstahl - zum Nachteil des Arbeitgebers). Abwandlung des Falles:

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Fall Nr. 44: Aufrechnung gegen Forderungen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung A will mit seiner Lohnforderung gegen die Forderung des G aus vorsätzlich unerlaubter Handlung aufrechnen.

Lösung Zwar kann mit unpfändbaren Forderungen aufgerechnet werden; denn niemand kann den Arbeitnehmer zwingen, das zum Lebensunterhalt notwendige Geld anderweitig auszugeben. A kann jedoch nicht gegen eine Forderung aus vorsätzlich unerlaubter Handlung aufrechnen (§ 393 BGB). Diese Vorschrift hat Strafcharakter. Sie will den Schädigerzwingen, „in die Tasche zu greifen". Weitere Probleme der Aufrechnung (§§ 390, 392 BGB) werden uns bei der Abtretung beschäftigen.

Fall Nr. 44a: V hat sich verpflichtet, dem K zur Geschäftseröffnung am 1.3. 1977 ein kaltes Büffet zu liefern. V erfüllt den Vertrag bewußt und gewollt nicht, weil er sich darüber geärgert hat, daß K über den Preis geplaudert hat. K muß schnellstens einen Ersatzlieferanten bemühen, der 500,- DM mehr für ein gleichwertiges Mahl verlangt. V, von dem K die 500,- DM erstattet haben möchte, rechnet mit einer gleich hohen Forderung aus früheren Lieferungen auf. Kann er das? Vgl. BGH NJW 1967, 2013; 1975,1120.

Fall Nr. 45: Aufrechnungsvertrag, Kontokorrent Die Kaufleute A und B haben ein Kontokorrent vereinbart. A gerät in Zahlungsschwierigkeiten. Deswegen bittet er B um Überweisung von 30 000,- DM aus der Lieferung von Waren. B weigert sich zu zahlen. Deshalb erklärt A die Abtretung dieser Forderung an seinen drängenden Gläubiger C. Muß B an C zahlen?

Lösung Wir prüfen, ob C die Kaufpreisforderungen des A gegen B erworben hat. Forderungen erwirbt man durch Abtretung nach § 398 BGB. Die Abtretung ist ein Vertrag und zugleich das dingliche Geschäft, d. h. mit der Abtretung wird über die Forderung verfügt. Sie steht jetzt dem Abtretungsempfänger zu (vgl. RG 149, 98 sowie Fall Nr. 35 und 46 in Bd. I). Es gibt jedoch Forderungen, die nicht wirksam abgetreten werden können, sei es, daß das Gesetz die Abtretung verbietet oder daß die Parteien die Abtretbarkeit ausgeschlossen haben. Wir wollen nun prüfen, welche Bedeutung in diesem Zusammenhang das Kontokorrent hat. Geregelt ist es in den §§ 355-357 HGB. Über das juristische Wesen des Kontokorrents gibt es verschiedene Theorien (vgl. z. B. Baumbach-Duden, §§ 355-357, Anm. 3). Einigkeit besteht darüber, daß die Absprache, nach einem bestimmten Zeitabschnitt die gegenseitigen Forderungen zu verrechnen (saldieren), ein Aufrechnungsvorvertrag ist. Durch ihn wollen die Parteien unabhängig von den Voraussetzungen der gesetzlichen Aufrechnung ihre gegenseitigen Forderungen auf einfache Art ausgleichen

67 und den Überschuß des einen oder anderen Teils ermitteln. Die wohl herrschende, vom Reichsgericht (RG 132, 222; JW 1935, 2355) entwickelte Lehre versteht das Kontokorrent so: Während des Abrechnungszeitraumes, der frei vereinbar ist, werden die beiderseitigen Ansprüche, soweit sie unter die Kontokorrentabrede fallen, gestundet und gebunden. D. h.: Keine Partei kann einen Einzelposten, der im Kontokorrent steht, einklagen (wegen der Stundung) oder abtreten (wegen der Bindung). Auch Pfändung oder Erfüllung sind nicht möglich! Könnte abgetreten oder gepfändet werden, so würde dadurch der andere Teil eine Sicherheit verlieren; seine Verrechnungsmöglichkeit würde sich verschlechtern. Nach der periodischen Abrechnung werden die Einzelposten durch den Saldo ersetzt, wenn die eine Seite den Saldo mitteilt und die andere ihn als richtig anerkennt. Erst der Saldo erlangt Selbständigkeit. Ob seine Auszahlung verlangt werden kann, ob er abtretbar oder pfändbar ist, richtet sich wieder in erster Linie nach den getroffenen Vereinbarungen. Beim normalen Kontokorrent unter Kaufleuten (ohne Bankbeteiligung) ist der Saldo im Zweifel bei Periodenschluß einziehbar, abtretbar und pfändbar. Sobald er jedoch „vorgetragen", d. h. in die neue Abrechnungsperiode übernommen wird, verliert er wieder seine Selbständigkeit. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß A während der Abrechnungsperiode seine Einzelforderung, die in das Kontokorrent geflossen war, nicht abtreten konnte. C hat mithin keine Forderung gegen den B erworben.

Fall Nr. 45a: S schuldet dem G 3000,- DM aus einer Fahrzeugreparatur und hat seinerseits von D aus Darlehen 4000,- DM zu fordern. Er schreibt dem G, er rechne mit dieser Darlehensforderung dergestalt gegen die Reparaturforderung auf, daß er den G ermächtige, das Darlehen bis zur Höhe von 3000,- DM von D einzuziehen. Hat S aufgerechnet?

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Teil 5: Abtretung

Fall Nr. 46: Saldozession Kaufmann A unterhält mit der Bank B ein Kontokorrent. a) Bei Periodenschluß ergibt sich ein Guthaben des A in Höhe von 20 0 0 0 - DM. A möchte seine Verbindung mit der B-Bank lösen und bittet, das Guthaben der Stadtsparkasse zu überweisen. Ist die Bank dazu verpflichtet? b) Bei Periodenschluß ergibt sich ein Guthaben der Bank in Höhe von 20 000,- DM. Die Bank verlangt von A Bezahlung. Kann sie das? Lösung Zu a) und b): Das Bankkontokorrent (nachfolgend BKK) weist einige Besonderheiten auf. Es wird als Staffel- oder Saldokontokorrent geführt. Das bedeutet: Jeder ins Kontokorrent fallende Vorgang wird sofort saldiert. Es findet also eine laufende Verrechnung mit Übersendung der sogenannten „Tagesauszüge" statt. Beim BKK kann der Bankkunde im Zweifel seinen Kreditsaldo (Aktivsaldo, Guthabensaldo) jederzeit abheben, die Bank ihren Debetsaldo (Passivsaldo des Kunden, Schuldsaldo des Kunden) jederzeit einziehen. Bank und Kunde haben also gleiche Rechte. Anders verhält es sich bei einem Kontokorrentkredit, den die Bank dem Kunden eingeräumt hat. Der Sinn eines solchen Kredits besteht gerade darin, daß der Kunde bis zu einer bestimmten Höhe und Zeit im Debet bleiben darf, sich also auf diese Weise Liquidität verschaffen kann. Die für die Abhebung bzw. Einziehung des Guthabens geltenden Regeln sind nicht ohne weiteres auf die Abtretung und Pfändung eines Guthabens aus einem BKK zu übertragen. Es ist vielmehr sehr streitig, ob ein Bankkunde seinen Guthabensaldo abtreten kann. Diese Streitfrage spielt eine große Rolle bei der Sicherungsabtretung von Bankkontokorrentforderungen (Grigat/Eder BB 1952, 819 u. 1953, 191). Jetzt können wir unsere Fälle 46a) und b) würdigen: Die Aufforderung an die Bank, den nach Periodenschluß errechneten Saldo auf die Sparkasse zu überweisen, ist keine Abtretung, sondern eine Abhebung mit Angabe einer besonderen Überweisungsstelle. Dazu ist A berechtigt. Die Bank kann nur Bezahlung verlangen, wenn es sich nicht um ein Kreditkontokorrent handelt, oder wenn der Zeitraum für die Kreditgewährung abgelaufen ist. Selbst bei einem normalen BKK kann sie jedoch nicht einziehen, wenn nach der getroffenen Vereinbarung das Kontokorrent fortzusetzen ist. Hier ist aber ferner zu beachten, daß im Bankenverkehr der Schuldsaldo des Kunden meistens eine bestimmte Höhe nicht übersteigen darf. Der überschießende Betrag ist nach Periodenabschluß zu zahlen.

Fall Nr. 46a: Die Kaffee-Großrösterei X hat mit dem Einkaufsring Y-GmbH vereinbart, daß zur Sicherheit der Ansprüche der X alle jeweils am Ende eines Kalenderquartals beste-

69 henden Saldoforderungen der Y gegen ihre Abnehmer bis zur Höhe von 50% an die X abgetreten sind. Ist diese Vereinbarung wirksam?

Fall Nr. 47: Übergang der Einwendungen Handwerksmeister H kauft sein Material bei der Firma D. Da er oft in Geldverlegenheit ist, bezahlt er mit Abtretung von „Kundenforderungen". Die Firma D, der er eine Forderung über 2500,- DM gegen K abgetreten hat, hat ein Formular entwikkelt, in dem es heißt: „Sollte Herr H 4 Wochen nach der Abtretung noch nicht gezahlt haben, sind wir berechtigt, die Zession offenzulegen und uns daraus zu befriedigen." Im Falle des Kunden K sind die Voraussetzungen für die Offenlegung erfüllt. K weigert sich zu zahlen und führt aus, H habe mit den Arbeiten noch gar nicht begonnen. Er setze ihm hiermit eine Frist von 2 Wochen und werde nach fruchtlosem Ablauf vom Vertrage zurücktreten. Muß K trotzdem zahlen?

Lösung Der Anspruch der Firma D gegen K könnte aus §§ 631 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 398 BGB begründet sein. Aus eigenem Recht hat die Firma D gegen den K mit Sicherheit keinen Anspruch auf das Geld. Sie kann die Forderung nur durch Abtretung erworben haben. Das setzt eine vorhandene Forderung voraus. Merke: Es gibt keinen gutgläubigen Erwerb von Forderungen! Eine Abtretung, mag sie unter noch so feierlichen Begleitumständen erklärt sein, z. B. in einer notariellen Urkunde oder in einem gerichtlichen Vergleich, ist völlig wirkungslos, wenn die abgetretene Forderung nicht besteht. (Im Wechsel- und Scheckrecht gelten andere Grundsätze.) Wir prüfen also zunächst, ob H überhaupt eine Forderung gegen K hatte. In Betracht kommt eine Werklohnforderung aus § 631 BGB. Danach schuldet der Besteller dem Unternehmer die vereinbarte Vergütung. Die verlangten 2500,- DM sollen die vereinbarte Vergütung sein. Es erhebt sich jetzt die Frage, ob H diese Forderung abtreten konnte, obwohl er mit den Arbeiten noch nicht begonnen hatte. Lesen Sie erst Fall Nr. 73 in Bd. I nach! Dort wird behandelt, wann ein Anspruch begründet und wann er entstanden ist. Alle vertraglichen Ansprüche sind mit Abschluß des Vertrages begründet. Der Vertrag ist gewissermaßen der Schoß, in dem die Anlage zu allen Ansprüchen bereits vorhanden ist. Es bedarf nur noch des Hinzutretens von anderen Umständen, und sie sind entstanden, d. h. sie können klageweise geltend gemacht werden. So gesehen war die Werklohnforderung mit dem Abschluß des Werkvertrages begründet. Sie konnte schon abgetreten werden. Als nächstes wollen wir untersuchen, welche Bewandtnis es mit dem Offenlegen der Abtretung hat. Zur Abtretung genügt ein Vertrag zwischen dem Gläubiger (Altgläubiger) und dem Erwerber der Forderung (Neugläubiger). Der Schuldner wird nicht gefragt. Meistens wird der Neugläubiger jedoch ein erhebliches Interesse daran haben, daß der Schuldner von der Abtretung schnellstens erfährt; denn nach § 407 Abs. 1 BGB wird der Schuldner, der in Unkenntnis der Abtretung an den Altgläubiger zahlt, von der Leistungspflicht frei. Der Neugläubiger geht dann leer aus. Auf der anderen Seite spricht es sich bald herum, wenn ein Unternehmer seine Lieferschulden mit abgetretenen Kundenforderungen bezahlt. Das ist regel-

70 mäßig ein sicheres Zeichen für mangelnde Liquidität. Beiden, dem Unternehmer und dem Lieferanten, wird am Bekanntwerden dieser Situation nicht gelegen sein. Deshalb vereinbaren sie eine stille Abtretung (Zession). Sie ist voll wirksam, für den Abtretungsempfänger (Zessionar) allerdings mit dem Risiko des § 407 Abs. 1 BGB behaftet. Deswegen ist der Zessionar gut beraten, wenn er sich das Recht vorbehält, gewisse Zeit nach der Abtretung die Zession offenzulegen. Sollte der Abtretende (Zedent) bis dahin noch nicht bezahlt haben, so spricht das nicht für eine Verbesserung seiner Zahlungsfähigkeit. Er könnte also geneigt sein, trotz der Abtretung zu kassieren! Zwar würde er mit der Einziehung als Nichtberechtigter über die abgetretene Forderung verfügen (machen Sie sich das bitte klar!); aber Ertrinkende greifen nach dem Strohhalm! Die Folgerung lautet: Stille Zessionen sollte man nach einer angemessenen Zeit offenlegen. Die Vereinbarung zwischen D und H zeigt noch eine Besonderheit. Es heißt dort „ . . . sind wir berechtigt, die Zession offenzulegen und uns daraus zu befriedigen." Zusammen mit der Wartefrist hat das folgende Bedeutung: Firma D wollte die Forderung nicht sofort einziehen, vielmehr dem H Gelegenheit geben, innerhalb der 4 Wochen nach der Abtretung selbst zu bezahlen. Die Abtretung sollte bis dahin nur als Sicherheit dienen. Lesen Sie jetzt zunächst Fall Nr. 63 in Bd. I nach. Dort ist schon Wesentliches über Treuhandverhältnisse gesagt. Eine Forderung kann mit rechtlich unterschiedlicher Wirkung abgetreten werden: 1. Die Abtretung an Erfüllung Statt (nachlesen Fall Nr. 35 in Bd. I). Hier tritt die abgetretene Forderung an die Stelle der ursprünglich geschuldeten Leistung. Das Schuldverhältnis ist mit der Abtretung erloschen. Diese Form ist dem Zessionar auf gar keinen Fall zu empfehlen. Vgl. §§ 364 Abs. 1,365 BGB. 2. Die Abtretung erfüllungshalber. Der Zessionar übernimmt dabei die Pflicht, sich zunächst um die Einziehung der ihm abgetretenen Forderung im eigenen Namen zu bemühen (vgl. RG 65, 81; 160,1; BGH Warn 69 Nr. 7; OLG Celle OLGZ 1970, 451). Soweit er sich aus der abgetretenen Forderung befriedigen kann, erlischt das ursprüngliche Schuldverhältnis, im übrigen bleibt es bestehen. 3. Sicherungsabtretung. Die abgetretene Forderung soll dem Gläubiger zunächst nur als Sicherheit dienen. Juristisch wird ihm zwar das volle Recht übertragen; aber wirtschaftlich soll er bloß ein „Pfand" bekommen. Das rechtlich Erklärte geht über das wirtschaftlich Gewollte hinaus. Der Zessionar wird Treuhänder der ihm „abgetretenen" Forderung. Da ihm dieses Treuhandverhältnis nützt, heißt es eigennütziges Treuhandverhältnis. Erst wenn der Altgläubiger endgültig nicht zahlt, kann der Neugläubiger (Treuhänder) die Forderung im eigenen Namen einziehen. 4. Inkassoabtretung. Auch hier erwirbt der Zessionar juristisch mehr als ihm wirtschaftlich gebührt. Das Vollrecht wird ihm aber nur übertragen, um es zwar im eigenen Namen, wirtschaftlich jedoch für den Altgläubiger (Treugeber) einziehen zu können. Dieses Treuhandverhältnis nützt dem Treuhänder nicht. Deswegen heißt es uneigennütziges Treuhandverhältnis. Literatur- u. Rechtsprechungshinweise zu dem wichtigen Komplex der Treuhandverhältnisse z. B. bei Pal.-Heinrichs, § 398, Anm. 6 u. 7; 3 g vor § 104; 3 vor§ 164; 7 vor § 929. Ferner Erman-Westermann, § 398, Rdn. 26-33. Nach Gegenüberstellung dieser Varianten werden Sie erkennen, daß unsere Parteien (H und D) an Ziff. 3 gedacht haben. D sollte eine Sicherheit erhalten, aber einstweilen abwarten. Erst wenn H nach Ablauf der vereinbarten Frist nicht gezahlt hatte, durfte D die Forderung einziehen.

71 Vereinbarungen dieser Art spielen im Wirtschaftsleben eine erhebliche Rolle! Gegen ihre Wirksamkeit bestehen keinerlei Bedenken (vgl. Pal.-Heinrichs, § 117, Anm. 1). Nachdem wir festgestellt haben, daß die Firma D durch wirksame Abtretung die Werklohnforderung des H erworben hat, bleibt zu prüfen, ob K sich gegenüber der Firma D darauf berufen kann, H habe noch nichts geleistet. Gemäß § 404 BGB kann der Schuldner dem Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren. Diese Vorschrift beruht auf dem Grundsatz, daß niemand mehr Rechte übertragen kann, als er selbst hat. Darausfolgt einmal, daß eine nicht vorhandene Forderung nicht abtretbar ist, zum anderen, daß Einwendungen und Einreden gegen die Forderungen bei einer Abtretung der Forderung erhalten bleiben. Der Zessionar erhält die Forderung so, wie der Zedent sie gehabt hat. Das hat seinen guten Grund. Wenn der Schuldner zur Abtretung nicht gehört wird, dann soll sich seine Rechtsstellung durch die Abtretung auch nicht verschlechtern. Vgl. BGH 19,156. Wir prüfen also, ob K gegen die Werklohnforderung Einwendungen erheben kann. Die Werklohnforderung ist zwar begründet, möglicherweise aber noch nicht entstanden. Anders als beim normalen Schuldverhältnis ist die Werklohnforderung mangels entgegenstehender Vereinbarung nicht sofort fällig (§ 271 Abs. 1 BGB); die Fälligkeit setzt vielmehr die Abnahme voraus (§ 641 BGB), und diese hängt von der Fertigstellung des Werkes ab. Schon deswegen kann K gegenüber D die Bezahlung verweigern. Statt dessen begibt sich K auf einen unrichtigen Weg. Selbst wenn wir unterstellen, daß H mit dem Arbeitsbeginn im Verzuge war, K also die Nachfrist mit der Ablehnungsandrohung setzen konnte, so hat er hier doch die falsche Richtung eingeschlagen. Bei einem gegenseitigen Vertrag bleibt der Zedent trotz Abtretung seiner Forderung Adressat der nach § 326 BGB abzugebenden Erklärungen. Das hat einfach seinen Grund darin, daß der Zedent Schuldner der Gegenleistung geblieben ist. Die Abtretung hat darauf keinen Einfluß. Die Nachfristsetzung ist also unbeachtlich. Da K jedoch zu erkennen gegeben hat, daß er wegen der noch ausstehenden Leistung des H nicht bezahlen will, schadet dieser Fehlschlag nicht.

Fall Nr. 47a: G hat dem A eine Forderung von 5000,- D M gegen S abgetreten. A will Gewißheit haben und fragt den S telefonisch, ob die Zession „in Ordnung gehe". S antwortet, er habe gegen die Zession keine Bedenken. Als A das Geld von ihm verlangt, wendet S ein, er habe das Geschäft, aus dem die 5000,—DM-Forderung resultiert, nach dem Anruf wegen Irrtums angefochten. Muß S trotzdem an A zahlen? Vgl. die Nachweise bei Erman-H. P. Westermann, § 404, Rdn. 6.

Fall Nr. 48: Vorausabtretung Der Landwirt L ist nicht mehr in der Lage, seine Kunstdünger-, Maschinen- und Saatgutschulden bei der Genossenschaft G zu bezahlen. Der drängenden Gläubigerin versichert er, er wolle einem Hotelier H, der in der Nähe ein Hotel errichtet hat, eine Wiese verkaufen. Dort soll ein Parkplatz entstehen. Es sei mit einem Erlös von 60 0 0 0 , - D M zu rechnen. Die Verhandlungen mit dem Hotelier hätten bereits

72 begonnen. Daraufhin läßt sich die Gläubigerin G diese 60 000,- DM im voraus abtreten. Nachdem der Kaufvertrag über die Wiese zu einem Preise von 65 000,DM zustande gekommen ist, verlangt die G von H diese 65 000,- DM. H verweigert die Zahlung mit der Begründung, die Abtretung habe nur in notariell beurkundeter Form geschehen können. Muß H zahlen?

Lösung Die G könnte einen durch Abtretung erworbenen Kaufpreisanspruch des L gegen den H haben (§ 433 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 398 BGB). Zweifel am Bestand der Kaufpreisforderung tauchen nicht auf. Ob G diesen Anspruch erworben hat, hängt von der Wirksamkeit der Zession ab. Sie haben gelernt, daß nur vorhandene Forderungen abtretbar sind. Dieser Satz ist einzuschränken: Auch bedingte, befristete und künftige Forderungen können abgetreteri werden (BGH 7, 367; 30, 240; 32, 369; NJW 1965, 2197; BAG NJW 1967, 752). Die Abtretung einer künftigen Forderung erlangt allerdings erst Wirksamkeit, wenn die Forderung begründet wird. Bis dahin ist der Abtretungsvertrag gegenstandslos. Die Abtretung künftiger Forderungen heißt Vorausabtretung. Ihre Wirksamkeit ist davon abhängig, ob die künftige Forderung bestimmt oder mindestens bestimmbar ist. Eine bestehende Forderung ist regelmäßig bestimmt, d. h. Schuldner und Höhe der Schuld sowie Fälligkeit usw. stehen fest. Läßt sich eine bestehende Forderung nicht bestimmen, so ist auch sie nicht abtretbar! Um so mehr gilt das bei zukünftigen Forderungen. Ob eine zukünftige Forderung bestimmt oder mindestens bestimmbar ist, hängt von den Einzelheiten des Falles ab. Das Schuldverhältnis, aus dem die künftige Forderung hervorgehen soll, braucht bei der Abtretung noch nicht zu bestehen. Auch Ungewißheit über den konkreten zukünftigen Schuldner ist unschädlich. Es genügt, daß die Entstehung der Forderung z. Z. der Abtretung möglich erscheint, und die abgetretene Forderung so konkret bezeichnet wird, daß sie bei ihrer Entstehung bestimmbar ist. Zum Gesamtkomplex der Vorausabtretung vgl. RG 55,334; BGH 7,367; 30,240; 32, 367; NJW 1965, 2197; BAG NJW 1967, 752. Das sind gerade für den Kaufmann sehr wichtige Entscheidungen. Wenn wir den vorliegenden Fall auf diese Merkmale anschauen, müssen wir die Abtretbarkeit des Kaufpreises bejahen. Hier war die abgetretene Forderung sowohl nach ihrem Entstehungsgrund (Verkauf einer bestimmten Wiese), als auch nach der Person des Schuldners (H) und sogar nach ihrer voraussichtlichen Höhe konkretisiert. Mehr ist auf keinen Fall für die Bestimmbarkeit zu verlangen. Man kann hier durchaus die Ansicht vertreten, die Forderung sei sogar bestimmt, nicht nur bestimmbar gewesen. Es bleibt zu prüfen, in welcher Form die Abtretung zu erklären war. Die Abtretung nach § 398 BGB ist formfrei, und zwar auch dann, wenn das Rechtsgeschäft, aus dem sie hervorgegangen ist, einer Form bedarf (hier § 313 BGB). Vgl. RG 148,108. Für die Abtretung von Forderungen aus Wechseln und Schecks sowie für die Abtretung von Forderungen, die durch Hypothek gesichert oder durch Inhaberpapiere verbrieft sind, gelten Sondervorschriften. Da die Kaufpreisforderung formfrei zediert werden konnte, hat G den Anspruch erworben; allerdings nicht in Höhe von 65 000,- DM, sondern nur in der Höhe, wie die Abtretung lautet. Eine Teilabtretung, die den Schuldner nicht übermäßig beschwert (RG 146, 399; BGH 23, 56), ist ohne weiteres möglich, wenn die abgetretene Forderung teilbar ist. Daran bestehen bei einer Geldschuld keine Zweifel. Jedoch darf der Schuldner

73 durch Teilabtretungen nicht unzumutbar beschwert werden. Auch davon kann hier keine Rede sein. Deshalb muß H an G 60 000,- DM zahlen.

Fall Nr. 48a: Großhändler G möchte sich eine Ladenkette sichern. Den Inhabern der Einzelhandelsgeschäfte, die sich ihm „anschließen", verspricht er Vorzugsrabatte, wenn sie ihm alle Forderungen im voraus abtreten, die sie aus dem Verkauf seiner Geräte erzielen. Ist eine derartige Vereinbarung, unbeschadet der wettbewerbsrechtlichen Bedenken, wirksam?

Fall Nr. 49: Globalzession Bauunternehmer U ist ständig auf der Albatroswerft AG mit Bauarbeiten beschäftigt. Seine Bank B hat ihm den Geschäftskredit gekündigt. Da U nicht zurückzahlen kann, tritt er der Bank seine gesamten bestehenden und künftigen Forderungen gegen die AG bis zur Höhe von 50 000,- DM ab. Im Zeitpunkt der Abtretung hat U ein Guthaben von 30 000,- DM. Diesen Betrag zahlt die Werft an die Bank. Drei Monate später hat U aus anderen Werkverträgen weitere Forderungen von insgesamt 40 000,- DM. Trotzdem weigert sich die Werft, die restlichen 20 000,- DM an B zu zahlen. Mit Recht?

Lösung Wir prüfen, ob und in welcher Höhe die Bank durch Abtretung der Werklohnforderungen des U Ansprüche gegen die AG erlangt hat (§ 631 BGB in Verbindung mit § 398 BGB). Am Sachverhalt ist neu die Abtretung mehrerer Forderungen, und zwar bestehender und künftiger nebeneinander. Eine Abtretung, durch die ein ganzes Bündel Forderungen, insbesondere auch zukünftiger Forderungen abgetreten wird, nennen wir Globalzession. Die globale Forderungsabtretung ist unter den gleichen Voraussetzungen zulässig wie die Einzelabtretung, d. h. die abgetretenen Forderungen müssen bestimmt, zumindest und spätestens im Augenblick ihrer Entstehung bestimmbar sein. Bestimmbar sind die global zedierten Forderungen, z. B. wenn der Zedent alle Forderungen aus einer bestimmten Geschäftsverbindung in voller Höhe abtritt (RG 155,30; JW1932,3760; BGH WPM 1961,350). Dann kann über Umfang und Höhe der Abtretung kein Zweifel bestehen. Kritisch wird es bei einer Teilabtretung betreffend mehrere Forderungen. Die Rechtsprechung steht auf dem Standpunkt, die abgetretene Forderung sei unbestimmt und unbestimmbar, wenn nicht eine bestimmte Quote von mehreren Forderungen, sondern ein summenmäßiger Teil Ihrer Gesamtheit abgetreten worden ist. Es sei dann nicht erkennbar, von welchem Teil oder von welchen der mehreren Forderungen ein Teil abgetreten sei. Auch der Schuldner sei darüber im Ungewissen, wen er in bezug auf die verschiedenen gegen ihn bestehenden Forderungen als Gläubiger anzusehen habe. Die Unbestimmtheit werde sofort deutlich, wenn man die Tragweite der Teilabtretung in Verbindung mit anderen Teilabtretungen feststellen wolle (vgl. RG 98, 202; BGH Warn 68 Nr. 165; WPM 1970,848; Beeser AcP 156,414). Bei Anwendung dieser Grundsätze auf unseren Fall gelangen wir zu folgendem Ergebnis: Die Abtretung der bestehenden Forderungen ist wirksam, weil sie sämtliche Forderungen in ihrer vollen Höhe erfaßt hat. Darüber streiten die Parteien

74 auch nicht. Schwierig wird es, wenn wir entscheiden müssen, welche Forderungen oder welche Teile davon aus dem Bündel, das zusammen 40 000,- DM ergibt, abgetreten sind. Von den 40 000,- DM kann die Bank nur noch 20 000,- DM verlangen. Hier hätte eine genauere Bestimmung erfolgen müssen. Es hätte genügt, die Abtretung jeweils auf die Forderungen voll zu erstrecken, die als erste, zweite, usw. fällig geworden sind. Eine großzügige Auslegung der Vereinbarung zwischen der Bank und U kann vielleicht zu diesem Ergebnis führen; aber darin liegt viel Unsicherheit. Wenn künftige Forderungen nicht sämtlich und in voller Höhe abgetreten werden, weil sie nur zur Deckung einer der Höhe nach feststehenden Schuld dienen sollen, und die künftigen Forderungen die bestehende Schuld voraussichtlich bald übersteigen werden, ist es falsch, sich die künftigen Forderungen bis zur Höhe von X,- DM abtreten zu lassen. Richtig sollte man formulieren: Alle zukünftigen Forderungen des X aus seiner Geschäftsverbindung mit Y werden in der Reihenfolge ihrer Fälligkeit und in voller Höhe an G abgetreten, bis dessen Forderung gegen X in Höhe von . . . , - DM nebst Zinsen von . . . % ab . .. nominell voll gedeckt ist. Zur Geltung der Grundsätze über Globalzession auch beim Factoringgeschäft vgl. OLG Frankfurt NJW1976,1944.

Fall Nr. 49a: Großhändler G hat mit dem Einzelhändler E abgerechnet und dabei festgestellt, daß E Forderungen, die dem G im voraus abgetreten waren, eingezogen und das Geld für sich verbraucht hat. Deswegen ist G böse. Er schließt mit E einen Vertrag, in dem es heißt, daß E dem G alle Forderungen aus Warenverkauf in voller Höhe abtritt, und zwar sowohl die bestehenden als auch die zukünftigen, bis die Forderung des G gegen E getilgt ist. Die abgetretenen Forderungen sollen jeweils am Monatsende listenmäßig erfaßt werden. Halten Sie die Abtretung für wirksam? Vgl. RG 67,108; OLG Stuttgart NJW 1964, 666.

Fall Nr. 50: Abtretung wegen einer Mehrheit von Forderungen; Bestimmtheitsgrundsatz Der Angestellte A hat für einen Kleinkredit über 2400,- DM seine Gehaltsansprüche gegen den Arbeitgeber G an die Kreditbank AG abgetreten. In der Abtretungsurkunde heißt es: „Als Sicherheit für alle Forderungen der Bank, gleichgültig aus welchem Rechtsgrund sie entstanden sind, trete ich der Bank den abtretbaren Teil meiner Gehaltsforderung gegen meinen jeweiligen Arbeitgeber bis zur Höhe des jeweiligen Schuldsaldos bei der Bank, zuzüglich vereinbarter Kreditgebühren, entstandener Mahn-, Verzugs- und Rechtsverfolgungskosten ab." Nach Zahlung von 4 monatlichen Raten kommt A in Verzug. Die Bank verlangt von G Überweisung der laufenden Raten und der Verzugszinsen sowie Mahnkosten des Anwalts. G weigert sich zu zahlen. Zur Begründung führt er aus, er könne nicht prüfen, was die Bank zu fordern habe, und möchte nicht zweimal in Anspruch genommen werden. Muß G zahlen?

75

Lösung Der Fall weist Ähnlichkeit mit dem vorhergehenden auf; doch es besteht ein Unterschied: Im Fall Nr. 49 stand zwar die Höhe der Forderung des Zessionars fest (50 000,- DM), aber die Zusammensetzung der abgetretenen Forderungen war zu unbestimmt. Demgegenüber ist im vorliegenden Falle die Höhe der abgetretenen Forderung unbestimmt, weil sie abhängig ist von der wechselnden Höhe der gesicherten Forderung. Es ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt, daß auch Lohnforderungen aus einem künftigen Arbeitsverhältnis abgetreten werden können. Deswegen macht es für die Lösung unseres Falles keinen Unterschied, ob G der ursprüngliche oder ein späterer Arbeitgeber des A ist. Schwierigkeiten bereitet die Frage, in welcher Höhe A die Lohnforderung abgetreten hat. Die Abtretungserklärung verknüpft die Höhe der abgetretenen Forderung mit der Höhe des jeweiligen Schuldsaldos. Dadurch wird die Höhe der abgetretenen Forderung ungewiß. Durch Ratenzahlungen vermindert sich der Schuldsaldo, durch Verzugszinsen, Mahnkosten und Kosten der Rechtsverfolgung kann er sich erhöhen. Außerdem sind in den Schuldsaldo „alle Forderungen der Bank, gleichgültig aus welchem Rechtsgrund", einzubeziehen. Der Bundesgerichtshof hat dazu entschieden, zwar könne im Verhältnis zwischen der Bank und dem A an einem bestimmten Stichtag ermittelt werden, was der A der Bank schulde; insoweit sei die abgetretene Forderung also bestimmbar. Es genüge jedoch nicht, daß die Bank und A, also Zedent und Zessionar, untereinander klären könnten, wieviel jeder von ihnen aus der Gehaltsforderung zu beanspruchen habe. Auch der Schuldner - hier der Arbeitgeber G - müsse wissen, welche Anteile der Gehaltsforderung auf den Zedenten und welche auf den Zessionar entfallen, und wieviel er deshalb jedem von beiden zu leisten habe. Der Bundesgerichtshof hat offengelassen, wie er entschieden hätte, wenn der Zusatz „alle Forderungen der Bank, gleichgültig aus welchem Rechtsgrund" gefehlt hätte; mit Rücksicht auf diesen Zusatz hat er die Höhe der abgetretenen Forderung jedenfalls für nicht bestimmbar angesehen. G braucht in unserem Falle also nicht an die Bank zu zahlen. Das Reichsgericht hat in einem Fall, der den vorgenannten Zusatz nicht aufwies, mit noch strengeren Anforderungen die Bestimmbarkeit verneint. Damals war die Höhe der jeweils abgetretenen Forderung verknüpft mit der Höhe des laufenden und daher stets wandelbaren Bankkredits. Es ist verständlich, daß diese Entscheidungen in Bankkreisen nicht auf Gegenliebe gestoßen sind. Sie haben deshalb auch Widerspruch in der Literatur gefunden. Dennoch tut man gut daran, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu beachten. Zur Vertiefung: RG 92, 238; BGH NJW 1965, 2197; OLG Celle Betr 1967, 375; Wolf NJW 1966, 107.

Fall Nr. 50a: Die X-Lagerhausgesellschaft mbH hat den Chemischen Reinigungsbetrieb Y jahrelang mit Heizöl beliefert, wobei die Lieferungen auf verschiedene Filialen verteilt worden sind. In dem Vertrag heißt es, daß für jede Filiale getrennt zu buchen und Faktura zu erteilen sei. Bezahlung soll nur durch die Hauptniederlassung erfolgen. Die X tritt alle ihre Forderungen aus Heizöllieferungen gegen Y an Z ab. Z verlangt

76 von Y Bezahlung der Lieferungen an die Filialen A, B, C und Dfür die Jahre bis zum 31.12. 1976. Y verweigert die Zahlung an Z mit der Begründung, es könne der Zentrale nicht zugemutet werden, nachzuprüfen, was nun abgetreten sei. Sie halte die Abtretung daher für unwirksam. Ist der Standpunkt des Y haltbar?

Fall Nr. 51: Globalzession und verlängerter Eigentumsvorbehalt Bauunternehmer U bezieht sein Baumaterial zum größten Teil vom Baustoffhändler L. In den Lieferungsbedingungen heißt es: „Bis zur vollständigen Tilgung unserer gesamten Forderung behalten wir uns an den gelieferten Waren das Eigentum vor. Wird die gelieferte Ware bzw. werden die daraus hergestellten Sachen vom Käufer wieder veräußert oder in das Grundstück eines Dritten eingebaut, geht die Forderung des Käufers an seinen Abnehmer entsprechend dem Wert unserer Lieferung zwecks Sicherung unserer Forderung auf uns über, ohne daß es einer besonderen Abtretungserklärung bedarf." Bei der B-Bank unterhält U einen laufenden Geschäftskredit. Zur Sicherung dieses Kredits hat er mit der Bank vereinbart: „Als Sicherheit für alle gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche werden sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen gegen die Abnehmer an die Bank abgetreten. Soweit zukünftige Forderungen bereits auf Grund eines verlängerten Eigentumsvorbehalts abgetreten sind, verpflichtet sich U, den Kredit in erster Linie zur Ausräumung des Eigentumsvorbehalts zu verwenden und möglichst Waren ohne Eigentumsvorbehalt zu kaufen." U hat mit Baumaterial des L, für das er ihm 30 000,- DM schuldet, Bauarbeiten im Werte von 100 000,- DM ausgeführt. In gleicher Höhe ist er bei der Bank verschuldet. Die Bank verlangt vom Bauherrn H Zahlung der 100 000,- DM, nachdem sie den laufenden Kredit wirksam gekündigt hat. H möchte wissen, ob er an die Bank oder an L zahlen muß? Lösung Die Bank beansprucht den vollen Werklohnanspruch des U unter Berufung auf die vereinbarte Globalzession. Deswegen müssen wir prüfen, ob diese Abtretung wirksam ist. Erste Bedenken setzen ein, weil auch hier die Höhe der Abtretung verknüpft ist mit der Höhe der Schuld. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Falle seine früher dazu geäußerten Bedenken nicht wiederholt, obwohl derselbe Senat entschieden hat! Zum Nachlesen: BGH Urt. v. 22. 9.1965 - VIII ZR 265/63 in NJW 1965, 2197 und Urt. v. 24. 4. 1968-VIIIZR 94/66 in NJW 1968,1516.

Im vorliegenden Falle hat der BGH Bedenken anderer Art geäußert: Bei Vorausabtretungen gilt der Grundsatz der Priorität ebenso wie bei der Abtretung bestehender Forderungen. Er bedeutet, wenn eine Forderung bereits abgetreten ist, geht die zweite Abtretung ins Leere. Das folgt aus der Unmöglichkeit eines gutgläubigen Forderungserwerbs. M. a. W.: Tritt A eine zukünftige Forderung zunächst an B und später an C ab, so erwirbt nur B die Forderung, gleichgültig, ob C diese Abtretung kennt oder nicht. Dieser Grundsatz ist auch zu beachten, wenn mit einer Globalzession ein verlängerter Eigentumsvorbehalt konkurriert.

77 Nach § 455 BGB kann sich der Verkäufer einer beweglichen Sache das Eigentum bis zur Bezahlung des vollständigen Kaufpreises vorbehalten. Der Käufer erhält in einem solchen Falle zwar den Besitz an der Sache, so daß er sie nutzen kann; aber der Eigentumserwerb steht unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Kaufpreiszahlung (wiederholen Sie Fall Nr. 43 in Bd. I). Wenn der Käufer selbst Gewerbetreibender ist, wird er die gekaufte Ware regelmäßig weiterveräußern, entweder unverändert (Kette: Hersteller - Großhändler - Einzelhändler - Verbraucher) oder nach Be- und Verarbeitung (Einbau von Stoffen in fremde Grundstücke). Sobald die unter Eigentumsvorbehalt gelieferte Ware nicht mehr beim Abnehmer ist, - als Gewerbetreibender ist er in aller Regel zur Veräußerung befugt - läuft der Verkäufer Gefahr, seine Sicherheit zu verlieren. Deshalb sind die Lieferanten dazu übergegangen, einen sog. verlängerten Eigentumsvorbehalt zu vereinbaren. Hier soll uns nur die Verlängerung durch Vorausabtretung der Forderung interessieren. Wird die unter Eigentumsvorbehalt gelieferte Ware unverändert verkauft, so genügt es, sich die Kaufpreisforderung aus dem Wiederverkauf der Ware im voraus abtreten zu lassen. Dabei ist zu beachten, daß keine übermäßige Sicherung, die wegen Verstoßes gegen die guten Sitten oder wegen Knebelung nichtig sein könnte, vereinbart wird (§ 138 BGB). Wer alles will, hat am Ende gar nichts! Deswegen ist zweierlei zu bedenken: "I.Die Vorausabtretung sollte man der Höhe nach beschränken auf den geschuldeten Kaufpreis (Klauseln: „in Höhe des Wertes der Vorbehaltsware" oder „entsprechend dem Wert der Lieferung"). Ansonsten gefährdet man u. a. auch die Bestimmbarkeit. 2. Wird die gelieferte Ware erst nach Be- oder Verarbeitung veräußert, so verkörpert sie zumeist einen weit höheren Wert. Die ihr anhaftenden Wertverbesserungen beruhen aber nicht auf Leistungen desjenigen, der unter Eigentumsvorbehalt geliefert hat, sondern auf Dienst- und Werkleistungen des Käufers. Wer sich auch den darauf beziehenden Teil der Forderung des Käufers gegen den Abnehmer abtreten lassen will, muß das deutlich machen. Zulässig ist es. Dann empfiehlt sich eine Regelung, nach der der Lieferant von den ihm im voraus abgetretenen Forderungen nach seiner Wahl an den Käufer zurückabtritt, was die zu sichernde Forderung um mehr als (z. B.) 25% übersteigt. Indes, der Warenlieferant kommt mit seinem verlängerten Eigentumsvorbehalt wegen des Grundsatzes der Priorität regelmäßig zu spät, wenn sein Käufer bei einer Bank einen laufenden Geschäftskredit unterhält und ihr dafür eine Globalabtretung gegeben hat. Die Bank hat meist einen zeitlichen Vorsprung. Das beruht auf folgender Rechtslage: Nach der Globalabtretung gehen die zukünftigen Forderungen des Unternehmers auf die Bank über, sobald sie vorhanden sind. Das sind sie mit Abschluß der Lieferungs- oder Werkverträge zwischen dem Unternehmer und dem Bauherrn. In diesem Augenblick ist der Unternehmer aber regelmäßig noch Besitzer der unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Ware. Der Eigentumsvorbehalt des Lieferanten ist also noch wirksam. Sein verlängerter Eigentumsvorbehalt, nämlich die Vorausabtretung, kann erst Platz greifen, wenn der Unternehmer die Ware an den Abnehmer veräußert, d. h. ihm erlaubtermaßen das Eigentum übertragen und damit den Eigentumsvorbehalt zunichte gemacht hat. Hat sich schon die Bank alle gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen ihres Kunden abtreten lassen, so ist die zeitlich später wirksam werdende Vorausabtretung zu Gunsten der Warenlieferanten wegen des Grundsatzes der Priorität ein Schlag ins Leere. Sie laufen also Gefahr, ihren verlängerten Eigentumsvorbehalt nicht verwirklichen zu können.

78 Um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, sie seien auf eine rücksichtslose Sicherung des gewährten Geldkredits zu Lasten des von den Lieferanten gegebenen Warenkredits bedacht, haben viele Banken daher in ihre AGB aufgenommen, der Bankkunde verpflichtet sich, den Kredit in erster Linie zur Bezahlung der unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Ware zu verwenden und den Lieferanten auf die Globalzession hinzuweisen. Der Bundesgerichtshof hat sich dadurch nicht beirren lassen. Er hat den Standpunkt vertreten, derartige Klauseln hätten erst Bedeutung für den Zeitpunkt einer Krise. Außerdem seien sie unpraktikabel! Dem Käufer von Waren sei schwerlich zuzumuten, seinem Lieferanten die Globalzession mitzuteilen und so den eigenen Kredit zu untergraben. Eine solche Klausel zwinge denjenigen, der alle gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen abgetreten habe, laufend seine Pflichten gegenüber den Lieferanten zu verletzen. Deswegen verstoße die Globalzession gegen die guten Sitten und sei nichtig (§ 138 BGB). Daraus folgt für unseren Fall: Die Bank kann keine Zahlung verlangen, weil die Abtretung aller gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen des Unternehmers zu einer sittenwidrigen Schädigung schutzwürdiger Interessen des Warenlieferanten führt. Auf der anderen Seite kann der Warenlieferant als wirksam im voraus abgetreten nur soviel verlangen, wie dem Warenwert entspricht und - das ist wichtig - soweit dieser Warenwert in der Forderung des Käufers gegen seinen Abnehmer wiederkehrt. Soweit in dieser Forderung das Entgelt für Dienst- und Werkleistungen des Unternehmers steckt, ist die Forderung nicht abgetreten. Dazu hätte es einer besonderen Vereinbarung bedurft. In der hier getroffenen Abrede ist sie nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht enthalten. Die vom Bundesgerichtshof vorgenommene Differenzierung soll an einem Zahlenbeispiel verdeutlicht werden. Wert = Kaufpreis der unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Ware: 10 000,-DM. Forderung des Käufers gegen den Abnehmer: 40 000,- DM. Darin Warenwert mit 10 000,- DM. Die restlichen 30 000,- DM sind der Gegenwert für Dienst- und Werkleistungen, also mit der in unserem Falle getroffenen Vereinbarung nicht abgetreten. Wenn der Lieferant nur noch 10 000,- DM zu bekommen hat, entstehen keine Schwierigkeiten. Hat er aber aus mehreren Lieferungen noch 30 000,- DM zu bekommen, und hat sein Käufer nur eine Forderung gegen den Abnehmer über 40 000,-DM, in der ein Warenwert von 10 000,-DM steckt, dann kann der Lieferant nur diese 10 000,- DM verlangen. Der Konflikt zwischen verlängertem Eigentumsvorbehalt und Globalzession spielt in der Wirtschaft eine bedeutende Rolle. Zur Vertiefung sei folgende Lektüre empfohlen: BGH 30, 151; 32, 363; 55, 34; ferner BGH NJW 1969,318. Kritisch dazu Dempewolf in MDR1959, 801 und Werhahn in NJW 1969, 653. Weitere Nachweise aus Literatur und Rechtsprechung bei Pal.-Heinrichs, § 398, Anm. 3d bb und e.

Fall Nr. 51a: Warenlieferant W hat sich wirksam jeweils 75% der Forderungen aus dem Verkauf seiner unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Waren im voraus von K abtreten lassen. Die Bank B hat sich ebenfalls eine Vorausabtretung geben lassen, und zwar hinsichtlich aller Forderungen aus Verkaufsgeschäften. Beide Abtretungen sind

79 unabhängig voneinander zur selben Zeit erklärt worden (z. B. durch zwei verschiedene Prokuristen). Gibt es einen Vorrang? Prüfen Sie das Kernproblem: Wann wird die Abtretung wirksam?

Fall Nr. 52: Vereinbartes Abtretungsverbot Firma F hat in allen Verträgen mit ihren Arbeitnehmern den Satz stehen: „Lohnund Gehaltsabtretungen werden nicht anerkannt." Dadurch will sie ihrer Buchhaltung zusätzliche Arbeit ersparen. X hat dennoch an den Autohändler V zur Bezahlung eines PKW's aus seinem monatlichen Gehalt einen Teilbetrag von 200,- DM abgetreten. Kann V von F Zahlung der monatlichen Rate verlangen?

Lösung Nach § 399 BGB kann eine Forderung nicht abgetreten werden, wenn eine Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann oder wenn die Abtretung durch Vereinbarung mit dem Schuldner ausgeschlossen ist. Die erste Alternative kommt hier nicht in Betracht. Darunter fallen z. B. Unterhaltsforderungen, die allein den Zweck haben, die Existenz des ursprünglichen Gläubigers zu sichern; oder solche Forderungen, die aus anderen Gründen streng auf bestimmte Personen bezogen sind, z. B. der Anspruch eines Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer auf Dienstleistungen. Weitere Beispiele für Nichtabtretbarkeit gem. § 399 BGB 1. Alternative vgl. KG HRR 35, 723 (Anspruch auf Unterhalt); RG 148, 109 (Vorkaufsrecht); BGH 25, 211 (zweckgebundenes Aufbaudarlehen); sonstige zweckgebundenen Zuwendungen vgl. BGH Warn 69 Nr. 295; BAG Betr 1970,1327. Hier haben wir die Frage zu beantworten, ob eine vereinbarte Nichtabtretbarkeit vorliegt. Eine einseitige Erklärung des Arbeitgebers würde nicht ausreichen. Der Schuldner kann nicht allein über die Frage der Abtretbarkeit entscheiden. Wenn X jedoch den Arbeitsvertrag mit jenem Satz unterschrieben hat, bestehen keine Zweifel an einer freien Vereinbarung. Die Gehaltsforderung war also nicht abtretbar. V kann von F keine Zahlung verlangen. Merke: Abtretungsverbote können wirksam in Tarifverträgen und in Betriebsvereinbarungen enthalten sein. Zum Problem der vereinbarten Abtretungsverbote vgl. die Hinweise auf Literatur und Rechtsprechung bei Pal.-Heinrichs, § 399, Anm. 3. Über betriebliche Abtretungsverbote vgl. Hohn BB 1962,54.

Fall Nr. 52a: V hat unter Eigentumsvorbehalt Fernsehgeräte an K geliefert. Es ist vereinbart, daß K die Geräte im ordnungsgemäßen Geschäftsgang an Einzelhändler verkaufen darf. Die Forderungen aus solchen Verkäufen hat K dem V im voraus abgetreten. K verkauft 5 Geräte an den Einzelhändler E. Zwischen beiden wird vereinbart, daß K die Forderungen aus diesem Geschäft nicht abtreten darf. V beruft sich auf die zeitlich frühere Vorausabtretung und verlangt Bezahlung von E. Mit Recht?

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Fall Nr. 53: Abtretungsverbot, Unpfändbarkeit Sozialrentner R bezieht eine Altersrente nach dem Angestelltenversicherungsgesetz in Höhe von ca. 1500,- DM. Die monatlich zu zahlende Miete beträgt 3 0 0 - DM. Der Vermieter V hat sich von ihm eine Abtretung des Rentenanspruches in dieser Höhe geben lassen. Die Bundesversicherungsanstalt will die Abtretung nicht anerkennen. Kann V dennoch Zahlung an sich verlangen?

Lösung Nach § 400 BGB kann eine Forderung nicht abgetreten werden, soweit sie der Pfändung nicht unterliegt. Das ist eine Parallelvorschrift zu § 394 BGB (Aufrechnungsverbot gegen unpfändbare Forderungen). Sie soll dem Empfänger der unpfändbaren Forderung das Existenzminimum sichern, ihn also vor unbedachten Zessionen schützen (RG 146, 401). Die Renten aus der Sozialversicherung sind unpfändbar. Für Angestelltenrenten folgt das aus § 76 Angestelltenversicherungsgesetz. Ob das Pfändungsverbot heute noch zeitgemäß ist, ob es insbesondere gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt (Renten aus freiwilliger Lebensversicherung u. Beamtenpensionen sind pfändbar), ist z. Z. heftig umstritten. Das Bundesverfassungsgericht hat die Unpfändbarkeit der Sozialrenten in einer Entscheidung aus dem Jahre 1960 mit dem Gleichheitsgrundsatz für vereinbar gehalten. Das Abtretungsverbot besteht aber nur im Rahmen des Schutzzweckes der Unpfändbarkeit (BGH 4, 153; 13, 360; 59, 115). Da durch die Unpfändbarkeit die Existenzgrundlage des Rentenempfängers gesichert werden soll, darf er Teile seiner Rente abtreten, wenn die Abtretung gerade diesem Zwecke dient. Das ist bei Abtretungen, mit denen der Mietzins beglichen werden soll, anzunehmen. Also muß die Bundesanstalt an V monatlich 3 0 0 , - DM zahlen.

Fall Nr. 53a: V ist Inhaber einer Kfz-Werkstatt mit Tankstelle und mehreren Garagen. Im Alter von 70 Jahren überträgt er den gesamten Betrieb auf den Käufer K, der den Kaufpreis in Form einer lebenslänglichen, monatlichen Rente von 1500,- D M zahlen soll. V tritt davon einen Teilbetrag von 6 0 0 - DM an seine geschiedene Frau ab, der er Unterhalt zahlen muß. Ist die Abtretung wirksam?

Fall Nr. 54: Abtretung und Aufrechnung S hat gegen G eine Forderung auf Zahlung von 1 0 0 0 , - D M . G hat eine Gegenforderung von 1700,- DM. Diese Forderung tritt G am 1. 3. an D ab. Beide Forderungen sind fällig. S erfährt von der Abtretung am 10. 3. Kann er noch aufrechnen?

Lösung Sie erkennen hoffentlich sofort, daß es an der Gegenseitigkeit fehlt, nachdem G seine Forderung an D abgetreten hat. Aber im Rahmen der Überlegungen zu § 404 BGB haben Sie gelernt, daß der Schuldner durch die Abtretung nicht schlechter gestellt werden darf, als er vorher gestanden hat. Demgemäß bestimmt § 406 BGB in Ergänzung zu § 404 BGB, daß der Schuldner ihm eine gegen den bisherigen

81 Gläubiger zustehende Forderung auch gegen den neuen Gläubiger aufrechnen darf. Die beiden Ausnahmen enthält der zweite Halbsatz des § 406. Die erste, hier nicht gegebene Ausnahme lautet: Er kann nicht aufrechnen, wenn er die Forderung, mit der er aufrechnen will, erst erwirbt, nachdem er von der Abtretung bereits Kenntnis erlangt hat. Die zweite Ausnahme ist ebenfalls nicht gegeben. (Dafür ein Beispiel im nächsten Fall.) S kann also auch gegenüber D aufrechnen.

Fall Nr. 54a: K hat seinen Saldo, der aus dem am 31.12.1976 endenden Kontokorrentverhältnis zu D bestehen könnte, bereits am 31.10.1976 an E abgetreten. Am 10.11.1976 läßt sich D von X eine fällige Forderung gegen K abtreten. Da sie nicht ins Kontokorrent gestellt werden kann, erklärt D am 11.11. 1976 die Aufrechnung gegen die evtl. Saldoforderung des K per 31.12.1976. Geht die Abtretung von K an E der Aufrechnung des D gegen K vor? Oder umgekehrt?

Fall Nr. 55: Abtretung und Aufrechnung S hat gegen G seitdem 1.4. eine am 1.10. fällige Forderung über 1000,-DM. G hat gegen S eine am 1.7. fällige Forderung über 1700,- DM. Am 1. 6. tritt G seine Forderung an D ab. S erfährt davon am 10. 6. Kann er gegenüber D aufrechnen?

Lösung Wenn G seine Forderung nicht abgetreten hätte, wäre dem S die Aufrechnung vor Fälligkeit seiner Forderung, also vor dem 1.10. nicht erlaubt gewesen. Durch die Abtretung soll sich seine Rechtsstellung zwar nicht verschlechtern, aber auch nicht verbessern. Folglich kann er auch nicht gegenüber dem D aufrechnen. S hätte gegenüber G allerdings aufrechnen können, wenn G seine Forderung erst nach dem 1.10. geltend gemacht hätte. Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit und Fälligkeit waren dann gegeben. Sollte D mit der Geltendmachung der ihm abgetretenen Forderung ebenfalls bis nach dem 1.10. warten, so ist dem S dennoch die Aufrechnung verwehrt. § 406 2. Halbs., 2. Altern. B G B geht davon aus, daß Forderungen eingezogen werden, wenn sie fällig sind. Wenn der Gläubiger länger wartet, soll sich auch seine Rechtsposition nicht verschlechtern.

Fall Nr. 55a: V hat dem K unter Eigentumsvorbehalt Stahl geliefert. Die Forderungen aus Verkäufen dieses Stahls hat sich V im voraus abtreten lassen. Am 3. 1.1977 verkauft K für 10 000,- D M Stahl an D. D hat gegen K eine noch höhere fällige Forderung aus Darlehen. Deswegen wird im Kaufvertrag vereinbart, daß D gegen die Kaufpreisforderung aufrechnen darf und auf diese Weise bezahlt. V will das nicht gelten lassen und verlangt von D die 10 000,- DM. Mit Recht? Vgl. Erman-H. P. Westermann, § 398, Rdn. 12.

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Teil 6: Schuldübernahmeformen

Fall Nr. 56: Schuldübernahme nach §414 BGB S schuldet dem G 1000- DM. D erklärt sich dem G gegenüber bereit, die Schuld des S zu übernehmen. S wehrt sich dagegen. Mit Erfolg?

Lösung Nach § 414 BGB kann eine Schuld von einem Dritten durch Vertrag mit dem Gläubiger in der Weise übernommen werden, daß der Dritte an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt. Es findet eine Auswechslung des Schuldners statt. Dieser Vorgang wird befreiende (private) Schuldübernahme genannt. Sie ist das Gegenteil von der Abtretung, bei der die Gläubiger wechseln. Wie die Abtretung ist die Schuldübernahme eine Verfügung über die Schuld. Sie bedarf keiner Form und nicht der Zustimmung des Schuldners, der von seiner Schuld befreit wird, folglich durch die Schuldübernahme keine Nachteile erleidet. Sie kennen jetzt die Möglichkeiten, wie über die Schuld verfügt werden kann, ohne daß der Schuldner einzugreifen vermag: a) Erfüllung der Schuld durch einen Dritten (§ 267 Abs. 1 BGB), b) Abtretung der Forderung (§ 398 BGB), c) Schuldübernahme (§ 414 BGB).

Fall Nr. 56a: G ist Geschäftsführer der X-GmbH. Durch schlechte Geschäftsführung gerät die XGmbH in hohe Schulden. Um die Gesellschafter zu beruhigen, erklärt G dem Hauptgläubiger H gegenüber, daß er die Schulden der X-GmbH persönlich übernehmen und von der GmbH keinen Ersatz verlangen werde. Als H den G in Anspruch nehmen will, ist er schon als Geschäftsführer entlassen. Er verweigert die Zahlung mit der Begründung, seine Schuldübernahme sei im Verhältnis zur GmbH ein Schenkungsversprechen. Wegen fehlender Beurkundung sei die Schuldübernahme daher unwirksam. Hat G Recht?

Fall Nr. 57: Schuldbeitritt Kaufmann K ist in Geldverlegenheit. Sein vermögender Schwiegervater S legt wegen des Ansehens der Familie Wert darauf, daß die augenblicklich schlechte Finanzlage seines Schwiegersohnes nicht bekannt wird. Zugleich befürchtet er von einem Bekanntwerden Rückwirkungen auf seine Arztpraxis. Deshalb erklärt er gegenüber dem Gläubiger G, er wolle auch für die Schulden seines Schwiegersohnes haften. G ist damit einverstanden. Als G den S in Anspruch nehmen will, meint S, er brauche nicht zu haften; denn er habe sich nicht schriftlich verpflichtet. Haftet S gegenüber dem G?

83 Lösung Eine Schuldübernahme ist nicht nur in der Weise möglich, daß der neue Schuldner an die Stelle des bisherigen tritt; zulässig ist es auch, den neuen Schuldner neben den alten treten zu lassen (RG 148, 66; 153, 344). Diese Form der Schuldübernahme ist im Gesetz nicht geregelt. Sie heißt Schuldmitübernahme oder Schuldbeitritt (auch kumulative oder bestärkende Schuldübernahme). Mit der befreienden Schuldübernahme hat sie zwei gemeinsame Voraussetzungen: 1. Sie ist nur wirksam, wenn die Hauptschuld (die übernommen oder der beigetreten werden soll) besteht (RG 143, 156). Im vorliegenden Falle soll das Bestehen einer Schuld des K gegenüber dem G nicht zweifelhaft sein. 2. Der Schuldübernehmer oder der Beitretende muß nach herrschender Meinung ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Übernahme bzw. an dem Beitritt haben (RG 90, 417; Warn 09 Nr. 16; OLG Köln MDR 1957, 674; OLG München MDR 1965, 573). Ein bloß persönliches Interesse reicht nicht aus. Hier könnten in unserem Falle Zweifel einsetzen. Wenn S nur aus persönlichen Gründen, nämlich wegen des gesellschaftlichen Rufes der Familie, seine Bereitschaft zur Mithaft erklärt hätte, müßte man seine Willenserklärung als Bürgschaftsversprechen auffassen. Dafür ist zwar kein eigenes wirtschaftliches Interesse erforderlich, aber der Nichtkaufmann kann das Bürgschaftsversprechen wirksam nur in schriftlicher Form erklären (§ 766 BGB). Die Schriftform ist hier nicht gewahrt. S hat jedoch auch befürchtet, als Arzt wirtschaftliche Nachteile zu erleiden, wenn sich die „Pleite" seines Schwiegersohnes herumspricht. Je nach dem Patienten kreis mag eine solche Befürchtung begründet sein. Deswegen können wir hier letztlich doch das wirtschaftliche Interesse des S an dem Schuldbeitritt bejahen. Das hat seine Haftung gegenüber dem G zur Folge. Bei Zweifeln darüber, ob Schuldbeitritt oder Bürgschaft gewollt ist, hat die Auslegung zugunsten einer Bürgschaft im Schuldnerinteresse (Formzwang für Nichtkaufleute!) den Vorrang. Vgl. BGH LM, § 133 (B) Nr. 7, (C) Nr. 33; BGH 6, 397; NJW 321968, 2332.

Fall Nr. 57a: K hat ein kleines Lebensmittelgeschäft, mit dem er sich gegen die „Großen" nicht mehr behaupten kann. Bei der B-Bank ist er mit 50 000,- DM verschuldet. Der Discounthändler X kauft den K auf, d. h. er erwirbt das Geschäft, um es sofort zu schließen und als Konkurrenz auszuschalten. Im Vertrag steht, daß X die 50 000,DM in Anrechnung auf den Kaufpreis übernimmt. Die B-Bank erklärt sich damit einverstanden. Trotzdem hält sie sich nach wie vor an K. Sie rechtfertigt sich mit der Begründung, durch das Einverständnis zum Eintritt des X in die Schuld habe sie sich nur einen weiteren Schuldner beschaffen wollen. Muß K an die X-Bank zahlen?

Fall Nr. 58: Erfüllungsübernahme Elektrohändler S ist in Zahlungsschwierigkeiten. Großhändler D hat gegen S erhebliche Forderungen ohne Sicherheit. Deshalb ist ihm an einem Fortbestand des Geschäftes des S gelegen. Er vereinbart mit S, dessen Schulden gegenüber dem ungeduldigen Großhändler G übernehmen zu wollen. S teilt die mit D getrof-

84 fene Vereinbarung dem G mit. G antwortet, er sei mit der Schuldübernahme nicht einverstanden. Statt dessen unterbreitet er dem S ein Stundungsangebot, verbunden mit der Auflage, in Zukunft bei D nicht mehr zu kaufen. S lehnt das Angebot ab und bittet D, für ihn an G zu zahlen. Ist D dazu verpflichtet?

Lösung Wenn S von D verlangt, D solle die Schulden des S gegenüber G bezahlen, so kommt dafür als Anspruchsgrundlage § 415 Abs. 3 BGB in Betracht. Diese Vorschrift geht davon aus, daß die Schuldübernahme nicht zwischen dem Gläubiger und dem neuen Schuldner vereinbart wird (Fall des § 414 BGB), sondern zwischen dem alten und dem neuen Schuldner (Fall des § 415 BGB). Das geht selbstverständlich nicht ohne Zustimmung des Gläubigers; denn sonst könnte ihm statt eines zahlungskräftigen Schuldners ein zahlungsschwacher vorgesetzt werden. Die Genehmigung kann erst erfolgen, wenn der Schuldner oder der Dritte (neuer Schuldner) dem Gläubiger die Schuldübernahme mitgeteilt hat (§ 415 Abs. 1 S. 2 BGB). Wenn der Gläubiger genehmigt, ist die Schuldübernahme perfekt, wobei es auf den Inhalt der Vereinbarung ankommt, ob es sich um eine befreiende Schuldübernahme oder um einen Schuldbeitritt handelt. Bis zur Genehmigung durch den Gläubiger herrscht ein Schwebezustand. Um diesen abzukürzen, kann der mitteilende Schuldner oder Dritte dem Gläubiger eine Frist zur Erklärung über die Genehmigung setzen. Äußert sich der Gläubiger innerhalb der Frist nicht, gilt sein Schweigen als Verweigerung der Genehmigung. Aus der Schuldübernahme wird dann im Zweifel eine Erfüllungsübernahme (§ 415 Abs. 3 BGB). Sie bedeutet folgendes: Der Schuldner, mit dem der Dritte ursprünglich eine Schuldübernahme vereinbaren wollte, kann jetzt von dem Dritten verlangen, daß er die Verpflichtung des Schuldners erfüllt; der Gläubiger selbst hat jedoch keinen Anspruch gegen den Dritten. Daraus ergibt sich für unseren Fall: G kann zwar nicht von D verlangen, daß D an ihn zahlt; aber S hat einen Anspruch gegen D auf Befreiung von der Verbindlichkeit gegenüber G. Man kann es auch so ausdrücken: Die Schuldübernahme sollte einen eigenen Zahlungsanspruch des G begründen. Sie ist nicht perfekt geworden; aber übriggeblieben ist eine Verpflichtung des D, die Schulden des S bei G zu bezahlen.

Fall Nr. 58a: G verhandelt mit K über die Aufnahme weiterer Artikel in das Sortiment des K. K hat Bedenken, weil er seine Liquidität schlechter beurteilt als G. Da G an der Belieferung des K interessiert ist, sagt er ihm zu, mit der B-Bank über eine Ausweitung des Kreditrahmens, den K dort beanspruchen kann, zu verhandeln; notfalls wolle er „selbst einspringen". Die B-Bank erhöht das Kreditlimit um 100 000,- DM. Später kann K nicht pünktlich zurückzahlen. Er verlangt von G, er solle ihm „helfen". Muß G auf Verlangen des K an die Bank zahlen?

Fall Nr. 59: Einwendungen des Übernehmers D hat durch Vertrag mit S, den G genehmigt hat, die Schuld des S gegenüber G übernommen. Als G am 1. 4. von D Zahlung verlangt, wendet D ein: a) Die Forderung sei dem S bis zum 1. 7. gestundet;

85 b) er habe die Schuldübernahme nur erklärt, weil S versprochen habe, von ihm bis zum 31. 3. für 100 000,- DM Waren zu beziehen. Dieses Versprechen habe S nicht erfüllt. c) Außerdem habe ihm S bewußt wahrheitswidrig versichert, er habe nur noch Schulden bei G, H und K. Jetzt habe er erfahren, daß S bei 5 weiteren Lieferanten und bei einer Bank insgesamt mit 250 000,- DM verschuldet sei. Unter diesen Umständen sei seine Schuldübernahme, die zur Sanierung des S habe beitragen sollen, sinnlos. Er habe sie wegen arglistiger Täuschung angefochten. Muß D an G zahlen? Lösung So wie die Schuldübernahme das Spiegelbild der Abtretung ist, so bildet § 417 BGB das Gegenstück zu § 404 BGB. Hinsichtlich der Abtretung gilt der Grundsatz: Die Forderung geht behaftet mit allen Einreden und Einwendungen auf den neuen Gläubiger (Zessionar) über. Für die Schuldübernahme gilt Ähnliches: Der Übernehmer kann dem Gläubiger alle Einwendungen entgegensetzen, die sich aus dem Schuldverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem bisherigen Schuldner ergeben (§417 Abs. 1 S. 1 BGB). Daß er mit einer dem bisherigen Schuldner noch zustehenden Forderung nicht aufrechnen kann, liegt an der fehlenden Gegenseitigkeit (§ 417 Abs. 1 S. 2 BGB). Daraus folgt für unseren Fall (Buchstabe a): S konnte dem G die Einrede der Stundung entgegenhalten. Also ist auch D dazu berechtigt. Schwieriger ist es im Falle b): Die Schuldübernahme ist abstrakt (wenn Sie nicht mehr wissen, was das beudetet, Fall Nr. 48 in Bd. I nachlesen). Einer Schuldübernahme liegen regelmäßig besondere Beweggründe zugrunde. Hier war es u. a. die Absicht, an S einen guten Kunden zu gewinnen. Dieses Motiv ist der Grund (die causa) für die Schuldübernahme. Sie selbst ist das taktische Mittel zur Erreichung des strategischen Zieles. Abstrakt in dem hier geltenden Sinne bedeutet: Auf das Motiv und die Strategie wird keine Rücksicht genommen; denn was kümmert es den Gläubiger, weshalb sein alter und sein neuer Schuldner an einer Schuldübernahme interessiert waren? Wenn er sich darauf einlassen müßte, wäre die Schuldübernahme für ihn mit zu vielen Unsicherheiten belastet. Deswegen kann der Übernehmer dem Gläubiger gegenüber keine Einwendungen aus dem der Schuldübernahme zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem bisherigen Schuldner entgegenhalten (§ 417 Abs. 2 BGB). D kann sich gegenüber G also nicht darauf berufen, daß S die als Gegenleistung für die Schuldübernahme versprochenen Warenkäufe nicht getätigt hat. Zu Fall c): Hier sieht es zunächst so aus, als handele es sich wiederum um das bloße Motiv für die Schuldübernahme. Sicherlich war es ein Beweggrund, den S zu sanieren, bevor ungeduldige Gläubiger ihn zu einem Konkurs trieben, der dem D nicht gelegen kam. Hoffentlich wissen Sie noch, daß derjenige, der durch arglistige Täuschung motiviert worden ist, wegen dieses Irrtums im Beweggrund (also anders als bei § 119 Abs. 1 BGB) seine Willenserklärung anfechten kann. (Wenn Sie es nicht mehr wissen, zuvor Fall Nr. 36 in Bd. I nachlesen.) Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bringt nicht das Motiv zu Fall, sondern die Willenserklärung, die zur Schuldübernahme geführt hat; d. h. die Schuldübernahme selbst. Wir prüfen also, ob S den D arglistig getäuscht hat. Eine Täuschungshandlung liegt in der Vorspiegelung, S habe nur noch Schulden bei G, H und K. S handelte

86 arglistig, wenn er wußte, daß D sich zur Schuldübernahme nicht bereit gefunden hätte, wenn ihm die gesamte Schuldenlast bekannt gewesen wäre. Das wollen wir unterstellen. Ob S den D schädigen wollte, spielt keine Rolle. Maßgebend ist allein, daß er die Willensbildung des D durch täuschende Angaben beeinflußt hat, wobei er sich darüber im klaren war, daß D ohne diese Täuschung das Rechtsgeschäft abgelehnt hätte. Jetzt wird der Fall erst interessant: Wir kommen zu § 123 Abs. 2 BGB! Nach der herrschenden Lehre liegt in dem Vertrag zwischen dem Schuldner und dem Übernehmer (§ 415 BGB) die Verfügung eines Nichtberechtigten, die erst durch die Genehmigung des Gläubigers wirksam wird (§ 185 Abs. 2 BGB „Verfügungslehre" RG 134, 187; anders die „Vertragslehre", die in der Mitteilung der Übernahme ein Angebot sieht, das der Gläubiger durch seine Genehmigung annimmt; dazu vgl. BGH 31, 321 ff). Eine Verfügung nehmen wir an, weil die Schuld durch das Rechtsgeschäft unmittelbar auf einen anderen übertragen wird, also unmittelbare Änderung der dinglichen Rechtslage. Nichtberechtigt sind die Beteiligten, weil die Forderung, über die verfügt wird, dem Gläubiger zusteht. (Machen Sie sich diese Konstruktion bitte klar!) Da S bei dem Rechtsgeschäft „Schuldübernahme" der Partner des D ist, kann er zwar kein Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 S. 1 BGB sein, aber nach § 123 Abs. 2 S. 2 BGB scheint sich ein anderes Hindernis in den Weg zu stellen: Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, unmittelbar aus der Erklärung ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen mußte. Achten Sie auf die Worte: . . . ihm gegenüber anfechtbar . . . Besser hieße es: . . . auch ihm gegenüber anfechtbar... Die Anfechtungsmöglichkeit gegenüber dem bisherigen Schuldner bleibt nämlich unberührt. Bei der Schuldübernahme nach § 415 BGB haben wir also zwei Anfechtungsgegner: Den früheren Schuldner und den Gläubiger unter der Voraussetzung des § 123 Abs. 2 S. 2 BGB (vgl. auch § 143 Abs. 2 BGB). Da G die Täuschung des S nicht kannte und auch nicht kennen mußte, ist die Schuldübernahme ihm gegenüber nicht anfechtbar; aber durch Anfechtung gegenüber dem S hat D die Schuldübernahme mit rückwirkender Kraft beseitigt (§ 142 Abs. 1 BGB). Er braucht also nicht an G zu zahlen. Zu der Frage, inwieweit die Nichtigkeit des Grundgeschäfts die Wirksamkeit der Schuldübernahme beeinträchtigen kann, vgl. die gegenüber der h. M. kritischen Bemerkungen von Heckelmann NJW1966,1925 und Rimmelspacher JR1969, 201.

Fall Nr. 59a: S hat die Schuld des X gegenüber dem G durch Vertrag vom 3.1.1977 übernommen, damit G keinen Konkursantrag stellt. Das weiß der G. S und X waren an diesem Tage der festen Annahme, die B-Bank werde den X weiterhin stützen. Nach Bekanntwerden des Jahresabschlusses 1976 zieht sich die Bank zurück. Auf Antrag des G wird sodann der Konkurs über das Vermögen des X eröffnet. G verlangt Zahlung von S; aber der will nicht zahlen. S meint, durch die Konkurseröffnung sei seine Schuldenübernahme sinnlos geworden. Muß er an G zahlen?

Fall Nr. 60: Übernahme hypothekarisch gesicherter Forderungen E hat dem K für 120 000,- DM ein Grundstück verkauft. Im Kaufvertrag heißt es: „Der Kaufpreis wird wie folgt belegt: 1. 50 000,- DM zahlt der Käufer in bar.

87 2. In Höhe von 70 000,- DM übernimmt der Käufer die Hypothek des G in Abt. III Nr. 1, die in dieser Höhe noch voll valutiert ist, unter Anrechnung auf den Kaufpreis. Nachdem K als neuer Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden ist, teilt E dem G mit, K habe die Hypothek beim Erwerb des Grundstücks übernommen. G antwortet postwendend, er könne K, dessen finanzielle Lage ihm unbekannt sei, nicht als neuen Schuldner akzeptieren. Nach drei Monaten schreibt G dem K, auf Grund eingeholter Auskünfte habe er nicht länger Bedenken, daß K die Hypothek übernehme. K antwortet nicht. Hat G einen unmittelbaren Anspruch gegen K auf Bezahlung der Schuld?

Lösung G hat gegen K einen unmittelbaren Zahlungsanspruch erlangt, wenn K die Schuld wirksam übernommen hat. In Betracht kommt hier eine Schuldübernahme nach § 416 BGB, der einen Sonderfall regelt. Die wirtschaftliche Situation ist folgende: Das Grundstück hat wegen der Belastung mit der Hypothek, die eine Geldforderung sichern soll, einen verminderten Wert. Wenn wir davon ausgehen, daß der Grundstückseigentümer zugleich Schuldner der gesicherten Forderung ist, dann wird er daran interessiert sein, bei einer Veräußerung des Grundstücks auch die Schuld aus der persönlichen Forderung abzustreifen und sie nach Möglichkeit dem Grundstückserwerber zu übertragen. Der Erwerber ist dazu regelmäßig bereit, wenn sich der Kaufpreis entsprechend mindert. Die noch bestehende Schuld aus der persönlichen Forderung, die er übernehmen soll, wird vom Kaufpreis abgezogen. Es ist also falsch zu sagen, der Erwerber übernehme die Hypothek. Im Gegenteil: Die Hypothek bleibt als Sicherungsrecht dem Gläubiger erhalten! Es ist ja gerade der Sinn einer Hypothek, daß sie ohne Rücksicht darauf, an wen das Grundstück veräußert wird, dem Gläubiger erhalten bleibt. (Zur Wiederholung Fall Nr. 8 in Bd. I nachlesen.) Der Erwerber soll die persönliche Schuld übernehmen. Ob das gelingt, liegt nicht allein im Willen des Grundstücksverkäufers und bisherigen Schuldners einerseits sowie des Grundstückserwerbers und neuen Schuldners andererseits; denn der Gläubiger hat selbstverständlich ein großes wirtschaftliches Interesse daran, wer sein persönlicher Schuldner ist. Deswegen muß er auch in diesem Falle gefragt werden. Die Mitteilung muß vom bisherigen persönlichen Schuldner, dem Veräußerer, ausgehen, nachdem der Erwerber bereits eingetragen worden ist (§ 416 Abs. 2 S. 1 BGB). Sie muß schriftlich geschehen und den Hinweis enthalten, daß der Übernehmer an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt, wenn nicht der Gläubiger die Verweigerung innerhalb von sechs Monaten erklärt (§ 416 Abs. 2 S. 2 BGB). Im Unterschied zu § 415 BGB bedeutet Schweigen hier also nicht Ablehnung sondern Zustimmung. Das ist die Besonderheit am §416 BGB! Sein Wortlaut ist irreführend. Das Wörtchen „nur" in §416 Abs. 1 S. 1 BGB könnte zu der Annahme verleiten, beim Erwerb von belasteten Grundstücken sei eine Schuldübernahme nur in der Form des § 416 BGB möglich. Das ist nicht der Fall! Die Einhaltung des „Zeremoniells" nach § 416 BGB ist nur Voraussetzung dafür, daß das Schweigen als Zustimmung gewertet werden kann. Wenn der Gläubiger seine Zustimmung ausdrücklich erklärt, braucht auf die gesamten übrigen Tatbestandsmerkmale des § 416 BGB keine Rücksicht genommen zu werden. Alle Formen der Schuldübernahme (§§ 414,415 BGB) sind also neben der des §416 BGB zulässig. In unserem Falle hat der Veräußerer die Eintragung des Erwerbes abgewartet und dann die Schuldübernahme mitgeteilt. Da G seine Genehmigung versagt hat, war die Schuldübernahme zunächst gescheitert. Es gilt jedoch auch hier § 415 Abs. 3

88 BGB: Die vom Gläubiger verhinderte Schuldübernahme besteht zwischen dem „bisherigen" Schuldner und dem „neuen" Schuldner, die beide eine Schuldübernahme gewollt haben, als Erfüllungsübernahme fort. K ist also dem E gegenüber verpflichtet, dessen Schulden bei G zu bezahlen. E hat einen Befreiungsanspruch; aber G hat gegen den K keinen eigenen Zahlungsanspruch. Nun wollen wir prüfen, welchen Einfluß die spätere Mitteilung des G, er habe jetzt gegen die „Hypothekenübernahme" keine Bedenken mehr, auf die bestehenden Rechtsbeziehungen gehabt hat. Zweierlei ist denkbar: Es kann sich um einen Vertragsantrag zu einer Schuldübernahme nach § 414 BGB gehandelt haben, also zu einem Vertrag zwischen dem Übernehmer K und dem Gläubiger G. Wenn wir das bejahen, bleibt zu prüfen, ob K den Antrag angenommen hat. Er hat lediglich geschwiegen, und Schweigen gilt grundsätzlich nicht als Zustimmung. (Wiederholen Sie Fall Nr. 21 in Bd. I.) Eine Schuldübernahme nach § 414 BGB hat also nicht stattgefunden. Möglicherweise kann die Mitteilung aber als Genehmigungserklärung nach § 415 BGB aufgefaßt werden. Als solche kann sie nur Rechtswirkungen erzeugt haben, wenn der Schwebezustand bestehen geblieben ist, der nach der Vereinbarung zwischen E und K bis zur ersten Erklärung des G bestanden hat. Durch die ausdrückliche Verweigerung der Genehmigung hat G jedoch diesen Schwebezustand endgültig beseitigt (RG 139,127). Seine Erklärung - als Genehmigung verstanden - g e h t ins Leere! G hat also keinen unmittelbaren Anspruch auf Zahlung gegen den K. Wenn er darauf Wert legt, muß er mit K eine neue Vereinbarung nach § 414 BGB treffen.

Fall Nr. 60a: Kaufmann K hat bei der B-Bank ein Darlehen von 100 000,- DM aufgenommen. Das Darlehen wird durch eine Hypothek der Bank am Grundstück der Ehefrau E des K gesichert. Nach der Scheidung von K und E will die E das Grundstück verkaufen. Der Interessent I einigt sich mit der Bank darüber, daß die Hypothek „stehenbleiben" kann. Nach Fälligkeit der 100 0 0 0 , - D M verlangt die BankZahlung von K. Mit Recht?

Fall Nr. 61: Vermögensübernahme Witwe W hat von ihrem Mann ein Grundstück im Werte von 300 000,- DM geerbt; aber auch Schulden in Höhe von 50 000,- DM. Sonstiges Vermögen besitzt die Witwe W nicht. Sie verkauft das Grundstück auf Rentenbasis an den Kaufmann K, der die Vermögensverhältnisse der W kennt. Eines Tages meldet sich bei K der Gläubiger G, dem der Erblasser 30 000,- DM schuldete. G verlangt Bezahlung von dem verwunderten K. Muß K zahlen?

Lösung Als Grundlage für einen Zahlungsanspruch des G gegen K kommt § 419 BGB in Betracht. § 419 BGB enthält einen schwerwiegenden Satz: Wer das Vermögen einer Person übernimmt, haftet neben ihr auch für deren Schulden! Vgl. RG 139, 201; 130, 37; BGH 27, 260. Wir wollen die Voraussetzungen dieser „überraschenden" Haftung im einzelnen untersuchen:

89 Die Übernahme muß durch Vertrag erfolgen. Vgl. hierzu Riedel Rpfleger 1962, 261, und BGH NJW1966,1748. Im Gegensatz zur vertraglichen Vermögensübernahme steht der Vermögensübergang kraft Gesetzes. Das bekannteste Beispiel für den gesetzlichen Vermögensübergang stellt die Erbfolge dar. Das Vermögen des Erblassers geht mit seinem Tode kraft Gesetzes auf die Erben über. Eine Willenserklärung der Erben ist dazu nicht erforderlich. Auch hier gehen mit dem Aktivvermögen die Schulden über (§ 1967 ff. BGB). Die Erben können sich dagegen nicht wehren. Wenn sie die Schulden des Erblassers nicht tragen wollen, müssen sie die gesamte Erbschaft ausschlagen. Hier haben W und K einen Vertrag über den Erwerb des Grundstücks geschlossen, also über einen einzelnen Vermögensgegenstand. Das Vermögen einer Person setzt sich aber im allgemeinen aus mehreren Vermögensgegenständen zusammen, wobei zwischen den einzelnen Gegenständen auch juristische Unterschiede bestehen. So können zu einem Vermögen gehören: Grundstücke, bewegliche Sachen, Forderungen und andere Rechte. Solch ein Vermögen läßt sich nicht durch die Worte übertragen:... Das gesamte Vermögen des Herrn X geht hiermit auf Herrn Y über! Erforderlich ist vielmehr, daß jedes einzelne Vermögensstück nach den dafür geltenden gesetzlichen Bestimmungen übertragen wird. Forderungen müssen also abgetreten und Sachen (einzeln) übereignet werden. Die Vermögensübernahme braucht folglich nicht in einem einzigen Akt zu geschehen. Der Normalfall, von dem das Gesetz in § 419 BGB ausgeht, besteht in der Übertragung einer beliebigen Vielzahl von Sachen und Rechten, die zusammen das Vermögen ausmachen. Das gesamte Vermögen einer Person kann natürlich auch in einem einzigen Vermögensstück, z. B. in einem Grundstück, bestehen. Die persönliche Habe, wie gebrauchte Kleidung, normale Wohnungseinrichtung, geringe Barschaft, fällt daneben nicht ins Gewicht.

Wer ein einzelnes Vermögensstück übernimmt, das objektiv im wesentlichen das Vermögen einer Person ausmacht, übernimmt deren gesamtes Vermögen im Sinne des § 419 BGB. Das Risiko der Mithaftung wird jedoch gemindert: Die Übernahme eines einzelnen Vermögensstückes, das im wesentlichen das Vermögen einer Person darstellt, führt nur dann zur Haftung nach § 419 BGB, wenn der Erwerber weiß, daß es sich um das wesentliche Vermögen handelt. Vgl. RG 134, 121; 160,14; BGH Betr 1971,377. Im vorliegenden Falle war dem K die Vermögenslage der W bekannt. Das genügt neben den anderen Voraussetzungen zur Begründung seiner Haftung nach § 419 BGB. Er brauchte nicht zu wissen, daß diese Haftung eine notwendige Folge der Vermögensübernahme ist. Er hätte sie auch nicht durch eine Vereinbarung mit dem bisherigen Schuldner ausschließen können (§419 Abs. 3 BGB).

Fall Nr. 61a: K ist Eigentümer zweier Grundstücke im Werte von insgesamt 250 000,- DM und Komplementär der E-KG. Seine Ehefrau E ist alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der K-Wohnungsbau GmbH. K will die Grundstücke bebauen lassen, kann aber nicht bezahlen. Als die Gläubiger ungeduldig werden, verkauft er die rohbaufertigen Grundstücke für 1 Mio. an die GmbH. Von dem Geld bezahlt er einige Handwerker, Bank und seine Steuerschulden. Dann hat er nichts mehr; denn die KG ist ebenfalls „pleite". Die Gläubiger halten sich jetzt an die GmbH. Mit Recht?

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Fall Nr. 62: Haftungsbeschränkung nach § 419 BGB Wie Nr. 61. Es stellt sich heraus, daß die Erblasserschulden fast 330 0 0 0 , - D M betragen. K selbst hat von dem Erblasser 50 0 0 0 , - D M zu bekommen. Den Nachlaßgläubigern, die jetzt von K Bezahlung verlangen, erklärt er, er werde versuchen, das Grundstück wieder zu verkaufen. Den Erlös werde er nach Abzug seiner eigenen Forderung gegen den Erblasser zur Verfügung stellen. Müssen sich die Gläubiger darauf einlassen?

Lösung Nach § 419 Abs. 2 S. 1 BGB beschränkt sich die Haftung des Übernehmers auf den Bestand des übernommenen Vermögens und die ihm aus dem Vertrage zustehenden Ansprüche. Der Übernehmer haftet also nur mit dem übernommenen Vermögen. Das eigene Vermögen braucht er nicht anzugreifen. (Ähnlich können Erben wenn sie aufpassen - ihre Haftung beschränken.) Die Gläubiger sollen durch die Schuldübernahme zwar nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden. Vor der Vermögensübernahme stand ihnen als Zugriffsobjekt nur das Vermögen des Schuldners zur Verfügung. Nach der Übernahme dieses Vermögens soll es nicht anders sein. Der Übernehmer braucht daher nicht mit seinem Geld, das er außer dem übernommenen Vermögen hat, zu bezahlen. Was der Übernehmer veranlassen muß, um seine Haftung zu beschränken, kann sehr verschieden sein. Im großen und ganzen sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden: 1. Der Übernehmer versucht eine außergerichtliche Regelung. 2. Er wird von einem oder mehreren Gläubigern verklagt. Zu 1: Solange der Übernehmer annehmen darf, das Vermögen reiche zur Befriedigung aller Gläubiger aus, kann er die Gläubiger daraus freiwillig befriedigen. Wegen eigener Forderungen aus der Zeit vor der Vermögensübernahme kann er sich vorweg befriedigen! RG 137, 52; 139, 202; BGH NJW 1957, 420. K dürfte also das Grundstück verkaufen und vorweg 50 0 0 0 , - D M für sich zurückbehalten, wenn der Restbetrag ausreicht, um alle Gläubiger zu bezahlen. Nicht zurückbehalten darf er den der Witwe gezahlten Kaufpreis für das Grundstück; denn das evtl. Recht auf Rückzahlung des Kaufpreises stammt nicht aus der Zeit vor der Vermögensübernahme, sondern wurde erst durch sie begründet. Ist das Vermögen zu dürftig, um alle Gläubiger voll befriedigen zu können, dann muß sich der Übernehmer auf diese Dürftigkeit berufen und freiwillige Leistung verweigern. Er muß sich verklagen lassen. Zu 2: Eine auf § 419 BGB gestützte Klage gegen den Übernehmer des Vermögens kann eine Zahlungsklage oder eine Duldungsklage sein. An dieser Stelle müssen wir wieder einen kleinen Ausflug in das Prozeßrecht machen. Die ZPO läßt sich nach dem Zweck, dem die dort geregelten Verfahren dienen, in zwei grundverschiedene Komplexe trennen. Den ersten Komplex bildet das mit der Klageerhebung beginnende und mit dem formell rechtskräftigen Urteil endende Erkenntnisverfahren. In diesem Verfahren wird das Bestehen oder Nichtbestehen des materiellen Anspruchs geprüft. Es ist also zu untersuchen, ob der Kläger z. B. einen Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB auf Zahlung des Kaufpreises hat, ob der Beklagte die verkaufte Ware liefern muß. Das Erkenntnisverfahren endet regelmäßig mit einem Urteil. Wird das Urteil angefochten, sei es mit der Berufung oder mit der Revision, so beginnt in der höheren Instanz ein neues Erkennt-

91 nisverfahren, das regelmäßig wieder mit einem Urteil abschließt. Wenn die Parteien kein Rechtsmittel eingelegt haben oder wenn die letzte Instanz durchlaufen ist, ein weiteres Rechtsmittel nach dem Gesetz also nicht mehr stattfindet, ist das Urteil formell rechtskräftig. Der Inhalt des Urteils kann sehr verschieden lauten; aber auch hier sind Einteilungen möglich. Eine große Gruppe bilden die klageabweisenden Urteile. Sie sollen uns nicht näher interessieren. Die auf Verurteilung lautenden Entscheidungen lassen sich nach ihrem Inhalt in Leistungs-, Feststellungs- und Gestaltungsurteile unterscheiden: Durch das Leistungsurteil wird der Beklagte zu einem Tun oder Unterlassen verurteilt, z. B. zur Zahlung einer bestimmten Geldsumme, zur Herausgabe einer Sache, zur Durchführung einer Reparatur, zur Abgabe einer bestimmten Willenserklärung, zur Duldung oder Unterlassung einer bestimmten Handlung usw. Durch das Feststellungsurteil wird das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses oder die Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde festgestellt. Z. B. Feststellung, daß der Beklagte verpflichtet ist, alle Schäden aus einem Unfall zu ersetzen, oder daß die beklagte Versicherung keinen Rückgriffsanspruch gegen den Versicherungsnehmer hat, oder daß der Beklagte der Erzeuger des Klägers ist (Abstammungsklage). Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage bedürfen oft einer sehr eingehenden rechtlichen Prüfung. Bevor man sich zur Erhebung einer Feststellungsklage entschließt, sollte der juristische Laie immer anwaltlichen Rat einholen. Das ist der einzige zweckdienliche Hinweis, der an dieser Stelle möglich ist. Durch das Gestaltungsurteil wird die materielle Rechtslage unmittelbar verändert, z. B. durch eine Ehescheidung. Gestaltungsurteile sind auch diejenigen, durch die eine Gesellschaft aufgelöst wird (vgl. z. B. § 133 HGB). Entsprechend den Urteilen unterscheidet man zwischen Leistungs-, Feststellungs- und Gestaltungsklagen. Allein mit der Verurteilung zu einer Leistung hat die obsiegende Partei regelmäßig ihr Ziel noch nicht erreicht. Bei einem Gestaltungsurteil hat sie es leicht: Mit Eintritt der formellen Rechtskraft schafft das Urteil die neue Rechtslage, ohne daß die Parteien etwas veranlassen müssen. Beim Feststellungsurteil ist es ähnlich. Es schafft zwar keine neue Rechtslage; aber es stellt eine bestehende Rechtslage für die Parteien verbindlich fest. Schwerer hat es der siegreiche Kläger mit dem Leistungsurteil. Oft genug kann oder will der verurteilte Beklagte dem Urteil nicht Folge leisten. Dann muß die siegreiche Partei versuchen, im Wege der Zwangsvollstrekkung ihren Anspruch durchzusetzen. Damit kommen wir zu dem eingangs angedeuteten zweiten Komplex derZivilprozeßordnung, zum Zwangsvollstreckungsverfahren. Je nach Art des zu vollstreckenden Anspruchs kennt die ZPO verschiedene Vollstreckungsverfahren, die uns hier noch nicht näher interessieren sollen. Es muß sich nicht immer um formell rechtskräftige Urteile handeln. Die meisten Urteile - denken Sie z. B. an das Versäumnisurteil - werden von Amts wegen für vorläufig vollstreckbar erklärt, sei es gegen oder ohne Sicherheitsleistung. Nun können wir zu unserem Fall zurückkehren. Die Zahlungsklage und die Duldungsklage sind Leistungsklagen. Wenn der Gläubiger die Zahlungsklage erhebt, wird er beantragen, den Beklagten (Übernehmer) zu verurteilen, an ihn eine bestimmte Summe zu zahlen. (Dazu nachlesen Fall Nr. 74 in Bd. I.) Jetzt muß der Übernehmer aufpassen! Wenn er nur Klageabweisung beantragt, dann aber doch verurteilt wird, hat er keine Möglichkeit mehr, seine Haftung zu beschränken. Der Kläger kann vielmehr aus dem unbeschränkten Urteil in das gesamte, nicht nur in das übernommene Vermögen des Übernehmers vollstrecken. Zur Beschränkung der Haftung ist es erforderlich, daß sich der Übernehmer die Haftungsbeschränkung im Urteil vorbehalten läßt (§§ 786, 780 ZPO). Das geschieht nicht von Amts wegen; der Übernehmer muß es beantragen! Wird er nur unter Vorbehalt verurteilt, so kann er später, wenn in einen Vermögensgegenstand vollstreckt wird, den er nicht übernommen hat, die Vollstreckungsgegenklage erheben (§§ 785, 786,767 ZPO).

92 Die für den Laien nur schwer zu überschauende Regelung sollte den juristisch nicht voll ausgebildeten Kaufmann veranlassen, in solchen Fällen rechtzeitig anwaltlichen Rat einzuholen! Etwas anders ist die Rechtslage, wenn der Gläubiger die Duldungsklage erhebt. Manche Gläubiger rechnen damit, daß der Übernehmer die Haftungsbeschränkung geltend machen wird. Das ist vor allem dann zu erwarten, wenn der Übernehmer sich bereits darauf berufen hat, das übernommene Vermögen reiche nicht aus, um alle Gläubiger zu befriedigen. In einem solchen Falle wird der Gläubiger sofort auf Duldung der Zwangsvollstreckung in die übernommenen Gegenstände klagen. Er muß die Gegenstände, in die der Übernehmer die Zwangsvollstreckung dulden soll, genau bezeichnen (was schwierig ist, wenn er keine genaue Kenntnis hat). Die Gläubiger des K brauchen den Verkauf des Grundstücks also nicht abzuwarten. Sie können den K sofort auf Zahlung oder auf Duldung der Zwangsvollstrekkung in das Grundstück verklagen. K ist gut beraten, wenn er sich verklagen läßt. Sollte nämlich der Erlös aus dem Grundstück zur Befriedigung aller Gläubiger nicht ausreichen, läuft er Gefahr, sich schadensersatzpflichtig zu machen, und dann haftet er mit seinem ganzen Vermögen.

Fall Nr. 62a: Wie Nr. 61 a. Was würden Sie machen, um die GmbH zu retten, wenn a) die E persönlich Komplementärin der KG war, b) die GmbH Komplementärin der KG war?

Fall Nr. 63: Gesellschaftsübernahme Kaufmann K hat von V dessen Eisengroßhandlung, die unter der Firma „Neustädter Eisenhandelskontor GmbH" im Handelsregister eingetragen ist, mit dem Recht der Firmenfortführung übernommen. K und V haben vereinbart, daß K nicht für die im Betriebe der GmbH begründeten Verbindlichkeiten haften soll. Sie beantragen, diesen Haftungsausschluß im Handelsregister einzutragen. Der Rechtspfleger lehnt das als überflüssig ab. Mit Recht?

Lösung Sollten Sie vergessen haben, was unter dem Handelsregister zu verstehen ist, dann lesen Sie bitte zunächst Fall Nr. 54 in Bd. I nach. K und V haben wohl an § 25 HGB gedacht, der die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung besonderer Art vorsieht. Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäftes begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers (§25 Abs. 1 S. 1 HGB). Die EisenhandelsGmbH ist ein Handelsgeschäft. Es kann insgesamt durch Rechtsgeschäft unter Lebenden veräußert werden, indem man die Anteile der GmbH auf den Erwerber überträgt (§ 15 GmbHGes.). Trotzdem erscheint es zweifelhaft, ob § 25 HGB seinem Wesen nach überhaupt auf diesen Fall anwendbar ist. Dem § 25 HGB liegt der Gedanke von der Haftung aus veranlaßtem Rechtsschein zugrunde.

93 (Lesen Sie bitte Fall Nr. 59 in Bd. I nach.) Wenn das Handelsgeschäft unter Beibehaltung der Firma von einem neuen Inhaber fortgeführt wird, sollen sich die Gläubiger darauf verlassen können, daß der neue Inhaber genauso haftet wie der bisherige. Eine abweichende Vereinbarung ist zulässig; einem Dritten gegenüber ist sie jedoch nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von dem Erwerber oder dem Veräußerer dem Dritten mitgeteilt worden ist (§ 25 Abs. 2 HGB). Auf diese Weise wird der durch die Firmenfortführung begründete Rechtsschein beseitigt. Da die Gesellschafter der GmbH nicht persönlich für die Schulden der GmbH haften, auch dann nicht, wenn sich - wie hier - alle Anteile der GmbH in einer Person vereinigt haben (Einmanngesellschaft), ändert sich durch die Übertragung der Gesellschaftsanteile auf eine andere Person an der Haftungsgrundlage nichts. Es haftet nach wie vor nur das Vermögen der GmbH. Der Rechtspfleger hat die Eintragung der Haftungsbeschränkung also mit Recht als überflüssig abgelehnt.

Abwandlung Die Anteile an der GmbH bildeten das wesentliche Vermögen des V. Nachdem K die GmbH erworben hat, verlangt von ihm ein Gläubiger G Bezahlung einer Forderung, die er gegen V hat. Das ist, wie Sie wohl sofort erkannt haben, ein Fall des § 419 BGB. Es geht nicht um eine Forderung, die im Betriebe der GmbH entstanden ist. Dafür würde nur die GmbH haften. Persönliche Schulden des V kann K aber unter den übrigen Voraussetzungen nach § 4 1 9 BGB übernommen haben.

Fall Nr. 63a: K hat die Elektrohandelsgesellschaft mbH & Co. KG erworben. Die Gläubiger der KG wollen sich wegen der Schulden der KG auch an das sonstige Vermögen des K halten. Zur Begründung führen sie aus, K führe das Unternehmen mit der alten Firma fort, und im übrigen habe er in geradezu klassischer Weise das Vermögen der KG durch ihren Erwerb übernommen. Haftet K persönlich für die Schulden der KG?

Fall Nr. 64: Schuldübernahme durch Firmenfortführung Kaufmann Kurt Krause hat vom Kaufmann Walter Valentin dessen Einzelhandelsgeschäft durch Kauf erworben. Er führt es mit Zustimmung des Valentin unter der Firma „Walter Valentin, Baustoffhandlung, Inh. Kurt Krause" fort. Sie haben Haftungsausschluß vereinbart, der auch in das Handelsregister eingetragen worden ist. Das Einzelhandelsgeschäft verkörpert, wie Krause wußte, das einzige Vermögen des Valentin. Aus den von Valentin betriebenen Geschäften schuldet Valentin der Zementfabrik X noch 10 0 0 0 , - DM. X verlangt von Krause Bezahlung. Krause weigert sich unter Hinweis auf den eingetragenen Haftungsausschluß. Mit Recht?

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Lösung Krause hat alles getan, um eine Haftung nach § 25 Abs. 1 HGB zu vermeiden; aber er hat nicht an §419 BGB gedacht. Beide Anspruchsgrundlagen bestehen nebeneinander! Die Unterschiede sind folgende: Die Haftung nach § 25 HGB läßt sich durch Parteivereinbarung ausschließen - die nach §419 BGB nicht. Wer nach § 25 HGB haftet, haftet mit seinem ganzen Vermögen - die Haftung nach §419 BGB läßt sich auf das übernommene Vermögen beschränken. Vgl. BGH BB 1955,652. Krause wird daher, wenn er das erworbene Geschäft nicht der Zwangsvollstrekkung preisgeben will, die 10 000,- DM an X zahlen.

Fall Nr. 64a: Wie Nr. 63a; aber K hat die KG nur erworben, um sie als Konkurrenz durch Liquidation sofort auszuschalten. Dementsprechend hat er gleich nach dem Erwerb mit der Auflösung begonnen. Trotzdem nehmen die Gläubiger der KG den K persönlich wegen Schulden der KG in Anspruch, Mit Recht?

Anhang

Internationale Regeln für die Auslegung handelsüblicher Vertragsformeln (Incoterms 1953) 1. Ab Werk (Ab Fabrik, ab Mühle, ab Grube, ab Pflanze, ab Lagerhaus usw.) A. Der Verkäufer hat: 1. die Ware in Übereinstimmung mit dem Kaufvertrag zu liefern und zugleich alle vertragsgemäßen Belege hierfür zu erbringen. 2. dem Käufer die Ware zu der vertraglich vereinbarten Zeit an dem benannten Lieferungsort oder an dem für die Lieferung solcher Ware üblichen Ort zur Verladung auf das vom Käufer zu beschaffende Beförderungsmittel zur Verfügung zu stellen. 3. auf eigene Kosten gegebenenfalls für die notwendige Verpackung zu sorgen, damit der Käufer die Ware übernehmen kann. 4. den Käufer innerhalb einer angemessenen Frist von dem Zeitpunkt zu benachrichtigen, in dem die Ware zur Verfügung gestellt wird. 5. die durch die Zurverfügungstellung der Ware für den Käufer bedingten Kosten des Prüfens (wie der Qualitätsprüfung, des Messens, Wiegens und Zählens) zu tragen. 6. alle Kosten und Gefahren der Ware zu tragen, bis sie innerhalb der vertraglich vereinbarten Zeit dem Käufer zur Verfügung gestellt worden ist, vorausgesetzt, daß die Ware in geeigneter Weise konkretisiert, d.h. als der für den Käufer bestimmte Gegenstand abgesondert oder auf irgendeine andere Art kenntlich gemacht worden ist. 7. dem Käufer auf dessen Verlangen, Gefahr und Kosten bei der Beschaffung irgendwelcher Dokumente, die in dem Liefer- und/oder Ursprungsland ausgestellt werden und die der Käufer zur Ausfuhr und/oder Einfuhr (und gegebenenfalls zur Durchfuhr durch ein drittes Land) benötigt, jede Hilfe zu gewähren. B. Der Käufer hat: 1. die Ware abzunehmen, sobald sie an dem vertraglich vereinbarten Ort und innerhalb der vertraglich vereinbarten Frist zu seiner Verfügung gestellt worden ist, und den Preis vertragsgemäß zu zahlen. 2. alle Kosten und Gefahren der Ware von dem Zeitpunkt an zu tragen, in dem sie auf diese Welse zu seiner Verfügung gestellt worden ist, vorausgesetzt, daß die Ware in geeigneter Weise konkretisiert, d.h. als der für den Käufer bestimmte Gegenstand abgesondert oder auf irgendeine andere Art kenntlich gemacht worden ist. 3. alle Zollgebühren und Abgaben zu tragen, die auf Grund der Ausfuhr erhoben werden. 4. wenn er sich eine Frist für die Abnahme der Ware und/oder die Wahl des Lieferortes vorbehalten hat und nicht rechtzeitig Anweisungen erteilt, die sich hieraus ergebenden Mehrkosten und alle die Ware betreffenden Gefahren vom Ablauf der vereinbarten Frist an zu tragen, vorausgesetzt, daß die Ware in geeigneter Weise konkretisiert, d.h. als der für den Käufer bestimmte Gegenstand abgesondert oder auf irgendeine andere Art kenntlich gemacht worden ist. 5. alle Kosten für die Ausstellung und Beschaffung der oben in Artikel A. 7 erwähnten Dokumente zu tragen, einschließlich der Kosten für die Ursprungszeugnisse, die Ausfuhrbewilligung und die Konsulatsgebühren. 2. frei (franko) Waggon . . . (benannter Abgangsort) (frei Eisenbahn, frei Lastkraftwagen - F.O.R. - F.O.T.) A. Der Verkäufer hat: 1. die Ware in Übereinstimmung mit dem Kaufvertrag zu liefern und zugleich alle vertragsgemäßen Belege zu erbringen.

96 2. wenn es sich um Ware handelt, die entweder eine volle Waggonladung ausmacht oder genügend Gewicht für die Beanspruchung besonderer Mengentarife für Waggonladungen aufweist, rechtzeitig einen Waggon geeigneter Art und Größe zu beschaffen, der gegebenenfalls mit Planen zu versehen ist, und ihn auf seine Kosten zum vereinbarten Termin oder innerhalb der vereinbarten Frist zu beladen, wobei er sich bei der Bestellung des Waggons und bei der Beladung an die Vorschriften der Abgangsstation halten muß. 3. wenn es sich um eine Ladung handelt, die entweder keine volle Waggonladung ergibt oder nicht genügend Gewicht zur Beanspruchung besonderer Mengentarife für Waggonladungen aufweist, die Ware zu dem vereinbarten Termin oder innerhalb der festgesetzten Frist der Eisenbahn entweder an der Abgangsstation oder einem von der Eisenbahn gestellten Fahrzeug zu übergeben, wenn die Anfuhr zur Bahn im Frachtsatz mit einbegriffen ist, sofern er nicht nach den Vorschriften der Abgangsstation selbst die Ware in den Waggon zu verladen hat. Gibt es am Versandort mehrere Bahnhöfe, so kann der Verkäufer den ihm am besten zusagenden Bahnhof auswählen, sofern dieser Bahnhof üblicherweise Waren für den vom Käufer benannten Bestimmungsort annimmt, es sei denn, der Käufer hat sich die Wahl des Abgangsbahnhofs vorbehalten. 4. alle Kosten und Gefahren der Ware bis zu dem Zeitpunkt zu tragen, in dem der geladene Waggon oder, in dem gemäß Artikel A. 3 vorgesehenen Fall, die Ware der Eisenbahn ausgehändigt worden ist, vorbehaltlich jedoch der Bestimmungen des nachstehenden Artikels B. 5. 5. auf eigene Kosten für die übliche Verpackung der Ware zu sorgen, sofern es nicht Handelsbrauch ist, die Ware unverpackt zu versenden. 6. die durch die Verladung der Ware oder durch ihre Aushändigung an die Eisenbahn bedingten Kosten des Prüfens (wie der Qualitätsprüfung, des Messens, Wiegens und Zählens) zu tragen. 7. den Käufer unverzüglich zu benachrichtigen, daß die Ware verladen oder der Eisenbahn ausgehändigt worden ist. 8. auf eigene Kosten dem Käufer das übliche Versanddokument zu beschaffen, falls dies dem Handelsbrauch entspricht. 9. dem Käufer auf dessen Verlangen und auf dessen Kosten das Ursprungszeugnis zu besorgen (siehe B. 6). 10. dem Käufer auf dessen Verlangen, Gefahr und Kosten bei der Beschaffung von Dokumenten, die in dem Versand- und/oder Ursprungsland ausgestellt werden und die der Käufer zur Ausfuhr und/oder Einfuhr (sowie gegebenenfalls zur Durchfuhr durch ein drittes Land) benötigt, jede Hilfe zu gewähren.

B. Der Käufer hat: 1. dem Verkäufer rechtzeitig die für den Versand notwendigen Anweisungen zu erteilen. 2. die Ware von dem Zeitpunkt an abzunehmen, in dem sie der Eisenbahn übergeben worden ist, und den Preis vertragsgemäß zu zahlen. 3. alle Kosten und Gefahren der Ware (mit Einschluß der etwa erforderlichen Kosten für die Miete der Planen) von dem Zeitpunkt an zu tragen, in dem der beladene Waggon oder, in dem unter Artikel A. 3 vorgesehenen Fall, von dem Zeitpunkt an, in dem die Ware der Eisenbahn ausgehändigt worden ist. 4. alle Zollgebühren und Abgaben zu tragen, die auf Grund der Ausfuhr erhoben werden. 5. wenn er sich eine Frist zur Erteilung der Versandanweisungen an den Verkäufer und/oder die Wahl des Verladeortes vorbehalten hat und nicht rechtzeitig Anweisungen erteilt, die sich hieraus ergebenden Mehrkosten und alle die Ware betreffenden Gefahren vom Ablauf der vereinbarten Frist an zu tragen, vorausgesetzt, daß die Ware in geeigneter Weise konkretisiert, d.h. als der für den Käufer bestimmte Gegenstand abgesondert oder auf irgendeine andere Art kenntlich gemacht worden ist. 6. alle Kosten und Gebühren für die Ausstellung und Beschaffung der in den Artikeln A. 9 und A. 10 erwähnten Dokumente zu tragen, einschließlich der Kosten der Ursprungszeugnisse und der Konsulatsgebühren.

97

3. F.A.S. (Frei Längsseite Seeschiff oder Binnenschiff) schiffungshafen)

(benannter Ver-

A. Der Verkäufer hat: 1. die Ware in Übereinstimmung mit dem Kaufvertrag zu liefern und zugleich alle vertragsgemäßen Belege hierfür zu erbringen. 2. Die Ware zu dem vereinbarten Zeitpunkt oder in der vereinbarten Frist dem Hafenbrauch entsprechend an den vom Käufer benannten Ladeplatz in dem benannten Verschiffungshafen Längsseite Schiff zu liefern und dem Käufer unverzüglich mitzuteilen, daß die Ware Längsseite Schiff geliefert worden ist. 3. dem Käufer auf dessen Verlangen, Gefahr und Kosten bei der Beschaffung aller für die Ausfuhr der Ware erforderlichen Bewilligungen oder sonstiger amtlicher Bescheinigungen jede Hilfe zu gewähren. 4. alle Kosten und Gefahren der Ware bis zu dem Zeitpunkt zu tragen, in dem sie tatsächlich Längsseite Schiff in dem benannten Verschiffungshafen geliefert worden ist, einschließlich der Kosten aller für die Lieferung der Ware Längsseite Schiff erforderlichen Formalitäten, jedoch vorbehaltlich der Bestimmungen der nachstehenden Artikel B. 3 und B. 4. 5. auf eigene Kosten für die übliche Verpackung der Waren zu sorgen, sofern es nicht Handelsbrauch ist, die Ware unverpackt zu verschiffen. 6. die durch die Lieferung der Ware Längsseite Schiff bedingten Kosten des Prüfens (wie der Qualitätsprüfung, des Messens, Wiegens und Zählens) zu tragen. 7. auf eigene Kosten das zum Nachweis der Lieferung der Ware Längsseite des benannten Schiffes übliche reine Dokument zu besorgen. 8. dem Käufer auf dessen Verlangen und Kosten das Ursprungszeugnis zu beschaffen (siehe B. 5). 9. dem Käufer auf dessen Verlangen, Gefahr und Kosten neben dem im Artikel A. 8 genannten Dokument bei der Beschaffung aller im Verschiffungs- und/oder Ursprungslande ausgestellten Dokumente (mit Ausnahme des Konnossements und/oder der Konsulatspapiere), die der Käufer zur Einfuhr der Ware in das Bestimmungsland (und gegebenenfalls zur Durchfuhr durch ein drittes Land) benötigt, jede Hilfe zu gewähren.

B. Der Käufer hat: 1. dem Verkäufer rechtzeitig den Namen, den Ladeplatz sowie den Zeitpunkt der Lieferung an das Schiff bekanntzugeben. 2. alle Kosten und Gefahren der Ware von dem Zeitpunkt an zu tragen, in dem die Ware tatsächlich Längsseite Schiff in dem benannten Verschiffungshafen zu dem vereinbarten Termin oder innerhalb der festgesetzten Frist geliefert worden ist, und den Preis vertragsgemäß zu zahlen. 3. alle zusätzlich entstehenden Kosten zu tragen, wenn das von ihm benannte Schiff nicht rechtzeitig eintrifft oder die Ware nicht übernehmen kann oder schon vor der festgesetzten Zeit keine Ladung mehr annimmt, sowie alle Gefahren für die Ware von dem Zeitpunkt an zu tragen, in dem sie der Verkäufer zur Verfügung des Käufers gestellt hat, vorausgesetzt, daß die Ware in geeigneter Weise konkretisiert, d.h. als der für den Käufer bestimmte Gegenstand abgesondert oder auf irgendeine andere Art kenntlich gemacht worden ist. 4. wenn er das Schiff nicht rechtzeitig bezeichnet oder wenn er sich eine Frist für die Abnahme der Ware und/oder die Wahl des Verschiffungshafens vorbehalten hat und nicht rechtzeitig Anweisungen erteilt, die sich hieraus ergebenden Mehrkosten und alle die Ware betreffenden Gefahren von dem Zeitpunkt an zu tragen, in dem die für die Lieferung festgesetzte Frist abläuft, vorausgesetzt, daß die Ware in geeigneter Weise konkretisiert, d.h. als der für den Käufer bestimmte Gegenstand abgesondert oder auf irgendeine andere Art kenntlich gemacht worden ist. 5. alle Kosten und Gebühren für die Beschaffung der oben in den Artikeln A. 3, A. 8 und A. 9 genannten Dokumente zu tragen.

98 4. F.O.B. (Frei an B o r d ) . . . (benannter Verschiffungshafen) A. Der Verkäufer hat: 1. die Ware in Übereinstimmung mit dem Kaufvertrag zu liefern und zugleich alle vertragsgemäßen Belege hierfür zu erbringen. 2. die Ware an Bord des vom Käufer angegebenen Seeschiffes im vereinbarten Verschiffungshafen zu dem vereinbarten Zeitpunkt oder innerhalb der vereinbarten Frist dem Hafenbrauch entsprechend zu liefern und dem Käufer unverzüglich mitzuteilen, daß die Ware an Bord des Seeschiffes geliefert worden ist. 3. auf eigene Kosten und Gefahr die Ausfuhrbewilligung oder jede andere amtliche Bescheinigung zu beschaffen, die für die Ausfuhr der Ware erforderlich ist. 4. alle Kosten und Gefahren der Ware bis zu dem Zeitpunkt zu tragen, in dem die Ware im vereinbarten Verschiffungshafen die Reling des Schiffes tatsächlich überschritten hat, einschließlich aller mit der Ausfuhr zusammenhängenden Gebühren, Abgaben und Kosten sowie auch die Kosten aller Formalitäten, die für die Verbringung der Ware an Bord erforderlich sind, vorbehaltlich jedoch der Bestimmungen der nachfolgenden Artikel B. 3 und B. 4. 5. auf eigene Kosten für die übliche Verpackung der Ware zu sorgen, sofern es nicht Handelsbrauch ist, die Ware unverpackt zu verschiffen. 6. die durch die Lieferung der Ware bedingten Kosten des Prüfens (wie der Qualitätsprüfung, des Messens, Wiegens und Zählens) zu tragen. 7. auf eigene Kosten das zum Nachweis der Lieferung der Ware an Bord des benannten Schiffes übliche reine Dokument zu beschaffen. 8. dem Käufer auf dessen Verlangen und Kosten das Ursprungszeugnis zu beschaffen (siehe B. 6). 9. dem Käufer auf dessen Verlangen, Gefahr und Kosten neben dem im vorhergehenden Artikel genannten Dokument bei der Beschaffung des Konnossements und aller im Verschiffungs- und/oder Ursprungsland auszustellenden Dokumente, die der Käufer zur Einfuhr der Ware in das Bestimmungsland (und gegebenenfalls zur Durchfuhr durch ein drittes Land) benötigt, jede Hilfe zu gewähren. B. Der Käufer hat: 1. auf eigene Kosten ein Seeschiff zu chartern oder den notwendigen Schiffsraum zu beschaffen und dem Verkäufer rechtzeitig den Namen und den Ladeplatz des Schiffes sowie den Zeitpunkt der Lieferung zum Schiff bekanntzugeben. 2. alle Kosten und Gefahren für die Ware von dem Zeitpunkt an zu tragen, in dem die Ware im vereinbarten Verschiffungshafen die Reling des Schiffes tatsächlich überschritten hat, sowie den Preis vertragsgemäß zu zahlen. 3. alle zusätzlich entstehenden Kosten zu tragen, wenn das von ihm benannte Schiff zu dem festgesetzten Zeitpunkt oder bis zum Ende der vereinbarten Frist nicht eintrifft oder die Ware nicht übernehmen kann oder bereits vor dem vereinbarten Zeitpunkt oder vor Ablauf der festgesetzten Frist keine Ladung mehr annimmt, sowie alle die Ware betreffenden Gefahren von dem Ablauf der vereinbarten Frist an zu tragen, vorausgesetzt, daß die Ware in geeigneter Weise konkretisiert, d.h. als der für den Käufer bestimmte Gegenstand abgesondert oder auf i rgendeine andere Art kenntl ich gemacht worden ist. 4. wenn er das Schiff nicht rechtzeitig bezeichnet oder wenn er sich eine Frist für die Abnahme der Ware und/oder die Wahl des Verschiffungshafens vorbehalten hat und nicht rechtzeitig genaue Anweisungen erteilt, alle sich hieraus ergebenden Mehrkosten sowie alle die Ware betreffenden Gefahren von dem Zeitpunkt an zu tragen, in dem die für die Lieferung festgesetzte Frist abläuft, vorausgesetzt, daß die Ware in geeigneter Weise konkretisiert, d.h. als der für den Käufer bestimmte Gegenstand abgesondert oder auf irgendeine andere Art kenntlich gemacht worden ist. 5. die Kosten und Gebühren für die Beschaffung eines Konnossements zu tragen, falls dies gemäß vorstehendem Artikel A. 9 verlangt worden ist. 6. alle Kosten und Gebühren für die Beschaffung der oben in den Artikeln A. 8 und A. 9 erwähnten Dokumente zu tragen, einschließlich der Kosten der Ursprungszeugnisse und der Konsulatspapiere.

99 5. C. & F. (Kosten und Fracht)... (benannter Bestimmungshafen) A. Der Verkäufer hat: 1. die Ware in Übereinstimmung mit dem Kaufvertrag zu liefern und zugleich alle vertragsmäßigen Belege hierfür zu erbringen. 2. den Vertrag für die Beförderung der Ware auf eigene Rechnung auf dem üblichen Wege zu den üblichen Bedingungen bis zum vereinbarten Bestimmungshafen in einem Seeschiff (Segelschiffe ausgenommen) der Bauart, die normalerweise für die Beförderung der im Vertrag genannten Ware verwendet wird, abzuschließen sowie die Fracht und alle Ausladungskosten im Entladungshafen zu tragen, die von regulären Schiffahrtsgesellschaften schon bei der Verladung im Verschiffungshafen erhoben werden sollten. 3. auf eigene Kosten und Gefahr die Ausfuhrbewilligung oder sonstige amtliche Bescheinigungen zu beschaffen, die für die Ausfuhr der Ware erforderlich sind. 4. die Ware auf eigene Kosten zum vereinbarten Zeitpunkt oder innerhalb der vereinbarten Frist oder, falls weder ein Zeitpunkt noch eine Frist vereinbart wurde, innerhalb einer angemessenen Frist an Bord des Schiffes im Verschiffungshafen zu verladen und den Käufer unverzüglich von der Verladung an Bord des Schiffes zu benachrichtigen. 5. alle Gefahren für die Ware bis zu dem Zeitpunkt zu tragen, in dem sie im Verschiffungshafen die Reling des Schiffes tatsächlich überschritten hat, vorbehaltlich jedoch der Bestimmungen des nachstehenden Artikels B. 4. 6. unverzüglich auf eigene Kosten dem Käufer ein reines begebbares Konnossement für den vereinbarten Bestimmungshafen sowie eine Rechnung über die verschiffte Ware zu beschaffen. Das Konnossement muß über die vertraglich vereinbarte Ware lauten, ein innerhalb der für die Verschiffung vereinbarten Frist liegendes Datum tragen und durch Indossierung oder anderweitig die Lieferung an die Order des Käufers oder dessen vereinbarten Vertreters ermöglichen. Das Konnossement muß aus einem vollständigen Satz von „An Bord" (on board)- oder „verschifft" (shipped)-Konnossementen bestehen. Lautet das Konnossement „empfangen zur Verschiffung" (received for shipment), so muß die Reederei zusätzlich einen unterschriebenen Vermerk anbringen, der besagt, daß sich die Ware tatsächlich an Bord befindet; dieser Vermerk muß ein Datum tragen, das innerhalb der für die Verschiffung vereinbarten Zeit liegt. Wenn das Konnossement einen Hinweis auf den Chartervertrag enthält, so muß der Verkäufer außerdem noch ein Exemplar dieser Urkunde beschaffen. 7. auf seine Kosten für die übliche Verpackung der Ware zu sorgen, sofern es nicht Handelsbrauch ist, die Ware unverpackt zu verschiffen. 8. die durch die Verladung der Ware bedingten Kosten des Prüfens (wie der Qualitätsprüfung, des Messens, Wiegens und Zählens) zu tragen. 9. alle für die Ware bis zu ihrer Verladung erhobenen Abgaben und Gebühren zu tragen, einschließlich aller Steuern, Abgaben und Gebühren, die mit der Ausfuhr zusammenhängen, sowie die Kosten der zur Verbringung an Bord erforderlichen Formalitäten. 10. dem Käufer auf dessen Verlangen und Kosten (siehe B. 5) das Ursprungszeugnis sowie die Konsulatsfaktura zu beschaffen. 11. dem Käufer auf dessen Verlangen, Gefahr und Kosten neben den im vorhergehenden Artikel genannten Dokumenten bei der Beschaffung aller im Verschiffungs- und/oder Ursprungslande auszustellenden Dokumente, die der Käufer zur Einfuhr der Ware in das Bestimmungsland (und gegebenenfalls zur Durchfuhr durch ein drittes Land) benötigt, jede Hilfe zu gewähren.

B. Der Käufer hat: 1. die von dem Verkäufer beschafften Dokumente bei ihrer Einreichung anzunehmen, wenn sie sich in Übereinstimmung mit dem Kaufvertrag befinden, und den Preis vertragsgemäß zu zahlen. 2. die Ware im vereinbarten Bestimmungshafen abzunehmen und mit Ausnahme der Fracht alle während des Seetransportes bis zur Ankunft im Bestimmungshafen entstehenden Kosten zu tragen, ebenso die Kosten für die Löschung, die Leichterung und die Ver-

100 bringung an Land, sofern diese Kosten nicht in der Fracht mit einbegriffen sind oder nicht von der Schiffahrtsgesellschaft zusammen mit der Fracht erhoben worden sind. 3. alle Gefahren der Ware von dem Zeitpunkt an zu tragen, in dem die Ware im Verschiffungshafen die Reling des Schiffes tatsächlich überschritten hat. 4. wenn er sich eine Frist für die Verschiffung der Ware und/oder die Wahl des Bestimmungshafens vorbehalten hat und nicht rechtzeitig seine Anweisungen erteilt, alle zusätzlich entstehenden Kosten sowie säntliche Gefahren vom Ablauf der für die Verschiffung festgesetzten Frist an zu tragen, vorausgesetzt, daß die Ware in geeigneter Weise konkretisiert, d.h. als der für den Käufer bestimmte Gegenstand abgesondert oder auf irgendeine andere Art kenntlich gemacht worden ist. 5. die Kosten und Gebühren für die Beschaffung des Ursprungszeugnisses und der Konsulatspapiere zu tragen. 6. alle Kosten und Gebühren für die Beschaffung der oben in Artikel A. 11 erwähnten Dokumente zu tragen. 7. die Zollgebühren und alle sonstigen bei der Einfuhr und für die Einfuhr zu entrichtenden Abgaben zu zahlen. 8. auf eigene Rechnung und Gefahr alle Einfuhrbewilligungen, Bescheinigungen oder dergleichen zu beschaffen, die er zur Einfuhr der Ware am Bestimmungsort benötigt.

6. C.I.F. (Kosten, Versicherung, F r a c h t ) . . . (benannter Bestimmungshafen) A. Der Verkäufer hat: 1. die Ware in Übereinstimmung mit dem Kaufvertrag zu liefern und zugleich alle vertragsgemäßen Belege hierfür zu erbringen. 2. den Vertrag über die Beförderung der Ware auf eigene Rechnung auf dem üblichen Wege zu den üblichen Bedingungen bis zum vereinbarten Bestimmungshafen in einem Seeschiff (Segelschiffe ausgenommen) der Bauart, die normalerweise für die Beförderung der im Vertrag genannten Ware verwendet wird, abzuschließen sowie die Fracht und alle Ausladungskosten im Entladungshafen zu tragen, die von regulären Schiffahrtsgesellschaften schon bei der Verladung im Verschiffungshafen erhoben werden sollten. 3. auf eigene Kosten und Gefahr die Ausfuhrbewilligung oder sonstige amtliche Bescheinigungen zu beschaffen, die für die Ausfuhr der Ware erforderlich sind. 4. die Ware auf eigene Kosten zum vereinbarten Zeitpunkt oder innerhalb der vereinbarter Frist oder, falls weder ein Zeitpunkt noch eine Frist vereinbart wurde, innerhalb einer angemessenen Frist, an Bord des Schiffes im Verschiffungshafen zu verladen und den Käufer unverzüglich von der Verladung an Bord des Schiffes zu benachrichtigen. 5. auf eigene Kosten eine übertragbare Seeversicherungspolice gegen die durch den Vertrag bedingten Beförderungsgefahren zu beschaffen. Dieser Vertrag muß bei zuverlässigen Versicherern oder Versicherungsgesellschaften auf der Grundlage der F.P.A.Bedingungen gemäß Anhang abgeschlossen werden und soll den CIF-Preis zuzüglich 10% decken. Die Versicherung ist, wenn möglich, in der Währung des Vertrages abzuschließen. Sofern nicht anderes vereinbart ist, soll das Transportrisiko nicht die besonderen Risiken decken, die nur in einzelnen Geschäftszweigen üblich sind oder gegen die sich der Käufer besonders schützen will. Zu den besonderen Risiken, die im Vertrage zwischen Käufer und Verkäufer besonders berücksichtigt werden müßten, gehören Diebstahl, Plünderung, Auslaufen, Bruch, Absplittern, Schiffsschweiß, Berührung mit anderen Ladungen sowie sonstige Gefahren, die in bestimmten Branchen auftreten können. Auf Verlangen des Käufers muß der Verkäufer auf Kosten des Käufers die Versicherung gegen Kriegsgefahr in der Vertragswährung decken, sofern dies möglich ist. 6. alle Gefahren zu tragen bis zu dem Zeitpunkt, in dem die Ware im Verschiffungshafen tatsächlich die Reling des Schiffes überschritten hat, vorbehaltlich jedoch der Bestimmungen des nachstehenden Artikels B. 4. 7. unverzüglich auf eigene Kosten dem Käufer ein reines begebbares Konnossement auf den vereinbarten Bestimmungshafen sowie eine Rechnung über die verschiffte Ware und den Versicherungsschein zu beschaffen oder, falls der Versicherungsschein zur Zeit der Vorlage

101 der Dokumente nicht verfügbar sein sollte, ein von den Versicherern ausgestelltes Versicherungszertifikat zu beschaffen, das dem Inhaber die gleichen Rechte wie der Besitz des Versicherungsscheines gewährt und das die wesentlichen Bestimmungen des Versicherungsscheines enthält. Das Konnossement muß für die verkaufte Ware ausgestellt worden sein, ein innerhalb der für die Verschiffung vereinbarten Frist liegendes Datum tragen und durch Indossierung oder auf andere Art die Lieferung an die Order des Käufers oder seines vereinbarten Vertreters ermöglichen. Das Konnossement muß aus einem vollständigen Satz von „An Bord" (on board)- oder „verschifft" (shipped)-Konnossementen bestehen. Lautet das Konnossement „empfangen zur Verschiffung" (received for shipment), so muß die Reederei zusätzlich einen unterschriebenen Vermerk anbringen, der besagt, daß sich die Ware tatsächlich an Bord befindet; dieser Vermerk muß ein Datum tragen, das innerhalb der für die Verschiffung vereinbarten Zeit liegt. Wenn das Konnossement einen Hinweis auf den Chartervertrag enthält, so muß der Verkäufer außerdem noch ein Exemplar dieser Urkunde beschaffen. 8. auf eigene Kosten für die übliche Verpackung der Ware zu sorgen, sofern es nicht Handelsbrauch ist, die Ware unverpackt zu verschiffen. 9. die durch die Verladung der Ware bedingten Kosten des Prüfens (wie Qualitätsprüfung, des Messens, Wiegens und Zählens) zu tragen. 10. alle für die Ware bis zu ihrer Verladung erhobenen Abgaben und Gebühren zu tragen, einschließlich aller Steuern, Abgaben und Gebühren, die mit der Ausfuhr zusammenhängen sowie auch die Kosten der zur Verbringung an Bord erforderlichen Formalitäten. 11. dem Käufer auf dessen Verlangen und Kosten (siehe B. 5) das Ursprungszeugnis sowie die Konsulatsfaktura zu beschaffen. 12. dem Käufer auf dessen Verlangen, Gefahr und Kosten neben den im vorhergehenden Artikel genannten Dokumenten bei der Beschaffung aller im Verschiffungs- und/oder Ursprungslande auszustellenden Dokumente, die der Käufer zur Einfuhr der Ware in das Bestimmungsland (und gegebenenfalls zur Durchfuhr durch ein drittes Land) benötigt, jede Hilfe zu gewähren.

B. Der Käufer hat: 1. die von dem Verkäufer beschafften Dokumente bei ihrer Einreichung anzunehmen, wenn sie sich in Übereinstimmung mit dem Kaufvertrag befinden, und den Preis vertragsgemäß zu zahlen. 2. die Ware im vereinbarten Bestimmungshafen abzunehmen und mit Ausnahme der Fracht und der Seeversicherung alle während des Seetransportes bis zur Ankunft im Bestimmungshafen entstehenden Kosten zu tragen, ebenso wie die Kosten für die Löschung, die Leichterung und die Verbringung an Land, sofern diese Kosten nicht in der Fracht mit einbegriffen sind oder von der Schiffahrtsgesellschaft zusammen mit der Fracht erhoben worden sind. Wenn die Versicherung gegen Kriegsgefahr gedeckt worden ist, muß der Käufer deren Kosten tragen (siehe A. 5). 3. alle Gefahren der Ware von dem Zeitpunkt an zu tragen, in dem die Ware im Verschiffungshafen die Reling des Schiffes tatsächlich überschritten hat. 4. wenn er sich eine Frist für die Verschiffung der Ware und/oder die Wahl des Bestimmungshafens vorbehalten hat und nicht rechtzeitig seine Anweisungen erteilt, alle zusätzlich entstehenden Kosten sowie sämtliche Gefahren vom Ablauf der für die Verschiffung festgesetzten Frist an zu tragen, vorausgesetzt, daß die Ware in geeigneter Weise konkretisiert, d. h. als der für den Käufer bestimmte Gegenstand abgesondert oder auf irgendeine andere Art kenntlich gemacht worden ist. 5. die Kosten und Gebühren für die Beschaffung des Ursprungszeugnisses und der Konsulatspapiere zu tragen. 6. alle Kosten und Gebühren für die Beschaffung der oben in Artikel A. 12 erwähnten Dokumente zu tragen. 7. die Zollgebühren und alle sonstigen bei der Einfuhr und für die Einfuhr zu entrichtenden Abgaben zu zahlen.

102 8. auf eigene Rechnung und Gefahr alle Einfuhrbewilligungen, Bescheinigungen oder dergleichen zu beschaffen, die er zur Einfuhr der Ware am Bestimmungsort benötigt.

7. Frachtfrei... (benannter Bestimmungsort) - (Nur Beförderungen zu Lande) A. Der Verkäufer hat: 1. die Ware in Übereinstimmung mit dem Kaufvertrag zu liefern und zugleich alle vertragsgemäßen Belege hierfür zu erbringen. 2. die Ware auf eigene Kosten zum vereinbarten Zeitpunkt oder innerhalb der vereinbarten Frist nach dem vereinbarten Ablieferungsplatz am Bestimmungsort zu senden. Wenn der Ablieferungsplatz nicht vereinbart worden ist oder nicht durch den Handelsbrauch festliegt, so darf der Verkäufer den ihm am besten zusagenden Ablieferungsplatz am Bestimmungsort auswählen. 3. alle Gefahren der Ware bis zu ihrer fristgemäßen Übergabe an den ersten Frachtführer zu tragen, vorbehaltlich jedoch der Bestimmungen des nachstehenden Artikels B. 3. 4. den Käufer unverzüglich zu benachrichtigen, daß die Ware dem ersten Frachtführer übergeben worden ist. 5. auf eigene Kosten für die übliche Verpackung der Ware zu sorgen, sofern es nicht Handelsbrauch ist, die Ware unverpackt zu versenden. 6. die durch die Verladung der Ware oder durch ihre Übergabe an den ersten Frachtführer bedingten Kosten des Prüfens (wie der Qualitätsprüfung, des Messens, Wiegens und Zählens) zu tragen. 7. auf eigene Kosten dem Käufer das übliche Versanddokument zu beschaffen, sofern dies dem Handelsbrauch entspricht. 8. auf eigene Rechnung und Gefahr alle Ausfuhrbewilligungen oder sonstige behördliche für die Ausfuhr der Ware erforderliche Lizenzen zu beschaffen und alle für die Ware im Versandlande zu entrichtenden Abgaben einschließlich der Ausfuhrabgaben sowie die Kosten der zur Verladung der Ware erforderlichen Formalitäten zu tragen. 9. dem Käufer auf dessen Verlangen und auf dessen Kosten (siehe B. 4) das Ursprungszeugnis und die Konsulatsfaktura zu beschaffen. 10. dem Käufer auf dessen Verlangen, Gefahr und Kosten neben den im vorhergehenden Artikel genannten Unterlagen bei Beschaffung der sonstigen Dokumente, die im Verladeund/oder Ursprungsland ausgestellt werden und die der Käufer zur Einfuhr der Ware in das Bestimmungsland (und gegebenenfalls zur Durchfuhr durch ein drittes Land) benötigt, jede Hilfe zu gewähren. B. Der Käufer hat: 1. die Ware am Ablieferungsplatz im Bestimmungsort abzunehmen, den Preis vertragsgemäß zu zahlen und alle Kosten von dem Zeitpunkt an zu tragen, in dem die Ware am Ablieferungsplatz eingetroffen ist. 2. alle Gefahren für die Ware von dem Zeitpunkt an zu tragen, in dem sie dem ersten Frachtführer gemäß Artikel A. 3 übergeben worden ist. 3. wenn er sich eine Frist für den Abruf der Ware und/oder die Wahl des Bestimmungsortes vorbehalten hat und nicht rechtzeitig Anweisungen erteilt, alle sich hieraus ergebenden Mehrkosten und sämtliche Gefahren vom Ablauf der vereinbarten Frist an zu tragen, vorausgesetzt, daß die Ware in geeigneter Weise konkretisiert, d.h. als der für den Käufer bestimmte Gegenstand abgesondert oder auf irgendeine andere Art kenntlich gemacht worden ist. 4. alle Kosten und Gebühren für die Beschaffung der oben in den Artikeln A. 9 und A. 10 genannten Dokumente zu tragen, einschließlich der Kosten des Ursprungszeugnisses sowie der Konsulatsgebühren. 5. Alle Zollgebühren und sonstigen Abgaben zu tragen, die bei der Einfuhr oder für die Einfuhr zu entrichten sind.

103 8. Ab Schiff (Ex s h i p ) . . . (benannter Bestimmungshafen) A. Der Verkäufer hat: 1. die Ware in Übereinstimmung mit dem Kaufvertrag zu liefern und zugleich alle vertragsgemäßen Belege hierfür zu erbringen. 2. dem Käufer die Ware tatsächlich innerhalb der vertraglich vereinbarten Frist an Bord des Schiffes an dem üblichen Löschungsort in dem benannten Hafen zur Verfügung zu stellen, so daß sie mit dem ihrer Natur entsprechenden Entladegerät von Bord genommen werden kann. 3. alle die Ware betreffenden Gefahren und Kosten bis zu dem Zeitpunkt zu tragen, in dem die Ware tatsächlich dem Käufer gemäß Artikel A. 2 zur Verfügung gestellt worden ist, vorausgesetzt, daß die Ware in geeigneter Weise konkretisiert, d.h. als der für den Käufer bestimmte Gegenstand abgesondert oder auf irgendeine andere Art kenntlich gemacht worden ist. 4. auf eigene Kosten für die übliche Verpackung der Ware zu sorgen, sofern es nicht Handelsbrauch ist, die Ware unverpackt zu versenden. 5. die durch die Zurverfügungstellung der Ware für den Käufer gemäß Artikel A. 2 bedingten Kosten des Prüfens (wie der Qualitätsprüfung, des Messens, Wiegens und Zählens) zu tragen. 6. den Käufer unverzüglich auf eigene Kosten über das voraussichtliche Ankunftsdatum des benannten Schiffes zu unterrichten und ihm rechtzeitig das Konnossement oder den Auslieferungsauftrag (delivery order) und/oder alle übrigen Dokumente zu beschaffen, die der Käufer zur Übernahme der Ware benötigt. 7. dem Käufer auf dessen Verlangen und Kosten (siehe B. 3) das Ursprungszeugnis und die Konsulatsfaktura zu besorgen. 8. dem Käufer auf dessen Verlangen, Gefahr und Kosten neben den im vorhergehenden Artikel genannten Unterlagen bei der Beschaffung der sonstigen Dokumente, die im Verladeund/oder Ursprungsland ausgestellt werden und die der Käufer zur Einfuhr der Ware in das Bestimmungsland (und gegebenenfalls zur Durchfuhr durch ein drittes Land) benötigt, jede Hilfe zu gewähren. B. Der Käufer hat: 1. die Ware abzunehmen, sobald sie gemäß den Bestimmungen des Artikels A. 2 zu seiner Verfügung gestellt worden ist, und den Preis vertragsgemäß zu zahlen. 2. alle die Ware betreffenden Kosten und Gefahren von dem Zeitpunkt an zu tragen, in dem sie tatsächlich gemäß A. 2 zu seiner Verfügung gestellt worden ist, vorausgesetzt, daß die Ware in geeigneter Weise konkretisiert, d.h. als der für den Käufer bestimmte Gegenstand abgesondert oder auf irgendeine andere Art kenntlich gemacht worden ist. 3. alle vom Verkäufer entrichteten Ausgaben und Gebühren zu tragen, die bei der Beschaffung irgendwelcher der in den Artikeln A. 7 und A. 8 genannten Dokumente entstehen. 4. auf eigene Kosten und Gefahr alle Bewilligungen oder ähnliche Dokumente zu beschaffen, die für das Löschen und/oder für die Einfuhr der Ware erforderlich sind. 5. alle Kosten und Gebühren der Verzollung, alle Zölle sowie alle sonstigen Abgaben und Steuern zu tragen, die beim Löschen oder durch das Löschen und/oder bei der Einfuhr oder durch die Einfuhr der Ware entstehen.

9. Ab Kai ( v e r z o l l t ) . . . (benannter Hafen) A. der Verkäufer hat: 1. die Ware in Übereinstimmung mit dem Kaufvertrag zu liefern ünd zugleich alle vertragsgemäßen Belege hierfür zu erbringen. 2. die Ware am Kai des benannten Hafens zum vereinbarten Zeitpunkt zur Verfügung des Käufers zu stellen.

104 3. auf eigene Kosten und Gefahr die Einfuhrbewilligung zu beschaffen und die Kosten aller Einfuhrabgaben oder Steuern einschließlich der Verzollungskosten sowie einschließlich aller anderen Abgaben, Gebühren oder Steuern zu tragen, die bei der Einfuhr oder für die Einfuhr der Ware sowie für deren Übergabe an den Käufer zu entrichten sind. 4. auf eigene Kosten für die übliche Behandlung und Verpackung der Ware unter Berücksichtigung ihrer Beschaffenheit und ihrer Ab Kai-Lieferung zu sorgen. 5. die durch die Zurverfügungstellung der Ware für den Käufer gemäß Artikel A. 2 bedingten Kosten des Prüfens (wie der Qualitätsprüfung, des Messens, des Wiegens und des Zählens) zu tragen. 6. alle Kosten und Gefahren für die Ware zu tragen, bis sie gemäß Artikel A. 2 tatsächlich zur Verfügung des Käufers gestellt worden ist, vorausgesetzt, daß die Ware in geeigneter Weise konkretisiert, d.h. als der für den Käufer bestimmte Gegenstand abgesondert oder auf irgendeine andere Art kenntlich gemacht worden ist. 7. auf eigene Kosten den Auslieferungsantrag (delivery order) und/oder alle anderen Dokumente zu beschaffen, die der Käufer zur Übernahme der Ware und zu deren Abtransport vom Kai benötigt. B. Der Käufer hat: 1. die Ware abzunehmen, sobald sie gemäß den Bestimmungen des Artikels A. 2 zu seiner Verfügung gestellt worden ist, und den Preis vertragsgemäß zu zahlen. 2. alle die Ware betreffenden Kosten und Gefahren von dem Zeitpunkt an zu tragen, in dem sie tatsächlich gemäß Artikel A. 2 zu seiner Verfügung gestellt worden ist, vorausgesetzt, daß die Ware in geeigneter Weise konkretisiert, d.h. als der für den Käufer bestimmte Gegenstand abgesondert oder auf irgendeine andere Art kenntlich gemacht worden ist.

Stichwortverzeichnis

Ablehnungsandrohung 31 Ablieferungsort 10 Abtretung 68ff. Abtretungsverbote 79ff. Bestimmtheitsgrundsatz 72, 74ff. Einwendungen 69 erfüllungshalber 70 Erfüllungs Statt 70 bei Forderungsmehrheit 74 Form 72 Globalzession 73ff. Inkassozession 70 Prioritätsgrundsatz 76 stille Abtretung 70 Teilabtretung 72 bei verlängertem Eigentumsvorbehalt 76 Vorausabtretung 71 ff. Allgemeine Geschäftsbedingungen 18 Annahmeverzug 40ff. Angebot, tatsächliches 40 Angebot, überflüssiges 42 Angebot, wörtliches 42 Ersatz der Mehraufwendungen 43 Folgen 41,43ff. Nichtannahme 40 Selbsthilfeverkauf 45 Voraussetzungen 40ff. Anwaltszwang 53 Aufrechnung 62ft. Erfüllbarkeit 63 Fälligkeit 63 Gegenseitigkeit 63 Gleichartigkeit 63 - E r k l ä r u n g 63 - F o r m 63 - Folgen 64 - gegen unpfändbare Forderungen 65 - gegen Forderungen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung 66 - g e g e n Forderungen der Gemeinden 63 - mit abgetretener Forderung 64 - mit Forderungen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung 65 Aufrechnungsvertrag 66

Bankkontokorrent 68 Beförderungsgefahr 13 Bestimmtheitsgrundsatz 72, 74ff. Bestimmungsort 10 Bezugsvertrag 49 Bringschuld 10

culpa in contrahendo 51 ff. Dauerschuldverhältnis 49 Deckungskauf 23 Differenzlehre 23 Eigentumsvorbehalt, verlängerter 76 Einiassungsfrist 53 Einrede 53 des nicht erfüllten Vertrages 52 Leistungsverweigerungsrecht 55 Einspruch gegen Versäumnisurteil Form und Frist 54 Einwendungen gegen abgetretene Forderung 69 Erfüllbarkeit 28 Erfüllungsgehilfe 47 Erfüllungsort 9 Erfüllungsübernahme 83 Erkenntnisverfahren 90 Ersatzanspruch 25 Entgangener Gewinn 6 Fälligkeit 27,57 e i n f a c h e - 28 Festellungsklage 91 Feststellungsurteil 91 Firmenfortführung 93 Fixgeschäft 34 ff. Klauseln 35 Rücktritt 35 Schadensersatz 35 Unmöglichkeit 35 Fixhandelskauf 36ff. Formelle Rechtskraft 91 Gattungsschuld 11 ff. beschränkte- 42 Konkretisierung d e r - 11 Konzentration d e r - 11 Unmöglichkeit d e r - 21 Gefahrtragung 10 Gegenleistung 18 Gegenseitigervertrag 18 Gegenseitigkeit bei Aufrechnung 63 beim Zurückbehaltungsrecht 57 Geldschulden 13 Gestaltungsklage 91 Gestaltungsurteil 91 Gewinn, entgangener 6

106 Gläubigerverzug 40ff. Gleichartigkeit 63 Globalzession 73 ff. Haftu ngsmaßstäbe im Gläubigerverzug 41 des ordentlichen Kaufmannes 36 im Schuldnerverzug 38 Handelsgeschäfte Vermutung 61 Hauptleistung 23 Hinterlegung 44 Holschuld 10 Inkassoabtretung 70 Incoterms 12,95ff. Interessewegfall 33,44 Kassatorische Klausel 62 Klage 91 ff. Duldungs91,92 Feststellungs- 91 Gestaltungs- 91 Leistungs- 91 Zahlungs- 91 Klauseln 10 beschränkte Gattungsschuld 42 Fixgeschäft 35 Liefervorbehalte 26 Lieferzeiten 30,35 Konkretisierung 11 Konnexität 57 Kontokorrent 66ff. Bank- 68 -Kredit 68 Saldoabtretung 68 Saldopfändung 68 Saldo- 68 Staffel- 68 Konzentration 11 Kündigung 49 Ladungsfrist 53 Leistungserfolg 9,14 Leistungshandlung 9 Leistungsklage 91 Leistungsort gesetzlicher- 9 Leistungsstörungen 16ff. Leistungsurteil 91 Leistungsverweigerungsrecht 55 Liefervorbehalte 26 Mahnung 28 Mitwirkendes Verschulden 7 Mündliche Verhandlung 54

Nachfristsetzung 31 Entbehrlichkeit d e r - 33 Naturalrestitution 1 Nebenpflichten 25,46 Neu für Alt 3 Opfergrenze 2, 21 Organhaftung 48 Positive Forderungsverletzung 46ff. Positive Vertragsverletzung 46ff. Priorität 76 Prozeßzinsen 39 Rechtskraft, formelle 91 Rücktritt 23, 29 Rücktrittserklärung 31 Rücktrittsfolgen 31,32 Rücktrittsrecht - g e s e t z l i c h e s 32 -vertragliches 32 Saldokontokorrent 68 Säumnis 53 Selbstbelieferungsklausel 26 Selbsthilfeverkauf 45 Sorgfalt des ordentlichen Kaufmanns 36 Speziesschuld 11 Staffel kontokorrent 68 Stückschuld 11 Sukzessivlieferungsvertrag 49 Schaden mittelbarer- 5 unmittelbarer- 5 Schadensersatz wegen Nichterfüllung 1, 23,24,44 Differenzlehre 23 beim Fixgeschäft 35 bei Interessewegfall 44 Schickschuld 10 Schlechterfüllung 46 Schuldbeitritt 82 Schuldübernahme 82ff. abstrakt 85 befreiende- 82 bestärkende- 83 Einwendungen 84ff. Form 82 - durch Firmenfortführung 93ff. - bei hypothekarisch gesicherter Forderung 74 Haftungsbeschränkung 76 kumulative- 83 privative- 82 - durch Vermögensübernahme 88ff.

107 Teilabtretung 72 Teilleistung 14 Teillieferungsvertrag 49 Totalschaden 2 Totalschadenbasis 2 Treuhandverhältnis eigennütziges- 70 uneigennütziges- 70 Unmöglichkeit 16ff. anfänglich objektive 17,20 anfänglich subjektive 17,21 Ersatzleistung 25 Ersatzanspruch 25 bei Fixgeschäft 35 bei Gattungsschuld 21 Unvermögen nachträgliches- 17 anfängliches- 20,21 Urteil 91 ff. Versäumnis- 53ff. streitiges- 55 Verfallklausel 62 Verhandlung mündliche- 54 streitige- 55 Vermögensübernahme 88 Haftungsbeschränkung b e i - 90 Versäumnisurteil gegen den Beklagten 53 Einspruch gegen - 54 F o r m - 54 Frist- 54 gegen den Kläger 58 Kostentragungspflicht bei Säumnis 58 Vollstreckbarkeit 58 zweites- 56 Verschulden mitwirkendes 7 beim Vertragsschluß 50ff. Versendungskauf 10 Vertrag, gegenseitiger 18

Vertragsstrafe 59 Herabsetzung d e r - 61 bei Nichterfüllung 60 bei nicht gehöriger Erfüllung 60 bei verspäteter Erfüllung 60 Verzug als Voraussetzung d e r - 59 Vertretenmüssen 28 Verzögerungsschaden 39, 44 Zinsen a l s - 39 Verwirkungsklausel 62 Verzug 27ff. Ablehnungsandrohung 31 Fälligkeit 27 Haftungsverschärfung 38 Interessewegfall 33 Mahnung 28 Nachfristsetzung 31 Schuldnerverzug 27 Vertretenmüssen 28 Vollfälligkeit 27 Vorbereitende Schriftsätze 54 Vorausabtretung 71 Vorleistungspflicht 53 Vorratsschuld 42 Vorteilsanrechnung 5 Vorteilsausgleichung 5 Wandelung 50 Wiederbeschaffungswert 2 Zeitgefahr 13 Zeitwert 2 Zinsen bei Schuldnerverzug 39 Zufall 10 Zufallshaftung im Schuldnerverzug 38 Zug umZug-Leistung 52 Zurückbehaltungsrecht 52ff.,56 Fälligkeit 57 Gegenseitigkeit 57 Konnexität 57 Zwangsvollstreckung 91

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erlauben es, das Buch selbst in der

gerichtlichen

Praxis zu benutzen. Das Lehrbuch wendet sich an Studierende der Fachhochschulen, an Betriebsräte, an Bedienstete und Organmitglieder der Sozialversicherungsträger,

der

kommunalen Versicherungsämter, aber auch an Interessenten, die die Höhe ihrer Rente ermitteln wollen. Darüber hinaus eignet es sich für die betriebliche Praxis des Personalbüros. Das am 1 . 1 0 . 1 9 7 4 in Kraft getretene „Gesetz über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehG)" vom 7. 8.1974 ist berücksichtigt.