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German Pages 271 [272] Year 2019
Schriften zur Rechtstheorie Band 223
Effizienz statt Gerechtigkeit? Auf der Suche nach den philosophischen Grundlagen der Ökonomischen Analyse des Rechts
Von
Klaus Mathis
Vierte, überarbeitete und erweiterte Auflage
Duncker & Humblot · Berlin
KLAUS MATHIS
Effizienz statt Gerechtigkeit?
Schriften zur Rechtstheorie Band 223
Effizienz statt Gerechtigkeit? Auf der Suche nach den philosophischen Grundlagen der Ökonomischen Analyse des Rechts
Von
Klaus Mathis
Vierte, überarbeitete und erweiterte Auflage
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Zürich hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Englische Ausgabe: Efficiency Instead of Justice? Searching for the Philosophical Foundations of the Economic Analysis of Law, Law and Philosophy Library, Vol. 84 (ed. by Francisco Laporta, Aleksander Peczenik and Frederick Schauer), Dordrecht: Springer, 2009.
1. Auflage 2004 2. Auflage 2006 3. Auflage 2009
Alle Rechte vorbehalten
© 2019 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: CPI buchbücher.de Gmbh, Birkach
ISSN 0582-0472 ISBN 978-3-428-15684-9 (Print) ISBN 978-3-428-55684-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-85684-8 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort zur 4. Auflage Das vorliegende Werk erfreut sich als Einführung in die Ökonomische Analyse des Rechts nach wie vor grosser Beliebtheit, weshalb mich der Verlag gebeten hat, eine vierte, überarbeitete und erweiterte Auflage herauszugeben. Seit dem Erscheinen der dritten Auflage hat sich die Verhaltensökonomie deutlich weiterentwickelt und vermehrt Eingang in die ökonomische Rechtsanalyse gefunden. Aus diesem Grund wurden einerseits im 2. Kapitel die theoretischen Grundlagen der Verhaltensökonomie erweitert und andererseits im 4. Kapitel ein neues Anwendungsbeispiel zum Wettbewerbsrecht eingefügt, in dem verhaltensökonomische Analysen zur Anwendung kommen. Schliesslich wurden im selben Kapitel die neuesten Entwicklungen zu den Emissionszertifikaten und den Klimaschutzabkommen nachgeführt. Bei der Erstellung der vierten Auflage war mir vor allem mein Assistent Tim Tresch, BLaw, behilflich, indem er an den verhaltensökonomischen Ergänzungen zur Theorie und zu den Anwendungen massgeblich mitgearbeitet hat. Ferner danke ich meinem ehemaligen Studienkollegen Herrn lic. oec. publ. Ernst Füglistaler sowie meinem Assistenten Steven Gründel, MLaw, und Luca Heer, MLaw, für das sorgfältige Lektorat. Schliesslich gebührt Frau Agatha May vom Duncker & Humblot Verlag ein besonderer Dank für die wie gewohnt sorgfältige Drucklegung. Die vierte Auflage dieses Buches widme ich meinem Doktorvater und verehrten akademischen Lehrer Prof. em. Dr. Walter Ott. Luzern, im Januar 2019
Klaus Mathis
Vorwort zur 3. Auflage Seit dem Erscheinen der ersten Auflage dieser Publikation hat „Law and Economics“ mittlerweile an vielen deutschsprachigen Universitäten Eingang in den Fächerkanon der juristischen Ausbildung gefunden. So nicht zuletzt auch an der Universität Luzern, wo ich die Vorlesung „Rechtsökonomie“ im Herbstsemester 2007 erstmals gehalten habe. Dabei stiess auch dieses Grundlagenwerk bei den Studierenden erfreulicherweise auf guten Anklang, was mich dazu ermutigt hat, eine dritte, überarbeitete und erweiterte Auflage herauszugeben. In der vorliegenden Ausgabe wurden hauptsächlich die Kapitel 4, 6, 7 und 9 überarbeitet und aktualisiert. Dabei wurde im Zusammenhang mit der ökonomischen Analyse des Haftungs- und Vertragsrechts insbesondere die von Jules Coleman vorgebrachte „Bilateralismus-Kritik“ aufgenommen. Ferner wurde das Kapitel zum Utilitarismus erweitert und im 7. Kapitel wurden die späteren Publikationen von John Rawls sowie insbesondere auch die Kritik von Amartya Sen am Konzept der Primärgüter berücksichtigt. Ausserdem erfuhr im 9. Kapitel auch die von Louis Kaplow und Steven Shavell in ihrem Buch „Fairness versus Welfare“ vorgebrachte Argumentation zum Verhältnis von Effizienz und Gerechtigkeit eine kritische Würdigung. Schliesslich wurden weitere Beispiele, namentlich zu „Behavioral Economics“, eingefügt und im Anschluss an das Coase-Theorem die Umweltzertifikate näher erläutert. Mein Assistent Silvan Rüttimann, MLaw (Luzern), hat mich dabei tatkräftig unterstützt, wofür ich ihm herzlich danke. Des Weiteren danke ich Prof. Dr. Paul Richli, Gründungsdekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Luzern, sowie unserer jetzigen Dekanin, Prof. Dr. Regina E. Aebi-Müller, für die Förderung meiner Forschungsund Lehrtätigkeit. Ein ganz besonderer Dank geht auch an meinen Doktorvater Walter Ott, emeritierter Professor der Universität Zürich, dem ich meine rechtsphilosophische Ausbildung verdanke. Schliesslich danke ich den Herren Prof. Dr. jur. h.c. Norbert Simon und Dr. Florian R. Simon vom Verlag Duncker & Humblot für die erneute Aufnahme des Werkes in die Reihe „Schriften zur Rechtstheorie“ und Frau Birgit Müller für die in gewohnter Weise sorgfältige Betreuung der Drucklegung. Luzern, im Oktober 2008
Klaus Mathis
Vorwort zur 2. Auflage Die 1. Auflage dieses Buches – eine an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich verfasste Dissertation – ist auf unerwartet grosses Interesse gestossen. Es war schon bald absehbar, dass eine 2. Auflage notwendig sein würde. Diesen Anlass habe ich dazu benützt, den Inhalt zu überarbeiten und zu aktualisieren. Einerseits ist der wissenschaftliche Diskurs in der Zwischenzeit nicht stehen geblieben, so dass neue Literatur zu berücksichtigen war. Andererseits wurde diese Publikation – vor allem von Juristinnen und Juristen – als Grundlagenwerk zu „Law and Economics“ sehr geschätzt. Ich habe deshalb den Text mit zusätzlichen Beispielen angereichert und insbesondere den Schlussteil stark überarbeitet und erweitert. Dabei konnte ich nicht zuletzt auch meine Erfahrungen in der Regulierungsanalyse, die ich während meiner Tätigkeit im Staatssekretariat für Wirtschaft erworben habe, einbringen. Ich liess mich bei meiner Arbeit immer von der Überzeugung leiten, dass interdisziplinäre Forschung nicht nur äusserst spannend, sondern auch von grossem praktischen Interesse ist: Erstens wird in den einzelnen Fachbereichen zwar sehr vieles immer genauer untersucht, die Beschäftigung mit grundlegenden Fragen und Zusammenhängen kommt dabei aber oft zu kurz. Der zweite Grund liegt am Umstand, dass der Wissenschaftsbetrieb in der Regel streng nach Disziplinen organisiert ist. Die Realität aber ist adisziplinär und hält sich nicht an fachliche Grenzen. Gerade in den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, die sich – wenn auch aus unterschiedlicher Optik – oft mit den gleichen gesellschaftlichen Gegenständen beschäftigen, ist fächerübergreifende Forschung deshalb von grossem Nutzen. Leider haben sich diese beiden Wissenschaften in den letzten Jahrzehnten methodisch stark auseinander entwickelt, obwohl sie früher häufig in einer gemeinsamen Fakultät angesiedelt waren. Hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang, dass der Wissenstransfer keine Einbahnstrasse sein soll: Nicht nur die Juristen können von den Ökonomen lernen, sondern auch die Ökonomen von den Juristen. Denn eine gute ökonomische Rechtsanalyse setzt neben den Methoden der Ökonomie auch eine entsprechende Sensibilität für das Recht und seine verschiedenen Funktionen voraus. Bei dieser Gelegenheit danke ich allen, die mich zu meiner Forschung ermutigt haben, namentlich Prof. Walter Ott, Universität Zürich, Prof. Paul Richli, Universität Luzern, sowie Prof. Peter Nobel, Universität St. Gallen. Luzern, im August 2005
Klaus Mathis
Vorwort zur 1. Auflage In der Schweiz wird zur Zeit heftig darüber debattiert, ob der Flughafen Zürich wie bisher primär von Norden oder in Zukunft auch von Süden her angeflogen werden soll. Nehmen wir an, ein Gericht hätte die Streitfrage zu entscheiden, über welchem Gebiet – Norden oder Süden – die Anflüge stattzufinden hätten. Und dieses Gericht müsste sich dabei allein am Kriterium der volkswirtschaftlichen Effizienz orientieren, wobei Effizienz die Maximierung des gesellschaftlichen Reichtums bedeuten würde. Im zu beurteilenden Fall ist das Gebiet nördlich des Flughafens relativ schwach, das Gebiet südlich davon hingegen sehr stark besiedelt. Allein schon aufgrund der entsprechenden Werte der Immobilien liesse sich voraussagen, dass der Südanflug den gesellschaftlichen Reichtum infolge der Lärmbelastung weit mehr beeinträchtigen würde als der Nordanflug, der über dünn besiedeltes Gebiet führt. Wenn allein der gesellschaftliche Reichtum zu maximieren wäre, müsste sich das Gericht folglich für den Nordanflug aussprechen. Diese Entscheidung wäre dann zwar volkswirtschaftlich effizient, aber wäre sie auch gerecht? Die vorliegende Arbeit widmet sich – wie dieses Beispiel zeigt und wie der Titel programmatisch ankündigt – der provokativen Frage: Effizienz statt Gerechtigkeit? Es handelt sich um eine rechtsphilosophische Arbeit, die sich mit einem interdisziplinären Thema der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften befasst. Gegenstand der Arbeit ist die Ökonomische Analyse des Rechts, die im Hinblick auf ihre philosophischen Grundlagen untersucht wird. Eine zentrale Stellung nimmt dabei die Theorie der Reichtumsmaximierung von Richard A. Posner ein, die eine ausführliche Darstellung und kritische Würdigung erfährt. An dieser Stelle danke ich allen, die mit wertvollen Hinweisen zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Insbesondere danke ich meinem Doktorvater Prof. Walter Ott, der diese Dissertation ermöglicht hat. Einen besonderen Dank verdienen auch meine Mutter und mein Vater, der im Frühling leider verstorben ist, für die moralische Unterstützung beim Verfassen der Arbeit. Zürich, im August 2003
Klaus Mathis
Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
1. Teil
Ökonomische Grundlagen
21
§ 2 Der homo oeconomicus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Das ökonomische Paradigma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Knappheit der Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Methodologischer Individualismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Eigennutztheorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Rationalitätsannahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Strenge Unterscheidung zwischen Präferenzen und Restriktionen . . VI. Der homo oeconomicus als heuristische Fiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Grundprinzipien der Ökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Nachfragegesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Nutzen- und Gewinnmaximierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Markt sorgt für die optimale Allokation der Ressourcen . . . . . D. Modelle der Nutzen- und Gewinnmaximierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Nutzenmaximierung des Haushaltes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gewinnmaximierung der Unternehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vollständige Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Angebotsmonopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die unrealistischen Annahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rationalitätsannahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eigennutztheorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unbegrenzte Willenskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Statik der Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Reduktionismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Replik: Instrumentalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21 21 22 22 23 23 25 26 28 30 30 31 33 35 35 38 38 39 42 42 42 45 47 48 49 50 52
§ 3 Effizienzkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Paretoeffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53 53 54 55
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Inhaltsverzeichnis 1. Das Paretokriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Paretooptimum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Paretooptimum und Konkurrenzgleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Problem der Erstausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Externe Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Statik der Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Gefahr der Vermischung von positiver und normativer Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Das Kaldor-Hicks-Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vergleich mit dem Paretokriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Logische Inkonsistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Messproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Problem der fehlenden Entschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Vorwurf des Kollektivismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Keine Garantie für eine gesellschaftliche Nutzensteigerung . . . . 6. Die Frage der Konsensfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55 55 57 58 58 59 60
§ 4 Die Ökonomische Analyse des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Transaktionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfügungsrechte („property rights“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Property Rules . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Liability Rules . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Das Coase-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die reziproke Natur schädigender Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Absenz von Transaktionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verhandlungen sorgen für ein effizientes Ergebnis . . . . . . . . . . . . 2. Die Verhandlungslösung als Alternative zu staatlichen Eingriffen 3. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Annahmen sind unrealistisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vermögens- und Besitzeffekte beeinflussen die Allokation . . c) Verhandlungen bedeuten nicht dasselbe wie Wettbewerb . . . . IV. Berücksichtigung von Transaktionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Wahl zwischen verschiedenen sozialen Arrangements . . . . . 2. Die wichtige Bedeutung des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Praktische Umsetzung mittels Emissionszertifikaten . . . . . . . . . . . . . D. Anwendungen der Ökonomischen Analyse des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . .
75 75 75 75 76 77 77 77 77 79 79 79 81 83 83 83 84 86 86 87 89 96
61 62 62 63 66 66 68 69 71 72 72 74
Inhaltsverzeichnis
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Die Anreize von Haftungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ein Modell zur Minimierung der sozialen Kosten von Unfällen 3. Erklärung anhand eines Beispiels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einseitige Vorsichtsmassnahmen durch den Geschädigten . . . . . a) Keine Haftung („no liability“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gefährdungshaftung („strict liability“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Einseitige Vorsichtsmassnahmen durch den Schädiger . . . . . . . . . a) Keine Haftung („no liability“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gefährdungshaftung („strict liability“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Bilaterale Vorsichtsmassnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Haftung für Fahrlässigkeit („negligence“) . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Bestimmung des Fahrlässigkeitsmassstabs („Hand Rule“) 8. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der effiziente Vertragsbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertragsbruch bei einem Doppelverkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ersatz des Vertrauensschadens („reliance damages“) . . . . . . . b) Ersatz des Erfüllungsschadens („expectation damages“) . . . . 3. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die optimale Bestrafung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der rationale Delinquent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die optimale Kriminalitätsrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhaltensökonomische Analyse des Wettbewerbsrechts . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kampfpreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sekundärmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Produktkopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96 96 97 98 99 100 100 101 101 101 101 102 102 104 106 108 108 108 109 109 110 111 111 111 111 112 113 113 114 116 120 123 124
I.
2. Teil
Philosophische Grundlagen § 5 Die Moralphilosophie von Adam Smith . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Smiths Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Selbstinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Kontrollinstanzen des Selbstinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
125 125 125 126 127 127
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Inhaltsverzeichnis 1. Die Sympathie und der unparteiische Beobachter . . . . . . . . . . . . . 2. Sozialethische Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das positive Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Tugenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die unsichtbare Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Adam Smith-Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der unparteiische Beobachter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Individuelle versus kollektive Rationalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
127 129 129 129 130 131 133 133 135 136
§ 6 Jeremy Benthams Utilitarismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der Utilitarismus als normative Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Utilitarismus als teleologische Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Utilitätsprinzip und hedonistischer Kalkül . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Abhängigkeit des Utilitarismus von einer Wertlehre . . . . . . . . . . IV. Arten des Utilitarismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Handlungs- und Regelutilitarismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nutzensummen- und Durchschnittsnutzenutilitarismus . . . . . . . . . 3. Glücks- und Präferenzutilitarismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Subjektiver und objektiver Utilitarismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Positiver und negativer Utilitarismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Abgrenzungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Informationsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Problem der Quantifizierung und des Nutzenvergleichs . . . . . . . IV. Die Vermischung von Sein und Sollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verantwortung für fremdes und eigenes Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Individuelles versus gesellschaftliches Wohl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Das Problem der Verteilungsgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Das Problem der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
142 142 142 142 143 146 147 147 148 149 149 150 151 152 152 153 155 155 156 157 158
§ 7 Die Theorie der Gerechtigkeit von John Rawls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Gerechtigkeit als erste Tugend sozialer Institutionen . . . . . . . . . . . . . . C. Das Gedankenexperiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Urzustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anthropologische Prämissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Schleier des Nichtwissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Maximin-Entscheidungsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Der Vierstufengang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Das Überlegungsgleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Die beiden Gerechtigkeitsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
161 161 163 164 165 166 167 167 168 169 169
Inhaltsverzeichnis
13
1. Der erste Gerechtigkeitsgrundsatz: Der Freiheitsgrundsatz . . . . . 2. Der zweite Gerechtigkeitsgrundsatz: Das Differenzprinzip . . . . . D. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anthropologische Prämissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Schleier des Nichtwissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Maximin-Entscheidungsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Überlegungsgleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Das monologische Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Der Universalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Der Freiheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Das Differenzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
169 170 174 174 176 176 177 178 178 179 179
3. Teil
Reichtum, Effizienz und Gerechtigkeit § 8 Richard Posners Theorie der Reichtumsmaximierung . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Utilitarismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Reichtumsmaximierung als Alternative zum Utilitarismus . . . . . . . . . . . . . I. Reichtumsmaximierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Reichtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Explizite und implizite Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Tatsächliche und hypothetische Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Protestantische Tugenden und unsichtbare Hand . . . . . . . . . . . . . . 5. Konsumenten- und Produzentenrente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Zahlungsbereitschaft bestimmt die Zuteilung der Ressourcen 7. Kaldor-Hicks-Effizienz als massgebendes Kriterium . . . . . . . . . . 8. Reichtumsmaximierung ist in der Praxis bereits verankert . . . . . II. Vergleich mit dem Utilitarismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Abgrenzungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Messproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Problem der moralischen Ungeheuerlichkeit . . . . . . . . . . . . . 4. Utilitarismus als Rechtfertigung für staatlichen Interventionismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anwendung der Reichtumsmaximierung auf ethische Fragen . . . . . 1. Todesstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Recht auf Privatsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Märkte für Babys und menschliche Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Freiheit als Reichtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rationalität der Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
183 183 183 184 184 185 186 186 187 188 190 191 192 194 195 196 198 199 200 202 203 203 204 205 206 206 206
14
Inhaltsverzeichnis 2. Logische Inkonsistenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Reichtumsmaximierung als Selbstzweck oder als Instrument? . . 4. Einkommensverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das Problem der unveräusserlichen Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Konsenstheoretische Begründung der Reichtumsmaximierung . . . . . . . . . . I. Die Quadratur des Kreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Konzept der ex ante-Kompensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unterschiede zur Theorie von Rawls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Pragmatische Begründung der Reichtumsmaximierung . . . . . . . . . . . . . . . . I. Aufgabe des Ausschliesslichkeitsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Arbeitsteilung zwischen Rechtsprechung und Legislative . . . . . . . . . III. Moralische Intuitionen als ultimativer Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wiederannäherung an den Utilitarismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Verfassung als Sicherheitsnetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rückzug in den Pragmatismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
208 209 212 215 216 217 218 219 220 222 223 224 224 225 226 226 228
§ 9 Gerechtigkeit und Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Arten der Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verteilungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allen das Gleiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Allen gemäss ihrer Gesinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Allen gemäss ihres Ranges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Allen gemäss des ihnen durch das Gesetz Zugeteilten . . . . . . . . . 5. Allen gemäss ihren Bedürfnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Allen gemäss ihrer Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Statischer versus dynamischer Begriff distributiver Gerechtigkeit . . C. Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ist Effizienz überhaupt ein Ziel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Einzelne Zielbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Tauschgerechtigkeit und Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Korrektive Gerechtigkeit und Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verteilungsgerechtigkeit und Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Trennung von Effizienz und Gerechtigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
230 230 231 231 232 232 233 233 233 234 234 234 235 235 237 237 237 239 240 243 247
§ 10 Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Personen- und Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Nutzenfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Abbildung 2: Grenznutzenfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Abbildung 3: Nachfragekurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Abbildung 4: Haushaltgleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Abbildung 5: Angebotskurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Abbildung 6: Marktgleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Abbildung 7: Angebotsmonopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Abbildung 8: Transformationskurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Abbildung 9: Paretokriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Abbildung 10: Kaldor-Hicks-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Abbildung 11: Scitovsky-Paradoxon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Abbildung 12: Gesellschaftliche Kosten von Unfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Abbildung 13: Erwartete Kosten bei einem Sorgfaltsmassstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Abbildung 14: Gesellschaftliche Kosten der Kriminalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Abbildung 15: Rawls-Kurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Abbildung 16: Konsumenten- und Produzentenrente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Abbildung 17: Vergleich von Wettbewerbsmarkt und Angebotsmonopol . . . . . . . . . . 196 Abbildung 18: Tradeoff zwischen Gerechtigkeit und Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242
§ 1 Einleitung „Schüler: Zur Rechtsgelehrsamkeit kann ich mich nicht bequemen. Mephistopheles: Ich kann es euch so sehr nicht übel nehmen, Ich weiss wie es um diese Lehre steht. Es erben sich Gesetz’ und Rechte Wie eine ew’ge Krankheit fort; Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte, Und rücken sacht von Ort zu Ort.“1
In Amerika haben sich in den letzten Jahrzehnten zahlreiche ökonomische Forschungsansätze entwickelt, die sich mit dem Recht befassen: z. B. die Property Rights-Theorie, die Transaktionskostenökonomik, die Public ChoiceTheorie, Constitutional Economics und nicht zuletzt auch die Ökonomische Analyse des Rechts (Economic Analysis of Law).2 Diese Ansätze beruhen auf dem ökonomischen Modell zur Erklärung des menschlichen Verhaltens. Heute fasst man die ökonomischen Rechtstheorien unter dem Sammelbegriff „Law and Economics“ zusammen. Die Ökonomische Analyse des Rechts ist die von der Chicago School und hauptsächlich von Richard A. Posner geprägte Forschungsrichtung, die sich vor allem mit dem Zivilrecht und teilweise auch mit dem Strafrecht befasst. Sie basiert auf den Erkenntnissen der Property RightsTheorie und der Transaktionskostenökonomik. Die Ökonomische Analyse des Rechts stellt den interessanten und anspruchsvollen Versuch dar, anhand der Konzepte und Denkweisen der modernen Wirtschaftstheorie zu einem tieferen Verständnis rechtlicher Probleme und zu einer grösseren Rationalität der juristischen Argumentation zu gelangen.3 Ronald Coase: „Much, and perhaps most, legal scholarship has been stamp collecting. Law and economics, however, is likely to challenge all that and, in fact, has begun to do so.“4
Während die Ökonomen gewohnt sind, in abstrakten Modellen zu denken und deduktiv an Probleme heranzutreten, gehen die Juristen in der Regel induk1 2 3 4
Goethe, Faust I, Verse 1969 ff. Vgl. Richter/Furubotn, S. 35 ff. Vgl. Behrens, S. 1. Coase, Law and Economics, S. 254.
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§ 1 Einleitung
tiv vor: Sie lösen einen Fall, indem sie die Akten und die entsprechende gerichtliche Kasuistik studieren. Natürlich ziehen sie auch das Gesetz zu Rate, das generell-abstrakt formuliert ist. Mit dem Gesetz und den juristischen Denkmethoden allein lassen sich rechtliche Probleme heute jedoch kaum mehr lösen; zu vielfältig ist die – ohnehin häufig ambivalente – Rechtsprechung inzwischen geworden. Die zunehmende Orientierung an der Fallgerechtigkeit gefährdet dabei die Rationalität der juristischen Argumentation. Treffend schreibt Carl Christian von Weizsäcker: „[Die] grossen Juristen des neunzehnten Jahrhunderts [. . .] vermochten [noch] abstrakt zu denken. Dem heutigen über Jahrzehnte gewachsenen Gerechtigkeitskonkretismus in der Jurisprudenz [. . .] muss man demgegenüber mit Skepsis gegenüberstehen. [. . .] Viel wäre gewonnen, wenn unsere Nachbarwissenschaft, die Jurisprudenz, sich einiger der Analysemethoden der Ökonomie bemächtigen würde.“ 5
Viele Juristen glauben, man könne die Welt durch Paragrafen und Verwaltungsakte verbessern. Die Wirkungen staatlicher Eingriffe treten jedoch häufig nicht wie erwünscht ein, und es entstehen oft Nebeneffekte, an die niemand gedacht hat. Ein Grund für Fehllenkungen liegt nicht zuletzt darin, dass sich Juristen hauptsächlich an den Zielen, statt an den Folgen bestimmter Massnahmen orientieren.6 Und wenn sie Folgen überhaupt beachten, dann meistens nur die direkten Wirkungen, die im Einzelfall eintreten. Der bei dieser Methode auftretende Fehler besteht darin, dass von einer Wirkung, die in einem Einzelfall auftritt, auf die gleiche Wirkung im Gesamtsystem geschlossen wird, was natürlich häufig unzutreffend ist.7 Die Ökonomische Analyse des Rechts untersucht deshalb die Rechtsordnung systematisch hinsichtlich ihrer Wirkungen auf die Effizienz der gesamten Volkswirtschaft. Die Anwendung ökonomischer Analysemethoden im Recht hat anfänglich bei manchen Juristen heftige Kritik hervorgerufen. Geradezu legendär ist die vehemente Ablehnung der Ökonomischen Analyse des Rechts durch Karl-Heinz Fezer: „Die zwangsläufige Folge einer ökonomischen Rechtsanalyse ist ein verhängnisvoller Vorgang: die ökonomische Reduktion der Komplexität des Rechts. Der monokausale Theorieansatz verkürzt die Multifunktionalität des Rechtswesens. Das Recht wird um seine wesentlichen Aufgaben beschnitten. Um es noch deutlicher auszudrücken: Ökonomische Rechtsanalyse und freiheitliches Rechtsdenken sind unvereinbar.“ 8
Wenig schmeichelhaft ist ebenfalls die Qualifizierung der ökonomischen Rechtsanalyse durch Peter Gauch: 5 6 7 8
von Weizsäcker, S. 150. Kleinewefers, S. 86 f. Adams, S. 13. Fezer, S. 823 (Hervorhebung durch den Verfasser).
§ 1 Einleitung
19
„Sobald wir beginnen, das Recht in wirtschaftliche Daten aufzulösen, gelangen wir zu einem Recht ohne Qualität. Und was bleibt, ist schiere Wertlosigkeit.“9
Calabresi und Melamed geben zwar zu, dass die ökonomische Modellbildung nur einen spezifischen Aspekt des komplexen Phänomens Recht beleuchtet und dass die ökonomischen Modelle nicht immer adäquat seien. Doch weise auch die traditionelle juristische Methode ihre Mängel auf und vermittle ebenfalls nur eine bestimmte Sicht der Dinge: „Legal scholars, precisely because they have tended to eschew model building, have often proceeded in an ad hoc way, looking at cases and seeing what categories emerged. But this approach also affords only one view of the Cathedral.“ 10
Posner unterscheidet einen positiven und einen normativen Aspekt der Analyse. Der positive Aspekt der Ökonomischen Analyse des Rechts besteht in der Behauptung, dass sich das „Common Law“ am besten als System zur Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz erklären lasse. „Statutory Law“ hingegen fördere die Effizienz weniger, obwohl auch dieses von ökonomischen Prinzipien beeinflusst sei.11 Der normative Aspekt besteht in der Forderung, dass das Rechtssystem die ökonomische Effizienz zu fördern habe. Dieser zweite, normative Aspekt steht im Zentrum unseres Interesses. Nach Posner ist es die Aufgabe des Rechts, den Wettbewerb auf den Märkten zu fördern und dort, wo der Markt wegen zu hoher Transaktionskosten nicht funktioniert, das Ergebnis von Wettbewerbsmärkten zu simulieren. Dadurch würden die wirtschaftliche Effizienz und der Reichtum der Gesellschaft – was bei Posner letztlich dasselbe bedeutet – maximiert. Die Ökonomische Analyse des Rechts stützt sich methodologisch einerseits auf das ökonomische Modell zur Erklärung des menschlichen Verhaltens und andererseits auf die Theorie der Wohlfahrtsökonomie. In einem ersten Teil werden – um den Juristinnen und Juristen das ökonomische Denken näher zu bringen – diese beiden Theorien sowie grundlegende Konzepte der Ökonomischen Analyse des Rechts (wie z. B. das Coase-Theorem) unter dem Titel „Ökonomische Grundlagen“ vorgestellt. In einem zweiten Teil wenden wir uns den philosophischen Grundlagen der Ökonomischen Analyse des Rechts zu. Posner beruft sich auf Adam Smith und Jeremy Bentham, die er als die Begründer der normativen Ökonomie betrachtet.12 Von Smith übernimmt Posner den Glauben an den Markt als ideales Allokationsmodell – d. h. die Idee der unsichtbaren Hand („invisible hand“) – und von Bentham den ethischen Konsequenzialismus, wobei Posner nicht den gesellschaftlichen Nutzen, sondern den gesellschaftlichen Reichtum maximieren will. Sein Konzept der Reichtumsmaximie9
Gauch, S. 2. Calabresi/Melamed, S. 1127 f. (Hervorhebung durch den Verfasser). 11 Posner, EAL 5, S. 26 ff. 12 Posner, Legal Theory, S. 57. 10
20
§ 1 Einleitung
rung versucht Posner – in Anlehnung an die Vertragstheorie von John Rawls – mit Hilfe eines konsenstheoretischen Ansatzes zu legitimieren.13 Da im Recht Zwang angewendet wird – im Gegensatz zu freiwilligen Markttransaktionen –, ist ein gesellschaftlicher Konsens erforderlich, der die Anwendung des Reichtumsmaximierungsprinzips legitimiert. Die Moralphilosophie von Adam Smith, Jeremy Benthams Utilitarismus und die Theorie der Gerechtigkeit von John Rawls werden daher als „Philosophische Grundlagen“ im zweiten Teil dargestellt. Im dritten Teil der Arbeit wird die Theorie der Reichtumsmaximierung von Richard A. Posner ausführlich besprochen und kritisch hinterfragt. Dabei stellt sich heraus, dass dieser seine Position – nicht zuletzt aufgrund der Kritik, die er mit seiner Argumentation auslöste – mehrmals revidiert und erweitert hat. Anschliessend wird die Frage des Verhältnisses von Effizienz und Gerechtigkeit nochmals diskutiert, und zuletzt werden aufgrund der daraus gewonnenen Erkenntnisse die Schlussfolgerungen gezogen, die sich hinsichtlich der Funktion und Bedeutung der Ökonomischen Analyse des Rechts in unserem Rechtssystem ergeben.
13
Posner, Overcoming Law, S. 403 f.
1. Teil
Ökonomische Grundlagen § 2 Der homo oeconomicus „Economics is the science which studies human behaviour as a relationship between ends and scarce means which have alternative uses.“1
A. Einleitung Die Ökonomische Analyse des Rechts basiert auf dem ökonomischen Modell zur Erklärung des menschlichen Verhaltens. Damit verwendet sie auch das entsprechende Instrumentarium der Mikroökonomie. In der mikroökonomischen Theorie sind die einzelnen Wirtschaftssubjekte der Ausgangspunkt der Analyse. Im Gegensatz dazu beruhte die in der Mitte des 20. Jahrhunderts in den Wirtschaftswissenschaften vorherrschende keynesianische Lehre auf makroökonomischen Modellen. D. h. es wurden die Wirkungszusammenhänge zwischen volkswirtschaftlichen Makrovariablen untersucht, beispielsweise zwischen Zinssatz und Investitionen, Arbeitslosenquote und Inflationsrate oder zwischen Staatsausgaben und Wirtschaftswachstum. Die keynesianische Wirtschaftspolitik scheiterte am naiven Glauben, dass man ein Wirtschaftssystem wie eine Maschine steuern könne. Dem „hydraulischen Keynesianismus“ wurde dabei nicht zuletzt die mangelnde Mikrofundierung – d. h. die fehlende Abstützung auf eine Theorie menschlichen Verhaltens – zum Verhängnis. Während auf dem Gebiet der Makroökonomie unter den Ökonomen in vielen Fragen Uneinigkeit herrscht, gilt die „neoklassische“ mikroökonomische Theorie als anerkanntes Handwerkszeug jedes Ökonomen. Der mikroökonomische Ansatz basiert auf dem ökonomischen Paradigma.
1
Robbins, S. 16.
22
§ 2 Der homo oeconomicus
B. Das ökonomische Paradigma Das zentrale Element des ökonomischen Paradigmas ist der homo oeconomicus, der in Knappheitssituationen handelt. Als Einheit der Analyse dient demnach das Individuum, das über beschränkte Ressourcen verfügt, so dass es nicht alle seine Bedürfnisse befriedigen kann und deshalb unter verschiedenen Möglichkeiten die optimale Entscheidung trifft. Menschliches Handeln wird daher als rationale Auswahl („rational choice“) aus verschiedenen Alternativen verstanden.2 I. Die Knappheit der Ressourcen Die Annahme der Ressourcenknappheit betrifft das Verhältnis der Gesamtheit der Güter, die den Menschen zur Bedürfnisbefriedigung zur Verfügung stehen, zur Gesamtheit der Güter, die erforderlich wären, um alle Bedürfnisse abzudecken. Dabei handelt es sich nicht etwa nur um materielle Güter, vielmehr können diese auch immaterieller Natur sein, wie z. B. etwa die Sicherheit. Ressourcenknappheit bedeutet, dass die zur Verfügung stehenden Mittel nicht unbeschränkt sind, so dass zur Bedürfnisbefriedigung Entscheidungen erforderlich sind. „Wirtschaften“ bezeichnet daher die Art und Weise des Umgangs mit knappen Ressourcen.3 Knappheit ist demzufolge kein absoluter, sondern ein relativer Begriff, da der Grad der Knappheit abhängig ist vom Ausmass der Bedürfnisse und der Menge der verfügbaren Mittel. Sie lässt sich entweder durch Vermehrung der Mittel oder durch eine Senkung des Anspruchsniveaus vermindern.4 Das Phänomen der Knappheit manifestiert sich grundsätzlich in allen Lebensbereichen: Die Ausgaben eines Haushaltes z. B. sind durch das Einkommen begrenzt; die Produktionsmöglichkeiten einer Baufirma werden durch die Ausstattung an Material, Arbeitsgeräten und die Anzahl Arbeitskräfte beschränkt.5 Abgesehen von den limitierten finanziellen Mitteln ist auch die begrenzte Zeit ein wichtiger Knappheitsfaktor. Grundsätzlich unterliegt jedes menschliche Handeln – selbst im Bereich zwischenmenschlicher Beziehungen – dem Gesetz der Knappheit und stellt damit ein potenzielles Anwendungsgebiet der ökonomischen Theorie dar. „Ökonomie“ als Wissenschaft bezeichnet daher eine Methode und nicht einen Gegenstand.6 Die Anwendung des ökonomischen Ansatzes auf „ausserökonomische“ Bereiche – wie z. B. durch Gary S. Becker auf die Familie und
2 3 4 5 6
Kirchgässner, Homo oeconomicus, S. 12. Kirchner, S. 12 f. Behrens, S. 31. Schäfer/Ott, S. 56. Ökonomie als Wissenschaft wird oft auch als „Ökonomik“ bezeichnet.
B. Das ökonomische Paradigma
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die Kriminalität – wird zuweilen auch mit dem Begriff „ökonomischer Imperialismus“ bezeichnet.7 II. Methodologischer Individualismus Das ökonomische Verhaltensmodell setzt beim einzelnen Individuum an, weshalb man auch von methodologischem Individualismus spricht. Kollektive Entscheidungen ergeben sich demgemäss aus der Aggregation individueller Entscheidungen – und nicht aus einem eigenständigen Handeln von Kollektiven, wie aus der Sicht holistischer Theorien. Dabei ist es allerdings durchaus möglich, dass sich die Individuen innerhalb einer Gruppe anders verhalten, als wenn sie allein sind.8 Als Träger gleicher Funktionen werden soziale Gruppen und Systeme als Ganzes analysiert, wobei ebenfalls die Verhaltensannahmen über einzelne Subjekte anwendbar sind. Entscheidungen von Kollektiven werden als das Ergebnis der nach bestimmten Regeln transformierten Entscheidungen der in ihnen versammelten Individuen betrachtet.9 Der ökonomische Ansatz lässt sich daher z. B. nicht mit einer organischen Staatstheorie vereinbaren, die den Staat als selbständig handelndes Subjekt sieht. Ausserdem anerkennt die ökonomische Theorie kollektive Nutzenvorstellungen nur dann, sofern diese aus individuellen Nutzenempfindungen abgeleitet werden.10 III. Das Eigennutztheorem Das Eigennutztheorem besagt, dass die Akteure aus mehreren Alternativen diejenige wählen, die im Hinblick auf die Maximierung des eigenen Nutzens die beste ist. Der Nutzen, den die verschiedenen Güter stiften, wird dabei durch die Nutzenfunktion beschrieben: U U
x1 ; x2 ; x3 ; . . . ; xn . D. h. der Nutzen U ist abhängig von den verschiedenen Gütermengen, die konsumiert werden können. Dabei geht man in der Regel vom Gesetz des abnehmenden Grenznutzens (1. Gossen’sches Gesetz) aus. Dieses besagt, dass der zusätzliche Nutzen einer zusätzlich konsumierten Einheit mit fortlaufendem Konsum abnimmt und allenfalls sogar negativ wird. So ist z. B. der Nutzen des ersten konsumierten Brötchens am grössten, beim zweiten und dritten wird der zusätzliche Nutzen kleiner und beim vierten wird er negativ, weil einem wegen Übersättigung unwohl wird. In den Abbildungen 1 und 2 wird dieses Phänomen grafisch umgesetzt anhand einer Nutzenfunktion U
x mit nur einem Gut und der entsprechenden Grenznutzenfunktion U 0
x, welche mathematisch die erste Ableitung der Nut7 Vgl. z. B. den Titel eines Buches von Ingo Pies und Martin Leschke (Hrsg.), Gary Beckers ökonomischer Imperialismus. 8 Vgl. z. B. Mancur Olson, Die Logik des kollektiven Handelns. 9 Kirchgässner, Ökonomie, S. 111. 10 Behrens, S. 35.
24
§ 2 Der homo oeconomicus
Nutzen U(x)
x°
Menge x
Abbildung 1: Nutzenfunktion
Grenznutzen U'(x)
x Abbildung 2: Grenznutzenfunktion
Menge x
B. Das ökonomische Paradigma
25
zenfunktion darstellt. Dabei bezeichnet xo die Stelle, an welcher der Gesamtnutzen maximal bzw. der Grenznutzen null ist (Sättigungspunkt). Der homo oeconomicus maximiert seinen eigenen Nutzen; das Wohl anderer kümmert ihn grundsätzlich nicht. Eigennützig bedeutet aber nicht „wölfisch“ im Sinne von „homo homini lupus“. Neid und Missgunst, aber auch Altruismus, sind zwar in der Realität durchaus anzutreffen; in der Regel dürfte aber auch ein von solchen Motiven getragenes Verhalten im Endeffekt mindestens teilweise dem Eigennutz dienen. Denn z. B. auch altruistisches Verhalten lässt sich in den meisten Fällen damit erklären, dass der betreffende Akteur eine Präferenz für „gute Werke“ hat bzw. sich freut, wenn es anderen gut geht.11 Posner: „[S]elf-interest should not be confused with selfishness; the happiness (or for that matter the misery) of other people may be a part of one’s satisfactions.“12
Das Eigennutztheorem ist nicht moralisch aufgeladen, als es lediglich besagt, dass die Akteure gemäss ihren Präferenzen handeln.13 Dabei wird grundsätzlich unterstellt, dass jeder selber am besten weiss, was für ihn gut ist (Konsumentensouveränität). IV. Die Rationalitätsannahme Rationalität bedeutet, dass das Individuum prinzipiell in der Lage ist, gemäss seinem Vorteil zu handeln, d. h. seinen Handlungsraum abzuschätzen und zu bewerten, um seinen Nutzen zu maximieren.14 Rationalität bedeutet in der modernen ökonomischen Theorie aber nicht mehr, dass das Individuum wie ein wandelnder, allwissender Computer immer blitzschnell die beste aller vorhandenen Möglichkeiten ermittelt.15 Herbert Simon: „There can no longer be any doubt that the micro assumptions of the theory – the assumptions of perfect rationality – are contrary to fact. It is not a question of approximation; they do not even remotely describe the processes that human beings use for making decisions in complex situations.“16
Eine Lösung des Problems sieht Simon im Konzept der eingeschränkten Rationalität („bounded rationality“): „A number of theories have been constructed [which] incorporate the notions of bounded rationality: the need to search for decision alternatives, the replacement of optimization by targets and satisficing goals, and mechanisms of learning and adaptation.“17 11 12 13 14 15 16
Vgl. Kirchner, S. 13. Posner, EAL 5, S. 4. Kirchgässner, Homo oeconomicus, S. 64. Kirchgässner, Ökonomie, S. 110. In vielen ökonomischen Modellen wird dies aber nach wie vor unterstellt. Simon, S. 510.
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§ 2 Der homo oeconomicus
Würde man mit Rationalität vollständiges Informiertsein verbinden, dann wäre es nicht rational, rational zu sein. Denn die Rationalität ist beschränkt, und sie beschränkt sich selbst. Die Erklärung dafür liegt bei den Informationskosten: Die Beschaffung von Information ist nicht unentgeltlich; vollständiges Informiertsein wäre – wenn überhaupt möglich – unerschwinglich teuer. Auch die Informationsbeschaffung unterliegt insofern dem ökonomischen Kalkül, als Nutzen und Kosten jeder zusätzlichen Information gegeneinander abgewogen werden müssen. Als weitere Schwierigkeit kommt hinzu, dass man den Nutzen einer Information erst genau kennt, wenn man bereits über die gesuchte Information verfügt. Entsprechend muss sich das Individuum mit Erwartungen über den Wert der gesuchten Information behelfen. Im Wesentlichen bedeutet Rationalität, dass ein Individuum systematisch auf Änderungen der Umweltbedingungen reagiert, d. h. nicht zufällig oder willkürlich, aber auch nicht, indem es sich streng an vorgegebene Regeln hält. Allerdings können solche Regeln durchaus sinnvoll sein, da sie die Informationsund Entscheidungskosten vermindern. Es kann daher rational sein, sich in bestimmten Standardsituationen an bewährte Regeln zu halten.18 Schliesslich ist zu bemerken, dass im ökonomischen Verhaltensmodell mit der Rationalitätsannahme der philosophisch bedeutsame und häufig diskutierte Unterschied zwischen Verhalten und Handeln verschwindet: Das Verhalten von Individuen wird dadurch erklärt, dass diese rational handeln. Damit sind Prognosen von Verhaltensänderungen als Reaktion auf Veränderung des Handlungsspielraumes möglich.19 Ausserdem gibt es auch keinen Unterschied mehr zwischen Verstehen und Erklären: Menschliches Verhalten ist nur verständlich, wenn es mit Hilfe des Modells rationalen Verhaltens erklärt werden kann.20 V. Strenge Unterscheidung zwischen Präferenzen und Restriktionen Die Entscheidungssituation des Individuums wird im Wesentlichen durch zwei Elemente beschrieben: Präferenzen und Restriktionen. In der ökonomischen Analyse wird streng zwischen diesen beiden Bestimmungsfaktoren unterschieden. Die Präferenzen beschreiben die inneren Motive des Menschen, die Restriktionen dessen äussere Anreize. Das ökonomische Verhaltensmodell versucht nun, Verhaltensänderungen als Reaktion auf äussere Anreize, also auf Restriktionsänderungen, zu erklären. Die Präferenzen sind zwar auch wichtig 17 Simon, S. 510. Dieser moderne homo oeconomicus wird auch als „resourceful, evaluating, maximizing man“ (REMM) bzw. als lernfähiger, abwägender, maximierender Mensch (LAMM) bezeichnet. Neumann, S. 258. 18 Kirchgässner, Ökonomie, S. 110. 19 Kirchgässner, Ökonomie, S. 110. 20 Kichgässner, Homo oeconomicus, S. 19 f.
B. Das ökonomische Paradigma
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für die Erklärung menschlichen Verhaltens, sie werden aber mindestens kurzfristig als konstant angenommen und sind folglich für die Erklärung von Verhaltensänderungen nicht massgeblich. Die Wertvorstellungen des Individuums, wie sie sich im Sozialisationsprozess entwickelt haben, kommen als Präferenzen in der Nutzenfunktion zum Ausdruck. Danach bewertet das Individuum die ihm zur Verfügung stehenden Wahlmöglichkeiten, d. h. es wägt Vor- und Nachteile, Nutzen und Kosten der einzelnen Alternativen gegeneinander ab und entscheidet sich schliesslich für jene Alternative, bei der sein Nutzen bei gegebenen Restriktionen am höchsten ist. Menschliches Verhalten wird als rationale Auswahl aus den dem Individuum zur Verfügung stehenden Alternativen interpretiert, oder in der Sprache der Ökonomie: als „Nutzenmaximierung unter Nebenbedingungen bei Unsicherheit“.21 Die Restriktionen begrenzen den Handlungsspielraum des Individuums und somit alle Handlungsmöglichkeiten, die ihm zum Auswählen zur Verfügung stehen. Im Lehrbuchfall der Konsumentscheidung des privaten Haushaltes resultiert die Restriktion aus dem verfügbaren Einkommen und den Preisen22 der zur Auswahl stehenden Konsumgüter.23 Weitere Restriktionen wären die verfügbare Zeit zum Konsumieren (v. a. wichtig bei Freizeitaktivitäten), rechtliche Beschränkungen (z. B. beim Konsum verbotener Drogen) oder moralische Bedenken (z. B. bei Produkten, die in Entwicklungsländern durch Kinderarbeit hergestellt wurden). Die Beschränkungen, denen das Handeln der einzelnen Individuen unterliegt, sind meist relativ einfach festzustellen. Im Gegensatz dazu sind die Präferenzen der Individuen nur schwer zu ermitteln. Sieht man von Befragungen mit all ihren methodischen Schwierigkeiten ab, so sind die Präferenzen in der Regel nur indirekt erfassbar, d. h. man kann aus dem Verhalten der Individuen und aus den für sie gültigen Restriktionen Rückschlüsse auf ihre Präferenzordnung ziehen. Ausserdem sind die Präferenzen in aller Regel stabiler als die Restriktionen und verändern sich langsamer, wenn überhaupt.24 Man geht nun davon aus, dass man das Verhalten der Individuen durch die Veränderung von Anreizen („incentives“) systematisch beeinflussen kann. Eine ebensolche systematische Beeinflussung der Präferenzen dürfte zumindest kurzfristig schwierig sein. Dies ist auch plausibel: Der Fahrzeugverkehr z. B. lässt sich durch eine Verteuerung des Treibstoffpreises wirksamer reduzieren als durch den Appell, weniger Auto zu fahren. 21
Kirchgässner, Homo oeconomicus, S. 14. Genauer: die „relativen Preise“, d. h. das Verhältnis der verschiedenen Güterpreise zueinander. 23 Siehe nachstehend Abschnitt D.I. 24 Kirchgässner, Ökonomie, S. 111 f. 22
28
§ 2 Der homo oeconomicus
Dadurch, dass die Ökonomie die Bedürfnisse der Menschen so hinnimmt, wie sie von den einzelnen Individuen implizit oder explizit artikuliert werden, versagt sich die Ökonomie grundsätzlich auch, zwischen den faktischen und den „wahren“ Bedürfnissen zu unterscheiden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass man Präferenzen nicht kritisch hinterfragen könnte. Drogenkonsum z. B. kann die „wahren“ Präferenzen verzerren, ebenso auch Gewöhnung und Erziehung sowie politische oder religiöse Indoktrination („Gehirnwäsche“). Fraglich wäre z. B. auch, ob die freiwillige Verbrennung von Witwen, wie sie in Indien immer noch vorkommt, wirklich den wahren Präferenzen dieser Witwen entspricht. Möglicherweise stimmen die Witwen ihrer Verbrennung jedoch bloss aus einem sozialen Zwang zu; dann wäre ihr Verhalten durch die sozialen Restriktionen bedingt, und nicht durch verzerrte Präferenzen. Menschliches Verhalten kann also beeinflusst werden, indem die Restriktionen – d. h. die Verhältnisse, unter denen die Menschen agieren – verändert werden. Dies mag revolutionär klingen und erinnert vielleicht an den Marxismus. Von diesem unterscheidet sich die moderne ökonomische Theorie aber in einem ganz entscheidenden Punkt: Sie nimmt den Menschen mit seinen Präferenzen bzw. Wertvorstellungen als gegeben an und versucht ihn nicht zu verbessern. Denn andere ökonomische Verhältnisse führen nicht etwa dazu, dass aus eigennützigen Menschen Altruisten werden. Vielmehr handeln die gleichen Menschen unter geänderten Rahmenbedingungen anders, möglicherweise also auch „besser“. Allerdings stellt dies dann eine Reaktion auf veränderte bzw. verbesserte Handlungsbedingungen dar und ist folglich nicht darauf zurückzuführen, dass die Menschen als solche „besser“ geworden wären.25 VI. Der homo oeconomicus als heuristische Fiktion Die Ökonomie reduziert den Menschen bewusst auf einige wenige Eigenschaften, denn es gehört zur Charakteristik der ökonomischen Modellbildung, dass sie sich auf das Wichtige konzentriert und weniger Wichtiges ausblendet. Ökonomische Fragen und Probleme wie Wirtschaftswachstum, Arbeitslosigkeit, Inflation usw. sind sehr komplex. Um diese Phänomene wissenschaftlich bearbeiten zu können, ist eine Reduktion ihrer Komplexität unumgänglich.26 Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom Ockham’schen Rasiermesser. Darunter ist Folgendes zu verstehen: Man schneidet alles weg, was von untergeordneter Bedeutung ist, um ein einfaches, abstraktes Modell zu gewinnen. Nach dem Prinzip der abnehmenden Abstraktion lassen sich einfache Grundmodelle danach graduell konkretisieren und verfeinern.27 Entsprechend steht der homo 25 26 27
Kirchgässner, Ökonomie, S. 112. Homann/Suchanek, S. 392. Vgl. z. B. Schmidtchen, S. 12 ff.
B. Das ökonomische Paradigma
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oeconomicus nicht für ein umfassendes „Menschenbild“ im Sinne der Philosophie oder Theologie, sondern stellt ein rein theoretisches Konstrukt dar, das auf ökonomische Problemstellungen – d. h. Knappheitsprobleme im weitesten Sinne – zugeschnitten ist.28 Der homo oeconomicus wird daher oft als „heuristische Fiktion“ bezeichnet, d. h. es handelt sich bloss um eine Annahme, die der Analyse ökonomischer Probleme dient.29 Mit dem ökonomischen Ansatz will man ja auch nicht etwa das tatsächliche Verhalten eines singulären Individuums erklären; dies wäre wohl eher die Aufgabe der Psychologen. Den Ökonomen interessiert vielmehr das Verhalten grösserer Gruppen von Individuen, so genannter „Aggregate“, beispielsweise das Verhalten von Konsumenten oder Unternehmungen. Er sucht nach Regelmässigkeiten im Verhalten der Gesamtheit oder zumindest der Mehrheit der betrachteten Gruppe. Man kann z. B. auch annehmen, dass das Verhalten der Individuen normalverteilt ist und die ökonomische Theorie das Verhalten des Durchschnittsindividuums erklärt. Der Grossteil der Individuen schart sich hinsichtlich ihrer Verteilung um den Mittelwert, und wenn die Verteilung symmetrisch ist, gleichen sich die stark abweichenden Verhalten an beiden Enden der Verteilung gegenseitig aus, weshalb sie im Durchschnitt nicht ins Gewicht fallen. Die Mikrotheorie bietet auch die Basis, um Makrophänomene zu erklären, was kein Widerspruch ist, wie man zunächst meinen könnte. Werden nämlich die Rahmenbedingungen für das Handeln aller Individuen bzw. einer bestimmten Gruppe durch eine Veränderung einer bestimmten Makrovariable in ähnlicher Weise beeinflusst, so wird die Reaktion dieser Gruppe – zwar nicht unbedingt in jedem Einzelfall, wohl aber im Durchschnitt – eine Regelmässigkeit aufweisen, die sich mit dem individuellen Entscheidungskalkül erklären lässt. So wird z. B. bei einer Erhöhung des Benzinpreises – ceteris paribus30 – nicht jeder einzelne Autofahrer weniger Benzin verbrauchen. Wichtig für den ökonomischen Zusammenhang ist nur, dass die Konsumenten im Durchschnitt mit einer Einsparung reagieren, so dass die Erhöhung des Preises insgesamt eine Reduktion der nachgefragten Menge bewirkt.31
28 29 30 31
Vgl. Homann/Suchanek, S. 426. Vgl. Neumann, S. 257 f. D. h. unter sonst gleichen Umständen. Kirchgässner, Ökonomie, S. 110 f.
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§ 2 Der homo oeconomicus
C. Grundprinzipien der Ökonomie I. Das Nachfragegesetz Ein grundlegendes Prinzip der Ökonomie ist – wie man am soeben besprochenen Beispiel sehen konnte – die inverse Relation zwischen dem Preis und der nachgefragten Menge.32 Betrachten wir die individuelle Nachfragekurve eines Haushaltes nach Tomaten: Beim Preis p1 wird die Menge x1 nachgefragt. Wenn der Preis von Tomaten auf p2 steigt, reduziert der Haushalt – ceteris paribus – normalerweise die nachgefragte Menge nach Tomaten, z. B. auf x2 . Die Nachfragekurve eines Haushaltes in einem Preis-Mengen-Diagramm weist daher üblicherweise eine negative Steigung auf. Da man die Marktnachfragekurve eines Gutes durch Aggregation aller individuellen Nachfragekurven herleiten kann, wird auch diese negativ geneigt sein. Die individuelle Nachfrage nach einem Gut ist jedoch nicht nur abhängig vom Preis dieses Gutes; weitere Einflussfaktoren sind die Präferenzstruktur, die
Preis p
p2
p1
x2
x1 Abbildung 3: Nachfragekurve
32
Posner, EAL 5, S. 4.
Menge x
C. Grundprinzipien der Ökonomie
31
Preise anderer Güter und das Einkommen. Wenn sich ein Gut verteuert, sinkt nicht nur dessen nachgefragte Menge und es wird mehr von anderen Gütern gekauft (Substitutionseffekt), es steigt – ceteris paribus – auch das Preisniveau. Bei gleichem Nominaleinkommen sinkt folglich das Realeinkommen und es können insgesamt weniger Güter gekauft werden (Einkommenseffekt). Das Nachfragegesetz gilt nicht nur bei Gütern mit expliziten Preisen. Die Länge der Gefängnisstrafe ist z. B. für einen Straftäter der „Preis“ für die begangene Straftat, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Täter nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erwischt und verurteilt wird. Der massgebliche Preis wäre daher der Erwartungswert, berechnet aus der Dauer der Gefängnisstrafe, multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit, dass die Strafe tatsächlich vollzogen wird. Ökonomen nennen solche nichtmonetären Preise Schattenpreise.33 II. Nutzen- und Gewinnmaximierung Haushalte, d. h. die Konsumenten, versuchen ihren Nutzen bei gegebenen Restriktionen (Preise, Einkommen etc.) zu maximieren. Bei Unternehmungen (Produzenten) spricht man in diesem Zusammenhang von Gewinnmaximierung. Der Gewinn ist dabei die Differenz aus Erlös und Produktionskosten. Natürlich sind auch die Haushalte mit Kosten konfrontiert: mit den Preisen für die Güter sowie mit nichtmonetären Kosten, wie etwa der Wartezeit an der Ladenkasse. Der Ökonom bemisst die Kosten nach dem Opportunitätskostenprinzip, d. h. anhand des entgangenen Nutzens der nächstbesten Verwendung der betreffenden Ressource.34 Der Preis einer Stunde Freizeit entspricht z. B. dem entgangenen Verdienst, den man in dieser Stunde hätte erzielen können. Die Kosten eines Studiums setzen sich nicht nur aus den Studiengebühren und Ausgaben für Bücher zusammen, sondern auch aus dem entsprechenden Einkommensverzicht. Nach dem Opportunitätskostenprinzip muss ein Hauseigentümer, der sein eigenes Haus bewohnt, als Wohnkosten nicht etwa nur den Unterhalt für das Haus berechnen, sondern auch die entgangenen Einnahmen aus einer möglichen Vermietung des Hauses. Sowohl der Begriff der Opportunitätskosten als auch das Konzept der Schattenpreise zeigen, dass das hartnäckige Vorurteil gegenüber der Ökonomie, diese handle ausschliesslich vom „Geld“, falsch ist. Im Gegenteil: Ökonomie beschäftigt sich mit der Nutzung knapper Ressourcen, also mit realen Phänomenen, die unabhängig von monetären Kategorien existieren. Hausarbeit ist z. B. eine ökonomische Aktivität, auch wenn sie nicht mit Geld entschädigt wird. Sie verursacht Kosten im ökonomischen Sinne, nicht zuletzt die Opportunitätskosten der 33 34
Posner, EAL 5, S. 5 f. Posner, EAL 5, S. 6.
32
§ 2 Der homo oeconomicus
Zeit, die dafür aufgewendet wird. Diese Feststellung gilt ebenso für andere Aktivitäten, bei denen man kaum an Ökonomie denken würde: „Sex is an economic activity too. The search for a sexual partner (as well as the sex act itself) takes time and thus imposes a cost measured by the value of that time in its next-best use. The risk of a sexually transmitted disease or of an unwanted pregnancy is also a cost of sex – a real, though not primarily a pecuniary cost.“ 35
Transfers hingegen stellen volkswirtschaftlich betrachtet – per se – keine Kosten dar. Wenn der Staat z. B. einer Person Fr. 1.000,– als Steuer auferlegt und denselben Betrag jemandem als Transfer ausbezahlt, so sind diese Fr. 1.000,– für den Steuerzahler zwar private Kosten, volkswirtschaftlich gesehen entstehen jedoch keine Kosten, denn die Ressourcen werden ja dadurch nicht vermindert, sondern nur umverteilt. Allerdings fallen dabei Verwaltungskosten an und der Transfer hat zudem einen Einfluss auf die Anreize für die betroffenen Personen.36 Steuern können nämlich auf der Seite des Steuerpflichtigen die Arbeitsanreize vermindern, Transfers auf der Seite des Empfängers. Der ökonomische Kostenbegriff ist ausserdem zukunftsgerichtet, nicht vergangenheitsorientiert: Massgeblich für eine Entscheidung sind nur Kosten, die in der Zukunft liegen, nicht solche, die in der Vergangenheit angefallen sind (sog. „sunk costs“). Wenn man z. B. im Theater sitzt und die Vorstellung einem wider Erwarten überhaupt nicht gefällt, so ist es unvernünftig, seine Zeit weiterhin in der Vorstellung zu verschwenden, nur weil man viel Geld für die Eintrittskarte bezahlt hat, denn diese Kosten sind „versunken“ und können somit nicht mehr rückgängig gemacht werden. Dagegen liessen sich die nichtmonetären Kosten der vergeudeten Zeit und des Ärgers über die Vorstellung mit dem Verlassen des Theaters noch begrenzen. Versunkene Kosten werden in der Realität allerdings dennoch häufig in die Entscheidung mit einbezogen, was einen Fall irrationalen Handelns darstellt. So ist z. B. unter Anlegern die Strategie verbreitet, nach dem Kurssturz eines Aktientitels, von dem man zu einem hohen Kurs Aktien gekauft hat, weitere Aktien desselben Titels zu einem tieferen Kurs zu kaufen, um den Einstandspreis zu senken. Dadurch verschleiert man jedoch nur den durch den ersten Aktienkauf erlittenen Kursverlust. Diese Beispiele zeigen, dass der Ökonom die Dinge in der Regel ex ante und nicht ex post betrachtet. Dies gilt im Übrigen auch für die Gewinne einer Unternehmung und für die Berechnung des Wertes einer Unternehmung. Diesen berechnet man richtigerweise nicht auf der Grundlage der Anschaffungswerte (sog. Substanzwert), sondern nach der Summe der erwarteten zukünftigen Nettoeinnahmen, welche auf den heutigen Zeitpunkt diskontiert werden (sog. Ertragswert).37 35 36 37
Posner, EAL 5, S. 7. Posner, EAL 5, S. 7. Geigant et al., S. 230.
C. Grundprinzipien der Ökonomie
33
III. Der Markt sorgt für die optimale Allokation der Ressourcen Ein weiteres Grundprinzip der Ökonomie lautet: Freiwillige Transaktionen auf den Märkten sorgen dafür, dass alle Ressourcen dorthin alloziert (zugeteilt) werden, wo sie ökonomisch am höchsten bewertet werden. D. h. die Produktionsfaktoren gelangen an den Ort, wo sie in der Produktion den höchsten Wert erzielen, und die Konsumgüter gehen an jene Konsumenten, die am meisten für sie zu zahlen bereit sind. Wenn durch Tausch keine Verbesserung mehr möglich ist, ist die Allokation der Ressourcen optimal.38 Diesen Zustand nennt man Paretooptimum.39 Diese Sicht ist allerdings zu optimistisch, weil der Markt in der Realität nicht perfekt funktioniert. Daher wurde die Theorie des Marktversagens entwickelt. Marktversagen liegt vor, wenn die Voraussetzungen des idealen Marktes nicht gegeben sind (z. B. bei öffentlichen Gütern und externen Effekten), aber auch dann, wenn die Wirtschaftsakteure den Wettbewerb beschränken oder gar ausschalten (z. B. durch Kartelle oder gesetzliche Regelungen). Konjunkturelle Schwankungen können zudem infolge unvollkommener Marktanpassungsprozesse auftreten. In all diesen Fällen ist die volkswirtschaftliche Nutzung der Ressourcen suboptimal. Öffentliche Güter sind zunächst dadurch gekennzeichnet, dass niemand von ihrem Konsum ausgeschlossen wird, unabhängig davon, ob er etwas für sie bezahlt oder nicht. Neben dieser Nichtausschliessbarkeit vom Konsum zeichnen sich öffentliche Güter ausserdem durch die Nichtrivalität im Konsum aus: Wenn jemand ein öffentliches Gut konsumiert, führt dies nicht – wie z. B. bei einem Brötchen – dazu, dass der Konsum durch weitere Personen dadurch unmöglich wird. Klassische Beispiele für öffentliche Güter sind der Leuchtturm, dessen Licht jeder sehen kann, der Empfang von Radio- und Fernsehwellen oder ein Damm, der ein ganzes Gebiet vor Überschwemmungen schützt.40
38
Posner, EAL 5, S. 11. Siehe § 3 B.I.2. 40 Wenn nur die Nichtausschliessbarkeit gegeben ist, spricht man von einem Allmendegut (z. B. allgemein nutzbare Weiden, öffentliche Strassen); siehe hierzu Garrett Hardin, The Tragedy of the Commons. Wenn nur die Nichtrivalität im Konsum vorliegt, handelt es sich um ein Clubgut (z. B. der europäische Binnenmarkt); siehe hierzu James M. Buchanan, An Economic Theory of Clubs. Die Nichtausschliessbarkeit nichtzahlender Konsumenten lässt sich häufig technisch beheben, z. B. durch Zutrittskontrollen bei Strassen (Roadpricing). Private Güter, die aus politischen Gründen – beispielsweise um eine allgemeine Versorgung mit diesen Gütern sicherzustellen oder zu fördern – vom Staat bereitgestellt werden (z. B. staatliche Schulen, Staatstheater) bezeichnet man als meritorische Güter; siehe hierzu Richard A. Musgrave, A Multiple Theory of Budget Determination. 39
34
§ 2 Der homo oeconomicus
Öffentliche Güter können jedoch auch immaterieller Natur sein; man denke an die Sicherheit oder die politische Stabilität. Privat werden diese Güter nicht oder nur unzureichend angeboten, da die Kosten beim Produzenten hängen bleiben, sofern die Konsumenten nicht freiwillig einen Beitrag leisten. Wegen dieses Trittbrettfahrerproblems werden öffentliche Güter traditionell vom Staat angeboten und mit Steuermitteln oder anderen Zwangsabgaben finanziert. Obwohl die öffentlichen Güter technisch auch von Privaten angeboten werden können, versagt der Markt hier in der Regel, so dass der Staat in die Bresche springen und ein genügendes Angebot schaffen muss. Ein ähnliches Problem stellt sich bei externen Effekten (Externalitäten). Diese können bei der Produktion wie auch beim Konsum von Gütern auftreten. Wenn externe Effekte vorliegen, decken sich private und volkswirtschaftliche Kosten bzw. Nutzen nicht, was zu einer Fehlallokation der Ressourcen führt. Ein Autofahrer z. B. trägt nur die Kosten für sein Fahrzeug und die Betriebsmittel selber, während die Umweltkosten infolge der Abgase und des Lärms der Allgemeinheit angelastet werden. Die privaten Kosten des Verkehrs sind demnach zu tief und bewirken ein höheres Verkehrsaufkommen, als bei Kostenwahrheit volkswirtschaftlich optimal wäre. Die Preise, die in einer Marktwirtschaft Anreizund Steuerungsfunktion haben, setzen bei Externalitäten falsche Signale. Der Staat hat die Möglichkeit, diese Fehlleistung des Marktes mittels Abgaben bzw. Subventionen zu korrigieren. So wird etwa in der Umweltgesetzgebung das Verursacherprinzip mittels Umweltabgaben durchgesetzt, d. h. die externen Kosten werden den Verursachern angelastet und damit internalisiert.41 Eine weitere Form von Marktversagen stellt das Bestehen von Marktmacht dar. Auf realen Märkten herrscht oftmals keine vollständige Konkurrenz im Sinne einer unbegrenzten Anzahl Anbieter und Nachfrager; vielmehr konkurrieren regelmässig wenige Akteure mit jeweils hohen Markanteilen. Dies kann verschiedene Ursachen haben. So können beispielsweise Markteintrittsschranken, Innovationsvorteile oder unfaire Wettbewerbspraktiken Markmacht begründen.42 Im Extremfall des Angebotsmonopols hat dies zur Folge, dass eine im Vergleich zum Angebot bei vollständiger Konkurrenz geringere Gütermenge zu einem höheren Preis angeboten wird, was zu einem Wohlfahrtsverlust führt.43 Stehen wenige Anbieter einer Vielzahl von Nachfragern gegenüber, besteht eine erhöhte Gefahr der Entstehung von angebotsseitiger Marktmacht durch explizite Absprachen oder gleichförmiges Verhalten der Anbieter ohne ausdrückliche Abrede.44 41
Siehe auch § 3 B.III.2. sowie zum Lösungsvorschlag von Coase § 4 C.III.2. Fritsch, S. 163 f. 43 Posner spricht in diesem Zusammenhang von einer Reduktion des „gesellschaftlichen Reichtums“; siehe § 8 D.I.8. 44 Fritsch, S. 174 ff. 42
D. Modelle der Nutzen- und Gewinnmaximierung
35
Während im Modell der vollständigen Konkurrenz umfassende Markttransparenz unterstellt wird, verfügt in der Realität die eine Marktseite regelmässig über mehr transaktionsrelevante Informationen als die andere. So wird beispielsweise der Hersteller meist besser über die Qualität seines Gutes informiert sein als der Käufer und der Versicherungsnehmer kann das Risiko, dass bei ihm ein Schadensfall eintritt, besser einschätzen als der Versicherer. Bestehen solche Informationsasymmetrien zu Lasten der Nachfrager, so hängt es für diese vom Zufall ab, welche Qualität sie tatsächlich erwerben, da ihnen diese Information vor der Transaktion fehlt. In der Folge richtet sich ihre Zahlungsbereitschaft auf die durchschnittlich zu erwartende Qualität, was zur Folge hat, dass es sich für den einzelnen Anbieter nicht lohnt, besonders hochwertige Güter anzubieten. Dadurch sinkt die durchschnittliche Qualität und in der Folge wiederum die Zahlungsbereitschaft der Nachfrager, weshalb im Ergebnis nur noch die schlechteste Qualität angeboten wird („adverse selection“; negative Auslese). Auch hierin liegt eine Form von Marktversagen.45 Marktversagen stellt regelmässig ein Argument für einen staatlichen Eingriff dar. Da Fehler aber auch bei staatlichen Eingriffen kaum vermeidbar sind, spricht man im Gegenzug von Staatsversagen.
D. Modelle der Nutzen- und Gewinnmaximierung Da sich die Mikroökonomie in hohem Masse auf mathematische Modelle stützt, sollen exemplarisch einige elementare mikroökonomische Modelle dargestellt und erläutert werden. Sowohl Haushalte als auch Unternehmungen haben in Knappheitssituationen Entscheidungen zu treffen. Deshalb soll gezeigt werden, wie man das Konsumoptimum des Haushaltes (Haushaltgleichgewicht) bestimmt. Bei diesem Modell handelt es sich um die Optimierung unter einer Nebenbedingung (Restriktion). Ermittelt wird somit nicht das absolute Maximum der Zielfunktion, sondern ein relatives Ziel, das zugleich die Restriktion erfüllt. Zu diesem Zweck bedient man sich der Differentialrechnung und im Speziellen der Methode von Lagrange.46 Anschliessend wird ein Gewinnmaximierungsmodell bei zwei verschiedenen Marktformen vorgestellt. I. Nutzenmaximierung des Haushaltes Ein Haushalt hat sich zu entscheiden, wie er sein Einkommen für den Kauf von Konsumgütern verwenden soll. Der Einfachheit halber beschränken wir uns auf die Wahl zwischen zwei Gütern. Die Erkenntnisse, die man aus diesem ein45 46
Zum Ganzen Fritsch, S. 249 ff. Vgl. Schumann, Mikroökonomie, S. 52 ff.
36
§ 2 Der homo oeconomicus
fachen Fall gewinnt, gelten aber entsprechend auch für n Güter. Das Konsumoptimum des Haushaltes, das sog. Haushaltgleichgewicht, bezeichnet die Gütermengenkombination mit dem maximalen Nutzen bei gegebenen Konsumausgaben. Der Nutzen U als Zielgrösse sei abhängig von den zwei Gütermengen x1 und x2 (z. B. Äpfel und Birnen). Diese sind so zu wählen, dass der Nutzen maximal wird (optimales Güterbündel). Die Nutzenfunktion beschreibt die Höhe des Nutzens in Abhängigkeit von den konsumierten Gütermengen. Sie ist die Zielfunktion und daher zu maximieren:
1
Zielfunktion: U U
x1 ; x2
! max:!
Restringiert werden die Konsumausgaben C, die sich aus den Gütermengen und den konstanten Güterpreisen p1 und p2 berechnen lassen. Die Budgetgleichung lautet:
2
Restriktion: C C
x1 ; x2 p1 x1 p2 x2 const:
Die Methode von Lagrange verlangt nun, dass aus diesen zwei Funktionen eine Lagrangefunktion gebildet wird. Dabei geht man von der Zielfunktion aus und addiert die Restriktionsgleichung, nachdem man sie nach null aufgelöst und mit dem Lagrangemultiplikator multipliziert hat, hinzu:
3
L
x1 ; x2 ; U
x1 ; x2
C
p1 x1
p2 x2
Nun bildet man die partiellen Ableitungen nach den drei unabhängigen Variablen und setzt die Ergebnisse gleich null:
4
@L=@x1 L01 U10
p1 0
5
@L=@x2 L02 U20
p2 0
6
@L=@ L0 C
p1 x1
p2 x2 0
Wenn man die Gleichungen (4) und (5) nach auflöst und gleichsetzt, erhält man folgenden Zusammenhang:
7
U10 =p1 U20 =p2
2. Gossen’sches Gesetz
Gemäss der Gleichung (7) ist im Konsumoptimum der durch den Preis dividierte Grenznutzen für beide Güter gleich. Dies bedeutet, dass im Optimum mit der letzten Geldeinheit unabhängig davon, ob sie für Gut 1 oder Gut 2 eingesetzt wird, derselbe Nutzen bzw. Grad an Bedürfnisbefriedigung resultieren
D. Modelle der Nutzen- und Gewinnmaximierung
37
muss. Solange dies noch nicht der Fall ist, kauft der Haushalt einfach mehr von dem Gut, dessen Grenznutzen pro Geldeinheit höher ist, als vom Gut mit dem geringeren Grenznutzen pro Geldeinheit. Dieser Vorgang wiederholt sich so lange, bis der Grenznutzen pro Geldeinheit schliesslich für beide (bzw. alle) Güter gleich ist. Dies ist das Gesetz des Ausgleichs des Grenznutzens (2. Gossen’sches Gesetz). In der Gleichung (6) erhält man ausserdem wieder die Budgetrestriktion, womit sichergestellt ist, dass auch diese eingehalten wird. In der grafischen Umsetzung befindet sich das Haushaltgleichgewicht dort, wo die massgebliche Nutzenindifferenzkurve die Budgetgerade tangiert. Die Budgetgerade ist die Restriktion und beschreibt alle Konsummöglichkeiten, bei denen die Konsumsumme voll ausgeschöpft wird. Je höher die Konsumsumme oder je niedriger die Preise, desto weiter ist die Budgetgerade vom Ursprung entfernt. Die Steigung der Budgetgerade bestimmt sich durch das Verhältnis der Preise zueinander und beträgt p1 =p2 . Nutzenindifferenzkurven repräsentieren die Nutzenfunktion des Haushaltes und beschreiben die Gütermengenkombinationen, die den gleichen Nutzen stiften. Die konvexe Krümmung der Kurve bedeutet, dass ein gemischter Konsum von beiden Gütern einem ausschliesslichen Konsum je nur eines Gutes tendenziell vorgezogen wird. Es existiert eine ganze
x2
C/p 2
x 2* Indifferenzkurven
Budgetgerade
x1*
C/p 1
Abbildung 4: Haushaltgleichgewicht
x1
38
§ 2 Der homo oeconomicus
Schar von Indifferenzkurven, wobei der Nutzen, den eine Indifferenzkurve repräsentiert, mit der Entfernung vom Ursprung zunimmt. Deshalb kommt für die Bestimmung des Optimums jene Indifferenzkurve zum Zuge, die möglichst weit aussen liegt, aber die Budgetgerade gerade noch berührt. II. Gewinnmaximierung der Unternehmung Mit Hilfe der Differentialrechnung lässt sich auch die Gewinnmaximierung der Unternehmung darstellen. Wir unterscheiden dabei zwei Marktformen: die vollständige Konkurrenz und das Angebotsmonopol. 1. Vollständige Konkurrenz Bei der Marktform der vollständigen Konkurrenz liegt ein bilaterales Polypol vor, d. h. es gibt theoretisch unendlich viele Anbieter und Nachfrager, so dass keiner von ihnen den Preis des entsprechenden Gutes bestimmen kann; dieser ergibt sich aus dem Schnittpunkt von Marktangebot und Marktnachfrage und ist für die einzelnen Marktteilnehmer ein Datum. Diese verhalten sich daher als Mengenanpasser. Zu bestimmen ist demnach die gewinnmaximale Menge einer Unternehmung bei gegebenem Güterpreis und gegebener Kostenfunktion. Der Gewinn G ist die Differenz aus Erlös E und Kosten K, die beide von der Menge x abhängen. Die Gewinnfunktion lautet daher:
8
G
x E
x
K
x
! max:!
Zur Bestimmung von Extremwerten (Gewinnmaximum bzw. -minimum) muss die 1. Ableitung gleich null gesetzt werden:
9
G 0
x E 0
x
K 0
x 0
E 0
x K 0
x
10
Da p konstant ist, gilt: E
x px, folglich E 0
x p, also:
11
p K 0
x
Bedingung 1. Ordnung
Im Modell der vollständigen Konkurrenz verlangt die Bedingung erster Ordnung, dass der Preis gleich den Grenzkosten ist. Ein Gewinnmaximum liegt aber nur vor, wenn ausserdem die zweite Ableitung kleiner als null ist:
12
13
G 00
x E 00
x E 00
x < K 00
x
K 00
x < 0 Bedingung 2. Ordnung
D. Modelle der Nutzen- und Gewinnmaximierung
39
Eine individuelle Angebotskurve einer Unternehmung hat normalerweise eine positive Steigung. D. h. je höher der Preis p, desto grösser ist die angebotene Menge x. Die Angebotskurve auf dem Markt ergibt sich durch Aggregation der Angebotsfunktionen aller Unternehmungen, die das entsprechende Gut anbieten (Abbildung 5). Durch Zusammenfügen von Marktangebots- und entsprechender Marktnachfragekurve in einem Diagramm erhält man das Marktgleichgewicht bei vollständiger Konkurrenz im Schnittpunkt der beiden Kurven (Abbildung 6). 2. Das Angebotsmonopol Beim Angebotsmonopol steht ein einzelner Anbieter theoretisch unendlich vielen Nachfragern gegenüber. Bei gegebener Preis-Absatz-Funktion (Nachfragefunktion) und Kostenfunktion muss dieser Anbieter nicht nur die optimale Menge, sondern die optimale Preis-Mengen-Kombination bestimmen. Das Gewinnmaximum lässt sich berechnen, indem man zunächst gleich vorgeht wie beim Modell der vollständigen Konkurrenz. Die Gleichung (10) von oben kann daher übernommen werden; weil p nicht mehr konstant ist, kann die Gleichung (11) hier hingegen nicht gebildet werden. Der Grenzerlös E 0
x leitet sich aus dem Erlös E
x p
xx ab. Letzterer berechnet sich aus der Multiplikation von Preis und Menge, wobei der Preis gemäss der Preis-Absatz-Funktion seinerseits von der angebotenen Menge abhängig ist:
10
E 0
x K 0
x
Bedingung 1. Ordnung
Im Modell des Angebotsmonopols verlangt die Bedingung erster Ordnung, dass der Grenzerlös gleich den Grenzkosten ist. Ein Gewinnmaximum liegt wiederum vor, wenn auch die Gleichung (13) erfüllt ist:
13
00
00
E
x < K
x
Bedingung 2. Ordnung
Grafisch ermittelt man die Monopolmenge x , indem man den Schnittpunkt von Grenzerlös- und Grenzkostenkurve bestimmt. Den entsprechenden Monopolpreis p erhält man durch Einsetzen der Monopolmenge x in die Preis-Absatz-Funktion. Die optimale Preis-Mengen-Kombination nennt man den Cournot’schen Punkt (Abbildung 7).
40
§ 2 Der homo oeconomicus
Preis p
p2
p1
x1
x2
Menge x
Abbildung 5: Angebotskurve
Preis p
Angebot
Marktgleichgewicht
p*
Nachfrage
x* Abbildung 6: Marktgleichgewicht
Menge x
D. Modelle der Nutzen- und Gewinnmaximierung
41
Preis p
p
*
Cournot’scher Punkt Grenzkosten K'(x)
Preis-AbsatzFunktion Grenzerlös E'(x) x*
Menge x
Abbildung 7: Angebotsmonopol
Die Gemeinsamkeit dieser Modelle besteht in der Methode der Grenzbetrachtung, der Marginalanalyse: Im Gewinnmaximierungsmodell z. B. fragt der Ökonom nicht nach der Höhe des Gesamt- oder Durchschnittserlöses und der Gesamt- oder Durchschnittskosten für eine bestimmte Menge, sondern nach der Höhe des zusätzlichen Erlöses und der zusätzlichen Kosten für eine zusätzlich produzierte Einheit. Er eruiert also den Grenzerlös und die Grenzkosten jeder zusätzlichen Einheit. Solange der Grenzerlös für eine zusätzliche Einheit die dadurch anfallenden Grenzkosten übersteigt, resultiert ein Grenzgewinn. Jede zusätzlich produzierte Einheit, die einen Grenzgewinn generiert, erhöht den Gesamtgewinn. Aufgrund der vorausgesetzten Kosten- und Erlösfunktion sinkt der Grenzgewinn üblicherweise ab einer gewissen Produktionsmenge bis auf null und wird schliesslich negativ. Bei derjenigen Menge, bei welcher der Grenzgewinn null beträgt, erweist sich der Gesamtgewinn als maximal.47
47 Was in den Gleichungen (9) und (10) zum Ausdruck kommt. Zusätzlich ist für ein Gewinnmaximum erforderlich, dass auch die Gleichung (13) erfüllt ist.
42
§ 2 Der homo oeconomicus
E. Kritik I. Die unrealistischen Annahmen Die Richtigkeit der Annahmen des neoklassischen ökonomischen Verhaltensmodells wird durch psychologische Untersuchungen stark in Zweifel gezogen. Neben der Rationalitätsannahme und dem Eigennutztheorem wird dabei auch die stillschweigende Annahme unbegrenzter Willenskraft in Frage gestellt. Mit diesen Abweichungen des realen Verhaltens vom Modell des homo oeconomicus als rationaler Nutzenmaximierer setzen sich neuere Bestrebungen, die unter dem Titel „Verhaltensökonomie“ („Behavioural Economics“) zusammengefasst werden, auseinander.48 Das Ziel dieser Forschungsrichtung ist es, die psychologischen Grundlagen der Ökonomie auf Basis empirischer Erkenntnisse kritisch zu hinterfragen und realitätsnäher auszugestalten.49 Mit einer besseren psychologischen Fundierung soll dabei die Erklärungskraft der ökonomischen Modelle erhöht werden.50 Die neuen Erkenntnisse der Verhaltensökonomie fliessen unter dem Titel „Behavioural Law and Economics“ auch in die ökonomische Rechtsanalyse ein.51 1. Rationalitätsannahme Grundlegende verhaltensökonomische Erkenntnisse gehen auf die Forschungen von Amos Tversky und Daniel Kahneman zurück. In ihrem 1974 erschienenen Aufsatz „Judgment under Uncertainty: Heuristics and Biases“ stellen sie fest, dass Menschen in komplexen Entscheidungssituationen auf sog. mentale Heuristiken zurückgreifen.52 In seinem Buch „Thinking, Fast and Slow“ unterscheidet deshalb Kahneman zwei Systeme des menschlichen Denkens: „System 1 operates automatically and quickly, with little or no effort and no sense of voluntary control.“ 53
Es handelt sich um den intuitiven Denkmodus, bei dem Urteile schnell und unwillentlich gefällt werden.
48
Siehe dazu Klaus Mathis, Behavioral Economics. Damit kann auch dem Vorwurf, die Ökonomen betrieben häufig bloss realitätsfernen „Modellplatonismus“, besser entgegengetreten werden. 50 Siehe zum Ganzen z. B. Colin F. Camerer/George Loewenstein/Matthew Rabin (Hrsg.), Advances in Behavioral Economics; oder Bruno S. Frey/Alois Stutzer, Economics and Psychology. 51 Siehe z. B. Cass R. Sunstein (Hrsg.), Behavioral Law and Economics; Christoph Engel et al. (Hrsg.), Recht und Verhalten: Beiträge zu Behavioral Law and Economics; Eyal Zamir/Doron Teichman, Behavioral Law and Economics. 52 Tversky/Kahneman, S. 1124 ff. 53 Kahneman, S. 20. 49
E. Kritik
43
„System 2 allocates attention to the effortful mental activities that demand it, including complex computations. The operations of System 2 are often associated with the subjective experience of agency, choice, and concentration.“ 54
Es handelt sich dabei um den rationalen Denkmodus, bei dem Urteile aufgrund gründlicher Überlegungen, die eine gewisse Zeit erfordern, gefällt werden. Beide Denkmodi haben ihre Vor- und Nachteile. Das rationale Überlegen des Denkmodus 2 ermöglicht uns, ein Problem gründlich zu analysieren und wohlbedachte Entscheidungen zu treffen. Allerdings erfordert dies Konzentration und Zeit. Denkmodus 1 hat den Vorteil, dass er kaum Zeit benötigt und geradezu mühelos abläuft. Es handelt sich um eine Art kognitiver Faustregeln, sog. Heuristiken („heuristics“), die grundsätzlich nützlich, wenn nicht sogar notwendig sind, um komplexe Situationen im Alltag ohne grossen Zeitaufwand zu meistern. Manchmal führt deren Anwendung aber zu schwerwiegenden systematischen Fehlern („biases“).55 So wie optische Wahrnehmungsverzerrungen Fehleinschätzungen der Realität bewirken können, haben mentale Heuristiken unter Umständen falsche Beurteilungen zur Folge.56 Ferner stellt in diesem Zusammenhang insbesondere die von Kahneman und Tversky entwickelte „prospect theory“ einen Meilenstein dar. Diese auf empirischen Erkenntnissen gründende Theorie befasst sich mit Entscheidungen unter Risiko, das heisst Situationen, in denen die Wahrscheinlichkeiten der möglichen Ergebnisse einer Entscheidung bekannt sind. Nach der „prospect theory“ tendieren Menschen in Abweichung von der herkömmlichen Erwartungsnutzentheorie („expected utility theory“) unter anderem dazu, sich bei der Entscheidung zwischen einem sicheren und einem unsicheren Gewinn selbst dann für den sicheren Gewinn zu entscheiden, wenn dessen Wert tiefer ist als der Erwartungswert der unsicheren Alternative („risk aversion“).57 Der Begriff Verlustaversion („loss aversion“) beschreibt sodann die Tatsache, dass ein Verlust stärker gewichtet wird als ein Gewinn desselben Betrags; entsprechend empfinden wir z. B. eine Einbusse von Fr. 1.000.– intensiver als einen Gewinn von Fr. 1.000.–. Die Einschätzung, ob etwas einen Gewinn oder einen Verlust darstellt, ist dabei kontextabhängig, d. h. sie hängt vom momentanen subjektiven Referenzpunkt des Entscheiders ab. Die „prospect theory“ unterscheidet sich von der Erwartungsnutzentheorie ausserdem auch im Umgang mit Wahrscheinlichkeiten, die bestimmten Ereignissen zugeordnet werden. Während die Erwartungsnutzentheorie davon ausgeht, dass Entscheidungsträger eine 54 55 56 57
Kahneman, S. 21. Tversky/Kahneman, S. 1124 ff. Guthrie/Rachlinski/Wistrich, S. 780. Kahneman/Tversky, S. 263 ff.
44
§ 2 Der homo oeconomicus
Gewinnchance von 50 % als genau 50 % werten, folgt die „prospect theory“ der Ansicht, dass die Menschen geringe Gewinnchancen tendenziell überbewerten, mittlere und hohe Gewinnchancen hingegen eher unterschätzen.58 Die Verhaltensökonomie konnte in der Folge eine Vielzahl weiterer solcher Phänomene und kognitiver Verzerrungen nachweisen.59 So beschreibt z. B. die Verfügbarkeitsverzerrung („availability bias“) das Phänomen, dass die Schätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses davon beeinflusst wird, wie leicht man sich an einen entsprechenden Vorfall erinnern oder sich ein solches Ereignis vorstellen kann. So ist es möglich, dass das Urteil über die Wahrscheinlichkeit eines Verkehrsunfalls davon abhängt, wie lebhaft man sich ein solches Ereignis vorstellen kann. Dabei stehen eigene Erlebnisse im Vordergrund. Jemand, der kürzlich Zeuge eines schweren Verkehrsunfalls geworden ist, schätzt die Wahrscheinlichkeit derartiger Unfälle deutlich höher ein als jemand, der schon lange keinen Unfall mehr selbst gesehen hat.60 Des Weiteren lässt sich auch das sogenannte „Anchoring“-Konzept als typisches Beispiel anführen: Danach fällen Leute Wahrscheinlichkeitsurteile oft intuitiv oder anhand festgefahrener Anschauungsweisen (sog. Anker), die häufig völlig willkürlich und folglich gar nicht an die tatsächlichen Bedingungen angepasst sind. So wurde beispielsweise zu Beginn eines Experiments ein manipuliertes Glücksrad gedreht, das entweder bei der Zahl 10 oder der Zahl 65 stehen blieb. Danach wurden die Probanden aufgefordert, diverse Prozentzahlen zu schätzen, unter anderem den Anteil afrikanischer Länder in den Vereinten Nationen. Dabei zeigte sich, dass die den Probanden als zufällig erscheinende Zahl des Glücksrads die Antworten beeinflusste: Der Mittelwert jener Schätzungen der Gruppe, bei der das Glücksrad bei der Zahl 10 anhielt, betrug 25 %, während bei der Gruppe, bei der das Glücksrad bei der Zahl 65 stehenblieb, der Mittelwert der Schätzungen 45 % betrug. Der willkürliche Wert des Glücksrades diente den Probanden somit als Anker für ihre Schätzungen.61 Von grosser Relevanz ist sodann insbesondere auch der sogenannte Rückschaufehler („hindsight bias“). Diese kognitive Verzerrung beschreibt die Erscheinung, dass Menschen dazu neigen, die Vorhersehbarkeit eines Ereignisses rückblickend, d. h. nachdem dieses eingetreten ist, zu überschätzen. Wahrscheinlichkeit und somit Voraussehbarkeit des Eintritts eines Ereignisses erscheinen uns in der Rückschau also grösser als bei der Betrachtung ex ante.62 Dieser Effekt kann einen erheblichen Einfluss auf die Beurteilung von Sorgfaltspflicht-
58 59 60 61 62
Kahneman/Tversky, S. 263 ff. Für einen Überblick siehe Daniel Kahneman, Thinking, Fast and Slow. Jungermann/Pfister/Fischer, S. 173. Siehe zum Ganzen Tversky/Kahneman, S. 1124 ff. Siehe Fischhoff, Hindsight Foresight, S. 288 ff.
E. Kritik
45
verletzungen durch die Rechtsprechung im Rahmen der Verschuldenshaftung haben: Während der Schädiger ex ante einschätzt, welche Gefahren sein Verhalten birgt und ob und welche Sicherheitsmassnahmen deshalb angebracht sind, nimmt das Gericht diese Beurteilung ex post im Wissen um den Schadenseintritt vor. Da es die bereits bekannten Ereignisse nicht ausblenden kann, neigt es dazu, Vorhersehbarkeit und Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu überschätzen. Der Rückschaufehler hat demnach zur Folge, dass Gerichte das Verhalten von Schädigern tendenziell an einem zu strengen Sorgfaltsmassstab messen und deshalb das Verschulden und in der Folge eine Haftung zu leicht bejahen.63 Aufgrund der beschriebenen Erkenntnisse kann menschliches Verhalten zwar nicht mehr als rational im strengen Sinn bezeichnet werden, aber ebenso wenig ist es völlig unvorhersehbar, komplett irrational oder gar zufällig. Im Gegenteil ist von entscheidender Bedeutung, dass die Verhaltensökonomie die kognitiven Verzerrungen als systematisch und vorhersehbar begreift. Ökonomen können die Formen menschlicher Rationalität bzw. Irrationalität somit beschreiben und in Modellen darstellen. Dabei erweitern die Theorien der Verhaltensökonomie die herkömmlichen Modelle häufig lediglich um einen oder zwei Parameter. Als Beispiel dafür soll wiederum das erwähnte Konzept der Verlustaversion dienen: Der Verlustaversionskoeffizient lässt sich als Quotient beschreiben, der sich aus dem Verhältnis der Grenzkosten eines Verlustes zum Grenznutzen eines Gewinnes ergibt. Das neoklassische „Standardmodell“ ist in diesem erweiterten Modell der Spezialfall, in dem dieser Zahlenwert 1 ist. 2. Eigennutztheorem Von der Verhaltensökonomie wird ferner auch das Eigennutztheorem in Frage gestellt. Dabei wird untersucht, inwieweit z. B. Fairness eine Rolle im Verhalten der Menschen spielt. Viele Leute weichen nämlich vom ausschliesslich eigennützigen Verhalten ab. Ein anschauliches Experiment, das die Bedeutung von Fairnessüberlegungen für ökonomische Entscheidungen aufzeigt, ist das Ultimatumspiel: Ein bestimmter Geldbetrag soll unter zwei Spielern (A und B) aufgeteilt werden. Spieler A entscheidet in einem ersten Schritt, welchen Teil dieses Betrags er Spieler B anbietet. Danach entscheidet B, ob er das Angebot annimmt. In diesem Fall erhält B die angebotene Geldsumme und A den Restbetrag. Lehnt B das Angebot jedoch ab, gehen beide Spieler leer aus. Falls B eigennützig und rational handelt, wird er jeden Geldbetrag annehmen, der grösser als null ist. Im Wissen darum kann A seinen Nutzen maximieren, indem er B den kleinstmöglichen Betrag anbietet. Empirische Experimente zeigten jedoch, 63 Mathis/Diriwächter, S. 74 ff.; siehe auch Vito Roberto/Kristoffel Grechenig, Rückschaufehler („Hindsight Bias“) bei Sorgfaltspflichtverletzungen.
46
§ 2 Der homo oeconomicus
dass Personen in der Rolle des B zu tiefe Angebote ablehnen, obwohl sie dadurch leer ausgehen.64 Eine Abwandlung dieses Versuchs ist das Diktatorspiel, bei dem Spieler B das Angebot gar nicht ablehnen kann, weshalb ein rationaler und eigennützig handelnder Spieler A den gesamten Betrag für sich behält. Zahlreiche Experimente zeigen jedoch, dass Personen in der Rolle des „Diktators“ im Durchschnitt 28 Prozent der Geldsumme abgeben.65 Des Weiteren gibt es Anzeichen, dass die Berücksichtigung von Fairness und gegenseitiger Begünstigung nicht nur in bilateralen Verhandlungen von Bedeutung ist, sondern auch für das Funktionieren von Märkten wichtig ist. Neuere verhaltensökonomische Untersuchungen versuchen deshalb zu erklären, wie soziale, ökonomische und rechtliche Bedingungen die Neigung zu reziprokem Verhalten, d. h. zu gegenseitiger Begünstigung, beeinflussen.66 Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang beispielsweise ein von Urs Fischbacher et al. durchgeführtes Öffentliche-Güter-Spiel. Hierbei wurden vier Personen mit jeweils 20 Geldeinheiten ausgestattet, die sie entweder für sich behalten oder ganz oder teilweise in ein „Projekt“ (öffentliches Gut) investieren konnten. Jede investierte Geldeinheit wurde in der Folge mit dem Faktor 1,6 multipliziert und ungeachtet ihres Beitrages gleichmässig auf alle vier Spieler aufgeteilt. Die Auszahlung, die ein Spieler nach Ende des Spiels erhielt, setzte sich somit aus dem für sich selber zurückbehaltenen Betrag und dem Anteil am „Projekt“ zusammen. Während die vier Spieler ihre Auszahlung also theoretisch maximieren könnten, indem sie alle die gesamte Anfangsausstattung investieren, ist nach den Annahmen der neoklassischen Ökonomie zu erwarten, dass kein Spieler einen Beitrag an das öffentliche Gut leistet („Trittbrettfahrerproblem“67). Wie schon zahlreiche frühere Öffentliche-Güter-Spiele zeigte auch das von Fischbacher et al. durchgeführte Experiment, dass diese Prognose nicht der Realität entspricht. Neu war jedoch die Erkenntnis, dass sich ein Teil der Menschen in solchen Situationen reziprok verhält: 50 % der Probanden gaben an, einen umso grösseren Beitrag an das öffentliche Gut zu leisten, je höher der durchschnittliche Beitrag der anderen Spieler ist, während 30 % der Personen ungeachtet der Mitwirkung der anderen gar keinen Beitrag leisten wollten, also eine reine Trittbrettfahrer-Strategie verfolgten.68 Das Nebeneinander selbstsüchtiger und reziprok agierender Menschen hat wichtige Implikationen. So neigen Men-
64 Siehe dazu Werner Güth/Rolf Schmittberger/Bernd Schwarze, An Experimental Analysis of Ultimatum Bargaining. 65 Siehe dazu Christoph Engel, Dictator Games: A Meta Study. 66 Siehe z. B. Ernst Fehr/Urs Fischbacher, Why Social Preferences Matter; oder Herbert Gintis et al. (Hrsg.), Moral Sentiments and Material Interests. 67 Siehe dazu § 2 C.III. 68 Siehe zum Ganzen Urs Fischbacher/Simon Gächter/Ernst Fehr, Are People Conditionally Cooperative?
E. Kritik
47
schen demnach beispielsweise eher zu Steuerdelikten, wenn sie glauben, diese seien weit verbreitet. Unter präventiven Gesichtspunkten ist es deshalb ratsam zu verhindern, dass dieser Eindruck in der Öffentlichkeit entsteht. Ein anderes Beispiel für die Bedeutung dieser Erkenntnisse stellt die Sozialpolitik dar: Legen viele Menschen Wert auf Reziprozität, so wird die Zustimmung zu Massnahmen zur Unterstützung der Armen grösser sein, wenn der Eindruck vorherrscht, ihre Bedürftigkeit sei auf Gründe zurückzuführen, auf die sie keinen Einfluss haben, als wenn die Vorstellung dominiert, sie seien arm, weil sie nicht bereit sind zu arbeiten.69 3. Unbegrenzte Willenskraft Schliesslich setzt das neoklassische Modell des menschlichen Verhaltens stillschweigend die höchst unrealistische Annahme der unbegrenzten Willenskraft („willpower“) voraus. Ökonomen betrachten das Verhalten lediglich als einfachen Entscheidungsvorgang, bei dem zwischen verschiedenen Alternativen ausgewählt wird. Zudem wird angenommen, dass die Umsetzung einer Entscheidung problemlos verläuft, sobald sie einmal getroffen wurde. Der Begriff der Willenskraft deutet jedoch an, dass die Durchführung einer gewählten Vorgehensweise danach nicht immer automatisch erfolgt. In einigen Fällen müssen wir uns motivieren, um die gewünschten Verhaltensweisen zu realisieren. Leute mobilisieren daher häufig ihre Willenskraft, um triebhafte oder impulsive Verhaltensmuster („viszerale“ Beweggründe) zu unterdrücken oder aufzuheben. George Loewenstein definiert dabei drei viszerale Faktoren: (1) Antriebe, wie Hunger und sexuelle Wünsche; (2) Gefühle, wie Zorn und Furcht; und (3) körperliche Empfindungen, wie z. B. Schmerz. Obwohl die viszeralen Faktoren wichtigen Überlebens- und Fortpflanzungsfunktionen dienen, können sie uns gelegentlich in Verhaltensweisen treiben, die zu Konflikten mit dem Eigeninteresse führen. Z. B. setzen sich die Leute dem Risiko einer Schädigung in Form von Fettleibigkeit aus, wenn sie einfachen Zugang zu kalorienreicher Nahrung haben und diese verzehren, wann immer sie Hunger haben. Die Umsetzung einer Entscheidung ist daher stets durch akute und intensive Wünsche gefährdet, auch wenn man durchaus in der Lage ist zu erkennen, was im eigenen Interesse liegt.70 Ein berühmtes Experiment stellt in diesem Zusammenhang der von Walter Mischel durchgeführte Marshmallow-Test dar: Hierbei wurde Kindern im Vorschulalter ein Marshmallow (eine Süssigkeit) vorgesetzt. In der Folge verliess der Versuchsleiter den Raum und die Kinder hatten die Wahl, jederzeit mit ei69 Siehe Samuel Bowles/Herbert Gintis, Is Equality Passé?; zum Ganzen Ernst Fehr/ Urs Fischbacher, Why Social Preferences Matter. 70 Siehe dazu George Loewenstein, Willpower: A Decision Theorist’s Perspective.
48
§ 2 Der homo oeconomicus
ner Glocke zu läuten, um den Versuchsleiter zu rufen und ein Marshmallow sofort zu essen, oder eine unbestimmte Zeit zu warten, bis der Versuchsleiter selber zurückkehrte und das Kind mit insgesamt zwei Marshmallows belohnte. Ursprüngliches Ziel dieser Studie war es herauszufinden, wann und wie es Kindern gelingt, Belohnungen aufzuschieben. Erst viele Jahre später hatte Mischel die Idee zu überprüfen, ob ein Zusammenhang zwischen der Fähigkeit zum Belohnungsaufschub im Vorschulalter und dem künftigen Leistungsvermögen und dem Erfolg im Leben besteht: Spätere Untersuchungen mit denselben Personen zeigten dann in der Tat, dass Kinder, denen es gelang, die Belohnung länger aufzuschieben, im Jugendalter tendenziell bessere soziale Kompetenzen und ein höheres kognitives Leistungsvermögen besassen und als Erwachsene unter anderem besser mit Stress umgehen konnten und ein höheres Selbstwertgefühl hatten.71 Nach Baumeister et al. beanspruchen Willensakte zudem eine begrenzte biologische Ressource, die dadurch vorübergehend erschöpft wird, sich nach einer gewissen Ruhezeit aber wieder erholt. Um diese Hypothese zu überprüfen wurden hungrigen Versuchspersonen Radieschen und frisch gebackene Schokoladenkekse aufgetischt. Eine Gruppe wurde aufgefordert, nur Schokoladekekse zu essen, während die andere Gruppe diesen widerstehen und stattdessen nur Radieschen essen durfte. Danach sollten die Probanden Geometrie-Probleme lösen, die in Wirklichkeit unlösbar waren. Die Studie zeigte, dass die Gruppe, die den Keksen widerstehen musste, die frustrierende Aufgabe viel früher aufgab als jene Probanden, die zuvor die Kekse essen durften.72 Die Erkenntnis, dass Menschen nicht über unbegrenzte Willenskraft verfügen, eröffnet auch nützliche Einsichten für das Recht, insbesondere für die ökonomische Analyse der Kriminalität: Hiernach kann es effektiver sein, Strategien und Konzepte zu entwickeln, die den Leuten helfen, ihre Willenskraft zu stärken und sie in ihrer Verhaltenssteuerung zu unterstützen, statt zu versuchen, die Kriminalität durch Erhöhung der Strafen zu bekämpfen.73 II. Die Statik der Analyse Der ökonomische Ansatz benützt primär die Methode der komparativen Statik, d. h. die Analyse zielt in erster Linie auf Austauschprozesse und den Vergleich damit verbundener Gleichgewichtszustände.74 Die Wirtschaft und vor allem auch das Recht entwickeln sich jedoch evolutionär; daher wäre zu untersuchen, wie diese Entwicklungen ablaufen und mit welchen Lernprozessen sie 71 72 73 74
Zum Ganzen Mischel, S. 12 f. Siehe dazu Baumeister et al., Ego Depletion. Siehe hierzu auch § 4 D.III. Hotz, S. 310.
E. Kritik
49
einhergehen.75 Tatsächlich tut sich die ökonomische Theorie schwer damit, Entwicklungen zu beschreiben und zu erklären. Ihre Stärke liegt vielmehr in der Analyse von Strukturzusammenhängen und im Vergleich von statischen Zuständen als in der Erklärung von Übergangsprozessen. III. Der Reduktionismus Ein weiterer Vorwurf gegen den ökonomischen Ansatz lautet, dieser reduziere die Wirklichkeit auf wenige, rein ökonomische Parameter. Reduktionismus ist für den Ökonomen allerdings kein Schimpfwort, ganz im Gegenteil. Auch Posner verteidigt die Beschränkung auf das Wesentliche und die Methode der Abstraktion in der Ökonomie: „But abstraction is of the essence of scientific inquiry, and economics aspires to be scientific. [. . .] Similarly, an economic theory of law will not capture the full complexity, richness, and confusion of the phenomena – criminal or judicial or marital or whatever – that it seeks to illuminate. But its lack of realism in the sense of descriptive completeness, far from invalidating the theory, is a precondition of theory. A theory that sought faithfully to reproduce the complexity of the empirical world in its assumptions would not be a theory – an explanation – but a description.“ 76
Das ökonomische Verhaltensmodell ist aber nur prognosefähig innerhalb eines engen Teilsystems der Gesellschaft, nämlich dort, wo der Preismechanismus als Zurechnungs- und Sanktionsmechanismus beigezogen werden kann. Wohl integrieren Gary S. Becker u. a. Phänomene sozialer Interaktionen wie Sozialprestige oder Altruismus, Sitten und Gebräuche in die Modelle. Allerdings erfolgt dies immer streng innerhalb des Modells des homo oeconomicus, z. B. als Variable der Nutzenfunktion, als Änderung der relativen Preise oder als zusätzliche Restriktion. So tragen z. B. Sitten und Bräuche dazu bei, die Informationskosten zu senken. Natürlich stellt die Konstruktion erweiterter Nutzenfunktionen oder die Berücksichtigung institutioneller Verhaltensbegrenzungen von Individuen einen Fortschritt dar, der zu begrüssen ist. Das Unterfangen, sämtliche gesellschaftlichen Phänomene einzig und allein mit Hilfe ökonomischer Kategorien wie Nutzen und Kosten erfassen zu wollen, hat aber auch Nachteile. Insbesondere bei der Analyse des Rechts kann die Ausblendung sozialer und psychologischer Aspekte zu verheerenden Fehlschlüssen führen. So ist z. B. festzustellen, dass die Rückfallquote von Delinquenten von ihrer sozialen Umwelt abhängig ist, dass Gefangene bei bestimmten Arten des Strafvollzugs durch die Strafe erst recht zu kriminellen Handlungen verleitet werden oder dass z. B.
75 Ein interessanter Ansatz, der u. a. auch Lernprozesse zu berücksichtigen versucht, findet sich bei Robin Paul Malloy, Law and Market Economy. 76 Posner, EAL 5, S. 18.
50
§ 2 Der homo oeconomicus
Drogendelikte in zahlreichen Fällen etwas mit dem verlorenen Halt in einer sozialen Gemeinschaft oder mit der Frage nach dem Sinn des Lebens zu tun haben.77 Werden nun solche Aspekte aus der Analyse ausgeblendet und wird diese auf eine Betrachtung reduziert, „als ob“ das Individuum nichts anderes als ein Kosten-Nutzen-Kalkulator wäre, der stets die günstigste Alternative auswählt, so ist Vorsicht gegenüber den aus solchen Analysen abgeleiteten Empfehlungen am Platz. Eine Politik, die sich allein an solchen Rezepten orientiert, könnte die Probleme sogar noch verschärfen oder auf andere Ebenen verlagern. Die Auswirkungen der rechtlichen Rahmenordnung bzw. eine Rechtsverletzung darf also nicht nur aus der Optik eines einzelnen Individuums betrachtet werden; eine gleichzeitige Berücksichtigung der gesellschaftlichen Zusammenhänge ist unerlässlich.78 IV. Replik: Instrumentalismus In seinem berühmten Aufsatz „The Methodology of Positive Economics“ (1953) ist Milton Friedman einer Kritik an den Axiomen der neoklassischen Theorie in rigoroser Art und Weise entgegengetreten. Seine Argumentation hat eine Kontroverse entfacht, die bis heute nicht abgeklungen ist. Nach Friedman handelt es sich bei den grundlegenden Annahmen nicht etwa um eigentliche Aussagen über die Realität, sondern vielmehr um „als ob“-Aussagen. Nutzenmaximierung bedeutet demnach nicht, dass der Einzelne auch effektiv danach strebt, sondern nur, dass das Resultat seines Handelns dasselbe ist, als ob er dies täte.79 Folglich lehnt Friedman eine Prämissenkritik ab. Eine Theorie sei ein Instrument der Prognose, nicht ein Abbild der Wirklichkeit. Die Leistungsfähigkeit einer Theorie sei daher nicht am Realitätsgehalt ihrer Prämissen zu beurteilen, sondern anhand der Brauchbarkeit, Hypothesen zu testen, die mit Hilfe dieser Theorien aufgestellt worden seien. Im Allgemeinen gelte sogar: Je signifikanter eine Theorie, desto unrealistischer ihre Annahmen: „Truly important and significant hypotheses will be found to have ,assumptions‘ that are wildly inaccurate descriptive representations of reality, and, in general, the more significant the theory, the more unrealistic the assumptions [. . .].“ 80
Friedman geht es in erster Linie um wirtschaftspolitische Verwertbarkeit: Hypothesen sollen aufgrund möglichst wenig konkreter Informationen brauchbare Voraussagen liefern.81 Posner nimmt einen ähnlichen Standpunkt wie Friedman 77 78 79 80 81
Hotz, S. 305 f. Hotz, S. 306. Frank, S. 19. Friedman, S. 14. Hotz, S. 304.
E. Kritik
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ein und betont die explanatorische und prognostische Stärke der ökonomischen Theorie. Die Prämissen als solche müssten jedoch nicht einem Wahrheitstest unterzogen werden: „An important test of a theory is its ability to explain reality. If it does a lousy job, the reason may be that its assumptions are insufficiently realistic; but we need not try to evaluate the assumptions directly in order to evaluate it. Judged by the test of explanatory power, economic theory is a significant (although only partial) success. [. . .] Another test of scientific theory is its predictive power, and here too economics has had its share of success, most dramatically in recent years.“82
Posner zeigt anhand eines Vergleichs mit den Naturwissenschaften – die der ökonomischen Theorie stets als Vorbild dienten –, dass Theorien, selbst wenn sie auf zum Teil falschen Annahmen beruhen, trotzdem sehr nützlich sein können: „Newton’s law of falling bodies is unrealistic in its basic assumption that bodies fall in a vacuum, but it is still a useful theory because it predicts with reasonable accuracy the behavior of a wide variety of falling bodies in the real world.“ 83
Gegen diesen Instrumentalismus lässt sich einwenden, dass „Erklären“ mehr bedeutet als „Prognostizieren“. Durch die Methodologie von Friedman werde weder Realität erklärt noch Wissen erweitert. Aus solchen Theorien ergäben sich keine neuen Kenntnisse über Strukturzusammenhänge von Sachverhalten.84 Treffend formuliert Michael Scriven: „[T]here certainly seem to be occasions when we can predict some phenomenon with the greatest success, but cannot provide any explanation of it. For example, we may discover that whenever cows lie down in the open fields by day, it always rains within a few hours. We are in an excellent position for prediction, but we could scarcely offer the earlier event as an explanation of the latter. It appears that explanation requires something ,more than‘ prediction; and my suggestion would be that, whereas an understanding of a phenomenon often enables us to forecast it, the ability to forecast it does not constitute an understanding of a phenomenon.“ 85
Man kann auch dahingehend argumentieren, dass Unternehmungen, die in Wettbewerb zueinander stehen, nicht umhin könnten, sich gewinnmaximierend zu verhalten, weil sie sonst aus dem Markt ausscheiden würden.86 So gesehen wäre der homo oeconomicus bereits in der Logik des Marktes angelegt, und abweichendes Verhalten würde im Wettbewerbsprozess ausselektioniert: „[Es] ist zu beachten, dass Friedman den Marktoptimismus von Smith teilt. Dieser setzt aber voraus, dass die Unternehmen und Haushalte auch in einer Welt voller Unwissen über die Zukunft solche Entscheidungen treffen können, die oft genug 82 83 84 85 86
Posner, EAL 5, S. 18. Posner, EAL 5, S. 18. Vgl. Pheby, S. 83. Scriven, S. 176 f. Homann/Suchanek, S. 422.
52
§ 2 Der homo oeconomicus
situationsadäquat sind. Er impliziert ferner, dass die Trägen, Dummen, Ungeschickten, aber auch die Glücklosen und Schwachen wegen des Wettbewerbs nur eine geringe Chance haben, für längere Zeit wichtige Entscheidungsfunktionen auszuüben.“ 87
Gegen diese Auffassung liesse sich wiederum einwenden, dass sich die Unternehmer bzw. deren Berater die ökonomische Theorie im Studium angeeignet hätten, weshalb sich die Unternehmungen nach den Regeln der ökonomischen Theorie verhalten würden, so dass sich diese in der Folge als „self-fulfilling prophecy“ bewahrheite.
F. Fazit Jeder methodische Ansatz hat seine Stärken und Schwächen. Vorzuschlagen ist daher ein Methodenpluralismus: Die Analyse eines Gegenstandes soll unter verschiedenen Aspekten und mit unterschiedlichen Methoden vorgenommen werden, die sich gegenseitig ergänzen, aber auch relativieren. In diesem Sinne kann der ökonomische Ansatz wertvolle Dienste leisten und sollte daher von der Rechtswissenschaft nicht abgelehnt, sondern als Bereicherung betrachtet werden.
87
Meyer, S. 41. Zu Adam Smiths Marktoptimismus siehe § 5 C.
§ 3 Effizienzkriterien „When an economist says that free trade or competition or the control of pollution or some other policy or state of the world is efficient, nine times out of ten he means Kaldor-Hicks efficient.“ 1
A. Einleitung Die Definition von Effizienzkriterien ist ein traditioneller Gegenstand der Wohlfahrtsökonomie. Während sich die Mikroökonomie mit dem Verhalten einzelner Wirtschaftssubjekte und dem Funktionieren von Märkten beschäftigt, besteht die Aufgabe der Wohlfahrtsökonomie darin, Kriterien zur Beurteilung wirtschaftspolitischer Massnahmen sowie wirtschaftlicher Ordnungssysteme zu entwickeln. Die Wohlfahrtsökonomie hat einen positiven sowie einen normativen Teil: Einerseits versucht sie zu erklären, wie sich bestimmte wirtschaftspolitische Massnahmen oder wirtschaftspolitische Ordnungssysteme auf die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes auswirken. Andererseits geht es ihr um die Bewertung sozialer Zustände, d. h. es wird ermittelt, welche durch eine bestimmte Massnahme ausgelösten Effekte als eine Wohlfahrtssteigerung bzw. -minderung zu betrachten sind.2 In der Klärung dieser zweiten, normativen Frage liegt der eigentliche Beitrag der Wohlfahrtsökonomie. Entsprechend sieht sich diese mit einem grundsätzlichen methodischen Problem konfrontiert: Können normative Fragen überhaupt wissenschaftlich entschieden werden? Hat sich die Wissenschaft nicht auf die Klärung von Sachproblemen zu beschränken? Das von Max Weber formulierte Prinzip der Wertfreiheit verlangt, dass der Wissenschaftler stets eindeutig zwischen explikativen und normativen Aussagen unterscheidet und dass er die eigenen Werturteile offen ausweist. Denn jedes logische Verfahren, das zu bewertenden Schlussfolgerungen führt, enthält notwendigerweise auch bewertende Prämissen.3 Der Aussagegehalt einer Schlussfolgerung kann niemals grösser
1
Posner, EAL 5, S. 15. Külp, S. 469 f. 3 Den Umstand, dass man aus Sachaussagen allein keine normativen Urteile gewinnen kann, bezeichnet man als „Hume’sches Gesetz“: „One can’t derive an ,ought‘ from an ,is‘.“ Den Versuch, eine normative Aussage dennoch aus einer faktischen Gegebenheit abzuleiten, nennt man „naturalistischen Fehlschluss“. 2
54
§ 3 Effizienzkriterien
sein als der Aussagegehalt jener Prämissen, aus denen diese Schlussfolgerung abgeleitet wird.4 Mit dem Werturteilsproblem lässt sich auf zwei Arten umgehen: Entweder weist man die eigenen Wertpositionen klar aus und leitet daraus – zusammen mit weiteren Sachaussagen – Werturteile ab. Oder aber man versucht Wertprämissen zu erkunden, die als allgemein akzeptiert gelten, um dann daraus wiederum zusammen mit Sachaussagen bewertende Schlussfolgerungen abzuleiten. Die Vertreter der traditionellen Wohlfahrtsökonomie – wie etwa Arthur C. Pigou, Vilfredo Pareto, Nicholas Kaldor und John R. Hicks – beschritten den zweiten Weg, d. h. sie glaubten, Wohlfahrtskriterien gefunden zu haben, die allgemein anerkannt seien.5 Ein anderes methodisches Problem stellt der Massstab für die Bestimmung der individuellen und kollektiven Wohlfahrt dar. Die Vertreter der älteren Wohlfahrtstheorie (z. B. Pigou) versuchten, die Wohlfahrt an den Nutzenänderungen zu messen, welche die einzelnen Individuen bei der Veränderung ihrer wirtschaftlichen Situation erfahren. Dabei unterstellten sie, dass es möglich sei, Nutzen kardinal zu messen. Pareto – ein Vertreter der neueren Wohlfahrtstheorie – begnügte sich mit einem ordinalen Nutzenbegriff. D. h. ein Individuum vergleicht den Nutzen verschiedener Zustände (z. B. von zwei Güterbündeln) nur im Sinne von „besser“, „schlechter“ oder „gleich gut“; auf eine kardinale Bewertung des Nutzens mittels einer Messzahl wird hingegen verzichtet.6
B. Paretoeffizienz Vilfredo Pareto hat zur Beurteilung sozialer Zustände einen Effizienzbegriff entwickelt, der auf den folgenden drei Prinzipien beruht:7 (1) Konsumentensouveränität: Die Präferenzen der Individuen sind autonom und werden als solche respektiert (es gibt folglich keine „guten“ oder „schlechten“ Präferenzen). (2) Nonpaternalismus: Nur der Nutzen der Individuen zählt für die Gesellschaft, es gibt z. B. keinen Selbstzweck des Staates, der zusätzlich zu berücksichtigen wäre. (3) Einstimmigkeit: Änderungen der Allokation bedürfen der Zustimmung aller, d. h. jeder hat ein Vetorecht.
4 5 6 7
Külp, S. 470. Külp, S. 470 f. Schumann, Wohlfahrtsökonomik, S. 222. Blaug, S. 125.
B. Paretoeffizienz
55
I. Begriff Paretoeffizienz bzw. paretoeffizient kann einerseits – in einem relativen Sinne – bedeuten, dass ein Zustand A gegenüber einem Zustand B paretosuperior ist, oder andererseits – in einem absoluten Sinne –, dass ein bestimmter Zustand als paretooptimal bezeichnet werden kann. 1. Das Paretokriterium Eine paretosuperiore Veränderung erfüllt das Paretokriterium (Paretoprinzip). Dieses lässt sich wie folgt definieren:8 Jede Veränderung, die jemanden in der Gesellschaft besser stellt, ohne jemand anderen schlechter zu stellen, ist eine Verbesserung im Sinne Paretos.9 Eine Veränderung, die das Paretokriterium verletzt, wird umgekehrt als paretoinferior bezeichnet. 2. Das Paretooptimum Als Paretooptimum bezeichnet man einen Zustand, von dem aus die Besserstellung einer Person nicht mehr möglich ist, ohne dass eine andere Person dadurch schlechter gestellt würde. Paretooptimal ist also der Zustand, in dem paretosuperiore Veränderungen nicht mehr möglich sind.10 Paretoeffizienz im Sinne von Paretooptimum zerfällt in drei Teileffizienzen, die in einem paretooptimalen Zustand kumulativ erfüllt sein müssen: (1) effiziente Produktion, (2) effizienter Konsum, (3) effiziente Produktionsstruktur. Paretooptimalität bedeutet also zunächst einmal, dass effizient produziert wird. Dies bedeutet, dass die Produktion eines Gutes nicht erhöht werden kann, ohne dass dadurch zumindest diejenige eines anderen Gutes eingeschränkt werden müsste. Angenommen, in einer Volkswirtschaft würden nur die zwei Güter Kanonen (x1 ) und Butter (x2 ) hergestellt. Mit Hilfe einer Produktionsmöglichkeitenkurve – allgemeiner auch Transformationskurve genannt – lassen sich die möglichen Güterkombinationen, die bei gegebener Faktorausstattung alternativ hergestellt werden können, beschreiben.11
8
Baumol, S. 400. Neben dieser gebräuchlichen Definition wird zuweilen noch ein „schwaches“ Paretoprinzip formuliert, welches verlangt, dass alle Mitglieder der Gesellschaft besser gestellt werden müssen (so offenbar Pareto selbst). Eidenmüller, S. 48. 10 Geigant et al., S. 695. 11 Schäfer/Ott, S. 27. 9
56
§ 3 Effizienzkriterien
x2 Butter
A C Δ x2
E Δ x1
D
F
B
x1 Kanonen
Abbildung 8: Transformationskurve
In der Abbildung 8 wird z. B. in Punkt A nur Butter, in Punkt B werden nur Kanonen hergestellt. In Punkt C oder D hingegen wird von beiden Gütern produziert. Da einer Produktionszunahme des einen Gutes stets eine Produktionsabnahme des anderen Gutes zugeordnet ist, hat die Transformationskurve eine negative Steigung. Die konkave Krümmung der Kurve bedeutet zudem, dass es technisch vorteilhafter ist, von beiden Gütern zu produzieren statt einseitig nur von einem (Gesetz der zunehmenden Opportunitätskosten). Produktionseffizienz ist aber in allen Punkten auf der Transformationskurve gegeben, weil immer die gesamten Ressourcen genutzt werden.12 Nicht erreichbar sind Produktionskombinationen ausserhalb der Transformationskurve, z. B. Punkt E, da die vorhandenen Ressourcen dazu nicht ausreichen. Punkte innerhalb der Kurve, wie z. B. Punkt F, stellen dagegen mögliche Produktionskombinationen dar; aber diese sind ineffizient, weil nicht alle vorhandenen Ressourcen ausgeschöpft werden. Effizienz im Konsum lässt sich am einfachsten anhand eines Gedankenexperimentes erklären, das auf Léon Walras zurückgeht. Dieser stellte sich einen Zustand vor, in dem die Güter nicht produziert werden müssen, sondern bereits 12
Schäfer/Ott, S. 27 f.
B. Paretoeffizienz
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vorhanden sind. Dies ist beispielsweise in einem Gefangenenlager der Fall, in dem jeder Gefangene bestimmte Mengen Schokolade, Zigaretten und Bier erhält. Da nun aber die Präferenzen der Insassen für diese Güter unterschiedlich sind, können sie ihren Nutzen allein durch gegenseitigen Tausch von Gütern vergrössern. Effizienter Konsum ist dann erreicht, wenn weitere Tauschgeschäfte zum gegenseitigen Vorteil nicht mehr möglich sind. Wie dieses Beispiel zeigt, ist eine Erhöhung des Nutzens also auch ohne Mehrproduktion möglich, jedoch nur solange effizienter Konsum noch nicht erreicht ist.13 Paretoeffizienz verlangt schliesslich auch eine effiziente Produktionsstruktur. Diese Bedingung erfordert, dass Konsum und Produktion optimal aufeinander abgestimmt sind. Ist die dritte Bedingung nicht erfüllt, wohl aber die beiden anderen, so wird zwar effizient produziert und zugeteilt, doch liesse sich durch die Produktion anderer Mengen der verschiedenen Güter der Nutzen einzelner Wirtschaftssubjekte noch erhöhen, ohne dass andere Wirtschaftssubjekte dadurch eine Verminderung ihres Nutzens hinnehmen müssten.14 II. Paretooptimum und Konkurrenzgleichgewicht Man beachte, dass die genannten drei Bedingungen unabhängig von der Höhe der Preise der Güter und der Produktionsfaktoren gelten. Voraussetzung ist allerdings, dass auf den Märkten Wettbewerb herrscht und der Preismechanismus optimal funktioniert.15 Das Marktgleichgewicht bei vollständiger Konkurrenz auf allen Märkten einer Wirtschaft stellt – unter idealen Bedingungen, insbesondere bei Absenz von externen Effekten – ein Paretooptimum dar (erster Hauptsatz der Wohlfahrtstheorie). Ein paretooptimales Konkurrenzgleichgewicht lässt sich aus jeder beliebigen Erstausstattung der Haushalte an Produktionsfaktoren ableiten. Jedes denkbare Konkurrenzgleichgewicht ist paretooptimal und umgekehrt kann jedes denkbare Paretooptimum als Konkurrenzgleichgewicht gedeutet werden, das durch eine entsprechende Erstausstattung der Haushalte erreichbar ist (zweiter Hauptsatz der Wohlfahrtstheorie).16 Paretoeffizienz ist damit mit den Bedingungen des idealen Marktes eng verknüpft. Und das Paretokriterium findet nur Anwendung bei freiwilligen Transaktionen. Denn niemand willigt vernünftigerweise in eine Transaktion ein, die ihn schlechter stellen würde. Im Recht, bei dem staatlicher Zwang angewendet wird, ist das Paretokriterium, das auf Freiwilligkeit beruht, daher in der Regel nicht direkt anwendbar. 13 14 15 16
Schäfer/Ott, S. 28 f. Schumann, Mikroökonomie, S. 268. Schumann, Mikroökonomie, S. 268 f. Schumann, Wohlfahrtsökonomik, S. 223.
58
§ 3 Effizienzkriterien
III. Kritik 1. Das Problem der Erstausstattung Paretoeffizienz bedeutet nicht, dass eine Gesellschaft gerecht gestaltet ist, was immer man unter Gerechtigkeit versteht. Dies hängt mit der Tatsache zusammen, dass sich eine bestimmte paretoeffiziente Produktionskombination nur definieren lässt, wenn die Erstausstattung der Gesellschaftsmitglieder mit Produktionsfaktoren bzw. Verfügungsrechten bekannt ist. Dies sei am folgenden Beispiel illustriert:17 Nehmen wir an, im Land A verfügten wenige Familien über den gesamten Boden und das Sachkapital, alle übrigen Familien hätten nur ihre Arbeitskraft als Ressource zur Verfügung. Durch Produktion und Tausch würde ein paretoeffizienter Zustand erreicht. Im Land B hingegen sei die Erstausstattung an Produktionsfaktoren egalitär. Auch hier kann durch Produktion und Tausch ein paretoeffizienter Zustand erreicht werden. Die Zustände in den Ländern A und B sind zwar beide paretooptimal, aber dennoch sehr unterschiedlich. Während im Land A vor allem Luxusgüter für die Reichen produziert werden, sind es im Land B mehrheitlich Massenkonsumgüter. Die beiden Länder unterscheiden sich folglich stark in Bezug auf Einkommensverteilung und Produktionsstruktur. Die Verengung des Blickwinkels auf die Frage der Allokation – unter Vernachlässigung der Verteilungsfrage – kann sogar dazu führen, dass Menschen unter paretooptimalen Zuständen verhungern würden. Amartya Sen: „A state in which some people are starving and suffering from acute deprivation while others are tasting the good life can still be Pareto optimal.“18
Wenn man die Erstausstattung an Ressourcen in die Überlegungen mit einbezieht, gibt es nicht nur einen, sondern viele verschiedene paretoeffiziente Zustände. Das Paretokriterium gibt uns aber keinen Aufschluss darüber, welcher dieser Zustände nun den Vorzug verdient. Zwar ist ein paretoeffizienter Zustand bei gleicher Erstausstattung prinzipiell einem paretoineffizienten Zustand vorzuziehen. Aber man weiss nicht, ob diese Erstausstattung „gerecht“ ist. Vielfach wird dennoch stillschweigend auf die bestehende Erstausstattung in einer Gesellschaft abgestellt, wodurch die herrschenden Verhältnisse implizit akzeptiert werden, was natürlich ein Werturteil darstellt. Zieht man ausserdem in Betracht, dass einige wesentliche Merkmale der Erstausstattung unter Umständen auf der Basis von Gewaltanwendungen, Unterdrückung oder Betrug zustande gekommen sind – auch wenn dies möglicherweise historisch weit zurückliegt –, dann wird klar, wie bedenklich es ist, wenn man irgendeine Erstausstattung zugrunde legt, ohne sie hinterfragt zu haben.19 17 18
Vgl. Schäfer/Ott, S. 29 f. Sen, Resources, S. 95.
B. Paretoeffizienz
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Eine Umverteilung von den Reichen zu den Armen ist nach der paretianischen Wohlfahrtsökonomie auch nicht möglich, weil dadurch einige Individuen gegenüber dem ursprünglichen Zustand schlechter gestellt würden, was das Paretoprinzip verletzt. Die Anwendung des Paretokriteriums setzt daher eine konservative Grundhaltung voraus und privilegiert den Status quo.20 Hans Albert: „Jede Regelung, die sich auf die Anwendung des Pareto-Kriteriums beschränkt, zeichnet den Status quo aus, denn sie gibt jedem Individuum ein unbeschränktes Veto gegen Zustandsänderungen, die seiner Auffassung nach seine Bedürfnisbefriedigung beeinträchtigen.“ 21
Wer Einstimmigkeit verordnet und dem Staat nur das erlauben will, was eine Verbesserung im Sinne Paretos darstellt, vertritt daher eine Lehre von der Unantastbarkeit des Erworbenen.22 2. Externe Effekte Das Konzept des Paretooptimums geht grundsätzlich davon aus, dass die Produktion einer Unternehmung nur von ihren selbst eingesetzten Faktormengen und der Nutzen der Haushalte nur von den selbst verbrauchten Gütermengen bestimmt ist – nicht aber von den Mengen anderer Unternehmungen bzw. Haushalte. Direkte Abhängigkeiten zwischen den Produktionen verschiedener Unternehmungen sowie interpersonelle Nutzeninterdependenzen wie Neid oder Wohlwollen, d. h. externe Effekte in der Produktion oder im Konsum, werden ausgeschlossen.23 In der Realität sind jedoch externe Effekte (Externalitäten) häufig. Solche Effekte liegen vor, wenn in der Produktion oder im Konsum Dritte von den Handlungen einer verursachenden Person betroffen sind. Je nachdem, ob nun der Dritte von den Externalitäten profitiert oder dadurch beeinträchtigt wird, spricht man von positiven oder von negativen externen Effekten.24 Ausserdem unterscheidet man dabei zwischen technologischen und pekuniären externen Effekten. Technologische externe Effekte treten v. a. im Zusammenhang mit der Umweltverschmutzung auf: Eine Zementfabrik verschmutze die Luft und schädige dadurch die Gesundheit der Bevölkerung. Die Umweltverschmutzung verursacht volkswirtschaftliche Kosten, die aber bei der Fabrik nicht als private Kosten anfallen. Technologische externe Effekte entziehen sich folglich auch dem 19 20 21 22 23 24
Albert, Rationale Praxis, S. 130. Bohnen, S. 100. Albert, Rationale Praxis, S. 130. Schefczyk/Priddat, S. 463. Schumann, Wohlfahrtsökonomik, S. 224. Geigant et al., S. 267 f.
60
§ 3 Effizienzkriterien
Preismechanismus. Wenn nun aber private und volkswirtschaftliche Kosten verschieden sind, werden die Ressourcen suboptimal alloziert. In unserem Beispiel kann die Fabrik den Zement zu billig produzieren, denn richtigerweise müssten die Umweltkosten bzw. die Kosten für die Vermeidung von Umweltschäden (z. B. durch eine Filteranlage) von der Fabrik getragen werden und in die betreffende Kalkulation eingehen. Diese Internalisierung der externen Effekte würde den Preis für Zement erhöhen und die abgesetzte Menge würde sich tendenziell verringern. Im Gegensatz zu den technologischen externen Effekten, die nicht vom Preismechanismus erfasst werden, entfalten sich pekuniäre externe Effekte gerade über den Preismechanismus.25 Wenn z. B. A seine Tankstelle gerade gegenüber Bs Tankstelle eröffnet und einen Teil der Kunden dadurch abwirbt, erleidet B negative pekuniäre externe Effekte, welche durch A verursacht werden.26 Aber auch technologische externe Effekte sind bei Markttransaktionen denkbar, wenn z. B. die Anwohner eines Lebensmittelladens durch den Autolärm der Kunden gestört werden. Externe Effekte zeigen sich auch im Konsum, der infolge Neid und Missgunst bei Dritten negative externe Effekte erzeugen kann. Umgekehrt ist natürlich auch der gegenteilige Fall möglich, nämlich dann, wenn sich jemand über das Wohlergehen eines anderen Menschen freut. Nutzeninterdependenzen resultieren auch aus der Positionierung eines Individuums in der Gesellschaft. Massgeblich ist nämlich nicht nur die absolute Position, in der sich ein Individuum befindet, sondern auch die relative Position und die Positionsänderung eines Mitgliedes innerhalb einer Gesellschaft. Diese Änderung kann die Bedürfnisbefriedigung und die damit verbundenen Bewertungen beeinflussen, da damit meist soziale Machtverschiebungen einhergehen, die sehr bedeutsam sein können.27 Wenn man die externen Effekte berücksichtigt, verstossen selbst die meisten freiwilligen Markttransaktionen gegen das Paretoprinzip, weil fast immer Dritte in irgendeiner Form tangiert werden. 3. Die Statik der Analyse Der Vergleich zwischen zwei sozialen Zuständen mittels Paretokriterium ist komparativ-statisch; der Übergangsprozess wird ausser Acht gelassen. Es ist daher problematisch, das Ergebnis dynamisch zu interpretieren und auf dieser Grundlage rechtspolitische Empfehlungen abzugeben. Die höhere Effizienz z. B. 25 26 27
Deshalb ist bei pekuniären externen Effekten eine Internalisierung nicht angezeigt. Posner, EAL 5, S. 7. Albert, Rationale Praxis, S. 128.
B. Paretoeffizienz
61
einer Rechtsregel A gegenüber einer Rechtsregel B wäre zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung dafür, die Regel auch einzuführen, weil die Übergangskosten noch berücksichtigt werden müssten. In der ökonomischen Analyse werden aber die Kosten des Übergangs häufig ausgeblendet und damit stillschweigend bei null angesetzt. Betrachtet man die Kosten der Umstrukturierungsprozesse der Rechtssysteme in Osteuropa und den neuen Bundesländern, erweist sich diese Annahme jedoch schlicht als unhaltbar.28 Ferner ist zu beachten, dass es in einer dynamischen Betrachtung bei gegebener Erstausstattung in der Regel beliebig viele Entwicklungspfade gibt, auf denen in jeder Periode ein paretooptimales Konkurrenzgleichgewicht realisiert werden kann.29 Ausserdem berücksichtigt das Paretokriterium zukünftige Generationen nur insofern, als diese in den Kalkül der gegenwärtigen Generation eingehen.30 4. Die Gefahr der Vermischung von positiver und normativer Theorie Das Paretooptimum wird in der Wohlfahrtsökonomie häufig mit einem normativ aufgeladenen Effizienzziel gleichgesetzt. Die Verwendung der Paretooptimalität als normatives Konzept ist aber äusserst problematisch. Denn ursprünglich wurde das Paretooptimum als Prozesskriterium dazu verwendet, die Funktionsweise von Märkten zu erklären. Mit der Zeit ging die Wohlfahrtstheorie dazu über, die Funktionsweise von Märkten zu bewerten. Dadurch wurde das Paretooptimum zum Ergebniskriterium. Der im Rahmen einer allgemeinen Gleichgewichtstheorie definierte Effizienzzustand wurde somit zum Effizienzideal erhoben, so dass Paretoeffizienz nunmehr als Referenzkonzept einer normativen Analyse fungierte.31 Wenn der Begriff „Paretoeffizienz“ gebraucht wird, geschieht dies also meist in einer normativen Absicht; man suggeriert aber gleichzeitig, Paretoeffizienz sei ein Terminus der positiven Ökonomie.32 Diese Vorgehensweise ist höchst bedenklich, weil sie zu einer Vermischung von positiver und normativer Theorie führt.33
28 29 30 31 32 33
Koboldt/Leder/Schmidtchen, S. 379. Schumann, Wohlfahrtsökonomik, S. 224. Blaug, S. 125. Pies, S. 127. Vgl. Blaug, S. 127. Mack, S. 39 f.
62
§ 3 Effizienzkriterien
C. Das Kaldor-Hicks-Kriterium I. Begriff Wie wir gesehen haben, geht das Paretoprinzip vom Modell des freien Marktes aus. Jedem Marktteilnehmer steht es frei, Markttransaktionen zu tätigen oder nicht. Das Recht hingegen hat Zwangscharakter. Deshalb bedurfte das Konzept der Paretoeffizienz einer Modifikation, damit man es für das Recht nutzbar machen konnte.34 Die Modifikation setzte in den späten 1930er Jahren ein, als der britische Ökonom Nicholas Kaldor sich einem Problem zuwandte, das die nationale Gesetzgebung im vorangehenden Jahrhundert beschäftigt hatte. Es handelte sich um die Debatte über die Corn Laws, also um protektionistische Gesetze, welche die britischen Farmer vor ausländischer Konkurrenz schützten. Die zentrale Frage lautete, ob Gesetze geändert werden dürften, wenn die Volkswirtschaft als Ganzes profitieren, eine bestimmte Gruppe dabei aber etwas verlieren würde.35 Diese Frage ist im Recht von grosser praktischer Bedeutung, da rechtliche Entscheidungen häufig aufgrund von Interessenabwägungen getroffen werden müssen. Nicholas Kaldor und John R. Hicks schlugen eine nach ihnen benannte Kollektiventscheidungsregel vor, die für nicht paretosuperiore Entscheidungen gelten sollte, und die – wie sie glaubten – nur ein schwaches Werturteil enthalten würde.36 Kaldor argumentierte, die Abschaffung der Corn Laws sei eine paretosuperiore Veränderung, wenn auch in einem modifizierten Sinne. Denn die Gewinne eines Landes als Ganzes aus dem Freihandel seien in der Regel mindestens so gross, dass sie die Verluste der Getreidefarmer kompensieren könnten. Kaldor glaubte, dass die Gewinner das Recht, die Zölle aufzuheben, von den Farmern kaufen könnten und danach immer noch einen Nettovorteil hätten. Wichtig ist, dass die Gewinner in der Lage wären, das entsprechende Recht zu kaufen, d. h. eine Kompensation der Verlierer wäre möglich, muss aber nicht effektiv stattfinden. Hicks verallgemeinerte Kaldors Argumentation und wandte sie generell auf Handelshindernisse an.37 Heute wird das Kriterium von Kaldor und Hicks noch allgemeiner formuliert: Eine Veränderung ist eine Verbesserung im Sinne des Kaldor-Hicks-Kriteriums, wenn die Gewinner ihre Gewinne höher bewerten als die Verlierer ihre Verluste.38
34 35 36 37 38
Fletcher, S. 158. Fletcher, S. 158 f. Sen, Collective Choice, S. 30 f. Fletcher, S. 159. Baumol, S. 402.
C. Das Kaldor-Hicks-Kriterium
63
Kaldor und Hicks plädierten für eine hypothetische Kompensation, denn ihrer Meinung nach galt eine Regeländerung bereits als legitim, wenn die Vorteile einer Regeländerung für die Gesellschaft die Nachteile der verlierenden Gruppe überwiegen sollten. Diese Auffassung erinnert an das Utilitätsprinzip, nach dem es auch nicht darauf ankommt, wer durch eine Massnahme profitiert oder verliert; massgeblich ist nur die Höhe des gesellschaftlichen Nutzens.39 Allerdings rechnet man beim Kaldor-Hicks-Kriterium in Geldeinheiten, welche die Gewinner bzw. Verlierer ihren Gewinnen oder Verlusten beimessen. Kaldor und Hicks transformierten das Paretokriterium, das aus dem Modell des freien Marktes entwickelt wurde, in ein Instrument, das auch im Recht, das Zwangscharakter hat, Anwendung finden kann. Der Kaldor-Hicks-Test beinhaltet demnach, dass jede Neuzuteilung von Verfügungsrechten akzeptabel ist, solange diese mehr Vorteile für die Gewinner als Nachteile für die Verlierer hat.40 II. Vergleich mit dem Paretokriterium Das Paretokriterium wurde entwickelt, um ein Entscheidungskriterium zu erhalten, das ohne interpersonelle Nutzenvergleiche auskommt. Das Problem des interpersonellen Nutzenvergleichs wurde damit allerdings nicht gelöst, sondern bloss umgangen. Der Preis dafür war ausserdem, dass das Paretoprinzip nur auf Fälle anwendbar ist, bei denen niemand schlechter gestellt wird und daher jeder zustimmen kann. Das Kaldor-Hicks-Kriterium unterscheidet sich vom Paretoprinzip darin, dass es nicht nur Entscheidungsalternativen ermöglicht, bei denen niemand schlechter gestellt wird, sondern auch solche, bei denen gewisse Leute besser und andere schlechter gestellt werden. Verlangt man tatsächliche Kompensation, so bedeutet dies nichts anderes, als dass das Paretoprinzip erfüllt sein müsste. Der Kaldor-Hicks-Test avisiert daher nicht tatsächliche, sondern bloss potenzielle Paretoverbesserungen. Dies hat unter anderem auch den Vorteil, dass der entsprechende Verwaltungsaufwand, der mit den Entschädigungen verbunden wäre, entfällt.41 Um das Kaldor-Hicks-Kriterium mit dem Paretoprinzip eingehender zu vergleichen, bedienen wir uns einiger Abbildungen.42 Der Einfachheit halber gehen wir von einer Gesellschaft mit nur zwei Mitgliedern aus: X und Y . In der Abbildung 9 wird auf der einen Achse der Nutzen von X , auf der anderen derjenige von Y angegeben.43
39 40 41 42
Siehe § 6 B.II. Fletcher, S. 159. Vgl. Schäfer/Ott, S. 32. Baumol, S. 401.
64
§ 3 Effizienzkriterien
Nutzen von Y
E D C
A
B
Nutzen von X Abbildung 9: Paretokriterium
Wir gehen nun davon aus, sowohl X wie auch Y hätten einen bestimmten Nutzen, was durch den Punkt A dargestellt wird. Nach dem Paretoprinzip ist jede Veränderung eine Verbesserung, wenn sie zu einem Punkt führt, der im Feld oberhalb und rechts von A liegt, wie z. B. die Punkte B, C oder D. Der Punkt E hingegen erfüllt diese Bedingung nicht. In Punkt E ist der Nutzen von Y zwar grösser als in der Ausgangssituation A, der Nutzen von X hingegen ist kleiner. Das Paretoprinzip wäre verletzt, da X dieser Veränderung nicht zustimmen würde. Es stellt sich nun die Frage, ob das Kaldor-Hicks-Prinzip allenfalls erfüllt wäre. Angenommen, wir würden Y fragen, wie viel er maximal für die Veränderung von A nach E bezahlen würde. Y wäre bereit, den Betrag Ky zu bezahlen. Entsprechend würden wir X fragen, wie viel er zu bezahlen bereit wäre, um die Veränderung von A nach E zu verhindern. Er würde den Betrag Kx dafür aufwenden. Der Kaldor-Hicks-Test wäre erfüllt, wenn Ky grösser als Kx wäre, 43 Es spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, wie der Nutzen gemessen wird; die Nutzenskalen von X und Y brauchen auch nicht vergleichbar zu sein. Es wird nur angenommen, dass für X bzw. Y der Nutzen entlang der jeweiligen Achse zunimmt.
C. Das Kaldor-Hicks-Kriterium
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Nutzen von Y
P
E F G
A
P'
Nutzen von X
Abbildung 10: Kaldor-Hicks-Test
denn in diesem Fall könnte Y mit seinem Gewinn den Verlust von X kompensieren und es würde für ihn immer noch ein Nettogewinn übrig bleiben. Wie wir wissen, braucht die Kompensation beim Kaldor-Hicks-Test nicht tatsächlich zu erfolgen, denn im Falle einer tatsächlichen Kompensation wäre ja auch das Paretoprinzip erfüllt. Gefordert wird nur eine potenzielle, nicht eine tatsächliche Kompensation. Um dies grafisch darzustellen, brauchen wir eine Nutzenmöglichkeitenkurve (PP‘ in der Abbildung 10). Angenommen, wir starten beim Punkt F und fragen uns, was passiert, wenn Y einen Teil seines Reichtums44 an X abgibt. Dies könnte eine Bewegung hin zum Punkt G bedeuten, bei welchem – im Vergleich zum Punkt F – Y schlechter und X besser gestellt ist. Eine Umverteilung des Reichtums würde ebenfalls durch eine Bewegung zum Punkt E resultieren usw. PP0 ist folglich der geometrische Ort aller Punkte, die den Nutzen von X und Y angeben, welche aus einer Umverteilung des Reichtums zwischen X und Y resultieren können. Mit anderen Worten: Bei allen Bewegungen auf der Nutzen44
Zum Begriff „Reichtum“ siehe eingehender § 8 D.I.1.
66
§ 3 Effizienzkriterien
möglichkeitenkurve ist der Reichtumsgewinn des einen Individuums gleich gross wie der Reichtumsverlust des anderen. Damit ist auf dieser Kurve der gesellschaftliche Reichtum konstant. Betrachten wir nun die Veränderung von Punkt A zu E, welche – wie oben erwähnt – das Paretokriterium verletzt, da sie zwar eine Verbesserung für Y, aber eine Verschlechterung für X bedeutet. Die Nutzenmöglichkeitenkurve PP 0 verläuft durch den Punkt E. Die Punkte F und G liegen ebenfalls auf dieser Nutzenmöglichkeitenkurve, d. h. sie können von E aus durch Umverteilung des Reichtums erreicht werden. Ausserdem liegen die beiden Punkte im Feld rechts und oberhalb von Punkt A, d. h. eine Bewegung von A zu F oder G erfüllt das Paretokriterium. Aus diesen Überlegungen lässt sich folgern: Eine Bewegung von A nach E erfüllt zwar nicht das Paretokriterium, wohl aber den Kaldor-Hicks-Test, denn der Verlust von X könnte durch Umverteilung des Reichtums mindestens kompensiert werden. Diese hypothetische Kompensation bewirkt eine Bewegung entlang der Nutzenmöglichkeitenkurve zu Punkt F oder G, welche beide im Verhältnis zum Ausgangspunkt A das Paretokriterium erfüllen. Eine Bewegung von A nach E verletzt zwar zunächst das Paretokriterium, erfüllt dieses aber potenziell, weil durch Umverteilung des Reichtums Punkte erreicht werden könnten, die das Paretokriterium ihrerseits erfüllen. Folglich ist jede Bewegung von Punkt A zu Punkt E eine Kaldor-Hicks-Verbesserung, falls A unterhalb der Nutzenmöglichkeitenkurve durch Punkt E liegt. III. Kritik 1. Logische Inkonsistenz Tibor Scitovsky hat bereits 1941 in einem Aufsatz auf die logische Inkonsistenz des Kaldor-Hicks-Kriteriums hingewiesen.45 Das Kriterium ist nämlich nicht eindeutig, denn es besteht die Möglichkeit eines logischen Widerspruchs in dem Sinne, dass das Kriterium für eine Bewegung von einem gesellschaftlichen Zustand A zu einem anderen Zustand B erfüllt sein kann, was jedoch unter Umständen gleichzeitig auch auf eine Bewegung in der umgekehrten Richtung zutrifft!46 Wie die Abbildung 11 zeigt, ist es also möglich, dass eine Bewegung von Punkt A zu Punkt B eine Verbesserung darstellt, eine Bewegung von B zu A hingegen auch. Denn A liegt unterhalb der Nutzenmöglichkeitenkurve RR 0 durch B, aber gleichzeitig liegt B unterhalb SS 0 , der Nutzenmöglichkeitenkurve
45 46
Scitovsky, S. 77 f. Sohmen, S. 310.
C. Das Kaldor-Hicks-Kriterium
67
Nutzen von Y
R
S A B
R'
S'
Nutzen von X
Abbildung 11: Scitovsky-Paradoxon
durch A. Diese Situation tritt auf, wenn sich die beiden Nutzenmöglichkeitenkurven schneiden.47 Dieser Fall kann vorkommen, wenn (1) sich die Einkommensverteilung beim Übergang von einer Situation zu einer anderen stark ändert, und wenn zusätzlich (2) die Konsumpräferenzen der Begünstigten von den Konsumpräferenzen der Verlierer stark abweichen.48 Scitovsky forderte deshalb, dass nach dem Kaldor-Hicks-Test in beide Richtungen immer dieselbe Situation höher bewertet werden müsse, um als überlegen zu gelten (zweiseitiger Kaldor-Hicks-Test oder Scitovsky-Test).49 Die mögliche logische Inkonsistenz macht das Kaldor-Hicks-Kriterium also nicht wertlos, wenn man es um die Forderung ergänzt, dass der Test zweiseitig durchzuführen sei. Für Projekte, die im Verhältnis zur Gesamtwirtschaft relativ
47 48 49
Baumol, S. 403. Sohmen, S. 310. Sohmen, S. 313.
68
§ 3 Effizienzkriterien
klein sind, ist die Gefahr des Auftretens einer logischen Inkonsistenz ohnehin sehr gering.50 2. Das Messproblem Kaldor und Hicks fordern, die Gewinner sollten die Verlierer aus ihrem Gewinn entschädigen können. Messgrösse der potenziellen Entschädigung ist nicht der Nutzen, sondern Geld. Im Gegensatz zum Utilitarismus maximiert man nach dem Kaldor-Hicks-Kriterium nicht den gesellschaftlichen Nutzen, sondern den Reichtum, d. h. die hypothetische Zahlungsbereitschaft für eine bestimmte Ressource, die zugeteilt werden soll.51 Allerdings fragt sich, wie z. B. ein Gericht den Verlust der Benachteiligten und den Gewinn der von einem Entscheid Profitierenden bestimmen soll. In der Ökonomischen Analyse des Rechts hat insbesondere Posner52 das KaldorHicks-Kriterium zur Auktionsregel umformuliert. Dabei wird der Versuch unternommen, den Markt zu imitieren, indem das Recht hypothetisch dem Meistbietenden versteigert wird, z. B. bei der Zuteilung einer Ressource – etwa dem Recht, einen Flughafen zu realisieren bzw. zu verhindern. Wer hypothetisch bereit sei, den höchsten Preis dafür zu bezahlen, soll das entsprechende Recht bekommen. Bei der Auktionsregel entscheiden die Betroffenen selber, wie sie die Vor- und Nachteile geldmässig einschätzen. Durch ihre Zahlungsbereitschaft („willingness to pay“) bestimmen sie selbst, wie viel ihnen der Übergang von einem sozialen Zustand zu einem anderen bzw. dessen Verhinderung wert ist.53 Die Auktionsregel ist in praxi wohl kaum tauglich, denn die betroffenen Parteien können eine höhere Zahlungsbereitschaft äussern, als sie hätten, wenn sie ihr Gebot tatsächlich bezahlen müssten (strategisches Verhalten). In jedem Fall besteht bei der Ermittlung der hypothetischen Zahlungsbereitschaften ein grosses Informationsproblem. Nach Jules Coleman ist die Absicht an sich schon unsinnig, den Markt mit der Auktionsregel zu imitieren. Entweder habe man es mit einem echten Markt zu tun, dann brauche man die Auktionsregel nicht, oder man habe keinen echten Markt, doch dann funktioniere die Auktionsregel gerade nicht: „Once we abandon the market, however, how are we to gather the pertinent information regarding the respective parties’ willingness to pay? On the other hand, if a market exists, or can be established to determine relative willingness to pay, Pos-
50 51 52 53
Schäfer/Ott, S. 33. Fletcher, S. 162. Zu Posner siehe § 8. Schäfer/Ott, S. 34.
C. Das Kaldor-Hicks-Kriterium
69
ner’s rule becomes otiose, since all the relevant ingredients of an exchange market are present. Posner’s rule may be either otiose or unworkable.“54
Man könnte nun vorschlagen, dass die Auktionsregel als regulative Idee durchaus brauchbar sei. Ein Gericht könnte demnach versuchen, in etwa abzuschätzen, welche Verluste und Gewinne bei den von einer Entscheidung Betroffenen entstehen würden, je nachdem, ob die Entscheidung zugunsten der einen oder der anderen Seite ausfällt. Entsprechend wäre die Entscheidung dann so zu fällen, dass die Verluste der unterliegenden Partei durch die Gewinne der obsiegenden Partei mindestens kompensiert werden könnten. Diese Vorgehensweise im Sinne einer Kosten-Nutzen-Rechnung mag auf den ersten Blick unproblematisch erscheinen.55 Denn bei dieser Methode werden die Vor- und Nachteile monetär bewertet, weil in Geld- und nicht in Nutzeneinheiten gerechnet wird. Deshalb sind interpersonelle Nutzenvergleiche und eine kardinale Messung des Nutzens nicht notwendig.56 Man kann dagegen jedoch einwenden, dass dabei ein verdeckter interpersoneller Nutzenvergleich stattfindet: Ein Franken Gewinn bzw. Verlust wird immer gleich hoch bewertet – egal, „wohin er fällt“ –, was nutzenmässig der Annahme konstanter und gleicher Grenznutzen für alle Personen entspricht. Dieser Einwand beruht allerdings auf einem kardinalen Nutzenbegriff, der diesen interpersonellen Nutzenvergleich erst ermöglicht. 3. Das Problem der fehlenden Entschädigung Es ist umstritten, ob sich eine Entscheidung durch den blossen Nachweis der Möglichkeit einer Kompensation legitimieren lässt – was Kaldor und Hicks annahmen.57 Kaldor betrachtete die Möglichkeit der Kompensation als objektives Kriterium für eine Wohlfahrtssteigerung. Eine Massnahme sei in diesem Fall wünschenswert, gleichgültig, ob eine Kompensation vorgenommen werde oder nicht. Mit diesem Kriterium, so meinte Kaldor, stehe der Ökonom auf sicherem Grund, denn es handle sich um eine wahre Aussage – vorausgesetzt, die These, nach der jedem Menschen ein grösserer Nutzen lieber sei als ein kleinerer, treffe zu.58 Wenn es aber um die Frage gehe, ob die Kompensation tatsächlich durchgeführt werden soll, könne der Ökonom als Wissenschaftler keine allgemein gültige Aussage mehr machen. Er sei nicht in der Lage, vom „ökonomischen Standpunkt“ aus das Problem der optimalen Einkommensverteilung zu lösen.59 Kaldor: 54 55 56 57 58 59
Coleman, Analysis, S. 98. Zur Kosten-Nutzen-Analyse siehe z. B. Edward J. Mishan, Cost-Benefit Analysis. Eidenmüller, S. 52. Schefczyk/Priddat, S. 438 f. Kaldor, S. 549 ff. Bohnen, S. 92.
70
§ 3 Effizienzkriterien
„[I]t is quite sufficient for him [i. e. the economist] to show that even if all those who suffer as a result are fully compensated for their loss, the rest of the community will still be better off than before. Whether the landlords, in the free-trade case, should in fact be given compensation or not, is a political question on which the economist, qua economist, could hardly pronounce an opinion.“ 60
Hicks hat die Auffassung von Kaldor nachdrücklich unterstützt. Auch er sieht die Möglichkeit der Kompensation als einen „perfectly objective test“ an, mit dessen Hilfe sich ein eindeutiges Urteil über die Wohlfahrtssteigerungen einer Massnahme fällen lässt.61 Die Frage, ob die Verlierer einer Massnahme entschädigt werden sollen, stelle sich unabhängig davon. Dieses Problem ist auch nach Hicks lediglich eine Angelegenheit der Verteilungspolitik, deren Grundsätze keine Allgemeingültigkeit beanspruchen könnten.62 Allein schon der Umstand, dass Kaldor und Hicks ihr Kompensationskriterium als Alternative zum Paretoprinzip – welches die Schlechterstellung eines Individuums nicht erlaubt – vorschlagen, lässt darauf schliessen, dass sie die Frage der Entschädigung jedenfalls nicht für sakrosankt halten. Denn diese ist logisch unabhängig vom Gesichtspunkt der Effizienz zu beantworten und braucht nicht unbedingt bejaht zu werden. Diese Stossrichtung dürfte nicht zuletzt auch daher rühren, dass Kaldor und Hicks das nach ihnen benannte Kriterium ursprünglich im Zusammenhang mit den Corn Laws und der Abschaffung protektionistischer Massnahmen entwickelt haben. Die Freihandelstheorie kann bei den Ökonomen auf eine starke Tradition zurückblicken. Aus dieser Sicht sind Gewinne, die dank protektionistischer Massnahmen eingeheimst werden, illegitim und brauchen daher, wenn sie wieder ausfallen, nicht entschädigt zu werden. Es besteht deshalb ebenso wenig ein Grund, Farmer zu entschädigen, die wegen der Aufhebung der Corn Laws Verluste erleiden, wie es für Gegner der Sklaverei einen Grund gibt, die Sklavenhalter für ihre Verluste infolge der Abschaffung der Sklaverei zu kompensieren.63 Was das Beispiel der Sklaverei anbelangt, wird man wohl beipflichten müssen, dass es stossend wäre, wenn die Sklavenhalter für die Freilassung von Sklaven entschädigt werden müssten. Auch eine Landreform zugunsten landloser Bauern wäre ohne oder mit nur teilweiser Entschädigung der Grossgrundbesitzer denkbar. Gemäss dem Kaldor-Hicks-Kriterium wird jedoch generell auf die Notwendigkeit einer tatsächlichen Entschädigung verzichtet. Ausserdem bemisst man bei der Zuteilung einer Ressource die Gewinne und Verluste nach der jeweiligen Zahlungsbereitschaft für die entsprechende Ressource. Die Zahlungsbereitschaft ist jedoch nicht nur vom individuellen Nutzen abhängig, son60 61 62 63
Kaldor, S. 550. Hicks, S. 108 ff. Bohnen, S. 93. Fletcher, S. 159.
C. Das Kaldor-Hicks-Kriterium
71
dern vor allem auch von der Zahlungsfähigkeit („ability to pay“). Da diese bei den Armen kleiner ist als bei den Reichen, wird die Zahlungsbereitschaft der Armen regelmässig kleiner sein als diejenige der Reichen. Folglich werden die Armen beim Kaldor-Hicks-Kriterium in aller Regel den Kürzeren ziehen und die Ressource wird den Reichen zugeteilt, weil diese die Ressource finanziell höher schätzen können als die Armen. Tendenziell wären die Ressourcen daher den Reichen zuzuteilen, ohne dass die Armen dafür entschädigt würden und die Reichen etwas dafür bezahlen müssten. In der Folge würden die Reichen noch reicher und ihre Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft würde weiter anwachsen. Wenn man das Kaldor-HicksKriterium auf den freien Markt anwenden würde, sähe dies folgendermassen aus: Man könnte auf Shopping-Tour gehen und würde alles kriegen ohne zu bezahlen, sofern man nur glaubhaft nachweisen könnte, dass man von allen Interessenten für das entsprechende Gut am meisten zu zahlen bereit wäre, wenn man es bezahlen müsste. Die Reichen erhielten folglich die allermeisten Güter und würden daher noch reicher. Damit stiege ihre Zahlungsfähigkeit und Zahlungsbereitschaft zusätzlich, was ihre Chancen auf den kostenlosen Erwerb weiterer Güter nochmals erhöhen würde. 4. Der Vorwurf des Kollektivismus Indem der Kaldor-Hicks-Test von Geldbeträgen ausgeht, die aus der individuellen Zahlungsbereitschaft resultieren, vermeidet er das Problem des interpersonellen Nutzenvergleichs. Vom Prinzip her entspricht jedoch der Kaldor-HicksTest dem Utilitätstest. Massgeblich ist nur das gesellschaftliche Total, die individuellen Werte spielen als solche keine Rolle. Anstelle des Nutzens verwendet man aber Geldeinheiten. Diese drücken aus, wie viel das Individuum für die Nutzendifferenz hypothetisch zu zahlen bereit wäre. Fletcher: „The only difference between the utilitarian and the advocate of the Kaldor/Hicks test is that the former relies upon the standard of happiness and the latter relies on a standard implicit in a hypothetical willingness to pay for the disputed resource.“ 64
Philosophisch erweist sich ausserdem die scheinbar kleine Modifikation des Paretoprinzips zum Kaldor-Hicks-Prinzip als sehr bedeutend: Während das Paretoprinzip von einem souveränen Individuum ausgeht, das frei entscheiden kann, welche Transaktionen es eingehen will, und dessen Rechte ohne seine Zustimmung nicht angetastet werden dürfen, basiert das Kaldor-Hicks-Kriterium auf der Vorstellung, dass die Rechte jedes Einzelnen durch staatliche Intervention beschnitten werden dürfen, wenn dadurch die volkswirtschaftliche Effizienz gefördert wird. Ein Prinzip, das dem Individuum das Primat einräumt, 64
Fletcher, S. 162.
72
§ 3 Effizienzkriterien
wird also umfunktioniert in ein Prinzip, bei dem die volkswirtschaftliche Effizienz an erster Stelle steht. Individualismus wird durch Kollektivismus ersetzt.65 5. Keine Garantie für eine gesellschaftliche Nutzensteigerung Ein weiterer Vorwurf, der gegen den Kaldor-Hicks-Test vorgebracht wird, lautet, dass dieser keine Garantie für eine gesellschaftliche Nutzensteigerung biete. Nehmen wir an, durch eine Massnahme würde ein Reicher Fr. 10,– gewinnen und ein Armer Fr. 9,– verlieren. Der Reiche könnte den Armen vollumfänglich kompensieren und würde immer noch selber profitieren, wonach der Kaldor-Hicks-Test erfüllt wäre. Betrachten wir nun aber den Nutzen: Wenn man auf eine Kompensation verzichtet und die nicht ganz unrealistische Annahme trifft, dass der Grenznutzen mit höherem Einkommen abnimmt, übersteigt der Nutzenverlust des Armen den Nutzengewinn des Reichen. Folglich würde der gesellschaftliche Nutzen sinken. Dieses Ergebnis kann nach Le Grand nur vermieden werden, indem man die Nutzenänderung des Reichen stärker gewichtet als jene des Armen. Le Grand beanstandet deshalb am KaldorHicks-Test, er enthalte ein implizites Werturteil, aufgrund dessen der Nutzen der Reichen höher gewichtet werde als jener der Armen.66 Dadurch, dass der Kaldor-Hicks-Test auf Geldeinheiten und nicht auf den Nutzen abstellt, umgeht er – wie das Paretokriterium – das heikle Problem des interpersonellen Nutzenvergleichs und vermeidet die damit verbundenen Werturteile. Dies geht aber nur, wenn man auf Geldeinheiten abstellt – und nicht auf den Nutzen im utilitaristischen Sinne. Hier stellt sich natürlich die Frage, ob Geldeinheiten eine geeignete gesellschaftliche Zielgrösse darstellen.67 Indem Le Grand jedoch Geldeinheiten in Nutzeneinheiten umzurechnen versucht, geht er stillschweigend von einem utilitaristischen Standpunkt aus. Der KaldorHicks-Test enthält das angebliche implizite Werturteil daher nur, wenn man ihn aus utilitaristischer Sicht betrachtet und wenn man zudem abnehmenden Grenznutzen des Einkommens unterstellt. Das angeführte Beispiel zeigt jedoch, dass der Kaldor-Hicks-Tests – im Gegensatz zum Paretokriterium – nicht garantieren kann, dass der gesellschaftliche Nutzen steigt. 6. Die Frage der Konsensfähigkeit Wie wir wissen, hat das Paretokriterium den Vorteil, dass es konsensfähig ist, da es verlangt, dass niemand durch eine Massnahme schlechter gestellt werden darf. Das Kaldor-Hicks-Kriterium weist aber umgekehrt den Vorteil auf, dass es 65 66 67
Fletcher, S. 162. Le Grand, S. 565 f. Dazu ausführlicher § 8 D.IV.3.
C. Das Kaldor-Hicks-Kriterium
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nicht nur auf jene Fälle anwendbar ist, bei denen niemand schlechter gestellt wird. Eine einzelne Rechtsregel, die einige besser und andere schlechter stellt, ist aber grundsätzlich nicht konsensfähig, weil sich die neue Regel asymmetrisch auf die Betroffenen auswirkt und diese somit voraussehen können, ob sie zu den Verlierern oder Gewinnern gehören werden. Möglich wäre jedoch eine Rechtfertigung aufgrund einer Totalbetrachtung, wenn das Kaldor-Hicks-Kriterium bei allen Rechtsregeln Anwendung fände und jeder im Verlaufe seines Lebens sowohl zu den Verlierern als auch zu den Gewinnern zählte, d. h. wenn insgesamt alle von den erzielten Effizienzgewinnen profitieren könnten. Ein Konsens über das Kaldor-Hicks-Kriterium liesse sich also möglicherweise auf der Grundlage der Vermutung einer Generalkompensation erreichen. Die Möglichkeit der Partizipation am höheren wirtschaftlichen Wachstum würde demnach allfällige Benachteiligungen im Einzelfall kompensieren.68 Eine konsequent am Kaldor-Hicks-Kriterium orientierte Wirtschafts- und Rechtspolitik könnte tatsächlich auf lange Sicht einen rascheren Produktivitätsfortschritt mit sich bringen als eine an der Einzelfallgerechtigkeit orientierte Politik und Rechtsprechung. Das daraus zu erwartende schnellere Wachstum des realen Sozialprodukts käme langfristig im Prinzip allen sozialen Schichten zugute, zumal die Benachteiligungen durch konkrete Massnahmen einmal die eine, dann wieder die andere Gruppe treffen dürfte, weshalb man auf eine Kompensation im Einzelfall verzichten könnte, was insbesondere auch Hicks annahm.69 Diese Argumentation erscheint auf den ersten Blick durchaus plausibel. Dagegen lässt sich aber Folgendes einwenden: (1) Die Benachteiligung kann im Einzelfall so stark sein, dass sie sich auch nicht durch eine Generalkompensation wettmachen lässt. Wenn beispielsweise infolge einer Massnahme zahllose Menschen des Hungers sterben müssten, so wäre es ein schwacher Trost zu wissen, dass theoretisch durchaus Aussicht auf Partizipation an einem höheren wirtschaftlichen Wachstum bestünde.70 (2) Gegen das Argument, die Kompensation würde erst langfristig eintreten, sei zudem der berühmte Ausspruch von John Maynard Keynes angeführt: „In the long run, we are all dead.“ 71 Auf jeden Fall bewerten die Leute einen sicheren Verlust, den sie heute erleiden, normalerweise höher als einen unsicheren Gewinn in der Zukunft. Ausserdem gibt es in einer Gesellschaft immer Leute, deren Chancen auf eine Kompensation auch in der langen Frist sehr gering sind.
68 69 70 71
Vgl. Schäfer/Ott, S. 38. Sohmen, S. 309. Sohmen, S. 309 f. Sohmen, S. 310.
74
§ 3 Effizienzkriterien
(3) Das wichtigste Argument ist jedoch, dass der Mensch das Bedürfnis hat, dass ihm oder auch anderen Menschen im Einzelfall – und gerade im Einzelfall! – Gerechtigkeit widerfährt. Die Aussicht auf eine allfällige Generalkompensation dürfte nicht ausreichen, eine als ungerecht empfundene Einzelfallentscheidung zu akzeptieren. Die Gerechtigkeit als solche – was immer man darunter versteht – hat für die Menschen einen immanenten Wert, der nur schwerlich mit der Erhöhung der volkswirtschaftlichen Effizienz aufgewogen werden kann. Und das Empfinden der Menschen orientiert sich primär an konkreten Einzelfällen, die sie selber erleben, und nicht an abstrakten Überlegungen im Sinne einer Generalkompensation. Insgesamt ist es daher sehr unwahrscheinlich, dass das Kaldor-Hicks-Kriterium konsensfähig wäre.72
D. Fazit Das Paretokriterium und die Kaldor-Hicks-Effizienz erweisen sich bei genauerer Analyse nicht als wertneutrale Begriffe. Als besonders schwer fällt ins Gewicht, dass beide Effizienzkriterien nicht etwa nur schwache, unbestrittene Wertungen, sondern auch starke Werturteile beinhalten. Die Forderung nach Effizienz erübrigt daher die Auseinandersetzung mit normativen Fragen nicht, im Gegenteil: Es wird deutlich, dass das Verhältnis von Effizienz und Gerechtigkeit noch genauer zu prüfen ist. Wir werden deshalb auf diese Frage am Ende der Arbeit nochmals zurückkommen.
72
Zur Argumentation von Posner siehe § 8 E.II.
§ 4 Die Ökonomische Analyse des Rechts „[E]conomics is a powerful tool for analyzing a vast range of legal questions [. . .].“1
A. Einleitung Entscheidende Grundlagenarbeit zur Ökonomischen Analyse des Rechts haben Ronald H. Coase und Guido Calabresi geleistet. In seinem Aufsatz „Some Thoughts on Risk Distribution and the Law of Torts“ (1961) behandelt Calabresi die Zuordnung von Schadensrisiken im Deliktsrecht abweichend vom Verschuldensprinzip im Recht. In „The Problem of Social Cost“ (1960) entwickelte Coase das nach ihm benannte Coase-Theorem, das zu einer der zentralen Kategorien der Ökonomischen Analyse des Rechts avancierte. Die Folgerung daraus ist, dass die Rechtswelt auf ihre wirtschaftlichen Auswirkungen hin zu analysieren ist, damit die rechtlichen Institutionen ökonomisch effizient gestaltet werden können. Coase hat sich jedoch nicht nur mit diesem Theorem einen Namen gemacht, sondern auch mit seinem berühmten Aufsatz „The Nature of the Firm“ (1937). In beiden Aufsätzen spielen Transaktionskosten2 eine zentrale Rolle. Einen wichtigen Beitrag leistete ausserdem Gary S. Becker mit seinem Versuch, den ökonomischen Ansatz auf nichtmarktliche Bereiche anzuwenden. Mit seinem Aufsatz „Crime and Punishment“ (1968) leistete er einen grundlegenden Beitrag zur ökonomischen Analyse der Kriminalität. Richard A. Posner schliesslich untersuchte in seinem Lehrbuch „Economic Analysis of Law“ (1972) die Rechtsordnung systematisch in Bezug auf ihre Wirkungen auf die wirtschaftliche Effizienz.
B. Begriffe I. Transaktionskosten Transaktionskosten sind ein zentraler Begriff der Ökonomischen Analyse des Rechts. Der Ausdruck bezeichnet die Kosten für die Beschaffung von Informationen, für das Aushandeln, das Ausführen sowie für die Kontrolle und Durchsetzung von Verträgen. Dazu Coase: 1 2
Posner, EAL 5, S. 3. Siehe nachstehend Abschnitt B.I.
76
§ 4 Die Ökonomische Analyse des Rechts
„In order to carry out market transactions it is necessary to discover who it is that one wishes to deal with, to inform people that one wishes to deal and on what terms, to conduct negotiations leading up to a bargain, to draw up the contract, to undertake the inspection needed to make sure that the terms of the contract are being observed, and so on.“ 3
In seiner Analyse in „The Problem of Social Cost“ geht Coase zunächst von einer Welt ohne Transaktionskosten aus, um daran zu zeigen, was unter idealen Bedingungen geschehen würde. II. Verfügungsrechte („property rights“) Der englische Begriff „property rights“ ist weiter gefasst als der deutsche Begriff „Eigentumsrechte“. Wir verwenden daher den Begriff „Verfügungsrechte“.4 Die konstitutive Idee des Property Rights-Konzepts besteht darin, Ressourcen als Bündel von Rechten und folglich den Tausch von Gütern als Tausch von Rechtsbündeln zu begreifen.5 Im Blickfeld der Ökonomischen Analyse des Rechts steht daher oftmals die Frage der effizienten Zuteilung von Verfügungsrechten.6 Verfügungsrechte beschreiben alle denkbaren Handlungsmöglichkeiten, die in Bezug auf die Nutzung einer Ressource möglich sind: die Nutzung der Ressource, deren Veränderung von Form und Substanz, das Behalten von Erträgen und die Möglichkeit der Übertragung der entsprechenden Rechte. Der Begriff der Verfügungsrechte umfasst dabei nebst dem Privateigentum auch das Staatseigentum, ferner beschränkte dingliche Rechte, aber auch Immaterialgüterrechte. Allgemein gesagt werden Verfügungsrechte durch alle Rechtsnormen beschrieben, welche die Kompetenzverteilung bei der Ressourcennutzung regeln. Ein Verfügungsrecht ist extrem konzentriert, wenn sämtliche Handlungsmöglichkeiten in Bezug auf eine Ressource bei ein und derselben Person zusammenlaufen. Hingegen ist es verdünnt („attenuated“), wenn mehrere oder gar jedermann ein Recht an der gleichen Ressource geltend machen kann.7 Zur Ausgestaltung von Verfügungsrechten gehört auch die Regelung, wie diese zu schützen sind. Der Schutz der Verfügungsrechte erfolgt einerseits durch „property rules“ (ähnlich unseren sachenrechtlichen Abwehransprüchen) und andererseits durch „liability rules“ (ähnlich unseren haftungsrechtlichen Ansprüchen).8 3 4 5 6 7 8
Coase, Social Cost, S. 15. Verwendet wird auch die Bezeichnung „Handlungsrechte“. Schäfer/Ott, S. 87. Calabresi/Melamed, S. 1090 ff. Schäfer/Ott, S. 515. Vgl. Calabresi/Melamed, S. 1089 ff.
C. Das Coase-Theorem
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1. Property Rules Dritte dürfen nur dann in ein Verfügungsrecht eingreifen, wenn dessen Inhaber die Zustimmung dafür erteilt. Jeder Eingriff kann vom Inhaber des Verfügungsrechts abgewehrt werden.9 2. Liability Rules Haftungsregeln schützen das Verfügungsrecht einzig durch einen Schadenersatzanspruch. Eine Zustimmung durch den Inhaber des Verfügungsrechts ist dazu nicht erforderlich. Mit Hilfe von Haftungsregeln wird beispielsweise ein Schadenersatzanspruch bei einer Enteignung durch den Staat oder bei Unfällen begründet.10
C. Das Coase-Theorem I. Begriff Das Coase-Theorem besagt, dass sich bei eindeutiger Zuteilung von Verfügungsrechten und bei Absenz von Transaktionskosten auf dem Markt ein Tausch von Verfügungsrechten vollzieht, der dazu führt, dass die ökonomischen Ressourcen ungeachtet ihrer ursprünglichen Zuteilung den Ort ihrer effizienten Verwendung finden.11 Das Theorem beinhaltet die Invarianz- und die Effizienzthese. Die Invarianzthese hält fest, dass die Erstausstattung an Verfügungsrechten keinen Einfluss auf die Verwendung der Ressourcen hat. Markttransaktionen sorgen dafür, dass die Verfügungsrechte letztlich immer an den „richtigen“ Ort gelangen, sofern dies nicht schon von Anfang an der Fall war. Nach der Effizienzthese ist dieses Endergebnis ausserdem immer eine paretooptimale Lösung.12 Das Coase-Theorem impliziert, dass die privaten Kosten gleich den gesellschaftlichen Kosten sind, da alle Externalitäten durch private Arrangements internalisiert werden.13 Abgesehen von der offensichtlich unrealistischen Annahme, es würden keine Transaktionskosten entstehen, wird ferner vorausgesetzt, dass die Verfügungsrechte am Anfang eindeutig jemandem zugeteilt worden seien, was gerade bei 9
Schäfer/Ott, S. 516. Calabresi/Melamed, S. 1106 ff. 11 Vgl. Veljanovski, Coase Theorems, S. 54. Es sei darauf hingewiesen, dass verschiedene Interpretationen des Coase-Theorems vorliegen. Siehe dazu Cooter, S. 457 f. sowie nachstehend Abschnitt IV.3.c). 12 Siemer, S. 7. 13 Stigler, S. 113. 10
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§ 4 Die Ökonomische Analyse des Rechts
Umweltgütern oft nicht der Fall ist.14 Im Hinblick auf das Recht bedeutet das Theorem, dass die Rechtsordnung dafür sorgen soll, dass die Verfügungsrechte klar definiert und eindeutig zugeteilt werden. Die Art und Weise der Zuteilung beeinflusse zwar die Einkommensverteilung, doch spiele sie – bei fehlenden Transaktionskosten – in Bezug auf die Effizienz keine Rolle. Coase hatte die Idee des später nach ihm benannten Theorems bereits in seinem früheren Artikel „The Federal Communications Commission“ (1959) vorgebracht.15 Allerdings waren andere Chicagoer Ökonomen – unter ihnen auch Milton Friedman und George Stigler – der Ansicht, das Argument sei falsch: „Their objections centered on what George Stigler was later to term the ,Coase Theorem‘.“ 16
Im Artikel „The Problem of Social Cost“ unternahm Coase deshalb den Versuch, sein Argument ausführlicher zu erklären.17 Dieser Artikel richtete sich an Ökonomen, die den Paradigmenwechsel, den Coase offenbar eingeleitet hatte, schwerlich nachvollziehen konnten. „I suppose this lack of comprehension represents another example, about which Thomas Kuhn has told us, of the difficulty which scientists find in changing their analytical system, or, as he puts it, in moving from one paradigm to another.“ 18
Hingegen hatte Coase nie damit gerechnet, dass dieser Artikel in der Folge einen derart nachhaltigen Einfluss auf die Rechtswissenschaft ausüben würde. „It is generally agreed that this article has had an immense influence on legal scholarship, but this was no part of my intention. Law came into the article because, in a regime of positive transaction costs, the character of the law becomes one of the main factors determining the performance of the economy.“ 19
Das Recht spielt demnach bei positiven Transaktionskosten eine entscheidende Rolle. Zunächst stellt Coase jedoch die Behauptung auf, Schädigungen seien stets reziproker Natur. Danach entwickelt er sein Theorem im Rahmen eines Modells ohne Transaktionskosten. Erst dann greift er die Frage nach den Auswirkungen positiver Transaktionskosten auf.
14 Wer hat z. B. die Verfügungsrechte an der Luft? Haben die Bewohner ein Recht auf frische Luft, oder haben die Autofahrer ein Recht, die Luft zu verschmutzen? Entsprechende Probleme stellen sich auch bei anderen Emissionen, wie z. B. beim Lärm. 15 Coase, Communications, S. 23 f. 16 Coase, Law and Economics, S. 249. 17 Eine deutsche Übersetzung dieses Artikels findet sich im Reader von Assmann/ Kirchner/Schanze, S. 129 ff. Eine gekürzte Fassung des Originaltexts findet sich im Reader von Donald A. Wittmann, S. 1 ff. 18 Coase, Law and Economics, S. 250. 19 Coase, Law and Economics, S. 250.
C. Das Coase-Theorem
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II. Die reziproke Natur schädigender Handlungen Coase behauptet, eine Schädigung sei in jedem Fall eine gegenseitige Angelegenheit. Traditionell frage man sich, wenn eine Person A eine Person B schädige, wie man nun gegen A vorgehen könne. Diese Frage sei jedoch fehl am Platz, da die Schädigung ja reziproker Natur sei: „We are dealing with a problem of a reciprocal nature. To avoid the harm to B would inflict harm on A. The real question that has to be decided is: should A be allowed to harm B or should B be allowed to harm A?“ 20
Wenn z. B. der Lärm und die Vibrationen der Maschinen einer Konditorei einen Arzt bei der Arbeit stören, so bedeute dies umgekehrt, dass der Arzt dem Konditor Schaden zufüge, falls dieser den Lärm aus Rücksicht auf den Arzt vermeiden müsse.21 Die entscheidende Frage sei: Sollen mehr Gebäckwaren produziert oder mehr Arztleistungen erbracht werden? Oder wenn z. B. die Verschmutzung eines Flusses zu einem Fischsterben führe, stelle sich die Frage: Ist der Wert des Fischverlusts grösser oder kleiner als der Wert der Güter, deren Produktion mit der betreffenden Verschmutzung in Verbindung steht?22 III. Absenz von Transaktionskosten 1. Verhandlungen sorgen für ein effizientes Ergebnis Coase entwickelt seine Argumentation anhand eines Beispiels mit Rindern und Weizen: Die Rinder eines Ranchers zertrampeln beim Weiden die Getreidefelder eines Farmers. Das ist offenkundig ein negativer externer Effekt, indem der Rancher seine Rinder auf Kosten des Farmers mästet. Nach Coase lässt sich das Recht auf freies Weiden als Teil aller Rechte definieren, die sich aus dem Eigentum an Rindern ergeben. Danach dürfen sich die Rinder im Freien bewegen und somit auch fremde Felder betreten. Der Farmer muss sich demzufolge selber vor ihnen schützen. Nun kann man sich jedoch ebenso gut auf das Recht auf unversehrte Felder als Teil aller Rechte berufen, die sich aus dem Eigentum an landwirtschaftlich nutzbaren Flächen ergeben. Demnach ist es nicht zulässig, dass die Rinder auf den Getreidefeldern weiden. Beide Definitionen beschreiben in diesem Fall ein identisches Recht: aus der Sicht des Farmers das Recht auf ein unversehrtes Getreidefeld, aus der Sicht des Ranchers das Recht auf kostenloses Futter.23 20
Coase, Social Cost, S. 2. Dass bei Externalitäten stets beide Seiten als Verursacher zu betrachten sind, hat gewiss seine Logik, dennoch wirkt dieser Gedanke oft befremdlich, wie folgendes Beispiel zeigt. Nehmen wir an, A habe B erschossen. A argumentiert nun zu seiner Verteidigung: Hätte B nicht ausgerechnet dort gestanden, wo ich versehentlich hingeschossen habe, dann wäre er jetzt nicht tot. 22 Coase, Social Cost, S. 2. 21
80
§ 4 Die Ökonomische Analyse des Rechts
Dieses Verfügungsrecht lässt sich auch als Schädigungsrecht bezeichnen. Hat es der Rancher, so steht es diesem zu, seine Rinder auf den Getreidefeldern weiden zu lassen. Gehört es hingegen dem Farmer, so steht dieses Recht dem Rancher nicht zu. Dieses Schädigungsrecht sollte nach Coase handelbar sein. Liegt das Recht beim Rancher, so soll ihm der Farmer einen Preis für das Schädigungsrecht bezahlen, der dem Ausmass des potenziellen Schadens entspricht, und damit eine Schädigung des Farmers verhindern. Die Verkaufsmöglichkeit erhöht aus der Sicht des Ranchers die Opportunitätskosten der Rinderzucht, so dass sich dieser überlegen muss, ob es sich lohne, weiterhin die Weizenfelder zu schädigen. Wenn nun aber – im umgekehrten Fall – der Farmer über das Recht auf unversehrte Getreidefelder verfügt, kann dieser das entsprechende Schädigungsrecht an den Rancher verkaufen und muss damit die Konsequenz in Kauf nehmen, dass die Rinder die Ernte beeinträchtigen – zumindest in der Höhe des Preises für das Schädigungsrecht.24 Die Handelbarkeit des Schädigungsrechts führt dazu, dass sowohl der Rancher als auch der Farmer das Interesse des anderen in ihrem eigenen Interesse berücksichtigen: Das Smith’sche Prinzip, nach dem die Verfolgung des Eigeninteresses den Wohlstand aller erhöht („invisible hand“)25, führt zur Internalisierung des externen Effektes aufgrund freiwilliger Vereinbarung. Die wirtschaftlichen Ressourcen werden in der Folge volkswirtschaftlich effizient verwendet.26 Der „Clou“ des Coase-Theorems ist, dass sich dieses Ergebnis – bei Absenz von Transaktionskosten – durch freiwillige Verhandlungen einstellt, und zwar unabhängig davon, wem die Verfügungsrechte ursprünglich zugeteilt worden sind: „[T]he ultimate result (which maximises the value of production) is independent of the legal position if the pricing system is assumed to work without cost.“ 27
Die prinzipielle Richtigkeit des Coase-Theorems wird anhand des folgenden Zahlenbeispiels nochmals ersichtlich:28 Der Rauch eines Fabrikschornsteins verunreinige die zum Trocknen aufgehängte Wäsche von fünf Anwohnern. Der dadurch verursachte Schaden betrage je Fr. 1.000,–, total also Fr. 5.000,–. Der Schaden könne nun auf folgende zwei Arten verhindert werden: Jeder Haushalt wird mit einem Wäschetrockner à Fr. 600,– ausgerüstet, was insgesamt Fr. 3.000,– an Kosten verursacht, oder der Schornstein der Fabrik wird mit einem Filter versehen, der Fr. 1.000,– kostet. Es ist offensichtlich, dass unter diesen Umständen der Einbau des Filters die effiziente Lösung darstellt, weil 23 24 25 26 27 28
Coase, Social Cost, S. 19 f. Siemer, S. 2. Siehe § 5 C. Siemer, S. 2 f. Coase, Social Cost, S. 8. Vgl. Polinsky, S. 11 f.
C. Das Coase-Theorem
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der Schaden von Fr. 5.000,– zu den geringsten Kosten von Fr. 1.000,– vermieden werden kann. Die Frage ist nun, ob die effiziente Lösung gewählt wird, unabhängig davon, ob die Anwohner ein Recht auf saubere Luft oder die Fabrik ein Recht auf Verschmutzung der Luft hat. Wenn die Anwohner ein Recht auf saubere Luft haben, hat die Fabrik drei Möglichkeiten: Die Luft verschmutzen und Fr. 5.000,– Schadenersatz zahlen, den Anwohnern für insgesamt Fr. 3.000,– Wäschetrockner bezahlen oder einen Filter für Fr. 1.000,– einbauen. Sie wird offensichtlich die letzte Möglichkeit und somit die effiziente Lösung wählen. – Wenn die Fabrik umgekehrt ein Recht auf Verschmutzung hat, verfügen die Anwohner ebenfalls über drei Möglichkeiten: Den Schaden von insgesamt Fr. 5.000,– hinnehmen, Wäschetrockner für insgesamt Fr. 3.000,– kaufen oder der Fabrik einen Filter für Fr. 1.000,– bezahlen. Auch sie werden sich für den Filter entscheiden und damit die effiziente Lösung wählen. Die Anwohner haben ein Recht auf saubere Luft – die Fabrik hat drei Möglichkeiten:
Die Fabrik hat ein Recht auf Verschmutzung – die Anwohner haben drei Möglichkeiten:
1. Schadenersatz zahlen, Fr. 5.000,–
1. Schaden hinnehmen, Fr. 5.000,–
2. Wäschetrockner bezahlen, Fr. 3.000,–
2. Wäschetrockner kaufen, Fr. 3.000,–
3. Filter kaufen, Fr. 1.000,–
3. Filter bezahlen, Fr. 1.000,–
Das Beispiel zeigt, dass private Arrangements unabhängig von der Zuteilung der Verfügungsrechte stets zur effizienten Lösung führen. 2. Die Verhandlungslösung als Alternative zu staatlichen Eingriffen Der britische Ökonom Arthur C. Pigou forderte in „The Economics of Welfare“ (1932), dass bei externen Effekten der Staat eingreifen müsse und eine Steuer erheben solle (Pigou-Steuer). Nehmen wir an, eine Dampfeisenbahn setze durch ihren Funkenflug die angrenzenden Weizenfelder in Flammen. Nach dem Verursacherprinzip müsste die Eisenbahn für den Schaden aufkommen, handelt es sich doch um negative externe Effekte der Produktion. Im vorliegenden Beispiel fliessen die Umweltschäden durch den Funkenflug jedoch nicht in die Kalkulation der Eisenbahn mit ein, die gesellschaftlichen Kosten für den Schaden liegen somit über den privaten Kosten. Um diese den gesellschaftlichen Kosten anzugleichen, solle der Staat eine Steuer erheben.29 29
Coase, Social Cost, S. 28 ff.
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§ 4 Die Ökonomische Analyse des Rechts
Pigou begründet seine Sichtweise mit einem zentralen Ergebnis der Wohlfahrtstheorie: Die gesellschaftlichen Ressourcen finden nur dann ihre volkswirtschaftlich wertvollste Verwendung, wenn der Einzelne auch die externen – d. h. die ihn selbst nicht direkt treffenden – Wirkungen seines ökonomischen Handelns so berücksichtigt, als würden sie ihn selbst treffen. Mit anderen Worten: Ein Paretooptimum lässt sich nur bei gleichen gesellschaftlichen und privaten Kosten für die Produktion wie auch für den Konsum realisieren.30 Bei negativen externen Effekten liegen die gesellschaftlichen Kosten über den privaten, bei positiven Externalitäten entsteht in umgekehrter Richtung eine Differenz. Die Angleichung der privaten an die gesellschaftlichen Kosten bezeichnet man als Internalisierung.31 Coase lehnt einen derartigen Staatseingriff ab und plädiert stattdessen wiederum für Verhandlungslösungen zwischen den Beteiligten. So könnte – wenn wir an das zuvor erwähnte Beispiel denken – die Eisenbahngesellschaft den Farmer für die zerstörten Felder entschädigen und diesem dadurch ermöglichen, seinen Weizen woanders anzupflanzen. Oder aber der Farmer könnte dafür bezahlen, dass die Lokomotiven mit einer Technologie ausgestattet würden, die den Funkenflug verhindert. Nach dem Coase-Theorem ist es bezüglich der Effizienz egal, wer an wen bezahlt, die Eisenbahngesellschaft an den Farmer oder umgekehrt.32 Wie wir wissen, sind ökonomisch betrachtet beide Seiten Verursacher: Würde nämlich der Farmer auf dem entsprechenden Gebiet keinen Weizen anpflanzen, so erlitte er auch keinen Schaden. Externe Effekte sind für Coase stets ein zweiseitiges Problem. Wird die Eisenbahn gezwungen, den Farmer zu entschädigen, dann hat sie einen Nutzenverlust, der nicht unbedingt geringer einzuschätzen ist als der verbrannte Weizen des Farmers. Eine Verhandlungslösung wäre deshalb sinnvoller als eine Steuer, weil sie den Nutzen beider Seiten berücksichtigt. Voraussetzung dafür ist nach Coase allerdings, dass keine Transaktionskosten vorliegen und dass die Verfügungsrechte klar definiert sind: „[I]f market transactions were costless, all that matters (questions of equity apart) is that the rights of the various parties should be well-defined and the results of legal actions easy to forecast.“ 33
30
Pigou, S. 183 ff. Vgl. Schumann, Mikroökonomie, S. 38 und S. 492 ff. 32 Bezüglich der Einkommensverteilung ist es hingegen nicht gleichgültig, wer an wen zahlt. 33 Coase, Social Cost, S. 19. 31
C. Das Coase-Theorem
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3. Kritik a) Die Annahmen sind unrealistisch Zunächst sind die restriktiven Voraussetzungen des Theorems zu bemängeln: die Absenz von Transaktionskosten sowie die eindeutige Zuteilung von Verfügungsrechten. Hohe Transaktionskosten lassen in den meisten Fällen eine Internalisierung externer Effekte aus der Sicht der Beteiligten von vornherein als nicht lohnend erscheinen. So dürften namentlich die Verhandlungskosten in der Realität sehr hoch sein, besonders wenn mehrere oder sogar viele Beteiligte zu einer Einigung gelangen müssen. Nur diejenigen, die eine Kompensation erwarten, die höher ausfällt als ihre Verhandlungskosten, sind an Verhandlungen interessiert. Doch selbst bei erfolgreichen Vertragsverhandlungen fallen zusätzliche Kosten für die Durchsetzung der Verträge über die Schadenersatzzahlungen an.34 Bei Umweltproblemen sind die Verfügungsrechte oft nicht klar zugeteilt. Verunreinigungen des Wassers oder der Luft sind ausserdem häufig das Ergebnis vieler Verschmutzer und lassen sich somit kaum einem einzelnen Verursacher zurechnen. Diese Schäden können aber meist nur mittels einer aufwändigen und kostspieligen Technologie behoben werden, so dass der Staat oft trotzdem eingreifen muss.35 Als umweltpolitische Instrumente kommen in solchen Fällen Auflagen in Form von Emissionsobergrenzen, Umweltabgaben oder Emissionszertifikate (handelbare Verschmutzungsrechte)36 in Frage. In Anwendung des Coase-Theorems besteht dabei natürlich auch die Möglichkeit, dass die potenziell Geschädigten dafür zahlen, dass die Emittenten auf Emissionen verzichten.37 So bezahlen beispielsweise die Wasserverbraucher in Baden-Württemberg in Form eines eingeführten Wasserpfennigs eine Abgabe dafür, dass die Bauern das Grundwasser weniger stark mit Düngern und Pestiziden belasten.38 Auch die Diskussion um Kompensationszahlungen der Industriestaaten an gewisse Länder der Dritten Welt mit dem Ziel, ein weiteres Abholzen der Regenwälder zu verhindern, knüpft an die Überlegungen von Coase an.39 b) Vermögens- und Besitzeffekte beeinflussen die Allokation Das Coase-Theorem behauptet, die Endallokation sei immer gleich und stets paretoeffizient, und dies unabhängig von der Zuteilung von Verfügungsrechten. 34 35 36 37 38 39
Schumann, Mikroökonomie, S. 499. Hoffmann, S. 297. Siehe nachstehend Abschnitt V. Schumann, Mikroökonomie, S. 499. Schumann, Mikroökonomie, S. 500. Hoffmann, S. 297.
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§ 4 Die Ökonomische Analyse des Rechts
Auf die Einkommensverteilung habe die Zuteilung der Verfügungsrechte zwar eine Auswirkung, was aber die Allokation nicht beeinflusse. Diese angebliche Dichotomie zwischen Verteilung und Allokation muss jedoch in Zweifel gezogen werden. Die Zuteilung der Verfügungsrechte hat nämlich einen Einfluss auf die Vermögensverteilung, was sich als Vermögenseffekt („wealth effect“) indirekt sehr wohl auch auf die Allokation auswirkt. Dieser Effekt beruht darauf, dass Reiche und Arme in der Regel unterschiedliche Güter kaufen. Eine Änderung der Verteilung zieht folglich eine andere Nachfragestruktur nach sich, da ja die Nachfrage auch vom Einkommen bzw. vom Vermögen abhängt. Dies beeinflusst die Preisverhältnisse und damit auch das Ergebnis der Allokation. Ausserdem kann auch der Besitzeffekt („endowment effect“) die Preisverhältnisse beeinflussen.40 Angebots- und Nachfragepreis für ein Gut können bei der gleichen Person differieren. So wurde Folgendes beobachtet: Sobald jemand eine Sache erworben hat, ist er nur bereit, diese wieder zu verkaufen, wenn der ihm dafür gebotene Preis den Erwerbspreis übersteigt.41 Zwar erweist sich die Endallokation auch unter Berücksichtigung dieser Effekte in jedem Fall als parteooptimal, aber sie ist nicht unbedingt dieselbe.42 Bei Berücksichtigung von Vermögens- und Besitzeffekten bleibt zwar die Effizienzthese gültig, die Invarianzthese hingegen nicht.43 c) Verhandlungen bedeuten nicht dasselbe wie Wettbewerb Cento Veljanovski verweist auf die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten des Coase-Theorems; daher könne man eigentlich gar nicht von dem CoaseTheorem sprechen. Er unterscheidet zwischen zwei Interpretationsformen des Coase-Theorems: dem Verhandlungstheorem und dem Wettbewerbsmarkttheorem.44 Das Verhandlungstheorem geht von zwei oder mehreren beteiligten Parteien aus, die miteinander in Kontakt treten in der Absicht, einen Vertrag abzuschliessen. Das Wettbewerbsmarkttheorem hingegen unterstellt das ökonomische Modell der vollständigen Konkurrenz mit theoretisch unendlich vielen Beteiligten auf beiden Marktseiten, so dass niemand von ihnen den Marktpreis bestimmen kann. Während der Preis im Verhandlungsmodell Gegenstand von Verhandlungen ist, ist er im Wettbewerbsmarktmodell für die Marktteilnehmer nichts weiter als ein Datum und damit auch nicht verhandelbar. 40 41 42 43 44
Cooter/Ulen, S. 83. Siehe auch § 8 D.IV.2. Siehe dazu auch § 3 B.II. Calabresi/Melamed, S. 1095 f. Veljanovski, Coase Theorems, S. 55 f.
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Nach Veljanovksi vermischt Coase die beiden Modelle. Obwohl sich dieser auf das Wettbewerbsmarktmodell beziehe, beschreibe er in seinen Beispielen personalisierte bilaterale Transaktionen, in denen die „terms of trade“ durch die direkt beteiligten Parteien ausgehandelt würden.45 „The bargaining Coase Theorem is seemingly rendered identical to the competitive market model through a semantic confusion between the common usage of the word competitive and its technical economic meaning.“ 46
Nach Leif Johansen ist Verhandeln jedoch eine sehr ineffiziente Entscheidungsmethode: „[B]argaining will often be an inefficient decision procedure in the sense that it tends to distort the information basis for decisions, it tends to use or waste resources in the process, particularly by delaying decisions for reasons which are not technically necessary, it will more or less frequently lead to breakdown and failure to realize the potential gains, and threats will sometimes be carried out.“ 47
Bei Verhandlungen spielt strategisches Verhalten eine wichtige Rolle.48 Nach Veljanovski resultiert daraus erstens keine eindeutige Lösung und zweitens in der Regel auch kein effizientes Ergebnis – was dem Coase-Theorem diametral widersprechen würde: „Indeed if there is any theorem in such a world it is the exact opposite of the Coase Theorem. The appropriate theorem in bargaining contexts is [. . .]: Direct bargaining has an inherent tendency to dissipate the gains-from-trade through strategic behaviour.“ 49
Bei nur zwei Beteiligten, also bei einem bilateralen Monopol, ist nicht einzig und allein die gesellschaftlich optimale Verhandlungslösung möglich. Vielmehr können infolge des individuellen Verhandlungsgeschicks oder anderer Ungleichheiten der Verhandlungspartner – Ungleichheiten, die unter den Begriff „Macht“ fallen – andere Ergebnisse aus einer Verhandlung hervorgehen, als dies bei machtfreiem Verhalten der Fall wäre, so dass eine effiziente Allokation keineswegs garantiert ist.50 Robert Cooter ist grundsätzlich auch dieser Ansicht, sieht die Sachlage jedoch insgesamt nicht so pessimistisch: „Reality lies in between the poles of optimism and pessimism, because strategic behaviour causes bargaining to fail in some cases, but not in every case.“ 51
45
Veljanovski, Coase Theorems, S. 55 f. Veljanovski, Coase Theorems, S. 62 f. 47 Johansen, S. 519 (im Original ganze Passage kursiv). 48 Die Spieltheorie untersucht diesen Gegenstand, wobei zwischen kooperativem und nichtkooperativem Verhalten unterschieden wird. 49 Veljanovksi, Coase Theorems, S. 60. Cooter nennt das Gegenteil des Coase-Theorems „Hobbes-Theorem“. Cooter, S. 459. 50 Vgl. Schumann, Mikroökonomie, S. 499. 51 Cooter, S. 459. 46
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§ 4 Die Ökonomische Analyse des Rechts
Indem Coase von der Annahme fehlender Transaktionskosten ausgeht, glaubt er einerseits alle Hindernisse auszuräumen, die ein effizientes Verhandlungsergebnis gefährden würden – beispielsweise auch strategisches Verhalten –; andererseits soll die Aufteilung der „gains from trade“ sehr wohl vom Verhandlungsgeschick der Parteien abhängen: „What payment would in fact be made would depend on the shrewdness of the farmer and the cattle-raiser as bargainers.“ 52
Coase vermischt offensichtlich das Verhandlungsmodell mit dem Wettbewerbsmarktmodell, was auch die Gültigkeit der Effizienzthese als zweifelhaft erscheinen lässt. Das Coase-Theorem – die zentrale Argumentationsfigur der Ökonomischen Analyse des Rechts – scheint somit einer ökonomischen Analyse selbst nicht standzuhalten. IV. Berücksichtigung von Transaktionskosten 1. Die Wahl zwischen verschiedenen sozialen Arrangements In seinen weiteren Ausführungen gibt Coase die Annahme kostenloser Transaktionen auf, da er sie selber für unrealistisch hält. Die Berücksichtigung von Transaktionskosten verändert nun aber die Ergebnisse der Analyse: Schädigungsrechte würden nur noch gehandelt, wenn der resultierende Gewinn nach Abzug der Transaktionskosten positiv sei. Sollten Transaktionskosten in der Tat eine effiziente Allokation von Verfügungsrechten am Markt verhindern, böten sich stattdessen drei weitere soziale Arrangements („social arrangements“) an: eine Fusion der beteiligten Parteien zu einer Unternehmung, staatliche Regulierung oder ein Zustand des laisser-faire.53 Bei einem Zusammenschluss der beteiligten Parteien (der Schädiger und der Geschädigten) zu einer Unternehmung würden die externen Effekte automatisch internalisiert und es fielen weniger Transaktionskosten an, dafür aber mehr administrative Kosten für die interne Organisation.54 In ähnlicher Weise sei der Staat mit Verwaltungskosten konfrontiert, weshalb Coase den Staat als „Superfirma“ bezeichnet. Generell lasse sich nicht sagen, welche Lösung im Einzelfall die beste sei; dies komme auf die Höhe der Transaktions- und der administrativen Kosten an. Coase glaubt allerdings, Ökonomen und Politiker hätten die Vorteile staatlicher Regulierung bisher überschätzt.55
52 53 54 55
Coase, Social Cost, S. 6. Coase, Social Cost, S. 15 ff. Dies ist das Thema des Artikels „The Nature of the Firm“. Coase, Social Cost, S. 16 ff.
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2. Die wichtige Bedeutung des Rechts Berücksichtigt man die Transaktionskosten, so fällt dem Theorem eine grosse Relevanz zu, allerdings gerade mit umgekehrtem Vorzeichen: Die Art der Zuordnung von Verfügungsrechten ist umso wichtiger und deren Bedeutung für die Effizienz einer Volkswirtschaft umso grösser, je höher die Transaktionskosten sind. Wenn die Transaktionskosten grösser als null sind – was in der Realität stets der Fall ist –, so hat das Recht, d. h. die Zuteilung der Verfügungsrechte, definitiv einen Einfluss: „If transaction costs were zero (as is assumed in standard economic theory) we can imagine people contracting around the law whenever the value of production would be increased by a change in the legal position. But in a regime of positive transaction costs, such contracting would not occur whenever transaction costs were greater than the gain that such a redistribution of rights would bring. As a consequence the rights which individuals possess will commonly be those established by the law, which in these circumstances can be said to control the economy.“ 56
Dies lässt sich wiederum anhand unseres weiter vorne angeführten Zahlenbeispiels mit der Fabrik und den Anwohnern zeigen:57 Nehmen wir nun aber an, die Transaktionskosten würden pro Anwohner Fr. 500,–, insgesamt also Fr. 2.500,– betragen. Es handle sich dabei um die Kosten, die den Anwohnern entstehen, wenn sie sich mittels Verhandlungen auf eine gemeinsame Lösung festlegen müssen. Wenn die Anwohner ein Recht auf saubere Luft haben, verfügt die Fabrik immer noch über drei Möglichkeiten, nämlich Fr. 5.000,– Schadenersatz zahlen, den Anwohnern Wäschetrockner für insgesamt Fr. 3.000,– bezahlen oder einen Filter für Fr. 1.000,– einbauen. Sie wird sich für den Filter entscheiden, was der effizienten Lösung entspricht. Die Anwohner haben ein Recht auf saubere Luft – die Fabrik hat drei Möglichkeiten:
Die Fabrik hat ein Recht auf Verschmutzung – die Anwohner haben drei Möglichkeiten:
1. Schadenersatz zahlen, Fr. 5.000,–
1. Schaden hinnehmen, Fr. 5.000,–
2. Wäschetrockner bezahlen, Fr. 3.000,–
2. Wäschetrockner kaufen, Fr. 3.000,–
3. Filter kaufen, Fr. 1.000,–
3. Filter bezahlen, Fr. 1.000,– + Fr. 2.500,– Transaktionskosten = Fr. 3.500,–
Anders sieht die Sache aus, wenn die Fabrik ein Recht auf Verschmutzung hat. In diesem Fall haben die Anwohner folgende drei Möglichkeiten: Sie können den Schaden von insgesamt Fr. 5.000,– hinnehmen oder Wäschetrockner 56 57
Coase, Law and Economics, S. 251. Vgl. Polinsky, S. 12 f.
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für insgesamt Fr. 3.000,– kaufen. Die dritte Möglichkeit besteht darin, der Fabrik einen Filter zu bezahlen. Allerdings fallen bei dieser Variante Transaktionskosten an, da sich die Anwohner nur gemeinsam für diese Möglichkeit entscheiden können und entsprechende Verhandlungen führen müssen. Unter Berücksichtigung der Transaktionskosten von insgesamt Fr. 2.500,– kostet die Lösung mit dem Filter nun Fr. 3.500,– statt bloss Fr. 1.000,–. Abgeschreckt durch die prohibitiv hohen Transaktionskosten wird jeder Anwohner für sich einen Wäschetrockner kaufen. Das Beispiel zeigt, dass bei Vorliegen von Transaktionskosten die ursprüngliche Zuteilung der Verfügungsrechte hinsichtlich der Effizienz von Bedeutung sein kann. Im besprochenen Fall wäre es vorteilhaft, wenn den Anwohnern ein Recht auf saubere Luft eingeräumt würde, da nur so die effiziente Lösung (Einbau des Filters) gewählt wird. Hat die Fabrik dagegen ein Recht auf Verschmutzung, werden die Anwohner eine suboptimale Lösung wählen (Kauf von Wäschetrocknern). Zwar ist dies unter den gegebenen Voraussetzungen die bestmögliche Lösung, es existiert aber eine andere Zuteilung von Verfügungsrechten, welche eine noch effizientere Lösung ermöglicht. In diesem Zusammenhang weist Coase auf die Verflechtung von Recht und Ökonomie hin: Die Realität positiver Transaktionskosten enthülle die ökonomischen Aufgaben des Rechts: Die Rechtsordnung soll Zuordnungsregeln liefern, durch welche die Notwendigkeit späterer Transaktionen reduziert werde. Mit Nachdruck betont Coase die wirtschaftspolitische Funktion der Rechtsprechung: „It would therefore seem desirable that courts should understand the economic consequences of their decisions and should, insofar as this is possible without creating too much uncertainty about the legal position itself, take the consequences into account when making their decisions.“ 58
Verfügungsrechte sollten womöglich gleich zu Beginn an jenen Ort gelangen, wo sie am effizientesten verwendet würden. Sei jedoch die effizienteste Regelung nicht bekannt, so sollten jegliche Hemmnisse ihrer Realisierung dadurch beseitigt werden, dass die Kosten des Transfers und der Durchsetzung der betroffenen Rechte sowie die Kosten der Rechtsanwendung minimiert würden.59 Coase plädiert also für eine ökonomisch durchdachte Rechtsordnung, die sich sowohl in der Rechtsetzung als auch in der Rechtsanwendung auswirken soll. Nach Veljanovski wird die Aufgabe des Rechts aus dem Blickwinkel der ökonomischen Analyse auf die folgenden drei Arten beschrieben:60 (1) Maximierung der ökonomischen Effizienz; (2) Minimierung der Transaktionskosten;61 58 59 60
Coase, Social Cost, S. 19. Siemer, S. 82 f. Veljanovski, Coase Theorems, S. 68.
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(3) wenn Markttransaktionen an zu hohen Transaktionskosten scheitern, soll das Recht die Marktlösung bei Wettbewerb simulieren.62 Veljanovski hält nur das erste Ziel für richtig. Den anderen beiden Zielen steht er skeptisch gegenüber. Eine Senkung der Transaktionskosten sei keine Gewähr für effiziente Lösungen, denn das Ergebnis von Verhandlungen sei häufig ineffizient. Die Simulierung des idealen Marktes sei jedoch ebenso falsch, denn habe man einmal akzeptiert, dass es in der Realität stets zu Transaktionskosten komme, so könne das Marktergebnis – unter Vernachlässigung von Transaktionskosten – nicht mehr die massgebliche Richtlinie darstellen: „Once it is accepted that markets are costly then the competitive market outcome is no longer the relevant benchmark. The costs of using the market must also be taken into account, as must the cost of the legal system designed to replace the coordination function that would have been provided by a costless pricing system.“ 63
Das Effizienzziel des Rechts bestehe darin, die Koordinationskosten ökonomischer Aktivitäten zu senken, wobei zu berücksichtigen sei, dass sowohl der Markt als auch das Rechtssystem mit operationalen Kosten verbunden seien. Die Aufgabe laute, die jeweils effizienteste institutionelle Regelung zu ermitteln.64 V. Praktische Umsetzung mittels Emissionszertifikaten Die Verhandlungslösung von Coase hat – wenn auch in staatlich institutionalisierter Form – mit der Schaffung von handelbaren Emissionszertifikaten in der Umweltpolitik eine prominente Anwendung erfahren.65 Obwohl es an sich denkbar ist, bestimmte Umweltgüter in privatwirtschaftliches Eigentum oder eigentumsähnliche Rechte zu überführen, hat sich in der Praxis gezeigt, dass sich die Idee der direkten Verhandlungen zur Internalisierung externer Effekte nur bedingt als brauchbar erweist.66 Dies liegt daran, dass Umweltverschmutzungen meistens eine Vielzahl von Parteien involvieren, die sich nicht kennen und teilweise gleichzeitig als Verursacher und Geschädigte auftreten.67 Der Mangel an Informationen und die hohen Transaktionskosten wirken daher prohibitiv.68 Falls dennoch direkte Verhandlungen geführt werden, bilden sich zudem häufig Koalitionen, die paretoeffizienten Verhandlungslösungen im Wege stehen.69 61 62 63 64 65 66 67 68 69
So z. B. Polinsky, S. 13. So Posner, EAL 5, S. 16. Siehe dazu § 8 D.I. Veljanovski, Coase Theorems, S. 69. Veljanovski, Coase Theorems, S. 69. Boie, S. 156 f. Wicke, S. 242 ff. Frey, Umweltökonomie, S. 111 f. Vgl. Feess, S. 149. Frey, Umweltökonomie, S. 111 f.
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Als praktikable Alternative zu den direkten Verhandlungen unter den Privaten bieten sich handelbare Emissionszertifikate an, die 1968 erstmals vom kanadischen Ökonomen John Harkness Dales zur Reduktion von Gewässerverschmutzung vorgeschlagen wurden, da sie die theoretische Idee des Coase-Theorems mit den Ansprüchen der Praxis vereinen.70 Indem das Recht auf Inanspruchnahme der Umwelt durch klare Begrenzung und Zuteilung handelbar gemacht wird, kann sich ein Preis für die Umweltressourcen einstellen.71 Dabei sorgt der Preismechanismus dafür, dass die Reduktion der Emissionen dort stattfindet, wo die Grenzkosten ihrer Vermeidung am tiefsten sind. Damit der Handel dieser Rechte auf Inanspruchnahme der Umwelt aber nicht durch zu hohe Transaktionskosten gehemmt wird, schafft der Staat eine dafür geeignete institutionelle Basis: einen Markt für Emissionszertifikate.72 Die Umsetzung der Zertifikatslösung erfolgt so, dass der Staat vorerst im politischen Prozess eine insgesamt zulässige Menge an Emissionseinheiten festlegt und diese in eine entsprechende Anzahl Zertifikate aufteilt.73 Indem der Staat das absolut zulässige Emissionsniveau vorgibt, wird gleichzeitig ein Umweltstandard gesetzt, weshalb die Zertifikatslösung auch als Mengenlösung mit standardorientiertem Ansatz bezeichnet werden kann.74 Nur wer im Besitz eines Zertifikats ist, darf die darin verbriefte Menge an Schadstoffen emittieren.75 Weil die Anzahl der Zertifikate begrenzt ist, können sie und somit auch die darin verbrieften Rechte als knappes Gut betrachtet werden. Die Verschmutzung der Umwelt hat nun einen Preis, der auf einem Markt durch Angebot und Nachfrage zustande kommt.76 Nachdem die Zertifikate zugeteilt sind, werden Emittenten, die ihre Emissionen nur mit kostenintensiven Umstrukturierungen oder Neuinvestitionen vermeiden können, daran interessiert sein, so viele Zertifikate zu kaufen, wie sie für ihre Emissionsmenge benötigen. Allgemein wird eine Unternehmung jedoch nur so lange Zertifikate kaufen, wie die Grenzkosten der Schadstoffvermeidung höher sind als die Grenzkosten eines Zertifikatskaufs.77 Diejenigen Verursacher, die ihre Emissionen z. B. mittels Filteranlagen kostengünstig reduzieren können, werden solche Vermeidungsmassnahmen einem Zertifikatskauf vorziehen. Diese 70
Jacobs, S. 33. Diehr, S. 27. 72 Diehr, S. 27. Zu den Gefahren von hohen Transaktionskosten eines Zertifikatsystems siehe Jacobs, S. 90 ff. 73 Wicke, S. 241. 74 Jacobs, S. 33; Feess, S. 123. Umweltabgaben werden im Gegensatz dazu als Preislösungen bezeichnet. 75 Endres, S. 110. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Kontrollen bzgl. der Emissionsmenge durchgeführt werden müssen. 76 Jacobs, S. 65. 77 Feess, S. 123. 71
C. Das Coase-Theorem
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Unternehmungen werden entsprechend so lange Emissionsvermeidungsinvestitionen tätigen, wie ihre Grenzkosten der Emissionsvermeidung geringer sind als die Grenzkosten eines Zertifikatskaufs. Die vorgegebenen Emissionsreduktionen werden somit immer von denjenigen Unternehmungen vorgenommen, die mit den geringsten Emissionsgrenzvermeidungskosten konfrontiert sind.78 Durch das Eigennutz maximierende Streben der Wirtschaftsteilnehmer gelangt so die Ressource Umwelt bzw. das Recht, sie in Anspruch zu nehmen, dorthin, wo sie am höchsten bewertet wird. Weil in der Folge die gesamten Kosten für den Umweltschutz volkswirtschaftlich minimal sind, ist die Zertifikatslösung kosteneffizient.79 Neben der erwähnten Kosteneffizienz verfügt die Zertifikatslösung über eine dynamische Anreizwirkung und eine hohe ökologische Treffsicherheit. Die dynamische Anreizwirkung umschreibt das Potenzial eines Instruments, umwelttechnischen Fortschritt zu induzieren.80 Dadurch dass Emittenten nicht mehr benötigte Zertifikate verkaufen können, ist die Zertifikatslösung in der Lage, das Interesse der Verursacher an der Entdeckung neuer Möglichkeiten zur umweltverträglichen Produktion und deren Ausarbeitung und Einsatz in der Praxis zu wecken.81 Unter ökologischer Treffsicherheit wird die Fähigkeit eines umweltpolitischen Instruments verstanden, das vorgegebene Emissionszielniveau genau zu erreichen.82 Die Zertifikatslösung ist besonders treffsicher, da die Menge der zulässigen Emissionen fixiert ist. So haben auch neu auftretende Emittenten keinen Einfluss auf die gesamte Emissionsbelastung.83 Falls die Gesamtbelastung trotzdem als zu hoch empfunden wird, hat der Staat durch eine so genannte Offenmarktpolitik die Möglichkeit, die im Umlauf befindliche Zahl von Umweltzertifikaten zu verringern, indem er sie zurückkauft und aufbewahrt oder vernichtet.84 Schliesslich entsprechen Zertifikate aus ökonomischer Sicht auch dem Gebot der Wettbewerbsneutralität, weil Unternehmungen mit gleicher Umweltbelastung auch die gleichen finanziellen Lasten zu tragen haben.85 Gemäss der Invarianzthese des Coase-Theorems ist es für die effiziente Allokation der Ressourcen unerheblich, wer die Nutzungsrechte am vom externen Effekt betroffenen Umweltmedium zugeteilt erhält. Die Form der Erstvergabe 78
Endres, S. 126; Jacobs, S. 55. Jacobs, S. 55; Endres, S. 126. Ob sich mit der Zertifikatlösung wie bei direkten Verhandlungen gemäss Coase-Theorem auch Paretoeffizienz einstellt, hängt massgeblich von der paretoeffizienten Festlegung der insgesamt zulässigen Emissionsmenge bzw. des Standards ab. 80 Endres, S. 106. 81 Jacobs, S. 61. 82 Endres, S. 106. 83 Jacobs, S. 68. 84 Frey, Umweltökonomie, S. 122. 85 Jacobs, S. 65. 79
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ist deshalb für die Funktion des Systems selbst und für dessen Umweltwirksamkeit nicht von Belang, sie spielt aber im Hinblick auf die Wettbewerbssituation der Beteiligten dennoch eine sehr wichtige Rolle.86 Bei den Emissionszertifikaten stellt sich daher gleichwohl die Frage nach der Zuteilung der Nutzungsrechte. Als Erstzuteilungsverfahren für die Zertifikatslösung wird entweder die Versteigerung („Auctioning“) oder die Orientierung an der historischen Umweltbelastung der jeweils Beteiligten („Grandfathering“) vorgeschlagen.87 Während die Zertifikatsvergabe beim Versteigerungsverfahren entgeltlich an den Meistbietenden erfolgt, werden die Emittenten beim „Grandfathering“ entsprechend ihres früheren Bedarfs – gegebenenfalls abzüglich einer Reduktionsvorgabe – kostenlos mit Zertifikaten ausgestattet.88 Beim „Auctioning“-Ansatz werden die Beteiligten durch regelmässig abzuhaltende Versteigerungen mit Zertifikaten ausgestattet.89 Jedem Beteiligten, auch neu hinzutretenden, wird dieselbe Chance zum Erwerb geboten und jeder kann selber bestimmen, wie viele Zertifikate (von den insgesamt auszugebenden) er erwerben möchte. Durch diese Ausgestaltung wird die politisch und rechtlich schwierige Entscheidung, nach welchen Kriterien welche Menge an Zertifikaten den einzelnen Beteiligten zugeteilt werden soll, weitgehend umgangen. So wandern die Zertifikate bereits zu Beginn dorthin, wo sie den grössten Nutzen stiften, was zu einer relativ hohen ökonomischen Effizienz führt.90 Allerdings weist auch dieses Verfahren trotz der grossen Vorteile nicht unerhebliche Schwächen auf. Da die im Rahmen der Versteigerung häufig durch Prognosen über die zukünftige gesamtwirtschaftliche Entwicklung und individuelle Produktionsauslastung zustande gekommenen Preise auch massgebende Faktoren für die Preisbildung im Handel darstellen, könnte der Zertifikatsmarkt erheblichen Schwankungen unterliegen.91 Infolgedessen könnte eine längerfristige Planung der Beteiligten stark erschwert werden. Ausserdem können sich die involvierten Parteien vor den Versteigerungen absprechen, was zu einer Verzerrung des Marktes führen kann.92 Beim „Grandfathering“ hingegen verfügen die Umweltnutzer über eine relativ grosse Planungs- und Rechtssicherheit und ihnen entstehen keine zusätzlichen Kosten.93 Diesen Vorteilen stehen aber gewichtige Nachteile entgegen: Unternehmungen, die bereits vor der Vergabe Umweltinvestitionen getätigt ha86 Diehr, S. 36. Zu den Einkommens und Wohlfahrtseffekten der Verteilungsart siehe auch Perman et al., S. 224 ff. 87 Feess, S. 124 f. 88 Zu den verschiedenen Erstvergabeverfahren siehe Diehr, S. 36 f. 89 Diehr, S. 38. 90 Cansier, S. 99. 91 Boie, S. 160. 92 Diehr, S. 39. 93 Cansier, S. 99.
C. Das Coase-Theorem
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ben, erfahren eine faktische Benachteiligung, da sie wegen ihrer reduzierten Emissionsmenge weniger Zertifikate zugeteilt erhalten.94 Schwierigkeiten wirft diese Verteilungsart zudem bei während der Handelsperiode hinzutretenden Beteiligten auf. Mangels konkreter historischer Umweltbelastungen müssen deshalb ergänzende Kriterien herangezogen werden.95 Die Versteigerungslösung dürfte deshalb insgesamt einem „Grandfathering“ überlegen sein. Aus Gründen der politischen Durchsetzbarkeit wird aber in der Praxis dennoch häufig das letztere Zuteilungsverfahren verwendet.96 Als praktisches Anwendungsbeispiel der Zertifikatslösung lässt sich das am 11. Dezember 1997 beschlossene Kyoto-Protokoll als Zusatzprotokoll zur Ausgestaltung der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) mit dem Ziel des Klimaschutzes anführen. Darin konnten sich die teilnehmenden Staaten erstmals auf ein verbindliches Mengenziel bei der Reduktion und Begrenzung von sechs Treibhausgasen97 einigen.98 Die Industriestaaten verpflichteten sich darin, im Zeitraum von 2008 bis 2012 zu einer aggregierten Emissionsreduktion dieser Treibhausgase um 5.2% im Vergleich zu 1990.99 Nicht jedes unterzeichnende Land hat dieselben Verpflichtungen zur Emissionsbegrenzung; vielmehr wurden länderspezifische Emissionsziele und Interaktionsmöglichkeiten ausgehandelt, die dem Entwicklungsstand des jeweiligen Landes Rechnung tragen.100 Im Kyoto-Protokoll wird den unterzeichnenden Vertragsstaaten zudem lediglich ihr Emissionsziel verbindlich vorgegeben; wie dieses Ziel konkret erreicht werden soll, bleibt den Vertragsstaaten weitgehend selbst überlassen.101 Nachdem das Kyoto-Protokoll an der 3. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention im japanischen Kyoto verabschiedet wurde, lag sein Inkrafttreten für lange Zeit in der Schwebe, da es dafür noch zwei Hürden zu überwinden galt: Das Protokoll musste von mindestens 55 Ländern ratifiziert werden und die teilnehmenden Staaten mussten gleichzeitig 55% der CO2-Emissionen 94
Boie, S. 160. Diehr, S. 37. 96 Mühlbauer, S. 27 f. 97 Kohlenstoffdioxid (CO , dient als Referenzwert), Methan (CH ), Distickstoffoxid 2 4 (Lachgas, N2O), teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (H-FKW/HFCs), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW/PFCs) und Schwefelhexafluorid (SF6). 98 Endres, S. 260; Diehr, S. 61. 99 Endres, S. 260; Diehr, S. 62. 100 Mühlbauer, S. 34 f. So hat die Schweiz z. B. eine Emissionsreduktionsvorgabe von –8%, Deutschland –21%, Vereinigtes Königreich –12.5%, Japan –7%, Russland 0% und Spanien +15%. Die Erstvergabe der Emissionsrechte erfolgt dabei durch ein modifiziertes „Grandfathering“-Verfahren, das auf den Emissionsstand von 1990 unter Berücksichtigung der länderspezifischen Reduktionsverpflichtung abstellt. 101 Diehr, S. 63. CO -Reduktionen durch den Bau von Atomkraftwerken an Stelle 2 von z. B. Kohlekraftwerken können jedoch nicht angerechnet werden. 95
94
§ 4 Die Ökonomische Analyse des Rechts
der an der Rahmenkonvention von 1992 beteiligten Ländern auf sich vereinigen.102 Nach dem Austritt der USA verhalf schliesslich Russland mit seinem Beitritt zum Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls am 16. Februar 2005.103 Das Protokoll kann als Meilenstein der internationalen Klimapolitik betrachtete werden, da es erstmals völkerrechtlich verbindliche Klimaschutzziele festlegt und diese in einen fixen Zeitrahmen stellt. Der ökonomische Kern des Kyoto-Protokolls liegt in den Bestrebungen, die Emissionsreduktionen möglichst kosteneffizient zu erreichen. Dazu werden im Protokoll drei so genannte flexible Mechanismen, die Kyoto-Mechanismen, vorgeschlagen.104 Neben dem beschriebenen Handel mit Emissionsrechten („emission trading“) sind dies der Mechanismus der gemeinsamen Durchführung („joint implementation“) und der Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung („clean development“).105 Sowohl der Mechanismus der gemeinsamen Durchführung als auch der Mechanismus der umweltverträglichen Entwicklung dienen der Kooperation von Vertragsstaaten bei der Durchführung von Klimaschutzprojekten und ermöglichen den Vertragsstaaten, ihre Emissionsreduktionsverpflichtungen zum Teil im Ausland erbringen zu dürfen.106 Neben den Vorteilen eines vermehrten Umwelttechniktransfers birgt der „clean development“-Mechanismus jedoch die Gefahr eines so genannten „Ökokolonialismus“. Damit nicht alle Umweltbestrebungen in den Entwicklungsländern durchgeführt werden und die heimische Industrie weiterhin unbekümmert emittiert, wurde die Anrechenbarkeit der Emissionsreduktionen durch Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern begrenzt.107 Die flexiblen Mechanismen lassen es auch zu, dass sich mehrere Staaten zu einer Emissionsgemeinschaft zusammenschliessen, um ihre Verpflichtungen gemeinsam zu erfüllen (so genanntes Blasenkonzept). So hat sich zum Beispiel die Europäische Union als Emissionsgemeinschaft zu einer Emissionsreduktion von –8% verpflichtet; innerhalb dieser Gemeinschaft dürfen die 102
Endres, S. 261. Mühlbauer, S. 25. 104 Mühlbauer, S. 35 f.; Endres, S. 261. 105 Endres, S. 261; Diehr, S. 64 f. 106 So können sich beispielsweise die Niederlande durch die Finanzierung eines Windparks in Litauen („joint implementation“) oder einer Solarstromanlage in Brasilien („clean development“) Emissionsreduktionen auf ihre Kyoto-Verpflichtung anrechnen lassen. Auf diese Weise werden nicht zuletzt auch Entwicklungsländer in die KyotoMassnahmen mit einbezogen. Die Kooperation erfolgt dabei allerdings nicht direkt auf staatlicher Ebene, sondern auf der konkreten Projektebene der durchführenden Unternehmungen. Mühlbauer, S. 36 f.; Diehr, S. 66. 107 Diehr, S. 68. Wenn z. B. in Polen CO günstiger vermieden werden kann als in 2 Deutschland und dafür in Deutschland CH4 günstiger als in Polen, so sind beide daran interessiert, die Reduktionen beim jeweils günstiger zu vermeidenden Treibhausgas vorzunehmen. 103
C. Das Coase-Theorem
95
nationalen Reduktionsverpflichtungen jedoch unterschiedlich hoch ausfallen.108 So können insbesondere auch die länderspezifischen Vorteile bei der Reduktion bestimmter Gase ausgenützt werden.109 Ob der Zertifikatshandel tatsächlich zu einer Reduktion der Emissionen führt, ist zumindest zum heutigen Zeitpunkt fraglich. Wohl aus politischen Gründen wurden nämlich manchen Ländern keine Reduktionsverpflichtungen auferlegt. So müssen beispielsweise Russland und die Ukraine ihre Emissionen bis zum Jahr 2012 nur auf dem Niveau von 1990 stabilisieren. Da diese Länder aber seit 1990 aufgrund des Zusammenbruchs des Industriesektors nach dem politischen Umbruch einen Emissionsrückgang von etwa 30% erlebt haben, können sie überschüssige Emissionszertifikate an andere Staaten verkaufen, ohne dafür Emissionen reduzieren zu müssen.110 Man spricht vom „Hot-air-Problem“, da nur „heisse Luft“ verkauft wird mit der Folge, dass der Emissionshandel gar zu einem Anstieg der Emissionen führt.111 Ohne Kyoto-Protokoll hätten aber die Emissionen erst recht zugenommen und viele wertvolle Erfahrungen der internationalen Kooperation hätten nicht gesammelt werden können. Im Dezember 2007 wurde in Bali anlässlich der 13. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention erneut über die Zukunft der globalen Klimapolitik verhandelt. Ziel der Gespräche war eine Einigung auf eine Road Map (Bali Action Plan), die als Fahrplan für die künftigen Verhandlungen über das klimapolitische Regime nach 2012 dienen soll. Konkrete Ziele wurden aber an dieser Konferenz noch nicht festgelegt. Ein vorgeschlagenes Reduktionsziel von 25 bis 40% der Emissionen wurde auf Druck Japans und den USA aus den Texten gestrichen. Immerhin hatten aber wichtige Länder – darunter Indien, China und erstmals die USA – ihre Bereitschaft bekundet, sich in der globalen Klimapolitik zu engagieren. An der Weltklimakonferenz 2011 in Durban wurde eine Verlängerung des Kyoto-Protokolls und des ursprünglichen Verpflichtungszeitraums beschlossen. 2015 wurde das Übereinkommen von Paris, welches das Kyoto-Protokoll ab dem Jahr 2020 ablösen soll, verabschiedet. Es hat zum Ziel, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 ëC, möglichst auf 1,5 ëC, zu begrenzen. Hierzu sollen die globalen Netto-Treibhausgasemissionen in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts auf null reduziert werden. In der Zwischenzeit sind alle Staaten der Welt dem Abkommen beigetreten oder haben eine entsprechende Absicht bekundet. 2017 gaben die USA jedoch bekannt, aus dem Übereinkommen wieder austreten zu wollen.
108 109 110 111
Wiesmeth, S. 13. Endres, S. 263; Diehr, S. 65. Wiesmeth, S. 262. Siehe Endres, S. 264 ff.
96
§ 4 Die Ökonomische Analyse des Rechts
D. Anwendungen der Ökonomischen Analyse des Rechts Im folgenden Abschnitt sollen exemplarisch einige Anwendungen der Ökonomischen Analyse des Rechts vorgestellt werden. Wir beginnen mit einer ausführlichen Darstellung eines Modells zum Deliktsrecht, welches ein beliebtes Anwendungsfeld der Ökonomischen Analyse des Rechts darstellt. Es folgen zwei kleinere Beispiele zum Vertragsrecht und zur ökonomischen Analyse der Kriminalität. Abschliessend wird am Beispiel des Wettbewerbsrechts gezeigt, wie die Ökonomische Analyse des Rechts von den Erkenntnissen der Verhaltensökonomie profitieren kann. I. Die Anreize von Haftungsregeln 1. Einleitung Aus der Sicht der Ökonomischen Analyse des Rechts fällt schadensrechtlichen Haftungsregeln nicht primär die Aufgabe zu, den allfälligen Ersatz des entstandenen Schadens zu regeln – daran denkt in erster Linie der Jurist –, sondern einen Einfluss auf das zukünftige Verhalten der potenziellen Schädiger bzw. Geschädigten auszuüben. Die ökonomische Analyse ist eine ex ante-Betrachtung, die juristische Sichtweise eine ex post-Betrachtung. Bei der Beurteilung eines Schadensfalles interessiert den Ökonomen nicht primär der Fall, der bereits geschehen ist112, sondern die Fälle, die in Zukunft geschehen könnten. Es geht ihm also um die Präzedenzwirkung des Rechts. Gemäss der Ökonomischen Analyse des Rechts besteht das Ziel des Haftungsrechts darin, die gesellschaftlichen Kosten von Unfällen zu minimieren. Guido Calabresi entwickelte in diesem Zusammenhang die Argumentationsfigur des „cheapest cost avoider“: derjenige soll den Schaden tragen, der den Schadenseintritt mit dem geringsten Aufwand vermeiden kann.113 Unerlaubte Handlungen sind ökonomisch gesehen eine nichtmarktlich koordinierte Nutzungskonkurrenz um knappe Ressourcen und lassen sich deshalb als Externalitäten interpretieren. Da zum Entstehen externer Effekte gemäss Coase stets mindestens zwei Akteure beitragen (beide in der Funktion als Verursacher), sollte eine effiziente Haftungsregel verlangen, dass beide an einem Schaden beteiligten Parteien zur Bestimmung ihres optimalen Verhaltens die vollen (internen und externen) Kosten berücksichtigen müssen.114
112 113 114
Diese Kosten sind „versunken“ und daher nicht mehr entscheidungsrelevant. Calabresi, Accidents, S. 136 ff. Koboldt/Leder/Schmidtchen, S. 364.
D. Anwendungen der Ökonomischen Analyse des Rechts
97
2. Ein Modell zur Minimierung der sozialen Kosten von Unfällen115 Die erwarteten gesellschaftlichen Kosten K eines Unfalls berechnen sich im folgenden Modell aus den Kosten der Vorsichtsmassnahmen, die den Schaden verhindern sollen, und dem erwarteten Schaden eines Unfalls. Das Gebot der Effizienz erfordert, dass die erwarteten gesellschaftlichen Kosten von Unfällen minimiert werden. Das Ausmass der Vorsichtsmassnahmen sei mit x bezeichnet, wobei eine Einheit an Vorsichtsmassnahmen den Betrag von v Geldeinheiten koste.116 Folglich berechnen sich die Vorsichtsmassnahmen aus vx, was grafisch einer ansteigenden Geraden durch den Ursprung mit der Steigung v entspricht. Die Wahrscheinlichkeit p eines Unfalls nehme bei höheren Vorsichtsmassnahmen ab, weshalb p
x eine fallende Funktion darstellt. S sei der mit Geld bezifferte Schaden117 eines Unfalls, p
xS ist somit der Erwartungswert des Schadens eines Unfalls. Wir nehmen an, dass S konstant ist, so dass auch p
xS eine fallende Funktion ist. Als Summe aus den Kosten der Vorsichtsmassnahmen und dem erwarteten Schaden erhalten wir die Funktion der erwarteten gesellschaftlichen Kosten:
14
K
x vx p
xS
Diese Kurve hat ihr Minimum in der Abbildung 12 bei x , welches das gesellschaftlich effiziente Mass an Vorsichtsmassnahmen darstellt. Mathematisch sind die gesellschaftlichen Kosten von Unfällen minimal, wenn die erste Ableitung der Gleichung (14) gleich null ist:118
15
16
K 0
x v p0
xS 0 v
p0
x S
Im Optimum sind die Grenzkosten v einer zusätzlichen Einheit an Vorsichtsmassnahmen gleich den eingesparten Grenzkosten des erwarteten Schadens 115
Cooter/Ulen, S. 271 f. Die Variable v sei hier der Einfachheit halber als konstant angenommen. Man könnte das Modell aber problemlos – im Sinne des Prinzips der abnehmenden Abstraktion – um die Annahme erweitern, dass v mit zunehmendem Mass an Vorsichtsmassnahmen variiert. 117 Es handelt sich hier um einen ökonomischen Schadensbegriff, der die gesamte in Geld bewertete Nutzenminderung (materieller und immaterieller Art) umfasst. Zum Schaden im ökonomischen Sinne gehören auch Schäden, die von unserem normativen Schadensbegriff nicht erfasst werden, sowie die immaterielle Unbill, die als Genugtuung abgegolten wird. 118 Ausserdem muss die zweite Ableitung grösser null sein, d. h. K 00
x 00 p
xS > 0. 116
98
§ 4 Die Ökonomische Analyse des Rechts
Kosten
K(x)=vx+p(x)S vx
p(x)S x*
x Vorsichtsmassnahmen
Abbildung 12: Gesellschaftliche Kosten von Unfällen
p0
x S.119 Wenn das Mass an Vorsichtsmassnahmen gemäss dieser Gleichung gewählt wird, ist die Lösung gesellschaftlich effizient. Dies bedeutet, dass Vorsichtsmassnahmen bis zu jenem Ausmass zu treffen sind, wie der Grenzschaden – der dadurch voraussichtlich verhindert werden kann – mindestens so hoch ist wie die Grenzkosten v, die zur Vermeidung der entsprechenden Menge an Grenzschaden aufzuwenden sind. Im Optimum sind Grenzschaden und Grenzkosten gleich hoch.120 3. Erklärung anhand eines Beispiels Eine Fabrik produziere Abwässer, die bei den Anwohnern Krebs verursachen können. Würden die Abwässer nicht gereinigt, so entstünden dadurch Krankheitsschäden im Wert von voraussichtlich 10 Mio. Franken. Durch den Einbau
119
Das Superskript * steht für „Optimum“. Der Grenzschaden ist mathematisch infinitesimal klein. In der praktischen Anwendung wählt man jedoch eine endliche Einheit. Siehe dazu auch das nachstehende Beispiel. 120
D. Anwendungen der Ökonomischen Analyse des Rechts
99
einer Kläranlage mit nur einer Reinigungsstufe, die 4 Mio. Franken kostet121, könnten die Krankheitsschäden um 5 Mio. Franken122 reduziert werden. Mit dem Einbau einer zweiten Reinigungsstufe, die weitere 4 Mio. Franken kostet, wäre eine weitere Reduktion der Krankheitsschäden um 3 Mio. Franken möglich. Der Einbau der ersten Reinigungsstufe ist gesellschaftlich effizient: 4 Mio. Franken an Kosten stehen einer erwarteten Schadensreduktion von 5 Mio. Franken gegenüber, so dass netto ein gesellschaftlicher Gewinn von 1 Mio. Franken resultiert. Die Investition in eine zweite Reinigungsstufe wäre aber ineffizient: Die erwartete zusätzliche Schadensreduktion von 3 Mio. Franken verursacht zusätzliche Kosten von 4 Mio. Franken und würde gesellschaftlich einen Wert von 1 Mio. Franken vernichten.123 4. Einseitige Vorsichtsmassnahmen durch den Geschädigten124 Im dargestellten Modell wurde nicht gesagt, wer die genannten Vorsichtsmassnahmen trifft. Manchmal kann nur der potenzielle Schädiger Vorsichtsmassnahmen treffen, z. B. wenn ein Chirurg einen bewusstlosen Patienten operiert. Manchmal können jedoch sowohl der Schädiger als auch der Geschädigte Vorsichtsmassnahmen treffen, z. B. wenn der Hersteller eines Medikaments auf dessen Reinheit achtet und der Verbraucher sich an die empfohlene Dosierung hält. Das Modell von Cooter und Ulen stellt das Verhältnis zwischen den gesellschaftlichen Kosten und den Vorsichtsmassnahmen des Geschädigten und des Schädigers dar. Es stellt sich nun die Frage, welche Anreize die verschiedenen Haftungsregeln auf das Verhalten der beteiligten Personen ausüben. Wir analysieren nun die beiden folgenden Haftungsregeln: Der Geschädigte muss den Schaden selber tragen („no liability“)125, sowie die Regel, dass dem Geschädigten der volle Schaden ersetzt wird („strict liability“), dies entspricht in etwa dem Prinzip der Gefährdungshaftung. Wir untersuchen dabei zunächst den Fall, in dem der Ge-
121
Dies entspricht in der Formel (16) der Variable v (linke Seite der Gleichung). In der Formel (16) wird dies mit dem Ausdruck p0
x S wiedergegeben (rechte Seite der Gleichung). Es ist klar, dass der Wert von Krankheitsschäden schwierig zu bestimmen ist, v. a. auch deshalb, weil ein grosser Teil davon immaterieller Natur ist. 123 Man könnte dagegen einwenden, beide Reinigungsstufen zusammen kosteten 8 Mio. Franken, womit sich der gleiche Betrag an Krankheitskosten vermeiden liesse. Tatsächlich ist diese Lösung einem Zustand ohne Abwasserklärung bezüglich Effizienz ebenbürtig. Im Vergleich zur Lösung mit nur einer Reinigungsstufe wird jedoch gesellschaftlich wiederum 1 Mio. Franken vernichtet. Hier zeigt sich die Überlegenheit der Marginalanalyse (Grenzbetrachtung) gegenüber einer Analyse, die mit Gesamt- oder Durchschnittswerten rechnet. Siehe dazu auch § 2 D. am Ende. 124 Cooter/Ulen, S. 272 f. 125 Man spricht in diesen Fall auch von „Opferhaftung“. 122
100
§ 4 Die Ökonomische Analyse des Rechts
schädigte allein die Vorsichtsmassnahmen trifft. Die entsprechenden Kosten betragen vG xG .126 a) Keine Haftung („no liability“) Gemäss der Haftungsregel „no liability“ muss der Geschädigte den ganzen erwarteten Schaden selber tragen. Dessen Erwartungswert beträgt p
xG S. Zusammen mit den Kosten der Vorsichtsmassnahmen betragen die Kosten des Geschädigten:
17
KG
xG vG xG p
xG S
Der Geschädigte hat ein Interesse, seine Kosten zu minimieren. Da die Gleichung (17) der Gleichung (14) entspricht, gilt das Ergebnis in Gleichung (16) analog:
18
vG
p0
xG S
Dieses Ergebnis bedeutet, dass der Geschädigte die Vorsichtsmassnahmen in effizienter Weise trifft. Wenn der Geschädigte keinen Schadenersatzanspruch geltend machen kann, hat er einen Anreiz, das gesellschaftlich effiziente Mass an Vorsichtsmassnahmen zu treffen. b) Gefährdungshaftung („strict liability“) Wir diskutieren nun den zweiten Fall, der vorsieht, dass dem Geschädigten der volle Schaden ersetzt wird. Wie im ersten Fall betragen die Kosten der Vorsichtsmassnahmen des Geschädigten vG xG , und der erwartete Schaden beläuft sich auf p
xG S. Der Geschädigte erhält nun aber den Schadenersatz E, wenn ein Unfall passiert. Der Schadenersatz decke den ganzen Schaden (E S, folglich S E 0). Die Kosten des Geschädigten betragen dann:
19
20
KG
xG vG xG p
xG
S
E
KG
xG vG xG
Der Geschädigte wird vG xG minimieren. Weil x nicht negativ sein kann, liegt das Minimum bei xG 0. Die effiziente Lösung wäre jedoch ein Verhalten gemäss Gleichung (18). Bei einer Gefährdungshaftung mit vollem Ersatz des Schadens hat der Geschädigte keinen Anreiz, Vorsichtsmassnahmen zu treffen, was gesellschaftlich ein ineffizientes Ergebnis bedeutet. 126
Das Subskript G steht für „Geschädigter“.
D. Anwendungen der Ökonomischen Analyse des Rechts
101
5. Einseitige Vorsichtsmassnahmen durch den Schädiger127 Wir betrachten nun, wie die Anreize der beiden Haftungsregeln auf das Verhalten des Schädigers einwirken. Zunächst wird unterstellt, dass der Schädiger die Vorsichtsmassnahmen trifft; folglich trägt er auch die entsprechenden Kosten vS xS .128 a) Keine Haftung („no liability“) Wenn der Schädiger nicht schadenersatzpflichtig ist, muss er lediglich die Kosten der Vorsichtsmassnahmen vS xS tragen. Diese Kosten sind minimal bei xS 0. Effizient wäre jedoch ein Verhalten gemäss Gleichung (18). Wenn der Schädiger nicht haftpflichtig ist, fehlt ihm jeglicher Anreiz, Vorsichtsmassnahmen zu treffen, was gesellschaftlich ineffizient ist. b) Gefährdungshaftung („strict liability“) Gemäss dieser Haftungsregel trägt der Schädiger sowohl die Kosten der Vorsichtsmassnahmen als auch die Kosten eines allfälligen Unfalls:
21
KS
xS vS xS p
xS S
Der Schädiger wird seine Kosten minimieren. Da die Gleichung (21) der Gleichung (14) entspricht, gilt das Ergebnis in Gleichung (16) auch hier analog:
22
vS
p0
xS S
Dieses Ergebnis bedeutet, dass der Schädiger die Vorsichtsmassnahmen in effizienter Weise trifft. Da er den vollen Schaden ersetzen muss, ist dies für ihn ein Anreiz, das gesellschaftlich effiziente Mass an Vorsichtsmassnahmen zu treffen. 6. Folgerungen129 Wir erkennen die Symmetrie der Ergebnisse: Die Anreize des Geschädigten gemäss der einen Haftungsregel entsprechen den Anreizen des Schädigers gemäss der anderen Haftungsregel. Die Folgerung daraus lautet: Kann nur der Geschädigte Vorsichtsmassnahmen treffen, so ist das Ergebnis gesellschaftlich effizient, wenn dieser den Schaden selber tragen muss. Kann hingegen nur der
127 128 129
Cooter/Ulen, S. 273 f. Das Subskript S steht für „Schädiger“. Cooter/Ulen, S. 274 f.
102
§ 4 Die Ökonomische Analyse des Rechts
Schädiger Vorsichtsmassnahmen treffen, so ist eine Gefährdungshaftung mit vollem Ersatz des Schadens die gesellschaftlich effiziente Haftungsregel. 7. Bilaterale Vorsichtsmassnahmen130 Nun betrachten wir den Fall, in dem sowohl der Geschädigte als auch der Schädiger Vorsichtsmassnahmen treffen können. Unter dieser Voraussetzung lautet die gesellschaftliche Kostenfunktion wie folgt:
23
K
x vG xG vS xS p
xG ; xS S
Die gesellschaftlichen Kosten werden minimiert, indem xG und xS bestimmt werden. Die Ergebnisse der bisherigen Analyse gelten in gleicher Weise auch bei bilateralen Vorsichtsmassnahmen: Die Regel „strict liability“ mit voller Kompensation des Schadens bewirkt beim Schädiger, die Regel „no liability“ dagegen beim Geschädigten ein effizientes Verhalten. In beiden Fällen verhält sich jedoch die andere Seite ineffizient. Somit entsteht ein Dilemma: Weder die eine noch die andere der genannten Haftungsregeln schafft bei beiden beteiligten Parteien Anreize für ein gesellschaftlich effizientes Verhalten, wie es im Fall der Möglichkeit bilateraler Vorsichtsmassnahmen erforderlich wäre.131 Das Problem lässt sich nicht etwa dadurch lösen, dass man den Schaden hälftig aufteilt. Zwar hätten dann beide Seiten einen Anreiz, Vorsichtsmassnahmen zu treffen, jedoch nicht im erforderlichen Masse. Das Ergebnis wäre daher ebenfalls suboptimal.132 a) Haftung für Fahrlässigkeit („negligence“)133 Da die bisher diskutierten Haftungsregeln bei der Möglichkeit bilateraler Vorsichtsmassnahmen nicht zu einem befriedigenden Ergebnis geführt haben, prüfen wir nun, ob eine Haftung für Fahrlässigkeit ein effizientes Ergebnis ergibt. Diese Haftungsregel legt einen gesetzlichen Sorgfaltsmassstab xo fest, den ein potenzieller Schädiger mindestens einhalten muss, um eine Schadenersatzpflicht zu vermeiden. Wir setzen das gesetzlich erforderte Sorgfaltsniveau auf dem gesellschaftlich effizienten Niveau fest (xo x ). Wir betrachten nun die
130
Cooter/Ulen, S. 275 f. Im Sinne der Gleichungen (18) und (22). 132 Eine mögliche Lösung wäre, zum einen den Schädiger in vollem Umfang für den Schaden haftbar zu machen und zum andern den Geschädigten ebenfalls den vollen Schaden tragen lassen. Bei einer solchen Entkoppelung von Schaden und Schadenersatz müsste der Schädiger den Schadenersatz z. B. an den Staat abliefern. 133 Cooter/Ulen, S. 276 f. 131
D. Anwendungen der Ökonomischen Analyse des Rechts
103
Kostenfunktion des Schädigers. Im verbotenen Bereich (x < xo ) ist der Schädiger haftpflichtig. Er trägt die Kosten seiner Vorsichtsmassnahmen vS xS und den erwarteten Schaden p
xS S. Seine Kostenfunktion im unerlaubten Bereich ist die Kurve vS xS p
xS S. Im erlaubten Bereich (x xo ) ist der Schädiger jedoch nicht haftpflichtig und trägt somit nur die Kosten seiner eigenen Vorsichtsmassnahmen vS xS . Deshalb ist in diesem Bereich die Kostenfunktion die Gerade vx in der Abbildung 13. Die Kostenfunktion des Schädigers weist damit bei xo eine Sprungstelle auf. Dort befindet sich gleichzeitig das Kostenminimum. Wenn man einen minimalen gesetzlichen Sorgfaltsmassstab festlegt und der Schädiger den vollen Schaden ersetzen muss, dann hat er einen Anreiz, diesen Sorgfaltsmassstab einzuhalten. Entspricht dabei der gesetzliche Sorgfaltsmassstab dem effizienten Mass an Vorsichtsmassnahmen, dann ist das Verhalten des potenziellen Schädigers gesellschaftlich effizient. Entscheidend ist nun aber die Frage, wie sich der potenziell Geschädigte in diesem Fall verhält. Wenn sich der Schädiger durch Einhaltung eines Sorgfaltsmassstabes einer Schadenersatzpflicht entziehen kann, wird sich der Geschädigte verhalten wie bei der Regel „no liability“. Wie wir wissen, hat er dann
Kosten
unerlaubter Bereich xx°
erwartete Kosten vx+p(x)S vx
x°=x*
x Vorsichtsmassnahmen
Abbildung 13: Erwartete Kosten bei einem Sorgfaltsmassstab
104
§ 4 Die Ökonomische Analyse des Rechts
ebenfalls einen Anreiz, das effiziente Mass an Vorsichtsmassnahmen zu treffen. Eine Haftung für Fahrlässigkeit führt daher sowohl beim Schädiger als auch beim Geschädigten grundsätzlich zu effizientem Verhalten, sofern der gesetzliche Sorgfaltsmassstab dem effizienten Niveau entspricht.134 b) Die Bestimmung des Fahrlässigkeitsmassstabs („Hand Rule“) In unserem Modell der Haftung für Fahrlässigkeit haben wir unterstellt, dass der gesetzlich festgelegte Sorgfaltsmassstab dem effizienten Niveau entspricht. Dass andernfalls kein effizientes Ergebnis erzielt werden kann, versteht sich somit von selbst. Learned Hand, ein amerikanischer Bundesrichter, hat 1947 – also lange vor der Zeit der Ökonomischen Analyse des Rechts – in einem Urteil eine ökonomische Methode zur Bestimmung des effizienten Sorgfaltsmassstabes formuliert, welche als „Learned Hand Formula“ oder „Hand Rule“ in die Literatur eingegangen ist. Im zu beurteilenden Fall ging es um die Frage, ob der Eigentümer einer Barke dafür haftbar gemacht werden kann, dass er diese während mehrerer Stunden unbeaufsichtigt gelassen hatte. In dieser Zeit riss sich die Barke von ihrem Standplatz los und kollidierte in der Folge mit einem anderen Schiff. Richter Hand führte in seinem Urteil aus: „[T]here is no general rule to determine when the absence of a bargee or other attendant will make the owner of the barge liable for injuries to other vessels if she breaks away from her moorings. [. . .] It becomes apparent why there can be no such general rule, when we consider the grounds for such a liability. Since there are occasions when every vessel will break from her moorings, and since, if she does, she becomes a menace to those about her, the owner’s duty, as in other similar situations, to provide against resulting injuries is a function of three variables: (1) The probability that she will break away; (2) the gravity of the resulting injury, if she does; (3) the burden of adequate precautions.“135
In der weiteren Urteilsbegründung konkretisierte Richter Hand diese Ausführungen mit einem mathematischen Ausdruck. Wenn B die Kosten für die Vorsichtsmassnahmen des Schädigers darstellt, P für die Schadenswahrscheinlichkeit und L für den erwarteten Schaden steht, dann ergibt sich eine deliktische Haftung aus Verschulden, solange gilt:136
24
B B > C
II
C > A > B
III
B > C
> A
Bei einer Mehrheitsabstimmung wird A gegen B mit 2:1 Stimmen und B gegen C ebenfalls mit 2:1 Stimmen siegen. Aus logischen Gründen (Gesetz der Transitivität) müsste folglich auch A gegegenüber C erfolgreich sein. Eine direkte Abstimmung zwischen A und C führt jedoch zum paradoxen Ergebnis, dass C mit 2:1 Stimmen gegen A obsiegt. Aufgrund zyklischer Mehrheiten ist es also bei Vorliegen des Paradoxons unmöglich, einen eindeutigen Gewinner zu ermitteln. Das Ergebnis kann folglich durch die Reihenfolge, in der die Alternativen vorgelegt werden, beeinflusst werden.67 Kenneth J. Arrow hat mathematisch bewiesen, dass kein Abstimmungsverfahren, das auf ordinalen Präferenzordnungen basiert, zu einer transitiven gesellschaftlichen Präferenzordnung führt.68 Dieses sog. Unmöglichkeitstheorem von Arrow bedeutet jedoch nicht, dass logische Inkonsistenzen bei ordinalen Präferenzordnungen zwangsläufig auftreten müssen. Es wird lediglich gesagt, dass instabile Ergebnisse bei Abstimmungen nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden können.69 65 66 67 68 69
Die Mehrheitsregel bildet das Utilitätsprinzip allerdings nur sehr ungenau ab. Frey/Kirchgässner, S. 147. Frey, Politische Ökonomie, S. 96. Arrow, insbes. S. 46 ff. Frey, Politische Ökonomie, S. 97.
C. Kritik
155
IV. Die Vermischung von Sein und Sollen Bei Bentham werden Sein und Sollen in höchst problematischer Weise verkoppelt: Freude und Schmerz sollen sowohl bestimmen, wie der Mensch handelt, als auch, wie er zu handeln hat.70 Der Freude und dem Schmerz kommen also methodisch eine doppelte Funktion zu: als deskriptive Elemente bezüglich der Grundstruktur der menschlichen Motivation und als normative Elemente im Sinne von Kriterien für das moralisch Richtige.71 Die Vorstellung, der Mensch sei in seinem Sein und Sollen ausschliesslich von Freude und Schmerz bestimmt, ist ausserdem ziemlich trostlos. Dies demonstrierte Smart eindrücklich mit seinem Beispiel der „Lustmaschine“:72 Nehmen wir an, es würde ein leicht zu bedienendes Gerät zur Anregung des Lustzentrums im Gehirn erfunden. Damit könnten sich die Menschen direkt Lust verschaffen – und nicht mehr wie heute indirekt über die Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen, Sport, Sexualität, das Lesen von Büchern, Hören von Musik, Diskussionen usw. So liesse sich das Glück, verstanden als Übergewicht von Lust über Schmerz, ohne weiteres vermehren. Aber wäre ein solcher Zustand wünschenswert? Intuitiv wird man die Frage verneinen. Ein Utilitarist dürfte bei dieser Frage aber in Verlegenheit geraten. J. S. Mill vertritt allerdings die Auffassung, es sei besser, ein unzufriedener Sokrates zu sein als ein zufriedener Narr:73 „It is better to be a human being dissatisfied than a pig satisfied; better to be Socrates dissatisfied than a fool satisfied.“ 74
J. S. Mill begründet seinen Standpunkt damit, dass er zwischen verschiedenen Freuden nicht nur einen quantitativen, sondern auch einen qualitativen Unterschied sieht und die höhere Form der Freude der tieferen vorzieht. Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob wir nicht die Freiheit haben, unser moralisches System so zu formen und zu gestalten, dass es besser geeignet ist, das zu fördern, was wir für wertvoll halten.75 V. Verantwortung für fremdes und eigenes Handeln Bernard Williams beanstandet, dass der Utilitarismus zwischen der Verantwortlichkeit für das eigene aktive Handeln und der Unterlassung einer Tat im
70 71 72 73 74 75
Bentham, IPML I 1; siehe vorne Abschnitt B.II. Höffe, Ethik, S. 16. Smart, S. 20. Mackie, S. 186 f. Mill, Utilitarianism II 6. Mackie, S. 186 f.
156
§ 6 Jeremy Benthams Utilitarismus
Zusammenhang mit Handlungen anderer Personen („negative Verantwortlichkeit“) nicht unterscheidet.76 Er führt dazu ein Beispiel an:77 Jim gelangt während einer Expedition in eine südamerikanische Kleinstadt. Auf dem dortigen Marktplatz stehen zwanzig Indianer an einer Wand. Vor ihnen befindet sich eine Gruppe bewaffneter Soldaten. Deren Hauptmann kommt auf Jim zu und erklärt ihm, die zwanzig Indianer, welche zufällig aufgegriffen worden sind, sollen getötet werden, um die Bevölkerung von weiteren Protesten abzuhalten. Da Jim ein angesehener Besucher aus einem fremden Land ist, freut sich der Hauptmann, ihm als Gast das Privileg zu gewähren, selber einen der Indianer zu töten. Falls Jim einwilligt, werden die restlichen Indianer aufgrund der besonderen Umstände frei gelassen. Andernfalls werden – wie ursprünglich vorgesehen – alle zwanzig Indianer getötet. Die Indianer an der Wand und die übrigen Dorfbewohner bitten Jim, in Anbetracht der Lage auf den Vorschlag des Hauptmanns einzugehen. Was soll Jim tun? Aus utilitaristischer Sicht müsste Jim einen Indianer töten, um das Leben der anderen neunzehn Indianer zu retten. Williams argumentiert, dass es einen Unterschied mache, ob man selber töte oder ob jemand anders dies tue. Denn jeder sei in erster Linie für die eigenen Handlungen verantwortlich, und nicht so sehr dafür, wie andere handelten. Es müsse bei diesen Überlegungen auch die persönliche Integrität von Jim beachtet werden und nicht nur das Allgemeinwohl.78 VI. Individuelles versus gesellschaftliches Wohl Wie das Beispiel von Jim unter anderem auch zeigt, fordert der Utilitarismus von der handelnden Person sehr viel Altruismus ab. Diese darf nicht ihren eigenen Nutzen maximieren, sondern muss dem Nutzen der Gesellschaft den Vorrang geben.79 Zwar wird der Nutzen des handelnden Individuums auch zum gesellschaftlichen Nutzen gezählt, was jedoch nicht sicherstellt, dass die beiden Grössen die gleiche Handlung erfordern. Oft müsste ein Individuum gegen seine eigenen Interessen handeln, was wohl eine zu grosse Zumutung sein dürfte.80 Nach Bentham sind Freude und Schmerz die einzigen Triebfedern menschlichen Handelns, womit auf der Ebene des Individuums ein psychologischer Egoismus begründet wird. Das Utilitätsprinzip verlangt dagegen die Förderung des Glücks aller Betroffenen. Dabei stellt sich jedoch die egoistische Motiva76 77 78 79 80
Williams, S. 58. Williams, S. 61 f. Williams, S. 62. Fletcher, S. 145. Vgl. Mackie, S. 163 ff.
C. Kritik
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tionsstruktur gegen die altruistische Norm. Nach Otfried Höffe befindet sich der Mensch, der dem Utilitätsprinzip verpflichtet ist, daher in der tragischen Situation, zu einem Handeln aufgefordert zu sein, das er aufgrund seiner Motivationsstruktur gar nicht vollbringen kann.81 Adam Smith hat das private und das öffentliche Wohl mit der Figur der unsichtbaren Hand in Einklang gebracht.82 Nach Bentham dient das Utilitätsprinzip vor allem auch der Regierung, die mittels staatlicher Intervention den Konflikt zwischen privatem und öffentlichem Wohl entschärfen soll.83 Mit seinem hedonistischen Kalkül will Bentham der Politik das geeignete Instrumentarium dafür bereitstellen.84 Williams hält allerdings die Vorstellung, dass sich die Gesellschaft von einer utilitaristischen Elite regieren liesse, für naiv, ja geradezu absurd. Man dürfe nicht von idealen Beobachtern ausgehen, sondern müsse mit nichtideal Handelnden rechnen.85 VII. Das Problem der Verteilungsgerechtigkeit Eine grosse Schwäche des Utilitarismus zeigt sich in seiner Indifferenz gegenüber der Einkommensverteilung. Die Orientierung am kollektiven Gesamtnutzen lässt nämlich dessen Verteilung völlig ausser Acht. Wird also bei zwei möglichen Handlungen, die denselben kollektiven Gesamtnutzen hervorbringen, dieser Nutzen durch die eine Handlung auf eine kleine Zahl von Personen, durch die andere hingegen auf viele oder alle verteilt, so sind beide Handlungen utilitaristisch gesehen gleichwertig.86 Der Gegensatz zwischen dem Utilitätsprinzip und der Verteilungsgerechtigkeit ist jedoch – worauf Bentham schon hingewiesen hat – nicht so krass, wie es zunächst erscheinen dürfte, denn die Verteilung kann auch beim Utilitarismus eine Rolle spielen. Es ist nämlich nutzenmässig nicht unbedingt belanglos, wie z. B. hundert Äpfel auf hundert Personen verteilt werden. Denn nach dem Gesetz des abnehmenden Grenznutzens wird das Verspeisen des ersten Apfels mehr Freude bereiten als der Genuss des dritten oder vierten, und ab einer gewissen Menge Äpfel verkehrt sich der Grenznutzen eines weiteren Apfels sogar ins Negative, da ein Überkonsum leicht Übelkeit auslösen kann.87 Der Nutzen einer Gesellschaft liesse sich folglich – zumindest statisch betrachtet – erhöhen, wenn man die Einkommen gleichmässiger verteilen würde. Denn der Nutzen81 82 83 84 85 86 87
Höffe, Ethik, S. 16. Siehe § 5 C. Hottinger, S. 297 ff. Höffe, Ethik, S. 17. Williams, S. 105. Kersting, Einführung, S. 101. Vgl. Höffe, Ethik, S. 45 f.
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§ 6 Jeremy Benthams Utilitarismus
entgang, der entsteht, wenn man einem Millionär einen Franken wegnimmt, dürfte deutlich kleiner sein als der Nutzengewinn, der daraus resultiert, wenn man einem Bettler einen Franken gibt. Einer dynamischen Analyse – also einer Folgenbetrachtung über die Zeit hinweg –, hält diese Argumentation allerdings kaum stand. Denn die negativen Anreize einer egalitären Einkommensverteilung auf das Arbeitsverhalten würden zu einem markanten Rückgang der Wirtschaftsleistung führen und damit auch die Wohlfahrt beeinträchtigen.88 Die Einkommensverteilung kann also beim Utilitarismus durchaus eine Rolle spielen, nämlich dann, wenn man das Utilitätsprinzip mit der These vom abnehmenden Grenznutzen verbindet. Dies ändert aber nichts daran, dass die Verteilungsgerechtigkeit dem Ziel des grösstmöglichen gesellschaftlichen Glücks nachgeordnet ist.89 VIII. Das Problem der Grundrechte Der wichtigste Vorwurf gegen den Utilitarismus lautet, dieser nehme den Unterschied zwischen den Menschen nicht ernst und sei nicht imstande, deren Grundrechte zu garantieren. Der Utilitarismus betrachtet die Gesellschaft nach dem Modell des Einzelmenschen: Er konzipiert die Gesellschaft als Ganzes als grossformatigen, nutzenmaximierenden Egoisten und kann die Verschiedenheit der Individuen daher weder moralisch noch rechtlich ernst nehmen.90 Ein Utilitarist sieht den einzelnen Menschen also nicht als ein mit unveräusserlichen Rechten ausgestattetes Individuum. Bentham glaubte aber, dass der Utilitarismus nicht zu einer Verletzung elementarer menschlicher Rechte führe, denn er vertraute darauf, dass eine solche Verletzung einen gesellschaftlichen Nutzenverlust bedingen würde. Er ging auch hier vom Gesetz des abnehmenden Grenznutzens aus: Der Wertverlust, den ein Individuum durch die Wegnahme existenziellen Glücks erfahre, könne nicht dadurch ausgeglichen werden, dass dieses Glück einem andern Individuum zugeschlagen werde, das bereits glücklich sei.91 Der Haken an dieser Argumentation ist, dass sie das Problem der Verletzung fundamentaler Rechte nicht grundsätzlich löst. Denn Fälle, in denen die Verletzung fundamentaler Rechte eines einzelnen Individuums tatsächlich durch den Nutzengewinn der übrigen Gesellschaftsmitglieder ausgeglichen werden kann, lassen sich nicht mit Sicherheit ausschliessen. Folglich bliebe die Unterdrückung oder Benachteiligung von Minderheiten – ja selbst eine Verletzung elementarer Menschenrechte – erlaubt, sofern damit eine Besserstellung der Mehr88 89 90 91
Siehe § 9 D.III. Hottinger, S. 277. Vgl. Kersting, Einführung, S. 102. Hottinger, S. 275 f.
C. Kritik
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heit einherginge und sich die kollektive Glücksbilanz dadurch per Saldo verbessern würde. Eine Sklaven- oder eine Feudalgesellschaft, aber auch ein Polizeioder Militärstaat wären – solange sich die Wohlfahrt dadurch maximieren liesse – nicht nur erlaubt, sondern sogar sittlich geboten, auch wenn sie extreme Eingriffe in den Freiheitsraum einzelner Bürger oder extreme ökonomische und soziale Ungleichheiten mit sich bringen würden.92 Der Handlungsutilitarismus erlaubt unter Umständen sogar, einen Unschuldigen zu töten, wenn sich dadurch das soziale Wohlergehen erhöhen lässt. Als Beispiel sei auf einen Fall aus den Südstaaten der USA verwiesen, in dem ein Schwarzer zum Tode verurteilt wurde, obwohl er an der ihm angelasteten Tat nach Wissen des Gerichts völlig unschuldig war. Denn nur dadurch vermochte man den aufgebrachten weissen Mob davon abzuhalten, eine Siedlung von Schwarzen zu überfallen und dabei zahlreiche Menschen zu töten. Der Gesamtnutzen war also per Saldo positiv: die Rettung vieler Menschen durch die Opferung eines unschuldigen Menschen.93 Die Maxime vom Zweck, der angeblich die Mittel heilige, ist für den Utilitarismus eine Selbstverständlichkeit. Dies gilt auch für „Mittel“ wie Lüge, Vertrauensbruch, Betrug, ja sogar für Folter und Mord. Zur Maximierung des Gemeinwohls ist auch in der schlimmsten Situation der hedonistische Kalkül anzustellen.94 Diesem Standardeinwand entgegnet manch ein moderner Vertreter des Utilitarismus, der Regelutilitarismus erzeuge keine solchen unhaltbaren Ergebnisse. Die Regel, notfalls auch Unschuldige zu bestrafen, würde bei allen die Angst erzeugen, sie könnten grundlos bestraft werden, und würde folglich eine rationale Lebensplanung praktisch verunmöglichen. Dadurch würde also insgesamt mehr Schaden als Nutzen erzeugt. Dass man Unschuldige nicht bestrafen solle, lasse sich somit auch utilitaristisch begründen. – Damit ist aber der Hauptmangel des Utilitarismus keineswegs ausgeräumt. In der Tat sind durchaus Fälle denkbar, in denen die regelmässige Bestrafung Unschuldiger den Gesamtnutzen der Gesellschaft erhöhen würde, beispielsweise die ungerechte Bestrafung einer ausgegrenzten Minderheit.95 Zwar dürften solche Fälle selten sein, doch sollte man sich in einer derart wichtigen Frage nicht einfach mit der Hoffnung begnügen, diese Fälle würden nie auftreten. Die kardinale Schwäche des Utilitarismus ist auf dessen Subordination des „Rechten“ unter das „Gute“ zurückzuführen, d. h. auf die Unterwerfung von Recht, Gerechtigkeit und Menschenwürde unter Nützlichkeitsüberlegungen. Will der Utilitarismus dieses Problem wirklich vermeiden, muss er sein Kardi92 93 94 95
Höffe, Ethik, S. 45. Seelmann, S. 187 f. Kersting, Einführung, S. 98. Seelmann, S. 188.
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§ 6 Jeremy Benthams Utilitarismus
nalprinzip der Nützlichkeit durch übergeordnete Gerechtigkeitsgrundsätze relativieren.96 Nach verbreiteter Gerechtigkeitsintuition fordert die Idee der Gerechtigkeit für jede einzelne Person die Unverletzlichkeit, die nicht einmal durch das Streben nach maximaler Wohlfahrt der Gesellschaft angetastet werden darf. Aus diesem Grund hat Sidgwick das Prinzip der Fairness als Korrektivprinzip zum Utilitarismus eingeführt, und Rawls eine Theorie der Gerechtigkeit entwickelt, die auf dem Grundprinzip der Fairness aufbaut.97
96 97
Kersting, Einführung, S. 101 ff. Höffe, Ethik, S. 45.
§ 7 Die Theorie der Gerechtigkeit von John Rawls „Justice is the first virtue of social institutions [. . .]. Each person possesses an inviolability founded on justice that even the welfare of society as a whole cannot override.“1
A. Einleitung John Rawls’ Theorie der Gerechtigkeit stellt den Versuch dar, kalkuliertes Eigeninteresse und Grundrechte in Einklang zu bringen. Um allgemein zustimmungsfähige Gerechtigkeitsgrundsätze zu bestimmen, greift Rawls in „A Theory of Justice“ (1971) auf die klassischen Theorien des Gesellschaftsvertrags zurück. Er bezieht sich auf Locke, besonders aber auf Rousseau und Kant, jedoch nicht auf Hobbes, dessen Souveränitätstheorie er ablehnt.2 Bei Rawls geht es aber nicht mehr um die Frage nach der Legitimation von Herrschaft, sondern darum, wie ein Staat gerecht gestaltet werden kann. Gerechtigkeit als Fairness ist das Leitmotiv seiner Theorie. Rawls’ Ansatz ist interdisziplinär: Er verbindet die Ethik mit den Methoden und Konzepten der Wirtschaftswissenschaften, indem er die ökonomische Entscheidungstheorie verwendet.3 Er behauptet, Gerechtigkeitsprinzipien liessen sich auf der Basis des rationalen Eigeninteresses herleiten. Die Voraussetzung dafür sei jedoch eine besondere Entscheidungssituation, die von Gleichheit und Freiheit gekennzeichnet sei. Rawls geht von einem rationalen, eigennützigen Menschen aus, führt aber bei seinem Gedankenexperiment einen Schleier des Nichtwissens ein. Da die Parteien im Urzustand nicht wissen, welche Position sie in der Gesellschaft einnehmen werden, sehen sie sich gezwungen, sich in alle möglichen gesellschaftlichen Rollen zu versetzen. Ziel der Rawls’schen Konzeption ist es, für eine pluralistische Gesellschaft einen vertragstheoretisch begründeten institutionellen Rahmen zu schaffen, der auf einer konsensualen Grundlage beruht und die Bürgerinnen und Bürger in ihren Grundrechten schützt, ihnen darüber hinaus aber freistellt, wie sie ihr Leben gestalten und welche Ziele sie anstreben wollen. Ausserdem ergänzt Rawls sein liberales Modell um ein sozialstaatliches Element.4 1 2 3 4
Rawls, TJ, S. 3. Höffe, Rawls, S. 18. Höffe, Rawls, S. 7 f. Höffe, Rawls, S. 6.
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§ 7 Die Theorie der Gerechtigkeit von John Rawls
In seinen späteren Schriften „Political Liberalism“ (1993) und „Justice as Fairness – A Restatement“ (2001) betrachtet es Rawls rückblickend als Fehler, seinen Begründungsansatz als Teil der Rational Choice-Theorie anzusehen.5 Dies hätte den Eindruck erweckt, seine Theorie gründe auf einem Hobbes’schen Verständnis des Gesellschaftsvertrags. Rawls bezeichnet die Menschen im Urzustand deshalb nicht mehr bloss als rational („rational“), sondern auch als vernünftig („reasonable“). Nach Rawls haben Individuen die Fähigkeit, eine Konzeption des Guten zu entwerfen, zu revidieren und rational zu verfolgen. Da sie dabei auch über einen Gerechtigkeitssinn verfügen, stehen sie in einer verantwortlichen Beziehung zur gesellschaftlichen Konzeption der Gerechtigkeit: „[W]hat should have been said is that the account of the parties, and of their reasoning, uses the theory of rational choice (decision), but that this theory is itself part of a political conception of justice, one that tries to give an account of reasonable principles of justice. There is no thought of deriving those principles from the concept of rationality as the sole normative concept.“ 6
Die Unterscheidung von „rational“ und „vernünftig“ hat Rawls von W. M. Sibley übernommen. Danach berücksichtigen vernünftige Personen bei ihren Entscheidungen auch deren Folgen auf andere Menschen: „(1) Knowing that a man is rational, we do not know what ends he will aim at in his conduct; we know only that, whatever they are, he will use intelligence in pursuing them. (2) Knowing, however, that a man is disposed to act reasonably, where others are concerned, we may infer that he is willing to govern his conduct by a principle of equity, from which he and they can reason in common; and also that he will admit data concerning the consequences of his proposed actions upon their welfare as per se relevant to his decisions. This disposition is neither derived from, nor opposed to, the disposition to be rational. It is, however, incompatible with egoism; for it is essentially related to the disposition to act morally.“ 7
Vernünftigkeit sorgt für Rawls dafür, dass die Personen so in einer bestimmten Beziehung zueinander stehen, damit sie zu einer fairen Interaktion fähig sind: „Reasonable persons, we say, are not moved by the general good as such but desire for its own sake a social world in which they, as free and equal, can cooperate with others on terms all can accept. They insist that reciprocity should hold within that world so that each benefits along with others.“ 8
Als Fazit ergibt sich, dass die Parteien hinter dem Schleier des Nichtwissens an einer fairen Kooperation zum Vorteil aller interessiert sind.
5 6 7 8
Rawls, JF, § 23.3, S. 82, Fn. 2. Rawls, JF, § 23.3, S. 82, Fn. 2. Sibley, S. 560. Rawls, PL, S. 50.
B. Die Gerechtigkeit als erste Tugend sozialer Institutionen
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B. Die Gerechtigkeit als erste Tugend sozialer Institutionen In Übereinstimmung mit der philosophischen Tradition seit Platon und Aristoteles steht für Rawls die Gerechtigkeit vor allen anderen Tugenden: Das „Rechte“ kommt also vor dem „Guten“. Rawls wendet sich gegen teleologische Ethikkonzepte, namentlich gegen den Utilitarismus – bei dem das grösstmögliche Glück für eine möglichst grosse Zahl von Menschen oder der maximale Durchschnittsnutzen angestrebt wird – und stellt diesem sein gemässigt deontologisches Konzept gegenüber. Rawls kritisiert den Utilitarismus – dessen Anhänger er früher selbst war –, weil dieser die Verschiedenheit der einzelnen Menschen im Sinne einer Eigenständigkeit jeder Person nicht berücksichtige: „Utilitarianism does not take seriously the distinction between persons.“ 9
Der Respekt vor der Person und die diesen Respekt ausdrückenden Prinzipien der Gerechtigkeit dürften nicht nur als Mittel zum Zweck abgeleitet werden, sondern müssten vielmehr direkt in die moralische Urteilsbildung eingehen. Ausserdem bemängelt Rawls, dass beim Utilitarismus die Verteilung des Einkommens an sich keine Rolle spiele, was einer Gleichgültigkeit gegenüber Verteilungsfragen gleichkomme.10 Das Problem des Utilitarismus sei, dass er die Freiheit der Individuen dem kollektiven Wohl unterordne. Somit würde er eine Sklaven- oder eine Feudalgesellschaft, eine Stände- oder Kastengesellschaft, ja selbst einen Polizei- oder Militärstaat nicht nur erlauben, sondern sogar moralisch begrüssen, wenn die betreffende Gesellschaftsform einen maximalen Gesamt- bzw. Durchschnittsnutzen erbringen würde. In kompromissloser Ablehnung jeder Art von Sklaverei, Leibeigenschaft und Kastensystemen hält Rawls grundlegende Menschenrechte für allgemein gültig. Nach ihm haben die persönlichen Rechte den Vorrang vor dem kollektiven Nutzen.11 Denn jeder Mensch besitze eine aus der Gerechtigkeit entspringende Unverletzlichkeit, die auch im Namen des Wohles der ganzen Gesellschaft nicht aufgehoben werden dürfe.12 Utilitaristen pflegen sich mit dem Argument zu verteidigen, es sei höchst unwahrscheinlich, dass eine Gerechtigkeitsverletzung dem Kollektiv einen Vorteil bringe. Sobald das Existenzminimum gesichert sei, übersteige das Interesse an persönlicher Freiheit dasjenige an materiellem Wohlstand bei weitem. Infolgedessen könnten Menschenrechtsverletzungen, wie z. B. die Einschränkung der persönlichen Freiheit, nur in Extremfällen von Vorteilen der Mehrheit aufgewo9
Rawls, TJ, S. 24. Kliemt, S. 99. 11 Höffe, Rawls, S. 15 f. 12 Rawls, TJ, S. 3. 10
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§ 7 Die Theorie der Gerechtigkeit von John Rawls
gen werden.13 Doch selbst wenn dieses Argument zutreffen sollte, bleibt ein grundsätzlicher Unterschied bestehen: Für den Utilitaristen ist die Institutionalisierung von Grundrechten eine Frage individueller Präferenzen und ihrer Aggregation zu einem kollektiven Gesamtnutzen, also eine analytisch-empirische Angelegenheit. Für Rawls dagegen sind Grundrechte eine unbedingt gültige normative Vorgabe, die das Bedürfnis der Menschen ausdrücke, sich gegenseitig nicht bloss als Mittel, sondern als Zweck an sich zu behandeln: „[T]he principles of justice manifest in the basic structure of society men’s desire to treat one another not as means only but as ends in themselves.“ 14
Rawls räumt zwar ein, dass der Utilitarist in korrekter Anwendung utilitaristischer Prinzipien durchaus zu einer Befürwortung institutioneller staatlicher Grundrechtsgarantien gelangen könne und in der Regel auch dorthin gelange. Er kritisiert jedoch, dass der Utilitarismus den Respekt vor dem Individuum nur in abgeleiteter Form unterstütze, indem er auf der Ebene der Urteilsbildung nicht von der Unverletzlichkeit der Person ausgehe, sondern allenfalls begründe, warum Individuen institutionell mit unverletzlichen personalen Rechten ausgestattet werden sollen. Rawls knüpft mit seiner Ablehnung teleologischer Konzepte an die liberale, kantianische Tradition an. Dass zu einer lebensfähigen Gesellschaft auch andere Gesichtspunkte gehören wie z. B. Effizienz oder Stabilität, räumt Rawls durchaus ein. Die Gerechtigkeit gilt nicht als hinreichende, wohl aber als notwendige und zugleich absolut prioritäre Bedingung. Mögen die Gesetze und Institutionen auch noch so effizient und stabilisierend sein, wenn sie ungerecht sind, müssen sie verändert werden.15
C. Das Gedankenexperiment Die Entscheidungssituation wird von Rawls so konstruiert, dass ein völlig entindividualisierter Mensch die Grundsätze der Gerechtigkeit festlegt. Da dieser Mensch weder seine natürlichen Fähigkeiten noch seine Stellung in der Gesellschaft kennt, wird er sich an den gesellschaftlichen Grundgütern („primary social goods“) orientieren, die für alle Menschen von Bedeutung sind. Diese Grundgüter beschreiben die immateriellen und materiellen Bedingungen, auf die alle Menschen bei ihrer Lebensgestaltung angewiesen sind: „[T]he basic structure of society distributes certain primary goods, that is, things that every rational man is presumed to want. These goods normally have a use whatever a person’s rational plan of life.“16
13 14 15 16
Höffe, Rawls, S. 17. Rawls, TJ, S. 156. Höffe, Rawls, S. 9. Rawls, TJ, S. 54.
C. Das Gedankenexperiment
165
Zu den gesellschaftlichen Grundgütern zählt Rawls die folgenden:17 (1) die grundlegenden Freiheiten (Meinungs- und Gewissensfreiheit usw.), (2) Bewegungsfreiheit und freie Berufswahl, (3) soziale Machtpositionen und Chancen, (4) Einkommen und Besitz sowie (5) die sozialen Grundlagen der Selbstachtung. Zwar liegt es nach Rawls in der eigenen Verantwortung der Individuen, wie sie ihr Leben gestalten wollen, aber gleichzeitig hat die Gesellschaft die Pflicht, dafür zu sorgen, dass jeder die Möglichkeit hat, ein erfolgreiches Leben zu führen, d. h. sie muss sicherstellen, dass jeder über die Mittel und Möglichkeiten verfügt, die es ihm erlauben, seinen Lebensplan umzusetzen. Innerhalb dieses gesellschaftlichen Rahmens einer gerechten Ordnung, der durch die Versorgung mit Grundgütern garantiert wird, sind die individuellen Lebenspläne irrelevant, wenigstens soweit sie nicht mit den Lebensplänen anderer Individuen konfligieren. Dabei ist ferner zu beachten, dass die gerechten Institutionen nicht alle beliebigen Lebenspläne ermöglichen müssen: Ein wichtiges Merkmal der Primärgüter ist, dass sie nicht von den spezifischen Präferenzen und Zielen der Gesellschaftsmitglieder abhängen. Wer besonders hohe Ansprüche oder Präferenzen für Luxusgüter hat, kann deswegen keinen legitimen Anspruch auf mehr Grundgüter erheben. Im Gegenteil, jeder muss seine Ansprüche im Interesse der Gerechtigkeit zurücknehmen, damit sich diese für die gesamte Gesellschaft verwirklichen kann. Nach Rawls muss der Katalog der Grundgüter deshalb objektiv festgelegt werden und darf nicht den subjektiven Präferenzen anheim gestellt werden: „Desires and wants, however intense, are not by themselves reasons in matters of justice. The fact that we have a compelling desire does not argue for the propriety of its satisfaction any more than the strength of a conviction argues for its truth.“ 18
I. Der Urzustand Der Urzustand („original position“), in den Rawls die gesellschaftsvertragliche Kodifizierung verlegt, ist nicht als ein faktisch mögliches oder gar historisches, sondern als fiktives Ereignis gedacht und daher lediglich als ein Darstellungsmittel im Rahmen der Theorie zu verstehen.19 Diese gründet also auf 17 Die zitierte Liste findet sich so in Rawls, Primary Goods, S. 165 f.; siehe auch Rawls, TJ, S. 54 und S. 80. 18 Rawls, Primary Goods, S. 171. 19 Tugendhat, S. 17.
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§ 7 Die Theorie der Gerechtigkeit von John Rawls
einem Gedankenexperiment, das der Legitimation einer gerechten Rechts- und Staatsordnung dienen soll. Die Rawls’sche Begründungsstrategie zielt also darauf ab, dass die Parteien in Form von Gerechtigkeitsgrundsätzen einer Gerechtigkeitsvorstellung Ausdruck geben, die als wohl überlegtes Urteil in der Praxis tatsächlich allgemein akzeptiert würde. Die Konstruktion eines Urzustandes stellt in Rawls’ vertragstheoretischem Ansatz den Versuch dar, den Gerechtigkeitsgrundsätzen eine deduktive Grundlage zu geben.20 II. Anthropologische Prämissen Rawls setzt den Parteien im Urzustand Prämissen als logische Voraussetzung zur Generierung der Gerechtigkeitsgrundsätze. Diese Prämissen haben die Form sorgsam aufeinander abgestimmter Bedingungen und Einschränkungen:21 (1) Die Parteien haben im Urzustand ein konsistentes System von Präferenzen, sie haben vernünftige, langfristige Lebenspläne, d. h. sie verfügen über Interessen, die sie schützen wollen. (2) Die Parteien sind im Urzustand gegenseitig desinteressiert und nicht bereit, ihre Interessen anderen zu opfern. Sie sind weder von Liebe noch von Hass oder Neid bestimmt, sondern vielmehr nur daran interessiert, möglichst viele Grundgüter zu erhalten. (3) Die Parteien kennen die allgemeinen Anwendungsbedingungen der Gerechtigkeit, sie haben allgemeine Kenntnisse über die Gesellschaft. (4) Die Parteien haben einen Gerechtigkeitssinn, was allen Beteiligten auch bekannt ist. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Gerechtigkeitsgrundsätze verstanden werden und dass nach ihnen gehandelt werden kann. Die Einschränkungen lauten: (1) Die Parteien stehen unter der Einschränkung des Schleiers des Nichtwissens, d. h. sie kennen keine Einzelheiten ihrer Lebenspläne, sie wissen auch nichts über ihre Risikobereitschaft, ihre Klasse, ihren Status, ihre Stellung in der Gesellschaft sowie über ihre natürlichen Begabungen. Ebenso wenig wissen die Parteien, welcher Generation sie angehören, und werden dadurch zu einer Art „Dauerperson“.22 (2) Koalitionen sind nicht zugelassen.
20 21 22
Rawls, TJ, S. 162. Rawls, TJ, S. 112 ff. Rawls, TJ, S. 118 ff.
C. Das Gedankenexperiment
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III. Der Schleier des Nichtwissens Der Schleier des Nichtwissens („veil of ignorance“) ist die entscheidende und durchaus originelle Prämisse in der Konstruktion dieses Urzustandes. Dadurch zwingt Rawls die Beteiligten, unparteiisch zu denken und einen allgemeinen Standpunkt einzunehmen. Mit diesem Kunstgriff gelingt es ihm, die rationalen Egoisten zu überlisten. Man könnte auch sagen, die Beteiligten nehmen einen reversiblen Rollentausch vor. Dadurch führt Rawls in seinem Theorieentwurf die moralische Argumentation auf einen zweckrationalen Interessenkalkül zurück. Zu betonen ist allerdings, dass es sich dabei um das Gedankenexperiment eines Einzelnen handelt. Es findet also weder ein tatsächlicher noch ein fiktiver Diskurs statt; das Verfahren ist rein monologisch und kann von einer einzelnen Person gedanklich durchgeführt werden. Dazu braucht es also auch nicht das Instrumentarium der Spieltheorie mit konkurrierenden und zugleich interdependenten Entscheidungsträgern.23 Damit die Entscheidung nicht zum Vorteil der eigenen Person oder Gruppe gefällt wird, verfügen die Entscheidungsträger zwar über ein allgemeines Wissen – etwa über wirtschaftliche, soziale, politische oder psychologische Zusammenhänge, d. h. über sozialwissenschaftliches Wissen. Doch fehlt ihnen das komplementäre Wissen um die besonderen Rahmenbedingungen. Da also der einzelne Entscheidungsträger weder seine wirtschaftliche oder gesellschaftliche Lage noch seine natürlichen Talente und Fähigkeiten kennt und somit beispielsweise nicht weiss, ob er reich oder arm ist, als Hochbegabter oder als geistig Behinderter, als Mann oder Frau, Weisser oder Schwarzer usw. lebt, fallen derartige Sonderbedingungen als Entscheidungsgrund aus. Der Schleier des Nichtwissens gibt dem Kern der Gerechtigkeit, der Unparteilichkeit, eine operationale Bestimmung.24 IV. Die Maximin-Entscheidungsregel Von den drei Formen des rationalen Handelns, der Entscheidung unter Sicherheit, unter Risiko und unter Unsicherheit, impliziert die letzte Form die meisten Schwierigkeiten. Während für die Entscheidung unter Sicherheit („maximiere deinen Nutzen“) wie auch bei Risiko („maximiere den Erwartungswert deines Nutzens“) eine eindeutige Entscheidungsregel existiert, liegen für die Entscheidung unter Unsicherheit – d. h. wenn man nicht einmal die Wahrscheinlichkeiten der Ereignisse kennt – verschiedene Entscheidungskriterien vor. Zur Verfügung stehen z. B. die risikofreudige Maximax-Regel („maximiere die maximale, also bestmögliche Situation“) oder die risikoaverse Maximin-Re-
23 24
Höffe, Rawls, S. 22. Höffe, Rawls, S. 20.
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§ 7 Die Theorie der Gerechtigkeit von John Rawls
gel („maximiere die minimale, also die schlechtestmögliche Situation“). Diese Regeln stammen aus der mathematischen Entscheidungstheorie. Die MaximinRegel ist eine äusserst pessimistische, die Maximax-Regel eine äusserst optimistische Entscheidungsregel. Gérard Gäfgen: „Wer sich an die Maximax-Regel hält, wird nie eine Versicherung abschliessen, wohl aber Lotterie spielen; wer sich an die Maximin-Regel hält, wird nie in der Lotterie spielen, sich aber dafür gerne versichern.“ 25
Rawls plädiert für die Maximin-Regel und fordert daher als rationale Entscheidung unter Unsicherheit den Vergleich der Alternativen bezüglich der schlechtestmöglichen Ergebnisse (Minima) jeder Alternative und sodann die Wahl jener Alternative mit dem besten (maximalen) Minimum. Bei der Wahl der Gerechtigkeitsgrundsätze wird angenommen, dass die Parteien im Urzustand nach dieser Regel verfahren.26 Rawls unterstellt damit den Personen im Urzustand, dass sie besonders risikoscheu sind – eine Vorentscheidung über das Wesen des Menschen, die zwar durchaus plausibel ist, aber nicht weiter begründet wird. V. Der Vierstufengang Ausgehend vom Urzustand mit dem voll wirksamen Schleier des Nichtwissens werden von Rawls in einem Vierstufengang vier aufeinander folgende Etappen zunehmender Konkretheit der gesellschaftlichen Regeln vorgestellt, d. h. der Schleier des Nichtwissens wird sukzessive gelüftet:27 (1) In der ersten Stufe werden die beiden Gerechtigkeitsgrundsätze durch Entscheidung im Urzustand unter dem vollen Schleier des Nichtwissens festgelegt.28 Nur allgemeine Tatsachen sozialwissenschaftlicher Theorien und die Anwendungsbedingungen der Gerechtigkeit sind bekannt. (2) In der zweiten Stufe begeben sich die Parteien an eine verfassungsgebende Versammlung. Der Schleier des Nichtwissens wird teilweise gelüftet. Die Beteiligten wissen noch nichts über Einzelpersonen, verfügen aber über ein theoretisches Wissen hinsichtlich ihrer speziellen Gesellschaft und deren Mitglieder. Im Lichte dieses erweiterten Wissens wählen die Parteien eine gerechte Verfassung mit der Angabe der Verfahrensregeln, die gerechte und wirksame Gesetze ermöglichen sollen. (3) Der Schleier des Nichtwissens wird weiter gelüftet, so dass eine gerechte Gesetzgebung kodifiziert werden kann. Die Beteiligten sollen dabei über 25 26 27 28
Gäfgen, S. 383. Rawls, TJ, S. 132 ff. Rawls, TJ, S. 130 ff. Zu den Gerechtigkeitsgrundsätzen siehe nachstehend Abschnitt VII.
C. Das Gedankenexperiment
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das Wissen eines repräsentativen Gesetzgebers verfügen, der auch hier nichts über seine Person weiss. Gegenstand der Beratungen auf dieser Stufe ist insbesondere die Anwendung des Differenzprinzips (zweiter Gerechtigkeitsgrundsatz)29 in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. (4) In der letzten Stufe wird der Schleier des Nichtwissens gänzlich entfernt. Jeder kennt nunmehr alle Tatsachen und insbesondere die partikularen Interessen und die historischen Gegebenheiten. Die Regeln werden nun auf die konkreten Einzelfälle angewendet. VI. Das Überlegungsgleichgewicht Die Parteien durchlaufen in den ersten drei Stufen einen revolvierenden Denkprozess, bis sie im Überlegungsgleichgewicht („reflective equilibrium“) angelangt sind. Dies bedeutet Folgendes: Eine Grundsatzformulierung, in theoretischer Absicht hypothetisch aufgestellt, wird in einem Gedankenexperiment durch Prüfung ihrer Akzeptanz im fiktiven Urzustand erprobt und wenn nötig in einem iterativen Verfahren ständig modifiziert, bis sie volle Akzeptanz erreicht. VII. Die beiden Gerechtigkeitsgrundsätze Im Urzustand entscheidet sich das Individuum hinter dem Schleier des Nichtwissens für zwei Gerechtigkeitsgrundsätze: Den Freiheitsgrundsatz und das Differenzprinzip.30 Der Freiheitsgrundsatz ist ein egalitäres Verteilungsprinzip hinsichtlich immaterieller Grundgüter, das Differenzprinzip ein nichtegalitäres Verteilungsprinzip mit besonderer Berücksichtigung der Schlechtestgestellten bezüglich materieller Grundgüter. 1. Der erste Gerechtigkeitsgrundsatz: Der Freiheitsgrundsatz Die Beteiligten im Urzustand wählen nach der Rawls’schen Theorie aus einer Liste von Gerechtigkeitsvorstellungen die grösstmögliche Freiheit als ersten Grundsatz. Dieser lautet: Jedermann hat gleiches Recht auf das umfangreichste Gesamtsystem gleicher Grundfreiheiten, das für alle möglich ist.31
Die erste Vorrangregel (Vorrang der Freiheit) lautet: die Grundfreiheiten können nur um der Freiheit willen eingeschränkt werden, wenn eine weniger um-
29 30 31
Siehe nachstehend Abschnitt VII.2. Rawls, TJ, S. 130 ff. Rawls, TJ, S. 266.
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§ 7 Die Theorie der Gerechtigkeit von John Rawls
fangreiche Freiheit das Gesamtsystem der Freiheiten für alle stärkt und wenn eine geringere als die gleiche Freiheit für alle annehmbar ist.32 Rawls legt folgende Grundfreiheiten fest und listet sie auf:33 – Politische Freiheiten (Recht zu wählen und öffentliche Ämter zu bekleiden), – Rede- und Versammlungsfreiheit, – Meinungs- und Gewissensfreiheit, – Persönliche Freiheit (Unverletzlichkeit der Person), – Recht auf persönliches Eigentum, – Schutz vor willkürlicher Festnahme und Haft. Dabei geht Rawls von folgenden Hypothesen aus: (1) Eine solche Liste kann abschliessend festgelegt werden. Freiheiten, die nicht in dieser Liste enthalten sind, geniessen – nach dem Umkehrschluss – nicht den besonderen Vorrang der Grundfreiheiten. (2) Diese Grundfreiheiten sind für alle gleich. Insofern handelt es sich also im Kern um einen egalitären Ansatz, der allerdings durch den zweiten Gerechtigkeitsgrundsatz eine massvolle Relativierung erfährt. Der Rawls’sche Freiheitsbegriff ist zentriert auf die politische und ökonomische Handlungsfreiheit. Diese Freiheiten bilden zusammen ein Gesamtsystem. 2. Der zweite Gerechtigkeitsgrundsatz: Das Differenzprinzip Das Differenzprinzip lautet: Soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten sollen wie folgt beschaffen sein: a) Sie müssen unter der Einschränkung des gerechten Spargrundsatzes den am wenigsten Begünstigten den grösstmöglichen Vorteil bringen. b) Sie müssen mit Ämtern und Positionen verbunden sein, die allen gemäss einer fairen Chancengleichheit offenstehen.34
Der zweite Gerechtigkeitsgrundsatz regelt die Verteilung von Einkommen und Vermögen und die Beschaffenheit von Organisationen, in denen es um unterschiedliche Macht und Verantwortung geht. Ungleichheiten sind nur zulässig, sofern sie auch die Schlechtestgestellten in der Gesellschaft besserstellen. Es geht dabei um die Verteilung der sozialen und ökonomischen Grundgüter, wozu Rawls vor allem die mit beruflichen Positionen verknüpften Machtbefugnisse und Vorrechte, Einkommen und Besitz und die sozialen Grundlagen des 32 33 34
Rawls, TJ, S. 266. Rawls, TJ, S. 53. Rawls, TJ, S. 266.
C. Das Gedankenexperiment
171
Selbstwertgefühls der Menschen zählt. Auch diese Grundgüter sind grundsätzlich gleich zu verteilen, wobei davon abgewichen werden darf, wenn eine Ungleichverteilung jeder Person zum Vorteil gereicht und der Zugang zu den begehrten Positionen allen offen steht.35 Das Differenzprinzip erfordert zu seiner Umsetzung allerdings einen geeigneten Massstab oder Index, der es ermöglicht, die verschiedenen Arten von Grundgütern (soziale Chancen und Machtbefugnisse, wirtschaftliche Aussichten und die sozialen Bedingungen der Selbstachtung) zu einer einzigen Grösse zusammenzufassen. Rawls behilft sich dabei der vereinfachenden Annahme, dass die verschiedenen Grundgüter in der Regel miteinander positiv korrelieren und die Menschen folglich auf allen Dimensionen der sozioökonomischen Güterverteilung entweder besser oder schlechter gestellt sind. Entsprechend kann er vereinfachend auf den Platz in der Einkommensverteilung abstellen, da gemäss seiner Annahme die anderen sozialen und ökonomischen Grundgüter mit dieser positiv korrelieren.36 Schliesslich sei noch darauf hingewiesen, dass im Differenzprinzip auch der gerechte Spargrundsatz als Einschränkung angeführt wird. Damit bringt Rawls neben der intragenerationellen auch die intergenerationelle Gerechtigkeit ins Spiel. Das Sparen erfüllt bei der Generationengerechtigkeit eine sehr wichtige Funktion: Die Akkumulation eines realen Kapitalstocks dient der Instandstellung und Erhaltung einer gerechten Ordnung über die Zeit hinweg. Unter Kapital versteht Rawls dabei nicht etwa nur Maschinenkapital, sondern auch das Wissen und kulturelle Errungenschaften.37 Wenn der für die Gewährleistung der gerechten Ordnung notwendige Kapitalstock erreicht ist, kann die reale Sparquote auf null sinken: „Real saving is required only for reasons of justice: that is, to make possible the conditions needed to establish and to preserve a just basic structure over time. Once these conditions are reached and just institutions established, net real saving may fall to zero.“ 38
Rawls macht folglich einen klaren Unterschied zwischen der inter- und intragenerationellen Gerechtigkeit und weigert sich ausdrücklich, das Differenzprinzip auf die Frage der Gerechtigkeit zwischen den Generationen anzuwenden: „The principle of just saving holds between generations, while the difference principle holds within generations.“ 39
Der gerechte Spargrundsatz darf deshalb nicht so bestimmt werden, dass die am schlechtesten Gestellten den grössten Vorteil geniessen. Denn ein solches 35 36 37 38 39
Koller, S. 49 f., Rawls, TJ, S. 53 f. Koller, S. 59 f., Rawls, TJ, S. 83. Rawls, TJ, S. 256. Rawls, JF, § 49.2, S. 159. Rawls, JF, § 49.2, S. 159.
172
§ 7 Die Theorie der Gerechtigkeit von John Rawls
Vorgehen hätte zur Folge, dass entweder überhaupt nicht oder zu wenig gespart würde.40 Eine Übertragung des Differenzprinzips auf das intergenerationelle Verhältnis würde nämlich einen Konsumverzicht der früheren Generation zugunsten des umso höheren Konsums der nachfolgenden Generation verbieten.41 Dies wäre ein für Rawls inakzeptables Ergebnis, da es statt zur Verbesserung zur Stagnation der gesellschaftlichen Verhältnisse führen würde.42 Rawls hat versucht, das Differenzprinzip grafisch darzustellen (sog. „RawlsKurve“).43 In der Abbildung 15 stellt x1 die Einkommensaussichten eines Individuums der am besten gestellten, x2 die Einkommensaussichten eines Individuums der am schlechtesten gestellten gesellschaftlichen Gruppe dar. Punkt O bildet den Ausgangspunkt, an dem die gesellschaftlichen Grundgüter und insbesondere auch das Einkommen gleich verteilt sind. Das Einkommen könnte nun theoretisch – z. B. ausgehend von dieser Grundausstattung entlang der Winkelhalbierenden – gemäss dem Egalitätsprinzip zum gleichen Vorteil beider repräsentativer Individuen erhöht werden.44 Rawls geht aber von der Kurve OP aus, welche unterhalb der Winkelhalbierenden verläuft und zunächst ansteigt, nach Erreichen eines Maximums aber zu fallen beginnt. Die positive Steigung bedeutet eine gleichzeitige Zunahme beider Einkommen x1 und x2, was sich Rawls durch die Vorteile der gesellschaftlichen Zusammenarbeit erklärt.45 Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Kooperation ist aber nur bis zum Punkt A für beide Individuen vorteilhaft, danach verliert das am schlechtesten gestellte Individuum wieder an Einkommen. Nach dem Differenzprinzip ist nur die Bewegung entlang OA gerecht, wobei A den „vollkommen gerechten“ Zustand darstellt. Die Zustände entlang AP gelten als ungerecht, weil sie nicht mit dem Differenzprinzip vereinbar sind. Der erste und der zweite Gerechtigkeitsgrundsatz sind einander nicht nebengeordnet, was rein formal einen weiteren Grundsatz erfordert, nämlich ein Kriterium, nach dem Konflikte zwischen den beiden Grundsätzen gelöst werden können. Wie bereits erwähnt, räumt Rawls dem ersten Gerechtigkeitsgrundsatz gemäss der ersten Vorrangregel absolute Priorität ein. Da die Freiheit als absolut höchstes menschliches Gut gilt, darf sie nicht gegen andere Güter verrechnet werden. Die Einschränkung von Grundrechten gegen partikulare oder kollektive
40
Hübner, S. 43. Reuter, S. 186. 42 Zur Gerechtigkeit zwischen den Generationen bei Rawls siehe Klaus Mathis, Zukünftige Generationen in der Theorie der Gerechtigkeit von John Rawls. 43 Rawls, TJ, S. 66 ff. 44 Was aufgrund der Anreizwirkungen unrealistisch wäre; siehe § 9 D.III. 45 Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom „Trickle down-Effekt“. Dies bedeutet, wenn der Tisch der Reichen gut gedeckt ist, fallen auch den Armen mehr Brosamen zu. 41
C. Das Gedankenexperiment
173
x2 schlechtestgestellte Gruppe
ungerechte Zustände
gerechte Zustände
A
P x1 bestgestellte Gruppe
O Abbildung 15: Rawls-Kurve
ökonomische Vorteile ist in jedem Fall ungerecht.46 Freiheitsansprüche dürfen nur gegen konkurrierende Freiheitsansprüche anderer eingeschränkt werden – es sei denn, eine solche Einschränkung sei zur Veränderung des Zivilisationsniveaus erforderlich, damit in absehbarer Zeit jeder in den Genuss dieser Freiheiten kommt.47 Damit findet ein utilitaristisches Moment Eingang in die Theorie. Die Verbesserung des Zivilisationsniveaus ist nämlich ein kollektives Interesse, dem hier individuelle Interessen geopfert werden dürfen.48 Beim zweiten Gerechtigkeitsgrundsatz gilt die zweite Vorrangregel (Vorrang der Gerechtigkeit vor Leistungsfähigkeit und Lebensstandard): Die Regel besagt, dass die Leistungsfähigkeit und die Nutzenmaximierung (Grundsatz 2a) der fairen Chancengleichheit (Grundsatz 2b) nachgeordnet sind.49 46 47 48 49
Höffe, Rawls, S. 12. Rawls, TJ, S. 474 ff. Höffe, Rawls, S. 12. Rawls, TJ, S. 266 f.
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§ 7 Die Theorie der Gerechtigkeit von John Rawls
D. Kritik Rawls’ Theorie der Gerechtigkeit ist eines der bedeutendsten Werke der politischen Philosophie des 20. Jahrhunderts. Hart: „No book of political philosophy since I read the great classics of the subject has stirred my thoughts as deeply as John Rawls’s A Theory of Justice.“ 50
John Chapman weist darauf hin, dass es Rawls gelungen sei, Einfachheit und Komplexität zu verbinden: „Rawls’s theory has both the simplicity and the complexity of a gothic cathedral.“ 51
Natürlich ist Rawls’ Theorie auch auf viel Kritik gestossen. Den libertären52 Kritikern wie z. B. Robert Nozick oder James M. Buchanan ist Rawls’ Gesellschaftskonzept zu interventionistisch.53 Den Kommunitaristen54 (Michael Sandel, Benjamin Barber, Michael Walzer, Alasdair MacIntyre u. a.) ist Rawls’ Theorie einerseits zu liberal, weil die Gemeinschaft darin zu wenig betont werde, und andererseits auch viel zu abstrakt55, ein Kritikpunkt, der insbesondere auch von Seyla Benhabib eingebracht wird. Im Folgenden seien die häufigsten Kritikpunkte kurz dargestellt. I. Anthropologische Prämissen Michael Sandel nimmt Anstoss daran, dass Rawls bestimmte anthropologische Prämissen in seiner Argumentation stillschweigend voraussetzt. Gemeint ist damit die Tatsache, dass das Subjekt darin nur noch als eigenschaftsloses, isoliertes Wesen („unencumbered self“) in Erscheinung tritt.56 Alasdair MacIntyre beschreibt Rawls’ Urzustand als das Zusammentreffen von Schiffsbrüchigen, die auf einer unbewohnten Insel stranden und allesamt an Amnesie leiden.57 50
Hart, Liberty, S. 223. Chapman, S. 588. 52 Unter „libertarians“ versteht man in Amerika Liberale, die sich für einen Nachtwächterstaat mit Betonung der klassischen Freiheitsrechte im Sinne von Abwehrrechten der Bürger gegen den Staat aussprechen. Im Gegensatz zu den „libertarians“ zählt Rawls zu den „liberals“, den Sozialliberalen. 53 Kukathas/Pettit, S. 74 ff. 54 Kommunitarismus („communitarianism“) ist ein Sammelbegriff für verschiedene moderne Kritiker des Liberalismus. Die kommunitaristische Bewegung ist in den 1980er Jahren in den USA entstanden und betont den Wert einer intakten, solidarischen und moralischen Gemeinschaft. Man unterscheidet zwischen progressiven und konservativen Kommunitaristen. 55 Kukathas/Pettit, S. 92 ff. 56 Sandel, S. 24. 57 MacIntyre, S. 232 f. Gemäss Rawls wissen die Parteien im Urzustand nicht, wer sie sind, dafür haben sie allgemeine Kenntnisse über die Gesellschaft. In der Realität dürfte es tatsächlich eher umgekehrt sein. 51
D. Kritik
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Die Kritik des Menschenbildes, das den liberalen politischen Theorien zugrunde liegt, ist ebenso alt wie die liberale politische Theorie selbst. Forst schreibt dazu treffend: „Seit Hobbes die Menschen auffasste, ,als wären sie soeben der Erde entsprungen und plötzlich, wie Pilze, erwachsen gewesen, ohne jede Art von Beziehung zueinander‘, seit er den Menschen dem aristotelisch-scholastischen ethischen Universum entwand und damit dem Liberalismus den Weg bereitete, ist dieser mit dem Einwand des Atomismus konfrontiert gewesen. Diese Kritik richtet sich insbesondere gegen die liberale Staatsvertragstheorie. [. . .] Ob der Mensch als ,zoon politikon‘ innerhalb einer ethisch umfassenden ,polis‘ vorgestellt werden muss oder als tugendhafter politischer ,citoyen‘, ob als Teil des ,objektiven Geistes‘ der Sittlichkeit eines Volkes oder als Mitglied einer gesellschaftlichen Klasse in einer bestimmten historischen Situation, weist in unterschiedliche Richtungen der Liberalismuskritik – doch ist all diesen Kritiken gemeinsam, das ,liberale Selbst‘ als abstraktes Kunstprodukt einer Theorie zu verstehen, der es um die Verteidigung individueller Rechte geht und die zu diesem Zweck das unabhängige Individuum zum normativen Mittelpunkt erhebt.“ 58
Sandel argumentiert genau in dieser Tradition, nämlich dass ein Konzept der menschlichen Person verfehlt sein müsse, in dem die Menschen als unabhängig von allen Wertüberzeugungen und frei von jeder intersubjektiven Bindung vorgestellt werden. Offensichtlich seien wir als Subjekte stets schon von intersubjektiv erworbenen Wertorientierungen geprägt, so dass es nicht plausibel sei, von ethisch neutralen, unsituierten Personen auszugehen.59 Gegen diese Kritik lässt sich jedoch einwenden, dass das autonome Selbst nicht ontologisch, sondern normativ gemeint sei. Forst: „Dass das Selbst ,vor‘ seinen Zielen da ist, ist [. . .] normativ und nicht ontologisch zu verstehen (wie Sandel glaubt): Es gibt keinen ethischen Wert, der objektiv und allgemeinverbindlich Vorrang vor deontologischen Normen hätte, daher bilden diese Normen einen Rahmen für mögliche Konzeptionen des Guten.“ 60
Rawls’ Konzeption reflektiert daher eine individualistische Gesellschaftsauffassung, die verschiedenen politischen Auffassungen und individuellen Lebensplänen nicht neutral gegenübersteht. Rawls relativiert diesen Einwand mit dem Argument, dass die allgemeine Verwirklichung der Gerechtigkeit an sich auch einen Gemeinschaftswert darstelle.61 Gesellschaftliche Kooperation sei dabei als System gegenseitiger Ergänzung und Verwirklichung zu verstehen. Da dies im Rahmen der Gerechtigkeit geschehe, sei diese per se ein konstitutiver Bestandteil dieser Gemeinschaftsleistung.62
58 59 60 61 62
Forst, S. 20. Sandel, S. 24 ff. Forst, S. 25. Rawls, TJ, S. 464. Forst, S. 27.
176
§ 7 Die Theorie der Gerechtigkeit von John Rawls
Indem Rawls die Person in seinen neueren Schriften als vernünftig statt bloss rational konzipiert, entkräftet er den Vorwurf des Menschen als von der Gesellschaft isoliertes Wesen definitiv: Da vernünftige Menschen immer auch die Auswirkungen ihrer Handlungen auf die anderen Personen berücksichtigen, stehen sie bereits aufgrund dieser Eigenschaft in einer normativen Beziehung zueinander. II. Der Schleier des Nichtwissens Mit Hilfe des Schleiers des Nichtwissens blendet Rawls jede Individualität aus und gewinnt ein allgemeines moralisches, unparteiliches Subjekt. Mit diesem Kunstgriff kreiert er einen neuen „moral point of view“.63 Seyla Benhabib bezweifelt aber, dass Rawls’ Urzustand den Ausgangspunkt einer gerechten Gesellschaft bilden kann: Der konturlose Mensch hinter dem Schleier des Nichtwissens kann ihrer Meinung nach gar kein richtiger Mensch sein. Dieser sei vor allem auch nicht fähig, den Standpunkt des Anderen einzunehmen. Denn es bestehe ja gar kein Unterschied zwischen dem Selbst und dem Anderen. Benhabib ersetzt den verallgemeinerten Anderen durch den konkreten Anderen: Wolle man den Anderen verstehen, müsse man mehr – nicht weniger – über ihn wissen. Denn man könne moralisch relevante Situationen nicht unabhängig vom Wissen über die Geschichte, Charakterzüge, Wünsche und Verhaltensweisen der Handelnden beurteilen.64 Der Gerechtigkeitstheorie von Rawls haftet daher etwas Künstliches an: Die Parteien sind nur scheinbar unparteilich. Denn sie sind gar nicht fähig, als konkrete Menschen moralisch zu denken und zu handeln. Und sie sind sich schon gar nicht einer deontologischen Verpflichtung zur Unparteilichkeit bewusst. III. Die Maximin-Entscheidungsregel Gemäss der Maximin-Regel als Entscheidungsprinzip bei Ungewissheit sollen sich die Parteien im Urzustand für eine Gesellschaftsordnung entscheiden, in der sie auch dann noch grosse Vorteile erwarten können, wenn sie zuunterst in der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Hierarchie leben müssten. Die Maximin-Regel ist aber weder rational abgeleitet noch wirklich plausibel. Zwar dürfte jeder an einem sozialen Existenzminimum interessiert sein, dass aber dieses Minimum zu maximieren sei, ist ohne pessimistische Lebenseinstellung und Risikoaversion nicht einsichtig.65 Benjamin Barber meint, dass die MaximinRegel nicht mit dem Rationalverhalten zu erklären ist, sondern vielmehr Aus-
63 64 65
Höffe, Rawls, S. 21 f. Benhabib, S. 180 ff. Höffe, Rawls, S. 21.
D. Kritik
177
druck einer von Rawls im Voraus auf Sicherheit festgelegten psychologischen Struktur der Individuen im Urzustand sei: „Rawlsian man in the original position is [. . .] unwilling to enter a situation that promises success because it also promises failure, unwilling to risk winning because he feels doomed to losing, ready for the worst because he cannot imagine the best, content with security and the knowledge he will be no worse off than anyone else because he dares not risk freedom and the possibility that he will be better off – all under the guise of ,rationality‘.“ 66
Barber jedoch hält risikofreudige Menschen nicht für irrational. Er glaubt, es gebe zumindest einige Individuen im Urzustand, die sich für eine unwahrscheinliche Chance auf Reichtum und Macht entscheiden würden, selbst wenn sie dafür Hunger und Tod riskieren müssten.67 Insgesamt ist dazu zu sagen, dass es nicht die rationale Entscheidung an sich ist, die dafür sorgt, dass sich die Parteien im Urzustand für das Differenzprinzip entscheiden, sondern die unterstellte Risikoaversion. IV. Das Überlegungsgleichgewicht Rawls versucht nicht, eine Letztbegründung für seine Theorie zu geben. Denn nach Hans Albert gerät jeder, der sich um eine Letztbegründung bemüht, in das Münchhausen-Trilemma: Man hat entweder die Wahl zwischen einem infiniten Regress – d. h. man kann auf der Suche nach Gründen immer weiter zurückgehen, was aber praktisch nicht durchführbar ist – oder einem logischen Zirkel in der Deduktion, der dadurch entsteht, dass man im Begründungsverfahren auf Aussagen zurückgreift, die vorher schon als begründungsbedürftig aufgetreten waren. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, dass man sich für einen Abbruch des Verfahrens an einem bestimmten Punkt (z. B. durch die Festsetzung von Axiomen) entscheidet. Eine Letztbegründung ist daher ausgeschlossen.68 Rawls benützt das reflektive Gleichgewicht, um das Letztbegründungsproblem zu umgehen. Abgesehen davon stellt sich die Frage, ob mit Hilfe des Konzepts des Überlegungsgleichgewichts überhaupt positive Entscheide gefällt werden können oder ob sich dadurch nur untaugliche Vorschläge eliminieren lassen. Nach Höffe handelt es sich hierbei um ein negatives Verfahren, das sich nicht dazu eignet, bestimmte Vorschläge positiv auszuzeichnen.69
66 67 68 69
Barber, S. 299. Barber, S. 297 f. Albert, Kritische Vernunft, S. 13. Höffe, Rawls, S. 24 f.
178
§ 7 Die Theorie der Gerechtigkeit von John Rawls
V. Das monologische Modell Die Gerechtigkeitstheorie von Rawls hat Konkurrenz durch die Diskursethik von Jürgen Habermas und Karl-Otto Apel erfahren. Danach sind moralische Urteile im praktischen Diskurs grundsätzlich rational begründbar. Dabei können die Teilnehmer im Diskurs nicht umhin, eine ideale Sprechsituation zu unterstellen, in der alle gleichberechtigt und frei reden dürfen. Der entscheidende Unterschied zwischen der Gerechtigkeitstheorie von Rawls und der Diskursethik von Habermas und Apel liegt darin, dass die Gerechtigkeitstheorie monologisch, das Diskursprinzip hingegen im praktischen Diskurs angewendet wird. Es reicht also nicht, dass ein Einzelner sich überlegt, ob alle bestimmten Normen zustimmen könnten; ja es genügt nicht einmal, dass alle für sich solche Überlegungen anstellen. Erst eine wirklich stattfindende Argumentation ergibt den praktischen Diskurs.70 Bei einem monologischen Diskurs besteht nach Habermas die Gefahr, dass der Einzelne die eigenen Überlegungen für allgemein hält.71 VI. Der Universalismus Wertrelativisten, die verschiedene Moralvorstellungen als gleichwertig und gleichberechtigt ansehen, bringen gegen universalistische Theorien den Vorwurf des Ethnozentrismus an: Hinter den angeblich universalen Theorien stecke der Moralkodex einer bestimmten Zivilisation. Rawls’ Gerechtigkeitstheorie ist tatsächlich auf westliche Demokratien zugeschnitten. Benhabib sieht das Problem darin, dass eine Moralbegründung, die sich lediglich als ein Verfahren zur Prüfung und Generierung moralischer Regeln verstehe, entweder so voraussetzungsarm sei, dass die gemachten Voraussetzungen trivial seien, oder aber die Begründung müsse substanzielle Prämissen in Anspruch nehmen, so dass die Verfahren nicht mehr rein formal seien, sondern schon auf normativen Vorgaben basierten. Benhabib schlägt daher vor, die normativen Prämissen offen zu deklarieren und im Gegenzug umfassende Universalitätsansprüche aufzugeben.72 In seinem späteren Buch „Political Liberalism“ geht Rawls auf diese Kritik ein und betont, dass seine Theorie im Kontext westlich-demokratischer Gesellschaften zu sehen sei: „[I]t is a moral conception worked out for a specific kind of subject, namely, for political, social, and economic institutions. In particular, it applies to what I shall call the ,basic structure‘ of society, which for our present purposes I take to be a modern constitutional democracy.“ 73 70 71 72 73
Ott/Mathis, S. 215. Habermas, S. 77 f. Benhabib, S. 42 ff. Rawls, PL, S. 11.
D. Kritik
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Damit gibt Rawls den Anspruch, seine Gerechtigkeitstheorie habe universellen Charakter, definitiv auf. VII. Der Freiheitsgrundsatz Mit dem Vorrang der Grundfreiheiten im ersten Gerechtigkeitsgrundsatz wird eine wichtige Vorentscheidung getroffen: Grundfreiheiten haben gegenüber einer Verbesserung der materiellen Lebenssituation den Vorrang. Es ist demnach ausgeschlossen, dass die Bürgerinnen und Bürger gewisse Freiheiten zugunsten eines höheren Lebensstandards eintauschen. Dies ist jedoch nicht ohne weiteres der Fall: Zwar ist es durchaus plausibel, dass sich niemand versklaven lassen will, doch ist andererseits anzunehmen, dass manch ein politisch desinteressierter Bürger zugunsten eines luxuriöseren Lebens auf seine politischen Rechte verzichten würde. Hart meint dazu: „It might be merely that some men, perhaps a majority, perhaps even all, in a society might wish to surrender certain political rights the exercise of which does not appear to them to bring great benefits, and would be willing to let government be carried on in some authoritarian form if there were good reasons for believing that this would bring a great advance in material prosperity.“ 74
Rawls trifft hier in kantianischer Tradition eine Vorentscheidung zugunsten der Freiheit. Denn der Vorrang der Freiheit ergibt sich nicht zwangsläufig aus der Entscheidungssituation im Urzustand, sondern ist vielmehr eine normative Prämisse, die Rawls stillschweigend unterstellt.75 VIII. Das Differenzprinzip Das Differenzprinzip verlangt, dass die am wenigsten begünstigte Gruppe („the least advantaged“) ausfindig zu machen sei und dass deren Aussichten maximiert werden sollen. Wie lässt sich aber diese Gruppe bestimmen? Es besteht nämlich kein theoretisch bestimmbares kardinales Nutzenmass, das interpersonelle Vergleiche ermöglichen würde. Das Problem besteht darin, dass verschiedene sozioökonomische Grundgüter wie z. B. soziale Chancen und Machtbefugnisse, wirtschaftliche Aussichten und die sozialen Bedingungen der Selbstachtung bei der Anwendung des Differenzprinzips massgeblich sind. Rawls entwickelt aber keinen Gesamtindex für diese Grundgüter, da er sich dabei mit schwierigen methodischen Problemen konfrontiert sieht. Um das Problem der Abwägung der verschiedenen Güter und des
74 75
Hart, Liberty, S. 244. Hart, Liberty, S. 247.
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§ 7 Die Theorie der Gerechtigkeit von John Rawls
kardinalen Nutzenvergleichs zu umgehen, trifft er die vereinfachende Annahme, dass die verschiedenen Grundgüter positiv miteinander korrelieren, d. h. dass wer z. B. über mehr Einkommen verfügt, gleichzeitig auch mehr Selbstachtung hat oder gesünder ist als jemand mit weniger Einkommen. Im Ergebnis orientiert sich Rawls am Einkommen der betreffenden Personen, was allerdings einen fragwürdigen Massstab darstellt, werden doch dabei wichtige Gesichtspunkte vernachlässigt.76 Ausserdem hat Amartya Sen das Differenzprinzip in Verbindung mit der objektiven Ausgestaltung des Katalogs der Grundgüter kritisiert.77 Diese objektive Betrachtung werde den verschiedenen Bedürfnissen der Menschen nicht gerecht: „If people were basically very similar, then an index of primary goods might be quite a good way of judging advantage. But, in fact, people seem to have very different needs varying with health, longevity, climatic conditions, location, work conditions, temperament, and even body size (affecting food and clothing requirements).“ 78
Ein Problem besteht beispielsweise darin, dass nicht alle Leute gleich viel medizinische Hilfe benötigen. Das Differenzprinzip würde dabei einem Behinderten nicht mehr zugestehen.79 Aufgrund der objektiven Ausgestaltung des Katalogs der Grundgüter spielen bekanntlich individuelle Präferenzen keine Rolle. Die Idee dabei war, Präferenzen für teure Luxusgüter auszuschliessen; umgekehrt trifft es aber auch Personen, die auf besondere Versorgung, wie z. B. mit medizinischen Leistungen, angewiesen sind. Sen erachtet diese Rechtfertigung als fragwürdig, da diese Betrachtungsweise zu inakzeptablen Härtefällen führe.80 In „Justice as Fairness – A Restatement“ (2001) geht Rawls deshalb nochmals auf Sens Kritik ein und weist darauf hin, dass im Urzustand die Grundgüter noch nicht im Detail spezifiziert würden. Auf der Gesetzgebungsund Rechtsprechungsstufe seien Anpassungen möglich, die spezifischen Gegebenheiten Rechnung tragen könnten: „The further specification of those rights and liberties is left to the constitutional, legislative, and judicial stages as more information is made available, and particular social conditions can be taken into account. In outlining the general form and content of basic rights and liberties, we must make their special role and central range of application sufficiently clear so that at each later stage the process of specification is guided in a suitable way.“ 81
76 77 78 79 80 81
Bausch, S. 111. Sen, Equality, S. 213 ff.; Rawls, JF, § 51.1, S. 168. Sen, Equality, S. 215 f. Sen, Equality, S. 215. Sen, Equality, S. 215. Rawls, JF, § 51.5, S. 172.
D. Kritik
181
Diese Relativierungen dürften Sen aber kaum überzeugen, da er Rawls mit seinem Konzept der Grundgüter letztlich sogar einen „Fetischismus“ vorwirft, der die Beziehung zwischen Personen und Gütern nicht berücksichtige: „Indeed, it can be argued that there is, in fact, an element of ,fetishism‘ in the Rawlsian framework. Rawls takes primary goods as the embodiment of advantage, rather than taking advantage to be a relationship between persons and goods.“ 82
Sen stellt dem Konzept der Primärgüter deshalb seinen „Fähigkeiten-Ansatz“ gegenüber. Er fragt nicht einfach danach, über welche Güter oder Ressourcen eine Person verfügen kann (wie Rawls oder z. B. auch Dworkin83) oder wie zufrieden jemand ist (wie dies im Utilitarismus der Fall ist). Sen geht es vielmehr darum, die Stellung und den Wert von Gütern und Ressourcen für das menschliche Leben zu untersuchen, indem er fragt, über welche Fähigkeiten („capabilities“) eine Person verfügt und was sie damit tun kann.84 Ferner fordert das Differenzprinzip lediglich, von allfälligen Vorteilen müssten auch die Schlechtestgestellten profitieren, regelt aber darüber hinaus nicht, nach welchen Kriterien die Einkommen insgesamt gerecht verteilt werden sollten. Das Differenzprinzip lässt daher theoretisch beliebig grosse Einkommensunterschiede zu.85 Verteilungswirkungen, die jeweils eine andere als die schlechtestgestellte Gruppe betreffen, werden nicht beachtet, wie folgendes Beispiel der Einkommensverteilung einer Gesellschaft mit drei Gruppen zeigt:86 Gruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
Total
Zustand A
100
80
60
240
Zustand B
127
62
61
250
Nach dem Differenzprinzip ist der Zustand B dem Zustand A vorzuziehen, weil die schlechtestgestellte Gruppe 3 von der gesellschaftlichen Einkommenssteigerung profitiert. Einem geringen Einkommensgewinn der Gruppe 3 steht jedoch ein starker Einkommensverlust der Gruppe 2 gegenüber. Ebenfalls hat sich die Spanne zwischen den Gruppen 1 und 3 wie auch zwischen 1 und 2 vergrössert. Das Problem des Differenzprinzips liegt also darin, dass es einseitig auf das Wohl der schlechtestgestellten Gruppe einer Gesellschaft abstellt, anstatt die Einkommensverteilung als Ganzes zu betrachten.87 82 83 84 85 86 87
Sen, Equality, S. 216. Siehe Ronald Dworkin, Sovereign Virtue. Siehe Amartya Sen, Inequality Reexamined. Bausch, S. 128 f. Vgl. Schernikau, S. 133. Schernikau, S. 133 f.
182
§ 7 Die Theorie der Gerechtigkeit von John Rawls
Rawls geht auch hier von einer optimistischen Annahme aus: Er unterstellt, dass sich die Aussichten der verschiedenen Gruppen im Laufe der wirtschaftlichen Entwicklung gleichmässig verbessern.88 Diese Annahme dürfte empirisch allerdings kaum der Realität entsprechen: Erfahrungsgemäss generiert der wirtschaftliche Fortschritt Gewinner und Verlierer, und darin liegt gerade dessen sozialpolitische Brisanz. Das Differenzprinzip gebietet nur, dass die Schlechtestgestellten auch profitieren müssen, es verbietet aber nicht Verluste anderer Gruppen.
88
Rawls, TJ, S. 69 f.
3. Teil
Reichtum, Effizienz und Gerechtigkeit § 8 Richard Posners Theorie der Reichtumsmaximierung „The idea that law should attempt to promote and facilitate competitive markets and to simulate their results in situations in which market-transaction costs are prohibitive – the idea that I call ,wealth maximization‘ – has affinities with both Kantian and utilitarian ethics: with the former, because the approach protects the autonomy of people who are productive [. . .]; with the latter, because of the empirical relation between free markets and human welfare.“ 1
A. Einleitung Richard Allen Posner (*1939) ist die zentrale Figur und ein wichtiger Vorkämpfer der Ökonomischen Analyse des Rechts. Coase: „In the development of the economic analysis of the law [. . .] Posner has clearly played the major role.“ 2
Im Gegensatz zu den meisten anderen Vertretern dieser Bewegung, die von der ökonomischen Fachrichtung herkommen, ist Posner Jurist. Seit 1969 ist er Professor an der University of Chicago Law School und wurde 1981 zum Bundesrichter der Vereinigten Staaten ernannt. Er hat eine Vielzahl von Büchern und über hundert Artikel geschrieben, vorwiegend zur Ökonomischen Analyse des Rechts.3 Posner hat sich dabei – was aussergewöhnlich ist und ihm als grosses Verdienst anzurechnen ist – auch intensiv mit den philosophischen Grundlagen der Ökonomischen Analyse des Rechts auseinander gesetzt. Er entwickelte das Konzept der Reichtumsmaximierung, welches die Wertbasis der Ökonomischen Analyse bilden sollte. Auch wenn – wie wir sehen werden – das Konzept kaum zu überzeugen vermag, vermittelt es dennoch viele Einsichten in die Logik des 1 2 3
Posner, Overcoming Law, S. 403 f. Coase, Law and Economics, S. 251. Gray, S. 665.
184
§ 8 Richard Posners Theorie der Reichtumsmaximierung
Effizienzdenkens – gelegentlich bis an die Schmerzgrenze! – und zeigt uns dabei auch die Grenzen der Ökonomischen Analyse des Rechts auf.
B. Übersicht In seinem Lehrbuch „Economic Analysis of Law“ (1972) machte sich Posner noch kaum Gedanken über die philosophischen Grundlagen der Ökonomischen Analyse des Rechts. Er glaubte, deren normative Grundlagen würden auf dem Utilitarismus beruhen (erste Phase). In seinem Aufsatz „Utilitarianism, Economics, and Legal Theory“ (1979) entwirft Posner erstmals das Konzept der Reichtumsmaximierung als ethisches Prinzip und versucht, sich damit vom Utilitarismus abzugrenzen. Effizienz ist das einzige Rechtsprinzip (zweite Phase). Anfangs der 1980er Jahre versucht Posner seine Ethik der Reichtumsmaximierung abzusichern, indem er sie konsenstheoretisch begründet. Mit Hilfe des Konzepts der ex ante-Kompensation konstruiert er eine hypothetische Zustimmung zum Kaldor-Hicks-Kriterium (dritte Phase). Bereits Mitte der 1980er Jahre beginnt Posner seine Positionen zu relativieren und bereitet so den Übergang zum Pragmatismus vor, den er seit den 1990er Jahren vertritt. Effizienz sei zwar ein wichtiges Rechtsprinzip, aber nicht unbedingt das einzige (vierte Phase).
C. Utilitarismus In seiner ersten Auflage von „Economic Analysis of Law“ äussert sich Posner im einführenden 1. Kapitel „The Economic Approach to Law“, das nur acht Seiten umfasst, nicht explizit zu den normativen Grundlagen der Ökonomischen Analyse des Rechts. Er beschreibt die Methode des ökonomischen Ansatzes nur summarisch. Zu Beginn des 25. Kapitels „Legal Sanctions and Crime Control“ stellt Posner jedoch eine Verbindung zwischen der ökonomischen Theorie und dem Utilitarismus Benthams her: Die übliche Rechtfertigung für die Bestrafung von Straftätern durch den Staat sei die Abschreckung. Diese Begründung der Strafe sei von Jeremy Bentham als Anwendung seiner allgemeinen Theorie menschlichen Verhaltens vorgebracht worden. Nach Bentham sind die Menschen rationale Maximierer ihrer Befriedigung. Deshalb würden Handlungen, die mehr Schmerz als Lust bewirkten, unterlassen. Straftaten könnten daher verhindert werden, indem dem Täter eine Strafe drohe, deren Schmerz grösser sei als die Lust, die aus der Begehung der Straftat resultiere.4 Posner zieht folgenden Schluss: 4
Posner, EAL 1, S. 357.
D. Reichtumsmaximierung als Alternative zum Utilitarismus
185
„Bentham’s utilitarianism, in its aspect as a positive theory of human behaviour, is another name for economic theory. Pleasure is value and pain is cost.“5
H. L. A. Hart folgerte daraus, dass die Ökonomische Analyse des Rechts auf utilitaristischer Wertbasis stehe: „[U]tilitarianism is quite explicitly acknowledged as the inspiration of the contemporary Chicago-bred school of the economic analysis of law [. . .].“ 6
Später bedauerte Posner, dass er nicht klar zwischen seiner normativen Theorie und dem Utilitarismus unterschieden hatte: „[U]ntil recently I have insufficiently distinguished between the two systems of thought [. . .].“ 7
Zum Zeitpunkt der 1. Auflage hatte Posner anscheinend noch nicht die Absicht, sich vom Utilitarismus abzugrenzen. Offensichtlich glaubte er, dass die normative Basis der ökonomischen Theorie eine Variante des Utilitarismus sei. Sein normatives Konzept der Reichtumsmaximierung hatte er damals noch nicht entwickelt.
D. Reichtumsmaximierung als Alternative zum Utilitarismus In „Utilitarianism, Economics, and Legal Theory“ (1979) vertritt Posner das Konzept der Reichtumsmaximierung („wealth maximization“) als ethisches Gegenkonzept zum Utilitarismus. Die Kritiker würden seine Theorie als eine Version des Utilitarismus qualifizieren und den Utilitarismus daraufhin attackieren. Sie würden dies vermutlich tun, weil ihnen die philosophische Terminologie besser vertraut sei als jene der Sozialwissenschaften, oder weil sie die derzeitige feindliche Welle gegen den Utilitarismus ausnützen wollten. Reichtumsmaximierung sei jedoch eine bessere Basis für eine normative Rechtstheorie als der Utilitarismus: „The important question is whether utilitarianism and economics are really the same thing. I believe they are not and, further, that the economic norm I shall call ,wealth maximization‘ provides a firmer basis for a normative theory of law than does utilitarianism.“ 8
Posner verteidigt die in „Utilitarianism, Economics, and Legal Theory“ entwickelte Konzeption in den 1980er Jahren in verschiedenen weiteren Publikationen.
5 6 7 8
Posner, EAL 1, S. 357. Hart, American Jurisprudence, S. 143. Posner, Utilitarianism, S. 104. Posner, Utilitarianism, S. 103.
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§ 8 Richard Posners Theorie der Reichtumsmaximierung
I. Reichtumsmaximierung Reichtumsmaximierung bedeutet, dass eine Transaktion oder eine andere Änderung im Gebrauch bzw. im Eigentum von Ressourcen vorteilhaft ist, wenn es den Reichtum der Gesellschaft erhöht. Auf das Recht bezogen schlägt Posner vor, dass mittels staatlicher Zwangsgewalt der Markt, also das Ergebnis freiwilliger Transaktionen, imitiert wird, wo die Transaktionskosten prohibitiv sind, d. h. wo eine freiwillige Verhandlungslösung nicht zustande kommen kann, weil die mit dem Austausch der Leistungen verbundenen Kosten zu hoch sind. „This approach attempts to reconstruct the likely terms of a market transaction in circumstances where instead a forced exchange took place – to mimic or simulate the market, in other words.“ 9
Die Idee ist verblüffend einfach und paradox zugleich: Das Modell freiwilliger Transaktionen auf Wettbewerbsmärkten soll mit Hilfe der staatlichen Zwangsgewalt in analoger Weise auf rechtliche Entscheidungen übertragen werden. Sollten private Arrangements infolge zu hoher Transaktionskosten nicht für Effizienz sorgen, wird der Staat mittels einer am Effizienzziel orientierten Rechtsprechung den Markt imitieren („to mimic the market“).10 1. Reichtum Der Reichtum („wealth“)11 einer Gesellschaft ist nach Posner die Summe aller tangiblen und intangiblen Güter, die monetär wie folgt bewertet werden: entweder nach der Zahlungsbereitschaft („willingness to pay“), d. h. dem Preis, den ein Nachfrager maximal für ein Gut zu zahlen bereit ist, oder – für den Fall, dass jemand das Gut bereits besitzt – nach dem Mindestpreis, den dieser Anbieter für das entsprechende Gut erhalten will, damit er bereit ist, dieses zu verkaufen.12 „Wealth is the value in dollars or dollar equivalents [. . .] of everything in society. It is measured by what people are willing to pay for something, or if they already own it, what they demand in money to give it up. The only kind of preference that counts in a system of wealth maximization is thus one that is backed up by money – in other words, that is registered in a market.“ 13
Genau genommen handelt es sich bei der Zahlungsbereitschaft der Nachfrager um die marginale Zahlungsbereitschaft, denn die Zahlungsbereitschaft ist für jede einzelne Gütereinheit separat zu ermitteln, da sie wegen des abnehmen9
Posner, EAL 5, S. 16. Zur Kritik an diesem Konzept siehe § 4 C.IV.2. 11 Der Begriff „wealth“ kann auch mit „Vermögen“ oder „Wohlstand“ übersetzt werden. 12 Vgl. Posner, Justice, S. 15. 13 Posner, Utilitarianism, S. 119. 10
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den Grenznutzens der Güter (1. Gossen’sches Gesetz) normalerweise nicht konstant ist, sondern mit zunehmender Stückzahl abnimmt. Die marginale Zahlungsbereitschaft wird in einem Preis-Mengen-Diagramm durch die Nachfragekurve abgebildet. Umgekehrt gibt die Angebotskurve die Preise an, zu denen die Anbieter bereit sind, die Güter zu verkaufen. Normalerweise erhöht sich die angebotene Menge mit steigendem Preis, weshalb Angebotskurven üblicherweise ansteigen. 2. Explizite und implizite Märkte Der Markt, an dem Güter bewertet werden, braucht kein expliziter zu sein, d. h. Güter können auch gehandelt werden, ohne dass dabei ausdrücklich über einen monetären Preis gesprochen wird. Gerade im privaten Bereich werden viele Güter auf impliziten Märkten getauscht: „Even today, much of economic life is organized on barter principles; the ,marriage market‘, child rearing, and a friendly game of bridge are some examples. These services have value which could be monetized by reference to substitute services sold in explicit markets or in other ways.“ 14
Dies zeigt auch, dass der von Posner definierte Reichtumsbegriff keineswegs gleichbedeutend mit Begriffen wie Bruttosozialprodukt oder Bruttoinlandprodukt ist, bei denen Güterpreise mit Gütermengen multipliziert werden. Bei diesen Messgrössen werden nämlich nur Transaktionen auf expliziten Märkten erfasst – und zwar zu Marktpreisen, was nicht dem Konzept von Posner entspricht. Nach dessen Auffassung sollen zudem auch implizite Märkte oder Schattenmärkte („shadow markets“) sowie entsprechende Schattenpreise („shadow prices“) in die Betrachtungen mit einbezogen werden: „[R]emember that wealth as used by economists is not an accounting concept; it is measured by what people would pay for things (or demand in exchange for giving up things they possess), not by what they do pay for them. Thus leisure has value and is a part of wealth, even though it is not bought and sold. We can speak of leisure having an implicit or shadow price.“15
Angenommen, man habe die Wahl zwischen 40 Arbeitsstunden pro Woche für Fr. 2.000,– und 30 Stunden für Fr. 1.500,–. Wenn man die zweite Möglichkeit wählt, bedeutet dies, dass einem die 10 zusätzlichen Stunden Freizeit mehr wert sind als Fr. 500,–, also z. B. Fr. 600,–. Dieser Entscheid ist ebenfalls reichtumsmaximierend, weil man diejenige Möglichkeit wählt, die einem am meisten wert ist. Oder anders gesagt: Man „kauft“ sich für Fr. 500,– 10 Stunden Freizeit, für die man bereit wäre, Fr. 600,– zu bezahlen, womit sich der persönliche
14 15
Posner, Utilitarianism, S. 120. Posner, EAL 5, S. 17.
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§ 8 Richard Posners Theorie der Reichtumsmaximierung
und – ceteris paribus – auch der gesellschaftliche Reichtum erhöht. Und dies, obwohl das Bruttosozialprodukt dadurch kleiner wird.16 Zu beachten ist ferner, dass das Bruttosozialprodukt und verwandte Grössen Geldströme messen, der Reichtum hingegen eine Bestandesgrösse darstellt.17 Ausserdem ist Reichtumsmaximierung vom Grundprinzip her kein pekuniäres Konzept – wie dies u. a. die impliziten Märkte zeigen –, obwohl Geld als Messgrösse verwendet wird.18 3. Tatsächliche und hypothetische Märkte Neben diesen tatsächlichen (expliziten oder impliziten) Märkten sind für das Recht hypothetische Märkte von zentraler Bedeutung. Tatsächliche Märkte basieren auf freiwilligen Transaktionen, während hypothetische Märkte im Zusammenhang mit unfreiwilligen Transaktionen (z. B. bei unerlaubten Handlungen) zum Tragen kommen. Posner erklärt dies anhand zweier Situationen:19 Im ersten Fall offeriert A der Person B $ 5,– für eine Tasche Orangen, und diese willigt ein. Es steht fest, dass der gesellschaftliche Reichtum mit diesem Handel zugenommen hat: Vor der Transaktion hatte B eine Tasche Orangen, die ihm weniger als $ 5,– wert war, und A hatte $ 5,–. Danach hat B $ 5,– und A die Tasche Orangen, die ihm jedoch mehr als $ 5,– wert ist. Im Sinne Posners sind folglich beide nach der Transaktion reicher als zuvor. Im zweiten Fall kauft A die Orangen nicht von B, sondern er zerstört sie versehentlich. Ein Gericht, das die Learned Hand-Formel 20 der Fahrlässigkeitshaftung anwendet, würde sich fragen, ob die erwarteten Kosten des Unfalls für A grösser oder kleiner sind als der erwartete Gewinn, den dieser aus jener Aktivität zog, die im Nebeneffekt zu dem Unfall führte. Um diese Frage zu beantworten, müsste das Gericht abschätzen, wie viel die Orangen B wert waren bzw. wie viel es A wert war, sich schnell und unvorsichtig fortzubewegen. Posner gibt zu, dass die Gerichte den Markt nur ungenau simulieren können. Trotzdem stuft er dieses Vorgehen als tauglich ein: „The purist would insist that the relevant values are unknowable since they have not been revealed in an actual market transaction, but I assume that (in many cases anyway) a court can make a reasonably accurate guess as to the allocation of resources that would maximize wealth. Since, however, the determination of value (that is, willingness to pay) made by a court is less accurate than that made by a 16 17 18 19 20
Vgl. Posner, Justice, S. 17 f. Posner, Wealth, S. 93. Posner, Inquiry, S. 101. Posner, Utilitarianism, S. 120. Siehe § 4 D.I.6.b).
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market, the hypothetical-market approach should be reserved for cases, such as the typical accident case, where market-transaction costs preclude use of an actual market to allocate resources efficiently.“ 21
Während bei freiwilligen Transaktionen sowohl der gesellschaftliche Reichtum als auch der Nutzen im utilitaristischen Sinne erhöht werden – sonst würde die Transaktion gar nicht stattfinden –, wird beim Modell des hypothetischen Marktes zwar stets der gesellschaftliche Reichtum, jedoch nicht unbedingt auch der Nutzen erhöht. Dies sei am folgenden Beispiel erklärt: Angenommen, eine Fabrik würde Schadstoffe emittieren, wodurch sich der Wert der angrenzenden Grundstücke eines Wohngebietes um insgesamt 2 Mio. $ vermindere. Diese Schädigung könnte nur dadurch beseitigt werden, dass die Fabrik an einen anderen Standort zieht, was 3 Mio. $ kosten würde. Gemäss dem Reichtumsmaximierungsprinzip müsste die Fabrik folglich nicht wegziehen, weil sonst 1 Mio. $ Reichtum vernichtet würde. Wenn man nun aber auf den Nutzen im utilitaristischen Sinne abstellt, käme man möglicherweise zu einem anderen Schluss. Es ist sehr gut vorstellbar, dass der Nutzengewinn aller Anwohner zusammen durch einen Wegzug der Fabrik höher wäre als der entsprechende Nutzenverlust, der – nehmen wir an – bei den Eigentümern der Fabrik anfallen würde.22 Bei unfreiwilligen Transaktionen sind umgekehrt auch Fälle denkbar, in denen sich zwar der gesellschaftliche Nutzen, nicht jedoch der gesellschaftliche Reichtum erhöht. Dann ist aber das Modell des hypothetischen Marktes nicht anwendbar, wie folgendes Beispiel zeigt: Stellen wir uns einen armen Mann vor, der sich entschliesst, für seine schöne Frau eine Diamanten-Halskette zu stehlen. Die Halskette habe einen Marktwert von $ 10.000,–, und der jetzigen Eigentümerin sei sie ebenfalls so viel wert, d. h. sie würde die Halskette nur für mindestens $ 10.000,– verkaufen. Die optimale Busse für diesen Diebstahl (berechnet aus dem Wert der Halskette, der Wahrscheinlichkeit, den Dieb zu fassen und zu verurteilen, den Gerichts- und Strafvollzugskosten etc.) sei $ 25.000,–. Da der mittellose Dieb diese Summe nicht bezahlen kann, würde sie nutzenmässig einem Äquivalent von drei Jahren Gefängnis entsprechen. Unter diesen Umständen erscheint es plausibel zu vermuten, dass durch den Diebstahl die Nutzensumme der Gesellschaft (inkl. Dieb) steigt, obwohl der Dieb die Busse nicht bezahlen kann. Denn dieser muss aus dem Diebstahl einen Nutzen ziehen, der den Nutzenverlust, welcher der übrigen Gesellschaft aus dem Diebstahl erwächst, übersteigt und der sich in der optimalen Busse niederschlägt. Sonst würde der Dieb den Diebstahl nicht begehen. Der gesellschaftliche Reichtum wird jedoch nicht erhöht, denn der mittel21 22
Posner, Utilitarianism, S. 120. Posner, Utilitarianism, S. 120 f.
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lose Dieb könnte die Halskette niemals bezahlen. Es lässt sich folglich kein hypothetischer Markt konstruieren.23 Anders läge der Fall nach Posner, wenn jemand, der über genügend finanzielle Mittel verfügt, in einen geschlossenen Kiosk einbrechen und Lebensmittel stehlen würde, um nicht zu verhungern. Hier lässt sich das Modell des hypothetischen Marktes anwenden: Es ist anzunehmen, dass die Lebensmittel für den Dieb im Sinne der Reichtumsmaximierung mehr wert waren als dem Eigentümer. Denn der Dieb hätte die Lebensmittel kaufen und bezahlen können, wenn der Kiosk offen und bedient gewesen wäre, d. h. wenn ein tatsächlicher Markt existiert hätte.24 4. Protestantische Tugenden und unsichtbare Hand Posner ist der Ansicht, dass die Reichtumsmaximierung besser mit „unseren moralischen Intuitionen“ übereinstimmt als der Utilitarismus. Mit diesen moralischen Intuitionen meint er die protestantischen Tugenden: „[T]he wealth-maximization principle encourages and rewards the traditional virtues (,Calvinist‘ or ,Protestant‘) and capacities associated with economic process. The capacities (such as intelligence) promote the efficiency with which resources can be employed; the virtues (such as honesty, and altruism in its proper place) by reducing market transaction costs do the same.“25
Die meisten konventionellen Tugenden – wie z. B. „Versprechungen sind zu halten“ oder „Man soll die Wahrheit sagen“ – lassen sich nach Posner aus der Reichtumsmaximierung ableiten. Denn das Befolgen dieser Regeln erleichtere Transaktionen, weil dadurch Transaktionskosten gesenkt werden könnten (z. B. die Kosten für das Aushandeln detaillierter Verträge oder Gerichtskosten). Dies fördere den Handel und steigere folglich auch den Reichtum.26 Warum ein ehrlicher Käufer einem Dieb moralisch überlegen ist, zeigt Posner wiederum am Beispiel mit der Halskette:27 Jemand, der die Halskette für $ 10.000,– kauft, ist demjenigen, der die Halskette stiehlt, insofern moralisch überlegen, als er einerseits seine eigene Wohlfahrt steigert, andererseits aber auch diejenige der Verkäuferin.28 Ausserdem hat der Käufer höchstwahrschein23
Posner, Utilitarianism, S. 121. Posner, Utilitarianism, S. 121. 25 Posner, Utilitarianism, S. 124. Diese Argumentation gleicht derjenigen Max Webers, der ebenfalls einen Zusammenhang zwischen Reformation und wirtschaftlicher Entwicklung sieht. 26 Posner, Utilitarianism, S. 123. 27 Posner, Utilitarianism, S. 122 f. 28 Hier ist nicht ganz klar, ob Nutzen oder Reichtum gemeint ist. Da sich aber bei freiwilligen, paretosuperioren Transaktionen immer beide Grössen erhöhen, spielt dies keine Rolle. 24
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lich die $ 10.000,– durch produktive Tätigkeit erwirtschaftet. Auch davon profitieren andere Personen ausser ihm, wie z. B. Arbeitgeber oder Kunden etc. Jeder, der produktiv ist, gibt also der Gesellschaft mehr, als er von ihr nimmt: „For, if we assume that a person’s income is less than the total value of his production, [. . .] it follows that the productive individual puts into society more than he takes out of it. Hence not only does the buyer in our example confer a net benefit on the owner of the necklace (who wouldn’t accept $ 10.000,– for it unless it was worth less to her), but at every stage in the accumulation of that money through productive activity net benefits were conferred on other people besides the producer. The thief, in contrast, provides no benefit to the owner of the necklace or to anyone else. He may never have done a productive act in his life.“29
Nach Posner lässt sich auch Altruismus in diesem Sinne interpretieren: Von einem produktiven Menschen, der auf Märkten Güter und Dienste anbietet, können immer auch andere Menschen profitieren.30 Letztlich profitiert also die ganze Gesellschaft von der Profitgier des Tüchtigen. Diese Argumentation ist auch bekannt unter dem Begriff der „unsichtbaren Hand“ von Adam Smith.31 Der Umstand, dass bei produktiver Tätigkeit und freiwilligen Transaktionen auf Märkten immer auch ein Vorteil für andere anfällt, führt uns zum Begriff der „Rente“ im Sinne der Wohlfahrtsökonomie. 5. Konsumenten- und Produzentenrente Nehmen wir an, A wäre bereit, für die Briefmarkensammlung von B Fr. 1.000,– zu bezahlen. In diesem Fall wäre diese also für A Fr. 1.000,– wert. B wäre bereit, die Briefmarkensammlung für Fr. 800,– zu verkaufen. Also ist sie ihm Fr. 800,– wert. Wenn der Kauf zu Fr. 1.000,– zustande kommt, wird der Reichtum von B um Fr. 200,– steigen, jener von A gleich bleiben und der Reichtum der Gesellschaft um Fr. 200,– steigen.32 Eine Reichtumssteigerung in diesem Sinne ist gleichbedeutend mit einer Effizienzsteigerung.33 Würden sich im gleichen Beispiel A und B auf einen Preis von Fr. 900,– einigen, erhöhte sich der gesellschaftliche Reichtum ebenfalls um Fr. 200,–, wobei sowohl A als auch B um je Fr. 100,– reicher würden. Die Differenz zwischen dem Preis, den ein Nachfrager für eine Gütereinheit zu zahlen bereit wäre, und dem effektiv zu zahlenden (tieferen) Preis, nennt man Konsumentenrente („consumer surplus“). Die Differenz zwischen dem Preis, den ein Anbieter
29
Posner, Utilitarianism, S. 123. Posner, Utilitarianism, S. 123 f. 31 Siehe § 5 C. 32 Vgl. Posner, Justice, S. 15. 33 Sofern niemand schlechter gestellt wird im Sinne von Pareto, andernfalls im Sinne von Kaldor-Hicks. 30
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§ 8 Richard Posners Theorie der Reichtumsmaximierung
mindestens fordert, und dem effektiv erzielten (höheren) Preis heisst Produzentenrente („producer surplus“). Die Reichtumsgewinne sind also nichts anderes als solche „Renten“ von Anbietern und Nachfragern, die bei Transaktionen auf Märkten erzielt werden können. Auf einem Markt mit vielen Anbietern und Nachfragern entspricht in der Abbildung 16 die gesamthaft erzielte Konsumentenrente für die gekaufte Menge x* beim Marktpreis p* dem Dreieck oberhalb der Preisgerade, während das Dreieck unterhalb der Preisgerade die unter diesen Bedingungen erzielte Produzentenrente beschreibt. Für Mengeneinheiten, die über die Menge x* hinausgehen, wäre sowohl die Konsumentenrente wie auch die Produzentenrente negativ, weshalb sich solche Transaktionen für beide Marktseiten nicht lohnen würden; sie wären ausserdem auch gesellschaftlich reichtumsvermindernd. Die Gesellschaft würde gemäss unserem Beispiel auch um Fr. 200,– reicher, wenn B gezwungen würde, A die Briefmarkensammlung zu schenken. Dabei würde B zwar um Fr. 800,– ärmer, A hingegen um Fr. 1.000,– reicher, woraus ein positiver Saldo von Fr. 200,– resultierte. Würde A umgekehrt gezwungen, die Briefmarkensammlung wieder an B zurückzugeben – zu welchem Preis auch immer –, würde der gesellschaftliche Reichtum wieder um Fr. 200,– sinken. 6. Die Zahlungsbereitschaft bestimmt die Zuteilung der Ressourcen Wie wir gesehen haben, spielt also der Transaktionspreis gesellschaftlich keine Rolle, massgeblich ist nur, dass das Gut in die „richtige“ Richtung transferiert wird, d. h. zu demjenigen, dem es mehr „wert“ ist. Allerdings handelt es sich dabei nicht etwa um eine rein nutzenmässige Wertschätzung im utilitaristischen Sinne, denn man muss ja auch in der Lage sein, das Gut zu bezahlen, wenn man es erwerben möchte. Eine Gesellschaft kann nach Posner ihren Reichtum dann erhöhen, wenn jede Ressource oder jedes Gut denjenigen Besitzer findet, der am meisten dafür zu zahlen bereit ist oder dies zumindest wäre.34 In einer Marktwirtschaft sorgen grundsätzlich freiwillige Transaktionen dafür, dass die Güter dorthin gelangen, wo sie im Sinne der Reichtumsmaximierung am meisten wert sind. Solche Transaktionen sind paretosuperior, weil niemand freiwillig eine Transaktion einginge, bei der er schlechter gestellt würde. Auch bei der ursprünglichen Zuteilung der Ressourcen sollte nach Posner derjenige die Ressourcen erhalten, der sie ökonomisch am höchsten schätzt. Gemäss dem Coase-Theorem spielt die ursprüngliche Zuteilung von Rechten bezüglich der Effizienz keine Rolle, sofern die Transaktionskosten null betragen.35 Gibt man 34 Zu der von Posner vorgeschlagenen „Auktionsregel“ zur Bestimmung der höchsten Zahlungsbereitschaft siehe vorne § 3 C.III.2. 35 Siehe § 4 C.
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Preis p
Angebot Konsumentenrente p* Produzentenrente Nachfrage
x*
Menge x
Abbildung 16: Konsumenten- und Produzentenrente
diese unrealistische Annahme jedoch auf, ist demjenigen ein Recht auf eine Ressource zuzuteilen, der sie – wenn es keine Transaktionskosten gäbe – wahrscheinlich erwerben würde. Selbst Rechte an der eigenen Person werden nach diesem Prinzip begründet: „It is true that if market transactions were costless, it would be a matter of indifference to the economist where an exclusive right was initially vested. The process of voluntary exchange would costlessly reallocate the right to whoever valued it the most. Once the unrealistic assumption of zero transaction costs is abandoned, however, the assignment of rights becomes determinate [. . .]. If transaction costs are positive, the wealth maximization principle requires the initial vesting of rights in those who are likely to value them the most. [. . .] This is the economic reason for giving a worker the right to sell his labor and a woman the right to determine her sexual partners.“36
Rechte an der eigenen Person sollen also aus ökonomischen Gründen dem sog. natürlichen Besitzer („natural owner“) zugeteilt werden, weil dieser sie vermutlich am höchsten schätzt.37 36 37
Posner, Utilitarianism, S. 125. Posner, Utilitarianism, S. 125 f.
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7. Kaldor-Hicks-Effizienz als massgebendes Kriterium Da das Paretokriterium in der Regel nicht anwendbar ist, weil fast immer jemand durch eine Massnahme schlechter gestellt wird, dürften die Ökonomen in den meisten Fällen das Kaldor-Hicks-Kriterium anwenden.38 Um dem Reichtumsmaximierungsprinzip zu genügen, muss die Transaktion weder freiwillig noch paretosuperior sein. Sie kann auch unfreiwillig erfolgen, sofern sie dem Kaldor-Hicks-Kriterium genügt, d. h. wenn der Vorteil für die Gesellschaft mindestens ausreichen würde, um die Verlierer hypothetisch zu entschädigen (potenzielle Paretosuperiorität).39 Gerade bei wirtschaftspolitischen Massnahmen oder im Rahmen der Rechtsprechung können Massnahmen oder Entscheide getroffen werden, die diesem Kriterium entsprechen. Der Staat soll ja in solchen Fällen den Markt imitieren. Wichtig ist dabei, dass das Kaldor-Hicks-Kriterium der hypothetischen Kompensierung stets im Sinne der Reichtumsmaximierung anzuwenden ist. Massstab ist also immer der Reichtum, wie ihn Posner definiert, und nicht etwa der Nutzen im utilitaristischen Sinne. Nach der Definition von Posner sind Reichtumsmaximierung und Kaldor-Hicks-Kriterium daher dasselbe. Eine Erhöhung der Effizienz im Sinne von Kaldor-Hicks bedeutet demnach immer auch eine Vergrösserung des Reichtums.40 Folgendes Beispiel soll die hypothetische Kompensation bei einer unfreiwilligen Transaktion illustrieren:41 Angenommen, die Kosten von A würden Fr. 1.000,– betragen, um einen Unfall zu verhindern, der bei B einen erwarteten Schaden von Fr. 900,– zur Folge hätte. Der Einfachheit halber wird die Eintrittswahrscheinlichkeit des Schadens als 1 angenommen, d. h. dieser tritt mit Sicherheit ein.42 Die Zufügung des Schadens stellt keine freiwillige Transaktion zwischen A und B dar und ist nicht paretosuperior, da sich der Vermögensstand von B dadurch reduziert. Das Reichtumsmaximierungsprinzip ist aber trotzdem erfüllt, denn hätte A die Fr. 1.000,– aufgewendet, um einen Schaden von Fr. 900,– zu verhindern, wäre die Gesellschaft um Fr. 100,– ärmer geworden. In Übereinstimmung mit dem Kaldor-Hicks-Kriterium könnte nämlich der Schädiger A den Schaden von Fr. 900,– des Geschädigten B kompensieren und hätte immer noch Fr. 100,– übrig. Wie wir wissen, ist es jedoch ausreichend, dass A Person B entschädigen könnte; tatsächliche Entschädigung ist nicht erforderlich. 38
Posner, EAL 5, S. 15. Siehe § 3 C. 40 Der Reichtum kann natürlich auch durch paretosuperiore freiwillige Transaktionen erhöht werden. 41 Vgl. Posner, Justice, S. 16. 42 Äquivalent wäre ein Schaden von Fr. 9.000,– bei einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 0.1, was ebenfalls einen Erwartungswert des Schadens von Fr. 900,– ergibt. 39
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8. Reichtumsmaximierung ist in der Praxis bereits verankert Wie dieses Beispiel zeigt, entspricht auch die Learned Hand-Formel dem Kaldor-Hicks-Konzept. Danach liegt Fahrlässigkeit und damit eine Schadenersatzpflicht nur dann vor, wenn der Erwartungswert des Schadens die notwendigen Verhinderungskosten des Schädigers übertrifft.43 Posners Reichtumsmaximierungsprinzip stimmt damit überein mit der Bestimmung des Fahrlässigkeitsmassstabes der amerikanischen Common Law-Tradition. Das Reichtumsmaximierungsprinzip steht aber auch im Einklang mit der Rechtfertigung der Bekämpfung von Monopolen innerhalb des Wettbewerbsrechts:44 in der Abbildung 17 wird unter Wettbewerbsbedingungen die Menge xk zum Preis pk abgesetzt. Durch diese Transaktion erhöht sich der Reichtum der Konsumenten im Umfang des Dreiecks oberhalb der Preislinie (Konsumentenrente), der Reichtum der Anbieter im Umfang des Dreiecks unterhalb der Preisline (Produzentenrente). Will der Monopolist seinen Gewinn maximieren, restringiert er die angebotene Menge auf xm , um den höheren Preis pm zu erzielen. Daraus resultiert eine Vermögensverschiebung von den Konsumenten zu den Produzenten (schraffiertes Rechteck). Dieser Transfer stellt nur eine Umverteilung von der Konsumentenrente zur Produzentenrente dar und vermindert daher – per se – den gesellschaftlichen Reichtum nicht.45 Der gesellschaftliche Reichtum hingegen reduziert sich um das schraffierte Dreieck, was als „dead weight loss“ bezeichnet wird.46 Diese gesellschaftliche Reichtumsverminderung ergibt sich einerseits aus der Tatsache, dass gewisse Nachfrager das Produkt zum höheren Preis weniger oder gar nicht mehr kaufen – womit sich die Konsumentenrente verringert –, und andererseits daraus, dass der Monopolist auf diese nichtrealisierten Transaktionen keine Einnahmen und damit auch keine Produzentenrente erzielen kann. Wenn man nun den Monopolisten dazu zwingt, Wettbewerbspreise zu setzen, oder wenn man das Monopol durch andere Massnahmen ausser Kraft setzt, eliminiert man den gesellschaftlichen „dead weight loss“, so dass der gesellschaftliche Reichtum um das schraffierte Dreieck ansteigt. Der Monopolist könnte zwar für seinen Rentenverlust entschädigt werden, indem man ihm die Rente
43
Siehe zur Learned Hand-Formel § 4 D.I.6.b). Vgl. Posner, Justice, S. 16. 45 Der gesellschaftliche Reichtum kann sich jedoch dennoch verringern, weil ein Anreiz besteht, Ressourcen zwecks Erringung monopolistischer Positionen unproduktiv einzusetzen, um diese Rente abzuschöpfen (sog. „rent seeking“). 46 Üblich ist auch die Bezeichnung „Wohlfahrtsverlust“, was hier aber Verwirrung stiften könnte, weil „Wohlfahrt“ häufig gesellschaftlichen Nutzen bezeichnet und damit auch eine utilitaristische Kategorie sein könnte. 44
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§ 8 Richard Posners Theorie der Reichtumsmaximierung
Preis p
pm Grenzkosten K'(x) bzw. Angebotskurve pk Preis-AbsatzFunktion bzw. Nachfragekurve
E'(x)
xm
xk
Menge x
Abbildung 17: Vergleich von Wettbewerbsmarkt und Angebotsmonopol
im Umfang des Rechtecks zurückgibt, und es würde dennoch ein gesellschaftlicher Reichtumsgewinn in der Höhe des Dreiecks übrigbleiben. Die Kompensation ist jedoch nur hypothetisch und braucht nicht tatsächlich zu erfolgen, was wiederum dem Kaldor-Hicks-Kriterium entspricht. II. Vergleich mit dem Utilitarismus Reichtumsmaximierung und Utilitarismus haben gemeinsam, dass sie eine bestimmte gesellschaftliche Grösse maximieren, und zwar ohne Rücksicht auf deren Verteilung auf die einzelnen Mitglieder der Gesellschaft. Der Maximand ist dabei allerdings nicht derselbe: Der Utilitarismus maximiert den Nutzen („utility“) bzw. die Glückseligkeit („happiness“) der Gesellschaft, die Reichtumsmaximierung hingegen den gesellschaftlichen Reichtum („wealth“).47 Bei diesem Punkt ist zu beachten, dass die Ökonomen oft von „Nutzen“ sprechen, aber damit eigentlich „Reichtum“ meinen. Ausserdem korrelieren nach Posner Nutzen
47
Posner, Justice, S. 18.
D. Reichtumsmaximierung als Alternative zum Utilitarismus
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im utilitaristischen Sinne und Reichtum positiv:48 Wer reich ist, wäre demnach auch glücklicher.49 Posner ist der Ansicht, dass der Reichtumsmaximierung zwar genauso wie dem Utilitarismus eine konsequenzialistische Ethik zugrunde liege, aber dass sie die Schwächen des Utilitarismus nicht aufweise. Der Hauptunterschied bestehe darin, dass der Utilitarismus den Konsum betone, die Reichtumsmaximierung hingegen die Produktion. Denn nach Posner stellt der Utilitarismus einzig auf die Fähigkeit ab, Nutzen zu empfinden, was keine Anreize zu produktiver Tätigkeit gebe, welche die menschliche Zivilisation weiterbringe. Zwar stelle die Freizeit auch bei der Reichtumsmaximierung einen Wert dar, doch müsse auch sie „gekauft“ werden, indem man auf entsprechende Einkünfte aus Erwerbstätigkeit verzichte.50 Insgesamt stelle die Reichtumsmaximierung auf die produktive Tätigkeit des Einzelnen ab: „I stress the difference between capacity for pleasure and production for others as the key to distinguishing utilitarianism and wealth maximization as ethical systems.“ 51
Da der Zusammenhang zwischen Leistung und Entschädigung in der Marktwirtschaft im Vergleich zu einem planwirtschaftlichen System viel direkter sei, wachse die Wirtschaft unter diesen Rahmenbedingungen schneller und der Wohlstand sei viel höher. Letztlich fördere die Reichtumsmaximierung den Nutzen einer Gesellschaft weit stärker, als der Utilitarismus dies direkt tun könnte: „It seems, then, that wealth maximization is the political principle that utilitarianism needs, if it is to work. For it is apparent that to try to maximize happiness directly – by switching around resources in accordance with varying individual capacities to enjoy them – would lead to poverty and misery in fairly short order, by destroying incentives to work and by setting up hedonism and self-indulgence over frugality and hard work as the qualities that society rewards.“ 52
Ausserdem kritisiert Posner den Utilitarismus noch aus weiteren Gründen und hebt die Vorteile seiner Theorie hervor:
48
Posner, Inquiry, S. 87 f. Bewohner reicher Länder scheinen in der Regel tatsächlich glücklicher zu sein als Bewohner armer Länder (zu dieser Thematik siehe z. B. Bruno S. Frey/Alois Stutzer (Hrsg.), Happiness and Economics; und Bruno S. Frey, Happiness: A Revolution in Economics). Für einzelne Individuen muss jedoch nicht unbedingt zutreffen, dass höherer Wohlstand mit grösserem Glück korreliert. Arme werden in der Regel glücklicher, wenn sich ihre materielle Lage verbessert. Wenn sie hingegen in den Mittelstand aufsteigen, beginnen sie sich mit den Reichen zu vergleichen, was wiederum Unzufriedenheit auslösen kann. Massgeblich ist demnach auch die relative Position innerhalb der Gesellschaft und die Veränderung der materiellen Situation im Verlaufe eines Lebens. 50 Posner, Justice, S. 19. 51 Posner, Utilitarianism, S. 104. 52 Posner, Justice, S. 20. 49
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§ 8 Richard Posners Theorie der Reichtumsmaximierung
1. Das Abgrenzungsproblem Der Utilitarismus habe ein Abgrenzungsproblem („boundary problem“), das sich verschiedenartig manifestiere. Der Begriff Glückseligkeit beschreibe ein Gefühl. Da auch viele Tiere Gefühle hätten, müssten diese logischerweise auch in den utilitaristischen Kalkül mit einbezogen werden, was Posner aber problematisch findet:53 „Since utility in the broad sense used by contemporary utilitarians is possessed by (many) animals, the inclusion of sheep and pigs seems required by the theory. [. . .] However, there is something amiss in a philosophical system that cannot distinguish between people and sheep.“ 54
So dürfte man nach Posner gemäss utilitaristischer Ethik beispielsweise einem Fahrer, der mit seinem Wagen vor zwei Schafen ausweicht und dadurch in Kauf nimmt, dass er dabei ein Kind tötet, nichts vorwerfen, da seine Verhaltensweise möglicherweise die Glückseligkeit in der Welt erhöhe. Dieses Ergebnis stehe jedoch in Widerspruch zu den moralischen Intuitionen.55 Bei der Reichtumsmaximierung stelle sich dieses Problem nicht, weil nur Menschen an Markttransaktionen teilnehmen bzw. nur sie eine Zahlungsbereitschaft haben könnten. Tiere jedoch würden nur indirekt zählen, nämlich insoweit sie dazu dienten, den Reichtum zu erhöhen. Der optimale Schafbestand bestimmt sich z. B. nach Posner nicht nach der Fähigkeit der Schafe, Nutzen zu empfinden, sondern durch den Schnittpunkt zwischen Grenzprodukt56 und Grenzkosten der Schafhaltung.57 Ein Abgrenzungsproblem ergebe sich jedoch selbst dann, wenn man nur Menschen berücksichtige. So sei nicht von vornherein klar, ob z. B. Ausländer oder Ungeborene in den Nutzenkalkül einbezogen werden sollten. Mit dieser Überlegung verwandt sei die alte Frage, ob der durchschnittliche oder der totale Nutzen zu maximieren sei: „If the poorer half of the population of Bangladesh were killed, the standard of living of the remaining half [. . .] would rise because of the higher ratio of people to land and other natural resources. However, the total happiness might well be less. Similarily, a high birth rate may cause a reduction in the standard of living of a crowded country and along with it, in the average happiness of the country, but this loss may be more than offset by the satisfactions, even if somewhat meager, of the added population.“ 58
53 54 55 56 57 58
Posner, Justice, S. 19. Posner, Utilitarianism, S. 112. Posner, Utilitarianism, S. 112. Genau genommen ist es der Grenzerlös. Posner, Utilitarianism, S. 128. Posner, Utilitarianism, S. 113.
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Ungeborene können bei der Reichtumsmaximierung nicht direkt einbezogen werden, weil sie nicht an tatsächlichen Markttransaktionen teilnehmen können. Denkbar wäre aber, Ungeborene mit Hilfe des Konzeptes des hypothetischen Marktes zu berücksichtigen. Man könnte abschätzen, ob zusätzliche Bevölkerung ökonomisch selbsttragend wäre. Einerseits könnte sich der Reichtum in einer stark bevölkerten Region durch eine Bevölkerungszunahme verringern, andererseits könnte ein dünn besiedeltes Land mit vielen Rohstoffen dadurch reicher werden: „Productive people put more into society than they take out of it. [. . .] Hence so long as the additional population is productive, the existing population will benefit.“ 59
Dasselbe gilt für Immigranten. Posner spricht sich für freie Einwanderung aus, bei der aber keine staatliche Unterstützung zu gewähren sei. Dies führe dazu, dass nur leistungsfähige und damit reichtumsvermehrende Personen einwandern würden, wovon wiederum die ganze Gesellschaft profitiere. Sofern alle negativen Externalitäten der Einwanderer60 internalisiert würden, gebe es auch keinen Konflikt zwischen Maximierung des Gesamt- und des Durchschnittsreichtums.61 2. Das Messproblem Eine weitere Schwierigkeit des Utilitarismus liegt nach Ansicht von Posner im Fehlen einer Methode zur Messung des Nutzens. Nutzen sei etwas Subjektives und daher schwierig zu quantifizieren.62 Möglich ist eigentlich nur ein intrapersoneller, ordinaler Nutzenvergleich einer einzelnen Person. D. h. jemand bildet für sich aufgrund des eigenen Empfindens eine Rangfolge des Nutzens verschiedener Zustände, ohne jedoch diesen Zuständen einen genauen Nutzenwert zuzuschreiben, was bei einem kardinalen Nutzenvergleich nötig wäre. Geradezu unmöglich dürfte ein interpersoneller Nutzenvergleich sein, d. h. ein Vergleich des Nutzens verschiedener Personen.63 Reichtum ist dagegen nach Posner einfacher zu messen als Glückseligkeit: „Wealth is, however, much easier to measure than happiness even though hypothetical prices play so important a role in determining wealth. It is much easier to estimate a demand curve (and so consumer surplus) than to estimate any sort of aggregate happiness function.“ 64
59 60 61 62 63 64
Posner, Utilitarianism, S. 128 f. Entsprechendes gilt für die Ungeborenen. Posner, Utilitarianism, S. 129. Posner, Justice, S. 19. Siehe § 6 C.III. Posner, Justice, S. 19.
200
§ 8 Richard Posners Theorie der Reichtumsmaximierung
Auf tatsächlichen Märkten sei jede Transaktion – bei Abwesenheit von Externalitäten – reichtumsvermehrend. Ein Messproblem ergebe sich allerdings bei hypothetischen Märkten; doch sei hier das Problem weniger gravierend als die Messprobleme beim Utilitarismus. So leite sich z. B. das Recht auf eine reguläre Bezahlung eines Arztes, der ein bewusstloses Unfallopfer behandelt habe, aus der vernünftigen Annahme ab, dass das Opfer einer Behandlung durch den Arzt zum betreffenden Preis zugestimmt hätte, wenn es hätte verhandeln können. Posner weist im Übrigen darauf hin, dass das Konzept des hypothetischen Marktes ansonsten nur Anwendung finde, wenn die Kosten der Markttransaktion prohibitiv hoch seien.65 3. Das Problem der moralischen Ungeheuerlichkeit Moralische Ungeheuerlichkeit („moral monstrousness“) sei das grösste Problem des Utilitarismus und entstehe aus zwei Gründen: Erstens, weil der Utilitarismus keinen Unterschied zwischen verschiedenen Arten von Freuden machen wolle66, und zweitens, weil der Utilitarismus bereit sei, ein unschuldiges Individuum auf dem Altar des Gemeinwohls zu opfern.67 Wenn z. B. jemand sehr grossen Nutzen daraus ziehe, Fliegen die Beine auszureissen, so sei dies vermutlich eine bessere Tat, als wenn jemand die Tauben füttere, aber sich nur mässig daran freue, selbst wenn man das Empfinden der Tiere mit einbeziehe. Und zudem wäre es moralisch geboten, z. B. einen alten, griesgrämigen Grossvater, der allen auf die Nerven geht, umzubringen. Ebenso liesse sich die Extermination einer ungeliebten Minderheit – wie z. B. der Juden im Dritten Reich – utilitaristisch rechtfertigen, wenn dadurch der Nutzen der Gesellschaft gesteigert werden könnte.68 Reichtumsmaximierung vermeide oder vermindere diese Probleme, weil sie auf die tatsächlich begrenzte Leistung und Produktion der Menschen abstellt, und nicht nur auf die theoretisch unbegrenzte Fähigkeit, Nutzen zu empfinden: „Merely having the capacity to enjoy something, or wanting because of envy or spite to make others miserable, has no status in an ethic of wealth maximization. To have something you like you must either be willing to pay for it (if you do not own it already), which means that you must work to get the money to pay for it, or you must already have paid for it and hence own it. More precisely, you must have something that other people value and hence that you can trade to them for the things you want, and ultimately that something is productive work.“ 69
65 66 67 68 69
Posner, Utilitarianism, S. 130. Anders John Stuart Mill, siehe § 6 C.IV. Posner, Utilitarianism, S. 116. Posner, Utilitarianism, S. 116 f. Posner, Justice, S. 19 f.
D. Reichtumsmaximierung als Alternative zum Utilitarismus
201
Nach Posner spielt es dabei keine Rolle, ob man das Geld selber verdient oder ob man es geerbt hat. Im letzteren Fall konsumiere man stellvertretend für denjenigen, der eine produktive Leistung erbracht habe. Ausgeschlossen werden müssten nur jene Fälle, in denen jemand widerrechtlich zu Geld gekommen sei, etwa durch Diebstahl oder durch Ausübung von Zwang. Massgeblich sei, dass das Geld durch produktive Leistung erzielt werde.70 Das Nutzenmonster („utility monster“) habe keinen Platz in einem System der Reichtumsmaximierung. Der Umstand, dass man für alles zu bezahlen bereit sein müsse, beschränke die Begehrlichkeiten: „The fact that I might derive so much gusto from torturing people as to exceed their misery in a felicific weighing would not make me a good man or give me the right to torture people. I would have to buy my victim’s consent, and these purchases would soon deplete the wealth of all but the wealthiest sadists.“ 71
In einem durchgehend utilitaristischen System würde das Nutzenmonster durch keinerlei Budgetrestriktionen begrenzt. Bei der Reichtumsmaximierung jedoch bilde der vorhandene Reichtum für jeden Einzelnen eine Schranke, und die anderen Menschen seien in ihren Rechten geschützt, denn sie könnten für Eingriffe, die auf konsensualer Basis erfolgen, Kompensation verlangen.72 Auf das erwähnte Beispiel mit den Juden bezogen bedeutet dies nach Posner, dass Nazi-Deutschland die Juden hätte „auskaufen“ müssen, um sie loszuwerden: „If Nazi Germany wanted to get rid of the Jews, in a system of wealth maximization it would have had to buy them out.“ 73
Der Utilitarismus müsse allen Arten asozialen Verhaltens Wert beimessen, da auch Gefühle wie z. B. Neid oder Sadismus eine häufige Quelle der Befriedigung seien. Im Gegensatz dazu basiere die Reichtumsmaximierung auf dem Prinzip des gegenseitigen Vorteils von Tauschgeschäften. Das Individuum könne – möge es noch so egoistisch sein – seinen Vorteil nicht vermehren, ohne dass auch andere profitieren würden. Auch derart egoistische Individuen könnten es nicht vermeiden, für die Gesellschaft mehr Reichtum zu generieren, als für sie selber anfalle. Denn produktive Arbeit erzeuge Konsumentenrente für andere, Müssiggang hingegen nicht.74 Dem kantianischen Vorwurf, die Reichtumsmaximierung schütze das Leben von Menschen genauso wenig wie der Utilitarismus, hält Posner entgegen, nur Fanatiker würden ein Abwägen zwischen Menschenleben und Eigentum ablehnen. Dies erläutert Posner am bereits erwähnten Beispiel des Fahrers, der Scha70 71 72 73 74
Posner, Justice, S. 29. Posner, Utilitarianism, Posner, Utilitarianism, Posner, Utilitarianism, Posner, Utilitarianism,
S. 131. S. 132. S. 133. S. 132.
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§ 8 Richard Posners Theorie der Reichtumsmaximierung
fen ausweicht und dabei in Kauf nimmt, dass er ein Kind tötet. Diesmal nimmt er allerdings an, es stünden 100.000 Schafe auf dem Spiel: „[L]et there be 100,000 sheep worth in the aggregate more than any money value that can reasonably be ascribed to the child; must not the economist regard the driver as a good man, or at least not a bad man, when he decides to sacrifice the child? My answer is yes – and the same answer is given all the time in our (and every other) society. Dangerous activities are regularly permitted on the basis of a judgement that the costs of avoiding the danger exceed the costs to the victims. Only the fanatic refuses to trade off lives for property, although the difficulty of valuing lives is a legitimate reason for weighing them heavily in the balance when only property values are in the other pan.“ 75
Posner hält also das Abwägen von Menschenleben gegen andere Rechtsgüter für nichts Aussergewöhnliches und daher für durchaus vereinbar mit unseren moralischen Intuitionen.76 4. Utilitarismus als Rechtfertigung für staatlichen Interventionismus Dass der Utilitarismus als Rechtfertigung für staatlichen Interventionismus benützt wird, findet Posner besonders anstössig. Wenn man mangels empirischer Kenntnisse für alle Menschen gleiche Nutzenfunktionen annehme und zudem von der Annahme ausgehe, dass der Grenznutzen abnehme, dann würde der Nutzen der Gesellschaft – abgesehen von den Umverteilungskosten – maximiert, wenn das Einkommen gleich verteilt sei. Der Utilitarismus biete somit eine Basis für staatliche Umverteilung, was Posner offensichtlich fragwürdig findet.77 Posner akzeptiert grundsätzlich keine Rechtfertigung für Umverteilung.78 Ansprüche könnten nur jene geltend machen, die auch für andere produktiv seien: „[T]hose who do not produce what others want have no claims [. . .].“ 79
Denn in einem System der Reichtumsmaximierung biete der blosse Umstand, dass A den grösseren Nutzen aus einer bestimmten Geldsumme ziehen könne als B, keine Basis, um Geld von B wegzunehmen und es A zu geben. Ein solcher Transfer erhöhe zwar die Glückseligkeit der Gesellschaft, nicht aber ihren Reichtum.80 75
Posner, Utilitarianism, S. 133. Man könnte in dieser Weise sogar behaupten, dass in der Realität selbst ästhetische Gründe gegen Menschenleben abgewogen würden: Wenn man z. B. entlang einer Strasse Bäume pflanzt, nimmt man letztlich in Kauf, dass infolge dadurch verursachter Unfälle gegebenenfalls auch Menschenleben geopfert werden müssen. 77 Posner, Utilitarianism, S. 115. 78 Es sei denn, sie wäre reichtumsvermehrend; siehe nachstehend Abschnitt IV.4. 79 Posner, Justice, S. 24. 80 Posner, Utilitarianism, S. 131. 76
D. Reichtumsmaximierung als Alternative zum Utilitarismus
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III. Anwendung der Reichtumsmaximierung auf ethische Fragen Im Anhang zu seinem Artikel „Utilitarianism, Economics, and Legal Theory“ diskutiert Posner vier ethische Fragen, die er mit Hilfe seiner Theorie zu beantworten versucht: Todesstrafe, Recht auf Privatsphäre, Handel mit Babys und Organen sowie Freiheit als Reichtum. 1. Todesstrafe81 Ob die Todesstrafe zu befürworten ist oder nicht, hängt nach Posner von der Beantwortung folgender Frage ab: Sind die gesellschaftlichen Vorteile einer allfälligen Reduktion der Kriminalität durch die Todesstrafe grösser oder kleiner als die bei der Gesellschaft durch die Todesstrafe anfallenden Kosten? Massgebend seien – stets im Vergleich zu einer milderen Bestrafung – folgende Kosten: (1) Die Reduktion der gesellschaftlichen Kosten wegen tieferer Kriminalität infolge Abschreckung (2) Die zusätzlichen Kosten der Todesstrafe für den Delinquenten (3) Die zusätzlichen Kosten der Todesstrafe für einen unschuldig Verurteilten (4) Die zusätzlichen Prozess- und Exekutionskosten Zu (1): Posner räumt ein, dass die abschreckende Wirkung der Todesstrafe umstritten sei. Er glaubt aber, dass empirische Forschung hier Klarheit schaffen sollte.82 Zu (2): Hier müsste man den Wert eines Menschenlebens („value of life“) bemessen. Posner umgeht dieses heikle Problem, indem er die Todesstrafe auf vorsätzliche Tötungsdelikte („murder“) beschränkt. Dann fällt nämlich auf beiden Seiten der Rechnung je ein Toter an, so dass sich die entsprechenden Werte – die als gleich angenommen werden – gegenseitig aufheben. Zu (3): Hier ist der Erwartungswert dieser zusätzlichen Kosten zu bilden. Da Posner die Wahrscheinlichkeit eines Fehlurteils für gering hält, schätzt er folglich auch den Erwartungswert dieser Kosten als sehr tief ein. Zu (4): Die Prozesskosten seien bei der Todesstrafe höher, eine Exekution sei aber billiger als eine Inhaftierung. Per saldo seien die zusätzlichen Kosten sehr gering, vielleicht sogar negativ.
81
Posner, Utilitarianism, S. 136 f. Das Gedankenexperiment geht offensichtlich davon aus, dass die Todesstrafe eine abschreckende Wirkung hat. 82
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§ 8 Richard Posners Theorie der Reichtumsmaximierung
Da sich die zusätzlichen Kosten der Todesstrafe für den Delinquenten (2) durch die Beschränkung der Todesstrafe auf Tötungsdelikte erübrigen, sei nur noch die Reduktion der Kosten infolge Abschreckung (1) zu vergleichen mit der Summe aus den zusätzlichen Kosten für einen unschuldig Verurteilten und den allfälligen zusätzlichen Prozess- und Exekutionskosten (3) und (4). 2. Recht auf Privatsphäre83 Menschen möchten oft gewisse persönliche Informationen geheim halten, wie z. B. Krankengeschichten oder eine kriminelle Vergangenheit. Inwieweit sollte das Recht diese Geheimhaltung schützen? Posner erläutert seinen Standpunkt an einem Beispiel: Eine Prostituierte stand wegen eines Tötungsdeliktes vor Gericht, wurde aber freigesprochen. Danach zog sie in eine andere Stadt, änderte ihren Namen, heiratete und führte ein unbescholtenes Leben. Sieben Jahre nach ihrem Freispruch brachte eine Zeitung einen Artikel über die Lebensgeschichte der betreffenden Frau. Diese klagte gegen die Zeitung und das Gericht sprach ihr Schadenersatz zu. Nach Posner verbirgt ein Mensch gewisse Informationen, um andere Personen nicht davon abzuhalten, mit ihm für ihn vorteilhafte soziale Transaktionen zu tätigen. Dieses Vorgehen sei zu vergleichen mit dem Verheimlichen von Materialfehlern durch einen Verkäufer von Produkten. Unehrliches Verhalten sei jedoch eine Ursache für hohe Transaktionskosten und ein Hindernis für das effiziente Funktionieren von Märkten. Dies gelte nicht nur für den Handel von Gütern oder für den Arbeitsmarkt, sondern auch für implizite Märkte, wie z. B. den Heiratsmarkt. In diesem Beispiel liesse sich zwar einwenden, dass die Leute auf die Enthüllung der Vergangenheit der ehemaligen Prostituierten übertrieben und irrational reagieren könnten. Posner geht jedoch davon aus, dass der durchschnittliche Mensch mit solchen Informationen richtig umzugehen wisse und sie folglich nicht überbewerte. Das Urteil des Gerichtes sei falsch, weil es die Effizienz beeinträchtige. Daraus sei aber nicht etwa eine Zustimmung zum Einsatz von Überwachungsmitteln abzuleiten, um in die Privatsphäre einzudringen. Dadurch würden bloss viele Ressourcen verschwendet, denn einerseits sei die Überwachung selbst kostspielig und andererseits müssten sich die Menschen mit teuren Mitteln gegen eine mögliche Überwachung schützen. Ausserdem würde die Lebensqualität der Menschen durch die Angst vor Überwachung vermindert. Dieses Beispiel zeigt deutlich, wie Posner aus dem Reichtumsmaximierungsprinzip heraus Rechte begründen will: Ein Recht liegt demnach dann vor, wenn 83
Posner, Utilitarianism, S. 137 f.
D. Reichtumsmaximierung als Alternative zum Utilitarismus
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es den Reichtum bzw. die Effizienz erhöht. In casu besteht also ein Recht auf Privatsphäre, doch es bezieht sich nur auf die aktive Überwachung. 3. Märkte für Babys und menschliche Organe84 Nach Posner erfordert die Reichtumsmaximierung eine weitgehende Garantie der Vertragsfreiheit. Einschränkungen betreffend den gültigen Abschluss von Verträgen seien nur zulässig in Fällen von Handlungsunfähigkeit, Täuschung und Betrug („fraud“), Zwangsanwendung („duress“) sowie bei Monopolen und Externalitäten. Abzulehnen seien dagegen weitergehende Bestimmungen, wie z. B. Wuchergesetze. Ebenso unzulässig seien andere Einschränkungen des Vertragsinhalts, wie z. B. restriktive Bestimmungen betreffend die Adoption von Kindern oder den Handel mit menschlichen Organen. In den Vereinigten Staaten bestehe ein akuter Mangel an Kindern, die adoptiert werden könnten. Die klassischen Merkmale einer Verknappung seien festzustellen: Lange Warteschlangen, d. h. Paare müssten bis zu sieben Jahre auf die Adoption eines Babys warten, daneben ein blühender Schwarzmarkt mit hohen Preisen für die Adoption von Kindern (bis $ 40.000,–). Der Grund dafür sei die künstliche Beschränkung des Preises auf ein Niveau, das weit unter dem Preis liege, der Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht bringen würde (die Vergütung sei beschränkt auf die zusätzlichen Aufwendungen der Mutter für Unterhalt und medizinische Betreuung während der Schwangerschaft, was in der Regel $ 2.000,– nicht übersteige). Bei einer Aufhebung dieser Beschränkungen würde der Preis für Babys unter denjenigen des Schwarzmarktes fallen, er wäre aber höher als die Entschädigung, die jetzt erlaubt sei. In der Folge würde das Angebot an Babys insgesamt steigen und die Gesellschaft würde reicher. Nach Posner wäre diese Lösung dem heutigen Zustand mit einer Kombination von nichtmarktlicher Zuteilung von Babys einerseits und einem Schwarzmarkt andererseits vorzuziehen. Aus der Sicht der Reichtumsmaximierung gebe es deshalb nichts Unmoralisches an der Idee eines Marktes für Babys.85 Posner diskutiert auch die Frage, ob man einen Markt für Nieren zulassen sollte. Da der Mensch zwei Nieren habe, aber auch mit einer auskommen könne, und da auch die operative Entfernung einer Niere nur mit kleinen Risiken verbunden sei, spreche medizinisch nichts gegen den Verkauf einer Niere. Trotzdem würden wahrscheinlich eher wenige Personen eine Niere verkaufen, und der Preis für Nieren wäre dementsprechend hoch. Doch würde das Angebot an Nieren gegenüber heute merklich ansteigen. Aus der Sicht der Reichtums84 85
Posner, Utilitarianism, S. 138 f. Denn auch die Moral wird aus der Reichtumsmaximierung hergeleitet.
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maximierung wäre ein freier Markt für Nieren also zu begrüssen, dies nicht zuletzt auch deshalb, weil es dabei nur Gewinner gäbe:86 „Kidney sales would be wealth maximizing since, being voluntary, they would not occur otherwise. Probably most sellers would be relatively poor people; but they would, of course, be richer after the sale.“ 87
Gegen einen Handel mit Nieren könnte man nach Posner allenfalls einwenden, dadurch würden die unentgeltlichen Nierenspenden zurückgehen. Da solche Spenden jedoch fast nur im familiären Rahmen vorkämen, würden sie von einem Markt für Nieren kaum tangiert. 4. Freiheit als Reichtum88 Posner vertritt die Auffassung, politische Rechte hätten keinen Vorrang vor ökonomischen Rechten. Schliesslich mache es auch keinen Unterschied, ob jemand nicht ins Ausland reisen könne, weil es der Staat verbiete oder weil dem Betreffenden die nötigen finanziellen Mittel dazu fehlten. Die Freiheit sei in beiden Fällen gleichermassen eingeschränkt. Folglich bestehe aus der Sicht der Reichtumsmaximierung kein prinzipieller Unterschied zwischen politischen und ökonomischen Rechten. Diese dürften folglich auch gegeneinander abgewogen werden. IV. Kritik 1. Rationalität der Akteure Einen Einwand gegen die Reichtumsmaximierung stellt die bei freiwilligen Transaktionen – die als Referenzzustand gelten – unterstellte Rationalität der Akteure dar. Cento Veljanovski findet es zudem problematisch, dass Posner auf die tatsächlichen Präferenzen abstellt und aus dem daraus resultierenden Marktergebnis einen ethischen Referenzzustand ableitet: „[I]t is not self-evident why consumer preferences expressed through ,dollar votes‘ in the marketplace should be authoritative standards of personal let alone societal welfare. Why should the preferences of the stupid, young or mentally ill be accepted merely because they are able and willing to pay to facilitate them. Posner, by using the market as the benchmark would take tastes as given and derive his ethics from them while remaining silent as to their relative worth.“ 89
Posner räumt ein, falsche Entscheidungen könnten tatsächlich getroffen werden, und zwar aus zwei Arten von Gründen. Einerseits würden Entscheidungen 86 Es handelt sich nämlich um freiwillige Transaktionen, die das Paretokriterium erfüllen. 87 Posner, Utilitarianism, S. 139. 88 Posner, Utilitarianism, S. 140. 89 Veljanovski, Limits, S. 11.
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in einem Zustand mangelnder oder verminderter Urteilsfähigkeit, mittels Täuschung, durch betrügerische Machenschaften oder unter dem Einfluss von Zwang erfolgen. Solche Entscheidungen könnten jedoch nicht als freiwillig bezeichnet werden und seien auch nicht reichtumsmaximierend. 90 Andererseits müssten Entscheidungen oft unter Unsicherheit getroffen werden. Daher sei es normal, dass sich ein Teil dieser Entscheidungen ex post als falsch herausstellen würden, obwohl sie ex ante vernünftig gewesen seien. Posner zeigt dies an einem Beispiel: Angenommen, man habe die Wahl zwischen zwei Jobs. Beim ersten Job würde man mit Sicherheit $ 50.000,– im Jahr verdienen, beim zweiten entweder $ 500.000,– (mit einer Wahrscheinlichkeit von 0.9) oder nichts (mit einer Wahrscheinlichkeit von 0.1). Der Erwartungswert des Einkommens aus dem ersten Job beträgt $ 50.000,–, derjenige aus dem zweiten Job $ 450.000,– (0.9 500.000,– + 0.1 0,–). Da jedoch die Entlöhnung des zweiten Jobs mit Unsicherheit verbunden sei, müsse der entsprechende Erwartungswert – sofern man risikoavers sei, was angenommen wird – reduziert werden, z. B. auf $ 250.000,–. Ex ante sei es also unter diesen Bedingungen vernünftig, den zweiten Job zu wählen. Wenn nun aber der wenig wahrscheinliche Fall eintrete, dass man nichts verdiene, sei man sicher sehr enttäuscht. Dies ändere jedoch nichts daran, dass der Entscheid richtig gewesen sei.91 In der Wirklichkeit sind dennoch auch ex ante längst nicht alle Entscheidungen der Marktteilnehmer rational.92 Doch selbst wenn dies so wäre und der Markt somit als rationales Abstimmungsverfahren betrachtet werden könnte, wäre daran zu bemängeln, dass die Stimmrechte sehr ungleich verteilt sind: Auf einem Markt gilt nicht „one man one vote“, sondern „one dollar one vote“. Ein Marktergebnis ist daher das Resultat einer Menge von nur mehr oder weniger rationalen Entscheidungen, wobei die Stimmkraft plutokratisch verteilt ist. Bei moralischen Fragen ist es zudem problematisch, einfach auf die „rohen“ Präferenzen abzustellen. Es ist folglich aus verschiedenen Gründen wenig sinnvoll, dem Marktergebnis einen moralischen Wert beizumessen. Stattdessen ist es besser, man begreift das Marktergebnis als ganz gewöhnliches Faktum, welches amoralischer93 Natur ist. Daher können aus dem Marktergebnis auch keine moralischen Schlüsse gezogen werden. Bei Posners Vorgehen handelt es sich um eine unzulässige Ableitung eines Sollens aus einem Sein, d. h. um einen naturalistischen Fehlschluss.94
90 91 92 93 94
Posner, Justice, S. 22. Posner, Justice, S. 22. Zur Frage der Rationalität siehe auch § 2 B.IV. D. h. es ist moralisch neutral (nicht zu verwechseln mit „unmoralisch“). Siehe vorne § 3 A.
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§ 8 Richard Posners Theorie der Reichtumsmaximierung
2. Logische Inkonsistenzen Ronald Dworkin bemängelt, dass das Kriterium zur Bestimmung der Höhe des gesellschaftlichen Reichtums nicht eindeutig sei. Für die meisten Leute bestehe nämlich ein Unterschied zwischen dem Preis, den sie für ein Gut bezahlen würden, das sie nicht hätten, und dem Preis, den sie von einem Käufer für ein Gut verlangen würden, das sie besässen. Manchmal sei der Preis im erstgenannten Fall höher, denn oft begehre man des Nachbars Eigentum mehr als sein eigenes („grass is greener phenomenon“). Doch häufiger sei der Preis im anderen Fall höher: So verlange jemand für etwas, das er bereits besitze, in der Regel mehr, als er für dessen Erwerb zu zahlen bereit war.95 Letzteres Phänomen bezeichnet man als Besitzeffekt („endowment effect“). Mit zahlreichen Experimenten konnte man belegen, dass die Angebotspreise der Beteiligten durchschnittlich etwa doppelt so hoch waren wie ihre Nachfragepreise. Ursprünglich glaubte man, dass primär die Gewöhnung an bestimmte Güter zu diesem Effekt führe. Niemand trennt sich gerne von liebgewonnenen Gegenständen, die er lange besessen hat. Da man jedoch feststellen konnte, dass der Besitzeffekt bereits sofort nach Erhalt des erworbenen Gutes auftreten kann („instant endowment effect“), nimmt man heute eine Verlustaversion als primäre Erklärungsursache an.96 Der „Gras ist grüner-Effekt“ führt zwar theoretisch zu einem instabilen Ergebnis, weil ein Gut stets von Nichtbesitzern höher geschätzt wird als vom jeweiligen Besitzer und daher immer wieder die Hand wechseln müsste, was aber wegen der damit verbundenen Transaktionskosten kaum eintreten dürfte. Umgekehrt hat der Besitzeffekt zur Folge, dass die jeweiligen Besitzer dazu neigen, ihre Güter zu behalten. Insofern fällt hier auch ins Gewicht, wer welche Güter am Anfang besitzt. Posners Begriff des Reichtums wird durch diese Effekte allerdings nicht grundlegend erschüttert. Veljanovski bemängelt an Posners Reichtumsbegriff, dass dieser nur auf die Zahlungsbereitschaft abstelle und dabei die Kosten der Produktion nicht berücksichtige. Korrekt wäre vielmehr, wenn man die Differenz aus Zahlungsbereitschaft und Produktionskosten maximieren würde, denn dies entspräche der Summe der Produzenten- und Konsumentenrente.97 Posners Definition sei vergleichsweise derart falsch wie die Behauptung, die Unternehmungen sollten den Umsatz maximieren anstatt den Gewinn.98 95
Dworkin, Value, S. 192. Eidenmüller, S. 126 ff. 97 Dies trifft allerdings nur zu, falls die fixen Kosten null betragen, was in der langfristigen Betrachtung der Fall ist. Ansonsten ist Veljanovski zuzustimmen; dessen Auffassung dürfte zudem durchaus Posners Intentionen entsprechen, obwohl sich dieser weniger genau ausdrückt. 98 Veljanovski, Limits, S. 6. 96
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Ein besonders ernsthaftes Problem stellt die logische Inkonsistenz des Kaldor-Hicks-Kriteriums dar. Unter Umständen kann der Übergang von einem Zustand A in einen Zustand B das Kaldor-Hicks-Kriterium erfüllen, ebenso aber auch die Rückkehr vom Zustand B in den Zustand A („Scitovsky-Paradoxon“). Auch wenn dieser Fall selten auftreten dürfte, so handelt sich dabei dennoch um einen gravierenden Schönheitsfehler, der dem Kaldor-Hicks-Kriterium anhaftet.99 3. Reichtumsmaximierung als Selbstzweck oder als Instrument? Dworkin wirft die grundsätzliche Frage auf, ob Reichtumsmaximierung bzw. Effizienz für die Gesellschaft überhaupt ein erstrebenswertes Ziel sein könne. Dies bringen bereits die Titel seiner beiden kritischen Artikel zu Posners Theorie der Reichtumsmaximierung zum Ausdruck: „Is Wealth a Value?“ (1980) und „Why Efficiency?“ (1980).100 Dworkin kritisiert zunächst die Personifizierung der Gesellschaft, die dem Reichtumsmaximierungskonzept zugrunde liege: „[I]t is unclear why social wealth is a worthy goal. Who would think that a society that has more wealth [. . .] is either better or better off than a society that has less, except someone who made the mistake of personifying society, and therefore thought that a society is better off with more wealth in just the way any individual is. Why should anyone who has not made this mistake think that social wealth maximizing is a worthy goal?“ 101
Dworkin schlägt mehrere Möglichkeiten vor, um diese Frage zu beantworten: (1) Gesellschaftlicher Reichtum ist eine Komponente des sozialen Werts („social value“). Dabei lassen sich zwei Varianten unterscheiden: (a) Reichtum ist die einzige Komponente des sozialen Werts. (b) Reichtum ist nur eine unter anderen Komponenten, die ebenfalls zum sozialen Wert beitragen. (2) Gesellschaftlicher Reichtum ist nicht eine Komponente des sozialen Werts und damit kein Wert an sich, sondern bloss ein Instrument, um den sozialen Wert zu erhöhen. Auch hier bestehen verschiedene Varianten: (a) Eine Erhöhung des Reichtums ist die Ursache für die Verbesserungen anderer gesellschaftlicher Grössen, sie vermindert z. B. die Armut. (b) Der gesellschaftliche Reichtum ist eine Ingredienz des sozialen Werts, d. h. er schafft die Voraussetzungen, um den sozialen Wert zu erhöhen. Wenn eine Gesellschaft reicher ist, kann sie beispielsweise die Armut leichter bekämpfen. 99
Siehe § 3 C.III.1. Posner bezeichnet Dworkin als seinen besten Kritiker. 101 Dworkin, Value, S. 194. 100
210
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(c) Reichtum ist weder eine Ursache noch eine Ingredienz des sozialen Werts, sondern ein Surrogat dafür. Will man z. B. den Nutzen der Gesellschaft im utilitaristischen Sinne maximieren, erreicht man dies besser, indem man den Reichtum maximiert statt den gesellschaftlichen Nutzen auf direktem Wege. Man schiesst gewissermassen auf das falsche Ziel („false-target“), um das richtige Ziel besser zu erreichen. Diese „Second best-Lösung“ funktioniert, sofern zwischen den beiden Zielen eine hohe Korrelation besteht.102 Dworkin sieht im Reichtum nicht zuletzt auch deshalb keinen sozialen Wert, weil eine Erhöhung des gesellschaftlichen Reichtums mit einer Reduktion des gesellschaftlichen Nutzens einhergehen kann: „Once social wealth is divorced from utility, at least, it loses all plausibility as a component of value.“ 103
Nicht einmal für ein Individuum stelle Reichtum als solcher einen Wert dar. Dieser sei nur ein Instrument, um andere Ziele zu erreichen: „Money or its equivalent is useful so far as it enables someone to lead a more valuable, successful, happier, or more moral life. Anyone who counts it for more than that is a fetishist of little green paper.“ 104
Jules Coleman spricht dem Reichtum – im Gegensatz etwa zum utilitaristischen Nutzenbegriff – ebenfalls einen intrinsischen Wert ab: „Unlike happiness or well-being, wealth is not something of intrinsic value. If the pursuit of wealth is a good, it must be because pursuing wealth promotes other things of value.“ 105
Gleicher Meinung ist ferner Veljanovski: Für den homo oeconomicus sei Reichtum ein Mittel, und kein Zweck: „Economic man does not have a preference for wealth but for some end captured by the term ,maximizing utility‘. Wealth is a means not an end.“ 106
Die Unterscheidung zwischen dem Konzept der Reichtumsmaximierung und dem ökonomischen Konzept der Nutzenmaximierung107 sei rein semantisch. Was Posner mit „Reichtum“ bezeichne, sei nur ein Numéraire für das Güterbündel, das einem Haushalt zur Verfügung stehe, um den Nutzen zu maximieren. Veljanovski folgert daraus, dass es sich bei beiden Konzepten um einen „beschränkten Utilitarismus“ handelt: 102 103 104 105 106 107
Dworkin, Value, S. 194 f. Dworkin, Value, S. 200. Siehe auch vorne Abschnitt D.I.3. Dworkin, Value, S. 200 f. Coleman, Efficiency, S. 527. Veljanovski, Limits, S. 8. Siehe § 2 D.I.
D. Reichtumsmaximierung als Alternative zum Utilitarismus
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„Not only is there no difference between wealth and economic maximization but both are a species of utilitarianism – what can be called constrained utilitarianism, the constraint being imposed by the scarcity of society’s resources or, to use Posner’s language, preferences backed up by willingness-to-pay.“ 108
Veljanovski scheint hier allerdings zwei Dinge miteinander zu vermischen: Die Handlungsmöglichkeiten des homo oeconomicus werden zwar durch die Budgetrestriktion beschränkt, sein Verhalten ist aber individualutilitaristisch, d. h. der persönliche Nutzen wird maximiert. Dies entspricht jedoch nicht der üblichen Definition des Utilitätsprinzips; denn dieses impliziert einen Sozialutilitarismus, d. h. der Nutzen der Gesellschaft soll maximiert werden, gleichgültig wie dieser Nutzen auf die Mitglieder der Gesellschaft verteilt ist.109 Die Reichtumsmaximierung, welche sich des Kaldor-Hicks-Prinzips bedient, wäre – falls es sich dabei überhaupt um eine Form des Utilitarismus handelt – ein Sozialutilitarismus. Die Bezeichnung „beschränkter Utilitarismus“ würde dann aber tatsächlich zutreffen: Der Nutzen der einzelnen Individuen wird bei der Ermittlung des gesellschaftlichen Gesamtnutzens nur insoweit berücksichtigt, als er durch entsprechende Zahlungsbereitschaft abgedeckt ist. Posner hat verschiedentlich den instrumentalistischen Charakter der Reichtumsmaximierung betont.110 Dworkin hält eine instrumentalistische Auffassung zwar noch eher für vertretbar, weist aber darauf hin, dass man unter diesen Umständen zuerst das Ziel oder die Ziele, die man mit Hilfe der Reichtumsmaximierung erreichen will, genau definieren müsste. Weder die Rechte noch die damit verbundene Erstausstattung an Ressourcen könnten in diesem Falle aus dem Reichtumsmaximierungsprinzip abgeleitet werden. Posner laufe sonst Gefahr, zirkulär zu argumentieren: „But if wealth maximization is only to be an instrumental value [. . .] then there must be some independent moral claim for the rights that wealth maximization recommends. [. . .] We cannot specify an initial assignment of rights unless we answer questions that cannot be answered unless an initial assignment of rights is specified.“ 111
Coleman ist ebenfalls der Meinung, die Reichtumsmaximierung könne die Erstausstattung an Rechten bzw. Ressourcen nicht erklären. Er begründet dies aber mit einem anderen logischen Zirkel: Nach Posner sind die Ressourcen demjenigen zuzuteilen, der die höchste Zahlungsbereitschaft zeigt. Diese hängt jedoch vom individuellen Vermögen ab, das wiederum von der Zuteilung der Ressourcen abhängig ist, die man ja gerade herleiten möchte.112 108 109 110 111 112
Veljanovski, Limits, S. 8. Siehe § 6 C.VII. Z. B. Posner, Justice, S. 20. Dworkin, Value, S. 207 f. Coleman, Efficiency, S. 524.
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Ähnlich argumentiert Veljanovski: Märkte seien nicht definiert, bevor die Zuteilung der Verfügungsrechte geregelt sei. Da nun aber die Zuteilung von Verfügungsrechten eine rechtliche Frage sei, hänge auch das Marktergebnis von diesen rechtlichen Institutionen ab. Daher könne das Marktergebnis nicht als Massstab herangezogen werden, um die Erstausstattung an Verfügungsrechten zu begründen.113 Nach Coleman ist eine instrumentalistische Rechtfertigung der Reichtumsmaximierung zum Scheitern verurteilt: Erstens sei es nicht plausibel, dass eine Gesellschaft ihre Ziele besser erreichen könne, wenn sie nur ein Ziel anstrebe, nämlich ihren Reichtum zu maximieren, anstatt direkt eine Kombination von Zielen zu verfolgen. Zweitens könne die Reichtumsmaximierung keine umfassende Moraltheorie bieten, da sie nicht imstande sei, die grundlegenden Rechte und Pflichten zu begründen.114 4. Einkommensverteilung Ein anderer wichtiger Einwand gegen die Reichtumsmaximierung lautet, dass die Nachfrage auf Märkten durch das Einkommen begrenzt ist. Ein Reicher kann sich mehr leisten als ein Armer und dementsprechend auch eine höhere Nachfrage ausüben. Veljanovski: „[. . .] Kaldor-Hicks efficiency is not income distribution neutral, which is to say that it gives greater priority to those with income and market power. To the extent that the existing distribution of wealth is deemed ,unjust‘ in society the ethical appeal of the Kaldor-Hicks test must corresponding diminish.“115
Man kann sogar so arm sein, dass man nur die Wahl hat, entweder zu verhungern oder der Sklave eines Reichen zu werden. Posner hält eine solche Versklavung als vereinbar mit der Reichtumsmaximierung, weil sie immer noch besser sei als zu verhungern. Folglich sollte eine „freiwillige“ Versklavung rechtlich möglich sein: „In the case of restricted choice made by the poor person, we may well want to allow the transaction to be enforced, because it provides a method by which the poor person can improve his welfare, however slightly. It may be a very bad thing to allow a person to become another’s slave but it may be a better thing than making him starve. Even choices within an extremely restricted feasible set may make the chooser better off and thereby make society wealthier.“116
Es ist jedoch offensichtlich, dass die ursprüngliche Einkommensverteilung bzw. Erstausstattung an Ressourcen eine wichtige Rolle spielt. Eine egalitäre 113 114 115 116
Veljanovski, Limits, S. 6. Coleman, Efficiency, S. 530. Veljanovski, Limits, S. 12. Posner, Justice, S. 23.
D. Reichtumsmaximierung als Alternative zum Utilitarismus
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Gesellschaft hat eine andere Nachfragestruktur als eine Gesellschaft mit starken Einkommensunterschieden. In letzterer werden mehr Luxusgüter nachgefragt, in ersterer mehr Güter des täglichen Bedarfs. Es kommt hinzu, dass sich die Einkommensunterschiede ohne Umverteilungsmassnahmen längerfristig tendenziell immer mehr vergrössern, weil den Reichen mehr Ressourcen zur Verfügung stehen, um weiteres Einkommen zu generieren. Dazu Veljanovski: „[T]he wealth maximization principle [. . .] gives greater weight to those who are already favoured by the distribution of rights in society and will therefore tend systematically to favour those individuals that already have wealth.“ 117
Posner nimmt das Problem der Erstausstattung durchaus ernst und versucht, mit Hilfe des Reichtumsmaximierungsprinzips zu begründen, warum eine sehr ungleiche Erstausstattung nicht zu befürworten sei. Gehörten z. B. alle Ressourcen zu Beginn einer einzigen Person, dann würden sehr hohe Transaktionskosten entstehen, wenn diese Person den anderen Mitgliedern der Gesellschaft Anreize zu produktiver Tätigkeit geben möchte. Langfristig sei daher eine Gesellschaft mit einer gleichmässigeren Erstausstattung der Ressourcen reicher, weil weniger Transaktionskosten anfallen würden.118 Gegen eine sehr ungleiche Erstzuteilung aller Ressourcen spreche auch die Gefahr der Entstehung von Monopolen, welche nicht effizient seien: „A further consideration relevant to the initial distribution of rights is the inefficiency of monopolies [. . .], which argues for parcelling out rights in small units to many different people in order to make the costs of assembling the rights into a single bloc large enough to confer monopoly power prohibitive.“ 119
Anthony Kronman befürchtet hingegen ebenfalls, ein System der Reichtumsmaximierung könnte die Einkommensunterschiede noch verschärfen. Da bei der Zuteilung neuer Rechte auf die Zahlungswilligkeit und -fähigkeit abgestellt werde, würden jene bevorzugt, die bereits über viel Geld und Ressourcen verfügten, was Kronman unfair findet: „An individual’s wealth is defined by his ability and willingness to pay, so the principle of wealth maximization necessarily favors those who already have money, or the resources with which to earn it, and are therefore able to pay more than others to have a new legal rule defined in the way that is favorable to them. The principle of wealth maximization gives an additional advantage to those who are already advantaged, and this quite rightly strikes us as unfair.“ 120
Talente und Handicaps seien zu einem grossen Teil zufällig verteilt. Die Reichtumsmaximierung verstärke die natürlichen Unterschiede bezüglich der individuellen Vor- und Nachteile. Diejenigen, die durch die „natürliche Lotterie“ 117 118 119 120
Veljanovski, Limits, S. 21. Posner, Justice, S. 24. Posner, Utilitarianism, S. 126. Kronman, S. 240.
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bereits bevorzugt worden seien, würden noch mehr begünstigt. Kronman findet jedoch, dass gesellschaftliche Institutionen die Auswirkungen der „natürlichen Lotterie“ im Gegenteil abschwächen sollten. Er findet es geradezu „pervers“, wenn das Recht die natürlichen Unterschiede sogar noch verstärke.121 Posner glaubt nicht nur, dass die Reichtumsmaximierung die Einkommensunterschiede keineswegs verstärke, sondern spricht sich zudem grundsätzlich gegen Umverteilungen im laufenden politischen Prozess aus. Einerseits seien solche Programme mit hohen Kosten verbunden, und andererseits gebe es keine überzeugende Rechtfertigung dafür, dass der Staat jemandem, der produktiv sei, etwas wegnehme, um es einem anderen zu geben, der unproduktiv sei: „The second [reason] is the difficulty of finding a principled basis for the state’s forcing a person who is productive to support a person who [. . .] is unproductive. I am not convinced that there is.“ 122
Zwar gibt Posner zu, dass mittellose Menschen in einem System der Reichtumsmaximierung bedauerlicherweise nur zählen, sofern sie als Argument in der Nutzenfunktion von jemandem fungieren, der über Reichtum verfügt. Die Fähigkeiten würden in diesem System jedem Einzelnen gehören und es bestehe für die Gesellschaft keine Pflicht, die Armen zu unterstützen, selbst wenn die Mittellosigkeit eines Bedürftigen unverschuldet sei: „If he happens to be born feeble-minded and his net social product is negative, he would have no right to the means of support though there was nothing blameworthy in his inability to support himself. This result grates on modern sensibilities yet I see no escape from it that is consistent with any of the major ethical systems.“ 123
Nach Posner sind staatliche Transfers nur dann gerechtfertigt, wenn sie den Reichtum der Gesellschaft vermehren. So könnten Transfers erstens die Kriminalität vermindern, weil sie den Anreizen, kriminelle Taten zu begehen, entgegenwirken würden. Zweitens würden durch die Linderung der Armut mittels freiwilliger Spenden nicht nur die Geber profitieren, sondern auch Dritte, da Armut auch bei Nichtbetroffenen unangenehme Gefühle wecke. Die Bekämpfung der Armut sei daher ein öffentliches Gut, was eine staatliche Intervention rechtfertige.124 Umverteilung sei auch aus Gründen der politischen Stabilität sowie zur Unterstützung der Ausbildung gerechtfertigt, v. a. der Ausbildung der Armen, denn dadurch könne deren produktives Potenzial und damit auch der Reichtum der Gesellschaft erhöht werden. Diese Transfers würden sich jedoch in engen Grenzen halten und nur das Steuer- und Ausgabensystem des Staates betreffen, also 121 122 123 124
Kronman, S. 242. Posner, Justice, S. 24. Posner, Utilitarianism, S. 128. Posner, Utilitarianism, S. 131.
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nicht etwa das Zivilrecht.125 Mit der Reichtumsmaximierung ebenfalls vereinbar sei, dass die Produktiven eine Sozialversicherung einrichten würden, um sich abzusichern gegen die Unsicherheiten des Lebens, die eine Gefahr für die eigene Produktivität darstellen würden.126 Nach Veljanovski führt Posners Weigerung, sich der Frage der Verteilungsgerechtigkeit zu stellen, in ihrer praktischen Konsequenz zu der impliziten Annahme, dass die bestehende Verteilung von Rechten und Einkommen gerecht sei. Da dies jedoch nach Veljanovski nicht unbedingt so ist, sei die Reichtumsmaximierung ethisch nicht attraktiv. Zunächst müsste eine gerechte Erstausstattung an Rechten sichergestellt sein.127 Allerdings wäre auch dies noch lange keine hinreichende Bedingung für die ethische Attraktivität der Reichtumsmaximierung. 5. Das Problem der unveräusserlichen Rechte Der wohl gravierendste Einwand gegen die Reichtumsmaximierung – wie auch gegen den Utilitarismus – lautet, die unveräusserlichen Rechte des Einzelnen würden nicht prinzipiell garantiert. Posner räumt auch ein, dass unter einem System der Reichtumsmaximierung Sklaverei oder Folter durchaus möglich seien: „If a person wants to sell himself into slavery or participate in a sadomasochistic (but thoroughly voluntary) orgy or submit voluntarily to a legal system in which torture and lynching are used to increase the efficacy of crime prevention, nothing in a system of wealth maximization seems to forbid the transaction, whether the transaction is explicit or implicit.“128
Posner weist ausserdem darauf hin, dass es gesellschaftlich akzeptierte Formen von Sklaverei gebe, wie etwa die Zwangsarbeit in einem Gefängnis. Ausserdem sei die Sklaverei historisch insofern ein Fortschritt gewesen, als die siegreichen Stämme begonnen hätten, die männliche Population eines besiegten Volkes zu versklaven statt zu töten. Eine generelle Verurteilung jeglicher Formen von Zwangsarbeit sei daher nicht gerechtfertigt. Posner hält jedoch andererseits die Sklaverei für ineffizient, weil die Überwachung der Sklaven im Vergleich zu den Überwachungskosten bei vertraglicher Beschäftigung zu teuer sei: „They would, in short, reject slavery, an inefficient institution under modern conditions. With unimportant exceptions, the costs of monitoring the output of a slave today would be much higher than the costs of monitoring a free man’s output through contract.“ 129
125 126 127 128 129
Posner, Wealth, S. 95. Posner, Justice, S. 24. Veljanovski, Limits, S. 19 f. Posner, Justice, S. 25. Posner, Wealth, S. 94.
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In einer modernen Gesellschaft schliesse also die Reichtumsmaximierung als ethisches Prinzip die Sklaverei de facto aus. Dies bedeutet aber nicht, dass Sklaverei grundsätzlich zu verbieten sei. Posner hält es jedoch für unwahrscheinlich, dass die Reichtumsmaximierung Sklaverei und andere monströse Institutionen mit sich bringe; vielmehr glaubt er, dass die Forderung nach Effizienz mit unseren moralischen Intuitionen im Einklang stehe: „Thus, while the theoretical possibility exists that efficiency might dictate slavery or some other monstrous rights assignments, it is difficult to give examples where this would actually happen. I conclude that it is possible to deduce a structure of rights congruent with our ethical intuitions from the wealth-maximization premise.“130
Das Beispiel der Sklaverei zeigt auf, dass die Reichtumsmaximierung die Grundrechte des Individuums nicht prinzipiell schützt. Die Reichtumsmaximierung steht folglich in diesem Punkt nicht besser da als der Utilitarismus. Die ökonomische Bewertung aller Lebensbereiche reduziert sämtliche Fragen auf ein Knappheitsproblem. Dabei wird alles austauschbar – und zwar im doppelten Sinne: handelbar wie auch ersetzlich. Dieses Prinzip macht auch vor dem Menschen nicht Halt; dieser ist ebenfalls austauschbar, sofern man einen Ersatz mit dem gleichen ökonomischen Wert findet. Diese Sichtweise kann aber eine Gefahr für die Menschenwürde darstellen. Dezidiert äussert sich dazu Kant: „Im Reiche der Zwecke hat alles entweder einen Preis, oder eine Würde. Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes, als Äquivalent, gesetzt werden; was dagegen über allen Preis erhaben ist, mithin kein Äquivalent verstattet, das hat eine Würde.“131
E. Konsenstheoretische Begründung der Reichtumsmaximierung In einer dritten Phase versuchte Posner das Reichtumsmaximierungsprinzip mit konsenstheoretischen Argumenten zu untermauern. In seinem Artikel „The Ethical and Political Basis of the Efficiency Norm in Common Law Adjudication“ (1980) entwickelte er in Anlehnung an Rawls einen konsenstheoretischen Ansatz. Im Buch „The Economics of Justice“ (1981) wiederholt er im 3. Kapitel die Argumente für die Reichtumsmaximierung aus „Utilitarianism, Economics, and Legal Theory“ (1979), und im 4. Kapitel fügt er ebenfalls die konsenstheoretische Begründung seiner Theorie an. Das Kaldor-Hicks-Prinzip sei als solches nicht konsensfähig, weil es immer Verlierer gebe, die ihre Zustimmung verweigerten. Um dieses Problem zu lösen, führt Posner die Argumentationsfigur der ex ante-Kompensation ein.132 130 131 132
Posner, Efficiency Norm, S. 538 f. Kant, Grundlegung, S. 68. Posner, Economics, S. 92 ff.
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I. Die Quadratur des Kreises Das Kaldor-Hicks-Kriterium hat gegenüber dem Paretokriterium den Vorteil, dass es sich nicht nur auf Fälle anwenden lässt, bei denen niemand schlechter gestellt wird. Hingegen kann das Paretokriterium für sich in Anspruch nehmen, dass es sowohl mit dem Utilitarismus im Einklang steht – eine paretosuperiore Veränderung erhöht immer auch den gesellschaftlichen Nutzen – als auch die Autonomie des Individuums respektiert (nach Posner eine „kantianische“ bzw. „libertäre“ Forderung), da es auf dessen freiwillige Zustimmung abstellt.133 Damit eine Massnahme dem Kaldor-Hicks-Kriterium genügt, muss sie hingegen weder unbedingt den gesellschaftlichen Nutzen erhöhen noch die Autonomie des Individuums respektieren, da ja die Zustimmung der Verlierer nicht erforderlich ist. Mit Hilfe der ex ante-Kompensation versucht Posner, diesen Mängeln zu begegnen oder sie zumindest abzuschwächen: „I want to defend the Kaldor-Hicks or wealth-maximization approach, not by reference to Pareto superiority as such or its utilitarian premise, but by reference to the idea of consent that [. . .] provides an alternative basis to utilitarianism for the Pareto criterion. The notion of consent used here is what economists call ex ante compensation.“ 134
In der Folge betrachtet Posner die Reichtumsmaximierung als eine Theorie, die sich sowohl mit dem Utilitarismus als auch mit kantianischen Positionen verträgt: „Wealth maximization as an ethical norm gives weight both to utility, though less heavily than utilitarianism does, and to consent, though perhaps less heavily than Kant himself would have done.“ 135
Über das Konsensargument versucht Posner den Anschluss an kantianische bzw. libertäre Theorien zu finden. Diese Theorien würden die Rechte des Individuums etwas stärker betonen als die Reichtumsmaximierung und seien bestrebt, dem Individuum möglichst viel Freiheit – insbesondere auch Vertragsfreiheit – zu gewähren. Die Vertragsfreiheit zu garantieren liege aber auch im Interesse der Reichtumsmaximierung. Ein Problem könnte allerdings der Zwangscharakter der Kaldor-Hicks-Regel darstellen. Da Posner jedoch an die Zustimmungsfähigkeit dieses Prinzips glaubt, wenn man die ex ante-Kompensation berücksichtigt, hält er sein Konzept für durchaus vereinbar mit diesen Theorien.136
133 134 135 136
Posner, Efficiency Norm, S. 532 Posner, Efficiency Norm, S. 533 f. Posner, Economics, S. 98. Posner, Justice, S. 21.
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II. Das Konzept der ex ante-Kompensation Die ex ante-Kompensation funktioniert nach dem Prinzip, dass die Zustimmung der potenziellen Verlierer damit „erkauft“ wird, dass auch sie von einem Vorteil profitieren können, der im System der Reichtumsmaximierung allen zuteil wird, so dass sie ebenfalls per Saldo ex ante besser dastehen (ex post muss dies im Einzelfall nicht so sein). Posner erläutert das Prinzip anhand verschiedener Beispiele. Er vergleicht zunächst die Zustimmung zur Reichtumsmaximierung mit dem Kauf eines Lotterieloses: Wer ein Los kaufe, stimme implizit auch einem möglichen Verlust zu. Die ex ante-Kompensation versteht Posner folgendermassen: Wenn z. B. ein Unternehmer aufgrund harten Wettbewerbs Geld verliere, sei er ex ante dafür entschädigt worden, weil der Erwartungswert der Einnahmen des Unternehmers eine Risikoprämie enthalten habe, welche das Risiko von Verlusten, die durch den Wettbewerb entstehen können, decke. Ein weiteres Beispiel: Angenommen, die Immobilienpreise sinken in einer Gegend, weil eine grosse Unternehmung wegzieht. Die Eigentümer der benachbarten Grundstücke – welche mit diesem Wegzug rechnen mussten – hatten ex ante eine Entschädigung in Form eines tieferen Kaufpreises für ihre Grundstücke erhalten; in diesem reduzierten Preis war die Wahrscheinlichkeit des Wegzugs der Unternehmung bereits berücksichtigt.137 Posners Lieblingsbeispiel für die ex ante-Kompensation ist jedoch die Haftung bei Verkehrsunfällen. Dabei geht er von der Annahme aus, dass Verschuldenshaftung („negligence“) effizienter sei als Gefährdungshaftung („strict liability“), d. h. die Gesamtheit der Versicherungsprämien von potenziellen Schädigern und Geschädigten sei bei der Verschuldenshaftung tiefer als bei Gefährdungshaftung.138 Folglich sei ein System der Verschuldenshaftung für alle vorteilhaft, weil alle von insgesamt tieferen Versicherungsprämien profitieren würden. Der Genuss von tieferen Prämien wäre damit die ex ante-Kompensation, die im Durchschnitt allfällige Nachteile der Verschuldenshaftung übertreffen würde. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ex post jeder im Einzelfall mit der Verschuldenshaftung besser fahren würde, was aber beim Konzept der ex ante-Kompensation keine Rolle spielt.139
137
Posner, Economics, S. 94. Ob dies tatsächlich so ist, ist eine empirische Frage. Es wird hier lediglich angenommen, dass es so sei. 139 Posner, Economics, S. 95. 138
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III. Unterschiede zur Theorie von Rawls Posner sieht in seinem eigenen Konsensansatz und demjenigen von Rawls gemeinsame liberale Wurzeln. Keinen Gefallen findet er aber an der sozialstaatlichen Stossrichtung in Rawls’ Theorie, insbesondere am Differenzprinzip. Und weil man im Urzustand nicht wisse, welche Fähigkeiten man einst haben werde, würde der so wichtige Unterschied zwischen produktiven und unproduktiven Gesellschaftsmitgliedern verwischt: „But any theory of consent based on choice in the original position is unsatisfactory [. . .] because [it] opens the door to the claims of the nonproductive. In the original position, no one knows whether he has productive capabilities, so choices made in that position will reflect some probability that the individual making the choice will turn out to be an unproductive member of society [. . .]. The original-position approach thus obscures the important moral distinction between capacity to enjoy and capacity to produce for others.“ 140
Posner bevorzugt daher natürliche Unwissenheit tatsächlicher Menschen gegenüber künstlicher Unwissenheit in einem Urzustand: „I prefer therefore to imagine actual people, deploying actual endowments of skill and energy and character, making choices under uncertainty. This is choice under conditions of natural ignorance rather than under artificial ignorance in the original position.“ 141
Als Basis für einen Konsens propagiert Posner die implizite Zustimmung. Das Problem bestehe darin, dass es in vielen Fällen keine praktikable Methode gebe, um eine explizite Zustimmung zu ermitteln. Dies sei aber noch lange kein Grund, das Konsensprinzip aufzugeben. Man solle sich dabei wie bei der ergänzenden Vertragsauslegung fragen, was die Parteien vereinbart hätten, wenn sie sich explizit dazu geäussert hätten: „If there is no reliable mechanism for eliciting express consent, it follows, not that we must abandon the principle of consent, but rather that we should look for implied consent, as by trying to answer the hypothetical question whether, if transaction costs were zero, the affected parties would have agreed to the institution. This procedure resembles a judge’s imputing the intent of parties to contract that fails to provide expressly for some contingency.“ 142
Ausserdem nimmt es Posner nicht so genau mit der Zustimmung. Einstimmigkeit ist nicht unbedingt erforderlich: „[O]nly a fanatic would insist that unanimity be required to legitimize a social institution such as the negligence system.“ 143
140 141 142 143
Posner, Economics, S. 100. Posner, Economics, S. 100 f. Posner, Efficiency Norm, S. 535. Posner, Economics, S. 97.
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Posner muss eingestehen, dass nicht alle Regeln, die den Reichtum maximieren, konsensfähig sind. Wenn z. B. die Arbeitskraft von A für B mehr wert wäre als für A, dann wäre es effizient, wenn A der Sklave von B würde. Auch könnte Zwangsarbeit unter Umständen doch effizienter sein als die Anstellung von Arbeitskräften. Solche Regelungen wären aber mit dem Konsensprinzip kaum vereinbar: „[I]n such situations slavery might be wealth maximizing, but it presumably would not be consented to.“ 144
Obwohl die Effizienz zuweilen in Konflikt mit den Begriffen Autonomie und Konsens gerate, komme ihr aber dennoch ein starkes moralisches Gewicht zu.145 IV. Kritik Anthony Kronman hält den Versuch Posners, das Kaldor-Hicks-Prinzip konsensfähig zu machen, für grundsätzlich fragwürdig, weil es dann nicht mehr unterscheidbar sei vom Paretoprinzip. Die entscheidende Eigenschaft des Kaldor-Hicks-Kriteriums sei schliesslich, dass es im Gegensatz zum Paretoprinzip lediglich potenzielle Entschädigung verlange. Wenn nun wiederum tatsächliche Entschädigung ins Spiel gebracht werde – und auch eine ex ante-Kompensation gilt als tatsächlich –, dann heisse das, dass man das Kaldor-Hicks-Prinzip aufgebe.146 Auch Ronald Dworkin kritisiert den konsenstheoretischen Ansatz Posners. Er macht darauf aufmerksam, der Konsens, wie ihn Posner konzipiert habe, sei ein kontrafaktischer – bei dem den Akteuren gewisse Eigenschaften wie z. B. das Eigeninteresse unterstellt werde –, und nicht ein tatsächlicher Konsens.147 Es handle sich eben nicht um eine implizite Zustimmung der Akteure, wie Posner annehme, sondern um eine kontrafaktische, also fiktive Zustimmung, die man den Akteuren unterstelle. Nun aber sei ein kontrafaktischer Konsens nicht einmal eine abgeschwächte Form von Konsens, sondern überhaupt kein Konsens.148 Da keine tatsächliche Zustimmung vorliege, diese also nur kontrafaktisch angenommen werde, sei auch die „natürliche Unwissenheit“, die man den Akteuren unterstelle, willkürlich und noch künstlicher als die radikale Unwissenheit im Urzustand bei Rawls. Es handle sich bei Posners Ansatz daher nicht um eine verbesserte Version des Ansatzes von Rawls, sondern um eine utilitaris144 145 146 147 148
Posner, Economics, S. 102. Posner, Economics, S. 102 f. Kronman, S. 238. Dworkin, Efficiency, S. 542. Dworkin, Efficiency, S. 544.
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tische Argumentation.149 Dafür spricht nach Dworkin auch die Abschwächung des Konsensprinzips durch Posner, indem dieser die Einstimmigkeit nicht als absolut notwendig erachtet. Damit werde aber das Konsenskriterium grundlegend verletzt, denn dieses sei ein Alles oder nichts-Prinzip. Wenn man es abschwäche, kollabiere es und werde zu einem utilitaristischen Prinzip.150 Insgesamt hält Dworkin den Versuch Posners, die Reichtumsmaximierung konsenstheoretisch zu fundieren, für gescheitert. Es handle sich dabei um eine reine Fassade in der Absicht, der Theorie einen kantianischen Anstrich zu geben. Mit seiner Argumentation falle Posner jedoch stattdessen wieder in den Utilitarismus zurück: „Posner is pleased to claim that wealth maximization combines the most appealing features of both the Kantian concern with autonomy and the utilitarian concern with individual preferences, while avoiding the excesses of either of these traditional theories. His argument from counterfactual consent is meant to supply the Kantian features. But this is spurious: In fact the idea of consent does not work at all in the theory and the appeal to autonomy is therefore a facade. [. . .] His relaxed version of Paretianism is simply utilitarianism with all the warts.“ 151
Kronman vertritt diesbezüglich eine ähnliche Meinung: Posner gebe vor, Utilitarismus und Paretianismus – im Sinne von Posner verstanden als Ausdruck kantianischer Autonomie des Individuums – in idealer Weise zu kombinieren. Dabei sollten die Gefahren beider Extreme vermieden werden (Fanatismus und „moralische Wehleidigkeit“ auf der kantianischen Seite sowie moralische Ungeheuerlichkeiten wie Nutzenmonster, Sklaverei usw. bei einem kompromisslosen Utilitarismus).152 Dies sei jedoch eine Illusion. Reichtumsmaximierung sei keineswegs ein glücklicher Kompromiss zwischen diesen beiden Extremen, in dem die jeweils guten Elemente erhalten blieben und die schlechten Eigenschaften eliminiert würden. Eher das Gegenteil sei der Fall: „If anything, just the opposite is true: wealth maximization exhibits the vices of both and the virtues of neither.“ 153
Auch wenn ein Utilitarist zur Auffassung käme, dass die Menschen Rechte hätten, welche die Maximierung des gesellschaftlichen Nutzens begrenzen sollten, würde ihn diese Überlegung nicht zur Reichtumsmaximierung führen. Ebenso wenig würde jemand, der – im umgekehrten Sinne – Autonomie und Grundrechte für wichtig hält, jedoch die Auffassung vertrete, dass es in Extremfällen erlaubt sei, die Rechte einzelner Menschen einzuschränken, weil dadurch der gesellschaftliche Nutzen stark erhöht werden könne, zum Reichtumsmaxi149 150 151 152 153
Dworkin, Efficiency, S. 545. Dworkin, Efficiency, S. 547 f. Dworkin, Efficiency, S. 548 f. Kronman, S. 228. Kronman, S. 228.
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mierungsprinzip gelangen. Denn Reichtumsmaximierung sei ein absurdes, unvernünftiges und inkohärentes Prinzip, das sich von keinem Standpunkt aus rechtfertigen lasse: „I happen to believe that a combination of utilitarian and voluntarist principles best expresses our moral judgements and best equips us to deal with the dilemmas of moral life. But whichever of these two elements one takes primary, wealth maximization is an absurd principle to adopt. Wealth maximization is not only an unsound ideal, it is an incoherent one which cannot be defended from any point of view.“ 154
Nach Kronman beschränkt die Reichtumsmaximierung den Utilitarismus tatsächlich, indem sie auf die Zahlungswilligkeit und -fähigkeit abstellt. Diese Beschränkung wirke einerseits der utilitaristischen Zielsetzung entgegen, andererseits sei sie aber auch nicht getragen von einer Haltung des Respekts gegenüber dem Individuum im kantianischen Sinne. Reichtumsmaximierung sei – wenn überhaupt – eine Art Utilitarismus, der jedoch beschränkt werde durch etwas Unbestimmtes, das einen zweifelhaften Wert habe: „Wealth maximization is not utilitarianism limited by a respect for rights: if it is a species of utilitarianism at all, wealth maximization is utilitarianism constrained by a respect for something which is neither rights nor utility, something of uncertain and [. . .] dubious value.“155
F. Pragmatische Begründung der Reichtumsmaximierung Bereits Mitte der 1980er Jahre begann Posner, seine Theorie zu relativieren. Im Aufsatz „Wealth Maximization Revisited“ (1985) verzichtet er explizit auf den Anspruch, dass die Reichtumsmaximierung eine universelle Ethik sei: „My goal is therefore quite modest. I do not seek to ,convert‘ anyone to wealth maximization. I merely want to persuade you that it is a reasonable, though not a demonstrably or a universally correct, ethic [. . .].“ 156
Das Konsensargument spielt in den neueren Schriften – wenn überhaupt – nur noch eine untergeordnete Rolle. Moralische Intuitionen seien der ultimative Test für die Richtigkeit von Moraltheorien, ja von Theorien schlechthin. Posner preist seine Theorie als vereinbar mit den meisten moralischen Auffassungen an und verweist auf ihre Ähnlichkeit mit dem Utilitarismus. Im Buch „The Problems of Jurisprudence“ (1990) vollzieht Posner definitiv den Rückzug in den Pragmatismus, wie er seine neue Position nennt. Am Konzept der Reichtumsmaximierung hält er aber grundsätzlich fest, obwohl er zugeben muss, dass der wirtschaftliche Erfolg nicht nur von den eigenen Leistungen abhängt, sondern weitgehend auch vom Glück. 154 155 156
Kronman, S. 228 f. Kronman, S. 234. Posner, Wealth, S. 90.
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I. Aufgabe des Ausschliesslichkeitsanspruchs Effizienz bzw. Reichtumsmaximierung ist zwar für Posner nach wie vor ein wichtiges Kriterium, aber nicht mehr unbedingt das einzige: „Although no effort will be made in this book to defend efficiency as the only worthwhile criterion of social choice, the book does assume, and most people probably would agree, that it is an important criterion.“ 157
Werturteile zu fällen, sei nicht die Aufgabe der Ökonomen; doch könnten sie die Politiker beraten, wie bestimmte Ziele zu erreichen seien: „But one thing that should be clearly understood from the outset is that economists do not claim the competence to make ultimate value judgements. They can illuminate the effects of public policies, actual or proposed, on efficiency in its economic sense or senses, but they cannot tell the policy maker how much weight to assign efficiency as a policy goal, though they may be able to advise him concerning the feasibility of achieving other goals, such as a more equal distribution of income.“ 158
Posner gibt explizit zu, dass die Reichtumsmaximierung von der Erstausstattung an Verfügungsrechten bzw. von der Vermögensverteilung abhängt. Ausserdem gesteht Posner gegenüber seinen Kritikern ein: (1) Seine normative Theorie sei nicht geeignet, um alle Probleme zu lösen. (2) Sie beruhe auf keiner allumfassenden Moraltheorie (wie dies etwa der Utilitarismus sei). (3) Reichtum habe keinen intrinsischen, nichtinstrumentalen Wert, wie dies z. B. das „Gute“ oder die „Glückseligkeit“ in anderen philosophischen Theorien hätten.159 Posner nimmt jedoch nicht an, dass diese Zugeständnisse seine Position schwächen würden. Er sei sehr skeptisch geworden in Bezug auf Versuche, kohärente moralische Theorien zu konstruieren. Moralische Überzeugungen seien in grossem Masse vorgegeben und blieben weitgehend unberührt von den Gründen, die für oder gegen sie vorgebracht würden. Oft sei man sich zwar im Klaren darüber, dass etwas moralisch schlecht sei, doch wisse man nicht genau warum: „It would for example be extraordinarily odd for someone to say, ,I know and believe that torturing children is bad, but I would like to know why it is bad.‘ One might or might not be able to give him a reason; but it is quite unlikely that one could affect his belief.“ 160
157 158 159 160
Posner, EAL 5, S. 13. Posner, EAL 5, S. 16. Posner, Inquiry, S. 101. Posner, Inquiry, S. 101 f.
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Es sei daher ziemlich unrealistisch, davon auszugehen, man könne jemanden aus einer Position „herausargumentieren“, in die er sich gar nie „hineinargumentiert“ habe. Und es wäre unvernünftig, eine tiefe moralische Überzeugung aufzugeben, nur weil man auf ein spitzfindiges Argument keine Entgegnung wisse. Dies bedeute jedoch nicht, dass sich moralische Überzeugungen nicht wandeln könnten, doch würden sich diese eher infolge der Erfahrung ändern – und kaum aufgrund von Argumenten. Nicht einmal Philosophen hätten ihre moralischen Überzeugungen auf der Basis von Argumenten erworben, und der Rest der Bevölkerung schon gar nicht.161 II. Arbeitsteilung zwischen Rechtsprechung und Legislative Posner ist der Auffassung, die Gerichte sollten der Reichtumsmaximierung verpflichtet sein, während sich die Legislative im Gegenzug um die Verteilungsgerechtigkeit kümmern müsste: „The judge whose business is enforcing tort, contract, and property law lacks effective tools for bringing about an equitable distribution of wealth, even if he thinks he knows what such a distribution would be. [. . .] A sensible division of labor has the judge making rules and deciding cases in the areas regulated by the common law in such a way as to maximize the size of the social pie, and the legislature attending to the sizes of the slices.“ 162
Mit „Legislative“ meint Posner allerdings im Wesentlichen nur die Gesetzgebung im Steuer- und Transferrecht. Auf unser Rechtssystem übertragen würde Posners Forderung in etwa bedeuten, dass sich das Privatrecht am Effizienzprinzip orientieren soll, das öffentliche Recht hingegen – sozusagen zum Ausgleich – an Gesichtspunkten der Verteilungsgerechtigkeit.163 III. Moralische Intuitionen als ultimativer Test Wie der Utilitarismus leide auch die Reichtumsmaximierung daran, dass sie in einigen Fällen mit den herrschenden moralischen Intuitionen kollidiere. Moralische Intuitionen seien jedoch der ultimative Test für moralische Theorien: „This [. . .] points to a deeper criticism of wealth maximization as a norm or value: like utilitarianism, which it closely resembles, [. . .] it treats people as if they were the cells of a single organism; the welfare of the cell is important only insofar as it promotes the welfare of the organism. Wealth maximization implies that if the prosperity of the society can be promoted by enslaving its least productive citizens, the sacrifice of their freedom is worthwhile. But this implication is contrary to the
161 162 163
Posner, Inquiry, S. 102. Posner, Jurisprudence, S. 388. Vgl. Schäfer/Ott, S. 31.
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225
unshakable moral intuitions of Americans, and [. . .] conformity to intuition is the ultimate test of a moral (indeed of any) theory.“ 164
Die moderne Gesellschaft habe keine konsistenten moralischen Überzeugungen mehr, ja sogar der einzelne Mensch habe Auffassungen, die in sich widersprüchlich seien. Insgesamt harmoniere aber die Reichtumsmaximierung – von Ausnahmen abgesehen – mit einer Vielzahl verschiedener moralischer Überzeugungen; sie sei also gewissermassen ein gemeinsamer Nenner.165 IV. Wiederannäherung an den Utilitarismus Da Posner seine normative Theorie als kompatibel mit möglichst vielen anderen Moraltheorien darstellen will, betont er ihre Gemeinsamkeiten mit dem Utilitarismus noch stärker als in der dritten Phase. Zwar lehnt er staatlichen Interventionismus, der sich utilitaristisch begründen lässt, nach wie vor ab, gibt jedoch gleichzeitig zu, dass sein Konzept eine grosse Ähnlichkeit mit dem Utilitarismus hat. Posner betont daher den instrumentalen Charakter der Reichtumsmaximierung noch stärker: „What, in short, is the ethical basis of the Kaldor-Hicks concept [. . .]? One answer is that the things that wealth makes possible – not only or mainly luxury goods, but leisure, comfort, modern medicine, and opportunities for self-expression and selfrealization – are major ingredients of most people’s happiness, so that wealth maximization is instrumental to utility maximization. This answer ties efficiency to utilitarianism.“ 166
Posner schlägt ausserdem vor, die Reichtumsmaximierung als Entscheidungsregel für den Regelutilitarismus heranzuziehen. Denn mittels Reichtumsmaximierung liessen sich die Ziele des Utilitarismus besser erreichen, als der Utilitarismus selbst dazu imstande sei: „It is curious, but true that to aim directly at maximizing happiness, by distributing and redistributing wealth to those who would get the most pleasure from it, is selfdefeating because it results in a poor und unhappy society. Wealth maximization is a more effective instrument for attaining the goals of utilitarianism than utilitarianism itself. Stated otherwise, wealth maximization is the correct rule of decision in a system of rule utilitarianism.“ 167
Mit dieser instrumentalistischen Auffassung der Reichtumsmaximierung nähert sich Posner wieder stark dem Utilitarismus an, von dem er anfänglich ausgegangen war, mit dem er aber eine gewisse Zeit nichts mehr zu tun haben wollte. Er schlägt damit auch eine Brücke zu wohlfahrtsökonomischen Posi164 165 166 167
Posner, Jurisprudence, S. 376 f. Posner, Inquiry, S. 103. Posner, EAL 5, S. 16. Posner, Wealth, S. 98.
226
§ 8 Richard Posners Theorie der Reichtumsmaximierung
tionen, die auf klassischer utilitaristischer Basis stehen. Louis Kaplow und Steven Shavell z. B. sehen im Reichtum eine Proxi-Grösse für die gesellschaftliche Wohlfahrt im utilitaristischen Sinne.168 In „Law, Pragmatism, and Democracy“ (2003) bezeichnet Posner die Reichtumsmaximierung explizit als eine konsequenzialistische Ethik, die mit dem Utilitarismus in Verbindung stehe, wenngleich sie sich auch von diesem unterscheide.169 V. Die Verfassung als Sicherheitsnetz Posner weist darauf hin, dass nicht einmal die besten Richter schwierige Fälle ohne den Einbezug ihres Ermessens entscheiden könnten. Die Frage stelle sich daher, worauf sich dieses Ermessen stützen soll. Posner ist der Meinung, die Richter sollten sich am Prinzip der Reichtumsmaximierung orientieren, da dieses utilitaristische und individualistische Elemente vereinige und sich daher als konsensuale Basis anbiete. In Amerika sei dies auch bereits weitgehend der Fall, denn selbst Begriffe wie Fairness oder Gerechtigkeit würden dort als Proxi-Grössen für Reichtumsmaximierung verwendet: „Wealth maximization combines [. . .] elements of utilitarianism and individualism, and in so doing comes closer to being a consensus political philosophy [. . .]. It would be easy to show [. . .] that many invocations of fairness and justice, [. . .] and other familiar principles or methods of judicial decision-making are proxies for wealth maximization.“ 170
In der Tat widerspreche die Reichtumsmaximierung allerdings in gewissen Bereichen den moralischen Intuitionen, wie das Beispiel der Sklaverei zeige, was aber auch auf die Folter und die Lynchjustiz zutreffe. Hier schaffe die amerikanische Verfassung jedoch Abhilfe, indem sie solche Praktiken verbiete.171 VI. Rückzug in den Pragmatismus Mit dem Rückgriff auf die Verfassung gibt Posner definitiv den Versuch auf, die Reichtumsmaximierung als umfassendes normatives Prinzip zu postulieren, aus dem alle Rechte abgeleitet werden könnten. Denn eine umfassende Moraltheorie müsste vor allem auch imstande sein, die elementaren Prinzipien, die üblicherweise in der Verfassung festgelegt sind, zu begründen. Der Verweis auf die Verfassung kommt daher einer Bankrotterklärung gleich.
168 169 170 171
Kaplow/Shavell, Fairness, S. 36 f. Posner, Pragmatism, S. 65. Posner, Wealth, S. 104. Posner, Wealth, S. 104 f.
F. Pragmatische Begründung der Reichtumsmaximierung
227
Posner gesteht auch ein, dass es keine solide philosophische Begründung der Reichtumsmaximierung gebe. Dies ist für ihn aber nach wie vor kein Grund, die Reichtumsmaximierung aufzugeben: „It may be impossible to lay solid philosophical foundations under wealth maximization, [. . .] but this would be a poor reason for abandoning wealth maximization, just as the existence of intractable problems in the philosophy of science would be a poor reason for abandoning science.“ 172
Das stärkste Argument für die Reichtumsmaximierung sei nicht moralischer, sondern pragmatischer Natur. In Ländern, in denen die Märkte mehr oder weniger frei funktionierten, hätten die Menschen nicht nur einen höheren Wohlstand, sondern verfügten auch über mehr politische Rechte, mehr Freiheit und Würde, und sie seien auch zufriedener: „The strongest argument for wealth maximization is not moral, but pragmatic. [. . .] We look around the world and see that in general people who live in societies in which markets are allowed to function more or less freely not only are wealthier than people in other societies but have more political rights, more liberty and dignity, and are more content [. . .] – so that wealth maximization may be the most direct route to a variety of moral ends.“ 173
Posner versteht „pragmatisch“ im Sinne der Umgangssprache und grenzt sich ab vom amerikanischen Pragmatismus – etwa eines Richard Rorty, dessen politische und ökonomische Naivität er belächelt.174 Die Rechtswissenschaft müsse pragmatischer werden, d. h. sie sollte sich weniger mit semantischen und metaphysischen Fragen beschäftigen, sondern mit faktischen Dingen und mit der Empirie: „The object of pragmatic analysis is to lead discussion away from issues semantic and metaphysical and toward issues factual and empirical. Jurisprudence is greatly in need of such a shift in direction. Jurisprudence needs to become more pragmatic.“ 175
Posners Hauptargument zugunsten eines Systems der Reichtumsmaximierung lautete bis anhin stets, in diesem System würden die Produktiven für ihre Anstrengungen belohnt, was moralisch wünschenswert sei. Auch in Bezug auf dieses Argument ist Posner skeptisch geworden. Ob jemand am Markt grosse Einkünfte erziele, hänge stark vom Glück ab: „Unfortunately, wealth maximization is not a pure ethic of productivity and cooperation, not only because even lawful efforts at maximizing wealth often make some other people worse off, but more fundamentally because luck plays a big role in the returns to market activities. What is worse, it is always possible to argue that the
172 173 174 175
Posner, Jurisprudence, S. 384. Posner, Jurisprudence, S. 382. Posner, Jurisprudence, S. 384. Posner, Jurisprudence, S. 387.
228
§ 8 Richard Posners Theorie der Reichtumsmaximierung
distribution of productivity among a population is itself the luck of the genetic draw, or of upbringing, or of where one happens to have been born, and these forms of luck have no ethical charge.“ 176
Die Berücksichtigung der aleatorischen Elemente im Leben eines Menschen untergräbt die ethische Attraktivität der Reichtumsmaximierung zusätzlich. Für Posner ist dies ein Grund mehr, sich in den Pragmatismus zurückzuziehen: „So, once again, the foundations of an overarching principle for resolving legal disputes are rotten, and one is driven back to the pragmatic ramparts.“ 177
Posner gesteht schliesslich ein, dass sich der ökonomische Ansatz und das Konzept der Reichtumsmaximierung nicht für alle Rechtsgebiete gleich gut eignen. Insbesondere dort, wo verteilungspolitische Aspekte eine wichtige Rolle spielen würden, aber auch bei anderen kontroversen Themen – wie z. B. bei der Frage der Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs – komme die Ökonomische Analyse des Rechts an ihre Grenzen.178
G. Fazit Der Rückzug in den Pragmatismus lässt deutlich werden, dass Posner offenbar selber einsehen musste, dass seine Position – die er überdies mehrmals revidiert hat – letztlich nicht zu überzeugen vermochte: (1) Der Versuch, die Reichtumsmaximierung als Alternative zum Utilitarismus zu konzipieren, wobei dessen gute Elemente erhalten und dessen schlechte Eigenschaften eliminiert werden sollten, muss als gescheitert betrachtet werden. Posner hat damit eher das Gegenteil dessen erreicht, was er anstrebte: Die Reichtumsmaximierung eliminiert die guten Eigenschaften des Utilitarismus und behält dessen Schwächen. Zwar begrenzt die Reichtumsmaximierung das „Nutzenmonster“ durch die Restriktion der Zahlungsbereitschaft, doch wird das Problem der unveräusserlichen Rechte dadurch nicht gelöst. Das „Nutzenmonster“ wird letztlich nur durch das „Reichtumsmonster“ ersetzt. Die Reichtumsmaximierung stellt somit eine verschlechterte Version des klassischen Utilitarismus dar und ist kein grundlegend neues ethisches Konzept, wie Posner anfänglich annahm. (2) Die konsenstheoretische Absicherung der Reichtumsmaximierung vermag noch weniger zu überzeugen. Das Kaldor-Hicks-Kriterium ist nicht konsensfähig, da es immer Verlierer gibt, die nicht zustimmen. Nicht alle Mitglieder einer Gesellschaft können damit rechnen, dass sie langfristig von einem Sys-
176 177 178
Posner, Jurisprudence, S. 391 f. Posner, Jurisprudence, S. 392. Posner, Overcoming Law, S. 404.
G. Fazit
229
tem der Reichtumsmaximierung profitieren würden. Mit der Relativierung des Konsensprinzips – es müssten nicht alle zustimmen, nur die meisten – verlässt Posner den Boden der Konsenstheorie: Konsens bedeutet nämlich definitionsgemäss Einstimmigkeit, andernfalls liegt gar kein Konsens vor. (3) Was die pragmatische Argumentation anbelangt, ist Posner zwar weniger angreifbar, doch verliert seine Position entsprechend an Schlagkraft. Der Vorschlag, man sollte das Effizienzziel instrumental zwecks Verfolgung anderer gesellschaftlicher Ziele anstreben, klingt hingegen durchaus plausibel. Mit mehr Mitteln lassen sich auch mehr Ziele erreichen. Und dass sich ein grösserer Kuchen in grössere Stücke aufteilen lässt, ist eine Binsenwahrheit. Eine gerechte Verteilung dagegen – was immer man auch darunter versteht – ist damit aber noch keineswegs garantiert. Das Verhältnis zwischen Effizienz und Gerechtigkeit bedarf daher noch einer genaueren Klärung.
§ 9 Gerechtigkeit und Effizienz „[The] tradeoff [. . .] between equality and efficiency [. . .] is, in my view, our biggest socioeconomic tradeoff, and it plagues us in dozens of dimensions of social policy. We can’t have our cake of market efficiency and share it equally.“1
A. Einleitung Zwei verschiedene Ziele – wie z. B. Gerechtigkeit und Effizienz – können grundsätzlich in drei möglichen Beziehungen zueinander stehen: (1) Zielharmonie, (2) Zielneutralität, (3) Zielkonflikt. Bei einer Zielharmonie würde die Verfolgung des einen Ziels auch dem anderen Ziel zugute kommen. Die Verfolgung des Effizienzziels würde z. B. gleichzeitig auch ein gerechtes Ergebnis liefern, oder umgekehrt: Gerechte Institutionen würden auch die Effizienz befördern. Bei einer Neutralität der Ziele beeinflusst die Verfolgung des einen Ziels das Erreichen des anderen Ziels nicht.2 Die Annahme eines Zielkonfliktes zwischen Effizienz und Gerechtigkeit dürfte unter Ökonomen am populärsten sein. Dabei geht man davon aus, dass Gerechtigkeit und Effizienz bis zu einem gewissen Grade substituierbar seien. Ein solches Austauschverhältnis nennt man Tradeoff. Brian Barry: „The fundamental idea [. . .] is that although two principles need not to be reducible to a single one, they may normally be expected to be to some extent substitutable for one another.“ 3
Julian Le Grand unterscheidet zwei Arten von Tradeoffs: einen Tradeoff auf der Werteebene – wie ihn Barry versteht – und einen Tradeoff auf der Produktionsebene.4 Der Werte-Tradeoff beschreibt, wie viel jemand bzw. eine Gesell1 Okun, S. 2. Dieser verwendet den Begriff „equality“, was Gleichheit bedeutet und auf die Verteilungsgerechtigkeit abzielt. In der englischsprachigen Literatur wird meist der Begriff „equity“, seltener „fairness“ oder „justice“ im Sinne von „Gerechtigkeit“ verwendet. 2 Lukes, S. 36 f. 3 Barry, S. 6. 4 Le Grand, S. 555.
B. Gerechtigkeit
231
schaft an Gerechtigkeit zu opfern bereit ist, um mehr Effizienz zu erreichen und umgekehrt. Beim Produktions-Tradeoff hingegen lautet die Frage: Wie viel Gerechtigkeit muss geopfert werden, um ein bestimmtes Mass an Effizienz zu erreichen und umgekehrt?5 Während der Werte-Tradeoff von den individuellen Wertvorstellungen abhängig ist, wird der Produktions-Tradeoff von empirischen Gegebenheiten bestimmt.
B. Gerechtigkeit I. Arten der Gerechtigkeit Eine klassische Unterscheidung der Gerechtigkeit geht auf das 5. Buch der Nikomachischen Ethik von Aristoteles zurück. Dieser geht zunächst von einer allgemeinen Gerechtigkeit aus, welche die vollkommenste Tugend sei und alle anderen Tugenden in sich enthalte. Sodann unterscheidet er zwei Arten besonderer Gerechtigkeit: die distributive (austeilende) und die kommutative (ausgleichende) Gerechtigkeit: „[Eine Art] bezieht sich auf die Zuerteilung von Ehre oder Geld oder anderen Gütern, die unter die Staatsangehörigen zur Verteilung gelangen können – denn hier kann der eine ungleich viel und gleich viel erhalten wie der andere –; eine andere ist die, die den Verkehr der einzelnen untereinander regelt. Die letztere hat zwei Teile. Es gibt nämlich einen freiwilligen Verkehr und einen unfreiwilligen. Zum freiwilligen Verkehr gehören z. B. Kauf, Verkauf, Darlehen, Bürgschaft, Niessbrauch, Hinterlegung, Miete. Hier spricht man von freiwilligem Verkehr, weil das Prinzip der genannten Verträge beiderseits der freie Wille ist. Zu dem unfreiwilligen Verkehr gehören teils heimliche Handlungen, wie Diebstahl, Ehebruch, Giftmischerei, Kuppelei, Sklavenverführung, Meuchelmord, falsches Zeugnis, teils gewaltsame, wie Misshandlung, Freiheitsberaubung, Totschlag, Raub, Verstümmelung, Scheltreden, Herabwürdigung.“ 6
Die distributive Gerechtigkeit kommt bei der Verteilung staatlicher Leistungen zur Anwendung; man spricht daher auch von Verteilungsgerechtigkeit. Nach ihr werden Rechte auf die Personen gemäss ihrer Würde, d. h. nach ihrer sozialen Stellung und ihrem Verdienst für die Gemeinschaft, verteilt. Zwar darf Ungleiches zugeteilt werden, aber nach dem gleichen Massstab. Die kommutative Gerechtigkeit kommt zunächst einmal im privaten Verkehr (bei zweiseitigen Verträgen) zur Anwendung. Sie fordert Güterausgleich ohne Ansehen auf die Person. So soll zum Beispiel bei einem Kaufvertrag die Leistung der Gegenleistung entsprechen. Neben dem freiwilligen Verkehr kommt sie auch beim unfreiwilligen Verkehr (bei unerlaubten Handlungen bzw. bei Straf-
5 6
Schefczyk/Priddat, S. 428. Aristoteles, NE V 6, 1130b–1131a.
232
§ 9 Gerechtigkeit und Effizienz
taten) zur Anwendung: der Schadenersatz soll dem Schaden, die Strafe dem Unrecht entsprechen. Die erste Variante der ausgleichenden Gerechtigkeit nennt man auch Tauschgerechtigkeit, die zweite Variante wird auch korrektive Gerechtigkeit genannt.7 Bei der Diskussion eines möglichen Konfliktes zwischen Gerechtigkeit und Effizienz ist meist die Verteilungsgerechtigkeit gemeint, also die distributive Gerechtigkeit bezüglich der Einkommensverteilung. Wenn die Ökonomen von Gerechtigkeit sprechen, meinen sie in aller Regel diese Art der Verteilungsgerechtigkeit. Für die Ökonomische Analyse des Rechts ist diese Sichtweise jedoch zu eng. Das Effizienzkriterium wird ja vor allem auf das ausservertragliche Haftpflichtrecht, das Vertragsrecht und auf das Strafrecht angewendet. Nicht minder interessant ist daher, wie die Tauschgerechtigkeit sowie die korrektive Gerechtigkeit zur Effizienz in Beziehung stehen. II. Verteilungskriterien Während bei der Tauschgerechtigkeit und der korrektiven Gerechtigkeit der Grundsatz der Gleichheit uneingeschränkt gilt, ist bei der Verteilungsgerechtigkeit Ungleichheit möglich, sofern nach dem gleichen Massstab verteilt wird. Hagel unterscheidet diesbezüglich in Anlehnung an Perelman folgende sechs Kriterien: 1. Allen das Gleiche Nach diesem Kriterium müssen alle Personen in der gleichen Weise behandelt werden, d. h. ohne einer Besonderheit Rechnung zu tragen, durch die sie sich unterscheiden. Alter, Geschlecht, Hautfarbe, Vermögen, gesellschaftliche Position usw. dürfen keine Rolle spielen. In diesem Sinne ist der Tod zweifellos gerecht: Er trifft alle Menschen ohne Rücksicht auf irgendwelche Privilegien.8 Bei der Einkommensverteilung wird dieses Kriterium in der Regel mit Ergebnisgleichheit in Verbindung gebracht. D. h. jedes Mitglied der Gesellschaft erhält das gleiche Einkommen. Diese Interpretation ist allerdings nicht zwingend in Anbetracht, dass man auch für ein Konzept der Chancengleichheit plädieren kann.9 Dies bedeutet, dass alle Menschen zwar nicht unbedingt das gleiche Einkommen, aber wenigstens die gleiche Erstausstattung an Produktionsfaktoren haben sollten.
7 8 9
Höffe, Gerechtigkeit, S. 23. Perelman, S. 16. Hagel, S. 253.
B. Gerechtigkeit
233
2. Allen gemäss ihrer Gesinnung Dieses Kriterium stellt auf die innere Einstellung des Menschen ab. Da man lediglich das Handeln, das womöglich auf einer guten Gesinnung beruht, nicht aber die Gesinnung selber beobachten kann, ist dieses Kriterium nicht operational. In theologischer Perspektive kann es aber dem sittlich guten Menschen Trost spenden, weil es diesem trotz mancher Ungerechtigkeit in diesem Leben noch eine letzte Möglichkeit der Gerechtigkeit im Jenseits einräumt.10 3. Allen gemäss ihres Ranges Dies ist eine aristokratische Konzeption der Gerechtigkeit, die darin besteht, die Personen gemäss ihrer sozialen Stellung zu behandeln. Quod licet Jovi, non licet bovi, besagt ein lateinisches Sprichwort. In der Antike räumte man den Einheimischen und Freien eine privilegierte Stellung gegenüber den Fremden und Sklaven ein. Das Mittelalter kannte verschiedene Stände, wie z. B. den Adel, den Klerus und die an die Scholle gebundenen Leibeigenen.11 Weitere Beispiele sind das Kastenwesen, das in Indien – obwohl offiziell abgeschafft – faktisch heute noch einen starken Einfluss hat, sowie die frühere Apartheid in Südafrika. Dieses aristokratische Verteilungsprinzip wird von seinen Nutzniessern regelmässig gepriesen und vehement verteidigt. In der Tat handelt es sich jedoch um eine moralisch kaum zu rechtfertigende Strategie der Erhaltung und Verteidigung von Privilegien, die ihrerseits meist aus fragwürdigen Umständen hervorgegangen sind. 4. Allen gemäss des ihnen durch das Gesetz Zugeteilten Diese Konzeption entspricht dem berühmten suum cuique der Römer. Dies bedeutet, dass gerecht sein heisst, allen Personen das zuzugestehen, was das Gesetz ihnen beimisst. Gerecht sein bedeutet damit nichts anderes, als dass der Richter das Gesetz einhalten soll.12 Dieses Kriterium hat den Nachteil, dass es erst auf einer sekundären Ebene Anwendung finden kann, nämlich wenn das durch das Gesetz Zugeteilte seinerseits normativ gerechtfertigt ist.13
10 11 12 13
Hagel, S. 257. Perelman, S. 18 f. Perelman, S. 19 f. Hagel, S. 258.
234
§ 9 Gerechtigkeit und Effizienz
5. Allen gemäss ihren Bedürfnissen Eine bedürfnisgerechte Verteilung bedeutet, dass das Einkommen gemäss den inneren Motiven der Menschen, bestimmte Mangelzustände zu beheben, verteilt werden soll. Diese Bedürfnisse zu ergründen ist aber nicht so einfach. Zwar lässt sich grosse Not, z. B. infolge von Hunger oder Krankheit, direkt erkennen. Dagegen sind Bedürfnisse, die über die Deckung eines bestimmten Grundbedarfs hinausgehen, schwierig zu ermitteln, da sie ja nicht direkt ersichtlich sind. Vielleicht ist es aber auch gar nicht wünschenswert, alle Phantasievorstellungen eines Individuums zu berücksichtigen, sondern man will bewusst nur dessen wesentliche Bedürfnisse abdecken. Wie schwierig es ist, diese einzugrenzen, zeigt das Problem, den Begriff „Existenzminimum“ zu definieren.14 6. Allen gemäss ihrer Leistung Geht es bei einer Handlung um das Erreichen bestimmter Ergebnisse, lässt sich das Leistungsprinzip gut anwenden. Das Bemühen eines Handelnden wird mit einer entsprechenden Entlöhnung oder einer anderen Form der Anerkennung abgegolten. Klassische Anwendungsbeispiele sind sportliche oder künstlerische Wettbewerbe sowie die Benotung von Leistungen in der Schule.15 Das Leistungsprinzip setzt Anreize, bestimmte Leistungen zu erbringen, wobei die Entlöhnung weitgehend von den Umständen abhängt. Eine Leistung, die nicht oder nur wenig gefragt ist und für die auf dem Markt wenig Zahlungsbereitschaft vorhanden ist, wird nicht oder nur schlecht belohnt, selbst wenn sie qualitativ gut ist oder einen hohen künstlerischen Wert hat. So hat der Maler Vincent van Gogh zeitlebens in grosser Armut gelebt, obwohl er künstlerische Werke von heute unermesslichem Wert geschaffen hat.16 III. Statischer versus dynamischer Begriff distributiver Gerechtigkeit Die soeben besprochenen klassischen Verteilungskriterien beruhen auf einem statischen Begriff der Verteilungsgerechtigkeit. Die meisten zeitgenössischen Theorien distributiver Gerechtigkeit sind jedoch dynamisch, d. h. sie treten weder für eine bestimmte gerechte Verteilung noch für eine ideale Verteilung ein. Sie plädieren für institutionelle Strukturen, die es den Individuen ermöglichen, bestimmte Dinge zu tun oder Lebenspläne zu verwirklichen, unabhängig davon, welche Einkommensverteilung dabei sich letztlich genau einstellt. 14 15 16
Perelman, S. 35 ff. Hagel, S. 258 f. Hagel, S. 261.
C. Effizienz
235
In diese Kategorie gehört namentlich auch Rawls’ Verständnis distributiver Gerechtigkeit. In seinem Ansatz geht es nicht primär um die Definition eines bestimmten Anteils an den gesellschaftlichen Ressourcen. Die Ausstattung mit materiellen Grundgütern darf durchaus unterschiedlich sein, soweit das Differenzprinzip eingehalten wird. Grundgüter sind notwendig, weil sie eine bestimmte Wahlfreiheit und damit die Verwirklichung privater Lebenspläne ermöglichen.17 Wenn die entsprechenden gerechten Institutionen vorhanden sind, ist der distributiven Gerechtigkeit Genüge getan, auch wenn dabei eine ungleiche Einkommensverteilung resultiert: „[This] enables us to regard distributive justice as a case of pure background procedural justice: when everyone follows the publicly recognized rules of cooperation, the particular distribution that results is acceptable as just whatever that distribution turns out to be [. . .].“ 18
Nach Rawls beruhen statische Theorien distributiver Gerechtigkeit auf einer „historical process view“, währenddessen dynamische Theorien eine „social process view“ beinhalten. Sein Ansatz hat den Vorteil, dass nur eine „Hintergrundgerechtigkeit“ gewährleistet sein muss, die den Rahmen für die gesellschaftliche Kooperation absteckt, ohne dass ständig die relativen Positionen der Individuen miteinander verglichen werden müssen.19
* Mit Blick auf den weiter unten diskutierten Zielkonflikt zwischen Verteilungsgerechtigkeit und Effizienz soll die Annahme getroffen werden, eine gleichmässigere Einkommensverteilung sei gegenüber einer weniger gleichmässigen Einkommensverteilung grundsätzlich vorzuziehen. Entsprechend soll dies a fortiori für die Startchancen gelten. Dem Leistungsprinzip wird dagegen mit dem Effizienzziel Rechnung getragen.
C. Effizienz I. Begriff Wenn jemand – z. B. in einer politischen Diskussion – von Effizienz spricht, dann meint er damit meistens eigentlich die Produktivität oder die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft, die mit der Höhe des Sozialprodukts bzw. im Zeitver-
17 18 19
Siehe vorne § 7 C. Rawls, JF, § 15.3, S. 54 (Hervorhebung durch den Verfasser). Rawls, JF, § 15.3, S. 54 f.
236
§ 9 Gerechtigkeit und Effizienz
gleich mit der Rate des Wirtschaftswachstums angegeben wird.20 In diesem Sinne definiert Polinsky Effizienz ganz einfach und für jedermann verständlich: „[E]fficiency corresponds to the ,size of the pie‘, while equity has to do with how it is sliced.“ 21
Aber lässt sich diese Umschreibung von Effizienz auch als Effizienz im technischen Sinne interpretieren, nämlich als Paretoeffizienz oder als Kaldor-HicksEffizienz? – Je nachdem, ob es bei einer Effizienzsteigerung Verlierer geben darf oder nicht, kommt das eine oder das andere Effizienzkriterium in Betracht. Bei Polinsky bleibt diese Frage offen. Schauen wir uns deshalb das folgende Beispiel an, das von Weizsäcker anführt, um die Vorteile von Rationalisierungen zu rechtfertigen: „Betrachten wir z. B. ein Rationalisierungsprojekt. Seine negative Wirkung ist stark konzentriert auf eine kleine Gruppe betroffener Arbeitnehmer, die vielleicht ihren Arbeitsplatz einbüssen, und Konkurrenten, die gegenüber dem rationalisierenden Wettbewerber ins Hintertreffen geraten. Die vorteilhaften Wirkungen der Rationalisierung verteilen sich – abgesehen von einem erhöhten Gewinn des rationalisierenden Unternehmens – auf viele Personen, die von dem niedrigeren Preis des Produkts profitieren. [. . .] Jeder einzelne mag negativ von einem solchen Projekt betroffen sein, er ist aber gleichzeitig positiv von allen anderen betroffen. Da jedes einzelne Rationalisierungsprojekt mehr Nutzen als Schaden stiftet, kann typischerweise erwartet werden, dass der einzelne Bürger mehr Nutzen als Schaden aus der Rationalisierung insgesamt zieht. Dies mag typischerweise so gelten; es gilt vielleicht nicht in jedem Einzelfall.“ 22
Aus Rationalisierungen gehen nach von Weizsäcker immer Gewinner und Verlierer hervor, wobei im Durchschnitt jeder langfristig profitiert, was aber im Einzelfall nicht zutreffen muss. Damit wird klar, dass von Weizsäcker nur Effizienz im Sinne von Kaldor-Hicks meinen kann. Dies dürfte wohl bei solchen Diskussionen fast immer der Fall sein. Dies lässt folgenden Schluss zu: Eine Effizienzsteigerung meint in der Regel eine Steigerung der Wirtschaftsleistung ohne Rücksicht auf die Einkommensverteilung. Wenn man nun den etwas vagen Begriff „Wirtschaftsleistung“ mit „Reichtum“ im Sinne von Posner ersetzt, dann gelangt man zur Kaldor-Hicks-Effizienz im technischen Sinne. Denn Reichtumsmaximierung und Kaldor-Hicks-Effizienz meinen nach Posner letztlich dasselbe.
20 Zuweilen wird Effizienz auch mit „Effektivität“ verwechselt. Diese beschreibt, inwieweit ein gesetztes Ziel, das man mit bestimmten Mitteln anstrebt, erreicht wird (Soll-Ist-Vergleich). Vgl. von Arnim, S. 51. 21 Polinsky, S. 7. 22 von Weizsäcker, S. 130.
D. Einzelne Zielbeziehungen
237
II. Ist Effizienz überhaupt ein Ziel? Bevor das Verhältnis zwischen Gerechtigkeit und Effizienz diskutiert werden kann, ist die Frage zu klären, ob Effizienz überhaupt als ein Ziel zu betrachten ist. Wie wir wissen, hat Posner seine frühere Position, Reichtum bzw. Effizienz an sich stellten das gesellschaftliche Ziel dar, aufgegeben. Vielmehr ist Effizienz ein Instrument, um andere gesellschaftliche Ziele zu erreichen. Nach Dworkin ist ein Tradeoff zwischen Mitteln und Zielen keineswegs sinnvoll – es sei denn, man betrachte die Effizienz als „false target“ für andere Ziele: „It makes no sense to speak of trading off means against ends [. . .]. Someone who speaks this way must have in mind an entirely different point. He might mean, for example, that sometimes we achieve more of the desired end if we aim only at what is (in this sense) a means. That is the ,false target‘ instrumental theory [. . .].“ 23
Auch Le Grand hält die Effizienz an sich nicht für ein eigentliches Ziel. Ein mögliches Ziel, das dadurch angestrebt werde, sei die Erhöhung des gesellschaftlichen Nutzens.24 Wie wir wissen, bewirkt jedoch nur eine Steigerung der Paretoeffizienz – nicht aber der Kaldor-Hicks-Effizienz – in jedem Fall eine Erhöhung des gesellschaftlichen Nutzens. Effizienz eignet sich daher nur bedingt als „false target“ zur Erhöhung des gesellschaftlichen Nutzens im utilitaristischen Sinne.
D. Einzelne Zielbeziehungen I. Tauschgerechtigkeit und Effizienz Stellen wir uns vor, die Güter seien in einer Gesellschaft mehr oder weniger gleich verteilt, ihre Mitglieder würden jedoch nur über bestimmte handelbare Güter verfügen. Einige Leute hätten Zucker, andere Tabak. Diese Leute würden wohl bald feststellen, dass sie über unterschiedliche Güter verfügen und den Wunsch entwickeln, gewisse Güter auszutauschen. Jemand würde dann z. B. zwei Kilo Zucker gegen ein Kilo Tabak erwerben. Der Tausch käme durch freiwilligen Konsens zustande, wobei die Beteiligten über alle anderen möglichen Tauschalternativen informiert wären. Welchen Einfluss hätte dieser Tausch auf den Nutzen der Beteiligten? Hätten sie nur Güter gleichen Wertes ausgetauscht und wären nun gleich gestellt wie vorher? Oder stünden sie nach dem Tausch besser da?25 Nach Aristoteles ist der Austausch von Gütern eine Frage der Preisgerechtigkeit. Der gerechte Preis (iustum pretium) ist so zu bestimmen, dass Leistung 23 24 25
Dworkin, Wealth, S. 204. Le Grand, S, 561 f. Vgl. Fletcher, S. 156.
238
§ 9 Gerechtigkeit und Effizienz
und Gegenleistung im Gleichgewicht sind. Wenn die gehandelten Güter in diesem Sinne wertgleich sind, ist aufgrund dieser Auffassung niemand nach dem Tausch besser oder schlechter gestellt. Die ökonomische Theorie stellt nun diesen Gleichheitsgrundsatz in Frage: Derjenige, der den Tabak haben will, bewertet nämlich ein Kilo Tabak höher als zwei Kilo Zucker. Umgekehrt ist dem anderen zwei Kilo Zucker mehr als ein Kilo Tabak wert. Folglich profitieren die Beteiligten vom Tausch und stehen besser da als vorher; beide erfahren also eine Nutzensteigerung. Denn würden nicht beide Tauschpartner profitieren, hätten sie gar keinen Anreiz zum Tauschen.26 Die unterschiedliche Bewertung von Gütern basiert auf den verschiedenen Präferenzen der Menschen. Die einen mögen lieber Äpfel, die andern lieber Birnen: de gustibus non est disputandum. Die Menschen werden Güter tauschen, solange beide beteiligten Seiten davon profitieren können, oder wenn zumindest der eine profitiert und der andere dadurch nicht schlechter gestellt wird. Somit steigt der Nutzen der Gesellschaft, solange jemand besser gestellt werden kann, ohne dass jemand anders dadurch schlechter gestellt wird: Das entspricht definitionsgemäss einer paretosuperioren Veränderung. Die Erkenntnis daraus lautet, dass sich der gesellschaftliche Nutzen durch Handel solange erhöhen lässt, bis der effiziente Konsum erreicht ist.27 Diese Argumentation geht allerdings vom Modell der vollständigen Konkurrenz aus.28 In der Realität versuchen die Unternehmungen jedoch den Wettbewerb durch Monopole oder Kartelle auszuschalten – und sie haben auch genügend Anreiz, dies tatsächlich zu tun.29 Eine staatliche Wettbewerbskontrolle kann hier korrigierend eingreifen. Dies hat nicht nur den erwünschten Effekt auf die Effizienz, sondern in der Regel auch auf die Verteilung, weil die Konsumenten von tieferen Preisen profitieren. Man kann überdies auch die Preise direkt kontrollieren – etwa in Form einer Preisüberwachung – bzw. gesetzlich regulieren, wie dies z. B. im Mietrecht oder bei der Regulierung der Landwirtschaft teilweise noch der Fall ist. Allerdings sind Eingriffe in den Preismechanismus aus Gründen der Effizienz nicht unproblematisch. Zwar kann mittels einer Preisüberwachung – ähnlich wie durch eine Wettbewerbskontrolle – gegen überhöhte Monopolpreise vorgegangen werden, was die Effizienz fördert. Problematisch wird es hingegen, wenn durch Preisüberwachung oder andere staatliche Regulierung versucht wird, die Preise künstlich unter oder über dem Wettbewerbspreis zu halten. So führte z. B. die Preisstützung in der Landwirtschaft zu übermässiger Produktion.
26 27 28 29
Vgl. Fletcher, S. 157. Vgl. Fletcher, S. 157; siehe § 3 B.I.2. Siehe § 3 B.II. Siehe § 5 D.III. am Ende.
D. Einzelne Zielbeziehungen
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Dasselbe Problem kann sich auch bei privaten Fair trade-Initiativen stellen, beispielsweise im Falle der Max Havelaar-Stiftung. Auch da wird versucht, höhere Preise durchzusetzen, als auf dem Markt üblich sind. Wenn der Preiszerfall auf den Weltmärkten durch zu grosse Angebotskapazitäten bedingt ist, verhindert eine künstliche Stabilisierung der Preise die notwendigen Anpassungsprozesse und wirkt sich damit langfristig kontraproduktiv aus. Wenn Fair TradeAktionen diesem Problem hingegen Beachtung schenken und eine nachhaltige Entwicklung fördern, sind sie durchaus sinnvoll.30 II. Korrektive Gerechtigkeit und Effizienz Nach traditioneller Auffassung besteht die Aufgabe des Deliktrechts grundsätzlich darin, dem Geschädigten Ausgleich für den erlittenen Schaden zu verschaffen (Ausgleichsprinzip), während der Präventivfunktion, d. h. der Schadensverminderung, allenfalls eine sekundäre Bedeutung als erwünschtes Nebenprodukt zugesprochen wird.31 Das Effizienzziel wird dabei nicht systematisch verfolgt. Effizienz ist jedoch durchaus erwünscht, sofern sie nicht mit der korrektiven Gerechtigkeit kollidiert. Auch Guido Calabresi ist der Meinung, dass Rechtsregeln im Deliktsrecht primär gerecht und nur in zweiter Linie effizient sein sollten.32 Bei der Analyse von Rechtsregeln solle aber trotzdem zunächst die Frage der Effizienz und dann erst die Frage der Gerechtigkeit geprüft werden. Die Effizienz von Rechtsnormen lasse sich aufgrund nachvollziehbarer Regeln bestimmen. Im Gegensatz dazu bleibe die Frage, ob eine Rechtsregel gerecht sei, meist kontrovers. Nach Calabresi ist es dabei einfacher zu sagen, was ungerecht ist. Er schlägt daher vor, zuerst die Frage der Effizienz von Haftungsregeln zu prüfen und in einem zweiten Schritt jene Regeln zu eliminieren, die als ungerecht gelten: „The fact that what is unfair is easier to define than what is fair, like the fact that what is fair in one system may be unfair in another, indicates that it would be better to examine the requirements of accident cost reduction first and then see how various untried methods and systems suggested by that goal compare in terms of fairness we use today [. . .].“ 33
Mit dieser Vorgehensweise könnte man beiden Zielen Rechnung tragen – dem Schadensausgleich und der Effizienz –, wobei völlig ineffiziente Rechtsregeln von vornherein ausgeschlossen würden. Fraglich bleibt allerdings, ob sich unter den effizienten Rechtsregeln überhaupt welche befinden, die auch den gesellschaftlichen Gerechtigkeitsvorstellungen genügen. 30 Zum Begriff der nachhaltigen Entwickung siehe Klaus Mathis, Nachhaltige Entwicklung und Generationengerechtigkeit. 31 Schäfer/Ott, S. 113. 32 Calabresi, Accidents, S. 24. 33 Calabresi, Accidents, S. 26.
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§ 9 Gerechtigkeit und Effizienz
Für Coleman oder Weinrib erklärt das Konzept der korrektiven Gerechtigkeit das Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem am besten. Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Dies schliesst aber nicht unbedingt aus, dass die gesellschaftlichen Kosten bei der Ausgestaltung von Haftungsregeln mit berücksichtigt werden können.34 III. Verteilungsgerechtigkeit und Effizienz In seinem Buch „Equality and Efficiency: The Big Tradeoff“ (1975) bezeichnet Arthur M. Okun den Antagonismus zwischen Effizienz und Verteilungsgerechtigkeit als den grössten sozialökonomischen Zielkonflikt überhaupt, denn das Konzept der Effizienz folge dem Prinzip der Unersättlichkeit der Bedürfnisse: „This concept of efficiency implies that more is better, insofar as the ,more‘ consists of items that people want to buy.“35
Der Zielkonflikt entstehe, weil Umverteilung häufig mit Effizienzverlusten verbunden sei. Okun benutzt zur Illustration dieses Problems das Bild des rinnenden Eimers („leaky bucket“): Aus einem vollen Behälter wird mit Hilfe eines Eimers Wasser geschöpft und in einen anderen, leeren Behälter gegossen. Da nun aber dieser Eimer rinnt, geht auf dem Weg vom einen zum anderen Behälter Wasser verloren.36 Okun zählt nun verschiedene Faktoren auf, die solche Leckverluste verursachen: (1) Umverteilung ist mit administrativen Kosten verbunden. Der Staat muss Beamte einstellen, die Steuern einziehen und das Geld den Berechtigten zukommen lassen. Auch bei Privaten fallen administrative Kosten an, angefangen vom Ausfüllen von Formularen bis hin zu Honoraren für Anwälte infolge von Rechtsstreitigkeiten. Dadurch werden Ressourcen absorbiert, die produktiv eingesetzt werden könnten.37 (2) Umverteilung kann sowohl bei den Zahlern wie auch bei den Empfängern einen negativen Einfluss auf die Arbeitsanreize haben.38 Bei Empfängern von Sozialtransfers besteht kaum mehr ein Anreiz zu arbeiten, wenn ein Arbeitsverdienst vollumfänglich mit einer Reduktion des Sozialtransfers bestraft wird. Für alle Erwerbstätigen liegt ausserdem bei höheren Einkommenssteuern der Lohnsatz nach Abzug des Steuersatzes tiefer. Vermutlich geht der Anreiz zu arbeiten dadurch zurück. Allerdings kann auch der ge-
34 35 36 37 38
Siehe ausführlicher dazu vorne § 4 D.I.8. Okun, S. 2. Okun, S. 91 ff. Okun, S. 96. Okun, S. 96 ff.
D. Einzelne Zielbeziehungen
241
genteilige Effekt eintreten, indem Haushalte die höhere Steuer mit Mehrarbeit kompensieren, um das verfügbare Haushalteinkommen konstant zu halten (Steuereinholung). Dieser zweite Effekt tritt vor allem bei gutverdienenden Personen ein sowie bei Familien, in denen nicht beide Elternteile vollzeitlich arbeiten. (3) Möglich ist auch ein negativer Effekt der Umverteilung auf das Sparen und Investieren.39 Da die Konsumquote bei ärmeren Leuten normalerweise höher liegt als bei Reichen, befürchtet man, dass weniger gespart und investiert wird, was das Wachstum einer Volkswirtschaft bremst. Dem ist entgegenzuhalten, dass bei höheren Konsumausgaben die Selbstfinanzierung der Unternehmungen dank höherer Gewinne verbessert wird. Die Ersparnisbildung bei den Unternehmungen kann somit den Rückgang der Ersparnisse der Haushalte wieder kompensieren. (4) Okun befürchtet ferner, die Werthaltung der Bevölkerung könnte durch die Umverteilung negativ beeinflusst und die Einstellung zur Arbeit durch leistungsfeindliche Tendenzen verschlechtert werden. Ausserdem könnte dadurch das Selbstverantwortungsgefühl der Bevölkerung geschwächt werden.40 Dagegen ist einzuwenden, dass grosse Einkommensunterschiede in einer Gesellschaft weitaus destruktivere Tendenzen fördern können. Sowohl Armut wie auch extremer Reichtum führen zu Verwahrlosung und Dekadenz. Ausserdem schwächen grosse Einkommensdisparitäten den Zusammenhalt einer Gesellschaft. Der Tradeoff zwischen Gerechtigkeit und Effizienz wird oft mit Hilfe einer Transformationskurve dargestellt (Abbildung 18).41 Diese Transformationskurve stellt alle möglichen Kombinationen zwischen Gerechtigkeit und Effizienz dar. Die negative Steigung bedeutet, dass mehr Gerechtigkeit mit weniger Effizienz verbunden ist und umgekehrt. Der konkave Verlauf der Kurve bringt zum Ausdruck, dass mit zunehmender Konzentration auf eines der beiden Ziele immer mehr vom anderen Ziel geopfert werden muss. Um die Grenzen der Umverteilung nach diesem Konzept festzulegen, sind zwei Gesichtspunkte zu berücksichtigen:42 (1) Einerseits ist die empirische Frage zu klären, welcher tatsächliche Tradeoff zwischen gerechter Einkommensverteilung und der Effizienz der Wirtschaft in einer Gesellschaft zu beobachten ist (Verlauf der Transformationskurve).
39 40 41 42
Okun, S. 98. Okun, S. 100. Siehe z. B. Stiglitz, S. 60. Hagel, S. 266.
242
§ 9 Gerechtigkeit und Effizienz
Effizienz
A
B
Transformationskurve
Gerechtigkeit Abbildung 18: Tradeoff zwischen Gerechtigkeit und Effizienz
(2) Andererseits ist das Problem der Wertkonkurrenz zwischen Effizienz und Verteilungsgerechtigkeit zu lösen. D. h. die Gesellschaft hat zu entscheiden, welche Mischung aus Gerechtigkeit und Effizienz sie wünscht (Wahl des optimalen Punktes auf der Kurve). Die empirische Frage, wie die Transformationskurve in einzelnen Ländern verläuft, lässt Okun offen; sie ist bis heute nicht schlüssig beantwortet worden. Unbestreitbar ist, dass Umverteilung mit administrativen Kosten verbunden ist. Die übrigen von Okun angeführten Argumente sind jedoch sehr spekulativ und die entsprechenden Forschungsergebnisse widersprüchlich, so dass sie keine gesicherten Ergebnisse liefern.43 Die zweite Frage wird in einer Demokratie im politischen Entscheidungsprozess beantwortet. Bei der Umverteilung spielen das Steuersystem, die Sozialversicherungen, der Bildungssektor sowie der Service public eine zentrale Rolle. Ein Ansatzpunkt zum Ausgleich der Einkommensverteilung liegt insbesondere auch in der Beeinflussung der Erstausstattung, d. h. in einem Ausgleich der 43 Siehe z. B. Alberto Alesina/Dani Rodrik, Distributive Politics and Economic Growth; oder Torsten Persson/Guido Tabellini, Is Inequality Harmful for Growth?
E. Trennung von Effizienz und Gerechtigkeit?
243
Startchancen. Die Erstausstattung eines Individuums ist stark vom Einkommen und Vermögen der Eltern abhängig. Hier könnte man durch Erbschaftssteuern korrigierend eingreifen. Andererseits lassen sich die Startchancen auch durch ein Bildungssystem ausgleichen, das grundsätzlich allen unentgeltlich oder zumindest unter günstigen Bedingungen offen steht.44 Zu beachten ist ferner, dass zwischen Effizienz und Verteilungsgerechtigkeit nicht immer ein Tradeoff, sondern im Gegenteil in vielen Bereichen eine positive Korrelation besteht: (1) Ein auf Ausgleich der Startchancen bedachtes Bildungssystem erhöht die Zahl qualifizierter Arbeitskräfte, und diese können einen hohen Beitrag zur Wertschöpfung leisten. (2) Sozialpolitisch motivierte Eingliederungsprogramme für Arbeitslose fördern deren Reintegration in den Arbeitsmarkt. (3) Sozialpolitische Massnahmen wirken grundsätzlich integrativ und sind daher ein Mittel, um der Kriminalität zu begegnen. Dies verschafft einerseits der Bevölkerung mehr Sicherheit und andererseits vermindert es die Kosten für die Strafverfolgung und den Strafvollzug. (4) Gesellschaften mit einer weniger ungleichen Einkommensverteilung sind in der Regel sozial und politisch stabiler. Die betreffenden Länder sind somit auch attraktiver für Investoren. Diese Überlegungen zeigen, dass das Tradeoff-Konzept nur einen Aspekt aufzeigt und daher eindimensional ist. Es besteht kein monokausaler Zusammenhang zwischen Effizienz und Gerechtigkeit; vielmehr ergeben sich vielfältige Interdependenzen zwischen beiden Zielen, welche nur teilweise konfliktär, vielfach hingegen harmonisch oder zumindest neutral zueinander in Beziehung stehen.45
E. Trennung von Effizienz und Gerechtigkeit? Posner hat vorgeschlagen, die Zivilgerichte sollten dem Effizienzprinzip verpflichtet sein und im Gegenzug könne sich der öffentliche Sektor um die Verteilungsgerechtigkeit kümmern.46 Ein modernes Rechtssystem wäre also in zwei Abteilungen zu untergliedern: Die erste Abteilung, die den privaten Güter- und Leistungsaustausch regelt, habe sich am Effizienzziel zu orientieren. Die zweite Abteilung, das Steuer- und Sozialrecht, solle kompensatorisch das Ziel der Verteilungsgerechtigkeit verfolgen.47 Vereinfacht gesagt: Im Privatrecht müsste 44 Unter diesem Gesichtspunkt ist sowohl die Erhöhung von Studiengebühren an Hochschulen als auch die Abschaffung von Erbschaftssteuern entschieden abzulehnen. 45 Vgl. Lukes, S. 37. 46 Posner, Jurisprudence, S. 388. 47 Schäfer/Ott, S. 31.
244
§ 9 Gerechtigkeit und Effizienz
demnach das Effizienzkriterium, im öffentlichen Recht dagegen das Gerechtigkeitsprinzip den Vorrang haben. Kaplow und Shavell teilen die Auffassung von Posner: „[R]edistribution through legal rules offers no advantage over redistribution through the income tax system and typically is less efficient.“ 48
In ihrem Buch „Fairness versus Welfare“ (2002) behaupten Kaplow und Shavell sogar, dass eine unabhängige Berücksichtigung von Gerechtigkeitsprinzipien (insbesondere korrektive Gerechtigkeit) bei rechtlichen Regeln – namentlich im Haftungs- und Vertragsrecht49 – die Wohlfahrt mindere und in gewissen Fällen sogar alle schlechter stelle: „Under welfare economics [. . .] the analyst would not take into account factors that do not bear on individuals’ well-being, notably, whether liability under the negligence rule is required by corrective justice or other notions of fairness that some would accord independent significance.“ 50
In der Folge versuchen sie, die Richtigkeit ihrer Behauptung an verschiedenen konstruierten Beispielen zu beweisen, was ihnen auch zu gelingen scheint. Das Problem dieses Vorgehens liegt allerdings darin, dass im Rahmen ihres utilitaristischen Analyserahmens51 die Aussage, dass die unabhängige Berücksichtigung nicht-utilitaristischer Gerechtigkeitsprinzipien die Wohlfahrt im Vergleich zu einer Politik, die sich ausschliesslich an der gesellschaftlichen Wohlfahrt orientiert, vermindere, notwendigerweise stimmen muss. Zu begründen wäre aber, weshalb eine utilitaristische Ethik einer deontologischen vorzuziehen sei, wozu man einen metaethischen Standpunkt einnehmen müsste. Dass aus einer (präferenz-)utilitaristischen Perspektive der Utilitarismus deontologischen oder gemischten Konzeptionen überlegen sein muss, verwundert nicht.52 Es handelt sich damit um eine bare Tautologie, was Kaplow und Shavell denn auch unumwunden zugeben: „[I]t is true that it is virtually a tautology to assert that fairness-based evaluation entails some sort of reduction in individuals’ well-being, for notions of fairness are principles of evaluation that give weight to factors unrelated to individuals’ wellbeing.“ 53
48
Kaplow/Shavell, Income Tax, S. 667. Siehe Kaplow/Shavell, Fairness, S. 85 ff. und S. 155 ff. 50 Kaplow/Shavell, Fairness, S. 17. 51 Sie selber sprechen von „welfare economics“ und von der Berücksichtigung von „well-being“ und grenzen damit ihren utilitaristischen Standpunkt explizit von der Reichtumsmaximierung ab. Kaplow/Shavell, Fairness, S. 5 und S. 35 ff. Immerhin sei Reichtum aber eine Proxi-Grösse für gesellschaftliche Wohlfahrt. Kaplow/Shavell, Fairness, S. 37. 52 Zur Diskussion der Vor- und Nachteile solcher Konzeptionen siehe vorne die §§ 6 und 7 zum Utilitarismus und zur Gerechtigkeitstheorie von John Rawls. 53 Kaplow/Shavell, Fairness, S. 58; eine ähnliche Aussage findet sich auch auf S. 7. 49
E. Trennung von Effizienz und Gerechtigkeit?
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Die beiden Autoren legen zudem Wert darauf, dass sie nur gegen die unabhängige Berücksichtigung von Gerechtigkeitsprinzipien seien; sofern diese hingegen als Präferenzen für Gerechtigkeit („tastes for fairness“) in die Nutzenfunktion von Individuen eingingen und damit zur Wohlfahrt der Gesellschaft beitrügen, sei dies unproblematisch: „We further note a particular source of well-being [. . .], namely, the possibility that individuals have a taste for notions of fairness, just as they may have a taste for art, nature, or fine wine.“ 54
Auf diese Weise könnte man den Gegensatz zwischen utilitaristischer Konzeption und Gerechtigkeitsprinzipien überwinden. Allerdings handelt es sich dabei um eine fragwürdige Lösung des Problems: Es ist gefährlich, Gerechtigkeitsprinzipien dem Geschmack und damit der Willkür der einzelnen Individuen anheim zu stellen. Es ist nämlich fraglich, ob diesen Gerechtigkeitsprinzipien im Rahmen eines utilitaristischen Kalküls genügend Gewicht zukommt, damit ihnen Nachachtung verschafft werden kann. Es besteht die Gefahr, dass Gerechtigkeitsprinzipien im Sumpf des gesellschaftlichen Guten versinken, wenn ihnen kein eigenständiges Gewicht im Sinne eines Korrektivs zukommt. Obwohl das Konzept von Kaplow und Shavell nicht zu überzeugen vermag, fördert ihre Analyse dennoch manche nützliche Erkenntnis zu Tage. So kommen sie beispielsweise zum Schluss, dass der Wohlfahrtsverlust, der infolge der Berücksichtigung von Gerechtigkeitsprinzipien entstehen könne, transparent gemacht werden müsse: „[B]ecause notions of fairness sometimes result in a reduction of individuals’ wellbeing – and in certain cases lead to a reduction in every-one’s well-being – when they are given weight as independent evaluative principles, the manner in which a notion of fairness sacrifices welfare should be identified clearly so that it will be possible to appreciate what is at stake in adopting the principle.“ 55
Diese Forderung verdient durchaus Zustimmung: Erforderlich ist deshalb eine Gesetzesfolgenabschätzung (Ex ante- bzw. prospektive Analyse), die ermittelt, welche Effekte Gesetze haben werden56 sowie eine Evaluation der Wirkungen bestehender Gesetze (Ex post- bzw. retrospektive Analyse). Allerdings liefern Kaplow und Shavell keine Kriterien, um zwischen Fairness und Wohlfahrt abzuwägen – in ihrem Konzept benötigen sie diese ja auch nicht, da Fairness bestenfalls als subjektive Präferenz in die Nutzenfunktion eingeht. Dabei bleibt ebenfalls unklar, wie diese individuellen Nutzenfunktionen zu einer gesellschaftlichen Nutzenfunktion aggregiert werden sollen. Die bekannten methodischen
54
Kaplow/Shavell, Fairness, S. 21. Kaplow/Shavell, Fairness, S. 471. 56 Siehe z. B. zur Regulierungsfolgenabschätzung in der Schweiz die entsprechenden Ausführungen in § 10. 55
246
§ 9 Gerechtigkeit und Effizienz
Probleme des Utilitarismus hinsichtlich des intra- und interpersonellen Nutzenvergleichs bleiben ebenfalls ungelöst.57 Polinsky hält Umverteilungsmassnahmen im Vertragsrecht – z. B. über eine strengere Haftung des Verkäufers – für wirkungslos, denn dabei würden die erwarteten Kosten der Haftung über den Produktpreis auf den Konsumenten überwälzt.58 Umgekehrt wäre nach Polinsky eine Umverteilung über das ausservertragliche Haftpflichtrecht grundsätzlich möglich, da es bei unfreiwilligen Transaktionen in der Regel an Überwälzungsmöglichkeiten mangelt.59 Trotzdem bevorzugt auch er eine Umverteilung über das Steuer- und Transfersystem, da diese nicht nur kostengünstiger sei, sondern auch viel präziser eingesetzt werden könne: „[R]edistribution through the government’s tax and transfer system may be cheaper and is likely to be more precise. In other words, the potential conflict between efficiency and equity when income redistribution is costly should be considered in the design of the government’s tax and transfer system, but not generally in the choice of legal rules.“ 60
Tendenziell dürfte es zwar zutreffen, dass sozialpolitische Ziele wirksamer über das Steuer- und Transfersystem als über das Privatrecht verwirklicht werden können. Dennoch vermag der Vorschlag einer sektoriell getrennten Verfolgung der beiden Ziele Gerechtigkeit und Effizienz aus folgenden Gründen nicht zu überzeugen: (1) Allokation und Verteilung sind untrennbar aneinander gekoppelt. Es ist nicht möglich, einerseits effizient zu produzieren und andererseits gerecht zu verteilen. Auch Steuern und Transfers haben einen Einfluss auf die Arbeitsanreize und den Einsatz der Produktionsfaktoren. Umverteilung durch einen staatlichen Verwaltungsapparat muss daher keineswegs immer effizienter sein als Umverteilung durch eine Regulierung des privaten Sektors. (2) Umgekehrt ist es sehr wohl möglich, dass sich eine kostengünstige und wirksame Umverteilung auch und gerade mittels Privatrecht bewerkstelligen lässt. Wie das Beispiel des Mietrechts zeigt, kann eine Umverteilung über die Ausgestaltung des Privatrechts sehr wohl funktionieren. Es spricht im Prinzip überhaupt nichts dagegen, das Privatrecht in bestimmten Fällen – ergänzend zum Steuer- und Sozialrecht – als Umverteilungsinstrument einzusetzen.61
57 Siehe zu dieser Problematik vorne § 6 C.3. Zum Ganzen siehe auch Coleman, Grounds, insbes. S. 1514 ff. und S. 1538 ff. 58 Polinsky, S. 123. 59 Polinsky, S. 124. 60 Polinsky, S. 10. 61 Eidenmüller, S. 321.
F. Fazit
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(3) Im Einzelfall könnte es zu sehr stossenden Ergebnissen führen, wenn man im Privatrecht nur auf die Effizienz abstellen würde. Gerade auch in zivilrechtlichen Streitigkeiten sind die Parteien an einem Urteil interessiert, das sich an Gerechtigkeitsvorstellungen orientiert. Sie würden sich kaum mit der Begründung zufrieden geben, das Urteil sei zwar nicht gerecht, fördere aber stattdessen die wirtschaftliche Effizienz.
F. Fazit Die Forderung einer ausschliesslichen Verfolgung des Effizienzziels im Privatrecht und des Gerechtigkeitsziels im öffentlichen Recht ist abzulehnen. Vielmehr haben der Gesetzgeber und entsprechend die Gerichte in allen Rechtsbereichen eine subtile Güterabwägung vorzunehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zwischen Effizienz und Gerechtigkeit vielfältige Interdependenzen bestehen. Ausserdem sollte sich die Diskussion nicht nur auf die beiden Ziele Gerechtigkeit und Effizienz beschränken, sondern ist auch auf andere Ziele auszuweiten, wie z. B. die Rechtssicherheit oder die Würde des Menschen.62 In jedem Fall liegen eine Vielzahl rechtspolitischer Ziele vor, die auch dann zum Effizienzziel in Konkurrenz treten würden, wenn es z. B. wenig sinnvoll wäre, über das Privatrecht verteilungspolitische Ziele zu verfolgen.63
62 63
Vgl. Eidenmüller, S. 273. Eidenmüller, S. 316.
§ 10 Schlussfolgerungen „Wenn Ineffizienz die allgemeine Produktivität vermindert, die Verteilungsverhältnisse verschlechtert und die ökonomische und politische Beweglichkeit des Gesamtsystems zerstört, dann zählt die Gerechtigkeit zu den vornehmsten Opfern.“ 1
Jeremy Benthams Utilitarismus ist zugute zu halten, dass er sich an den menschlichen Bedürfnissen orientiert und dass er jeden Menschen – ob reich oder arm – gleich behandelt. In einem System der Reichtumsmaximierung ist dies anders: Der Nutzen der Reichen wird privilegiert. Gegen die Reichtumsmaximierung muss ausserdem der gleiche Vorwurf wie gegen den Utilitarismus vorgebracht werden: Der einzelne Mensch als solcher wird nicht ernst genommen. Ersichtlich wird dies insbesondere bei der Frage der Grundrechte und dem Problem der Verteilungsgerechtigkeit. John Rawls hat daher seine beiden Gerechtigkeitsgrundsätze entwickelt. Nach dem ersten Grundsatz, dem Freiheitsprinzip, muss jedes Individuum mit Grundrechten ausgestattet sein. Nach dem zweiten Grundsatz, dem Differenzprinzip, bietet er ein Verteilungskriterium an, das zu grosse Einkommensunterschiede verhindern soll. In unserem Rechtssystem werden die Grundrechte durch die Verfassung garantiert und das Mass an Umverteilung wird im laufenden politischen Prozess ausgehandelt. Die Kritik an der Reichtumsmaximierung bedeutet jedoch nicht, dass die Forderung nach Effizienz grundsätzlich keine Berechtigung hätte. Effizienz und Gerechtigkeit schliessen sich keineswegs aus, sondern stehen in einer vielfältigen Wechselbeziehung zueinander. Dies bedeutet allerdings nicht, dass dieses Verhältnis spannungsfrei wäre, sondern vielmehr, dass die Verwirklichung der beiden Ziele nicht ausschliesslich konkurrierend im Sinne eines Tradeoffs, sondern in hohem Masse kooperativ anzustreben ist.2 Der materiale Kern der positiven Korrelation von Effizienz und Gerechtigkeit ist die Trivialität, dass nur verteilt werden kann, was erwirtschaftet wird. Wenn Ineffizienz das Sozialprodukt vermindert, hat dies auch Auswirkungen auf die Gerechtigkeit. Dies ist insbesondere im Zusammenhang mit dem Staatshaushalt von grosser Aktualität: Höheres Wirtschaftswachstum würde auch mehr Steuereinnahmen für die öffentliche Hand bedeuten, so dass diese ihre Aufgaben bes1 2
Kersting, Soziale Gerechtigkeit, S. 108. Kersting, Soziale Gerechtigkeit, S. 106.
§ 10 Schlussfolgerungen
249
ser wahrnehmen könnte. Es ist dabei insbesondere an die Förderung der Ausbildung (Chancengleichheit) sowie an die Finanzierung der sozialen Sicherheit (soziale Gerechtigkeit) zu denken. Effizienz ist daher stets auch ein Gebot der Gerechtigkeit. Es ist die Ironie der Geschichte, dass die sozialstaatlichen Errungenschaften nur mit Wirtschaftswachstum – und damit mehr Markt und höherer wirtschaftlicher Effizienz – gesichert werden können. Umgekehrt kann aber auch die Gerechtigkeit eine Forderung sein, die sich aus Gründen der Effizienz ergibt. Wenn Ungerechtigkeit die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Betroffenen vermindert und die Legitimität des gesellschaftlichen Systems untergräbt, erweist sich die Gerechtigkeit als Grundbedingung der Effizienz.3 Neben der Gerechtigkeit und der Effizienz ist aber auch die Rechtssicherheit ein wichtiges Rechtsprinzip. In der langfristigen Betrachtung ist die Rechtssicherheit der Effizienz zudem häufig förderlich. Denn es wäre kaum mehr lohnend, sich wirtschaftlich zu betätigen, wenn man befürchten müsste, dass einem ein wohlerworbenes Recht jederzeit aus kurzfristigen Effizienzgründen abgesprochen werden könnte.4 Wie diese Überlegungen zeigen, sind die Zielbeziehungen zwischen den verschiedenen Rechtsprinzipien vielfältiger, als sie auf den ersten Blick erscheinen mögen. Die ökonomischen Effizienzargumente sind daher in ein Verfahren zur Auflösung von Wertkonflikten einzubinden, was in einer Demokratie im politischen Entscheidungsprozess zu geschehen hat.5 Dem Effizienzziel ist deshalb primär auf der Ebene der Gesetzgebung und nicht erst im Rahmen der Rechtsprechung Rechnung zu tragen.6 Nach Gustav Radbruch soll sich das Recht an den folgenden drei Prinzipien orientieren: Gerechtigkeit, Zweckmässigkeit und Rechtssicherheit.7 Dem ist Effizienz als viertes Rechtsprinzip hinzuzufügen. Das heisst, dass das Rechtssystem grundsätzlich so ausgestaltet sein muss, dass es die volkswirtschaftliche Effizienz fördert. Die Gesetze sind daher einem „Effizienztest“ zu unterziehen. Dies bedeutet, dass im Gesetzgebungsverfahren die voraussichtlichen Wirkungen der entsprechenden Gesetzesvorlagen auf die wirtschaftliche Effizienz analysiert werden müssen. Dies soll im Rahmen einer Gesetzesfolgenabschätzung geschehen, bei der gesetzliche Regelungen systematisch auf ihre volkswirtschaftlichen Auswirkungen hin überprüft werden. Denn wenn in der Gesetzgebung die wirtschaftlichen Auswirkungen von Gesetzen bedacht werden, wirkt sich dies zwangsläufig auch in der Rechtsprechung aus.
3 4 5 6 7
Kersting, Soziale Gerechtigkeit, S. 106 ff. von der Pfordten, S. 352. von der Crone, S. 46 f. Taupitz, S. 166. Radbruch, S. 73 ff.
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§ 10 Schlussfolgerungen
In den USA sind Kosten-Nutzen-Analysen bei wichtigen Regulierungen schon seit langem üblich. Die OECD empfiehlt ihren Mitgliedsländern seit 1995, eine „Regulatory Impact Analysis“ (RIA) im Rahmen der Gesetzgebung durchzuführen. In der EU wurde zudem infolge des „Mandelkern-Berichts“ (2001) ein Plan zur Vereinfachung und Verbesserung des Regulierungsrahmens verabschiedet, der für die wichtigsten Gesetzgebungsvorhaben eine Folgenabschätzung vorschreibt.8 Die Schweiz kennt auf Bundesebene seit dem Jahre 2000 das Instrument der „Regulierungsfolgenabschätzung“ (RFA) und orientiert sich dabei an den Empfehlungen der OECD.9 Die verfassungsrechtliche Grundlage dazu findet sich in Art. 170 der Schweizerischen Bundesverfassung. Danach hat die Bundesversammlung dafür zu sorgen, dass die Massnahmen des Bundes auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden.10 Der spezifische gesetzliche Anknüpfungspunkt für eine prospektive Analyse von Erlassentwürfen findet sich in Art. 141 Abs. 2 Bst. g des Parlamentsgesetzes. Danach müssen die Botschaften des Bundesrates zu Erlassentwürfen Ausführungen zu den Auswirkungen auf die Wirtschaft, die Gesellschaft und die Umwelt enthalten, soweit substanzielle Angaben dazu möglich sind. Gemäss dem Beschluss und den Richtlinien des Schweizerischen Bundesrates vom 15. September 1999 müssen daher alle Erlasse vor ihrer Verabschiedung einer Analyse der wirtschaftlichen Auswirkungen unterzogen werden. Die Analyse soll die folgenden fünf Prüfpunkte enthalten: (1) Notwendigkeit und Möglichkeit staatlichen Handelns; (2) Auswirkungen auf die einzelnen gesellschaftlichen Gruppen; (3) Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft; (4) Alternative Regelungen; (5) Zweckmässigkeit im Vollzug. Die Regulierungsfolgenabschätzung ist in der Schweiz bis jetzt im Wesentlichen als eine prospektive Analyse im Rahmen der Ausarbeitung von Erlassen des Bundes zum Tragen gekommen. Ergänzend dazu kommt das Instrument des KMU-Verträglichkeitstests zum Einsatz. Bei wichtigen Regulierungen wird eine Kosten-Nutzen-Analyse verlangt. Die Stärke der Kosten-Nutzen-Analyse liegt darin, dass sie versucht, die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer Massnahme oder eines Projektes umfassend zu bewerten. Es ist aber auch auf die Schwächen dieser Methode hinzuweisen: Durch den Zwang zur Monetarisierung müssen auch Wirkungen geld8 Zur Folgenorientierung im Recht siehe z. B. Weigel, S. 194 ff.; sowie van Aaken, S. 146 ff. 9 Siehe OECD, Regulatory Impact Analysis. 10 Zur Situation in der Schweiz ganz allgemein siehe auch Mader, S. 100 ff.
§ 10 Schlussfolgerungen
251
mässig bewertet werden, für die keine Marktpreise zur Verfügung stehen. Während die Kosten in der Regel relativ leicht monetär bewertet werden können, muss der Nutzen häufig mit Hilfe von Hilfskonstruktionen und durch grobe Annäherungen abgeschätzt werden. Aufgrund dieser Unsicherheiten entsteht ein ziemlich grosser Bewertungsspielraum, der die Aussagekraft der Ergebnisse in Frage stellen kann. Hinzu kommt, dass die zukünftigen Kosten und Nutzen auf einen Referenzzeitpunkt diskontiert werden müssen. Dabei spielt die Wahl des Diskontierungssatzes eine entscheidende Rolle im Hinblick auf das Ergebnis.11 Weiter ist zu beachten, dass es bei der Kosten-Nutzen-Analyse grundsätzlich keine Rolle spielt, welche gesellschaftlichen Gruppen die Nutzniesser sind und wer die anfallenden Kosten einer gesetzlichen Regelung tragen muss. Es genügt, wenn der gesellschaftliche Saldo aus Nutzen und Kosten positiv ist. In der Terminologie der Wohlfahrtsökonomie reicht es also, wenn das Kompensations-Kriterium nach Kaldor-Hicks erfüllt ist. Es ist deshalb zu fordern, dass in jedem Fall die gesetzlichen Regelungen immer auch im Hinblick auf ihre Wirkung auf die Einkommensverteilung analysiert werden, wenn die politischen Entscheidungsträger zu einer abschliessenden Gesamtbeurteilung gelangen sollen. Weniger problematisch als die normativ aufgeladenen wohlfahrtsökonomischen Effizienzkriterien sind die Analysemethoden der positiven Ökonomie. Es ist dabei insbesondere bereits sehr hilfreich, wenn man die Wirkungen von Gesetzen im Hinblick auf ihre Anreize, die sie auf die Wirtschaftssubjekte ausüben, analysiert. Dabei können allein schon qualitative Überlegungen sehr nützlich sein. Eine solche Prüfung sollte zum minimalen Standard für grundsätzlich sämtliche Erlasse – und dies nicht nur für den Bund, sondern auch für die untergeordneten staatlichen Ebenen – erhoben werden. Im Common Law ist es zwar hauptsächlich die Rolle der Gerichte, ökonomische Rationalität in die Urteile einzubringen. In unserem Rechtssystem ist dies aber aus Gründen der Legitimation infolge des Gewaltenteilungs- und Legalitätsprinzips nur in sehr engen Grenzen möglich. Einer gesetzgeberisch nicht legitimierten Berücksichtigung ökonomischer Argumentationsfiguren bei der Urteilsfindung der Gerichte ist daher mit Vorsicht zu begegnen.12 Der Gesetzgeber kann aber ohne weiteres bei bestimmten gesetzlichen Tatbeständen die Verwaltung und die Gerichte explizit anweisen, Effizienz als Rechtsprinzip zu berücksichtigen.13 Es ist dabei aber zu beachten, dass man die rechtsanwendenden Be11 Zur Problematik von Kosten-Nutzen-Analysen siehe Lester B. Lave, Benefit-Cost Analysis. 12 Siehe insbesondere Eidenmüller, S. 414 ff.; kritisch ebenfalls Janson, S. 152. Zur ökonomischen Analyse von Gerichtsentscheidungen siehe aber dennoch Hein Kötz/ Hans-Bernd Schäfer, Judex oeconomicus. 13 Bundesrichter Hansjörg Seiler und Laurent Bieri vertreten die Ansicht, dass in der Schweiz eine Anwendung der „Hand Rule“ im Haftungsrecht bereits de lege lata grund-
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§ 10 Schlussfolgerungen
hörden mit der damit verbundenen Informationsbeschaffung und -verarbeitung nicht überfordert. In jedem Fall ist es sehr wichtig, dass die Juristinnen und Juristen in ihrer Ausbildung für die ökonomischen Aspekte des Rechts sensibilisiert werden. Eine weitere Forderung besteht deshalb darin, dass die ökonomischen Analysemethoden Eingang in den Fächerkanon der juristischen Fakultäten finden – allerdings unter einem umfassenden Begriff, wie z. B. „Law and Economics“, „Ökonomische Theorie des Rechts“ oder „Rechtsökonomie“. Ein solches Fach ist für die juristische Ausbildung zweifellos eine Bereicherung. Die ökonomische Rechtstheorie kann und soll jedoch nicht etwa an die Stelle der traditionellen Methoden der Rechtswissenschaft treten, sondern diese um einen wichtigen Aspekt ergänzen. Auf die Frage, was er an der Ökonomischen Analyse des Rechts am interessantesten finde, soll ein Lehrer von Posner geantwortet haben: „deren Grenzen“.14 Bei einer kritischen Reflexion der Möglichkeiten und Grenzen der Ökonomischen Analyse des Rechts spielen die philosophischen Grundlagen eine Schlüsselrolle. Es bleibt daher zu hoffen, dass diese Arbeit einen wertvollen Beitrag zum fächerübergreifenden Diskurs leisten kann.
sätzlich möglich wäre. Siehe Hansjörg Seiler, Wie viel Sicherheit wollen wir? Sicherheitsmassnahmen zwischen Kostenwirksamkeit und Recht; sowie Laurent Bieri, La faute au sens de l’article 41 CO – Plaidoyer pour une reconnaissance explicite de la „règle de hand“. 14 Posner, Economic Approach, S. 772.
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Personen- und Sachverzeichnis Abstimmungsparadoxon 154 Adam Smith-Problem 133 ff. Aggregation 23, 30, 39, 151, 164 Albert, Hans 59, 177 Allmendegut 33 Allokation 19, 33, 54, 58, 83 ff., 246 Anchoring 44 Angebot 34, 39 ff., 140, 187, 192, 195 ff., 205, 239 Angebotsmonopol 39 ff., 196 Anreiz 26 f., 32, 34, 96 ff., 139, 158, 173, 195, 197, 213 f., 234, 238, 240, 246, 251 Apel, Karl-Otto 178 Aristoteles 231, 237 Arrow, Kenneth J. 154 Asymmetrische Information 35 Auctioning 92 Auktionsregel 68 f., 193
Coase-Theorem 19, 75, 77 ff., 193 Coleman, Jules L. 68, 106, 210 ff. Common Law 19, 195, 224, 251 Condorcet, Marquis de 154 Cooter, Robert 85, 99 Cournot’scher Punkt 39 ff. Dales, John Harkness 90 de gustibus non est disputandum 238 deontologische Ethik 143, 148 Differenzprinzip 169 ff., 179 ff., 219, 235, 248 Diktatorspiel 46 Diskurs 136, 167, 178, 252 Diskursethik 178 Dworkin, Ronald 106, 208 ff., 220 f., 237
Barber, Benjamin 174, 176 Barry, Brian 230 Beccaria, Cesare 111, 142, 144 Becker, Gary S. 22 f., 49, 75, 111 Benhabib, Seyla 174, 176, 178 Bentham, Jeremy 19 f., 111, 184 f., 248 Besitzeffekt 83 f., 208 Bilateralismus-Kritik 106, 110 Brink, David O. 150 Buchanan, James M. 174
Effektivität 236 Effizienzthese 77, 84, 86 Eigeninteresse, Selbstinteresse 52, 80, 127 ff., 133 ff., 161, 220 Eigennutztheorem 23 ff., 45 ff. Einkommenseffekt 31 Emissionszertifikate 83, 89 ff. Epikur 142 Erstausstattung 57 f., 77, 211 ff., 223, 232, 242 ex ante-Kompensation 184, 217 ff. Externalitäten, externe Effekte 34, 59 f., 77 ff., 96, 199 f., 205
Calabresi, Guido 19, 76, 96, 239 Chapman, John 174 cheapest cost avoider 96 Chicago School 113 Clubgut 33 Coase, Ronald R. 17, 75 ff., 183
Fähigkeiten-Ansatz 181 Fahrlässigkeit 102 ff., 188, 195 Fairness 45 f. Fezer, Karl-Heinz 18 Fletcher, George P. 71 Forst, Rainer 175
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Personen- und Sachverzeichnis
Freiheitsgrundsatz, Freiheitsprinzip 169, 179, 248 Friedman, Milton 50 f., 78 Gäfgen, Gérard 168 Gauch, Peter 18 Gefährdungshaftung 99 ff., 107, 218 Gefangenendilemma 136 ff. Generalkompensation 73 f. Gesetzesfolgenabschätzung 245, 249 Gewaltenteilungsprinzip 251 Gewinnmaximierung 31, 35, 38 ff. Glücksutilitarismus 149 Gossen’sche Gesetze 23, 36 f., 187 Grandfathering 92 f. Gras ist grüner-Effekt 208 Grenzkosten 38 ff., 90 f., 98, 105, 196, 198 Grenznutzen 23 ff., 36 f., 45, 69, 72, 157 f., 187, 202 Grundgüter 164 ff., 169 ff., 179 ff., 235 Grundrechte, Menschenrechte, unveräusserliche Rechte 145, 151, 158, 161 ff., 173, 215 f., 222, 228, 248 Habermas, Jürgen 178 Haftungsregel 77, 96 ff., 239 f. Hagel, Joachim 232 Hand Rule, Learned Hand Formula 103 ff., 188, 195, 251 Hand, Learned 104 Harsanyi, John C. 149 Hart, Herbert L. A. 106, 151, 174, 179, 185 Haushaltgleichgewicht 35 f. hedonistischer Kalkül 143, 145, 157, 159 Helvétius, Claude-Adrien 142, 144 Hicks, John R. 54, 62 f., 68 ff. Hintergrundgerechtigkeit 235 Hobbes, Thomas 161 f., 175 Hobbes-Theorem 85 Höffe, Otfried 144, 157, 177
Homann, Karl 140 homo oeconomicus 21 ff., 210 f. Hot-air-Problem 95 Hume, David 126, 142 Hume’sches Gesetz 53 Hutcheson, Francis 133, 144 Hyperbolisches Diskontieren 119 hypothetischer Markt 188 ff., 199 f. impliziter Markt 187 f., 204 Informationskosten 26, 49, 118 f. Instrumentalismus 50 f. intergenerationelle Gerechtigkeit 171 Invarianzthese 77, 84, 91 Johansen, Leif 85 Kahneman, Daniel 42 f. Kaldor, Nicholas 54, 62 f., 68 ff. Kaldor-Hicks-Effizienz 53, 62 ff., 184, 191, 194 ff., 209, 211 f., 217 f., 220, 225, 229, 236 f., 251 Kampfpreise 114 f. Kant, Immanuel 135, 142 f., 151, 161, 216 f. Kaplow, Louis 226, 244 f. kategorischer Imperativ 135 Keynes, John Maynard 73 Keynesianismus 21 Knappheit 22, 29, 35, 216 komparative Statik 48, 60 Konsens, Einstimmigkeit 20, 54, 59, 72 ff., 161, 216 ff., 229, 237 konsequenzialistische Ethik 143, 197, 226 Konsumentenrente 114, 191 ff., 195, 201, 208 Konsumentensouveränität 25, 54 korrektive Gerechtigkeit 107, 232, 239 Kosten-Nutzen-Analyse, Kosten-NutzenRechnung 69, 154, 250 f. Kriminalität 23, 48, 75, 96, 111 ff., 204, 214, 243
Personen- und Sachverzeichnis Kronman, Anthony T. 213 f., 220 ff. Kyoto-Mechanismen 94 Kyoto-Protokoll 93 ff. Lagrange, Joseph-Louis 35 f. Le Grand, Julian 72, 230, 237 Legalitätsprinzip 251 Lock-in-Effekt 118 f. Locke, John 161 Loewenstein, George 47 Macintyre, Alasdair 174 Makroökonomie 21 Mandelkern-Bericht 250 Mandeville, Bernard de 132 Marginalanalyse 41, 99, 105 Marktgleichgewicht 39 f., 57 Marktmacht 34, 117 ff. Marktversagen 33 ff. Marshmallow-Test 47 f. Maximax-Regel 138, 167 f. Maximin-Regel 138, 167 f., 176 Melamed, A. Douglas 19 meritorisches Gut 33 methodologischer Individualismus 23 Mikrofundierung 21 Mikroökonomie 21 ff., 35, 53 Mill, John Stuart 142, 146 f., 149, 155 Modellplatonismus 42 more economic approach 113 Moore, George E. 146, 149 Münchhausen-Trilemma 177 Nachfrage 30 ff., 40, 84, 114, 118, 120 f., 187, 193, 196, 205, 212 f. Nash-Gleichgewicht 104, 137 Nonpaternalismus 54 Nozick, Robert 174 Nutzenfunktion 23 f., 27, 36 f., 49, 202, 214, 245 Nutzenmaximierung 27, 35 ff., 50, 173, 210
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Nutzenmöglichkeitenkurve 65 f. Nutzenmonster 201, 221, 228 Nutzenvergleich 63, 69, 71 f., 153, 180, 199, 246 objektiver Utilitarismus 149 f. Ockham’sches Rasiermesser 28 öffentliches Gut 33, 46, 140, 214 öffentliches Recht 224, 245, 249 Ökokolonialismus 94 Okun, Arthur M. 240 ff. Opportunitätskosten 31, 56, 80, 111 pacta sunt servanda 110 Pareto, Vilfredo 54 Paretoeffizienz, Paretokriterium 54 ff., 62 f., 71 ff., 83, 89, 91, 108, 137, 140, 194, 206, 217, 220, 236 f. Paretooptimum, Paretooptimalität 33, 55 ff., 77, 82 Parfit, Derek 150 Perelman, Chaïm 232 pig philosophy 149 Pigou, Arthur C. 54, 81 f. Platon 142, 163 Polinsky, A. Mitchell 108, 236, 246 Popper, Karl R. 150 f. Posner, Richard A. 17, 19 f., 25, 51 f., 68 f., 75, 124, 183 ff., 236 f., 243 f., 252 Präferenzen 25 ff., 54, 57, 67, 112, 149, 164 ff., 180, 206, 238, 245 Präferenzutilitarismus 149, 244 Pragmatismus 184, 223, 226 ff. Prinzip der abnehmenden Abstraktion 28 Privatrecht 224, 243 ff. privity rule 110 Produktkopplung 120 ff. Produzentenrente 114, 191 ff., 195 Prospect Theory 43 f. Quantifizierungsproblem 153
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Personen- und Sachverzeichnis
Rational Choice-Theorie 162 Rationalität 17 f., 25 f., 45, 136, 206 f., 251 Rationalitätsannahme 25 f., 42 Rawls, John 20, 136, 160 ff., 216, 219 f., 235, 244, 248 Rawls-Kurve 172 f. Rechtssicherheit 92, 247, 249 Recktenwald, Horst Claus 134 Reduktionismus 49 Regulierungsfolgenabschätzung 250 Reichtumsmaximierung 20, 124, 183 ff., 236, 244, 248 rent seeking 195 Restriktion 26 ff., 31, 35 ff., 49, 201, 211, 228 reziprokes Verhalten 46 Ricardo, David 134 rinnender Eimer 240 Roadpricing 33 Rorty, Richard 227 Rousseau, Jean-Jacques 161 Rückschaufehler 45 Sandel, Michael 174 f. Say, Jean-Baptiste 134 Schattenpreis 31, 187 Schleier des Nichtwissens 161 f., 166 f., 176 Scitovsky, Tibor 66 Scitovsky-Paradoxon 67, 209 Scriven, Michael 51 Sekundärmarkt 116 ff. Selbstüberschätzung 116 self-fulfilling prophecy 52 Sen, Amartya K. 58, 180 f. Shavell, Steven 226, 244 f. Sibley, W. M. 162 Sidgwick, Henry 142, 153, 160 Simon, Herbert A. 25 Singer, Peter 149 Sklaverei 70, 163, 215 f., 221, 226
Smart, John J. C. 155 Smith, Adam 19 f., 51, 80, 125 ff., 144, 157, 191 Sorgfaltsmassstab 45, 102 ff. Spargrundsatz 170 f. Spieltheorie 85, 136, 167 Staatsversagen 35 Stigler, George J. 78 strategisches Verhalten 68, 85 f. subjektiver Utilitarismus 149 Substitutionseffekt 31 Sunk-cost-Effekt 32, 115 f. Sympathie, Mitgefühl 126 ff., 134 f. Tauschgerechtigkeit 232, 237 Tautologie 244 Thomas von Aquin 142 Tit for tat-Strategie 139 Tradeoff 230 ff., 252, 240 ff., 248 Transaktionskosten 19, 75 ff., 120, 122, 139, 186, 190, 192 f., 204, 208, 213 Transformationskurve 55 f., 241 f. Trapp, Rainer W. 151 Trickle down-Effekt 173 Trittbrettfahrerproblem 34, 46 Tversky, Amos 42 f. Überlegungsgleichgewicht 169, 177 Ulen, Thomas 99 Ultimatumspiel 45 Umweltabgaben 34, 83, 90 Unmöglichkeitstheorem 154 unparteiischer Beobachter 126 ff., 130, 134 ff. unsichtbare Hand 19, 126, 131 ff., 136, 141, 157, 190 f. Utilitarismus 20, 68, 142 ff., 163 f., 181, 184 f., 190, 196 ff., 211, 215 ff., 221 ff., 228, 244, 246, 248 Utilitätsprinzip 63, 143 ff., 147 f., 154, 156 ff., 211
Personen- und Sachverzeichnis Veljanovski, Cento G. 84 f., 88 f., 206, 208, 210 ff., 215 Verfügbarkeitsverzerrung 44 Verfügungsrecht 58, 63, 76 ff., 212, 223 Verhaltensökonomie (Behavioral Economics) 42, 44 f., 113, 115, 119 f., 122 ff. Verlustaversion 43, 45, 208 Vermögenseffekt 84 Vernünftigkeit, vernünftig 162 Verschuldenshaftung 107, 218 f. Verteilungsgerechtigkeit 157 f., 215, 224, 230 ff., 240 ff., 248 Vertragsbruch 108 ff. viszerale Faktoren 467 vollständige Konkurrenz 34 f., 38 f., 57, 84, 238 Walras, Léon 56 Walzer, Michael 174
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Weber, Max 53, 190 Weizsäcker, Carl Christian von 18, 236 Werturteil 53 f., 58, 62, 72, 74, 223 Wettbewerb 19, 33, 51 f., 57, 84 f., 89, 113, 116 ff., 129 f., 135, 141, 186, 218, 234, 238 Wettbewerbsrecht 96, 113 f., 123 f., 195 Willenskraft 42, 47 f., 123, 149 Williams, Bernard 155 ff. wohlerworbenes Recht 249 Wohlfahrtsökonomie, Wohlfahrtstheorie 19, 53 f., 57, 59, 61, 191, 251
Zahlungsbereitschaft 35, 68, 70 f., 108 f., 186 f., 192, 198, 208, 211, 228, 234 Zweckmässigkeitsprinzip 249 f.