Grundlagen des bürgerlichen Rechts mit Hinweisen auf den Zivilprozeß [Reprint 2020 ed.] 9783112317945, 9783112306789


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German Pages 134 [136] Year 1973

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Teil 1: Überblick über die Rechtsordnung in der Bundesrepublik Deutschland
Teil 2: Rechtssubjekte
Teil 3: Rechtsobjekte
Teil 4: Rechtshandlungen
Teil 5: Willensmängel
Teil 6: Bedingungen
Teil 7: Gesetzliche und rechtsgeschäftliche Vertretung
Teil 8: Verjährung
Stichwortverzeichnis
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Grundlagen des bürgerlichen Rechts mit Hinweisen auf den Zivilprozeß [Reprint 2020 ed.]
 9783112317945, 9783112306789

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Privatrecht Band I Hartwig, Grundlagen des bürgerlichen Rechts mit Hinweisen auf den Zivilprozeß

Privatrecht Lehrbuch für Fachhochschulstudenten

Band I: Grundlagen des bürgerlichen Rechts mit Hinweisen auf den Zivilprozeß Von Horst Hartwig, Richter am Oberlandesgericht, Dozent an der Fachhochschule Dortmund Band II: Allgemeines Schuldrecht mit Hinweisen auf den Zivilprozeß Von Horst Hartwig, Richter am Oberlandesgericht, Dozent an der Fachhochschule Dortmund Band III: Besondere Schuldverhältnisse mit Hinweisen auf den Zivilprozeß Von Horst Hartwig, Richter am Oberlandesgericht, Dozent an der Fachhochschule Dortmund Band IV: Sachenrecht und Wertpapierrecht Von Horst Hartwig, Richter am Oberlandesgericht, Dozent an der Fachhochschule Dortmund Band V: Gesellschaftsrecht Von Dr. Hubert Klingberg, Vorsitzender Richter am Landgericht, Dozent an der Fachhochschule Dortmund Band VI: Wettbewerbsrecht Von Dr. Hubert Klingberg, Vorsitzender Richter am Landgericht, Dozent an der Fachhochschule Dortmund

J. Schweitzer Verlag • Berlin

Privatrecht Lehrbuch für Fachhochschulstudenten

Bandl

Grundlagen des bürgerlichen Rechts mit Hinweisen auf den Zivilprozeß Von

Horst Hartwig Richter am Oberlandesgericht Dozent an der Fachhochschule Dortmund

1973

J. Schweitzer Verlag • Berlin

ISBN 3 8059 0273 5 © 1973 by J. Schweitzer Verlag, Berlin. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Satz, Druck und Bindearbeiten: Sedier GmbH, Freising. - Printed in Germany.

Vorwort Den Studenten an betriebs- und volkswirtschaftlich ausgerichteten Fachhochschulen dient das Fach „Recht" als Zubringer: Eine juristische Grundausbildung, die auf den volks- und betriebswirtschaftlichen Lehrplan abgestellt ist, soll dem in der kaufmännischen Praxis bereits erfahrenen Studenten helfen, das Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge zu vertiefen. Oft bringen die Studenten eine solide kaufmännische Berufsausbildung und eine kurze Bewährung in der Praxis mit; aber regelmäßig sind das begriffliche Unterscheidungsvermögen und die Fähigkeit, Lebensvorgänge rechtlichen Normen unterzuordnen, nur wenig geschult. Der Rechtsunterricht muß das berücksichtigen. Der junge Praktiker aus der Wirtschaft wird durch eine nicht auf den Fall ausgerichtete Vorlesung schnell überfordert. Ihm sollten der juristische Lehrstoff und die Arbeitsweise der Juristen noch notwendiger als dem Rechtsstudenten an Hand praktischer, aber systematisch zusammengestellter Fälle dargeboten werden. Der an den Anfang gestellte Lebensvorgang ist eher zu erfassen, und er prägt sich dem Gedächtnis leichter ein. Aus ihm lassen sich die Begriffe ableiten. Bei der Lösung des Falles erfährt der Student zwanglos das Zusammenspiel der Normen und die juristische Arbeitsmethode. Ich habe den Versuch unternommen, eine Reihe von kleinen Fällen so auszuwählen, daß ihre sorgfältige Bearbeitung durch den Studenten seine Rechtskenntnisse fortlaufend erweitert und seine juristische Arbeitsweise schult. Deswegen ist es unbedingt erforderlich, sich den Fällen in der ziffernmäßigen Reihenfolge zu widmen. Das Stichwortverzeichnis soll in erster Linie beim Wiederholen helfen. Es ist weder möglich noch nötig, in den wenigen Stunden des Rechtsunterrichts an der Fachhochschule tiefschürfende und vollständige juristische Ausbildung zu betreiben. Das ist auch mit diesem Buche nicht beabsichtigt. Deswegen habe ich mich darauf beschränkt, nur ganz wenige Literatur- und Rechtsprechungshinweise zu geben. Die Zubringerrolle, die das Fach „Recht" genießt, muß als Ausgangspunkt und Zweck stets im Auge bleiben. Aus diesem Grunde habe ich manche Norm unvollständig oder gar nicht behandelt. Das war Absicht; denn nicht die Fülle, sondern die Auswahl des Stoffes bestimmt den Erfolg. Altlünen, Juli 1973

Horst Hartwig

Inhaltsverzeichnis

Fall

Gegenstand

Teil 1:

Oberblick über die Rechtsordnung in der Bundesrepublik Deutschland

Nr. 1 Nr. 2 Nr. 3

Abgrenzung zwischen privatem und öffentlichem Recht Gebiete des Privatrechts Rechtsquellen

Seite

2 .

.

.

2 4 6

Teil 2:

Rechtssubjekte

10

Nr. Nr. Nr. Nr.

Rechtsfähigkeit, Handlungsfähigkeit, Geschäftsfähigkeit . . . Deliktsfähigkeit Parteifähigkeit, Prozeßfähigkeit; materielles und formelles Recht Juristische Personen, Organe

10 11 12 14

Teil 3:

Rechtsobjekte

16

Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.

Rechte und Sachen Persönlichkeitsrechte und Vermögensrechte Bewegliche und unbewegliche Sachen; wesentliche Bestandteile Scheinbestandteile Erzeugnisse, Samen und Pflanzen

16 18 20 26 27

4 5 6 7

8 9 10 11 12

Teil 4:

Rechtshandlungen

29

Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.

13 14 15 16 17 18

29 31 32 35 36

Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.

19 20 21 22 23 24 25 26 27

Tathandlungen und Rechtsgeschäfte; juristische Arbeitsmethoden inhalt der Willenserklärung Form der Willenserklärung Folgen eines Formverstoßes Einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärungen; Kündigung . Einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen; Auslobung Mehrseitige Willenserklärungen; Antrag und Annahme . . . Schlüssiges Verhalten; Gutachtenaufbau Schweigen im Rechtsverkehr; Gutachtenstil Schweigen unter Kaufleuten; Firma; Gutachtenstil . . . . Verzicht auf Annahme Annahme durch schlüssiges Verhalten; Auftragsbestätigung . Allgemeine Geschäftsbedingungen Bestätigungsschreiben Vertragsänderung durch Rechnungsaufdrucke?

Teil 5:

Willensmängel

51

Nr. 28 Nr. 29

Erklärungsirrtum; Vertrauensinteresse Erfüllungsinteresse

51 54

37 38 39 42 43 46 47 48 49 50

VIII

Fall Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.

Gegenstand 30 31 32 33 34 35

Seite

Erfüllungsinteresse begrenzt Vertrauensinteresse . . . . Erfüllungsinteresse gleich Vertrauensinteresse Inhaltsirrtum Eigenschaftsirrtum Motivirrtum Grundsätzliches zu den Begriffen Erfüllung, Abtretung, Fälligkeit, Stundung, Einrede und Einwendung Arglistige Täuschung Täuschung durch Dritte; Kausalität; Fahrlässigkeit . . . . Wegfall der Geschäftsgrundlage; Abgrenzung von Werkvertrag, Werklieferungsvertrag und Dienstvertrag Vertragsanpassung bei Wegfall der Geschäftsgrundlage . . . Versteckter Dissens Offener Dissens

54 55 55 57 58

Teil 6:

Bedingungen

73

Nr. 42

Zu den Begriffen Bedingung, Frist, Termin, Vertrag zu Gunsten Dritter und Auflage Eigentumsvorbehalt als aufschiebende Bedingung . . . . Auflösende Bedingung Schadensersatzpflicht des bedingt Berechtigten Zwischenverfügungen; Verpflichtungs-und Verfügungsgeschäft .

73 75 75 76 76

Teil 7:

Gesetzliche und rechtsgeschäftliche Vertretung

79

Nr. Nr. Nr. Nr.

Die gesetzliche Vertretungsmacht der Eltern Vollmacht, Form; Innen- und Außenverhältnis Bote Geschäftsführungs- und Vertretungsmacht; Gesamtvertretungsmacht Einzelvertretungsmacht Prokura, Filiale, Vollkaufmann Geschäftsführungs- und Vertretungsmacht des Prokuristen . . Form der Prokuraerteilung, Handlungsvollmacht, Handelsregister Handlungsgehilfe Willensmängel des Vertreters Duldungsvollmacht Vollmacht und Innenverhältnis Anscheinsvollmacht; Haftung aus veranlaßtem Rechtsschein . Gesamtvollmacht; Vertreter ohne Vertretungsmacht . . . . Untervollmacht; Einwilligung und Genehmigung Einseitige Rechtsgeschäfte ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters Einseitige Gestaltungsgeschäfte des Vertreter ohne Vollmacht

79 80 82

Nr. 36 Nr. 37 Nr. 38 Nr. 39 Nr. 40 Nr. 41

Nr. Nr. Nr. Nr.

43 44 45 46

47 48 49 50

Nr. 51 Nr. 52 Nr. 53 Nr. 54 Nr. 55 Nr. 56 Nr. 57 Nr. 58 Nr. 59 Nr. 60 Nr. 61 Nr. 62 Nr. 63

59 62 64 67 70 70 71

82 84 85 87 88 91 91 92 93 93 95 96 97 98

IX

Fall

Gegenstand

Nr. 64 Nr. 65 Nr. 66 Nr. 67 Nr. 68 Nr. 69 Nr. 70 Nr. 71 Nr. 72 Nr. 73

Treuhandverhältnisse; Begriffe aus der ZPO: Partei, Zeuge, Aussageverweigerungsrechte Strohmann Inkassoermächtigung, Nichtberechtigter Ende der Vollmacht Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht wie vor Widerruf Selbstkontrahieren Selbstkontrahieren, Doppelvollmacht Verfügung des Nichtberechtigten

Teil 8:

Verjährung

110

Nr. 74 Nr. 75

Begründung und Entstehung eines Anspruchs Unterbrechung der Verjährung; Grundsätzliches zum Mahnverfahren, zur Klageerhebung und zum Armenrecht Vollstreckungsbefehl Hemmung der Verjährung; Stundung Beachtung der Verjährungseinrede im Prozeß Verlängerung und Verkürzung der Verjährungsfrist . . . . Verzicht auf Verjährungseinrede

110

Nr. 76 Nr. 77 Nr. 78 Nr. 79 Nr. 80

Stichwortverzeichnis

Seite

98 101 102 103 104 104 105 106 107 108

111 118 118 119 120 120 121

1

Teil 1: Überblick über die Rechtsordnung in der Bundesrepublik Deutschland

Fall Nr. 1: A b g r e n z u n g zwischen privatem und öffentlichem Recht Der Unternehmer U betreibt eine Hähnchenmästerei. Sein Nachbar N fühlt sich durch die Krähversuche der jungen Hähne in der Nachtruhe gestört. N fordert den U auf, die Hähnchen während der Nachtzeit in schalldichten Ställen zu halten. U antwortet, er zahle zum Wohle der Gemeinde für den Gewerbebetrieb derartig viel Steuern, daß die Nachbarschaft kleine Nachteile hinnehmen müsse. Außerdem könne erwegen der scharfen Konkurrenz keine zusätzliche finanzielle Belastung durch Schallschutzbauten verkraften. N hilft sich, indem er die Hähnchen mit Giftweizen füttert. Daraufhin verlangt U von N 500,— DM Schadenersatz für vergiftete Hähnchen. Besprechung Das von juristischen Laien so oft bemühte Rechtsgefühl wird vielen Lesern dieses Falles sagen, der N habe jedenfalls nicht „ohne weiteres" die Hähnchen vergiften dürfen. Juristen haben es schwerer. Sie müssen in Gedanken durch eine Fülle von Gesetzen eilen, um sich mit dem Verhalten des U und des N auseinanderzusetzen. Den Anfänger verwirrt die Vielzahl unserer Gesetze. Deswegen ist ein Überblick über die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland notwendig. U meint, er brauche die Hähne während der Nacht nicht schalldicht einzusperren, weil er einen genehmigten Gewerbebetrieb unterhält und außerdem ein guter Steuerzahler der Gemeinde Ist. Mancher wird vermuten, daß U mit dieser Begründung „schief liegt". Denn was kümmert es den Nachbarn, den die Hähnchen nicht schlafen lassen, ob die Mästerei als Gewerbe erlaubt worden ist, und wieviel Steuern der U zahlt. Um diese Dinge — so denkt N — mag sich der Staat kümmern. Dem Nachbarn N Ist an einer ungestörten Nachtruhe gelegen, und er glaubt, U müsse das beachten. N unterscheidet also zwei Rechtsgebiete: Er trennt die Rechtsbeziehungen des Bürgers zum Staate von den Rechtsbeziehungen zwischen den einzelnen Bürgern im Staate. Damit hat N eine Trennung vollzogen, die den Erkenntnissen der Juristen entspricht, nämlich die Trennung zwischen öffentlichem und privatem Recht. Beide Rechtsgebiete unterscheiden sich wesentlich: Das Privatrecht regelt die Rechtsbeziehungen der Bürger zueinander. Im Privatrecht stehen sich die Bürger als Individuen mit gleicher rechtlicher Ausgangsstellung gegenüber. Es gibt keine Befehlsgewalt des einen über den anderen. U kann dem N z. B. nicht befehlen, die Hahnenschreie zu dulden, und N kann dem U nicht befehlen, die Hähne schalldicht einzusperren. Die Nachbarn können sich zwar einigen; aber das ist ihre private Angelegenheit. Niemand kann mit rechtlichen Mitteln ihre Einigung erzwingen. Die Betonung lag in den vorhergehenden Sätzen auf „gleiche rechtliche Ausgangsstellung" und „mit rechtlichen Mitteln". Das Obergewicht des wirtschaftlich Stärkeren wird vom geltenden Privatrecht in Kauf genommen. Das zeigen folgende Beispiele:

2

Bei Warenknappheit kann der Verkäufer den Preis bestimmen. Marktbeherrschende Unternehmen besitzen eine ähnliche Machtstellung. Demgegenüber kann der Käufer bei einem Warenüberangebot oder bei scharfer Konkurrenz der Anbieter den Preis leichter herunterhandeln. Die wirtschaftlichen Machtverhältnisse ändern aber nichts an dem Grundsatz der rechtlichen Gleichstellung aller im Bereich des Privatrechts. Anders verhält es sich im Bereich des öffentlichen Rechts. Es regelt die Rechtsbeziehungen des einzelnen Bürgers zum Staate und das Verhältnis der staatlichen Einrichtungen zueinander. Kennzeichnend für das öffentliche Recht ist die Befehlsgewalt des Staates über den Bürger. Während im Privatrecht die Bürger sich als gleichberechtigte Partner auf gleicher Ebene gegenüberstehen, also nebeneinander, steht im öffentlichen Recht der Staat als Inhaber der Befehlsgewalt über dem Bürger. Der Staat zeigt sich als Träger hoheitlicher Gewalt. So könnte in unserem Fall das Gewerbeaufsichtsamt als Träger hoheitlicher Gewalt dem U auf Grund gewerberechtlicher Vorschriften verbieten, die Hähnchenmästerei zu betreiben. Das Bauaufsichtsamt könnte ihm in den gesetzlichen Grenzen der Bauordnung die baulichen Anlagen vorschreiben. Lärmeinwirkungen könnte das Gesundheitsamt verbieten, wenn durch aufdringliche Geräusche Leib und Leben oder die Gesundheit der Nachbarn gefährdet werden. Das Finanzamt könnte die Zahlung der Steuern erzwingen. Ein Gericht könnte N zum Schadensersatz verurteilen oder ihm wegen Sachbeschädigung (Vergiften der Hähnchen) eine Freiheits- oder Geldstrafe auferlegen. Diese Maßnahmen gegen U oder N sind auch ohne Zustimmung der Betroffenen erlaubt und durchsetzbar. Die Unterscheidungen zwischen öffentlichem und privatem Recht ist notwendig, um die menschlichen Beziehungen erträglich zu gestalten. Der uns zur Verfügung stehende Lebensraum gestattet keine unbeschränkte Selbstentfaltung und Selbstherrlichkeit. Geordnetes Leben innerhalb der menschlichen Gesellschaft ist nur bei Beachtung von Mindestregeln denkbar. Diese Mindestregeln müssen im Gesamtinteresse gegen das Einzelinteresse durchsetzbar sein. Es darf nicht im Belieben des einzelnen stehen, ob er sich ihnen unterwerfen will oder nicht. Deswegen sind bei den Mindestregeln staatliche Befehlsgewalt und notfalls staatlicher Zwang zur Durchsetzung des Befehls erforderlich. Indessen, unsere Vorstellungen und Wünsche über das menschliche Zusammenleben sind in Jahrhunderten gewachsen. Wir ertragen es nicht, bis in die letzten Bereiche unseres Lebens Befehlsempfänger zu sein. Um ein geordnetes Zusammenleben zu erreichen, ist es auch gar nicht notwendig, die Beziehungen der Bürger zueinander in allen Einzelheiten zwingend vorzuschreiben. Deswegen greift das öffentliche Recht regelmäßig nur dort mit Zwang ein, wo die Rechtsbeziehungen im Interesse der Gesamtheit gegen egoistische Bestrebungen des einzelnen zu ordnen sind. Privates und öffentliches Recht hatten also letztlich zur Aufgabe, dem Bürger einen freien Raum zur Gestaltung seines Lebens zu belassen (Privatrecht), ihn aber dort hoheitlichem Befehl zu unterwerfen, wo ein geordnetes Zusammenleben es gebietet (öffentliches Recht). Machen wir an Hand unseres Falles die Probe: Wie N und U sich über die Eindämmung des Lärms oder über den Ersatz des Schadens einigen, berührt nicht die Belange der Allgemeinheit, also Regelung nach privatem Recht. Ob U in einer Wohngegend überhaupt eine Hähnchenmästerei unterhalten darf, ob und wieviel Steuern er zahlen muß, darf nicht in seinem Belieben stehen, also Regelung nach öffentlichem Recht. Ob N für die gewaltsame Tötung der Hähnchen zu bestrafen ist, wie das Gericht

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und die Strafvollstreckungsbehörden dabei zu verfahren haben, muß die Allgemeinheit entscheiden und nicht der Geschädigte, den Rachegefühle antreiben könnten, also Regelung nach öffentlichem Recht. Wie U seinen evtl. Schadensersatzanspruch durchsetzen kann, ist eine Frage, an deren Lösung die Öffentlichkeit interessiert ist; denn ein Faustrecht des Geschädigten führt leicht zum Chaos. Niemand darf Richter und Vollstrecker in eigener Sache sein. Dafür gibt es Gerichte, die entscheiden, ob der Anspruch überhaupt besteht und wie er durchgesetzt werden kann. Die Gesetze, die das gerichtliche Verfahren regeln, gehören daher zum öffentlichen Recht. Wenn klar geworden ist, warum der Unterschied zwischen privatem und öffentlichem Recht besteht, ist es nicht mehr schwer, rechtliche Bestimmungen dem privaten oder dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Z. B.: Im Straßenverkehr müssen im Interesse der Gesamtheit Ordnung und Sicherheit herrschen. Daher zählt das Straßenverkehrsrecht überwiegend zum öffentlichen Recht. Die Dienstverhältnisse der Beamten und Soldaten müssen zwingend und einheitlich geregelt werden. Das Beamtenrecht und das Wehrrecht bilden folglich Teile des öffentlichen Rechts. Die Verfassung des Bundes (Grundgesetz), der Länder (Verfassung für das Land NRW vom 19. 6. 1950) und der Gemeinden (Gemeindeordnung für das Land NRW vom 28. 10. 1952), die gesamte Finanzgesetzgebung, die Schulgesetze, das staatliche Kirchenrecht, das Polizei- und Ordnungsrecht, alle Strafgesetze und alle Verfahrensgesetze (Gerichtsverfassungsgesetz, Gesetz über das Bundesverfassungsgericht, Zivilprozeßordnung, Strafprozeßordnung usw.) gehören zum öffentlichen Recht. (Die Regelung der Rechtsbeziehungen zwischen den verschiedenen Staaten findet sich im Völkerrecht. Dieses Gebiet wird hier nicht behandelt.) Es sei nochmals betont, daß die obige Aufzählung der zum öffentlichen Recht gehörenden Gesetze nur beispielhaft ist.

Die Rechtsgebiete innerhalb des Privatrechts sind nahezu ebenso zahlreich wie die des öffentlichen Rechts. Dafür ein Beispiel:

Fall Nr. 2: Gebiete des Privatrechts Der 30-jährige X erwirbt ein Haus, er heiratet und ihm werden Kinder geboren. Später gibt er seine Stellung als Prokurist auf, vereinbart mit seiner Frau Gütertrennung und gründet mit seiner Freundin eine Kommanditgesellschaft. Als Kaufmann zeichnet er Wechsel, kauft Aktien und streitet sich mit Konkurrenten über Patente, Lizenzen und Werbeslogans. Auf der Höhe seines wirtschaftlichen Erfolges läßt er sich scheiden, und nach dem ersten Herzinfarkt macht er sein Testament. Alsbald verursacht er durch alleinige Schuld einen schweren Verkehrsunfall, an dessen Folgen er stirbt.

Besprechung Das private Recht entscheidet darüber, ob der Hauskauf des X wirksam ist, wie seine Rechtsbeziehungen zur Ehefrau und den Kindern gestaltet sind, ob er seine Stellung als Prokurist kündigen konnte, wie die Gütertrennung und der Vertrag über die Kommanditgesellschaft vereinbart werden müssen, ob X aus den Wechseln verpflichtet ist, welche Rechte ihm die Aktien verleihen, wem die Patente und Lizenzen zustehen, ob die Werbeslogans unlauter sind, unter welchen Voraussetzungen X sich scheiden lassen konnte, in welcher Form das Testament abzufassen war, wer Erbe geworden ist, und ob der Erbe auch für den Schaden aus dem Verkehrsunfall haftet.

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Die Antwort auf die einzelnen Fragen finden sich zwar alle im Privatrecht; aber das Privatrecht ist in einer Vielzahl von Gesetzen geregelt. An erster Stelle steht das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), das am 1.1.1900 nach fast 25-jähriger Vorarbeit in Kraft getreten ist. Einzelne Teile des BGB mußten inzwischen überarbeitet werden, um die Bestimmungen den neuen gesellschaftlichen und verfassungsrechtlichen Verhältnissen anzupassen. Die verschiedenen Gebiete, die das BGB regelt, sind auf 5 Bücher verteilt. Sie heißen: Allgemeiner Teil (§§1-240), Schuldrecht (§§241-853), Sachenrecht (§§854-1296), Familienrecht (§§1297-1921) und Erbrecht (§§1922-2385). Hinzu kommt das Einführungsgesetz zum BGB, abgekürzt EGBGB. Darin ist u. a. der räumliche und zeitliche Geltungsbereich des BGB geordnet. Ferner enthält das EGBGB neben sonstigen Bestimmungen das Internationale Privatrecht (IPR). Das IPR schreibt vor, welche nationale Rechtsordnung anzuwenden ist, wenn die Rechtsbeziehungen zwischen Angehörigen verschiedener Staaten zu klären sind; z. B.: Eine Deutsche ist mit einem Franzosen verheiratet. Sie wohnen in der BRD. Welches Recht gilt, wenn sie sich scheiden lassen wollen? Nach welcher Rechtsordnung bestimmt sich die Regelung der elterlichen Gewalt über die aus der geschiedenen Ehe hervorgegangenen Kinder usw. Familienrecht, Erbrecht und IPR haben für den Rechtsunterricht an der Fachhochschule kaum Bedeutung. Diese Rechtsgebiete werden daher hier vernachlässigt. Dennoch sollte man wissen, daß die Eheschließung, die Eheauflösung und die sich daraus ergebenden Folgen heute nicht mehr im BGB geregelt sind, sondern in einem Kontrollratsgesetz aus dem Jahre 1946 (Ehegesetz). Es hat das nationalsozialistische Ehegesetz von 1938 abgelöst. Durch das Gleichberechtigungsgesetz vom 1.8.1957 sind die persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen der Ehegatten zueinander dem verfassungsrechtlichen Grundsatz von der Gleichberechtigung der Geschlechter angepaßt worden. In ähnlicher Weise hat das Gesetz über die Gleichstellung der nichtehelichen Kinder vom 19.8.1969, in Kraft getreten am 1.7.1970, eine rechtliche Besserstellung der nichtehelichen Kinder gebracht.

Eine Sonderstellung innerhalb des Privatrechts nehmen die Kaufleute ein, soweit es sich um ihre Betätigung im Erwerbsleben handelt. Für sie gilt weitgehend nicht bürgerliches Recht sondern Handelsrecht. Die wichtigste Zusammenfassung des Handelsrechts enthält das Handelsgesetzbuch (HGB) vom 10.5.1887. Auch dieses Gesetzbuch ist wiederholt der zeitlichen Entwicklung angepaßt worden. Daneben finden sich handelsrechtliche Vorschriften im Aktiengesetz, GmbH-Gesetz, Genossenschaftsgesetz und in den Gesetzen zur Regelung des Wettbewerbs. Die Aufzählung ist wiederum nur beispielhaft. Nun wird häufig vom Wirtschaftsrecht gesprochen. Dieser Begriff ist schillernd. Man kann darunter alle Bestimmungen verstehen, die für das Wirtschaftsleben von Bedeutung sind; aber das ist keine Abgrenzung. Teile des öffentlichen Rechts, insbesondere das Steuerrecht, sind für den Kaufmann mindestens so wichtig wie das HGB. Selbst Bestimmungen des Familienrechts — man denke an die Bedeutung, die eine Gütertrennung haben kann — und des Erbrechts — z. B. die Einsetzung eines tüchtigen Prokuristen als Testamentsvollstrecker — können für das Verhalten eines Kaufmanns äußerst wichtig sein. Deshalb soll dieser Begriff, so verlockend er sich auch für den Rechtsunterricht an einer Fachhochschule mit dem Bereich Wirtschaft anbietet, nicht länger erörtert werden. Schematisch läßt sich die Rechtsordnung der BRD wie folgt darstellen:

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Rechtsordnung Privatrecht

öffentl. Recht

Bürgerl. Recht

Handelsrecht

z. B. BGB

z. B. HGB

Verfass.R. z. B. GG Verwalt.R. z. B. BauR.

Verfahr.R. z. B. ZPO

Strafrecht z. B. StGB

Verfassungs-, Verwaltungs- und Strafrecht haben für den Rechtsunterricht an der HWF nur am Rande Bedeutung. Der Verfahrensgang bei den Zivilgerichten sollte einer Führungskraft der Wirtschaft jedoch in den Grundzügen bekannt sein. Die übrigen Gebiete des öffentlichen Rechts werden in der Darstellung nicht behandelt.

Fall Nr. 3: Rechtsquellen Der vermögende Kaufmann X hat durch seine Schuld den ebenfalls reichen Fußgänger Y überfahren. In einem Vergleich mit Y verpflichtet sich X, dem Y 2000,DM Schadenersatz und 3000,— DM Schmerzensgeld zu zahlen. Danach wird X schwer krank und benötigt fast sein gesamtes Vermögen zur Tragung der hohen Behandlungskosten. Er meint, Y sei aus Anstandsgründen verpflichtet, auf das Schmerzensgeld zu verzichten. Besprechung Auf der Suche nach der Lösung eines Falles legt sich der Jurist zunächst die Frage vor: „Wo mag etwas darüber stehen, ob das hier Verlangte zu gewähren ist?" Er forscht nach der Rechtsquelle, und wenn er sie gefunden hat, sucht er die Rechtsnorm, die den geltend gemachten Anspruch rechtfertigen könnte. Aus einer Rechtsquelle können viele Rechtsnormen fließen. Um sich der konkreten Rechtsfrage, die durch den Fall aufgeworfen wird, zu nähern, ist daher als erstes die Rechtsquelle und von dort aus die Rechtsnorm zu suchen. Die Gedankengänge müssen das Problem immer enger einkreisen. Man schreitet gedanklich von der jeweils höheren zur nächst niederen Einheit. Wer eine Stufe überspringt, wird regelmäßig das Ziel verfehlen. Der Zufall kann ihn zwar berichtigen; aber das ist Faselei! Deshalb lautet der oberste Grundsatz juristischer Arbeit: Erst unterscheiden, dann entscheiden! Nach ihrer Entstehungsart unterscheiden sich drei Rechtsquellen: Vertrag, Gewohnheitsrecht und Gesetz. Der Vertrag ist mit Sicherheit die älteste Rechtsquelle; denn um einen Vertrag zu schließen, also um Rechtsbeziehungen zwischen zwei oder mehreren Personen zu knüpfen, genügt die freiwillige Einigung dieser Personen. Jede von ihnen kann sich auf den Vertrag berufen, wenn es gilt, die einzelnen Rechte aus ihm geltend zu machen. Sie sind in der jeweiligen Rechtsnorm verankert. Sodann werden sich im Zusammenleben der Menschen gewisse Regeln geformt haben, die von den Gruppen und ihren einzelnen Angehörigen als verbindlich angesehen und überliefert worden sind, ohne daß jene Regeln gegenständlich, also durch Schriftzeichen festgehalten wurden. Die so entstandene Rechtsquelle heißt Gewohnheitsrecht. Zwar gibt es auch heute noch Gewohnheitsrecht; aber

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für den in der Wirtschaft Tätigen hat es nur noch geringe praktische Bedeutung. Nicht zu verwechseln ist das Gewohnheitsrecht mit der Verkehrssitte und den Handelsbräuchen, die einen ähnlichen Ursprung haben. Verkehrssitte und Handelsbräuche sind für den Kaufmann von großer Wichtigkeit; aber vorerst soll ihre bloße Erwähnung genügen. Das gesetzte, geschriebene Recht - daher der Name Gesetz — stellt heute neben dem Vertrage die bekannteste Rechtsquelle dar. Aus den Urformen der menschlichen Gesellschaft sind die komplizierten Staatsgebilde unserer Zeit gewachsen. Mit dieser Entwicklung mußten die Regeln des Zusammenlebens Schritt halten. Das nur langsam sich bildende Gewohnheitsrecht war wegen seiner Schwerfälligkeit dieser Aufgabe nicht gewachsen. Durch Verträge zwischen Individuen und Gruppen ließ sich das Zusammenleben in größeren Ordnungen auch nicht regeln; denn die Vielzahl der dazu erforderlichen Verträge wäre unübersichtlich gewesen. Deswegen trat neben Gewohnheitsrecht und Vertrag schon früh das Gesetz. Es ging aus von einer Person oder Gruppe, die genügend Macht besaß, um das, was sie als Recht wollte, zu befehlen und durchzusetzen. So ist es bis auf den heutigen Tag geblieben. In den Händen der jeweiligen Machthaber liegt es, ob sie den gegebenen Rechtszustand hinnehmen oder durch neue Gesetze abändern oder wie sie neue Aufgaben gesetzlich regeln wollen. Verschieden ist nur die Art, in der die Herrschenden zur Macht gelangen und in der sie die Gesetze erlassen. In der BRD liegt die Gesetzgebungsmacht bei den Parlamenten (Bundestag, Landtag) als den Repräsentanten des Volkes. Dort beschließt die jeweilige Mehrheit der Abgeordneten, die von den politischen Parteien benannt und vom Volk gewählt werden, in einem durch die Verfassung vorgeschriebenen Gesetzgebungsverfahren, was Gesetz werden soll. Die Geschichte liefert viele Beispiele dafür, daß Gesetz und Recht sich widersprechen können. Wer die Macht besitzt, kann auch seinen ungerechten Willen in die Form des Gesetzes kleiden; d. h. in einem Gesetzgebungsverfahren, das der formalen Ordnung entspricht, Unrecht zum Gesetz erheben. Dagegen soll die Berufung auf das Naturrecht Schutz bieten; aber diese Vorstellung ist trügerisch! Das Naturrecht ist nicht Rechtsquelle, sondern Rechtsschranke. Es besagt, daß Rechtssätze, auch wenn sie im Gewände eines formalen Gesetzes auftreten, in Wahrheit kein Recht schaffen, sofern sie den Anforderungen der Gerechtigkeit, der Moral und der Ethik nicht entsprechen oder wegen einer Wandlung der religiösen, ethischen, moralischen und sittlichen Wertungen nicht mehr als Recht anzusehen sind. Aber wer soll diese Maßstäbe verbindlich erläutern, wenn der Herrschende andere Maßstäbe will oder sich selbst in Übereinstimmung mit dem Naturrecht glaubt? Die Berufung auf das Naturrecht ist eine weltanschauliche Entscheidung mit allen Risiken eines solchen Entschlusses. Bisweilen mag es sogar eine Anmaßung sein, wissen zu wollen, was dem Naturrecht entspricht. Radbruch (Rechtsphilosophie, 4. Aufl., herausgegeben von Erik Wolf, S. 353) hat das Problem so beschrieben: „Der Konflikt zwischen der Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit dürfte nur dahin zu lösen sein, daß das positive, durch Satzung und Macht gesicherte Recht auch dann den Vorrang hat, wenn es inhaltlich ungerecht und unzweckmäßig ist, es sei denn, daß der Widerspruch des positiven Gesetzes zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches Maß erreicht, daß das Gesetz als unrichtiges Recht der Gerechtigkeit zu weichen hat." —

7

Nach diesem kurzen Überblick über die drei verschiedenen Rechtsquellen zurück zum Ausgangsfall: Zwischen X und Y bestanden ursprünglich keine Rechtsbeziehungen privatrechtlicher Art; aber durch den Unfall sind sie in privatrechtliche Beziehungen getreten. Ohne Zutun des X und des Y bestimmt hier zunächst die Rechtsquelle „Gesetz", welche Pflichten demjenigen obliegen, der einen anderen schuldhaft körperlich verletzt hat. Das Gesetz hindert die Parteien jedoch nicht, durch eine privatrechtliche Vereinbarung, also durch die Rechtsquelle „Vertrag", sich über die entstandenen gesetzlichen Ansprüche zu einigen. Sie können durch freie Vereinbarung regeln, ob X überhaupt, wieviel und wann er Schadensersatz leisten soll. Der Vertrag ersetzt in diesem Falle das Gesetz als Rechtsquelle. Daraus wird zweierlei deutlich: 1. Das Gesetz (private Recht) erzwingt nicht in allen Fällen eine bestimmte Regelung. Im Bereich des Privatrechts gibt es vielmehr zwingende und nachgiebige Normen. Zwingende Normen treffen wir dort an, wo der Staat an einer einheitlichen Regelung interessiert ist oder wo er dem Bürger zum Schutz gegen andere Rechtsgenossen Mindestrechte sichern will. In diesem Teil des Privatrechts liegen die Interessen ähnlich wie im öffentlichen Recht. Merke: Zwingende Normen lassen sich nicht durch Parteivereinbarung abändern oder ausschließen. Beispiele: Wie Ehen geschlossen oder aufgelöst werden, ob jemand heiratsfähig ist und welche Tatsachen zur Scheidung berechtigen, ob jemand entmündigt werden soll, ob Eltern die elterliche Gewalt über ih r e Kinder zu entziehen ist, ob für ein risikoreiches Geschäft bestimmte Formen zu beachten sind — das alles unterliegt dem zwingenden Recht. Man erkennt zwingende Normen an der Art ihrer Formulierung. Der Gesetzgeber verwendet in solchen Fällen die Wörter „müssen", „haben", „ist", z . B . § 5 9 BGB: Der Vorstand h a t . . . anzumelden. § 6 0 BGB: Die Anmeldung i s t . . . zurückzuweisen. § 1 2 1 BGB: Die Anfechtung muß . . . erfolgen. § 134 BGB: Ein Rechtsgeschäft... ist nichtig. Ob dagegen jemand auf den ihm zustehenden Schadenersatz ganz oder teilweise verzichten will, ob er beim Kauf einer Sache keine Garantie wünscht, oder ob er sich mit einer schlechten Leistung des Vertragspartners abfinden will, ist seine Sache. Deswegen enthalten die entsprechenden gesetzlichen Normen nachgiebiges Recht.

2. Das Gesetz (private Recht) zwingt grundsätzlich niemanden, einen Vertrag zu schließen. Es steht im freien Belieben des X und des Y, ob und wie sie sich über die Schadensersatzpflicht des X einigen. Das ist der Grundsatz der Vertragsfreiheit: Dem einzelnen steht es — soweit nicht zwingendes Recht eingreift — rechtlich frei, seine Rechtsstellung und die Rechtslage der von ihm beherrschten Rechtsgüter nach Belieben durch Vertrag mit anderen Personen zu gestalten. Dieser Grundsatz ist Ausfluß des Rechtes auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und daher verfassungsrechtlich geschützt. Das vorläufige Ergebnis unseres Falles lautet mithin: X war zunächst kraft Gesetzes verpflichtet, dem Y Schadensersatz zu leisten. Diese gesetzliche Schadensersatzpflicht haben die Parteien durch einen Vertrag näher geregelt, so daß sich der Umfang der Ersatzpflicht des X nun nach dem Vertrage bemißt. Zu beantworten ist noch die Frage, ob Y aus Anstandsgründen verpflichtet ist, auf das vereinbarte Schmerzensgeld zu verzichten. Das Schmerzensgeld konnte Y schon auf Grund des Gesetzes beanspruchen (§847 BGB). Die Höhe haben die Parteien durch den Vertrag festgelegt. Aus den Rechtsquellen „Gesetz" und

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„Vertrag" folgt keine Pflicht des Y zum Verzicht auf seinen Schmerzensgeldanspruch. Ob er aus Anstandsgründen darauf verzichten sollte, ist eine Frage der Moral. Indessen — moralische, ethische und religiöse Grundsätze haben zwar unsere Rechtsordnung geprägt; aber nicht jede hohe und höchste Anforderung aus jenen Bereichen ist Inhalt der gesetzlichen Ordnung geworden. Zwischen dem Gesetz einerseits sowie den Geboten und Verboten der Moral, Ethik und christlichen Nächstenliebe anderseits verläuft eine Opfergrenze: Mag es im Einzelfall auch hochanständig sein, zu helfen oder nachzugeben, so läßt sich diese Anständigkeit doch nicht erzwingen. Die Normen der Moral, der Ethik und der Religion sind also keine Rechtsquellen. Sie betreffen die innere Haltung eines Menschen, verpflichten ihn aber nicht zu einem erzwingbaren äußeren Verhalten. Folglich kann X von Y mit rechtlichen Mitteln nicht verlangen, daß er großzügig auf das Schmerzensgeld verzichtet. Man hört häufig, gemäß einem Urteil des Bundesgerichtshofes oder eines Oberlandesgerichts sei ein Fall so oder so zu lösen. Damit erhebt sich die Frage, ob ein Richterspruch Recht setzen kann. Im deutschen Rechtsbereich gilt das nur für Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, das z. B. ein Gesetz oder eine Rechtsnorm für verfassungswidrig erklären kann. Die für verfassungswidrig erkannten Bestimmungen dürfen nicht mehr angewandt werden. Alle übrigen Entscheidungen deutscher Gerichte klären immer nur den Einzelfall, mit dem sich das Gericht gerade zu befassen hat. Kein Gericht ist in einem späteren Rechtsstreit gezwungen, dieselbe Rechtsansicht, die es früher einmal vertreten hat, beizubehalten. Es ist an diese Rechtsansicht auch nicht gebunden, wenn sie von einem übergeordneten Gericht vertreten worden ist. Das übergeordnete Gericht kann das untergeordnete nur in dem jeweils zu entscheidenden Prozeß an eine bestimmte Rechtsansicht binden. Das geschieht in der Weise, daß das übergeordnete Gericht die von einer Prozeßpartei angefochtene Entscheidung des unteren Gerichts aufhebt, die Sache an das untere Gericht zurückverweist und dabei Richtlinien für die erneute Behandlung bestimmter Rechtsfragen gibt.

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Teil 2: Rechtssubjekte Fall Nr. 4: Rechtsfähigkeit, Handlungsfähigkeit, Geschäftsfähigkeit Der 4-monatige X ist laut Testament seines Vaters dessen Alleinerbe. Zum Nachlaß gehört eine Bauschlosserei mit 20 Beschäftigten. Der 19-jährige Arbeiter Y möchte sein Arbeitsverhältnis kündigen. Er fragt, an wen er die Kündigung richten muß, und ob er sie selbst aussprechen kann. Besprechung Die Fähigkeit des Menschen, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, heißt Rechtsfähigkeit. Sie beginnt mit der Vollendung der Geburt und endet mit dem Tode (§ 1 BGB). Vollendung der Geburt ist der vollständige Austritt des Kindes aus dem Mutterleib. Trennung des Nabelstranges ist nicht erforderlich. Das Kind muß bei Vollendung der Geburt aber irgendwelche Lebenszeichen von sich gegeben haben, z. B. Herzschlag, pulsierender Nabelstrang oder natürliche Lungenatmung. Lebensfähigkeit ist nicht erforderlich. Der 4-monatige X kann daher Träger von Rechten und Pflichten sein. Er nimmt bereits als Rechtssubjekt am Rechtsleben teil, obwohl er seine Rechtsbeziehungen noch nicht persönlich gestalten kann. Die ihm durch Erbgang zugefallene Bauschlosserei muß in seinem Namen durch andere betreut werden, bis er selbst handlungsfähig geworden ist. Die Handlungsfähigkeit erlangt der Mensch stufenweise nach einem natürlichen Reifeprozeß. Im Alter von 4 Monaten hat X schon einen natürlichen Willen, der auf die Befriedigung der Primitivbedürfnisse gerichtet ist; rechtserheblich sind seine Willensäußerungen aber noch nicht. Bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres ist er geschäftsunfähig (§104 Ziff. 1 BGB). Ihm wird jegliche Fähigkeit abgesprochen, seinen Willen rechtsverbindlich zu erklären. Seine Willenserklärungen sind nichtig (§105 BGB), d.h. sie werden so behandelt, als seien sie überhaupt nicht vorhanden. Diesen Zustand der Handlungsfähigkeit oder besser Handlungsunfähigkeit des Rechtssubjekts nennt man Geschäftsunfähigkeit. Mit der Vollendung des 7. Lebensjahres wandelt sie sich zur beschränkten Geschäftsfähigkeit. Beschränkt geschäftsfähig sind Personen vom vollendeten 7. bis zum vollendeten 21. Lebensjahr. Die Willenserklärungen des Minderjährigen so heißen diese Personen — sind nicht mehr bedeutungslos; aber in seinem Interesse haben sie nur eine beschränkte Wirksamkeit. Noch schützt ihn das Gesetz vor den Risiken des eigenverantwortlichen Lebens (§§107-113 BGB). Erst mit der Vollendung des 21. Lebensjahres wird der Mensch volljährig und zugleich unbeschränkt geschäftsfähig (§ 2 BGB). Bis zur Erreichung dieses Alters muß jemand an Stelle des geschäftsunfähigen Kindes und später an Stelle des beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen dessen rechtliche Belange wahren. Im Normalfalle sind das die Eltern oder der überlebende Elternteil. Sie sind vom Gesetz dazu auserkoren und heißen deswegen gesetzliche Vertreter. Leben die Eltern nicht mehr oder ist ihnen die elterliche Gewalt entzogen, so bestimmt das Vormundschaftsgericht einen Vormund.

10 Wenn wir davon ausgehen, daß die Mutter des X noch lebt, müßte Y die Kündigung also an sie richten. Zu erörtern bleibt, ob Y selbst wirksam die Kündigung aussprechen konnte. Als 19-jähriger ist er nur beschränkt geschäftsfähig. Die Wirksamkeit seiner Willenserklärungen richtet sich nach den §§ 107-113 B G B . Dort finden wir in § 113 eine Vorschrift, die dem Minderjährigen sehr weitgehende Befugnisse einräumt. Wenn der gesetzliche Vertreter dem Y die Eingehung des Arbeitsverhältnisses mit dem Vater des X gestattet hatte, kann Y selbst kündigen (§113 Abs. 1 S. 1 BGB). Eine Ausnahme gilt, wenn der gesetzliche Vertreter — also die Eltern des Y — den Arbeitsvertrag mit dem Vater des X nicht ohne die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts wirksam hätten schließen können (§113Abs.1 S . 2 B G B ) . Die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts ist z. B. erforderlich, wenn der Arbeitsvertrag zu persönlichen Leistungen für längere Zeit als 1 Jahr verpflichtet (§1822 Ziff. 7 BGB). Noch anders ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn es sich nicht um einen Arbeitsvertrag, sondern um einen Lehrvertrag handelt. Der Lehrvertrag dient der Ausbildung und Erziehung des Minderjährigen. Auf den Lehrvertrag findet § 1 1 3 B G B daher keine Anwendung. Ihn kann der minderjährige Lehrling nicht ohne die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters kündigen.

Fall Nr. 5: D e l i k t s f ä h i g k e i t Der 13-jährige X hänselt auf dem Schulweg den 6-jährigen Y. Aus Wut darüber wirft Y mit einem Stein nach X. Der Stein fliegt in die Schaufensterscheibe des Kaufmanns K. Ihm entsteht so ein Schaden von 500,— DM. Kann er diesen Betrag von X oder von Y verlangen? Besprechung Der Fall unterscheidet sich von dem vorhergehenden in einem sehr wesentlichen Punkte: X und Y haben nicht versucht, durch Erklärungen ihre Rechtsbeziehungen zu dem Kaufmann K zu gestalten; sie haben vielmehr durch ein Verhalten, das nicht auf die einverständliche Schaffung von Rechtsbeziehungen gerichtet war, solche Beziehungen hergestellt. Das Privatrecht verbietet grundsätzlich ein Verhalten, durch das einem anderen Schaden zugefügt wird. Durch die schädigende Handlung werden Rechtsbeziehungen zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten geknüpft, mögen sie sich vorher auch völlig fremd gewesen sein. Handlungen, die durch ungesetzliche Schadenszufügung neue Rechtsbeziehungen schaffen, nennt das Gesetz unerlaubte Handlungen. Einzelheiten darüber bleiben späteren Fällen vorbehalten. Hier soll nur untersucht werden, wie weit die Ersatzpflicht des Schädigers von seinem Lebensalter abhängt.

Ebenso wie die Fähigkeit des Menschen, sich durch Rechtsgeschäfte zu verpflichten, erst mit fortschreitendem Lebensalter zur vollen Entfaltung gelangt, hängt seine Schadensersatzpflicht aus unerlaubten Handlungen davon ab, ob der Schädiger ein bestimmtes Lebensalter erreicht hat. Diese Fähigkeit wird als Deliktsfähigkeit bezeichnet. Sie ist nicht zu verwechseln mit der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, die u. a. ebenfalls vom Lebensalter abhängt. Deliktsunfähig ist, wer das 7. Lebensjahr nicht vollendet hat (§828 Abs. 1 BGB). Hier haben

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wir eine deutliche Parallele zur Geschäftsunfähigkeit. Vom vollendeten 7. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr ist der Mensch bedingt deliktsfähig — eine Parallele zur beschränkten Geschäftsfähigkeit, wenn man davon absieht, daß die unbedingte Deliktsfähigkeit vor Erreichung der Volljährigkeit eintritt. Daraus folgt für unseren Fall: Der 6-jährige Y haftet als deliktsunfähiges Kind nicht für den von ihm angerichteten Schaden. Demgegenüber kann sich K an den bedingt deliktsfähigen X halten, sofern die übrigen Voraussetzungen der Schadensersatzpflicht erfüllt sind. Ein bedingt Deliktsfähiger haftet nicht für den von ihm angerichteten Schaden, „wenn er bei Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat" (§ 828 Abs. 2 S. ? BGB). Was das im einzelnen bedeutet, kann vorerst unerörtert bleiben. Wichtig ist es aber, sich zu merken, daß bei einem Menschen im Alter von 7 bis 18 Jahren die Schadensersatzpflicht aus unerlaubten Handlungen im Einzelfall von der geistigen Entwicklung des Minderjährigen abhängt, während bis zum vollendeten 7. Lebensjahr die Reife des Kindes gar nicht zu untersuchen ist. Die wichtigsten privatrechtlichen Altersstufen sind: Vollendetes 7. Lebensjahr: Eintritt der beschränkten Geschäftsfähigkeit und der bedingten Deliktsfähigkeit. Vollendetes 16. Lebensjahr: Ehemündigkeit der Frau; Fähigkeit, ein Testament zu errichten. Vollendetes 18. Lebensjahr: Unbedingte Deliktsfähigkeit; Zulässigkeit der Volljährigkeitserklärung; Zulässigkeit der Befreiung des Mannes von den Ehemündigkeitsvoraussetzungen. Vollendetes 21. Lebensjahr: Volljährigkeit; Ehemündigkeit des Mannes. Die Rechtsbegriffe, die mit dem jeweiligen Lebensalter eines Menschen zusammenhängen, lassen sich schematisch so darstellen: Rechtssubjekt Mensch als Träger von Rechten und Pflichten rechtsfähig mit Vollendung der Geburt

als Gestalter seiner Rechtsbeziehungen grundsätzlich handlungsfähig aber

a) geschäftsunfähig und deliktsunfähig bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres b) beschränkt gebedingt deliktsfähig schäftsfähig vom vom vollendeten 7. bis vollendeten 7. bis zum vollendeten 18. zum vollendeten 21. Lebensjahr. Lebensjahr

Fall Nr. 6: Parteifähigkeit, Prozeßfähigkeit; materielles und formelles Recht Die 16-jährige Schülerin X hat mit ihrem Fahrrad auf dem Bürgersteig den ebenfalls 16-jährigen Schüler Y schuldhaft angefahren und verletzt. Da die Eltern

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der X nicht freiwillig Schadenersatz leisten wollen, muß Y sie verklagen. Welchen Einfluß hat das Lebensalter der X und des Y auf die beabsichtigte Prozeßführung? Besprechung X ist bedingt deliktsfähig. (Wir sehen sämtliche Voraussetzungen ihrer Schadensersatzpflicht als erfüllt an.) Dennoch ist dem Y nicht geholfen, wenn er die zahlungsunwilligen Eltern der X nicht zur Zahlung zwingen kann. Um mit Hilfe des Staates Zwang auszuüben, muß er einen Prozeß gegen die X führen. Der Fall soll zeigen, wie vielschichtig unsere Rechtsordnung aufgebaut ist: Das Privatrecht, hier das Bürgerliche Recht und daraus das Recht der unerlaubten Handlung, bestimmt, ob dem Geschädigten Y ein Schadenersatzanspruch gegen die X zusteht. Im juristischen Sprachgebrauch heißen alle Rechtsnormen, die sich mit dem Entstehen und Vergehen privatrechtlicher Rechtsverhältnisse befassen, sachliches oder materielles Recht. Man spricht auch von sachlich-rechtlichen oder materiell-rechtlichen Normen. Davon sind die Normen zu unterscheiden, welche bestimmen, wie ein Anspruch gegen den Willen des Schuldners durchgesetzt werden kann. Das „Wie" des prozessualen Vorgehens gegen die Schuldner wird vom Verfahrensrecht geregelt. Im Gegensatz zum materiellen Recht heißt es formelles Recht. Es enthält die Spielregeln der verschiedenen Prozeßarten und gehört zum öffentlichen Recht. Für den privatrechtlichen Bereich sind die wichtigsten Vorschriften in der Zivilprozeßordnung vom 30.1.1877 enthalten. Dort finden wir auch, unter welchen Voraussetzungen ein Mensch klagen oder verklagt werden kann. Die Parallelen zum bürgerlichen Recht sind augenscheinlich. So entspricht der Rechtsfähigkeit des materiellen Rechts eine Rechtsfähigkeit des formellen Rechts. Das Ist die Fähigkeit, im Prozeß die Rolle einer Partei zu spielen, sei es als Kläger oder Beklagter. Die Zivilprozeßordnung leitet die prozessuale Rechtsfähigkeit aus der materiellen Rechtsfähigkeit ab und nennt sie Parteifähigkeit. §50 Abs. 1 ZPO bestimmt demgemäß, daß parteifähig ist, wer rechtsfähig ist: Nach Vollendung der Geburt kann ein Mensch klagen und verklagt werden. Das ist eine klare Notwendigkeit; denn wer Träger von Rechten und Pflichten sein kann, muß auch die Möglichkeit haben, seine Rechte notfalls zwangsweise zu verwirklichen. Ebenso müssen seine Gläubiger in den Stand gesetzt werden, gegen ihn auf dem Prozeßwege vorzugehen. Da die 16-jährigen X und Y rechtsfähig sind, können sie also klagen und verklagt werden — sie sind parteifähig. Von der Frage, ob jemand klagen oder verklagt werden kann, ist die Frage zu trennen, ob er in der Lage ist, seine Rechte im Prozeß eigenverantwortlich wahrzunehmen. Nach materiellem Recht wird der rechtsfähige Mensch erst mit dem Erreichen bestimmter Altersstufen handlungsfähig. Im formellen Recht stoßen wir erneut auf eine Parallele: Die prozessuale Handlungsfähigkeit trifft mit der Fähigkeit zusammen, sich durch Verträge verpflichten zu können (§52 Abs. 1 ZPO), also grundsätzlich mit der unbeschränkten Geschäftsfähigkeit. Die prozessuale Handlungsfähigkeit heißt Prozeßfähigkeit. Sie befähigt ihren Inhaber, eigenverantwortlich Prozeßhandlungen vorzunehmen oder einen Prozeßbevollmächtigten für sich zu bestellen. Da X und Y erst 16 Jahre alt sind, können sie im Prozeß nicht eigenverantwortlich handeln. Beide sind auf ihre gesetzlichen Vertreter angewiesen. Mithin liegt die Entschließung, ob und wie der Prozeß geführt werden soll, bei den Eltern des Y. Wenn sie sich namens ihres

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Sohnes zur Klage entschlossen haben, müssen sie zwar die X als Partei verklagen; aber sie wird gesetzlich vertreten durch ihre Eltern. Merke: Der Rechtsfähigkeit im materiellen Recht entspricht die Parteifähigkeit im formellen Recht. Der Geschäftsfähigkeit im materiellen Recht entspricht die Prozeßfähigkeit im formellen Recht. Fall Nr. 7: Juristische Personen, Organe Die Stadt X möchte von der Bergwerks-AG Y ein Baugrundstück kaufen. Wie können die Stadt und die Bergwerks-AG ihr Vorhaben verwirklichen? Besprechung Die Beteiligten sind keine natürlichen Personen, sondern Organisationen, die unter einem eigenen Namen am Rechtsleben teilnehmen. An derartiges Geschehen sind wir gewöhnt. Auch der juristische Laie empfindet es nicht als Besonderheit, wenn er mit einer Organisation so verhandelt, als sei der VerhandlungsPartner ein Mensch, eine natürliche Person. Außer natürlichen Personen kennt die Rechtsordnung juristische Personen. Sie sind wie die natürlichen Personen Rechtssubjekte, also Träger von Rechten und Pflichten. Am einfachsten stellt man sich unter einer juristischen Person eine rechtstechnische Einrichtung vor, die es einer Zusammenfassung von Personen oder Sachen oder von Personen und Sachen ermöglicht, als Rechtssubjekt unter eigenem Namen am Rechtsleben teilzunehmen. Viele Aufgaben des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens lassen sich sachdienlich nur durch Gemeinschaften, die mit großem Kapital und einem geeigneten Verwaltungsapparat ausgestattet sind, erledigen. Entsprechend den Aufgabengebieten unterscheidet man juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts. Den juristischen Personen des öffentlichen Rechts obliegt es, hoheitsrechtliche oder gemeinschaftswichtige Aufgaben zu erfüllen. Ihre Zahl ist so groß und die Arten sind so mannigfach, daß es genügen muß, typische Beispiele zu erwähnen: Am bekanntesten sind die öffentlich-rechtlichen Gebietszusammenschlüsse, nämlich der Bund, die Länder und die Gemeinden. Sie erlassen Gesetze, treiben die Steuern ein, bauen Straßen und Schulen, sorgen in weiten Bereichen für das Alter und die Gesundheit der Bürger usw. Zwangsbefugnis steht den juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur zu, wenn sie zur Erfüllung wichtiger Interessen der Allgemeinheit tätig werden. Sie handeln dann regelmäßig hoheitlich. Die Stadt handelt z. B. hoheitlich, wenn sie die Gemeindesteuern beitreibt oder wenn sie eine Ortssatzung u. a. über die Reinigung der Bürgersteige erläßt. Anders verhält es sich, wenn die Stadt Grundstücke für eigene Bauvorhaben erwerben möchte, wenn sie den Bauhandwerkern Aufträge erteilt, die Handwerkerrechnungen bezahlt und die Gegenstände zur Ausstattung ihrer Büros erwirbt. In diesen Fällen kann die Stadt keinen Zwang anwenden; sie muß die Verträge mit den Handwerkern und Verkäufern genau so aushandeln, als sei sie eine Privatperson. Das typische Kennzeichen des öffentlichen Rechts — die Über- und Unterordnung — fehlt, obwohl das Rechtssubjekt eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist. Sobald eine juristische Person des öffentlichen

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Rechts sich in den Privatrechtsverkehr einschaltet, verliert sie alle Zwangsgewalt. Sie handelt nicht mehr hoheitlich sondern fiskalisch. Der Bund, die Länder und die Gemeinden werden daher als Fiskus bezeichnet, soweit sie am Privatrechtsverkehr in irgendeiner Form, sei es als Eigentümer von Ländereien, als Käufer, Verkäufer oder Auftraggeber usw., teilnehmen. Daraus folgt für unseren Fall: Die Stadt X muß, obschon sie eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, den Kaufvertrag über das Grundstück mit der Bergwerks-AG Y frei aushandeln. Sie kann die Gesellschaft nicht zum Verkauf zwingen und den Kaufpreis nicht diktieren. Für den Kaufmann sind die juristischen Personen des Privatrechts weitaus wichtiger; denn ihrer kann er sich selbst bedienen. Einzelheiten darüber sollen später Fälle aus dem Gesellschaftsrecht vermitteln. Die Bergwerks-AG Y ist eine juristische Person des privaten Rechts. Den gleichen Status als Rechtssubjekt genießen der eingetragene Verein (e. V.), die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die eingetragene Genossenschaft und die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA). Sie alle sind Rechtssubjekte mit eigenen Rechten und Pflichten, also rechtsfähig. Handlungsfähig sind sie durch ihre Organe, die das Gesetz vorschreibt. (Auch dazu folgen Einzelheiten erst später.) Den Kaufvertrag zwischen der Stadt X und der Bergwerks-AG Y mußte also auf Seiten der Aktiengesellschaft und der Stadt grundsätzlich das Organ schließen. Es handelt für die juristische Person wie ein natürliches Organ für die natürliche Person. Ebenso wie eine natürliche Person nicht in allen Fällen persönlich zu handeln braucht, sondern sich durch eine andere Person vertreten lassen kann, können sich die Organe der juristischen Person bei den meisten Rechtsgeschäften durch ständige oder gelegentliche Bevollmächtigte vertreten lassen. Zu denken ist beispielsweise an Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte. Merke: Die Rechtsordnung kennt als Rechtssubjekte natürliche Personen (Menschen) und juristische Personen. Letztere werden in juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts unterteilt. Das Handeln juristischer Personen des öffentlichen Rechts im Privatrechtsbereich heißt fiskalisches Handeln im Gegensatz zum hoheitlichen Handeln auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Die juristischen Personen des öffentlichen und privaten Rechts sind handlungsfähig durch ihre gesetzlichen Organe. Juristische Personen des Privatrechts können daneben rechtsgeschäftlich bestellte Vertreter haben.

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Teil 3: Rechtsobjekte

Fall Nr. 8: Rechte und Sachen Der Fabrikant F erwirbt mit Hilfe eines Kredites der B-Bank AG ein Grundstück. Den Kredit läßt sich die B-Bank AG durch Eintragung einer Hypothek an dem Grundstück sichern. Auf dem Grundstück stellt F einen patentierten ölfilter her. Welche Rechtsbeziehungen ergeben sich aus dem Verhalten des F? Besprechung Das Recht lebt durch die Beziehungen der Rechtssubjekte zur Umwelt. Die Umwelt besteht aus anderen Rechtssubjekten und aus Gegenständen, die man Rechtsobjekte nennt. In der Bezeichnung „Rechtsobjekt" kommt zum Ausdruck, daß es sich um ein Etwas handelt, das nicht aktiv am Rechtsleben teilnimmt. Das Rechtsobjekt ist nicht Träger von Rechten und Pflichten; vielmehr vollziehen sich an ihm die Rechte und Pflichten des Rechtssubjekts. Durch die Aufnahme des Kredits hat F rechtliche Beziehungen zur B-Bank AG ins Leben gerufen: Er schuldet der B-Bank AG die Rückzahlung des Darlehens. Als Kehrseite kann die B-Bank AG die Rückzahlung verlangen. F ist Schuldner einer Pflicht — die B-Bank AG Gläubigerin eines Rechts. Objekt ist in beiden Fällen die Darlehensforderung. Sie kann ihr Schicksal nicht selbst bestimmen. Ob sie geltend gemacht werden soll, ob sie gestundet oder erfüllt wird, liegt bei den Rechtssubjekten, die durch sie miteinander rechtlich verbunden sind. Damit haben wir das erste Beispiel für ein Rechtsobjekt kennengelernt, nämlich die Forderung. Unter Forderung versteht man den Anspruch einer oder mehrerer bestimmter Personen gegen eine oder mehrere bestimmte Personen. Das zeigt unser Beispiel: Nur die B-Bank AG kann Rückzahlung des Darlehens verlangen, und nur F ist zur Rückzahlung verpflichtet. Ansprüche, die nur zwischen bestimmten Personen bestehen, heißen schuldrechtliche oder obligatorische Ansprüche. Jetzt können wir den Begriff „Forderung" noch kürzer definieren: Die Forderung ist ein schuldrechtlicher Anspruch. Entstehen und Vergehen schuldrechtlicher Ansprüche — das ist aus rechtlicher Sicht der Hauptinhalt kaufmännischer Betätigung. Deswegen ist es für den Studenten der betriebsund volkswirtschaftlich ausgerichteten Fachhochschule ungemein wichtig, sich über den Begriff „Forderung = schuldrechtlicher Anspruch" Klarheit zu verschaffen.

Mit Hilfe des Kredits hat F das Grundstück erworben. Er ist jetzt dessen Eigentümer. Als Eigentümer steht ihm die Herrschaftsbefugnis über das Grundstück zu. Er darf mit dem Grundstück, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen (§903 BGB). Es gilt nun, den Unterschied zwischen einer Forderung (z. B. der B-Bank AG gegen F) und dem Eigentum (z. B. die Rechtsbeziehungen des F zu seinem Grundstück) zu erläutern. In einem Punkt unterscheidet sich das Grundstück allerdings nicht von der Forderung: Ebenso wie die Forderung kann es mit sich selbst nichts anfangen. Es kann nicht aktiv werden, sondern es muß abwarten, wie sich der Wille des

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Eigentümers an ihm vollzieht. Es ist also wie die Forderung ein Rechtsobjekt. Schon äußerlich ist ansonsten ein gewaltiger Unterschied vorhanden. Die Forderung, mit unseren Sinnen nicht wahrnehmbar, ist lediglich ein Produkt menschlicher Vorstellungskraft. Demgegenüber ist das Grundstück als bestimmter Teil der Erdoberfläche real vorhanden und wahrnehmbar. Das Grundstück existiert körperlich — die Forderung nur geistig. Diesem Unterschied tragen das Gesetz und die Sprache der Juristen Rechnung: Die Forderung ist ein Recht — das Grundstück ist eine Sache. §90 BGB bestimmt zwingend: Sachen im Sinne des Gesetzes sind nur körperliche Gegenstände. Körperlich bedeutet dreidimensional, also meßbar nach Rauminhalt. Die rechtlichen Unterschiede zwischen der Behandlung von Rechten und Sachen sind erheblich. Das stärkste rechtliche Bindeglied zwischen dem Rechtsobjekt „Sache" und dem Rechtssubjekt „Mensch" (oder „juristischer Person") ist das Eigentum. Unter „Eigentum" ist jedoch nicht die Sache selbst, sondern nur der Ausdruck für die besondere Rechtsbeziehung zwischen Rechtssubjekt und Rechtsobjekt zu verstehen. Mit dem Recht „Eigentum" müssen wir uns an dieser Stelle etwas näher befassen. Als Wesensmerkmal der Forderung war herauszustellen, daß sie nur im Verhältnist von Person zu Person bestehen kann. Völlig anders sind die Ausstrahlungen des Eigentums. F ist nicht nur gegenüber der B-Bank AG Eigentümer des Grundstücks sondern gegenüber jedermann. Das ist ein besonderes Kennzeichen der Rechte an Sachen. Diese Rechte sind absolut, d.h. sie bestehen gegenüber jedermann. Forderungen sind relativ, d. h. sie bestehen nur gegenüber bestimmten Personen. Prägen Sie sich diese Begriffe fest und sauber ein. Sie gehören zum Mindestmaß juristischen Wissens und sind für die Rechtsanwendung, für die Kreditsicherung insbesondere, von unerhörter Wichtigkeit. Und noch etwas: Denken Sie nie einspurig. Sie werden diesen Rat als überflüssig und anmaßend empfinden; aber so simpel ist er nicht. Juristen arbeiten mit Begriffen wie Mathematiker mit Zahlen. Es nutzt nichts, eine Zahl zu kennen, und es nutzt auch nichts, einen Begriff zu kennen. Sie müssen sofort das Begriffspaar bilden sowie den übergeordneten und untergeordneten Begriff finden können. Wer keine Begriffe unterscheiden kann, ordnet die Tatsachen falsch ein und kann daher nicht richtig entscheiden.

Nach dieser „Ermahnung" wollen wir uns wieder dem Fall zuwenden. Die B-Bank AG hatte ihr Darlehen durch eine Hypothek am Grundstück sichern lassen. Das ist eine beliebte Form der Kreditsicherung. Ihr Vorteil liegt u. a. darin, daß der Gläubiger das Grundstück auch dann als Pfand behält, wenn der Eigentümer des Grundstücks wechselt. Der Gläubiger kann sich durch Verwertung des Grundstücks, z.B. Zwangsversteigerung, befriedigen, und der jeweilige Eigentümer des Grundstücks muß die Verwertung dulden. Die Hypothek stellt also ein Pfandrecht an einem Grundstück dar. Ebenso wie das Eigentum ist das Pfandrecht „Hypothek" ein Recht an der Sache Grundstück. Solche Rechte nennt man dingliche oder Sachenrechte. Da diese Sachenrechte gegenüber jedermann bestehen, werden sie auch absolute Rechte genannt. Wir können jetzt folgende Begriffspaare bilden: absolute Rechte — relative Rechte — sachenrechtlicher Anspruch — schuldrechtlicher (obligatorischer) Anspruch dinglicher Anspruch — persönlicher Anspruch. Immer aber ist der Anspruch das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (§ 194 Abs. 1 BGB).

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Wenn Sie sich die bisher besprochenen Begriffe genau eingeprägt haben, müßten Sie die folgende rechtliche Überlegung nachvollziehen können: Sollte F das Grundstück an den Dritten D veräußern, so wird D nicht automatisch Schuldner der Darlehensforderung; denn die Forderung (schuldrechtlicher oder obligatorischer Anspruch) besteht nur von Person zu Person. Persönlicher Schuldner der Darlehensforderung bleibt also F. Die Hypothek wandert demgegenüber mit dem Grundstück. Als sachenrechtliches oder dingliches oder absolutes Recht des Gläubigers klebt es am Grundstück, und zwar ohne Rücksicht darauf, wem das Grundstück jeweils gehört. Der neue Eigentümer muß als dinglicher Schuldner wie sein Vorgänger im Eigentum die Verwertung des Grundstücks dulden. Darin u. a. liegt der hohe Wert der Hypothek als Kreditsicherungsmittel. Nun wertet F in seinem Gewerbebetrieb ein Patent aus. Es schützt seine erfinderische Leistung gegen Wettbewerber. Auf Zeit genießt F bei der Herstellung des patentierten ölfilters eine Monopolstellung. Das Patent sichert also die Rechtsbeziehungen des Erfinders zu einem Produktionsgegenstand. Wie der Eigentümer jedermann von der Einwirkung auf die Sache selbst ausschließen darf, so kann der Inhaber eines Patents jedermann die Herstellung des geschützten Gegenstandes verbieten. Das Patentrecht ist mithin ebenfalls ein absolutes Recht. Ein Sachenrecht ist es jedoch nicht; denn es schützt nicht die Rechtsbeziehungen des Rechtssubjektes zu einem bereits vorhandenen Rechtsobjekt (Sache), sondern die Rechtsbeziehungen zu einer erst noch herzustellenden Sache. Die patentierte Sache ist also schon geschützt, bevor sie hergestellt ist. Damit wird der Rechtsschutz auf einen Bereich ausgedehnt, der vor dem Sachenrecht liegt. Der soeben besprochene Fall bot Anlaß, vier Rechte (Forderung, Eigentum, Hypothek und Patent) zu erläutern. Die Vielfalt der Rechte einer natürlichen oder juristischen Person ist damit nicht annähernd erschöpft. In Oberbegriffen lassen sich die Rechtsobjekte aber bereits vollständig so darstellen: Rechtsobjekte Rechte

Sachen

Fall Nr. 9: Persönlichkeitsrechte und Vermögensrechte Die berühmte Bühnenkünstlerin Rosa Tausendschön ist auch kaufmännisch sehr erfolgreich. Sie vertreibt mit hohem Umsatz und Gewinn eine Paste zur Hautpflege. Ihr Mittelchen trägt den Namen „Tausendschön". Es ist in Porzellantöpfchen abgefüllt. Auf dem Töpfchen ist ein bunter Blumenstrauß aus Tausendschön zu sehen. Der Fabrikant F stellt ein Hautpflegemittel her, das er ebenfalls Tausendschön nennt. Er läßt es in Tuben verpacken und diese mit einem Strauß blutroter Tausendschön zieren. Die Künstlerin fühlt sich dadurch als Mensch und als Gewerbetreibende verletzt. Sie verlangt, daß F seinen Artikel unter einer anderen Bezeichnung vertreibt. F antwortet, der Name Tausendschön sei ein Blumenname, und es stehe daher jedem Fabrikanten frei, sein Kosmetika so zu bezeichnen. Im übrigen verbreitet er in der Öffentlichkeit, die Tausendschön heiße in Wirklichkeit Mops. Sie habe sich einen Künstlernamen zugelegt. Von ihren eige-

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nen Mittelchen halte sie offenbar wenig; denn die 45-jährige Frau lasse sich seit 15 Jahren regelmäßig Hormonspritzen geben. Durch diese Erklärungen fühlt sich Rosa Tausendschön noch mehr geschädigt, ja sogar beleidigt. Besprechung Im Streit zwischen Rosa Tausendschön (R. T.) und F geht es nicht um Sachen. Sie kämpfen nicht darum, wem das fertige Erzeugnis gehört oder ob an ihm ein Pfandrecht besteht. Es geht ihnen um die Bezeichnung der Ware und um Äußerungen über die Person der R. T. Eine Fülle von Rechten ist berührt. Wenden wir uns zunächst dem Künstlernamen Tausendschön zu. § 12 BGB schützt das Namensrecht, aber nicht nur den bürgerlichen Namen, sondern im Wettbewerb auch den Künstlernamen. Eine andere Künstlerin, die mit der R. T. auf der Bühne im Wettbewerb steht, dürfte sich diesen Namen also nicht zulegen. Indessen — den Künstlernamen macht F der R. T. nicht streitig. Sie prallen mit ihren kaufmännischen Interessen aufeinander; denn beide verwenden den Blumennamen zur Bezeichnung einer Ware. Ob F dazu berechtigt ist, stellt ein wettbewerbsrechtliches Problem dar, dessen Lösung eingehendere Kenntnisse voraussetzt, als sie bisher vermittelt werden konnten. Hier ist festzuhalten, daß auch der Name einer Ware als Recht geschützt sein kann. Gleiches gilt für den Namen, unter dem ein Kaufmann sein Geschäft betreibt, nämlich für die Firma (§ 17 Abs. 1 HGB). Mit dem Hinweis auf die Hormonspritzen hat F die R.T. dreifach getroffen: I.Die Erwähnung ihres Alters in der Öffentlichkeit und die Behauptung über die angeblich seit 15 Jahren an ihr vorgenommenen Injektionen können ihr Fortkommen als Künstlerin nachteilig beeinflussen. Dadurch kann sie echte Geldeinbußen erleiden. 2. Außerdem kann die Behauptung des F, die R. T. halte von Hormonspritzen offenbar mehr als von ihrer Schönheitspaste, dazu führen, daß der gute Absatz der Paste zurückgeht. Auch das kann zu Geldeinbußen führen. 3. Schließlich fühlt sich die R.T. durch den Hinweis auf die Hormonspritzen empfindlich in ihrer Persönlichkeit getroffen. Das Persönlichkeitsrecht der R. T. verbietet es dem F, in der Öffentlichkeit darüber zu berichten, mit welchen Hilfsmitteln sich die Bühnenkünstlerin den Anschein der Jugend verleiht. Obwohl die wahre Behauptung, sie bekomme seit 15 Jahren Hormonspritzen, nichts Unehrenhaftes enthält, ist es für die Künstlerin doch sehr peinlich, wenn die Öffentlichkeit derartiges erfährt. Schon die Bloßstellung ist ein Eingriff in das absolute Persönlichkeitsrecht der R. T., mag ihre Ehre, die ebenfalls als absolutes Recht (gegenüber jedermann) besonders geschützt ist, auch noch nicht angegriffen sein. Die Besprechung des Falles hat einige Rechte zutage gefördert, die wir ordnen und gegenüber den uns bekannten Rechten „Forderung", „Eigentum" „Hypothek" und „Patent" abgrenzen müssen. Etliche der bisher erwähnten Rechte werden im geschäftlichen Verkehr gehandelt. Sie haben einen Geldwert und bilden in ihrer Gesamtheit das Vermögen einer Person. Solche Rechte nennt man Vermögensrechte. Dazu gehören die geldwerten Forderungen (Forderungen auf Zahlung von Geld, auf Lieferung oder Herstellung einer Ware, auf Leistung von Diensten, auf Vornahme oder Unterlassung von Handlungen) und die sachenrechtlichen Ansprüche (z. B. die aus Eigentum oder aus einer Hypothek), aber auch solche aus Patentverletzungen

19 oder anderen wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen (keine erschöpfende Aufzählung!). Auf der anderen Seite stehen Rechte, die üblicherweise nicht käuflich sind. Das schließt jedoch nicht aus, daß bei ihrer Verletzung in bestimmten Fällen eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten ist. Maßgeblich ist, daß sie ihrer Natur nach nicht das Vermögen einer Person, sondern die Person selbst ausmachen. Diese Rechte werden Persönlichkeitsrechte genannt. Zu ihnen gehört das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Verbot der rechtswidrigen Körperverletzung), das Recht auf Leben (Verbot der Tötung), das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (z. B. Verbot der Zwangsarbeit), der Ehrenschutz (Verbot der Beleidigung, Verleumdung und üblen Nachrede), der Schutz der Menschenwürde (Bloßstellung in der Öffentlichkeit), das Namensrecht und das Recht am eigenen Bild.

Eine eigenartige Zwischenstellung können das Namensrecht und das Firmenrecht einnehmen. Die Firma, also der Name unter dem der Kaufmann seine Geschäfte betreibt, verkörpert oft einen hohen Geldwert. Aber auch der bürgerliche Name und der Künstlername, zu denken ist etwa an den Namen eines berühmten Malers, können einen bedeutenden Geldwert besitzen. Das gleiche gilt für ein Pseudonym und eine Geschäftsbezeichnung, die noch nicht den Rang einer Firma hat (z. B. Gasthof „Zu den vier Jahreszeiten"). Die Firma und die Geschäftsbezeichnung stellen schon ihrem Wesen nach einen Geldwert dar, während der bürgerliche Name, der Künstlername oder das Pseudonym sich nur unter Umständen im Geschäftsverkehr in klingende Münze umschlagen lassen. Als Faustregel mag man sich merken: Wenn die vermögensrechtliche Bedeutung eines Namens neben dem ideellen Interesse an dem Namen steht — bei der Firma ist das immer der Fall — spricht man von einem Immaterial-Güterrecht. Dazu gehören auch die Urheberrechte. Das sind die Rechte der Künstler an ihrem Werk, wozu insbesondere die Verwertungsrechte gehören. Auch hier ist der starke vermögensrechtliche Einschlag neben dem ideellen Wert, der Schöpfer des Kunstwerkes zu sein, unverkennbar. Jetzt ist es möglich, die Rechte eines Menschen übersichtlich darzustellen: Rechte Vermögensrechte

Immaterialgüterrechte

Persönlichkeitsrechte

Machen Sie sich bitte die Mühe, und ordnen Sie die Rechte, die Sie kennengelernt haben, unter die Begriffe Vermögensrechte, Immaterialgüterrechte und Persönlichkeitsrechte ein.

Fall Nr. 10: Bewegliche und unbewegliche Sachen, wesentliche Bestandteile Der Baustoff- und Baumaschinenhändler H hat dem Bauunternehmer U unter Eigentumsvorbehalt 10 Flaschen Azethylengas, einen Ersatzkübel für den Betonmischer Typ X, 50 kg Holzschutzfarbe und 20 to Baustahl geliefert. Das Gas wird beim Schweißen verbraucht, der Kübel in eine Mischmaschine des U einge-

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setzt, die Schutzfarbe auf Holz gestrichen und der Baustahl zur Herstellung eines Neubaus auf dem Grundstück des E verbaut. Da U die Rechnungen nicht bezahlt, möchte H wissen, ob er die gelieferten Waren herausverlangen kann. Besprechung Gelieferte Ware geht grundsätzlich in das Eigentum des Käufers über; aber der Lieferant kann sich dagegen durch die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes schützen. Wie das geschieht, wird später besprochen. Der Eigentumsvorbehalt soll regelmäßig die Kaufpreisforderung sichern. Wenn der Käufer die Ware nicht sofort vollständig bezahlen kann oder will, möchte sie der Lieferant notfalls zurückholen und anderweitig verwerten können. Diese Möglichkeiten hält er sich durch den Eigentumsvorbehalt offen. Die Vereinbarung des Eigentumsvorbehalts ist allerdings nur wirksam bei der Veräußerung von beweglichen Sachen. Das Gesetz unterscheidet zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen (Mobilien und Immobilien, mobil = beweglich, immobil = unbeweglich). Unbewegliche Sachen sind die Grundstücke. Darunter versteht man einen genau abgegrenzten Teil der Erdoberfläche. Alle anderen Sachen, die nicht Grundstücke sind, heißen bewegliche Sachen. Im Geltungsbereich unseres Privatrechts steht jeder abgegrenzte Teil der Erdoberfläche als selbständiges Grundstück im Grundbuch verzeichnet. Das Grundbuch ist ein öffentliches Register, das bei den Amtsgerichten geführt wird. Es enthält sämtliche Grundstücke, die im Bezirk des jeweiligen Amtsgerichts liegen.

In manchen Fällen versagt bei beweglichen Sachen der ausgeklügeltste Eigentumsvorbehalt. Seiner Wirksamkeit stehen bisweilen zwingende Rechtsvorschriften entgegen. Oft geht der Eigentumsvorbehalt durch den Einbau oder die Verarbeitung der gelieferten Sache unter. Betrachten wir zunächst das wirtschaftliche und rechtliche Schicksal des Ersatzkübels Typ X. Bei ihm handelt es sich um eine Sache, die im Geschäftsverkehr nach Art, Maß oder Gewicht bestimmt zu werden pflegt. Solche Sachen nennt man vertretbar (§91 BGB). An ihre Stelle kann eine beliebige andere von der gleichen Art, dem gleichen Maß oder dem gleichen Gewicht gesetzt werden. Es kommt nicht darauf an, ob es gerade ein Ersatzkübel mit einer bestimmten Fertigungsnummer ist. Maßgeblich ist allein, ob der Typ stimmt. Denken Sie z. B. an einen Autotyp oder den Typ einer Waschmaschine, eines Fernsehgerätes oder eine Baumaschine. Die Sachen desselben Typs vertreten einander. Dem Besteller eines bestimmten Autotyps ist es in aller Regel gleich, welche Nummer er aus der Serie bekommt. Anders bei unvertretbaren Sachen. Sie sind durch ihre Einmaligkeit gekennzeichnet: Jedes Grundstück ist nur einmal vorhanden. Es läßt sich nicht ersetzen. Deswegen sind Grundstücke immer unvertretbare Sachen. Es mag für den Interessenten zwar ein gleichwertiges und gleichermaßen geeignetes Grundstück zu finden sein; aber es ist dennoch ein anderes Grundstück mit anderen rechtlichen Eigenschaften. Ebenso ist das Kunstwerk eine unvertretbare Sache; denn es besticht u.a. durch seine Einmaligkeit. Anders liegt es beim kunstgewerblichen Gegenstand, der regelmäßig mehrfach hergestellt wird und bei dem der Käufer normalerweise keinen Wert darauf legt, ein ganz bestimmtes Exemplar aus der Serie zu bekommen.

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Für die Frage des Eigentumsvorbehalts ist es ohne Belang, ob es sich um eine vertretbare oder unvertretbare Sache handelt. An beiden kann sich der Verkäufer wirksam das Eigentum vorbehalten. Problematisch wird es jedoch, wenn eine Sache — in aller Regel wird es sich um eine vertretbare handeln — infolge Verbindung Bestandteil einer anderen geworden ist. Werden nämlich bewegliche Sachen miteinander dergestalt verbunden, daß sie wesentliche Bestandteile einer einheitlichen Sache bilden, so werden die bisherigen Eigentümer Miteigentümer dieser Sache (§ 947 Abs. 1 1. Halbs. BGB). Die Höhe des jeweiligen Miteigentumsanteiles bestimmt sich nach dem Verhältnis des Wertes, den die Sachen z. Z. der Verbindung haben (§ 947 Abs. 1 2. Halbs. BGB). Ist eine der Sachen als Hauptsache anzusehen, so erwirbt ihr Eigentümer das Alleineigentum (§ 947 Abs. 2 BGB). Ob eine Sache Hauptsache und die andere Nebensache ist, richtet sich nach der Verkehrsauffassung. Allgemein kann man sagen: Nebensachen sind Bestandteile, die ohne Beeinträchtigung der praktischen Verwendbarkeit der Sache fehlen können. Es wäre voreilig, schon an dieser Stelle etwas darüber sagen zu wollen, ob der Lieferant des Ersatzkübels nach Einbau des Kübels Miteigentümer an der Mischmaschine geworden ist. Beim sorgfältigen Lesen des § 947 Abs. 1 BGB muß auffallen, daß der Erwerb des Miteigentums davon abhängt, ob die bewegliche Sache nach der Verbindung wesentlicher Bestandteil der einheitlichen Sache geworden ist. Deswegen ist zunächst zu prüfen, ob der eingebaute Ersatzkübel einen wesentlichen Bestandteil der Mischmaschine darstellt. Bei Betrachtung aus wirtschaftlich-technischer Sicht ist die Mischmaschine ohne den Kübel, indem das Material gemischt werden soll, als Mischmaschine nicht zu gebrauchen; darauf kommt es aber nicht an. Die juristische Betrachtungsweise ist eine andere. Nach § 93 BGB sind wesentliche Bestandteile einer Sache nur diejenigen, die nicht voneinander getrennt werden können, ohne daß der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird. Baut ein Fachmann den serienmäßig gefertigten Ersatzkübel aus, so werden dadurch weder der Kübel noch die Restmaschine zerstört. Der Kübel kann in eine Mischmaschine des zu ihm passenden Typs eingebaut werden, und die Restmaschine ist nach Einbau eines zu ihr passenden Kübels wieder verwendungsfähig. Auch in ihrem Wesen werden die einzelnen Bestandteile nicht verändert. Das für manchen sicherlich überraschende Ergebnis lautet also: Der Ersatzkübel ist durch den Einbau nicht wesentlicher Bestandteil der Mischmaschine geworden. Der Eigentumsvorbehalt des Lieferanten besteht daher fort. Prägen Sie sich die Definition des wesentlichen Bestandteils in §91 BGB genau ein! Wenn Sie die Definition verstanden haben, werden Sie einsehen, daß z. B. die Reifen und der Motor eines serienmäßig gefertigten Autos keine wesentlichen Bestandteile sind. Sie müssen sich die Frage so stellen: Sind nach der Trennung beide Teile noch zu dem ursprünglichen Zweck verwertbar? Es genügt nicht, daß nur noch ein Teil verwertbar bleibt; denn im Gesetz heißt es: . . . ohne daß der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird . . . Ferner genügt es nicht, daß die Teile nach der Trennung noch für andere Zwecke zu verwerten sind, z. B. für den Verkauf als Schrott oder nach weiterer Bearbeitung für eine andere Maschine. Nun müssen Sie sich etwas sehr Wichtiges merken: Wesentliche Bestandteile können nicht Gegenstand besonderer Rechte sein (§93 BGB); anders ausgedrückt: Sie sind nicht sonderrechtsfähig. An einem

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wesentlichen Bestandteil kann folglich auch kein Eigentumsvorbehalt bestehen. Setzt sich eine Sache aus mehreren wesentlichen Bestandteilen zusammen, so ist es unmöglich, daß dem A der wesentliche Bestandteil X und dem B der wesentliche Bestandteil Y gehört. Wenn Sie untersuchen, ob der Eigentumsvorbehalt an einer beweglichen Sache, die Bestandteil einer anderen beweglichen Sache geworden ist, fortbesteht, sollten Sie stets in der nachstehenden Reihenfolge überlegen: 1. Ist die bewegliche Sache wesentlicher Bestandteil geworden? Wenn nein, bleibt der Eigentumsvorbehalt bestehen. Sie gelangen dann gar nicht zu den Problemen, die sich aus den §§ 947-951 BGB ergeben. 2. Ist die gelieferte Sache als wesentlicher Bestandteil mit anderen wesentlichen Bestandteilen zu einer Gesamtsache verbunden worden, so müssen Sie prüfen, ob eine Hauptsache mit Nebensachen entstanden ist. Ist die gelieferte Sache Nebensache ( = Nebenbestandteil), dann geht der Eigentumsvorbehalt unter. Ist die gelieferte Sache Hauptsache, besteht der Eigentumsvorbehalt fort. 3. Ist keine Hauptsache vorhanden, so geht der Eigentumsvorbehalt an der gelieferten Sache zwar unter, aber es entsteht Miteigentum an der Gesamtsache. Wenden wir uns nun dem Azethylengas zu. Wir wissen, daß unter Eigentum das besondere Rechtsverhältnis einer Person zu einer Sache zu begreifen ist, und daß Sachen nur körperliche Gegenstände sind. Körper im physikalischen Sinne sind auch die flüssigen und die gasförmigen Stoffe. Man kann es dadurch beweisen, daß man sich vom Sprungturm flach auf das Wasser fallen oder ein Raumfahrzeug zu flach oder zu steil in die Atmosphäre eintauchen läßt. Die Schmerzen am eigenen Körper und das Abprallen bzw. Verglühen des Raumschiffes zeigen, daß zwei Körper aufeinander gestoßen sind. Die Juristen folgen der physikalischen Erkenntnis in etwa: Flüssigkeiten und gasförmige Stoffe sind Sachen, wenn sie wie ein fester Körper gegenüber anderen Körpern räumlich abgegrenzt sind. Das ist bei gasförmigen Stoffen und regelmäßig bei Flüssigkeiten nur der Fall, wenn sie sich in Behältern befinden. Das ausgeströmte Gas, das fließende Wasser der Ströme, die Meereswellen und die uns umgebende Luft sind mithin keine Sache im Sinne des § 90 BGB. Dagegen sind das in einer Flasche gelieferte Azethylengas und die im Behälter gelieferte Schutzfarbe Sachen, an denen also auch ein Eigentumsvorbehalt denkbar ist. Es liegt in der Rechtsnatur einiger Sachen begründet, daß der Eigentumsvorbehalt an ihnen nur von beschränkter Dauer ist. Zu denken ist vor allem an Nahrungs- und Genußmittel, aber auch an Arbeitsmaterial, das bei Produktionsvorgängen verbraucht wird, z. B. das Azethylengas beim Schweißen. Damit wird auch der Eigentumsvorbehalt am Gas hinfällig. An einer Sache, die nicht mehr vorhanden ist, kann begrifflich kein Eigentum bestehen bleiben. Der Eigentumsvorbehalt ist also ein verhältnismäßig schwaches Kreditsicherungsmittel für Lieferanten, die mit verbrauchbaren Sachen handeln. Ihre Ware geht mehr oder minder schnell bestimmungsgemäß unter. Nach §92 BGB sind verbrauchbare Sachen diejenigen beweglichen Sachen, deren bestimmungsgemäßer Gebrauch im Verbrauch oder in der Veräußerung besteht. Unter dem Blickwinkel der Kreditsicherung sind die zum Verbrauch bestimmten Sachen als Kreditbasis relativ ungeeignet.

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Die zur Veräußerung bestimmten Sachen sind in aller Regel nicht Gegenstand eines Eigentumsvorbehaltes, denn bei diesen Sachen handelt es sich in erster Linie um Geld, Banknoten, fällige Zinsscheine und börsengängige Wertpapiere (Effekten). Es wäre indessen verfehlt, die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts an verbrauchbaren Sachen für überflüssig zu halten; denn bis zum Verbrauch der im Eigentumsvorbehalt stehenden Sache kam der Lieferant jedenfalls auf die Sache zurückgreifen. Und noch etwas kommt hinzu: Das Gesetz (§92 Abs. 2 BGB) kennt verbrauchbare Sachen, die ihrer Substanz nach gar nicht zum (alsbaldigen) Verbrauch bestimmt sind. Das sind bewegliche Sachen, die zu einem Warenlager oder Sachinbegriff gehören, dessen bestimmungsgemäßer Gebrauch in der Veräußerung der einzelnen Sachen besteht. Damit kann praktisch jede bewegliche Sache zu einer verbrauchbaren werden, z. B. der Wohnzimmerschrank, der im Warenlager eines Händlers steht. Hier hat der Eigentumsvorbehalt des Herstellers einen hohen Wert als Kreditsicherungsmittel. Verkauft der Händler allerdings an einen Kunden gegen Barzahlung, so wird der Kunde den Eigentumsvorbehalt des Herstellers nicht hinnehmen, sondern volles Eigentum erwerben wollen. Dagegen wird der Hersteller auch grundsätzlich nichts einzuwenden haben; denn je mehr Bargeschäfte der Händler tätigt, um so größer die Aussicht, daß er den Hersteller bezahlt. Zurück zum Eigentumsvorbehalt am Azethylengas: Das Gas in Flaschen kann H kraft seines Eigentumsvorbehaltes zurückfordern. Demgegenüber ist der Eigentumsvorbehalt am Gas, dasU verbraucht hat, gegenstandslos geworden. Nun zu der Schutzfarbe: Sie stellt ebenfalls eine verbrauchbare Sache im Sinne des §92 Abs. 1 BGB dar. Soweit sie noch im Behälter vorhanden ist, gelten für sie die obigen Ausführungen sinngemäß. Die verarbeitete Farbe ist in das Holz eingedrungen und hat sich mit ihm verbunden. Eine Trennung mit dem Ziel, sie als Farbe zurückzugewinnen, ist auch dann wirtschaftlicher Unsinn, wenn es technisch möglich sein sollte. Solchen und ähnlichen Vorgängen trägt das Gesetz Rechnung. Werden bewegliche Sachen miteinander untrennbar vermischt oder vermengt oder sind die vermischten oder vermengten Sachen nur mit unverhältnismäßigen Kosten zu trennen, so werden die bisherigen Eigentümer Miteigentümer der Sache, die durch die Verbindung entstanden ist (§§948, 947 BGB). Da §948 BGB auf §947BGB verweist, richtet sich die Höhe des jeweiligen Miteigentumsanteiles wieder nach dem Wertverhältnis der Sachen z. Zt. der Verbindung. Ist eine der Sachen als Hauptsache anzusehen, so erwirbt auch hier ihr Eigentümer das Alleineigentum (§ 947 Abs. 2 BGB). Wir wissen: Nebensachen sind Bestandteile, die ohne Beeinträchtigung der praktischen Verwendbarkeit der Sache fehlen können. Bei Anlegung dieses Maßstabes dürfte die Schutzfarbe keine Nebensache sein; denn die Verwendbarkeit des Holzes als Bauelement hängt von seiner Dauerhaftigkeit und diese von einer sachgemäßen Imprägnierung ab. Daraus folgt: Soweit die Farbe aufgetragen worden ist, hat H Miteigentum an dem gestrichenen Holz erlangt. Seinen Miteigentumsanteil kann er zur Abdeckung der Kaufpreisforderung verwerten. Wie das geschieht, soll hier offen bleiben. Jetzt soll das rechtliche Schicksal des Eigentumsvorbehaltes am Baustahl behandelt werden. U hat den Stahl zur Errichtung eines Hauses auf dem Grundstück des E eingebaut. Für Sachen, die mit Grundstücken, also mit unbeweglichen Sachen fest verbunden sind, bringt §94 BGB eine Sonderregelung, die den

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Begriff des wesentlichen Bestandteils erweitert. Nach § 94 BGB gehören zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude. Der Grundsatz lautet also: Wem das Grundstück gehört, dem gehört auch das mit dem Grundstück fest verbundene Gebäude. Unter Gebäude sind nicht nur Häuser zu verstehen, sondern auch Mauern, Brücken, Denkmäler und andere Bauwerke. Nun sind Gebäude zwar regelmäßig eine wirtschaftliche Einheit; aber sie setzen sich aus einer Fülle von Bauelementen zusammen. Das hat auch der Gesetzgeber berücksichtigt, und so bestimmt §94 Abs. 2 BGB: Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen. Dadurch werden die Bauelemente zu wesentlichen Bestandteilen des Grundstücks. Ob eine feste Verbindung zwischen Gebäude und Boden besteht, ist eine Frage des einzelnen Falles. Wenn die Trennung zur Zerstörung oder erheblichen Beschädigung der eingefügten Sache führt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht, darf man auf eine feste Verbindung schließen. Selbst eine nur durch ihre Schwerkraft auf dem Boden ruhende Sache, deren Abtransport nur nach Zerlegung möglich ist, z. B. der Gasbehälter einer Gasanstalt, ist in der Rechtsprechung des Reichsgerichts als mit dem Boden fest verbunden angesehen worden. Zur Herstellung eines Gebäudes ist eine Sache eingefügt, wenn sie zwischen Teile des Gebäudes gebracht und durch Einpassen in die für sie bestimmte Stelle mit den umliegenden Stücken derart verbunden ist, daß durch sie das Gebäude in seiner besonderen Art und zu seinem besonderen Zweck mit hergestellt ist. Mit anderen Worten: Die eingebaute Sache muß dazu dienen, das Gebäude zu dem zu machen, was es werden soll. Daher kann auch überflüssiges Zierat als zur Herstellung des Gebäudes angesehen werden. Auf den Zeitpunkt der Einfügung kommt es ebenso wenig an, wie darauf, ob das Gebäude auch ohne die eingebaute Sache in Betrieb genommen werden könnte. Danach ist es nicht zu bezweifeln, daß der Baustahl zur Herstellung des Gebäudes eingefügt worden ist. Der Eigentumsvorbehalt des H ist mithin kraft Gesetzes erloschen. H. hat auch kein Miteigentum an dem Haus und damit an dem Grundstück erlangt; denn die §§947, 948 BGB gelten nur für die Verbindung, Vermischung und Vermengung beweglicher Sachen. Die Frage, ob eine Sache zur Herstellung des Gebäudes eingefügt ist, kann nur von Fall zu Fall an Hand der oben erwähnten Grundsätze entschieden werden. Eine besondere Rolle spielt dabei die Entwicklung im Wohnhausbau. Einbauküchen, Gemeinschaftsantennen, gemeinsame Waschautomaten, zentrale Heizungs- und Warmwasserversorgungsanlagen werden heute regelmäßig unter § 94 Abs. 2 BGB fallen. Den Lieferanten dieser Ausstattung ist daher in aller Regel mit einem einfachen Eigentumsvorbehalt an der Ware nicht gedient! Rufen Sie sich jetzt noch einmal die imprägnierten Holzbalken in Erinnerung. Sie haben gelesen, daß jeder imprägnierte Balken (Holz plus Schutzanstrich) eine Gesamtsache darstellt, an der Miteigentum des H und des U besteht. Sobald U das imprägnierte Holz zu einem Gebälk verarbeitet, z. B. als Dachstuhl des Hauses auf dem Grundstück des E einbaut, verlieren beide ihr Miteigentum; denn das Holz wird zur Herstellung des Gebäudes eingefügt. Alleiniger Eigentümer wird also gem. § 94 Abs. 2 BGB der Grundstückseigentümer E.

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Fall Nr. 11: Scheinbestandteile G betreibt eine große Gärtnerei. Da sein eigenes Land nicht ausreicht, hat er 1000 qm hinzugepachtet. Der Pachtvertrag sieht eine Vertragsdauer von vorläufig 5 Jahren vor. G hat auf dem Pachtland ein großes Gewächshaus von 600 qm errichtet. Die ölbrenner des Heizungskessels Typ X hat L unter Eigentumsvorbehalt geliefert. Da G nicht zahlt, möchte L den Brenner herausverlangen. Ist er dazu berechtigt? Besprechung Mit Ihren bisherigen Kenntnissen ist dieser Fall nicht zu lösen. Bei folgerichtiger Überlegung müßte Ihre Lösung so aussehen: Das Gewächshaus stellt ein Gebäude im Sinne des § 94 BGB dar. Es ist mit dem Grund und Boden des Verpächters fest verbunden; denn es kann nur nach Zerlegung, u. U. nach Zerstörung einzelner Teile von den Fundamenten gelöst und entfernt werden. Daher gehört es dem Verpächter. Da dieses Gewächshaus ohne ölfeuerungsbrenner nicht seinem besonderen Zweck entspricht, ist der Brenner zur Herstellung des Gebäudes eingefügt. Er gehört also ebenfalls dem Verpächter. Der Eigentumsvorbehalt des L ist kraft Gesetzes untergegangen. Diese Lösung ist falsch, weil sie nicht den § 95 BGB berücksichtigt! Danach gehören zu den Bestandteilen eines Grundstücks solche Sachen nicht, die nur zu einem vorübergehenden Zwecke mit dem Grund und Boden verbunden sind. Das gleiche gilt von einem Gebäude oder anderem Werke, das in Ausübung eines Rechtes an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden ist. Bau jemand auf einem fremden Grundstück, so liegt die Vermutung nahe, daß er nach Beendigung seines Nutzungsrechtes das Gebäude wieder abreißen möchte, um es vielleicht anderweitig zu errichten. Bei einem Gewächshaus dürfte das gar nicht so schwierig sein. Die richtige Antwort auf die Frage, ob ein Gebäude wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks geworden ist, läßt sich also nur finden, wenn man untersucht hat, ob der Bauherr das Gebäude nicht nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grundstück verbunden hat. Die Verbindung geschieht nur zu einem vorübergehenden Zweck, wenn die spätere Trennung von Anfang an beabsichtigt oder mit Sicherheit erwartet wird, wenn auch erst nach langer Dauer, z.B. nach Ablauf eines langjährigen Pachtvertrages. Darauf, ob die Verbindung fest oder leicht ist, kommt es nicht an. Allerdings kann eine feste Verbindung den Schluß nahelegen, der Bauherr habe eine dauernde Verbindung beabsichigt. Maßgeblich ist immer und allein die Vorstellung des Bauherrn. Berücksichtigt man, daß G keineswegs sicher sein darf, der Verpächter werde den Pachtvertrag verlängern, so wird nicht anzunehmen sein, daß er eine dauernde Verbindung des Gewächshauses mit dem Grundstück des Verpächters gewollt hat. Daraus folgt bereits: Das Gewächshaus ist nicht wesentlicher Bestandteil des Grundstücks. Es kann mithin auch nicht unbewegliche Sache sein; vielmehr ist es eine bewegliche Sache geblieben. Ob der ölbrenner nun wesentlicher Bestandteil des Gewächshauses ist, richtet sich dann nicht mehr nach §94 Abs. 2 BGB sondern nach §93 BGB. Sollte es sich um einen serienmäßigen ölbrenner handeln — wofür die Typenbezeichnung spricht — so wird er ohne Zerstörung des restlichen Gewächshauses und der restlichen Heizungsanlage sowie seiner selbst ausgebaut werden können. Er ist also nicht wesent-

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licher Bestandteil geworden. Daher kann L seinen Eigentumsvorbehalt mit Erfolg geltend machen. Wandeln wir den Fall etwas ab: Die Winkeleisen, aus denen das Gerüst des Gewächshauses geschweißt worden ist, hat L unter Eigentumsvorbehalt geliefert. Ist sein Eigentumsvorbehalt nach der Verarbeitung des Eisens erhalten geblieben? Da es sich bei dem Gewächshaus um eine bewegliche Sache handelt, ist wieder §93 BGB zu beachten. Die verschweißten Winkeleisen lassen sich nur mit Hilfe des Schneidbrenners oder ähnlicher Werkzeuge aus dem Verband lösen. Dabei geht ihre Substanz mindestens teilweise verloren. Sie sind also wesentliche Bestandteile einer Gesamtsache geworden. Der Eigentumsvorbehalt des L ist folglich erloschen; aber er hat das Miteigentum an der Gesamtsache gem. §947 Abs. 1 BGB erworben. Lesen Sie bitte §95 Abs.1 S.2BGB sorgfältig durch. Sie stoßen dort auf die Formulierung „ . . . in Ausübung eines Rechtes an einem fremden Grundstück . . . " Vielleicht denken Sie jetzt: So war es auch mit dem Gewächshausbau auf dem Pachtgrundstück — aber so war es nicht. Wir sind auf einen Fall gestoßen, bei dem man sich wieder einmal den Unterschied zwischen einem schuldrechtlichen und einem dinglichen Anspruch klar machen muß. Der Pachtvertrag ist ein schuldrechtlicher (obligatorischer) Vertrag, der dem Pächter nur einen Anspruch gegen den Verpächter auf Gebrauchsüberlassung gibt, d. h. der Pächter kann vom Verpächter, aber auch nur von ihm, verlangen, daß er ihm den Gebrauch und die Nutzung des Grundstücks gewährt. Er hat kein Recht an dem Grundstück, sondern nur einen Anspruch gegen den Verpächter, ihm das Grundstück zu überlassen. Anders steht der Eigentümer da. Er hat ein Recht an dem Grundstück. Das ist ein sachenrechtlicher oder dinglicher Anspruch. Dem Eigentümer stehen gleich z. B. der Erbbauberechtigte oder der Nießbraucher. Eine Erläuterung der Begriffe „Erbbauberechtigter" und „Nießbraucher" würde an dieser Stelle zu weit führen; sie müssen sich aber merken: Wenn das BGB von einem Recht an einer Sache spricht, ist grundsätzlich ein dingliches Recht gemeint. Merke: Der dingliche Berechtigte hat ein Recht an der Sache gegen jedermann. Der schuldrechtlich Berechtigte (Käufer, Mieter, Pächter) hat einen Anspruch auf die Sache gegen seinen Vertragspartner.

Fall Nr. 12: Erzeugnisse, Samen und Pflanzen G betreibt seine Gärtnerei auf eigenem Gelände und hat dafür eingekauft: Eine Schutzhecke gegen Windeinbrüche, Samen für Gemüsepflanzen und 2-jährige Setzlinge von Ziersträuchern, die er als 4- bis 5-jährige Stücke verkaufen möchte. Alle Lieferungen sind unter Eigentumsvorbehalt des L erfolgt. Kann L die Sachen zurückverlangen, wenn G nicht pflichtgemäß zahlt? Besprechung Auf diese Frage können Sie nicht einheitlich antworten. Es kommt vielmehr darauf an, zu welchem Zweck G den Samen und die Pflanzen in seinen Grund und Boden gebracht hat.

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Gemäß § 9 4 Abs. 1 S. 2 BGB wird Samen mit dem Aussäen und eine Pflanze mit dem Einpflanzen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks; aber auch hier ist § 9 5 Abs. 1 S. 1 BGB zu beachten. Wir müssen also wiederum prüfen, ob G die Sachen nicht nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden hat. Da die Hecke als Windschutz dienen soll, dürfen wir annehmen, daß G sie zum dauernden Verbleib eingepflanzt hat. Damit ist der Eigentumsvorbehalt des L an den Heckenpflanzen untergegangen. Der Samen wird mit dem Aussäen wesentlicher Bestandteil des Grundstücks. Hier kann § 9 5 BGB nicht eingreifen; denn der Samen wird in das Erdreich gelegt, damit aus ihm der Keimling treibt. Die Aussaat geschieht also naturgemäß nicht, um den Samen zu einem vorübergehenden Zweck der Erde anzuvertrauen. Mithin ist auch der Eigentumsvorbehalt am Samen erloschen. Die 2-jährigen Setzlinge möchte G hingegen nach einer weiteren Aufzucht von 2 - 3 Jahren wieder verkaufen. Mit ihnen betreibt er eine Baumschule. Sie sind nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden und daher nicht als wesentliche Bestandteile des Grundstückes anzusehen. § 9 5 BGB geht hier dem § 9 4 Abs. 1 S. 2 BGB vor. Der Eigentumsvorbehalt des L ist also wirksam geblieben. Als Grundstücksbestandteile haben wir bisher die Gebäude, den Samen und die Pflanzen besprochen. § 9 4 Abs. 1 S. 1 BGB erwähnt außerdem als wesentliche Bestandteile die Erzeugnisse des Grundstücks. Darunter sind insbesondere die aus dem Boden gewachsenen Pflanzen und die aus ihm zu gewinnenden Bodenteile zu verstehen, z. B. Sand und Kies. Machen Sie sich die nachstehenden Begriffe klar: Unbewegliche Sachen Bewegliche Sachen Vertretbare Sachen Verbrauchbare Sachen Recht an einer Sache Recht auf eine Sache Schuldrechtlicher (obligatorischer) Anspruch Sachenrechtlicher (dinglicher) Anspruch

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Teil 4: Rechtshandlungen

Fall Nr. 13: Tathandlungen, Rechtsgeschäfte; juristische Arbeitsmethoden A ist Mitglied des Einkaufsrings „Fortuna". Ihm gehören 30 Großhändler an. Neue Mitglieder können nur einstimmig aufgenommen werden. X hat sich um die Aufnahme beworben. In der Mitgliederversammlung hebt A auf die Frage, wer sein Veto gegen die Aufnahme des X geltend machen wolle, die Hand. A hat jedoch gar nicht abstimmen, sondern seinem Prokuristen P, der verspätet das Tagungslokal betreten hat, ein Zeichen geben wollen. B, der gegen die Aufnahme des X ist, seine Einstellung bei der Abstimmung aber nicht offen zeigen wollte, beruft sich nun auf das Veto des A. Hat A wirksam abgestimmt? Besprechung Die bisherigen Besprechungen sollten die Begriffe „Rechtssubjekt" und „Rechtsobjekt" klären. Es war aber auch häufig die Rede von „Veräußern", „Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts", „Beschädigung von Sachen" sowie „Ehr- und Körperverletzungen". Die Rechtssubjekte haben gehandelt und dadurch Rechtsobjekte, z. B. Forderungen, ins Leben gerufen oder die Rechtslage der Rechtsobjekte verändert, z. B. das Eigentum an einer Sache übertragen oder Grundeigentum mit einer Hypothek belastet. Alles Handeln eines Rechtssubjekts, das irgendeine Rechtsfolge auslöst, wird Rechtshandlung genannt. Die Handlung kann in einem positiven Tun bestehen, z. B. im Abschluß eines Kaufvertrages oder in der bewußten und gewollten körperlichen Verletzung eines Menschen durch einen Messerstich. Rechtshandlungen können aber auch durch bloßes Unterlassen begangen werden, z. B. durch die Nichtvornahme einer lebensnotwendigen Operation. Handlungen, die keinen Einfluß auf die Rechtssphäre haben, sind äußerst selten. Wir finden sie eigentlich nur im Bereich des gesellschaftlich-höflichen Zusammenlebens der Menschen. So gehören z. B. das Grußwort, das Kompliment und die ausgetauschte Zärtlichkeit zu den Handlungen, die rechtlich zu nichts verpflichten und zu nichts berechtigen. Aber nur ein kleiner Schritt weiter, und das Rechtsleben beginnt: Die „Schenkung" eines Blumenstraußes, die gemeinsame Autofahrt — sie begründet Sorgfaltspflichten gegenüber dem mitgenommenen Fahrgast — die Urlaubsfahrt mit „gemeinschaftlicher" Kasse usw. bis hin zum Verlöbnis sind Vorgänge, die rechtlichen Charakter tragen. Hier interessieren nur die Rechtshandlungen. Sie zerfallen in reine Tathandlungen (Realakte) und rechtsgeschäftliche Handlungen. Tathandlungen sind solche, die einen tatsächlichen Erfolg herbeiführen, an den die Rechtsordnung bestimmte Rechtsfolgen knüpft. So löst z. B. die schuldhafte Beschädigung einer Sache oder die schuldhafte Verletzung eines Menschen Schadensersatzpflichten aus. Andere Realakte, die Rechtsfolgen auslösen, sind die Verbindung, Vermischung und Vermengung (§§947, 948 BGB); denn durch einen tatsächlichen Vorgang geht Eigentum unter oder Miteigentum wird begründet. Auch der Fund ist ein Realakt, durch den Rechte und Pflichten des Finders und Verlierers (§965 ff. BGB) entstehen. Diese Beispiele sollen genügen.

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Eine weitaus größere Rolle als die Realakte spielen im Wirtschaftsleben die rechtsgeschäftlichen Handlungen. Rechtsgeschäftlich handelt, wer einen Willen erklärt oder zu erklären scheint, sofern der Wille darauf gerichtet ist, rechtliche Beziehungen anzuknüpfen oder bestehende Rechtsverhältnisse zu beeinflussen. Das Gesetz nennt solche Handlungen Willenserklärungen. Sie sind notwendiger Bestandteil eines jeden Rechtsgeschäfts. Die Rechtswissenschaft und auch die Rechtsprechung haben neben dem Begriff der rechtsgeschäftlichen Handlung den der geschäftsähnlichen Handlung entwickelt. Die Unterscheidung hat jedoch weitgehend nur theoretischen Wert und soll hier nicht vertieft werden. Dagegen besteht zwischen rechtsgeschäftlichen Handlungen und Tathandlungen ein großer Unterschied. Tathandlungen erfordern nicht die Geschäftsfähigkeit des Handelnden. So kann z.B. das geschäftsunfähige Kind Sachen verbinden, vermischen oder vermengen und auf diese Weise Rechtsfolgen auflösen. Bei Begehung unerlaubter Handlungen ist die Haftung des Handelnden allerdings im Regelfalle von der Deliktsfähigkeit abhängig. (Prüfen Sie, ob Ihnen die Begriffe „Geschäftsfähigkeit" und „Deliktsfähigkeit" noch geläufig sind.) Nach dieser einleitenden Begriffserklärung wollen wir uns dem Fall zuwenden und dabei etwas sehr Wichtiges über die juristische Arbeitsweise erfahren. Deswegen sind höchste Aufmerksamkeit und sorgfältiges Mitdenken erforderlich. Zunächst ist es geboten, sich genau zu überlegen, wonach überhaupt gefragt Ist. Diese Frage muß man immer im Auge behalten. Auch wenn der Fall mehrere Probleme aufgibt, muß das Denken unablässig auf die Beantwortung der Ausgangsfrage gerichtet sein. Sie ist das strategische Ziel. Die Auseinandersetzung mit noch so interessanten Zwischenfragen darf nie Selbstzweck sein, sondern nur taktisches Mittel. Der Vergleich mit einem Beispiel aus dem Sport bietet sich an: Das Dribbeln eines Fußballspielers mag noch so schön aussehen — wenn der Tordrang fehlt, ist es eine verspielte Nutzlosigkeit. Die Fragestellung ist der erste Schritt. Im vorliegenden Falle ist er in der Aufgabe beschrieben: Wir müssen prüfen, ob A wirksam sein Veto gegen die Aufnahme des X eingelegt hat. Der zweite Schritt besteht folgerichtig in der Frage: „Was ist ein Veto?" Erst wenn diese Frage (das erste taktische Zwischenspiel) geklärt ist, läßt sich sagen, ob A ein Veto erklärt hat. Wenn wir fragen, was ein Veto ist, so fragen wir nach dem rechtlichen Wesen, nicht nach der Bedeutung und nach der Wirkung des Vetos. Unterscheiden Sie zwischen dem Wesen (rechtlicher Charakter) eines Vorganges, der Bedeutung des Vorganges und seiner Wirkung. Nach dem Wesen forscht, wer sich die Frage stellt: Was ist das? Nach der Bedeutung forscht die Frage: Warum ist das so? Die Wirkung wird durch die Frage beschrieben: Was wird erreicht?

Das Veto ist seinem rechtlichen Wesen nach eine Willenserklärung; denn der Erklärende gibt zu verstehen, daß er die Rechtslage durch Äußerung seines Willens in bestimmter Weise beeinflussen möchte. Die Bedeutung des Vetos liegt in der besonders starken Berücksichtigung der Wünsche jedes einzelnen Mitgliedes. Dem entspricht die Wirkung des Vetos: Es verhindert die Aufnahme eines neuen Mitgliedes. Die Begriffe Wesen, Bedeutung und Wirkung sind nebeneinandergestellt worden, damit Sie erkennen, wie falsch es wäre, wollte man bei der Frage: Was ist ein Veto? nur ein Wort über seine Bedeutung oder seine Wirkung verlieren. Damit

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würde man der Sache vorbeireden (unnötig dribbeln!), mögen die Ausführungen zur Bedeutung oder zur Wirkung auch noch so richtig sein. Wer bei einer Juristischen Aufgabe unnötige Überlegungen anstellt, überlegt falsch. Nachdem wir die Frage beantwortet haben, was ein Veto ist, müssen wir prüfen, ob das, was A erklärt hat, diesem Wesen entspricht. Das ist der dritte Schritt. Um das bisherige Vorgehen nochmals deutlich zu machen: Wir haben nach Stellung der Frage (1. Schrift) zunächst das rechtliche Wesen des Vetos bestimmt (2. Schritt). Der 2. Schritt enthielt eine Definition. Sie ist immer abstrakt. Beim 3. Schritt prüfen wir, ob die Stimmabgabe des A dieser Definition untergeordnet werden kann. Wir messen jetzt einen konkreten Lebensvorgang an abstrakten Maßstäben. Diese Prüfung heißt Subsumtion oder Subsumieren. Das ist regelmäßig der schwierigste Teil juristischer Arbeit; denn hier zeigt es sich, ob jemand konkrete Lebensvorgänge auf ihren juristischen Gehalt durchschauen, und ob er sie ihrem rechtlichen Wesen entsprechend einordnen kann. Die Parole lautet also: Erst definieren, dann subsumieren — und das so oft, wie eine taktische Zwischenfrage auftaucht. Da das Veto (abstrakt) eine Willenserklärung ist, müssen wir (konkret) forschen, ob A eine Willenserklärung hat verlauten lassen. Die Definition (2. Schritt) der Willenserklärung heißt: Bewußte Willensäußerung in der Absicht, die Rechtslage irgendwie zu beeinflussen. Jetzt beginnt der 3. Schritt: A hat seinen Willen zwar bewußt erklärt; denn er hat dem P zugewunken, um ihn herbeizurufen. Das ist fraglos eine Willenskundgebung; aber sie ist nicht abgegeben, um die Rechtslage zu beeinflussen. DerWink des A ist vergleichbar mit einem Grußwort. Wenn dem Erklärenden die Absicht fehlt, die Rechtslage in bestimmter Weise zu beeinflussen (vgl. die Definition der Willenserklärung), fehlt ihm das Erklärungsbewußtsein. Es ist genau so, als habe er im Schlaf gesprochen oder im Zustande der Bewußtlosigkeit Körperbewegungen vollführt, die als Zeichen gedeutet werden können. Da dem A das Erklärungsbewußtsein fehlte, ist sein Winken nicht als Willenserklärung im Sinne eines rechtsgeschäftlichen Handelns zu verstehen. Also hat A nicht wirksam abgestimmt. Fall Nr. 14: Inhalt der Willenserklärung (Abwandlung des Falles Nr. 13) Der Versammlungsleiter V hat die Mitglieder, die gegen eine Aufnahme des X sind, gebeten, den Arm zu erheben. A hat sich verhört. Er meint, wer für die Aufnahme ist, solle das Armzeichen geben. Welchen Inhalt hat seine Erklärung? Besprechung Zwischen den Fällen 13 und 14 besteht ein großer Unterschied. Im Fall Nr. 13 haben wir untersucht, ob überhaupt eine Willenserklärung im Rechtssinne vorlag, während wir im Fall Nr. 14 fragen, welchen Inhalt die Willenserklärung hat. Daß in dem Armaufheben überhaupt eine Willenserklärung zu erblicken ist, werden Sie einsehen; denn A hat seinen Arm erhoben, um abzustimmen, also in der Absicht, die Rechtslage durch eine Willensäußerung zu beeinflussen. Es fragt sich nur, wie er sie beeinflussen wollte. Das ist die Frage nach dem Inhalt der Willenserklärung.

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Theoretisch bieten sich zwei Methoden an, mit deren Hilfe der Inhalt einer Willenserklärung erforscht werden könnte, nämlich eine subjektive und eine objektive. Bei Anwendung der subjektiven Methode müßte die Frage lauten: Welchen Inhalt hat der Erklärende selbst seiner Erklärung geben wollen? Ein derartiges Vorgehen würde den Rechtsverkehr mit zu großen Unsicherheiten belasten. Der Empfänger einer Willenserklärung muß sich darauf verlassen können, daß der Erklärende das sagen wollte, was ein außenstehender Dritter bei vernünftiger Betrachtungsweise annehmen mußte. Dieses Vorgehen nennen wir die objektive Methode. Sie allein gewährleistet Vertrauensschutz und damit Rechtssicherheit. Eine Willenserklärung besteht also nicht aus zwei verschiedenen Bestandteilen, von denen der eine Wille und der andere Erklärung heißt; sie ist vielmehr eine Einheit, nämlich der erklärte Wille. Das Schwergewicht liegt auf Erklärung. Nicht der Wille, den eine Person zu erklären gedachte, sondern dasjenige, was sie in den Augen und Ohren eines außenstehenden Dritten bei vernünftiger Betrachtungsweise erklärt hat, muß sich die Person als ihren erklärten Willen entgegenhalten lassen. Nicht selten gibt jemand im rechtsgeschäftlichen Verkehr unbewußt eine andere als die beabsichtigte Erklärung ab. Zu denken ist an die Fälle des Versprechens, Verschreibens, Verhörens oder des Mißverstehens eines Ausdrucks, dessen eindeutiger Inhalt anderen geläufig ist. Unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Folgen der Erklärende von seiner irrtümlichen Erklärung abrücken kann, werden Sie alsbald erfahren; hier wollen Sie sich bitte fest einprägen: Eine Willenserklärung hat immer den Inhalt, den ein außenstehender Dritter bei vernünftiger Betrachtungsweise entnehmen muß. Da A auf die eindeutige Frage des V das Armzeichen gegeben hat, hat er erklärt, er stimme gegen die Aufnahme des X. Vom Inhalt der Willenserklärung ist die Form zu unterscheiden. Vielleicht ist es merkwürdig erschienen, daß schon das Aufheben des Armes eine Willenserklärung sein soll. Unter Umständen ist es tatsächlich so. Das Gesetz schreibt für die Willenserklärung grundsätzlich keine Form vor. Es gilt der Grundsatz der Formfreiheit, d. h. eine Willenserklärung wird grundsätzlich mündlich abgegeben; wenn unter den Beteiligten aber Einigkeit über die Bedeutung einer bestimmten Geste besteht, genügen der Handschlag, das Kopfnicken oder Kopfschütteln, das Aufzeigen mit dem Finger usw. Aber: Wenn Juristen die Wörter „Grundsatz", „grundsätzlich", „Regel" oder „regelmäßig" in den Mund nehmen, sagen sie damit zugleich, daß es Ausnahmen gibt. Und das Gesetz kennt eine ganze Reihe von Ausnahmen, in denen eine Willenserklärung wirksam nur in ganz bestimmter Form abgegeben werden kann. Die Ausnahme muß allerdings im Gesetz vorgeschrieben oder von den Vertragschließenden vereinbart sein, z. B. die Schriftlichkeit der Kündigung. Sonst bleibt es bei dem Grundsatz der Formfreiheit. Fall Nr. 15: Form der Willenserklärung M möchte einen eigenen Hausstand gründen. Zu diesem Zweck schließt er einen Bausparvertrag mit der Bausparkasse X. Darin heißt es, nur schriftliche Vereinbarungen seien wirksam. In Höhe der monatlichen Sparraten gibt er der Bausparkasse eine Gehaltsabtretung, die nach den Vereinbarungen im Bausparvertrag auf Kosten des M öffentlich beglaubigt werden muß. Alsdann kauft er von

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V ein Grundstück. Schließlich kauft er die Eheringe, heiratet die F, läßt die Reisepässe ausstellen und begibt sich auf die Hochzeitsreise. Welche Formvorschriften sind bei den einzelnen Geschäften zu beachten? Besprechung Der Kauf der Eheringe ist — was die Form des Kaufvertrages angeht — der einfachste Vorgang. Ein Kaufvertrag ist grundsätzlich formfrei wirksam. Die meisten Kaufverträge werden demgemäß formfrei, d.h. mündlich geschlossen. Beim Kauf wertvollerer Objekte, z. B. eines Kraftfahrzeuges, oder beim Kauf auf Raten stoßen wir dagegen häufig auf schriftliche Kaufverträge. Das hat seinen guten Grund; „denn was man Schwarz auf Weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen". Die Schriftform erleichtert die Beweisführung. Beweissicherung ist daher ein Zweck der Form. Den Bausparvertrag haben die Beteiligten schriftlich geschlossen. Schriftform bedeutet: Die Urkunde muß von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder durch notariell beglaubigtes Handzeichen unterzeichnet werden (§ 126 Abs. 1 BGB). Die Urkunde — hier der Bausparvertrag - ist der Träger (meist, aber nicht notwendig Papier), auf dem die Willenserklärungen stehen. Sie muß alle formbedürftigen Erklärungen enthalten. Aussteller ist derjenige, der auch nur eine formbedürftige Erklärung in der Urkunde abgibt. Da hier der M und die Bausparkasse sich schriftlich erklären müssen, sind beide als Aussteller anzusehen. Von herausragender Wichtigkeit sind in § 126 Abs. 1 BGB die Worte: eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet Eigenhändig bedeutet, die Unterschrift muß mit der Hand geschrieben sein. Eine mechanische, faksimilierte Unterschrift oder eine durch Fernschreiber oder Telegramm übermittelte Unterschrift genügen nicht. Von dem Begriff „eigenhändig" ist zu unterscheiden die „eigene" Unterschrift, d h. die Unterschrift mit dem eigenen Namen. Die Reisepässe mußten M und seine Frau mit dem eigenen Namen unterschreiben; denn nur dadurch erlangten die Pässe den Charakter gültiger Ausweise. Dagegen hätte M den Bausparvertrag durch einen von ihm Beauftragten mit dem Namen des M oder dem des Beauftragten unterschreiben lassen dürfen. Unterzeichnung bedeutet: Die Unterschrift muß die gesamte Urkunde räumlich abschließen. Daher kommt der Ausdruck „Unterschrift". Namensunterschrift bedeutet: Grundsätzlich ist der Familienname unter die Urkunde zu setzen. Ob ein anderer Name, z. B. der Künstlername genügt, hängt davon ab, ob die Persönlichkeit des Ausstellers damit zweifelsfrei gekennzeichnet ist. Beim Durchlesen des § 126 Abs. 1 BGB wird Ihnen nicht entgangen sein, daß er von der durch Gesetz vorgeschriebenen schriftlichen Form handelt. Aus §127 BGB können Sie jedoch entnehmen, daß für die Schriftform, die durch Rechtsgeschäft, also durch freie Vereinbarungen der Parteien, verabredet worden ist, „im Zweifel" die Vorschrift des § 126 BGB gilt. Aber § 127 S. 2 BGB gewährt zwei Erleichterungen: „Im Zweifel" kann die Eigenhändigkeit der Unterschrift durch telegraphische Übermittlung ersetzt werden, und die Unterschriften brauchen bei einem Vertrage nicht auf einer Urkunde zu stehen. Es genügt ein Briefwechsel. Hinter dem Wort Handzeichen in §126 Abs. 1 BGB verbergen sich die bekannten „drei Kreuzchen", mit denen Analphabeten unterzeichnen können. Sie ersetzen die Unterschrift nur, wenn sie notariell beglaubigt sind.

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Eine „öffentliche Beglaubigung" hatten M und die Bausparkasse für die Abtretungserklärung vorgesehen. Was unter öffentlicher Beglaubigung zu verstehen ist, beschreibt § 129 Abs. 1 BGB: Die Erklärung muß schriftlich abgefaßt und die Unterschrift des Erklärenden von einem Notar beglaubigt werden. Durch die öffentliche Beglaubigung wird bescheinigt, daß die Unterschrift oder das Handzeichen zu einem bestimmten Zeitpunkt von der Person geleistet worden ist, die den Namen trägt. Mit anderen Worten: Die öffentliche Beglaubigung ist ein Zeugnis über die Echtheit der Unterschrift und die Richtigkeit des Beglaubigungszeitpunktes. Der Grundstückskaufvertrag muß nach §313 BGB gerichtlich oder notariell beurkundet werden. Die Beurkundung einer Willenserklärung ist die stärkste Form, die das Gesetz kennt. Der Notar, der die Beurkundung vornimmt, errichtet über die Verhandlung ein Protokoll, das Ort und Tag der Verhandlung, die Bezeichnung der Beteiligten und der bei der Verhandlung mitwirkenden Personen sowie die Erklärungen der Beteiligten enthält (§175, 176 Abs. 1 FGG). Durch die Aufnahme der Erklärungen der Beteiligten gewinnt die Beurkundung ihre besondere Bedeutung: Sie ist der Beweis dafür, daß die Erklärung von demjenigen stammt, den die Urkunde als Erklärenden nennt. Die Beurkundung liefert aber nicht nur den Beweis dafür, wer sich erklärt hat, sie beweist auch, was erklärt worden ist, also den Urheber der Erklärung und ihren Inhalt. Naturgemäß kann sie jedoch die Wahrheit der Erklärung nicht beweisen. Wenn z. B. X in einer beurkundeten Erklärung wahrheitswidrig angibt, er sei der Eigentümer eines Grundstücks, so wird zwar bewiesen, daß er diese Erklärung abgegeben hat, aber nicht, daß ihm das Grundstück tatsächlich gehört. Neben der Beweisfunktion erfüllen die öffentliche Beglaubigung und insbesondere die Beurkundung einen anderen Zweck. Sie sollen einem leichtfertigen Geschäftsabschluß vorbeugen. Wer ein risikoreiches oder sonst sein Vermögen oder seine Persönlichkeitsrechte empfindlich berührendes Geschäft abschließt, soll durch die Beachtung der Formvorschriften zum Nachdenken angehalten werden. Darüber hinaus kennt das Gesetz noch einzelne besondere Formen. So ist z. B. der gesamte Wortlaut des privat-schriftlichen Testaments vom Erblasser mit der Hand zu schreiben und zu unterzeichnen (§ 2247 BGB). Vielfach muß zur Beurkundung der Willenserklärung die gleichzeitige Anwesenheit der Erklärenden hinzutreten (so bei der Auflassung nach §925 BGB und beim Abschluß eines Ehe-, Adoptions- oder Erbvertrages). Die persönliche Anwesenheit der Vertragschließenden ist für den Ehe- und Adoptionsvertrag nicht vorgeschrieben. Die Vertragspartner können sich durch Bevollmächtigte vertreten lassen. Andere bei der Eheschließung: Das „Ja-Wort" können sich die Ehekandidaten nur bei gleichzeitiger persönlicher Anwesenheit vor dem Standesbeamten geben. Auch der Erblasser kann einen Erbvertrag nur persönlich schließen (§ 2274 BGB).

Nach dem Grade der Formstrenge läßt sich folgende Abstufung vornehmen: Schriftform = Schriftlichkeit der Erklärung plus eigenhändige Unterschrift, öffentliche Beglaubigung = Schriftlichkeit der Erklärung plus Zeugnis über die Leistung der eigenen Unterschrift, Beurkundung = Protokollierung der Erklärung plus eigene Unterschrift, öffentliche Beglaubigung = Beweis für die Abgabe der Unterschrift, Beurkundung = Beweis für die Abgabe und den Inhalt der Erklärung.

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Beurkundung bei gleichzeitiger Anwesenheit Beurkundung bei persönlicher Anwesenheit eines Vertragsteiles Beurkundung bei persönlicher Anwesenhet aller Vertragschließenden. Die strengere Form ersetzt immerdie schwächere (§§126 Abs.3,129 Abs. 2BGB). Fall Nr. 16: Folgen eines Formverstoßes Der Fabrikant M hat von V eine Garage gemietet. In dem Mietvertrag zwischen dem Vermieter V und dem Mieter M heißt es: Die Kündigung des Mietverhältnisses hat schriftlich zu erfolgen. V teilt dem M mündlich mit, daß er den Mietvertrag zum nächsten zulässigen Termin kündige. Ist die Kündigung wirksam? Besprechung An Hand dieses einfachen Falles wollen wir die Folgen eines Formverstoßes untersuchen. Die Parteien haben hier rechtsgeschäftlich die Schriftlichkeit der Kündigung vereinbart. Nach §125 BGB ist ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, nichtig. Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge. So lautet die gesetzliche Norm, die wir auflösen, nach dem Grundsatz: Erst definieren, dann subsumieren! Da die Fragestellung klar ist, können wir sogleich den 2. Schritt tun und uns fragen, ob die Kündigung ein Rechtsgeschäft ist. Die Definition lautet: Rechtsgeschäftlich handelt, wer einen Willen ausdrückt oder auszudrücken scheint, sofern der Wille darauf gerichtet ist, rechtliche Beziehungen anzuknüpfen oder bestehende Rechtsverhältnisse zu beeinflussen. Nach der (abstrakten) Definition schreiten wir zur (konkreten) Subsumtion. V wollte durch seine mündliche Erklärung das Mietverhältnis beenden, also bestehende Rechtsbeziehungen beeinflussen. Mithin hat er rechtsgeschäftlich gehandelt. Dem Wortlaut des Gesetzes folgend prüfen wir sodann, ob das Gesetz eine bestimmte Form für die Kündigung vorsieht. Nach § 564a BGB bedarf zwar die Kündigung über Wohnraum der schriftlichen Form; aber eine Garage ist kein Wohnraum. (Haben Sie bemerkt, daß wir ohne nähere Definition des Begriffs „Wohnraum" die Garage als „Nicht-Wohnraum" subsumiert haben? Das ist unbedenklich, wenn der Begriffsinhalt klar und eindeutig ist.) Fehlt eine gesetzliche Formvorschrift, bleibt zu prüfen, ob die Parteien rechtsgeschäftlich eine Form vereinbart haben. Sie könnten an dieser Stelle einwenden: „Warum nach einer gesetzlichen Formvorschrift suchen, wenn auf der Hand liegt, daß die Parteien sich durch Rechtsgeschäft auf eine Form geeinigt haben? Es heißt doch in §125 S. 2 BGB: Der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge." Richtig, aber eben nur „im Zweifel". Und das bedeutet: Die gesetzliche Regelung gilt nur, sofern die Partelen nichts anderes vereinbart haben. Stehen im Gesetz die Worte „im Zweifel", dann müssen Sie immer vorrangig prüfen, ob die Parteivereinbarung eine abweichende Regelung enthält. Das ist häufig nur durch schwierige Auslegung zu ermitteln. Diese Auslegung können Sie sich sparen, wenn schon das Gesetz zwingend die Beachtung einer Form vorschreibt. Deshalb haben wir zuerst nach einer gesetzlichen Formvorschrift gesucht.

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In unserem Falle haben die Parteien die Schriftlichkeit der Kündigung vereinbart. Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß sie die Nichtbeachtung der Formabrede anders behandelt wissen möchten als die Nichtbeachtung einer gesetzlichen Formvorschrift. Daher ist die Kündigung nichtig. Wir müssen noch einen Augenblick bei dem Begriff Nichtigkeit verweilen. Ist ein Rechtsgeschäft nichtig, so treten die beabsichtigten Folgen nicht ein. E wird genau so angesehen, als sei das Rechtsgeschäft nie vorgenommen worden. Eine Heilung ist unmöglich. Außerdem wirkt die Nichtigkeit grundsätzlich absolut, d. h. für und gegen alle.

Fall Nr. 17: Einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärungen; Kündigung Der Fabrikant M hat von V eine Garage für monatlich 3 0 , - DM gemietet. Nachdem er die Garage etwa 1 Jahr benutzt hat, teilt er dem V am 1. 8. 1972 schriftlich mit, daß er nicht länger einen zusätzlichen Abstellplatz brauche und deswegen den Mietvertrag zum 31. 10. 1972 kündige. Muß V die Kündigung, mit der er nicht einverstanden ist, gegen sich gelten lassen? Besprechung Nach §565 BGB sind bei der Kündigung von Mietverhäitnissen über Grundstücke bestimmte Fristen einzuhalten. Wir müssen daher untersuchen, ob die Miete der Garage als Grundstücksmiete anzusehen ist. Nach der Ihnen bekannten Methode legen wir uns zunächst die Frage vor: „Was ist ein Grundstück?" (2. Schritt). Die Definition müssen Sie kennen: Es ist ein abgegrenzter Teil der Erdoberfläche. Zu ihm gehören als wesentliche Bestandteile die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen (§94 BGB), sofern die Verbindung nicht nur einem vorübergehenden Zweck dient (§95 Abs. 1 BGB). Nun folgt die Subsumtion (3. Schritt): Es ist anzunehmen, daß V die Garage zum dauernden Verbleib auf dem Grundstück errichtet hat. Sie stellt also einen wesentlichen Bestandteil des Grundstücks dar. Die Miete der Garage ist folglich als Grundstücksmiete zu behandeln. Ist der Mietzins nach Monaten bemessen, so ist die Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats für den Ablauf des übernächsten Monats zulässig (§ 565 Abs. 1 Ziff. 3 BGB). Diese Frist hat M eingehalten. Es bleibt zu prüfen, ob sich V mit der Kündigung einverstanden erklären muß. Aus der Erfahrung werden Sie bereits wissen, daß man sich gegen eine formund fristgerechte Kündigung grundsätzlich nicht wehren kann. Der Rechtsgrund dafür ist — es folgt der 2. Schritt - : Die Kündigung stellt eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung dar. Einseitig heißt, der Erklärende braucht den Erkiärungsinhalt nicht mit der Person abzustimmen, an welche die Erklärung gerichtet ist. Empfangsbedürftig heißt, die Erklärung wird erst wirksam, wenn sie demjenigen zugeht, für den sie bestimmt ist. Die gesetzliche Definition (Legaldefinition) steht in §130 Abs. 1 BGB. Sie lautet: Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben i s t . . . . Da V auf den Inhalt der Kündigungserklärung keinen Einfluß nehmen kann, ist die Kündigung als einseitige Willenserklärung anzusehen (3. Schritt). Wir müs-

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sen nun prüfen, ob die Kündigung dem V zugegangen ist (2. Schritt). Zugegangen ist eine Willenserklärung, wenn sie so in den gewöhnlichen Machtbereich des Empfängers gelangt ist, daß er bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse von ihr Kenntnis nehmen kann; eine tatsächliche Kenntnisnahme ist aber nicht erforderlich. Da V von der Kündigung Kenntnis erlangt hat, bestehen gegen die Annahme, sie sei ihm zugegangen, keine Bedenken (3. Schritt). Die Willenserklärung ist also wirksam geworden. Wir wollen uns noch kurz mit der Rechtslage nach der Kündigung befassen. Die Kündigung beendet ein bestehendes Vertragsverhältnis; aber der vertragslose Zustand beginnt erst mit dem Wirksamwerden der Kündigung. Alle Ansprüche aus dem Vertrag, die bis zu diesem Zeitpunkt entstanden sind, können weiterhin geltend gemacht werden, z. B. der Anspruch auf Zahlung rückständigen Mietzinses oder ein Schadensersatzanspruch des Mieters wegen Nichtgewährung des Gebrauchs der Mietsache. Demgegenüber wirkt die Nichtigkeit eines Vertrages in aller Regel zurück auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Folgerichtig läßt ein nichtiger Vertrag — von Ausnahmen abgesehen — keine vertraglichen Ansprüche entstehen. Merke: Die Kündigung wirkt in die Zukunft, die Nichtigkeit auch in die Vergangenheit. Fall Nr. 18: Einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen; Auslobung Dem Kaufmann K sind 3 Schreibmaschinen gestohlen worden. In der Tageszeitung läßt er veröffentlichen, er zahle für Hinweise, die zur Ergreifung des Täters führen, 100,— DM Belohnung. Auf Grund der Angaben des X, der von dem Inserat nichts weiß, wird der Täter verhaftet. Kann X die Belohnung beanspruchen? Besprechung Wer durch öffentliche Bekanntmachung eine Belohnung für die Vornahme einer Handlung, insbesondere für die Herbeiführung eines Erfolges, aussetzt, ist verpflichtet, die Belohnung demjenigen zu entrichten, welcher die Handlung vorgenommen hat, auch wenn dieser nicht mit Rücksicht auf die Auslobung gehandelt hat (§657 BGB). Die Auslobung ist wie die Kündigung eine einseitige Willenserklärung, d. h. der Auslobende braucht sich nicht mit denjenigen Personen, die er ansprechen will, über den Inhalt der Erklärung zu einigen. Während jedoch die Kündigung als empfangsbedürftige Willenserklärung erst mit dem Zugehen wirksam wird, verpflichtet die Auslobung schon mit ihrer öffentlichen Bekanntgabe. Es kommt nicht einmal darauf an, ob jemand von der Auslobung etwas erfährt. Auch derjenige, der die zu belohnende Handlung ohne Kenntnis von der Auslobung ausgeführt hat, kann die Belohnung fordern. Willenserklärungen, die mit ihrer Abgabe unabhängig davon wirksam werden, ob jemand von ihnen Kenntnis nimmt, heißen einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen. Die bisherigen Überlegungen enthalten die Definitionen der Auslobung und der einseitigen, nicht empfangsbedürftigen Willenserklärung. Wir müßten nun eigent-

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lieh prüfen, ob die Erklärung des K eine Auslobung darstellt (subsumieren!); wegen der überaus einfachen Sachlage können wir uns aber weitere Ausführungen dazu schenken. Sie dürfen sich auch bei der Subsumtion nicht mit überflüssigen Ausführungen aufhalten. Fall Nr. 19: Mehrseitige Willenserklärungen; Antrag und Annahme Auf der Möbelmesse bestellt K bei V 5 Schlafzimmer vom Typ „Gisela". V nimmt die Bestellung entgegen, liefert aber nicht. Er macht geltend, die vollständige Produktion dieses Typs sei ausverkauft. Wird er dadurch von seinen Pflichten befreit? Besprechung Beim Vergleich mit den Fällen Nr. 17 und 18 werden Sie einen wesentlichen Unterschied entdecken, wenn Sie die Art der Willenserklärung betrachten. Den Inhalt der Kündigung und der Auslobung bestimmte allein der Erklärende; daher der Ausdruck „einseitige Willenserklärung". Der Kaufvertrag kommt demgegenüber nur durch die sich deckenden Willenserklärungen des Käufers und des Verkäufers zustande. Das sind die mehrseitigen Willenserklärungen. Ihre bekannteste Erscheinungsform ist der Vertrag. Zu den mehrseitigen Willenserklärungen zählen aber auch die Beschlüsse der Gesellschafter oder Vereinsmitglieder. Im Schema lassen sich die Willenserklärungen wie folgt einordnen: Willenserklärungen einseitige empfangsbedürftige

mehrseitige nicht empfangsbedürftige

Nun zum Fall: Ein elementarer Grundsatz unserer Rechtsordnung lautet: Pacta sunt servanda, zu deutsch: Verträge sind einzuhalten! Oft kann aber ein Vertragspartner nach Abschluß des Vertrages auch beim besten Willen nicht mehr erfüllen, z. B. dann, wenn die versprochene Ware nicht mehr zu beschaffen ist. In solchen Fällen behält der Besteller oft einen Schadensersatzanspruch. Voraussetzung eines vertraglichen Anspruches — sei es auf Lieferung, sei es auf Schadensersatz — ist jedoch immer das Bestehen eines Vertrages. Deswegen ist bei allen vertraglichen Ansprüchen, die der Gläubiger (so heißt der Inhaber des Anspruches) gegen den Schuldner (so heißt der zur Erfüllung des Anspruchs Verpflichtete) geltend macht, darauf zu achten, ob ein Vertrag zustande gekommen ist und ob er noch besteht. Ein Vertrag entsteht durch übereinstimmende Willenserklärungen von mindestens zwei Rechtssubjekten (natürlichen oder juristischen Personen). Übereinstimmend heißt nicht, in Worten gleichlautend, sondern auf dasselbe Ziel gerichtet. Die Erklärungen laufen nicht parallel, sondern in der Spitze zusammen. Betrachten Sie unter diesem Blickwinkel unseren Fall. Die Erklärung des Käufers lautet sinngemäß: „Ich möchte 5 Schlafzimmer vom Typ .Gisela' für

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4000,- DM kaufen." Der Verkäufer möchte verkaufen. Beide wollen von ihrem Standpunkt aus rechtlich und wirtschaftlich etwas Verschiedenes: Der Käufer will die Ware, der Verkäufer das Geld. Dennoch sprechen wir von übereinstimmenden Willenserklärungen; denn sie vereinen sich in ihrem Zweck, nämlich dem Abschluß des Vertrages, dessen Einzelheiten die Vertragspartner wechselseitig billigen. Die Erklärungen der Partner, die einen Vertrag schließen wollen, werden vom Gesetz verschieden bezeichnet. Die Willenserklärung desjenigen, der einem anderen „die Schließung eines Vertrages anträgt" (§ 145 BGB), wird Antrag genannt. Äußert sich der andere Teil vorbehaltlos im zustimmenden Sinne, so spricht man von Annahme, im anderen Falle von Ablehnung (vgl. §§146—148 BGB). Bisweilen ist es recht schwierig, herauszufinden, ob bereits ein Antrag vorliegt. Denken S«e z. B. an die mit einem Preis versehene Schaufensterauslage in einem Textiigeschäft. Wenn es sich dabei um einen Antrag handelt, ist der Geschäftsinhaber da/an gebunden (§ 145 BGB). Erklärt also ein Kunde, er wolle die Ware zu dem angekündigten Preis erwerben, müßte sie der Geschäftsinhaber aus dem Fenster holen und dem Kunden überlassen. In der Erklärung des Kunden wäre dann nämlich die Annahme des Antrages zu erblicken, und damit wäre der Vertrag abgeschlossen. Die herrschende Meinung vertritt jedoch den Standpunkt, das Auslegen der Ware im Schaufenster sei nur eine Aufforderung an Interessenten, ihrerseits den Abschluß eines Vertrages mit dem durch die Schaufensterauslage bestimmten Inhalt zu beantragen. So ist es regelmäßig, wenn der Verkäufer öffentliche Angebote in Zeitungen, Plakaten, Prospekten und Preislisten unterbreitet. Das „Angebot" ist dann nur als Aufforderung zur Abgabe eines Antrages zu verstehen. Die Anpreisungen stellen mithin eine Werbung, aber keinen Antrag im Sinne des §145 BGB dar. In anderen Fällen wird man das „Angebot" jedoch als Antrag anzusehen haben, z. B. das Angebot eines Baunternehmers, der sich auf eine Ausschreibung um einen Auftrag bemüht. Sie müssen immer prüfen, ob sich der Erklärung ein Bindungswille entnehmen läßt. Nur dann handelt es sich um einen Antrag im Sinne des § 145 BGB. Manchmal wird der Bindungswille ausdrücklich verneint. Das geschieht durch die Klauseln „freibleibend" oder „Lieferungsmöglichkeit vorbehalten". Eine solche Klausel hatten K und V nicht vereinbart. Mithin Ist zwischen ihnen ein Kaufvertrag zustande gekommen. Wenn V ihn nicht erfüllen kann, wird er Schadensersatz leisten müssen. Auf die Klausel „Preise freibleibend" sei besonders verwiesen. Sie hindert nicht den Abschluß des Vertrages; aber der Käufer braucht sich später nicht auf jeden Preis, den der Verkäufer fordert, einzulassen. Fall Nr. 20: Schlüssiges Verhalten; Gutachtenaufbau V scheibt dem K, er biete ihm 50 to Silozement für 2900,- DM ab Werk in X an. K antwortet, er wünsche 80 to zu kaufen, aber zum Preis von nur 4000,— DM ab Werk in X oder zum Preis von 4200,— DM frei Großbaustelle in Y. Darauf entgegnet V, er werde den Zement frei Großbaustelle in Y für 4400,— DM liefern. K läßt sich die Lieferung gefallen, beginnt auch mit dem Verbrauch des Zements, zahlt aber nur 4200,- DM. Kann V die restlichen 200,- DM fordern?

39 Besprechung Der Fall soll Sie u. a. mit einer rationellen Arbeitsweise zur Lösung praktischer Fälle bekannt machen; denn getreu dem Grundsatz „Alles Überflüssige ist falsch" müssen die Gedanken ohne Umschweife und unnötigen Aufenthalt zum Ergebnis führen. Die Lösung eines Falles läßt sich auf zwei verschiedenen Wegen anstreben. Sie unterscheiden sich durch die Reihenfolge, in der die Probleme angegangen werden. Der Anfänger bevorzugt meistens die sogen, historische Methode. Bei ihr folgen die juristischen Überlegungen dem zeitlichen Geschehensablauf. Leicht kann der Bearbeiter dabei Überlegungen anstellen, die sich später als unnötig erweisen. Die historische Methode wollen wir als erste erproben: Das Schreiben des V, mit dem er 50 to Silozement für 2900,- DM ab Werk in X angeboten hat, stellt einen Antrag nach §145 B G B dar. Dieser Antrag ist jedoch erloschen, wenn K ihn abgelehnt hat (§146 I.Alternative BGB). Ausdrücklich hat K den Antrag nicht abgelehnt; aber er hat den Wunsch geäußert, eine größere Menge zu einem geringeren Preis zu kaufen. Außerdem hat er verschiedene Preise genannt, je nachdem, ob der Käufer oder der Verkäufer die Kosten des Transportes übernimmt. Eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen gilt als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag (§ 150 Abs. 2 BGB). Da K eine größere Menge und andere Preise wünscht, fällt sein Verlangen unter § 150 Abs. 2 B G B . Mit seinem Schreiben hat er also den Antrag des V abgelehnt. Fraglich könnte sein, ob K zugleich einen neuen, eigenen Antrag unterbreitet hat. Die Willenserklärung muß als Antrag nämlich so bestimmt sein, daß eine bloße Bejahung als Einigung über den Vertragsinhalt genügt. A n der Bestimmtheit könnte es hier fehlen, weil K zwei verschiedene Preise — je nach Übernahme der Transportkosten — genannt hat. Der Mangel der Bestimmtheit ist aber nur scheinbar; denn K hat dem V eindeutig zwei Preise zur Auswahl gestellt. V braucht nur den einen oder den anderen anzunehmen, und der Vertrag kommt zustande. Folglich ist das Schreiben des K als Ablehnung und zugleich als neuer Antrag im Sinne des § 150 Abs. 2 B G B anzusehen. Nun wenden wir uns — dem historischen Geschehen folgend - der Antwort des V zu. V geht auf den Antrag des K ein, soweit es sich um die Lieferung einer größeren Menge und die Übernahme der Transportkosten handelt; er unterbreitet aber einen anderen Preisvorschlag. Durch Vergleich des Einheitspreises pro to aus dem ersten Antrage mit dem letzten läßt sich nicht ermitteln, ob V die Transportkosten zum Teil selbst tragen will, oder ob er zwar die Transportkosten voll übernehmen, auf den Preis jedoch nur einen Teilnachlaß gewähren will. Das dürfte nach den Vorstellungen der Parteien allerdings bedeutungslos sein. Auch K hatte nicht genau zwischen Materialpreis und Transportkosten geschieden. Man darf davon ausgehen, daß die Parteien den Preis als eine einheitliche Größe ansehen, die sich aus verschiedenen kalkulatorischen Elementen zusammensetzt. So gesehen ist die Willenserklärung des V unmißverständlich: Er will anliefern, verlangt aber einen anderen als den von K vorgeschlagenen Preis. Mithin ist auch die Antwort des V keine Annahme, sondern eine Ablehnung, verbunden mit einem neuen Antrag (§ 150 Abs. 2 BGB). Das Geschehen setzt sich fort mit der Zementlieferung, die K widerspruchslos hingenommen hat. Diesen Vorgang müssen wir juristisch werten. Wir prüfen

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also, ob K dadurch den Antrag des V angenommen hat. Eine ausdrückliche Annahmeerklärung fehlt; aber eine Willenserklärung kann nicht nur durch Wort oder Schrift geäußert werden, sondern auch durch Gesten oder ein sonstiges Verhalten, das einen bestimmten Schluß zuläßt. Ein derartiges Verhalten, das vor allem in einem positiven Tun bestehen kann, heißt schlüssiges Verhalten. K hat auf das letzte Schreiben des V nicht nur geschwiegen — über die Bedeutung des Schweigens im Rechtsverkehr werden Sie bald Näheres erfahren — er hat überdies das Abladen der 80 to Silozement an der Baustelle geduldet und mit dem Verbrauch begonnen. Dieses Verhalten muß ein außenstehender Dritter bei vernünftiger Betrachtungsweise als Annahme des Antrages durch schlüssiges Verhalten auffassen. Spätestens mit der Verarbeitung des Zements ist also der Vertrag zwischen V und K zustande gekommen. Seinem Wesen nach ist der Vertrag ein Kauf (§ 433 BGB). Gemäß § 433 Abs. 2 BGB ist der Käufer verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen. Daher ist K gehalten, an V die vereinbarten 4400,- DM zu entrichten. Erst im letzten Absatz haben Sie erfahren, aus welcher Bestimmung die Pflicht des Käufers zur Bezahlung des Kaufpreises folgt. Eine Norm wie § 433 BGB, in der beschrieben ist, was der eine oder der andere Teil verlangen kann, nennt man Anspruchsgrundlage. Sie kennen jetzt zwei verschiedene Arten von Normen: Die Definitionsnorm (z.B. §90 BGB mit der Definition für Sachen) und die Anspruchsgrundlage (z. B. §433 Abs. 1 und 2 BGB mit den wechselseitigen Ansprüchen des Verkäufers und Käufers). Daneben enthält das Gesetz Vorschriften, die durch Verweisung andere Vorschriften für anwendbar erklären (z. B. § 440 Abs. 1 BGB) oder Vorschriften mit Beweisregeln (§ 442 BGB). Sie sind die Bindeglieder zwischen den bloßen Definitionsnormen und den Anspruchsgrundlagen.

Mit Hilfe der historischen Methode sind wir am Schluß der Überlegungen auf die Norm gestoßen, die dem Verkäufer den Kaufpreisanspruch gewährt. Den umgekehrten Weg beschreibt die systematische Methode. Dabei gehen wir von der Anspruchsgrundlage aus. Nun weiß man am Anfang einer Prüfung nie, ob die vorangestellte Anspruchsgrundlage den geltend gemachten Anspruch rechtfertigen wird. Deswegen dürfen wir an den Anfang der Überlegungen nie die These setzen, ein bestimmter Anspruch sei auf Grund einer bestimmten Ansprunchsgrundlage gegeben. Am Anfang stellen wir uns vielmehr die Frage, ob der Anspruch aus der herangezogenen Anspruchsgrundlage folgt. Im vorliegenden Falle hätten wir so vorgehen müssen: Es ist zu prüfen, ob V von K 4400,— DM als Kaufpreis fordern kann. Nach §433 Abs. 2 BGB ist der Käufer verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen. Erste Voraussetzung für den Anspruch des V ist also das Bestehen eines Kaufvertrages zwischen V und K. Die systematische Methode zwingt Sie, ihr Augenmerk auf den fraglichen Abschluß des Kaufvertrages zu richten. Dadurch sind Sie gehalten, alle in der Anspruchsnorm erwähnten Voraussetzungen des Anspruchs, aber auch nur diese zu untersuchen. Das verringert die Gefahr des Abschweifens auf unwesentliche Gesichtspunkte. Nach der systematischen Methode werden wir in Zukunft bei Fallbesprechungen verfahren.

Die Lösung unseres Falles können wir jetzt wie folgt fortsetzen: Da wir wissen möchten, ob ein Kaufvertrag zustande gekommen ist, müssen wir uns folgerichtig die Frage vorlegen, wie Verträge geschlossen werden. Das

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geschieht durch Antrag und Annahme. Unter diese Begriffe müssen Sie nun subsumieren. Sie haben sich also zu fragen: Welche Tatsachen genügen den Anforderungen eines Antrages, welche denen einer Annahme? Dabei werten Sie in diesem Falle das Geschehen in zeitlicher Reihenfolge. Das ist kein Rückfall in die historische Methode; denn Sie prüfen die Tatsachen nicht nacheinander, weil Ihnen das die historische Reihenfolge vorschreibt, sondern weil Sie systematisch nach Tatsachen suchen, die den Definitionen des Antrages und der Annahme entsprechen. Nur deswegen müssen Sie hier die Schreiben in ihrer Reihenfolge würdigen; denn sonst können Sie nicht beantworten, ob zwei aufeinanderfolgende Willenserklärungen übereinstimmen. Das Ergebnis kann natürlich nicht anders lauten als bei Anwendung der historischen Methode. Zur Übung sollten Sie den Fall, dessen Ergebnis Sie kennen, nach der systematischen Methode durchdenken. Fall Nr. 21: Schweigen im Rechtsverkehr; Gutachtenstil Der Versandbuchhändler V hat dem K am 1. 10. 1972 durch Postwurfsendung drei Bände Karl May unaufgefordert ins Haus geschickt. Nach dem Begleitschreiben kosten die Bücher zusammen 5,— DM. Falls der Empfänger die Bücher nicht bis zum 30. 10. 1972 zurückgeschickt hat, will V das Einverständnis mit der Lieferung annehmen. Der Betrag soll dann per Nachnahme erhoben werden. K läßt die Bücher unbenutzt liegen, antwortet aber auch nicht. Muß er den Kaufpreis zahlen? Besprechung Nach §433 Abs. 2 BGB ist der Käufer verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen. Ais erstes ist zu untersuchen, ob zwischen V und K ein Kaufvertrag zustande gekommen ist. Ein Kaufvertrag entsteht durch Antrag und Annahme. Den Antrag hat V durch Obersenden der Ware und Bekanntgabe der Lieferbedingungen unterbreitet. Ob K diesen Antrag angenommen hat, erscheint allerdings fraglich. Ausdrücklich hat er den Antrag jedenfalls nicht angenommen. Vielleicht kommt eine Annahme durch schlüssiges Verhalten in Betracht. K hat auf den Antrag des V geschwiegen. Anders als im vorhergehenden Falle hat der Käufer kein positives Tun entfaltet, das auf eine Annahme schließen läßt. Die Frage ist nun, ob V das Schweigen des K als Annahme werten darf. Über die Bedeutung des Schweigens im Rechtsverkehr gibt es eine Fülle von Entscheidungen und Literatur. Wie so oft kennt die Rechtswissenschaft einen Grundsatz und viele Ausnahmen. Der Grundsatz lautet: Schweigen bedeutet nicht Zustimmung! Im Schweigen auf einen Vertragsantrag liegt daher grundsätzlich keine Annahme. So ist es im vorliegenden Falle, in dem sich nicht mehr als ein bloßes Schweigen des K feststellen läßt. Fehlt die Annahme, dann fehlt auch ein Kaufvertrag und damit ein Kaufpreisanspruch. Nun etwas über den Stil, in dem Sie Ihre Überlegungen tunlichst abfassen sollten. Es ist der sogenannte Gutachtenstil. Am Anfang Ihrer Überlegungen steht die Frage nach der möglichen Anspruchsgrundlage (system. Methode). Da Sie das Ergebnis noch nicht kennen sondern suchen, ist Ihren Überlegungen ein Stil angemessen, der die Antwortsuche

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unterstreicht. Sie tasten sich von der Ausgangsfrage zum ersten Zwischenergebnis und wiederholen diesen Vorgang bis zum Endergebnis. Man kann es auch anders beschreiben: Zuerst die Frage, nach der möglichen Anspruchsgrundlage, dann die Definition der ersten Anspruchsvoraussetzung, dann die Subsumtion, dann die erste Zwischenfeststellung usw. Z. B. 1. Schritt: Ausgangsfrage: Muß K den Kaufpreis bezahlen? Mögliche Anspruchsgrundlage: § 433 Abs. 2 BGB. 2. Schritt: Erste Anspruchsvoraussetzung: Besteht ein Kaufvertrag? Definition des Vertragsschlusses (Antrag und Annahme). 3. Schritt: Subsumtion: Entspricht das Handeln der Parteien den Begriffen Antrag und Annahme? 4. Schritt: Erste Zwischenfeststellung: Vertrag zustande gekommen oder nicht? Nicht alle Fälle enden so schnell! Sie müssen sich bei der Lösung eines Falles deswegen jederzeit darüber im klaren sein, welchen Schritt Sie gerade tun. Sonst verlieren Sie leicht die Übersicht. Merke: Jede Anspruchsvoraussetzung, deren Vorliegen zweifelhaft erscheint, ist zu definieren (2. Schritt). Jeder Definition hat eine Subsumtion zu folgen (3. Schritt), und auf jede Subsumtion folgt eine Feststellung (4. Schritt). Der Gutachtenstil ist dabei zur Gedankenkontrolle ein vorzügliches Hilfsmittel. Im nächsten Fall wird er vorgeführt.

Fall Nr. 22: Schweigen unter Kaufleuten, Firma; Gutachtenstil Die Firma F läßt seit 10 Jahren von der Weingroßhandlung W drei Flaschen Wein mittlerer Güte als Weihnachtsgeschenk für Geschäftsfreunde packen und nach einer Liste, die der Firma W vorliegt, versenden. Im November 1972 fragt W an, ob die Liste ergänzt werden solle. Falls er bis zum 5.12.1972 keine Antwort erhalte, gehe er davon aus, daß er wie bisher verfahren könne. Die Firma F antwortet nicht. Im Februar 1973 erhält sie eine Rechnung über 850,— DM. Im Begleitschreiben heißt es, sie — die Weingroßhandlung W — habe, wie in den verflossenen Jahren, 50 Geschäftsfreunde der Firma F mit einem Weihnachtsgeschenk, bestehend aus drei Flaschenwein zum Preis von 17,—DM incl. Porto, Verpackung und Mehrwertsteuer beliefert und bitte um Bezahlung der Rechnung. Muß die Firma F zahlen? Besprechung 1. Schritt: Ihre Kaufpreisforderung kann die Firma W möglicherweise aus §433 Abs. 2 BGB herleiten. Dort heißt es, der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen. 2. Schritt: Daher soll zunächst geprüft werden, ob zwischen F und W ein Kaufvertrag zustande gekommen ist. Ein Vertrag entsteht durch Antrag und Annahme. Der Antrag muß, um den Erfordernissen des §145 BGB zu genügen, so bestimmt sein, daß eine bloße Bejahung zur Einigung über Inhalt und Gegenstand des Vertrages genügt. 3. Schritt: Es muß also untersucht werden, ob das Schreiben des W vom No-

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vember 1972 diesem Erfordernis entspricht. Seit 10 Jahren war den Beteiligten geläufig, wie W die Versendung der Weihnachtsgeschenke handhabt. Menge, Qualität und Preis hat die Firma F, wie man dem Sachverhalt entnehmen darf, zumindest in den letzten Jahren der Auswahl des W überlassen, wobei W sich in den Grenzen der Vorjahreslieferungen zu halten hatte. Wenn es im Schreiben des W heißt, falls er keine Antwort erhalte, gehe er davon aus, daß er wie bisher verfahren könne, so gibt er damit zu erkennen, daß er die Geschäftsfreunde der Firma F auch zu Weihnachten 1972 mit von ihm pflichtgemäß ausgesuchten Weinen auf Kosten der Firma F beliefern werde. Dieses Schreiben genügt den Bestimmtheitserfordernissen eines Antrages im Sinne des §145 BGB. 4. Schritt: Ein wirksamer Antrag zum Abschluß eines Kaufvertrages liegt mithin vor. 2. Schritt: Nun soll erörtert werden, ob F den Antrag des W angenommen hat. Unter Annahme versteht man die vorbehaltlose Bejahung des Antrages. Sie ist grundsätzlich eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung; ausnahmsweise genügt aber auch das Schweigen auf einen Antrag. Eine solche Ausnahme liegt vor, wenn die Parteien Kaufleute sind, die in langer Geschäftsverbindung mit regelmäßig wiederkehrenden, gleichartigen Geschäften stehen, und ein Teil dem anderen den Abschluß eines derartigen Geschäftes anträgt und darüber hinaus erklärt, er werde das Schweigen bis zum Ablauf einer bestimmten Frist als Zustimmung auffassen. Dann muß der Empfänger des Antrages sein Schweigen als Annahme gelten lassen. 3. Schritt: Es fragt sich nun, ob F unter solchen Umständen geschwiegen hat. Die Parteien standen seit 10 Jahren in Geschäftsbeziehungen. Sie waren also langjährige Geschäftspartner. Zu jedem Weihnachtsfest hat W die Geschäftsfreunde des F mit Wein bestimmter Art und Menge beliefert, folglich regelmäßig gleichartige Verträge mit F geschlossen. W hatte der Firma F auch eine Frist zur Äußerung gesetzt. 4. Schritt: Damit hat er auch dem letzten Erfordernis genügt. 2. Schritt: Bleibt zu prüfen, ob F und W Kaufleute sind. Kaufleute verfügen kraft ihres Berufes über besondere Erfahrungen im Rechts- und Geschäftsverkehr. Deswegen legt der Gesetzgeber an ihr rechtsgeschäftliches Verhalten vielfach strenge Maßstäbe. Ihnen erwachsen häufig Pflichten, die den Normalbürger nicht treffen. Daher muß vor Anwendung von gesetzlichen Bestimmungen oder Rechtsgrundsätzen, wie denen über das Schweigen im Rechtsverkehr, geprüft werden, ob die Beteiligten Kaufmannseigenschaft besitzen. Wer Kaufmann ist, bestimmt das HGB. (An dieser Stelle werden nicht alle Merkmale behandelt, die die Kaufmannseigenschaft begründen.) U. a. ist Kaufmann, wer ein Handelsgewerbe betreibt (§ 1 Abs. 1 HGB). Als Handelsgewerbe gilt ein Gewerbebetrieb, der zum Gegenstand hat die Anschaffung und Weiterveräußerung von beweglichen Sachen (Waren,) oder Wertpapieren, ohne Unterschied, ob die Waren unverändert oder nach einer Bearbeitung oder Verarbeitung weiter veräußert werden (§ 1 Abs. 2 Ziff. 1 HGB). - Hier haben Sie die Legaldefinition des Begriffes „Ware". - Unter Gewerbe verstehen Rechtsprechung und Rechtswissenschaft eine selbständige, auf Dauer und Gewinnerzielung angelegte Tätigkeit (Definition). Im Gegensatz dazu stehen die abhängige Tätigkeit (z. B. der Arbeiter und Angestellten), das Gelegenheitsgeschäft (z. B. des Normalbürgers beim Verkauf seiner gebrauchten Waschmaschine) und das Fehlen der Gewinnabsicht (z. B. bei der Unterhaltung eines Museums durch einen Kunstmäzen).

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Nicht zu den Gewerbetreibenden zählen ferner die sogen, freien Berufe, bei denen die wissenschaftliche oder künstlerische Bedeutung hinter dem Erwerbszweck zurücktreten. Hierzu rechnen Ärzte, Anwälte, Architekten, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Journalisten, Künstler und Artisten. 3. Schritt: W schafft als Weingroßhändler regelmäßig Weine, also Waren an, in der Absicht, sie gewinnbringend zu veräußern. 4. Schritt:

Deshalb ist er Kaufmann im Sinne des § 1 Abs. 2 Ziff. 1 HGB.

3. Schritt: Wir wissen nicht, welche Geschäfte unter der Firma F betrieben werden; aber aus dem Sachverhalt geht hervor, daß eine Firma besteht. Sie ist der Name, unter dem ein Kaufmann im Handel seine Geschäfte betreibt und unterschreibt (§ 17 HGB). 4. Schritt: Daher dürfen wir ohne nähere Prüfung unterstellen (3. Schritt übergangen!), daß unter der Firma F ein kaufmännisches Unternehmen betrieben wird. Jetzt stehen alle Umstände fest, die gegeben sein müssen, um das Schweigen auf einen Antrag als Annahme werten zu können. Also hat F den Antrag des W angenommen und folglich mit ihm einen Kaufvertrag geschlossen. Deshalb ist er verpflichtet, den Kaufpreis zu zahlen. Die Wörtchen „also", „daher", „mithin", „folglich", „deshalb" und „deswegen" kennzeichnen den Gutachtenstil. Wer im Gutachtenstil schreibt, zieht Folgerungen. In letzter Konsequenz müßte man jeden Satz, da er ja eine Folgerung aus dem vorangegangenen enthalten soll, mit „daher", „also", „deshalb" usw. einleiten können; aber ein so extremer Stil ist langweilig. Wer den Gutachtenstil beherrscht, benötigt die Wörter „also", „daher" usw. nur selten. Er denkt sie lediglich zur Kontrolle mit. Das Gegenteil des Gutachtenstils ist der Urteilsstil. Ihn benutzen die Gerichte beim Absetzen der Urteile. Da der Leser beim Urteil das Ergebnis vorab erfährt, muß der Richter seine Entscheidung in den Urteilsgründen begründen, nicht suchen. Der Urteilsstil wird geprägt durch das Voranstellen der Behauptung: So ist es und nicht anders! Darauf folgt die Begründung. Wer eine Behauptung begründen muß, schreibt so, daß er in letzter Konsequenz jeden Satz mit „denn" oder „nämlich" beginnen könnte. Z. B.: W kann den Kaufpreis von W verlangen (Behauptung statt Frage); denn zwischen ihnen besteht ein Kaufvertrag (Begründung). 1. Schritt: Nach § 433 Abs. 2 BGB ist der Käufer verpflichtet (Anspruchsgrundlage). Sie merken, auch beim Urteil und im Urteilsstil geht man von der Anspruchsgrundlage aus (systematische Methode). (2. Schritt) Ein Vertrag entsteht durch Antrag und Annahme (3. Schritt) W hat dem F einen Antrag unterbreitet; denn er hat (4. Schritt) (3. Schritt) F hat den Antrag angenommen. Er hat nämlich (4. Schritt) Wahrscheinlich werden Sie nie ein richterliches Urteil begründen müssen; aber auch als kaufmännische Führungskraft müssen Sie gelegentlich ihre Entscheidung begründen (Urteilsstil) oder Ihren Vorschlag erläutern (Gutachtenstil). Dabei kann der richtige Stil Ihre Argumente unterstützen und dem Hörer oder

45 Leser das Verständnis Ihrer Worte erleichtern. Deswegen zum Schluß dieser technischen und stilistischen Erörterungen noch ein Hinweis: Wenn Sie im Gutachtenstil schreiben wollen, und Sie können einen Satz mit „denn" oder „nämlich" einleiten, ist Ihnen ein Stilbruch unterlaufen. Umgekehrtes gilt für den Urteilsstil. Näheres über die Bedeutung des Schweigens im Rechtsverkehr finden Sie bei Fabricius in Juristische Schulung 1966,1 ff. und 50 ff. Fall Nr. 23: Verzicht auf Annahme Schreinermeister K hat bei der Holzhandlung V 20Tafeln Sperrholz, Eiche, 5 mm stark, zum Tagespreis und zur sofortigen Lieferung bestellt. V liefert, ohne vorher den Auftrag bestätigt zu haben. Muß K den Kaufpreis zahlen? Lösung Als Anspruchsgrundlage kommt §433 Abs. 2 BGB in Betracht. Danach ist der Käufer verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen. Fraglich könnte hier sein, ob ein Kaufvertrag zustande gekommen ist. Ein Vertrag entsteht durch Antrag und Annahme. Der Antrag geht hier vom Käufer aus. Seine Bestellung ist so bestimmt, daß durch ein einfaches „ja" des Verkäufers der Vertragsinhalt festgelegt wird. Also genügt die Willenserklärung des K den Anforderungen, die an einen Antrag im Sinne des §145 BGB zu stellen sind. (Beim sorgfältigen Lesen und Mitdenken wird Ihnen aufgefallen sein, daß nach dem 4. Satz die Definition des Begriffs „Antrag" fehlt. Das ist bei einem einfachen Rechtsbegriff zulässig, wenn die Subsumtion deutlich macht, welcher Rechtsbegriff untersucht wird, und wenn außerdem die Nennung des Begriffes nachfolgt.) V hat nicht ausdrücklich angenommen. Da V die bestellte Ware übersendet, ist sein Verhalten auch nicht als neuer Antrag zu werten, den K etwa durch Ingebrauchnahme der Ware annehmen könnte (so war es im Falle Nr. 20). Auf den hier zur Entscheidung stehenden Fall könnte § 151 Abs. 1 S. 1 BGB anwendbar sein. Dort heißt es, der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrages zustande, ohne daß die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Daraus ist zu erkennen: Die Annahme ist zwar grundsätzlich eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung; in den Fällen des §151 BGB bedarf es aber ausnahmsweise keiner Erklärung gegenüber dem Antragenden. Wohl ist ein Verhalten erforderlich, aus dem der Annahmewille unzweideutig hervorgeht. Nach §151 BGB kommt der Vertrag schon in dem Augenblick zustande, in dem der Annahmewille für irgendeinen erkennbar wird — nicht erst in dem Augenblick, in dem der Antragende von dem Annahmewillen erfährt. Unter § 151 S. 1 BGB fällt es z. B., wenn der Empfänger unbestellt zugesandte Ware bezahlt (Verzicht des Absenders auf die Annahmeerklärung) oder in Gebrauch nimmt. Umgekehrt kann der Besteller auf die Annahme seines Vertrages verzichten. Das ist regelmäßig anzunehmen, wenn eine genau bezeichnete Ware unter Preisangabe zur sofortigen Lieferung bestellt wird. Da K sich in unserem Falle so verhalten hat, ist die Annahmeerklärung des V, die in der

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Absendung der Ware liegt, ausnahmsweise nicht empfangsbedürftig. Der Kaufvertrag ist daher mit Absendung der Ware zustande gekommen. Also muß K den Kaufpreis zahlen. Fall Nr. 24: Annahme durch schlüssiges Handeln; Auftragsbestätigung K bestellt nach dem Katalog für 1972 bei V 5 Schreibmaschinen des Typs X zum Preise von je 398,- DM. 1973 hat sich der Preis auf 418,- DM erhöht. V schickt dem K eine „Auftragsbestätigung", in der es heißt: Wir bestätigen dankend den uns erteilten Auftrag. Die Maschine X kostet nach unserem Katalog 1973, gültig ab 1. 1. 1973, 418,- DM. K beantwortet das Schreiben nicht. Muß er die Maschinen abnehmen und mit 418,— DM je Stück bezahlen. Lösung Nach § 433 Abs. 2 BGB muß der Käufer dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zahlen und die Kaufsache abnehmen. Hier ist es zweifelhaft, welchen Preis die Parteien vereinbart haben. K wollte, wie seine Bestellung deutlich macht, noch zu dem für 1972 geltenden Preis einkaufen. Vielleichte wußte er von der Preisänderung nichts, vielleicht wollte er sie für seine Bestellung nicht gelten lassen. Jedenfalls ist seiner Erklärung nicht zu entnehmen, daß er zum jeweils gültigen Preis kaufen wollte. Die in seinem Antrage enthaltene Willenserklärung deckt sich daher nicht mit der des V in der Auftragsbestätigung. Letztere enthält folglich eine Ablehnung des Antrages und einen neuen Antrag (§ 150 Abs. 2 BGB). Diesen neuen Antrag hat K nicht ausdrücklich angenommen. Es bleibt zu prüfen, ob sein Schweigen als Annahme gilt. Der Sachverhalt läßt nicht erkennen, ob zwischen K und V — mögen sie auch die Kaufmannseigenschaft besitzen — längere Geschäftsbeziehungen bestehen und ob zwischen ihnen regelmäßig Geschäfte der vorliegenden Art, also Büromaschinenbestellungen zum geltenden Katalogpreis, getätigt worden sind. (Hoffentlich haben Sie gemerkt, daß die Rechtsgrundsätze über das Schweigen im Rechtsverkehr fehlen, daß die Subsumtion aber die Grundsatzelemente berücksichtigt!). Mithin sind keine Tatsachen festzustellen, aufGrund derer das Schweigen einer Annahmeerklärung gleichgesetzt werden dürfte. (Hier haben Sie ein Beispiel für eine negative Feststellung — 4. Schritt —). Da V eine Auftragsbestätigung geschickt hat, soll untersucht werden, ob sie für den Abschluß eines Vertrages besondere Bedeutung genießt. Die schriftliche Annahme eines Antrages wird unter Kaufleuten, aber auch von Kaufleuten gegenüber Normalbürgern, oft Auftragsbestätigung genannt. Enthält sie Änderungen, so gilt sie grundsätzlich als neuer Antrag (§ 150 Abs. 2 BGB). Dadurch, daß V seine „Annahme" als „Auftragsbestätigung" bezeichnet hat, ändert sich also nichts an dem rechtlichen Gehalt seiner Willenserklärung. Sie bleibt ein neuer Antrag nach §150 Abs. 2 BGB. Da K ihn nicht angenommen hat, auch nicht durch Schweigen, braucht er die Maschinen nicht abzunehmen und nicht zu bezahlen. Die Rechtslage ändert sich aber sofort, wenn K die Maschinen abnimmt (vgl. Fall Nr. 20)! Oberlegen Sie, warum? (Annahme durch schlüssiges Handeln).

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Fall Nr. 25: Allgemeine Geschäftsbedingungen K bestellt bei V fünf Schreibmaschinen Typ X zum Preise von je 398,— DM gemäß seinen auf der Rückseite des Bestellschreibens abgedruckten Einkaufsbedingungen, auf die in der Bestellung durch hervorgehobenen Druck hingewiesen wird. V bestätigt mit vorgedrucktem Bestätigungsschreiben, in dem es heißt: gemäß unseren Verkaufs- und Lieferbedingungen Die Einkaufsbedingungen des K weichen in vielen wesentlichen Punkten von den Verkaufs- und Lieferbedingungen des V ab; u. a. will K bei Bezahlung innerhalb 14 Tagen 3% Skonto abziehen. Ist er dazu berechtigt? Lösung K darf die 3% Skonto nur abziehen, wenn seine Einkaufsbedingungen Vertragsinhalt geworden sind. (Hier ist der Vertrag Anspruchsgrundlage!). Deswegen ist es notwendig, den Begriff der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu beleuchten. Da viele kleinere und fast alle größeren Unternehmen jeglicher Art versuchen, dem Geschäftspartner ihre Bedingungen zu diktieren, sind AGB sehr zahlreich. Vielfach werden sie von Wirtschaftsverbänden ausgearbeitet und den Mitgliedern zur Benutzung empfohlen. Dadurch gibt es in vielen Branchen typisierte Verträge. Derartige Typenverträge sind nicht Gesetz! Sie kommen daher nur durch freie Vereinbarung zustande, also durch Antrag (§145 BGB) und Annahme (§§ 147ff. BGB). (Anders nur bei Orts- und Anstaltssatzungen, z.B. Lieferungsbedingungen für Wasser, Gas und Elektrizität.) Es gibt Fälle, in denen sich die Parteien durch einen Rahmenvertrag auf gewisse AGB für Geschäfte bestimmter Art geeinigt haben. Dann gelten die AGB kraft des Rahmenvertrages für alle in den Rahmen fallende Einzelverträge. Derartige Rahmenverträge sind selten. Sie werden gern von Banken und Sparkassen bei der Einrichtung von Konten oder Depots den Kunden zur Anerkennung vorgelegt. Wer sie ausdrücklich anerkennt, ist daran gebunden; das bloße Überreichen einer Broschüre mit vielen Seiten Vertragsbedingungen dürfte aber nicht genügen. Wesentlich häufiger steht man vor der Frage, ob das für den Einzelfall geschlossene Geschäft den AGB eines der Vertragspartner unterliegt. Der Kernsatz lautet: Die AGB sind nur verbindlich, wenn sich der andere Teil ihnen unterworfen hat! Die Unterwerfung ist an keine Form gebunden, es sei denn, die AGB schreiben eine Form vor. Manchmal genügt bereits die bloße Benutzung einer Anlage, um die ausgehängten, jedermann sichtbaren AGB zum Vertragsinhalt werden zu lassen, selbst wenn der Benutzer die AGB bewußt oder unbewußt nicht zur Kenntnis genommen hat, z. B. bei Benutzung einer Beförderungseinrichtung. Hier muß der Benutzer mit allgemeinen Benutzungsbedingungen rechnen. Wer die Einrichtung benutzt, nimmt die AGB in Kauf! Das ist aber der weitestgehende Standpunkt, den man überhaupt einnehmen kann. Ansonsten ist Mindesterfordernis, daß der andere Teil der AGB kennt, und sie wenigstens durch schlüssiges Verhalten billigt. Wer aus früheren oder gar regelmäßigen Geschäftsbeziehungen die AGB seines Partners kennt, unterwirft sich ihnen, sofern er sie nicht ausdrücklich ablehnt.

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In unserem Falle hatten beide Parteien auf die eigenen AGB Bezug genommen. Es fragt sich, ob V durch die Bezugnahme auf seine AGB die ihm vorgeschlagenen AGB des K abgelehnt hat. Manchmal läßt die Annahmeerklärung (die Auftragsbestätigung) den Abänderungswillen kaum erkennen. Sie weicht dann nur scheinbar vom Inhalt der Bestellung (Antrag) ab. So ist es bei der bloßen Bezugnahme auf die nicht beigefügten oder nicht aufgedruckten eigenen AGB, obwohl der Antrag (Bestellung) die Einkaufsbedingungen ausdrücklich enthält. In einem solchen Falle ist die Auftragsbestätigung als vorbehaltlose Annahme auszulegen. Da das Schreiben das V die eigenen AGB nicht enthielt und aus dem Sachverhalt nicht zu ersehen ist, ob K sie bei früheren Geschäften kennengelernt und sich ihnen unterworfen hat, gelten seine AGB. Er kann also 3% Skonto abziehen. W e g e n d e r B e d e u t u n g der A G B für die kaufmännische Praxis e m p f e h l e ich zur Vertief u n g f o l g e n d e Lektüre: Diederichsen in: Zeitschrift für das g e s a m t e Handelsrecht und Konkursrecht 132, 232; Schmidt-Salzer, A G B (Schriftenreihe der Neuen Juristischen Wochenschrift); Weber in: Betrieb 1970, 2355, 2417 und 1971, 129,177.

Fall Nr. 26: Bestätigungsschreiben Kaufmann A hat am 1. 4. 1970 vom Kaufmann B mündlich 10 to Stahlträger, Profil X, in Längen zu 5 m, fix und fertig geschnitten, zum Preise von 9000,- DM zur sofortigen Lieferung gekauft. B schreibt am 3. 4. 1970 an A: Ich bestätige Ihnen, daß Sie am 1. 4.1970 von mir 10 to zu dem am Tage der Lieferung geltenden Preis gekauft haben. A antwortet nicht. Am 15.4.1970 liefert B zum Preise von 9500,- DM. Muß A für die Träger 9500,- DM zahlen? Lösung Ein Anspruch des B gegen A auf Zahlung von 9500,— DM könnte sich aus §433 Abs. 2 BGB ergeben. Danach ist der Käufer verpflichtet, den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen. Er fragt sich, ob 9000,- DM oder der am Tage der Lieferung geltende Preis (hier 9500,— DM) als vereinbart anzusehen ist. Da es im Sachverhalt heißt, A habe von B für 9000,- DM gekauft, darf angenommen werden,daßA und B sich am 1.4.1970 über diesen Preis durch Antrag und Annahme geeinigt, also den Kaufvertrag mit diesem Inhalt geschlossen haben. Möglicherweise hat jedoch das Schreiben des B vom 3.4.1970 die Rechtslage geändert. Unter Kaufleuten ist es vielfach üblich, den bereits geschlossenen Vertrag einander schriftlich zu bestätigen. Anders als durch die Auftragsbestätigung kommt der Vertrag also nicht erst durch das Bestätigungsschreiben zustande. Die Auftragsbestätigung ist die Annahme des Antrages — das Bestätigungsschreiben bestätigt einen schon geschlossenen Vertrag. Es ist in erster Linie eine Beweisurkunde. Das unwidersprochene Bestätigungsschreiben hat die Vermutung für sich, den Vertragsinhalt vollständig und richtig wiederzugeben. Schwierig wird es, wenn der Inhalt des Bestätigungsschreibens von dem des Vertrages abweicht. Die Regel lautet: Wer als Kaufmann auf ein Bestätigungsschreiben unangemessen lange schwelgt, erklärt sein Einverständnis mit dem abweichenden Inhalt.

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Anders ist es jedoch, wenn die Abmachungen arglistig entstellt werden, oder wenn die Abweichung so erheblich ist, daß der Bestätigende nicht mit einer Zustimmung seines Vertragspartners rechnen kann. Der Kaufpreis spielt regelmäßig eine große Rolle für den Entschluß des Käufers. Deswegen werden erhebliche Abweichungen zwischen dem ursprünglich vereinbarten und dem bestätigten Preis trotz Schweigens des Empfängers auf das Bestätigungsschreiben nicht Vertragsinhalt. Der Unterschied von 500,- DM ist bei steigenden Stahlpreisen noch nicht sehr erheblich. A mußte also auf das Bestätigungsschreiben antworten, um einer höheren Zahlungspflicht zu entgehen. Daher kann B für die Träger 9500,- DM verlangen. Oft ist es schwierig zu erkennen, ob eine Auftragsbestätigung oder ob ein Bestätigungsschreiben vorliegt. Da die Problematik für die kaufmännische Praxis von großer Bedeutung ist, sei zur Vertiefung die Lektüre folgender Abhandlungen empfohlen: Krause in: Betriebsberater 1952, 936; Zunft in: Neue Juristische Wochenschrift 1959, 276; Kuchlnke in: Juristen Zeitung 1965, 167; Dlederichsen in: Juristische Schulung 1966, 129; Schmidt-Salzer In: Betriebsberater 1971, 591.

Fall Nr. 27: Vertragsänderung durch Rechnungsaufdrucke K hat von V für 600,— DM Schrauben gekauft. Nach dem Kaufvertrag kann K bei Zahlung innerhalb von zwei Wochen seit Rechnungseingang 2 % Skonto abziehen. Auf der Rechnung heißt es dagegen: Zahlbar innerhalb von zwei Wochen ohne Abzug. Kann V die vollen 600,— DM verlangen?

Lösung Formulieren Sie die Lösung selbst bis zu der Stelle, an der Sie sich mit der Frage befassen müssen, ob die vereinbarten Zahlungsbedingungen durch Vermerk auf der Rechnung abänderbar sind. Die Zahlungsbedingungen gehören wie der Preis und die sonstigen Absprachen zum Vertragsinhalt, der grundsätzlich nicht einseitig geändert werden kann. Jede Änderung verlangt einen Antrag und eine Annahme. Die anderslautende Zahlungsbedingung auf der Rechnung ist daher als neuer Antrag anzusehen. Fraglich ist, ob K ihn durch Schweigen angenommen hat. Ein Änderungsvorschlag gehört nicht in eine Rechnung. Sie wird in aller Regel erst ausgestellt, nachdem ein Vertragsteil die Leistung erbracht hat. Die Rechnung dient mithin der Einforderung und Berechnung einer Vergütung. Anders als beim Bestätigungsschreiben ist daher das Schweigen auf Rechnungsvermerke nicht als Zustimmung aufzufassen. Also kann K 2 % Skonto abziehen, ohne sich zu der Rechnung zu äußern. Wir haben bisher Fälle des Schweigens im Rechtsverkehr besprochen, für die das Gesetz keine ausdrückliche Regelung aufgestellt hat. Die Grundsätze, die Sie kennengelernt haben, sind von der Rechtswissenschaft und der Rechtsprechung entwickelt worden. Es gibt aber auch einige gesetzliche Bestimmungen, die dem Schweigen rechtserhebliche Wirkung zukommen lassen. Lesen Sie bitte die §§ 416 Abs. 1 S. 2 und 516 Abs. 2 BGB. Für den Kaufmann ist § 362 HGB besonders wichtig. Wer also z. B. als Kommissionär oder als Spediteur tätig Ist, muß einen Vertragsantrag, den er nicht annehmen will, ausdrücklich oder schlüssig ablehnen.

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Teil 5: Willensmängel Fall Nr. 28: Erklärungsirrtum, Vertrauensinteresse K möchte bei V 100 Fernsehgeräte Typ X bestellen. Er verschreibt sich und bestellt den wesentlich teureren Typ Y. V schickt dem K die Geräte Typ Y. Die Kosten für Verpackung, Transport und Versicherung, die V übernommen hatte, betragen 120,— DM. K prüft die Bestellung und entdeckt seinen Irrtum. Er möchte die teuren Geräte Typ Y nicht behalten und teilt das dem V postwendend mit. Muß V sie auf Verlangen des K zurücknehmen, evtl. gegen Erstattung der 120,- DM? Lösung Sie lernen jetzt eine Anspruchsgrundlage kennen, die es zumindest für den Anfänger „in sich hat". Gemeint ist §122 BGB. Lesen Sie die Bestimmung sofort nach — und nicht nur einmal! Sie werden den Sinn beim ersten Lesen ohnehin nicht erfassen. Wir müssen die Norm Stück für Stück auflösen. Die gedankliche Skizze sieht so aus: V möchte die Aufwendungen erstattet haben, die er im Vertrauen auf die Gültigkeit des Geschäftes mit K gemacht hat. Wir müssen also zunächst prüfen, ob das Geschäft wirksam ist oder ob K es durch Anfechtung beseitigt hat. Willenserklärungen kann man unter bestimmten Voraussetzungen anfechten. Die Anfechtung selbst ist ebenfalls eine Willenserklärung, und zwar eine einseitige und empfangsbedürftige (§143 Abs. 1 BGB). (Ist Ihnen der Begriff noch geläufig?) Sie vernichtet das Rechtsgeschäft mit rückwirkender Kraft, d. h. es wird so angesehen, als sei es nie vorgenommen worden (§ 142 Abs. 1 BGB). Die Bestellung der Fernsehgeräte stellt eine Willenserklärung dar, genauer gesagt einen Antrag nach § 145 BGB. Mit der Annahme der Bestellung durch V war der Kaufvertrag geschlossen. Der Grundsatz: „Verträge müssen gehalten werden" erleidet eine Ausnahme, wenn ein Partner erfolgreich angefochten hat. §119 BGB bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine Anfechtung zulässig ist. Wir wollen zunächst § 119 Abs. 1 BGB auflösen. Danach kann seine Willenserklärung anfechten, wer bei ihrer Aufgabe über deren Inhalt im Irrtum war ob eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte. Beim sogfältigen Lesen werden Sie in § 119 Abs. 1 BGB zwei Arten des Irrtums entdeckt haben: Die Anfechtung wegen Irrtums über den Inhalt einer Willenserklärung und die Anfechtung, weil eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgegeben werden sollte. Die erste Art wird Inhaltsirrtum und die zweite Erklärungsirrtum genannt. Wir wollen uns der zweiten Art zuwenden. Darunter versteht man die Fälle des Versprechens, Verschreibens, Verrechnens, Vergreifens und Verhörens. Jemand will 100 sagen und sagt versehentlich 200; statt 17 hörte jemand versehentlich 70; statt 3 + 4 = 7 rechnet er 3 + 4 = 9 ; statt eines Trinkgeldes von 5,- DM gibt er versehentlich 20,— DM usw. Diesen Fällen ist eines gemeinsam: Die Willenserklärung weicht schon äußerlich von dem ab, was der Erklärende sagen wollte. Der Erklärende irrt sich in der Erklärungshandlung. Einem Irrtum in diesem Sinne

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ist auch der K zum Opfer gefallen. Er hat den Typ X bestellen wollen, hat sich jedoch verschrieben und Y erklärt. (Über den Inhaltsirrtum Im nächsten Fall.) Der Irrtum allein genügt jedoch noch nicht zur Anfechtung. Nach §119 Abs. 1, 2. Hälfte BGB ist die Anfechtung nur zulässig, wenn anzunehmen ist, daß der Anfechtende die Willenserklärung bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde. Durch diese Regelung soll der Willkür Einhalt geboten werden. Es ist unsinnig, die Anfechtung auch dann zuzulassen, wenn der Irrtum für die Erklärung gar nicht ursächlich gewesen ist. Deshalb muß immer geprüft werden, ob der Anfechtende überhaupt etwas anderes erklärt hätte, wenn ihm die Sachlage bekannt gewesen wäre (subjektives Moment), und ob ein vernünftiger Mensch (objektives Moment) die irrtümliche Erklärung dann ebenfalls unterlassen hätte. §119 Abs. 1, 2. Hälfte BGB enthält somit eine subjektive und objektive Sicherung gegen willkürliche Anfechtungen. Im vorliegenden Fall ist anzunehmen, daß K nicht Typ Y bestellt haben würde, wenn er sein Verschreiben sofort entdeckt hätte. Bei Kenntnis der Sachlage hätte er also anders gehandelt. Ein verständiger, objektiver Dritter in der Situation des K würde ebenfalls nicht den Typ Y, der im Preis erheblich vom Typ X abweicht, bestellt haben. K ist daher zur Anfechtung berechtigt. Eine besondere Form ist für die Anfechtungserklärung nicht vorgeschrieben. Es genügt, wenn K unmißverständlich zum Ausdruck bringt, er wolle die Geräte wegen des Irrtums nicht haben. Aber das Gesetz kennt eine Anfechtungsfrist. Nach § 121 BGB muß die Anfechtung ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) nach Bekanntwerden des Anfechtungsgrundes erfolgen. (Merken Sie sich die Legaldefinition für den Begriff „unverzüglich"!) Da K beim Lesen der Bestellungsdurchschrift seinen Irrtum entdeckt, nimmt die Anfechtungsfrist jetzt ihren Lauf. Durch die postwendende Erklärung, er wolle die teuren Geräte nicht behalten, wird die Anfechtungsfrist gewahrt. Lesen Sie § 121 Abs. 2 BGB: 30 Jahre nach Abgabe der Willenserklärung ist die Anfechtung schlechthin ausgeschlossen. Das gilt auch, wenn der Irrtum erst so spät bekannt wird. Nach §143 Abs. 2 BGB muß ein Kaufvertrag durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil angefochten werden. Auch das hat K beachtet. Da die Anfechtung das Rechtsgeschäft mit rückwirkender Kraft nichtig macht (§ 142 Abs. 1 BGB), wird es so angesehen, als sei der angefochtene Vertrag zwischen K und V nie zustande gekommen. Folglich muß V die Geräte zurücknehmen. Eine kleine Zwischenüberlegung: Vergleichen Sie die Folgen der Kündigung (Fall Nr. 17) mit denen der Anfechtung: Die Kündigung ist wie die Anfechtung eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung; die Wirkungen sind jedoch verschieden. Die Kündigung beendet das Vertragsverhältnis mit Wirkung nur für die Zukunft; die Anfechtung wirkt auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäftes zurück. Nun ist noch die Frage offen, ob K die 120,— DM für Verpackung, Transport und Versicherung zahlen muß. Vergegenwärtigen Sie sich wieder unseren Ausgangspunkt. Es war § 122 BGB. Im Rahmen dieser Vorschrif haben wir bis jetzt nur geprüft, ob eine Willenserklärung nach §119 BGB angefochten worden ist.

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Das haben wir bejaht. Eine Folge der Anfechtung war die Nichtigkeit des Vertragsantrages und damit des Vertrages. Für den Vertragspartner ist es unbillig, wenn er auf Erstattung dessen verzichten muß, was er im Vertrauen auf die Gültigkeit des Vertrages aufgewendet hat. Deshalb bestimmt §122 BGB, daß der Erklärende (Anfechtende) dem Anfechtungsgegner den Schaden zu ersetzen hat, den der Anfechtungsgegner dadurch erleidet, daß er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut. Die dann folgende Einschränkung der Ersatzpflicht, die mit dem Wörtchen „jedoch" eingeleitet wird, lassen wir zunächst außer Betracht. Der Schaden, der durch das Vertrauen auf die Gültigkeit einer Erklärung ausgelöst werden kann, heißt Vertrauensschaden, Vertrauensinteresse oder negatives Interesse. Für die Berechnung der Schadenshöhe gibt es eine Formel. Sie lautet: Wer berechtigt ist, das negative Interesse (Vertrauensinteresse) zu verlangen, kann verlangen, so gestellt zu werden, wie er gestanden hätte, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Wir müssen uns also fragen, worin das schädigende Ereignis zu erblicken ist. Darauf finden wir die Antwort, wenn wir prüfen, wodurch die Aufwendungen veranlaßt worden sind. V hat die Kosten für Verpacktung, Transport und Versicherung aufgewendet, weil er sich dazu durch den Vertrag verpflichtet hatte. Der Abschluß des Vertrages war also das schädigende Ereignis. Jetzt können wir schon eine Teilantwort geben: V kann verlangen, so gestellt zu werden, als ob er den Vertrag mit K nicht geschlossen hätte. Sie haben es leichter, wenn Sie sich bei Irrtumsanfechtungen fest einprägen: Das schädigende Ereignis ist immer die später angefochtene Willenserklärung. Die oben genannte Formel könnte deswegen auch heißen: Wer berechtigt ist, das negative Interesse nach §122 BGB zu verlangen, kann verlangen, so gestellt zu werden, als ob er von der später angefochtenen Willenserklärung nie etwas gehört hätte. Die Formel ist dann auf den Fall des §122 BGB zugeschnitten. Das negative Interesse ist aber nicht nur in den Fällen des §122 BGB zu erstatten, sondern vor allem nach unerlaubten Handlungen, z. B. Körperverletzungen, Sachbeschädigungen, Ehrverletzungen usw. Für diese Fälle und alle anderen paßt nur die Formel mit dem „schädigenden Ereignis". Darunter ist dann von Fall zu Fall der Sachverhalt zu subsumieren. Gäbe es den Begriff des negativen Interesses nur im Rahmen des §122 BGB, wäre es viel besser, nur vom Vertrauensinteresse zu sprechen. Als Vertrauensinteresse könnte man dann die Nachteile bezeichnen, die der andere Teil durch das Vertrauen auf die Gültigkeit der angefochtenen Willenserklärung erlitten hat. Beide Formeln müssen zum selben Ergebnis führen. Ausgehend von der Definition des negativen Interesses berechnet sich der Schaden des V wie folgt: Wäre das schädigende Ereignis (Vertragsantrag des K) unterblieben, hätte V mit ihm keinen Kaufvertrag geschlossen und daher keine Aufwendungen für den Kaufgegenstand machen müssen. Also stellen die 120,— DM das negative Interesse des V dar. Diesen Schade muß K ersetzen. Ausgehend von der Definition des Vertrauensinteresses ergibt sich folgende Überlegung: K muß die Nachteile des V ausgleichen, die V durch das Vertrauen auf die Gültigkeit des Vertragsanterages und damit des Vertrages erlitten hat. V hatte die Kosten des Transportes, der Verpackung und Versicherung übernommen, weil er glaubte, der Vertrag verpflichte ihn dazu. Der Vertrag ist aber durch die Anfechtung zerstört worden. Also muß K dem V die 120,— DM erstatten.

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Fall Nr. 29: Erfüllungsinteresse Wie vorher; V verlangt jedoch zusätzlich seine Gewinnspanne in Höhe von 1300 - DM. Lösung Die Lösung dieses Falles deckt sich mit der vorhergehenden bis zu der Stelle, wo die Schadensberechnung anfängt. Wir wollen wieder die Formel vom negativen Interesse verwenden: V kann verlangen, so gestellt zu werden, als ob das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Hätte K dem V keinen Vertragsantrag gemacht, wäre es nicht zum Vertragsschluß gekommen. Hätte V mit K nicht den hier in Rede stehenden Kaufvertrag geschlossen, könnte er von ihm die Gewinnspanne nicht fordern; also kann er es auch nicht nach der Anfechtung. Wenn K auch die Gewinnspanne erstatten müßte, stände V so da, als ob K den Vertrag erfüllt hätte. Der Schadensersatzpflichtige muß den Schadensersatzberechtigten häufig so stellen, als ob der Vertrag voll erfüllt worden wäre. Der auf diese Weise berechnete Schaden heißt Erfüllungsinteresse oder positives Interesse. Die Formel lautet: Wer das positive Interesse verlangen kann, kann verlangen, so gestellt zu werden, wie er gestanden hätte, wenn voll erfüllt worden wäre.

Fall Nr. 30: Erfüllungsinteresse begrenzt Vertrauensinteresse Wie Fall Nr. 28; V berechnet seinen Schaden jedoch wie folgt: Wenn K die Geräte nicht bei ihm bestellt hätte, hätte er sie einen Tag später an den Händler H verkaufen können, dem er vertraglich einen geringeren Preisnachlaß einzuräumen hat. Er hätte dann nicht 1300,- sondern 1500,— DM verdient. Inzwischen hat H anderweitig eingekauft. Kann V diese 1500,— DM erstattet verlangen? Lösung Nach der Formel vom negativen Interesse kann V verlangen, so gestellt zu werden, als ob das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Hätte K keinen Vertragsantrag unterbreitet, hätte V ihn nicht annehmen und damit die Geräte gewinnbringender an H verkaufen können. Das negative Interesse des V beläuft sich also auf 120,—DM+ 1500,-DM; aber das Gesetz läßt dieses Ergebnis nicht zu. Durch die Anfechtung soll der Anfechtungsgegner nicht besser gestellt werden, als er ohne Anfechtung gestanden hätte. Deshalb heißt es in § 122 Abs. 1 BGB: „ jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere oder der Dritte an der Gültigkeit der Erklärung hat." Hier haben Sie die gesetzliche Beschreibung des positiven oder Erfüllungsinteresses. Das Verhältnis zwischen positivem und negativem Interesse, wie es in §122 BGB niedergelegt ist, läßt sich auf den einfachen Satz bringen: Das positive begrenzt das negative Interesse. Der vorliegende Fall zeigt, daß das negative Interesse u. U. größer sein kann als das positive. Die obere Grenze wird dann durch das positive Interesse gezogen.

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Das negative Interesse des V hatten wir für den vorliegenden Fall bereits mit 1620,- DM ermittelt. Da das positive Interesse das negative begrenzt, kann V jedoch nur 1300,- DM Schadenersatz verlangen. Fall Nr. 31: Vertrauensinteresse = Erfüllungsinteresse Wie Fall Nr. 28; V berechnet seinen Schaden jedoch wie folgt: Die ortsansässigen Kaufhäuser und Filialen des Versandhandels hätten den Preis für das Gerät inzwischen erheblich herabgesetzt. Um konkurrenzfähig zu bleiben, müsse er seine Gewinnspanne mindern. Sie betrage jetzt nur noch 1000,- DM. Z. Z. des Abschlusses mit K habe er bei einem Verkauf an andere Händler noch 1300,- DM Gewinn erzielen können. Die Differenz von 300,- DM + 120,- DM verlangt er als Schadensersatz. Lösung V kann verlangen, so gestellt zu werden, als ob das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre, d. h. als ob K die Geräte nicht bestellt hätte. Dann hätte V mit 1300,— DM Gewinn verkaufen können, während sein Gewinn jetzt nur noch 100,—DM beträgt. Sein negatives Interesse beläuft sich also auf 1 2 0 , — D M + 300,- DM. Die Begriffe „positives Interesse" (Erfüllungsinteresse) und „negatives Interesse" (Vertrauensinteresse) müssen Ihnen gläufig sein! Sie gehören zu den Grundbegriffen unseres Rechts. Fall Nr. 32: Inhaltsirrtum Nach dem Weihnachtsfest schickt das Versandhaus V an eine Reihe von Haushalten einen Prospekt, der auf dem Deckblatt in großen Lettern die Aufschrift „Gratis-Katalog" trägt. Auf der Innenseite heißt es in Fettdruck: „Die im Katalog aufgeführten Spielzeuge sind Restposten. Sie werden zu äußerst günstigen Bedingungen abgegeben. Böse Zungen sprechen von Verschleudern!" Die Preise sind ganz klein gedruckt. K hat nur den Fettdruck gelesen und glaubt, er könne das Spielzeug gratis bekommen. Er bestellt einen Puppenwagen, einen Kaufladen und einen Laubsägekasten. Mit der Ware erhält er die Rechnung über 55,— DM + 5,— DM Versandkosten. Er schickt die Ware zurück mit dem Bemerken, er habe sich geirrt und lehne die Bezahlung ab. V verlangt Erstattung der Versandkosten. Mit Recht? Lösung Der geltend gemachte Anspruch des Versandhauses gegen K könnte aus §122 Abs. 1 BGB gerechtfertigt sein. Voraussetzung ist, daß K seine Willenserklärung — die Bestellung der Spielsachen - mit Erfolg angefochten hat. Das Recht zur Anfechtung folgt möglicherweise aus §119 Abs. 1 BGB. K hat jedoch bei der Bestellung äußerlich genau das erklärt, was er erklären wollte. Er hat sich also nicht versprochen oder verschrieben. Ein Erklärungsirrtum scheidet mithin aus. Es bleibt zu prüfen, ob er sich über den Inhalt seiner Erklärung geirrt hat.

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Von einem Inhaltsirrtum spricht man, wenn der Erklärende zwar rein äußerlich (dem Wortlaut nach) das erklärt, was er erklären will, seiner Erklärung aber einen anderen Inhalt (eine andere Bedeutung) beilegt, als sie bei objektiver Betrachtungsweise hat. Beim Inhaltsirrtum verwendet der Erklärende einen Ausdruck, den er zwar verwenden will, über dessen Bedeutung er sich aber irt. Zum Inhaltsirrtum zählt auch der Fall, daß sich jemand über die Person seines Vertragspartners irrt, z.B. A glaubt, mit B den Vertrag geschlossen zu haben. In Wirklichkeit hat er mit C verhandelt. Der Unterschied zwischen Inhaltsirrtum und Erklärungsirrtum läßt sich auch so beschreiben: Beim Inhaltsirrtum lebt der Irrtum bereits in der Gedankenwelt des Erklärenden. Er irrt sich schon, bevor er etwas erklärt hat, z. B. unter dem Begriff „Skonto" stellt er sich keinen Abzug, sondern einen Aufschlag vor; den C hält er für den B. Beim Erklärungsirrtum unterläuft der Irrtum erst bei der Erklärung. Der Erklärende weiß, daß 3 + 4 = 7 ist; der Irrtum liegt also nicht in seiner Gedankenwelt; aber bei der Erklärung, bei der Mitteilung seiner Gedanken unterläuft ihm ein Mißgriff. Kurz: Der Inhaltsirrtum liegt zeitlich vor dem Erklärungsirrtum. Wenden wir uns dem Fall zu: K glaubte, er brauche seine Bestellung auf Grund des Gratiskataloges nicht zu bezahlen. Schon in seiner Gedankenwelt liegt der Irrtum. Dadurch erklärt er notwendig etwas, das äußerlich zwar seiner Absicht entspricht, bei objektiver Betrachtungswelse aber eine andere Bedeutung hat. Ein objektiver Betrachter kann die Beschriftung „Gratiskatalog" nur so verstehen, daß nur der Katalog nichts kostet, die darin angepriesenen Waren jedoch bezahlt werden müssen. K war also über den Inhalt seiner Erklärung im Irrtum. Die Anfechtungserklärung liegt in der Zurücksendung der Ware und in dem beigefügten Schreiben (§143 Abs. 1 BGB). V war auch der richtige Adressat für die Anfechtungserklärung (§143 Abs. 2 BGB). K hat den Kaufvertrag also wirksam nach §119 Abs. 1, 1. Altern. BGB (Inhaltsirrtum) angefochten. Ihn trifft daher die Schadensersatzpflicht aus §122 Abs. 1 BGB. Er muß dem V das negative Interesse ersetzen, d. h. er muß V so stellen, wie V ohne das schädigende Ereignis gestanden hätte. Das schädigende Ereignis ist die später angefochtene Willenserklärung, also die Bestellung des K. Hätte K nie bestellt, wären ihm die Spielsachen nicht zugeschickt worden und dem V keine Versandkosten entstanden. Diese Kosten in Höhe von 5,— DM muß K dem V folglich nach § 122 Abs. 1 BGB erstatten. Abwandlung des Falles: V verlangt Bezahlung des Kaufpreises. Lösung Nach § 433 Abs. 2 BGB ist der Käufer verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen. Es ist also zu untersuchen, ob zwischen V und K ein Kaufvertrag besteht. Die Bestellung des K ist als Antrag nach §145 BGB

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zu werten. Seine Annahme liegt in der Absendung der bestellten Ware (§151 Abs. 1 BGB). Der Vertrag könnte jedoch durch Anfechtung nach §119 Abs. 1 BGB mit rückwirkender Kraft beseitigt worden sein. Die weitere Lösung verläuft so wie im vorhergehenden Falle. Sie kommen also zu dem Ergebnis, daß der Antrag und damit der Kaufvertrag nichtig ist. Folglich hat V keinen Kaufpreisanspruch aus § 433 Abs. 2 BGB. Aus § 122 Abs. 1 BGB kann V nur das negative Interesse, nicht das positive oder Erfüllungsinteresse fordern. Es wäre unsinnig, wollte man dem Verkäufer durch die Anfechtung den vertraglichen Erfüllungsanspruch nehmen und ihn über die Schadensersatzpflicht des Anfechtenden dann doch so stellen, als ob voll erfüllt worden wäre! Vergessen Sie aber nicht, daß das negative Interesse höher sein kann als das positive! Jedoch: In § 122 Abs. 1 BGB wird das negative Interesse nach oben durch das positive Interesse begrenzt!

Fall Nr. 33: Eigenschaftsirrtum K bestellt bei V für seinen Neubau 10 Fensterscheiben 6 mm stark, nachdem ihm der Architekt versichert hat, dieses Glas habe die gleiche wärmetechnische Eigenschaft wie 25 cm starkes Mauerwerk. V bestätigt die Bestellung postwendend. Einige Tage später erfährt K von dem Heizungsingenieur, daß das bestellte Glas nicht annähernd genügt, um die nötige Wärmedämmung zu erreichen. K schreibt dem V, er könne das Glas nicht brauchen; denn es habe nicht die Isolationskraft, die er zunächst angenommen habe. V hat die Scheiben schon auf Maß geschnitten und verlangt Ersatz der Lohnkosten in Höhe von 50,— DM sowie 100,— DM für Schnittverlust. Ist die Forderung berechtigt? Lösung Anspruchsgrundlage für das Verlangen des V könnte §122 Abs. 1 BGB sein. In diesem Rahmen ist zunächst zu prüfen, ob K seine Bestellung, die als Antrag nach § 145 BGB und damit als Willenserklärung im Sinne des § 122 Abs. 1 BGB aufzufassen ist, mit Erfolg angefochten hat. Nach §119 Abs. 2 BGB gilt als Irrtum über den Inhalt der Erklärung auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden. Diese Art des Irrtums wird Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften genannt. Eigenschaft einer Person oder Sache sind diejenigen Umstände, die der Person oder Sache nicht nur vorübergehend anhaften. Dazu gehören nicht nur die physikalischen Merkmale, sondern auch tatsächliche und rechtliche Beziehungen von gewisser Dauer. Der Wert einer Sache ist dagegen keine Eigenschaft in diesem Sinne. Er ist vielmehr das Produkt aller Eigenschaften, aller wertbildenden Faktoren. Die Anfechtung ist also nicht zulässig mit der Begründung, man habe den Wert einer Sache irrtümlich zu hoch oder zu niedrig angenommen. Hat man sich jedoch über ein einzelnes Merkmal geirrt, z.B. über die Echtheit eines Bildes, so liegt ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft vor, ein Irrtum über einen wertbildenden Faktor. Gegenbeispiel: Wer einen Kunstgegenstand für 10 000,— DM erwirbt, obwohl er nur 1000,— DM wert ist,

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kann nicht anfechten. Im vorliegenden Falle hat K sich über die Temperaturleitfähigkeit des 6 mm starken Glases geirrt. Da der Wärmebedarf von der Leitfähigkeit der Bauelemente abhängt, stellt die Leitfähigkeit des Glases einen wertbildenden Faktor, also eine verkehrswesentliche Eigenschaft dar. K ist daher einem Irrtum im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB zum Opfer gefallen. Das allein berechtigt ihn aber noch nicht zur Anfechtung. Auch bei einem Irrtum im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB ist vielmehr zu prüfen, ob der Anfechtende die Erklärung bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde. Diese Prüfung ist hier verhältnismäßig leicht. Hätte K gewußt, daß eine Glasstärke von 6 mm in der Leitfähigkeit dem 25 cm starken Mauerwerk nicht entspricht, so hätte er das Glas nicht bestellt. Ein objektiver Dritter würde bei verständiger Würdigung des Falles ebenso gehandelt haben. Also kann K seine Bestellung — den Vertragsantrag — anfechten nach §119 Abs. 2 BGB. Aus dem Schreiben des K kann V mit genügender Deutlichkeit erkennen, daß K den Vertrag wegen Irrtums anfechten will. V ist auch derjenige, an den die Anfechtungserklärung zu richten war (§ 143 Abs. 2 BGB). V kann gemäß § 122 Abs. 1 BGB verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne das schädigende Ereignis gestanden hätte. Das schädigende Ereignis ist die angefochtene Willenserklärung, also die Bestellung. Ohne die Bestellung hätte V keine Lohnkosten für den Zuschnitt dieser Scheiben gehabt und auch keine Schnittverluste am Material. Daher kann er die 150,— DM von K erstattet verlangen. Fall Nr. 34: Motivirrtum Der Saatguthändler K hat beim Großhändler V am 2.1.1972 200 Zentner Pflanzkartoffeln Sorte X bestellt. V hat die Bestellung sofort bestätigt. Im Februar 1972 erfährt K, daß die Sorte X mit höchster Wahrscheinlichkeit von den Landwirten nicht mehr gekauft wird, da Pflanzkartoffeln der Sorte V, die von den Konsumenten entschieden bevorzugt wird, neuerdings nicht mehr kosten als die Sorte X. Kann K seine Bestellung anfechten? Lösung Sie werden auf den ersten Blick erkennen, daß K bei der Bestellung keinem Irrtum im Sinne des §119 Abs. 1 BGB erlegen ist. Allenfalls kommt ein Irrtum im Sinne des §119 Abs. 2 BGB, also ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft in Betracht. Es erscheint jedoch sehr zweifelhaft, ob K sich über einen wertbildenden Faktor, über eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Sorte X geirrt hat. Sein Irrtum erstreckt sich auf die Marktgängigkeit der Sorte X im Frühjahr 1972. Sein Beweggrund für die Bestellung hat sich nachträglich als falsch herausgestellt. Der Irrtum im Beweggrund, Motivirrtum genannt, ist jedoch im Rahmen des §119 BGB nur beachtlich, wenn er ein Eigenschaftsirrtum ist! Der Beweggrund als solcher gehört ins Reich der Spekulation. Wer X-Aktien kauft in der Hoffnung, sie werden steigen, kann nicht wegen Irrtums anfechten, wenn sie fallen. K ist ein gewöhnliches kaufmännisches Risiko eingegangen. Er kann daher nicht anfechten.

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Fall Nr. 35: Grundsätzliches zu den Begriffen Erfüllung, Abtretung, Fälligkeit, Stundung, Einrede und Einwendung G hat gegen S eine Kaufpreisforderung von 3000,- DM. Da S nicht zahlen kann, tritt er dem G eine gleich hohe Forderung gegen D ab. G erklärt sich durch diese Abtretung für befriedigt. Als G von D Zahlung verlangt, hält D ihm entgegen, die Forderung sei noch für ein weiteres Jahr gestundet. Daraufhin schreibt G dem S postwendend, er mache die Abtretung rückgängig und verlange nun umgehend Zahlung. Muß S zahlen? Lösung Nach §433 Abs. 2 BGB ist der Käufer verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen. Da es im Sachverhalt heißt, G habe gegen S eine Kaufpreisforderung, kann als sicher davon ausgegangen werden, daß zwischen G und S ein Kaufvertrag besteht. Fraglich ist allerdings, ob die Kaufpreisforderung noch besteht. Ein Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird (§362 Abs. 1 BGB). Das Erbringen der geschuldeten Leistung an den Gläubiger heißt Erfüllung. S hat die geschuldete Leistung — die Zahlung von 3000,— DM — nicht erbracht. Eine Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB scheidet damit aus. Statt der geschuldeten Leistung hat G sich eine Forderung abtreten lassen. Er hat sich also mit S über eine andere Art der Erfüllung geeinigt. An die Stelle der ursprünglich geschuldeten Leistung tritt eine Ersatzleistung. Das Gesetz unterscheidet in § 365 BGB zwischen zwei Arten von Ersatzleistung. Es kennt die Leistung an Erfüllungs Statt (§ 364 Abs. 1 BGB) und die Leistung erfüllungshalber (§ 364 Abs. 2 BGB). Die Leistung an Erfüllungs Statt tritt als vollwertiger Ersatz an die Stelle der ursprünglich geschuldeten Leistung. Wenn der Gläubiger sie annimmt, erlischt das Schuldverhältnis. Anders bei der Leistung erfüllungshalber: Das alte Schuldverhältnis bleibt bestehen; der Gläubiger ist aber verpflichtet, zunächst Befriedigung aus dem zu suchen, was der Schuldner erfüllungshalber erbracht hat. Hat der Schuldner dem Gläubiger z. B. eine Forderung erfüllungshalber abgetreten, so muß der Gläubiger zunächst versuchen, die Leistung von dem Schuldner der abgetretenen Forderung zu erhalten. Durch die Abtretung einer Forderung erfüllungshalber erlangt der Gläubiger also eine zweite Forderung zu treuen Händen. Die alte Forderung und die abgetretene Forderung sind aber schicksalhaft miteinander verknüpft: Erlischt die alte Forderung aus irgendeinem Grunde, so ist der Gläubiger verpflichtet, die ihm erfüllungshalber abgetretene Forderung zurückabzutreten. Erlangt der Gläubiger Befriedigung aus der abgetretenen Forderung, so erlischt die alte Foderung. Bisweilen ist es schwierig, festzustellen, ob eine Leistung an Erfüllungs Statt oder erfüllungshalber angenommen worden ist. Die Auslegungsregel des §364 Abs. 2 BGB (erfüllungshalber) paßt nur für den Fall, daß der Schuldner dem Gläubiger gegenüber eine neue Verbindlichkeit übernimmt. Die Hauptbeispiele dafür sind die Bezahlung mit Scheck oder die Hingabe eines Wechselakzepts. Tritt der Schuldner demgegenüber eine schon bestehende Forderung an den Gläubiger ab, so ist von Fall zu Fall zu untersuchen, ob an Erfüllungs Statt oder nur erfüllungshalber abgetreten ist. Regelmäßig wird erfüllungshalber abgetreten. Diese Abtretung bietet dem Gläubiger den Vorteil, daß er die alte For-

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derung behält und eine neue gegen einen anderen Schuldner hinzubekommt. Er verschafft sich so eine zusätzliche Sicherheit. Dagegen verliert er durch die Abtretung an Erfüllungs Statt die alte Forderung, und er weiß noch nicht, ob bei seinem neuen Schuldner etwas zu holen ist, oder ob der neue Schuldner gegen die abgetretene Form etwas vorzubringen hat. Den Unterschied zwischen der Leistung an Erfüllungs Statt und der Leistung erfüllungshalber kann man sich leicht merken: Die Leistung erfüllungshalber ist eben nur eine halbe Erfüllung! Im vorliegenden Falle hatte sich G durch die Abtretung für befriedigt erklärt. Das nötigt zu dem Schluß, er habe die Abtretung an Erfüllungs Statt angenommen. Das war zwar unklug; seine Erklärung läßt aber keine andere Folgerung zu. Damit war durch die Abtretung die Kaufpreisforderung erloschen (§364 Abs. 1 BGB). Durch die Anfechtung könnte sie wieder aufgelebt sein. In Betracht kommt die Anfechtung der Abtretung wegen eines Irrtums nach § 119 Abs. 2 BGB. Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden (Abtretung, Zession). Mit dem Abschluß des Vertrages tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers (§398 BGB). (Wissen Sie noch, was eine Legaldefinition ist?) Da die Abtretung ein Vertrag ist, also durch Antrag und Annahme zustande kommt, hat G notwendigerweise eine Willenserklärung abgegeben, die er nun u. U. anfechten kann. Ob er den Antrag oder die Annahme erklärt hat, kann offen bleiben. Nach § 119 Abs. 2 BGB ist eine Willenserklärung anfechtbar, wenn sie eine Sache betrifft, über deren verkehrswesentliche Eigenschaft sich der Erklärende geirrt hat. Hier betrifft die Willenserklärung keine Sache im Sinne des Sachbegriffes, wie wir ihn bisher kennengelernt haben. Gegenstand der Abtretung war eine Forderung, also ein unkörperlicher Gegenstand. Dennoch ist §119 Abs. 2 BGB anwendbar. Das Wörtchen „Sache" in §119 Abs. 2 BGB ist gleichzusetzen mit Gegenstand. Es umfaßt sowohl die körperlichen Gegenstände (Sachen im Sinne des §90 BGB) als auch vergeistigte Gegenstände (Rechte). (Wiederholen Sie die Einteilung der Rechtsobjekte.) Nun fragt es sich, ob G über eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Forderung geirrt hat. Verkehrswesentliche Eigenschaften sind solche, die die Wertschätzung einer Sache im Verkehr ausmachen. Hinsichtlich einer Forderung ist es von großer Bedeutung, ob man sie durch Einziehung sofort zu Bargeld machen kann oder ob man noch längere Zeit mit der Einziehung warten muß. Ist eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken (§ 271 Abs. 1 BGB). Jede Leistung ist grundsätzlich sofort fällig. Die Parteien können jedoch durch Vereinbarung die Fälligkeit der Leistung hinausschieben. Eine solche Vereinbarung kann bei Vertragsschluß erfolgen; sie ist aber auch noch zulässig, wenn die Leistung bereits fällig geworden ist. Man nennt sie Stundung. Die Frage der Fälligkeit berührt die Belange des G indessen nur, wenn er sich die Stundungsabrede zwischen S und D entgegenhalten lassen muß. Die Stundung begründet ein Leistungsverweigerungsrecht auf Zeit. Leistungsverweigerungsrechte werden wir noch in großer Zahl und näher kennenlernen. Sie können auf Zeit (vorübergehend, verzögerlich, aufschiebend) oder endgültig zur Verweigerung der Leistung berechtigten (endgültig z. B. die Verjährung).

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Ihre Besonderheit liegt darin, daß der Anspruch des Gläubigers zwar bestehen bleibt, aber zeitweilig oder endgültig nicht durchgesetzt werden kann. Derartige Leistungsverweigerungsrechte tragen die rechtstechnische Bezeichnung Einrede. Eine solche Einrede ist auch die Stundung. Genauer gesagt: Sie ist eine verzögerliche Einrede. Beruft sich der Schuldner auf die Stundung, so läßt das den Bestand des geltend gemachten Anspruches zwar unberührt; aber der Anspruch kann bis zum Ablauf der Stundungsfrist nicht durchgesetzt werden. Nun ist die Stundung eine Vereinbarung schuldrechtlicher Natur zwischen Gläubiger und Schuldner. Sie werden sich erinnern, daß schuldrechtliche Beziehungen immer nur im Verhältnis zwischen bestimmten Personen bestehen. (Wenn Sie sich nicht erinnern, Fall Nr. 8 nachlesen. Lesen Sie den ganzen Fall nach, damit Sie nicht eingleisig lernen!) Deswegen könnte sich G auf den Standpunkt stellen, die Vereinbarung zwischen S und D gehe ihn nichts an. Diese Ansicht ist falsch. §398 S. 2 BGB bestimmt, daß der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen tritt, d.h. er erwirbt durch die Abtretung nicht mehr und nicht weniger als der alte Gläubiger gehabt hat. Hinsichtlich der Einwendungen und Einreden wird dieser Grundsatz durch §404 BGB (nachlesen!) ausdrücklich normiert. Dort ist zwar nicht von Einreden sondern von Einwendungen die Rede, und Einrede ist nicht gleich Einwendung. Einwendungen entstehen durch Vorgänge, die den Bestand des Anspruchs berühren, sie gehen an seine Substanz. Die Einwendung vernichtet den Anspruch ganz oder teilweise und endgültig. Die Juristen unterscheiden zwischen rechtshindernden und rechtsvernichtenden Einwendungen. Der Unterschied ist folgender: Die rechtshindernde Einwendung läßt den Anspruch gar nicht entstehen. Z. B. ein Geschäftsunfähiger kauft ein Auto. (Wer ist geschäftsunfähig? Wiederholen!) Es kommt kein Kaufvertrag zustande, weil die Willenserklärung des Geschäftsunfähigen von Anfang an nichtig ist. Also erlangt der Käufer keinen Anspruch auf Lieferung des Autos und der Verkäufer keinen Kaufpreisanspruch. Der wirksame Abschluß eines Kaufvertrages wird durch die Einwendung (oder den Einwand) der Geschäftsunfähigkeit verhindert. Die rechtsvernichtende Einwendung beseitigt einen Anspruch oder eine Forderung, der oder die einmal bestanden haben. Z. B. die Kündigung für die Zukunft den Mietvertrag; die Anfechtung für Vergangenheit und Zukunft einen Kaufvertrag oder ein beliebiges anderes Rechtsgeschäft. Obwohl § 404 BGB nur die Einwendungen erwähnt, besteht völlige Einigkeit darüber, daß damit auch die Einreden gemeint sind. G muß sich also die Einrede der Stundung von D entgegenhalten lassen. Deshalb ist die Stundung der abgetretenen Forderung auch im Verhältnis zwischen G und D von verkehrswesentlicher Bedeutung. Da G bei Kenntnis von der Stundung und bei verständiger Würdigung des Falles die Abtretung als Leistung an Erfüllungs Statt nicht vereinbart hätte, kann er seine Willenserklärung, die zum Abtretungsvertrage geführt hat, nach §119 Abs. 2 BGB erfolgreich anfechten. Die Anfechtungserklärung, enthalten in dem Schreiben des G an S, ist an den richtigen Empfänger adressiert (§ 143 Abs. 1 u. 2 BGB). Mithin ist die Abtretung mit rückwirkender Kraft beseitigt (§142 BGB). Dadurch entfällt zugleich die Erfüllungswirkung, welche die Abtretung nach §364 Abs. 1 BGB gehabt hat. Als weitere Folge lebte die ursprüngliche Kaufpreisforderung wieder auf. Sie ist nicht länger erloschen. Also kann G von S umgehende Zahlung verlangen.

61 Arbelten Sie diesen Fall wiederholt durch. Er soll Ihnen Grundsätzliches zu den Begriffen Abtretung, Einrede, Einwendung, Fälligkeit und Stundung vermitteln. Diese Begriffe tauchen zwar immer wieder auf; aber Sie sollen dann „vorbereitet" mitdenken!

Fall Nr. 36: Arglistige Täuschung K verhandelt mit dem Gebrauchtwagenhändler V über den Kauf eines gebrauchten Pkw. Auf die Frage des K, ob der Wagen einen Unfall gehabt habe, versichert V, der Pkw sei unfallfrei. Er weiß jedoch, daß nach einem Unfall die gesamte Vorderachse und einige Teile der Karosserie erneuert werden mußten. Es gelingt dem K, den Kaufpreis auf 2000,— DM herunterzuhandeln. Dieser Preis liegt 200,—DM unter dem Sachverständigen-Taxpreis. Bevor K den Wagen abholt, erfährt er von dem Unfall, sagt aber zunächst nichts. Erst nach 2 Monaten antwortet er dem auf Abholung und Zahlung drängenden V, daß er von dem Unfall erfahren habe und deswegen den Wagen nicht haben wolle. Kann V den Kaufpreis verlangen? Lösung Nach §433 Abs. 2 BGB ist der Käufer verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen. Hier haben sich K und V zwar auf einen Kaufpreis von 2000,— DM und über den Kaufgegenstand geeinigt; es fragt sich jedoch, ob der Kaufvertrag noch besteht. Er könnte durch Anfechtung vernichtet worden sein. In Betracht kommt eine Anfechtung nach §119 Abs. 2 BGB. K hat sich beim Abschluß des Kaufvertrages über die Unfalleigenschaft des Wagens geirrt. Da für Unfallfahrzeuge regelmäßig ein geringerer Erlös erzielt wird als für unfallfreie Autos, stellt die Tatsache, daß ein Auto einen Unfall gehabt hat, eine verkehrswesentliche Eigenschaft dar. Ob die Unfallfolgen technisch einwandfrei beseitigt worden sind, spielt demgegenüber keine wesentliche Rolle. Es ist auch anzunehmen, daß K bei Kenntnis der Unfalleigenschaft den Wagen nicht gekauft hätte. Fraglich ist allerdings, ob er bei verständiger Würdigung des Falles den Kauf unterlassen hätte. Man könnte die Ansicht vertreten, daß nach vollständiger Beseitigung aller Unfallfolgen, also bei einem technisch einwandfreien Fahrzeug, ein objektiver Dritter den günstigen Kauf (200,— DM unter Marktwert) auch in Kenntnis der Unfalleigenschaft getätigt hätte. Daran könnte die Anfechtungsmöglichkeit aus § 119 Abs. 2 BGB bereits scheitern. Die Frage kann aber offen bleiben; denn es sind Bedenken gegen die Rechtzeitigkeit der Anfechtung anzumelden. Die Anfechtung muß unverzüglich erklärt werden (§121 Abs. 1 S. 1 BGB). K hat 2 Monate nach Kenntnis von dem Anfechtungsgrund mit der Anfechtungserklärung gewartet. Daher trifft ihn der Vorwurf schuldhaftenZögerns. Er kann also nicht mehr nach §119 Abs.2 BGB anfechten. Möglicherweise steht ihm aber ein Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung zu Gebote. Nach § 123 Abs. 1 BGB kann seine Willenserklärung anfechten, wer zu ihrer Abgabe durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist. Täuschung Ist das Hervorrufen oder Aufrechterhalten eines Irrtums durch Vorspiegelung oder Unterdrücken von Tatsachen. Vorspiegeln falscher Tatsachen ist die wahrheitswidrige Behauptung tatsächlicher Verhältnisse. Unwahre Wertangaben genügen nicht, es sei denn, der Be-

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fragte ist ausdrücklich als Schätzer mit einer Wertermittlung beauftragt. Ähnlich liegt es, wenn jemand bewußt eine falsche Rechtsauskunft erteilt. Da V auf das ausdrückliche Befragen wahrheitswidrig den Unfall abgestritten hat, hat er eine falsche Tatsache, nämlich die Unfallfreiheit, vorgespiegelt. Das ist mehr als bloßes Verschweigen. Arglistige Täuschung durch Verschweigen von Tatsachen setzt eine Aufklärungspflicht voraus. Sie besteht nicht schlechthin. Der Verkäufer einer Ware ist nicht verpflichtet, die Nachteile der Ware zu offenbaren; ein Stellungssuchender braucht nicht ungefragt über seine Vorstrafen zu berichten oder Charaktermängel mitzuteilen. Nur da, wo der Vertragspartner ersichtlich Wert auf bestimmte Umstände legt, besteht eine Mitteilungspflicht. Wer trotzdem schweigt, täuscht durch Verschweigen. Wer auf ausdrückliches Befragen lügt, spiegelt falsche Tatsachen vor. Das Unterdrücken liegt zwischen dem Vorspiegeln und dem Verschweigen. Beim Schwelgen bleibt der Täuschende völlig passiv; beim Unterdrücken muß der Täuschende Irgendwelche Handlungen vorgenommen haben, um den Partner in die Irre zu führen. Die Grenzen sind flüssig. Dennoch hat die Unterscheidung nicht nur theoretischen Wert. Ist die Täuschung durch Unterdrücken verübt, braucht nicht geprüft zu werden, ob den Täuschenden eine Rechtspflicht zur Mitteilung traf. Er hat nicht nur geschwiegen (nichts getan) sondern unterdrückt (etwas getan). Die Täuschungshandlung muß arglistig begangen sein. Arglistig handelt, wer weiß oder zumindest damit rechnet und In Kauf nimmt, daß die eigenen Angaben falsch sind oder die Wahrheit nicht verschwiegen werden darf und daß der andere im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben sich zu seiner Willenserklärung entschließt. Allein maßgeblich ist die bewußte Beeinflussung des fremden Willens durch die Täuschung. Es kommt nicht darauf an, ob der Täuschende die Absicht hat, sich zu bereichern oder den anderen zu schädigen! V wußte, daß der Wagen einen Unfall gehabt hatte. Er hat also bewußt die Unwahrheit behauptet. Das wollte er auch, um den K zum Kauf zu bewegen. Damit hat er den Willen des K durch falsche Angaben bewußt und gewollt beeinflußt. Er hat also arglistig gehandelt. Die Anfechtungserklärung liegt in der Mitteilung des K. § 124 Abs. 1 BGB läßt die Anfechtung binnen Jahresfrist zu. Sie muß also nicht „unverzüglich" erfolgen. Bei der arglistigen Täuschung beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt (§123 Abs. 2 BGB). Wie bei der Anfechtung nach §119 BGB ist die Anfechtung 30 Jahre nach Abgabe der Willenserklärung ausgeschlossen. K hat nach allem den Kaufvertrag rechtzeitig angefochten, so daß V den Kaufpreis nicht verlangen kann. K kann also anfechten, ohne einen Schaden durch den Kauf des Wagens erlitten zu haben; aber im Regelfalle wird der Getäuschte auch geschädigt sein ¡Wenn er ausnahmsweise keinen Schaden hat, wird man sorgfältig prüfen müssen, ob zwischen der Täuschungshandlung und der Willenserklärung überhaupt ein Ursachenzusammenhang besteht. Dieser wird im juristischen Sprachgebrauch Kausalität genannt. Dafür ein Beispiel: Der Tankstellenpächter P hängt an verkehrsarmen Tagen zur Belebung seines Geschäftes zeitweilig ein Schild mit der wahrheitswidrigen Aufschrift „Schwerbeschädigtenbetrieb" an seine Reklamefläche. Einige Fahrer tanken bei ihm, weil ihnen ohnehin der Treibstoff knapp geworden ist. Können sie den Kauf des Benzins anfechten?

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Lösung Die Anfechtung ist nur zulässig, wenn die Willenserklärung durch die Täuschung verursacht ist, d. h. die Erklärung müßte ohne die Täuschung gar nicht oder nicht so oder nicht zu der Zeit, wie geschehen, abgegeben worden sein. Es genügt, daß die Täuschung nur mitbestimmend war. Wir müssen also prüfen, ob das Schild „Schwerbeschädigtenbetrieb" die Fahrer zum Tanken veranlaßt hat. Wenn die Fahrer das Schild zwar gesehen und auch gelesen haben, jedoch ohnehin tanken wollten oder gar mußten, sind die täuschenden Angaben des P ohne Einfluß auf die Willensbildung der Fahrer geblieben. Mithin können sie auch nicht anfechten. Sollte sich aber jemand gesagt haben, er wolle lieber einem Schwerbeschädigten etwas zu verdienen gaben als irgendeinem anderen Tankstelleninhaber, der an seinem weiteren Wege liegt, so war die Täuschungshandlung kausal und die Willenserklärung anfechtbar (auch ohne Schaden!).

Fall Nr. 37: Täuschung durch Dritte; Kausalität; Fahrlässigkeit Autohändler A hat von V einen Gebrauchtwagen „in Kommission genommen". Der Wagen hat, wie A weiß, einen Unfall gehabt. Trotzdem inseriert er: „Unfallfreier PKW für 2500,— DM zu verkaufen." Dem V schreibt er, er habe den Wagen in der Wochenendausgabe der X-Zeitung angeboten. V macht sich nicht die Mühe, das Inserat nachzulesen. K, der den Wagen als unfallfrei gekauft hat, möchte den Kauf anfechten. Kann er das? Lösung Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist die Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen mußte (§123 Abs. 2 S. 1 BGB). Zunächst ist zu prüfen, ob A Dritter im Sinne des §123 Abs. 2 S. 1 BGB ist. Wer Dritter ist, bestimmt das Gesetz nicht ausdrücklich. Negativ läßt sich sagen, wer als Vertreter eines anderen täuscht, ist jedenfalls kein Dritter. Die Täuschungshandlung eines Vertreters muß sich der Vertretene so anrechnen lassen, als habe er selbst getäuscht (§164 Abs. 1 BGB). Es kommt also nicht darauf an, ob der Vertretene die täuschenden Angaben seines Vertreters gekannt hat oder hätte kennen müssen. Ob A Vertreter des V war, ist zweifelhaft. Aus der Angabe, er habe den Pkw „in Kommission genommen", lassen sich noch keine sicheren Schlüsse ziehen. Vielleicht sollte A nur bei der Werbung eines Käufers behilflich sein, während V die eigentlichen Verkaufsverhandlungen selbst führen wollte. Es kommt also darauf an, wie die Verhandlungen geführt worden sind. Wenn A für V alle Verhandlungen, insbesondere die Preisverhandlungen, geführt hat, und wenn er den Vertrag im Namen des V abgeschlossen hat, war er dessen Vertreter, und K kann ohne weiteres anfechten. Hat A aber nur Käufer gesucht und sie dann an V verwiesen, so war er Dritter. Die Grenzen zwischen einem Vertreter und einem Dritten im Sinne des § 123 Abs. 2 S. 1 BGB können sehr fließend sein! Unterstellen wir, A sei Dritter gewesen. Dann hängt das Anfechtungsrecht des K davon ab, ob V die Täuschung kannte oder kennen mußte. Kennen bedeutet positive Kenntnis haben. Da V die Zeitung nicht gelesen hat, besaß er keine positive Kenntnis von der Täuschung. Fraglich ist, ob er sie kennen mußte. Was Kennenmüssen bedeutet, wird vom Gesetz in §122 Abs. 2 BGB definiert.

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(Lesen Sie diese Bestimmung sorgfältig nach. Durch sie wird die Schadensersatzpflicht desjenigen beschränkt, der nach §119 BGB anficht.) Kennenmüssen ist danach die infolge Fahrlässigkeit bestehende Nichtkenntnis! Wir müssen uns also zunächst mit dem Begriff der Fahrlässigkeit vertraut machen und dazu einen längeren Ausflug wagen: Das menschliche Handeln (Handeln im juristischen Sinne können nur Menschen) läßt sich in einen inneren und einen äußeren Vorgang zerlegen. Der äußere oder äußerliche Vorgang ist das objektive Geschehen, das die Umwelt verändert. Die Veränderung vollzieht sich an Menschen (z. B. Körperverletzungen), an Sachen (z. B. Verbindung, Vermischung) oder auch an Rechten (z. B. Begründung von Forderungen, Eigentumswechsel). Das äußerliche Geschehen ist regelmäßig mit Sinnen wahrnehmbar (z. B. die Verletzungsverhandlung, das Vermischen oder Verarbeiten, die Willenserklärung). Anders verhält es sich mit dem inneren, dem subjektiven Geschehen. Die Gedanken, die sich jemand gemacht hat oder hätte machen sollen, sind am äußeren Geschehen nicht ohne weiteres ablesbar. So kann z. B. ein Verkehrsunfall vom Fahrer eines Kfz's bewußt und gewollt oder durch Nachlässigkeit herbeigeführt werden; der Unfall kann aber auch ausschließlich auf einem Versagen des Materials beruhen. Rein äußerlich kann der Geschehensablauf in dem einen wie in dem anderen Falle dasselbe Bild zeigen. Den äußeren Geschehensablauf bezeichnen die Juristen als objektiven Tatbestand. Zeitlich reicht er von der ersten Bedingung bis zum Handlungserfolg, mit anderen Worten: vom ersten bis zum letzten Glied in der Kausalkette (z. B. vom Aufheben des Steines über das Werfen bis hin zur Verletzung des Opfers oder zur Beschädigung der Sache). Die Kausalität ist also immer eine Frage des objektiven Tatbestandes. Bei der Prüfung des Ursachenzusammenhanges kann also nicht die Frage auftauchen: „Was hat sich der Täter dabei gedacht?" Nach der herrschenden Formel darf die Möglichkeit des Schadenseintrittes infolge der vom Täter gesetzten Bedingung nicht so entfernt liegen, daB sie nach der Lebenserfahrung vernünftigerweise nicht in Betracht gezogen werden konnte (Adaequanztheorle). Sie müssen diese Formel auswendig lernen! Auf den Steinwurf bezogen müßten Sie sich also fragen: „Ist die Möglichkeit der Verletzung eines Menschen durch den Steinwurf unter den obwaltenden Umständen nicht so entfernt, daß sie nach der Lebenserfahrung vernünftigerweise nicht in Betracht gezogen werden kann?" Sie dürfen bei Prüfung der Kausalität also niemals fragen, ob der Täter diese Überlegung angestellt hat, sondern nur, ob der eingetretene Erfolg bei Anlegung eines objektiven Maßstabes ( nach der Lebenserfahrung vernünftigerweise ) nicht außerhalb aller Wahrscheinlichkeit liegt! Nun zur subjektiven Seite menschlichen Handelns: Hat der Täter den Erfolg bewußt und gewollt herbeigeführt, so hat er vorsätzlich gehandelt. Vorsatz ist also der Wille zum Tun oder Unterlassen mit dem Bewußtsein eines für einen anderen schädlichen Erfolges. Von bedingtem Vorsatz oder Eventualvorsatz spricht man, wenn der Täter damit rechnet, daß seine Handlung für einen anderen möglicherweise einen schädigenden Erfolg hat, diesen aber um seiner Handlung willen in Kauf nimmt. Beispiel: A rechnet damit, daß er bei einer rasenden Flucht im Auto andere Verkehrsteilnehmer tödlich verletzen kann; er will aber diese wilde Flucht und nimmt dabei die Tötung anderer Menschen in Kauf.

65 Als Formel sollte man sich die zynischen Worte merken: „Na wenn schon . . . ! " Im Gesetz ist der Begriff des Vorsatzes nicht definiert.

Anders steht es um den Begriff der Fahrlässigkeit. Nach §276 Abs. 1 S. 2 BGB handelt fahrlässig, wer die Im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht läßt Legaldefinition). Vorsatz und Fahrlässigkeit sind Schuldformen. Sie bilden den subjektiven Tatbestand. Der Täter handelt entweder vorsätzlich oder fahrlässig. Er kann auch ohne vorwerfbare innere Einstellung zu seiner Tat gehandelt haben. Dann ist sein Verhalten schuldlos. Das Gesetz kennt allerdings auch eine Haftung ohne Verschulden; sie ist aber nicht die Regel. Einzelfälle werden wir noch kennenlernen. Ob jemand die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen hat, bemißt sich nicht nach der Person des Handelnden (anders im Strafrecht). Obwohl es sich um ein subjektives Tatbestandsmerkmal handelt, stellt das Gesetz auf ein objektives, auf ein abstraktes Maß ab. Es verlangt die „erforderliche" Sorgfalt. Die Frage muß also lauten: „Wie hätte sich ein ordentlicher Mensch bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verhalten?" Dabei kann die Sorgfaltspflicht der jeweiligen Menschengruppe durchaus verschieden sein. Z. B.: Wer mit hoher Geschwindigkeit und einem schweren Lkw durch dichtes Verkehrsgewühl einer Großstadt fährt, ist zu höherer Sorgfalt verpflichtet als der Fußgänger auf dem Bürgersteig; wer kleine Kinder zum Kindergarten geleitet, muß besser auf den Verkehr achten als der Fremdenführer, der eine Gruppe Erwachsener über Baudenkmäler belehrt. Das HGB bringt für Kaufleute eine Sonderregelung. Es verlangt die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes, Frachtführers, Spediteurs (§§ 347, 429 HGB).

Das Gesetz unterscheidet drei Grade der Fahrlässigkeit: 1. Verletzung der Sorgfalt, die man in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt (konkrete Fahrlässigkeit). Hier gilt ein subjektiver Maßstab. Die Sorgfaltspflicht wird der Eigenart des Handelnden angepaßt. Zur Sorgfalt wie in eigenen Angelegenheiten ist z. B. verpflichtet, wer unentgeltlich eine Sache in Verwahrung genommen hat (§ 690 BGB) und der Gesellschafter gegenüber den Mitgesellschaftern (§708 BGB). Beispiel: Wer sein Auto in der abschließbaren, aber unverschlossenen Garage ohne jegliche Sicherung stehen läßt, verletzt zwar die im Verkehr erforderliche Sorgfalt; aber er haftet einem Dritten, dessen Auto er unentgeltlich in Verwahrung genommen hat, nicht, wenn dessen gleichermaßen ungesichertes Auto aus der unverschlossenen Garage gestohlen wird.

2. Verletzung der Im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 1 S. 2 BGB), genannt leichte (gewöhnliche, einfache) Fahrlässigkeit. Beispiel: Hat der Garagenbesitzer für die Verwahrung des Autos ein Entgelt zu fordern, so haftet er für leichte Fahrlässigkeit. Im obigen Falle würde er also haften.

3. Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße (grobe Fahrlässigkeit, vgl. §277 BGB: Dort ist von der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten und der groben Fahrlässigkeit die Rede, also vom 1. und 3. Grad der Fahrlässigkeit!). Als Formel kann man sich merken: Grob fahrlässig handelt, wer nicht beachtet, was Im gegebenen Falle Jedem einleuchten mußte. Oder: Grob fahrlässig ist eine Handlungsweise, die sich mit den Worten kommentieren läßt: „Das ist ja ein starkes Stück!"

66 Beim Vergleich mit dem bedingten Vorsatz (Na wenn schon ) läßt sich hier die Formel verwenden: „Es wird schon gut gehen!" Die Grenzen zur leichten Fahrlässigkeit sind flüssig und absolute Maßstäbe fehlen!

Nun können wir endlich zu der Frage zurückkehren, ob V die von A verübte Täuschung des K fahrlässig nicht gekannt hat. Wir müssen prüfen, ob V bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verpflichtet war, das Inserat, von dem ihm A geschrieben hatte, zu lesen. Würde V gewerbsmäßig Gebrauchtwagen verkaufen oder solche Käufe vermitteln, müßte er also die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes beachten, könnte man ihm eine solche Prüfungspflicht auferlegen. Wenn er jedoch ein Normalbürger ist, wird es schon zweifelhaft. Er darf davon ausgehen, daß A sich korrekt verhalten hat; aber es ist zuzugeben, daß der Fall auf der Grenze liegt. Je nachdem, wie Sie die Frage beantworten (und die Antwort begründen!), kommen Sie zu dem Ergebnis, daß V die Täuschung kennen mußte oder nicht. Davon hängt es sodann ab, ob K den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten kann. Wiederholen Sie die Lösung dieses Falles mit einem Gesprächspartner und diskutieren Sie dabei die Begriffe: Kausalität, objektiver und subjektiver Tatbestand sowie die verschiedenen Arten des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit.

Fall Nr. 38: Wegfall der Geschäftsgrundlage; Abgrenzung von Werkvertrag, Werklieferungsvertrag und Dienstvertrag Die Druckerei D hat von der Gemeinde G im Dezember 1972 den Auftrag erhalten, im Mai 1973 eine Festschrift zum 250-jährigen Bestehen der Gemeinde herauszubringen. Nachdem die Druckerei bereits mit den Arbeiten begonnen hat, zieht die Gemeinde den Auftrag zurück; denn unabänderlich wird die Gemeinde G durch die Gebietsneuplanung ab 1. 5. 1973 ihre Selbständigkeit verlieren und in die Großgemeinde X aufgehen. Das hat sich erst nach Erteilung des Druckauftrages ergeben. Kann die Druckerei ihre Unkosten für die bisherigen Aufwendungen und ihre Gewinnspanne von der Gemeinde G verlangen? Lösung Als Anspruchsgrundlage für das Verlangen der D kommt §631 Abs. 1 BGB in Betracht. Danach wird durch einen Werkvertrag der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Errichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Den bisher besprochenen Fällen lagen in der Mehrzahl Kaufverträge zugrunde. Der Kaufvertrag ist das häufigste Geschäft des täglichen Lebens. Seine Rechtsnatur ist allgemein bekannt. Hier haben wir es mit einem Werkvertrag zu tun. Dieses Rechtsgeschäft hat in den meisten Fällen die Herstellung oder Veränderung einer Sache zum Gegenstand; es kann aber auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg geschuldet sein (§ 631 Abs. 2 BGB), z. B. das Haareschneiden, Anfertigung eines Planes oder eines Gutachtens. Wesentliches Kennzeichen ist die Verpflichtung des Unternehmers zur Herstellung eines bestimmten Arbeitsergebnisses. Der Verkäufer muß etwas liefern, der Unternehmer im Sinne des §631 BGB muß erst etwas hersteilen und das Hergestellte dem Besteller ausliefern. Der Werkvertrag ist typisch für den Handwerkerberuf, insbesondere für den Reparaturvertrag. Hier wird es am deutlichsten, daß der Erfolg

67 geschuldet wird, natürlich nur soweit, wie es in den Kräften eines fähigen Unternehmers steht. Wenn die Reparatur trotz bester Leistung des Handwerkers nicht möglich ist und der Mißerfolg nicht vorauszusehen war, muß auch der Reparaturversuch bezahlt werden. Vom Werkvertrag ist der Dienstvertrag zu unterscheiden. Er ist auf das bloße Wirken, nicht auf den Erfolg des Wirkens gerichtet. Man kann auch sagen, kraft Dienstvertrages w i r d eine zeitbestimmte Arbeit, kraft Werkvertrages eine erfolgsbestimmte Arbeit geschuldet. Der Dienstvertrag ist der Typ des Arbeits- und Angestelltenverhältnisses. Der Umfang der Dienstleistung richtet sich nach Betriebsordnungen, Tarifverträgen, Arbeitsschutzgesetzen und im übrigen nach dem Dienstvertrag.

Da die Druckerei die Herstellung einer Druckschrift schuldete, also eine erfolgsbestimmte Arbeit, handelt es sich bei dem ihr erteilten und von ihr angenommenen „Auftrag" um einen Werkvertrag. Nehmen wir an, die Druckerei sollte die Druckschriften — wie allgemein üblich — aus ihrem Papier herstellen. Damit gelangen wir zu einer Besonderheit im Werkvertragsrecht, nämlich zum sogenannten Werklieferungsvertrag (§ 651 BGB). Verpflichtet sich der Unternehmer, das Werk aus einem von ihm zu beschaffenden Stoffe herzustellen, so hat er dem Besteller die hergestellte Sache zu übergeben und ihm das Eigentum an der Sache zu verschaffen (§ 651 Abs. 1 S. 1 BGB). Das Eigentum muß der Unternehmer dem Besteller verschaffen, weil — anders als bei der Reparatur — die hergestellte Sache dem Besteller noch nicht gehört. So steht es auch um die Festschriften, die die Druckerei aus dem ihr gehörenden Papier herstellen sollte oder z. T. schon hergestellt hat. Auf einen solchen Vertrag finden bei der Herstellung vertretbarer Sachen (was ist das?) die Vorschriften über den Kauf Anwendung. Die Herstellungspflicht wird durch die Lieferung der fertigen Sache ersetzt. Vertretbar ist eine bewegliche Sache, die im Verkehr nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmt zu werden pflegt (§ 91 BGB). Die Festschrift einer bestimmten Stadt zu einem bestimmten Anlaß gehört nicht dazu. In einem solchen Falle gelten nicht alle Vorschriften des Kaufrechts (Nachlesen § 651 Abs. 1 S. 2 BGB). Es bleibt also bei §631 Abs. 1 BGB als Anspruchsgrundlage für den Werklohnanspruch des Unternehmers, hier der Druckerei D. Sie kennen den Grundsatz „pacta sunt servanda" = Verträge sind einzuhalten. Das Gesetz ist indessen nicht so unvernünftig, die Herstellung einer Sache gegen den Willen des Bestellers zu fordern. Das wäre wirtschaftliche Verschwendung! Deswegen hat der Besteller ein jederzeitiges Kündigungsrecht (§649 S. 1 BGB). Die Kündigung beseitigt aber nur die weitere (zukünftige) Herstellungspflicht des Unternehmers und die Abnahmepflicht des Bestellers; ansonsten bleibt der Besteller verpflichtet, die vereinbarte Vergütung zu zahlen. Der Unternehmer muß sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt (§ 649 S. 2 BGB). Das bedeutet für unseren Fall: Die Druckerei kann die vereinbarte Vergütung abzüglich der ersparten zukünftigen Druckkosten ersetzt verlangen. Ihre Forderung würde sich außerdem verringern, wenn sie durch den Auftrag der Gemeinde G voll ausgelastet war und nun, nach der Kündigung, Kapazitäten für andere, ihr übertragene Arbeiten frei geworden sind. Ihr Schaden ist gleich Null, wenn diese Aufträge, die sie sonst hätte ablehnen müssen, höheren Gewinn bringen als der Druck der Festschrift. Die Beweisführung für die Höhe der restlichen Forderung des Unternehmers kann, wie der Fall zeigt, u. U. sehr schwierig sein! Der Gemeinde ist im übrigen nicht damit gedient, daß sie kündigt und sich damit der Zahlungspflicht nach

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§649 S. 2 BGB aussetzt. Es bleibt daher zu überlegen, ob eine andere Möglichkeit besteht, sich vom Vertrage zu lösen. Das würde allerdings dem Grundsatz „pacta sunt servanda" widersprechen. Mit dem geltenden Recht ist es tatsächlich nicht zu vereinbaren, daß einmal geschlossene Verträge dem Wechsel der Verhältnisse ständig angepaßt werden. Vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches galt weitgehend etwas anderes. Im preußischen Allgemeinen Landrecht (in Preußen gültig bis zum 31.12.1899) war die sogenannte „clausula rebus sie stantibus" zu beachten. Sie bedeutet das Gegenteil vom Grundsatz „pacta sunt servanda", nämlich: Jeder Vertrag gilt nur unter dem Vorbehalt gleichbleibender Verhältnisse. Gesetzlich hat dieser Gedanke im BGB nur noch In den §§ 321, 610, 629, 712, 775 BGB Niederschlag gefunden. Die Rechtsprechung hat ihn jedoch ausgedehnt auf die Fälle, in denen ein Festhalten an dem Vertrage für einen oder beide Vertargspartner gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen würde. Damit sind wir bei der wichtigen Vorschrift des §242 BGB. Er lautet: Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Literatur und Rechtsprechung über diese Vorschrift sind kaum noch zu überblicken. Die Clausula ist nur ein Rechtsgedanke, der in §242 BGB beheimatet ist. Statt der Clausula spricht man heute von der Geschäftsgrundlage. Sie kann wegfallen oder erschüttert werden. Es ist heute allgemein anerkannt, daß beim Wegfall oder bei Erschütterung der Geschäftsgrundlage das noch nicht abgewickelte vertragliche Verhältnis neu geordnet werden kann. U. U. entfällt die Leistungspflicht sogar völlig. Insbesondere die Inflation nach dem ersten Weltkrieg hat zu dieser Entwicklung des Rechts Anlaß gegeben. Im Einzelfall ist es oft recht schwierig, festzustellen, was denn nun Geschäftsgrundlage gewesen ist. Nach herrschender Meinung sind Geschäftsgrundlage die Vorstellungen der Parteien über das Vorhandensein oder Vorhandenbleiben oder das zukünftige Eintreten gewisser grundlegender Umstände, die allerdings nicht Vertragsinhalt geworden sind. (Sonst wäre mit ihrem Schicksal das Schicksal des Vertrages kraft Vereinbarung automatisch verbunden.) Hätte aber eine Partei die Sicherheit ihrer Vorstellungen bezweifelt und deswegen den Fortbestand des Vertrages von der Richtigkeit ihrer Vorstellungen abhängig machen wollen, so hätte sich die andere Partei redlicherweise darauf einlassen müssen. Der letzte Satz enthält eine rein hypothetische Betrachtung; denn wirklich vorgesehene oder voraussehbare Änderungen kommen gerade nicht in Betracht. Subsumieren Sie unseren Sachverhalt: War die Eingemeindung voraussehbar, kann das Selbständigbleiben der Gemeinde nicht Geschäftsgrundlage gewesen sein. Unterstellen wir, die Voraussehbarkeit habe gefehlt. Dann müssen wir prüfen, ob die Selbständigkeit der Gemeinde nach den Vorstellungen beider Vertragspartner für die Zukunft als sicher angenommen worden ist. Diese Frage ist zu bejahen. Da die Festschrift gerade das Jubiläum der Eigenständigkeit feiern sollte, darf angenommen werden, eine bleibende Eigenständigkeit sei grundlegender Umstand für den Druckauftrag gewesen, ohne daß die Parteien diesen Punkt ausdrücklich im Vertrage festgehalten haben. Frage ist nur: Hätte sich die Druckerei, wenn die Gemeinde das Fortbestehen ihrer Selbständigkeit In Zweifel gezogen hätte, redlicherweise darauf einlassen müssen, daß die Gemeinde ein weitergehendes Recht zur Loslösung vom Vertrage als das Kündigungsrecht nach §649 BGB haben sollte? Ich möchte diese Frage verneinen, weil der Druckerei sonst ein Risiko aufgebürdet würde, das allein in der Sphäre der Gemeinde liegt. Anders wäre der Sachverhalt zu beurteilen, wenn es das

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Kündigungsrecht aus § 649 BGB nicht gäbe. Die Gemeinde kann sich also nicht auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen.

Fall Nr. 39: Vertragsanpassung bei Wegfall der Geschäftsgrundlage Die Gemeinde hat außerdem 5000 Brathähnchen bei V bestellt. Sie sollten im Festzelt zu günstigen Preisen verkauft werden. Kann V Abnahme der Hähnchen und den Kaufpreis verlangen?

Lösung Hier ist als Anspruchsgrundlage §433 Abs. 2 BGB in Betracht zu ziehen. Das Kaufrecht kennt keine Kündigung. Die speziell-kaufrechtlichen Vorschriften, die unter anderen Umständen eine Lösung vom Kaufvertrag ermöglichen, versagen hier ebenso wie eine Anfechtung nach §§119,123 BGB. Es kommt also darauf an, ob die Gemeinde sich auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen kann. Subsumieren Sie selbständig bis zu der Stelle, an der Sie prüfen müssen, ob V sich redlicherweise auf das Verlangen der Gemeinde nach einer Vertragsänderung oder -auflösung hätte einlassen müssen, wenn die Gemeinde den Fortbestand ihrer Selbständigkeit nicht als sicher angesehen hätte. Das wird zu bejahen sein. Damit gelangen Sie zu dem Ergebnis, daß die zukünftige Selbständigkeit der Gemeinde Geschäftsgrundlage für den Kauf der Brathähnchen war. Nun müssen Sie prüfen, wie die Abnahme- und Zahlungspflicht der Gemeinde im Hinblick auf den Fortfall der Geschäftsgrundlage nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§242 BGB) gestaltet werden soll. Die völlige Auflösung des Vertrages ist die Ausnahme. Manchmal genügt eine Beschränkung der Rechte des einen Teiles oder beider Teile, manchmal ist eine Anpassung an die veränderten Verhältnisse möglich, manchmal die Durchführung oder Auflösung des Vertrages unter Zubilligung eines Ausgleichszahlung. Letzteres dürfte hier angemessen sein. Beim Wegfall der Geschäftsgrundlage gibt es also keine starre Regelung. Notfalls muß der Richter die Regelung treffen.

Fall Nr. 40: Versteckter Dissens A und B sind befreundete Eisengroßhändler. Gelegentlich helfen sie sich bei Lieferschwierigkeiten oder zu großen Lagerbeständen aus. A teilt dem B per Fernschreiber mit: Bestelle 20 to Träger Profil X, Länge 4 m, Preis 17 000,- DM. B antwortet: Einverstanden. Er glaubt, A habe Lieferschwierigkeiten und wolle bei ihm die Träger bestellen. A hat jedoch einen zu hohen Lagerbestand und wollte B auffordern, ihm die 20 to abzunehmen. Muß A die 20 to abnehmen?

Lösung A ist nur dann zur Abnahme verpflichtet, wenn zwischen ihm und B ein Kaufvertrag zustande gekommen ist. A und B haben sich mißverstanden. B hat das Wort „bestelle" als Kurzform für „ich bestelle" gehalten, während A es als Aufforderung (Befehlsform) an B verstanden wissen wollte. Beide Auslegungen

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sind möglich. Die Erklärung des A ist also objektiv mehrdeutig. Beim Inhaltsirrtum ist dagegen eine objektiv eindeutige Auslegung möglich. Mit anderen Worten: Ist der Erklärende einem Inhaltsirrtum zum Opier gefallen, so stimmt seine Willenserklärung äußerlich mit der des Vertragspartners überein. Ein außenstehender Dritter muß über die wahre Vorstellung des Irrenden erst aufgeklärt werden, um zu wissen, daß die Vertragspartner etwas Verschiedenes gewollt haben. Sind die Erklärungen dagegen objektiv mehrdeutig, so ist die Mehrdeutigkeit auch für den außenstehenden Dritten erkennbar, ohne daß er den wahren Willen der Erklärenden überhaupt erfahren muß; z.B.: Jemand betritt ein Musikgeschäft und verlangt Strauß-Noten. Hier ist die Auswahl unter den Namensträgern groß. Decken sich die Erklärungen äußerlich, sind sie aber objektiv mehrdeutig, so sprechen wir von einem versteckten Dissens. Haben sich die Parteien bei einem Vertrage, den sie als geschlossen ansehen, über einen Punkt, über den eine Vereinbarung getroffen werden sollte, in Wirklichkeit nicht geeinigt, so gilt das Vereinbarte, sofern anzunehmen ist, daß der Vertrag auch ohne eine Bestimmung über diesen Punkt geschlossen sein würde (§ 155 BGB). Dem Wortlaut nach gilt §155 BGB in erster Linie für die Fälle, in denen sich die Parteien, ohne es zu merken, über einen Nebenpunkt nicht geeinigt haben. Haben sie sich, wie in unserem Falle, über einen Hauptpunkt nicht geeinigt, so kommt ein Vertrag nicht zustande. Versteckte Einigungsmängel können verschiedene Ursachen haben: Der Grundfall ist der, daß die Parteien bei den Vertragsverhandlungen einen Punkt, über den eine Einigung erzielt werden sollte, schlechthin vergessen. Davon zu trennen, aber nach §155 BGB zu lösen sind die Fälle des Mißverständnisses. Hierher gehört der zuvor besprochene Fall. Schwierig wird es, wenn die Parteien schon äußerlich voneinander abweichende Erklärungen abgeben, aber annehmen, daß sie sich decken (z. B. A bietet an für 50,- DM pro lfd. m, B verhört sich und erklärt, mit 15,— DM sei er einverstanden. Dann verhört sich auch A. Er glaubt, B habe für 50,— DM angenommen. Beim genauen Hinsehen entpuppt sich ein derartiger Sachverhalt als doppelseitiger Erklärungsirrtum (§119 Abs. 1, 2. Altern. BGB). Diese Fälle werden wie ein versteckter Dissens behandelt. Vom versteckten ist der offene Einigungsmangel zu unterscheiden. Fall Nr. 41: Offener Dissens Die befreundeten Baunternehmer A und B wollen gemeinsam für die Bundesbahn bauen. Sie gründen eine Arbeitsgemeinschaft. Da sie unter Zeitdruck stehen, sollen Vereinbarungen über die interne Abrechnung später getroffen werden. A verlangt später von allen Abschlagszahlungen jeweils die Hälfte, während B, der den gesamten Maschinenpark stellt, für sich 2 h verlangt. Lösung Wenn zwei oder mehr Unternehmer sich zusammenschließen, um gemeinsam ein größeres Bauvorhaben zu bewältigen, so gründen sie regelmäßig eine Gesellschaft nach dem BGB (§§705 ff. BGB). Aus dem Gesellschaftsverhältnis, das sich weitgehend durch freie Vereinbarungen ausgestalten läßt, folgen die wech-

71 selseitigen Rechte und Pflichten. Dazu gehört insbesondere der Anspruch auf Beteiligung am Gewinn. Die Regelung dieses Anspruches haben A und B bewußt offengelassen, weil ihnen die Zeit fehlte. Nun bestimmt § 1 5 4 BGB, im Zweifel sei ein Vertrag nicht geschlossen, solange sich die Parteien nicht über alle Punkte geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden sollte. Über die Unvollständigkeit ihrer Einigung waren sich A und B im klaren. Es fragt sich also, ob daran die Wirksamkeit der gesamten Vereinbarung scheitern muß. Im Zweifel ist das die gesetzliche Folge; aber eben nur im Zweifel Zunächst ist also durch Würdigung aller Umstände zu ermitteln, ob die Parteien etwas anderes gewollt haben. Erst wenn die Würdigung der Gesamtumstände zu keinem sicheren Ergebnis führt, greift die gesetzliche Folge ein. Man darf annehmen, daß A und B ihre Arbeitsgemeinschaft durch Nachholung einer Einigung retten werden. Das ist die wirtschaftlich vernünftige Lösung; aber wenn sie sich nicht einigen, kann man nicht unterstellen, sie hätten die Arbeitsgemeinschaft auch für den Fall gewollt, daß eine Vereinbarung über die interne Abrechnung scheitern sollte. Der Vertrag ist daher im Zweifel nicht geschlossen. A und B haben folglich keinen vertraglichen Anspruch auf Beteiligung an Abschlagszahlungen. Die Verteilung muß nach gesetzlichen Bestimmungen, deren Erörterung hier verfrüht ist, erfolgen.

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Teil 6: Bedingungen Fall Nr. 42: Zu den Begriffen „Bedingung", „Frist", „Termin", „Vertrag zu Gunsten Dritter" und „Auflage" U möchte in der Gemeinde X einen Zweigbetrieb eröffnen. Er stellt folgende „Bedingungen": 1. Die Gemeinde soll ihm 25 000qm Industriegelände für 3,—DM/qm verkaufen. 2. Auf dem Gelände muß sich ein Brunnen bohren lassen, der den Betrieb von der öffentl. Wasserversorgung unabhängig macht. 3. Bis zum 31.12.1973 muß die Gemeinde das Gelände erschlossen haben. Die Gemeinde stellt ebenfalls „Bedingungen": a) U soll die Bestuhlung des Kindergartens kostenlos liefern. b) Er soll eine eigene Kläranlage bauen, und zwar Innerhalb von drei Jahren nach Betriebsbeginn, spätestens bis zum 31.12.1977. Alle vorstehenden „Bedingungen" werden Inhalt des Grundstückskaufvertrages vom 1.4.1972. Besprechung Mit dem Wort Bedingung werden vielfach Voraussetzungen oder Bestimmungen eines Vertrages bezeichnet, die im juristischen Sinne keine Bedingungen sind. In der Rechtssprache ist unter Bedingung ein zukünftiges ungewisses Ereignis zu verstehen. Sehen wir uns die einzelnen „Bedingungen" auf diese Definition hin an (wir subsumieren): Zu 1.: Der Kaufpreiswunsch des U war Verhandlungsgegenstand vor Abschluß des Vertrages. Vielleicht hatte U so feste Preisvorstellungen, daß er höchstens zum Preise von 3,— DM/qm kaufen wollte. Dann war dieser Preis die wirtschaftliche Voraussetzung für den Abschluß des Kaufvertrages. Ungewiß war nur, ob sich die Parteien auf diesen Preis einigen würden. Die Ungewißheit über die Einigung liegt zeitlich vor dem Vertragsabschluß. Haben sich die Parteien einmal über den Preis geeinigt, so wird er zu einer bekannten Größe innerhalb des Vertrages. Hingegen Ist die Bedingung ein außerhalb des Vertrages liegendes, zukünftiges ungewisses Ereignis, dessen Eintritt die Parteien für möglich halten. Zu 2.: Ob sich auf dem Betriebsgelände ein ausreichend ergiebiger Brunnen bohren läßt, ist eine Tatfrage, die sich erst in der Zukunft beantworten läßt. Man hätte diese Frage vorher klären können. Hätte sich dabei die Ungeelgnetheit des Grundstücks herausgestellt, wäre wegen Fehlens einer wirtschaftlichen Voraussetzung der Vertragsschluß unterblieben. Die Wasserarmut des Grundstücks hätte — ähnlich wie bei der mangelnden Einigung über den Preis — den Vertragsabschluß verhindert. Da hier die Gewißheit über die tatsächlichen Verhältnisse aber erst nach Vertragsschluß zu erlangen Ist, handelt es sich um ein

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zukünftiges ungewisses Ereignis, also um eine echte Bedingung im Rechtssinne. Zu 3.: Bei diesem Punkt gilt es zu unterscheiden: Solange die Parteien darüber geredet haben, ob die Gemeinde bereit ist, das Grundstück innerhalb der genannten Zeitspanne zu erschließen, geht es wieder um das Verhandeln über eine wirtschaftliche Voraussetzung des Vertragsschlusses. Mit der Einigung wurde die Verpflichtung als solche gewiß. Ungewiß bleibt, ob die Gemeinde ihrer Verpflichtung nachkommt; diese Ungewißheit herrscht jedoch bei jedem Vertrage, der zu zukünftigen Leistungen verpflichtet; und das ist der Regelfall. Deswegen hängt es von der Auslegung ab, ob die Erfüllung einer Vertragspflicht ausnahmsweise echte Bedingung ist. Hier könnten die Parteien z. B. vereinbart haben, daß der Kaufvertrag als aufgelöst anzusehen ist, wenn die Gemeinde nicht bis zum 31.12.1972 erschlossen hat. Dann würde es sich um eine Bedingung handeln. Solche Vereinbarungen sind ungewöhnlich; denn U will das Grundstück, auf dem er sich eingerichtet hat, nicht dadurch verlieren, daß die Gemeinde ihre Vertragspflichten nicht erfüllt. Die Auslegung des Vertrages ergibt also, daß die Parteien insoweit keine Bedingung vereinbart haben; vielmehr handelt es sich um eine Verpflichtung, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfüllt werden muß. Der Zeitraum, in dem die Verpflichtung zu erfüllen ist, heißt Frist. Unter Frist ist also ein abgegrenzter Zeitraum zu verstehen. Der 31.12.1973 ist der Endpunkt der Frist. Anfangs- und Endpunkt einer Frist nennt man Termin. Also: Frist = Zeitraum, Termin = Zeitpunkt. Zu a): Übernimmt jemand in einem Vertrage die Verpflichtung, an eine außerhalb des Vertrages stehende Person zu leisten, so ergeben sich im wesentlichen zwei Gestaltungsmöglichkeiten: 1. Die außerhalb stehende Person (der Dritte) erhält einen Anspruch unmittelbar gegen den Verpflichteten. Kann der Dritte die Leistung fordern, so sprechen wir von einem echten Vertrag zu Gunsten Dritter (§328 Abs. 1 BGB). Das ist eine Besonderheit; denn Verträge schuldrechtlicher (obligatorischer) Art berechtigen und verpflichten grundsätzlich nur die am Vertragsschluß unmittelbar beteiligten Personen. Zweck eines echten Vertrages zu Gunsten Dritter ist es, zu vermeiden, daß der Schuldner zunächst an den Gläubiger und dieser dann an den Dritten leistet. Das wird erreicht durch die Verpflichtung des Schuldners, unmittelbar an den Dritten leisten. So lassen sich viele Geschäfte vereinfacht abwickeln. Typisches Beispiel für einen echten Vertrag zu Gunsten Dritter ist die Lebensversicherung. Bei ihr ist im Zweifel anzunehmen, daß der Dritte unmittelbar berechtigt sein soll, die Leistung zu fordern (§ 330 BGB). 2. Von einem unechten Vertrag zu Gunsten Dritter sprechen wir, wenn nur der Gläubiger verlangen kann, daß der Schuldner an den Dritten leistet. In solchen Fällen hat der Dritte kein Forderungsrecht. Im Falle a) ist mangels ausreichender Anhaltspunkte nicht zu erkennen, ob die Parteien ein eigenes Forderungsrecht des Kindergartens begründen wollten. (Kann der Kindergarten Rechtssubjekt sein?) Klar ist nur die Leistungspflicht des U gegenüber einem Vertragsfremden, der dafür keine Gegenleistung zu erbringen hat. Derartige Verpflichtungen nennt man Auflagen. Sie sind zu unterscheiden von öffentlich-rechtlichen Auflagen, die z. B. von der Baubehörde

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gemacht werden können. Die privatrechtliche Auflage unterscheidet sich von der Bedingung dadurch, daß sie eine bestimmte, keine ungewisse Leistungspflicht begründet. Zum Empfange der Leistung ist aber nicht der Vertragspartner berechtigt, sondern ein Dritter. Ob dieser unmittelbar die Leistung fordern kann, hängt davon ab, ob die Auflage Gegenstand eines echten oder unechten Vertrages zu Gunsten Dritter ist. Es gibt also Auflagen, deren Erfüllung der Dritte unmittelbar verlangen kann und solche, deren Leistung an den Dritten nur der Vertragspartner zu fordern berechtigt ist. Zu b): Prüfen Sie die einzelnen Merkmale. Sie werden erkennen, daß b) mit 3) identisch ist. Fall Nr. 43: Eigentumsvorbehalt als aufschiebende Bedingung V hat dem K für 5000,— DM einen gebrauchten LKW verkauft. Da K nicht in bar bezahlen kann, vereinbaren sie, daß V bis zur Zahlung der letzten Rate Eigentümer des LKW bleiben soll. Wie ist die Rechtslage? Besprechung Da nicht gefragt ist, ob V von K etwas verlangen kann oder umgekehrt, brauchen wir nicht nach einer Anspruchsgrundlage Ausschau zu halten. Bei bedingten Rechtsgeschäften muß man sich zunächst die Frage vorlegen, was überhaupt bedingt ist. Sie müssen sich fest einprägen: Das bedingte Geschäft ist immer gewollt und deswegen vollgültig. Nur die Auswirkungen des Geschäfts sind unter die Bedingung gestellt. Bei der aufschiebenden Bedingung tritt die Wirkung zugleich mit dem Bedingungseintritt ein; bei der auflösenden Bedingung fällt die Wirkung mit dem Bedingungseintritt wieder weg. Das bedeutet für unseren Fall: Der Abschluß des Kaufvertrages ist unbedingt. Ihn wollten die Parteien auf jeden Fall; aber eine Wirkung des Kaufvertrages ist aufschiebend bedingt. Zur Wirkung des Kaufvertrages gehört nämlich die Pflicht des Verkäufers, dem Käufer das Eigentum an der verkauften Sache zu verschaffen. Diese Wirkung wollen die Parteien nicht unbedingt eintreten lassen. K soll vielmehr erst Eigentümer werden, wenn er voll bezahlt hat. Sein Eigentumserwerb ist mithin aufschiebend bedingt durch die Zahlung der letzten Rate (Eigentumsvorbehalt). Bis zu diesem Zeitpunkt besteht ein Schwebezustand. Der Erwerber erlangt ein Anwartschaftsrecht, das als echtes Vermögensrecht gesetzlich geschützt ist (§§ 160,161 BGB). Mit Bedingungseintritt erstarkt es zum Vollrecht (§ 158 Abs. 1 BGB). Diese Folge tritt ohne Rücksicht darauf ein, ob sie von allen Vertragsteilen noch gewollt ist. Das ist die Konsequenz des unbedingten Vertragsabschlusses. Fall Nr. 44: Auflösende Bedingung V hat dem K einen LKW mit der Absprache übereignet, das Eigentum solle an V zurückfallen, wenn K seine Lizenz als Ferntransportunternehmer verliert. Wie ist die Rechtslage?

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Besprechung Ungewiß ist hier nicht, wann K Eigentümer wird, sondern wie lange er Eigentümer bleibt. Ist die beabsichtigte Wirkung des Rechtsgeschäftes, hier die Eigentumsverschaffung, bereits erzielt und soll sie bei Eintritt eines zukünftigen ungewissen Ereignisses wieder fortfallen, so sprechen wir von einer auflösenden Bedingung. Auch das unter einer auflösenden Bedingung stehende Rechtsgeschäft befindet sich in einem Schwebezustand (§158 Abs. 2 BGB). Bei Bedingungseintritt wird der frühere Rechtszustand automatisch wieder hergestellt. Das bedeutet für den vorliegenden Fall: Verliert K die Fernfahrerlizenz, erlangt V ohne weiteres das Eigentum am LKW zurück. Auch V, der unter einer auflösenden Bedingung berechtigt ist, genießt eine gesetzlich geschützte Anwartschaft (§ 160 Abs. 2 und § 161 Abs. 2 BGB). Fall Nr. 45: Schadensersatzpflicht des bedingt Berechtigten Der Vater V hat seinem Sohn S einen PKW geschenkt. Sie haben vereinbart, daß S den Wagen zurückgeben muß, wenn er nicht bis zum 31. 12. 1972 sein Diplomexamen bestanden hat. S verursacht im November 1972 mit dem PKW schuldhaft einen Totalschaden. Nachdem S durch das Examen gefallen ist, verlangt der Vater Schadenersatz. Mit Recht? Lösung Der Anspruch des V könnte aus §160 Abs. 2 BGB begründet sein. S ist sofort Eigentümer des PKW geworden. Die Vereinbarung sieht kein Erstarken einer Anwartschaft des S vor; sein Eigentum am PKW soll vielmehr unter Umständen an V zurückfallen. S ist also auflösend bedingter Eigentümer. V hat bis zum Bedingungseintritt eine Anwartschaft. Nachdem die auflösende Bedingung eingetreten ist, wird der frühere Rechtszustand ohne Zutun der Parteien wieder hergestellt (§ 158 Abs. 2 BGB). V wird also automatisch Eigentümer des PKW. Das Eigentum an einem Haufen Schrott ist wirtschaftlich aber weniger wertvoll als das Eigentum an dem intakten Fahrzeug. S hat also den Wiedereintritt des früheren Zustandes beeinträchtigt. V kann daher Schadenersatz verlangen. Fall Nr. 46: Zwischenverfügungen; Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft Wie Fall Nr. 45; aber S hat den PKW im November 1972 an D veräußert. D kennt die Absprache zwischen V und S nicht. Kann V den PKW von D herausverlangen? Lösung Gesetzliche Grundlage für das Herausgabeverlangen des V könnte §161 Abs. 2 BGB sein. Wie bei §160 BGB muß §161 Abs. 2 BGB in §161 Abs. 1 BGB „hineingelesen" werden. Das bedeutet: Nach §161 Abs. 1 BGB ist eine Zwischenverfügung desjenigen unwirksam, der zuvor unter der aufschiebenden Bedingung verfügt hatte. Nach §161 Abs. 2 BGB ist die Zwischenverfügung desjenigen unwirksam, der unter auflösender Bedingung berechtigt war.

76 Aus der Besprechung des Falles Nr. 45 wissen wir, daß S auflösend bedingter Eigentümer des P K W war. Als nächstes fragen wir uns, ob S eine Zwlschenverfügung getroffen hat, d. h. ob er vor Bedingungseintritt, also in der Schwebezeit über den P K W verfügt hat. An dieser Stelle ist es erforderlich, sich den Unterschied zwischen einem Verpflichtungs- und einem Verfügungsgeschäft deutlich zu machen. Unter Verpflichtungsgeschäften versteht man Rechtsgeschäfte, die Ansprüche entstehen lassen. Das Verpflichtungsgeschäft schafft also schuldrechtliche Ansprüche. Es wird auch Kausalgeschäft genannt. Ein Beispiel: Durch den Abschluß des Kaufvertrages wird der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die verkaufte Sache zu übergeben und das Eigentum an ihr zu verschaffen. Der Käufer verpflichtet sich, den Kaufpreis zu zahlen. Nehmen wir an, V habe ein Fernsehgerät gekauft. Der Abschluß des Kaufvertrages läßt nur die beiderseitigen Verpflichtungen entstehen. A n der dinglichen Rechtslage ändert sich zunächst nichts. V bleibt trotz Abschluß des Kaufvertrages solange Eigentümer des Gerätes, bis er seine Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag erfüllt hat.

Die Erfüllung des Verpflichtungsgeschäftes ist regelmäßig das Verfügungsgeschäft (Erfüllungsgeschäft); denn Verfügungen im Sinne des B G B sind Geschäfte, welche die Rechtslage eines Gegenstandes unmittelbar ändern. Eine unmittelbare Änderung vollzieht sich bei der Übertragung, Belastung und Aufhebung von Rechten. Wenn V das Eigentum an der Sache von sich auf den Käufer K überträgt, wird aus seinem Eigentumsrecht dasjenige des K. Damit ändert sich die dingliche Rechtslage. Am Schicksal der Kaufpreisforderung läßt sich eine gleiche Entwicklung verfolgen: Der Kaufvertrag begründet die Verpflichtung des Käufers, den Kaufpreis zu zahlen. V erlangt dadurch eine Geldforderung. Darin erschöpft sich das Verpflichtungsgeschäft. Wenn K nun zahlt, also erfüllt, dann erlischt die Kaufpreisforderung, d. h. sie geht unter. Damit wird ihre Rechtslage unmittelbar verändert. Die Erfüllung ist also eine Verfügung. Denkbar ist auch, daß V dem K nach Abschluß des Kaufvertrages die Zahlung der letzten Rate erläßt. Bis zu diesem Erlaß bestand die restliche Kaufpreisforderung. Durch die ratenweise Erfüllung war sie nach und nach getilgt worden. Jede Ratenzahlung enthielt eine Verfügung über ein Stück Kaufpreisforderung. Durch eine Vereinbarung, auf Grund der K die letzte Rate nicht mehr zu zahlen braucht, heben die Parteien die restliche Kaufpreisforderung auf und beseitigen sie damit. Sie treffen also wieder eine Verfügung: Die Rechtslage der Restforderung wird unmittelbar geändert. Bei vielen Kaufverträgen des täglichen Lebens fallen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft zeitlich fast zusammen, z. B. beim Barverkauf über den Ladentisch. Trotzdem vollziehen sich auch hier juristisch zwei verschiedene Vorgänge. Deutlich wird das, wenn der Verkäufer die Ware ins Haus schickt. Der Kaufvertrag, das Verpflichtungsgeschäft ist geschlossen mit der Einigung zwischen Verkäufer und Käufer über die zu liefernde Ware und den zu zahlenden Preis. Erfüllt, verfügt wird erst mit der Lieferung und Bezahlung. Noch deutlicher zeigt sich die juristische Trennung, wenn Kaufleute schriftliche Kaufverträge schließen, die erst nach langer Zeit (Lieferzeit und Zahlungsziel) zu erfüllen sind. Zurück zum Ausgangsfall:

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Im Sachverhalt heißt es, S habe den PKW veräußert. Dieser Ausdruck kennzeichnet ein Verfügungsgeschäft. In ihm liegt nach dem Sprachgebrauch die Aussage, es habe ein Übertragungsakt stattgefunden. Die Verfügung kann, wie das Beispiel mit dem Kaufvertrag zeigt, verschiedene Gegenstände betreffen. Die Parteien können Sachen übereignen oder verpfänden — dann verfügen sie über das Eigentum. Sie können ein Pfandrecht aufgeben — dann verfügen sie unmittelbar über das Pfandrecht und mittelbar über das Eigentum. Die Verfügung muß aber nicht immer ein dingliches Recht betreffen; sie kann auch auf die Änderung eines schuldrechtlichen Anspruchs gerichtet sein, z. B. die Erfüllung oder Aufhebung einer Kaufpreisforderung. Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte lassen sich also nicht danach unterscheiden, ob ein obligatorisches oder ein dingliches Recht betroffen Ist, sondern nur danach, wie es betroffen ist. S hat also in der Schwebezeit verfügt. Derartige Zwischenverfügungen sind nach §161 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Die Anwartschaft des bedingt Berechtigten — hier die Anwartschaft des früheren Eigentümers auf den Rückfall des Eigentums — soll durch die Zwischenverfügung nicht beeinträchtigt werden. Daher müßte das Eigentum „eigentlich" an den V zurückfallen. Diese Normalfolge tritt jedoch nur ein, wenn der Erwerber einer Sache die Bedingung kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (was heißt grobe Fahrlässigkeit?). Ansonsten erwirbt er die Sache trotz des Bedingungseintritts gutgläubig (§161 Abs. 3 BGB). Die maßgeblichen Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb stehen im Sachenrecht (§ 892, 932 ff. BGB). Wir werden sie später noch näher kennenlernen. Da D die Absprache zwischen V und S nicht kannte (unterstellt: sie war ihm auch nicht infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt), kann V den PKW nicht von ihm zurückfordern. Merke: Das Verpflichtungsgeschäft läßt Rechte entstehen — das Verfügungsgeschäft ändert sie.

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Teil 7: Gesetzliche und rechtsgeschäftliche Vertretung Fall Nr. 47: Gesetzliche Vertretungsmacht der Eltern V und M sind die Eltern des 20-jährigen K, der als Fliesenleger monatlich 1800,- DM netto verdient. Von seinen Ersparnissen kauft sich K einen PKW für 6000,- DM. Da K nicht zahlt, will sich der Verkäufer X an die Eltern halten, die mit dem Kauf einverstanden waren. Mit Recht? Lösung X kann die Eltern des K nur dann aus §433 Abs. 2 BGB in Anspruch nehmen, wenn zwischen ihm und den Eltern ein Kaufvertrag zustande gekommen ist. Wir müssen also untersuchen, welche Bedeutung es hat, daß die Eltern sich mit dem Kauf einverstanden erklärt haben. Zwei Möglichkeiten kommen in Betracht: Entweder wollten sie den PKW im eigenen Namen kaufen oder sie wollten der Handlungsweise ihres Sohnes zustimmen. Haben sie im eigenen Namen gehandelt, dann sind sie aus dem Kaufvertrag verpflichtet. Im anderen Falle dürfte wohl nur der K haften; aber das soll jetzt näher geprüft werden. Nach dem Sachverhalt ist davon auszugehen, daß K den PKW im eigenen Namen gekauft hat. Er wollte sich selbst verpflichten; Rechtsgeschäft eines Minderjährigen, die ihm nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil bringen, sind jedoch schwebend unwirksam (§107 BGB). Da der Kaufvertrag zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet, bringt er dem Minderjährigen nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil. Folglich bedarf K zum wirksamen Abschluß des Kaufvertrages der Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter. Gesetzliche Vertreter der ehelichen Kinder sind die Eltern. Sie heißen gesetzliche Vertreter, weil ihre Vertretungsmacht allein auf dem Willen des Gesetzes beruht. Ob die Eltern wollen oder nicht: Mit der Geburt eines Kindes werden sie dessen gesetzliche Vertreter. Darüber hinaus bestimmt das Gesetz, unter welchen Voraussetzungen ihre Vertretungsmacht ruht oder sie ihnen entzogen werden kann (§§ 1673 ff. BGB). Die gesetzliche Vertretungsmacht ist ein Teil der elterlichen Gewalt. Als Elternrecht steht sie unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes (Art. 6 Abs. 2 und 3 GG). Deswegen kann sie nur durch richterliche Entscheidung berührt werden. Dem Recht der Eltern, ihre Kinder gesetzlich zu vertreten, entspricht die Pflicht, dieses Recht wahrzunehmen, d. h. die Eltern können sich nicht ihrer Vertretungspflicht nach Belieben entziehen. Weigern sie sich beharrlich, die Kindesinteressen wahrzunehmen, dann kann ihnen der Richter die elterliche Gewalt entziehen. Leben die Eltern nicht nur vorübergehend getrennt, so kann das Vormundschaftsgericht auf Antrag eines Elternteils die elterliche Gewalt dem Vater oder der Mutter übertragen. Das gleiche gilt nach einer Scheidung der Eltern; aber hier schreitet das Vormundschaftsgericht von Amts wegen ein. Ein Antrag der Eltern ist also nicht erforderlich. Ist kein Elternteil geeignet, die elterliche Gewalt zum Wohle des Kindes auszuüben, so überträgt das Vormundschaftsgericht die elterliche Gewalt auf einen Vormund §§1671 Abs. 5, 1773 BGB). Auch der Vormund wird gesetzlicher Vertreter genannt, aber nicht mit der gleichen Berechtigung wie die Eltern. Die Eltern erlangen ihre Stellung als gesetzlicher Vertreter allein durch den Willen des Gesetzes. Der Vormund wird dagegen unter vielen möglichen Personen vom Gericht ausgewählt. Er gelangt in seine Stellung als „gesetzlicher Vertreter" also nur durch eine Entscheidung des Ge-

79 richts. Dennoch ist die Bezeichnung als gesetzlicher Vertreter gerechtfertigt; denn ebenso wie bei den Eltern bestimmt auch beim Vormund das Gesetz den Umfang der Vertretungsmacht. Die Beteiligten, also Eltern und Kinder oder Vormund und Mündel, können nicht aushandeln, wie weit die Vertretungsmacht der Eltern oder des Vormunds gehen soll. Die Vertretungsbefugnisse sind abschließend und zwingend im Gesetz geregelt.

Was bedeutet nun Vertretungsmacht? Sie ist das Recht, einen anderen durch Willenserklärung verpflichten zu können. Daraus folgt, daß der Vertreter durch die im Rahmen seiner Vrtretungsmacht abgegebenen Erklärungen nicht persönlich verpflichtet wird (§ 164 Abs. 1 BGB). Ob jemand im eigenen oder im fremden Namen — nur im letzten Falle ist er Vertreter — handeln will, hängt von seiner ausdrücklichen Erklärung oder von den Umständen ab (§ 164 Abs. 1 S. 2 BGB). Im vorliegenden Falle sprechen schon die Umstände dafür, daß die Eltern den Willenserklärungen ihres minderjährigen, aber finanzstarken Sohnes zustimmen wollten. Sie wollten den Wagen nicht im eigenen Namen kaufen, sondern nur ihre Zustimmung als gesetzliche Vertreter (§108 Abs. 1 BGB) erklären. Deshalb ist allein der Sohn Partei des Kaufvertrages. X kann daher von V und M keine Bezahlung verlangen. Fall Nr. 48: Vollmacht, Form, Innen- und Außenverhältnis A beauftragt den B, für ihn auf dem Großmarkt 20 Kisten Äpfel und 20 Kisten grünen Salat einzukaufen. Die Auswahl der Qualitäten und die Preisverhandlungen überläßt A dem B. B verhandelt mit V und gibt sich dabei als Vertreter des A aus. Später verweigert A gegenüber dem Verkäufer V die Bezahlung mit den Worten, er habe dem B keinen schriftlichen Auftrag gegeben und B habe zu teuer eingekauft. Muß A bezahlen? Lösung Wir prüfen zunächst, ob zwischen A und V ein Kaufvertrag besteht. Da A nicht persönlich mit V verhandelt hat, ist zu untersuchen, ob B den A verpflichten konnte. Nach §164 Abs. 1 S. 1 BGB wirkt eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, unmittelbar für und gegen den Vertretenen. B hat bei den Verhandlungen erklärt, nicht im eigenen, sondern im Namen des A zu handeln. Damit ist eine Voraussetzung für die Anwendbarkeit des §164 Abs. 1 S. 1 BGB erfüllt. Es bleibt zu prüfen, ob B Vertretungsmacht besaß. Eines ist sicher: Gesetzlicher Vertreter des A war er nicht. Das Gesetz kennt aber neben der gesetzlichen die rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht (§166 Abs. 2 BGB). Sie wird Vollmacht genannt. Nicht das Gesetz bestimmt, ob und in welchem Umfange jemand Bevollmächtigter wird und wie weit die Vollmacht reicht; dafür ist vielmehr der rechtsgeschäftliche Wille des Vollmachtgebers maßgeblich. Er sucht sich seinen Bevollmächtigten aus und bestimmt, wie weit die Vollmacht gehen soll. So war es auch im vorliegenden Falle. A hat den B ausgewählt und ihn beauftragt, für ihn einzukaufen. Nun aber aufgepaßt: Die Juristen unterscheiden zwischen der Vollmacht und dem Rechtsverhältnis, das der Vollmacht zugrunde liegt. Man kann sich diese

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Beziehung zwischen Vollmacht und dem zugrunde liegenden Rechtsgeschäft wie folgt klar machen: A bittet den B, für ihn einzukaufen. Erklärt sich B dazu bereit, und verlangt er dafür kein Entgelt, so haben die beiden einen Vertrag geschlossen, den man Auftrag nennt (§ 662 BGB). Auf Grund dieses Vertrages ist B zwar berechtigt und verpflichtet, für A tätig zu werden; aber Rechte und Pflichten bestehen nur im Verhältnis zwischen A und B (Innenverhältnis). Damit B auch nach außen, also im Verhältnis zu irgendeinem Dritten (Außenverhältnis), wirksam den A verpflichten und der eigenen Haftung entgehen kann, braucht B noch mehr, nämlich die Vollmacht. Deswegen läßt sich das Verhältnis zwischen Grundgeschäft und Vollmacht auch so ausdrücken: Die Vollmacht ist das Mittel zur Erreichung des mit dem Grundgeschäft angestrebten Zwecks. Die Vollmacht schwebt gewissermaßen über dem Auftrag. Deswegen sagt man auch, sie sei abstrakt, d. h. sie ist von dem Grundgeschäft unabhängig. Der Gegensatz von abstrakt heißt kausal (causa - lat. - = Grund). Kausal bedeutet also in diesem Zusammenhang „zum Grundgeschäft gehörig" (sonst: „ursächlich"). Die Unterscheidung zwischen Grundgeschäft und Vollmacht kann im Einzelfall Bedeutung erlangen, soll aber hier nicht vertieft werden.

Nach allem hat A den B bevollmächtigt, für ihn einzukaufen. Fraglich bleibt, ob die Verteidigung des A beachtlich ist. Sein erster Einwand, er habe dem B keine schriftliche Vollmacht gegeben, betrifft die Frage der Formbedürftigkeit. Grundsätzlich ist die Vollmacht formfrei. Deshalb kann sie auch durch schlüssiges Verhalten erteilt werden. Die Vollmacht bedarf nicht einmal dann der Form, wenn das Geschäft, für das sie Vertretungsmacht gewährt, formgebunden ist. Z. B.: Der Abschluß eines Kaufvertrages über ein Grundstück muß notariell beurkundet werden (§313 BGB). Handelt für den Verkäufer oder für den Käufer ein Vertreter, so muß er zwar den Antrag und die Annahme notariell beurkunden lassen; aber der Verkäufer und der Käufer können ihren Bevollmächtigten (Vertretern) formlos Vollmacht erteilen. Die Rechtsprechung fordert allerdings eine beurkundete Vollmacht für Grundstücksverkäufe, wenn die Vollmacht unwiderruflich ist; denn mit der Unwiderruflichkeit gibt sich der Vollmachtgeber zu sehr in die Hand des Bevollmächtigten. Um ihn einen so weitgehenden Schritt nochmals überlegen zu lassen, verlangt die Rechtsprechung die Beachtung der Form. Darüber hinaus schreibt das Gesetz in Einzelfällen eine Form vor, z.B. im Grundbuchverkehr (§29 GBO, §80 ZPO, §13FGG, §71 Abs.2ZVG, §114 Abs. 3 AktG, §12HGB, § 2 Abs.2GmbHG). Die Form soll hier u.a. der Rechtssicherheit dienen, in den anderen Fällen zugleich eine Warnfunktion erfüllen.

Da das Gesetz für den vorliegenden Fall keine Form verlangt, ist die Vollmacht formlos gültig. Die Einwendung des A ist also unbeachtlich. Der weitere Einwand des A, B habe zu teuer eingekauft, ist unbeachtlich, weil der Vertretene gem. §164 Abs. 1 S. 1 BGB das Verhalten seines Vertreters so gegen sich gelten lassen muß, als habe er — der Vertretene - persönlich die Willenserklärungen abgegeben. Die Erklärungen des Vertreters gelten als Erklärungen des Vertretenen, und die Erklärungen gegenüber einem Vertreter gehen gewissermaßen durch diesen hindurch und treffen den Vertretenen. Das ist die Bedeutung des § 164 Abs. 1 S. 1 BGB.

81 Von daher ist es auch verständlich, warum ein Minderjähriger Vertreter sein kann (§165 BGB). Das Gesetz will den Minderjährigen vor Rechtsgeschäften schützen, die ihn selbst verpflichten, aber nicht davor, daß der andere verpflichtet. Derjenige, der einen Minderjährigen zu seinem Vertreter bestellt, mag sich das Risiko überlegen. Selbstverständlich kann ein Minderjähriger keine Vollmacht zu einem Geschäft erteilen, das er nicht selbst wirksam abzuschließen vermag; denn sonst ließe sich der vom Gesetz bezweckte Schutz des Minderjährigen leicht umgehen.

Fall Nr. 49: Bote A beauftragt den B, für ihn von C ein gebrauchtes und bereits ausgesuchtes Fernsehgerät Marke X Typ Y zum Preise von 500,- DM zu kaufen. B kauft statt dessen das Gerät Marke U typ V. Muß A bezahlen? Lösung Ausgangspunkt ist wieder die Frage, ob zwischen A und C ein Kaufvertrag zustande gekommen ist. Hier erscheint zweifelhaft, ob B überhaupt Vertreter des A war. Der Vertreter, der für einen anderen rechtsgeschäftlich handeln soll, vertritt den anderen im Willen. Das ist nur möglich, wenn der Vertreter einen Spielraum zur Willensbildung hat. Fehlt der Spielraum, so fehlt notwendigerweise die Vertretungsmacht. Der Beauftragte ist dann nicht Vertreter sondern Bote. Im Unterschied zum Vertreter besitzt der Bote keinen Entscheidungssplelraum. Er darf nur eine vom Auftraggeber schon festgelegte Willenserklärung weitergeben. Deshalb vertritt er den Auftraggeber nicht bei der Willensbildung, sondern nur bei der Willensäußerung. Man nennt diese Art Boten daher auch Erklärungsboten. Der Erklärungsbote entspricht dem Aktiwertreter. Dem Passivvertreter — der für den Vertretenen entscheidet, ob ein Antrag angenommen werden soll — entspricht der Empfangsbote, der die Willenserklärung des anderen nicht annehmen, sondern nur an seinen Auftraggeber weiterleiten kann. Mit anderen Worten: Aktiv- und Passivvertreter sind das Gehirn des Vertretenen; Erklärungs- und Empfangsbote sind demgegenüber nur Sprach- und Hörorgan des Auftraggebers. Deswegen kann auch ein Geschäftsunfähiger, also ein Kind von 5 Jahren oder ein wegen Geisteskrankheit Entmündigter Bote sein! Ja, sogar eine Brieftaube oder ein Hund lassen sich als Bote einsetzen. Da B keinen Entscheidungsspielraum hatte, sondern nur das von A bestimmte Gerät kaufen sollte, war er nicht Vertreter sondern Erklärungsbote. Folglich kann die Wirkung des §164 Abs. 1 S. 1 BGB nicht eintreten. A braucht daher nicht zu bezahlen.

Fall Nr. 50: Geschäftsführungs- und Vertretungsmacht; Gesamtvertretungsmacht Die Aktiengesellschaft X hat drei Niederlassungen, eine Hauptniederlassung in Berlin, je eine Zweigniederlassung in Hamburg und München. Im Vorstand sind die Herren A, B und C. A ist Generaldirektor, B ist der technische und C der kaufmännische Direktor. In der Satzung der AG heißt es: Der Vorstandsvorsit-

82 zende kann die Gesellschaft auf allen Gebieten allein vertreten, w ä h r e n d andere Vorstandsmitglieder nur gemeinsam oder jeder zusammen mit d e m Vorstandsvorsitzenden zur Vertretung der Gesellschaft befugt sind. C nimmt für die AG bei der B - B a n k einen Kredit von 100 0 0 0 , - DM zu 1 0 % Zinsen auf. W i r d die AG zur Zinszahlung verpflichtet? Lösung Die A u f n a h m e des Kredits ist rechtlich der Abschluß eines Darlehensvertrages (§607 BGB). Der Darlehensvertrag nimmt gegenüber den sonstigen Verträgen eine Sonderstellung ein. Während ein Vertrag im Regelfalle durch Antrag und Annahme geschlossen wird, kommt der Darlehensvertrag erst mit der Hingabe des Darlehens zustande. Die bloße Einigung über die zukünftige Hingabe des Darlehens nennt man Darlehensvorvertrag. Denken Sie ein wenig zurück an das Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft! Man könnte zu der Ansicht neigen, der Abschluß des Vorvertrages sei der Verpflichtungsvertrag und die Hingabe des Darlehens die Erfüllung, also das Verfügungsgeschäft. So ist es beim Darlehen aber nicht. Merken Sie sich: Der Darlehensvertrag wird erst durch die Hingabe des Darlehens geschlossen. Man folgert das aus dem Wortlaut des § 607 Abs. 1 BGB, in dem es heißt: W e r . . . . als Darlehen empfangen hat. Im Gegensatz zu den Verträgen, die durch übereinstimmende Willenserklärung zustande kommen (Konsensualverträge, consensus — lat. — = Obereinstimmung, Einigung), nennt man den Darlehensvertrag, der durch die Hingabehandlung geschlossen wird, Realvertrag. Gehen w i r davon aus, daß die AG eine Gutschrift von 100 0 0 0 , - DM erhalten und über das Geld bereits verfügt hat. Dann hat sie das Geld empfangen, auch w e n n sich alles bargeldlos abgespielt hat. Damit ist die Frage, ob die AG 1 0 % Zinsen zahlen muß, aber nicht entschieden. § 607 BGB regelt nämlich nur die Rückgabepflicht desjenigen, der etwas als Darlehen empfangen hat. Ob er d a r ü b e r hinaus Zinsen zahlen muß, hängt davon ab, ob Zinsen „ b e d u n g e n " sind (§608 BGB), d. h. ob sie vereinbart sind. Insoweit ist das Darlehen kein Realvertrag sondern ein Konsensualvertrag! Eine Zinszahlung Ist im vorliegenden Falle vereinbart, w e n n C eine Einigungse r k l ä r u n g mit bindender Kraft für die AG a b g e b e n konnte. Als juristische Person ist die AG nur eine gedachte Größe, die allein und durch sich nichts vermag. Sie braucht Organe, um sich zu betätigen. Ihre Organe heißen Hauptversammlung, Aufsichtsrat und Vorstand. Mit dem Vorstand müssen wir uns etwas näher befassen. Er ist der Vertreter der AG, den sie kraft Gesetzes haben muß. Daher wird der Vorstand gesetzlicher Vertreter der AG genannt. Wenn Sie die Stellung des Vorstandes mit der der Eltern und der des Vormundes vergleichen, werden Sie erkennen, daß der Vorstand mit demselben Recht wie der Vormund gesetzlicher Vertreter heißt: In den Vorstand wird man durch Willenserklärung des Aufsichtsrates berufen (§ 84 Abs. 1 S. AktG). Vormund wird man durch Auswahl seitens des Vormundschaftsrichters. Der Umfang der Vertretungsmacht des Vormundes und des Vorstandes werden jedoch vom Gesetz bestimmt. Das rechtfertigt die Bezeichnung als gesetzlicher Vertreter. Der Vorstand ist aber nicht nur gesetzlicher Vertreter der AG; ihm obliegt auch die Geschäftsführung. Vertretung und Geschäftsführung sind zweierlei. Unter Vertretungsmacht versteht man die Befugnis, die A G nach außen verpflichten zu können, also Rechtsgeschäfte mit Dritten abzuschließen (z. B. Waren zu kaufen oder zu verkaufen). Die Geschäftsführungsmacht ist d e m g e g e n ü b e r die Befugnis, d e n inneren Be-

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trieb zu regeln (z. B. das Fertigungsprogramm zu bestimmen, Baumaßnahmen anzuordnen, Kreditaufnahme zu verbieten oder zu beschränken usw.). Sie kann allen Vorstandsmitgliedern gemeinschaftlich zustehen, aber auch nach Fachgebieten getrennt einzelnen von ihnen übertragen werden. Daher rühren die Titel kaufmännischer und technischer Direktor oder kaufmännischer und technischer Vorstand. Die Zuweisung der Geschäfte kann in der Satzung oder in der Geschäftsordnung des Vorstandes geregelt sein (§ 77 AktG). Wir wenden uns jetzt wieder der Vertretungsmacht des Vorstandes zu. Der Vorstand vertritt die AG gerichtlich und außergerichtlich in allen Angelegenheiten (§ 78 Abs. 1 AktG). Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so müssen alle gemeinschaftlich handeln; die Satzung und mit ihrer Ermächtigung der Aufsichtsrat können aber etwas anderes bestimmen (§ 78 Abs. 3 AktG). Sind mehr als zwei Vorstandsmitglieder vorhanden, wird die gesetzliche Vertretungsregelung der AG leicht schwerfällig. Deshalb ist es üblich, zwei Vorstandsmitgliedern gemeinsam die Vertretung anzuvertrauen. Sie besitzen dann Gesamtvertretungsmacht. Rechtsgeschäfte, die nur einer von ihnen vornimmt, sind unwirksam. Eines ist allerdings möglich: Der Vorstand insgesamt kann ein Mitglied zur Vornahme bestimmter oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen (§ 78 Abs. 3 AktG). Da im vorliegenden Falle C nur zusammen mit B oder A die AG vertreten konnte und eine besondere Ermächtigung gem. §78 Abs. 3 AktG fehlte, ist die Zinsvereinbarung nicht wirksam. Mithin kann die B-Bank von der AG keine 10% vereinbarte Zinsen verlangen. Merke: Geschäftsfiihrungsmacht ist die Befugnis zur Regelung der gesellschaftsinternen Verhältnisse. Vertretungsmacht ist die Befugnis zur Regelung der gesellschaftsexternen Verhältnisse. Fall Nr. 51: Einzelvertretungsmacht (Abwandlung des Falles Nr. 50) Nicht C sondern A hat das Darlehen aufgenommen. Lösung A ist kein gewöhnliches Vorstandsmitglied. Daß er sich „Generaldirektor" nennen darf, hat einen juristischen Hintergrund. Die Vorstandsmitglieder sind zwar im allgemeinen gleichberechtigt; die Satzung oder mit ihrer Ermächtigung der Aufsichtsrat können aber einem Vorstandsmitglied die Befugnis einräumen, die AG allein zu vertreten. Dieses Vorstandsmitglied besitzt dann Einzelvertretungsmacht. Im Regelfalle ist das Vorstandsmitglied, dem Einzelvertretungsmacht bewilligt ist, der Vorsitzende des Vorstandes, Vorstandsvorsitzender genannt; Einzelvertretungsmacht und das Amt des Vorstandsvorsitzenden sind jedoch nicht notwendig miteinander verbunden. Wir können in unserem Falle davon ausgehen, daß A Einzelvertretungsmacht hatte. Unter dieser Voraussetzung ist die Vereinbarung über den Zinsfuß für die AG bindend.

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Fall Nr. 52: Prokura, Filiale, Vollkaufmann (Abwandlung des Falles Nr. 50: Die Zweigniederlassung in Hamburg hat das Darlehen aufgenommen.) In der Satzung der AG heißt es: „Jede Niederlassung wird vertreten entweder durch ein Vorstandsmitglled oder durch ein Vorstandsmitglied zusammen mit einem Prokuristen der Niederlassung oder durch zwei Prokuristen der Niederlassung gemeinschaftlich." Das Darlehen hat das Vorstandsmitglied V zusammen mit dem Prokuristen P aufgenommen. Muß die AG die Zinsen zahlen? Lösung Die Vertretung einer AG kann auch in der Weise geregelt sein, daß ein Vorstandsmitglied mit einem Prokuristen oder zwei Prokuristen zusammenwirken müssen. Dadurch wird die Vertretung noch elastischer. Nicht ohne weiteres ist die Frage zu beantworten, ob eine Niederlassung der AG das Darlehen durch einen für sie bestellten Prokuristen zusammen mit dem Vorstandsmitglied aufnehmen kann. Zwei Probleme stellen sich dabei in den Weg: 1. Kann eine Niederlassung selbständig handeln? 2. Kann für sie ein Prokurist bestellt werden? Bevor Sie hier weiterlesen, wiederholen Sie bitte zunächst die Lösung des Falles Nr. 22 Wir haben dort über die Kaufmannseigenschaft nach § 1 HGB gesprochen und erfahren, daß die Firma der Name des Kaufmannes ist, unter dem er seine Geschäfte betreibt und seine Unterschrift abgibt. Unabhängig von der Art des Geschäftsbetriebs besitzt eine Aktiengesellschaft immer die Kaufmannseigenschaft. Sie ist ein Verein, dem das Gesetz ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Unternehmens die Kaufmannseigenschaft beilegt (§§6 Abs. 2 HGB, 3AktG). Deswegen findet auf die AG immer Handelsrecht Anwendung, auch dann, wenn sie gar kein Gewerbe betreibt, sondern rein ideellen Zwecken nachgeht z. B. die Verschönerung einer Landschaft zu ihrem Ziel erklärt hat.

Zu 1. Das HGB verlangt von jedem Kaufmann eine Niederlassung (z. B. in §§29, 106 Abs. 1 u. 2 Ziff. 2 HGB). Es unterscheidet zwischen der Haupt- und der Zweigniederlassung (§13 Abs. 1 HGB). Zweigniederlassung ist die räumlich von der Hauptniederlassung getrennte Stelle, an der ein Kaufmann persönlich oder mit Hilfe seiner Leute teils abhängig, teils unabhängig von der Hauptniederlassung wirken kann. Im einzelnen füllen folgende Merkmale den Begriff der Zweigniederlassung aus: a) Sie braucht räumliche Selbständigkeit; in einer Stadt können Haupt- und Zweigniederlassung bestehen, jedoch nicht in denselben Räumen. b) Die Zweigniederlassung muß sachlich gleichartige Geschäfte ausführen wie die Hauptniederlassung. Erledigt sie nur Ausführungs- oder Hilfsgeschäfte, so handelt es sich lediglich um einen räumlich anderweitig untergebrachten Geschäftszweig derselben Niederlassung, z. B. die Buchhaltung sitzt in einem gemieteten Gebäude. c) Der Geschäftsbetrieb muß nicht nur zu vorübergehenden Zwecken verlagert oder verteilt worden sein, z. B. für die Dauer einer Messe. d) Die äußere Einrichtung muß der einer Hauptniederlassung gleichen, z. B. eigene Geschäftsräume, eigene Bankverbindungen und -konten, weitgehend gesonderte Buchführung.

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Obwohl die Zweigniederlassung keine selbständige juristische Person ist, kein eigenes Vermögen und keine eigenen gesetzlichen Vertreter hat, darf sie eine eigene Firma führen, die von der des ganzen Unternehmens abweicht. Allerdings muß in der Firma der Zweigniederlassung die Firma des Gesamtunternehmens als Kern zu erkennen sein, z. B. Firma Ewald Schulte GmbH für die Hauptniederlassung und Firma Ewald Schulte GmbH Stahl-Werk für die Zweigniederlassung. Unterstellen wir diese Voraussetzungen für die Niederlassung in Hamburg. Für sie können die Vertretungsverhältnisse gesondert geregelt sein. Sie sind es im allgemeinen, um die Vertretung beweglich zu gestalten. Allerdings ist es nicht möglich, die Vertretungsmacht des Vorstandsmitgliedes einer AG auf die Vertretung der Hauptniederlassung zu beschränken; denn das Vorstandsmitglied vertritt die gesamte juristische Person (AG) und nicht nur einen Teil davon. Da die Zweigniederlassung keine eigene juristische Person darstellt, bleibt sie notwendig ein Teil der AG. Gleiches gilt für die Vorstandsmitglieder einer eingetragenen Genossenschaft (§27 Abs. 2 GenG) und die Geschäftsführer einer GmbH (§ 37 Abs. 2 GmbHG). Anders verhält es sich mit dem Prokuristen. Der Prokurist ist ein Bevollmächtigter besonderer Art. Er ist kein gesetzlicher Vertreter; denn das Gesetz schreibt niemandem vor, einen Prokuristen zu bestellen. Darin liegt der Unterschied zum Vormund, zum Vorstand einer AG oder eingetragenen Genossenschaft und zum Geschäftsführer einer GmbH. Ein Vormund muß bestellt werden, wenn ein minderjähriges Kind keine Eltern mehr hat oder ein Volljähriger entmündigt worden ist, und die Organe der Gesellschaft müssen bestellt werden, wenn die Gesellschaft ins Rechtsleben treten will. Demgegenüber kann ein Vollkaufmann einen Prokuristen bestellen, er muß es aber nicht (§ 48 HGB). Hat der Kaufmann einen Prokuristen bestellt, dann schreibt das Gesetz allerdings einen Mindestumfang der Vertretungsmacht vor, der mit Wirkung gegen Dritte nicht eingeschränkt werden kann. Hier nähert sich der Prokurist dem gesetzlichen Vertreter. Wichtig ist: Nur ein Vollkaufmann kann einen Prokuristen bestellen (§4 Abs. 1 HGB). Deswegen müssen wir uns zunächst die Frage vorlegen: Was ist ein Vollkaufmann? Nach § 4 HGB ist Kaufmann nicht gleich Kaufmann. Es gibt vielmehr Gewerbetreibende, deren Betrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert. Dieser Personenkreis wird Minderkaufleute genannt. Das Gesetz stellt sie grundsätzlich den Vollkaufleuten gleich; aber § 4 Abs. 1 bestimmt, welche Vorschriften auf sie u. a. keine Anwendung finden: Die Vorschriften über die Firmen, die Handelsbücher und die Prokura. Zu den Minderkaufleuten kann nur gehören, wer zwar ein Handelsgewerbe nach § 1 Abs. 2 HGB betreibt, aber keine kaufmännische Einrichtung braucht, weil entweder der Umfang oder die Art der Geschäfte die kaufmännische Einrichtung erübrigen. Wer dagegen Kaufmann nach anderen Vorschriften ist (§§2, 3, 6 HGB), ist immer Vollkaufmann. Da es sich hier um eine Aktiengesellschaft handelt, brauchen wir uns mit der Frage, ob sie einen kaufmännisch eingerichteten Betrieb erfordert, nicht zu befassen. Grundsätzlich kann sie also einen Prokuristen bestellen.

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Fraglich bleibt, wie weit die AG die Vertretungsmacht des Prokuristen beschränken kann. Nach §50 Abs. 3 HGB ist die Prokura beschränkbar auf den Betrieb einer oder mehrerer Niederlassungen, wenn die Niederlassungen verschieden firmieren. Man spricht dann von der sogenannten Filialprokura. Daraus folgt: Für die Niederlassung X konnte eine beschränkte Prokura erteilt werden, wenn sie eine von der Hauptniederlassung und den anderen Zweigniederlassungen verschiedene Firma hat. Das wollen wir unterstellen. Es bleibt zu prüfen, ob die Prokura des P weiterhin so eingeschränkt werden konnte, daß er nur zusammen mit einem anderen Prokuristen oder mit einem Vorstandsmitglied vertretungsberechtigt ist. Nach §48 Abs. 2 HGB kann die Erteilung an mehrere Personen gemeinschaftlich erfolgen (Gesamtprokura). Das ist ein neuer Fall der Gesamtvertretungsmacht. P kann demnach die AG nur wirksam vertreten, wenn er mit dem anderen Prokuristen gemeinschaftlich handelt. Das ist die echte Gesamtprokura. Davon zu unterscheiden ist der Fall, daß der Prokurist an die Mitwirkung eines Vorstandsmitgliedes gebunden ist. Auch diese Art der Beschränkung einer Prokura ist erlaubt. Sie wird (ungenau) unechte Gesamtprokura genannt. Zulässig ist ferner, dem Prokuristen A EinzelProkura zu erteilen und dem Prokuristen B Gesamtprokura zusammen mit A. Dann kann A allein vertreten, während B auf die Mitwirkung des A angewiesen ist. Aus dem Vorstehenden folgt, daß die Prokura des P in zulässiger Weise beschränkt worden ist. P und V haben sich im Rahmen der ihnen eingeräumten Vertretungsmacht bewegt. Durch ihre Erklärungen ist die AG also verpflichtet worden (§164 Abs. 1 BGB). Sie muß daher die Zinsen zahlen.

Fall Nr. 53: Geschäftsführungs- und Vertretungsmacht des Prokuristen Der Prokurist P hat Weisung, Darlehen von mehr als 50 000,- DM nur nach Absprache mit dem Inhaber E des Geschäftes aufzunehmen. Dennoch nimmt P ein Darlehen von 60 000,— DM auf, wofür E 10% Zinsen zahlen soll. Ist E dazu verpflichtet? Lösung Die Antwort hängt davon ab, ob P im Rahmen seiner Vertretungsmacht gehandelt hat (§ 164 Abs. 1 BGB). Nach § 50 Abs. 2 HGB ist eine Beschränkung der Prokura auf die Vornahme gewisser Geschäfte oder gewisser Arten von Geschäften Dritten gegenüber unwirksam. Das ist eine notwendige Folge des §49 Abs. 1 HGB, wonach die Prokura zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen ermächtigt, die der Betrieb des Handelsgewerbes mit sich bringt. Das ist eine zwingende gesetzliche Vorschrift. Die Ausnahme enthält §49 Abs. 2 HGB: Grundstücke kann der Prokurist nur veräußern oder belasten, wenn ihm diese Befugnis besonders erteilt wird. Da die Darlehensaufnahme nicht zu dem Geschäftsbereich gehört, in dem der Prokurist wirksam beschränkt werden kann, ist E an die Vereinbarung des P mit dem Darlehensgeber gebunden. Er muß die Zinsen zahlen. Von der Frage, ob der Prokurist den Inhaber des Geschäftes nach außen verpflichtet hat, ist die Frage zu trennen, ob der Inhaber gegen den Prokuristen

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Rückgriff nehmen kann, wenn der Prokurist die Absprache mit dem Inhaber verletzt. Wir müssen hier ähnlich wie beim Vorstand der AG unterscheiden zwischen dem Außenverhältnis (Vertretungsmacht) und dem Innenverhältnis (Geschäftsführungsbefugnis). Im Außenverhältnis kann die Prokura nur in der vom Gesetz zugelassenen Weise beschränkt werden (Filialprokura, Gesamtprokura); im Innenverhältnis hat es der Geschäftsherr dagegen in der Hand, dem Prokuristen Beschänkungen aufzuerlegen, bei deren Verletzung sich der Prokurist u. U. schadensersatzpflichtig macht. Die Prokura ist nur eine besondere Art der rechtsgeschäftlich erteilten Vertretungsmacht, d. h. eine besondere Vollmacht. Erinnern Sie sich daran, daß die Vollmacht abstrakt ist! Hier wird es deutlich: Wie weit die abstrakte Vollmacht (Prokura) nach außen reicht, schreibt das Gesetz vor; wie weit der Prokurist im Innenverhältnis gehen darf, schreibt ihm der Prinzipal im Anstellungsvertrag vor.

Fall Nr. 54: Form der Prokuraerteilung, Handlungsvollmacht, Handelsregister Im Handelsregister soll eine Prokura eingetragen werden, wonach der Prokurist P die AG nur zusammen mit dem Handlungsbevollmächtigten H vertreten kann. Ist die Eintragung zulässig? Lösung Die Prokura wird formlos erteilt. Wenn der Prinzipal dem kaufmännischen Angestellten P auf die Schulter schlägt und sagt: „Ab morgen sind Sie mein Prokurist" — dann ist P ab morgen Prokurist! Aber die Prokura muß ausdrücklich erteilt werden. (§48 Abs. 1 HGB), d. h. unzweideutig und nicht durch schlüssiges Handeln. Wie grundsätzlich jede Vollmacht ist die Erteilung der Prokura durch Erklärung gegenüber dem Bevollmächtigten oder gegenüber einem Dritten möglich. Der Prinzipal hätte also einem Geschäftsfreund schreiben können, er mache den P mit Wirkung a b . . . zum Prokuristen. Die Veröffentlichung in einer Zeitung oder die Mitteilung an das Handelsregister hätten ebenfalls genügt. Soeben ist ein neuer Begriff aufgetaucht: Das Handelsregister. Es ist aus den Mitgliederlisten der Kaufmannsvereinigungen, den sogen. Gilderollen hervorgegangen. Damals wie heute dient es der Offenbarung von Tatsachen und Rechtsverhältnissen der zum Handelsstand gehörigen Unternehmen. Aus dem Handelsregister ist zu ersehen, wer zum Handelsstand gehört und wie die wichtigsten Rechtsverhältnisse des jeweiligen Unternehmens gestaltet sind. Wegen der großen Bedeutung für den sicheren Ablauf des Handelsverkehrs obliegt die Führung des Handelsregisters den Gerichten, und zwar den Amtsgerichten (§ 8 HGB, 125 FGG). Die Organe des Handelsstandes, denen früher die Registerführung anvertraut war, haben heute nur noch das Recht und die Pflicht, das Registergericht bei Eintragungen zu unterstützen (§ 126 FGG). Bei Eintragung von Handwerkern genießen die Organe des Handwerkerstandes dieselbe Rechtsstellung. Organe des Handelsstandes sind die Industrie- und Handelskammern, Organe des Handwerkerstandes sind die Handwerkskammern.

88 Da das Handelsregister der Unterrichtung über die Verhältnisse des Kaufmanns dient, steht es jedem ohne Angabe von Gründen frei, das Handelsregister und alle zu ihm eingereichten Schriftstücke einzusehen (§9 Abs. 1 HGB) oder von den Eintragungen eine Abschrift zu fordern (§ 9 Abs. 3 HGB). Außerdem hat das Gericht jede Eintragung im Bundesanzeiger zu veröffentlichen (§10 Abs. 1 HGB). Darüber hinaus muß das Gericht die Eintragung mindestens in einem anderen Blatt bekanntmachen. Dieses Blatt bestimmt das Gericht jährlich im Dezember für das nächste Jahr (§11 Abs. 1 HGB). Welche Tatsachen oder Rechtsverhältnisse einzutragen sind, regelt das Gesetz von Fall zu Fall. Dabei stellt es auch fest, wer die Eintragung anzumelden hat und welche Form zu beachten ist (§12 HGB). Vom Anmeldepflichtigen kann die Anmeldung notfalls durch Ordnungsstrafen erzwungen werden (§14 HGB). Wie das Gericht bei der Einrichtung und Führung des Handelsregisters im einzelnen vorzugehen hat, bestimmt die Handelsregisterverfügung vom 12. 8.1937.

Wir wollen nun prüfen, ob das Registergericht eintragen wird, P könne nur zusammen mit H die AG vertreten. § 53 Abs. 1 HGB macht dem Inhaber des Handelsgeschäftes zur Pflicht, die Erteilung der Prokura zum Handelsregister anzumelden. Hier haben wir einen der Einzelfälle, in denen das Gesetz bestimmt, was anzumelden ist und wer anzumelden hat. Indessen — weder die Anmeldung noch die Eintragung sind notwendige Voraussetzungen für das Entstehen der Prokura. Es bleibt vielmehr bei dem Grundsatz: Die Prokura wird formlos erteilt. Das Gesetz verlangt die Eintragung nur zur Sicherheit des Rechtsverkehrs. Die Eintragung ist nur deklaratorischer Natur. Das bedeutet: Bekundet eine Eintragung nur, daß ein Rechtsverhältnis bereits besteht, dann sprechen die Juristen von rechtsbezeugenden oder deklaratorischen Eintragungen. Ist die Eintragung dagegen notwendige Voraussetzung für das Entstehen des Rechtsverhältnisses, so handelt es sich um eine rechtsbegründende oder konstitutive Eintragung. Konstitutiv sind z.B. die Eintragungen nach §§2, 3 HGB: Die Kaufleute kraft Eintragungen werden erst Vollkaufleute durch die Eintragung. Der Unterschied zwischen § 2 und § 3 HGB besteht darin, daß der in § 2 beschriebene Unternehmer verpflichtet ist, sich eintragen zu lassen (§2 S. 2 HGB), während der Unternehmer nach § 3 Abs. 2 HGB sich eintragen lassen kann, aber nicht muß.

Bei der Anmeldung und Eintragung der Prokura ist auch zu berücksichtigen, ob es sich um eine Gesamtprokura handelt (§53 Abs. 1 S. 2 HGB). Da hier P nur zusammen mit H vertretungsberechtigt sein soll, müssen wir untersuchen, ob es sich um eine zulässige Art der Gesamtprokura handelt (bisher haben wir kennengelernt die echte Gesamtprokura — Prokurist plus Prokurist — also Vertreter plus Vertreter — und die sogenannte unechte Gesamtpokura — Prokurist mit einem Vorstandmitglied einer AG oder eingetragenen Genossenschaft oder einem Geschäftsführer einer GmbH — also Organ plus Vertreter). Wir wissen bereits, daß dem Prokuristen vom Gesetz ein Mindestmaß an Vertretungsmacht garantiert wird. Alle erlaubten Beschränkungsmöglichkeiten sind in den §§48—50 HGB enthalten. Jede weitergehende Beschränkung ist unzulässig. Daher bleibt zu prüfen, ob es eine Beschränkung der Vertretungsmacht darstellt, wenn der Prokurist nur zusammen mit einem Vertreter handeln kann, der nach dem Gesetz eine Stellung minderen Ranges besitzt. Dieser Vertreter kann nämlich bei solchen Geschäften nicht mitwirken, die Ihm verboten sind. Wenn er aber nicht tätig werden kann, könnte es auch der Prokurist nicht, der nach der beabsichtigten Regelung nicht allein vertretungsberechtigt ist. Wir müssen also zunächst klären, welche Stellung ein Handlungsbevollmächtigter einnimmt.

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§54HGB gibt eine Legaldefinition der Handlungsvollmacht. Sie unterscheidet sich von der Prokura in mancher Hinsicht: 1. Auch ein Minderkaufmann kann Handlungsvollmacht erteilen. 2. Sie kann, aber sie muß nicht in das Handelsregister eingetragen werden. 3. Während dem Prokuristen nur für die Veräußerung und Belastung von Grundstücken eine besondere Befugnis erteilt werden muß §49 Abs. 2 HGB), benötigt der Handlungsbevollmächtigte diese besondere Befugnis auch zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, zur Aufnahme von Darlehen und zur Prozeßführung. 4. Die Handlungsvollmacht kann mit Wirkung gegenüber Dritten auf einen bestimmten Kreis von Geschäften beschränkt werden, z. B. auf Einkauf, Verkauf, Rechnungsprüfung oder Kassengeschäfte (vgl. §54 Abs. 1 und 3 HGB mit §49 Abs. 1 und § 50 Abs. 1 HGB). Der Handlungsbevollmächtigte kann demnach ein mächtiger, oder auch nur ein sehr schwacher Vertreter sein. Wenn seine Handlungsvollmacht auf die Geschäfte nach §54 Abs.2 HGB erweitert ist und eine Beschränkung auf bestimmte oder einzelne Geschäfte (§54 Abs. 1 HGB) fehlt, kann der Handlungsbevollmächtigte so stark sein wie ein Prokurist; das ist jedoch die seltene Ausnahme. Sinnvoll ist sie bei Minderkaufleuten, die keinen Prokuristen bestellen können (§4 Abs. 1 HGB). Ansonsten steht der Handlungsbevollmächtigte in der Vertretungsmacht unter dem Prokuristen. Daher ist es zwar möglich, den Handlungsbevollmächtigten an die Mitwirkung eines Prokuristen oder eines zweiten Handlungsbevollmächtigten oder eines Organes zu binden; umgekehrt ist die Bindung eines Prokuristen an die Mitwirkung eines Handlungsbevollmächtigten jedoch unzulässig. Aber: Nur die Vertretungsmacht des Prokuristen, also das Außenverhältnis, kann nicht durch die Bindung an einen Handlungsbevollmächtigten beschränkt werden. Im Innenverhältnis kann der Geschäftsinhaber dem Prokuristen sehr wohl zur Pflicht machen, nur zusammen mit einem Handlungsbevollmächtigten oder einem Handlungsgehilfen zu wirken, insbesondere zu unterschreiben. Es fragt sich nun, ob die für das Innenverhältnis wirksame Beschränkung des Prokuristen in das Handelsregister eingetragen werden darf. Wenn wir uns den Zweck des Handelsregisters vor Augen halten, müssen wir diese Frage verneinen. Das Handelsregister soll Dritten — also Außenstehenden — etwas über die Vertretungsverhältnisse sagen. Dafür gibt es eine besondere Spalte. Welche Befugnisse dem Prokuristen im Innenverhältnis zustehen, interessiert den Dritten nicht. Eine Eintragung, wie sie hier beantragt ist, kann zudem irreführend wirken. Es ist zwar zu erkennen, daß es sich um eine gesetzlich unwirksame Beschränkung der Prokura handelt; aber nicht alle Kaufleute sind juristisch ausgebildet. Außerdem kann es auch für einen Juristen zweifelhaft sein, ob lediglich die Beschränkung oder gar die gesamte Bestellung zum Prokuristen unwirksam ist. Aufgabe des Registergerichts ist es, solche Zweifelsfälle von vornherein zu vermeiden. Daher wird es eine Eintragung, die Unsicherheit verbreiten kann, ablehnen. Das ist bei der Eintragung unklarer Rechstverhältnisse zu besorgen und erst recht bei solchen Eintragungen, die das Gesetz nicht erlaubt oder von denen das Gericht erkennt, daß sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht richtig sind. Im vorliegenden Falle wird das Gericht die Eintragung also verweigern.

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Fall Nr. 55: Handlungsgehilfe In dem Ladengeschäft des V arbeitet der Angestellte A als Verkäufer. Er hat dem Kunden K einen Anzug verkauft, obwohl er weiß, daß in der Jacke ©in Webfehler steckt. Am Packtisch bemerkt K den Fehler. Er ficht den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an. V besteht auf Zahlung. Er macht geltend, ihm sei der Webfehler nicht bekannt gewesen. Muß K zahlen?

Lösung Der Anspruch des V könnte seine Grundlage in §433 Abs. 2 BGB haben. Voraussetzung ist das Bestehen eines Kaufvertrages. Da V nicht persönlich gehandelt hat, muß zunächst geprüft werden, ob A für V verbindliche Erklärungen abgeben konnte. Wer in einem Laden oder in einem offenen Warenlager angestellt ist, gilt als ermächtigt zu Verkäufen und Empfangnahmen, die in einem derartigen Laden oder Warenlager gewöhnlich geschehen (§ 56 HGB). Diese Bestimmung dient dem Schutz des Kunden. Während §54 HGB die Erteilung einer Vollmacht voraussetzt und nur ihren Umfang näher bestimmt, verleiht § 56 HGB dem Ladenangestellten eine Vertretungsmacht unabhängig vom Bestehen einer Vollmacht. Der gesetzgeberische Grund ist folgender: Wer als Kaufmann in einem Laden oder offenen Warenlager, in dem Geschäfte bestimmter Art getätigt werden, kaufmännische Angestellte beschäftigt, (§ 56 HGB gilt also nicht für Fahrer, Putzfrauen pp), muß sich so behandeln lassen, als habe er diesen Personen (Handlungsgehilfen) Vollmacht erteilt, jene bestimmten Geschäfte abzuschließen. Deshalb versagt der Schutz des §56 HGB gegenüber solchen Kunden, die wissen, daß der Angestellte Geschäfte der bezeichneten Art nicht abschließen darf. Der Ladenangestellte ist also ein Vertreter des Prinzipals. Das Bestehen der Vollmacht wird vom Gesetz unterstellt. Mithin konnte A den V wirksam beim Abschluß des Kaufvertrages vertreten. Nun ist zu untersuchen, ob K den ursprünglich wirksamen Kaufvertrag durch Anfechtung beseitigt hat. Wir unterstellen, daß A den K arglistig getäuscht hat; überlegen Sie aber vor dem Weiterlesen, unter welchen Voraussetzungen eine Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung angefochten werden kann. K hat seine Anfechtungserklärung richtig an den V adressiert. Nach § 164 Abs. 1 BGB ist er der Vertragspartner des K. V wird sich auch nicht darauf berufen können, daß er den Webfehler nicht gekannt habe. Der Vertreter ist nicht Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB. Seine Willenserklärungen wirken unmittelbar für und gegen den Vertretenen (§164 Abs. 1 BGB). V muß daher die Anfechtung hinnehmen. Folge der wirksamen Anfechtung ist die Nichtigkeit des angefochtenen Geschäfts (§142 Abs. 1 BGB). V kann den Kaufpreis also nicht verlangen.

Fall Nr. 56: Willensmängel des Vertreters Der Prokurist P hat den Architekten A mit der Planung einer Werkhalle beauftragt, ohne zu wissen, daß A bereits dreimal wegen Untreue und Urkundenfälschung vorbestraft ist. Dem Geschäftsinhaber waren die Vorstrafen bekannt. Kann er die Beauftragung des A dennoch anfechten?

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Lösung Im Fall Nr. 55 hat der Vertreter getäuscht - im Fall Nr. 56 irrt sich der Vertreter. Es erhebt sich nun die Frage, ob der Vertretene anfechten kann, wenn er die Umstände kennt, über die sich sein Vertreter geirrt hat. Geht man von § 164 BGB aus, müßte man die Frage wohl verneinen. Nach §164 BGB gelten die Erklärungen des Vertreters als die des Vertretenen. Folgerichtig müßte das Wissen des Vertretenen die Unkenntnis des Vertreters ausgleichen. Das würde den Einsatz von Vertretern in vielen Fällen mit einem unzumutbaren Risiko belasten. Dem trägt das Gesetz in § 166 BGB Rechnung. Nach § 166 Abs. 1 BGB kommt es auf den Vertreter an. Hat er sich geirrt, kann der Vertretene anfechten. Umgekehrt: Hat er einen Umstand gekannt oder hätte er ihn kennen müssen, kann sich der Vertretene nicht auf seine eigene Unkenntnis oder sein eigenes Nicht-KennenMüssen berufen. Da der Vertreter den Vertretenen im Willen vertritt — er ist sein Gehirn! — muß das Ergebnis so lauten. Etwas anderes gilt nur, wenn der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vertretenen handeln sollte (§ 166 Abs. 2 BGB). Da P die Vorstrafen des A nicht kannte und es allein auf seine Kenntnis ankommt (§166 Abs. 1 BGB), ist die Anfechtung trotz der Kenntnis des V möglich. Prüfen Sie, nach welcher Vorschrift eine Anfechtung in Betracht kommt (etwa §119 Abs. 2 BGB?). Fall Nr. 57: Duldungsvollmacht Im Transportunternehmen des U ist der Kraftfahrer K beschäftigt. K hat seit Jahren bei der Firma V Kfz.-Batterien gekauft. Die Rechnungen hat V jeweils an U geschickt. So hat U das Verhalten des K erfahren. Dennoch hat er die Rechnungen bezahlt. Eines Tages verweigert er die Bezahlung der letzten Rechnung mit der Begründung, er bezahle nur solche Waren, die sein Einkauf ordnungsgemäß bestellt habe. Muß U die Batterie bezahlen? Lösung U Ist zahlungspflichtig, wenn K für ihn wirksam als Vertreter gehandelt hat (§ 433 Abs. 2, § 164 Abs. 1 BGB). Es fehlt eine ausdrückliche Erklärung des U gegenüber dem K oder dem V, nach der K bevollmächtigt ist, namens des U Batterien zu kaufen. Eine Vollmacht kann jedoch auch durch schlüssiges Verhalten, sogar durch Stillschweigen erteilt werden. Die Vollmachterteilung durch schlüssiges Verhalten ist eigentlich gar keine Besonderheit; denn das schlüssige Verhalten ist eine echte Willenserklärung. Genauer gesagt: Die Auslegung des Verhaltens ergibt eine Bevollmächtigung. Der Bundesgerichtshof unterscheidet zwei Gruppen: Wenn der Vollmachtgeber durch sein Verhalten zu erkennen gibt, daß er eine Vollmacht erteilen will — also Bevollmächtigungswille vorhanden — dann soll eine stillschweigend oder durch schlüssiges Verhalten erteilte echte Vollmacht vorliegen. Anders soll es sein, wenn der Vertretene ein „vertreterähnliches" Verhalten des „Vertreters" zwar duldet, aber ein Wille zur Bevollmächtigung nicht besteht. Nur im letzteren Falle soll es sich um eine Duldungsvollmacht handeln. Der Unterschied ist weit-

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gehend theoretischer Natur. In dem einen wie in dem anderen Falle handelt es sich um eine echte Vollmacht. Für die Praxis hat die Unterscheidung regelmäßig keine Bedeutung. Im übrigen kommt es nicht auf den verborgenen Willen an, sondern darauf, welchen Willen ein objektiver Dritter aus dem Verhalten entnehmen muß. Das ist bei jeder Willenserklärung zu beachten, und die Erteilung der Vollmacht ist eine Willenserklärung. Ausgehend von diesen Überlegungen wird man erkennen, daß V die Bezahlung der Rechnungen durch U als Zustimmung und damit als Bevollmächtigung werten durfte. U hat gegen die ihm bekannten zahlreichen Bestellungen des K nichts unternommen. Er hat auch in der Folgezeit geschwiegen und darüber hinaus die Rechnungen bezahlt. Das ist ein schlüssiges Verhalten, aus dem jeder objektive Dritte eine Bevollmächtigung des K ablesen muß, mag U sie gewollt haben oder nicht. Daher muß U auch den letzten Kauf als in seinem Namen geschlossen hinnehmen und die Rechnung bezahlen. Merke: Wer die Umstände, aus denen Dritte das Bestehen einer Vollmacht entnehmen dürfen, kennt und duldet, erteilt eine echte Vollmacht. Sie heißt Duldungsvollmacht. Fall Nr. 58: Vollmacht und Innenverhältnis Im Transportunternehmen des U ist A als Einkäufer tätig. Er genießt das volle Vertrauen des U. Schamlos nutzt er seine Vertrauensstellung zu Einkäufen und Bezahlungen im Namen und mit dem Geld des U. Die gekaufte Ware führt er teilweise dem eigenen Vermögen zu. So geschieht es auch mit den Reifen für einen PKW. Bei einer Kontrolle deckt U die Untreue des A auf. Er weigert sich, die Reifen-Rechnung zu bezahlen. Mit Recht? Lösung Die Zahlungspflicht des U hängt wiederum davon ab, ob A den U verpflichten konnte (§§164, 433 Abs. 2 BGB). Gegenüber dem vorhergehenden Fall besteht ein wesentlicher Unterschied: Dort hatte U stillschweigend, aber durch schlüssiges Verhalten Vollmacht erteilt. K hatte sich in dem Rahmen dieser Vollmacht bewegt. Hier hat A eine ausdrückliche Vollmacht. Im Außenverhältnis hält er sich ebenfalls im Rahmen seiner Befugnis; aber im Innenverhältnis mißbraucht er seine Macht. Das ist keine Verletzung der Vollmacht, sondern eine Verletzung der Treuepflicht als Angestellter. Sie berührt das Außenverhältnis nicht. Deshalb wird U durch die von A geschlossenen Verträge nach außen verpflichtet. Hier ist wieder der Unterschied zwischen der Vollmacht und dem Grundgeschäft, auf dem sie beruht, deutlich zu erkennen. Fall Nr. 59: Anscheinsvollmacht; Haftung aus Rechtsschein Der geltungsbedürftige A ist kaufmännischer Angestellter des U; er hat aber keine Vollmacht, im Namen des U einzukaufen. Trotzdem kauft er gelegentlich bei der Firma V namens und für Rechnung des U ein. Die Reifen werden — anders als in dem vorhergehenden Falle — ordnungsgemäß in dem Betrieb des U verwandt. U bezahlt die Rechnungen, weil er glaubt, er habe die Bestellungen selbst aufgegeben. Erst bei der 5. Bestellung entdeckt er die Eigenmächtigkeit des A und weigert sich, die Rechnung zu bezahlen. Mit Recht?

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Lösung U braucht nur zu bezahlen, wenn zwischen ihm und V ein Kaufvertrag zustande gekommen ist. Da U nicht persönlich bestellt hat, ist zu prüfen, ob A ihn vertreten konnte. Eine ausdrücklich erteilte Vollmacht fehlt; abervielleicht besteht eine Duldungsvollmacht. Von einer Duldungsvollmacht spricht man, wenn der Vertretene die Umstände kennt und duldet, aus denen ein Dritter auf das Bestehen einer Vollmacht schließen darf. Da U das Verhalten des A nicht kannte, scheidet eine Duldungsvollmacht aus. Neben dem Begriff der Duldungsvollmacht kennen die Juristen die sogenannte Anscheinsvollmacht. Sie ist ein Unterfall des Grundsatzes von der Haftung aus dem in zurechenbarer Weise veranlaßten Rechtsschein. Dieser Grundsatz besagt: Wer durch sein Verhalten oder durch das Verhalten seiner Hilfskräfte in verantwortlicher Weise einen für das Rechtsleben bedeutsamen Tatbestand scheinbar verwirklicht, muß sich von redlichen Dritten so behandeln lassen, als habe er ihn verwirklicht. Auf das Gebiet der Vollmachterteilung übertragen lautet der Grundsatz: Der Vertretene kann sich im Interesse der Rechtssicherheit auf den Mangel der Vollmacht des angeblichen Vertreters nicht berufen, wenn er dessen Verhalten zwar nicht kannte, es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, und wenn ferner der Geschäftsgegner das Verhalten des Vertreters nach Treu und Glauben sowie mit Rücksicht auf die Verkehrssitte dahin auffassen durfte, daß es dem Vertretenen bei verkehrsmäßiger Sorgfalt nicht habe verborgen bleiben können, daß dieser es also dulde. Das ist die vom Reichsgericht und vom Bundesgerichtshof entwickelte Definition der „Anscheinsvollmacht". Die einzelnen Merkmale des Grundsatzes von der Haftung aus veranlaßtem Rechtsschein sollen an dem Beispiel der Anscheinsvollmacht erläutert werden. 1. Der Betreffende muß den Rechtsschein veranlaßt, d.h. ein Verhalten an den Tag gelegt haben, das bestimmte Schlüsse zuläßt. Das Verhalten kann in einem Tun oder in einem Unterlassen bestehen. Im vorliegenden Falle hat es U unterlassen, die vorhergehenden Rechnungen zu beanstanden. Außerdem hat er etwas getan, nämlich bezahlt. Wir müssen also ein aus Einzelakten bestehendes Gesamtverhalten bewerten. So wird es regelmäßig sein. Deswegen ist die Unterscheidung zwischen Tun und Unterlassen weniger wichtig. Maßgeblicher ist es, wie aussagekräftig das Verhalten ist, d. h. es muß bestimmte Schlüsse zulassen. Das Schweigen auf die Zusendung einer Rechnung ist nicht so aussagekräftig wie die anstandslose Bezahlung der Rechnung. Beides zusammen läßt jedenfalls auf ein Einverständnis des Bezahlenden mit der Bestellung und der ausgelieferten Ware schließen. Das gilt im besonderen Maße, wenn die Vertragspartner Kaufleute sind. 2. Das Veranlassen muß zurechenbar sein. Zurechenbar ist ein Veranlassen, wenn der Betreffende bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt das Verhalten seines angeblichen Vertreters hätte erkennen und verhindern können. U hätte bei Beachtung der verkehrsüblichen Sorgfalt eines Unternehmers die eigenmächtigen Bestellungen des A entdecken zu müssen. Ein sorgfältiger Unternehmer wäre auch in der Lage gewesen, die Eigenmächtigkeiten zu verhindern.

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Der Betroffene braucht nicht selbst gehandelt zu haben. Es genügt das Handeln seiner Hilfskräfte. U könnte also nicht geltend machen, er brauche sich um den Zahlungsverkehr nicht zu kümmern, weil er eine Rechnungsprüfung und Buchhaltung besitze, auf die er sich bisher immer habe verlassen können. Anders kann die Rechtslage bei einem einmaligen Versagen sein. 3. Der in zurechenbarer Weise veranlaßte Rechtsschein verpflichtet nur gegenüber redlichen Dritten. Redlich bedeutet hier: Der Dritte darf nach Treu und Glauben sowie mit Rücksicht auf die Verkehrssitte annehmen, dem Vertretenen sei das Verhalten des Vertreters bekannt, er dulde es also. Daraus folgt: Wenn der Dritte das Fehlen der Vollmacht kennt oder infolge Fahrlässigkeit nicht kennt, ist ihm gegenüber kein Rechtsschein erzeugt. Aus dem Sachverhalt ergibt sich nichts für die Annahme, V habe das Fehlen der Vollmachterteilung gekannt oder den Umständen nach kennen müssen. Vielmehr konnte er sich nach der reibungslosen Abwicklung einer Reihe gleichartiger Geschäfte, die von A eingeleitet worden waren, darauf verlassen - nach Treu und Glauben sowie mit Rücksicht auf die Verkehrssitte — daß U bei Beachtung der verkehrsüblichen Sorgfalt das Vorgehen seines Angestellten kannte und billigte. Damit sind alle Voraussetzungen erfüllt, die zur Annahme einer Anscheinsvollmacht berechtigen. U muß sich also so behandeln lassen, als habe er dem A Vollmacht erteilt. Merke: Die Anscheinsvollmacht ¡st keine echte Vollmacht; aber der Geschäftsherr haftet gegenüber redlichen Dritten aus dem in zurechenbarer Weise veranlaßten Rechtsschein. Näheres zur Haftung aus veranlaßtem Rechtschein vgl. Nitschke in Juristische Schulung 1968, 542.

Fall Nr. 60: Gesamtvollmacht; Vertreter ohne Vertretungsmacht G, der unvorhergesehen auf eine lange Geschäftsreise muß, erteilt seinen Angestellten A und B folgende schriftliche Vollmacht: Die Herren A und B sind gemeinsam berechtigt, das Grundstück Dortmund, Egonstr. 17 — Grundbuch von Dortmund-Innenstadt Bl. 5473 — zu verkaufen. B erkrankt. A findet einen Käufer K, der bar bezahlen kann. Deswegen eilt er mit ihm zum Notar. Dort wird der Kaufvertrag geschlossen. Alle Beteiligten nehmen an, B werde später zustimmen; aber B weigert sich. Kann K trotzdem die Übereignung des Grundstücks verlangen?

Lösung Nach §433 Abs. 1 S. 1 BGB hat der Käufer einen Anspruch auf Übereignung der Kaufsache. Voraussetzung ist allerdings das Bestehen eines wirksamen Kaufvertrages. Da G nicht persönlich gehandelt hat, kommt es darauf an, ob A ihn vertreten konnte. In Betracht zu ziehen ist eine rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht (Vollmacht §166 Abs. 2 BGB). Sie bedarf nicht der Form, die für das Rechtsgeschäft bestimmt ist, auf das sich die Vollmacht bezieht (§ 167 Abs. 2 BGB). Eine notarielle Beurkundung der Vollmachtserklärung — diese Form ist für den Grundstückskaufvertrag vorgeschrieben (§313 BGB) — ist also entbehrlich.

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Die schriftliche Vollmacht weist eine Besonderheit auf. Es heißt dort, A und B seien gemeinsam berechtigt. Daraus ist zu entnehmen, daß G dem A und B nur eine Gesamtvollmacht erteilen wollte. A und B konnten den G also nur durch gemeinsame und übereinstimmende Willenserklärungen verpflichten. Zwar brauchten sie nicht gleichzeitig zu handeln; aber ihre Erklärungen mußten denselben Inhalt haben. Da die Vollmacht nur eine Abart der Vertretungsmacht ist, nämlich die rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht, gilt hier das gleiche wie zur Gesamt- und Einzelvertretungsmacht. Besteht eine Gesamvertretungsmacht oder eine Gesamtvollmacht, so kommt eine Willenserklärung, die den Vertretenen verpflichtet, nur zustande, wenn die Gesamtvertreter oder Gesamtbevollmächtigten übereinstimmende Willenserklärungen abgeben. Fehlt die Übereinstimmung, so fehlt eine wirksame Vertretung. Mit anderen Worten: Wenn von zwei gesamtvertretungsberechtigten Personen eine nicht zustimmt, ist es genau so anzusehen, als habe die andere überhaupt keine Vertretungsmacht. In einem solchen Falle ist das Geschäft, das der Vertreter ohne Vertretungsmacht abgeschlossen hat, schwebend unwirksam (§ 177 Abs. 1 BGB). Schwebend unwirksam bedeutet: Ein Rechtsgeschäft ist zunächst unwirksam, weil notwendige Erklärungen fehlen. Dieser Schwebezustand dauert an bis feststeht, ob das Fehlende nachgebracht wird. Wenn das geschieht, ist das Rechtsgeschäft mit rückwirkender Kraft gültig. Es wird so behandelt, als sei es von Anfang an wirksam gewesen. Stellt sich heraus, daß die notwendige Erklärung nicht mehr abgegeben werden kann, dann steht das zunächst schwebend wirksame Geschäft einem nichtigen Rechtsgeschäft gleich. Von der schwebenden Unwirksamkeit ist begrifflich zu unterscheiden der Schwebezustand, der bis zum Bedingungseintritt oder bis zu einem Termin besteht. Bei schwebender Unwirksamkeit sind die Beteiligten nicht gebunden; das bedingte oder terminisierte Geschäft bindet dagegen sofort. Lediglich der Erfolgseintritt ist mit dem Eintritt der Bedingung oder des Termins verknüpft.

Zurück zum Fall: Da nur A den Antrag zum Abschluß des Kaufvertrages erklärt hat, war der Kaufvertrag schwebend unwirksam. Nachdem B seine Zustimmung verweigert hat, ist der Kaufvertrag als nichtig anzusehen. K kann daher die Übereignung des Grundstücks nicht verlangen. Fall Nr. 61 Untervollmacht; Einwilligung und Genehmigung A hat den B, der große Erfahrungen in der Rinderzucht besitzt, bevollmächtigt, für ihn auf einer Auktion Kühe zu kaufen. B wird auf der Fahrt zur Auktion in einen Verkehrsunfall verwickelt. Da er nicht mehr rechtzeitig erscheinen kann, klärt er telefonisch seinen Freund F über die Zusammenhänge auf und bittet ihn, für A die Kühe zu ersteigern. A will die Kühe nicht bezahlen. Kann der Verkäufer V den Kaufpreis verlangen? Lösung Der Kaufpreisanspruch des V aus §433 Abs. 2 BGB ist abhängig vom Bestehen des Kaufvertrages. Da F für A gehandelt hat, ist ein wirksamer Kaufvertrag zwischen V und A nur zustande gekommen, wenn F zum Abschluß dieses Vertra-

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ges bevollmächtigt war. Eine unmittelbare Vollmachtserklärung von A an F scheidet nach dem Sachverhalt aus. Es fragt sich aber, ob B die ihm von A erteilte Vollmacht weitergeben konnte. Grundsätzliche Bedenken bestehen dagegen nicht. Die Weitergabe der Vollmacht nennt man Unterbevollmächtigung oder Untervollmacht (Substitution) im Gegensatz zur Hauptvollmacht. Es ist allerdings von Fall zu Fall zu prüfen, ob der Vollmachtgeber die Untervollmacht verboten hat. Bei ausdrücklichem Verbot tauchen keine Schwierigkeiten auf. Andernfalls kommt es darauf an, ob der Vertretene (hier A) erkennbar ein Interesse an der persönlichen Wahrnehmung durch den (Haupt) Bevollmächtigten hatte. Das wird man hier bejahen müssen. Ist die Untervollmacht unwirksam, so hat F als vollmachtloser Vertreter (Vertreter ohne Vertretungsmacht) gehandelt. Das von ihm geschlossene Rechtsgeschäft ist daher schwebend unwirksam (§177 Abs. 1 BGB). V kann den Kaufpreis nur verlangen, wenn A den Kaufvertrag genehmigt. Mit seiner Genehmigung wird der Vertrag wirksam. Da A die Genehmigung verweigert, braucht er auch nicht zu bezahlen. Merke: Das Wort Genehmigung hat im Privatrecht eine besondere Bedeutung. Darunter ist die nachträglich erteilte Zustimmung zu verstehen (§184 Abs. 1 BGB). Sie beseitigt den Schwebezustand grundsätzlich mit rückwirkender Kraft; d. h. das Rechtsgeschäft wird so behandelt, als sei es sofort voll wirksam gewesen; die Parteien können jedoch etwas anderes, z. B. ein Wirksamwerden zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt vereinbaren. Unter Einwilligung ist demgegenüber die vorherige Zustimmung zur Vornahme eines Rechtsgeschäftes zu verstehen (§ 183 BGB). Fall Nr. 62: Einseitige Rechtsgeschäfte ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters Der Minderjährige K hat mit Einwilligung der Eltern ein Mofa von seinem Freund F gekauft. Nachdem er es eine Woche benutzt hat, bemerkt er, daß F ihn arglistig über den Treibstoffverbrauch getäuscht hat. Er schreibt dem F, daß er den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechte. Der Vater ist mit dem Inhalt des Schreibens einverstanden; die Mutter aber meint, K solle das Mofa um des lieben Friedens willen behalten. K schickt den Brief trotzdem ab. Hat er wirksam angefochten? Lösung Es ist nicht danach gefragt, ob eine beteiligte Person gegen eine andere einen Anspruch hat. Also ist es müßig, nach einer Anspruchsgrundlage zu suchen. Wir müssen prüfen, ob die Anfechtung trotz der Minderjährigkeit des K und der verweigerten Zustimmung der Mutter wirksam ist. Die Anfechtung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung. Nach §111 S. 1 BGB sind einseitige Rechtsgeschäfte, die der Minderjährige ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vornimmt, unwirksam. Gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen sind die Eltern. Sie besitzen Gesamtvertretungsmacht. Da die Mutter nicht eingewilligt hat, fehlt die Einwilligung der Gesamtvertreter. Also ist die Anfechtung unwirksam. Sie kann auch nicht durch Genehmigung geheilt werden. Das hätte eine Rückwirkung zur Folge. Dadurch würde der Sinn des

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§111 S. 1 BGB vereitelt. Es hilft nur eine neue Anfechtung mit Einwilligung beider Elternteile. Fall Nr. 63: Einseitige Gestaltungsgeschäfte ohne Vollmacht U hat mit L einen langfristigen Heizöllieferungsvertrag geschlossen. Die am Liefertag geltenden Preise des L sind verbindlich. Deshalb haben U und L ein Kündigungsrecht zum 30. 6. und 31. 12. eines jeden Jahres vereinbart. Die Kündigung muß per Einschreiben spätestens bis zum 31. 3. oder 30. 9. (Poststempel) erklärt werden. U ist am 30. 9. auf Geschäftsreisen. Am selben Tage findet der Angestellt A eine 2 Wochen alte Geschäftsmitteilung des L, wonach er die Heizölpreise um 10% erhöht. Der Angestellte A, der keine Vertretungsmacht hat, schickt sofort namens des U die Kündigung hinaus. U genehmigt sie mit Einschreiben vom 1.10. Ist die Kündigung wirksam? Lösung Es ist nicht nach Ansprüchen gefragt (vgl. Fall Nr. 62!). Die Kündigung ist wie die Anfechtung eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung. Beides sind Gestaltungsrechte, d. h. sie geben die Möglichkeit, das Rechtsverhältnis durch einseitige Willenserklärung zu beenden. Da die Ausübung eines Gestaltungsrechtes diese tiefgreifenden Folgen hat, muß im Interesse der Rechtssicherheit ein Schwebezustand vermieden werden. Der Bundesgerichtshof (Bd. 32 S. 383) hat daher entschieden, bei einseitigen Gestaltungsgeschäften habe die Genehmigung keine rückwirkende Kraft, sondern nur Wirksamkeit ab Genehmigungszeitpunkt. Das ist eine wichtige Ausnahme. Für den vorliegenden Fall bedeutet das: Die Kündigungserklärung des vollmachtlosen Vertreters ist gegenüber dem L erst am 1. 10. wirksam abgegeben. Zu dieser Zeit war die Kündigungsfrist bereits verstrichen. U kann also erst wieder mit Wirkung zum 30.6. kündigen.

Fall Nr. 64: Treuhandverhältnisse; Begriffe aus der ZPO: Partei, Zeuge, Aussageverweigerungsrechte Handwerksmeister H hat bei seinem Lieferanten L 5000,— DM Schulden. In dieser Höhe tritt er ihm eine Forderung gegen den Kunden K ab. H und L vereinbaren, daß L die Forderung am 1. 6. 1972 einziehen darf, wenn H bis dahin nicht gezahlt hat. Da H nicht zahlt, möchte L die abgetretene Forderung einziehen. K behauptet, H habe ihm den Betrag bis zum 1.10.1972 gestundet. Nun verklagt L den K und benennt H als Zeugen dafür, daß keine Stundung vereinbart sei. Wird das Gericht den H als Zeugen vernehmen?

Lösung Dieser Fall hat es in sich! Verfolgen Sie die Lösung sehr sorgfältig. Wiederholen Sie zunächst den Fall Nr. 6. Dort wird der Unterschied zwischen formellem und materiellem Recht erläutert.

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Die Zivilprozeßordnung (ZPO) bestimmt nicht ausdrücklich, wer Zeuge sein kann. Rechtsprechung und Schrifttum haben übereinstimmend den Satz entwikkelt: Zeuge kann sein, wer nicht als Partei und nicht als gesetzlicher Vertreter vernommen werden darf. Das ist eine negative Abgrenzung gegenüber dem Begriff „Partei". Also müssen wir zunächst ergründen, was die ZPO unter "Partei" versteht. Auch dafür gibt es keine Legaldefinition. Die gültige Begriffsbestimmung lautet: Partei ist, von wem und gegen wen im Zivilprozeß Rechtsschutz begehrt wird. Prozeßpartei ist also nicht unbedingt gleich Vertragspartei oder Schuldner und Gläubiger im materiell-rechtlichen Sinne. Man kann leicht die falsche Person verklagen! Beispiel: A glaubt, B habe sein Auto beschädigt und verklagt deswegen B auf Schadenersatz. In Wirklichkeit war C der Täter. C ist dann zwar der materiell-rechtliche Schuldner; aber B, gegen den Rechtsschutz begehrt wird, ist formell-rechtliche Partei!

Für unseren Fall bedeutet das: Ganz zweifelsfrei ist K, den das Gericht nach dem Wunsche des L verurteilen soll, gegen den also Rechtsschutz beansprucht wird, Partei. Umgekehrt ist L ebenfalls Partei, weil er den Rechtsschutz begehrt. Die Definition des Begriffes „Partei" läßt sich verfeinern: Partei ist, wer tatsächlich klagt oder verklagt ist — nicht wer aus irgendwelchen Gründen hinter dem Prozeß steckt. H ist folglich, obwohl er am Ausgang des Verfahrens ein starkes Interesse hat, nicht Partei. Daher kann er Zeuge sein. Sie werden jetzt argwöhnen: Wer so sehr einen bestimmten Prozeßausgang wünscht, wird leicht geneigt sein, die Wahrheit zu verfälschen. Mit dieser Überlegung sind Sie schon einen Schritt weiter gegangen. Von der Frage, ob jemand überhaupt Zeuge sein kann, ist die Frage zu trennen, welchen Wert seine Aussage für die Wahrheitsfindung hat. Jedes Beweismittel hat seinen eigenen Beweiswert. Das Gericht wird den Zeugen H also vernehmen. Ob es ihm glaubt, ist eine andere Frage. Da jeder, der nicht Partei oder gesetzlicher Vertreter ist, Zeuge sein kann, sind die nächsten Verwandten und besten Freunde ebenso wenig ausgeschlossen wie der unbekannte Fremdling oder der erbitterte Feind. Über den Beweiswert entscheidet das Gericht erst nach der Vernehmung. Der Gesetzgeber hat nicht übersehen, daß bestimmte Personengruppen geneigt sein könnten, entweder im Interesse einer Partei oder im Eigeninteresse die Wahrheit nicht rückhaltlos zu offenbaren. Um diese Personen nicht in Gewissenskonflikte zu stürzen, haben sie ein Aussageverweigerungsrecht. Wer die Aussage verweigern kann, ist in §383 Ziff. 1 - 3 ZPO aufgeführt (Verlobte, Ehegatten - auch geschiedene - , Kinder, Enkel, Urenkel, Eltern, Großeltern, Urgroßeltern, Geschwister, Ehegatten der Geschwister, Geschwister der Eltern und deren Ehegatten). In §§383 Ziff. 4 - 5 ZPO werden einige Berufsangehörige genannt, denen durch die Art ihrer Tätigkeit oft Dinge anvertraut werden, die zum Intimbereich einer Person gehören oder die aus Gründen überwiegend öffentlichen Interesses geheimzuhalten sind (z. B. Geistliche, Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Beamte, Offiziere). Sie müssen die Aussage verweigern, es sei denn, derjenige befreit sie von der Schweigepflicht, in dessen Interesse sie besteht. Wer die Aussage verweigern darf, aber trotzdem ausgesagt hat, darf dennoch den Eid verweigern.

99 Zurück zum Fall: H ist aus keinem der vorgenannten Gründe als Zeuge ausgeschlossen. In der rechtlichen Praxis lassen Fälle dieser Art gelegentlich den Verdacht aufkommen, der Gläubiger des geltend gemachten Anspruches wolle sich die Zeugenstellung erschleichen. Dazu kann Anlaß haben, wer auf andere Art die entscheidungswesentlichen, aber vom Prozeßgegner bestrittenen Tatsachen nicht beweisen kann. Wird ein Anspruch nur aus solchem Grunde abgetreten — was freilich kaum beweisbar ist — so darf der Abtretende nicht als Zeuge vernommen werden. Der vorliegende Fall ist jedoch anders gelagert. Hier hat H seine Forderung abgetreten, um sich von Schulden gegenüber L zu befreien. Eine derartige Abtretung erfolgt regelmäßig erfüllungshalber (nachlesen Fall Nr. 35), d. h. H wird erst frei, wenn K an L zahlt. Muß L den K verklagen, dann handelt er zwar zugleich im Interesse des H, aber auch zum eigenen wirtschaftlichen Nutzen. Durch die Abtretung hatte er zunächst nur eine Sicherung für seine ursprüngliche Forderung gegen H erlangt. Erst von einem späteren Zeitpunkt an darf er aus der abgetretenen Forderung Befriedigung suchen. Dieses Rechtsgeschäft heißt fiduziarische Abtretung(fides — Fat. — = Treue). Sie begründet ein Treuhandverhältnis: Der Abtretungsempfänger (Zessionar) ist der Treuhänder der Forderung. Er darf mit der Forderung nicht nach Belieben verfahren; denn sie dient ihm zunächst nur als Sicherheit. Zahlt der Abtretende (Zedent) pünktlich, dann muß der Treuhänder die Forderung an den Treugeber — das ist der Zedent — zurückabtreten. Zieht er die Forderung ein, ist er ebenfalls verpflichtet, die Interessen des Zedenten zu beachten. Er darf grundsätzlich keine Nachlässe gewähren, nur in Höhe seiner Forderung gegen den Zedenten einziehen usw. Der Treuhänder ist also im gewissen Sinne eine Art Vertreter des Treugebers. Er unterscheidet sich vom Vertreter rechtlich dadurch, daß er nach außen im eigenen Namen handelt. Nach innen, gegenüber dem Treugeber, muß er die aus dem Treuhandverhältnis folgenden Bindungen beachten. Hier ist seine Stellung mit der des Vertreters nahezu identisch. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei der Inkassozession: Eine Forderung wird abgetreten, um sie durch den Zessionar (Abtretungsempfänger — Treuhänder —) für den Zedenten (Abtretenden — Treugeber —) einziehen zu lassen. Während aber im vorherigen Falle die Abtretung überwiegend im Interesse des Zessionars erfolgte (Sicherung, später Erfüllung), dient die Inkassozession überwiegend dem Interesse des Zedenten. Er schaltet den Zessionar (regelmäßig ein gewerbliches Inkassobüro) ein, um sich gegen Bezahlung der mühevollen Beitreibung seiner Forderung zu entledigen. Eines der bekanntesten und wirtschaftlich bedeutendsten Treuhandverhältnisse ist das Sicherungseigentum: Um dem Gläubiger eine Sicherheit zu gewähren, überträgt ihm der Schuldner das Eigentum an einer Sache; der Schuldner behält die Sache aber in seinem Herrschaftsbereich. Er kann sie also weiterhin wirtschaftlich benutzen und dadurch oftmals erst das Geld verdienen, um den Gläubiger zu bezahlen. Befriedigt er den Gläubiger, endigt das Sicherungseigentum entweder automatisch (die Befriedigung des Gläubigers ist auflösende Bedingung) oder durch Rückübertragung des Sicherungseigentums. Wenn Sie die Sicherungsabtretung, die Inkassozession und das Sicherungseigentum miteinander vergleichen, so ist allen Treuhandverhältnissen eines gemeinsam: Um ein bestimmtes wirtschaftliches Ziel zu erreichen, wird ein Rechtsverhältnis vereinbart, das nach außen weiter geht als nach innen beabsichtigt.

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Z. B.: Durch Sicherungsabtretung und Sicherungseigentum sollen Gläubiger nur Sicherungen erhalten; aber es werden ihnen Vollrechte übertragen, d.h. sie werden nach außen Gläubiger der abgetretenen Forderung oder Eigentümer der übereigneten Sache. Noch anders ausgedrückt: Das rechtlich Erklärte geht über das wirtschaftlich Gewollte hinaus. Dient das Treuhandverhältnis überwiegend dem Treuhänder (Treunehmer) so sprechen wir von einem eigennützigen, im umgekehrten Falle von einem uneigennützigen Treuhandverhältnis. Wohin gehört die Inkassozession? Wohin gehören Sicherungsabtretung und Sicherungseigentum? Näheres über Treuhandverhältnisse vgl. Reinhardt, Erlinghagen, Schuler in Juristische Schulung 1962, 41; J. Thomas in Neue Juristische Wochenschrift 1968, 1705. Fall Nr. 65: Strohmann Der Lebensmittelgroßhändler G hat, um seinen Absatz zu steigern, eine Reihe von Einzelhandelsgeschäften seiner Branche aufgekauft. Da er jedoch nach außen nicht als Inhaber erscheinen möchte, um andere Einzelhandelskunden nicht zu vergrämen, hat er mit den früheren Inhabern der Einzelhandelsgeschäfte vereinbart, daß sie weiterhin nach außen als Geschäftsinhaber erscheinen sollen. X, der den „Schein-Inhaber" E beliefert hat, möchte wissen, ob er unmittelbar von G Bezahlung verlangen kann. Lösung X macht einen Kaufpreisanspruch geltend (§433 Abs. 2 BGB). Es Ist also zu prüfen, ob zwischen X und G ein Kaufvertrag besteht. Da G nicht persönlich mit X den Vertrag geschlossen hat, schuldet G grundsätzlich nur dann den Kaufpreis, wenn E ihn wirksam vertreten hat. E hat nach außen nicht zu erkennen gegeben, daß er für G handelt. Vertreter ist aber nur, wer erkennbar im Namen eines anderen handelt. Wer nur Im fremden wirtschaftlichen Interesse, jedoch im eigenen Namen tätig wird, ist nicht Vertreter sondern Treuhänder. Haben Treuhänder (hier E) und Treugeber (hier G) die Geheimhaltung des Treuhandverhältnisses vereinbart, so ist E ein Strohmann. Solche Vereinbarungen sind unwirksam, wenn sie gegen die guten Sitten verstoßen (§138 Abs. 1 BGB). Allein die Geheimhaltungsabsicht macht die Vereinbarung zwischen G und E (Innenverhältnis) noch nicht sittenwidrig; es kommt vielmehr darauf an, was mit der Geheimhaltung bezweckt wird. Ebenso sind die Geschäfte des E (im eigenen Namen) mit Dritten — hier X — (Außenverhältnis) grundsätzlich wirksam. Aus diesen Geschäften werden nur die Vertragspartner berechtigt und verpflichtet. X hat also gegen G keinen unmittelbaren Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises. Es gibt für ihn allerdings einen Weg, unmittelbar den G auf Zahlung zu verklagen; aber es ist ein langer Weg: Aus dem Treuhandverhältnis (Innenverhältnis) hat E gegen G einen Anspruch auf Befrelnung von den Verpflichtungen, die E im Interesse des G gegenüber Dritten (Außenverhältnis) eingegangen Ist. X muß

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nun zunächst den E auf Zahlung verklagen. Wenn er ein vollstreckbares Urteil erlangt hat, kann er sich den Anspruch des E gegen G auf Befreiung von der Schuld (des E gegenüber X) pfänden und überweisen lassen. In der Hand des X wandelt sich der überwiesene Befreiungsanspruch in einen Zahlungsanspruch um — und den kann X nun gegen G einklagen. Das brauchten Sie nicht zu ahnen! Fall Nr. 66: Inkassoermächtigung, Nichtberechtigter Der Lebensmittelhändler H hat dem Kunden K für 250,- DM Waren geliefert. H möchte nur ungern gegen K vorgehen. Deshalb ermächtigt er seine Bank zur Einziehung der Forderung. Die Bank verklagt den K. Kann H In diesem Prozeß Zeuge sein? Lösung Vielleicht haben Sie beim Lesen des Falles gedacht: Das haben wir doch schon besprochen! Leider noch nicht! Sie müssen unterscheiden: 1. Die Inkassovollmacht: Sie ist die Befugnis, ein fremdes Recht im fremden Namen geltend zu machen. 2. Die Inkassozession: Durch sie erlangt der Zessionar das volle Recht und damit die Erlaubnis, die Forderung im eigenen Namen, aber für ein fremdes wirtschaftliches Interesse geltend zu machen. 3. Die Inkassoermächtigung: Sie gewährt dem Ermächtigten das Recht, ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend zu machen. Der Bevollmächtigte und der Ermächtigte machen also beide ein fremdes Recht geltend. Dabei handelt der Bevollmächtigte im fremden, der Ermächtigte hingegen Im eigenen Namen. Deswegen läßt die herrschende Meinung eine Ermächtigung nur gültig sein, wenn der Ermächtigte ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat. Die grundsätzliche Zulässigkeit einer solchen Ermächtigung wird aus §185 Abs. 1 BGB hergeleitet. Danach ist eine Verfügung (was ist das? — Nachlesen Fall Nr. 46), die ein Nichtberechtigter trifft, wirksam, wenn sie mit Einwilligung des Berechtigten erfolgt. Nichtberechtigter ist, wer entgegen der wirklichen Rechtslage als Inhaber eines bestehenden Rechts auftritt oder darüber verfügt, ohne ein Verfügungsrecht zu haben. Auf die Kenntnis der wirklichen Rechtslage kommt es dabei nicht an. Z. B.: G glaubt, gegen S eine Forderung zu haben, die in Wahrheit dem X zusteht; A glaubt, Eigentümer einer Maschine zu sein, die dem E gehört.

Bei der Inkassoermächtigung gestattet der Berechtigte (der wahre Gläubiger der Forderung) dem Nichtberechtigten nach außen als Gläubiger aufzutreten und im eigenen Namen die fremde Forderung einzuziehen, also über sie zu verfügen (mit der Erfüllung geht sie unter). In der geschäftlichen Praxis wird zwischen Inkassozession und Inkassoermächtigung kaum unterschieden, wohl zwischen Inkassovollmacht einerseits und Inkassozession oder Inkassoermächtigung andererseits.

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Fall Nr. 67: Ende der Vollmacht G hat den Angestellten A wegen kleinerer Diebstähle entlassen. Zur Tätigkeit des A hatte es gehört, Geld bei säumigen Kunden zu kassieren. Bevor G allen Kunden die Entlassung des A mitteilen kann, händigt der Kunde K dem A 500,- DM in bar aus. K wollte damit eine offene Kaufpreisforderung des G begleichen; aber A steckt das Geld in die eigene Tasche und verschwindet. Muß K nochmals zahlen? Lösung Es ist zu prüfen, ob die Kaufpreisforderung (§433 Abs. 2 BGB) noch besteht, oder ob sie durch Erfüllung untergegangen ist (lesen Sie Fall Nr. 35 nach). Ein Schuidverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird (§362 Abs. 1 BGB). Fraglich ist, ob K an den Gläubiger geleistet hat. Da er nicht an G persönlich gezahlt hat, bleibt zu untersuchen, ob er etwa durch Leistung an einen etwaigen Vertreter des G frei geworden ist. Das hängt von dem Fortbestand der rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht (Vollmacht) des A ab. Das Erlöschen der Vollmacht bestimmt sich nach dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse (§168 S. 1 BGB). (Diese Bestimmung muß Sie aufhorchen lassen; denn Sie haben doch im Fall Nr.. 48 gelernt, die Vollmacht sei abstrakt — Lesen Sie bitte den Fall nach!) Der Grundsatz von der Abstraktheit gilt also nicht für das Erlöschen! Das Kausalverhältnis kann verschiedener Art sein. Im Fall Nr. 48 war es ein Auftrag — jetzt ist ein Dienstvertrag (Angestelltenverhältnis). Er hat sein Ende durch die (unterstellt) wirksame Kündigung gefunden (§ 626 BGB). Es gilt also, herauszufinden, welcher Art das Kausalverhältnis ist und nach welcher Vorschrift es erlöschen kann. Ebenso vielfältig wie die Kausalverhältnisse können auch die Erlöschensgründe sein (Anfechtung, Kündigung, Rücktritt, Tod, Konkurs, Widerruf, Beendigung einer Gesellschaft, Geschäftsunfähigkeit des Beauftragten usw.), wobei auch innerhalb eines einzigen Kausalverhältnisses mehrere Erlöschensgründe denkbar sind.

Zurück zum Fall: Durch die wirksame Kündigung ist auch die Vollmacht erloschen. Nun kommt etwas sehr Wichtiges: Selbst wenn die Vollmacht erloschen ist, gilt sie unter bestimmten Voraussetzungen als fortbestehend. Das ist zum Schutz redlicher Dritter im Rechtsverkehr erforderlich. Wir haben also wieder eine Variante der Haftung aus veranlaßtem Rechtsschein (Fall Nr. 59 nachlesen). Daraus folgt: Wer das Erlöschen der Vollmacht kennt oder kennen muß ( = fahrlässige Nichtkenntnis), wird nicht geschützt (§§ 169, 173 BGB). Ansonsten bleibt die Vertretungsmacht bestehen bis die Vollmacht in derselben Weise, wie sie erteilt ist, widerrufen wird (§171 Abs. 2 BGB). Hat der Vollmachtgeber die Vollmacht durch Erklärung gegenüber einem Dritten erteilt, so bleibt sie bestehen, bis sie dem Dritten gegenüber widerrufen wird (§ 171 Abs. 1 und 2 BGB). Hat der Vollmachtgeber eine Vollmachtsurkunde ausgestellt, bleibt die Vertretungsmacht bis zur Rückgabe oder Kraftloserklärung der Urkunde bestehen (§ 172 BGB). Unser Fall läßt sich nur lösen, wenn man weiß, wie G die Vollmacht erteilt hat. Das Vorhandensein einer Vollmachtsurkunde soll ausgeschlossen sein. Wenn G gegenüber dem K ausdrücklich hat verlauten lassen (etwa durch besondere Mit-

103 teilung), A habe Inkassovollmacht, dann kann K sich auf den Fortbestand der Vertretungsmacht trotz Erlöschen der Vollmacht (mit Kündigung des Dienstvertrages) berufen. Hat G die Vollmacht durch Erklärung gegenüber dem A erteilt, so wird K nicht geschützt. In diesem Falle müßte er eigentlich nochmals zahlen. . . . . aber A war schon längere Zeit als Kassierer tätig! Das war dem Kunden bekannt. Darin liegt die stillschweigende (schlüssige) Erteilung der Vollmacht gegenüber dem Kunden. Also hätte G doch durch Erklärung gegenüber dem Kunden widerrufen müssen.

Fall Nr. 68: H a f t u n g d e s V e r t r e t e r s o h n e V e r t r e t u n g s m a c h t A entdeckt bei dem Möbelhändler H einen Fernsehsessel, der ihm ganz besonders gefällt. In der Annahme, sein Bruder B würde sich auch über einen Sessel freuen, kauft er gleich zwei. B will den Sessel jedoch nicht haben. Muß A beide Sessel bezahlen? Lösung Wenn A sich nicht als Vertreter des B zu erkennen gegeben hat, findet § 1 6 4 Abs. 2 BGB Anwendung: A wird Vertragspartner — ob er will oder nicht. Daher müßte er nach § 433 Abs. 2 BGB zahlen. Wenn A dem H mitgeteilt haben sollte, er wolle als Vertreter für seinen Bruder B auch einen Sessel kaufen, kommt zunächst kein Vertrag zwischen A und H zustande. Da A nicht innerhalb einer ihm zustehenden Vertretungsmacht gehandelt hat (§ 164 Abs. 1 BGB), wird auch B nicht verpflichtet. Er hat allerdings die Möglichkeit, das vollmachtlose Handeln des A zu genehmigen. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Vertrag zwischen ihm — dem B — und H schwebend unwirkkam (§177 Abs. 1 BGB). Mit der Genehmigung entsteht rückwirkend ein voll wirksamer Vertrag. Verweigert B die Genehmigung, entfällt für ihn jegliche Verpflichtung; aber nun kann H sich an den A halten. Nach § 1 7 9 Abs. 1 BGB haftet der vollmachtlose Vertreter, wenn der Vertretene die Genehmigung verweigert hat, dem anderen Teil nach dessen Wahl auf Erfüllung oder Schadensersatz. A muß daher den Kaufpreis selbst dann zahlen, wenn er sich als Vertreter des B bezeichnet hat.

Fall Nr. 6 9 : N o c h : H a f t u n g d e s V e r t r e t e r s o h n e V e r t r e t u n g s m a c h t Abwandlung des Falles Nr. 67: A hat zu erkennen gegeben, daß er ohne Vollmacht für B handele, aber hoffe, B werde das vollmachtlose Handeln genehmigen. B verweigert die Genehmigung. Lösung Hier greift § 1 7 9 Abs. 3 S. 1 BGB ein. Da der andere Teil das Fehlen der Vollmacht kannte (Kennenmüssen genügt bereits), wird A durch die Verweigerung der Genehmigung nicht verpflichtet. Das Risiko wird auf den anderen Teil abgewälzt. Ein Vertrauensschutz ist nicht nötig.

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Ebenso ist die Rechtslage, wenn ein Minderjähriger als vollmachtloser Vertreter gehandelt hat. Sein Schutz geht über den Vertrauensschutz. Dieses weitgehenden Schutzes bedarf der Minderjährige jedoch nicht, wenn der gesetzliche Vertreter dem vollmachtlosen Handeln zustimmt. Folglich haftet der Minderjährige dann wie ein Volljähriger (§ 179 Abs. 3 S. 2 BGB).

Fall Nr. 70: Widerruf Der Unternehmer U hat seinen Angestellten A bevollmächtigt, auf der Messe einen Kaffee-Automaten für die Kantine zu bestellen; am 10.3. telegrafiert U jedoch dem A, er solle keine Bestellung aufgeben. Das Telegramm wird noch am selben Tage auf das Hotelzimmer des A gebracht; aber A kehrt am 10. und 11.3. nicht in sein Hotel zurück. Am Nachmittag des 11.3. bestellt er den Automaten bei der Firma L zur sofortigen Lieferung. Das umgehend gelieferte Gerät kostet 2000,— DM. Die Versandkosten einschl. Versicherung pp belaufen sich auf 120,— DM. U weigert sich, die Sendung abzunehmen. Kann die Firma L von U oder A Abnahme und Bezahlung des Automaten verlangen? Müssen U oder A wenigstens die Versandkosten pp bezahlen? Lösung U ist zur Abnahme und Kaufpreiszahlung nach § 433 Abs. 2 BGB verpflichtet, wenn zwischen ihm und L ein Kaufvertrag zustande gekommen ist. Da er nicht persönlich abgeschlossen hat, ist zu prüfen, ob A ihn wirksam vertreten konnte. Das hängt von dem Fortbestand der ihm erteilten Vollmacht ab. U hatte dem A im Rahmen des bestehenden Angestelltenverhältnisses eine besondere Vollmacht für den Einzelfall erteilt. Eine solche Vollmacht ist nach §168 S. 2 BGB widerruflich. Der Widerruf ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung. Er kann durch Gesetz oder durch Vertrag zugelassen sein. Meistens dient er dazu, eine Willenserklärung, die bereits abgegeben, aber noch nicht wirksam geworden Ist, zu beseitigen (so in § 130 Abs. 1 S. 2 BGB), oder er soll ein in der Entwicklung befindliches Vertragsverhältnis beenden (so in §§109 Abs. 1 und 178 BGB). Der Widerruf betrifft also regelmäßig Rechtsverhältnisse, die in der Entstehung begriffen sind. (Anders bei §530 BGB: Widerruf einer Schenkung wegen Undanks des Beschenkten und bei §671 BGB: Widerruf eines Auftrags durch den Auftraggeber. In beiden Fällen wird ein bestehender Vertrag aufgelöst. Ausnahmen!) Der Möglichkeit, die Vollmacht widerrufen zu können, liegt ein ähnlicher Rechtsgedanke zugrunde wie den §§109 Abs. 1, 130 Abs. 1 S. 2 und 178 BGB: Durch die Erteilung der Vollmacht sind zunächst nur im Verhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem Rechtsbeziehungen entstanden. Der Widerruf der Vollmacht soll nun verhindern, daß der Bevollmächtigte die Vollmacht gebraucht, obwohl das Interesse des Vollmachtgebers an dem Geschäft, dessen Abschluß durch die Vollmacht ermöglicht werden sollte, fortgefallen ist. So war es auch im vorliegenden Falle. Es bleibt zu untersuchen, ob U wirksam widerrufen hat. Auf die Erklärung des Widerrufs findet § 167 Abs. 1 BGB entsprechende Anwendung (§ 168 S. 3 BGB). U konnte die Vollmacht also durch Erklärung gegenüber dem A widerrufen. Da der Widerruf jedoch eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist, wird er erst

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mit dem Zugehen wirksam. Zugegangen ist die Willenserklärung, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, daß der Absender bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse damit rechnen durfte, er — der Empfänger — werde von ihr Kenntnis nehmen. Kenntnisnahme ist also nicht erforderlich; es genügt die Möglichkeit der Kenntnisnahme unter gewöhnlichen Umständen. Wann das zutrifft, ist von Fall zu Fall und nach der Verkehrssitte zu entscheiden. Eine schriftliche Erklärung ist mit der Aushändigung an den Empfänger zugegangen. Bei Postsendungen genügt der Einwurf in den Briefkasten, wenn und sobald mit Leerung zu rechnen ist. Wer mit dem Zugehen rechtsgeschäftlicher Mitteilungen dauernd rechnen muß, insbesondere ein Geschäftsmann, muß bei Änderung der Anschrift, bei Abwesenheit durch Reisen, Krankheit usw., dafür sorgen, daß die Post ihn oder einen Bevollmächtigten erreicht. Sonst muß er sich so behandeln lassen, als seien ihm die Willenserklärungen rechtzeitig zugegangen.

U durfte damit rechnen, daß sein Telegramm unter normalen Umständen in den Herrschaftsbereich des A gelangen und A so die Möglichkeit erhalten werde, vom Inhalt Kenntnis zu nehmen. Allein durch sein unvorhersehbares Ausbleiben hat A den Widerruf der Vollmacht nicht rechtzeitig erfahren. Der Widerruf ist also zugegangen und damit wirksam geworden. Mithin hat A als vollmachtloser Vertreter gehandelt. Der Vertrag zwischen U und L war deswegen schwebend unwirksam. Das Nichtabnehmen des Automaten ist zugleich als Verweigern der Genehmigung nach § 177 Abs. 1 BGB aufzufassen. Dadurch werden jegliche Vertragsbeziehungen zwischen U und L beseitigt. L kann von U also weder die Bezahlung noch die Abnahme des Automaten verlangen. Nun ist zu prüfen, ob L den A auf Abnahme und Bezahlung des Automaten erfolgreich in Anspruch nehmen kann. Nach §179 Abs. 1 BGB haftet der vollmachtlose Vertreter dem anderen Teil wahlweise auf Erfüllung oder Schadensersatz, wenn der Vertretene die Genehmigung verweigert. Diese scharfe Haftung greift aber nur Platz, wenn der Vertreter ohne Vertretungsmacht diesen Mangel gekannt hat. Hat er ihn nicht gekannt, beschränkt sich seine Haftung auf den Ersatz des Vertrauensschadens, der nach oben durch das Erfüllungsinteresse begrenzt wird (§179 Abs. 2 BGB). (Lesen Sie diese Bestimmung und die Fälle Nr. 29 bis 31 undedingt nach!!) Da A den Widerruf der Vollmacht nicht gekannt hat (zugegangen ist nicht gleich Kenntnis), haftet er nur nach §179 Abs. 2 BGB. Wer den Ersatz des Vertrauensinteresses verlangen kann, kann verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne das schädigende Ereignis gestanden hätte. Das schädigende Ereignis ist der Umstand, der den U veranlaßt hat, die Kosten für den Versand aufzuwenden, also die unwirksame Bestellung. Ohne sie hätte er die Versandkosten eingespart. Diese Kosten muß der A daher tragen.

Fall Nr. 71: Selbstkontrahieren Der in Köln wohnhafte Kaufmann K möchte von dem in Vilshofen wohnenden Viehhändler V ein am Starnberger See gelegenes Grundstück kaufen. Da beide nur wenig Zeit haben, beauftragen sie den gemeinsamen Bekannten B, zum Notar des Ortes zu gehen, in dem das Grundstück liegt, und den Kaufvertrag „perfekt" zu machen. Ist das rechtlich durchführbar?

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Lösung Eine Vereinbarung der vorliegenden Art erleichtert den Geschäftsverkehr, sie kann aber zu Unklarheiten führen, weil derjenige, der die Willenserklärungen abgibt, auf beiden Seiten steht, d. h. Antrag und Annahme werden von ein und derselben Person erklärt. Das hat der Gesetzgeber grundsätzlich nicht erlaubt. Er war auf Klarheit bedacht. Außerdem ist es schwer, mehreren Herren gleichzeitig zu dienen. Leicht kann es zu einem Widerstreit der Interessen kommen. Deshalb erlaubt §181 BGB das „Verhandeln mit sich selbst" (Selbstkontrahieren) nur, wenn es dem Vertreter ausnahmsweise gestattet ist, oder wenn es ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. Es sind mehrere Arten des Selbstkontrahierens möglich: 1. Der Vertretene A erlaubt seinem Vertreter B, zugleich im Namen des Vertretenen und mit sich im eigenen Namen ein Rechtsgeschäft vorzunehmen. Z. B.: A gestattet als Geschäftsinhaber dem Angestellten B, Ware für den eigenen Bedarf mit 10% Preisnachlaß zu kaufen. In diesem Falle verkauft B als Vertreter des A die Ware an sich selbst. 2. Der Vertretene A erlaubt seinem Vertreter B, der zugleich Vertreter des C ist, den Abschluß des Rechtsgeschäfts. In diesem Falle müssen A und C die Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens erteilen. So liegt es in dem Ausgangsfall. B kann zugleich als Vertreter des K und des V handeln. Fall Nr. 72 Selbstkontrahieren, Doppelvollmacht Der in Dortmund wohnhafte A hat seinen Bekannten B, der aus geschäftlichen Gründen nach München reisen muß, gebeten, dort bei einem äußerst faulen Schuldner 600,— DM einzutreiben. B trifft den Schuldner nicht an und muß deswegen eine Nacht länger bleiben. Dadurch erhöht sich seine Hotelrechnung um 50,— DM. Darf er die 50,— DM ohne Befragen des A von den kassierten 600,- DM einbehalten? Lösung B könnte gegen A einen Anspruch auf Aufwendungsersatz aus §670 BGB haben. Nach dieser Vorschrift ist der Auftraggeber dem Beauftragten zum Ersatz der Aufwendungen verpflichtet, die der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrages gemacht hat und die er für erforderlich halten durfte. Der Auftrag ist ein Vertrag, durch den sich der Beauftragte verpflichtet, ein ihm vom Auftraggeber übertragenes Geschäft unentgeltlich zu besorgen. Das, was Kaufleute häufig als Auftrag bezeichnen, ist rechtlich zumeist etwas anderes, nämlich der Antrag oder die Annahme eines entgeltlichen Geschäfts, z. B. eines Kaufvertrages (vgl. dazu Fall Nr. 24 und 26 - Auftragsbestätigung —). Beim Auftrag wird die übernommene Tätigkeit unentgeltlich geleistet. Nur die „Un"Kosten hat der Auftraggeber zu erstatten. Zu den Geschäften im Sinne des §662 BGB gehören rechtliche, aber auch rein tatsächliche Vorgänge.

107 Ein rechtlicher Vorgang ist z. B. der Abschluß eines Vertrages. Die Entgegennahme der geschuldeten Leistung, also das Mitwirken bei der Erfüllung, ist ebenfalls als rechtlicher Vorgang anzusehen. Einen rein tatsächlichen Vorgang stellt demgegenüber beispielsweise das Schließen einer Tür oder die Beförderung einer Person dar, mögen sich daraus auch rechtliche Folgen ergeben.

Das Kassieren der Forderung ist also ein Geschäft im Sinne des §652 BGB. Da der Schuldner als äußerst faul bezeichnet wird, durfte B annehmen, er handle im Interesse des A, wenn er noch einen Tag in München blieb, um den Schuldner persönlich auffordern zu können. Die hiermit notwendig verbundenen Mehrausgaben durften ihm als erforderlich erscheinen. B hat daher gegen A einen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen. Fraglich ist nur, ob er sich eigenmächtig durch Behalten der 50,— DM befriedigen durfte. Die Eigenmächtigkeit könnte durch §181 BGB erlaubt sein. Danach darf der Vertreter das Rechtsgeschäft im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen vornehmen, wenn es ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. Ob der Vertreter Schuldner oder Gläubiger der Verbindlichkeit ist, spielt keine Rolle. Maßgeblich ist nur, ob die Erfüllungshandlung genau beschrieben ist. Steht sie inhaltlich genau fest, und müssen der Vertretene oder der Vertreter ohnehin leisten, dann ist das Selbstkontrahieren ungefährlich, B darf also im Namen des A an sich selbst zahlen. Die Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens spielt im Wirtschaftsleben eine große Rolle. Sie ist besonders häufig im Grundstücksverkehr. Die Vertragschließenden erteilen dem Notar oft eine sogenannte Doppelvollmacht, d. h., dem Notar wird gestattet, Erklärungen des Käufers und des Verkäufers abzugeben bzw. entgegenzunehmen. Doppelvollmachten sind in der Hand unzuverlässiger Personen äußerst gefährlich, insbesondere, wenn sie sich auf die Beschaffung von Krediten und die Freigabe von Geldern erstrecken. Mancher Baulustige, der einem „Baubetreuer" das Selbstkontrahieren erlaubt hat, ist übel hintergangen worden! Daher Vorsicht bei der Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens!

Fall Nr. 73: Verfügung eines Nichtberechtigten G ist Gläubiger des S. S hat gegen D eine Forderung von 5000,— DM. G verlang von S eine Sicherheit. S verspricht am 20. 2. dem G, er werde ihn am 1.3. persönlich aufsuchen, um über die Abtretung einer Kaufpreisforderung gegen D zu reden. G kann nicht warten. Noch am 20. 2. versichert er dem D telefonisch, S habe ihm die Forderung abgetreten. Daraufhin zahlt D am 21.2. an G. Am 22.2. tritt S die Forderung an X ab. Einen Tag später erklärt sich S mit der Einziehung der Forderung durch G einverstanden. Muß D nochmals an X zahlen? Lösung Es ist zu prüfen, ob die Kaufpreisforderung noch besteht oder ob sie durch Erfüllung untergegangen ist. Ein Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger erbracht wird. Die Abtretung der Forderung von S an G sollte zwar am 1.3. besprochen werden, sie war aber noch nicht erklärt.

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Da die Abtretung ein Vertrag ist (§398 BGB), sind Antrag und Annahme erforderlich. Erst mit Abschluß des Vertrages tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers. G war daher Nichtberechtigter, als er die Forderung einzog. Durch Leistung an den Nichtberechtigten wird der Schuldner nicht frei. Der Nichtberechtigte ist Dritter im Sinne des §362 Abs. 2 BGB. Diese Vorschrift erklärt den §186 BGB für anwendbar. Da die Forderung durch Erfüllung untergeht, ist das Einziehen der Forderung eine Verfügung im Sinne des §185 BGB. Sie ist wirksam, wenn sie mit Einwilligung des Berechtigten erfolgt (§ 185 Abs. 1 BGB). Daran fehlt es hier. Nun hat S später die Einziehung genehmigt. Nach §185 Abs. 2 BGB wird die Verfügung u. a. wirksam, wenn der Berechtigte sie genehmigt. Als S die Einziehung genehmigte, hatte er die noch bestehende Forderung aber bereits an X abgetreten. Von diesem Zeitpunkt an war X Berechtiger. S konnte also nicht wirksam genehmigen. Daher ist auch G Nichtberechtigter geblieben. Somit muß D nochmals an X zahlen. Merke: Der vollmachtlose Vertreter handelt ohne Vertretungsmacht Im fremden Namen. Der Nichtberechtigte handelt ohne Verfügungsberechtigung im eigenen Namen. Wer nicht im fremden Namen, aber unter fremden Namen handelt, haftet ebenfalls nach § 179 Abs. 1 BGB.

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Teil 8: Verjährung

Fall Nr. 74: B e g r ü n d u n g und Entstehung e i n e s A n s p r u c h s Kaufmann V hat d e m Käufer K a m 1 . 1 0 . 1 9 6 7 eine Einbauküche für 2 5 0 0 , - D M verkauft. K ist mit d e n gelieferten Stücken nicht zufrieden. D e s w e g e n zahlt er d e n Restbetrag von 1 0 0 0 , - D M nicht w i e vereinbart a m 1 . 4 . 1 9 6 8 . Zwischen V un K entwickelt sich nun ein längerer Schriftwechsel, in d e m V immer w i e d e r auf Z a h l u n g drängt. Da K sich hartnäckig weigert, reicht V g e g e n ihn a m 1 . 2 . 1970 eine Klage auf Z a h l u n g v o n 1000,— D M ein. K bittet um K l a g e a b w e i s u n g und beruft sich auf V e r j ä h r u n g der Kaufpreisforderung. Mit Recht? Lösung In den Bemerkungen zum Fall Nr. 8 haben Sie schon einiges über den Begriff „Anspruch" gelernt. Lesen Sie zunächst jene Ausführungen nach. Das Gesetz definiert den „Anspruch" als das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (§ 194 Abs. 1 BGB). D i e Kaufpreisforderung d e s V aus § 4 3 3 Abs. 2 B G B ist ein Anspruch, der g e m ä ß § 194 B G B d e r V e r j ä h r u n g unterliegt.

schuldrechtlicher

Die Verjährung spielt im gesamten Rechtsleben eine große Rolle. Nicht nur Ansprüche, auch Straftaten unterliegen der Verjährung. Zwar gelten dort andere Fristen und andere Einzelbestimmungen als im Privatrecht. Der Zweck ist jedoch hier wie dort derselbe: Wahrung des Rechtsfriedens. Die Zeit heilt alle Wunden - sagen manche. Das ist eine Lebenserfahrung, an der auch das Recht nicht vorübergeht. Wer eine Straftat begangen hat, soll nicht für den Rest seines Lebens unter dem Druck stehen, eines Tages doch noch zur Rechenschaft gezogen zu werden. Das ist ein Gebot der Humanität — denn einmal muß Schluß sein mit der Furcht vor Rache. Wer den Gedanken der Rache aus dem Strafrecht verdrängen möchte und nur noch bessern oder erziehen will, kann sich diesem Verlangen erst recht nicht verschließen. Daß dabei Straftaten ungesühnt bleiben — kleine wie große — muß man in Kauf nehmen. Die menschliche Ordnung wird nicht zerbrechen, wenn ein Verbrecher stirbt, ohne wegen seiner Tat vor einem Gericht gestanden zu haben. Und erst recht wird die Wirtschaft nicht daran zugrunde gehen, wenn Ansprüche, die längere Zeit geschlummert haben, nicht mehr durchsetzbar sind. Auch ein Schuldner kann verlangen, vom Gläubiger nicht endlos wegen eines lange nicht ausgeübten Rechts bedrängt zu werden. Auch hier muß man es hinnehmen, daß dadurch der Gläubiger in vielen Fällen um sein unzweifelhaft bestehendes Recht gebracht wird. Deswegen gilt es In weiten Kreisen als ungehörig, sich gegenüber berechtigten Forderungen auf Verjährung zu berufen. In krassen Fällen ist die Berufung auf Verjährung sogar als unzulässige Rechtsausübung aufzufassen, z. B. wenn der Schuldner den Gläubiger durch Vergleichsverhandlungen hinhält, seine Wohnung und den Aufenthalt häufig wechselt oder sich überhaupt nicht polizeilich anmeldet oder vorgibt, einen Musterprozeß abwarten zu wollen. W e l c h e W i r k u n g hat nun die V e r j ä h r u n g ? Nach Vollendung der V e r j ä h r u n g ist der Verpflichtete berechtigt, die Leistung zu v e r w e i g e r n . Die e i n g e t r e t e n e V e r j ä h r u n g g e w ä h r t d e m Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht. W a s das ist, wissen Sie bereits (nachlesen Fall Nr. 35). D e r Anspruch ist z w a r bestehen g e b l i e b e n ; er kann aber g e g e n d e n Willen d e s Schuldners nicht mehr durchgesetzt w e r d e n .

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Die Verjährung berechtigt den Schuldner, die Leistung engültig, nicht nur vorübergehend zu verweigern. Hat der Schuldner jedoch in Kenntnis oder Unkenntnis der Verjährung geleistet, so kann er das Geleistete nicht zurückverlangen. Der Anspruch bleibt also erfüllbar — ihm steht nur die Einrede (was ist das?) der Verjährung entgegen. Die Verjährung beginnt grundsätzlich mit der Entstehung des Anspruchs (§ 198 S. 1 BGB), und die regelmäßige Verjährungsfrist dauert 30 Jahre (§195 BGB). Diese lange Frist würde jedoch in vielen Fällen die oben erwähnten Motive für die Zulassung der Verjährung illusorisch machen. Deswegen hat der Gesetzgeber für die wichtigsten Geschäfte des täglichen Lebens die zweijährige Verjährungsfrist eingeführt (§196 BGB — Lesen Sie die Bestimmung sofort nach und versuchen Sie, sich die wichtigsten Fälle zu merken!). In unserem Falle handelt es sich um einen Kaufvertrag über Waren (was sind Waren? Vgl. Fall Nr. 22). Die Kaufpreisforderung des Kaufmanns unterliegt der kurzen Verjährungsfrist von 2 Jahren (§ 196 Abs. 1 Ziff. 1 BGB). Eigentlich müßten wir jetzt prüfen, wann die Kaufpreisforderung entstanden ist; denn mit der Entstehung des Anspruchs beginnt ja regelmäßig die Verjährung. Das gilt aber nicht für die kurzen Fristen nach §§ 196, 197 BGB. Ansonsten müßten Geschäftsleute die laufenden Verjährungsfristen ständig kontrollieren. Das würde viel Arbeitskraft kosten. Deshalb beginnen die kurzen Fristen erst mit dem Schluß des Jahres, in welchem der nach den §§ 198 bis 200 BGB maßgebende Zeitpunkt eintritt. Das bedeutet hier: Die Verjährung beginnt erst mit dem Schluß des Jahres, in dem die Kaufpreisforderung entstanden ist. Von der Entstehung eines Anspruchs ist zu unterscheiden, wann er begründet worden ist. Begründet ist ein vertraglicher Anspruch mit dem Abschluß des Vertrages. Der so begründete Anspruch kann aber des öfteren nicht sofort geltend gemacht werden, so z. B. wenn er gestundet oder wenn eine Bedingung noch nicht eingetreten ist. Erst wenn er klageweise geltend gemacht werden kann, ist er entstanden. Da V und K besondere Ratenzahlungsabreden getroffen hatten, war der Kaufpreis nicht sofort in voller Höhe fällig; aber nach dem 1.4.1968 hätte V die letzte Rate einklagen können. In diesem Augenblick war die restliche Kaufpreisforderung entstanden im Sinne des §198 BGB. Folglich nahm die Zweifahresfrist ihren Lauf mit dem 1.1.1969 und sie endete mit dem 31.12.1970. Daher war sie am 1.2.1970 noch nicht abgelaufen. K kann sich also nicht erfolgreich auf die Einrede der Verjährung berufen.

Fall Nr. 75: Unterbrechung der Verjährung; Grundsätzliches zum Mahnverfahren, zur Klageerhebung und zum Armenrecht Der Kaufmann V in Köln hat dem Kunden K in Dortmund für 5000,- DM Waren geliefert. Der Restkaufpreis in Höhe von 1000,— DM sollte am 1.12.1967 gezahlt werden. K hat das Geld nicht zur Verfügung. Am 1.10.1968 zahlt er 900,- DM in bar. 1969 ruht der Schriftwechsel zwischen V und K. Am 20. 9. 1970 beantragt V beim AG Dortmund gegen K einen Zahlungsbefehl. Dieser wird dem K erst am 28.10.1970 zugestellt, obwohl V alle Voraussetzungen für den sofortigen Erlaß des Zahlungsbefehls erfüllt hatte. K erhebt am 2.11.1970 Widerspruch gegen den Zahlungsbefehl und beruft sich auf Verjährung. Mit Recht?

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Lösung Die Kaufpreisrestforderung des V gegen K war am 1.12.1967 fällig. Nach §201 BGB begann die Verjährungsfrist von 2 Jahren also am 1.1.1968 zu laufen. Es fragt sich nun, ob die Teilleistung von 900,— DM am 1.10.1968 auf den Ablauf der Frist irgendeinen Einfluß gehabt hat. Die Verjährung wird unterbrochen, wenn der Verpflichtete dem Berechtigten gegenüber den Anspruch durch Abschlagzahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Welse anerkennt (§208 BGB). Die Unterbrechung hat zur Folge, daß die bis dahin verstrichene Frist außer Betracht bleibt. Nach Beendigung der Unterbrechung beginnt die volle Verjährungsfrist erneut zu laufen (§ 217 BGB). Die Möglichkeiten, den Lauf der Verjährung zu unterbrechen, slndsehrzahlreich. Zu unterscheiden ist zwischen Unterbrechungshandlungen, die vom Willen des Schuldners abhängen (§208 BGB), und solchen, die der Gläubiger gegen den Willen des Schuldners vornehmen kann (§209 BGB). Da die neue Verjährungsfrist nach Ablauf der Unterbrechung beginnt, muß von Fall zu Fall geprüft werden, wie lange die Unterbrechung gedauert hat. Das Gesetz regelt die Unterbrechungsdauer nur bezüglich der vom Gläubiger vorzunehmenden Unterbrechungshandlungen (§§ 211-216 BGB). Bei den Unterbrechungshandlungen des Schuldners ergibt sich die Unterbrechungsdauer aus der Natur der Sache. Solche Unterbrechungshandlungen sind insbesondere Abschlagszahlungen, Zinsleistungen, Sicherheitsleistungen oder sonstige Leistungen, durch die ein Anerkenntnis zum Ausdruck kommt. Daraus folgt für den vorliegenden Fall: Mit der wirksamen Zahlung ist die Verjährung einerseits unterbrochen, gleichzeltig beginnt aber die neue Verjährungsfrist. Das gilt auch für die kurzen Verjährungsfristen, die sonst zu Beginn eines neuen Kalenderjahres ihren Lauf nehmen! Mit Ablauf des 1.10.1970 wäre die Kaufpreisforderung des V also verjährt gewesen; aber V hat am 20. 9.1970 den Erlaß eines Zahlungsbefehls (ZB) beantragt. Es ist zu untersuchen, welchen Einfluß das auf die Verjährung gehabt haben kann. Dazu ist die Kenntnis einiger Grundsätze und Bestimmungen des Zivilprozeßrechtes erforderlich. Deswegen müssen wir jetzt einen längeren Ausflug in das Prozeßrecht unternehmen. Lesen Sie bitte zunächst Fall Nr. 6 nach. Dort ist vom Unterschied zwischen materiellem und formellem Recht die Rede. Wer einen privatrechtlichen Anspruch im Zivilprozeß geltend machen will, muß sich nach Verfahrensvorschriften richten, die im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) und in der Zivilprozeßordnung (ZPO) stehen. Das GVG regelt u. a. den Aufbau der Gerichte, Ihre Besetzung und ihre Zuständigkeiten in sachlicher Beziehung (§ 1 GVG). Sachliche Zuständigkeit bedeutet: Zuständigkeit nach der Art der Angelegenheit. Man unterscheidet zwischen vermögensrechtlichen und nicht vermögensrechtlichen Angelegenheiten. Faustregel: Alle Ansprüche, die Geld oder geldwerte Leistungen zum Inhalt haben — mögen sie auf schuldrechtlichen, sachenrechtlichen, familienrechtlichen oder erbrechtlichen Verhältnissen beruhen — sind vermögensrechtlicher Natur. Typisches Beispiel ist die Zahlungsklage (Kaufpreis, Schmerzensgeld, Unterhalt, Pflichtteil). Nichtvermögensrechtliche Ansprüche sind bloße Standes -oder Familienrechte (Widerruf bei Ehrverletzungen, Scheidungsklagen, Abstammungsklagen). Wer klagen will, muß sich also zuächst fragen, welches Gericht (Amtsgericht oder Landgericht) für seine Klage zuständig ist. Hier soll nur von der sachlichen Zuständigkeit bei vermögensrechtlichen Ansprüchen die Rede sein. Die Amtsgerichte sind zuständig in den

112 Fällen des §23GVG. Lesen Sie die Vorschrift nach und behalten Sie wenigstens, daß der Amtsrichter entscheidet, wenn der Wert des Streitgegenstandes in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit 1500,— DM nicht übersteigt. Bei höheren vermögensrechtlichen Streitwerten ist das Landgericht zuständig. Das Landgericht entscheidet aber auch über Berufungen gegen Urteile des Amtsrichters. In vermögensrechtlichen Streitigkeiten, die nicht zur ausschließlichen Zuständigkeit des Landgerichts gehören (§71 Abs.2 GVG: Ansprüche auf Grund der Beamtengesetze gegen den Fiskus, Ansprüche gegen Beamte und Richter wegen Amtspflichtverletzung) können die Parteien ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes die Zuständigkeit des Amtsgerichts vereinbaren (§§38—46 ZPO). Davon wird nicht selten Gebrauch gemacht. W e n n der Kläger das sachlich zuständige Gericht herausgefunden hat, muß er sich überlegen, welches Gericht für die Klage örtlich zuständig ist. ö r t l i c h e Zuständigkeit bedeutet Zuständigkeit nach der räumlichen Aufteilung in Gerichtsbezirke. Jedes Gericht ist für einen bestimmten Gerichtssprengel zuständig. Diese Zuständigkeit ist in der ZPO geregelt (§§ 12-37 ZPO). Auch die örtliche Zuständigkeit kann in vermögensrechtlichen Streitigkeiten durch die Parteien vereinbart werden, wenn es sich nicht um eine ausschließliche Zuständigkeit handelt. Da V 100,— DM einklagen möchte, ist das Amtsgericht sachlich zuständig. Bei Prüfung der Frage, welches der vielen in der Bundesrepublik gelegenen A m t s gerichte örtlich zuständig ist, w i r d V die Zuständigkeit des A G in Köln als die für ihn beste Lösung angesehen haben. Das A G Köln ist örtlich zuständig, w e n n V und K d a r ü b e r eine Vereinbarung getroffen haben (§ 38 ZPO); aber sie fehlt. Daher kommt es auf die gesetzliche Regelung an. Der allgemeine Gerichtsstand (das Gegenteil sind die besonderen Gerichtsstände - vgl. § § 2 0 - 3 3 ZPO — d o r t finden Sie auch einige ausschließliche Gerichtsstände) einer Person w i r d durch den Wohnsitz bestimmt ( § 1 3 ZPO). Fehlt eine Gerichtsstandvereinbarung und ist ein ausschließlicher Gerichtsstand nicht vorhanden, d a n n ist eine Person d o r t zu verklagen, w o sie ihren allgemeinen Gerichtsstand hat (§ 12 ZPO). Daher muß V den K beim Amtsgericht in Dortmund verklagen. Für Klagen aus einem schuldrechtlichen Vertrage ist in aller Regel d e r besondere Gerichtsstand d e s Erfüllungsortes gegeben. Er spielt im Geschäftsleben eine herausragende Rolle, weil auch der Erfüllungsort durch Parteivereinbarung bestimmt w e r d e n kann. Kaufleute bevorzugen ihren eigenen Wohnsitz als Erfüllungsort, und so versuchen sie, eine entsprechende Vereinbarung zu erzielen. Das kann zu Mißbräuchen führen. Z.B.: Eine skrupellose Versandfirma aus dem äußersten Süden vertreibt fehlerhafte Erzeugnisse im hohen Norden. Wird ein Erfüllungsort im südlichsten Zipfel der Bundesrepublik vereinbart, ist es für die Käufer sehr nachteilig, wenn sie entweder selbst in den Süden reisen oder sich dort einen unbekannten Rechtsanwalt zu ihrer Vertretung vor dem Gericht aussuchen müssen. Hier gilt es, bei Vertragsverhandlungen die Augen offen zu halten. Ist ein Erfüllungsort nicht vereinbart und auch aus den Umständen nicht zu entnehmen, greift §269 BGB ein: Die Leistung hat an dem Orte zu erfolgen, an dem der Schuldner bei Vertragsschluß seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung hatte. Bei vielen Verträgen, z. B. beim Kauf-, Miet-, Pacht-, Dienst- und Werkvertrag, sind beide Teile Gläubiger und Schuldner. Ein Vertragspartner schuldet Geld (§§ 433 Abs. 2, 535 S. 1, 581 Abs. 2, 611 Abs. 1, 631 Abs. 1 BGB), der andere die jeweilige Gegenleistung. In diesen Fällen kommen bei verschiedenen Wohnsitzen auch verschiedene Erfüllungsorte (juristisch genauerer Ausdruck: Leistungsorte) in Betracht. Klagt z. B- der Verkäufer auf

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Zahlung des Preises, so ist der Wohnort des Käufers Erfüllungsort und damit besonderer Gerichtsstand nach §29 ZPO. Umgekehrtes gilt, wenn der Käufer auf Lieferung der ihm verkauften Ware klagt. Da in unserem Falle der Verkäufer gegen den Käufer auf Zahlung klagt, muß V auch nach § 29 ZPO beim AG Dortmund die Klage gegen K erheben. Die Klageerhebung ist für den juristischen Laien ein Vorgang, bei dem ihm leicht Fehler unterlaufen. Bekannter ist der Zahlungsbefehl. Er kann nach einem auszufüllenden Vordruck beantragt werden. Das Wesentlichste über die Klageerhebung sollten Sie dennoch wissen: Zur Klageerhebung gehört eine Klageschrift, die im Verfahren vor den Landgerichten von einem bei diesem Landgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sein muß. Vor den Landgerichten und vor allen Gerichten des höheren Rechtszuges müssen sich die Parteien durch einen beim Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten (Prozeßbevollmächtigter) vertreten lassen (Anwaltszwang, §78 ZPO). Bei den Amtsgerichten kann der Kläger die Klage auch mündlich zu Protokoll der Geschäftssteile erklären (§496 Abs. 2 ZPO). Wer statt dessen eine Klageschrift abfassen möchte, hat folgendes zu beachten: Die Klageschrift muß enthalten (§253 Abs. 2ZPO): 1. Die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts. Ein Kaufmann kann unter seiner Firma klagen und verklagt werden (§ 17 Abs. 2 HGB); 2. die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag. Grund des Anspruchs nennt man die Gesamtheit aller Tatsachen, aus denen sich der Anspruch ergeben soll (Klagegründe). Der Kläger braucht die Tatsachen nicht selbst juristisch auszuwerten und seine Rechtsansichten darzulegen. Die rechtliche Beurteilung der vorgetragenen Tatsachen obliegt dem Gericht. Es ist an die Rechtsansichten der Parteien nicht gebunden. Unbedingt nötig ist ferner ein bestimmter Antrag. Der Kläger muß also genau angeben, welche Entscheidung er wünscht. So einfach das klingt, so schwierig ist das in manchen Fällen. Erstrebt der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung, so muß er den Geldbetrag genau beziffern. Soll der Beklagte verurteilt werden, eine Sache herauszugeben oder eine Arbeit zu leisten, so sind die Gegenstände der gewünschten Verurteilung so genau wie möglich zu beschreiben. Das hat einen besonderen Grund: Im Zivilprozeß Ist der Richter an den Klageantrag gebunden. Er darf, wenn die Klage z. T. unbegründet ist, wohl weniger zuerkennen, als der Kläger beantragt hat oder die Klage auch völlig abweisen; er darf dem Kläger aber niemals mehr oder etwas anderes zusprechen als er beantragt hat (§308 Abs. 1 ZPO). Unklare Anträge muß der Richter klarstellen lassen (§139 Abs. 1 ZPO). Mit Einreichung der Klageschrift und der erforderlichen Abschriften für den Gegner (§253 Abs. 3 ZPO) ist die Klage noch nicht erhoben. Das geschieht erst durch die Zustellung der Klageschrift an den Beklagten (§ 253 Abs. 1 ZPO). Die Zustellung ist die in gesetzlicher Form geschehene und beurkundete Obergabe eines Schriftstückes. Dadurch unterscheidet sie sich von der formlosen Mitteilung. Die Zustellug soll den Nachweis für die Zeit und Art der Übergabe sichern. Deswegen ist sie nur bei besonders wichtigen prozessualen Vorgängen vorgeschrieben. Die Klageschrift ist von Amts wegen zuzustellen (§§261 b, Abs. 1, 496 Abs. 1 ZPO); der Richter fordert die Geschäftsstelle aber erst dazu auf, wenn der Kläger einen KostenvorschuB geleistet hat. Viele Personen sind aus finanziellen Gründen nicht in der Lage, die Prozeßkosten vorzuschießen. Sie könnten nach den Ausführungen im vorhergehenden Absatz keine Klage erheben („er hat kein Geld - er kann nicht klagen"!), wenn es nicht die Einrichtung des Armen rechts gäbe. Es dient der Verwirklichung des Rechtsstaates. Auf der anderen Seite werden die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung des Armenrechts von den Gerichten oft zu großzügig geprüft. Das bedeutet eine unnötige Mehrausgabe von Steuern.

114 Wer ohne Beeinträchtigung seines und seiner Familie notwendigen Unterhalts die Kosten eines Prozesses, der hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint, nicht bestreiten kann, erhält auf Antrag das Armenrecht (§ 114 Abs. 1 S. 1 ZPO). Dem Beklagten kann für die Rechtsverteidigung unter den gleichen Voraussetzungen das Armenrecht bewilligt werden. Vor Bewilligung des Armenrechts prüft das Gericht die Vermögensverhältnisse des Antragstellers und die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Die Tatsachen, aus denen sich die Armut des Antragstellers und die Erfolgsaussicht seines Verlangens ergeben sollen, sind glaubhaft zu machen. Das geschieht regelmäßig durch eine eidesstattliche Versicherung und durch Vorlage eines sogenannten Armutszeugnisses, das von der für den Wohnsitz des Antragstellers zuständigen Kommunalbehörde ausgestellt wird. Die Partei, der das Armenrecht bewilligt ist, braucht keine Vorschüsse für die Kosten des Gerichts, der Zeugen, Sachverständigen, Gerichtsvollzieher und des ihr beigeordneten Anwalts zu zahlen (§ 115 Abs. 1 Ziff. 1 - 3 ZPO). Ein Anwalt ist beizuordnen, wenn Anwaltszwang besteht, also bei Prozessen vor dem Landgericht und in höheren Instanzen. In Verfahren ohne Anwaltszwang, also vor den Amtsgerichten, wird der Partei ein Anwalt beigeordnet, wenn das wegen der Schwierigkeit der Prozeßführung erforderlich scheint (§116 Abs. 1 ZPO). Da die Armenrechtsbewilligung nur von der Vorschußpflicht für die eigenen Kosten befreit, muß die arme Partei, wenn sie unterliegt, die Kosten des obsiegenden Gegners voll tragen (§117 ZPO). Das Armenrecht kann (während der Instanz) zu jeder Zeit entzogen werden, wenn sich ergibt, daß eine Voraussetzung der Bewilligung nicht mehr vorhanden war oder ist (§121). Nach Beendigung der Instanz kann nicht mehr entzogen, sondern nur noch die Nachzahlung der Kosten angeordnet werden. Sie ist anzuordnen, sobald die Partei die Kosten ohne Beeinträchtigung des für sie und ihre Familie notwendigen Unterhalts nachzahlen kann (§125 ZPO). In der Praxis hält diese Bestimmung häufig einen Dornröschenschlaf.

Nach dem weiten Ausflug in das Prozeßrecht wollen wir zu unserem Fall zurückkehren. V hat keine Klage eingereicht, sondern einen Zahlungsbefehl beantragt. Dieser Weg steht offen, wenn der Anspruch auf die Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder die Leistung einer bestimmten Menge anderer vertretbarer Sachen (was ist das? Nachlesen Fall Nr. 10) oder Wertpapiere gerichtet ¡st (§688 Abs. 1 S. 1 ZPO) In der Praxis haben fast alle Zahlungsbefehlsanträge die Zahlung einer bestimmten Geldsumme zum Gegenstand. Der Gesetzgeber hat das Mahnverfahren — so heißt das durch den Zahlungsbefehl eingeleitete Verfahren — geschaffen, um „einfache, weil unbestrittene Verhältnisse einfach zu behandeln". Die Wirklichkeit sieht anders aus. Häufig beantragen Gläubiger einen Zahlungsbefehl, obwohl sie damit rechnen müssen, daß sich der Schuldner gegen den geltend gemachten Anspruch wehren wird. In solchen Fällen bringt das Mahnverfahren regelmäßig eine Verzögerung der Angelegenheit mit sich. Da V einen Zahlungsanspruch in Höhe von 100,— DM geltend macht, der nicht von einer noch ausstehenden Gegenleistung abhängig ist (§ 688 Abs. 2 ZPO), konnte er das Mahnverfahren wählen. Den Antrag auf Erlaß des Zahlungsbefehls mußte er beim Amtsgericht stellen (§689 Abs. 1 ZPO). Sachlich sind die Amtsgerichte ohne Rücksicht auf die Höhe des erhobenen Anspruchs zuständig. Es handelt sich also um eine ausschließliche sachliche Zuständigkeit. Ortlich ist das Amtsgericht zuständig, bei dem die Klage erhoben werden müßte (§689 Abs. 2 ZPO), hier also das Amtsgericht in Dortmund.

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In dem Zahlungsbefehlsantrag (das Gesetz sagt Gesuch) sind wie in der Klage die Parteien und das angerufene Gericht zu bezeichnen. Außerdem ist die Angabe des bestimmten Betrages oder sonstigen Leistungsgegenstandes und des Anspruchsgrundes erforderlich. Der Grund des Anspruchs braucht nicht in Einzelheiten dargelegt zu werden wie bei der Klage. Es sind nur die Tatsachen zu bezeichnen, aus denen folgt, daß der Anspruch zur Geltendmachung im Zahlungsbefehlsverfahren geeignet ist. V hätte also nur zu schreiben brauchen: „100,— DM restliche Kaufpreisforderung für Waren, geliefert am . . . . auf Grund des Kaufvertrages vom fällig seit dem ". Schließlich muß das Gesuch deutlich auf den Erlaß eines Zahlungsbefehls gerichtet sein, und es muß erkennen lassen, woraus die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Amtsgerichts folgt (§690 ZPO). Da V den Zahlungsbefehl beim Wohnsitzgericht des Schuldners K beantragt hat, braucht er keine näheren Angaben zur Zuständigkeit zu machen. Aber V muß wie bei Einreichung der Klage einen Kostenvorschuß leisten; denn auch der Zahlungsbefehl soll erst nach Zahlung des Kostenvorschusses erlassen werden. Der Vorschuß im Mahnverfahren ist jedoch nur halb so hoch wie im Streitverfahren, d. h. wie bei Einreichung einer Klage ( § 3 8 Abs. 1 GKG). Mit dem Antrag auf Erlaß des Zahlungsbefehls kann der Antrag auf Bewilligung des Armenrechts verbunden werden. Dann sind jedoch die Tatsachen, aus denen der Anspruch sich ergeben soll, im einzelnen darzulegen und glaubhaft zu machen. Sonst könnte sich eine Partei mit Hilfe der verminderten Darlegungspflicht aus § 690 ZPO das Armenrecht leichter besorgen!

Wir gehen davon aus, daß V am 20. 9.1970 alle Voraussetzungen für den sofortigen Erlaß des Zahlungsbefehls erfüllt hatte. Es fragt sich nun, ob er Nachteile aus der verspäteten Zustellung des Zahlungsbefehls erleidet. Nach § 209 Abs. 1 BGB wird die Verjährung durch die Klageerhebung unterbrochen. Der Klageerhebung steht u. a. die Zustellung des Zahlungsbefehls gleich (§209 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO). Die Zustellung ist aber erst am 28.10.1970 erfolgt, also zu einem Zeitpunkt, in dem die Forderung bereits verjährt war. Müßte der V sich damit zufrieden geben, dann wäre er Zufälligkeiten ausgeliefert; denn auf die gerichtsinterne Behandlung seines Zahlungsbefehlsantrages hat V keinen Einfluß. Deshalb hat das Gesetz eine Rückwirkung der Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung des Gesuches vorgesehen, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Gleiches gilt für die Einreichung und Zustellung einer Klage (§§207, 261 b Abs. 38, 496 Abs. 3, 693 Abs. 2 ZPO). „Demnächst" ist die Zustellung nicht, wenn ihre Verzögerung auf das Verschulden des Gläubigers oder seines Vertreters zurückzuführen ist. Wird kein Vorschuß gezahlt und unterbleibt deswegen die demnächstige Zustellung, so hat das der Kläger zu vertreten. Hatte er bei Einreichung das Armenrecht beantragt, wird es später, z. B. nach Monaten, bewilligt und dann zugestellt, so ist die Zustellung noch „demnächst" erfolgt. Sie wirkt also zurück.

Da V alles Erforderliche für den sofortigen Erlaß des Zahlungsbefehls getan hatte, wirkt die Zustellung auf den Tag der Einreichung, also auf den 20. 9.1970 zurück. Daher hat der Zahlungsbefehl die Verjährung unterbrochen. Wir wollen nun prüfen, welchen Einfluß der Widerspruch des K hat.

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Der Widerspruch ist ein prozessualer Rechtsbehelf, mit dem sich der Schuldner gegen das Mahnverfahren wehren kann. In jedem Zahlungsbefehl ist die Frist anzugeben, binnen der vom Schuldner Widerspruch erhoben werden kann. Sie beträgt regelmäßig eine Woche, beginnend am Tage nach der Zustellung (§ 692 ZPO). Der Tag der Zustellung wird nicht mitgerechnet (§187 Abs. 1 BGB). Das Fristende fällt also auf den Tag, der durch seine Benennung dem Zustellungstage entspricht (z. B.: Wird am Mittwoch zugestellt, so endet die Widerspruchsfrist am nächsten Mittwoch; vgl. §§ 188 Abs. 2,187 Abs. 1 BGB). Die Widerspruchsfrist kann auch weniger als eine Woche betragen (§ 692 S. 2 ZPO). Häufiger ist die Dreitagesfrist von Bedeutung. Sie genügt, wenn am Ort oder im Bezirk des Prozeßgerichts zugestellt wird (§ 499 Abs. 1 ZPO). Der Zahlungsbefehl ist dem K am 28.10.1970, an einem Mittwoch, zugestellt worden. Da K in Dortmund wohnt, ist davon auszugehen, daß die Zustellung dort, also am Sitz des Prozeßgerichts, erfolgt. Die Widerspruchsfrist beträgt daher dei Tage. Es fragt sich, ob der Widerspruch vom 2.11.1970 dennoch rechtzeitig war. Der Tag der Zustellung ist gem. § 187 Abs. 1 BGB nicht mitzuzählen. Demnach würde die Frist am 31.10.1970 enden; dieser Tag ist aber ein Samstag, der in weiten Bereichen des öffentlichen Dienstes und in der Privatwirtschaft nicht mehr als normaler Arbeits(Werk)tag gilt. Dem hat der Gesetzgeber durch eine Änderung des § 193 BGB Rechnung getragen. Ist an einem bestimmten Tage oder innerhalb einer bestimmten Frist eine Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken und fällt der bestimmte Tag oder der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag, einen am Erklärungs- oder Leistungsorte staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so tritt an die Stelle eines solchen Tages der nächste Werktag (§193 BGB). K konnte den Widerspruch also am 2. 11. 1970 noch fristgerecht erklären. Eine besondere Form ist für den Widerspruch nicht vorgeschrieben. Er kann schriftlich oder mündlich bei der Geschäftsstelle erklärt werden. Der rechtzeitige Widerspruch beeinflußt die Unterbrechung der Verjährung nicht. Er beendet nur das Mahnverfahren. Das Gericht teilt dem Gläubiger den rechtzeitig erhobenen Widerspruch mit. Auf Antrag, den der Gläubiger vorsorglich mit dem Zahlungsbefehlsantrag stellen kann, beraumt das Gericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung an (§696 Abs. 1 ZPO). Vorher muß der Gläubiger allerdings die zweite Hälfte der Prozeßgebühr zahlen (§§111 Abs. 1, 38 Abs. 2 GKG). Mit der Tersninanberaumung geht das Mahnverfahren in das Streitverfahren über (§696 Abs. 2 ZPO). Stellt der Gläubiger keinen Terminsantrag, kommt es zu einem tatsächlichen Stillstand des Verfahrens. Das kann für den Gläubiger nachteilig sein; denn mit der Mitteilung des Widerspruchs beginnt die neue Verjährungsfrist zu laufen (Ende der Unterbrechung, § 211 Abs. 2 BGB). Das Streitverfahren findet vor dem Amtsgericht statt, wenn die Streitsache in die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts fällt. Gehört der Anspruch zur Zuständigkeit der Landgerichte, so hat das Amtsgericht auf Antrag einer Partei sich für unzuständig zu erklären und die Sache an das Landgericht zu verweisen. Der Antrag auf Verweisung kann ebenfalls vorsorglich mit dem Zahlungsbefehlsgesuch oder mit dem Widerspruch gestellt werden (§ 697 ZPO). Auf den Widerspruch des K, nach Antragstellung und weiterer Kostenzahlung des V, wird das Amtsgericht hier einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumen. Da die Einrede der Verjährung unbegründet ist, wird es den K zur Zahlung der geforderten 100,— DM verurteilen.

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Fall Nr. 76: Vollstreckungsbefehl Dem Schuldner S ist am 28.10.1970 ein Zahlungsbefehl über 100,—DM mit einer Widerspruchsfrist von 3 Tagen zugestellt worden. Da er nicht rechtzeitig Widerspruch erhebt und der Gläubiger G für diesen Fall den Erlaß des Vollstreckungsbefehls beantragt hatte, ergeht am 10.11.1970 Vollstreckungsbefehl, der dem S am 12.11.1970 zugestellt wird. Am selben Tage trifft beim Gericht ein Widerspruch des S ein. Was wird das Gericht veranlassen? Lösung Aus dem Zahlungsbefehl kann der Gläubiger noch nicht die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben. Dazu benötigt er den Vollstreckungsbefehl. Der Zahlungsbefehl ist nach Ablauf der darin bestimmten Zahlungsfrist auf Gesuch des Gläubigers für vorläufig vollstreckbar zu erklären, sofern der Schuldner nicht vorher Widerspruch erhoben hat (§ 699 Abs. 1 S. 1 ZPO). Auch dieses Gesuch kann der Gläubiger schon bei Beantragung des Zahlungsbefehls stellen. Der Vollstreckungsbefehl ist also der normale Fortgang des Mahnverfahrens, das sonst durch den Widerspruch abgebrochen wird. Gegen den Vollstreckungsbefehl kann der Schuldner Einspruch einlegen. Für ihn gelten die Vorschriften über den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil (§ 700 S. 2 ZPO). Nach § 339 Abs. 1 ZPO beträgt die Einspruchsfrist bei Versäumnisurteilen 2 Wochen; das gilt jedoch, wie sich aus § 508 Abs. 2 ZPO ergibt, nur für Versäumnisurteile, die das Landgericht erlassen hat. Im amtsgerichtlichen Verfahren, also im Partelenprozeß, wird die Frist durch §508 Abs. 2 ZPO auf eine Woche verkürzt. Da das Mahnverfahren immer vor den Amtsgerichten stattfindet, beträgt die Frist für den Einspruch gegen den Vollstreckungsbefehl also in jedem Falle 1 Woche. Ein zulässiger Einspruch versetzt den Prozeß in die gleiche Lage wie ein zulässiger Widerspruch. Der Kläger muß seinen Anspruch im Streitverfahren weiterverfolgen. Da S nicht rechtzeitig Widerspruch erhoben hatte, mußte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle auf das Gesuch des G den Zahlungsbefehl für vollstreckbar erklären. Das ist der Vollstreckungsbefehl. Der verspätete Widerspruch darf jedoch nicht unbeachtet bleiben. In aller Regel ist vielmehr ein verspäteter Widerspruch als Einspruch aufzufassen. Als solcher ist er zulässig, wenn er noch in der Einspruchsfrist liegt. Das ist hier der Fall. Das Gericht wird, wenn der Gläubiger die 2. Hälfte der Prozeßgebühr eingezahlt hat, Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumen. Damit beginnt das Streitverfahren; aber der Gläubiger hat in dem Vollstreckungsbefehl bereits einen Titel, aus dem er die Zwangsvollstreckung bestreiten darf. Das Gericht kann die Zwangsvollstreckung allerdings gem. §§719, 707 ZPO auf Antrag des Schuldners einstweilen einstellen, regelmäßig jedoch nur gegen Sicherheitsleistung durch den Schuldner. Fall Nr. 77: Hemmung der Verjährung; Stundung S schuldet dem Kaufmann G noch 500,- DM aus einem am 1.10.1967 geschlossenen Kaufvertrag. G hört, daß S durch einen Krankheitsfall in finanzielle Not geraten ist. Deswegen schreibt er dem S am 31.1.1968, er brauche erst am

118 1. 6.1968 zu zahlen. Beide vergessen die noch offene Forderung. Am 1. 4. 1970 beruft sich S auf Verjährung. Mit Recht? Lösung Die kurze Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Ziff. 1 BGB begann am 1 . 1 . 1 9 6 8 zu laufen und wäre normalerweise am 3 1 . 1 2 . 1 9 6 8 beendet gewesen. Es fragt sich, ob der Ablauf der Frist durch die Gewährung des Zahlungsaufschubs berührt worden ist. Die Gewährung eines Zahlungsaufschubs, sei es bei Vertragsschluß, sei es später, wird Stundung genannt (vgl. Fall Nr. 35). Es gibt zwei Arten von Stundung: Der schon bei Vertragsschluß gewährte Zahlungsaufschub bedeutet ein Hinausschieben der Fälligkeit, während der nachträglich bewilligte Zahlungsaufschub die bereits eingetretene Fälligkeit beseitigt und einen neuen Fälligkeitstermin schafft. Die verschiedenen Arten der Stundung wirken sich auf die Verjährung ganz unterschiedlich aus. Ist die Fälligkeit bei Vertragsschluß hinausgeschoben worden, so kann die Verjährung nicht beginnen, weil der Anspruch noch gar nicht entstanden ist (§ 198 BGB). Haben die Parteien — meistens auf Drängen des Schuldners - später eine Stundung vereinbart, so liegt darin gleichzeitig ein Anerkenntnis des Anspruchs ( § 2 0 8 BGB). Das hat eine Unterbrechung der Verjährungsfrist zur Folge. Hat der Gläubiger von sich aus die Stundung bewilligt — wie im vorliegenden Falle — so wird die Verjährung nicht unterbrochen; sie wird vielmehr gehemmt. Die Hemmung der Verjährung ist von der Unterbrechung streng zu scheiden. Während nach dem Ende der Unterbrechung eine völlig neue Verjährungsfrist zu laufen beginnt, wird der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet (§ 205 BGB). Die Zeit der Hemmung wird also einfach an das Ende der normalen Verjährungsfrist angehängt. In unserem Falle war die Verjährung gehemmt vom Zugehen der Stundungsbewilligung - unterstellt 1 . 2 . 1 9 6 8 — bis zum 31. 5.1968. Diese Frist von 4 Monaten wird an den normalen Endzeitpunkt der Verjährung, an den 31. 12. 1969 angehängt. Mithin lief die Verjährungsfrist erst am 3 0 . 4 . 1 9 7 0 ab. S kann sich also am 1. 4.1970 noch nicht auf Verjährung berufen.

Fall Nr. 78: B e a c h t u n g d e r V e r j ä h r u n g s e i n r e d e im P r o z e ß G erhebt am 1. 7.1970 gegen S Klage auf Zahlung von 500,— DM. Zur Begründung seiner Klage trägt er dem Gericht vor: Er sei Kaufmann, habe am 1.10. 1967 an S für 3000,— DM, die sofort fällig gewesen seien, Waren verkauft. S sei wegen eines Krankheitsfalles nicht in der Lage gewesen ,den Betrag zu zahlen. Restliche 5 0 0 , - DM habe er daher am 3 1 . 1 . 1 9 6 8 von sich aus dem S bis zum 1 . 6 . 1 9 6 8 entgegenkommenderweise gestundet. Später habe er die Forderung vergessen, so daß er sie jetzt erst geltend machen könne. S gibt auf Befragen des Richters diesen Sachverhalt zu. Wird das Gericht ihn verurteilen, an G die 5 0 0 , - DM zu zahlen? Lösung Sie werden erkennen, daß die Forderung des G mit Ablauf des 3 0 . 4 . 1 9 7 0 verjährt war. Das Gericht schenkt diesem Umstand aber keine Beachtung, solange

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der S sich nicht darauf beruft. Die Verjährung ist eine Einrede, also ein Leistungsverweigerungsrecht (nachlesen Fall Nr. 35). Solche Rechte werden vom Gericht nur beachtet, wenn sich ihr Inhaber auf sie beruft! Das Gericht wird den S folglich verurteilen. Merke: Einreden werden im Prozeß von Amts wegen nicht beachtet.

Fall Nr. 79: Verlängerung und Verkürzung der Verjährungsfrist V hat dem K am 1.10.1968 eine Maschine für 30000,- DM verkauft. Der Kaufpreis ist mit 2 % Skonto am Ende des der Lieferung folgenden Monats zu zahlen. Außerdem haben K und V vereinbart, die Forderung solle erst nach 4 Jahren verjähren. Am 1.2.1970 verklagt V den K auf Zahlung restlicher 5000,- DM. K beruft sich auf Verjährung. Muß er zahlen? Lösung Die Kaufpreisforderung des V unterliegt der kurzen Verjährung nach §196 Abs. 1 S. 1 BGB. Sie war also am 31.12.1970 verstrichen. Fraglich ist, ob V und K durch freie Vereinbarung eine längere Verjährungsfrist schaffen konnten. Dem dürfte § 225 BGB entgegenstehen. Danach kann die Verjährung durch Rechtsgeschäft weder ausgeschlossen noch erschwert werden. Erleichterung der Verjährung, insbesondere Abkürzung, ist dagegen zulässig. § 225 BGB trägt dem Grundgedanken Rechnung, daß die Verjährung zum Rechtsfrieden beitragen soll. Dieser Zweck ist gefährdet, wenn die Verjährung durch Parteivereinbarung wieder beseitigt werden kann. Deswegen mußte der Gesetzgeber hier zwingendes Recht schaffen. S kann sich also auf die Verjährung berufen und braucht nicht mehr zu zahlen.

Fall Nr. 80: Verzicht auf Verjährungseinrede V hat dem K am 1.10.1967 für sofort fällige 30000,- DM eine gebrauchte Maschine verkauft. K zahlt nur 25000,— DM. Er meint, V habe ihn übervorteilt. Die Maschine seit nur noch 25000,— DM wert. Im Oktober 1969 kommt es zwischen beiden zu Vergleichsverhandlungen über den Restbetrag. Dabei erklärt S, er verzichte auf die Einrede der Verjährung. Nachdem die Verhandlung im Dezember 1969 gescheitert sind, erhebt V im Januar 1970 Klage gegen S, der sich nun doch auf Verjährung beruft. Mit Recht? Lösung Der Fall unterscheidet sich von dem vorhergehenden dadurch, daß die Verjährungsfrist als solche unangetastet bleibt. Im Ergebnis läuft es aber auch auf eine Abschaffung der Verjährung hinaus, wenn der Schuldner wirksam auf die Geltendmachung der Verjährungseinrede im voraus verzichten kann. Nach eingetretener Verjährung ist selbstverständlich niemand gezwungen, sich auf Verjährung zu berufen - im Gegenteil: Manchmal ist es unanständig und sogar sittenwidrig! Eine Vereinbarung, durch die schon bei Vertragsschluß auf die

120 spätere Geltendmachung der Verjährungseinrede verzichtet wird, fällt aber unter das Verbot des § 225 S. 1 BGB. Anders ist es, wenn der Schuldner aus Anlaß von Vergleichsverhandlungen erklärt, auf die Einrede der Verjährung verzichten zu wollen, falls es doch zu einem Prozeß kommen sollte. Vergleichsverhandlungen sind zwar in aller Regel kein Anerkenntnis nach §208 BGB, insbesondere dann nicht, wenn der Schuldner erklärt hat, nur aus Kulanz und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht verhandeln zu wollen; aber die Vergleichsverhandlungen werden vielfach erst durch den Verzicht auf die Einrede der Verjährung ermöglicht. In solchen Fällen kann die spätere Ausübung der Verjährungseinrede eine unzulässige Rechtsausübung und deswegen unbeachtlich sein. Das gilt aber nicht für alle Zeiten nach dem Scheitern der Vergleichsverhandlungen. Eine Lösung bietet folgende Konstruktion: In der beiderseitigen Bereitschaft zu Vergleichsverhandlungen liegt eine stillschweigende Abmachung, derzufolge der Gläubiger vorübergehend auf die klageweise Geltendmachung der Forderung verzichtet. Der Schuldner erlangt dadurch das Recht, vorübergehend die Leistung zu verweigern, also ein Leistungsverweigerungsrecht im Sinne des § 202 Abs. 1 BGB. Daher ist die Verjährung für die Dauer der Vergleichsverhandlungen gehemmt. Nach Ablauf der angehängten Frist, die der Hemmungsdauer = Dauer der Vergleichsverhandlungen entspricht, kann der Schuldner sich wieder auf Verjährung berufen. Ein weitergehender Schutz ist für den Gläubiger nicht erforderlich. Da in unserem Falle der Lauf der Verjährungsfrist mindestens für einen Monat gehemmt war, verlängert sich die kurze Frist des §196 Abs. 1 Ziff. 1 BGB bis zum 31.1.1970. In dieser Frist hat V die Klage erhoben. Mithin kann S sich nicht auf Verjährung berufen.

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Stichwortverzeichnis A u f t r a g s b e s t ä t i g u n g 47 Auslobung 37 Aussageverweigerungsrecht

A b l e h n u n g 39 a b s t r a k t 81 Abtretung 60,104 - fiduziarische 100 - als V e r f ü g u n g 77,102 A d a e q u a n z t h e o r i e 65 Aktiengesellschaft 83,115 Aktiengesetz 5 A l l g e m e i n e G e s c h ä f t s b e d i n g u n g e n 48 ff. Allgemeiner Teil 5 Anfechtung 51 ff. F o l g e 51 F o r m 52 Frist 52 bei arglistiger T ä u s c h u n g 63 Irrtum d e s V e r t r e t e r s 91 A n n a h m e 39 durch schlüssiges H a n d e l n 47 durch S c h w e i g e n 42,43 durch S c h w e i g e n unter K a u f l e u t e n 43 ff. Verzicht auf — 46 Anscheinsvollmacht 93 Anspruch Begriff 17,111 B e g r ü n d u n g 111 dinglicher — 17 Entstehung 111 obligatorischer - 16 sachenrechtlicher — 17 schuldrechtlicher — 16 A n s p r u c h s g r u n d l a g e 41 Antrag 39 B i n d u n g s w i l l e 39 K l a u s e l n 39 A n w a l t s z w a n g 114 Anwartschaft

Bedingung 73 Anwartschaft 75 auflösende — 7 5 , 7 6 aufschiebende — 75 B e g l a u b i g u n g 34 B e s t ä t i g u n g s s c h r e i b e n 49 B e s t a n d t e i l e 22 ff. S c h e i n b e s t a n d t e i l e 26 wesentliche — 22 wesentliche G r u n d s t ü c k s b e s t a n d teile 24 ff. wesentliche Gebäudebestandteile 25 B e u r k u n d u n g 34 B e w e i s m i t t e l 99 W e r t d e s B e w e i s m i t t e l s 99 B i n d u n g s w i l l e 39 B o t e 82 Bürgerliches G e s e t z b u r c h 5 Einteilung 5 Entstehung 5 c a u s a 81 c l a u s u l a rebus sie stantibus 6 9

bei B e d i n g u n g 75 A r b e i t s w e i s e 30 ff. Gutachtenstil 42,43 historische M e t h o d e 40 systematische M e t h o d e 41 Urteilstil 45 Arglist 6 3 arglistische T ä u s c h u n g A r m e n r e c h t 114 ff. V o r a u s s e t z u n g e n 114 W i r k u n g e n 115 Aufklärungspflicht 6 3 A u f l a g e 74 A u f l a s s u n g 34 Aufsichtsrat d e r A G 83 Auftrag 81,107

99

62,91

D a r l e h e n 83 Darlehensvorvertrag 83 Definition 31 deklaratorisch 8 9 Deliktsfähigkeit 11 Dienstvertrag 6 8 Dingliches Recht 17 Dissens 70 ff. v e r s t e c k t e r — 71 offener — 72 Doppelvollmacht 107,108 Duldungsvollmacht 92 E h e m ü n d i g k e i t 12 E h r e 19 eigenhändig 53 Eigenslchaft, v e r k e h r s w e s e n t l i c h e 5 7 Eigentum Begriff 17 Eigentumsvorbehalt 21,75 Einführungsgesetz 5 Einspruch b e i V o l l s t r e c k u n g s b e f e h l 118 Einrede 61,119 E i n w a n d 61

122 Einwendung 61 Vertretungsmacht 84 Einwilligung 96 f f . Elternrecht 79 Erbrecht 5 Erfüllung 59 ff., 142 erfüllungshalber 59 Erfüllung Statt 59 Erfüllungsgeschäft 77 Erfüllungsinteresse 54 Erfüllungsort 113 Erklärungsbewußtsein 31 Erklärungsirrtum 51 doppelseitiger 71 Ermächtigung 102 Erzeugnis 27 Eventualvorsatz 65 Fälligkeit 60 Fahrlässigkeit 65 f f . konkrete — 66 gewöhnliche — 66 grobe — 66 einfache - 66 Familienrecht 9 Filiale 85 Firma 85,20,45 — der Zweigniederlassung 86 Fiskus 15 Forderung 16 Formelles Recht 13 Formfreiheit 32 Formmangel 35 f f . Formnichtigkeit 35 Frist 74 Gebäude 25 Geburt 18 Genehmigung 96 f f . von Gestaltungsgeschäften 98 Gerichtsstand allgemeiner — 113 besonderer — 113 des Erfüllungsortes 113 Gerichtsverfassungsgesetz 112 Gesamtvertretungsmacht 84 Gesamtvollmacht 95 Genossenschaftsgesetz 5 Geschäftsbedingungen 48 f f . Geschäftsbezeichnung 20 Geschäftsfähigkeit 10 beschränkte — 10 Geschäftsführungsmacht 83, 88 Geschäftsgrundlage Wegfall 69 Geschäftsunfähigkeit 10 f f .

Gesetz 6,7 Gesetzgebungsmacht 7 Gestaltungsrecht 98 Gewerbe 44 Gewohnheitsrecht 6 Gleichberechtigungsgesetz 5 GmbH-Gesetz 5 Grundbuch 21 Grundgeschäft 81 Grundstück 21 Bestandteil 25 Gutachtenstil

42,43

Haftung aus Rechtsschein 94 f f . Handelsbräuche 7 Handelsgesetzbuch 5 Handelsgewerbe 44 Handelsregister 88 f f . Eintragungen Handlungsfähigkeit 10,15 Handlungsgehilfe 91 Handlungsvollmacht 89 f f . Handzeichen 33 Hauptsache 22 Hauptversammlung der AG 83 Hauptniederlassung 85 Hemmung der Verjährung 119 Historische Methode 40 Hoheitliche Gewalt 3,14 Hypothek 17 Immobilien 21 Immaterialgüterrecht 20 Im Zweifel 35, 72 Inhaltsirrtum 51,55 Inkassoermächtigung 102 Inkassovollmacht 102 Inkassozession 100 Innenverhältnis 81 Interesse, negatives und positives 96, 99 Internat. Privatrecht 5 Irrtum 51 f f . Motivirrtum 58 über verkehrswesentliche Eigenschaften 57 Juristische Person 14 öffentlichen Rechts 14 privaten Rechts 14 Kaufmann 44 Minderkaufmann 86 Vollkaufmann 86 kausal als Gegensatz zu abstrakt 81 Kausalgeschäft

77,103

123 Kausalität

Persönlichkeitsrecht 19,20 Pfandrecht 17 Positives Interesse 54 Privatrecht 2 ff. P r o k u r a 86 ff. Erteilung 88

63,65

a d ä q u a t e 65 K e n n e n m ü s s e n 64 K l a g e 114 ff. A n t r a g 114 E r h e b u n g 114 Z u s t e l l u n g 114 Klageschrift F o r m 114 Inhalt 114 Klauseln 39 K o n s e n s u a l v e r t r a g 83 konstitutiv 89 Kostenvorschuß 114 K ü n d i g u n g 37 Begriff 37 b e i m W e r k v e r t r a g 68 Wirkung 37

echte und unechte G e s a m t p r o k u r a 87 Filialprokura 87 P r o z e ß b e v o l l m ä c h t i g t e r 114 P r o z e ß f ä h i g k e i t 13 Räumlicher G e l t u n g s b e r e i c h 5 R e a l a k t e 29 R e a l v e r t r a g 83

L a d e n a n g e s t e l l t e 91 V o l l m a c h t 91 Leistungsort 113 L e i s t u n g s v e r w e i g e r u n g s r e c h t 60 ff. B e a c h t u n g im P r o z e ß 119 endgültiges 60,119 v o r ü b e r g e h e n d e s — 60 M a h n v e r f a h r e n 115 ff. M a t e r i e l l e s Recht 13 M i n d e r j ä h r i g e 10 als V e r t r e t e r 82 als vollmachtlose V e r t r e t e r M i n d e r k a u f m a n n 86 M o b i l i e n 21 Motivirrtum 58 N a c h g i e b i g e s Recht 8 N a m e n s r e c h t 19 Naturrecht 7 N e g a t i v e s Interesse 53 N e b e n s a c h e 22 Nichtberechtigter 102,108 Nichtigkeit 10,36 N i e d e r l a s s u n g 85 N o t a r i e l l e B e g l a u b i g u n g 34 N o t a r i e l l e B e u r k u n d u n g 34 Natürliche Person 14 ö f f e n t l i c h e B e g l a u b i g u n g 34 ö f f e n t l i c h e s Recht 2 ff. Organ 15,83 Partei 99 P a r t e i f ä h i g k e i t 13 Patent 18 Pflanzen 27

104

Rechte, a b s o l u t e und relative 17 Rechtsfähigkeit 10,15 R e c h t s h a n d l u n g e n 29 Rechtsnorm 6 R e c h t s o b j e k t e 16 Rechtsquelle 6 Rechtsschein 94 ff. R e c h t s s u b j e k t e 10 ff. Richterspruch als Rechtsquelle 9 S a c h e 17 Begriff 17 b e w e g l i c h e — 21 H a u p t s a c h e 22 N e b e n s a c h e 22 u n b e w e g l i c h e — 21 u n v e r t r e t b a r e — 21 v e r b r a u c h b a r e - 23 v e r t r e t b a r e — 21 S a c h e n re c h t 17 Sachinbegriff 24 Sachliches Recht 13 Samen als G r u n d s t ü c k s b e s t a n d t e i l 27 S e l b s t k o n t r a h i e r e n 107 S i c h e r u n g s e i g e n t u m 100 S t r e i t v e r f a h r e n 117 S t r o h m a n n 101 Stundung 60 a n f ä n g l i c h e — 119 Begriff 6 0 E i n r e d e 60 nachträgliche 119 als L e i s t u n g s v e r w e i g e r u n g s r e c h t 60 Substitution 9 7 S u b s u m t i o n 31 S y s t e m a t i s c h e M e t h o d e 41 Schadensersatz 53 ne g a t iv e s I n t e r e s s e 53 V e r t r a u e n s i n t e r e s s e 53 positives I n t e r e s s e 54 Erfüllungsinteresse 54

124 wegen Nichterfüllung 54 Schädigendes Ereignis 53 Schaufensterauslage als Antrag 39 Scheinbestandteile 26 Scheinvollmacht 93 Schlüssiges Verhalten 41,47 f f . Schriftform 33 Schuldformen 65 ff. Schuldner dinglicher 18 persönlicher 17 Schuldrecht 5 4,2,43 Schweigen als Annahme Schweigepflicht 99 Täuschungshandlung 62 f f . durch Dritten 64 Unterdrücken 63 Vorspiegeln 62 Tatbestand 65 objektiver 65 subjektiver 65 Tathandlungen 29 Termin 74 Treugeber 100 Treuhänder 100 Treuhandverhältnis 100 f f . eigennütziges 101 uneigennütziges 101 Treu und Glauben 69 Unerlaubte Handlung 11 Unterbrechung der Verjährung 112 Unterdrücken 62 Unterschrift 33 Untervollmacht 96 f f . Unterzeichnung 33 unverzüglich 52 Unwirksamkeit schwebende 96 Urheberrecht 20 Ursachenzusammenhang 63 Urteilstil 45 Verarbeitung 23 Verbindung 24 Verfahrensrecht 13 Verfügung 77 des Nichtberechtigten 103 Verfügungsgeschäft 77 Verjährung 110 Beginn 111 Einrede 119 Frist 111 Fristverlängerung 120

Fristhemmung 119 Fristunterbrechung

112,116

Verzicht auf - 120 Wirkung 110 Verkehrssitte 7 Verkehrswesentliche Eigenschaft 57 Vermischung 25 Vermögensrechte 19 Verpflichtungsgeschäft 77 Vertrag zu Gunsten Dritter 74 Vertrag als Rechtsquelle 6 Vertragsfreiheit 8 Vertragsschluß 38, 39 Ablehnung 39 Annahme 39 Antrag 39 Vertrauensinteresse 53 Vertrauensschaden 53 Vertreter 144 f f . gesetzlicher 19,79 ohne Vertretungsmacht 96, 104 ff. in der Erklärung 82 im Willen 82 Willensmängel des Vertreters 91 Vertretungsmacht 80,83,88 Einzel - 84 Gesamt — 84 echte und unechte des Prokuristen 87,89 Filialprokura 87 Volljährigkeit 10 Vollmacht 80 f f . Anscheinsvollmacht 93 Duldungsvollmacht 92 Erlöschen der — 103 Form 81,92 Innenverhältnis 93 Untervollmacht 96 Widerruf 105 Vollkaufmann 86 Vollstreckungsbefehl 118 Antrag 118 Einspruch 118 als Titel 118 Vormund 19,79 Vorsatz 65 bedingter — 65 Vorspiegeln 62 Vorstand der AG 83 Waren Begriff 44 Wegfall der Geschäftsgrundlage 69 Werkvertrag 67,68 Werklieferungsvertrag 68 Widerruf 105

125 Widerspruch gegen Zahlungsbefehl 117 Frist 117 Willenserklärungen 30 ff. einseitige, empfangsbedürftige — 36 einseitige, nichtempfangsbedürftige — 37 Form

32,39

Inhalt 31 mehrseitige — 38 Willensmängel 51 ff. des Vertreters 91 Wirtschaftsrecht 5 Zahlungsbefehl 115 ff. Antrag 116 Gegenstand 115 Gesuch 116

Widerspruch 117 Zuständigkeit 115 Zedent 100 Zeitlicher Geltungsbereich 5 Zession 60 Zessionar 100 Zeuge 99 Zivelprozeßordnung

13,112

Zugehen 37,105 Zuständigkeit sachliche 112 örtliche 113 Zweigniederlassung 85 Zustellung 114 Zwingendes Recht 8 Zwischenverfügung bei Bedingung 77

Ausbildungsliteratur

J. Schweitzer Verlag • Berlin Juristische Arbeitsblätter (JA) Die Juristischen Arbeitsblätter (JA) erscheinen monatlich, jeweils am 20. des Monats. Umfang ¡e Heft 68 Seiten, Format DIN A 4. Augenblicklich erscheint der 5. Jahrgang. Normalpreis: Einzelheft D M 6,50; Abonnement vierteljährlich D M 19,50. Vorzugspreis für Studenten und Referendare: Im Abonnement vierteljährlich D M 15,50 (gegen Vorlage einer Ausbildungsbestätigung). Sonderangebot: Die Jahrgänge 1969,1970 und 1971 in je 12 Heften (inkl. Register) je D M 12,—; 1972 D M 39,—. Sollte nur an dem einen oder anderen Sachgebiet Interesse bestehen (ZR, S t R , Ö R ) , so ist dieses auch — zusammen mit dem jeweiligen Register — als JA-Sammelband broschiert zu' je D M 12,— (1969 und 1970) bzw. je D M 14,— (1971 und 1972) einzeln lieferbar. Probehefte stehen bei Ihrem Buchhändler oder beim Verlag zur Verfügung.

•SA-Sonderhefte

R E N G A W-Sammlung

ergänzen die JA und dienen der Vertiefung spezieller juristischer Problemkreise.

Höchstrichterliche Entscheidungen im Rahmen der J A herausgegeben von Rechtsanwalt Dr. Günter Wagner, Bremen.

1 : Blei/Henrich/Herzog, Sonderheft für Studienanfänger. 2., überarbeitete und ergänzte Auflage. DIN A 4. IV, 73 Seiten. 1970. Broschiert D M 6,50

Wagner, B G B Allgemeiner Teil. DIN A 4 . VIII, 176 Seiten. 1970. Broschiert D M 17,50 John, B G B Schuldrecht Allgemeiner Teil. DIN A 4 . XII, 144 Seiten. 1972. Broschiert D M 18,— Wagner, B G B Schuldrecht Besonderer Teil I (55 433 bis 811). DIN A 4. VIII, 160 Seiten. 1970. Broschiert D M 16,— Eilsberger, B G B Schuldrecht Besonderer Teil II (55 812 bis 822). DIN A 4. VI, 54 Seiten. 1972. Broschiert D M 10,— Eilsberger, B G B Schuldrecht Besonderer Teil III (SS 823 bis 853). DIN A 4. VIII, 120 Seiten. 1972. Broschiert D M 16,— Wagner, B G B Sachenrecht. DIN A 4. XI, 139 Seiten. 1971. Broschiert D M 16,— Wagner/Müller-Gugenberger, B G B Familien-/Erbrecht. D I N A 4. VIII, 172 Seiten, 1970. Broschiert D M 16,— Stolterfoht, Handelsrecht. DIN A 4. XII, 206 Seiten. 1973. Broschiert D M 26,— Wermelskirchen, Strafrecht Allgemeiner Teil. DIN A 4. VIII, 140 Seiten. 1970. Broschiert D M 14,— Wermelskirchen, Strafrecht Besonderer Teil I (§§ 113 bis 244). DIN A 4. VIII, 129 Seiten. 1971. Broschiert D M 15,— Wermelskirchen, Strafrecht Besonderer Teil II (§5 246 bis 346). DIN A 4 . VIII, 144 Seiten. 1971. Broschiert D M 15,— Würtenberger, Probleme der V w G O . DIN A 4. VIII, 114 Seiten. 1971. Broschiert D M 16,—

5: Baumgärtel/Mes, Einführung in das Zivilprozeßrecht mit Examinatorium. 3., überarbeitete und ergänzte Auflage. DIN A 4. VI, 92 Seiten. 1973. Broschiert D M 10,— 6: Steinmüller, E D V und Recht, Einführung in die Rechtsinformatik. DIN A 4. IV, 129 Seiten. 1970. Broschiert D M 12,— 7: Berg, Zivilrechtliche und zivilverfahrensrechtliche Fälle sowie Vorträge zur Vorbereitung auf die 2. juristische Staatsprüfung. 2., durchgesehene und ergänzte Auflage. DIN A 4. IV, 81 Seiten. 1973. Broschiert D M 12,— 9 : Raiser, Einführung in die Rechtssoziologie. DIN A 4. 2„ überarbeitete und ergänzte Auflage. XV, 113 Seiten. 1973. Broschiert D M 14,— 10: Berg, Typische BGB-Klausuren im ReferendarExamen. DIN A 4. VI, 73 Seiten. 1972. Broschiert D M 10 — 11: Wahlfachgruppen. DIN A 4. VI. 120 Seiten. 1972. Broschiert D M 12,80 12: Blei, Strafgesetzbuch mit Reformgesetzen in synoptischer Gegenüberstellung. DIN A 4. IV, 125 Seiten. 1973. Broschiert D M 16,—

PETTERS-PREISENDANZ Strafgesetzbuch Lehrkommentar mit Erläuterungen und Beispielen, ausgewählten Nebengesetzen sowie je einem Anhang über Jugendstrafrecht, Jugendschutz und Strafprozeßrecht. 28., überarbeitete und ergänzte Auflage von Holger Preisendanz. Erster Staatsanwalt in Heidelberg. Oktav. Ca. XVI, 743 Seiten. 1973. Ganzleinen ca. D M 46,— I S B N 3 8059 0343 X PETTERS-PREISENDANZ Praktische Strafrechtsfälle mit Lösungen Ein induktives Lehrbuch des Strafrechts. 13. Auflage, völlig neu bearbeitet von Holger Preisendanz, Erster Staatsanwalt in Pforzheim. Oktav. XIV, 457, 15* Seiten. 1968. D M 38,—. I S B N 3 8059 0039 2

PETTERS-PREISENDANZ Praktische Strafprozeßfälle mit Lösungen Ein induktives Lehrbuch des Strafprozeßrechts. 8. Auflage, völlig neu bearbeitet von Holger Preisendanz, Erster Staatsanwalt in Pforzheim. Oktav. XVI, 233, 21 * Seiten, 1966. D M 24,—. I S B N 3 8059 0077 5

SCHUMACHER Technik der Rechtsfindung Ein Leitfaden von Karl Schumacher. Landgerichtspräsident in Münster. 4. Auflage. Oktav. V, 74 Seiten. 1973. D M 12.—. I S B N 3 8059 0352 9

Printed in Germany • 20/8/73