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Schriften zur Rechtsgeschichte Band 168
Bernhard Windscheid 26.6.1817 – 26.10.1892 Leben und Werk
Von
Friedrich Klein
Duncker & Humblot · Berlin
FRIEDRICH KLEIN
Bernhard Windscheid 26.6.1817 – 26.10.1892
Schriften zur Rechtsgeschichte
Band 168
© Bendix Trier, Münster
Bernhard Windscheid
Bernhard Windscheid 26.6.1817 – 26.10.1892 Leben und Werk Von
Friedrich Klein
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristenfakultät der Universität Leipzig hat diese Arbeit im Jahre 2012 als Dissertation angenommen.
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Vorwort „Habent sua fata libelli.“
Dieses Sprichwort des Terentianus Maurus, wohl vom Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr., bezieht sich in seiner vollen Länge auf die Rezeption von Texten und hebt die Unterschiede hervor, die dadurch entstehen, dass Bücher je nach dem Verständnis des Lesers (pro captu lectoris) verschieden aufgenommen werden. Daneben hat aber auch die zitierte – sprichwörtliche – Kurzfassung gerade zu Beginn eines Vorworts ihre Berechtigung. Denn in einem unmittelbar wörtlichen Sinne verstanden hat sie die Entstehung von Büchern selbst im Blick. Auch das nun (endlich) vorliegende Werk hat seine eigene Geschichte. Als ich, angeregt durch meinen Doktorvater Prof. Dr. Adolf Laufs und dessen – damaligen – Assistenten Dr. Bernd-Rüdiger Kern, 1986 eine Darstellung des Lebens und Werks von Bernhard Windscheid in Angriff nahm, war nicht abzusehen, dass ihre Fertigstellung weit über den 100. Todestag Windscheids (26.10.1992) hinaus Zeit in Anspruch nehmen würde. Immerhin ist es gelungen, noch mit deutlichem Abstand vor seinem 200. Geburtstag (26.6.2017) einen „Knopf“ (Originalton meines Vaters) an den Text zu machen. Ebenso wie mein – leider Anfang des Jahres verstorbener – (erster) Doktorvater Prof. Laufs und wie Prof. Kern, der die Betreuung dieser Arbeit über viele Jahre hinweg übernommen hat, bin ich der Überzeugung, dass die wissenschaftliche Leistung einer historisch bedeutenden Person nicht von ihrem Leben getrennt gesehen und beurteilt werden kann, ja dass ohne genauere Kenntnis der Person und ihres (Er-)Lebens eine reflektierte Aussage über das Werk, wenn sie auch nicht unmöglich sein mag, so doch sehr erschwert wird. Meinen beiden Doktorvätern bin ich für ihre nicht nachlassende Begleitung meiner Arbeit zu großem Dank verpflichtet. Diese Überzeugung findet ihren Niederschlag nicht zuletzt im Aufbau des Buches: Lebens- und Werkgeschichte wechseln sich nicht nur der – hoffentlich – lebendigeren Lesbarkeit wegen ab, sondern die gewählte Abfolge der Abschnitte soll dazu dienen, die jeweilige Beziehung von Lebensphase und wissenschaftlichliterarischer Produktion deutlich zu machen. Bereits die äußeren Daten rechtfertigen m. E. den gewählten Aufbau. So kann der Privatdozentenzeit Bernhard Windscheids in Bonn seine Monographie über die Ungültigkeit von Rechtsgeschäften nach den Regeln des Code Civil zugeordnet werden, der Zeit in Basel seine – weiteren – Überlegungen zur schuldrechtlichen Figur der „Voraussetzung“, dem entscheidend wichtigen Abschnitt seines Wirkens in Greifswald die
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Vorwort
Diskussion über den Wechsel von der – prozessualen – „actio“ zum – materiellrechtlichen – „Anspruch“, seinen Münchener Jahren Konzeption und Abfassung seines Lehrbuchs des Pandektenrechts, und schließlich fällt in seine abschließende Zeit in Leipzig die von ihm als Höhepunkt seines Wirkens empfundene Mitarbeit bei der Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches. Darüber hinaus entsprechen diesen Abschnitten auch wesentliche innere Entwicklungsschritte. So setzte die Beschäftigung mit dem französischen Recht in Bonn auf hohem Niveau ein, um dann in Basel abzunehmen und in Greifswald vollends auszulaufen. Tat sich Windscheid seit seiner Dissertation zum SC Velleianum in Bonn und der „Erfindung“ der Voraussetzung bis in die Greifswalder Zeit hinein im Wesentlichen als Systematiker des vorgefundenen Rechts hervor, so führte in Greifswald weniger seine zusätzliche Verpflichtung zur Lehre auch des Prozessrechts als vielmehr seine Bekanntschaft und Freundschaft mit Georg Beseler dazu, dass Windscheid auf seine zurückhaltende Art zu einem Erneuerer des römischen Rechts und begeisterten Verfechter der Vereinigung römisch- wie deutschrechtlich-tradierter Institute in einem einheitlichen deutschen Gesetzbuch wurde. Nur unter diesem Vorzeichen kann auch sein Vorhaben eines „Lehrbuchs des Pandektenrechts“, das dann in München Gestalt annahm und auch – in erster Auflage – vollendet werden konnte, verstanden werden. Und wäre Windscheid dieses bedeutende Werk nicht gelungen, so hätte er sich auch nicht in so selbstbewusster Weise persönlich als Mitglied der ersten Kommission am Entstehen des neuen Gesetzbuches beteiligen können. Die Entwicklung anhand möglichst vollständig recherchierter ungedruckter Quellen, nicht zuletzt von Bernhard Windscheids eigener Hand, nachzuzeichnen und damit ein biographisch-fundiertes, kritisches Bild zunächst der Person Bernhard Windscheids als eines Professors, Juristen und Bildungsbürgers des 19. Jahrhunderts wie auch seines persönlichen wie wissenschaftlichen Umfeldes, aber auch seines Werks zu entwickeln, habe ich mir zur Aufgabe gemacht. Ohne die große Offenheit, mit der mir insbesondere die in Münster lebenden Nachfahren Windscheids begegnet sind und es mir ermöglicht haben, sämtliche dort noch vorliegenden ungedruckten Texte, insbesondere zahlreiche Briefe, einzusehen, zu exzerpieren und auszuwerten, wäre dieser Ansatz zum Scheitern verurteilt gewesen. Daher bedanke ich mich, stellvertretend für alle Windscheid-Nachfahren, insbesondere bei Herrn Dr. Bendix Trier und seiner Ehefrau Christiane für die gastliche Aufnahme in Münster, die mir vor mittlerweile Jahrzehnten zuteil geworden ist, und noch mehr für die große Geduld, die sie mit mir und meinem Werk bis zu seiner Vollendung hatten. Auch wenn der Schwerpunkt der Arbeit – anders als etwa bei den zahlreichen Arbeiten von Ulrich Falk – nicht auf der Diskussion der Windscheidschen Dogmatik und ihrer Einordnung in die Wissenschaftsgeschichte liegt, so soll doch auch dieser Text, wenn auch auf anderem Wege, dazu beitragen, das überkommene Klischee vom phantasielosen Begriffsjuristen und absoluten (Rechts-)Posi-
Vorwort
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tivisten Windscheid von Grund auf infrage zu stellen. Insbesondere diesem Zweck dient der Versuch, Windscheid in seiner Zeit zu sehen und aus dieser heraus zu interpretieren – aus einer Zeit des Übergangs vom Juristenrecht – jedenfalls, soweit es das gemeine Recht betrifft, – zum normierten Recht und zugleich von vorkonstitutionellen Vorstellungen über den Konstitutionalismus bis zur Herrschaft des von gewählten Volksvertretern beschlossenen Gesetzes. Zuletzt habe ich weiteren Dank zu sagen. Er ist zunächst der Reinhold-undMaria-Teufel-Stiftung wie auch besonders der Studienstiftung des Deutschen Volkes geschuldet, die mir beide mit namhaften finanziellen Beträgen die Zeit zur Recherche und die Möglichkeit verschafft haben, einen Teil dieser Zeit in ausgedehnte Archivreisen zu investieren. Weiter gebührt Dank den zahlreichen Mitarbeitern in den west- wie – zur damaligen Zeit noch im zweiten deutschen Staat gelegenen – ostdeutschen Archiven, Bibliotheken und Instituten. Sie ließen mir stets – im Osten zuweilen nach prüfendem Blick und Gespräch – jegliche Unterstützung angedeihen. Schließlich bedanke ich mich bei der Juristenfakultät Leipzig sowohl für die Möglichkeit, im Rahmen von Veranstaltungsreihen und Vorträgen meine Gedanken einer kollegialen Diskussion zu stellen und daraus Anstöße zum Fortgang der Arbeit zu erhalten, als auch für die Annahme der Arbeit als Dissertation und beim Verlag für deren Aufnahme in die rechtshistorische Reihe. Last but not least geht mein Dank an meine eigene Familie. Es war schon von meinen Kindern viel verlangt, dass sie, solange sie im Hause waren bzw. noch sind, ihren Vater stets neben der gewöhnlichen beruflichen Tätigkeit auch noch mit dem vorliegenden Werk teilen mussten. Noch mehr gilt dies für meine liebe Frau, die nicht nur auf manche gemeinsame Zeit verzichten musste, sondern mir auch von Anfang an bis heute stets eine liebevoll-bestimmende Hilfe – auch in vielen praktischen Handreichungen – war und die nicht zuletzt wegen ihrer nicht nachlassenden Anteilnahme einen nicht hoch genug anzuschlagenden Anteil an der Fertigstellung dieser Arbeit hat. Für Eure Geduld, Anteilnahme und Liebe herzlichen Dank! Weil der Stadt, im Juni 2014
Friedrich Klein
Inhaltsverzeichnis 1. Teil Einführung: Würdigungen und Windscheid-Bild nach 1892
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2. Teil Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
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A. Abstammung, Kindheit und Jugend (1817–1834) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Studium, Promotion und Habilitation (1834–1840) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Studium (1834–1837) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Promotion (1838) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Dissertation: De valida mulierum intercessione (1838) und Aufsatz ,Ueber das Prinzip des SC Velleianum‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bis zur Habilitation 1840 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Dozentenzeit in Bonn (1840–1847) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Weitere romanistische Anfangswerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ueber den Besitz an Theilen einer zusammengesetzten Sache (1841) . 2. Ueber l. 9 § 3 D. qui potiores (1847) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ueber das Recht des redlichen Besitzers an den Früchten (1847) . . . . . III. Arbeit zum französischen Recht: Zur Lehre des Code Napoléon von der Ungültigkeit der Rechtsgeschäfte (1847) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Professur in Basel (1847–1852) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Weitere Arbeiten zum französischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ueber die Begründung der Servituten durch destination du père de famille (1849) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Lehre des französischen Rechts von der mora (Verzug, demeure) (1849) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Romanistische Arbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Lehre des römischen Rechts von der Voraussetzung (1850) . . . . . . 2. Die Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ueber die Wirkung der erfüllten Potestativbedingung (1852) . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
E. Professur in Greifswald (1852–1857) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 I. Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 II. Romanistische Arbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 1. Die ruhende Erbschaft und die vermögensrechtliche Persönlichkeit (1853) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 2. Die Singularsuccession in Obligationen (1853) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 3. Die Actio des römischen Civilrechts vom Standpunkte des heutigen Rechts (1856) und Die Actio. Abwehr gegen Dr. Theodor Muther (1857) . . . . . . . . . . . . . . . 217 4. Rezension von Friedrich Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht 1853 u. 1855 (1855 u. 1856) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 a) Erste Abtheilung. Die Unmöglichkeit der Leistung in ihrem Einfluß auf obligatorische Verhältnisse, 1853 (1855) . . . . . . . . . . . . . . . . 245 b) Zweite Abtheilung. Die Lehre vom Interesse, 1855 (1855) . . . . . . . . 248 c) Dritte Abtheilung. Die Lehre von der Mora nebst Beiträgen zur Lehre von der Culpa, 1855 (1856) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 F. Professur in München (1857–1871) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 I. Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 II. Kleinere Texte 1857–1871 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 1. Das römische Recht in Deutschland (1858) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 2. Rezensionen 1859–1871 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 a) Schuldrechtliche Themen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 b) Sachenrechtliche Themen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 c) Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 d) Hinweise auf außerdeutsche Arbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 III. Lehrbuch des Pandektenrechts 1862–1871 (und später) . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 G. Professur in Heidelberg (1871–1874) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 H. Professur in Leipzig (1874–1892) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 I. Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 II. Aufsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 1. 1878: ,Zwei Fragen aus der Lehre von der Verpflichtung wegen ungerechtfertigter Bereicherung‘ und ,Wille und Willenserklärung‘ . . . . . . . . 382 a) Zwei Fragen aus der Lehre von der Verpflichtung wegen ungerechtfertigter Bereicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 b) Wille und Willenserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 2. 1892: ,Die indirekte Vermögensleistung‘ und ,Die Voraussetzung‘ . . . . . 391 a) Die indirekte Vermögensleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 b) Die Voraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394
Inhaltsverzeichnis
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3. Teil Grundlinien Bernhard Windscheids A. Rechts- und Methodenverständnis bis 1857 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Windscheids Rechtsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Recht und Idee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Recht als Garant der Gerechtigkeit und zugleich der Sittlichkeit . . . b) Recht und menschliche Freiheit – die Bedeutung des Willens . . . . . 2. Recht und Wirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Recht und die Bedürfnisse des täglichen Lebens . . . . . . . . . . . . . b) Entstehung des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verhältnis von römischem und deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kodifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Rechtssprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Windscheids Selbstverständnis: Recht und Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . III. Autorität des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zu Windscheids Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zweck, Natur der Sache, Prinzip und wahres Wesen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung des Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedeutung des Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Windscheids Richterbild – der gerechte und verständige Richter . . . . . . . . . VI. Praktikabilität Windscheidschen Denkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
408 408 409 409 409 410 411 411 414 414 417 418 418 419 420 420 421 422 425 427
B. Lebensphilosophie und Menschenbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 C. Politische Vorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434
4. Teil Fazit
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Anhang: Genealogische Übersicht der Vorfahren und Nachkommen Bernhard Windscheids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Werkverzeichnis Windscheids (chronologisch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Publikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Andere Druckwerke (Verlautbarungen, Grundrisse) . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Windscheids Manuskripte und Vorlesungsmitschriften Dritter . . . . . aa) Windscheids Manuskripte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis (1) Vorlesungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Lehrbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Bürgerliches Recht nach den Protokollen und dem Entwurf der 1. BGB-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Sonstiges (chronologisch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vorlesungsmitschriften Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Akten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Private Aufzeichnungen ohne Briefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Briefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bernhard Windscheids (chronologisch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) An Bernhard Windscheid (nach Verfasser) . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischen Dritten, soweit nicht in Akten enthalten (chronologisch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Biographische Schriften über Bernhard Windscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rezensionen zu Werken Windscheids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonstige Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
459 460 461 461 462 462 466 466 466 483 485 485 494 494 497 498
Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532
Abkürzungsverzeichnis a. A. Abh., Abhh. Abt. ACCR AcP ADB a. E. AG allerh. amtl. ao. a. u. Aufl. BA BA-Fft/M Bd., Bde Beil. Beitr., Beitrr. BGBl. Biogr. Hdb. BSB C. N. d. DArchI DJZ dt. E. ebd. éd. einschl. evtl. EZA f. f., ff. fl.
anderer Ansicht Abhandlung(en) Abteilung Archiv für das Civil- und Criminal-Recht der Königl. Preuß. Rheinprovinzen Archiv für die civilistische Praxis Allgemeine Deutsche Biographie am Ende Appellationsgericht allerhöchste[r] amtlich[e,s] außerordentlich[er] ab urbe [condita] Auflage Bundesarchiv Bundesarchiv, Außenstelle Frankfurt/Main Band, Bände Beilage Beitrag, Beiträge Bundesgesetzblatt Biographisches Handbuch Bayerische Staatsbibliothek Code Napoléon der/die/das/des etc. Deutsches Archäologisches Institut Deutsche Juristen-Zeitung deutsch(e)(r/s/n) Einwohner ebenda (bezieht sich auf die vorangehende Literaturangabe) édition (= Auflage) einschließlich eventuell Erziehungsakten für folgende [Seite, Ein- und Mehrzahl] Gulden
14 Fn. FS GA Ges., ges. GHA GLA Gruchots Beiträge Grünhuts Zs. GStA [PK] Hdb. HHI Hist. Komm. Hist.-pol. Bll. h. M. HRG Hrsg., hrsg. HStA HUB Hz. i. d. R. IhJbb. IKZ Jb., Jbb. Jur. Fak. JuS JZ Krit.Vjschr. Krit.Zeitschr. KÜdGR LB LdR LG MS-Druck m.w. Nachw. ND NDB N. F. NJW
Abkürzungsverzeichnis Fußnote Festschrift, Festgabe o. ä. Germanistische Abteilung gesammelt(e) Geheimes Hausarchiv (im HStA München) Generallandesarchiv (Karlsruhe) Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begründet von J. A. Gruchot Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart, hrsg. von C. S. Grünhut Geheimes Staatsarchiv [Preußischer Kulturbesitz (Berlin)] Handbuch Heinrich-Heine-Institut (Düsseldorf) Historische Kommission Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland herrschende Meinung Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte Herausgeber, herausgegeben Hauptstaatsarchiv (Dresden/München) Humboldt-Universität Berlin Herzog in der Regel Iherings Jahrbücher, genauer Titel: Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts Internationale kirchliche Zeitschrift Jahrbuch, Jahrbücher Juristische Fakultät Juristische Schulung Juristenzeitung Kritische Vierteljahrsschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Kritische Zeitschrift für die gesammte Rechtswissenschaft Kritische Überschau der deutschen Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Landesbibliothek (ergänzbares) Lexikon des Rechts Landgericht Manuskriptdruck mit weiteren Nachweisen Nachdruck Neue Deutsche Biographie neue Folge Neue Juristische Wochenschrift
Abkürzungsverzeichnis Nlle (Coll.) NUC NW OAG ObLG o. D. öff. OG o. J. OLG o. O. OT p. phil-hist. Kl. PK Preuß. Jbb. r r. RA RE Rechtshist. R. Reg.-Bl. f. d. Kgr. Bayern Rep. Rez. RG RGBl. RG-Bolze RGZ rl. Rn. ROHG ROHGE S. s. SBB-PK SBPK SC Vell. SchulA SDHI
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Nouvelle (Collection) National Union Catalogue Nordrhein-westfälisch(e/s) Oberappellationsgericht Oberstes Landesgericht (Bayern) ohne Datum öffentlich(e/s) Obergericht ohne Jahr Oberlandesgericht ohne Ort Obertribunal page (engl. u. franz.) philosophisch-historische Klasse Preußischer Kulturbesitz Preußische Jahrbücher recto (Vorderseite) rechte(r) Romanistische Abteilung Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft Rechtshistorische Reihe Regierungsblatt für das Königreich Bayern Repertorium Rezension Reichsgericht Reichsgesetzblatt Die Praxis des Reichsgerichts in Civilsachen, bearbeitet von A. Bolze Entscheidungen des Reichsgerichts in Civilsachen, hrsg. von den Mitgliedern des Gerichtshofes Reichstaler Randnummer Reichsoberhandelsgericht Entscheidungen des Reichs-Oberhandelsgerichts, hrsg. von den Räthen des Gerichtshofes Seite siehe Staatsbibliothek Berlin-Preußischer Kulturbesitz Staatsbibliothek preußischer Kulturbesitz Berlin Senatus Consultum Velleianum Schularchiv Studia et documenta historiae et iuris
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1. Teil
Einführung: Würdigungen und Windscheid-Bild nach 1892 Am 26. Oktober 1892 morgens um 2 Uhr1 stirbt in Leipzig im Alter von 75 Jahren und drei Monaten der Ordinarius und erste Professor an der Leipziger Juristenfakultät Geheimrat Dr. Bernhard (von) Windscheid. Schon mit dem Todestag beginnt die Reihe der Würdigungen, die, zunächst in der Form von Nachrufen, später dann in biographischen Reden, Aufsätzen oder größeren Arbeiten, sich um die wissenschaftliche Einordnung dieses bedeutenden Pandektisten und berühmten Rechtslehrers bemühen. Die Nationalzeitung vom 27. Oktober 1892 nennt2 ihn „eine[n] der ausgezeichnetsten und beliebtesten akademischen Lehrer, . . ., der scharfsinnigsten und gedankenreichsten Forscher“ und „eines der maßgebendsten Mitglieder“ der Kommission zur Schaffung eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, der er von ihrer Einsetzung 1874 an bis 1883 „seine Hauptarbeit gewidmet“ habe. Er sei ein „treue[r] Genosse“ der nationalliberalen Partei gewesen und habe „an der Entwickelung des Vaterlandes in nationalem und gemäßigt liberalem Sinne lebhaftes thätiges Interesse“ genommen. Ihn, den geborenen Katholiken, habe die „Abneigung gegen den Ultramontanismus und die neueste Entwicklung der römischen Kirche zu den Altkatholiken geführt.“ Eine Hamburger Tageszeitung3 rühmt „die meisterhafte Construction der Rechtsinstitute und ihre klare, folgerichtige Entwickelung“ in Windscheids Pandektenlehrbuch, durch die jenes Werk von „epochemachender Bedeutung“ „nachhaltige[n] Einfluß auf die Jurisprudenz wie die Justiz“ erlangt habe. So sei Windscheid neben Rudolf v. Ihering der „glänzendste Vertreter des Römischen Rechts“ gewesen, eine Parallele, die sich schon durch die nahe beieinander liegenden Todestage4 beider Juristen aufdrängte und von den meisten späteren Autoren übernommen wurde.
1 Siehe Traueranzeige des Schwiegersohns Dr. Fritz Bendixen und dessen Frau Grete geb. Windscheid Hamburg, 26. Oktober 1892, in einer Hamburger Tageszeitung, Privatbesitz Dr. Trier, Münster. 2 1. Beiblatt zu Nr. 599 unter „Kunst, Wissenschaft und Literatur“. 3 Artikel „y Bernhard Windscheid“ vom 26. oder 27. Oktober 1892 im Privatbesitz Dr. Trier, Münster. 4 Rudolf (seit 1872 von) Ihering, geb. am 22.8.1818, starb am 17.9.1892 in Göttingen.
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1. Teil: Einführung
Damit sind die großen Bereiche, auf die sich eine Betrachtung von Leben und Werk Bernhard Windscheids richten muss, bezeichnet: Es geht um Forschung, Lehre und Einfluss, um seine Schriften und seine Mitarbeit am entstehenden BGB sowie um die Frage nach seiner Haltung zu Politik, Religion und Philosophie. Die Antworten, die darauf gefunden wurden, sind unterschiedlich. Besonders bei der Wiedergabe und Einordnung der früheren Texte ist der Charakter der jeweiligen Würdigung zu beachten. Handelt es sich um einen der zahlreichen Nachrufe der Jahre 1892/93 aus dem In-5 und Ausland6, auf deren „pietätvollparänetischen Ton“ Landsberg hinweist7, um spätere Erinnerungen und Bewertungen aus dem Schüler-8 oder Familienkreis9, eine allgemeine biographische Vorstellung10 oder die Einordnung in die Entwicklung der Rechtsgeschichte11? Zu berücksichtigen ist auch die eigene Position des Verfassers – hier etwa Max Rümelins12 Zugehörigkeit zur Tübinger Schule der Interessenjurisprudenz13 – sowie die Tatsache, dass bis in die jüngere Vergangenheit die ausführlicheren Auseinandersetzungen14 mit Windscheids Leben und Werk im Kern aus den Jahren 193915 und 194216 stammen. Erst seit den achtziger Jahren des letzten Jahr5 Hier sind zu nennen Dove, Rudolf von Ihering und Bernhard Windscheid (1893); Eck, Bernhard Windscheid y (1892) und ders., Zur Feier des Gedächtnisses von B. Windscheid und R. v. Ihering (1893); Kohler, Windscheid (1893), ders., Windscheid und Ihering (1893) und dazu Dreyer, Zu den Urtheilen (1893); Kuntze, Bernhard Windscheid, Leipziger Tageblatt (1892), ders., Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892), und ders., Ihering, Windscheid, Brinz (1893); Landsberg, Bernhard Windscheid, Die Nation (1892), ders., Rudolf v. Ihering und Bernhard Windscheid, Allgemeine Zeitung (1892); Wulfert, Rez. Eck, Zur Feier (1893). 6 Hagerup, Ihering – Windscheid (1893); Leonhard Nachruf (1893); Rivier, Rudolf von Ihering and Bernhard Windscheid (1893). 7 Landsberg, Geschichte, Noten (1910) S. 363 Note 1. 8 R. Schmidt, Bernhard Windscheid (1909), ders., Zu Windscheids hundertjährigem Geburtstag (1917). 9 Paul Oertmann, als Ehemann von Windscheids Tochter Charlotte dessen Schwiegersohn, Windscheids Lebensgang (1904), ders., Windscheid als Jurist (1904) in seiner Ausgabe von B. Windscheids Reden und Abhandlungen; dazu Zirndorfers Rezension in der Frankfurter Zeitung (1905); Käthe Windscheid, Bernhard Windscheids älteste Tochter, Erinnerungen (1928). 10 Landsberg, Windscheid (1898); beschränkt auf Windscheids Heidelberger Zeit Bekker, Vier Pandektisten (1903) S. 187–192 u. 201 f. 11 Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 854–865, Noten S. 361–364. 12 M. Rümelin, Bernhard Windscheid (1907). 13 Siehe dazu Kleinheyer/Schröder, Juristen (2008) S. 530 m. w. Nachw. 14 Hinzuweisen ist aus der „Zwischenzeit“ noch auf die Kurzbiographie von Rosemarie Jahnel (1978) und den ebenfalls nicht umfangreichen aber wertvollen biographischen Artikel Jan Schröders, Bernhard Windscheid, seit 11975, zuletzt 52008. 15 Wolf, Bernhard Windscheid, in: Große Rechtsdenker . . ., 1. Aufl. 1939, 2. Aufl. 1943, zitiert wird, wo nicht anders angegeben, die 4. Aufl. 1963. 16 Wieacker, Bernhard Windscheid, Urfassung 1942, leicht geänderte – wenn nicht anders angegeben die zitierte – Fassung 1959.
1. Teil: Einführung
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hunderts ist eine erneute Diskussion um die Person Windscheids und dessen Leistung lebendig geworden.17 In der Beschreibung von Windscheids Charakterzügen und Anlagen sind sich die früheren Autoren sehr weitgehend einig. Allgemein gelobt wird sein Fleiß, seine Stärke des logischen Denkens, seine Neigung zur gedanklichen Ordnung und Gründlichkeit sowie sein Pflichtgefühl.18 Ebenso unstreitig erscheint sein Mangel an Phantasie und schöpferischer Intuition.19 Sein äußeres Auftreten wirkt ernst, gemessen, würdevoll,20 manchem kühl,21 während andere auf seinen fühlenden Kern, nämlich Milde, Güte, Bescheidenheit, fast Sentimentalität hinweisen.22 Diesen melancholischen oder auch schwermütigen Grundton führen die einen23 auf das väterliche Erbe zurück, während andere24 einen im Laufe der Jahre erlittenen Verlust an „rheinländischem Frohsinn“ vermuten. Ein solcher Charakterzug mag erklären, dass Windscheid als wenig scharf geschnittene, eher 17 Zu nennen sind hier insbesondere die Arbeiten und Artikel von Ulrich Falk, Ein Gelehrter wie Windscheid (1989); ders., Ein Gegensatz principieller Art (1990); ders., Das letzte Wort der deutschen Rechtswissenschaft. Zur Rechtslehre Bernhard Windscheids (1991); ders., Der wahre Jurist und der Jurist als solcher. Zum Gedenken an Bernhard Windscheid (1993); ders., Der Gipfel der Pandektistik, Bernhard Windscheid (1817–1892) (2009); Bernd-Rüdiger Kern, Windscheid, Josef Hubert Bernhard (1998); Bernd Klemann, Sieben kleine Beiträge für eine Windscheid-Biographie (1991); Jürgen Ober, Bernhard Windscheid und die Reinigung des römischen Rechts (1989); Joachim Rückert, Bernhard Windscheid und seine Jurisprudenz „als solche“ im liberalen Rechtsstaat (1817–1892) (1992). 18 Eck, Bernhard Windscheid (1892) S. 186 u. ders., Zur Feier (1893) S. 19, S. 38; Kuntze, Bernhard Windscheid, Leipziger Tageblatt (1892) u. ders., Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1893) S. 675; Leonhard, Nachruf (1893) S. 269 u. S. 272; Landsberg, Bernhard Windscheid, Die Nation (1892) S. 85, ders., Rudolf v. Ihering und Bernhard Windscheid, Allgemeine Zeitung (1892) S. 1 f.; Oertmann, Lebensgang (1904) S. IX; M. Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 9, S. 11 f.; Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 596 u. S. 607; Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 184, S. 189. 19 Ausdrücklich bei Eck, Zur Feier (1893) S. 11 f.; Kohler, Windscheid (1893) S. 57; Bekker, Vier Pandektisten (1903) S. 187; M. Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 12; Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 594; Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 189 f. 20 Eck, Bernhard Windscheid (1892) S. 186 u. ders., Zur Feier (1893) S. 8; Landsberg, Bernhard Windscheid, Die Nation (1892) S. 86, ders., Rudolf v. Ihering und Bernhard Windscheid, Allgemeine Zeitung (1892) S. 2, ders., Geschichte, Noten (1910) S. 362, Note 1; M. Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 9. 21 Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 607, redet von „marmorkühle[r] sittliche[n] und ästhetische[n] Welt“. 22 Kuntze, Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) S. 675; Landsberg, Bernhard Windscheid, Die Nation (1892) S. 86; Oertmann, Lebensgang (1904) S. XIX; Käthe Windscheid, Erinnerungen (1928). 23 Oertmann, Lebensgang (1904) S. IX; Käthe Windscheid, Erinnerungen (1928); Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 595. 24 Landsberg, Geschichte (1910), Noten S. 362, Note 1; Schmidt, Bernhard Windscheid (1909) Sp. 100.
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1. Teil: Einführung
matte und weiche Person erscheinen konnte.25 Sogar, dass er ohne Temperament gewesen sei, wird behauptet,26 aber von anderer Seite mit dem Hinweis darauf, dass sich nicht jede Energieleistung der Umwelt mitteilen müsse, dass es auch ein auf die innere Gedankenwelt gerichtetes Temperament gebe, bestritten.27 Für alle war er jedoch Jurist, genauer „akademischer Civilist“28 durch und durch, nicht mehr und nicht weniger, mit einem unbestechlichen Gerechtigkeitsgefühl29 und in einem Maße, dass andere geistige Interessen (Kunst, Literatur)30 demgegenüber weit in den Hintergrund treten.31 Keine Einigkeit herrscht darüber, inwieweit Rückschlüsse von Charakter und Wesen Windscheids auf dessen Werk – oder umgekehrt – möglich sind. Während Landsberg einen solchen Schluss zunächst für völlig unmöglich hält32 und auch später nur wenig von dieser Meinung abrückt,33 sieht Wieacker in Windscheids Schriften einen „genaue[n] Spiegel des Menschen und des Gelehrten“34, eine Meinung, die, wie sich aus ihrer Art der Darstellung ergibt, andere Autoren ebenfalls teilen und für die auch die größere psychologische Wahrscheinlichkeit spricht. Soweit Windscheids politische Haltung überhaupt erwähnt wird, erscheint er wie viele seiner Professorenkollegen als überzeugter Anhänger der nationalliberalen Partei, der zwar politisch interessiert gewesen, aber nicht – oder höchstens auf lokaler Ebene35 – öffentlich aufgetreten sei.36 Oertmann weist ergänzend da-
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Bekker, Vier Pandektisten (1903) S. 187. Zirndorfer, Rez. Oertmann (1905). 27 Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 190. 28 Landsberg, Bernhard Windscheid, Die Nation (1892) S. 84. 29 Kuntze, Bernhard Windscheid, Leipziger Tageblatt (1892); Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 11: ein objektiver Schiedsrichter „über die gesamte Literatur“. 30 Eck, Bernhard Windscheid y (1892) S. 186 und ders., Zur Feier des Gedächtnisses von B. Windscheid und R. v. Ihering (1893) S. 24 f.; Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 608. 31 Dove, Rudolf von Ihering und Bernhard Windscheid (1893) S. 140; Kuntze, Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) S. 675; Rivier, Rudolf vom Ihering and Bernhard Windscheid (1893) S. 9: „Windscheid’s life was entirely devoted to study.“ 32 Landsberg, Rudolf von Ihering und Bernhard Windscheid, Allgemeine Zeitung (1892) S. 1. 33 Landsberg sieht in Geschichte (1910), Noten S. 362, Note 1 gewisse Parallelen zwischen Charakterentwicklung und Werk. 34 Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 182. 35 So allein Kuntze, Bernhard Windscheid, Leipziger Tageblatt (1892). 36 Oertmann, Lebensgang (1904) S. XIV; Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 598: „keine stärkeren sozialethischen Bindungen . . . als die einer festen Gesetzestreue und ehrlichen Loyalität gegenüber dem angestammten Landesherrn“; dagegen verweist Dove, Rudolf von Ihering und Bernhard Windscheid (1893) S. 149 f., auf Windscheids Engagement bei der Gründung des „Vereins zur Abwehr des Antisemitismus“ 1891 und bei den Sammlungen zu einer Nationalspende für Bismarck 1885. 26
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rauf hin, dass Windscheid schon in seiner Jugend in Düsseldorf auf den Gegensatz von französischer oder preußischer Herrschaft gestoßen sei.37 Wolf dagegen wirft Windscheid mangelndes politisches Verständnis vor: Weder habe er die verfassungspolitischen Mängel des Bismarckreiches erkannt noch hätten „er und seine Freunde“ die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufkommende soziale Frage einer industriellen Massengesellschaft sehen wollen, geschweige denn eine Antwort darauf versucht.38 Damit ist die Frage nach dem Verhältnis von Politik und Recht gestellt. Frühe Autoren betonen Windscheids Patriotismus39 – den Wolf erst in den 60er Jahren beginnen lässt40 –, betrachten seine Behandlung des Rechts, etwa seine Bemühungen um eine deutsche Terminologie, als bedeutende rechtspolitische Leistung41 und bejahen seine scharfe Trennung zwischen wünschenswertem und geltendem Recht.42 Gerade diese Trennung von Rechtspolitik und Rechtswissenschaft, „wonach der Jurist kein Rechtspolitiker sein soll“43, trägt ihm schon von Kohler44, später von Wolf und Wieacker herbe Kritik ein. Er habe aus bürgerlichem Individualismus und Idealismus heraus kein Verständnis für die „soziale Not seiner Zeit“ aufbringen können, einen „Einbruch außerrechtlicher politischer Mächte in den umhegten Bereich des Rechts“ kühl abgelehnt.45 Dies sei eine „beispiellose Verengung des Begriffs vom Recht“. Auch habe die Bindung des Richters an die Wissenschaft und deren Gesetzesauslegung den Richter – wenn auch im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsprechung und damit der Gerechtigkeit im konstitutionellen Staat – „verkümmern“ lassen. Diese Abkehr des Rechtswissenschaftlers von der Rechtspraxis sei jedoch ein Ausdruck der Zeit und des gesellschaftlichen wie politischen Zustandes des Volkes gewesen.46 Fragt man nicht nach Windscheids Stellung gegenüber Gesellschaftsproblemen sondern nach den Grundwerten, die sein Handeln überhaupt bestimmten, so erfährt man zunächst, dass der im katholischen Bekenntnis Herangewachsene47 schon 1847 und auch später „lange eine freie Sonderstellung eingenommen“
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Oertmann, Lebensgang (1904) S. X. Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 596 (zum Bismarckreich) und S. 606 f., S. 614 (soziale Frage, Zitat S. 614). 39 So Eck, Bernhard Windscheid y (1892) S. 186. 40 Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 598. 41 Oertmann, Jurist (1904) S. XXXIV. 42 Leonhard, Ein Nachruf (1893) S. 273. 43 Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 616. 44 Kohler, Windscheid (1893) S. 61. 45 Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 606 f., Zitat S. 607. 46 Diese ganze Argumentation bei Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 193. 47 Landsberg, Bernhard Windscheid, Die Nation (1892) S. 86; Kuntze, Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) S. 676. 38
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1. Teil: Einführung
habe.48 In ihren Anfängen habe er sich der Altkatholikenbewegung angeschlossen, sei dabei auch zum einzigen Mal außerberuflich öffentlich hervorgetreten.49 1890 sei er dann noch zum Protestantismus übergetreten,50 nach Oertmann „weil [dieser] seiner ethisch-religiösen Weltanschauung und der Forderung freier wissenschaftlicher Forschung am meisten entsprach“.51 Eine andere Deutung dieser Entwicklung versuchen nur noch Kuntze und Wolf. Kuntze meint, dem nach dem Höheren „redlich Suchende[n]“ sei durch sein ausgeprägt juristisch-logisches Denken „die reine Sprache des Herzens“ schwer gefallen.52 Deutlicher und weitergehend nennt Wolf ihn einen „Bekenner reinen Wissenschaftsglaubens“,53 dessen Übertritt zu einem „sittlich strengen aber glaubensarmen Kulturprotestantismus“ nicht Ausdruck eines positiven Bekenntnisses sondern eines „Nicht-mehrglauben-Können[s]“ gewesen sei.54 Dieser Wissenschaftsglaube habe zu einem „Ethos reiner Gewissenhaftigkeit“ und seine „Gläubigkeit an abstrakt-formale Lebenswerte“ wie Persönlichkeit, Sittlichkeit oder Gewissen zu einer „individualistischen Grundauffassung von der Bestimmung des Menschen“ geführt, die „sein Rechtsbild weithin geformt“ habe.55 Angesichts dieses „religiöse[n] Liberalismus“ 56 wäre zu vermuten, dass Windscheid in der philosophischen Wissenschaft Maximen seines Lebens suchte und vielleicht auch fand. Dazu sagte jedoch Landsberg schon 1892: „Windscheid treibt keine Philosophie, insofern man unter Philosophie versteht das Aufsuchen allgemeiner Grundbegriffe, auf welchen die Grundbegriffe der einzelnen Wissenschaft erst beruhen.“ 57 Dem widersprach bis heute niemand, allenfalls eine Beschäftigung mit dem Ideal oder der Idee des Rechts wird ihm von manchen Autoren zugestanden: Leonhard und Bekker58 sehen in Windscheids Bemühungen um die Erarbeitung von „Grundbegriffen des Systems“ eine Annäherung an das Naturrecht des 48 Siehe Oertmann, Lebensgang (1904) S. XII zu Windscheids Berufung zum außerordentlichen Professor 1847 und ebda. S. XIX und Landsberg, Geschichte (1910), Noten, S. 362 Note 1 (Zitat). 49 Landsberg, Windscheid (1898) S. 423. 50 Oertmann, Lebensgang (1904) S. XIX; Landsberg, Geschichte (1910), Noten, S. 362 Note 1; Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 598. 51 Oertmann, Lebensgang (1904) S. XIX. 52 Kuntze, Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) S. 676. 53 Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 594. 54 Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 598; ähnlich Dove, Rudolf von Ihering und Bernhard Windscheid (1893) S. 151. 55 Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 618. 56 Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 598. 57 Landsberg, Rudolf v. Ihering und Bernhard Windscheid, Allgemeine Zeitung (1892) S. 3. 58 Leonhard, Nachruf (1893) S. 276 (auch Zitate); Bekker, Vier Pandektisten (1903) S. 188: wie Savigny.
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18. Jahrhunderts in der „Überzeugung von dem Dasein ewiger Rechtsbegriffe“. Auch Wieacker zählt Windscheid unter die „Erben des Naturrechts“ 59, während Oertmann, Wolf und Schröder dem widersprechen: Windscheids Begriffsjurisprudenz habe mit „Naturrechtelei“ nichts zu tun, weil sein Bewusstsein von der „geschichtlichen Beschränktheit alles Seienden“ ihn „vor dem Glauben an ein inhaltlich unveränderliches Rechtsideal“ schütze.60 Oder: Windscheid kenne zwar ein Rechtsideal, das sei aber per se unerreichbar. Damit leugne er ein „inhaltliches“ Naturrecht und wende sich gerade ab von der katholischen Tradition wie von der des 18. Jahrhunderts.61 Rümelin vollends sieht bei Windscheids Rechtsgeschäftslehre lediglich „juristische Hausphilosophie“, keine „eingehende Behandlung rechtsphilosophischer Probleme“.62 Auch für Wolf ist Windscheids Zeit – eine Zeit „geistiger Ermüdung“ – zu einer neuen „materialen Rechtstheorie“ unfähig. Für sie gälten lediglich die von Feuerbach herrührenden „formalen Grundwerte“: „Gesetz und System“.63 Damit umschreibt er genauso wie nach ihm Wieacker und Schröder Windscheids materielle Rechtsanschauung als die des „dogmatischen Positivismus“, für den letzte Instanz nicht – nach Wieacker – eine materiale Rechtsidee, sondern „durch gedankliche Operation gewonnene Begriffe“ seien.64 Anders als Wieacker findet Wolf bei Windscheid jedoch gleichzeitig nicht nur einen idealistischen Persönlichkeits- und Freiheitsbegriff,65 sondern sieht ihn überhaupt als Vertreter eines irrealen, „schon ideologisch erstarrten, zur Konstruktion neigenden Spätidealismus“,66 den er so beschreibt: Ohne sich über das Wesen des Rechts tiefere Gedanken gemacht zu haben, sei für Windscheid die Billigkeit, verstanden als objektive Gleichheit, das Rechtsideal, als dessen höchster Wert eine antik = christlich-abendländisch-deutsche Kultur zu denken sei.67 Die menschliche Rechtsordnung habe dabei in thomistischer Überlieferung und nach den Vorstellungen des Neuhumanismus die Aufgabe einer „Mittlerin zwischen bloßer Naturordnung und höherer Religions- und Sittenordnung“, und die Rechtswissenschaft fungiere als „Priesterin des Rechts“ 68. Dies sei ein „auf idealistischer und christlicher Grundlage ruhendes Bild der Rechtswissenschaft als Dienerin der gött-
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Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 188. Oertmann, Jurist (1904) S. XXXV. 61 Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 604. 62 Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 17. 63 Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 592. 64 Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 187 u. S. 190 f. (auch Zitat); ähnlich Schröder, Bernhard Windscheid (2008) S. 461 f. 65 Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 183. 66 Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 597. 67 Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 597 u. S. 605. 68 Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 603. 60
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1. Teil: Einführung
lichen Weltordnung“, das Windscheid geradezu zur „Heiligung“ der Jurisprudenz veranlasse.69 Zu diesen – auch in ihrer Zeitgeistbezogenheit – bedenkenswerten Darlegungen passt sehr gut, dass Eck und Rümelin Windscheids Vortrag als von einem „heilige[n] Ernst“ getragen beschreiben.70 Diese Seite von Windscheids Beruf, das Halten von akademischen Vorlesungen und Vorträgen, ist den zeitgenössischen Autoren – die anderen erwähnen sie überhaupt nicht – von unterschiedlicher Wichtigkeit. Kuntze, Dove, Eck und Leonhard71 weisen darauf hin, dass Windscheid seine Hörer regelmäßig intellektuell überfordert habe. Doch während sich Leonhard mit dieser Aussage begnügt, nennt Eck als Ziel von Windscheids „mehr tief[en] als lebendig[en]“ Rede, seine Hörer „innerlich zu überzeugen“,72 und Kuntze betont die große erzieherische Wirkung des packenden Vortrags dieses „Meister[s] des plastischen Gedankens“, den er als Nachfolger Savignys betrachtet.73 Weniger euphorisch nennt Rümelin Windscheids Vortrag nur einfach und sachlich. Er habe an einem Mangel an Humor gelitten, jedoch durch „Klarheit und Konsequenz seines Gedankengangs, das Ethos, de[n] heilige[n] sittliche[n] Ernst und die hohe Auffassung des Juristenberufs“ gewirkt.74 Rivier, Windscheids Tochter Käthe und Windscheids Schwiegersohn Paul Oertmann berichten nicht nur, dass für Windscheid die Lehrtätigkeit seine wichtigste Beschäftigung gewesen sei,75 sondern die beiden letzteren behaupten auch, dass in der Lehre Windscheids „größte Kraft“ gelegen habe. Den „im Banne seiner Persönlichkeit“ 76 stehenden Zuhörern habe er „mit fesselnder Lebendigkeit . . . die Schätze der Wissenschaft zu heben“ 77 gewusst. Das passt schlecht zu Landsbergs Beschreibung, wonach in Leipzig Windscheids „helle dünne Stim-
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Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 604. Eck, Bernhard Windscheid y (1892) S. 186 (Zitat); Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 15; ähnlich Kuntze, Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) 675: W. wollte „erleuchten“. 71 Kuntze, Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) S. 674; Dove, Rudolf von Ihering und Bernhard Windscheid (1893) S. 150; Eck, Bernhard Windscheid y (1892) 186; Leonhard, Nachruf (1893) S. 278. 72 Eck, Zur Feier des Gedächtnisses von B. Windscheid und R. v. Ihering (1893) S. 15. 73 Kuntze, Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) S. 673 f. (Zitat S. 674); in die gleiche Richtung geht Doves Aussage, Rudolf von Ihering und Bernhard Windscheid (1893) S. 151, dass mancher Hörer in Windscheids Pandektenvorlesung zum „Juristen“ geworden sei. 74 Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 14 f. (Zitat S. 15). 75 Rivier, Rudolf von Ihering and Bernhard Windscheid (1893) S. 9: „His lectures were his main business.“ 76 Käthe Windscheid, Erinnerungen (1928). 77 Oertmann, Lebensgang (1904) S. XV und erstes Zitat S. XVI, ähnlich ders., Jurist (1904) S. XXVI f. 70
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me“ „nur mühsam den Raum“ beherrscht und er den Eindruck einer „gewissen müden Abgespanntheit“ gemacht habe.78 Auch die andere Seite von Windscheids Tätigkeit, die schriftstellerische Leistung, wird von den Autoren recht kontrovers diskutiert. Dabei geht es fast ausschließlich um die drei Werke, die schon Oertmann79 die drei Etappen auf Windscheids Weg als Schriftsteller genannt hat: um seine „Lehre von der Voraussetzung“ 80, die „Actio im römischen Civilrecht“ 81 sowie sein großes „Lehrbuch des Pandektenrechts“ 82. Deshalb soll sich auch die Darstellung in diesem einleitenden Teil auf sie beschränken. Über Windscheids Lehre von der Voraussetzung sind sich die frühen Nekrologe bis auf eine Ausnahme einig: Windscheid, dessen Stärke sowieso nicht in der Praxis gelegen habe,83 habe hier ein künstliches Mittelglied zwischen Bedingung und Beweggrund geschaffen, das vielleicht auf einem im Prinzip richtigen Schluss beruhe, aber praktisch unanwendbar und unannehmbar sei.84 Nur Kohler hält diesen Gedanken Windscheids „für einen besonders treffenden und fruchtbaren“.85 Spätere Autoren halten an der mangelnden Praktikabilität fest,86 heben jedoch dadurch, dass sie Windscheids Leistung in Beziehung zur Zeit der Entstehung oder der Beurteilung setzen, auch deren Verdienste hervor: Landsberg meint, mit seiner „Voraussetzung“ habe Windscheid eine „kräftig neuernde Richtung“ vertreten,87 und Oertmann lobt die „Originalität des Leitgedankens“, der trotz psychologischer Richtigkeit wegen seiner individual-psychologischen Grundlage leider „dem derlei Feinheiten zugunsten des derberen teleologischen Mo78
Landsberg, Bernhard Windscheid, Die Nation (1892) S. 85. Oertmann, Jurist (1904) S. XXII. 80 Windscheid, Die Lehre des römischen Rechts von der Voraussetzung, Düsseldorf 1850. 81 Windscheid, Die Actio des römischen Civilrechts, vom Standpunkte des heutigen Rechts, Düsseldorf 1856, und ders., Die Actio. Abwehr gegen Dr. Theodor Muther, Düsseldorf 1857. 82 Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 3 Bände, 1. Aufl. Düsseldorf 1862/ 70, 7. Aufl. Düsseldorf 1891, 8. und 9. Auflage bearbeitet von Theodor Kipp, 1900/01 bzw. 1906. 83 Eck, Zur Feier des Gedächtnisses von B. Windscheid und R. v. Ihering (1893) S. 12. 84 Eck, Zur Feier des Gedächtnisses von B. Windscheid und R. v. Ihering (1893) S. 12; Dreyer, Zu den Urtheilen (1893) S. 195 f.; Kuntze, Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) S. 677–679; nicht dazu passt Ecks Satz in Bernhard Windscheid y (1892) S. 185: „Sie (die Voraussetzung) wurde in der Theorie als unpractisch bekämpft, doch die Praxis hat sich vielfach mit ihr geholfen.“ 85 Kohler, Windscheid (1893) S. 55. 86 Landsberg, Windscheid (1898) S. 423; Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 855; Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 4. 87 Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 855; ähnlich auch Kuntze, Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) S. 677. 79
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mentes zurückstellenden Empfinden der lebenden Juristengeneration wenig adäquat“ sei.88 Diese Argumentation aus der Zeit heraus setzt sich auch bei Wolf und Wieacker fort. Wolf nennt die „Voraussetzung“ das beste Beispiel für Windscheids neue Methode der „Konstruktion“: er habe diesen Begriff als „reine Gedankenkonstruktion erfunden“ und in sein System eingebaut.89 Zugleich zeige sich in diesem Begriff eine „neue Grundauffassung vom Wesen des Privatrechts“: Der Mensch werde nur noch als „reines Willenssubjekt“, losgelöst von allen „natürlichen und sozialen Bedingtheiten“ gesehen. So entstehe, durch Trennung der Rechtsbegriffe von ihrer empirischen Grundlage, ein „abstrakte[r] Individualismus“. Für Wieacker, aus dessen Wertung zugleich die Anschauung seiner Zeit zu spüren ist, ist diese „absolute Willensherrschaft“ ein „lebensfeindliches Dogma“, durch das Windscheid auf eine nur „scheinbar lebensnahe Formel“ geführt worden sei.90 Diese Lebensnähe sieht er in der engen Beziehung zwischen „Voraussetzung“ und der in der Inflationszeit fruchtbar gemachten Lehre von der Geschäftsgrundlage. Auf sie und ihre ursprünglich rein individualpsychologische Herleitung stützt schließlich Schröder seine Ansicht, die „Erfindung“ der „Voraussetzung“ habe sich als praktisch noch bedeutsamer erwiesen als jene des „Anspruchs“.91 Auch Windscheids Beschäftigung mit dem Wesen der römischen actio und ihre Überleitung in den materiellrechtlichen Anspruchsbegriff haben von Beginn an sehr unterschiedliche Kommentare erfahren: Von den Nekrologen hält allein Kohler diese Lehre kurz und knapp für „glücklich und fruchtbar“.92 Eck nennt die Arbeit zwar eine der wertvollsten Windscheids,93 kritisiert aber eine unrichtige Auffassung des Verhältnisses von materiellem Recht und formula im klassischen römischen Recht.94 Kuntze ist mit dem Begriff ebenfalls nicht recht zufrieden. Er sei nur dann geeignet, „manche Lehre [zu] vereinfachen“, wenn man seine übergroße Weite auf den Bereich einer aktuellen Verpflichtung des (Anspruchs-)schuldners zu irgendeiner Leistung reduziere.95 Außerdem sei die historische Darlegung von „actio“ wie „cessio“ mit Mängeln behaftet.96 Auch im weiteren Verlauf der Rechtsgeschichte ist die Bewertung des Anspruchsbegriffs keine einheitlich positive gewesen. Für Landsberg ist die „Actio“ ebenfalls eine 88
Oertmann, Jurist (1904) S. XXII (1. Zitat) und XXIII (2. Zitat). Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 599 f., dort auch die Zitate der folgenden Passage. 90 Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 183. 91 Schröder, Bernhard Windscheid (2008) S. 461. 92 Kohler, Windscheid (1893) S. 55. 93 Eck, Zur Feier des Gedächtnisses von B. Windscheid und R. v. Ihering (1893) S. 23, neben „Die Wirkung der erfüllten Bedingung“ (1851). 94 Eck, Bernhard Windscheid y (1892) S. 185. 95 Kuntze, Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) S. 680. 96 Kuntze, Ihering, Windscheid, Brinz (1893) S. 29. 89
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der wichtigsten Monographien Windscheids.97 Er erkennt auch wie alle Späteren an, dass sich der „Anspruch“ allgemein durchgesetzt hat.98 Aber er relativiert Windscheids Leistung dadurch, dass er Parallelen zu Forderungen Rudolf v. Iherings und Karl Friedrich Wilhelm Gerbers sieht,99 diesen Begriff wie auch den der Voraussetzung nur als „systematisch wünschenswerte[s] Ergänzungsstück“ für Windscheids Privatrechtssystem und damit beide Werke als „Vorstudien“ zum Lehrbuch betrachtet100 und schließlich als Haupterfolg nicht den Anspruchsbegriff sondern die Anerkennung der Forderungsabtretung nennt.101 Damit widerspricht er Oertmann, der die Leitidee der Trennung von Anspruch, der das Recht verleiht, und Klage, die das Recht durchsetzt, für das Wesentliche hält, im übrigen die Monographie „eine der nach Form und Inhalt hervorragendsten Erscheinungen der modernen Rechtswissenschaft überhaupt“ nennt, die „ihren Autor recht eigentlich zum berühmten Manne gemacht“ habe.102 Bei diesem Lob ist zu berücksichtigen, dass Bekker ein Jahr zuvor Windscheid vorgeworfen hat, dass es ihm „trotz aller aufgewandten Mühe“ nicht gelungen sei, diesen wie andere Gedanken „in feste Form zu gießen“.103 Wolf, Wieacker und Schröder sind sich über die große Bedeutung dieser Monographie, die den Anspruchsbegriff zu einem der „Zentralbegriffe der gegenwärtigen Zivilrechtsdogmatik“ 104 mit Auswirkungen ins Strafrecht, Prozessrecht und das öffentliche Recht gemacht hat, einig. Aber bei der Bewertung zögern auch sie. Wolf betont, wie sich auch in diesem Werk die „positivistische Grundanschauung“ der Zeit, die das Gesetz über den Richter stelle, sowie die „formale Individualisierung des Privatrechtsgedankens“, die jedes Recht einem Subjekt als Willensmachtträger zuordne, zeige,105 ohne diese Entwicklung zu loben. Wieacker sagt klar, dass mit der durch den „Anspruch“ herbeigeführten „systematische[n] Autonomie des Zivilprozessrechts im Verhältnis zum Zivilrecht“ „schwer auflösbare Antinomia“ in das Privatrecht getragen worden seien.106 Daneben betont er die Bedeutung dieser Schrift für die Geschichte der Pandektenwissenschaft. Sie bezeichne „die Abkehr [dieser Wissenschaft] von ihrem eigenen historischen Programm, indem sie . . . neue Begriffsgebilde souverän hervorbrachte“.107 Die sich daraus ergebende freiere Be-
97 Landsberg, Windscheid (1898) S. 423, ebenfalls zusammen mit der „Wirkung der erfüllten Bedingung“ (1851). 98 Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 855. 99 Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 856. 100 Landsberg, Windscheid (1898) S. 423 f. 101 Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 855. 102 Oertmann, Jurist (1904) S. XXIV. 103 Bekker, Vier Pandektisten (1903) S. 188. 104 Schröder, Bernhard Windscheid (2008) S. 461. 105 Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 601. 106 Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 183 f. 107 Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 184.
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handlung der römischen Quellen erwähnen Wieacker wie Schröder,108 ohne daran weitere Werturteile zu knüpfen. Diese finden sich dagegen wieder in reichem Maße bei der Beurteilung von Windscheids umfänglichstem Werk, seinem „Lehrbuch des Pandektenrechts“. Nahezu alle Autoren halten dieses Lehrbuch nicht nur für Windscheids größtes, sondern auch für sein wichtigstes Werk.109 Für Bekker und Wieacker ist es sogar ein Werk, das so nur von Windscheid und nur in dieser Zeit (1862–1891) geschrieben werden konnte.110 Absprechend äußerten sich darüber nur Wolf und Kohler. Wolf dient es als Beispiel für ein zähes Festhalten an überholten Lehrsätzen und damit ein Verkennen der Zeichen der Zeit (soziale Frage).111 Damit setzt er die Kritik Kohlers fort, für den sich dieses Buch auf Windscheids Wirken verhängnisvoll ausgewirkt hat. Eine „Sehnsucht nach Ebenmaß und Harmonie“ habe ein Austrocknen aller neuen Ideen bewirkt.112 Dadurch stelle es sich als lebensfremd und veraltet dar, ein „Herbarium“ mit „antiseptischen Ingredienzien“ und mit dem Lehrbuch des „größte[n] Pandektiste[n] unserer Zeit, Heinrich Dernburg“ gar nicht zu vergleichen.113 Diese Art, ein Denkmal der Zeit vom Sockel zu stürzen, hat Landsberg als „merkwürdig unbillig, hochfahrend und verletzend“ 114 bezeichnet, und auch Dreyer, Wulfert, Dove und Eck115 nehmen Windscheid gegen Kohler in Schutz. Dennoch bleibt die Tendenz von Windscheids Hauptwerk ein wesentlicher Diskussionspunkt. Dabei wird zunächst festgestellt, dass Windscheid unter Aufbietung seiner ganzen Kraft116 das romanistische Denken der Zeit aufgearbeitet,117 durch-
108 Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 184; Schröder, Bernhard Windscheid (2008) S. 461. 109 Kuntze, Bernhard Windscheid, Leipziger Tageblatt (1892) und ders., Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) S. 681 f.; Dove, Rudolf von Ihering und Bernhard Windscheid (1893) S. 140; Eck, Bernhard Windscheid y (1892) S. 185; Leonhard, Ein Nachruf (1893) S. 282; Landsberg, Bernhard Windscheid, Die Nation (1892) S. 85; Landsberg, Rudolf v. Ihering und Bernhard Windscheid., Allgemeine Zeitung (1892) S. 3; Landsberg, Windscheid (1898) S. 424; Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 857; Rivier, Rudolf von Ihering and Bernhard Windscheid (1893) S. 10; Oertmann, Lebensgang (1904) S. XIII; Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 6 u. S. 35. 110 Bekker, Vier Pandektisten (1903) S. 188 f.; Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 184 u. S. 189. 111 Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 614. 112 Kohler, Windscheid (1893) S. 56. 113 Kohler, Windscheid (1893) S. 58–60; in gemäßigterer Form stellt auch Dove, Rudolf von Ihering und Bernhard Windscheid (1893) S. 143, Dernburgs Lehrbuch über das Windscheid’sche. 114 Landsberg, Geschichte (1910), Noten S. 363, Note 1. 115 Dreyer, Zu den Urtheilen (1893), bes. S. 195; Wulfert, Rez. Eck, Zur Feier (1893) S. 519; Dove, Rudolf von Ihering und Bernhard Windscheid (1893) S. 138 Fn. 1; Ecks Vortrag Zur Feier des Gedächtnisses . . . (1893) wurde erst nach der Veröffentlichung von Kohlers Angriffen als Reaktion auf diese publiziert, s. dort Vorwort, S. 3 f.
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dacht118 und in ein logisches System119 zu bringen versucht hat mit dem Ziel, das noch Zeitgemäße des römischen Rechts herauszuarbeiten120 und – etwa durch Übertragung in deutsche Fachbegriffe121 – für das deutsche Recht und die Praxis fruchtbar zu machen.122 Die dieser Feststellung folgende Bewertung fällt nun völlig unterschiedlich aus. Kuntze nennt das geschilderte Phänomen „eine durchgreifende Reform der Rechtswissenschaft“ und stellt Windscheids Pandektenwerk zusammen mit dem von Alois Brinz über alle anderen Resultate der „neueren historischen Forschung“.123 Für Landsberg hat Windscheid zwar dieser gewaltigen nicht nur kompilierenden, sondern eigenständig systematisierenden Arbeit124 zusammen mit einem Teil seines Lebens auch seine ganze Schöpferkraft geopfert125 – überhaupt seien Windscheids Neuschöpfungen nur Versuche,
116 Dies erwähnen Kuntze, Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) S. 681; Eck, Zur Feier des Gedächtnisses von B. Windscheid und R. v. Ihering (1893) S. 21; Landsberg, Rudolf von Ihering und Bernhard Windscheid, Allgemeine Zeitung (1892) S. 3. 117 Auf die überragende Vollständigkeit der Literaturverwertung weisen hin Kuntze, Bernhard Windscheid, Leipziger Tageblatt (1892); Eck, Bernhard Windscheid y (1892) S. 185; Kohler, Windscheid (1893) S. 63; bes. Leonhard, Nachruf (1893) S. 270 f.; Dove, Rudolf von Ihering und Bernhard Windscheid (1893) S. 139 f.; Landsberg, Rudolf von Ihering und Bernhard Windscheid, Allgemeine Zeitung (1892) S. 3; Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 857; Bekker, Vier Pandektisten (1903) S. 188 f.; Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 186; Schröder, Bernhard Windscheid (2008) S. 460. 118 Kuntze, Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) S. 681, rühmt Windscheids „phantasievoll schaffende[n] Geist“; ähnlich Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 858 f. 119 Nüchtern Leonhard, Nachruf (1893) S. 270 f.: W. verwendete das „überlieferte System“; dagegen sehen gerade im System seine Stärke Landsberg, Bernhard Windscheid, Die Nation (1892) S. 85, ders., Windscheid (1898) S. 424; ders., Geschichte (1910), Text S. 858–860; Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 188; hervorgehoben auch bei Kuntze, Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) S. 681. 120 Kuntze Bernhard Windscheid, Leipziger Tageblatt (1892); ders., Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) S. 682 f.; ders., Ihering, Windscheid, Brinz (1893) S. 28 f.; Eck Zur Feier des Gedächtnisses von B. Windscheid und R. v. Ihering (1893) S. 18 f.; auch hier nüchterner Leonhard Nachruf (1893) S. 283: „eigenartige, meist unbewußte Verschmelzung römischer und nachrömischer Gedanken“. 121 Dazu s. Kuntze, Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) S. 683; dagegen Leonhard, Ein Nachruf (1893) S. 270 f.: W. habe die „allbekannte Ausdrucksweise“ verwendet, und S. 279: sich an die „üblich gewordene Redeweise“ angepasst. 122 Den Bezug zur Praxis betonen Landsberg, Bernhard Windscheid, Die Nation (1892) S. 85; Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 858 f.; Kuntze, Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) S. 682; Rivier, Rudolf von Ihering and Bernhard Windscheid (1893) S. 10; Bekker, Vier Pandektisten (1903) S. 188 f.; Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 186; Schröder, Bernhard Windscheid (2008) S. 460 f. 123 Kuntze, Ihering, Windscheid, Brinz (1893) S. 28 f. 124 Landsberg, Windscheid (1898) 424; Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 859 f. 125 Landsberg, Rudolf v. Ihering und Bernhard Windscheid, Allgemeine Zeitung (1892) S. 3.
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systematische Lücken zu schließen126 – dennoch aber sei sein Werk jedem wahren Fortschritt gegenüber offen geblieben.127 Andere finden bei Windscheid das überlieferte – wenn auch sorgfältig von allen Widersprüchen gesäuberte – System128, eine überbordende Flut von Literaturhinweisen129 und eine Vielzahl veralteter römischer Rechtsinstitute und nennen das Ganze konservativ.130 Dagegen wehrt sich Oertmann: Man könne ein Werk nicht als „konservativ“ bezeichnen nur deshalb, weil es, als dogmatische Darstellung des Seienden, das „Seinsollende“ nicht bringe.131 Dass es dagegen Windscheid gelungen sei, das Pandektenrecht – wenn vielleicht auch nicht für das zukünftige, so doch für das geltende deutsche Recht – dadurch fruchtbar zu machen, dass er den zuvor bestehenden Graben zwischen wissenschaftlicher Theorie und gerichtlicher Praxis mit seinem Buch habe schließen können, wird verbreitet zugestanden.132 Dabei bleiben Ausmaß und Effekt dieser Verbindung umstritten. Einerseits wird behauptet, Windscheid habe Literatur und Rechtsprechung gleichermaßen berücksichtigt,133 und in dieser neuen Einheit der beiden Zweige der Jurisprudenz liege gerade die Reform.134 Andererseits werden die Urteilszitate in Windscheids Lehrbuch als von eher untergeordneter Bedeutung und nicht wirklich verarbeitet bezeichnet135 und in der Bemühung um Verwendbarkeit in der Praxis nur eine „Anpassung an die üblich gewordene Redeweise“ und „eine eigenartige, meist unbewusste Verschmelzung römischer und nachrömischer Gedanken“ gesehen.136 Auch hinsichtlich der Eignung des Werks für die Lehre besteht keine Einigkeit. Die einen meinen, wegen der durch das einheitliche System erzwungenen sehr abstrakten Ausdrucksweise und der Fülle der Literaturangaben überfordere 126 Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 860 und bes. ders., Windscheid (1898) S. 423 f. 127 Landsberg, Bernhard Windscheid, Die Nation (1892) S. 85; ähnlich ders., Geschichte (1910), Text S. 859. 128 Leonhard, Nachruf (1893) S. 270 f. u. S. 279. 129 Eck, Bernhard Windscheid y (1892) S. 185: spätere Auflagen v. a. Nachschlagewerk; Kuntze, Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) S. 682: „Massenhaftigkeit des Notenstoffs“; Leonhard, Nachruf (1893) S. 271: „Sammelplatz“. 130 Eck, Zur Feier des Gedächtnisses von B. Windscheid und R. v. Ihering (1893) S. 18; ähnlich Schröder, Bernhard Windscheid (2008) S. 461: „Im wesentlichen rückwärtsgewandtes Zivilrechtssystem.“ 131 Oertmann, Jurist (1904) S. XXXI. 132 Besonders Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 858; aber auch Kuntze, Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) S. 681; Kuntze, Bernhard Windscheid, Leipziger Tageblatt (1892); Rivier, Rudolf von Ihering and Bernhard Windscheid (1893) S. 10; Bekker, Vier Pandektisten (1903) S. 188 f.; Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 186; Schröder, Bernhard Windscheid (2008) S. 460 f. 133 Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 859. 134 Kuntze, Ihering, Windscheid, Brinz (1893) S. 28 f. 135 Bekker, Vier Pandektisten (1903) S. 188 f.; Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 193. 136 Leonhard, Nachruf (1893) S. 279 (1. Zitat) u. S. 283 (2. Zitat).
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es den Studenten, sei eher eine Anregung für den ausgebildeten Gelehrten und ein Nachschlagewerk für Wissenschaft und Praxis als ein Lehrbuch.137 Andere weisen auf die Zuverlässigkeit und durch ihre Abstraktheit Allgemeingültigkeit der Aussagen des Werkes hin und meinen, dass es dadurch nicht nur bei akademischen Übungen unentbehrlich sei138 sondern auch den Studenten mehr gebe139 als die konkurrierenden, vielleicht geistvolleren, schöpferischeren und den Verstand weniger fordernden,140 aber auch unvollständigeren Werke. Neben Windscheids Bedeutung als Schriftsteller ist natürlich auch sein Gewicht als „Gesetzgeber“, d.h. seine Mitarbeit am und der Einfluss seines Lehrbuches auf die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches Gegenstand der Betrachtung. Landsberg berichtet, dass für Windscheid, der schon in den 60er Jahren ein allgemeines deutsches Gesetzbuch gefordert habe, das BGB die Erfüllung eines Jugendtraumes gewesen sei,141 und weist darauf hin, dass er dadurch „dem Eingriffe der Gesetzgebung maßgebend“ vorgearbeitet habe, dass er „die Unmöglichkeit, auf rein wissenschaftlichem Wege zur Rechtssicherheit zu gelangen,“ 142 aufzeigte. Dagegen meint Rümelin, Windscheid sei, da es keine theoretische Äußerung über Gesetzgebungstechnik von ihm gebe und wegen seiner Vorstellung von den Aufgaben eines Juristen, nicht hervorragend zum Gesetzgeber geeignet gewesen.143 Sein persönlicher Einfluss als Mitglied der 1. Kommission – besonders auf das Obligationenrecht 144 – wird für mehr oder minder groß gehalten, die Palette reicht von „wohl sehr wirkungsvoll“ 145 und „alle Mitglieder der Kommission standen unter seinem zwingenden Einfluss“ 146 bis „schwerlich bestimmend und überragend“ 147. Für alle Autoren war der Einfluss des Lehrbuchs auf das Denken der Kommissionsmitglieder und den Geist148, das System149 sowie die 137 Kuntze, Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) S. 682; Eck, Bernhard Windscheid y (1892) S. 185; Landsberg, Bernhard Windscheid, Die Nation (1892) S. 85. 138 Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 5 f. u. S. 35. 139 Dove, Rudolf von Ihering und Bernhard Windscheid (1893) S. 142: Hauptwert des Werkes, „daß es uns juristisch denken gelehrt hat“; Bekker, Vier Pandektisten (1903) S. 188 f. 140 Neben Bekker (s. vorige Fn.) Landsberg, Bernhard Windscheid, Die Nation (1892) S. 85; Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 5; Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 185. 141 Landsberg, Bernhard Windscheid, Die Nation (1892) S. 85 f. 142 Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 861. 143 Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 18 und S. 21. 144 Eck, Zur Feier des Gedächtnisses von B. Windscheid und R. v. Ihering (1893) S. 39; Landsberg, Rudolf v. Ihering und Bernhard Windscheid, Allgemeine Zeitung (1892) S. 4. 145 Schröder, Bernhard Windscheid (2008) S. 460. 146 Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 613. 147 Oertmann, Jurist (1904) S. XXVII. 148 Kuntze, Bernhard Windscheid, Leipziger Tageblatt (1892); Kohler, Windscheid (1893) S. 62; Landsberg, Bernhard Windscheid, Die Nation (1892) S. 86; ders., Rudolf
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Sprache150 des Gesetzes wichtiger und bedeutender als der von Windscheids Person. Besonders der beherrschenden Stellung dieses Lehrbuchs sei es zuzuschreiben, dass vornehmlich der 1. Entwurf, aber auch das endgültige Gesetz weniger dem Inhalt als der Form nach ein „kleiner Windscheid“ zu nennen sei.151 So verwundert es nicht, dass die Kritik am Gesetz auf weite Strecken der am Lehrbuch gleicht. Die „sorgsame und klare Aufzeichnung des geltenden Rechts“ könne nicht genügen, es fehle die „schöpferische Kraft und praktischer Takt“ 152. Die Sätze seien zu lang, die Distinktionen scholastisch, die Sprache entweder „ausgetrocknet und abstrakt“ 153 oder zwar als neue „deutsche Kunstsprache des Rechts“ beachtenswert, für ein Gesetz aber unangemessen, da nicht „einfach und durchsichtig“ genug, und damit unpopulär.154 Außerdem sei die „Übersetzung“ dieses Lehrbuchs in Gesetzesform nicht gelungen,155 das Gesetz daher übertrieben lehrhaft und doktrinär,156 für manche auch zu einseitig romanistisch.157 Diese Bewertung bringt manche Autoren dahin, Windscheids Berufung in die Gesetzgebungskommission sowohl für das Gesetz158 als auch für Windscheids Leben159 für unglücklich zu halten. Die Position einer besonderen Kapazität habe Windscheid überfordert, und durch die berechtigte Kritik am 1. Entwurf sei Windscheid nach großem Einsatz schwer enttäuscht worden.160 Was das Gesetz
v. Ihering und Bernhard Windscheid, Allgemeine Zeitung (1892) S. 4; ders., Geschichte (1910), Text S. 865; Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 6; Zirndorfer, Rez. Oertmann (1905); Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 613; Schröder, Bernhard Windscheid (2008) S. 460. 149 Leonhard, Nachruf (1893) S. 272; Oertmann, Jurist (1904) S. XXVIII; Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 614; Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 182. 150 Kuntze, Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) S. 684; Kohler, Windscheid (1893) S. 62; Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 182. 151 Landsberg, Bernhard Windscheid, Die Nation (1892) S. 85; ders., Windscheid (1898) S. 424; Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 614 mit einem Zitat Otto Bährs; Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 189: „Was wir daran [am Gesetz] zu rühmen und auch einzuwenden haben, fällt zum guten Teil auf Windscheid zurück.“ 152 Eck, Zur Feier des Gedächtnisses von B. Windscheid und R. v. Ihering (1893) S. 39. 153 Kohler, Windscheid (1893) S. 62. 154 Kuntze, Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) S. 684. 155 Landsberg, Bernhard Windscheid, Die Nation (1892) S. 86. 156 Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 614. 157 Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 6; Zirndorfer, Rez. Oertmann (1905) meint, das BGB enthalte mehr römisches Recht als zuvor in Deutschland gegolten habe. 158 Kuntze, Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) S. 684; Kohler, Windscheid (1893) S. 62; Dove, Rudolf von Ihering und Bernhard Windscheid (1893) S. 144, hätte lieber Ihering als Windscheid in der Kommission gesehen. 159 Bekker, Vier Pandektisten (1903) S. 189. 160 Bekker, Vier Pandektisten (1903) S. 190 und S. 191: „Den Schmerz [über die BGB-Kritik] sollte er nicht lange überleben.“
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selbst angeht, so hebt allein Landsberg ausdrücklich hervor, dass sein viel gescholtener Konservatismus von den politisch Verantwortlichen vorgegeben war161 – allerdings auch Windscheids Haltung dieser „konservativ-historischen“ Zielrichtung genau entsprochen habe.162 Beim Versuch, den Einfluss Windscheids auf die Rechtswissenschaft seiner Zeit insgesamt zu beschreiben, scheuen schon die früheren Autoren ungeachtet der eben angeführten Kritik nicht vor großen Worten zurück. Dank Ihering und Windscheid habe die deutsche Rechtswissenschaft nach Savigny ihren europäischen Spitzenplatz behalten.163 Er sei beherrschend gewesen in Ausbildung164, gemeinrechtlicher Praxis165 und Rechtstheorie166. Seine Dogmatik sei entscheidend geworden für eine „deutsche Sicht“ des römischen Rechts,167 sein Lehrbuch habe der Praxis vielfach das Gesetz ersetzt,168 in der juristischen Literatur habe er Accursius gleich die Summe des Bisherigen gezogen,169 und ganze Generationen von Juristen hätten bei ihm, dem „Führer der herrschenden Lehre“ 170 161 Landsberg, Rudolf v. Ihering und Bernhard Windscheid, Allgemeine Zeitung (1892) S. 4. 162 Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 865. 163 Kuntze, Bernhard Windscheid, Leipziger Tageblatt (1892); ders., Ihering, Windscheid, Brinz (1893) S. 30 f. 164 Eck, Zur Feier des Gedächtnisses von B. Windscheid und R. v. Ihering (1893) S. 40 f.; Landsberg, Bernhard Windscheid, Die Nation (1892) S. 85; Landsberg, Rudolf v. Ihering und Bernhard Windscheid, Allgemeine Zeitung (1892) S. 3; Zirndorfer, Rez. Oertmann (1905); Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 4; Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 188. 165 Kuntze, Bernhard Windscheid, Leipziger Tageblatt (1892); Kuntze, Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) S. 681; Dove, Rudolf von Ihering und Bernhard Windscheid (1893) S. 140 f.; Eck, Zur Feier des Gedächtnisses von B. Windscheid und R. v. Ihering (1893) S. 38 f.; Leonhard, Nachruf (1893) S. 272; Landsberg, Bernhard Windscheid, Die Nation (1892) S. 84; Landsberg, Rudolf v. Ihering und Bernhard Windscheid, Allgemeine Zeitung (1892) S. 3; Rivier, Rudolf v. Ihering and Bernhard Windscheid (1893) S. 10; Oertmann, Lebensgang (1904) S. XV; Zirndorfer, Rez. Oertmann (1905); Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 4; Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 185. 166 Kuntze, Ihering, Windscheid, Brinz (1893) S. 28; Eck, Zur Feier des Gedächtnisses von B. Windscheid und R. v. Ihering (1893) S. 28; Leonhard, Nachruf (1893) S. 272; Landsberg Bernhard Windscheid, Die Nation (1892) S. 84; Landsberg, Windscheid (1898) S. 424; Rivier, Rudolf von Ihering and Bernhard Windscheid (1893) S. 10; Bekker, Vier Pandektisten (1903) S. 187; Zirndorfer, Rez. Oertmann (1905). 167 Kuntze, Bernhard Windscheid, Leipziger Tageblatt (1892); ders., Ihering, Windscheid, Brinz (1893) S. 30. 168 Dove, Rudolf von Ihering und Bernhard Windscheid (1893) S. 143; Eck, Zur Feier des Gedächtnisses von B. Windscheid und R. v. Ihering (1893) S. 38 f.; Leonhard, Nachruf (1893) S. 272; Landsberg, Rudolf v. Ihering und Bernhard Windscheid, Allgemeine Zeitung (1892) S. 3; Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 4. 169 Leonhard, Nachruf (1893) S. 272; Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 186. 170 Eck, Zur Feier des Gedächtnisses von B. Windscheid und R. v. Ihering (1893) S. 28.
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genaues und sorgfältiges Arbeiten gelernt.171 Wieacker nennt ihn denn auch „ein Schicksal der deutschen Rechtswissenschaft“ und „der Gesetzgebung des Zweiten Reiches“.172 Hinweise zur Erklärung dieser überragenden Stellung könnten sich aus den Äußerungen über seine Sprache und seine Methode sowie aus der Einordnung Windscheids in die Geschichte der Rechtswissenschaft ergeben. Zwei Elemente Windscheidscher Sprachbeherrschung und Ausdrucksweise scheinen bemerkenswert: seine Begrifflichkeit und sein Stil. Was die Verwendung juristischer Begriffe angeht, so heißt es, dass „Windscheid zum ersten Mal in großem Styl versuchte“, durch „Verdeutschung römischer Begriffsnamen“ 173 eine „deutsche Rechtsterminologie oder juristische Kunstsprache“ 174 bzw. eine „geläuterte deutsche Rechtssprache“ 175 zu schaffen. Dabei sei ihm ein „durchsichtiger Ausdruck“ 176 wichtiger gewesen als „Schönheit der Sprache“ 177. Landsberg meint, Windscheid sei mit dieser „Umwälzung unserer Terminologie“ seiner Zeit weit voraus gewesen,178 habe aber so „zur Vorbereitung einer deutschen Gesetzessprache wesentlich beigetragen“.179 Allein Rivier ist sich nicht sicher, „if this ,nationalisation‘ of a technical language is a thing of much practical utility.“ 180 Der klare, nüchterne, um Präzision und innere Logik bemühte Stil wird je nach den eigenen Vorstellungen unterschiedlich beurteilt. Auf Leonhard wirkt er überzogen: In der „vorbeugende[n] Sicherung der Sätze gegen voraussichtliche Einwendungen“ nehme Windscheid den „Stil eines Unterrichters“ an, und seine „nahezu hochnotpeinliche Sorgfalt in der Sprachbildung“ zeuge von einer „übernatürliche[n] Athletenkraft des Scharfsinnes.“ Iherings Bildersprache steht ihm sichtlich näher.181 Noch kritischer meint Kuntze, für Studenten seien Windscheids Sätze oft „nur halb verstandene Orakelsprüche und eine schwer verdauliche Kost.“ 182 Dagegen lobt Landsberg Windscheids „feinst ausgebildete Formulierungskunst“,183 und Wieacker findet bei ihm gar die „schlichte 171 Bes. Landsberg, Rudolf v. Ihering und Bernhard Windscheid, Allgemeine Zeitung (1892) S. 3 und Oertmann, Lebensgang (1904) S. XV. 172 Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 181. 173 Leonhard, Nachruf (1893) S. 270. 174 Kuntze, Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) S. 683. 175 Oertmann, Jurist (1904) S. XXVIII. 176 Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 188. 177 Leonhard, Nachruf (1893) S. 269. 178 Landsberg, Bernhard Windscheid, Die Nation (1892) S. 84. 179 Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 859. 180 Rivier, Rudolf von Ihering and Bernhard Windscheid (1893) S. 11. 181 Leonhard, Nachruf (1893) S. 270 (1.–3. Zitat), S. 278 (4. Zitat) und S. 280 (Lob Iherings). 182 Kuntze, Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) S. 682. 183 Landsberg, Bernhard Windscheid, Die Nation (1892) S. 85.
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Sprachkraft, in der sich hohe geistige Kräfte auszudrücken pflegen.“ 184 Jedenfalls könnte, im Nachhinein betrachtet, in einer von Windscheid propagierten und vorgestellten, von der Praxis wie der Wissenschaft angenommenen und ins entstehende BGB eingehenden neuartigen „deutschen Juristensprache“ eine Ursache für Windscheids überwältigenden Einfluss zu finden sein. Soweit bisher Texte, die sich mit Bernhard Windscheid beschäftigten, Betrachtungen über seine Methode anstellten, kreisen sie eigentlich alle um vier Begriffe, um Quellenexegese, Begriff, Konstruktion und System. In der Auslegung der Quellen, besonders des Corpus Iuris Civilis, habe Windscheid nicht nach der historischen Entstehung und Bedeutung ihres Inhaltes gefragt, sondern „die verschiedenen Quellenschichten auf eine Ebene projiziert und so die Tiefenperspektive des geschichtlichen römischen Rechts ausgelöscht.“ 185 Das sei damit zu erklären, dass er, um Veraltetes vom heute noch Gültigen scheiden zu können, nach dem hinter mehreren Einzelentscheidungen liegenden „Prinzip“ gefragt habe186 – auch da, wo ein Prinzip gar nicht gesucht werden könne.187 Mit Hilfe dieser Prinzipien sollten dann Begriffe gefunden, nach Analyse ihrer Bestandteile in eine hierarchische Ordnung, ein System gebracht und eventuell erforderliche Zwischenglieder mittels logisch-deduktiven Schließens, also „Konstruktion“, geschaffen werden. Das Ergebnis wäre dann ein abgeschlossenes, in sich widerspruchsfreies Gebilde, das das aus dem römischen Recht entwickelte, aber heute noch gültige und praktisch anwendbare (Zivil-)Recht darstellte.188 Dieses gewaltige, die Begriffsjurisprudenz Puchtas fortführende189 Unterfangen erregte Bewunderung, rief aber auch mancherlei Kritik hervor: Kuntze rühmt solches Bestreben als den Versuch einer „Befreiung von der romanistischen Fessel . . ., ohne das Römerrecht zu fälschen und ohne die Strenge methodischen Denkens zu opfern.“ 190 Dagegen wirft Leonhard, ein Anhänger von Iherings 184
Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 188. Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 186; nachlässigen Umgang mit den Quellen finden bei Windscheid auch Leonhard, Nachruf (1893) S. 273 u. S. 280, Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 856, Zirndorfer, Rez. Oertmann (1905), Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 29, Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 613, Schröder, Bernhard Windscheid (2008) S. 460 f.; dem widerspricht ausdrücklich nur Oertmann, Jurist (1904) S. XXXIII: Windscheid sei ein Meister „in eindringender Quelleninterpretation“ gewesen. 186 Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 29; Landsberg, Bernhard Windscheid, Die Nation (1892) S. 84, nennt dies ein Ringen „um den innersten Rechtsgedanken“. 187 Das behauptet – mit Nachweis – vor allem Zirndorfer, Rez. Oertmann (1905). 188 Ähnliche Beschreibungen bei Landsberg, Bernhard Windscheid, Die Nation (1892) S. 84 f., Landsberg, Rudolf v. Ihering und Bernhard Windscheid, Allgemeine Zeitung (1892) S. 3, Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 28–30 und Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 599 u. S. 612. 189 So Schröder, Bernhard Windscheid (2008) S. 462. 190 Kuntze, Bernhard Windscheid y, Sächsisches Archiv (1892) S. 683. 185
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„teleologischem Gesichtswinkel“, Windscheid vor, er unterwerfe bei seiner Exegese die römischen Juristen der „modernen dialektischen Denkweise“,191 glaube nur an einen Fortschritt durch „die Zeugungskraft des wissenschaftlichen Denkens“ innerhalb des Systems und lehne alles ab, was an den Grundlagen dieses Systems rüttele. Daher komme die Ablehnung einer „schöpferische[n] Jurisprudenz“ contra legem im Interesse des Gemeinwohls und die unbedingte Verteidigung des „Willensdogmas“ 192 als tragender Begriff, daher auch das Leugnen eines nicht im Detail erwiesenen derogatorischen Gewohnheitsrechts mit der Folge, dass „veraltete Bestandteile des römischen Rechts als geltend“ beibehalten würden.193 Noch schärfer geht Kohler – aus seinem Verständnis vom Recht als „etwas einheitlich Organische[m]“ heraus erklärlich – mit Windscheid ins Gericht. Er lehnt generell dessen „Trieb, die Begriffe in feinster Weise zu zerlegen“ ab, denn „das Recht [sei] . . . ein geistiges Gebilde, das nicht durch verstandesmäßige Zergliederung allein, sondern nur durch Anempfinden und lebendiges Durchdringen völlig erfaßt werden“ könne.194 Auch der weniger rigorose Rümelin kritisiert, dass die von Windscheid begangenen Wege zur „Aktualisierung“ des Rechts zu eng seien. Zwar habe er gestattet, den „wirklichen“ Willen des Gesetzgebers zu finden sowie dessen „eigentliche“ Gedanken „zu Ende [zu] denken“, und damit über die Gesetzes- oder sogar Rechtsanalogie der schöpferischen Tätigkeit ein weites Feld eröffnet.195 Aber seine Weigerung, die „Natur der Sache“, das „Verkehrsbedürfnis“ oder die „Billigkeit“ zu berücksichtigen, sei ein schweres Hindernis für die notwendige Anpassung des Rechts an die Zeitumstände mittels der zu fordernden „selbständige[n] Rechtsschöpfung“ durch den Richter.196 Dabei habe sich Windscheid das Erreichen seines Zieles, eines stabilen aktuellen Rechts, dadurch unnötig erschwert, dass er „aufhebendes oder umbildendes Gewohnheitsrecht“ aus der Zeit des usus modernus nicht berücksichtigt habe.197 Sogar der Windscheids Arbeit mit vielem Verständnis und großer Bewunderung beschreibende Landsberg bedauert, dass die in seinen bedeutenden Monographien zu findende „produktive Jurisprudenz“, die das, was die Gegenwart forderte, „im Notfalle selbst gegen das römische Recht“ entwickelt habe,198 im „konservativer[en]“ Lehrbuch verloren gegangen sei. Hier habe er, durch Technik und Detailarbeit sehr in Anspruch genommen, „in weitere Ferne zu blicken etwas 191
Leonhard, Nachruf (1893) S. 280 (beide Zitate). Ebenso auch Kohler, Windscheid (1893) S. 62. 193 Leonhard, Nachruf (1893) S. 274 f.; ähnlich Dove, Rudolf von Ihering und Bernhard Windscheid (1893) S. 143 f., der (S. 143) eine „gewisse Orthodoxie“ aus „peinliche[r] Gewissenhaftigkeit“ beklagt. 194 Kohler, Windscheid (1893) S. 57 zur ganzen Passage. 195 Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 22. 196 Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 24 und S. 26 unter Hinweis auf Art. 1 des damals noch nicht in Kraft getretenen schweizerischen Zivilgesetzbuches. 197 Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 33. 198 Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 856. 192
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verlernt.“ 199 Immerhin ergibt sich aus dieser Reduktion der Aufgabe der Rechtswissenschaft auf die „Entwicklung des positiven geltenden Rechts aus den Quellen“ 200 in Kombination mit der Begrenztheit der für Windscheid zulässigen Auslegungsmittel eine positive Folge: Windscheid habe immer dann, wenn er einen widersprüchlichen oder inhaltlich unbefriedigenden Quellenbefund nicht durch das Ermitteln eines reinen Prinzips habe überwinden können, die Lösung dieser Aufgabe dem Gesetzgeber zugewiesen201 und damit eine für die Kodifikation wichtige Vorarbeit geleistet.202 Wolfs Kritik knüpft zunächst an die Unzufriedenheit Rümelins an. Auch er wirft Windscheid vor, dass er – um des „altliberale[n] Ideal[s] einer möglichst starken Sicherung gleichmäßiger Justiz“ willen – vom „königlichen Richtertum“ nicht viel gehalten habe und ohne Verständnis „für den ,Takt‘ des Richters, der das ,Wissen ersetzen soll‘,“ gewesen sei.203 Seine Hauptanstände gelten jedoch Windscheids „Glauben an den Wert des Systems“.204 Bloße ehrfurchtsvolle Bewunderung der Weisheit des Corpus Iuris als der „ratio scripta“ sei eigentlich eines „Rechtsdenker[s]“ unwürdig und ein Zeichen einer religionslosen Zeit, der die Wissenschaft zum Selbstzweck, zur „Wertsetzung im Kulturleben“ geworden sei.205 Aus der Beschreibung der Windscheid’schen Methode wie aus der angeführten Kritik ergeben sich möglicherweise Hinweise einerseits auf den Grund, andererseits auf die Größe seines Einflusses. Nicht nur durch eine Literatursammlung, die mit der des Accursius und seiner glossa ordinaria von ca. 1230 verglichen wurde, sondern auch wegen hervorragender schöpferischer206 Fähigkeit zur Begriffsentwicklung und zum Systembau könnte der Vertreter der Begriffsjurisprudenz207 Windscheid ein Vollender des romanistisch geprägten bürgerlichen Rechts vor dem BGB geworden sein. Die Art, in der die zeitgenössische und spätere Kritik weniger auf Windscheids Quellenexegese als vielmehr auf sein Verständnis von Recht und Gesetz reagiert, zeigt, wie unbefriedigend aus unterschiedlichen Gründen für sie Windscheids Positivismus gewesen sein muss. Das Ausmaß dieser Kritik dagegen könnte Indikator dafür sein, wie sehr Windscheids Zeit doch eine Zeit des Positivismus war, und darauf hinweisen, dass die Frage 199
Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 861 f. Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 862. 201 Landsberg, Rudolf v. Ihering und Bernhard Windscheid, Allgemeine Zeitung (1892) S. 2. 202 Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 18. 203 Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 615; a. A. und Windscheid beistimmend Dove, Rudolf von Ihering und Bernhard Windscheid (1893) S. 142. 204 Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 593. 205 Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 593 u. S. 611. 206 Zu beidem Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 187. 207 Vor einer Übertreibung des Gegensatzes von „Begriffs-“ und „Interessenjurisprudenz“ warnen schon Dove, Rudolf von Ihering und Bernhard Windscheid (1893) S. 153, mit einem Windscheid-Zitat und Zirndorfer, Rez. Oertmann (1905). 200
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nach der Bindung an das Gesetz als Grundfrage der Rechtsphilosophie auch spätere Generationen beschäftigen musste und sie damit dann auch zur Auseinandersetzung mit Windscheid zwang. Erhärten lässt sich diese Vermutung durch die Beschäftigung mit der Frage, wie Windscheids Zeit und sein Wirken in dieser Zeit historisch in die Entwicklung der Rechtswissenschaft eingeordnet wurde. Für die zeitgenössischen Autoren geht es bei dieser Einordnung um die Bestimmung des Verhältnisses von Geschichte und Dogmatik und deren jeweiliges Gewicht für diese Zeit und für Windscheid. Dabei stellen sie fest, dass Windscheid zwar aus der Tradition der historischen Betrachtung des Rechts, also der historischen Schule,208 kommt, ihm selbst aber die dogmatische Durchdringung des römischen Rechts und seine Umsetzung unter zeitgemäß nationaldeutschem Aspekt209 wichtiger war als dessen Geschichte. Während dies jedoch für Kohler eine ahistorische, oberflächliche, ja weltfremde Sicht ist,210 Landsberg Windscheid 1893 einen „starre[n] Dogmatiker“ nennt,211 Leonhard Windscheid als den „Meister der Anpassung, nicht der Neugestaltung“ bezeichnet, der nur „bis zu einem gewissen Grade aus der Gelehrsamkeit der historischen Schule hinaus, den Bedürfnissen des Tages“ entgegengestrebt habe,212 und Eck konstatiert, Windscheid habe nach Abwendung von der Rechtsgeschichte als Selbstzweck213 sein Ziel, das römische Recht auf seinem eigenen Boden zu überwinden,214 nicht erreicht,215 sieht Kuntze diese Entwicklung viel positiver: Windscheid sei es zusammen mit Ihering und Brinz gelungen, „den Accent vom werdenden Recht auf das gewordene“ hinüberzurücken „und die historische Methode in den Dienst des Systems“ zu
208 Diesen Begriff gebrauchen: Eck, Bernhard Windscheid y (1892) S. 185; Kuntze, Ihering, Windscheid, Brinz (1893) S. 27 f.; Leonhard, Nachruf (1893) S. 268; Bekker, Vier Pandektisten (1903) S. 188; Oertmann, Jurist (1904) S. XXVII; Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 16; Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 858 f.; Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 187; Schröder, Bernhard Windscheid (2008) S. 460. 209 Diesen erwähnen: Kuntze, Ihering, Windscheid, Brinz (1893) S. 30; Dove, Rudolf von Ihering und Bernhard Windscheid (1893) S. 150; Eck, Bernhard Windscheid y (1892) S. 185; Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 859. 210 Kohler, Windscheid (1893) S. 60. 211 Landsberg, Rudolf v. Ihering und Bernhard Windscheid, Allgemeine Zeitung (1892) S. 2. 212 Leonhard, Nachruf (1893) S. 268. 213 Eck, Zur Feier des Gedächtnisses von B. Windscheid und R. v. Ihering (1893) S. 17, bringt ein später oft wiederholtes Windscheid-Zitat, wonach die Rechtsgeschichte nur insofern wertvoll sei, „als sie etwas beiträgt zur Erkenntnis des anzuwendenden Rechts“: Windscheid, Recht und Rechtswissenschaft (1884), S. 17–36, 27, jetzt in: Kleine Schriften Bd. II, S. 429–448, 439. 214 Eck, Zur Feier des Gedächtnisses von B. Windscheid und R. v. Ihering (1893) S. 17, zitiert hier Windscheid, Actio (1856) Vorwort S. IV. 215 Eck, Zur Feier des Gedächtnisses von B. Windscheid und R. v. Ihering (1893) S. 18.
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stellen.216 Das Ziel, „nach der historischen Schule eine dogmatische zu gründen“ sei berechtigt gewesen und habe zum Sieg des Systems und der „construirenden Jurisprudenz“ über die Geschichte geführt.217 Spätere Autoren versuchen dann eine grundsätzlichere Kategorisierung, wenn sie Windscheid als „Jünger der historischen Schule“ „etwa zwischen Vangerow (als „Repräsentant einer ultrakonservativen Richtung“) und Ihering (den „kecke[n] Freischarenführer“)“ einordnen, ihn als eigentlichen „Fortsetzer der Savigny’schen Lehren“ sehen,218 aber auch als „typische[n] Vertreter einer ,Linken‘ in der historischen Rechtsschule“ bezeichnen, einen „Pionier“ [der] modernen Gesetzgebung“.219 Mit Rümelin beginnt die Reihe der Autoren, die in der Betonung von Dogmatik und System eine Beschränkung sehen, für ihn die Beschränkung des Juristen auf die juristische Technik, die zwar der historischen Schule entsprochen habe, aber inzwischen nicht mehr zu akzeptieren sei.220 Diese Kritik verstärkt sich 1910 bei Landsberg, der bei Windscheid die durch „Mangel an kasuistischer Phantasie“ verstärkte „Gefahr des bloßen ,Rechnens in Begriffen‘“ erkennt und dem Lehrbuch „peinliche Ängstlichkeit und Steifheit“ vorwirft.221 Er nennt Windscheids Linie „die neuere historische Richtung“, die hervorgegangen sei aus einer Verschmelzung von historischer Schule und „der wissenschaftlich-positivistischen Richtung“.222 Einen Höhepunkt erreicht die Kritik bei Wolf, der Windscheids Zeit, den „Positivismus“, eine „Ermüdungszeit in der geistigen Selbstentfaltung“, die Zeit eines „verhängnisvolle[n] Stehenbleiben[s]“, der „Mechanisierung und Materialisierung“ nennt.223 In ihr sei die „neuzeitliche Jurisprudenz“ ohne Zusammenhang mit Romantik, Klassizismus, Idealismus und Liberalismus, Weltbürgertum und Nationalgedanke, Rationalismus und Aufklärung gewesen, und ihr übersteigerter Gesetzesglaube sei fast „Zeichen geistiger Schwäche und Verödung“.224 Bei dieser vernichtenden, aber zumindest in ihrer Pauschalität sicher überzogenen Abqualifizierung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verwundert es nicht, dass Wolf auch Windscheid jeden „Ansatz zur Ausbildung eigenständiger Gedanken“ abspricht.225 Auch Wieacker beklagt, dass der wissenschaftliche Positivismus, dessen unbestrittenes Haupt Windscheid gewesen sei, sich von einer leitenden Rechtsidee abgewandt habe.226 Lediglich in der Methodik findet er eine Anknüp216 Kuntze, Ihering, Windscheid, Brinz (1893) S. 26 (1. Zitat) und ders., Bernhard Windscheid, Leipziger Tageblatt (1892) (2. Zitat). 217 Kuntze, Ihering, Windscheid, Brinz (1893) S. 28 (1. Zitat) und S. 30 (2. Zitat). 218 Bekker, Vier Pandektisten (1903) S. 188. 219 Oertmann, Jurist (1904) S. XXX (1. Zitat) und S. XXVIII (2. Zitat). 220 Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 19 f. 221 Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 861. 222 Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 858 f. 223 Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 591. 224 Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 592. 225 Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 596. 226 Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 191.
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fung an Christian Wolff und das rationalistische Naturrecht.227 Aber er hat diese geistige Lage, die er 1942 noch als „verhängnisvoll“ angesehen hatte,228 1959 nur noch als „eigentümlich“ qualifiziert und Windscheid als „Klassiker des Abschlusses“ gewürdigt.229 Diese Einordnung Windscheids als aus der historischen Schule erwachsenem Positivisten wird auch von Schröder bestätigt.230 Nach diesem Referat früherer Einschätzungen von Windscheids Charakter und Wesen, seiner Lehre und schriftstellerischen Leistung sowie deren Einfluss und zeitlicher Einordnung bleibt die Frage: Worin haben die genannten Autoren Windscheids Hauptbedeutung für seine Zeit, aber auch für die Zukunft gesehen? Bei mehreren Verfassern von Nekrologen aus den Jahren 1892/93 nimmt breiten Raum ein die Bedeutung Windscheids – wie auch Iherings – für seine Zeit, d.h. seine beherrschende Stellung in Wissenschaft, Lehre und Praxis.231 Kuntze dehnt diese Bedeutung über den juristischen Bereich hinaus ins Nationale aus, wenn er meint, Windscheids – und Iherings – Leistung sei, zusammengefasst, die Verdeutschung des römischen Rechts gewesen. Denn darunter versteht er nicht nur die Entwicklung einer deutschen Juristensprache, sondern auch, dass dank ihnen „das Studium des römischen Rechts . . . seine Heimath auf deutschem Boden gefunden“ habe und dennoch dabei „dem deutschen Geiste seine Originalität und Freiheit gerettet“ worden sei. So hätten beide die „Ehre der deutschen Rechtswissenschaft gemehrt“ und nach Savigny und Puchta die „Führerschaft“ des deutschen Geistes „besiegelt und gesichert.“ 232 Am gleichen Punkt ansetzend erfährt die Wertung bei Landsberg eine Wendung ins Historische. Für ihn ist Windscheid nicht seiner Neuerungen wegen bedeutend, sondern deshalb, weil seine Pandekten die Summe und den Abschluss der deutschen Zivilistik „in diesem wichtigsten Wendepunkte ihrer ganzen Geschichte“ darstellten und zugleich der Schlüssel zum neuen einheitlichen deutschen bürgerlichen Recht seien.233 Über diese historische Position hinaus wirke nach Ansicht dieser Autoren nicht viel in die Zukunft hinein. Leonhard hält Windscheid wie Ihering für „unersetzlich“ aber nach Inkrafttreten des BGB „vielleicht entbehrlich“. Windscheids „feste Formeln“ seien bestenfalls noch bedeutsam für die „Auslegung der neuen 227
Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 188. Wieacker, Bernhard Windscheid (1. Fassung 1942) S. 1442. 229 Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 191 (Zitat) und S. 188. 230 Schröder, Bernhard Windscheid (2008) S. 462. 231 Eck, Zur Feier des Gedächtnisses von B. Windscheid und R. v. Ihering (1893) S. 38–41; Leonhard, Nachruf (1893) S. 278 f. u. S. 282; Rivier, Rudolf von Ihering and Bernhard Windscheid (1893) S. 1, nennt beide: „the two most conspicious civilians of modern Germany, and consequently of Europe, and of the world.“ Ähnlich Dove, Rudolf von Ihering und Bernhard Windscheid (1893) S. 138. 232 Kuntze, Bernhard Windscheid, Leipziger Tageblatt (1892). 233 Landsberg, Bernhard Windscheid, Die Nation (1892) S. 85 f., Zitat S. 86; ebenso Landsberg, Rudolf von Ihering und Bernhard Windscheid, Allgemeine Zeitung (1892) S. 4. 228
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Texte“. Ansonsten bleibe allein Windscheids Sorgfalt vorbildlich.234 Noch sehr viel schärfer urteilt der deswegen auch heftig kritisierte235 Kohler: Windscheid sei nie ein „Geist ersten Ranges“ wie etwa Savigny und Mommsen, aber auch Bachofen, Helmholtz oder Bastian gewesen, habe nicht einmal sein eigenes Rechtsgebiet voll beherrscht und „sich schon zu seinen Lebzeiten überlebt.“ 236 Die „immerhin bemerkenswerte Erscheinung ihrer Periode“ hinterlasse „nicht gerade sehr viel von dauerndem Werth“, im Gegenteil: „Seine Werke werden künftigen Generationen als matt und bleich erscheinen, seine Argumentationen so seltsam, wie uns die scholastischen Argumentationen eines Bartolus“.237 Diese kritisierende Betonung des Einflusses Windscheids auf seine Zeit verbunden mit sehr zögerlichen Hinweisen auf auch in der Zukunft Bleibendes setzt sich auch in den späteren Texten von Zeitgenossen fort. Bekker nennt Windscheids Art der Behandlung von praktischen Fällen ungeschickt und im Ergebnis „oft nicht befriedigend“, hält seine Gedanken für verschwommen und unklar geäußert, bemängelt am BGB vieles, was Windscheid veranlasst habe, und sieht in ihm lediglich einen „Sammler und Sichter der Stimmen, wie wir seit Accursius seinesgleichen nicht gehabt haben.“ 238 Oertmann verteidigt Windscheid zwar als „ersten Wortführer der jungen, fortschrittlichen Ausprägung der historischen Rechtsschule“ und „vielleicht[!] vollendetste[n], jedenfalls[!] einflussreichste[n] Bannerträger einer weltgeschichtlich notwendigen Richtung, der wir die Einheit des deutschen Rechtes verdanken“,239 aber Bestand hat für ihn Windscheids Begriffsjurisprudenz, sein scharfes logisches Denken nur als Korrektiv, indem sie nämlich die Entartung der „teleologischen Jurisprudenz“ in eine „bloße Zweckjurisprudenz“ zu verhindern geeignet sei. Für ihn ist also zeitgerecht allein die das Zweckmoment wie die soziale Aufgabe des Privatrechts stärker berücksichtigende „teleologische“ Lehre, wie sie von Ihering, Dernburg und Gierke vertreten werde.240 Ähnlich wie Oertmann sehen auch Rümelin und Landsberg (1910) zwar in Windscheids Eigenleistung, seinem „Stahlgerippe der Begriffe“, die Voraussetzung für einen sicheren und von Willkür freien Umgang mit dem Recht, fordern aber für die Gegenwart die Befreiung aus Systemzwang und Begriffsjurisprudenz, ein „freie[s] Rechtsleben und Rechtsbilden“.241 Landsbergs wort234
Leonhard, Nachruf (1893) S. 281 und S. 283. Siehe Wulfert, Rez. Eck, Zur Feier (1893) S. 519 und Dreyer, Zu den Urtheilen (1893) S. 193 u. S. 199. 236 Kohler, Windscheid (1893) S. 63 (Zitate) und ders., Windscheid und Ihering (1893) S. 117. 237 Kohler, Windscheid und Ihering (1893) S. 118 (Zitate 1 u. 2) und ders., Windscheid (1893) S. 63 (3. Zitat); in „Vom Lebenspfad“ (1902) S. 49 hält er an dieser Meinung ausdrücklich fest. 238 Bekker, Vier Pandektisten (1903) S. 188 (1. Zitat) u. S. 191 f., 2. Zitat S. 192. 239 Oertmann, Jurist (1904) S. XXXII. 240 Oertmann, Jurist (1904) S. XXXV f., Zitate S. XXXVI. 241 Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 864. 235
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1. Teil: Einführung
reiches Lob242 zeigt Windscheid als Erscheinung einer Zeit, deren Glauben an die Grundbegriffe Rümelin als irrig ablehnt, um sich dann selbst zum Glauben an das „Interesse“ als Grundlage allen Rechts zu bekennen.243 Auch Zirndorfer meint, dass Windscheid und seine besondere systematische Begabung seit dem Inkrafttreten des BGB ein Teil der Vergangenheit geworden sei,244 und selbst der aus pietätvollem Gedenken verfasste Artikel Richard Schmidts findet Windscheids Hauptleistung nur im 19. Jahrhundert, nämlich in der Wiederzusammenführung von juristischer Theorie und Praxis nach 1850.245 Die neueren Autoren behandeln Windscheid nicht so sehr als Person denn viel mehr als Typ. Er erscheint als einer der bedeutendsten Begriffsjuristen und Systematiker246 und als Gestalt, die „den deutschen Rechtspositivismus typisiert wie kein anderer“.247 Damit steht und fällt seine Bewertung mit der der Zeit. Wolf lobt Windscheid als Lehrer und Kompilator von großer Selbstdisziplin,248 distanziert sich aber von ihm als einem verspäteten bürgerlichen Idealisten249 ebenso, wie er seine Zeit als Periode des Niedergangs ablehnt. Wieacker, der die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts ähnlich bewertet, entschuldigt Windscheid, indem er „die edle250 Schuld des unzeitigen Verzichts auf die Verantwortung und die Tat“ nicht nur ihm allein, sondern seiner ganzen Epoche zuschreibt.251 Er belastet jene dafür aber 1958[!] mit der Verantwortung für die „schlimmen Gegenwirkungen gegen den Positivismus, die bis an den Rand der Zerstörung des Rechts geführt haben.“ Seine Methode hält er für überholt, sein Werk für in weiten Teilen vergänglich. Dauerndes Vermächtnis bleibe allein Windscheids Charakter.252 242 Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 860: „der vollendete Vertreter seiner Zeit, indem er deren Sinn für logische Notwendigkeit und deren konstruktive Kunst von dem einzelnen Rechtsinstitut auf das Ganze des Privatrechts überträgt und daran zu überwältigender Verwirklichung bringt.“ 243 Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 43–46, 44: Ablehnung der Vorstellung, dass das Rechtsbewusstsein des Volkes durch das Finden von Grundanschauungen, Grundbegriffen zu erfassen wäre, S. 46: „die Rechtssätze beruhen auf Interessenabwägung und Schlichtung von Interessenkonflikten.“ 244 Zirndorfer, Rez. Oertmann (1905). 245 Schmidt, Zu Windscheids hundertjährigem Geburtstag (1917). 246 Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 189. 247 Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 595 (Zitat umgestellt). 248 Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 618 f. und S. 596: „Diese geistige Selbstzucht ermöglichte ihm die Hinwendung auf eine einzige wissenschaftliche Lebensaufgabe. Darin liegt seine Bedeutung.“ 249 Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 607: Die „Idealisierung der bürgerlichen Rechtswelt in einem Augenblick, wo ihr Unvermögen, das soziale Leben zu ordnen, offenbar[!] geworden war, ist es, was den Betrachter von Windscheids Gestalt heute zum Abstand von ihr zwingt.“ 250 Dieses Wort wurde erst in die zweite Textfassung 1959 eingefügt! 251 Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 195. 252 Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 195 (Zitat, erst 1958 in die zweite Fassung eingefügt) und S. 196.
1. Teil: Einführung
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Diese doch überwiegend kritischen Äußerungen, denen noch Schröder kein positiveres Gesamturteil entgegenstellt, relativieren spätere Stimmen, insbesondere die auf eingehende Analyse gestützte von Ulrich Falk. Ihm wie anderen ist im Abstand von zirka hundert Jahren eine Behandlung des „wissenschaftlichen Positivismus“ mit größerer Ruhe und Unbefangenheit möglich als etwa für Wolf und Wieacker. Deren aus Endzeit und Aufbruch gemischte Stimmung ist ebenso vergangen wie die den Positivismus ebenfalls verdammende Renaissance eines überpositiven Naturrechts nach 1945.253 Auch die These, der Positivismus sei für die Rechtsperversionen des Nationalsozialismus verantwortlich, ist zumindest in dieser Pauschalität nicht mehr zu halten. Damit ist der Weg frei für eine weniger emotionsgeladene und somit vielleicht auch gerechtere Beurteilung des Positivismus mindestens dieser Epoche254 und seiner Vertreter. Diese könnte die aktuelle Wissenschaft dazu bringen, Windscheid eher zu betrachten als einen „wahren Juristen“, der zwar einerseits präzise Begriffe mit dem Ziel einer möglichst widerspruchsfreien Systembildung einsetzt, andererseits aber in gleichem Maße auch die (Einzelfall-)gerechtigkeit stets im Blick hat und zu diesem Behufe dieselben Begriffen so flexibel einsetzt – wie auch dem Richter einzusetzen erlaubt –, dass sie der Wahrung dieser Gerechtigkeit zu dienen imstande sind.255 Inzwischen ist das BGB über ein Jahrhundert insgesamt unangefochten in Kraft und auch die der Umsetzung zahlreicher EU-Richtlinien insbesondere zum Verbraucherschutz dienende Neubekanntmachung vom 2.1.2002256 hat ungeachtet der auch ins Schuldrecht eingreifenden Reform nicht zu einer tief greifenden Änderung seiner tragenden Prinzipien geführt. Die „geistigen Väter“ des BGB haben somit bis heute unser bürgerliches Rechtsleben in beträchtlichem Maße bestimmt und damit einen Einfluss auf die Zukunft ausgeübt, den ihre Zeitgenossen und auch die Autoren zur Zeit der Planung eines „Volksgesetzbuches“ ihnen so nicht zugetraut hatten. Gleichzeitig rechtfertigt diese Entwicklung die gründliche Beschäftigung mit der Zeit zwischen 1840 und 1900 einschließlich der Entstehung des BGB als 253 Siehe dazu etwa den von Werner Maihofer herausgegebenen Sammelband Naturrecht oder Rechtspositivismus, Darmstadt 1972 (= Wege der Forschung Bd. XVI). 254 Die allgemein-rechtsphilosophische Frage nach dem Verhältnis von positivem und überpositivem Recht und damit nach der Bedeutung der von Menschen entwickelten Norm ist zeitlos, aber nicht Thema dieser Arbeit. 255 So etwa Falk im Bezug auf Windscheids Voraussetzungslehre, in: Ein Gelehrter wie Windscheid (1989) S. 215–217. 256 BGBl. I S. 42, berichtigt S. 2909. Zu nennen sind insbesondere die Richtlinien Nr. 85/577/EWG des Rates vom 20.12.1985 hinsichtlich außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, Nr. 87/102/EWG des Rates über den Verbraucherkredit, Nr. 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, Nr. 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.1997 hinsichtlich Vertragsabschlüssen im Fernabsatz und Nr. 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.5.1999 zum Verbrauchsgüterkauf und den Garantien für Vebrauchsgüter.
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1. Teil: Einführung
historischem Phänomen.257 Und dass in dieser Zeit Bernhard Windscheid einer der bedeutendsten Repräsentanten der deutschen Rechtswissenschaft gewesen ist, wurde niemals bezweifelt. Aus diesen Gründen soll im Folgenden der Versuch gemacht werden, Windscheids Leben zwischen 1817 und 1892 wie auch die Entstehung, die Bedeutung und den Einfluss seiner Werke im Zusammenhang vorzustellen und dabei die bisher getroffenen Wertungen kritisch zu hinterfragen. Das Ergebnis wird zeigen, ob er „nur“ als Person der Vergangenheit und wichtiges Glied unserer Tradition oder vielleicht doch auch als Mitgestalter der Gegenwart wichtig geblieben ist.
257 Auch die Windscheid betreffenden Arbeiten der jüngsten Vergangenheit lassen Raum für eine gründliche biographische Aufarbeitung, da es sich hierbei entweder um Skizzen und kurze biographische Darstellungen oder um systematisch-dogmatische, nicht aber um biographische Arbeiten im engeren Sinne handelt.
2. Teil
Bernhard Windscheid 1817 bis 1892 A. Abstammung, Kindheit und Jugend (1817–1834) Bernhard Joseph Hubert Windscheid wurde am 26. Juni 1817 als Sohn des katholischen „Regierungs-Referendär[s]“ zu Kleve Ferdinand Joseph Hubert Windscheid und seiner Ehefrau Marie Francisca Friederike geb. Servaes in Düsseldorf geboren.1 Seine Vorfahren stammen, wie er selbst beschreibt,2 aus Blankenberg im damaligen Amte Windeck des Herzogtums Berg. Der ursprüngliche Name lautete „Windscheif(f)“, und als älteste Nennung findet sich denn auch bei Guntram Fischer ein Ururgroßvater Thomas Windscheiff.3 Erst der Großvater Johann Wilhelm Windscheid änderte den Namen in Windscheidt, später Windscheid, um.4 Mit ihm gelang der Familie der Sprung vom Land in die Stadt und der Aufstieg aus „niederem Stande, sein Vater war Bauer und Wollweber“ 5, zu den Honoratioren. Johann Wilhelm (1743–1806), von dem nahezu ausschließlich die Schrift v. Fuchsius’, einem Neffen Bernhard Windscheids, berichtet, und der auch in den Augen Bernhard Windscheids von besonderer Wichtigkeit war,6 besuchte das bergische Gymnasium (Montanum) in Köln, erwarb 1769 in Heidelberg die juristische Lizentiatenwürde und wurde noch im selben Jahr zum Advokaten bei der jülich-bergischen Hofkammer und ordentlichen Professor an der Düsseldorfer Rechtsakademie7 ernannt. 1770 erwarb er das Düsseldorfer Bürgerrecht, aber nicht, um sich zur Ruhe zu setzen, sondern er 1 Geburtseintrag Nr. 441 im Zivilstandsregister Düsseldorf 1817 vom 30.6.1817, NW Personenstandsarchiv Rheinland, und Stammbuch Windscheid S. 5 u. S. 6. 2 Siehe B. Windscheids familiengeschichtliche Aufzeichnungen „Weihnachten 1886“ im Stammbuch Windscheid S. 15–30, dort S. 15; ebenso Fuchsius, Nachrichten (1891) S. 1. 3 G. Fischer, Rechtsakademie (1983) S. 213. Zur Herkunft der Familie aus Blankenberg und weiteren früheren Familienmitgliedern s. auch Klemann, Sieben kleine Beiträge (1991) S. 212 f. 4 Stammbuch Windscheid S. 15; Fuchsius, Nachrichten (1891) S. 1. 5 Stammbuch Windscheid S. 15. 6 Bernhard Windscheid schrieb ein im Stile des Familienoberhauptes gehaltenes Vorwort zu Fuchsius’ Zusammenstellung und stellte dafür auch die von ihm aufbewahrten Urkunden zur Verfügung. Seinen Einfluss auf dieses Werk macht auch ein im Familiennachlass Windscheid erhaltener Brief Fuchsius’ an Windscheid vom 5.8.1891 deutlich. 7 Zu deren Geschichte s. G. Fischer, Rechtsakademie (1983).
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
bemühte sich noch um einen weiteren steilen Aufstieg: 1776 wurde er dank „eine[r] Streitschrift, gerichtet gegen einen von Köln erhobenen Anspruch auf ein Stapelrecht für die auf dem Rhein verschifften Waaren“ 8 zum Jülich-bergischen Hofkammerrat und Hofkammer-Fiskal ernannt. 1788 wurde er Oberappellationsgerichtsrat, und 1791 erlangte er sogar die Würde eines „wirklichen Geheimen Rathes“.9 Seine Frau Maria Anna Sibylla Johanna Josefa geb. Gesser (1747–1823) entstammte dem Düsseldorfer Bürgertum.10 Bernhards Vater Ferdinand11 war der dritte von vier das Säuglingsalter überlebenden Söhnen der Familie. Er „hat studirt, in Heidelberg und Paris. Zur Zeit seiner Verheirathung (30. Januar 1813) war er unter französischer Herrschaft (Groß-Herzogthum Berg)12 Empfänger des außerordentlichen Stempels in Düsseldorf. Nach dem Übergange des Landes an Preußen13 war er bei der Regierung in Cleve14 als Regierungssecretär und Referendar beschäftigt.“ 15 Er „war ein begabter Mann, von vielseitigen geistigen Interessen. . . . Seine Einnahme, die zuletzt nicht unbedeutend war, hat er für seine Familie, und im Besonderen für die Erziehung seiner Kinder hingegeben. Sechs seiner Söhne haben aus seinen Mitteln studirt. Aber er war eine sentimentale und melancholisch angelegte Natur, gewiß[,] jede Berührung seines Ich schmerzhaft zu empfinden und sich unter dieser Berührung unglücklich zu fühlen. In Folge davon war das Leben mit ihm nicht leicht; er hat Frau und Kinder viel geplagt, obgleich an seiner Liebe zu 8 Stammbuch Windscheid S. 18; gemeint ist das 1775 in Düsseldorf erschienene Buch: Commentatio de Stapula quae praecipue ducatibus iuliae et montium libertas navigandi et commercandi in Rheno contra iniustas Agrippinatum molitiones vindicatur. 9 Stammbuch Windscheid S. 15–17 (Zitat S. 17); Fuchsius, Nachrichten (1891) S. 15–18, S. 24 f., S. 28–35 u. S. 38–40; dort ebenso wie bei G. Fischer, Rechtsakademie (1983) S. 213–215, weitere Details zum Leben Johann Wilhelm Windscheids. 10 Stammbuch Windscheid S. 18: Tochter des „Consiliarius Referendarius urbis huius Senator et Scabinus“, auch „Consul Hofrath“ Johann Anton Gesser. „Von diesem stammt das, von meinem Großvater angenommene und jetzt von uns geführte Siegel mit dem Engel her.“ ebd. S. 19: „Von ihr stammt die Hundeliebhaberei unserer Familie.“ 11 Geboren am 1. Februar 1787, verstorben am 23. Januar 1869, Stammbuch Windscheid S. 11. 12 Zu dessen Verwaltung s. Bär, Behördenverfassung (1919) S. 63–68; zur Geschichte des Großherzogtums Berg Weidenhaupt, Düsseldorf (1976) S. 83–93 und aus einseitig nationaler Sicht Goecke, Großherzogtum Berg (1877). 13 Am 14.11.1813 erlebte Düsseldorf die Besetzung durch russische Truppen; 1814 stand das Land als Generalgouvernement Berg unter der Verwaltung der Verbündeten, ab 15. Juni Preußens (Generalgouverneur war der russische Staatsrat Justus Gruner), und am 3.5.1815 wurde das preußische Besitzergreifungspatent, datiert Wien, den 5.4.1815, in Düsseldorf angeschlagen: Forst, Politische Geschichte (1888) S. 49 f. s. dazu und zur politischen Geschichte des bergischen Landes bis 1815 allgemein auch Forst, Politische Geschichte (1888) S. 47–50 und Brinken in Avenarius/Brinken, Düsseldorf (1982) S. 15–18. 14 Dazu Bär, Behördenverfassung (1919) S. 173 u. S. 178–180. 15 Stammbuch Windscheid S. 19.
A. Abstammung, Kindheit und Jugend (1817–1834)
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ihnen nicht zu zweifeln war.“ 16 Ferdinand Windscheid heiratete Friederike Servaes17 aus einer in Recklinghausen und Düsseldorf ansässigen Mediziner- und Advokatenfamilie.18 Über sie schrieb Bernhard Windscheid: „Meine Mutter habe ich sehr geliebt. Sie war keine bedeutende, aber eine geistesklare und willenskräftige Frau. . . . Sie wußte ihren Kindern das Haus lieb zu machen, was der Vater nicht verstand. Die vielen Geburten (dreizehn [zwischen 1813 und 1837]) und die häusliche Arbeit haben sie vor der Zeit aufgerieben.“ 19 In dieser sicher nicht spannungsfreien und für seine „geistige und körperliche Entwicklung“ wohl nicht idealen20 Familie wuchs Bernhard als drittes von elf überlebenden Kindern, sieben Söhnen und vier Töchtern, heran.21 Das Land war vor wenigen Jahren ein Teil Preußens geworden, hatte aber im alten Herzogtum Berg das unter französischer Herrschaft eingeführte französische Zivil- und Strafrecht behalten.22 Düsseldorf war eine kleine Beamtenstadt von 14.000 bzw. 22.000 Einwohnern23 und größerer Vergangenheit als Zukunft. Zweimal schon, 1775, nachdem Herzog Karl Theodor Bayerischer Kurfürst geworden war, und 1813 mit der Flucht der Franzosen aus dem Großherzogtum, hatte Düsseldorf den Rang einer Residenzstadt verloren.24 1815 schloss auch noch die schon seit 1809 dahinsiechende Rechtsakademie endgültig ihre Tore.25 Die seit 1806 in ihren angestammten Handelsbeziehungen nach Norden und Osten behinderte und durch Steuerforderungen ausgebeutete Wirtschaft lag darnieder26 und brauchte noch ca. zwei Jahrzehnte, um diese Nachteile wieder auszugleichen.27 16
Stammbuch Windscheid S. 21 f. Geboren am 25. April 1795, verstorben am 25. Februar 1852, Stammbuch Windscheid S. 5 u. S. 10. 18 Stammbuch Windscheid S. 22 f. 19 Stammbuch Windscheid S. 24 f. 20 Siehe Oertmann, Lebensgang (1904) S. IX. 21 Zu den Geschwistern wie zur Familie Windscheids überhaupt siehe die genealogische Übersicht im Anhang. 22 Einführung des Code Civil im Großherzogtum Berg am 1.1.1810, Hild, Privatrecht (1963) S. 12; Weitergeltung in den vor 1806 nicht preußischen Gebieten des ehemaligen Großherzogtums Berg nach 1814, Hild, Privatrecht (1963) S. 84; Geltung des Code Civil im alten Herzogtum Berg bis zum 1.1.1900, Hild, Privatrecht (1963) S. 93. Zum Rechtszustand im preußischen Rheinland und den Revisionsplänen Bornhak, Preuß. Staats- u. Rechtsgesch. (1903) S. 430–459. 23 Küpper, Kath. Gemeinde (1888) nennt für 1817 14.000, Dotterweich, Sybel (1978) S. 30 für 1815 ca. 20.000, Avenarius in Avenarius/Brinken, Düsseldorf (1982) S. 210 für 1815 ca. 22.000 Einwohner. Die große Differenz erklärt sich aus der Berücksichtigung nur der Stadt selbst oder auch ihrer Außenbezirke: Schmitz, Handel und Industrie (1888) S. 482, gibt für 1817 an: Stadt Düsseldorf 15.587 Seelen, einschließlich der Außenorte 22.653. 24 Hüttenberger, Düsseldorf (1984) S. 369. 25 G. Fischer, Rechtsakademie (1983) S. 139 u. S. 146. 26 Hüttenberger, Düsseldorf (1984) S. 369; Henning, Wirtschaft (1981) S. 187–191. 27 Henning, Wirtschaft (1981) S. 193. 17
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
Ob die Familie die Zeit zwischen 1817 und 1821 in Kleve, Wesel oder Düsseldorf, wo am 28. Oktober 1819 der Bruder Eugen geboren wurde,28 verbrachte, ist nicht mehr festzustellen. „Anfang der zwanziger Jahre“ wurde Ferdinand jedenfalls „Ober-Zollinspector“ in Wesel,29 und 1821 bis 1824 wird er als Ober-Zollund Steuer-Inspektor am Zoll- und (Haupt-)Steueramt in Uerdingen geführt.30 Die Jahre 1824 bis 1828 verlebte Bernhard in Emmerich,31 wohin der Vater versetzt und spätestens 1828 zum Steuerrat ernannt wurde.32 Dort besuchte Bernhard die Knabenschule und zeigte dabei viel „Lerneifer“.33 Wegen der ungesunden Gegend, die ihn häufig am „kalten Fieber“ erkranken ließ,34 oder auch wegen familiärer Spannungen kam er 1828 zur Schwester seiner Großmutter, seiner Groß- und Patentante35 Bernhardine Dyckershoff, deren Schwester „Lea“ und seiner Tante Auguste Servaes nach Recklinghausen.36 In Recklinghausen war er ein Jahr Schüler des dortigen Gymnasiums37 und lernte dabei sicher dessen Direktor Franz Wüllner kennen, der 1832 dann als Gymnasialdirektor nach Düsseldorf kam38 und dessen besonderes Interesse der Erforschung der Sprache galt.39 In diesem Haushalt, in dem ihm die Patentante „eine zweite Mutter“ war,40 er aber auch sehr verwöhnt wurde,41 blieb Bernhard auch, als er ab Herbst 1829 bis Herbst 183442 das Gymnasium in Düsseldorf besuchte.43 28
Stammbuch Windscheid S. 6. Stammbuch Windscheid S. 20. 30 Handbuch Hof und Staat 1821, S. 336 u. 1824, S. 322. Zu den Behörden s. Bär, Behördenverfassung (1919) S. 378. 31 Brief Windscheids an Paul Heyse vom 15.3.1877, BSB München, Heyse-Archiv VI/12. 32 Handbuch Hof und Staat 1828, S. 412. 33 Oertmann, Lebensgang (1904) S. IX; dort auch erster Lateinunterricht, lat. Lebenslauf Windscheids 1834, SchulA Görres-Gymnasium Düsseldorf. 34 Oertmann, Lebensgang (1904) S. IX; ähnlich Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 595: „kränkliches, stilles, in sich gekehrtes Kind mit weichem Gemüt und empfindlichen Nerven.“ 35 Stammbuch Windscheid S. 6. 36 Dagegen wurde nicht der Vater dorthin versetzt, so aber Jahnel, Kurzbiographien (1978) S. 86. 37 B. Windscheid, De valida (1838) S. 62 (Dissertationenvita), Windscheid trat in die Quinta ein, lat. Lebenslauf 1834, SchulA Görres-Gymnasium Düsseldorf; zum Gymnasium Recklinghausen Wiese, Schulwesen (1864) S. 307 f.; – nicht Schüler der Knabenschule wie in Emmerich, so aber Landsberg, Geschichte (1910), Noten S. 361 Note 1. 38 Most, Geschichte (1921) S. 252; Wiese, Schulwesen (1864) S. 307 f. u. S. 353. 39 So Most, Geschichte (1921) S. 252; s. etwa Wüllner, Über die Verwandtschaft (1838). 40 Stammbuch Windscheid S. 23. 41 Betont von Oertmann, Lebensgang (1904) S. IX. 42 B. Windscheid, De valida (1838) S. 62 (Dissertationenvita). 43 Stammbuch Windscheid S. 23; hier ungenau Oertmann, Lebensgang (1904) S. IX. Der Wechsel nach Düsseldorf erfolgte wegen Umzugs dieser Verwandten, lat. Lebenslauf 1834, SchulA Görres-Gymnasium Düsseldorf. 29
A. Abstammung, Kindheit und Jugend (1817–1834)
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Vater Windscheid wurde nach Misshelligkeiten zwischen ihm und seinem obersten Vorgesetzten in der Rheinprovinz, dem Provinzialsteuerdirektor v. Schütz,44 183245 oder später ans Haupt-Steuer-Amt Brandenburg versetzt46, aber spätestens 183547 „nach Anordnung des damaligen preuß. Finanzministers Maaßen,48 eines Rheinländers, den mein Vater aus früherer Zeit kannte“, an den Rhein zurückgerufen, „wo er die einträgliche Stelle des Hypotheken-Bewahrers in Düsseldorf erhielt“.49 Mit dem Besuch des Düsseldorfer Gymnasiums ab Herbst 1829 beginnt Bernhard Windscheids eigentliche „Düsseldorfer Zeit“, die im Grunde genommen bis 1847 andauert. In dieser Zeit erlebt er ein anderes Düsseldorf als jenes aus dem Jahr 1817: Die die Wirtschaft behindernden Hemmnisse fallen. Preußen ist seit dem 26. Mai 1818 ein einheitliches Zollgebiet, das sich mit der Gründung des deutschen Zollvereins am 1.1.1834 über die Landesgrenzen hinaus erweitert.50 Auch der Handel mit Holland wird wieder möglich, und 1831 endet endlich das von Johann Wilhelm Windscheid schon 1775 bekämpfte Kölner Stapelrecht.51 Durch den Bau der Düsseldorf-Elberfelder52, der Düsseldorf-Aachener53 und die Streckenführung der Köln-Mindener Eisenbahn über Düsseldorf 54 verbessert sich die Infrastruktur Düsseldorfs weiter. Einer der Direktoren der Köln-Mindener Bahn wird Bernhards Onkel Karl Windscheid, und auch sein Bruder Wilhelm wird spä44
Zu ihm s. Bär, Behördenverfassung (1919) S. 376 u. S. 297 f. So B. Windscheid im Stammbuch Windscheid S. 21. 46 Handbuch Hof und Staat 1834, S. 245; dazu allg. Stöcker/Stöcker, Hintergrund (1970) S. 77: Es war das „Bestreben der preußischen Regierung in Berlin . . ., Beamte auch aus den westlichen preußischen Provinzen in den Osten zu versetzen.“ 47 Handbuch Hof und Staat 1834, S. 245: Windscheid Steuerrat in Brandenburg; ebd. 1835, S. 186: Windscheid Hypothekenbewahrer in Düsseldorf; nach B. Windscheid im Stammbuch Windscheid Rückversetzung schon 1833. 48 Zu ihm Petri, Preußen und das Rheinland (1965) S. 40. 49 Stammbuch Windscheid S. 21; zu den Hypothekenämtern, den Hypothekenbewahrern und ihrer ursprünglich mit dem franz. Recht eingeführten, dann aber im Bezirk des Appellationsgerichtshofes Köln beibehaltenen Funktion der formalen schriftlichen Fixierung von Rechten an Grundstücken s. Bär, Behördenverfassung (1919) S. 379 f. 50 Hüttenberger, Düsseldorf (1984) S. 371; Henning, Wirtschaft (1981) S. 191 u. S. 196. 51 Hüttenberger, Düsseldorf (1984) S. 371; zum Kölner Stapelrecht ausführlich Schmitz, Handel und Industrie (1888) S. 473–483, ebd. S. 485 Schilderung der mit dem Ende der Hemmnisse durch die Rheinschifffahrtskonvention von 1831 sich ergebenden Vorteile. 52 Am 20.12.1838 ist das Teilstück Düsseldorf-Erkrath als erste preußische Bahnlinie fertig; Vollendung der seit 1833 geplanten Strecke 1841: Henning, Wirtschaft (1981) S. 196 u. S. 317–319; Hüttenberger, Düsseldorf (1984) S. 373. 53 Im Jahr 1846, Hüttenberger, Düsseldorf (1984) S. 374. 54 1844–1847, dazu Henning, Wirtschaft (1981) S. 317 f.; Most, Geschichte (1921) S. 174. 45
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
ter bei diesem Unternehmen als Ingenieur beschäftigt sein.55 So erfährt Düsseldorf nun einen durch die allgemeine Ostwärtsausdehnung der industriellen Entwicklung noch verstärkten Wirtschaftsaufschwung, der aus der bisherigen Verwaltungs- auch eine Industriestadt werden lässt – allerdings auch begleitet ist von den Schattenseiten eines entstehenden Industrieproletariats.56 Diese Entwicklung erreicht einen Höhepunkt ab den fünfziger Jahren, den eigentlichen „Gründerjahren“ in Düsseldorf, als zu den bestehenden Betrieben besonders des textilverarbeitenden Gewerbes die Eisenindustrie hinzukommt. Schon 1855 bauen auch Otto und Ferdinand Windscheid, Söhne von Bernhards Onkel Karl Windscheid, eine Eisengießerei und Maschinenfabrik auf.57 Den Status einer (Landes-)Hauptstadt erlangt Düsseldorf zwar nicht mehr, die obersten Gerichte für die Rheinprovinz haben ihren Sitz in Köln und Berlin,58 und die Landesuniversität wird 1818 in Bonn gegründet,59 aber immerhin bleibt Düsseldorf Sitz eines Regierungspräsidenten und ab 1824 des Provinziallandtages.60 Außerdem besitzt es ein großes Landgericht,61 bei dem auch Bernhards Brüder Franz und Eugen als sogenannte Advokat-Anwälte, also studierte Juristen, die auch vor Gericht plädieren durften,62 tätig werden sollten. Dieses Landgericht wurde dadurch für Düsseldorf höchst bedeutsam, dass in den Jahren 1827 bis 1829 der Dichter und Dramatiker Karl Leberecht Immermann und der Dichter Friedrich von Üchtritz als Landgerichtsräte sowie der Kunsthistoriker Karl Schnaase als Prokurator nach Düsseldorf versetzt wurden.63 Dies und die Berufung Wilhelm v. Schadows 1826 als Leiter der 1819 neu gegründeten Kunstakademie, die bis 1836 eine Blütezeit erlebte und, in ihrer Bedeutung mit Paris und
55 Zu Karl Windscheid Stammbuch Windscheid S. 19 f. und Most, Geschichte (1982) S. 53 u. 60; bei ihm S. 86 f. auch Hinweis auf Karl Windscheids Zeit als Düsseldorfer Gemeinderat zwischen 1846 und 1850; zu Wilhelm Windscheid Stammbuch Windscheid S. 30. 56 Zur Bewegung des industriellen Fortschritts von West nach Ost Hüttenberger, Düsseldorf (1984) S. 372; zum Wirtschaftsaufschwung in den 30er und 40er Jahren Henning, Wirtschaft (1981) S. 194–197; zu den schlechten Arbeitsbedingungen ders., ebd. S. 265–270. 57 Henning, Wirtschaft (1981) S. 216–218 u. S. 245; Most, Geschichte (1921) S. 190; Hüttenberger, Düsseldorf (1984) S. 372. 58 Bär, Behördenverfassung (1919) S. 407: Appellationsgerichtshof in Köln, Revisions- und Kassationshof in Berlin. 59 Bär, Behördenverfassung (1919) S. 542–549. 60 Henning, Wirtschaft (1981) S. 194; Dotterweich, Sybel (1978) S. 30. 61 Bär, Behördenverfassung (1919) S. 401–404; Nellen, Gerichtswesen (1960) S. 83– 86; zur Geschichte des LG Düsseldorf s. umfassend Düsseldorf und sein Landgericht 1820–1970 (1970). 62 Neuber, Rechtsanwaltschaft (1975) S. 23–27, der jedoch in seiner Arbeit die Brüder Franz und Eugen Windscheid nicht unterscheidet. 63 Stöcker/Stöcker, Hintergrund (1970) S. 79–81; G. Fischer, Rechts- und Gerichtswesen (1970) S. 39 f.; Maync, Immermann (1921) S. 232–235.
A. Abstammung, Kindheit und Jugend (1817–1834)
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Brüssel vergleichbar, bis zum Ende des Jahrhunderts den neben München bedeutendsten Einfluss auf die Malereigeschichte in Deutschland ausübte,64 machten Düsseldorf zu einem bedeutenden kulturellen Zentrum. Immermann übernahm 1832 die Leitung des Düsseldorfer Theaters und führte es auf ein zuvor nicht gekanntes Niveau.65 1834 bis 1836 wirkte bei ihm Christian Dietrich Grabbe66, und 1833 bis 1835 gelang es, Felix Mendelssohn-Bartholdy, der als Leiter des rheinischen Musikfestes 1833 nach Düsseldorf gekommen war, als städtischen Musikdirektor zu verpflichten.67 Durch seine Zusammenarbeit mit Immermann konnten auch Opernaufführungen im städtischen Theater geboten werden. Im Mittelpunkt des politischen wie kulturellen Düsseldorf stand das Haus des Regierungsrates Heinrich Philipp Ferdinand v. Sybel, Vater des Historikers Heinrich v. Sybel und Vertreter der politisch wie wirtschaftlich liberalen Ideen des rheinischen Bürgertums. Er verteidigte die Fortschritte aus der französischen Zeit gegenüber absolutistisch-restaurativen Tendenzen der preußischen Regierung.68 Kulturelles Zentrum war der Salon seiner Frau Amalie, in dem sich die Vertreter von Kunst und Kultur trafen69 und besonders Immermann „ein fast täglich eintretender Hausfreund“ war.70 Besonders er machte auf den Sohn Heinrich den „Eindruck geistiger Superiorität bei hinreißender Liebenswürdigkeit.“ 71 Bernhard Windscheid lernte den gleichaltrigen Heinrich v. Sybel72 bei seinem Eintritt ins Düsseldorfer Gymnasium als Klassenkameraden kennen.73 Daraus entstand eine Freundschaft, die sich noch Jahrzehnte später bewähren sollte. In Düsseldorf war Windscheid ein „gern gesehener Gast“ im Hause Sybel, wo er sicher das politische und kulturelle Leben kennengelernt, möglicherweise auch
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Mai, Kunstakademie (1984) S. 197, S. 211, S. 227 und S. 233. Hasubek, Immermanns Stellung (1984) S. 303–311; Schwab-Felisch, Schauspielhaus (1970) S. 10–23. 66 Henning, Wirtschaft (1981) S. 194 u. S. 336. 67 Peters, Musikkultur (1984) S. 363 f.; eingehend zu den ab 1818 bestehenden niederrheinischen Musikfesten Alf, Geschichte (1940), bes. S. 162–240. 68 Dotterweich, Sybel (1978) S. 24 f. m.w. Nachw.; zur preußischen Rheinlandpolitik des 19. Jh. allgemein Koselleck, Preußen (1975), öfters zwischen S. 354 u. S. 652 (s. Register Rheinland). 69 Dotterweich, Sybel (1978) S. 30–33; Stöcker/Stöcker Hintergrund (1970) S. 79 u. S. 82. 70 Sybel 2. Autobiographie, BA Koblenz N 193 Sybel Nr. 4 Bl. 2r; – zu Immermann in Düsseldorf s. Putlitz, Immermann (1870) Bd. 1, S. 161–358 u. Bd. 2; Maync, Immermann (1921) S. 187–571. 71 Sybel, 1. Autobiographie, BA Koblenz N. 193 Sybel Nr. 3, Bl. 2r. 72 Über ihn Dotterweich, Sybel (1978). 73 Sybel, 2. Autobiographie, BA Koblenz N 193 Sybel Nr. 4 Bl. 2r: „Im Gymnasium fand ich mich mit Bernhard Windscheid . . . zusammen. Wir waren bald eng verbundene Kameraden und ehrgeizige Schüler.“; Varrentrapp, Sybel (1897) S. 9; Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 595. 65
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
daran teilgenommen hat.74 Später ist er als junger Dozent jedenfalls zu Karl Immermann und seiner Frau Marianne in persönliche Beziehung getreten.75 Das ehemalige Jesuitengymnasium und damalige „königliche Gymnasium“ in Düsseldorf 76 war seit 1813 von Karl Wilhelm Kortüm im Sinne des Neuhumanismus reformiert worden.77 Ziel des Unterrichts war die innere Geistesbildung, losgelöst von jedem unmittelbar praktischen Zweck.78 Einen Schwerpunkt bildete die Beschäftigung mit dem klassischen Altertum und den alten Sprachen Griechisch und Latein.79 Mit der Reform einher gingen aber seit 1825 sowohl eine Erweiterung des Fächerkanons (seit 1825 wurde Unterricht in philosophischer Propädeutik, besonders empirischer Psychologie und Logik dringend angeraten) als auch eine weit gefasste Bestimmung der jeweiligen Lehrinhalte.80 Das bedeutete für die Schüler 34 bis 38 Stunden wöchentlichen Unterrichts, wozu noch drei bis fünf Stunden täglicher häuslicher Arbeit gerechnet werden müssen.81 Den verbreiteten Klagen wegen die Ziele der Reform konterkarierender Überbelastung der Schüler wie des Lehrpersonals82 schenkte das Ministerium möglicherweise deshalb kein Gehör, weil ihm angesichts hoher Studentenzahlen „starke Anforderungen an die Schulleistungen“ „als das geeignetste Mittel“ erschienen, um „die Minderbegabten und die Minderbemittelten vom Studium abzuhalten.“ 83 Kortüm lehrte schon 1822 nicht mehr. Sein Nachfolger und ab 1827 offizieller Direktor wurde Theodor Brüggemann, den 1832 Franz Wüllner ablöste.84 Beide 74
Oertmann, Lebensgang (1904) S. X. Siehe Immermann, Tagebücher (1984) S. 686 (4.6.1840): „Besuche von Windscheidt(!), Hasenclever“; erster Bericht eines Besuches bei Immermann von B. Windscheid selbst in einem Brief an H. v. Sybel vom 28./29.11.1839, GStA PK Berlin I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 49–51v. 76 galt 1804 bis 1854 als paritätisch, doch schon ab 1827 war die Lehrberufung wieder vom katholischen Bekenntnis abhängig; 1833 hatte es 286 Schüler: Wiese, Schulwesen (1864) S. 353; dazu auch Klöcker, Brüggemann (1975) S. 32. 77 Asbach, Charakteristik Kortüms (o. J.) S. 3–5; Most, Geschichte (1921) S. 250– 252. 78 Kniffler, Schulwesen (1888) S. 277; Most, Geschichte (1921) S. 250. 79 Dotterweich, Sybel (1978) S. 38; Most, Geschichte (1921) S. 250: ab 1825 wurde auch wieder Französisch unterrichtet. 80 Paulsen, Geschichte (1921) S. 327–335. 81 Paulsen, Geschichte (1921) S. 338; Folge: eine 60–70 Stunden-Woche! 82 Paulsen, Geschichte (1921) S. 335–339 u. S. 369–389. 83 Paulsen, Geschichte (1921) S. 340–343, Zitat S. 343; den rapiden Anstieg der Studentenzahlen von 1815 bis 1830 bestätigen Eulenburg, Frequenz (1904) S. 253 f. u. Kolbeck, Juristenschwemmen (1978) S. 37: zwischen 1820 und 1830 Verdoppelung. 84 Wiese, Schulwesen (1864) S. 353; Dotterweich, Sybel (1978) S. 38 Fn. 63; Kniffler, Schulwesen (1888) S. 277 f.; zu Brüggemann s. Klöcker, Brüggemann (1975), dort S. 40–50 Beschreibung seines Wunsches nach „unter dem Horizont christlicher Gesinnung angesiedelte[r] neuhumanistische[r] Bildung“ (Zitat Klöcker S. 40). 75
A. Abstammung, Kindheit und Jugend (1817–1834)
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charakterisiert Heinrich v. Sybel als „obwohl außer der Schulstube zu klerikalen Tendenzen neigend, . . . tüchtige und begeisterte Philologen“ mit der Fähigkeit, „ihre Schüler für das Alterthum zu begeistern.“ 85 Sich selbst bezeichnet er wie seinen Freund Bernhard Windscheid als „ehrgeizige Schüler“, wobei Bernhards besondere Stärke Latein gewesen sei.86 Lateinlehrer und Lehrer für katholische Religion war damals Prof. Hagemann.87 In den philosophischen Fächern unterrichtete 1826 bis 1836 Immanuel Hermann Fichte,88 der Verfechter eines spekulativen Theismus und Sohn Johann Gottlieb Fichtes. Die Anstalt, in die Bernhard Windscheid im Herbst 1829 eingetreten ist,89 war bis 1831 im alten Franziskanerkloster untergebracht und zog dann aus den viel zu eng gewordenen Räumlichkeiten in einen Neubau an der Alleenstraße um.90 Bernhard zeigte viel Fleiß und machte große Fortschritte. Er und Heinrich v. Sybel waren die jüngsten, aber auch begabtesten Schüler ihrer Klasse.91 1833/34 gehörten beide zu jenem Abiturjahrgang, in dem die Kandidaten, durch Fichte ausgebildet,92 „in Beantwortung der vorgelegten Fragen einen sehr erfreulichen Grad von Klarheit und Schärfe in ihren philosophischen Kenntnissen, wie auch viel Gewandtheit und Bestimmtheit in der Darstellung und Entwicklung derselben“ erreichten.93
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Sybel, 1. Autobiographie, BA Koblenz N 193 Sybel Nr. 3, Bl. 2v. Sybel, 2. Autobiographie, BA Koblenz N 193 Sybel Nr. 4, Bl. 2. 87 Küpper, Kath. Gemeinde (1888) S. 99 f. Fn. 1. 88 Ehret, Immanuel Hermann Fichte (1986) S. 61–88. Fichte war danach 1836–1842 ao. Prof. für Philosophie in Bonn, ebd. S. 89–97. 89 B. Windscheid, De valida (1838) S. 62 (Dissertationenvita): Eintritt Herbst 1829; Nach seinem lat. Lebenslauf 1834 (SchulA Görres-Gymnasium Düsseldorf) trat Windscheid 1829 in die Tertia ein, stieg dann bis 1832 über Unter- und Obersekunda in die Prima auf. Windscheids Reifezeugnis vom 6.9.1834 (SchulA Görres-Gymnasium Düsseldorf) bezeugt ihm eine fünfjährige Mitgliedschaft, davon zwei Jahre in Prima. Daher ist es unmöglich, dass Windscheid in der ersten Klasse des Gymnasiums Heinrich von Sybel kennen lernte – so aber Oertmann, Lebensgang (1904) S. X – da dieser schon 1826 in das Gymnasium aufgenommen wurde, Varrentrapp, Sybel (1897) S. 9. 90 Most, Geschichte (1921) S. 250–252; Wiese, Schulwesen (1864) S. 353; Kniffler, Schulwesen (1888) S. 278; Abbildung bei Weidenhaupt, Düsseldorf (1976) S. 98 und Ehret, Immanuel Hermann Fichte (1986) S. 62. 91 Zum Fleiß Oertmann, Lebensgang (1904) S. X (Zeugniszitat); zur Begabung Dotterweich, Sybel (1978) S. 38 Fn. 63. – Im Reifezeugnis vom 6.9.1834 (SchulA GörresGymnasium Düsseldorf) wird Windscheid neben „guten Anlagen“ und fleißiger Beschäftigung mit allen Fächern auch „freundliches und zuvorkommendes Wesen“, „Bescheidenheit“ und „sittliche[r] Ernst“ attestiert. 92 Stöcker/Stöcker, Hintergrund (1970) S. 77: Fichte „unterrichtete dort [in Düsseldorf] Bernhard Windscheid und Heinrich v. Sybel.“ 93 Ehret, Immanuel Hermann Fichte (1986) S. 85 f.: Bericht des Direktors Franz Wüllner vom 6. November 1834 an die vorgesetzte Behörde. – Fichte unterrichtete Windscheid in deutscher Literatur, Logik und Psychologie, s. Protokolle der mündlichen Reifeprüfung in diesen Fächern am 3. u. 4.9.1834, SchulA Görres-Gymnasium Düsseldorf. 86
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
Im Herbst 1834 war Windscheids Jahrgang der erste, für dessen Abgang vom Gymnasium das neue Reglement vom 4. Juni 183494 galt. Es regelte detailliert nicht nur die schriftliche und mündliche Prüfung in den Hauptfächern Deutsch, Latein, Griechisch und Mathematik, sondern auch diejenige in Französisch (schriftlich und mündlich), Religionskenntnis, Geschichte, Geographie, Naturbeschreibung, Physik und philosophischer Propädeutik (alle diese Fächer nur mündlich).95 Damit war dieses Abitur von einer Breite, wie man sie vorher nicht gekannt hatte und sie auch später nicht mehr forderte.96 Zu Michaelis erhielt der 17jährige Bernhard Windscheid von der Prüfungskommission sein für die Immatrikulation an einer Universität erforderliches97 Maturitäts- und Abgangszeugnis „unter Bezeigung ihrer besonderen Zufriedenheit und mit der gegründeten Hoffnung, daß er auf dem so rühmlich betretenen Wege fortschreiten und überall Gediegenes und Treffliches leisten werde“.98 Windscheid, der am Gymnasium besonders durch „mehr als gewöhnliche Gewandtheit in der Darstellung“ beeindruckte,99 sieht nun seine Aufgabe darin, „sich solche Kenntnisse zu erwerben“, die ihn befähigen, „als nützliches Glied der bürgerlichen Gesellschaft zur Beförderung des Wohls seiner Nebenmenschen mit[zu]wirken“. In seinem Lebensberuf, den er „seiner eigenen Neigung“ folgend wählt, hofft er „am Glücklichsten leben und seinen Mitmenschen am Nützlichsten sein zu können“.100 So wendet er sich nun zum Studium der Rechtswissenschaft nach Bonn,101 wobei er aber zugleich auch seine geschichtlichen und philosophischen Neigungen weiter verfolgen möchte.102 94 Genehmigung durch allerhöchste Kabinettsorder vom 25. Juni 1834. Text von Kabinettsorder und Reglement bei Koch, Universitäten II,1 (1840) S. 364–381. 95 Reglement vom 4.6.1834 §§ 16 f. u. 23 bei Koch, Universitäten II,1 (1840) S. 367–370. – Diese Anforderungen bestätigt das Protokoll über die mündliche Prüfung vom 2. bis 4.9.1834 in insgesamt 12 Einzelfächern, SchulA Görres-Gymnasium Düsseldorf. 96 Siehe die Regelungen von 1812, 1834 und 1856 im Vergleich bei Wiese, Schulwesen (1864) S. 484–500. 97 Reglement vom 4.6.1834 § 33 bei Koch, Universitäten II,1 (1840) S. 376. 98 Reifezeugnis vom 6.9.1834, SchulA Görres-Gymnasium Düsseldorf; ungenau, nämlich mit deutlichem Hinweis auf wissenschaftliche Fähigkeiten wiedergegeben von Oertmann, Lebensgang (1904) S. X; eine nahezu identische Formulierung findet sich bei Varrentrapp, Sybel (1897) S. 11, als Zitat aus Sybels Reifezeugnis! 99 Zitat aus der Benotung des Faches deutsche Sprache, Reifezeugnis, SchulA Görres-Gymnasium Düsseldorf; ähnliches gilt für Latein und Griechisch. 100 Zitate aus dem Abituraufsatz „Über die Gründe, die uns bei der Wahl unseres Lebensberufes leiten sollen“, SchulA Görres-Gymnasium Düsseldorf, von Fichte im August 1834 mit der besten Note aller Kandidaten (1–2a) versehen. 101 So die Begründung für den Abgang vom Gymnasium im Reifezeugnis und im von Windscheid zum Abitur vorgelegten lateinischen Lebenslauf, beides SchulA Görres-Gymnasium Düsseldorf. 102 Ende des lateinischen Lebenslaufs Windscheids von 1834: „semper autem cum ea [iurisprudentia] historiam et philosophiam coniungere cogitat.“
B. Studium, Promotion und Habilitation (1834–1840)
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B. Studium, Promotion und Habilitation (1834–1840) I. Studium (1834–1837) Am 29. Oktober 1834 immatrikulierte sich Bernhard Windscheid für das Fach Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn,103 der Landesuniversität des preußischen Rheinlandes,104 an der zwei Jahre zuvor schon sein Bruder Franz für ein Jahr das gleiche Fach belegt hatte,105 obwohl zu Bernhards Gymnasialzeit das preußische Ministerium vor dem Jurastudium gewarnt hatte.106 Bonn, wo Windscheid zunächst in der Sternstraße 199 wohnte,107 ist in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts eine Mittelstadt von zirka 13.000 Einwohnern.108 Von den Drangsalen und der Schuldenlast der Franzosenzeit109 beginnt sie sich – auch dank der 1818 neu gegründeten Universität110 – gerade zu erholen.111 Noch bestimmen nicht Industrie und Fabrikarbeiterschaft, sondern Kaufleute, Landwirte und teils wohlhabende, teils darbende Handwerker und kleinere Gewerbetreibende das Bild der Stadt.112 Zu ihnen kommen als „Oberschicht“ einige Kaufleute, daneben Beamte, Offiziere, die Professorenschaft113 sowie auch schon „Rentiers“, die ebenso wie die hier verkehrenden wohlhabenden Fremden 103 Siehe Amtliches Verzeichniss Bonn, WS 1834/35; unrichtig Jahnel, Kurzbiographien (1978) S. 86, Windscheid habe „aus Neigung“ mit einem „Sprachenstudium in Berlin“ begonnen, dann 1834–1836(!) in Berlin, Bonn und wiederum Berlin Jura studiert. 104 Siehe das königliche Versprechen einer rheinischen Universität in der Proklamation vom 5.4.1815, Renger, Gründung (1982) S. 33; zum auch kritischen Verhältnis der Rheinländer zu ihrer Universität s. Braubach, Kleine Geschichte (1968) S. 11–13 u. S. 32. Sich selbst sah die Universität 1833/34 dagegen als „europäische Anstalt am Rhein“, ebd. S. 18. 105 Immatrikuliert für das SS 1832 und das WS 1832/33, Amtliches Verzeichniss Bonn. 106 Conrad, Universitätsstudium (1884) S. 106. Die Folge war ein Rückgang der Studentenzahlen, dennoch wurde diese Warnung 1836 wiederholt: Kolbeck, Juristenschwemmen (1978) S. 40. 107 Amtliches Verzeichniss Bonn WS 1834/35; die Sternstraße war eines der beliebtesten studentischen Quartiere, Metzger, Anlagen (1969) Anl. 14, S. 351. 108 Höroldt, Sozialstruktur (1973) S. 288 Tab. 1: 1834: 12.574, 1837: 13.202, 1840: 13.741; Metzger, Anlagen (1969) Anl. 13, S. 346: 1834: 13.465, 1838: 14.245, 1840: 15.262. 109 Ennen/Höroldt, Kleine Geschichte (1976) S. 185. 110 Ennen/Höroldt, Kleine Geschichte (1976) S. 200 ff.; Höroldt, Sozialstruktur (1973) S. 330. 111 Ennen/Höroldt, Kleine Geschichte (1976) S. 189 f.; zugleich jedoch Niedergang des Gewerbes nach 1814 wegen Wegfalls der Kontinentalsperre und der Zollgrenze am Rhein: Höroldt, Bedeutung der Universität (1969) S. 275. 112 Ennen/Höroldt, Kleine Geschichte (1976) S. 192 f.; vgl. Höroldt, Sozialstruktur (1973) S. 288 Tab. 1, 302. 113 Höroldt, Bedeutung der Universität (1969) S. 276.
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
(besonders von den britischen Inseln) die landschaftliche Schönheit des Rheinlandes entdeckt haben114 und daher in Bonn von den Einkünften ihres Vermögens leben.115 Die schöne Landschaft muss hier über das magere künstlerischkulturelle Angebot116 hinwegtrösten – sieht man einmal von der „Lesegesellschaft“ ab. Diese bietet ihren Mitgliedern aus den „besseren Kreisen“ und der Studentenschaft117 nicht nur die Möglichkeit der Lektüre mehrerer Zeitungen und Zeitschriften, sondern auch den Rahmen für Bälle und Feste, ist kurz gesagt der gesellschaftliche Mittelpunkt der Stadt.118 Bereits im Besitzergreifungspatent vom 5. April 1815 hatte König Friedrich Wilhelm III. die Errichtung einer Universität versprochen. Den Wettkampf besonders zwischen Köln und Bonn um den Sitz dieser Universität gewann Bonn nicht nur wegen des Einsatzes der Stadtverwaltung und des damaligen Kreisdirektors Rehfues, sondern letzten Endes deshalb, weil Köln und dessen Interessenvertreter eine große katholische Universität als Gegengewicht zur protestantischen Universität Berlin wünschten, während für Friedrich Wilhelm III. immer nur eine paritätisch strukturierte Universität in Frage kam, für die das „heilige“ Köln nicht als der passende Standort erschien.119 Die im Schloss, der ehemaligen Residenz der Kölner Kurfürsten, untergebrachte Universität120 hatte von Anfang an darunter zu leiden, dass ihre Gründungsphase mit dem Beginn der Demagogenverfolgung nach den Karlsbader Beschlüssen von 1819 zusammenfiel. Äußeres Zeichen dieser Klimaveränderung war die Bestellung von außerordentlichen Regierungsbevollmächtigten als Kontrollorgane bei jeder Universität.121 Amtsinhaber in Bonn war von 1819 bis 1842
114 Ennen/Höroldt, Kleine Geschichte (1976) S. 193 u. S. 195: wesentlicher Grund für die Eisenbahnlinie Köln–Bonn. 115 Ennen/Höroldt, Kleine Geschichte (1976) S. 213; Höroldt, Bedeutung der Universität (1969) S. 276. 116 Konzerte gab es vor 1840 kaum, und das seit 1826 bestehende Theater wurde von der Kölner Bühne bespielt: Höroldt, Bedeutung der Universität (1969) S. 290–293. Überblick bei Ennen/Höroldt, Kleine Geschichte (1976) S. 207–213. 117 Zugangserleichterungen für Studenten seit 1834: Dietz, Bürger und Studenten (1969) S. 225. 118 Umfassend Dyroff, Festschrift (1937), bes. S. 22–29, S. 53–57, S. 61 f. u. S. 66 und Ruckstuhl, Geschichte (1961), bes. S. 98–145; auch Ennen/Höroldt, Kleine Geschichte (1976) S. 214. 119 Dazu umfassend Renger, Gründung (1982) S. 23–60, bes. 58 f.; Höroldt, Stadtverwaltung und Universität (1969) S. 23–35; Ennen/Höroldt, Kleine Geschichte (1976) S. 200 (Zitat). 120 Stiftungsurkunde vom 18.10.1818 bei Koch, Universitäten I (1839) S. 174; Gebäudebeschreibung 1839: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität (1968) S. 8–15, Grundriss ebd. im Fotographienanhang. 121 Siehe die Bekanntmachung der Bundestagsbeschlüsse vom 20.9.1819 am 18.10. 1819, Koch, Universitäten I (1839) S. 15 f.; ebd. S. 16–29 Folgeverordnungen, die letzte (S. 25–29) vom 5.12.1835 nach Bundestagsbeschluss vom 14.11.1834. s. dazu auch die
B. Studium, Promotion und Habilitation (1834–1840)
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Philipp Joseph Rehfues.122 In diese Zeit fiel der Verlust so bekannter Lehrer wie Ernst Moritz Arndt (bis 1840) und der Juristen Carl Theodor Welcker und besonders Karl Joseph Anton Mittermaier durch Ausschluss oder freiwilligen Weggang.123 Dazu kam der Tod des bedeutenden Historikers Niebuhr 1831,124 so dass beim Eintritt Windscheids eigentlich nur noch der alternde August Wilhelm v. Schlegel als Bonner Berühmtheit zu nennen ist.125 Die juristische Fakultät dieser mit 832 Studenten, davon 265 Juristen, mittelgroßen Universität126 bestand im WS 1834/35 aus acht Personen, den ordentlichen Professoren Ferdinand Walter, Moritz August v. Bethmann-Hollweg und Eduard Puggé, den außerordentlichen Professoren Eduard Böcking, Peter Franz Deiters und Romeo Maurenbrecher sowie den Dozenten Ludwig Arndts und Clemens Perthes.127 Diese Aufzählung allein zeigt schon, wie sehr sich der Einfluss, den das Haupt der historischen Rechtsschule, Friedrich Carl v. Savigny, 1818 auf die Besetzung der Bonner Lehrstühle hatte,128 bis 1834 besonders bei den Romanisten erhalten hat:129 Bethmann-Hollweg, Böcking und Arndts kamen als Savigny-Schüler aus Berlin, und auch Puggé gehörte der „historisch-philologischen Richtung“ an.130 Maurenbrecher vertrat dagegen deren germanistischen Flügel.131 zahlreichen Bestimmungen bei Koch, Universitäten II,1 (1840) S. 113–140 u. S. 149– 160. 122 Ennen/Höroldt, Kleine Geschichte (1976) S. 203 f.; Charakterisierung Rehfues’ bei Renger, Gründung (1982) S. 279–281 u. S. 286–288, Du Moulin Eckart, Geschichte (1929) S. 417 f. u. Stein von Kamienski, Kuratoren (1968) S. 532–537. 123 Ennen/Höroldt, Kleine Geschichte (1976) S. 201 f.; Du Moulin Eckart, Geschichte (1929) S. 409 f.; Braubach, Kleine Geschichte (1968) S. 13 u. S. 21; Stein von Kamienski, Kuratoren (1968) S. 534; Landsberg, Geschichte (1910) Text S. 415. 124 Ennen/Höroldt, Kleine Geschichte (1976) S. 205: nach 1830 „allgemeine geistige Ermattung“; Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität (1968) S. 7; Du Moulin Eckart, Geschichte (1929) S. 411 f. 125 Stein von Kamienski, Kuratoren (1968) S. 534; Ennen/Höroldt, Kleine Geschichte (1976) S. 205; neben ihn stellt Braubach, Kleine Geschichte (1968) S. 19 f. noch den Altertumswissenschaftler Friedrich Gottlieb Welcker. 126 Amtliches Verzeichniss Bonn WS 1834/35, Tabellarische Übersicht, Stand 24.12. 1834; Bonn nimmt 1831–1841 unter 20 Universitäten Platz 8 ein, Conrad, Universitätsstudium (1884) S. 24 f. Die juristische Fakultät liegt auf Platz 6, ebd. S. 110 f. 127 Amtliches Verzeichniss Bonn WS 1834/35. 128 Renger, Gründung (1982) S. 84 u. S. 146–148. 129 M. Lenz, Geschichte II,1 (1910) S. 384 f. (Böcking); Heymann, Hundert Jahre (1910) Sp. 1119 (Böcking, beeinflusst von Savigny, Schleiermacher und Hegel) u. Sp. 1126–1128 (Bethmann-Hollweg); Landsberg, Professuren (1923) S. 17 (BethmannHollweg) u. S. 18 f. (Böcking); Landsberg, Geschichte (1910), Noten S. 221 f. Note 6 (Arndts). 130 Landsberg, Professuren (1923) S. 17; dort auch dessen Ansicht, dass die „Bonner juristische Fakultät . . . lange Zeit hindurch geradezu nächst Berlin als der zweite Hauptstützpunkt und Sammelort dieser [historischen] Schule . . . gegolten hat.“ 131 Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 398.
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
Windscheids Studium folgte nicht den universal angelegten Plänen seiner Zeit,132 sondern er begann mit den üblichen drei Grundvorlesungen des ersten Semesters.133 Er hörte Enzyklopädie bei Bethmann-Hollweg, römische Rechtsgeschichte bei Walter134 und Institutionen bei Böcking, daneben aber immerhin noch Logik und empirische und theoretische Psychologie bei dem ordentlichen Philosophieprofessor van Calker.135 Alle diese Lehrer bezeugten ihm fleißigen und aufmerksamen Besuch ihrer Veranstaltungen.136 Dagegen fehlt für den Besuch der ebenfalls belegten Publica des Historikers Hüllmann über Geldwesen und Banken, v. Schlegels über die Grammatik und Charakteristik der deutschen Sprache und des Professors für alte Literatur Friedrich Gottlieb Welcker über Sophokles’ Antigone die Bestätigung der Dozenten.137 Im zweiten Semester, in dem Windscheid in die Sternstraße 289 umzog,138 setzte er das juristische Studium mit den Privatvorlesungen über Naturrecht bei Puggé und die Pandekten bei Böcking regelgerecht fort. Dazu kam noch ein allerdings nicht abgezeichnetes Publikum über die Gaius-Institutionen bei Bethmann-Hollweg und der Besuch einer Vorlesung des ordentlichen Literaturprofessors Diez über Dantes Göttliche Komödie. Diese Übersicht zeigt den Studienplan eines zielstrebigen und aufgeschlossenen Jurastudenten, der neben den Fachvorlesungen auch noch Zeit für seine philosophischen139 und literarischen Interessen erübrigen kann. Oertmann berichtet zwar, dass ihm das Studium bei Böcking sehr wenig behagt habe und er beinahe entschlossen gewesen sei, auf vergleichende Sprachforschung umzusat-
132 So fordert etwa die „Anleitung zum Studium der Rechtswissenschaft, nebst Studienschema, für die Universität zu Bonn. Vom 4. Dezember 1837“, Koch, Universitäten II,1 (1840) S. 239–245, über die ganze Universitätszeit verteilte „philosophische, historische, philologische, naturwissenschaftliche und mathematische Studien“ (ebda S. 243). Dazu der Kommentar Paulsens, Geschichte (1921), S. 270: „Der . . . Jurist hatte genug zu tun, den Anforderungen des Fachs gerecht zu werden.“ 133 Über alle von Windscheid gehörten Bonner Vorlesungen informiert sein Abgangszeugnis vom 5.9.1835, UA Bonn Personalakte Windscheid; außerdem s. B. Windscheid, De valida (1838) (Dissertationenvita) S. 62. 134 Obwohl Thibaut-Schüler auf Anregung Savignys 1819 berufen, Renger, Gründung (1982) S. 155; zur Vorlesung Landsberg, Professuren (1923) S. 14; Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 332–336. 135 Zu seiner ebenfalls von Demagogenverdächtigungen belasteten Berufung nach Bonn siehe Renger, Gründung (1982) S. 104 f. 136 Windscheids Bonner Abgangszeugnis, UA Bonn Personalakte Windscheid. 137 Windscheids Abgangszeugnis, UA Bonn Personalakte Windscheid. 138 Amtliches Verzeichniss Bonn SS 1835. 139 Angesichts einer philosophischen Ausbildung bei Immanuel Fichte, van Calker und Puggé erscheint der Vorwurf Wolfs, Bernhard Windscheid (1963) S. 604, Windscheid habe kein „tieferes philosophisches Studium“ genossen, unbegründet. Andererseits erscheint die Charakterisierung Klemanns, Sieben kleine Beiträge (1991), S. 214, als studium generale eher überzogen.
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teln.140 Dazu will jedoch Böckings Zeugnis über die Pandektenvorlesung nicht recht passen, in dem er Bernhard Windscheid „den unausgesetzt fleißigen Besuch und die erfreulichste Aufmerksamkeit“ „mit Vergnügen“ bezeugt141 – was bei einer Zuhörerschaft von höchstens 80 Personen142 kaum ein Blankoscheck gewesen sein dürfte143. Über Windscheid als Student in Bonn ist wenig bekannt. Das Leben war dort verhältnismäßig teuer,144 einerseits wegen der Zahlungskraft der ansässigen Rentiers,145 andererseits als Folge davon, dass die Stadt nicht zum kleinsten Teil von der Universität und ihren Angehörigen lebte.146 Schon seit 1819 bestanden trotz Verbot Verbindungen,147 darunter auch die Burschenschaft Alemannia.148 Nach deren zweiter durch die Zeitumstände erzwungenen Auflösung am 9.12.1832 gab es in Bonn nur noch die Corps Guestphalia, Rhenania und Borussia. Daneben lebte der burschenschaftliche Gedanke in der neu entstehenden Marcomannia, aus der später das Corps Saxonia hervorgehen sollte, fort.149 Es gibt jedoch keinen Hinweis auf ein Engagement Windscheids in irgend einer dieser Korporatio-
140 Oertmann, Lebensgang (1904) S. X; ebenso Bezold, Geschichte (1920) S. 405 und Landsberg, Geschichte (1910), Noten S. 361 Note 1; immerhin berichten Bezold, ebd., und Landsberg, Professuren (1923) S. 21, dass mindestens in späteren Jahren Böckings Vortrag alles andere als fesselnd gewesen sei. 141 Vermerk auf dem Bonner Abgangszeugnis, UA Bonn Personalakte Windscheid. 142 Im SS 1835 hatte die Fakultät 244 Jura-Studenten (Amtliches Verzeichniss Bonn). Davon dürften höchstens ein Drittel, wahrscheinlich weniger, bei einer Studienzeit von sechs Semestern gleichzeitig diese Vorlesung gehört haben. 143 Mehr spricht für eine positive Beeinflussung durch den gleichfalls philologisch interessierten Böcking, wie Klemann, Sieben kleine Beiträge (1991), S. 214 f., unter Hinweis auf dessen Charakterisierung durch Landsberg vermutet. 144 Dietz, Bürger und Studenten (1969) S. 234: Die Lebenshaltungskosten, die 1828 ca. 300 Taler pro Semester betrugen, stiegen in den 30er Jahren beträchtlich. 1840 kostete ein Zimmer nicht mehr 2,5–5 sondern 9–15 Taler pro Monat. Auch R. Delbrück, Lebenserinnerungen I (1905), S. 59, nennt das Leben in Bonn 1834 „zu teuer für mich“. 145 Höroldt, Bedeutung der Universität (1969) S. 273. 146 Höroldt, Bedeutung der Universität (1969) S. 269–272. 147 Dietz, Bürger und Studenten (1969) S. 217; Ennen/Höroldt, Kleine Geschichte (1976) S. 204; Höroldt, Stadtverwaltung und Universität (1969) S. 99–102, dort S. 100: Strafbarkeit der Mitgliedschaft seit 21.5.1824; Braubach, Kleine Geschichte (1968) S. 32; letztes Verbindungsverbot in der allerhöchsten Erklärung vom 5.12.1835 Art. 7 f., Koch, Universitäten I (1839) S. 27 f.; Höroldt, Bedeutung der Universität (1969) S. 282: Diese Mitgliedschaften änderten nichts am „musterhaften“ Betragen der Bonner Studenten. 148 Siehe zu deren Geschichte Oppermann, Burschenschaft Alemannia (1925), bes. S. 77–125. 149 Oppermann, Burschenschaft Alemannia (1925) S. 111–125, dort S. 116: Konstituierung als Corps am 6.5.1836; zur Geschichte der Jahre 1832–1836 mit kleinen Varianten auch Corps Saxonia (1937) S. 50–60, dort 57: Umwandlung in ein Corps bereits am 5.3.1836.
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
nen. Lediglich über den Düsseldorfer Freund Richard Hasenclever wären Kontakte zur Marcomannia denkbar.150 Die einzige persönliche Aussage Bernhard Windscheids über dieses Jahr besteht in einem kurzen aber wichtigen Hinweis in einem Brief an seinen Freund Heinrich von Sybel am 11. Januar 1840.151 Dort heißt es: „In meiner frühen Jugend war ich arrogant; d.h. ich sprach die geistige Überlegenheit, die ich über Andere zu haben glaubte, unverholen und ohne Form aus; das erzeugte, besonders in meinem ersten Universitätsjahre, eine bedeutende Reaktion gegen mich, die manches Herbe herbeiführte. Dadurch ließ ich mich – . . . – einschüchtern, und verlor nun der Welt gegenüber das Gleichgewicht, das auf einer richtigen Schätzung des eigenen Werthes beruht.“ Möglicherweise liegt hier eine der Wurzeln späterer innerer Konflikte. Aus welchen Gründen Windscheid ab dem zweiten Studienjahr nach Berlin wechselte, ist ungewiss. War es wegen dieser „bedeutenden Reaktion“ gegen ihn, oder weil Sybel dort schon seit dem WS 1834/35 war,152 weil sein Bruder Franz ebenfalls – von Ostern 1833 bis Frühjahr 1835 – in Berlin studiert hatte153 oder ganz einfach deshalb, weil für preußische Studenten damals der Wechsel an eine außerpreußische Universität mit Schwierigkeiten hinsichtlich des weiteren beruflichen Werdegangs verbunden sein konnte154 und sich innerhalb Preußens allein die Berliner Universität als Alternative bot? Jedenfalls war Windscheid vom 3.11.1835 bis zum 8.8.1837 an der Berliner Universität, der größten und angesehensten nicht nur Preußens sondern des ganzen deutschsprachigen Raumes, eingeschrieben.155 150 Oppermann, Burschenschaft Alemannia (1925) S. 114–116: Nach dem Frankfurter Wachensturm löste sich auch die Marcomannia am 27.4.1833 auf, lebte aber noch bis Mai 1836 als Kneipgesellschaft Rulandia fort. Einer der Ruländer war Richard Hasenclever. 151 Düsseldorf den 11./13.1.1840, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 52– 58v, 55r. 152 Amtliches Verzeichniss Berlin WS 1834/35, S. 35. 153 Amtliches Verzeichniss Berlin WS 1834/35, S. 39. So Klemann, Sieben kleine Beiträge (1991) S. 215. 154 Siehe Ssymank, Studententum (1910) S. 233. Zwischen dem 20.5.1833 und dem 13.10.1838 war einem preußischen Studenten der Besuch einer ausländischen Universität ohne ministerielle Genehmigung bei Strafe des Ausschlusses von allen öffentlichen Ämtern verboten, Allerh. Kabinettsorders vom 20.5.1833 und vom 13.10.1838, Koch, Universitäten II,1 (1840) S. 531–534. 155 UA HUB Album-Nr. 208/26; also nicht bereits 1834 Immatrikulation in Berlin, wie Oertmann, Lebensgang (1904) S. X, und Landsberg, Geschichte (1910), Noten S. 361 Note 1 meinen; falsch hierzu Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 595, der sagt, Windscheid habe sein Studium in Berlin begonnen, zwischen vergleichender Sprachwissenschaft und Jura geschwankt und sich dann „unter dem Einfluß der Vorlesung Savignys“ der Rechtswissenschaft zugewandt; ebenso täuscht sich Klemann, Sieben kleine Beiträge (1991) S. 216 f., wenn er eine Rückkehr nach Düsseldorf schon im Winter 1836/37 deswegen annimmt, weil er – unzutreffend –, die von Lesener veröf-
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Die Universität Berlin, an der Windscheid also zwei Drittel der damals vorgeschriebenen Mindeststudienzeit von drei Jahren156 verbrachte, war seit ihrer Gründung 1810 zum Modell der modernen deutschen Universität schlechthin geworden.157 Hier war die Verbindung von Forschung und Lehre nicht nur Programm, sondern praktizierte Wirklichkeit.158 Hier traf Windscheid auf den Kern der historischen Rechtsschule, die Berliner Juristenfakultät, und den berühmtesten Juristen seiner Zeit, Friedrich Carl von Savigny,159 für den die Lehre die Hauptaufgabe des Professors zu sein hatte160 und der die Qualität des Hochschullehrers 1834 danach beurteilte, ob es ihm gelang, die Studenten dadurch zum wissenschaftlichen Denken anzuleiten, dass er vor ihnen im Hörsaal die Gedanken der jeweiligen Wissenschaft entwickelte und so diese Wissenschaft selbst immer wieder gleichsam neu schuf.161 Aber auch an dieser Universität war die Glanzzeit des Beginns bereits vorüber. Fichtes Zeit war lange vergangen, Hegel 1831, Schleiermacher 1834 verstorben,162 der orthodoxe Theologe Hengstenberg kein gleichwertiger Ersatz und der Rechtspositivist Friedrich Julius Stahl wie auch Schelling als der neue große philosophische Denker noch nicht berufen.163 Geblieben waren Savigny und in der philosophischen Fakultät Ranke,164 das Vorbild einer neuen Epoche der historischen quellenbezogenen Forschung. In der juristischen Fakultät vermisste man Eichhorn, den Kopf des germanistischen Zweiges der historischen Rechtsschule, seit seinem frühen Weggang nach Göttingen 1817 und dem Ende des kurzen Zwischenspiels 1832 und 1833.165 So fentlichten Tagebuchaufzeichnungen Bernhard Windscheid und nicht dessen älterem Bruder Franz zuschreibt; zu den Relationen der Universitäten in Deutschland s. Eulenburg, Frequenz (1904) S. 261 f.; Conrad, Statistik (1893) Tab. I S. 118 u. S. 120; Conrad, Universitätsstudium (1884) S. 24 f. u. S. 110 f. 156 Ist Voraussetzung für die Auskultatorenprüfung: Allg. Gerichtsordnung III,4 Anh. § 448 (S. 186); siehe Goldschmidt, Rechtsstudium (1887) S. 182–184. 157 Kotowski, Bildungswesen (1968) S. 529 f.; den idealistisch-neuhumanistischen Geist gemeinsamen freien Forschens von Dozent und Student beschwört eindringlich Smend, Berliner Universität (1961) S. 5–16; Berlin als Modell ebd. S. 18. 158 Savigny, Wesen (1832) S. 577 f. 159 Zum beherrschenden Einfluss Savignys und seiner Schüler in Berlin Lenz, Geschichte II,1 (1910) S. 384 f. u. Wolff, juristische Fakultät (1902) S. 115; von Heymann, Hundert Jahre (1910) Sp. 1108, auf alle deutschen Juristenfakultäten erweitert. 160 Savigny, Wesen (1832) S. 585–587; Heymann, Hundert Jahre (1910) Sp. 1109: Bedeutendster Wirkungsort Savignys „im Grunde doch der Hörsaal in der Berliner Universität.“ 161 Savigny, Wesen (1832) S. 574. 162 Du Moulin Eckardt, Geschichte (1929) S. 367 f. 163 Vgl. Smend, Berliner Universität (1961) S. 20–27. 164 M. Lenz, Geschichte II,1 (1910) S. 503–505; Dove, Ranke (1888) S. 242 u. S. 258. 165 Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 255 f.
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gab es nur noch eine Person, die außer Savigny von sich reden machte. Das war der Hegelianer Eduard Gans, der einzige, der innerhalb der Fakultät in scharfer Opposition zu Savigny stand.166 Windscheids Studium konzentrierte sich hier mehr als in Bonn auf juristische Themen.167 Im Wintersemester 1835/36 hörte er bei Savigny zusammen mit Heinrich v. Sybel zwölfstündig Pandekten. Letzterer schildert begeistert Savignys brillanten Vortrag und die tiefen Einblicke, die er dabei in das kulturelle Leben der Römer habe tun können.168 Aus dieser systematischen Vorlesung gingen später Savignys „System“ und das „Obligationenrecht“ hervor.169 Bei dessen Schüler Adolf Friedrich Rudorff170 hörten beide Erbrecht (vierstündig), Windscheid außerdem noch zweimal wöchentlich ein Publikum über Ulpians Fragmente. Dazuhin besuchte Windscheid noch die fünfstündige Vorlesung des außerordentlichen Professors Roestell171 über deutsche Staats- und Rechtsgeschichte. Diese dreiundzwanzig Vorlesungsstunden pro Woche172 wurden noch ergänzt durch nächtliches Selbststudium.173 Das darauf folgende Sommersemester war weniger vollgeladen. Windscheid beschränkte sich auf sechs Stunden deutsches Privat- und Lehnrecht bei dem Privatdozenten Otto Göschen,174 ein einstündiges Publikum über einzelne Pandektenstellen bei Rudorff sowie – wohl auf Anregung Sybels175 – Rankes vierstündige Vorlesung über deutsche Geschichte.176 Im folgenden Winter ging er über auf Kirchenrecht bei Göschen (fünfstündig), gemeinen und preußischen Zivilprozess bei Rudorff (sechsstündig) sowie Kriminalrecht bei dem beeindruckenden Redner177 Gans (vierstündig).178 Im Sommersemester 166 M. Lenz, Geschichte II,1 (1910) S. 390–393; Heymann, Hundert Jahre (1910) Sp. 1123–1125; Landsberg, Geschichte (1910) Text, S. 354–368, bes. Braun, Schwan und Gans (1979). 167 Nachweis aller von Windscheid in Berlin besuchten Vorlesungen ist die Akte UA HUB, Rektor und Senat Litt.A, No. 6, Bd. CLXIII, Bl. 14 ff.; damit stimmt überein B. Windscheid, De valida (1838) (Dissertationenvita) S. 63. 168 Sybel, 1. Autobiographie, BA Koblenz N 193 Sybel Nr. 3 Bl. 3r. 169 Heymann, Hundert Jahre (1910) Sp. 1109; für Wolff, juristische Fakultät (1902) S. 116, der Beweis für die auch dogmatische Ausrichtung der historischen Schule. 170 Lenz, Geschichte II,1 (1910) S. 385; Heymann, Hundert Jahre (1910) Sp. 1136 f.; Wolff, juristische Fakultät (1902) S. 117. 171 Heymann, Hundert Jahre (1910) Sp. 1130. 172 Siehe Index Lectionum Berlin WS 1835/36, S. 11 f. 173 Sybel, 2. Autobiographie, BA Koblenz N 193 Sybel Nr. 4 Bl. 4r: „und als Windscheid nach Berlin kam, wurde halbe Nächte lang das Korpus(!) Juris zwischen uns hin und her gewälzt.“ Dazu Dotterweich, Sybel (1978) S. 40. 174 Sohn des berühmteren Juristen Johann Friedrich Ludwig Göschen, Teichmann, Göschen (1879) S. 403; Heymann, Hundert Jahre (1910) Sp. 1122. 175 Sybel rühmt Rankes „gedankensprühende[n] Vortrag, die stets originelle und individuelle Darstellung“ in 1. Autobiographie, BA Koblenz N 193 Sybel Nr. 3 Bl. 2v. 176 Index Lectionum Berlin SS 1836, S. 5, S. 7 u. S. 13. 177 Lenz, Geschichte II,1 (1910) S. 390; Heymann, Hundert Jahre (1910) Sp. 1125. 178 Index Lectionum Berlin WS 1836/37, S. 11 f.
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1837, dem letzten vor dem 1. Examen, fand er neben vier Stunden europäischen, besonders deutschen Staatsrechts bei Gans und sechs Stunden preußischen Zivilrechts bei Homeyer179 endlich auch Zeit für dessen berühmte einstündige Sachsenspiegel-Vorlesung, die er zuvor schon zweimal in den Belegbogen eingetragen, dann aber wieder gestrichen hatte.180 In diese beiden Berliner Jahre fiel neben dem Studium das „Einjährig-Freiwillige“, also die Erfüllung seiner Militärpflicht.181 Möglicherweise war auch dies ein Grund für den Wechsel nach Berlin, denn in Bonn wäre der Dienst nur bei dem dort stationierten Ulanen-Regiment möglich und deshalb sehr kostspielig gewesen.182 Ob Windscheid wegen konstitutioneller Schwäche diesen Dienst unterbrechen musste, wie Oertmann schreibt,183 lässt sich nicht belegen. Fest steht, dass er seiner Dienstpflicht genügte und es bis zum Landwehroffizier gebracht hat.184 Windscheid hatte sein Domizil nie im typischen Studentenviertel der damals von ca. 265.000 Einwohnern185 bevölkerten Großstadt in der Umgebung der Charité,186 sondern er lebte den größten Teil seiner Berliner Zeit in Alt-Kölln, einem zentral gelegenen Stadtteil von ca. 15.000 Einwohnern.187 Im letzten Sommersemester wohnte er in der Alten Jakobstraße 49188 in der Luisenstadt, zugleich die Adresse des „Colosseums“, eines „sehr schönen Vergnügungsort[s]“, besucht „selbst auch von den höhern“ Ständen.189 Wie weit Windscheid das künstlerische und kulturelle Angebot Berlins an Opern- und Theateraufführungen, Konzerten und Museen190 genutzt hat, ist un179 Nach Heymann, Hundert Jahre (1910) Sp. 1122, der eigentliche Nachfolger Eichhorns, auch Sp. 1137 f.; Wolff, juristische Fakultät (1902) S. 119. 180 Index Lectionum Berlin SS 1837, S. 10. 181 Siehe Sybel, 1. Autobiographie, BA Koblenz N 193 Sybel Nr. 3 Bl. 3r. 182 1842 kostete dort das freiwillige Dienstjahr 400 Taler, „d.h. das Einkommen eines mittleren Beamten.“: Höroldt, Stadtverwaltung und Universität (1969) S. 63, dort S. 62–65 Darstellung der bis 1883 vergeblichen Bemühungen Bonns um ein – billigeres – Infanterieregiment; auch Ennen/Höroldt, Kleine Geschichte (1976) S. 200. 183 Oertmann, Lebensgang (1904) S. X; ebenso Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 595, der damit irrtümlich eine Erholungsreise nach Italien in Zusammenhang bringt, die erst Jahre später stattfand. 184 Windscheids vorläufige Anfrage vom 21.6.1839 und seine Meldung zur Habilitation beim Dekan der juristischen Fakultät Böcking am 18.2.1840, UA Bonn Personalakte Windscheid. 185 Zedlitz, Handbuch (1979) S. 72 u. S. 166. 186 Sogenanntes Medizinerviertel, Dronke, Berlin (1974) S. 39. 187 Gertraudenstr. 14: Amtliches Verzeichniss Berlin ab WS 1835/36, S. 38 bis WS 1836/37, S. 37; dazu Zedlitz, Handbuch (1979) S. 383 f. mit S. 591. 188 Amtliches Verzeichniss Berlin SS 1837, S. 35. 189 Zedlitz, Handbuch (1979) S. 21, S. 136 (Colosseum und Zitat), S. 431 u. S. 592. 190 Siehe dazu Herzfeld, Allgemeine Entwicklung (1968) S. 31–35; Bollert, Musikleben (1968) S. 608–611, S. 617, S. 629–631 u. S. 639–641; Knudsen, Theater (1968) S. 797–801 u. S. 809–817.
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gewiss.191 Sicher hätte ihn Sybel, dem ästhetischer Genuss Bedürfnis war und der Zugang zu den Häusern Bendemann, Mendelssohn und Hensel hatte, auch Gast bei Karl Wilhelm Kortüm war,192 in diesen Kreis einführen können. Er erwähnt dies in seinen autobiographischen Skizzen jedoch nicht. Immerhin weiß Dotterweich von einer „heiteren, musisch beschwingten Tafelrunde“ in Berlin, „aus der eine eigene Lesegesellschaft“ hervorgegangen sei und der auch Windscheid angehört habe.193 Auffallend an diesem Berliner Aufenthalt ist, dass Windscheid nur einmal, im ersten Semester, eine Savigny-Vorlesung belegte und – seine Ehrlichkeit unterstellt – auch gehört hat. Das passt schlecht zu Oertmanns Äußerung, Savigny habe „1835–1837“ Windscheid in Berlin dem Rechtsstudium – nach Böckings abschreckender Wirkung – zurückgewonnen.194 Dagegen besuchte er mehrfach Vorlesungen jüngerer Gelehrter wie Gans, Göschen und besonders Rudorff. Dieser Befund lässt wohl den Schluss zu, dass Windscheids zivilistische und im speziellen romanistische Ausbildung zwar vollständig im Bannkreis der damals beherrschenden historischen Schule erfolgte, er sich aber nicht allein mit der Meinung des Schulhauptes Savigny zufrieden gab, sondern mindestens ebenso sehr von den Ansichten seiner jüngeren, vielleicht auch beweglicheren Schüler lernte. Nach dem Sommersemester 1837 und nach dreijährigem Jurastudium bestand Windscheid das erste sogenannte Auskultatoren-Examen vor dem Kammergericht in Berlin195 und kehrte danach in seine rheinländische Heimat zurück. 191 Es wird behauptet von Oertmann, Lebensgang (1904) S. X. Belegt ist Windscheids musikalisches Interesse und sein Besuch der damals gespielten Gluckschen Opern, R. Delbrück, Lebenserinnerungen I (1905) S. 74 f. 192 Sybel, 1. Autobiographie, BA Koblenz N 193 Sybel Nr. 3 Bl. 2v, 2. Autobiographie ebd. Nr. 4 Bl. 4r. u. v.; Dotterweich, Sybel (1978) S. 34 f.; immerhin schreibt Windscheid am 15.1.1847 an Louise Burckhardt-His, Familiennachlass Windscheid, von einer Familie „Cortüm“ in Berlin, die „in früherer Zeit sehr freundlich gegen mich gewesen“ sei. 193 Bestehend u. a. aus Windscheids Freunden Rudolph v. Delbrück, Richard Hasenclever und Ernst von Holleben, Dotterweich, Sybel (1978) S. 35 u. R. Delbrück, Lebenserinnerungen I (1905) S. 66 u. S. 74 f. 194 Oertmann, Lebensgang (1904) S. X; ebenso Landsberg, Geschichte (1910), Noten S. 361 Note 1 und Bezold, Geschichte (1920) S. 405. 195 B. Windscheid, De valida (1838) (Dissertationenvita) S. 63; Allgemeine Gerichtsordnung (1816) III, 4, § 3 und Anh. § 450 (S. 187) und Weber, Entwicklung (1935) S. 43–51; dazu Goldschmidt, Rechtsstudium (1887) S. 187, S. 189 u. S. 267: „Ich erlebte . . . [1851], daß nahezu alle Fragen, welche dermalen von der Prüfungskommission des Berliner Kammergerichts gestellt zu werden pflegten, genau bekannt waren.“ Auch nach Kolbeck, Juristenschwemmen (1978) S. 39, eine ziemlich leichte Prüfung, bei der „kaum ein Kandidat durchfiel“; unrichtig Schröder, Bernhard Windscheid (2008) S. 459 und Klemann, Sieben kleine Beiträge (1991), S. 216 f., die meinen, Windscheid habe 1837 die zweite juristische Staatsprüfung bestanden. Bei Klemann, a. a. O., auch Hinweis auf ein Gesuch Windscheids vom 5.8.1837 an die Universität um möglichst rasche Ausfertigung des Abgangszeugnisses, damit er noch vor den Herbstmanövern „zum ersten(!) juristischen Examen“ zugelassen werden könne. Klemanns Vorwurf, da-
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II. Promotion (1838) Dort kam der frischgebackene Kammergerichts-Auskultator196 an das Landgericht Düsseldorf. Er begann seine praktische Ausbildung im November197 mit der Aussicht, 15 Monate später zum leichten Referendarexamen198 und nach einer Referendarzeit von mindestens einem Jahr zum großen Assessorexamen zugelassen zu werden.199 Erst dann wäre seine juristische Ausbildung beendet und ihm ein Einstieg in den Justizdienst möglich gewesen – allerdings war damals ein weiterer Zeitraum unbesoldeter Tätigkeit trotz fester Anstellung die Regel.200 Doch diese Laufbahn wählte Bernhard Windscheid nicht. Er blieb nur ein halbes Jahr in Düsseldorf,201 ließ sich dann beurlauben202 und ging schon im Sommersemester 1838 wieder an die Universität Bonn, wo er sich erneut immatrikulierte.203 Sein Ziel war die Doktor-Promotion, die in Preußen mit hohen Anforderungen verbunden204 und damit eindeutig als Schritt auf dem Weg zum Professor zu betrachten ist.205 Dagegen fielen die Anforderungen an die Habilitation deutlich ab.206 mit habe Windscheid die Universität „bewusst getäuscht“, ist weder naheliegend noch berechtigt. 196 Seit 14.8.1833 Bezeichnung für die vom Kammergericht geprüften Auskultatoren, Weber, Entwicklung (1935) S. 253. 197 s. Schreiben Rehfues’ an Minister v.Altenstein vom 22.2.1840 (Habilitationsverfahren betr.), GStA PK Berlin – I. HA Rep.76 Kultusministerium Va Sekt.3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 4 Bd. 7 Bl. 35v. 198 Kolbeck, Juristenschwemmen (1978) S. 39, Goldschmidt, Rechtsstudium (1887) S. 194. 199 Goldschmidt, Rechtsstudium (1887) S. 191 f. 200 Kolbeck, Juristenschwemmen (1978) S. 42 und Goldschmidt, Rechtsstudium (1887) S. 192–194. 201 B. Windscheid, De valida (1838) (Dissertationenvita) S. 63; unrichtig Jahnel, Kurzbiographien (1978) S. 86, Windscheid sei zwischen 1837 und 1838 anderthalb Jahre am LG Düsseldorf praktisch tätig gewesen. 202 Das geht hervor aus einer Äußerung Deiters am 15.7.1839 im Rahmen der Fakultätsberatungen über Windscheids Habilitationsanfrage vom 21.6.1839, UA Bonn, Personalakte Windscheid. 203 Amtliches Verzeichniss Bonn, SS 1838: Immatrikulation am 16.5.1838, Wohnung: Münsterplatz 271; im WS 1838/39 wohnt dort sein das Jurastudium beginnender Bruder Eugen, ebda. WS 1838/39. 204 Siehe die die Promotion betreffenden §§ 32–44 der „Statuten der Juristischen Fakultät der Königlich Preußischen Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn. Vom 18. Oktober 1834“ bei Koch, Universitäten I (1839) S. 255–257; allg. für Alt-Preußen Goldschmidt, Rechtsstudium (1887) S. 271; Friesenhahn, Juristen (1970) S. 42: „In früheren Jahrzehnten galt der Bonner Dr. iur. als besonders schwer, und er wurde verhältnismäßig selten gemacht“, nämlich zwischen 1820 und 1913 nur durchschnittlich dreimal pro Jahr. 205 Vgl. die Statuten der Juristischen Fakultät in Bonn vom 18.10.1834, Koch, Universitäten I (1839) S. 248–260 und dort S. 254–257 die §§ 25–32 über den Lizentiatengrad mit den §§ 33–42 über den Doktorgrad. Nach § 33 (S. 255) ist die unmittelbare
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Als Vorbereitung207 auf die Prüfungen hörte Windscheid Kirchenrecht bei Walter, Zivilprozess beim großen Meister dieser Materie v. Bethmann-Hollweg208 und Strafrecht bei dem neu nach Bonn gekommenen und als Vertreter dieser Disziplin in Bonn nicht sehr erfreut begrüßten aber dringend benötigten Hegelianer Gärtner.209 Daneben erwähnt er noch Privatstudien,210 die sicher auch mit der Abfassung seiner Dissertation „De valida mulierum intercessione“ in Zusammenhang gebracht werden dürfen. Über das Promotionsverfahren selbst unterrichtet ausführlich der Bericht der juristischen Fakultät Bonn über Windscheids Habilitation vom 25. Juli 1840, verfasst von dem damaligen Dekan Böcking211 – auch dies ein deutliches Zeichen für die enge Verknüpfung von Promotion und Habilitation. Voraussetzung für die Zulassung zur Doktorprüfung war die Vorlage einer lateinischen Dissertation.212 Über Windscheids Abhandlung, die sich mit der Abgrenzung von gültigen und ungültigen „Interzessionen“, also fremdnützigen Verpflichtungen auf Schulden Dritter, durch Frauen beschäftigt, urteilte die Fakultät günstig, aber in einem seltsam gewundenen Stil, der ihre Bedenken eher betont als zurücknimmt. Da dieser Ton für den gesamten Habilitationsbericht typisch ist, soll der Wortlaut dieser Stelle hier folgen:213 „Die Behandlung dieses Gegenstandes von nicht zu großem Umfange, noch bedeutender Schwierigkeit erfordert zwar weder ausgebreitete Kenntnisse noch vorzüglichen Scharfsinn, und er erschien deshalb als Gegenstand eines ersten schriftstellerischen Versuches glücklich gewählt, so wie auch die Facultät in der Behandlung des Stoffes durch den Candidaten den richtigen Tact gern anerkannt hat. Zwar mußte die schiefe Auffassung des SCti Velleiani214 und die dadurch verursachte zum Theil falsche Promotion zum Dr. ohne die Zwischenstufe des Lizentiaten die Ausnahme. Nur die Doktorwürde eröffnet den Weg zum Privatdozenten, Statuten § 46, ebd. S. 257. Kosten der Promotion, Statuten § 41 (ebd. S. 256): für den Lizentiaten 50, für den Doktor „Hundert Thaler in Golde“! 206 Statuten §§ 46–53, Koch, Universitäten I (1839) S. 257–259. 207 B. Windscheid, De valida (1838) (Dissertationenvita) S. 63, übereinstimmend mit Vorlesungen Bonn SS 1838 (Beginn 7. Mai). 208 Heymann, Hundert Jahre (1910) Sp. 1127 f.; Wolff, juristische Fakultät (1902) S. 122: der „führende Geist“. 209 Landsberg, kriminalistische Fächer (1919) S. 22 f. 210 B. Windscheid, De valida (1838) (Dissertationenvita) S. 63. 211 Überliefert in zwei Fassungen, einer kürzeren im UA Bonn, Personalakte Windscheid, und einer längeren – die hier zugrunde gelegt wird – bei den preußischen Ministerialakten zur Universität Bonn, GStA PK Berlin – I. HA Rep.76 Kultusministerium Va Sekt.3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 4 Bd. 7 Bl. 53r–59r. 212 Statuten der Juristischen Fakultät § 35 bei Koch, Universitäten I (1839) S. 255. 213 GStA PK Berlin – I. HA Rep.76 Kultusministerium Va Sekt.3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 4 Bd. 7 Bl. 53r u. 53v. 214 Das Senatus consultum Velleianum oder Vellaeanum, wohl aus dem Jahr 46 n. Chr., machte von Frauen im fremden Interesse getätigte Kreditgeschäfte anfecht-
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Behandlung der Bestimmungen, welche das römische Recht über die Gültigkeit der Frauen-Intercessionen aufstellt, getadelt werden; dagegen boten aber auch andere Stellen der kleinen Schrift (z. B. §§ 7, 10 . . . 12) so viel Gelungenes, daß die Facultät den Candidaten zur Doctorprüfung zuzulassen kein Bedenken fand.“ Auf die Annahme der Dissertation folgte die große schriftliche Prüfung, in der jeder Ordinarius eine oder auch mehrere Aufgaben aus allen Rechtsbereichen stellte, die in Aufsichtsarbeiten abwechselnd in lateinischer oder deutscher Sprache zu behandeln waren.215 Dekan Walter prüfte römisches Staats- und Verwaltungsrecht sowie Kirchenrecht. Die deutsche Beantwortung jener Frage nannte er eher einen Exkurs als einen Kommentar der vorgegebenen Livius-Stelle, der aber „von einer gewissen Bekanntschaft mit dem fraglichen Theile des röm. Staatsrechts“ zeuge. Die Frage nach den Patronatsrechten war dagegen im ganzen „gut und richtig“ beantwortet. Lobend äußerte sich auch Bethmann-Hollweg über die lateinische Exegese zweier Pandektenstellen. Die Arbeit zur ersten Stelle sei „durchaus gelungen“, die zur zweiten zwar an sich nicht gelungen, enthalte aber „Beweise von guter juristischer Bildung“. Gar nicht zufrieden war dagegen Böcking, der nach der historischen Einordnung der peinlichen Halsgerichtsordnung Karls V. in die Strafrechtsgeschichte fragte und Auskünfte über Sachherausgabeansprüche nach römischem und kanonischem Recht verlangte. Die deutsche Beantwortung des strafrechtlichen Themas sei „gänzlich verfehlt, confus und oberflächlich“, zeige „sowohl Mängel historischer als philosophischer Kenntnisse im criminalistischen Fache“. Die lateinische Bearbeitung des Zivilrechts sei zwar „weniger verworren und oberflächlich“, aber immer noch „ungenügend“. Denn es sei „die zu flüchtige Darstellung auch dem Inhalte nach, sowohl in Beziehung auf die römischen als die kanonistischen Bestimmungen unrichtig“. Deiters stellte sogar drei Fragen, nämlich zum Wechselrecht und -prozess, zum Lehnrecht und zur städtischen Verfassungsgeschichte. Die Antworten trafen seiner Ansicht nach die Themenstellung nicht oder nur ungenügend, dagegen lobte er ihre Form. Windscheid zeige „Geschick der Interpretation“ wie „Geschick in der Durchführung eines postulierten in der Regel auch richtigen Begriffs“. Am schärfsten urteilte der Prüfer des deutschen Staatsrechts und der Rechtsphilosophie Gärtner. Neben ungenügenden Kenntnissen zeige Windscheids deutsche Antwort einen „Mangel an denjenigen Fähigkeiten . . ., welche wesentliche Erfordernisse des academischen Lehramts sind“.
bar, Kunkel, Römische Rechtsgeschichte (1973) S. 188 Note 63; Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht (2008), S. 305 § 57 V = Rn. 27–29. 215 Statuten der Juristischen Fakultät § 36, Koch, Universitäten I (1839) S. 255; GStA PK Berlin – I. HA Rep.76 Kultusministerium Va Sekt.3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 4 Bd. 7 Bl. 54r–56v.
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Lediglich „durch Stimmenmehrheit“ wurde Windscheid zur mündlichen Prüfung zugelassen.216 Diese fand am 10. Dezember 1838 im Dekanatszimmer statt. Auch hierbei erstreckten sich die Fragen auf römische Rechtsgeschichte (Walter), römisches Zivilrecht (Bethmann-Hollweg und Böcking), Deutsches Privat- und Lehnrecht (Deiters) sowie Rechtsphilosophie und Staatsrecht (Gärtner).217 Ergebnis beider Prüfungen war, dass Windscheids Leistungen „in der schriftlichen und mündlichen Prüfung im römischen Recht vorzüglich gut, im deutschen Rechte gut, im Criminalrecht und in der Rechtsphilosophie hingegen ungenügend“ gewesen seien, was zum Prädikat „insigne cum laude“ führte.218 Damit war allein Böcking nicht einverstanden. Er fügte dem Protokoll am 7. Januar 1839 noch den Zusatz bei, „daß . . . Windscheid . . . bei der mündlichen Prüfung im Römischen Recht, so weit ich sie angestellt habe, vorzüglich gut bestanden habe, kann ich nicht unterschreiben“.219 Am 22. Dezember 1838 erfolgte dann die feierliche Promotion „in der herkömmlichen Weise“, also durch öffentliche Disputation über die gedruckte Dissertation und Thesenverteidigung mit anschließendem Promotionsakt durch den Dekan und Ableistung des Doktoreides.220 Aus den dabei besprochenen neun Thesen sind bemerkenswert besonders die prinzipiellen Sätze der Thesen 1 und 9, in denen es heißt: 1. Non ante nec extra civitatem ius, und 9. Iuris criminalis Germanici fons consuetudo, non fons philosophia.221 Beide Sätze, die Ablehnung allen übergemeinschaftlichen und damit auch überpositiven Rechts wie auch die Betonung der Gewohnheit als Entstehungsgrund des (Straf-)Rechts, zeigen Windscheids Ablehnung der Naturrechtler des 18. Jahrhunderts. Darüber hinaus stimmt er mindestens in der These 9 mit dem Rechtsverständnis der historischen Schule voll überein. Der vorgestellte Promotionsbericht verdeutlicht, wie hoch die Anforderungen an den Promovenden mindestens in Preußen waren, aber auch, dass die Prüfer durchaus zwischen Sachwissen und Darstellungs- und damit auch Denkfähigkeit 216 Statuten der Juristischen Fakultät § 36, Koch, Universitäten I (1839) S. 255; GStA PK Berlin – I. HA Rep.76 Kultusministerium Va Sekt.3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 4 Bd. 7 Bl. 56v. 217 GStA PK Berlin – I. HA Rep.76 Kultusministerium Va Sekt.3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 4 Bd. 7 Bl. 57r. 218 Statuten der Juristischen Fakultät § 38, Koch, Universitäten I (1839) S. 256; GStA PK Berlin – I. HA Rep.76 Kultusministerium Va Sekt.3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 4 Bd. 7 Bl. 57v. 219 GStA PK Berlin – I. HA Rep.76 Kultusministerium Va Sekt.3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 4 Bd. 7 Bl. 57v. 220 GStA PK Berlin – I. HA Rep.76 Kultusministerium Va Sekt.3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 4 Bd. 7 Bl. 58r; UA Bonn, Promotionsalbum; Statuten der Juristischen Fakultät §§ 39 f., Koch, Universitäten I (1839) S. 256. 221 B. Windscheid, De valida (1838) (Thesen) S. 64.
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zu unterscheiden wussten. Bemerkenswert erscheint dabei das Urteil Deiters’, wonach Windscheid ein besonderes Talent für die systematische Durchführung eines einmal festgestellten Begriffes besitze.
III. Dissertation: De valida mulierum intercessione (1838) und Aufsatz ,Ueber das Prinzip des SC Velleianum‘ 222 Die dem Vater Ferdinand und dem ebenfalls juristisch ausgebildeten Onkel Franz Joseph Servaes gewidmete Dissertation223 befasst sich in lateinischer Sprache auf 61 Druckseiten und in 10 Paragraphen224 mit einer Einzelfrage der Geschäftsfähigkeit der Frau im römischen Recht, nämlich der „intercessio“. Windscheids Interesse gilt dabei weder der Praxis noch der Historie, sondern allein der systematischen Erfassung eines noch nicht präzise genug durchdachten Rechtsproblems. Er fragt ausdrücklich nicht danach, wie – etwa unter Berücksichtigung des kanonischen Rechts – im Alltag des Gemeinrechtlers die Gültigkeit einer Frauen-Interzession zu beurteilen wäre,225 beschäftigt sich vielmehr allein mit der römischen Lehre. An ihr ist ihm nicht wichtig eine möglichst genaue Entwicklungsgeschichte der den Frauen verbotenen Interzession. Hier kennt er nur drei Stufen: Vorläufer des SC Velleianum unter Augustus und Claudius, das SC Velleianum unter Claudius226 und spätere Veränderungen durch Justinian.227 Eine mögliche Entwicklung innerhalb des klassischen römischen Rechts untersucht er nicht. Die ganze Arbeit ist im Grunde nur der Beantwortung einer Frage gewidmet, nämlich: „quid sit, quod unice ab intercessionibus, non ab aliis negotiis, senatus mulieres prohibendas duxerit.“ Gesucht wird damit die „ratio“ des Senatus Consultum Velleianum.228 Nach einer kurzen Einleitung zur Stellung der Frau im öffentlichen wie privaten Leben nach römischem Recht, wobei Windscheid wie selbstverständlich vom 222
AcP 32 (1849) S. 283–324. Siehe die Widmung: „Patri optimo Ferdin. Windscheid, consiliario regio, inscribendis conservandisque hypothecarum titulis Duesseldorphii praeposito. Avunculo carissimo Franc. Ios. Servaes, consiliario regio, in tribunali Elberfeldensi advocato causarumque patrono.“ 224 Unverständlich ist, wie der Habilitationsbericht der Fakultät, GStA PK Berlin – I. HA Rep.76 Kultusministerium Va Sekt.3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 4 Bd. 7 Bl. 53r u. 53v, einen § 12 lobend erwähnen konnte. Der im Nachdruck zugängliche Text lässt keine Unvollständigkeit erkennen. 225 B. Windscheid, De valida (1838) S. 61: „diversas practicorum opiniones de eo, quid ad validam renunciationem [auf die exceptio des SC Vell.] requiratur, recensere facile supersedemus. – Id unum addam, quod ex iuris canonici praeceptis renunciatio iuramento firmata valere certe debet.“ 226 B. Windscheid, De valida (1838) S. 4, datiert: a.u. 799, also 46 n. Chr. 227 B. Windscheid, De valida (1838) S. 47–57, §§ 8 u. 9. 228 B. Windscheid, De valida (1838) § 1 S. 4. 223
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Schutzzweck aller Beschränkungen weiblicher Selbstbestimmung ausgeht,229 im Übrigen aber keine Wertung vornimmt, behandelt er zunächst den Begriff der „intercessio“.230 Ausgehend vom Quellenausspruch Ulpians, wonach „intercedere“ ein „alienam obligationem in se suscipere“ sei,231 untersucht er, für welche Fälle im römischen Recht eine verbotene Interzession der Frau angenommen wurde. Besonders anhand der tutela-Fälle C.4.29.6.1 u. 2 sowie D.16.1.19. pr.-1 und D.16.1.8.1 erklärt Windscheid dabei den bislang in der Literatur erfolgten Hinweis auf die „imbecillitas“ und „infirmitas“ der Frauen als leitender Idee des SC Vell. für ungenügend und entwickelt dagegen eine eigene Deutung. Seiner Ansicht nach greift das SC Vell. immer, aber auch nur dann ein, wenn die Frau im Interesse eines Dritten eine Obligation im Vertrauen darauf übernimmt, dass nicht sie, sondern dieser Dritte den Anspruch erfüllen, sie selbst also mit der Obligation gar nichts zu tun haben werde. Gerade in diesem übermäßigen Vertrauen liege die Unerfahrenheit der Frau, vor der sie das SC Vell. schützen wolle.232 Dieses Prinzip nennt Windscheid eine neue Entdeckung, wovon er Anklänge nur bei Hellfeld und Donellus gefunden habe. In der Tat enthält das mehr am geltenden Recht orientierte Pandektenlehrbuch Puchtas von 1838 keine Herleitung eines dem SC Vell. zu Grunde liegenden Prinzips, sondern beschränkt sich auf eine Aufzählung der einzelnen im Gesetz geregelten Fälle,233 und in dem zweiten neueren Lehrbuch von Thibaut ist auch nur allgemein vom „weiblichen Leichtsinn bei künftig zu erfüllenden Versprechen“ die Rede.234 Windscheids Interpretation des SC Vell. dürfte auch die Bedenken der Bonner Fakultät hervorgerufen haben. Das Prinzip des SC Vell. führt Windscheid auch zu einem anderen Begriff der Interzession im Rahmen des SC Vell., der, mehr an der Sache als an der Form orientiert, einerseits enger, andererseits weiter ist als das „alienam obligationem suscipere“. Dazu gehört für ihn auch das Eingehen einer eigenen Schuld zu Gunsten eines Dritten sowie das Zur-Verfügung-Stellen einer Sicherung (Pfand oder Hypothek). Dagegen fällt nicht darunter jedes Eintreten für fremde Schuld solvendi oder donandi animo, da in diesen Fällen die Frau ja um einer Gegenleistung willen oder aus Freigebigkeit die eingegangene Verpflichtung auch erfüllen will, also eigentlich „suum negotium gerit“.235 Diese Obersätze dienen Wind-
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B. Windscheid, De valida (1838) S. 2 f. B. Windscheid, De valida (1838) § 2, S. 4–22. 231 B. Windscheid, De valida (1838) S. 5 und D.16.1.2.5. 232 Dazu B. Windscheid, De valida (1838) S. 4–10, S. 10: „Adiuvatur SCo Velleiano, quae obligationem pro alio suscipit, credens, hunc alium solvendo fore. Fidit debitori, cui creditor non fidit, et, utilitati illius inservire cupiens, contrahit negotium, quod propter hanc ipsam confidentiam effectum omnino non habiturum esse opinatur.“ 233 Puchta, Pandekten (1838), § 369 (= S. 408–410). 234 Thibaut, System (81834) Bd. II § 603 S. 131. 230
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scheid zur Erklärung einiger viel besprochener Stellen, wobei er durchaus selbstbewusst seine Methode verteidigt,236 auch einer Autorität wie Thibaut widerspricht und seine Ansicht dem Urteil der „viri periti“, also der Fakultät überantwortet.237 Die folgenden §§ 3–7 (S. 23–46) beschäftigen sich mit Ausnahmen von der Regel des SC Vell. Zunächst wird in § 3 (S. 23) kurz auf die Fälle hingewiesen, in denen die Frau zwar nicht förmlich eine fremde Schuld übernimmt, sondern einen Dritten damit beauftragt, aber dennoch durch das SC Vell. geschützt wird, weil sich damit an ihrer Schutzbedürftigkeit der Sache nach nichts geändert hat. In den §§ 4 bis 7 geht es dann um die Ausnahmen vom SC Vell. aus objektiven – Frau hat keinen Schaden, Frau interzediert mehrfach binnen zwei Jahren – und subjektiven – arglistiges Verhalten der Frau, Unkenntnis des Gläubigers von der Interzession der Frau oder ihm nicht zurechenbarer Irrtum – Gründen sowie im Interesse Dritter.238 Methodisch interessant ist dabei einmal, dass Windscheid lieber einer Codexstelle (C.4.29.13) einen nicht ausdrücklich darin enthaltenen Schenkungszweck unterstellt, als in Widerspruch zu einer Digestenstelle (D.16. 1.28.1) zu geraten, indem er auf das geringere Gewicht einer Konstitution gegenüber anderen Gesetzen hinweist.239 Zum anderen ist bezeichnend, dass Windscheid den Streit darüber, ob bei zwei Interzessionen innerhalb von zwei Jahren nur die zweite oder auch rückwirkend die erste ohne den Schutz des SC Vell. bleibt, vom Prinzip, man könnte auch sagen vom „Schutzzweck“, her löst: Es liege im öffentlichen Interesse, dass die Interzession nicht gelte. Nicht weil, wie sonst bei Rückwirkungen, der Wille der Interzedierenden Geltung erlangen solle, sondern weil sich die Frau der Wohltat des SC Vell. unwürdig erwiesen habe, greife es im zweiten Fall nicht mehr. Damit wird, wiederum gegen Thibaut, schlüssig an der Fortdauer des Schutzes des SC Vell. für die erste Interzession 235 B. Windscheid, De valida (1838) S. 11; den selben materiellen Begriff des „fremden“ Geschäfts kennt auch Kritz, Pandectenrecht I,1 (1835), der die Anwendung des SC Vell. immer da ablehnt, „wo die Übernahme einer fremden Verbindlichkeit nur als Mittel zu dem Zwecke erscheint, ein eigenes Geschäft zu bewerkstelligen“ (S. 240–287 zum SC Vell., Zitat S. 249). Im Übrigen sieht jedoch auch er den Zweck des SC Vell. lediglich darin, dass „Personen weiblichen Geschlechts gegen die nachtheiligen Folgen gutmüthiger, aber auch unbesonnener Entschließungen sicher gestellt werden“, ebd. S. 270. 236 B. Windscheid, De valida (1838) S. 16 gegen Cropp und Thibaut in der Frage der intercessio donandi animo: „Intellegitur simul, quantum interfuerit, rem tam accurate definire.“ Ebd. S. 18 zu D.16.1.4.1.a. E. gegen eine hergebrachte Meinung: „At in omni interpretatione progrediendum est ab eo, quod firmum stat, non id interpretandum ex eo, quod duplicem recipit sensum.“ 237 B. Windscheid, De valida (1838) S. 13–15: C.4.29.23, ebd. S. 15–22: D.16.1.4.1 und D.16.1.21.1 als Fälle des „donandi animo“ gegen u. a. Thibaut, Zitat S. 22. 238 B. Windscheid, De valida (1838) S. 24–46. 239 B. Windscheid, De valida (1838) S. 29: „Verba certe non contra faciunt, et nos in rescripto faciliores esse debere, ut aliquid subintelligamus, quam in aliis legibus, notum est.“
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festgehalten.240 Weiter ist bedeutsam, dass Windscheid in § 7 eine Rangfolge schutzwürdiger Interessen aufstellt: Der Schutz der interzedierenden Frau greift dann nicht, wenn dies zu Lasten noch schutzwürdigerer Dritter gehen würde. So haftet die Frau immer dann, wenn sie durch ihre Interzession eine Dos garantiert oder für die Freilassung eines Sklaven eintritt. Sie haftet subsidiär, wenn sie bei einem Minor für einen Dritten interzediert und dieser Dritte nicht leistet, da sonst der Minor den Schaden tragen müsste. Der Schutz der heiratswilligen Frau oder des freilassenden Herrn wie auch des Minderjährigen geht also dem der interzedierenden Frau vor.241 In den §§ 8 und 9 bespricht Windscheid dann spätere Veränderungen der klassischen Regelung durch Justinian (C.4.29.23.2242 und die Novelle 134 c. 8 zu C.4.29.22243). Zum Formerfordernis jeder Intercessio in C.4.29.23.2 fragt er, was mit der dolos handelnden und darum keinen Schutz verdienenden Frau geschehen solle. Damit diese Frau nicht zum Nachteil des Gläubigers über Gebühr geschützt werde, folgt er, erneut gegen Thibaut, der Lehre, die diese Regel auf jene Fälle beschränkt, in denen die Frau durch das SC Vell. ansonsten geschützt wäre, nimmt also die Dolus-Fälle244 aus. Damit reduziert sich der Effekt der Constitution auf eine verstärkte Warnung der redlichen Frau und eine Beweislastumkehr zu ihrem Schutz, da jetzt der Gläubiger sein Nichtwissen um die Interzession der Frau beweisen muss, während zuvor die Frau dessen Wissen als Voraussetzung ihrer exceptio SC Vell. zu beweisen hatte. Auch zu der Nov. 134 c. 8 widerspricht Windscheid Thibaut und beruft sich dabei auf die allgemeine Regel, „ut, quod naturae rei ac rationi iuris magis congruum est, praeferatur, dummodo per sanam interpretationem erui e legum verbis possit.“ 245 Denn es entspreche der Natur der Sache und der ratio iuris, die darin genannte Ausnahme von der Regel, dass die für ihren Ehemann interzedierende Frau nicht hafte, auch für den Fall einer formlosen Interzession anzunehmen. Windscheid begründet seine Ansicht damit, dass die genannte Ausnahme – der Ehemann verwendet das ihm dank des Eintretens der Frau zur Verfügung gestellte Geld im Interesse der Frau – von vornherein außerhalb des Bereiches des SC Vell. liege, da hier die Frau materiell ein eigenes Geschäft führe. Damit werde dieser Fall auch vom justinianeischen Formerfordernis der Fälle des SC
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B. Windscheid, De valida (1838) S. 42 f. B. Windscheid, De valida (1838) S. 43–46. 242 B. Windscheid, De valida (1838) S. 47–52. 243 B. Windscheid, De valida (1838) S. 52–57. 244 Ebensowenig gelte die Regel auch für alle anderen Fälle, in denen das SC Vell. nicht greife, also die Fälle der Gegenleistung an die Frau, des Eintretens donandi animo, des unwissenden creditor sowie der Interzession pro dote oder pro libertate, B. Windscheid, De valida (1838) S. 50–52. 245 B. Windscheid, De valida (1838) S. 53. 241
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Vell. nicht erreicht.246 So gelingt es ihm, die justinianeischen Neuerungen widerspruchsfrei und harmonisch in das klassische Recht des SC Vell. einzufügen. Zum Abschluss seiner Arbeit geht Windscheid in § 10 noch auf die Streitfrage ein, ob die Frau wirksam auf die Wohltat des SC Vell. verzichten könne.247 Dabei sieht er durchaus, dass die Bejahung der Frage der Tätigkeit der Frauen im Wirtschaftsleben entgegenkäme. Da das Gesetz in D.16.1.31 nur aussagt, dass die Frau zur Geltendmachung der exceptio nicht gezwungen werden könne, im übrigen einen Verzicht nur in Sonderfällen kennt, „recurrendum est ad rationem iuris“.248 Hier zeigt sich Windscheids überlegener Ansatz besonders deutlich, denn die „ratio iuris“ ermöglicht ihm eine begründete Antwort, wo Puchta und Thibaut nur entweder keinen Grund sehen, der einer Ausdehnung dieser Sonderfälle entgegenstünde,249 oder sich auf die bloße Wiedergabe der Sonderfälle beschränken:250 Wenn Zweck des SC Vell. der ist, Frauen davor zu schützen, dass sie Risiken auf sich nehmen in der Annahme, sie würden sich bei ihnen nicht realisieren, so müssen die Frauen – damit der Schutz des SC Vell. auch wirksam sein kann – an einem Verzicht auf diesen Schutz gehindert werden. Aus diesem Grund erklärt Windscheid einen Verzicht auf den Schutz des SC Vell. im vorhinein für unmöglich, selbst wenn das dem heutigen Verständnis von der Gleichheit der Geschlechter widerspreche, denn „si de certi populi legibus disserimus, eam naturalem rationem esse putare debemus, quae ipsi, non quae nobis naturalis videtur“.251 Windscheids Dissertation zeigt, dass er von Anfang an nach dem „Prinzip“, den leitenden Grundgedanken einer Regelung fragt und, davon ausgehend, in klarer Argumentation den gesamten Bereich dieser Regelung durchzuarbeiten und von diesem Prinzip her zu erklären im Stande ist. Dies ermöglicht ihm, einzelne Streitfragen überzeugender als andere zu beantworten, und führt ihn zugleich dazu, das behandelte Recht in ein möglichst geschlossenes und widerspruchsfreies System zu bringen. Gerade dieser enge Zusammenhang von Prinzip, „ratio iuris“, und System wird in seiner Dissertation sehr deutlich. Zugleich zeigt schon diese Anfängerarbeit, dass bei Windscheid prinzipielle Behandlung eines Rechtssatzes und Berücksichtigung von Interessen kein Widerspruch sein muss, jedenfalls dann nicht, wenn das Prinzip aus den Interessenlagen der Beteiligten abzuleiten ist. Dabei bleibt die Dissertation – anders als spätere Arbeiten – insofern rein „akademisch“, als sie nicht nur einem akademischen Zweck dient, sondern, weil Windscheid allein nach dem im römischen Recht herrschenden Prinzip 246 247 248 249 250 251
B. Windscheid, De valida (1838) S. 54 f. B. Windscheid, De valida (1838) S. 57–61. B. Windscheid, De valida (1838) S. 59. Puchta, Pandekten (1838) § 369, S. 409 f. Thibaut, System (81834) § 607, S. 135 f. B. Windscheid, De valida (1838) S. 61.
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fragt, auf die Anschauungen des 19. Jahrhunderts und die Bedürfnisse des Verkehrs, auch wo sie bekannt sind, bewusst keine Rücksicht nimmt. Die nur zum Zwecke der Promotion gedruckte252 und im Buchhandel nicht erschienene Dissertation253 wurde sicher nur wenigen Juristen bekannt.254 Immerhin wird sie von Vangerow 1847 nicht nur genannt, sondern auch ausführlich und im Wesentlichen zustimmend zitiert.255 Eine breitere Wirkung entfaltete jedoch erst ein daraus entwickelter Aufsatz ,Ueber das Prinzip des SC. Velleianum‘, der 1849 erschien.256 Dieser Aufsatz macht die wichtigste These aus Windscheids Dissertation von 1838 der wissenschaftlichen Öffentlichkeit bekannt und konzentriert sich zugleich allein auf die Erläuterung des einen Satzes, dass das SC Vell. nur den Frauen Schutz gewährt, die im fremden Interesse eine Obligation in der Annahme übernehmen, nicht selbst aus dieser Obligation in Anspruch genommen zu werden. Dieses „Prinzip“ wird mit wenigen Worten aus der Willenshaltung des Gesetzgebers (des römischen Senats) heraus plausibel gemacht und dann programmatisch verkündet. Einer kürzeren Quellenkritik folgen Ausführungen zur Konsequenz des entdeckten Prinzips für die bisher im Zusammenhang mit dem SC Vell. behandelten Fallkonstellationen sowie damit einhergehend die Verteidigung des erkannten Prinzips gegen mögliche Angriffe und die Kritik der bisher vertretenen Meinungen. Den Abschluss bilden – bezeichnend für die auch wissenschaftliche Ehrlichkeit Windscheids – einige noch ungeklärte Stellen, die unter das aufgestellte Prinzip zu subsumieren Windscheid nicht gelingen will, ohne dass er deswegen bereit wäre, sein Prinzip in Frage zu stellen. Inhaltlich hat sich an Windscheids Ansicht seit 1838 nichts geändert. Methodisch fällt auf eine gewisse Rigorosität der Aussage, die er sich in seiner Dissertation wohl noch nicht erlauben konnte, sowie ein recht freier Umgang mit dem Quellenmaterial. Es genügt ihm, dass die meisten Quellen dem Prinzip nicht ausdrücklich widersprechen. Auch wo über die Erwartungen der Frau nichts gesagt wird, unterstellt Windscheid weitergehend als noch 1838 die aus seiner Sicht erforderlichen subjektiven Haltungen, hält sich zu solchen „Hineintragungen“ auch 252 Gefordert von § 35 der Statuten der Juristischen Fakultät: Koch, Universitäten I (1839) S. 255. 253 B. Windscheid, SC Velleianum (1849) S. 179 Fn. 6. 254 J. J. Bachofens Äußerung in seinem Gutachten über Windscheid vom 17.8.1847, die Dissertation pflege „in den neuern Lehrbüchern als die beste Schrift über diesen Gegenstand angeführt zu werden“ – StA Basel EZA Z 11 = Bachofen, Gesammelte Werke 10 (1967) Nr. 45 S. 72–74, Zitat S. 73 – verwundert darum nicht nur den Herausgeber dieses Bandes, Fritz Husner, ebd. S. 73 Fn. 2. 255 Vangerow, Leitfaden III (1847) § 581 S. 149–158, Übernahme von Windscheids Prinzip S. 152 f. 256 AcP 32 (1849) S. 283–324.
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für ausdrücklich berechtigt, da „ohne sie nicht abzusehen wäre, warum das SC nicht auch auf viele andere Fälle erstreckt worden ist, für welche es in der That nicht gilt“.257 An seiner Auffassung hat Windscheid bis zum Schluss festgehalten258 und auch von Anfang an – Girtanner 1851259 – Nachfolger gefunden. 1856 diente etwa Hasenbalgs Abhandlung „Ueber das Princip des Sct. Vellejanum“ dem Zweck, die Begründung für Windscheids richtige Ansicht zu vervollständigen.260 Auch Vangerow blieb ein Anhänger Windscheids und übernahm ebenso wie Kohler insbesondere dessen prinzipielle Begründung des SC Vell.261 Dabei war für Kohler besonders wichtig, dass diesem Prinzip nicht eine juristische, sondern eine wirtschaftliche Betrachtung zugrunde liegt.262 Dagegen wichen so bedeutende Stimmen wie die von Arndts, Brinz und Dernburg von Windscheids Meinung ab, so dass dieser ein Durchbruch nicht gelingen konnte.263 In der heutigen Romanistik ist wie schon im 19. Jahrhundert die Ansicht herrschend, dass Zweck des SC Vell. Schutz der Frauen „gegen Nachteile aus derartigen Geschäften“ sei, ohne dass die führenden Lehrbücher weitere Ausführungen zum Charakter dieses Schutzes machten.264 Dieser Ansicht widerspricht mit Vehemenz Vogt.265 Er kennt als subjektive Voraussetzung für das Eingreifen des SC Vell. auf seiten der Frau lediglich den animus intercedendi.266 Auf Windscheids Sicht geht er in seinen Studien von 1952 dabei nicht ein,267 während er sie 1967 in einer Fußnote zur Diskussion von C.4.29.13 ablehnend zitiert.268 Dagegen übernimmt der jüngste Vertreter der herrschenden Meinung, Medicus, der in seiner Dissertation von 1957 Windscheid mehrfach erwähnt,269 im Grunde dessen These. Die darauf beruhende Deutung von C.4.29.13 betrachtet Medicus 257
B. Windscheid, SC Velleianum (1849) S. 290–295, Zitat S. 291. Siehe B. Windscheid, Lehrbuch II, (71891) § 485 Fn. 3 S. 750 f. mit der Lit. 259 Girtanner, Bürgschaft (2. Abt. 1851) S. 335. 260 Hasenbalg, Intercession (1856) S. 1–81, bes. 3. 261 Vangerow, Pandekten III, (71869) § 581, bes. S. 149. 262 Kohler, Studien (1878) S. 153–156. 263 Dazu Übersicht bei B. Windscheid, Lehrbuch II, (71891) § 485 S. 750 f. Fn. 3. 264 Honsell in Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht (1987) § 109 S. 292 f., Zitat S. 292; Kaser, Römisches Privatrecht 1. Abschnitt (1971) § 156 S. 667. 265 H. Vogt, Studien (1952), bes. S. 6–9 u. ders., Miscellanea (1967) S. 101–105. 266 H. Vogt, Studien (1952) S. 17. 267 Er zitiert in seinen Studien S. 1 Fn. 1 lediglich als Generalnachweis zur gemeinrechtlichen Literatur Windscheid/Kipp, Lehrbuch II (91906) §§ 485–488. 268 H. Vogt, Miscellanea (1967) S. 105 f. Fn. 77 unter Hinweis auf die Übernahme von Windscheids irriger Sicht noch durch Girard, Manuel élémentaire de droit romain (81929) S. 837. 269 Medicus, Zur Geschichte des Senatus Consultum Velleianum (1957), zitiert Windscheids AcP-Aufsatz S. 45 Fn. 21, S. 51 Fn. 36, S. 52 Fn. 37, S. 96 Fn. 31 u. S. 117 Fn. 96. 258
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zwar als nicht zu beweisende Vermutung,270 jedoch sieht er das Typische an den vom SC Vell. erfassten Geschäften darin, dass sie deshalb für die Frau besonders gefährlich sind, weil „,eigentlich‘ ein anderer Schuldner ist, der auch allein den Nutzen von dem Geschäft gehabt hat“ und letztlich die Frau vor einem Vermögensverlust bewahrt werden muss. „Diese Pflicht des Begünstigten kann die Frau dazu verleiten, ihre eigene Verpflichtung für eine bloße Formalität zu halten und sich zu ihr aus Gefälligkeit bereit zu finden, zumal das zunächst nicht mit einem sichtbaren Vermögensopfer verbunden ist.“ 271 Kaden schließt sich dieser Meinung an und nennt sie Medicus’ „abschließende, wesentliche Feststellung“.272 Leider weisen weder Medicus noch Kaden in diesem Zusammenhang auf Windscheid hin. Dennoch ergibt sich daraus eindeutig, dass Windscheids Überzeugung vom Prinzip des SC Vell. bis heute namhafte Anhänger gefunden hat.
IV. Bis zur Habilitation 1840 Nachdem die Promotion glücklich überstanden war, ging der 21jährige Doktor beider Rechte zurück nach Düsseldorf, wo er seine Tätigkeit als Auskultator am Landgericht erneut aufnahm.273 Dort wird er, wie alle seine Kollegen, durch Mitarbeit bei Gericht und Gerichtsverwaltung, Abfassen von Relationen und Urteilen sowie Anwesenheit und Stellungnahme bei der richterlichen Beratung in die Rechtspraxis eingeführt worden sein.274 Doch schon zum frühest möglichen Zeitpunkt, nämlich zwei Jahre nach seinem Abgang von der Universität Berlin,275 erstrebte Bernhard Windscheid seine Zulassung als Privatdozent „für das römische Recht“ in Bonn. Am 21. Juni 1839 fragte er bei der juristischen Fakultät sowie beim Regierungsbevollmächtigten Rehfues an, ob diese Zulassung zu Michaelis (29.9.)1839, also zum Wintersemester 1839/40 möglich sei.276 Die sich daran anschließende Diskussion in der
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Medicus, Geschichte (1957) S. 118. Medicus, Geschichte (1957) S. 135. 272 Kaden, Rez. Medicus (1958) S. 425. Ders. ebd. S. 425 f.: Interzessionsgeschäfte seien deshalb besonders gefährlich, weil „die interzedierende Frau in fremdem Interesse und ohne sichtbares Vermögensopfer eine Verpflichtung eingeht, indem sie darauf vertraut, dass ihr der Interzessionsbegünstigte die Zahlungspflicht, ,die doch eigentlich seine eigene blieb‘, schließlich abnehmen werde.“ [Hervorhebung F. Klein]. 273 Habilitationsbericht vom 25.7.1840, GStA PK Berlin – I. HA Rep.76 Kultusministerium Va Sekt.3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 4 Bd. 7 Bl. 58r. 274 Allgemeine Gerichtsordnung III (1816) S. 4, §§ 6–8 (S. 188 f.); Oertmann, Lebensgang (1904) S. XI; allg. Goldschmidt, Rechtsstudium (1887) S. 191 u. S. 195 f. und Weber, Entwicklung (1935) S. 163–168 u. S. 253–261; anschaulich Neuber, Rechtsanwaltschaft (1975) S. 15–17. 275 Statuten der Juristischen Fakultät § 47, Koch, Universitäten I (1839) S. 257. 276 Schreiben Windscheids an die juristische Fakultät Bonn, Düsseldorf den 21.6. 1839, UA Bonn Personalakte Windscheid. 271
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Fakultät277 kreiste um die Frage, ob die halbjährige Vorbereitungszeit zur Promotion 1838 in die zwei Jahre, die zwischen Abgang von der Universität und Habilitation liegen müssen und „zur practischen Ausbildung und namentlich zum Leben unter anderen Verhältnissen benützt werden sollen“,278 einberechnet werden dürfen oder nicht. Nachdem darüber in der Fakultät keine Einigkeit herzustellen gewesen war, setzte sich die auch vom Dekan Walter vertretene Meinung durch, dass Windscheid, auch in Anbetracht seiner Jugend, erst zu Ostern 1840 mit seiner Habilitation rechnen dürfe. In diesem Sinne lautet auch die Antwort Walters an Windscheid vom 3. August 1839.279 Also blieb Windscheid noch ein dreiviertel Jahr in Düsseldorf. Über diese Zeit unterrichten uns vier Briefe,280 die Windscheid an seinen Freund Heinrich v. Sybel nach Darmstadt schrieb, wo dieser Archivstudien trieb und dabei seine künftige Frau kennenlernte.281 Sie zeigen, dass Windscheid regelmäßig im Hause Sybel verkehrte, spätestens jetzt auch Immermann kennen und dessen Werke, an deren Entstehung er inneren Anteil nahm, schätzen lernte.282 Daneben besuchte er Konzerte und Bälle, nahm Teil am karnevalistischen Treiben und versuchte, seinen Platz in der Gesellschaft zu finden.283 Dabei besticht die Ehrlichkeit, mit der er seine Umwelt und sich selbst analysiert, und die Sicherheit, mit der er das, was ihm lediglich angenehm ist, von dem, was er als seinen eigentlichen Beruf empfindet, zu unterscheiden versteht.284 Das wird deutlich einmal in seinem Verhältnis zum anderen Geschlecht, zum anderen in seiner Beziehung zu Düsseldorf. 277 Schriftliche Aussprache vom 1.7. bis 16.7. (8 Seiten), UA Bonn Personalakte Windscheid. 278 Stellungnahme des Dekans Walter am 1.7.1839 mit Zitat aus einem Ministerialreskript, UA Bonn Personalakte Windscheid. 279 UA Bonn Personalakte Windscheid. 280 Alle im GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3: 1. Düsseldorf vom 28./ 29.11.1839, Bl. 49–51v, 2. Düsseldorf vom 11./13.1.1840, Bl. 52–58v, 3. Bonn vom 10./17.3.1840, Bl. 41–48v, 4. Bonn vom 20./23.4.1840, Bl. 37–40v. Das von Hans Lesener veröffentlichte „Windscheid-Tagebuch“ [ZRG (RA) 83 (1966) S. 382–396] dürfte dagegen, wie Datums- und Textvergleiche ergeben, nicht von Bernhard, sondern von seinem vier Jahre älteren Bruder Franz Windscheid stammen, so dass es zwar über das Klima in der Familie Windscheid viel, über die Psyche Bernhard Windscheids jedoch nichts aussagen kann. Ausweislich der typographischen Abschrift des Tagebuchs im Familiennachlass Windscheid ist unter dem 08.6.1838 von einem „Bernhard“ neben dem Autor die Rede, und unter dem 29.3.1838 spricht der Autor von sich „als dem Ältesten“. 281 Varrentrapp, Sybel (1897) S. 34 f.; Dotterweich, Sybel (1978) S. 35 f. 282 An Louise Burckhardt-His schreibt Windscheid am 7.8.1846 aus Rolandseck, Familiennachlass Windscheid, wie er 1840 Immermanns öffentliche Vor-Lesungen gehört und dabei die Schönheiten von „Tristan und Isolde“ kennen gelernt habe. 283 Windscheid an Sybel aus Düsseldorf am 28./29.11.1839, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 49–51v, und am 11./13.1.1840, ebd. Bl. 52–58v; Oertmann, Lebensgang (1904) S. XI. 284 Windscheid am 10./17.3.1840 aus Bonn an Sybel, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 41–48v, 41r: „Das Angenehme ist nicht immer das Fördernde.“
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Bei seinen Beziehungen zu jungen Frauen trennt er bewusst zwischen einem grundlosen Gefühl des äußeren Angezogen-Seins und einem begründeten inneren, rein geistigen Wohlgefallen. Dabei nennt er jedoch einen Toren den, der meine, diese Bestandteile „in der Praxis, wie in der Theorie, haarscharf trennen“ zu können. Und da bei ihm das zweite und entscheidende Moment bisher gefehlt habe, hielt er sich auch nicht für verliebt.285 Im Übrigen durften Liebe, Werbung und die damit verbundene Unruhe auch nicht dazu führen, dass jene Tätigkeit, der er sein Leben gewidmet hatte, beeinträchtigt würde: „Die Materie fassen und sie zwingen, sich uns zu erschließen u. ihr Verborgenes zu öffnen, ihren Zusammenhang mit Anderem und dem Höchsten erkennen – das ist eine Arbeit, die der menschliche Geist ohnehin nicht ohne Anstrengung vollbringt; die ihm aber unmöglich wird, sobald er nicht über alle seine Kräfte souverän gebieten kann.“ 286 Der daraus entstehende Konflikt – „ein Arm des großen unser Leben theilenden Zwiespalts, den ich . . . am besten durch meine Theorie des Sündenfalls erklären zu können vermeine“ 287 – löst sich für Windscheid so, dass die wissenschaftliche Zukunft vorgeht und Liebe und Heirat eng zusammen gehören. Er nennt „hochzeitslose Liebe“ geradezu „eine Schwachheit“.288 In einem Rechenschaftsbrief über die Vergangenheit an der Schwelle zu einer ungewissen Zukunft aber „mit dem festen Willen, dieselbe nach Kräften zu gestalten, wie die Vernunft es gebietet“,289 reflektierte er über sein Leben in Düsseldorf. Dort war er glücklich, „weil die verschiedensten Seiten und Richtungen meines Geistes Anklang fanden, weil keine eines Kreises entbehrte, von dessen Peripherie aus auf sie als einen Mittelpunkt gewirkt wurde“:290 Dazu gehörten enge Freunde,291 befreundete Familien wie die Sybels und ein weiterer Bekanntenkreis, Teilnahme an Immermanns Wesen und literarischer Produktion, gesellschaftlicher Umgang in wertvollen Formen, „wenn sie geistig durchdrungen werden“,292 und schließlich seine Eigenschaft als „Düsseldorfer mit Leib und Seele“,
285 Windscheid aus Bonn an Sybel am 10./17.3.1840, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B. 3 Bl. 41–48v, 44r–45r, Zitat Bl. 45r. 286 Windscheid aus Bonn an Sybel am 20./23.4.1840, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 37–40v, 38r. 287 Ebd. Bl. 38v. 288 In den Briefen an Sybel vom 10./17.3. und 20./23.4.1840, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 41–48v, 45r u. Bl. 37–40v, 37r (Zitat). 289 Windscheid an Sybel aus Bonn am 10./17.3.1840, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 41–48v, 41v. 290 Ebd. Bl. 42r. 291 Besonders „Richard“ hatte Verständnis für seine „innersten Gedanken und Gefühle“, ebd. Bl. 42r u. v (Zitat); gemeint ist wohl der gemeinsame Düsseldorfer Freund, Berliner Studienkollege und spätere Arzt Richard Hasenclever, s. Dotterweich, Sybel (1978) S. 35. 292 Ebd. Bl. 42v.
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der „mit warmer Liebe“ an seiner Vaterstadt hing, von allgemeinen Interessen berührt wird und sich freudig „als Glied einer Allgemeinheit fühlte“.293 Die Familie war dabei der Ort der geistigen und körperlichen Entspannung, selbst wenn sie Unannehmlichkeiten mit sich brachte. Denn selbst diese lassen sich „durch Gewöhnung lieb gewinnen“.294 Dies ist eine der wenigen Anspielungen auf ein nicht immer einfaches Familienleben, unter dem besonders sein älterer Bruder Franz – wohl weil er als der Älteste die meiste Verantwortung auf sich lasten fühlte – so gelitten hatte.295 Was jedoch in Düsseldorf fehlte, war der „wahre Kern, – ein ernstes Streben, ein Mühen um ein bestimmtes, würdiges Ziel. Deswegen habe ich immer von Düsseldorf wegzugehen verlangt.“ 296 Am 18. Februar 1840 meldete sich Bernhard Windscheid darum beim Regierungsbevollmächtigten Rehfues wie beim Dekan der juristischen Fakultät in Bonn, Böcking, zur Habilitation an in der Hoffnung, schon im folgenden Sommersemester seinen Namen im „Lections-Catalog“ vorzufinden,297 und mit dem Bewusstsein, dass dies der für ihn richtige Weg sei.298 Das Ministerium hatte gegen Windscheids Zulassung als Privatdozent nichts einzuwenden, nachdem v. Rehfues mitgeteilt hatte, dass „von dem staatspolizeilichen Gesichtspunkt“ aus keine Bedenken bestünden.299 In der Fakultät wurde darüber beraten, ob dem zukünftigen Dozenten das Thema seiner Antrittsvorlesung vorzugeben oder ihm zu überlassen sei.300 Auch hier wieder war die Fakultät gespalten. Walter, Deiters, Bethmann-Hollweg und Maurenbrecher waren dafür, dem Kandidaten die Wahl des Themas zu überlassen, schon „weil sich dann gerade das Eigenthüm293
Ebd. Bl. 43r. Ebd. Bl. 43v u. 44r (Zitat). 295 Vgl. Lesener, Tagebuch (1966), bes. S. 391. 296 Windscheid an Sybel aus Bonn am 10./17.3.1840, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 41–48v, 46r. 297 Windscheid an Dekan Böcking, Düsseldorf am 18.2.1840, UA Bonn Personalakte Windscheid. 298 So ausdrücklich in seinem Brief an Sybel vom 10./17.3.1840, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 41–48v, 46v. 299 Schreiben Rehfues’ an Minister Altenstein vom 22.2.1840 (Zitat), GStA PK Berlin – I. HA Rep.76 Kultusministerium Va Sekt.3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 4 Bd. 7 Bl. 35r u. v; Vorlage bei der Ministerial-Kommission zwischen dem 13. u. 21.3.1840, ebd. Bll. 34 f.; Mitteilung des Ministeriums vom 4./7.4.1840 an Rehfues, dass Windscheid zum Habilitationsverfahren zuzulassen sei, ebd. Bl. 36r. Rehfues gibt diese Nachricht am 15.4.1840 an die Fakultät weiter, UA Bonn Personalakte Windscheid. 300 Fakultätsberatung vom 23. bis 26.2.1840 (3 Seiten), UA Bonn, Personalakte Windscheid; dazu Statuten der Juristischen Fakultät § 51, Koch, Universitäten I (1839) S. 258. Dass Windscheid nur diese Antrittsvorlesung zu halten brauchte, sich dagegen nicht einer weiteren Probevorlesung und einem Kolloquium unterziehen musste, bedeutet, dass er schon vor der schriftlichen Doktorprüfung erklärt hatte, er wolle in Bonn als Privatdozent auftreten: Statuten § 53, ebd. S. 259. Keinesfalls hat er sich, wie Jahnel, Kurzbiographien (1978) S. 86, meint, „mit der Schrift ,Zur Lehre des Code Napoléon von der Ungültigkeit der Rechtsgeschäfte‘ “, Düsseldorf 1847, habilitiert. 294
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liche, das er zu geben im Stande ist, am besten zeigen kann“,301 aber auch, weil die Vorlesung möglicherweise schon ausgearbeitet und eine unnötige Sonderbelastung gerade gegenüber dem schon einmal hingehaltenen Windscheid „anstößig“ sei.302 Dagegen stimmte Dekan Böcking, dem Gärtner folgte, einmal, um der Fakultät ihr Recht auf Themenvorgabe zu erhalten, zum anderen aber auch, weil er „so wie auch . . . College Gaertner, mit den Leistungen des Candidaten bei der schriftlichen u. mündlichen Prüfung so wenig befriedigt gewesen“ sei, dass er „das annoch zu Praestirende nicht zu leicht machen möchte“. Sein Vorschlag für die in Latein zu haltende Vorlesung lautete: „Darstellung der charakteristischen Verschiedenheiten der juristischen Auffassung der Familienverhältnisse in den verschiedenen Perioden des Röm. Rechts im Vergleich mit den betreffenden Rechtsvorschriften der neueren Zeiten“.303 Da Böcking gegen vier Gegenstimmen nichts ausrichten konnte, stellte er in seinem sehr förmlichen Antwortschreiben an Windscheid vom 27. Februar 1840 diesem das Thema seiner Antrittsrede frei, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass vor dieser Rede eine Aufnahme in den Lektionenkatalog unmöglich sei und in den Semesterferien „keine academischen Sollennien“ vorgenommen würden.304 Auf dieses Schreiben hin verließ Windscheid das Leben der „Bälle, Concerte, Gesellschaften, Aufführungen“ und der „Unruhe in unserm Hause“ in Düsseldorf, um sich in Bonn der Wissenschaft zu weihen: „Ich werde jetzt Lehrling und Geselle in der Wissenschaft, um einstens auf den Namen und die Rechte eines Meisters Anspruch machen zu dürfen. Ihr gehört von nun meine Hauptthätigkeit, alles übrige wird Nebensache. – Gesellschaftliches Treiben muß, wenigstens für die erste Zeit, gewaltig in den Hintergrund gestellt werden.“ 305 Am 14. Mai hielt er in der sogenannten „Aula vicaria“ seine erste Vorlesung „De diversis circa ius inter parentes ac liberos praeceptis iuris Romani, Germanici recentiorumque codicum“,306 also zu exakt dem Thema, das Böcking in der Fakultät nicht hatte durchsetzen können! Der Bericht der Fakultät darüber307 ist ähnlich zurückhal-
301 Meinung Walters am 25.2.1840, der sich einen Tag später Bethmann-Hollweg, Deiters und Maurenbrecher anschließen, UA Bonn, Personalakte Windscheid. 302 So Deiters am 24.2.1840, UA Bonn, Personalakte Windscheid. 303 Am 25.2.1840, UA Bonn Personalakte Windscheid. 304 Böcking im Namen der Fakultät an Windscheid, Bonn, den 27.2.1840, UA Bonn, Personalakte Windscheid. 305 Windscheid am 10.3.1840 an Sybel, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 41–48v, 46r (1. Zitat) u. 46v (2. Zitat). 306 Gedrucktes Einladungsblatt mit bestätigender handschriftlicher Notiz Böckings im UA Bonn, Personalakte Windscheid. 307 Vom 25.7.1840, GStA PK Berlin – I. HA Rep.76 Kultusministerium Va Sekt.3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 4 Bd. 7 Bl. 53r–59r; erstattet aufgrund des Reskripts an den ao. Regierungsbevollmächtigten vom 19.8.1837 (Koch, Universitäten II,1 (1840) S. 13): Rehfues am 15.4.1840 und anmahnend am 21.7.1840 an die juristische Fakultät, UA Bonn, Personalakte Windscheid.
C. Dozentenzeit in Bonn (1840–1847)
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tend wie schon Böckings Beurteilung seiner Dissertation: Er lobt „eine gewisse Leichtigkeit in Behandlung des Gegenstandes“, kritisiert dagegen „Oberflächlichkeit“ und „Mangel an gründlicher Betrachtung der in ihrem historischen und philosophischen Verhältnisse aufzufassenden Rechtsbestimmungen und selbst manches geradezu Falsche“. Die Fakultät resümierte, dass Windscheid „ein gewisses Talent und in einzelnen Partien der Rechtswissenschaft auch in Betracht seines Alters genügende Kenntnisse“ besitze und sie alles tun werde, damit aus ihm „dereinst ein tüchtiger akademischer Lehrer werden möchte“.308 Mit dieser nicht gerade schmeichelhaften Beurteilung begann Windscheids Karriere als Hochschullehrer für römisches Recht in Bonn.
C. Dozentenzeit in Bonn (1840–1847) I. Leben Mit knapp 23 Jahren war Bernhard Windscheid Privatdozent für römisches Recht in Bonn. Schneller konnte dieses Ziel kaum erreicht werden,309 und so muss man Oertmann zustimmen, wenn er meint, Windscheids „Lebensschifflein“ sei bisher „schnell und glücklich“ seinem Ziele zugesteuert.310 Nun begann für ihn die Zeit der Bewährung, der Probe und auch Ausbildung seiner akademischen Talente und Fähigkeiten,311 die Zeit der größten Freiheit312 wie auch der größten Unsicherheit. Ein Privatdozent, von W. H. Riehl zu den „Proletariern der Geistesarbeit“ gerechnet,313 war nicht verpflichtet, Veranstaltungen zu halten, konnte aber auch in keiner Weise damit rechnen, in absehbarer Zeit, „regelmäßig“, eine feste Anstellung zu erhalten.314
308 GStA PK Berlin – I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 4 Bd. 7 Bl. 58v. u. 59r. 309 Busch, Geschichte des Privatdozenten (1959) S. 45: durchschnittliches Habilitationsalter um 1850 „etwa bei 26 Jahren“. 310 Oertmann, Lebensgang (1904) S. XI; der Widerspruch zu Lesener, Tagebuch (1966) S. 394, erklärt sich aus dessen Irrtum hinsichtlich des Verfassers dieses Tagebuchs, s. o. B. IV. S. 77 Fn. 280. 311 Paulsen, Universitäten (1902) S. 224–227; zur Konkurrenzsituation ebd. S. 229 f. u. Conrad, Universitätsstudium (1884) S. 160 f.: 1840 standen bei den Juristen 59 Privatdozenten 108 Ordinarien und 32 ao. Professoren gegenüber. 312 Paulsen, Universitäten (1902) S. 224: „der Privatdocent hat die freieste, unabhängigste Stellung, die es in der Welt giebt“. 313 W. H. Riehl bei Busch, Geschichte des Privatdozenten (1959) S. 42, dort S. 43– 53 weitere eindrückliche Schilderungen der damaligen gefährdeten Lage. 314 Siehe Koch, Universitäten I (1839) S. 260: Statuten der Juristischen Fakultät Bonn 1834 § 59: „Kein Privatdozent hat als solcher, und bloß wegen seiner Anciennität einen unmittelbaren Anspruch auf Beförderung zur Professur. Diese hängt vielmehr lediglich von dem jedesmaligen Bedürfnisse der Fakultät, und von den Beweisen der Tüchtigkeit und von den Fähigkeiten des Privatdozenten ab.“ Antrag i. d. R. frühestens
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
Noch im Sommersemester 1840 las Windscheid römisches Recht, zunächst wie vorgeschrieben315 ein Examinatorium, zu dem sich drei Hörer einfanden.316 Schon im Wintersemester 1840/41 kam ein Publikum über Ulpians Fragmente vor 28 Studenten hinzu.317 Seine weitere Vorlesungstätigkeit zeigt deutlich die Schwierigkeiten, mit denen der junge Privatdozent an einer Fakultät zu kämpfen hatte, die im römischen Recht sowieso schon überbesetzt war. Von den sieben Ordinarien des Sommersemesters 1840 waren drei (Bethmann-Hollweg, Böcking und der neu hinzugekommene Carl Sell318) reine Romanisten, außerdem las noch Walter regelmäßig römische Rechtsgeschichte.319 Nachdem Bethmann-Hollweg 1842 das Amt des außerordentlichen Regierungsbevollmächtigten und Kurators übernommen hatte,320 wurde er durch Friedrich Blume ersetzt, der, ohne spezieller Vertreter des römischen Faches zu sein,321 doch romanistische Vorlesungen hielt. So musste sich Windscheid in seiner ganzen Bonner Zeit neben vier ordentlichen Vertretern des Römischen Rechts behaupten. Deshalb veranstaltete er regelmäßig nur exegetische Übungen privatissime,322 las mit einigem Erfolg daneben insgesamt dreimal über Ulpians Fragmente323 und einmal über ausgewählte nach drei Jahren möglich. Das entspricht ganz den Vorstellungen des Ministers Altenstein vom freien Wettbewerb und der Geltung des Leistungsprinzips auch an den Hochschulen, s. Zitat bei Renger, Gründung (1982) S. 64. 315 Statuten der Juristischen Fakultät § 54, Koch, Universitäten I (1839) S. 259. 316 Tabellen über die gehaltenen Vorlesungen, UA Bonn, Rektorat U 66, SS 1840 u. GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. XIII Nr. 1 Bd. 6 Bl. 325v/326; Beginn: erst am 24. Juni, üblich dagegen Mitte Mai. Die im folgenden nicht mehr zitierten Tabellen im UA Bonn reichen nur bis zum SS 1842, die Belege im GStA PK Berlin dagegen bis SS 1843 einschl. Danach wurden diese Tabellen nicht mehr eingesandt, vgl. Schreiben des Kurators v. Bethmann-Hollweg an Minister Eichhorn vom 22.1.1844, GStA PK Berlin ebd. Bd. 7 Bl. 191 u. 191v. 317 GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. XIII Nr. 1 Bd. 7 Bl. 21v/22; dieses Publikum ist als Beweis seiner Befähigung zu werten, vgl. Statuten § 54, Koch, Universitäten I (1839) S. 259. 318 Zu seiner Berufung sehr kritisch Landsberg, Professuren (1923) S. 19 f., dort 20: „ein unglaublicher Missgriff“; ebenso Bezold, Geschichte (1920) S. 405: „eine wissenschaftliche Null“. 319 Landsberg, Professuren (1923) S. 14 f. 320 Stein von Kamienski, Kuratoren (1968) S. 538–544, bes. 540–542; Höroldt, Stadtverwaltung und Universität (1969) S. 123 f. 321 Landsberg, Professuren (1923) S. 21 f.; über ihn als Romanisten auch Bezold, Geschichte (1920) S. 404. 322 Höchstens sieben Mal, nämlich SS 1840 (3 Hörer), im WS 1840/41 mangels Interessenten ausgefallen, WS 1842/43 (15 Hörer): GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. XIII Nr. 1 Bd. 6 Bl. 325v/326 u. Bd. 7 Bl. 21v/22, 158v/159; SS 1843: Vorlesungen Bonn; SS 1844: Kurator v. BethmannHollweg an Jur. Fak. am 25.4.1844, UA Bonn, Personalakte Windscheid; WS 1843/44, WS 1844/45, SS 1847: Vorlesungen Bonn. 323 WS 1840/41 (28 Hörer), WS 1841/42 (24 Hörer): GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. XIII Nr. 1 Bd. 7 Bl. 21v/22 u. 88v/89; WS 1844/45: Antrag Windscheids an Dekan Sell aus Düsseldorf am 9.10.1844
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Pandektenstellen.324 Bei den eigentlichen Hauptvorlesungen war er dagegen wenig erfolgreich: Seine drei Institutionen-Vorlesungen fanden immer parallel zu Böcking oder Sell statt, so dass nur zwei bis zehn Hörer den Weg zu ihm fanden.325 Für Erbrecht gilt das gleiche, nur dass Windscheid diese Vorlesung in Bonn höchstens zweimal gehalten hat.326 Pandekten und Familienrecht kündigte er zwar wiederholt an,327 kam aber nicht dazu, diese Themen auch zu lesen. Ursache war zum einen seine lange Zeit angegriffene Gesundheit328, zum anderen aber auch der Umstand, dass der kränkelnde Maurenbrecher nicht mehr im Stande war, allen seinen Vorlesungsverpflichtungen nachzukommen. Maurenbrecher hatte bis zum Sommersemester 1841 die Vorlesungen über französisches Zivilrecht übernommen,329 zu denen die Fakultät seit 1831 verpflichtet war.330 Im Sommersemester 1842 las Windscheid zum ersten Mal an dessen Stelle über den Code Napoléon.331 Seit diesem Semester hielt Windscheid – von der Fakultät und Genehmigung des Kurators an Sell vom 14.10.1844: UA Bonn Personalakte Windscheid. 324 SS 1841, 32 Hörer!, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. XIII Nr. 1 Bd. 7 Bl. 58v/59. 325 SS 1841 neben Böcking, 5 Hörer; WS 1841/42 neben Böcking und Sell, 2 Hörer; WS 1842/43 neben Sell, 10 Hörer: GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. XIII Nr. 1 Bd. 7 Bll. 56v–59, 87v–89 u. 158v–160. 326 SS 1841 neben Böcking 10 Hörer, WS 1841/42 neben Sell nicht zustande gekommen: GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. XIII Nr. 1 Bd. 7 Bll. 56v–59 u. 87v–89. WS 1843/44: Vorlesungen Bonn. 327 Pandekten dreimal, im SS 1843, im SS 1844 und im WS 1844/45; Familienrecht zweimal, im SS 1843 und im SS 1844: Vorlesungen Bonn. Im SS 1843 gab es für beide Vorlesungen (jeweils neben Sell) nur je zwei Interessenten, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. XIII Nr. 1 Bd. 7 Bl. 178v/ 179. 328 Windscheid bittet deswegen im April 1844 die Fakultät um Entbindung von seiner Verpflichtung, im SS 1844 über Pandekten und Familienrecht zu lesen, was ihm vom Kurator am 25.4.1844 gestattet wird: UA Bonn, Personalakte Windscheid, dort Fakultätsberatungen 22./29.4.1844 und Schreiben des Kurators an die Fakultät. Aus dem gleichen Grund wird er auf seinen Antrag vom 9.10.1844 am 14.10.1844 vom Kurator von der Pandektenvorlesung im WS 1844/45 befreit, ebd. 329 Seit 1836, Bezold, Geschichte (1920) S. 406 f.; Maurenbrecher las seit dem WS 1839/40 in jedem Semester bis zum SS 1841 über den Code Napoléon vor 7 (WS 1840/ 41, abgesagt) bis 44 (WS 1839/40) Hörern, musste jedoch schon im SS 1841 alle anderen Vorlesungen wegen Unwohlseins absagen und fehlte dann seit dem WS 1841/42: GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. XIII Nr. 1 Bd. 6 Bl. 293v/294 (WS 1839/40), Bl. 325v/326 (SS 1840), ebd. Bd. 7 Bl. 20v/21 (WS 1840/41), Bl. 57v/58 (SS 1841), Bl. 87v/88 (WS 1841/42). 330 Ministerialverfügung an den ao. Regierungsbevollmächtigten in Bonn vom 31.10. 1831, Koch, Universitäten II,1 (1840) S. 208. 331 Nicht erst ab WS 1843/44, wie Crome bei Bezold, Geschichte (1920) S. 405 Fn. 3, meint. Er verzichtet dafür auf die neben Böcking angekündigten Institutionen und das Erbrecht; Publikum: 26 Hörer: GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. XIII Nr. 1 Bd. 7 Bl. 126v/127. Ab WS 1842/43 wurde seine Venia auf das französische Recht ausgedehnt, Gutachten der Jur. Fak. vom
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weiterhin darum gebeten und „aus Liebe zu unserer Universität“ dazu bereit332 – fünfmal hintereinander und ohne Konkurrenz diese Vorlesung.333 Dann wurde auf Bethmann-Hollwegs Wunsch am 3.4.1844 Bauerband als neuer Ordinarius „für das Fach des in der Rheinprovinz gültigen Rechts“ nach Bonn berufen,334 und damit war für Windscheid diese Chance, sich zu profilieren und damit zu etablieren, vorüber. Neben seiner Vorlesungstätigkeit schrieb er 1841 als Beitrag zum ersten Band der von den Gebrüdern Sell herausgegebenen Jahrbücher einen Aufsatz über ein zwar interessantes, aber doch reichlich akademisches besitzrechtliches Thema,335 seine einzige Publikation aus dieser Zeit. Er wurde von Böcking „als Hülfsarbeiter in unserem Spruchcollegium öfters zu meiner Zufriedenheit gebraucht“ 336, war aber wohl kein Mitglied dieses Gremiums.337 Die vier Jahre von 1840 bis 1844 verbrachte Windscheid abwechselnd in Bonn338 und während der vorlesungsfreien Zeit in Düsseldorf.339 In Bonn such-
16.4.1847, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 38 Bd. 1 Bl. 116–117v = UA Bonn, Personalakte Windscheid. 332 Schreiben Windscheids an Dekan Walter am 25.3.1843, UA Bonn, Personalakte Windscheid. 333 WS 1842/43 (19 Hörer), GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. XIII Nr. 1 Bd. 7 Bl. 159v/160; SS 1843 (17 Hörer), ebd. Bl. 178v/179; WS 1843/44 Code Napoléon und französisches Handelsrecht: Vorlesungen Bonn; SS 1844 statt des angekündigten Walter und trotz seiner erschütterten Gesundheit: Kurator v. Bethmann-Hollweg an Dekan Sell am 21.5.1844, UA Bonn, Personalakte Windscheid; letzte Ankündigung des Code Napoléon in Bonn für das SS 1847, Vorlesungen Bonn. 334 Königl. Ernennung mit einem Gehalt von 1000 Talern jährlich im GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 2 Bd. 12 Bl. 3; zu v. Bethmann-Hollweg als treibender Kraft Stein von Kamienksi, Kuratoren (1968) S. 541; über Bauerband Bezold, Geschichte (1920) S. 407 u. Landsberg, kriminalistische Fächer (1919) S. 24. 335 „Ueber den Besitz an Theilen einer zusammengesetzten Sache“, Jahrbücher für historische und dogmatische Bearbeitung des römischen Rechts 1 (1841) S. 449–473; dazu Windscheid an Sybel am 14.10.1841, GStA PK Berlin I. HA Rep.92 NL v. Sybel B 3 Bl. 31v/32r: „Ich bin in diesen Ferien gewissenhaft faul gewesen, habe, nach Vollendung jener Abhandlung, die ich Sell versprochen hatte, gar nichts mehr gethan.“ 336 Böcking am 18.7.1847 aus Bonn an Gerlach in Basel in seinem Windscheid nach Basel empfehlenden Schreiben, StA Basel EZA Z 11; abgedruckt bei Rabel, Windscheid (1909) Sp. 111. – Akten des Spruchkollegiums sind im UA Bonn nicht mehr erhalten, freundl. Auskunft Dr. Paul Schmidts vom 10.11.1987. 337 Vgl. die Statuten des Bonner Spruchkollegiums von 1836, Koch, Universitäten II,1 (1840) S. 87–91. Demnach gibt es, § 4, außerordentliche Mitglieder, wozu auch Privatdozenten gehören können, und, § 7, „Nebenarbeiter unter direkter Korrelation und Verantwortlichkeit eines wirklichen Mitgliedes, ohne kollegialischen Sitz und Stimme“. Immerhin sagt das Gutachten der Fakultät vom 16.4.1847, dass Windscheid „an den Arbeiten des Spruchcollegiums theil“ genommen habe, StA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 38 Bd. 1 Bl. 116–117v = UA Bonn, Personalakte Windscheid.
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te er Kontakt zum Hause des bedeutenden Altphilologen Friedrich Wilhelm Ritschl,340 trat noch 1840 als außerordentliches Mitglied in die Lesegesellschaft ein341 und nahm – auch wenn er sich dabei etwas unwohl fühlte – an Professorengesellschaften342 teil. Nähere Bekanntschaft verband ihn aber nicht etwa mit seinem „Spezialkollegen“ Johann Friedrich Budde343, sondern mit einem Kreis damals zahlreich in Bonn vertretener junger Philologen. Zusammen mit den Freunden Heinrich v. Sybel344 und Friedrich Heimsoeth,345 denen sich der Archäologe Ludwig Urlichs,346 der Orientalist Johannes Gildemeister347 und der Mediziner Claus348 (Windscheids Arzt) anschlossen, wurde ein „Schwanenorden“ gegründet, „sogenannt nach dem Wirthshaus so er tagte“, der „Concerte, Bälle, Landparthien“ veranstaltete und sich „eines guten Ansehens in der Gesellschaft“ erfreute.349 Besonders herzlich war das Verhältnis zu Sybel, der eine Zeit 338 Adresse: SS 1840 bis SS 1841 (wie auch Sybel) Hundsgasse 1060, seit WS 1841/ 42 bis SS 1845 im Mauspatt (oder Mauspfad) 262, Amtliches Verzeichniss Bonn, SS 1840–SS 1845. 339 Von dort schreibt er an Sybel am 26.10.1840, GStA PK Berlin I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 35, am 12.4.1841, ebd. Bl. 33–34v, am 14.10.1841, ebd. Bl. 31–32, am 23.10.1842, ebd. Bl. 28r und am 11./18.10.1843, ebd. Bl. 24–27. 340 Windscheid an Sybel am 11.1.1840, GStA PK Berlin I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 52–58v, 54v: „Könntest Du nicht irgend etwas thun, um mir die Bekanntschaft in dem Ritschl’schen Hause zu erleichtern?“; zu Ritschl Bezold, Geschichte (1920) S. 313 f. u. S. 386–388. 341 Dyroff, Festschrift (1937) S. 114; die „vornehmste gesellschaftliche Vereinigung der Zeit“, Ennen/Höroldt, Kleine Geschichte (1976) S. 214. Allgemein zum Status der Privatdozenten dort Ruckstuhl, Geschichte (1961) S. 133 f. 342 Windscheid an Sybel am 12.4.1841, GStA PK Berlin I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 33–34v, 34r: Bericht von „großer Gesellschaft bei Walter“; „ich habe mich absonderlich geberdet und bin absonderlich gefunden worden.“ 343 Seit 1838 Privatdozent bei der juristischen Fakultät, Wenig, Verzeichnis (1968) S. 38, in den Briefen nicht erwähnt. 344 Privatdozent in Bonn seit dem 7.11.1840, Wenig, Verzeichnis (1968) S. 309. Zur gemeinsamen Bonner Zeit s. fünf Briefe Windscheids an Sybel zwischen dem 26.10.1840 und dem 18.10.1843, GStA PK Berlin I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bll. 24–35. 345 Student in Bonn 1831–1835, Privatdozent seit dem 5.8.1837, Wenig, Verzeichnis (1968) S. 111. 346 Karl Ludwig (von) Urlichs, 9.11.1813–3.11.1889, Habilitation in Bonn 1840, dort Lehrtätigkeit bis 1847, dann Ordinarius in Greifswald, Hertz, Zur Erinnerung an Karl Ludwig von Urlichs (1890) S. 611 u. S. 617–620, Wecklein, Karl Ludwig v. Urlichs (1890) S. 4 u. Wenig, Verzeichnis (1968) S. 318. 347 Johann Gustav Gildemeister, Habilitation Bonn 1839, Wenig, Verzeichnis (1968) S. 89. 348 Bruno Claus aus Frankfurt/M., am 2.1.1833 in Bonn für Medizin immatrikuliert, Amtliches Verzeichniss Bonn WS 1834/35, ebenso wie Heimsoeth Windscheid schon bei seiner Ankunft in Bonn bekannt, Windscheid an Sybel am 17.3.1840, GStA PK Berlin I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 41–48v, 47r. 349 Heinrich v. Sybel, 1. Autobiographie BA Koblenz N 193 Sybel Nr. 3 Bl. 4v.; s. auch Bezold, Geschichte (1920) S. 398, Dotterweich, Sybel (1978) S. 36, Springer, Le-
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lang im gleichen Haus wohnte,350 und zu dem Altphilologen und Leiter des „Musikvereins der Bürger und Studierenden“ 351 Heimsoeth. Gemeinsam mit diesem bereitete Windscheid dichterisch Sybels („Zwiebels“) Geburtstag vor.352 Er musste sich Heimsoeths harsche Kritik an dem von ihm hochgeschätzten Immermann-Gedicht „Tristan und Isolde“ anhören353 und las zusammen mit Heimsoeth Sybels Manuskript über die Entstehung des deutschen Königtums.354 Über Heimsoeth könnte er auch wie Sybel Zugang zum ersten Haus Bonns, dem Salon der „Rheingräfin“ und Schwiegermutter Heimsoeths, Sibylle Mertens-Schaaffhausen, gefunden haben.355 Das reiche literarische Leben im 1840 gegründeten „Maikäfer“-Bund um Johanna und Gottfried Kinkel356 findet in Sybels oder Windscheids Aufzeichnungen keine Erwähnung. Aus Düsseldorf, wo er im letzten Lebensjahr Karl Immermanns nicht selten dessen Gast war,357 berichtete Windscheid von „Richard“ [Hasenclever], den Ereignissen im Hause Sybel und erwähnte auch öfters den Namen der jungen Witwe358 Marianne Immermann.359 Zu ihr erfasste ihn eine leidenschaftliche Zuneigung, die aber nicht mehr als freundschaftlich erwidert wurde.360 ben (1892) S. 206 f., Varrentrapp, Sybel (1897) S. 34 f. u. Hertz, Zur Erinnerung an Karl Ludwig von Urlichs (1890) S. 618 f. Im Nachlass Sybel, GStA PK Berlin I. HA Rep. 92 NL v. Sybel A 1 Bl. 15–24r, findet sich ein Werk in mehreren Handschriften: „Der Schwanenritter. Ein Gedicht in fünf Gesängen.“ 350 Im Jahr 1840/41, Hundsgasse 1060, s. Amtliches Verzeichniss Bonn WS 1840/41 u, SS 1841. 351 Höroldt, Bedeutung der Universität (1969) S. 291; Ennen/Höroldt, Kleine Geschichte (1976) S. 210 f.; Wenig, Verzeichnis (1968) S. 111: seit 1838 Konzertdirigent und Leiter des Städt. Singvereins; Ruckstuhl, Geschichte (1961) S. 106 f. 352 GStA PK Berlin I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bll. 83 f. 353 Windscheid an Sybel am 13.1.1840, GStA PK Berlin I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 52–58v, 58r: „Hast Du Tristan und Isolde gelesen? . . . Es hat mich seit langer Zeit nichts so hingerissen.“ Heimsoeths Kritik: GStA PK Berlin I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 71r+v. 354 GStA PK Berlin I. HA Rep. 92 NL v. Sybel Bll. 94 u. 95. Es geht um die „Entstehung des deutschen Königthums“, Frankfurt/Main 1844. 355 Dotterweich, Sybel (1978) S. 35 Fn. 48; allg. Ennen/Höroldt, Kleine Geschichte (1976) S. 210 f. u. S. 214 sowie Höroldt, Bedeutung der Universität (1969) S. 287. 356 Braubach, Kleine Geschichte (1968) S. 35; Dietz, Bürger und Studenten (1969) S. 256; Ennen/Höroldt, Kleine Geschichte (1976) S. 208–210. 357 Putlitz, Immermann II (1870) S. 322. 358 Am 21.10.1839 heiratete die am 8.9.1819 geborene Marianne Niemeyer Karl Immermann, der am 25.8.1840, knapp zwei Wochen nach der Geburt einer Tochter, starb, Marianne Wolff, Leben (1925) S. 11, S. 35–41. 359 So am 12./13.4.1841, GStA PK Berlin I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 33– 34v, und am 11./18.10. 1843, ebd. Bl. 24–27. 360 Marianne Wolff, Leben (1925) S. 41: „Die täglichen Gäste des Immermannschen Hauses, wie der Jurist Windscheid, . . . Heinrich v. Sybel, Dr. Hasenklever, . . ., konnten sich nicht genug tun, der armen Witwe Liebe und Treue zu erweisen.“ – Windscheid erwähnt diese Leidenschaft erst gegenüber seiner Braut Lotte Pochhammer am 21.9. 1858, dankbar, dass „aus dem Schiffbruch der Leidenschaft eine solche Freundschaft
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1843 verfolgte er gespannt die Berufungsverhandlungen für die neu errichtete Professur für Rheinisches Recht.361 1844 musste er erleben, wie gleich mehrere seiner Freunde zu außerordentlichen Professoren befördert wurden362 und so das Planstellenreservoir erschöpften, aber an seiner Fakultät nicht er, sondern Budde zu den Ernannten gehörte.363 Windscheid dagegen kämpfte mit einer labilen Gesundheit,364 die ihn für das WS 1844/45 zwang, statt der großen und neuen Pandektenvorlesung die kleine und bereits gehaltene Vorlesung über die Ulpian-Fragmente anzukündigen. Dabei hoffte er noch auf eine Besserung und darauf, im kommenden Sommer die „academische Stellung wieder vollständig ausfüllen“ zu können.365 Doch diese Hoffnung trog. Im Mai 1845 erhielt Windscheid vom Minister den erbetenen Urlaub für das Sommersemester 1845366 und trat noch im gleichen Monat eine Erholungsreise nach Italien an.367 Diese Reise war von Windscheid von vornherein als Flucht vor dem kalten deutschen Winter gedacht,368 und so war die Urlaubsverlängerung bis Sommer 1846 offenbar eine reine Formsache.369 Erst im Juni gerettet“ worden sei, Familiennachlass Windscheid. Näher schildert er diese Beziehung am 26.10.1858, ebd. 361 Windscheid am 18.10.1843 aus Düsseldorf an Sybel in Bonn, GStA PK Berlin I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 24–27, 25v: Gerücht, dass Bauerband verzichtet habe und jetzt Hortheim(?) gefragt werden solle. „Weißt Du etwas davon, so gib doch mit zwei Worten Nachricht.“ 362 Am 29.3.1844 dankt Urlichs Minister Eichhorn für seine Ernennung, StA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 2 Bd. 12 Bl. 22r; ebenfalls zum 1.4.1844 Ernennung Sybels außerhalb des Etats, ebd. Bl. 24 u. 26; im selben Jahr Beförderung Gildemeisters, Wenig, Verzeichnis (1968) S. 89. 363 Am 30.5.1844 Antrag Buddes unter Hinweis auf die begrenzte Zahl der Planstellen; Ernennung durch königl. Erlass vom 27.5.1844(!), StA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 2 Bd. 12 Bl. 49–50v bzw. Bl. 44. 364 Siehe schon Windscheid an Sybel am 14.10.1841, GStA PK Berlin I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 31–32r, 32r: Die Gesundheit sei „so viel besser, daß ich hoffen darf, diesen Winter auszuhalten.“ – Im Sommer 1844 geht Windscheid, um sich abzuhärten, ins Seebad Ostende, doch greifen ihn diese Bäder sehr an, Windscheid an seine Mutter, Sorrent 9.8.1845, Familiennachlass Windscheid. 365 Windscheid an Dekan Sell am 9.10.1844 und Genehmigung des Kurators vom 14.10.1844, UA Bonn, Personalakte Windscheid. 366 Kurator Bethmann-Hollweg am 14.5.1845 an die juristische Fakultät, UA Bonn, Personalakte Windscheid. 367 Abreise von Düsseldorf am 23.5.1845, s. Brief aus Heidelberg an die Mutter am 31.5.1845, Familiennachlass Windscheid. 368 Windscheid an die Mutter aus Sorrent am 18.7.1845, Familiennachlass Windscheid, nach acht Wochen Abwesenheit: „1/6 der Trennung ist schon vorüber“. 369 Antrag: Windscheid aus Neapel an Böcking am 8.10.1845, Befürwortung durch die Fakultät am 13.12.1845, Mitteilung der ministeriellen Genehmigung vom 10.1.1846 durch den stellv. Regierungsbevollmächtigten Brandis an die Fakultät am 20.1.1846, UA Bonn, Personalakte Windscheid.
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
1846 kehrte Bernhard Windscheid wieder nach Düsseldorf zurück.370 Die eher seelische als körperliche Krankheit, die diesen Italienaufenthalt angezeigt erscheinen ließ, könnte ein Erbe des schwermütig veranlagten Vaters sein. Auch der Tod seines Bruders Franz am 4. März 1845 trug sicher zur inneren Erschütterung bei.371 Aber man darf wohl auch Windscheids berufliche Situation nicht übersehen: An Romanisten bestand kein Bedarf, für Rheinisches Recht war ein neuer Ordinarius berufen, seine Freunde wurden befördert und die Chance, sich neben den etablierten Professoren im Hörsaal durchzusetzen war – wie sich gezeigt hatte – denkbar gering. Das Zusammenkommen dieser inneren und äußeren Bedrängnisse hätte wohl auch bei einer robusteren Persönlichkeit eine Krise herbeizuführen vermocht. Über den Italienaufenthalt unterrichten uns 16 Briefe, die Bernhard Windscheid in regelmäßigen Abständen nach Hause schrieb, die meisten an seine Mutter in Düsseldorf, zwei besonders herzliche an die in Köln mit dem Juristen Eduard Kühlwetter verheiratete Schwester Pauline.372 Er reiste über Frankfurt, wo er einen interessanten Blick in die dortige „gebildete Welt“ werfen konnte,373 Heidelberg, Basel, Zürich und „durch Küßnacht und die berühmte hohle Gasse“ nach Luzern.374 Die Alpen passierte er über den verschneiten Gotthard und war Anfang Juni in Italien.375 Weiter ging es nach Mailand, Genua, Livorno und per Schiff nach Neapel, dem Ziel der Reise, das er Mitte Juli erreichte.376 Dort wurde er von einem deutschen Arzt betreut, wohnte in der Ebene von Sorrent und schilderte begeistert den Blick über den Golf von Neapel. In Sorrent und Neapel blieb er bis Anfang November. Zunächst lebte er in der gleichen Villa wie das Ehepaar Marstaller, Schwester und Schwager seines Bonner Arztes Claus, und genoss Wetter, Vegetation, Leben und Kunst „eines südlichen Landes“.377 Er las, machte Spaziergänge, nahm Bäder im Tyrrhenischen Meer und 370 Windscheid am 24.6.1846 aus Düsseldorf an Luise Burckhardt-His, Familiennachlass Windscheid; Ankunft hier am 23.6.1846. 371 Franz Windscheid stirbt am 4.3.1845 an Diabetes mellitus, Stammbuch Windscheid S. 9; über ihn berichtet Bernhard Windscheid ebd. S. 25 f.; s. dazu auch Oertmann, Lebensgang (1904) S. XI. 372 Alle im Familiennachlass Windscheid, die beiden Briefe an die Schwester aus Sorrent, 5.11.1845, und Rom, 17.3.1846; erwähnt bei Oertmann, Lebensgang (1904) S. XII. 373 Windscheid an seine Mutter, Heidelberg 31.5.1845, Familiennachlass Windscheid. 374 Windscheid an seine Mutter, Genua 13./14.6.1845, Familiennachlass Windscheid. 375 Ebd. 376 Windscheid an seine Mutter, Sorrent 1.7.1845, Familiennachlass Windscheid. 377 Ebd.; es würde zu weit führen, hier auf alle in den Briefen zahlreich enthaltenen Schilderungen von Land und Leuten einzugehen. Aber auffällig ist doch, dass Windscheid mehr noch als Menschen und Gebäude die Schönheiten der Natur, besonders reizvolle oder großartige Anblicke wie die Lage von Heidelberg oder Genua oder die Schweizer Berge, ergreifen.
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stabilisierte so schrittweise seine Gesundheit.378 Seinen inneren Zustand beschrieb er in einem Brief an die Schwester Pauline mit den Worten Bettina Brentanos: „Es gibt keine Zukunft. Jeder Augenblick des Glücks ist eine Ewigkeit.“ Und auf sich bezogen: „Die schwere Kunst, den Augenblick zu genießen, lernt sich erst durch bittere Erfahrungen; wer es in ihr am Weitesten gebracht hat, ist der Glücklichste.“ 379 In der deutschen Kolonie lernte er bald „eine Schweizerfamilie Burckhardt aus Basel mit . . . einer allerliebsten, sehr hübschen jungen Frau“ kennen, „deren hervorstechendste[n] Züge Güte und Natürlichkeit sind“. Sie wurde begleitet von ihrem Mann, zwei Kindern und ihrem Schwager.380 Diese Familie wurde für fast ein Jahr Windscheids ständiger Umgang. Mit ihr unternahm er Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung, eine Rundreise nach Amalfi und Salerno und verbrachte eine Woche auf Capri.381 In Salerno, am Grabmal Gregors VII, empfand er unmittelbar den Gegensatz zwischen Mittelalter und Heute, der Zeit, „die den menschlichen Geist zur Negation gerade der Principien treibt, denen er sein Leben opferte.“ 382 Anfang November fand er „Bildungsstoff“ und Zerstreuungsmöglichkeiten in Neapel „erschöpft“, beklagte das Fehlen eines guten Theaters und den Mangel an politischen Nachrichten aus Deutschland, war auch mit seinem Gesundheitszustand nicht zufrieden und hoffte auf Rom.383 Dort kam er am 7. November an und blieb bis Mitte April. Die ewige Stadt mit ihrem Gegensatz von Antike und Moderne, engen Gassen voller italienischer Lebendigkeit und den weiten Ruinen des Forums beeindruckte ihn tief. Besonders das Forum, das Zentrum der Alten Welt, ließ ihn nicht los. „Der Gang vom Forum durch den Titusbogen nach dem Colosseum, dem keine Beschreibung Genüge thun kann, hat seines Gleichen nicht auf der Erde.“ Er genoss die „reinen Formen“ klassischer Skulpturen und der Malerei des 15. und frühen 16. Jahrhunderts. Dem „gewundenen Styl des 16. u. 17. Jh.“ konnte er dagegen nichts abgewinnen, und auch an St. Peter vermisste 378 Windscheid an seine Mutter, Sorrent 18.7. und 9.8.1845, Familiennachlass Windscheid. 379 Windscheid an Pauline („Lina“) Kühlwetter, Sorrent 5.9.1845, Familiennachlass Windscheid. 380 Windscheid an seine Mutter, Sorrent 18.7.1845 (1. Zitat) und 9.8.1845 (2. Zitat), Familiennachlass Windscheid. – Luise His (23.5.1823–21.1.1903) heiratete am 24.11. 1840 den Kaufmann und späteren Arzt Martin Burckhardt (21.10.1817–23.11.1902), Wolf, Jakob Burckhardt (1982) S. 177 Fn. 18. Ihr Schwager ist Martins Bruder Johann Jakob Burckhardt (5.6.1821–14.4.1903), Schweizerisches Geschlechterbuch 2 (1907) S. 638. 381 Windscheids Brief an seine Mutter vom 1.10.1845 aus Neapel enthält lebendige Schilderungen der Erlebnisse auf den Ausflügen nach Amalfi/Salerno und Capri. 382 Ebd. über den 18. August in Salerno. 383 Windscheid an seine Mutter, Neapel 3.11. und Rom 7.11.1845, Familiennachlass Windscheid.
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
er den „reinen Eindruck“. Hier war er wieder zu sachlicher Arbeit aufgelegt. „Ich habe meine juristischen Arbeiten herausgesucht und fördere Manches.“ 384 Neben Arbeit und Kunstgenuss in Museen und zwischen klassischen Ruinen kam auch in Rom die Geselligkeit nicht zu kurz. Windscheid war Gast der allwöchentlichen musikalischen Soiréen der deutschen Künstlergesellschaft und machte u. a. die Bekanntschaft des „klug[en] und angenehm[en]“ „Frl. Lehwald“.385 Zusammen mit Burckhardts, an die er sich wieder enger angeschlossen hatte, erlebte er den römischen Karneval, dessen Ausgelassenheit auf dem Corso ihm viel mehr gefiel als die steifen Maskenbälle.386 Ostern verbrachte Windscheid noch in Rom und ärgerte sich darüber, wie die „weltberühmten Osterfeierlichkeiten“ – den Segen des Papstes urbi et orbi ausgenommen – zu einem jeder Würde ermangelnden „Schauspiel“ verkommen seien. „Ich kann nicht begreifen, wie man sagen kann, daß man nach Italien gehen müsse, um den Katholizismus in seiner imposanten Größe zu sehen; Gepränge sieht man, aber keine Größe“.387 Dann trat er am 16. April zusammen mit Burckhardts die Heimreise an. Über Perugia, Terni, Assisi und Arezzo gelangten sie nach Florenz. An der mediceischen Venus vermisste er das Göttliche, das sie vom „schönen Weibe“ unterscheide, dagegen seien die Sammlungen der Uffizien und des Palazzo Pitti „unendlich werthvoller“ als alle römischen Galerien.388 Mitte Mai brach man nach Venedig auf, wo Windscheid noch sechs Tage lang die „Merkwürdigkeiten“ der mittelalterlichen, an Kirchen und Bildern der venetianischen Schule reichen Stadt besichtigte, dann aber „glücklich“ war, „weiter zu kommen“.389 Nach einem mehrtägigen Besuch bei Burckhardts in Basel390 kam er am 23. Juni 1846 wieder in Düsseldorf an.391 Schon seit Weihnachten und Neujahr hatte Windscheid sehnsüchtig an die Familie, die Heimat und die Rückkehr gedacht. Da hatte er jedoch geglaubt, die Italienreise sei „ein Gewinn für das ganze Leben“ 392 und Trauer hatte ihn beim 384 Zitat und allg. Rom-Beschreibung im Brief vom 4.12.1845, Familiennachlass Windscheid. 385 Windscheid an seine Mutter, Rom 20.12.1845, Familiennachlass Windscheid. – Gemeint ist die Autorin Fanny Lewald (1811–1889). 386 Windscheid an seine Mutter, Rom 22.2.1846, Familiennachlass Windscheid, mit vergleichendem Hinweis auf Goethes Schilderung. 387 Windscheid an seine Mutter, Rom 15.4.1846, Familiennachlass Windscheid. 388 Windscheid an seine Mutter, Florenz 4.5.1846, Familiennachlass Windscheid. 389 Windscheid an seine Mutter, Venedig 25.5.1846, Familiennachlass Windscheid. 390 Ankunft in Basel am 8. Juni, Windscheid an Martin Burckhardt-His, Rigekulm[?] bei Luzern 7.6.1846, Familiennachlass Windscheid. 391 Windscheid an Luise Burckhardt-His, Düsseldorf 24.6.1846, Familiennachlass Windscheid. 392 Windscheid an seine Mutter, Rom 13.1.1846, Familiennachlass Windscheid.
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Gedanken an den Abschied von Menschen ergriffen, mit denen er „in inniger Beziehung“ gelebt hatte, und Furcht, dass ihm zu Hause Italien „wie ein Traum erscheinen“ werde.393 Am 24. Juni dagegen zog er im ersten erhaltenen Brief an Luise Burckhardt, der eine lange Kette von Briefen an diese lebenslange Freundin zu eröffnen bestimmt sein sollte,394 eine freudlose Bilanz der Reise. Er schrieb vom „Bewußtsein, daß der Hauptzweck meiner Reise . . . verfehlt worden ist“, vom immer noch „kranken Körper und getrübten Blick in die Zukunft“ und dass er sich zwingen müsse, dennoch heiter zu sein. Auch fehlte ihm die gerade abwesende Frau Immermann, „der einzige nähere Freund, den ich hier besitze.“ 395 Aus dieser depressiven Stimmung stürzte er sich in Arbeit. „Es ist dies der einzig sichere, der einzige Weg zum Glück.“ 396 Mit einem Brief aus dem nahe Düsseldorf gelegenen Rolandseck, wo Windscheid sich zur weiteren Verbesserung seiner Gesundheit einer achtwöchigen Kaltwasserkur unterzog, beginnen Windscheids Lektüreempfehlungen für Luise Burckhardt-His, der er auf diese Weise einen Fundus deutscher und abendländischer Geisteskultur – durchaus in erzieherischer Absicht397 – vorstellen möchte. Als erstes nennt er Schillers ,Dreißigjährigen Krieg‘, Goethes ,Werther‘ und Immermanns ,Tristan und Isolde‘. Über die juristische Arbeit berichtete er Erfreuliches. Er habe „Aussicht, ein Buch, mit dem ich mich schon seit mehreren Jahren schleppe, noch vor Ende des gegenwärtigen gedruckt zu sehen.“ 398 Gemeint ist sicher das Ende 1846 erscheinende Werk „Zur Lehre des Code Napoléon von der Ungültigkeit der Rechtsgeschäfte“,399 an dem er also schon seit seinen franzö-
393 Windscheid an seine Mutter, Rom 17.3.1846, Familiennachlass Windscheid. Dort sind auch zwei Abschiedsgedichte Windscheids für Luise Burckhardt-His, datiert Rom, 10. u. 11. März 1846, erhalten. 394 Alle zitierten Briefe im Familiennachlass Windscheid. Leider zeigt diese Kette zwischen den Jahren 1850 und 1876 eine klaffende Lücke. Es sind jedoch bei weitem nicht nur die von Wolf, Jakob Burckhardt (1982) S. 178, erwähnten Briefe zwischen 1848 und 1850 erhalten geblieben. 395 Windscheid an Luise Burckhardt-His, Düsseldorf 24.6.1846, Familiennachlass Windscheid; er war also durchaus nicht der „gesunde und innerlich freie Mann“, als der ihn Oertmann, Lebensgang (1904) S. XII, vorstellt. 396 Windscheid an Luise Burckkhardt-His, Düsseldorf 5.7.(irrtümlich angegebenes Datum 6. [Juni]) 1846, Familiennachlass Windscheid. 397 Von Wolf, Jakob Burckhardt (1892) S. 178, treffend „Bildungshilfe“ genannt. Im Familiennachlass Windscheid findet sich noch eine Liste ausgewählter Werke Goethes, Schillers, Lessings und Shakespeares. 398 Windscheid an Luise Burckhardt-His, Rolandseck 12.7.1846, Familiennachlass Windscheid; über Immermanns ,Epigonen‘ äußert sich Windscheid in den Lektüreempfehlungen dagegen sehr kritisch: Der geschilderte Konflikt Adel-Bürgertum sei überholt, die tragenden Figuren „mißlungene Nachbildung[en]“ aus Goethes ,Wilhelm Meister‘. 399 Aus der weiteren Darstellung ergibt sich, dass schon Ende November 1846 die ersten Exemplare vorgelegen haben müssen, auch wenn auf dem Titelblatt als Erscheinungsjahr 1847 angegeben ist. Als „Habilitationsschrift“ kann dieses Werk, erschienen
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sischrechtlichen Vorlesungen gearbeitet hatte. Durch die Italienreise wurde erreicht, dass er wieder an das Leben glauben und von ihm etwas erwarten konnte.400 Jetzt musste er sich auf seine Aufgabe konzentrieren, das unangenehme Äußere zwar sehen und akzeptieren, Störendes aber verdrängen, um sich so ein „undurchdringliches Schild gegen die Leiden des Daseins“ zu erwerben, nur dann sah er für sich noch eine Zukunft.401 Für Luise Burckhardt brachte der Winter einen zweiten Romaufenthalt, für den Windscheid sie mit ausführlichen Lektürevorschlägen versah. An oberster Stelle402 stehen dabei die neuen Darstellungen der englischen und französischen Revolution von Friedrich Christoph Dahlmann,403 einem der Göttinger Sieben und national-konstitutionell-liberalen Führer des Vormärz, der 1842 als Ordinarius für Geschichte nach Bonn gekommen war.404 Es ist wohl erlaubt, daraus die Bedeutung, die Dahlmanns Ansichten für Windscheid haben, abzulesen. Bernhard Windscheids Winter war ein Winter der Arbeit und der Enttäuschungen. Schon kurz nach seiner Rückkehr begann der Druck seines Buches, der ihn bis zur Erschöpfung in Anspruch nahm. Zunächst hoffte er noch, vor Beginn des Semesters damit fertig zu werden.405 Mitte Oktober war das Manuskript so gut wie abgeschlossen und zwei Drittel des Textes waren gedruckt.406 Aber erst Anfang Dezember konnte er von dessen Abschluss berichten.407 Doch das genügte ihm nicht. Wie um einen inneren Druck loszuwerden, arbeitete er weiter und vollendete bis Mitte Januar 1847 „noch zwei Abhandlungen“ aus dem römischen Jahre nach seiner Habilitation, nicht angesehen werden, so aber Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 595. 400 Windscheid an Luise Burckhardt-His, Düsseldorf 18.10.1846, Familiennachlass Windscheid. 401 Windscheid an Luise Burckhardt-His, Düsseldorf 24.9.1846, Familiennachlass Windscheid. 402 Windscheid an Luise Burckhardt-His, Düsseldorf 24.9.1846, Familiennachlass Windscheid. Weitere Empfehlungen: Goethe: Tages- und Jahreshefte (für die Reise), Wilhelm Meisters Lehrjahre, Götz, Egmont, Tasso, Iphigenie; Schiller: Dramen; Shakespeare: Calderon; Schlegel: Vorlesungen; Ranke: Geschichte der Päpste. 403 Die 1843 bzw. 1845 erschienenen Geschichten der englischen und der französischen Revolution verfolgten das Ziel, „vermittelst einer Darstellung der größten vergangenen Freiheitskämpfe ,unsere Dinge freimütig zu charakterisieren‘ “, Bezold, Geschichte (1920) S. 358 f., Zitat S. 359. 404 Bezold, Geschichte (1920) S. 352–360; Wenig, Verzeichnis (1968) S. 49 f.; Du Moulin-Eckart, Geschichte (1929) S. 418 f. u. S. 422. 405 Windscheid an Luise Burckhardt-His, Düsseldorf 9.9.1846, Familiennachlass Windscheid. 406 Windscheid an Luise Burckhardt-His, Düsseldorf 18.10.1846, Familiennachlass Windscheid. 407 Windscheid an Luise Burckhardt-His, Bonn 3.12.1846, Familiennachlass Windscheid: „Ich bin jetzt seit Anfang Juli [in] täglicher fortgesetzter, angestrengter Thätigkeit. Mein Buch ist fertig und ausgegeben; aber ich muß jetzt anderes machen. Ich kann nicht mehr existiren ohne Arbeit.“
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Recht, um sich „jetzt einiger weniger anstrengenden Arbeit“ hinzugeben.408 Die Zeit dazu hatte er auch während des Semesters, denn obwohl er die beiden Vorlesungen Institutionen des römischen Rechts und Erbrecht angekündigt hatte409 und auch zu Semesterbeginn nach Bonn ging,410 las er doch nicht,411 wohl weil sich nicht genug Interessenten gefunden hatten. Dieses erneute Zeichen seiner perspektivlosen akademischen Existenz mag ihn zu einer radikalen Änderung seines Lebensplanes oder auch nur zu einem letzten verzweifelten Versuch dazu getrieben haben. Jedenfalls schrieb Windscheid am Heiligen Abend des Jahres 1846 ein Gesuch an Kultusminister Eichhorn, in dem er um Übernahme in den Justizdienst der Rheinprovinz, möglichst als Assessor, bittet.412 Dieses Gesuch begleitete der Kurator v. Bethmann-Hollweg mit eigenen Erläuterungen, in denen er Windscheids praktische Erfahrung und seine Kenntnis des französischen Rechts hervorhob. Allein der Übertritt in die Justiz „in einer seinem Dienstalter entsprechenden Weise“ ermögliche ihm eine selbständige Existenz, „die er in der akademischen Carriere nur in sehr ferner Zukunft erlangen würde“, außerdem eine Vertiefung seiner praktischen Erfahrungen mit dem französischen Recht. Bethmann-Hollweg befürwortete Windscheids Anliegen auch deshalb lebhaft, weil er damit Neigung zur Praxis bekundet habe und nicht aus Mangel an Talent sondern nur angesichts der Überfüllung der Fakultät in ihr keine Aussichten habe. Windscheids Scharfsinn, zivilistische Bildung und wissenschaftliches Streben seien ihm seit dessen Promotion bekannt und würden auch durch seine Veröffentlichungen belegt. Dabei rühmte er besonders die Monographie über den Code Napoléon. Gerade Windscheids theoretische und – nach Anstellung im Justizdienst – auch praktische Beherrschung des französischen Rechts machten ihn für den Fall einer möglichen Rückkehr Bauerbands in den Justizdienst zu einem idealen Nachfolger auf dieser sonst nur schwer zu besetzenden Stelle.413 Eichhorns Antwort war so verbindlich wie knapp. Es sei ihm leider nicht möglich, Windscheids Gesuch auch nur an den Justizminister weiter-
408 Windscheid an Luise Burckhardt-His, Düsseldorf 15.1.1847, Familiennachlass Windscheid. – Es sind dies die Aufsätze „Ueber l. 9 § 3 D. qui potiores“ und „Ueber das Recht des redlichen Besitzers an den Früchten“. 409 Windscheids Ankündigung an den Dekan der Jur. Fak., Rolandseck 31.7.1846, Genehmigung des Regierungsbevollmächtigten, Bonn 10.8.1846. Beide Schreiben UA Bonn Personalakte Windscheid. 410 Windscheid an Luise Burckhardt-His, Düsseldorf 18.10.1846, Familiennachlass Windscheid. 411 Windscheid an Luise Burckhardt-His, Düsseldorf 15.1.1847, Familiennachlass Windscheid. 412 Das Gesuch selbst fehlt in den einschlägigen Akten. Dass es auch eine Folge von Zweifeln „an seiner Berufung zum akademischen Lehrer und Forscher“ sein könnte, so Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 596, erscheint mehr als fraglich. 413 Von Bethmann-Hollweg an Minister Eichhorn, Bonn 28.12.1846, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 43 Bl. 2–5v.
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zuleiten, „da ich nach den in der Justizverwaltung bestehenden Grundsätzen mit Rücksicht darauf, daß der p. Windscheid nur das Examen pro auscultatum absolvirt hat, mit Gewißheit annehmen zu dürfen glaube, daß dem Antrag nicht würde entsprochen werden.“ 414 Zu diesem enttäuschenden, aber besonders auch angesichts der damaligen Überfüllung der preußischen Justiz mit nicht oder schlecht bezahlten aber examinierten Assessoren vorhersehbaren415 Bescheid kam für Windscheid noch der private Schmerz des Verlustes von Marianne Immermann, die im Februar 1847 nach Hamburg ging, um dort ihrem Onkel Guido Wolff dessen verstorbene Gattin und Mutter seiner Kinder zu ersetzen.416 Trotz allen trüben Aussichten setzte sich Windscheid vor wie nach dem vergeblichen Versuch des Eintritts in den Justizdienst für seine akademische Zukunft ein. Noch 1846 sandte er die Monographie über den Code Napoléon nicht nur an das Ministerium,417 sondern schickte auch ein Exemplar an seinen ehemaligen Lehrer Savigny.418 Am 19.3.1847 antwortete Savigny in einer sehr ermutigenden Form. Diese Schrift sei die bisher gelungenste Anwendung deutscher Wissenschaft auf französisches Recht, und Windscheid solle sich doch vornehmen, das gesamte französische Zivilrecht in dieser Art zu bearbeiten.419 Auch die Fakultät und besonders der Kurator Bethmann-Hollweg lobten Windscheid und setzten sich für ihn ein. Beide betonten im Rahmen der Ernennung des jüngeren Privatdozenten Hälschner zum außerordentlichen Professor,420 dass Windscheid in jeder Hinsicht gleiche Anerkennung verdiene und lediglich die Tat414 Eichhorn an Bethmann-Hollweg (Konzept), Berlin 14.1.1847, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 43 Bl. 6r. – In dieser Auskunft Eichhorns ist ein weiteres zwingendes Argument gegen Bernhard Windscheid als Autor des von Lesener veröffentlichten Tagebuchs zu sehen, hat dessen Verfasser doch auch – am 14.8.1837 – das zweite juristische Examen in Köln bestanden, s. Lesener, Tagebuch (1966) S. 389. 415 Zur Situation und der als Reaktion auf den großen Andrang gezielt eingesetzten Verschärfung der Prüfungsbedingungen in Preußen zwischen 1840 und 1848 s. Kolbeck, Juristenschwemmen (1978) S. 11, S. 46–49. – Verfassungspolitischer Hintergrund: „Die Sparsamkeit des preußischen Staates sollte die Konstitutionalisierung der Monarchie [über ansonsten notwendig werdende und durch die Landstände zu bewilligende Steuererhöhungen] verhindern“, ebd. S. 53. 416 Windscheid an Luise Burckhardt-His, Düsseldorf 15.1.1847, Familiennachlass Windscheid: „Wie viel ich dadurch verliere, wissen Sie.“ – Marianne Wolff, Leben (1925) S. 42 f.: Verheiratung Herbst 1847. 417 Schon am 18.12.1846 bittet das Ministerium erstmals den Berliner Ordinarius Alexander v. Daniels um eine Stellungnahme dazu, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 43 Bl. 10. 418 Stoll, Savigny III (1939) S. 79 u. Fn. 1. 419 Stoll, Savigny III (1939) S. 79 Nr. 552. 420 Ernannt am 20.3.1847, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 38 Bd. 1 Bl. 99r; über ihn Landsberg, kriminalistische Fächer (1919) S. 24 f. und Bezold, Geschichte (1920) S. 406.
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sache, dass Hälschners Lehrfächer (Staatsrecht, Völkerrecht, Rechtsphilosophie, Kriminalrecht und Kriminalprozess) „wesentliche Lücken im Cyclus der Vorlesungen“ ausfüllten, zugunsten Hälschners den Ausschlag gegeben habe. Außerdem bat Bethmann-Hollweg, Windscheid eine „beruhigende Erklärung“ überbringen zu dürfen.421 Ob diese Erklärung abgegeben wurde, ist nicht mehr feststellbar. Jedenfalls beantragte Windscheid am 17.3.1847 in einem Schreiben an Minister Eichhorn seine Beförderung zum außerordentlichen Professor, indem er auf seine lange Privatdozentenzeit, seine jetzt wieder befriedigende Gesundheit und seine in Berlin bereits bekannten schriftstellerischen Leistungen verwies.422 Erst am 18. Mai ging dieses Gesuch, begleitet vom Gutachten der Fakultät und einem Kommentar Bethmann-Hollwegs, nach Berlin ab. Die Fakultät meinte, dass Windscheid römisches Recht „gewiß mit Eifer und Nutzen“ gelesen habe, „wenngleich ein namhafter Erfolg nicht sichtbar werden konnte“. Dagegen habe er französisches Zivilrecht „mehrere Semester allein“ vertreten mit einer „den Verhältnissen angemessene[n] mittlere[n] Frequenz“.423 Auch im Spruchkollegium habe er gut mitgearbeitet. Zwar bestehe kein „Bedürfnis seiner Beförderung für die Zwecke der Facultät“, aber er sei „der darin liegenden Aufmunterung und Grundlage weiteren Fortkommens“ durchaus würdig, besonders, da er, „nach so langer anderweiter Berufstätigkeit, dem Vernehmen nach Schwierigkeiten findet, in die Praxis zurückzutreten“.424 Noch weitaus positiver war Bethmann-Hollwegs Kommentar. Er lobte Windscheids „vorzügliche Befähigung“ und „gründliche Vorbildung in einer guten Schule“, seine in weitem Kreise bekannte Tüchtigkeit als Systematiker und hob besonders Bauerbands und sogar Savignys „überaus günstiges Urtheil“ über Windscheids Buch hervor. „Daß seinem Talent diese Aufmunterung zu Theil werde“ sei wünschenswert auch ohne Bedarf an der Fakultät, zumal es sich ja nur um eine Anstellung ohne Gehalt handele.425 Abgesehen von allen weiteren Überlegungen sollte dieser letzte Punkt den Ausschlag für Windscheids Ernennung geben.426 421 Juristische Fakultät an v. Bethmann-Hollweg am 6.2.1847, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 38 Bd. 1 Bl. 94– 96r; v. Bethmann-Hollweg an Minister Eichhorn am 13.2.1847, ebd. Bl. 87–91v, Zitat Bl. 88r. 422 GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 38 Bd. 1 Bl. 115r+v. 423 Von einem „besondere[n] Erfolg“ seiner Lehrtätigkeit, so Landsberg, Professuren (1923) S. 19, kann also keine Rede sein. 424 Gutachten vom 16.4.1847, UA Bonn, Personalakte Windscheid = GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 38 Bd. 1 Bl. 116–117v. 425 v. Bethmann-Hollweg an Minister Eichhorn am 18.5.1847, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 38 Bd. 1 Bl. 113– 114v. 426 Ebd. Bl. 114r Bearbeitervermerk am Rand: „Ja, und daher H. Windscheid zum außerordentlichen Professor zu bestellen.“
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Windscheid selbst förderte sein Ernennungsverfahren, indem er dem Ministerium in Berlin seine weiteren literarischen Leistungen und Pläne vorstellte. Als er Anfang April aus privatem Anlass nach Berlin musste,427 machte er auch Minister Eichhorn seine Aufwartung.428 Am 24.4.1847 legte er die „Ankündigung einer neuen Ausgabe der Vorarbeiten zum Code Napoléon“ vor.429 Mit seinem Werk, das ihn bis Anfang April beschäftigte,430 wollte er dem „wichtigste[n] aller Interpretationsmittel“ dieses Gesetzbuchs zu einer weiteren Verbreitung verhelfen, zweifelte aber sehr daran, dass im juristischen Publikum ein Bedürfnis dafür bestand.431 Diese Bedenken, die im Ministerium geteilt wurden,432 sollten sich als berechtigt herausstellen. Das in einem Prospekt des Verlags Buddeus in Düsseldorf zur Subskription vorgestellte Werk433 ist nie erschienen. Das Vorhaben zeigt aber sehr deutlich, wie groß für Windscheid damals die Bedeutung historischer, aus der Entstehungsgeschichte eines Gesetzes begründeter Argumente für dessen Auslegung war, auch dies eine Frucht seiner Ausbildung durch die historische Rechtsschule. Einen Monat später übersandte Windscheid einen Sonderdruck seines Aufsatzes „Über die Rechte, welche das römische Recht dem redlichen Besitzer an den Früchten gewährt“. Er sollte zeigen, „daß meine dem französischen Recht gewidmeten Studien mich die Mutter aller Rechtswissenschaft, die römische, nicht haben vergessen gemacht“.434 Auch diese Arbeit wurde in Berlin mit Anerkennung zur Kenntnis genommen.435 Ebenfalls im Mai erhielt das Ministerium endlich das schon im Dezember von Professor Daniels in Berlin436 erbetene437 Gutachten
427 Windscheid an Luise Burckhardt-His, Düsseldorf 3.4.1847, Familiennachlass Windscheid. 428 Windscheid an Minister Eichhorn, Bonn 24.4.1847, SBPK Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 110. 429 Ebd., Zitat Bl. 110r. 430 Windscheid an Luise Burckhardt-His, Düsseldorf 3.4.1847, Familiennachlass Windscheid. 431 Wie Fn. 428, Zitat Bl. 110v. 432 Notiz vom 22.5.1847 in den Ministerialakten, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 38 Bd. 1 Bl. 112r. 433 Siehe GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 38 Bd. 1 Bl. 110–111v. Geplant war eine einbändige „compendiöse Ausgabe“ von 110–120 Bogen [880–960 Seiten], die binnen Jahresfrist in Quartformat zum Subskriptionspreis von 6 Talern erscheinen sollte. 434 Windscheid an Minister Eichhorn, Bonn 22.5.1847, SBPK Slg. Darmstädter 2 h 1847 (10) B. Windscheid Bl. 111. 435 Ebd. Notiz vom 9.6.1847 und Eichhorn an Windscheid, Berlin 14.6.1847, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 43 Bl. 12r. 436 Alexander v. Daniels (1800–1868), seit 1844 o.Prof. in Berlin und Kenner des französischen Rechts, Ullmann, Daniels (1976) S. 784 f. 437 GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 43 Bl. 10: 2. Mahnung des Ministeriums am 7.4.1847 unter Verweis auf Schreiben vom 18.12.1846; ebd. Bl. 8 1. Mahnung vom 1.2.1847.
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über Windscheids Monographie. Er lobt, „daß der Herr Verfasser den Anfang gemacht hat, [das französische Zivilrecht] aus seiner bisherigen wissenschaftlichen Vernachlässigung hervorzuziehen“ und kommt nach eindringender Analyse zu dem Ergebnis, dass die „sehr gründliche, vielseitige und scharfsinnige Erörterung“ von „klare[r] Auffassungsgabe“, gediegenen Kenntnissen und Darstellungstalent zeuge.438 Resultat alles dessen war die Vorlage Minister Eichhorns vom 11. Juni 1847, in der er dem König Windscheids Beförderung zum außerordentlichen Professor empfahl, obwohl „die durch den Nominal-Etat für die juristische Facultät in Bonn festgesetzte Zahl von außerordentlichen Professoren bereits überschritten ist.“ 439 Am 8. Juli 1847 wurde allen beteiligten Amtsstellen und Bernhard Windscheid persönlich seine Ernennung zum unbesoldeten außerordentlichen Professor mitgeteilt. 440 Im Zusammenhang mit diesem Ernennungsverfahren sah sich Windscheid veranlasst, auch über seine religiöse Haltung Rechenschaft abzulegen. Noch bevor die von Friedrich Wilhelm IV. am 19. Juni unterzeichnete Ernennung441 nach Bonn mitgeteilt wurde, erfassten ihn nämlich Zweifel, ob er mit der Angabe, er sei katholischen Bekenntnisses, seinen zukünftigen Dienstherrn nicht irreführe und sich seine Überzeugungen mit der Übernahme eines Staatsamtes vielleicht nicht vertrügen. Erheblich verstärkt wurden diese Zweifel durch Äußerungen der Minister v. Thile und Eichhorn anlässlich der Debatte um die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vereinigten Landtag.442 Thile443 wie Eichhorn444 betonten dabei den Charakter Preußens als eines christlichen Staates. Über die Universitäten sagte Eichhorn, dass sie „nicht blos Unterrichtsanstalten, sondern geistige Bildungsanstalten“, „gewissermaßen die Träger der höheren geistigen Bildung unseres Volkes“ seien, wie das ganze nationale Leben „durchdrungen . . . von
438 Daniels’ Gutachten vom 4.5.1847, dem Ministerium übersandt am 6.5.1847, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 38 Bd. 1 Bl. 106r–108v. 439 GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 38 Bd. 1 Bl. 118–119r. 440 GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 38 Bd. 1 Bl. 123–124v; UA Bonn, Personalakte Windscheid. 441 GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 38 Bd. 1 Bl. 120r. 442 Dazu Hemmerle, Verfassungsfrage (1912) S. 160–168; Debatte in Der erste Vereinigte Landtag (1847) IV, S. 1706–1970 u. S. 1984–2131, Materialien dazu ebd. I, S. 232– 459, Rede v. Thiles am 14.6.1847, ebd. IV, S. 1753–1755, Eichhorn am 14.6.1847, ebd. S. 2005–2012, am 15.6.1847, ebd. S. 2066 u. am 16.6.1847, ebd. S. 2077–2079. 443 Am 14.6.1847, Der erste Vereinigte Landtag (1847) IV, S. 1754. 444 Referierend am 14.6.1847, Der erste Vereinigte Landtag (1847) IV, S. 2011 f., Stellung beziehend am 15.6.1847, ebd. S. 2066.
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dem Wesen des Christenthumes“, und das müsse auch so bleiben.445 Darum sandte Windscheid gegen den Rat seiner Freunde446 auf dem Dienstweg über den Kurator am 26. Juni ein Schreiben an Minister Eichhorn, in dem er seine Stellung zu den Glaubensinhalten seiner Kirche in aller Ausführlichkeit darlegte. Darin heißt es, er betrachte sich „schon seit geraumer Zeit“ nicht mehr als Mitglied der Kirche, habe aber einen Austritt bisher unterlassen, „weil ich Aufsehen erregende Schritte scheue“. Immerhin nahm Windscheid für sich in Anspruch das, „was Schleiermacher in seinen Reden über die Religion so schön Frömmigkeit nennt,447 und ein ehrliches Streben, die Wahrheit zu erkennen und in mir zu verwirklichen“. Deshalb hielt er sich bei aller Schwachheit und Fehlsamkeit für zum Dienst im Staate tauglich, würde auch den vorgeschriebenen Amtseid leisten, allerdings in freier Deutung als „Hinweisung auf das Heiligste, welches für mich ist, das Absolute und das allein wahre Prinzip seines Verhältnisses zum Menschen“.448 In seinem Begleitschreiben charakterisierte der tief religiöse Bethmann-Hollweg449 diese Haltung als „unter den Gebildeten unserer Tage“ sehr häufig, „rationalistisch in Beziehung auf die Person des Erlösers, ja selbst pantheistisch in Betreff der Persönlichkeit und Außerweltlichkeit Gottes“. Allerdings sei beachtens- und höchst anerkennenswert Windscheids sittliche Haltung, die „religiöse Wärme“ des Ausdrucks und sein ernstes Streben nach Wahrheit. Da für den Nicht-Theologen „allgemein nur ein sittlicher Ernst und eine Achtung vor dem kirchlichen Anstande gefordert werden“ könne, sei sicher auch in den Augen des Ministers dieses Schreiben kein Hindernis für Windscheids Beförderung.450 Diese Einschätzung traf zu. Am Tag der Bekanntgabe der Ernennung Windscheids schrieb Minister Eichhorn privat an Windscheid, dass er seine Redlichkeit und Gewissenhaftigkeit achte, ihm sein ehrliches Streben nach der Wahrheit 445 Am 16.6.1847, Der Erste Vereinigte Landtag (1847) IV, S. 2077–2079, Zitate S. 2078. 446 Windscheid an Heinrich v. Sybel, Bonn 16.7.1847, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 10–13v. 447 Schleiermacher, Über die Religion (1958), geschrieben 1799, Originalausgabe S. 108–111: „innige Ehrfurcht“ vor dem „Weltgeist“, Demut beim Vergleich von Universum und unendlich kleinem Ich, brüderliche Menschenliebe, „herzlichste[s] Mitleid mit allem Schmerz und Leiden“ sowie Reue über die eigene Unvollkommenheit und Wunsch nach Umkehr [Buße] seien alles religiöse Gefühle, die die Alten zu Recht Frömmigkeit genannt hätten. 448 Windscheid an Minister Eichhorn, Bonn 26.6.1847, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 38 Bd. 1 Bl. 127– 128v. 449 Siehe Stein von Kamienski, Kuratoren (1968) S. 538 u. 540; Bezold, Geschichte (1920) S. 406. 450 Bethmann-Hollweg an Minister Eichhorn, Bonn 27.6.1847, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 38 Bd. 1 Bl. 125–126v; der Vorgang kurz erwähnt bei Oertmann, Lebensgang (1904) S. XII.
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glaube und daher keine Veranlassung sehe, „Ihre einmal beschlossene Ernennung . . . zurückzuziehen“. Im Übrigen betrachte er diese Angelegenheit als eine persönliche und daher vertraulich zu behandelnde.451 In einem ausführlichen Brief an Heinrich v. Sybel kritisierte Windscheid am 16. Juli gerade dieses Heimliche heftig. Er sah darin eine mangelnde Übereinstimmung von Prinzip und daraus zu ziehender Konsequenz, damit seinen Fall als Beispiel fehlender Aufrichtigkeit des Staates. Bethmann-Hollweg selbst habe ihm gesagt, dass er seine Privatmeinung, Windscheids Haltung sei durchaus christlich zu nennen, vor dem Landtag nicht vertreten könne. „Nur keine officielle Erklärung; eine officielle Erklärung müßte mich zurückweisen, aber im Grunde bin ich ihnen ganz recht.“ 452 Also als ein – von christlichen Bekenntnissen weit entfernt – die umfassende Wahrheit im Absoluten innerhalb der Welt und des dem menschlichen Geiste Zugänglichen Suchender453 und Anhänger einer „repräsentativen Monarchie“ 454 wurde Bernhard Windscheid im Sommer 1847 Beamter des vormärzlichen preußischen Staates Friedrich Wilhelms IV.! Im Privaten war das Jahr 1847 ein eher unerfreuliches. Seit Frühjahr war Windscheid mitbetroffen von der Ehekrise seiner älteren Schwester Maria und dem Tod ihres Gatten, über welchen Ereignissen seine Mutter ernstlich erkrankte.455 Im Sommer stand es mit seiner eigenen Gesundheit nicht zum Besten, auch Freund Claus wurde krank, Heimsoeth war ohne Aussicht auf eine Anstellung, und Urlichs verließ Bonn. „Am Meisten finde ich in dem jungen Ritschl456, und namentlich für meine speculativen Bemühungen manche Anregung und meine theologische Liebhaberei erwünschte Belehrung.“ 457 Ansonsten
451 Eichhorn an Windscheid, Berlin 8.7.1847, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 38 Bd. 1 Bl. 129r+v. 452 Windscheid an Heinrich v. Sybel, Bonn 16.7.1847, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 10–13v. 453 Deutlich sind hierbei Anklänge an Formulierungen Schleiermachers in „Über die Religion“ und Bezüge zur „freien Theologie“ Alois Emanuel Biedermanns, dessen Buch „Die freie Theologie oder Philosophie und Christentum in Streit und Frieden“, Tübingen 1844, Windscheid am 16.7.1847 Sybel gegenüber als sehr lesenswert erwähnt, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 10–13v. Zu Biedermann s. Germann-Gehret, Biedermann (1986), bes. S. 76–78, S. 128–144 u. S. 237 f. 454 Dazu s. unten 3. Teil C., Politische Vorstellungen. 455 Windscheid an Luise Burckhardt-His, Düsseldorf 3.4.1847, 23.5.1847 und 2.9.1847, dazu Stammbuch Windscheid S. 13 f.; Windscheid an Heinrich v. Sybel, Bonn 9.8.1847, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 14 f. 456 Gemeint ist der Theologe Albrecht Ritschl (1822–1889), Bonner Privatdozent seit 1846, Wenig, Verzeichnis (1968) S. 246 f. und Bezold, Geschichte (1920) S. 469 f. 457 Windscheid an Heinrich v. Sybel, Bonn 16.7.1847, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 10–13v, 13v (auch Zitat), und Bonn 9.8.1847, ebd. Bl. 14 f.; Windscheid an Luise Burckhardt-His, Bonn 7.8.1847, Familiennachlass Windscheid.
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arbeitete er und bemühte sich, „den Grundsatz praktisch durchzuführen, daß man mit Allem zufrieden sein muß und den Augenblick genießen“.458 Doch nicht mehr lange musste sich Windscheid mit diesem fatalistischen Standpunkt begnügen. Noch im Monat seiner Ernennung wurde die Universität Basel auf ihn aufmerksam, und am 20. September konnte er Minister Eichhorn, begleitet von höchsten Ausdrücken der Anhänglichkeit an sein „schöne[s] und große[s] preußische[s] Vaterland“, um seine Entlassung „behufs Übernahme einer ordentlichen Professur des römischen Rechts an der Universität Basel“ bitten.459 Diese wurde ihm, von Bethmann-Hollweg befürwortet,460 am 7. Oktober 1847 mit Glückwünschen für die neue „selbständigere und ausgedehntere Lehrthätigkeit“, der Versicherung der weiteren „Aufmerksamkeit und Theilnahme“ und der Hoffnung, dass damit Windscheids Dienste dem preußischen Staat nicht für immer verloren sein möchten, von Eichhorn erteilt.461 Damit endete eine Zeit, die Bezold zu Recht den „schwersten Lebensabschnitt“ genannt hat.462
II. Weitere romanistische Anfangswerke 1. Ueber den Besitz an Theilen einer zusammengesetzten Sache (1841) Bernhard Windscheids erste reguläre Publikation erschien in einer neuen Zeitschrift, den „Jahrbüchern für historische und dogmatische Bearbeitung des römischen Rechts“, die es sich nach dem Willen ihrer beiden Herausgeber Karl und Wilhelm Sell zum Ziel gesetzt hatte, „die historische und dogmatische Behandlungsweise des römischen Rechts überhaupt in sich zu vereinigen, und da, wo es die Quellen gestatten, beide in einzelnen Materien mit einander zu verbinden“.463 Eine solche einheitliche Behandlung des römischen Rechts sei das Gebot der Stunde, nachdem in der jüngsten Zeit beide Repräsentanten der bisher entgegengesetzten Richtungen, Savigny und Thibaut, den Streit zwischen historischer und nicht historischer Rechtsschule für beendet erklärt hätten.464 Mittel zur Erreichung dieses Zwecks wollten die Jahrbücher sein, die von den Herausgebern mit dem Archiv des Strafrechts und der Zeitschrift für deutsches Recht von Reyscher 458 Windscheid an Luise Burckhardt-His, Bonn 7.8.1847, Familiennachlass Windscheid. 459 GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 38 Bd. 1 Bl. 133r+v. 460 Bethmann-Hollweg an Eichhorn, Bonn 22.9.1847, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 38 Bd. 1 Bl. 132r+v. 461 GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 38 Bd. 1 Bl. 134–135r; UA Bonn, Personalakte Windscheid. 462 Bezold, Geschichte (1920) S. 406; ähnlich Oertmann, Lebensgang (1904) S. XI. 463 Sell/Sell, Zweck dieser Zeitschrift (1841) S. 6. 464 Sell/Sell, Zweck dieser Zeitschrift (1841) S. 5 f. unter Hinweis auf Savigny, System I (1840), Vorrede S. XII–XVII und Thibaut, Sogenannte historische und nicht historische Rechtsschule (1838) S. 402–404.
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und Wilda in eine Reihe gestellt wurden,465 jedoch bei weitem nicht deren Bedeutung erlangten, vielmehr ihr Erscheinen bereits nach dem dritten Band einstellten. Inhaltlich beschränkte sich die Zeitschrift, ohne die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Bearbeitung des deutschen Rechts zu leugnen, auf das römische Recht, das als „gemeines recipirtes“ und damit „einheimische[s] Recht“ empfunden wurde, welches wegen seiner „formalen Entwickelung und Vollendung“ für Wissenschaft und neue Gesetzgebungen „noch lange Zeit“ die „wesentliche Grundlage ausmachen wird und muß“.466 Man wird annehmen dürfen, dass Windscheid nicht ohne Grund dem abschließenden Aufruf besonders an die „jüngere Generation der Schriftsteller“, zur Weiterentwicklung der Jurisprudenz in diesem Sinne beizutragen,467 gefolgt ist, sondern dass er schon 1841 mit dieser Charakterisierung des römischen Rechts weitgehend übereinstimmte. Auf 24 Seiten behandelt Windscheid – wie schon in seiner Dissertation – ein einziges, klar abgrenzbares Problem, hier „ob der Besitzer einer zusammengesetzten Sache auch den juristischen Besitz an deren einzelnen Theilen habe“,468 was besonders für die Frage einer möglichen Usucapion (Ersitzung) von Bedeutung ist. Dabei ist sein Beitrag jedoch kein Beitrag zur Verbindung von „historischer“ und „dogmatischer“ Behandlung des römischen Rechts. Sein Zugang ist ein rein „dogmatischer“. In Auseinandersetzung mit aktuellen Äußerungen Vangerows, Unterholzners und Sintenis’ sowie der Ansicht Thibauts entwickelt er Savignys in dessen ,Recht des Besitzes‘ § 22 enthaltene Lehre fort: Dessen Aussage, „daß zwar der Besitz eines Ganzen den Besitz an dessen einzelnen, vor der Vereinigung nicht besessenen, Theilen nicht gebe, daß man aber den an einer Sache erworbenen Besitz nicht dadurch verliere, daß man sie durch Vereinigung mit einem Ganzen zu dessen Theile mache“,469 soll generell gelten, auch in dem von Savigny als Ausnahme betrachteten Fall des Einbaus von Baumaterialien. 470 So erreicht Windscheid eine größere Einheitlichkeit der Regelung und ein „sehr einfaches“ Resultat: „Der Besitz einer Sache wird durch die Vereinigung mit einem Ganzen nicht verloren, aber der Besitz des Ganzen giebt nicht den Besitz der Theile. Wer aber durch Usucapion Eigenthum am Ganzen erworben hat, ist auch Eigenthümer der Theile geworden, nur nicht derjenigen, die nicht dem bisherigen Eigenthümer des Ganzen gehörten.“ 471 465 466 467 468 469 470 471
Sell/Sell, Zweck dieser Zeitschrift (1841) S. 6 f. Sell/Sell, Zweck dieser Zeitschrift (1841) S. 9. Sell/Sell, Zweck dieser Zeitschrift (1841) S. 10. B. Windscheid, Besitz an Theilen (1841) S. 449. B. Windscheid, Besitz an Theilen (1841) S. 449. B. Windscheid, Besitz an Theilen (1841) S. 466 u. S. 468. B. Windscheid, Besitz an Theilen (1841) S. 473.
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Zu diesem Ergebnis gelangt Windscheid, indem er mit der „Natur der Sache“ und den Möglichkeiten des menschlichen Willens argumentiert und durch philologische, logische und systematische Schlüsse entgegenstehenden Meinungen widerspricht. Zunächst begegnet er Angriffen auf Savignys aus D.41.3.23.pr., D.41.2.30.pr. und D.41.3.30.1 hergeleiteter Lehre472 mit dem Hinweis, es entspreche eben nicht der Natur der Sache, dass man ein Teil im Ganzen nicht besitzen könne, weil der Wille auf dieses Teil als besondere Sache nicht gerichtet sein könne. Für den Besitzer des Ganzen an und für sich gelte zwar, dass „durch das Ganze“ „der Theil nie besessen“ werde, aber anders sei es bei dem, „der den Besitz einer Sache bereits vor ihrer Verbindung gehabt hat“. Für ihn sei diese Sache nicht nur Teil des Ganzen, sondern gleichzeitig immer noch „diese bestimmte, specielle Sache“ und als solche Gegenstand seines Willens. Daher könne in diesem Fall ein Teil besessen werden „abgesehen vom Besitz des Ganzen und trotz desselben“.473 Dies gelte bei beweglichen wie unbeweglichen Sachen gleichermaßen. So gelangt Windscheid zur Ablehnung von Unterholzner, weil dieser seine abweichende Ansicht nicht begründe,474 Thibaut, weil er einem „vagen, nicht durch juristische Begriffe vermittelten Billigkeitsgefühl Einfluß auf die Gestaltung der Rechtsregeln“ einräume,475 und Sintenis, der zwar – „offenbar ein Fortschritt“ 476 – seine Ansicht auf die Natur der Sache gründe, hierin aber irre und außerdem philologisch477 und logisch478 nicht zwingend argumentiere. Die Klippe des sehr umstrittenen und auch für Windscheids Ansicht gefährlichen Falles Ulp. D.10.4.7.1 umgeht Windscheid – mehr elegant als zwingend –, indem er sagt, Ulpian leugne den Besitz am fremden Rad nach seiner Verbindung mit dem eigenen Wagen einfach deshalb, weil er, natürlicher Betrachtung entsprechend, das Rad als Bestandteil des Wagens ansehe. Von dieser natürlichen Betrachtung abzugehen, hätte für Ulpian nur Veranlassung bestanden, wenn es in der Stelle um die Usucapion des verbundenen Teils ginge. Die Stelle behandele jedoch die auf das Rad gerichtete actio ad exhibendum, und deshalb habe Ulpian keinen Grund gehabt, „diesen Besitz [am Rad] als etwas Besonderes neben dem Besitz des Wagens hervorzuheben“.479
472 473 474 475 476 477 478 479
B. Windscheid, Besitz an Theilen (1841) S. 450 f. B. Windscheid, Besitz an Theilen (1841) S. 452 f., Zitate S. 453. B. Windscheid, Besitz an Theilen (1841) S. 455 u. S. 458 Fn. 2. B. Windscheid, Besitz an Theilen (1841) S. 454 u. S. 458 Fn. 2. B. Windscheid, Besitz an Theilen (1841) S. 458 Fn. 2. s. B. Windscheid, Besitz an Theilen (1841) S. 457 Fn. 1. s. B. Windscheid, Besitz an Theilen (1841) S. 459. B. Windscheid, Besitz an Theilen (1841) S. 462–466, Zitat S. 466.
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Die von Savigny seiner Regel hinzugefügte Ausnahme lehnt Windscheid aus zwei Gründen, einem „teleologischen“ und einem „philosophischen“ ab. Erstens sei Usucapion von Baumaterial nicht deswegen abzulehnen, weil dessen früherer Eigentümer nach Zwölftafelrecht nicht auf Trennung desselben vom Gebäude klagen dürfe, denn diesem bleibe als Ersatz die actio dupli.480 Zweitens sei diese Ausnahme von der Regel deshalb unnötig, weil „die vollendete Usucapion des Ganzen“ „nie Eigenthum an dessen Theilen“ gebe, denn „die universitas, das Ganze, ist etwas Anderes als die Theile, aus denen sie besteht“.481 Solange diese Teile bloße Nebensachen sind, sind nach Windscheid für sie „Tradition, wie Usucapion des Ganzen . . . gleichgültige Ereignisse“.482 Daher bleibt das Recht eines Eigentümers an einem eingebauten Teil dann erhalten, wenn der Usucapient die Sache als Ganzes ersitzt, ohne zuvor das Teil als Teil besessen zu haben und der Eigentümer des Teils nicht auch Eigentümer des Ganzen war.483 Erfolg dieser gedanklich kühnen Trennung von auf eine einzelne Sache gerichtetem Besitzwillen und Besitzwillen hinsichtlich der Universitas ist, dass Windscheid zur Formulierung einer glatten, über Savigny hinaus ausnahmslosen, Regel gelangt, ohne dass er die zugrunde liegenden Digestenstellen neu oder in gewaltsamer Weise anders interpretieren müsste. Allein die Deutung von D.10.4.7.1 erscheint etwas gewagt, ist aber innerhalb seines Systems plausibel. Dieses System ist jedoch nicht aus dem Gesetz heraus entwickelt, sondern wird ihm gewissermaßen oktroyiert: Der losgelöst vom Gesetz behauptete Gedanke wird anhand des Gesetzes überprüft. Lässt er sich ohne eindeutige Widersprüche durchhalten und ermöglicht er gegenüber den bisherigen Aussagen eine systematisch geschlossenere Darstellung, so wird er aufrechterhalten. Dahinter steht die nicht zu beweisende Unterstellung, dass der jetzt gefundene Obersatz schon den klassischen römischen Juristen präsent gewesen sei. Windscheids Meinung stieß zunächst auf Zustimmung. Über die Exegese von D.41.3.30.1 kamen in den folgenden Jahren unabhängig von Windscheid noch zwei weitere Juristen, 1842 Madei [wohl richtig: Madai] 484 und 1844 Binding485, zu im Wesentlichen gleichen Ergebnissen. Beide fanden in dieser Stelle nicht eine eng begrenzte Ausnahme, sondern die allgemein gültige Regel, die über Windscheid hinaus bei Madei auf Nebensachen ausgedehnt wurde486 und laut Binding
480
B. Windscheid, Besitz an Theilen (1841) S. 469. B. Windscheid, Besitz an Theilen (1841) S. 469 (1. Zitat) und S. 470 (2. Zitat). 482 B. Windscheid, Besitz an Theilen (1841) S. 471. 483 B. Windscheid, Besitz an Theilen (1841) S. 470 f. 484 Madei, Beitrag zur Erklärung der L.30 § 1 D. de usurpat. et usucap. (41,3), AcP 25 (1842) S. 313–322. 485 Binding, Ueber Besitz und Verjährung verbundener Sachen, AcP 27 (1844) S. 216–238 u. S. 360–387. 486 Madei, Beitrag (1842) S. 316. 481
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auch, ebenfalls weiter als bei Windscheid, neben dem Besitz des Ganzen den Besitz der darin enthaltenen Teile dem Erwerber dann gebe, wenn er bei dem Erwerb seinen animus possidendi auch auf die einzelnen Teile richte.487 Binding, der sich anders als Windscheid nicht nur in der Sache, sondern auch ausdrücklich gegen Savigny stellte488 und zu seinem Ergebnis weniger aus prinzipiellen willenstheoretischen Überlegungen als durch eine Kombination anerkannter römischrechtlicher Sätze gelangte, war sogar der Ansicht, „daß jetzt“ – nämlich nach diesen drei Abhandlungen – „wohl dieser lange streitig gewesene Punkt als erledigt zu betrachten seyn dürfte“.489 Dem widersprach ausdrücklich Pape in seinem Aufsatz aus dem Jahre 1847.490 Für ihn ist D.41.3.30.1 nur eine aus Billigkeit zugestandene Ausnahme von der Regel, wonach die selbständige Usucapion von Bestandteilen einer Sache generell unmöglich, dagegen eine mittelbare Usucapion der Teile durch Usucapion des Ganzen immer möglich sei außer bei Bestandteilen von Gebäuden und bei mit Weinbergen verbundenen Gegenständen.491 Gegen Windscheid sprächen dabei nicht nur die Exegese einzelner Stellen492 sondern auch prinzipielle Überlegungen: Erstens sei es unmöglich, Bestandteile einer zusammengesetzten Sache als Bestandteile und zugleich als selbständige Gegenstände zu denken, „und ein fortwährender Wechsel des Willens liegt außer Frage“.493 Zweitens aber fehle jedenfalls die zum Besitz notwendige selbständige Verfügungsmöglichkeit über die einzelnen Teile, weswegen es auch keinen auf sie gerichteten animus possidendi geben könne.494 Mindestens müsse Windscheid, wolle er konsequent sein, seine Regel – ähnlich Binding – auf den Erwerber jedes aus einzelnen Bestandteilen zusammengesetzten Ganzen ausdehnen.495 Die beiden letzten Punkte lassen sich mit einem Argument leicht zugleich widerlegen. Denn wenn auch der Besitzerwerb nur corpore et animo möglich ist, so ist doch die Erhaltung des Besitzes solo animo allgemein anerkannt. Deshalb stört mangelnde Verfügungsmöglichkeit über ein Teil des Ganzen nicht, deshalb kann aber die Regel auch 487 Binding, Besitz (1844) S. 221 u. S. 225 f. allgemein und ebd. S. 376 f. in Reaktion auf Windscheid mit dem – berechtigten – Hinweis darauf, dass Windscheid diese aus der möglichen Willensrichtung des Erwerbers abgeleitete Ausdehnung von seinem Ansatz her als mit der eigenen Vorstellung vereinbar anerkennen müsste. 488 Vgl. Windscheids Verbeugung vor Savigny in Besitz an Theilen (1841) S. 450 mit Bindings Widerlegung Savignys, Besitz (1844) S. 220–225. 489 Binding, Besitz (1844) S. 387. 490 Pape, Ueber den Besitz zusammengesetzter Sachen, Zeitschrift für Civilrecht und Prozeß N. F. Bd. 4 (1847) S. 211–251. 491 Pape, Besitz (1847) S. 251. 492 Siehe bes. Pape, Besitz (1847) S. 229–234 zu D.41.3.23.pr., D.41.3.30, D.43.24.8, D.10.4.7.1 u. D.47.3.1.2. 493 Pape, Besitz (1847) S. 230. 494 Pape, Besitz (1847) S. 215 und bes. S. 232. 495 Pape, Besitz (1847) S. 229 f.
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nur dann gelten, wenn der Inhaber des Ganzen zuvor die Teile als Einzelstücke besessen hat. Denn der Erwerber einer Sachgesamtheit kann, was wirklich gegen Binding einzuwenden ist, „corpore“ und getrennt vom Ganzen auch einen noch so bedeutenden Bestandteil schlechterdings nicht erlangen. Bleibt die Frage, ob der „animus“ eines Besitzers auf das Ganze als Ganzes und auf wenigstens bedeutsame, „wesentliche“, Bestandteile als Teile zugleich gerichtet sein kann. Dass dies nicht als offensichtlich theoretisch unmöglich einfach abzulehnen ist, zeigt die Tatsache, dass neben Windscheid und unabhängig von ihm auch andere Juristen so argumentierten.496 Windscheid hielt denn auch später an seiner Ansicht fest,497 modifizierte sie lediglich hinsichtlich der Behandlung von D.6.1. 23.7 und D.41.1.7.11 leicht.498 Windscheids Meinung ist auch durch die heutige romanistische Forschung mit ihrer freilich weitaus kritischeren, aber auch ungezwungeneren Behandlung der Digestenstellen, als dies dem Bearbeiter des geltenden Rechts im 19. Jahrhundert und vor den beachtlichen Fortschritten der Interpolationenkritik möglich war, nicht überholt. Denn auch wer sich bisher kritisch mit der herrschenden Meinung, wonach es an Sachbestandteilen keinen Ersitzungsbesitz gebe, auseinandergesetzt hat, beachtet zu wenig den Zeitpunkt, zu dem aus den Bestandteilen eine Gesamtheit entstanden ist.499 2. Ueber l. 9 § 3 D. qui potiores (1847) Diese kurze, 17-seitige Studie zu einem pfandrechtlichen Thema wird wiederum beherrscht von dem Wunsch nach einem möglichst geschlossenen, widerspruchsfreien Rechtsgebäude. Windscheid gibt sich nicht mit der allgemeinen Meinung seiner Zeit zufrieden, dass es sich bei der Aussage Africans in D.20.4. 9.3 um eine Sondermeinung handele, wonach der zweite Pfandgläubiger vor Befriedigung des ersten Pfandgläubigers kein Pfandrecht habe,500 oder doch um den Sonderfall der Verpfändung durch den später vorübergehend Eigentümer werdenden Nichteigentümer.501 Windscheid gelingt ein Einbau dieser Stelle in all496 Implizit Madei, Beitrag (1842) S. 316, explizit Binding, Besitz (1844) S. 219 u. S. 226. 497 Lehrbuch I, 11862 § 152 Fn. 6 und Text dazu. 498 Lehrbuch I, 11862 § 175a Fn. 2. 499 Auch wenn Mayer-Maly, Ersitzungsbesitz (1960) S. 178, „den Zeitpunkt der Verbindung der Bestandteile“ als mögliches Unterscheidungskriterium gesehen hat, geht er darauf später leider nicht mehr ein; s. ansonsten zum Thema Maddalena, Possesso (1964), Backhaus, Casus perplexus (1981) S. 147 Fn. 42 und zuletzt Honsell/MayerMaly/Selb, Römisches Recht (1987) S. 176. 500 Müller, v. Löhr, Trotsche bei B. Windscheid, l. 9 § 3 D. qui potiores (1847) S. 425. Ebd. 427: „Wie mißlich dieser Ausweg sey, liegt auf der Hand.“ 501 Hepp, Vangerow, Mayer, Huschke bei B. Windscheid, l. 9 § 3 D. qui potiores (1847) S. 425 f.
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gemein anerkannte Regeln über den Erwerb und den Verlust des Pfandrechts in zwei Schritten: Er übersetzt „pignus convalescit“ nicht mit „das Pfandrecht entsteht“, sondern mit dem auch möglichen „das Pfandrecht wird voll wirksam“ und gelangt so zu der Interpretation, dass African nicht die Entstehung, sondern nur das volle Wirksamwerden – nämlich die Möglichkeit des zweiten Gläubigers, sein Pfandrecht zu realisieren – für den Fall leugnet, dass bei Bestellung dieses zweiten Pfandrechts der Verpfänder noch nicht und bei Befriedigung des ersten Pfandrechts nicht mehr Eigentümer der Pfandsache sei.502 In einem zweiten Schritt erklärt er dann, warum bei dieser Konstellation das zweite Pfandrecht mit dem Verlust des Eigentums an der Pfandsache durch den Verpfänder im besprochenen Fall völlig entfällt. Er erläutert, dass gegenüber dem Verpfänder einer fremden Sache, sobald dieser Eigentum daran erwirbt, aus Billigkeitsgründen die volle Wirksamkeit des Pfandrechts angenommen werde, wobei Grund dieser Annahme der dolus des Verpfänders sei.503 Materieller Grund für die Klage des Gläubigers504 sei die exceptio doli gegenüber dem Empfänger, und daraus ergebe sich auch, in welchen Fällen die Klage gegen den Rechtsnachfolger des Verpfänders geltend gemacht werden könne: Dies sei nur bei Wissen des Erwerbers um das Bestehen des Pfandrechts oder bei Erwerb aus lukrativem, nicht bei Erwerb aus onerosem Titel möglich. Im von African behandelten Fall liege ausdrücklich ein oneroser Erwerb vor, daher sei die Klage unzulässig und das Pfandrecht des zweiten Gläubigers weggefallen.505 So gelingt es Windscheid, von allgemein anerkannten Regeln ausgehend, diesen Fall durch harmonisierende Auslegung in das bestehende Normengefüge einzubauen. Allerdings wehrt er sich dagegen, die pfandrechtliche Lösung nun auch noch an den Fall der Übertragung von „Eigentum“ durch den – zwischenzeitlich Eigentümer werdenden – Nichteigentümer anzugleichen. Dass sich hier der gutgläubige Erwerber später gegen jeden Dritten durchsetze, liege an der dafür bestehenden exceptio rei venditae et traditae und der actio Publiciana, wofür es eben im Pfandrecht kein Gegenstück gebe. „Wir müssen anerkennen, daß das römische Recht hier in seiner Entwickelung stehen geblieben sey; diese Entwickelung vollenden zu wollen, hieße sich die Befugnisse des Gesetzgebers anmaaßen.“ 506 Dies will Windscheid nicht, solange ihm dafür ein Hinweis im Gesetz fehlt, obwohl er eine solche Entwicklung um der inneren Logik willen 502
B. Windscheid, l. 9 § 3 D. qui potiores (1847) S. 427 f. B. Windscheid, l. 9 § 3 D. qui potiores (1847) S. 431 f. 504 Diese Klage ist eine actio pignoraticia utilis, weil Gläubiger Pfandrecht nicht wirklich besitzt, ihm aber dennoch das Recht daraus gegeben wird, B. Windscheid, l. 9 § 3 D. qui potiores (1847) S. 432 f. 505 B. Windscheid, l. 9 § 3 D. qui potiores (1847) S. 434–437. 506 B. Windscheid, l. 9 § 3 D. qui potiores (1847) S. 434 u. S. 437 f., Zitat S. 438. 503
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eindeutig befürwortet.507 Als er diesen Hinweis 1862 in D.44.4.32 findet, wo der unbedingte Übergang der exceptio doli nicht nur für die Eigentumsübertragung sondern grundsätzlich für die Übertragung aller dinglichen Rechte festgestellt sei, hält er es sofort für geboten, im geltenden Recht über Afr.D.20.4.9.3 hinauszugehen.508 Windscheids Ansicht blieb in der Pandektistik umstritten509 und passt auch nicht zur heutigen Lehre, die diese Stelle als Fall eines bedingten Nachpfandes auffasst.510 Dennoch ist sie aus zwei Gründen nach wie vor bedenkenswert: Einmal bedeutet nicht nur für Bachofen 1847 Konvaleszenz nicht Eintritt einer Bedingung sondern lediglich „Aufhebung der Beschränkungen, welche sich für das nachstehende Pfandrecht aus der Rangordnung ergeben“.511 Auch Schanbacher, der Windscheids Aufsatz kennt, nimmt 1987 unbedingte Pfandbestellung an und redet im Hinblick auf das zweite Pfandrecht lediglich von einer Rechtsbedingung.512 Zum anderen kann Windscheids Hinweis auf die exceptio doli und die Grenzen ihrer Anwendung das Ende des Fragments einleuchtend erklären, so dass er nicht zur heute verbreiteten Annahme der Interpolation des Schlusssatzes gezwungen ist.513 Dazu kommt, dass nicht nur 1863 Schmid Windscheids Ansicht zur exceptio doli bestätigte,514 sondern auch Wacke 1973 ähnlich argumentiert.515 Auf Schanbachers Hinweis gegen Wacke, dass es im behandelten Fall nicht um eine replicatio doli sondern um eine actio utilis gehe,516 ist zu erwidern, dass Windscheid dies nicht bestreitet, lediglich behauptet, diese actio folge in ihren Voraussetzungen den Regeln der exceptio doli.
507 Dies zeigt sich besonders an seiner Gegenüberstellung von Paul. D.13.7.41 und Mod. D.20.1.22, l. 9 § 3 D. qui potiores (1847) S. 439 f., wo er die juristische Sicht favorisiert und damit mit Modestin eine Klage gegen den persönlich redlichen Erben als Rechtsnachfolger des dolosen Verpfänders gibt. 508 Lehrbuch I (11862) § 230 Fn. 8, S. 596 f. 509 Siehe dazu die Nachweise bei B. Windscheid, Lehrbuch I (71891) § 230, S. 690 f. Fn. 8. 510 Kaser, Römisches Privatrecht 1. Abschnitt (21971) § 110, S. 467, Honsell/MayerMaly/Selb, Römisches Recht (1987) S. 207 f., Schanbacher, Konvaleszenz (1987) S. 23 m.w. Nachw. 511 Bachofen, dessen Interpretation sich mit Windscheids nahezu deckt, Pfandrecht (1847) S. 544–558, Zitat S. 555. – Ähnlich Schanbacher, Konvaleszenz (1987) S. 13: „Wiederherstellung“ nach „zurückliegende[m] Zustand der Mangelhaftigkeit des Rechts“. 512 Schanbacher, Konvaleszenz (1987) S. 39 f. mit plausibler Ablehnung des aufschiebend bedingten Pfandrechts. Dort S. 20–79 ausführliche Diskussion der Stelle mit vollständigen Literaturangaben. 513 Für Interpolation auch Schanbacher, Konvaleszenz (1987) S. 27–29, dort Fn. 99 auch die gleichsinnige Literatur. 514 Schmid, Cession I (1863) S. 324–326. 515 Wacke, Verfügungsverbot (1973) S. 191. 516 Schanbacher, Konvaleszenz (1987) S. 27.
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3. Ueber das Recht des redlichen Besitzers an den Früchten (1847) In dem großen und von Windscheid selbst für wertvoll gehaltenen Aufsatz517 verbindet er auf verblüffende Weise sein Streben nach klarer Gesetzessystematik mit einer Grundfigur der historischen Rechtsschule, dem Volksbewusstsein. Windscheid war unzufrieden mit der verbreiteten Meinung, der gutgläubige Besitzer erwerbe das Eigentum an den Früchten der von ihm besessenen Sache. Der Grund für diesen Eigentumserwerb sei unklar, diese Meinung passe nicht mit der Regelung für den Erbschaftsbesitz zusammen, manche Quellen entsprächen ihr nicht518 und vor allem sei damit unvereinbar, dass nach einhelliger Meinung der Besitzer nur die verbrauchten Früchte nicht zu ersetzen, die noch vorhandenen jedoch dem Eigentümer der Hauptsache zurückzugeben habe.519 Indem Windscheid alle bisher vertretenen Meinungen seiner aus den genannten logischsystematischen Ungereimtheiten gespeisten Kritik unterwirft, zeigt er, dass noch kein Schriftsteller eine Begründung gefunden hat, die auch befriedigende Antworten auf Windscheids Fragen zu geben imstande wäre.520 Es bleibt also zunächst dabei, dass Eigentum des redlichen Besitzers an den Früchten nicht rational zu begründen ist, während sich andererseits aus der Natur der Sache lediglich eine bonae fidei possessio an den Früchten wie auch an der Hauptsache selbst ergibt, kraft derer ihm allerdings die Ersatzpflicht für verbrauchte Früchte erlassen ist.521 Nun beginnt Windscheid seine eigene Interpretation. Zunächst legt er anhand der Quellentexte dar, dass „die Früchte der zu einer Erbschaft gehörigen Sachen . . . in die Erbschaft [fallen], . . . nicht Eigenthum des redlichen Besitzers derselben [werden]“.522 Weiter prüft er nun anhand der Quellen nicht etwa, ob sich aus ihnen das fehlende Eigentum des redlichen Besitzers an den Früchten ergebe, sondern er fragt nur nach zwingenden Gründen, die diesen Schluss auf ein fehlendes Eigentum des Besitzers verbieten! Das macht das Verhältnis von Systematik und Quelleninterpretation bei Windscheid schlagend deutlich: Systematische Einordnung ist der Ausgangspunkt, die Idee, um deren Realisierung Windscheid sich im Interesse eines logisch geschlossenen Gebäudes des geltenden Rechts bemüht. Die Quellenexegese dient nur noch dazu, die Idee zu stützen oder scheitern 517 Er legt nur diese Abhandlung Minister Eichhorn in Berlin vor und nennt dabei die behandelte Kontroverse „eine der bekanntesten des römischen Rechts“; Schreiben Windscheids an Eichhorn aus Bonn vom 22.5.1847, SBPK Slg. Darmstädter 2 h 1847 (10) B. Windscheid Bl. 111. 518 B. Windscheid, Recht des redlichen Besitzers (1847) S. 56 f. 519 B. Windscheid, Recht des redlichen Besitzers (1847) S. 68 u. S. 71 f. 520 B. Windscheid, Recht des redlichen Besitzers (1847) S. 58–74. 521 B. Windscheid, Recht des redlichen Besitzers (1847) S. 74 im Anschluss an Savigny. Dies verkennend ordnet Thielmann, Produktion (1977) S. 87 Fn. 53, Windscheid irrtümlich der h. M. zu. 522 B. Windscheid, Recht des redlichen Besitzers (1847) S. 75–78, Zitat S. 75.
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zu lassen, wobei das Scheitern erst dann akzeptiert wird, wenn unter keinem Gesichtspunkt eine „systemkonforme“ Auslegung mehr möglich erscheint. Ergebnis seiner Quellenstudien523 ist, dass aus dem Wortlaut („meus, tuus, suus est, pertinere“) nicht zwingend auf Eigentum geschlossen werden dürfe, in manchen Fällen der Wortlaut gar nicht auf Eigentum bezogen werden könne,524 dagegen von ihm immer ein Behaltendürfen der konsumierten Früchte umfasst sei. Daraus folgt für Windscheid, dass in allen Fällen das Recht dem redlichen Besitzer auch nur den Verbrauch der Früchte gestatten wollte. Nun muss er allerdings noch darlegen, woraus sich dieses Recht erklärt und wie es kommt, dass in vielen Quellenstellen die Formulierung zunächst an Eigentum an den Früchten denken lässt. Das Verbrauchsrecht ergibt sich unmittelbar aus der bona fides: Der mala fide Konsumierende hafte dem Eigentümer für den ihm zurechenbaren Schaden, während dem Gutgläubigen der Schaden nicht zuzurechnen sei. Also müsse er nur die vom guten Glauben unabhängige Bereicherung herausgeben. Bereicherung bedeute aber Vermögenszuwachs, der beim Verbrauch von Früchten oder deren Gegenwert zu „Luxuszwecken“ nicht eintrete.525 Zur Zeit der frühen Republik, als es großen Reichtum Einzelner noch nicht gegeben habe und in der der (behauptete!) Rechtssatz entstanden sei, sei aber jeder Verbrauch unerwartet zufallender Früchte in diesem Sinne „Luxus“ gewesen. Der redliche Besitzer hafte daher für verbrauchte Früchte nicht, „weil die Consumtion derselben ihn nie bereichert“.526 Dies gelte entgegen der herrschenden Meinung auch für die Früchte einer Erbschaft – ein Harmonisierungsbestreben, das in diesem Fall „nicht nur möglich, sondern auch nahe liegend und ungezwungen“ sei.527 Nachdem hier schon praktische Überlegungen halfen, das systematisch gewünschte Ergebnis zu begründen, wurde bei der Erklärung des Sprachgebrauchs nicht nur das äußere Volksleben, sondern das Volksbewusstsein bemüht: Im „gemeinen Leben“ gelte der Verbrauch von Früchten als deren bestimmungsgemäße Verwendung, sie sei sogar im Regelfall die einzig praktische,528 so dass das Verbrauchsrecht dem vollen Recht (Eigentum) gleichgeachtet worden sei. „So sind die Ausdrücke ,fructus pertinent ad b. f. possessorem, eius sunt, fiunt, fructus suos facit‘ im Volk entstanden. Aus der Sprache des Volks seien sie dann 523
B. Windscheid, Recht des redlichen Besitzers (1847) S. 83–95. Z. B. die Formulierung „fructus consumtos suos facit“, denn „an einer consumirten, nicht existirenden, Sache ist Eigenthum nicht denkbar“, B. Windscheid, Recht des redlichen Besitzers (1847) S. 84. 525 B. Windscheid, Recht des redlichen Besitzers (1847) S. 99: „Wer Früchte verbraucht oder ihren Gegenwert zu Zwecken verbraucht, für die er andernfalls kein Geld ausgegeben hätte, ist nicht bereichert.“ 526 B. Windscheid, Recht des redlichen Besitzers (1847) S. 100. 527 B. Windscheid, Recht des redlichen Besitzers (1847) S. 100 f., Zitat S. 101. 528 Hier denkt sich Windscheid das Leben der frühen Republik offenbar als ein Leben von der Hand in den Mund, ohne jede Vorratshaltung – sehr archaisch, aber wohl nicht sehr lebensnah! 524
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später in die Sprache der Juristen übergegangen.“ 529 Diese aus den Vorstellungen der historischen Schule seit Savigny geschöpfte Begründung kann ebenfalls erklären, dass in einer Reihe von Stellen die genannten Formulierungen auch als Eigentumsumschreibungen interpretiert werden können530 oder in einzelnen Fällen sogar müssen:531 Das „gehören“ der Alltagssprache wurde den Juristen im Laufe der Zeit, in der „jenes Bewußtseyn verdunkelt worden sein mag“ 532 auch da zum Synonym für „Eigentum“, wo sie dem Besitzer nur das Verbrauchsrecht an den Früchten zusprechen wollten.533 Das praktische Ergebnis von Windscheids Lehre534 ist, dass entgegen der allgemeinen Meinung der Eigentümer die Früchte unabhängig von der Hauptsache vom redlichen Besitzer und dessen Rechtsnachfolger vindizieren kann, und zwar solange unabhängig von einer Regressmöglichkeit des Nachfolgers gegenüber seinem auctor, als in dessen Vermögen der Gegenwert der Früchte noch vorhanden, er also noch bereichert ist.535 Umgekehrt erwirbt der redliche Besitzer aber auch durch Ersitzung Eigentum an den Früchten.536 Viel wichtiger als diese handgreifliche Abweichung von der herrschenden Meinung ist nicht nur für den nachträglichen Betrachter sondern mit Sicherheit auch für Windscheid selbst, dass er hier in einer geschickten Kombination von logischen Schlüssen mit der Rechtsentstehungslehre der historischen Rechtsschule zu einer einheitlichen Behandlung von Erbschafts- und sonstigen Sachfrüchten gelangt und außerdem auf wissenschaftlich erlaubtem Wege die ihm unerträgliche Figur eines zur Rückgabe verpflichtenden Eigentums ablehnen kann. Diese Vorstellung ist für Windscheid nicht nur rational nicht nachvollziehbar,537 sondern geradezu ein Angriff der Juristen auf die Souveränität der Rechtsordnung,538 die den Inhalt jeden Einzelrechts willkürlich bestimmen kann und also nicht in Ermangelung einer passenden Rechtsfigur mehr zugestehen muss 529 B. Windscheid, Recht des redlichen Besitzers (1847) S. 103, weitere Rückgriffe auf das Volksbewusstsein ebd. S. 67 (Herausgaberecht des bona fidei possessor gegenüber dem Nichteigentümer) und S. 72 (gegen Vangerow im Vorgriff auf S. 103). 530 B. Windscheid, Recht des redlichen Besitzers (1847) S. 106–109. 531 B. Windscheid, Recht des redlichen Besitzers (1847) S. 110–121. 532 B. Windscheid, Recht des redlichen Besitzers (1847) S. 105. 533 B. Windscheid nennt hier Jul. D.22.1.25, Paul./Jul. D.7.4.13, Pap. D.20.1.1.2, I.2.1.35, D.5.3.40.1. und Lab./Paul. D.6.1.78, Recht des redlichen Besitzers (1847) S. 112–121. 534 Zusammenfassendes Resultat von Windscheids Lehre: B. Windscheid, Recht des redlichen Besitzers (1847) S. 121 f. 535 Gegen die h. M. bedeutet für Windscheid Veräußerung noch nicht Konsumtion. Diese tritt erst mit der Vernichtung der Sache selbst oder ihres „vermögensrechtlichen Werthes“ ein, B. Windscheid, Recht des redlichen Besitzers (1847) S. 125. 536 B. Windscheid, Recht des redlichen Besitzers (1847) S. 122 u. S. 125. 537 B. Windscheid, Recht des redlichen Besitzers (1847) S. 71 f. 538 B. Windscheid, Recht des redlichen Besitzers (1847) S. 66.
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(Eigentum), als das Volksbewusstsein als Rechtsschöpfer zugestehen will (Verbrauchsrecht). Wie sehr Windscheid an einem einheitlichen System gelegen war, zeigt die Tatsache, dass er auf den letzten Seiten auch noch die Rechte an den juristischen Früchten539 denen des redlichen Besitzers an organischen Früchten angleicht. In beiden Fällen habe der Besitzer das Gebrauchsrecht an der Sache540 und das Verbrauchsrecht an den Früchten, so dass entgegen der herrschenden Meinung auch der Gegenwert „für die Überlassung des Gebrauchs einer nicht fruchttragenden Sache“ einer condictio entzogen sei. Dass im Erbrecht anderes gelte, sei auf die Sonderregelung des SC Juventianum zurückzuführen.541 Ein weiteres Mal findet die Harmonisierung am entgegenstehenden Gesetz ihre Grenze! Windscheids Ansicht konnte die während des ganzen 19. Jahrhunderts herrschende Meinung vom Eigentumserwerb des bona fidei possessor an den Früchten nicht erschüttern.542 Lediglich Göppert übernahm implizit Windscheids Argumentation, ohne sich ihm jedoch voll anzuschließen.543 Dagegen wurde Windscheid von anderer Seite Verstoß gegen klare Quellenaussagen und Unpraktikabilität seines Ergebnisses – nämlich zu schwache Position des gutgläubigen Besitzers und seines Rechtsnachfolgers – vorgeworfen.544 Dennoch behielt Windscheid bis zuletzt seinen Standpunkt bei, da seiner Ansicht nach niemand schlüssig begründen könne, wie gültig erworbenes Eigentum sollte vindiziert werden oder sonst einer Rückgabepflicht unterliegen können. Insbesondere konnte ihn Koeppens Aussage, dass die Rechtsordnung habe Eigentum zusprechen müssen, da es ein davon gesondertes Konsumtionsrecht nicht gebe,545 nicht überzeugen, weil er für diese frühe Entstehungszeit einen numerus clausus dinglicher Rechte ablehnte.546 Doch Windscheid selbst musste noch – kommentarlos – eine neue, diesen Streit überwindende Entwicklung zur Kenntnis nehmen: Czyhlarz547 und unab539 fructus civiles, „durch Vermittlung eines andern Rechtsverhältnisses“ gewonnener Ertrag, etwa Miete, Zinsen, s. B. Windscheid, Lehrbuch I (11862) § 144, S. 355 f. 540 Ausgehend vom Recht des redlichen Besitzers an der Sache ,Sklave‘ hergeleitet in: B. Windscheid, Recht des redlichen Besitzers (1847) S. 78–82. 541 B. Windscheid, Recht des redlichen Besitzers (1847) S. 132–137. 542 Gute Übersicht bei Ramelet, L’acquisition (1945) S. 50–58, die Literatur auch bei B. Windscheid, Lehrbuch I (71891) § 186, bes. S. 560 f. Fn. 7. 543 Ramelet, L’acquisition (1945) S. 53 u. Koeppen, Fruchterwerb (1872) S. 8–13 zu Göppert, Über die organischen Erzeugnisse, Halle 1869, S. 320–370; Windscheids Begründung auch ablehnend Brinz, Rez. Koeppen, Fruchterwerb (1873) S. 272. 544 Vangerow und Fitting bei Koeppen, Fruchterwerb (1872) S. 14. 545 Koeppen, Fruchterwerb (1872) S. 46 f. 546 B. Windscheid, Lehrbuch I (71891) § 186 S. 562 Fn. 12: „Sollte das römische Recht wirklich so unbeholfen gewesen sein – in einer Rechtsmaterie, welche ihre Ausbildung offenbar nicht der Gesetzgebung und der formalistischen sich an sie anschließenden alten Jurisprudenz, sondern der Praxis des Lebens verdankt!“ 547 Czyhlarz, Pandecten I (1887) § 1732b S. 525 f. u. § 1732g S. 571–584.
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hängig von ihm auch andere Forscher548 führten gegen Ende des 19. Jahrhunderts die diskutierte Beschränkung des Eigentums an den Früchten auf eine nachklassische, von Diokletian oder erst Justinian veranlasste Entwicklung zurück und erklärten alle Stellen, in denen „fructus consumti“ o. ä. genannt werden, für interpoliert. Diese neue Interpretation wurde bald zur allgemein anerkannten und ist heute unbestritten.549 Diskutiert wird nur noch darüber, wann das klassische Eigentum des gutgläubigen Besitzers an den Früchten eingeschränkt wurde550 und ob, sowie gegebenenfalls wie lange, in früherer Zeit statt dieses „Substantialprinzips“ das „Produktionsprinzip“ herrschte.551 Beide Vorstellungen führen jedoch zum Fruchteigentum des qualifizierten Inhabers der Hauptsache wie des – besitzlosen – Produzenten,552 so dass Windscheids originelle Deutung sich heute in jeder Hinsicht, sowohl was die Quellenexegese angeht als auch im Hinblick auf die wahrscheinliche Entstehung des Rechtes an den Früchten, als unhaltbar erwiesen hat.
III. Arbeit zum französischen Recht: Zur Lehre des Code Napoléon von der Ungültigkeit der Rechtsgeschäfte (1847)553 In dieser ersten und zugleich seiner umfangreichsten Monographie554 beschäftigte sich Bernhard Windscheid mit einer Materie, die noch 1971 als „eine der umstrittensten . . . des französischen Rechts“ galt.555 In einer „Reihe selbstständiger, aber durch ihren gemeinsamen Inhalt zusammengehaltener Abhandlungen“ bot er darin nach eigener Aussage den vollständigen „allgemeinen Theil der Lehre von der Ungültigkeit“, während „von den einzelnen Ungültigkeitsgründen . . . nur einige behandelt“ werden.556 Schon dieser systematische Ansatz zeigt 548 Ramelet, L’acquisition (1945) S. 58–65, 58 f. nennt daneben Kremlow, Alibrandi, Zachariae und Pellat. 549 Schon Ramelet, L’acquisition (1945) S. 65: „la thèse de l’interpolation est reçue.“ Kaser, Römisches. Privatrecht 1. Abschnitt (21971) S. 427 f.; Honsell/Mayer-Maly/ Selb, Römisches Recht (1987) S. 167. 550 Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht (1987) S. 167 Fn. 38: seit dem 3. Jh.; Kaser, Römisches Privatrecht 2. Abschnitt (1975) S. 289 (Zitat) u. Fn. 12: „vielleicht schon Diokletian, jedenfalls aber Justinian.“ 551 Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht (1987) S. 167; eher für Produktionsprinzip bis Julian Kaser, Römisches Privatrecht 1. Abschnitt (21971) S. 427. Dazu ausführlich Thielmann, Produktion (1977). 552 Thielmann, Produktion (1977) S. 89 f. 553 Wie sich bereits aus der Darstellung in Abschnitt I. ergeben hat, schon Ende 1846 erschienen. Auch die Vorrede datiert, S. XI, vom November 1846. 554 346 Seiten und XI Seiten Vorrede. 555 Ferid, Französisches Zivilrecht I (1971) S. 337, wo Windscheids Werk noch als eines aus der grundlegenden älteren Literatur genannt ist. 556 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. III.
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Windscheids Überlegenheit gegenüber der zeitgenössischen französischen Wissenschaft, wo bis in die 1960er Jahre hinein die exegetische, sich an der Einteilung des Gesetzes orientierende Schule vorherrschte.557 Zugleich ist dieser aus der gemeinrechtlichen Pandektistik kommende Zugang zum Problem wohl die einzige Möglichkeit, ein Rechtsinstitut wie die Ungültigkeit im Zusammenhang darzustellen, da das Gesetz selbst ja einen Allgemeinen Teil nicht kennt. Die neun Abhandlungen lassen sich in fünf Teile gliedern.558 In der ersten Abhandlung (S. 1–28) geht es zunächst darum, festzustellen, wann im Code Napoléon (C. N.) eine Ungültigkeit überhaupt anzunehmen ist. Die Abhandlungen zwei bis vier (S. 29–75, S. 76–142 u. S. 143–158), der Kern der Monographie, beschäftigen sich mit der Anfechtbarkeit in Abgrenzung zur Nichtigkeit, eine folgenreiche Unterscheidung, die Windscheid gegen die damals herrschende Meinung durchführte. Die fünfte Abhandlung (S. 159–188), die letzte des „allgemeinen Teils“, behandelt Möglichkeiten der Wiederaufhebung oder Heilung der Ungültigkeit. Die Abhandlungen sechs bis acht bieten eine Auswahl einzelner Ungültigkeitsgründe, nämlich Minderjährigkeit (S. 189–244), Zwang, Betrug und Irrtum (S. 245–269) und Mangel der „cause“ (S. 270–322). Die neunte Abhandlung (S. 323–346) schließlich stellt als eine Art Anhang die „besondere Gestalt“ 559 des Vertragsbegriffs im C. N. vor. Windscheid stützte sich – wie aus der Einleitung hervorgeht – bei seiner Arbeit weniger auf die anerkannten, von ihm jedoch als sehr unsicher eingeschätzten Interpretationsmittel „Wortfassung“ und „Sinnzusammenhang“, sondern er verließ sich lieber auf die Entstehungsgeschichte und die Regelungen im älteren französischen Recht, die zu weiten Teilen in den C. N. übernommen worden seien. Oberste Richtschnur ist ihm dabei der Wille des konkret tätig gewordenen, nicht abstrakt gedachten Gesetzgebers.560 Wegen der Unzuverlässigkeit der Wortwahl und der vielen redaktionellen Ungereimtheiten, die den Zusammenhang von Einzelaspekt und „Totalität“ eines Rechtsgeschäfts nur selten deutlich werden ließen, erfuhr die „technische Seite“ des C. N. von Windscheid „manchen Tadel“.561 Sie genügte den präzisen Vorstellungen nicht, die Windscheid schon 1846 von der wünschenswerten Gestalt eines guten Gesetzes hatte. Die Wortfas557 Neumayer, Die wissenschaftliche Behandlung des kodifizierten französischen Zivilrechts bis zur Dritten Republik (1984), bes. S. 182, S. 194 f. und das Zitat von 1854, S. 175: „On peut dire que la science du droit proprement dite est morte en France. . . . Il n’y a point paru, depuis 50 ans, un ouvrage de droit important.“ Dass sich Windscheid dieser Überlegenheit bewusst war, zeigt seine Äußerung auf S. X der Vorrede: „das Maaß unserer Kräfte ist größer, . . . weil uns eine Wissenschaft ganz anderen Reichthums und ganz anderer Tiefe erzogen hat.“ 558 s. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. III f. 559 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. IV. 560 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. V–VIII. 561 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. V u. IX f.
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sung wie die Systematik sollten einheitlich sein und auf einer klar durchdachten Durchbildung des zu behandelnden Rechtes beruhen. Dann würde sich auch die Reichweite allgemein gehaltener Sätze deutlich erkennen lassen.562 Zur gründlichen Durchbildung gehört auch, dass die Verbindung unterschiedlicher Rechts„quellen“, hier römisches Recht und coutumes, in sich schlüssig ist.563 Schließlich forderte er noch, dass man sich mehr auf Überlegungen aus der „Natur der Sache“ verlasse als auf das positive Recht, denn auch das römische Recht sei gegen ein Verkennen der Natur der Sache nicht gefeit.564 Zum Schluss der Vorrede forderte Windscheid dazu auf, mittels einer „vollständige[n] monographischen Darstellung sämmtlicher Materien des Gesetzbuches“ den C. N. für die französischrechtlichen deutschen Gebiete nutzbar zu machen und danach in einem zweiten Schritt „das Echte und Bleibende in demselben von demjenigen zu sondern, worüber uns die Entwicklung der Wissenschaft hinausgeführt hat“, denn nur jenes sei „unser Recht“, dieses aber „mit der Zeit, welche es geboren hat, gestorben“.565 Die Aufforderung fand keine angemessene Resonanz. Im Rheinland wurde sie so gut wie nicht aufgegriffen,566 und auch Windscheid selbst publizierte, obwohl von Savigny dazu aufgefordert,567 nach 1849 nichts Französisch-Rechtliches mehr,568 so dass allein für Baden von einer gründlicheren, wenn auch nicht erschöpfenden wissenschaftlichen Behandlung des französischen Rechts gesprochen werden kann.569 Die erste Abhandlung „Über die Ungültigkeit der Rechtsgeschäfte im Allgemeinen“ stellt eine Bestandsaufnahme all der Fälle dar, in denen im C. N. Ungültigkeit, d.h. das Fehlen jeder Rechtswirkung, nach „Nichtigkeit“ oder „Anfecht562 563
B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. V. Dies ergibt sich z. B. aus B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 53–62 u. S. 197–
204. 564 s. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 297, S. 301 u. bes. S. 314: „Was als der Natur der Sache gemäß so eben dargestellt wurde, ist allerdings im römischen Rechte nicht anerkannt.“ – Es trifft also, entgegen Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 18 und S. 21, nicht zu, dass sich Windscheid nie zur Theorie der Gesetzgebung geäußert habe und deswegen seine Berufung in die erste BGB-Kommission ein Fehlgriff gewesen sei. 565 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. X a. E. u. S. XI. 566 Siehe die Klagen bei Renaud, Rez. Zachariä’s Handbuch (1874) S. 585–588, 586 generell und Goldschmidt, Rechtsstudium und Prüfungsordnung (1887) S. 75, für das Rheinland, aufgegriffen von Neumayer, Die wissenschaftliche Behandlung des kodifizierten Privatrechtsstoffes im Großherzogtum Baden (1974) S. 213. 567 Brief Savignys an Windscheid vom 19.3.1847, Stoll, Savigny III (1939) S. 79: „Ich gebe Ihnen zu erwägen, ob Sie nicht sogleich den Plan zu einem umfassenden Werk über das ganze Französische Civilrecht anlegen wollten, . . .“. 568 Entgegen der Meinung Müllers, Le Code civil en Allemagne (1969) S. 636, war Windscheid also schon viele Jahre, bevor er sein Lehrbuch des Pandektenrechts in Angriff nahm, „perdu pour la science du droit rhénan“. 569 Dazu Neumayer, Die wissenschaftliche Behandlung im Großherzogtum Baden (1974), bes. S. 203 u. S. 213.
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barkeit“ noch ungeschieden, anzunehmen ist. Dies wird erreicht durch differenzierende Betrachtung der möglichen Wortbedeutung – etwa bedeutet „verboten“ entweder, der Handelnde wird bestraft, und/oder die Handlung ist ohne rechtliche Wirkung, so dass ein Verbot ohne Sanktion jedenfalls Ungültigkeit nach sich zieht570 – wobei im Zweifelsfall das historische, aus der Entstehungsgeschichte entnommene Argument den Ausschlag gibt. Dabei wird aber auch Sinn und Zweck einer Norm nicht übersehen: Wo es erkennbar nur um Beweis- und Durchsetzbarkeitsfragen geht, ist Ungültigkeit nicht anzunehmen.571 Umgekehrt durfte für Windscheid aber auch die Rechtssicherheit nicht durch Abweichungen der Wissenschaft vom Wortlaut leiden. Daher verlangte er zur Begründung einer solchen Abweichung klare Beweise in früheren Gesetzen oder erwiesenem abänderndem und gültigen Gewohnheitsrecht.572 An der früheren Literatur hatte er denn auch vor allem auszusetzen, dass deren Kriterien in sich unschlüssig seien, dem Richter keine klare Linie vorgäben und damit zu Rechtsunsicherheit führten.573 In der zweiten Abhandlung, „Die Bedeutung der action en nullité ou en rescision“ gliederte Windscheid in Auseinandersetzung mit der in Frankreich herrschenden Meinung die „Ungültigkeit“ in Unterbegriffe auf. Zunächst wies er nach, dass die bisherigen Literaturmeinungen keine überzeugende Alternative zur herrschenden Regel anboten, wonach der C. N. nicht zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit, sondern nur zwischen absoluter und relativer Nichtigkeit unterscheide und sich die betroffene Partei immer, grundsätzlich mit der nach 10 Jahren verjährten Klage des Art. 1304, darauf berufen müsse.574 Auch wer, wie Duranton und Demante, dicht an der richtigen Auffassung liege, sei deshalb zu ihrer genauen Begründung unfähig, weil in Frankreich „die Begriffe der relativen Nullität und der Anfechtbarkeit . . . in einander verschwimmen“.575 Nach Windscheids Ansicht „kennt der C. N. allerdings eine Anfechtbarkeit, d.h. eine Ungültigkeit des an und für sich bestehenden Rechtsgeschäfts, und diese Anfechtbarkeit ist zugleich die Voraussetzung derjenigen Klage, welche er im Art. 1304 an die zehnjährige Verjährung bindet; so dass wir durch nichts zu der Annahme berechtigt seien, dass in seinem Sinne auch die wirkliche Nichtigkeit durch Klage überhaupt, oder gar in bestimmter Frist, geltend gemacht werden müsse.“ 576 Für 570 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 4–15: daraus ergibt sich für ihn die einheitliche Regel, S. 13 Fn. 13: „Ungültigkeit muß angenommen werden, wo keine Strafe gedroht ist“. Wo aber Strafe gedroht ist, muss „noch immer aus besonderen Gründen nachgewiesen werden, daß das mißbilligte Rechtsgeschäft nicht ungültig ist“. 571 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 18–21. 572 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 22. 573 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 24–28. 574 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 30–40. 575 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 41–44, Zitat S. 42. 576 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 44.
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ihn enthält der Art. 1117577 den Schlüssel: nul ,de plein droit‘ bedeute „von selbst, propria vi“, und die davon abzugrenzende ,action en nullité ou en rescision‘ sei nur eine einzige, auf Vernichtung gerichtete Klage.578 Nach ausgedehnter systematischer Argumentation579 ist das Entscheidende die Entstehungsgeschichte.580 Sie zeige, dass im Laufe der Beratungen aus zwei Klagen, der die relativen Nullitäten erfassenden ,action tendant à faire déclarer nul un contrat‘ und der auf die Restitutionsgründe des römischen Rechts ausgerichteten ,action en restitution‘, auch ,action en nullité ou en restitution‘ genannt, eine einzige, nämlich die zweite, jetzt ,action en nullité ou en rescision‘ genannte Klage geworden sei. Daraus ergebe sich zwingend, dass für die absolute Nullität eine Klage nicht erforderlich sei.581 Ob die eine ,action en nullité ou en rescision‘ nun als Anfechtungsklage oder als „Klage aus einer relativen Nullität zu fassen sei“, gehe aus den Materialien zum C. N. nicht eindeutig hervor. „Sicher ist nur der Schluß, daß die action en nullité ou en rescision auf Nullitäten, worauf sich Jeder berufen darf [also die absolute Nullität], nicht bezogen werden dürfe.“ 582 Außerdem habe das „Befangensein“ der Redaktoren „in der überlieferten Lehre ohne Durchdringung der Sache“ 583 auch noch zu einem sachlichen Fehler geführt. Obwohl für sie, zum Teil abweichend vom römischen Recht, Zwang, Betrug und Irrtum Nichtigkeitsgründe darstellten, sollten sie dennoch mit der Klage des Art. 1117 geltend gemacht werden müssen. Der Schluss daraus, dass dann eben doch jede Ungültigkeit klageweise geltend gemacht werden müsse, ist trotzdem mit Blick auf die Geschichte dieser Klage unzulässig.584 Auch die von Windscheid anerkannte Tatsache, dass im Eherecht auch absolute Nichtigkeitsgründe vor Gericht geltend zu machen sind, konnte ihn von seiner Qualifikation der Klage des Art. 1117 nicht abbringen, denn dies sei eine Ausnahme, die sich aus dem besonderen Charakter des Ehevertrages erkläre.585 Folgt man Windscheids komplizierten Gedanken und dessen Darstellung, die dem Leser das Nachvollziehen nicht gerade erleichtert, so muss man zugeben, dass er hier durch das Heranziehen der Gesetzesmaterialien in der Auslegung weiter kommt, als dies allen seinen Vorgängern gelungen ist. 577 Art. 1117: „La convention contractée par erreur, violence ou dol, n’est point nulle de plein droit; elle donne seulement lieu à une action en nullité ou en rescision, dans les cas et de la manière expliqués à la section VII du chapitre V du présent titre.“ 578 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 45 f. Zitat S. 45 und S. 46: „das ou ist in [Art. 1117] nicht disjunctiv, sondern gleichstellend“. 579 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 45–53. 580 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 53–62. 581 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 58–62. 582 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 71 f., 1. Zitat S. 71, 2. Zitat S. 72. 583 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 67. 584 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 62–68. 585 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 72 f. Andere gegen seine Meinung vorgebrachte Argumente widerlegt er im Anschluss daran, S. 74 f.
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Nach der Ausscheidung der Fälle absoluter Nullität aus der Klage des Art. 1117 beschäftigt sich Windscheid in der dritten („Der Umfang der action en nullité ou en rescision“) und vierten Abhandlung („Die Voraussetzungen und die Wirkungen der action en nullité ou en rescision“) mit einer weiteren Klärung des Wesens und der Reichweite dieser Klage. In der dritten Abhandlung beantwortet Windscheid zunächst die Frage, ob der Gegensatz zwischen absoluter Nullität und der Klage des Art. 1117 nur für obligatorische oder auch für dingliche Verträge gelte, mit einem Verweis auf die neunte Abhandlung. Dort stellt er fest, dass nach französischem Recht jeder Vertrag eine „obligation“ erzeugt.586 Daraus ergibt sich, dass die action en nullité ou en rescision mit ihrer zehnjährigen Verjährungsfrist auch für dingliche Verträge gilt, obwohl Art. 1304, der diese Frist nennt, im dritten Buch 3. Titel unter „obligations“ steht.587 Dagegen gälten im Familienrecht abweichende Regelungen.588 Außerdem geht es darum zu ermitteln, welches nun genau die Fälle der Klage aus Art. 1117/1304 sind und ob innerhalb dieses Bereichs von Ungültigkeit möglicherweise weiter zwischen relativer Nullität und Anfechtbarkeit unterschieden werden muss. Fest stehen dabei die gesetzlich geregelten Fälle.589 Weitere Fälle sind nach dem Ergebnis der zweiten Abhandlung nur im Bereich der relativen Nullität (nach dem Sprachgebrauch der h. M.) zu suchen. Mit vielem Scharfsinn und zahlreichen Rückgriffen auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes wird darum dieser Bereich von dem der absoluten Nullität getrennt.590 Dabei hilft der Gedanke an den Zweck einer Norm, denn relative Nullität ist nur da denkbar, „wo das Gesetz ein Rechtsgeschäft nicht seiner selbst wegen, sondern mit Rücksicht auf gewisse Personen für ungültig erklärt“. Ausreichend ist dieses Kriterium aber nicht, denn „auch eine solche Nullität [ist] keineswegs nothwendig relativ“.591 Übrig bleibt nur eine kleine Zahl von Fällen, in denen Windscheid eine Klage für erforderlich hält, obwohl sie im Gesetz nicht unbedingt vorgeschrieben ist.592 Darunter ist lediglich ein Fall, der der Verletzung des Rechts von Vorbehaltserben durch eine Schenkung unter Lebenden, in dem die Klage nicht schon nach 10, sondern erst nach 30 Jahren verjährt,593 ein etwas „akademisches“ Ergebnis, wenn Windscheid auch mit Stolz sagen kann, dass er nun alle Gründe, „aus welchen ein Rechtsgeschäft nach dem C. N. ungültig sein kann“, vollständig abgehandelt habe und so die Reichweite der action en nullité
586 587 588 589 590 591 592 593
B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 323–346 und Ergebnis ebd. S. 77. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 76–78. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 77–80. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 83–85. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 88–129. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 108. Vgl. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 129–139. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 135–137.
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ou en rescision mit einer bisher nicht gekannten Sicherheit habe feststellen können.594 Hinsichtlich der Voraussetzungen der Klage fragt Windscheid in der vierten Abhandlung, ob und gegebenenfalls in welchen Fällen der Anfechtende einen Schaden nachweisen müsse, und kommt mit der h. M. zu dem Ergebnis, dass die Läsion kein Klageerfordernis sei. Bemerkenswert ist hier nur seine für einen Teilbereich der Klage mögliche historische Begründung: Die Fälle der ursprünglich vorgesehenen ,action à faire déclarer nul un contrat‘ hätten mit der römischrechtlichen in integrum restitutio und dem dort erforderlichen Schadensnachweis nichts zu tun, weshalb sich für sie auch im geltenden Recht diese Frage nicht stelle.595 Zur Wirkung der Klage meint Windscheid, dass aus ihrer „Natur“ die Nichtigkeit ex tunc folge, auch wenn Art. 1682 dem widerspreche. Aus systematischen und historischen Gründen ergebe sich, dass dies eine Ausnahme sei, die nur für die Läsion Großjähriger gelte.596 Ebenfalls der Natur der Sache nach könne die Klage nur gegen den Kontrahenten gerichtet werden, da ja der Vertrag angegriffen werde. Nachdem aber Art. 1681 und die ältere Lehre die Klage gegen den Drittbesitzer ausdrücklich anerkenne, müsse es damit sein Bewenden haben.597 In der fünften Abhandlung („Über die Heilung der Ungültigkeit“) geht es einmal um die Frage der Verjährung der Klage aus Art. 1117, zum anderen um die Voraussetzungen der Bestätigung eines ungültigen Rechtsgeschäfts. Bei der Verjährung ist unklar lediglich, ob nach 10 Jahren allein die Klage oder auch eine auf Ungültigkeit gestützte Einrede nicht mehr geltend gemacht werden kann. Gegen die herrschende Lehre wirkt für Windscheid im C. N. die Verjährung als Untergangsgrund, so dass danach nicht einmal mehr eine naturalis obligatio bleibe, auf die eine einredeweise Berufung möglich wäre.598 Für ihn ergibt sich dies in eindeutiger Weise aus dem Wortlaut des Gesetzes,599 den auch die Entstehungsgeschichte nicht widerlegt,600 während alle dagegen angeführten Argumente aus systematischen oder historischen Gründen verfehlt sind.601 Damit ist der Mangel der Ungültigkeit natürlich nicht „geheilt“, das Rechtsgeschäft behält aber seine rechtlichen Wirkungen, da niemand mehr die Ungültigkeit geltend machen kann. Dieses von der herrschenden Lehre abweichende Ergebnis ist nur erträglich, wenn man, wie Windscheid das tut, die absolute Nullität von vornherein vom 594 595 596 597 598 599
B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 140 f., Zitat S. 140. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 143–150, historisches Argument S. 143 f. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 150–154. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 155–158. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 160–166. B. Windscheid nennt, Ungültigkeit (1847) S. 165 f., die Artikel 2219, 1234 u.
2180. 600 601
B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 166–168. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 162–165 u. S. 168–172.
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Klageerfordernis des Art. 1117 ausnimmt. Bei den Erfordernissen für die Bestätigung des ungültigen Rechtsgeschäfts zeigt Windscheid in Auseinandersetzung mit Literatur und Rechtsprechung erneut, wie positive Regelung und „Natur der Sache“ teils übereinstimmen, sich aber auch teilweise widersprechen. Übereinstimmung liegt da vor, wo laut Art. 1338 bei absolut nichtigen Rechtsgeschäften keine „Bestätigung“ im engen Sinne, sondern nur eine identische Neuschaffung – gegebenenfalls mit zwischen den Parteien vereinbarter Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Abschlusses des nichtigen Rechtsgeschäfts – möglich ist.602 Dagegen widerspricht Art. 1338 der Natur der Sache, wenn er festlegt, dass die Bestätigung bloß anfechtbarer Rechtsgeschäfte zum Schutze Dritter ihnen gegenüber keine rückwirkende Kraft entfaltet.603 Einen nur scheinbaren Widerspruch zur Natur der Sache enthält Art. 1339 e contrario hinsichtlich der Beseitigung von Formfehlern. Dieser erklärt sich nach Windscheid nämlich aus mangelnder Beherrschung des Stoffes durch den Gesetzgeber, dem insoweit nicht zu folgen ist.604 Die in der sechsten bis achten Abhandlung („Über die Ungültigkeit der Rechtsgeschäfte des Minderjährigen“, „Über die durch Zwang, Betrug, Irrthum begründete Ungültigkeit der Rechtsgeschäfte“ und „Über die cause des obligations“) als „Besonderer Teil“ behandelten einzelnen Ungültigkeitsfälle sind als solche von weniger grundsätzlicher Bedeutung als die Themen der Abhandlungen eins bis fünf. Auch hierbei nimmt Windscheid umfassend zu den in Lehre und Rechtsprechung diskutierten Streitfragen unter Berücksichtigung von Wortlaut, Systematik und Zweck der streitigen Normen Stellung, wobei er im Zweifelsfalle seine Entscheidung aus der Entstehungsgeschichte begründet. Bemerkenswert erscheint hierbei, dass Windscheid angesichts der inneren Inkonsequenz des C. N. an einer Stelle bezweifelt, „ob es überhaupt möglich ist, für den C. N. sichere Resultate zu gewinnen“.605 Die Besprechung des Irrtums als Quelle der Ungültigkeit eines Rechtsgeschäfts nutzt Windscheid zu einer wertenden Gegenüberstellung der Irrtumslehren des römischen und des französischen Rechts606 sowie zu einer am Verhältnis von Wille und Erklärung orientierten Differenzierung der möglichen Irrtumsarten.607 Die Folgenlosigkeit des Motivirrtums begründet er dabei damit, dass dieser keinen Bruch zwischen Wille und Erklärung bewirke, daher vom Recht unbeachtet bleiben könne, solange das Motiv „nicht in die sittliche Ordnung der Dinge, welche es [das Recht] zu schützen berufen ist, in verletzender Weise eingreift“.608 Innerhalb der Irrtumslehre des C. N. hält Wind602 603 604 605 606 607 608
B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 173–176. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 176–182. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 183–186. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 241. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 245–261. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 252–254. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 252.
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scheid den aus Pothier übernommenen Art. 1110 für mit der Grundregel des C. N. nicht vereinbar, wonach „der Vertrag nichtig sei, wenn die Übereinstimmung der Willenserklärungen fehle, anfechtbar, wenn die von einer Parthei gegebene Zustimmung eine irrige sei“,609 denn die dort getroffene Differenzierung entspreche nicht der Regel. Daraus folgt für ihn, dass diese Differenzierung, „eben weil sie irrig ist, der C. N. also dadurch seinen wirklichen Willen nicht ausgesprochen hat, . . . für uns nicht bindend“ ist.610 Sofern also der „wirkliche Wille“ hier des Gesetzes (und nicht des Gesetzgebers!) eindeutig zu ermitteln ist, geht er selbst einem entgegenstehenden Wortlaut vor! Der Mangel der cause ist nach Windscheid erst im C. N. zum Ungültigkeitsgrund geworden. Damit diese Regel als Teil der französischen Lehre von der cause des obligations richtig erklärt und von den darin enthaltenen Missverständnissen gereinigt werden könne,611 müsse man auf die, übrigens in der Natur der Sache begründete, römische Lehre von der Voraussetzung zurückgehen.612 Dies ist der Grund dafür, warum sich hier, in einer Monographie über die Nichtigkeit, Windscheid erstmals ausführlich mit der „Voraussetzung“ beschäftigt, wobei er den Anschein erweckt, als sei sie ein anerkanntes Institut des römischen Rechts!613 Indem er dann die Lösungen des C. N. für die möglichen Fälle fehlender Voraussetzung vorstellt, wird deutlich, dass der C. N. sie nicht als Kondiktionsfälle erkennt, sondern mit anderen Mitteln (Bedingung, Nichtigkeit) darauf reagiert.614 In diesem Zusammenhang findet sich die einzige Stelle, an der Windscheid das römische Recht historisch einsetzt: Er sieht einen Widerspruch zwischen condictio und actio praescriptis verbis bei contractus, der daraus zu erklären sei, dass im römischen Recht häufiger „das Resultat einer Rechtsentwicklung fortdauert, nachdem eine andere an ihre Stelle getreten ist“.615 Auf das die römische Lehre missverstehende französische Recht sei die Trennung von Motiv und Voraussetzung deshalb übertragbar, weil sie „keine positiv
609
B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 260. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 260 f. 611 B. Windscheid nennt diese Lehre, Ungültigkeit (1847) S. 270, „schwierig“, weil, „von Außen her entlehnt, in der Entlehnung nur halb verstanden und zum Theil geradezu missverstanden“, wobei die Ausleger die dadurch verursachte Verwirrung nur noch vergrößert hätten. 612 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 270 f. 613 Dass ihm dieser Abschnitt wie auch die neunte Abhandlung besonders wichtig waren, ergibt sich nicht nur aus ihrer den Rahmen in gewisser Weise sprengenden Aufnahme in die Monographie, sondern ausdrücklich aus seinem die Übersendung des Werkes begleitenden Brief an Savigny vom 29.11.1846, s. Stoll, Savigny III (1939) S. 79 Fn. 1. – Zur Voraussetzungslehre s. u. Abschnitt D. III. 1. und Abschnitt H. II. 2. b). 614 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 273–285. 615 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 278 f., Zitat S. 279 Fn. 16. 610
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römische ist, sondern auf der naturalis ratio, der unveränderlichen Natur der Dinge, beruht“.616 Dagegen sei nicht übertragbar die römische Vorschrift, dass gegenüber der condictio einer obligatio, deren causa nicht genannt sei, der Gläubiger das Vorhandensein des Verpflichtungsgrundes beweisen müsse. Dies sei nur ein „positiver“ Satz des römischen Rechts, dem das französische Recht widerspreche und der zudem der Natur der Sache zuwiderlaufe, denn jede Obligation habe, wie sich schon aus ihrer Existenz ergebe, einen Verpflichtungsgrund, so dass sein Fehlen nicht vermutet werden dürfe. Gegebenenfalls sei daher der Schuldner beweispflichtig.617 Zum Schluss der Abhandlung geht Windscheid noch auf das Verhältnis von Ungültigkeit wegen Mangels der cause und Irrtum im C. N. ein.618 Die neunte und letzte Abhandlung („Über den Begriff des Vertrags nach dem Code Napoléon“) stellt eigentlich einen Ausschnitt aus der dritten Abhandlung dar. In ihr zeigt Windscheid, dass das französische Recht für schuldrechtliche, familienrechtliche und dingliche Verträge gleichermaßen den einen Begriff der „obligation“ verwendet, der – bedeutend weiter als die römische „obligatio“ – jede „rechtliche Verpflichtung im allgemeinsten Sinne des Wortes“ umfasse.619 Folge dessen ist die mangelnde systematische Trennung dinglicher Rechte von obligatorischen Verträgen,620 die Windscheid an einer ganzen Reihe von Beispielen veranschaulicht.621 Dieser Durchgang durch Windscheids erste Monographie erweist ihn als einen genauen Kenner der französischen älteren und neueren Literatur wie auch Rechtsprechung und besonders der Materialien zur Entstehung des C. N. Neben der von ihm entwickelten allgemeinen Theorie der Ungültigkeit im C. N. ist hervorzuheben sein dauerndes Bemühen um klare Begrifflichkeit und widerspruchsfreie Systematik, wobei ihm die Kategorie der „Natur der Sache“ gute Dienste leistet. Daneben bedient er sich auch der anderen vier anerkannten Auslegungsweisen,622 wovon ihm jedoch angesichts technischer Schwächen des C. N. die teleologische und vor allem die historische Auslegung besonders wichtig sind. Das Buch enthält auch, angeregt durch den Ungültigkeitsgrund der fehlenden cause, die erste – apodiktische – Fassung von Windscheids Voraussetzungslehre. Windscheids Monographie fand in der Wissenschaft eine überwiegend günstige Aufnahme. Noch 1846 bezeichnet sie Bethmann-Hollweg gegenüber Minis616
B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 301. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 312–314. 618 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 316–322. 619 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 323–326, Zitat S. 326. 620 s. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 326–329. 621 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 333–346, besonders zu den Artikeln 1138, 1187, 1238, 1303. 622 Wortauslegung, systematische, teleologische und historische Interpretation. 617
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ter Eichhorn als bahnbrechend und „von nachhaltiger Wirkung“.623 Im Mai 1847 fügt er hinzu, Windscheid habe sich damit „in weitem Kreise als tüchtiger Systematiker bekannt gemacht“ und der „Anwendung der civilistischen Begriffe, wie sie die historische Schule und ihr berühmtester Vertreter in Gang gebracht, auf das französische Civilrecht“ Bahn gebrochen, was durch „das überaus günstige Urtheil“ Savignys und Bauerbands in Bonn bestätigt werde.624 Bethmann-Hollweg spielt damit an auf Savignys Brief an Windscheid vom 19.3.1847, in dem es heißt, dass er „noch in keiner anderen Schrift eine so gelungene Anwendung deutscher Wissenschaft auf das Französische Recht wahrgenommen habe“.625 Auch das vom Ministerium in Auftrag gegebene Gutachten des Berliner Professors Daniels ist äußerst positiv. Daniels lobt Fleiß und „praktischen Sinn“ Windscheids, sein Verdienst um die Rechtssicherheit durch Klärung vieler Kontroversen und Zweifel, seine Quellen- und Literaturkenntnis sowie die Tatsache, „daß der Herr Verfasser den Anfang gemacht hat, [das französische Zivilrecht] aus seiner wissenschaftlichen Vernachlässigung hervorzuziehen“. Doch kritisiert er zu Recht den Aufbau, der seiner Ansicht nach systematischer und damit leichter fasslich hätte sein können. Auch sei die erste Abhandlung überflüssig, denn eine terminologische Betrachtung könne bei uneinheitlichem Sprachgebrauch des betrachteten Objekts zu keinem sinnvollen Ergebnis führen. Endlich hätte sich Daniels noch ein tieferes Eindringen in die geschichtlichen Rechtsgrundlagen, etwa die coutumes von Beauvaisis, gewünscht. Dies alles könne jedoch den Wert der „sehr gründlichen, vielseitigen und scharfsinnigen Erörterung“ nicht beeinträchtigen.626 Auch die wissenschaftliche Öffentlichkeit, soweit sie von Windscheids Buch Kenntnis nahm, war davon durchaus angetan. Der Rezensent des „Archivs für das Civil- und Criminal-Recht der Königl. Preuß. Rheinprovinzen“, gewissermaßen Windscheids Hausblatt, nennt es „eine erfreuliche Erscheinung auf dem Gebiete der neuesten juristischen Litteratur“, denn die behandelte Lehre sei „eine der schwierigsten auf dem gesammten Rechtsgebiete“ und „noch von keinem Rechtsgelehrten in erschöpfender Weise behandelt worden“.627 Dass Windscheid Zugang zum französischen Recht über die „praktische Beschäftigung bei den rheinischen Gerichten gefunden habe“ 628 ist wohl anzunehmen, wenn diese Be623 Bethmann-Hollweg an Eichhorn aus Bonn am 28.12.1846, GStA PK Berlin Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 Tit. IV Nr. 43 Bll. 2–5v, 4r. 624 Bethmann-Hollweg an Eichhorn aus Bonn am 18.5.1847, GStA PK Berlin Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 Tit. IV Nr. 38 Bd. 1 Bll. 113–114v, 113v+114r. – Ähnlich beschreibt Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 183, Windscheids Vorgehen. 625 Savigny an Windscheid aus Berlin am 19.3.1847, Stoll, Savigny III (1939), S. 79. 626 Gutachten Daniels’ vom 4.5.1847, GStA PK Berlin Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 Tit. IV Nr. 38 Bd. 1 Bll. 106r–108v. 627 Anonym, Rez. „Zur Lehre“, ACCR N. F. 35 (1847) 2. Abt. B S. 18–21, Zitate S. 18. 628 Ebd. S. 18.
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schäftigung, wie wir gesehen haben, auch nicht von langer Dauer war. Der Rezensent verteidigt dann aus der Sicht des Praktikers die Qualität des C. N. gegen die theoretischen Angriffe Windscheids, deren Berechtigung er jedoch nicht leugnet. Wenn man aber fordere, dass jeder Rechtsbereich vor der Abfassung eines Gesetzbuches erschöpfend behandelt werde, so „dürfte“ ein allgemeines deutsches Zivilgesetzbuch „noch in eine unabsehbare Ferne gerückt seyn“.629 Der Praktiker ist dankbar dafür, dass Windscheids scharfsinniges und besonders in der Wahl der Methode glückliches Werk angesichts der wahrhaft chaotischen Gerichtsentscheidungen dem Leser Prüfung des Materials und ein selbständiges Urteil ermöglichten, wenn auch seine praktische Brauchbarkeit durch umfassende Wort-, Sach- und Artikelregister noch „sehr gewinnen würde“.630 Auch die „Revue de Législation et de Jurisprudence“ lobt Windscheids „excellente méthode d’interprétation appuyée sur une connaissance exacte des travaux préparatoires et des sources du Code“ und wünscht, dass diese Arbeit in Frankreich bekannt werden möge.631 Außerdem lässt sich dieser Rezension entnehmen, dass die Faculté de Paris im Einklang mit Windscheid zwischen „nullité proprement dite“ und „annulabilité“ unterscheide, wobei nur die letztere mit der Klage des Art. 1117 geltend zu machen sei. Bedenken grundsätzlicher Art hat lediglich Brauer, der bezweifelt, ob der C. N. aus einer historischen Betrachtungsweise sichere Schlüsse auf seinen Inhalt zulasse, und zugleich befürchtet, dass man so „um der historischen Wahrheit willen das Gesetz mit dem Leben“ entzweie. Gerade hinsichtlich der „praktischen Klugheit und Fügsamkeit“ sei das französische Recht dem in Deutschland geltenden überlegen.632 Dass Windscheid 1847 mit seiner Meinung durchaus nicht alleine steht, zeigt auch ein Aufsatz des Pariser Advokaten Ballot aus dem gleichen Jahr.633 Dort stellt er zwar nicht eindeutig fest, dass absolute Nullitäten nicht eingeklagt zu werden brauchen,634 doch beschränkt er die Verjährung des Art. 1304 aus historischen Gründen auf die relativen Nullitäten,635 nähert sich damit Windscheids Meinung an, auch wenn er sie nicht kennt. 1849 beklagt Rosshirt in einer umfassenden, den „gegenwärtige[n] Zustand des französischen Civilrechts“ auch „nach den neuesten . . . deutschen Werken“ 629
Ebd. S. 19 f., Zitat S. 20. Ebd. S. 20 f., Zitat S. 21. 631 Anonym, Rez. „Zur Lehre“, Revue de Législation et de Jurisprudence 13, Nlle Coll. tome 4e, Janvier–Avril 1847 Paris, S. 527, dort: „Cette monographie sur une théorie aussi difficile mérite à tous égards d’être connue en France.“ 632 Brauer, Rez. Zur Lehre (1847) S. 747–750, Zitat S. 750. Dort weitere Kritik: Windscheid habe zur Klärung von Streitigkeiten zwar geholfen, aber diese doch nicht beseitigen können, außerdem in Einzelfällen klare Normen des C. N. nicht beachtet. 633 Ballot, Les nullités, Revue de droit français et étranger 4 (1847) S. 21–41. 634 Anklänge ebd. S. 27 u. S. 28. 635 Ebd. S. 26. 630
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beschreibenden Abhandlung zwar das „unwissenschaftliche Studium des französischen Rechts“ in Deutschland und bedauert die alleinige Ausrichtung deutscher Universitäten auf die Pandektistik,636 erwähnt aber unverständlicherweise Windscheids Monographie lediglich als „recht hübsche Schrift“, ohne auf Inhalt oder Methode weiter einzugehen.637 Ausführliche Hinweise finden sich dagegen in der fünften, von August Anschütz638 1853 besorgten Auflage des von Karl Salomo Zachariä (v. Lingenthal) begründeten führenden deutschen „Handbuchs des Französischen Civilrechts“. Anschütz würdigt darin Windscheids „gediegene Schrift“ als „Hauptwerk“ der Lehre von den Nichtigkeiten und wünscht dessen Übersetzung ins Französische.639 Die von Zachariä fast durchgängig abweichenden Ergebnisse Windscheids werden jedoch nicht im Zusammenhang vorgestellt, sondern erscheinen – wie damals bei Folgeauflagen üblich – lediglich in den Fußnoten zur entsprechenden Materie, wenn auch fast immer in zustimmendem Sinne.640 Wie hoch Anschütz Windscheids Werk schätzt, ist daran zu erkennen, dass er noch 1871 in einer Rezension dessen „umgestaltenden Einfluß“ auf „die ganze Lehre von der Ungültigkeit der Rechtsgeschäfte der Minderjährigen nach französischem Recht“ hervorhebt und ihm im Hinblick auf „Darstellung des gegenwärtigen französischen Rechts und die wissenschaftliche Auslegung des Code Civil“ gegenüber dem rezensierten Werk eindeutig den Vorzug gibt.641 Auch späterhin werden Windscheids Ansichten von deutschen Bearbeitern des französischen Zivilrechts als zutreffend übernommen: Puchelt als der Herausgeber der sechsten Auflage von Zachariäs Handbuch übernimmt 1874 weitgehend die schon von Anschütz angefügten Noten,642 betrachtet auch selbst „relative Nullitäten“ nur als „Gründe 636 Rosshirt, Der gegenwärtige Zustand des französischen Civilrechts, Heidelb. Jbb. d. Lit. 42 (1849) S. 641–674, 674. 637 Ebd. S. 654. 638 Zu dem Germanisten August Anschütz s. Landsberg, Geschichte (1910) Noten S. 234 und den dort angegebenen Artikel in der ADB Bd. 46, S. 16. 639 Zachariä/Anschütz, Handbuch I (1853) S. 83 Fn. 1)*. 640 Siehe etwa Zachariä/Anschütz, Handbuch I (1853) S. 274 Fn. 7)*, S. 279 Fn. 32)*, S. 284 Fn. 2)*, S. 287 Fn. 17)* und S. 313 Fn. 3)* zum Vormundschaftsrecht, Handbuch II (1853) S. 307 Fn. 1)* u. Fn. 2)*, S. 311 Fn. 2)*, S. 313 Fn. 4)*, S. 314 Fn. 4)*, S. 316 Fn. 1)* u. Fn. 2)*, S. 318 Fn. 4)*, S. 320 Fn. 4)* und S. 325 Fn. 1)* zur Klage auf Vernichtung einer Verbindlichkeit und zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, S. 329 Fn. 1)* und S. 330 Fn. 5)* zur Bewahrung und Bestätigung der Verbindlichkeiten, 335 Fn. 1)*, 344 Fn. 5)* und 345 Fn. 1)* zur allgemeinen Vertragslehre sowie Handbuch III (1853) 199 Fn. 6)* und 211 Fn. 3)* u. Fn. 6)* zum Recht der Gütergemeinschaft. 641 Anschütz, Rez. J. Flach, Krit. Vjschr. 13 (1871) S. 212–221, 220. 642 Siehe etwa Zachariä/Puchelt, Handbuch I (1874/75) S. 86 Fn. 2 allgemein zur Nichtigkeit, S. 288 Fn. 2 u. S. 320 Fn. 3 zum Vormundschaftsrecht sowie zur Nichtigkeitsklage und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Handbuch II (1874/75) S. 389 Fn. 1 u. 2, S. 393 Fn. 2, S. 395 Fn. 4, S. 397 Fn. 4, S. 398 Fn. 1 u. 2, S. 400 Fn. 4, S. 403 Fn. 4, S. 408 Fn. 11, S. 413 Fn. 1, S. 418 Fn. 29, S. 419 Fn. 1 und S. 429 Fn. 5.
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der Anfechtbarkeit“. „Nichtig“ sei demgegenüber „nur das, was seinem Wesen nach gar keine Rechtswirkung haben kann“.643 In einer Besprechung dieser Auflage unterscheidet auch Renaud „zwischen der Nichtigkeit und der Rescissibilität der Verträge“ und stellt fest, „dass beide Begriffe im Gesetzbuche zusammengeworfen sind“.644 1892 zitiert Crome im einschlägigen vierten Kapitel zur Rechtsgeschäftslehre645 seines „Allgemeinen Theil[s] der modernen französischen Privatrechtswissenschaft“ ausführlich Windscheids Werk. Nahezu überall stimmt er dabei Windscheid zu, besonders auch seiner Trennung zwischen absoluter Nichtigkeit, zu deren Geltendmachung es keiner Klage bedarf, und einzuklagender Anfechtbarkeit.646 Lediglich in der Behandlung des Irrtums durch Art. 1110 647 und besonders in der Frage der Causa (§ 31) weicht Crome ab, wo er gegen Windscheid den Art. 1131 auf die Tradition nicht anwenden will,648 auch mit dessen Beweislastverteilung nicht einverstanden ist649 und generell dessen Lehre von der Voraussetzung ablehnt.650 Das bedeutet, dass sich Crome Windscheids Ungültigkeitslehre im engeren Sinn anschließt, während er gegen dessen Abhandlungen acht und neun manche Einwände hat. Bei diesem Befund ist es nicht verwunderlich, dass in der von Crome bearbeiteten achten und letzten Auflage von Zachariäs Handbuch 1894 die Paragraphen 126 (Nullité), 129 (Anfechtbarkeit) und 312 f. (zur Klage des Art. 1304) in den Hauptlinien mit Windscheids Ansichten übereinstimmen.651 Damit ist die Aussage zulässig, dass sich Windscheids Lehren über die Ungültigkeit der Rechtsgeschäfte im Code Napoléon in der deutschen Jurisprudenz durchgesetzt haben.652 Deutsche Rechtshistoriker ha643
Zachariä/Puchelt, Handbuch I (1874/75) S. 89 Fn. 14. Renaud, Rez. Zachariä’s Handbuch, Krit.Vjschr. 16 (1874) S. 585–588, 587. 645 Besonders Crome, Allgemeiner Theil (1892) § 22: Gültigkeit und Ungültigkeit der Rechtsgeschäfte, § 25 Irrthum, § 30 Dispositionsfähigkeit, § 31 Causa u. § 32, Heilung der Ungültigkeit. 646 Siehe Crome, Allgemeiner Theil (1892) § 22, S. 241: „Daß das französische Recht diesen Begriff der absoluten Nichtigkeit kennt, ist heutzutage bei uns nicht mehr bestritten.“ Ebd. S. 245: „In diesem Sinne ist der einheitliche Gegensatz der (absoluten) Nichtigkeit: die Anfechtbarkeit.“ 647 Crome, Allgemeiner Theil (1892) § 25, S. 263 Fn. 20: Der C. N. habe nicht bloß, wie B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 255–261, meine, einen Gedanken unklar ausgedrückt, was korrigiert werden könne, sondern er habe tatsächlich inkonsequent gedacht, so dass man es beim Wortlaut des Gesetzes belassen müsse. 648 Crome, Allgemeiner Theil (1892) S. 301–303 gg. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 302. 649 Crome, Allgemeiner Theil (1892) S. 306 mit Fn. 51 gg. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 312 ff. 650 Crome, Allgemeiner Theil (1892) S. 300. 651 Zachariä/Crome, Handbuch I (1894) S. 352–355 (§ 126), S. 362–366 (§ 129) und Handbuch II (1894) S. 380–384 (§ 312 f.). 652 Vgl. Zachariä/Crome, Handbuch I (1894) S. 352 Fn. 2 a. E.: „Die Lehre von der Nullität des Französischen Rechts klar gestellt zu haben, ist das Verdienst von Windscheid, Zur Lehre des Code Napoléon . . .“. – Dagegen spricht nicht, dass Schätz, Man644
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ben nach 1900 denn auch bestätigt, dass Windscheid die „Begriffssystematik“ des rheinischen Rechts „wesentlich geklärt“ habe653 und sogar behauptet, „Windscheid wäre, wenn er beim französischen Recht hätte bleiben können, für dieses ein viel größerer Reformator geworden, als er es für das gemeine Recht später geworden ist.“ 654 Dagegen hat sich Kohlers Wunsch, dass die deutschen Arbeiten zum Code Civil auch in Frankreich Bestand haben möchten,655 zumindest für Windscheid nicht erfüllt. Zwar entsprach die Behandlung der „nullité absolue“ durch die „théorie classique“ des 19. Jahrhunderts in manchem Windscheids Vorstellungen,656 doch gab es auch weiterhin die Ansicht, dass nullité absolue zwar schon dann vorliege, wenn ein Verhalten von Gesetzes wegen im allgemeinen Interesse verboten sei, ihre Wirkungen aber dennoch im Regelfall vom Richter festgestellt werden müssten.657 Obschon Bartin in der sechsten, auf den Text der vierten Auflage aus dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts gestützten, Auflage des Lehrbuchs von Aubry und Rau Windscheids Arbeit als eine der Monographien zur Lehre „des nullités“ nennt,658 geht der gegenüber der zweiten Auflage 1850 kaum veränderte659 Text in keiner Weise darauf ein. Sozusagen vor den Bereich der absoluten Nullität werden dort „les actes inexistants ou non avenus“ ge-
gelhaftigkeit der Rechtsgeschäfte (1961), Windscheid zwar zitiert, aber öfter davon abweicht, denn ihm geht es weniger um die Darstellung einer „richtigen“ als vielmehr um die in Frankreich praktizierte, geltende Lehre. 653 Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 854; ähnlich Oertmann, Jurist (1904) S. XXI mit einem Zitat eines ungenannten Juristen: „Was Ungültigkeit sei, wußte vor diesem Buch in den Rheinlanden kein Mensch, . . .“ 654 Oertmann, Jurist (1904) S. XXI als Zitat eines „der ersten Kenner des französischen Zivilrechts unter unseren Juristen“, der auch die „eminente“ Bedeutung dieser Schrift hervorgehoben habe. 655 Kohler, Le Code civil français (1969) S. 624. Ebd. S. 623 f. geht Kohler auch kurz auf Windscheids Monographie ein, jedoch nur mit dem Hinweis auf eine eigene abweichende Meinung in einer Einzelfrage des Minderjährigenrechts. 656 Für sie galt, dass die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts nicht eingeklagt zu werden brauchte und auch nicht verjähren konnte, De La Pradelle, Les conflits de loi (1967) S. 33–42, bes. S. 39 u. Gaudemet, Théorie générale (1965) S. 141–146, 145 f. Siehe etwa Demolombe, Cours de Code Napoléon XXIX (1879) S. 1–74, bes. S. 15–17 u. S. 21–23. Das Urteil über diese Lehre ist vernichtend: De La Pradelle, Les conflits de loi (1967) S. 43–120, Gaudemet, Thérorie générale (1965) S. 146 f. 657 Laurent, Principes de droit civil I, (41887), S. 93–108, bes. S. 105–108. Text entspricht der 1. Aufl. 1869, ebd. avant-propos. So schon Toullier/Duvergier, Le droit civil français IV (1846/48) S. 392 u. Fn. a). 658 Aubry/Rau/Bartin, Cours de droit civil français I (1936) S. 229 f. Fn. 1. Dort ist nach Windscheids Arbeit nur noch „Japiot, Théorie des nullités“ aus dem Jahr 1909 von Bartin hinzugefügt worden. 659 Siehe Aubry/Rau, Cours de droit civil (21850) I, § 37, S. 56–59 u. §§ 332–337, S. 416–426.
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setzt,660 die nicht eingeklagt werden müssen, was Crome treffend als unrichtige Verschiebung des Gegensatzes Nichtigkeit – Anfechtbarkeit kritisiert.661 Innerhalb der „nullités“ werden gegenübergestellt „nullités textuelles“ und „nullités virtuelles“, „nullités d’ordre public“ und „nullité d’intérêt privé“ sowie „nullités absolues“ und „nullités relatives“. Für alle diese Arten gilt, dass sie vor Gericht geltend gemacht werden müssen, vor dem Richterspruch die fehlerhaften Rechtsgeschäfte als gültig gelten und ihre Geltendmachung der Verjährung unterliegt662 – was wieder der schon von Windscheid als seinerzeit herrschend beschriebenen Meinung entspricht. Heutzutage „kann die inexistence . . . nicht mehr als lebende[r] Bestandteil des französischen Rechts an[ge]sehen“ werden, die Abgrenzung zur „nullité absolue“ ist gefallen und es wird, hier in Übereinstimmung mit Windscheid, anerkannt, dass sich die Artikel 1304 ff. nur mit der relativen Nullität befassen.663 Daraus folgt, dass die seit 1968 fünfjährige Verjährungsfrist des Art. 1304 für die absolute Nullität nicht gilt.664 Dennoch entspricht das heutige Verständnis des Gegensatzes von „nullité absolue“ und „nullité relative“ nicht dem von Windscheid Gemeinten. Sie unterscheiden sich nicht in ihrer rechtlichen Struktur, sondern lediglich in der entweder auf die Allgemeinheit oder nur auf Privatinteressen zielenden Schutzrichtung und müssen beide von den in ihren rechtlichen Interessen Betroffenen geltend gemacht werden.665 Da Windscheid also nur geringen Einfluss auf die Rechtsentwicklung in Frankreich hat nehmen können, ist es kein Wunder, dass sein Name in Frankreich, auch wo man sich ausführlich mit der „nullité“ beschäftigt, nicht genannt wird.666
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Aubry/Rau/Bartin, Cours de droit civil français I (1936) S. 230 f., Zitat S. 230. Zachariä/Crome, Handbuch I (1894) S. 354 Fn. 11. 662 Aubry/Rau/Bartin, Cours de droit civil français I (1936) S. 231–235. 663 Ferid, Französisches Zivilrecht I (1971) S. 337 f., Zitat S. 338. – Die inexistence ablehnend z. B. Weill, Droit civil. Introduction générale (1970) S. 297 f. 664 Ferid, Französisches Zivilrecht I (1971) S. 342. Dagegen soll einredeweises Vorbringen jeder nullité immer möglich sein, Weill, Droit civil. Introduction générale (1970) S. 297. 665 Ferid, Französisches Zivilrecht I (1971) S. 339 f. Dies gilt auch da, wo das Gesetz von „nullité ,de plein droit‘“ spricht, obwohl Ferid anerkennt, dass diese Formulierung „stets eine ipso jure Wirkung bedeutet“, ebd. S. 340 u. Fn. 34. – Prägnant findet sich diese herrschende Ansicht etwa bei Weill, Droit civil. Introduction générale (1970) S. 295–297. Differenzierende Darstellung der in Frankreich vertretenen Lehren bei Schätz, Mangelhaftigkeit der Rechtsgeschäfte (1961), bes. S. 177–221. 666 Etwa bei Gaudemet, Théorie générale (1965) S. 140–200, De La Pradelle, Les conflits de lois (1967) S. 28–120, Flour/Aubert, Les Obligations I (1975) S. 256–309 oder Ghestin, Traité de droit civil II (1980) S. 628–812. Dagegen zitiert Schätz, Mangelhaftigkeit der Rechtsgeschäfte (1961), Windscheid ausführlich. 661
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D. Professur in Basel (1847–1852) I. Leben Ende Juni 1847 teilte der ordentliche Professor für römisches Recht an der Universität Basel, Burkhard Wilhelm Leist, Rektor Gerlach mit, dass er einen offiziellen Ruf nach Rostock erhalten habe und diesem wegen der „so annehmbaren Bedingungen“ folgen werde. Gleichzeitig schlug er als Nachfolger „Dr. Buchka“ 667 vor.668 Damit war die Universität Basel nach zahlreichen Wechseln in den vergangenen Jahren erneut in der misslichen Lage, für schnellen Ersatz für einen jungen, aus Deutschland auf den einzigen romanistischen Lehrstuhl berufenen Dozenten sorgen zu müssen. Zuvor hatten die verantwortlichen Gremien dabei immer eine glückliche Hand bewiesen, wie die Berufung so großer Namen wie Georg Beseler (1835–1837), Agathon Wunderlich (1838–1842), Johann Julius Wilhelm Planck (1842–1845), Rudolf Ihering (1845–1846) und zuletzt Leist (berufen 1846) zeigt.669 Auch dieses Mal gingen dem Ruf sorgfältige Erkundigungen voraus: Rudolf Ihering wurde um Rat gebeten und empfahl an erster Stelle den heute völlig unbekannten Karl Christiansen in Kiel, danach Dr. Schmidt aus Berlin und eventualiter Dr. Chambon (Dresden), wobei er darauf hinwies, dass Buchka Justizrat in Neustrelitz geworden und daher für Basel verloren sei und er zur Zeit keinen tüchtigeren Privatdozenten des römischen Rechts kenne als Christiansen, auch wenn dieser, wie er wisse, Bachofen nicht genehm sei.670 Christiansen, der schon 1846 von Beseler als Nachfolger Iherings nach Basel empfohlen worden war,671 brachte sich mit einem Schreiben vom 24. Juni auch selbst in Erinnerung und bekundete sein fortdauerndes Interesse an der Stelle.672 Dem um eine Stellungnahme angegangenen Böcking in Bonn waren die beiden ihm genannten Kandidaten unbekannt, dagegen empfahl er den neu ernannten außerordentlichen Professor Bernhard Windscheid als „für die fragliche Stelle gewiß gut“ geeignet und wohl auch geneigt, nach Basel zu gehen, da er in Bonn „bei dem jetzigen Zu667 Hermann Friedrich Ludwig Rudolf v. Buchka, geb. 19.6.1821 in Schwanbeck (Mecklenburg-Strelitz), gest. 15.6.1896 in Schwerin, 1841 Dr. iur., 1843 zu Rostock habilitiert, Landsberg, Geschichte (1910) Noten S. 325 Note 8. 668 Brief vor dem 28.6.1847 im StA Basel EZA Z 11. 669 Teichmann, Universität Basel (1885) S. 47. 670 Brief Iherings an Gerlach [?], Rostock den 4.7.1847, StA Basel EZA Z 11, in dem er jedoch zugleich Christiansens Werk kritisiert und ihm Originalitätszwang vorwirft. 671 Beseler an Gerlach, Greifswald 4.1.1846, StA Basel EZA Z 11 und Christiansen an Gerlach [?], Kiel 7.1.1846, ebd. In beiden Briefen wird darauf hingewiesen, dass Christiansen römisches und deutsches Recht gelesen habe. – Irrtümlich nimmt Kern, Beseler (1982) S. 55, an, es habe sich um den bekannteren Bruder Johannes Christiansen gehandelt. 672 Karl Christiansen an Gerlach, Kiel 24.6.1847, StA Basel EZA Z 11.
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stande unsrer Facultät verhältnißmäßig wenig Aussichten [hat], voranzukommen“. Böcking erwähnte dabei Windscheids Beschäftigung mit dem römischen und französischen Recht und wies auch auf sein „als Hülfsarbeiter in unserem Spruchcollegium“ sowie während seiner gerichtlichen Tätigkeit in Düsseldorf bewiesenes praktisches Geschick hin.673 Von Böcking ermuntert, ließ Windscheid dieser Empfehlung ein eigenes Schreiben folgen, dem er ein Exemplar seiner Monographie und einen seiner Aufsätze zum römischen Recht beilegte. Dabei betonte er, dass „auch jene Schrift über französisches Recht . . . ganz auf dem Grunde römischer Rechtswissenschaft“ ruhe und sich „stellenweise, wie namentlich in der achten Abhandlung mit Gegenständen desselben sogar unmittelbar“ beschäftige.674 Entscheidenden Einfluss erlangte dann ein von Johann Jakob Bachofen am 17. August 1847 über Windscheid erteiltes Gutachten, in dem er ihm zwar schöpferische Qualitäten absprach, auch von der eigenen Person geprägte unabhängige Forschung nicht recht zutraute, dagegen die von einem juristischen Gelehrten zu erwartende „Gesamtbildung“ bei ihm in einem über einzelne seiner Vorgänger hinausgehenden Maße fand. Für Basel sei Windscheid als Kenner des römischen wie auch seines heimischen französischen Rechtes der geeignete Mann, auch außerhalb des Hörsaales. Denn für die Zukunft der Basler juristischen Fakultät sei „gelehrtes Rechtsstudium“ und – wird man hinzufügen dürfen – das Vertreten dieser Haltung auch nach außen unabdingbar.675 Diese Charakterisierung Windscheids ist besonders aus der Feder eines Mannes als hohes Lob zu betrachten, der im Grunde seines Herzens die moderne systematische und dogmatische Behandlung des römischen Rechts ablehnte.676 In den folgenden Wochen ging es dann noch um Windscheids Erwartungen an diese Professur und um seine Gesundheit. Die auf die leidigen Erfahrungen der Vergangenheit gegründete Frage nach Windscheids Vorstellungen von einem möglichen Ruf nach Basel beantwortete er in sehr entgegenkommendem Sinne: Es sei ihm nicht um eine bessere Stellung in Preußen zu tun, und er wolle nicht nur nach Basel, 673 Böcking an Gerlach aus Bonn am 18.7.1847, StA Basel EZA Z 11; auch abgedruckt bei Rabel, Windscheid (1909) Sp. 111. 674 Windscheid am 3.8.1847 aus Bonn an Gerlach, StA Basel EZA Z 11. 675 Gutachten Bachofen, datiert Basel, 17.8.1847, StA Basel EZA Z 11, abgedruckt bei Rabel, Windscheid (1909) Sp. 111 f. und in Bachofen, Gesammelte Werke Bd. 10 (Briefe) (1967) Nr. 45 S. 72–74, dort ist als Adressat genannt der Ratsherr Andreas Heusler-Ryhiner, dagegen bei Bonjour, Universität Basel (1960) S. 571 Anm. 28 Rektor Gerlach, Referat des Gutachtens auch ebd. S. 543. Teilabdruck in Faksimile bei Fuchs, Johann Jakob Bachofen (1960) S. 146 f. 676 Bachofen, Selbstbiographie (1916) S. 339: „Widerwille gegen alle modernen Systeme. . . . Ein Schema nach heutigen Begriffen und darunter der alte Stoff vertheilt, das erschien mir als unberechtigtes Dogmatisieren, dem wahren Verständniß verderblich, eine reiche Quelle vieler Irrthümer und Verlegenheiten.“ – Daher hätte sich Bachofens Urteil entgegen Rabel, Windscheid (1909) Sp. 112 und Bonjour, Universität Basel (1960) S. 571 Anm. 28, zitiert auch in Bachofen, Ges. Werke 10 (Briefe) (1967) S. 73 Fn. 6, wohl auch dann nicht geändert, wenn er Windscheids spätere große systematische Leistungen schon geahnt hätte.
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um „die erlangte Stellung . . . als Staffel zu weiterem Fortschreiten zu benützen“, werde daher auch keine „übereilte[n] Versuche zur Änderung meiner Stellung . . . machen“. Davon wünschte er jedoch interessanter Weise eine Ausnahme zu machen für den Fall der Erledigung der Professur für französisches Recht in Bonn. Er habe sich nämlich mit diesem Recht „nicht ohne die Absicht“ beschäftigt, dann „als Bewerber um dieselbe aufzutreten“, und „nach gütigen Äußerungen des Herrn Curators“ auch die Hoffnung, dass dieser Fall eintreten könne.677 Auf dieses Schreiben hin empfahl die Universitätskuratel dem Erziehungskollegium, einem für Kultusfragen zuständigen Ausschuss des Kleinen Rates, am 3. September Windscheids Berufung.678 Als dann von Böcking, Nicolovius und Rektor Ritschl in Bonn beruhigende Nachrichten über Windscheids nach dessen Italienaufenthalt wieder hergestellte Gesundheit eintrafen, welchen die Absender noch lobende Worte über Windscheids Tüchtigkeit,679 gründliche Arbeitsweise und Bemühen um die Studenten, reinen Charakter680 sowie seinen „ruhig[en], klar[en], bestimmt[en] und bescheiden[en]“ Vortrag681 hinzufügten, wurde Windscheid am 15. September 1847 auf Antrag des Erziehungskollegiums durch den Kleinen Rat, die Regierung des Kantons Basel-Stadt, zum ordentlichen Professor des römischen Rechts mit einem Jahresgehalt von 1600 Schweizer Franken unter der Bedingung berufen, dass er auf einen eventuellen späteren Ruf hin Basel erst zum dann folgenden übernächsten Semester verlassen dürfe.682 Diese etwas ungewöhnliche aber angesichts der Basler Erfahrungen verständliche Beschränkung nahm Windscheid zusammen mit seiner Berufung umgehend an, versicherte, dass er das ihm „übertragene Amt . . . nach bester Einsicht und besten Kräften zum Wohle des Staates und der studirenden Jugend . . . verwalten“ werde, und kündigte zugleich für den Semesterbeginn am 1. November seine erste Pandektenvorlesung an.683 Ende Oktober traf Windscheid in Basel ein.684 Am 13. De-
677 Windscheid an Rektor [Gerlach] aus Düsseldorf am 26.8.1847 auf dessen nicht mehr erhaltenen Brief vom 22.8.1847, StA Basel EZA Z 11. 678 Präsident der Kuratel Peter Merian an das Erziehungskollegium, Basel, den 3.9. 1847, StA Basel EZA Z 11. 679 Ritschl an Gerlach aus Bonn am 10.9.1847, StA Basel EZA Z 11. 680 Nicolovius an Wilhelm Vischer aus Bonn am 7.9.1847, StA Basel EZA Z 11. 681 Böcking an Gerlach aus Zürich am 4.9.1847, StA Basel EZA Z 11. 682 Protokoll des Erziehungskollegiums vom 9.9.1847, StA Basel Protokolle S 42, 87v–88r, Vorlage des Erziehungskollegiums an den Kleinen Rat vom 9.9.1847, StA Basel EZA Z 11 und Beschluss des Kleinen Rats vom 15.9.1847 ebd. 683 Windscheid am 20.9.1847 aus Düsseldorf an den Präsidenten des Erziehungskollegiums Peter Merian, StA Basel, EZA Z 11, auf dessen Berufungsschreiben vom 15.9.1847 hin. Dessen Konzept ebd. 684 Brief Windscheids an Luise Burckhardt-His vom 21.9.1847 und an Martin Burckhardt-His vom 9.10.1847, beide Familiennachlass Windscheid. Er wohnte zunächst im Gasthof, dann bis zum 7.5.1849 in einem schiefwinkligen Zimmer am Schlüsselberg (St. Alban-Quartier), danach am Fischmarkt (St. Johann-Quartier), Briefe Windscheids an Martin Burckhardt-His am 12.10.1847 und an Luise Burckhardt-His am 8.5.1849,
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zember 1847 wurde er in der Regenz, dem akademischen Selbstverwaltungsorgan, vorgestellt und nach Ableistung des Eides685 als neues Mitglied begrüßt.686 Die vorgeschriebene Antrittsrede687 hielt er am 10.1.1848 über „die heutige Aufgabe des römischen Rechts“.688 Sofort nach der Annahme der Basler Professur meldete sich Windscheid bei Luise Burckhardt-His und bat sie, dafür Sorge zu tragen, dass Puchtas Pandektenlehrbuch, nach dem er zu lesen gedenke, in ausreichender Zahl in Basel vorrätig sei.689 Dies zeigt, dass Windscheid wirklich an eine „ausgedehntere Lehrthätigkeit“ 690 dachte und keine präzisen Vorstellungen von den Verhältnissen in Basel hatte. 1847 hatte die Stadt 27.000 Einwohner,691 deren „Charakter vorzugsweise durch die Richtung auf bürgerliche Erwerbsthätigkeit ausgezeichnet ist“ 692. Im Klima dieses vom Selbstbewusstsein und Einfluss seiner reichen Familien geprägten und zugleich eine reformiert-pietistische Frömmigkeit kultivierenden bedeutenden Handelsplatzes und Textilindustriestandorts mit im Wesentlichen auf die eigenen Angelegenheiten begrenztem politischem Horizont693 spielte die ehrwürdige, schon 1460 gegründete Universität keine entscheidende Rolle.694 Deren in den Jahren 1813 bis 1818 in die Wege geleitete Neuorganisation695 hatte durch die 1833/1834 erfolgte Trennung von Basel-Land und BaselStadt und die damit verbundene Verpflichtung der Stadt, für die alleinige WeiterFamiliennachlass Windscheid, Hülfsbuch Basel (1848) und Neues Adressen-Buch Basel (1850) S. 6 u. S. 128. 685 Beschluss der Kuratel vom 17.2.1821 und lateinischer Wortlaut StA Basel UA A 4 (Statuten 1819–1864) S. 1. 686 StA Basel UA B 1 VII, Sitzungsprotokolle der Regenz 1834–1859, S. 275. 687 Von der Kuratel bestätigter Beschluss der Regenz vom 21.2.1824, StA Basel UA A 4 (Statuten 1819–1864) S. 2. 688 Einladung des Dekans Johannes Schnell, StA Basel UA F 5 (akad. Einladungen 1741–1877), S. 66; s. auch Basler Zeitung vom 7.1.1848 S. 20. 689 Windscheid aus Düsseldorf am 21.9.1847 an Luise Burckhardt-His, Familiennachlass Windscheid. 690 Siehe oben Abschnitt C. I. am Ende. 691 P. Burckhardt, Geschichte (1942) S. 206, davon 35% Stadtbürger, 44% Schweizer anderer Kantone und 21% Ausländer. 692 Bachofen, Selbstbiographie (1916) S. 354, geschrieben September 1854. 693 Allgemein P. Burckhardt, Geschichte (1942) bes. S. 201–205 und S. 246 f. zur politisch konservativen und provinziellen Struktur und dem beherrschenden Einfluss der bedeutendsten Familien, S. 208 f. zum ökonomischen Gewicht der Stadt, S. 213 zum Reichtum und S. 226–228 zur Frömmigkeit Basels. Zu den Verfassungsänderungen von 1847 und dem Basler Konservatismus am Beispiel Andreas Heusler-Ryhiners E. His, Ratsherr Andreas Heusler (1929) S. 272–275 u. S. 312 f. 694 Siehe Rudolf Rauchenstein an Wilhelm Vischeraus Aarau am 16.11.1849 bei E. Vischer, Wilhelm Vischer (1958) S. 30 ff., 32: „Mir scheint, die Universität habe in der Bürgerschaft lockere Wurzeln, . . .“. 695 Siehe Gutachten vom 7.5.1818 und Gesetz über die Organisation der Universität vom 17.6.1818, gedrucktes Exemplar StA Basel EZA X 1,1; Bonjour, Universität Basel (1960) S. 343–349 u. S. 369–383; Du Moulin Eckardt, Geschichte (1929) S. 127.
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führung dieser Staatsanstalt eine beträchtliche Entschädigungssumme an Baselland zu bezahlen,696 einen Rückschlag erlitten, von dem sich die Universität jahrzehntelang nicht erholen konnte.697 Besonders die juristische Fakultät, die schon Anfang der 30er Jahre den Studienbetrieb kaum noch aufrechterhalten hatte,698 wurde durch das Universitätsgesetz vom 9.4.1835 schwer getroffen: Die Anzahl der Lehrstühle wurde von bisher drei auf zwei reduziert,699 der Kanon der Lehrfächer eng begrenzt700 und ihre Aufgabe, wie auch die der medizinischen Fakultät, darauf beschränkt, dass auf ihr die Studenten „für den Besuch höherer Anstalten vollständig vorbereitet werden“ 701. So fanden denn im Studienjahr 1846/ 47 pro Semester nur drei juristische Vorlesungen mit insgesamt 19 bzw. 26 Wochenstunden statt, und Rektor Gerlach forderte in seinem Jahresbericht eine Linderung der üblen Folgen dieses Gesetzes, „wodurch allein die Würde der Wissenschaft gesichert und die angestellten Lehrer wieder die wahre Freudigkeit für ihren Beruf gewinnen können“.702 Windscheids erste Äußerung über die akademischen Verhältnisse klingt nach gerade zwei Monaten universitärer Tätigkeit denn auch sehr ernüchtert. Das Ansehen in Deutschland sei unverdient hoch, denn „eigentlich leben wir doch nur, weil wir eben nicht sterben, nicht aber weil wir leben“. Sein einziger Kollege [Johannes Schnell703] sei vor allem Richter, der Privatdozent [Emanuel Burckhardt-Fürstenberger704] „thut nichts“ und von den
696 Nach Schiedsspruch vom 9.11.1833 und Endurteil vom 6.8.1834 betrug die Entschädigungssumme für Basel-Landschaft 331.451,55 Schweizer Franken, Bonjour, Universität Basel (1960) S. 393–397; E. His, Ratsherr Andreas Heusler (1929) S. 264–267 auch zur Aufrechterhaltung der Universität unter den geänderten Rahmenbedingungen des Gesetzes vom 9.4.1835. 697 P. Burckhardt, Geschichte (1942) S. 221: erst 1864 wieder 100 Studenten, erst im Universitätsgesetz von 1866 wieder Rückbesinnung auf die Idee von 1818. 698 Bonjour, Universität Basel (1960) S. 379 u. S. 382. 699 Gesetz über Errichtung des Pädagogiums und der Universität vom 9. April 1835, StA Basel EZA X 3, S. 10 § 27: „Der Lehrstühle sind zwei, wovon einer mit wöchentlich 10–12 Stunden Unterricht und Fr. 1600 Gehalt, und einen mit 5–8 Stunden Unterricht und Fr. 800 Gehalt.“ 700 Ebd. S. 10 § 26: „Die Lehrfächer sind hauptsächlich: Römisches Recht, historisch und dogmatisch; Criminalrecht; Handels- und Wechselrecht; Vaterländisches Civilrecht; Civilprozeß.“ 701 Ebd. S. 9 f. § 25 [Hervorhebung F. Kl.]. 702 Rektoratsbericht über den Zustand der Universität im Jahr 1847, StA Basel EZA X 33. 703 Über ihn, den Basler Thibaut- und Savigny-Schüler (1812–1889), seit 1839 o. Prof. für schweizerisches Zivilrecht, ab 1841 Zivilgerichtspräsident, Bachofen, Gesammelte Werke 10 (Briefe) (1967) Personenregister S. 619, siehe auch A. Staehelin, Johannes Schnell (1960) S. 142 u. Müller-Büchi (1964) Johannes Schnell, jeweils m.w. Nachw. 704 1819–1867, 1844–1848 Privatdozent für römisches Recht und Strafrecht in Basel, danach Ratsherr, Bachofen, Gesammelte Werke Bd. 10 (Briefe) (1967) Personenregister S. 599; s. auch die kritisch-ironischen Beurteilungen Iherings, Brief an Bachofen vom 19.6.1847, Bruckner, Unbekannte Briefe (1934) S. 53–56, 55 f., und Bachofens, Briefe
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vier Hörern beherrsche nur einer das Lateinische ordentlich. „Sie nehmen hier halt, was kommt.“ 705 Die mit dem Wintersemester 1847/48 aufgenommene Vorlesungstätigkeit nahm Windscheid dennoch bis zum Schluss, dem Wintersemester 1851/52, sehr ernst. Regelmäßig las er im Wintersemester 12-stündig Pandekten,706 im Sommersemester Institutionen (sechs bis sieben Stunden) sowie Erbrecht (drei bis vier Stunden)707 und hielt so ein regelmäßiges Angebot romanistischer Grundvorlesungen für die ersten drei Studiensemester aufrecht. Dabei scheute er sich nicht, über seine Verpflichtung hinaus708 eine Vorlesung auch für einen einzigen Hörer zu halten!709 Zweimal, im SS 1849 und im WS 1851, kündigte Windscheid auch „Französisches Civilrecht“ bzw. „Institutionen des französischen Civilrechts“ in zwei Wochenstunden an.710 Die erste Vorlesung kam ausweislich Windscheids der Regenz vorzulegenden Semesterberichts nicht zu Stande,711 während sich leider gerade für das WS 1851 der Bericht nicht erhalten hat, so dass nicht mehr festgestellt werden kann, ob sich für dieses Kolleg Interessenten gefunden haben.712 Die kleine Zahl von Studenten an der juristischen Fakultät – Windscheid hatte nie mehr als vier Hörer!713 – erlaubte es ihm, jeden persönlich zu kennen und sich intensiv um seine Förderung zu kümmern. So begann er schon im ersten Semester, vielleicht bewogen durch die mangelhaften Lateinkenntnisse seiner an Ihering vom 16.7.1846 u. 6.1.1848, Bachofen, Gesammelte Werke Bd. 10 (Briefe) (1967) Nr. 38 S. 60–64, 63 bzw. Nr. 49 S. 77–79, 78. 705 Windscheid an Heinrich v. Sybel aus Basel am 1.1.1848, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1, XLIX Bl. 16–18v, 17. 706 WS 1847/48 nur zweistündig, WS 1848/49 12stündig, WS 1849/50 12stündig, WS 1850/51 12stündig: Rechenschaftsberichte Windscheids, StA Basel EZA X 34; WS 1851/52 10stündig, Vorlesungen Basel. 707 SS 1848: Institutionen sechsstündig, Erbrecht drei-, später vierstündig; SS 1849, 1850 u. 1851: Institutionen siebenstündig, Erbrecht dreistündig, Rechenschaftsberichte Windscheids, StA Basel EZA X 34. 708 Beschluss der Regenz vom 30.1.1834, StA Basel UA A 4 (1819–1864) S. 3: „Die Professoren geben sich . . . das Wort[,] auch nur vor 2 oder 3 Zuhörern das auf dem Catalog angekündigte Collegium lesen zu wollen, damit kein Studierender unbefriedigt bleibe.“ 709 Erbrecht im SS 1849 allein vor Hans Burckhardt und im SS 1850 allein für Wieland gehalten, Rechenschaftsberichte Windscheids, StA Basel EZA X 34. 710 Vorlesungen Basel. 711 Darin erwähnt Windscheid dieses Kolleg nicht, s. StA Basel EZA X 34. Die Semesterberichte der Professoren über ihre gehaltenen Vorlesungen wurden eingeführt durch Regenzbeschluss vom 27.5.1830, StA Basel UA A 4 (1819–1864) S. 6. 712 Doch schon die Ankündigungen alleine zeigen, dass sich Windscheid in Basel durchaus nicht vom französischen Recht abgewandt hat, gegen Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 598 f. 713 Siehe die Rechenschaftsberichte Windscheids, StA Basel EZA X 34. Selbst diese Zahl wird nur im WS 1847/48 (Pandekten) und im SS 1849 (Institutionen) erreicht.
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Schüler, mit regelmäßigen Übersetzungs- und Quelleninterpretationsübungen, die er in die Pandekten- oder auch Institutionenvorlesung integrierte und bei denen den fortgeschritteneren Studenten rege Mitarbeit, nämlich eine schriftliche Exegese pro Woche, abverlangt wurde.714 1848 las er sogar in den Sommerferien mit einigen Studenten „einzelne Abschnitte aus den Institutionen des Gaius und Justinians“.715 Dabei war er mit der Mitarbeit der ausschließlich aus der Schweiz stammenden, größtenteils sogar aus Basel selbst kommenden Studenten durchaus zufrieden.716 Unter ihren Namen erscheint besonders häufig der der ausgedehnten Familie Burckhardt,717 aber auch Glieder der Basler Familien Bachoff, Heusler,718 Kürsteiner, Lichtenhahn, Machly, Merian, Stehlin,719 Wieland720 und Wölfler haben bei Windscheid studiert. Aus der geringen Größe der Universität und besonders der Fakultät – neben dem zweiten ordentlichen, das Kriminalrecht, gemeine und schweizerische Zivilrecht abdeckenden Professor Johannes Schnell war bis 1848 nur der Privatdozent Emanuel Burckhardt-Fürstenberger an ihr tätig – ergab sich, dass Windscheid häufig Ämter übernehmen musste. So fungierte er 1849 als Schreiber der Re-
714 Rechenschaftsberichte Windscheids StA Basel EZA X 34; er erwähnt im Bericht WS 1847/48 „die unvollkommene Vorbereitung der Meisten in der lateinischen Sprache“. Eine Exegese pro Woche wird parallel zu den Pandektenvorlesungen verlangt. Im SS 1851 findet sogar neben den „mit Repetitorien und Übungen“ verbundenen Institutionen ein zweistündiges „Pandektenpracticum“ mit Übungen „in der Entscheidung von Rechtsfällen“ statt. 715 Rechenschaftsbericht Windscheids, StA BaselEZA X 34. 716 Nach den erhaltenen Berichten kamen von insgesamt 17 Hörern zwischen WS 1847/48 u. SS 1851 einer aus dem Thurgau, drei von Zürich und 13 aus Basel. 717 SS 1848 u. WS 1848/49: J. Burckhardt; SS 1849: Hans Burckhardt (vielleicht identisch mit J[ohannes] Burckhardt), der spätere Staatsschreiber Hans BurckhardtBrenner (1830–1876), dazu Max Burkhardt bei J. Burckhardt, Briefe IV (1961) S. 342 u. S. 422; SS 1849 u. WS 1849/50: Carl Burckhardt, der spätere Ratsschreiber Carl Burckhardt-Iselin (1830–1892), Bachofen, Gesammelte Werke 10 (Briefe) (1967) Personenregister S. 599, SS 1850 bis SS 1851: C. Burckhardt, Carl Burckhardt-Burckhardt (1831–1901), später Kriminalrichter und Mitglied des Kleinen Rats, C. BurckhardtSchazmann, Dr. Carl Burckhardt-Burckhardt (1903), bes. S. 2, u. E. His, Basler Staatsmänner (1930) S. 230–241. 718 Windscheids Semesterbericht SS 1851 (WS 1851/52 fehlt), StA Basel EZA X 34; dabei handelt es sich wohl um den späteren Deutschrechtler Andreas Heusler-Sarasin (1834–1921), wenn auch als dessen Studienbeginn allgemein erst 1852 angegeben wird, zuletzt Kern, Andreas Heusler (1984) S. 916, m. w. Nachw. 719 C. R. Stehlin SS 1849 u. WS 1849/50, Rechenschaftsberichte Windscheids, StA Basel EZA X 34. Carl Rudolf Stehlin (1831–1881), 1852 Dr. iur. in Göttingen, später Advokat und Notar, Bachofen, Gesammelte Werke 10 (Briefe) (1967) Personenverzeichnis S. 621. 720 Semesterberichte Windscheids SS 1849 bis SS 1850: Carl Wieland; wohl der spätere Notar und Mitarbeiter an den 1856 von Johannes Schnell herausgegebenen „Rechtsquellen von Basel“ (1830–1894), E. His, Basler Gelehrte (1941) S. 150 u. ders., Basler Staatsmänner (1930) S. 36 Fn. 1.
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genz721 und übernahm in den Studienjahren 1849/50 und 1851/52 (jeweils von Frühjahr bis Frühjahr) das Amt des Dekans.722 Als solcher stellte er im Sommersemester 1851 auch eine Preisfrage zum römischen Erbrecht, für die sich jedoch kein Bearbeiter fand.723 Nach Emanuel Burckhardts Wahl zum Ratsherrn und damit der Beendigung seiner Vorlesungstätigkeit724 verstärkten zeitweise der in Basel promovierte J.J. Heimlicher725 und vom SS 1851 an auch der reaktivierte Altratsherr Andreas Heusler-Ryhiner726 das schmale Vorlesungsangebot. Ab dem WS 1851 wurde dann endlich die schon seit 1838 angestrebte dritte (außerordentliche), mit Mitteln der akademischen Gesellschaft ausgestattete Professur für gemeines Zivil- und Zivilprozessrecht mit dem Bonner Privatdozenten J. Grimm besetzt.727 Alle diese Umstände zeigen, dass Windscheids Basler Aufenthalt mit einem Tiefpunkt der dortigen universitären Entwicklung zusammenfiel. Gleichzeitig gab er ihm aber auch Gelegenheit, seine Vorlesungen, besonders die hier erstmals gehaltene, an Puchtas modernem Lehrbuch728 orientierte Pandektenvorlesung, gründlich auszuarbeiten und seinen Vortrag weiter zu vervollkommnen.
721 Wahl am 11.12.1848 für das Jahr 1849, StA Basel UA B 1 VII, Sitzungsprotokolle der Regenz 1834–1859, S. 287, ebd. S. 288–307 Protokolle des Jahres 1849 von Windscheids Hand. 722 Auch für das SS 1852 war Windscheid wieder als Dekan vorgesehen, Vorlesungen Basel. 723 Vorlesungen Basel SS 1851: „Disseratur de jure accrescendi in hereditatibus et legatis ex praeceptis juris Romani.“ Dazu StA Basel UA I 5, Preisaufgaben 1835–1955 zur Preisaufgabe 1853 am 17.10.1853: „– nachdem zu wiederholten Malen die von ihr [der juristischen Fakultät] ausgeschriebenen Preisfragen keinen Lösungs-Versuch hervorgerufen haben –“. 724 Siehe dazu den polemischen Brief Bachofens an Ihering vom 22.5.1850, Bachofen, Gesammelte Werke 10 (Briefe) (1967) Nr. 61 S. 102–105, 103. 725 Promoviert am 22.1.1849 während Windscheids Dekanat, StA Basel UA P 6, Diplomata facultatis juridicae 1831–1895 (cum laude), übernimmt Johann Jakob Heimlicher vom WS 1849/50 bis zum WS 1851/52 Einführungsvorlesungen, romanistische Themen und Wechselrecht, Vorlesungen Basel, dazu Bonjour, Universität Basel (1960) S. 561. 726 Heusler (1802–1868) las als einziger Staatsrecht, besonders Schweizerisches Bundesrecht, Vorlesungen Basel und Bonjour, Universität Basel (1960) S. 550 f. Er wurde ab WS 1851/52 o.Prof., StA Basel UA B 1 VII, S. 329, Sitzungsprotokoll der Regenz vom 30.12.1851, u. S. 331 f., Sitzungsprotokoll der Regenz vom 23.2.1852. über ihn M. Burckhardt, Andreas Heusler (I) (1960) S. 134, E. His, Ratsherr Andreas Heusler (1929), bes. S. 305 u. allgemein E. His, Basler Staatsmänner (1930) S. 123–134 u. ders., Basler Gelehrte (1941) S. 104–112. 727 Basler Zeitung 21. Jg. Nr. 78, 2.4.1851; Bonjour, Universität Basel (1960) S. 561 f.; C. F. Burckhardt, Geschichte der freiwilligen akademischen Gesellschaft (1885) S. 26 u. S. 39 f. Details dazu bei Müller-Büchi, Johannes Schnell (1964) S. 61. 728 3. und 4., von A. Rudorff besorgte Auflagen 1846 u. 1848; Puchta wird auch von Ihering wegen „gedrungenen Stil[s]“ und „ungemein präzise[r] Ausdrucksweise“ bevorzugt, Brief Iherings an Windscheid Ende 1862, Ihering in Briefen (1913), S. 155–158, 158.
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Wie prekär die Lage damals war, das zeigen besonders die von den „Radikalen“, also den dem konservativen Patriziat kritisch gegenüberstehenden Kräften, 1850/51 vorgetragenen Angriffe auf den Bestand der Universität.729 Ihrer Ansicht nach rechtfertigte das Ergebnis den großen finanziellen Aufwand für diese elitäre Bildungseinrichtung in keiner Weise, besonders da Mittel für dem Volk nützlichere Volks- und Gewerbeschulen nicht vorhanden seien.730 Dazu kam noch der besonders in Zürich favorisierte und seit langem angestrebte Plan einer zentralen eidgenössischen Universität in Zürich oder Bern.731 Da sich das Bildungsbürgertum in- und außerhalb der Universität heftig für seine Anstalt einsetzte und auf die in Geld nicht zu messende Bedeutung der Universität für die Kultur Basels und seinen Rang in der Schweiz wie im Ausland hinwies,732 blieb es letztlich siegreich.733 Über Windscheids Haltung hierzu ist nichts bekannt, obwohl doch seine Anstellung von dieser Entscheidung abhing. Das kann darin seinen Grund haben, dass sich Windscheid als interessierter Ausländer öffentlich verständlicherweise zurückhielt. Wahrscheinlich war er sich aber auch bewusst, dass für ihn wie schon für seine Vorgänger die Tätigkeit in Basel nicht mehr als eine Zwischenstation sein konnte und daher jener Streit doch kein solches Gewicht hatte. Schon ein gutes Jahr zuvor hatte sich für Windscheid die Möglichkeit eines Wechsels angedeutet. Von Emanuel Burckhardt-[Fürstenberger] und Johann Jakob Bachofen erfuhr er im Herbst 1849, dass man sich in Freiburg für ihn interessierte. Zwar bremste er die Zuversicht des befreundeten Basler Chirurgie729 Allgemein dazu Bonjour, Universität Basel (1960) S. 419–428, Teichmann, Universität Basel (1885) S. 19 f., P. Burckhardt, Geschichte (1942) S. 278 f., Vischer, Wilhelm Vischer (1958) S. 35–47. 730 Siehe etwa die anonyme Schrift Einige Worte über die bevorstehende Schulorganisation in Basel, Basel 1850, bes. S. 16–21, und die Artikelserie in der Schweizerischen Nationalzeitung unter dem Motto „Übrigens halten wir dafür, die Universität sei aufzuheben“ 9. Jg. 1850 (Nr. 196, 20.8.; Nr. 279, 25.11.; Nr. 295, 13.12.; Nr. 305, 26.12.) u. 10. Jg. 1851 (Nr. 22, 27.1.; Nr. 23, 28.1.; Nr. 24, 29.1.; Nr. 25, 30.1., Nr. 28, 2.2.). 731 Auf diesen Zusammenhang weist Bonjour, Universität Basel (1960) S. 420 f., nachdrücklich hin. Allgemein Koprio, Basel und die eidgenössische Universität (1963), bes. S. 36–70. 732 Siehe etwa die Schriften von Rektor Schnell und Prof. Schönbein, Die Universität von Basel (1851), gegen eine zentrale Universität in Zürich bes. S. 20–24, und Christ, Schulen und Universitäten in Basel (1851), sowie den Artikel der Basler Zeitung vom 1.2.1851, 21. Jg. Nr. 27. 733 Im Dezember 1850 Anträge des Großrates Daniel Senn auf Aufhebung der Universität und des Ratsherrn August Stähelin auf umfassende Untersuchung des gesamten Unterrichtswesens, Koprio, Basel und die eidgenössische Universität (1963) S. 47. Debatten im Großen Rat am 3. und 4.2.1851, dazu Basler Zeitung 21. Jg. Nr. 29, 4.2.1851 u. Nr. 30, 5.2.1851, Schweizerische Nationalzeitung 10. Jg. Nr. 30, 4.2.1851 u. Nr. 31, 5.2.1851 und Neue Zürcher Zeitung 31. Jg. 6. u. 7.2.1851, S. 148 u. S. 152 f. Abstimmung über Antrag Senn am 3.2.1851: unterliegt 81:11, StA Basel, Protokolle Großer Rat 25, S. 329.
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professors Alexander Ecker734 und betonte die Ungewissheit der Entwicklung, schrieb aber zugleich auch, dass er „natürlich einen unter nicht gar zu ungünstigen Bedingungen erfolgenden Ruf [nicht] ausschlagen würde“.735 In gleichem Sinn äußerte sich Windscheid Anfang November gegenüber Luise Burckhardt und fügte hinzu: „Wenn ich Basel mit Freiburg vertauschte, würde ich als Mensch aus dem Sonnenschein in den Regen, als akademischer Lehrer aber aus dem Regen in erträgliches Wetter zu kommen glauben“.736 In den beiden folgenden Monaten kämpfte Windscheid um eine nüchterne Haltung angesichts dieser doch verlockenden Aussicht.737 Windscheids Hoffnung, nach Freiburg und damit an eine größere und zudem neben dem römischen Recht auch das französische Zivilrecht als Landesprivatrecht pflegende Universität738 zu kommen, war nicht grundlos. Wie sich aus einer Vorlage des Innenministeriums an das großherzogliche Staatsministerium vom 22.1.1850 ergibt, hatte die dortige juristische Fakultät als Nachfolger des nach Gießen berufenen Romanisten v. Madai neben Bachofen aus Basel und Schmidt (Ilmenau) in Greifswald gleichrangig auch Bernhard Windscheid vorgeschlagen. Ein zusätzlich durch das Ministerium bei dem berühmten v. Vangerow in Heidelberg eingeholtes Privatgutachten, dem die Behörde bei dessen Sach- und Personenkenntnis „besonderes Gewicht“ beilegte, riet von Windscheid jedoch mit dem Hinweis ab, „daß noch manche andere Civilisten mit größerem Gewinne für Freiburg erworben werden könnten“.739 Welche Gründe Vangerow zu diesem Bescheid bewogen haben, ist nicht bekannt. Jedenfalls wurde Windscheid von nun an nicht mehr in Betracht gezogen. Die vom Staatsministerium am 31.1.1850 genehmigten Unterhandlungen mit Bachofen und Schmidt (Ilmenau)740 führten dazu, dass nach Ablehnung Bachofens Schmidt (Ilmenau) am 26.4.1850 zum ordentlichen Professor für römisches Recht mit
734 Geb. 1816 in Freiburg i. Br., 1845–1850 in Basel, Teichmann, Universität Basel (1885) S. 49. 735 Windscheid am 24.10.1849 aus Düsseldorf an Alexander Ecker, LB Kiel BoieVoß NL, Cb 5.59:07. 736 Windscheid aus Basel an Luise Burckhardt-His in Bern am 5./6.11.1849, Familiennachlass Windscheid. 737 Im Dezember bedauert Windscheid – Brief vom 25.12.1849 aus Basel an Luise Burckhardt-His in Bern, Familiennachlass Windscheid – , dass er „von der ganzen Sache nichts mehr gehört“ hat, und meint: „Das Freiburger Ungewitter ist vorübergegangen, wenigstens wollen wir es ein Ungewitter nennen, da es vorübergezogen ist.“ Januar 1850 muss er sich selbst zur Ordnung rufen: „Aber nicht zu weit in die Zukunft gesehen. Vielleicht werde ich noch ein altes Männli in Basel.“ (Brief vom 20.1.1850 aus Basel an Luise Burckhardt-His in Bern, Familiennachlass Windscheid). 738 Neumayer, Die wissenschaftl. Behandlung im Großherzogtum Baden (1974) 205: „In Freiburg war der dem Landesprivatrecht in den Vorlesungen bewilligte Raum am größten; das Verhältnis zum römischen Recht war etwa 1:3.“ 739 Alle Zitate in dem erwähnten Bericht vom 22.1.1850, GLA Karlsruhe 233/33444. 740 Ermächtigung des Großherzogs an das Innenministerium vom 31.1.1850 im GLA Karlsruhe 233/33444.
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einem Jahresgehalt von 2000 Gulden741 berufen wurde.742 Schon zuvor musste Windscheid von dieser Entwicklung erfahren haben, denn Ende März wusste er, und die innere Erregung ist deutlich zu spüren: „Auch für mich schien die Freiburger Berufung wieder eine Zeit lang in größere Nähe zu treten. Zu meiner größeren Ruhe hat das auch nicht beigetragen. Jetzt hat sie sich wieder entfernt, – ich möchte fast sagen, hoffentlich auf Nichtwiederkehren.“ 743 Die tatsächliche Entwicklung kommentierte er dann sehr nüchtern: „Ich bleibe nun definitiv hier. Die fragliche Stelle in Freiburg ist besetzt.“ 744 Für diese berufliche Enttäuschung konnte den Gelehrten Windscheid der Verbleib in der Basler Gesellschaft nicht völlig entschädigen. Immerhin war deren Aufgeschlossenheit ein Trost angesichts der beschränkten wissenschaftlichen Verhältnisse. Von Anfang an wurde er an der Universität als der „geeignete Mann“ begrüßt,745 und von Bachofen als kompetenter Gelehrter, guter Lehrer und persönlich angenehmer Kollege geschildert,746 der das Recht mehr mit Blick auf Anwendung und Praxis als auf dessen geschichtliche Erforschung behandele.747 Dieser charakteristische Unterschied beider Gelehrter hinderte ihr gutes Einvernehmen jedoch nicht. Während Bachofen gegenüber Leist immer reserviert geblieben war,748 schickte er Windscheid Ende 1851 einen gerade vollendeten Abschnitt seiner „Geschichte der Römer“ 749 und verabschiedete ihn im Frühjahr 1852 mit dem Ausdruck lebhaftesten Bedauerns und der Bitte um fortdauerndes freundschaftliches Gedenken.750 Auch der Basler Gräzist Wilhelm Vischer,751 741 Dies war deutlich mehr als die 1600 Schweizer Franken, die Windscheid in Basel erhielt. Nach seinen eigenen Angaben hatte er dort ca. 600 Taler und 100 Taler Nebeneinnahmen, also – vor 1857 – 1200 bzw. 1400 Gulden, Brief Windscheids an Sybel vom 24.2.1852, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 19 f. 742 Bericht des Innenministeriums an das Staatsministerium vom 16.4.1850 und großherzogliche Ernennung vom 26.4.1850 GLA Karlsruhe 233/33444. Unrichtig dagegen Landsberg, Geschichte (1910), Noten S. 343, wonach Schmidt (Ilmenau) von 1849 bis 1854 in Greifswald geblieben, erst danach nach Freiburg gekommen sei. Ebd. weitere Daten zur Person. 743 Windscheid am 30.3.1850 aus Basel an Luise Burckhardt-His in Bern, Familiennachlass Windscheid. 744 Windscheid am 9.5.1850 aus Basel an Luise Burckhardt-His in Bern, Familiennachlass Windscheid. 745 Bericht des Rektors Gerlach über den Zustand der Universität im Jahre 1847 von Anfang 1848, StA Basel EZA X 33. 746 J. J. Bachofen an R. Ihering, Basel 6.1.1848, Bachofen Gesammelte Werke Bd. 10 (Briefe) (1967) Nr. 49 S. 77–79, 78. 747 Ebd.; dazu s. auch – negativ gewendet – noch Kohler, Windscheid (1903) S. 57 u. S. 60: Windscheid sei eine „ahistorische Person“, „ohne lebendigen historischen Sinn“. 748 J. J. Bachofen an R. Ihering, Luzern 16.7.1846, Bachofen Gesammelte Werke Bd. 10 (Briefe) (1967) Nr. 38 S. 60–64, 61. 749 Siehe Fn. 2 zu J. J. Bachofen an A. Gervasio, Rom 25.11.1851, Bachofen, Gesammelte Werke Bd. 10 (Briefe) (1967) Nr. 73 S. 123 f., 124.
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der Germanist Wilhelm Wackernagel752 und der klassische Philologe Franz Dorotheus Gerlach753 – zwei aus Deutschland berufene hervorragende Professoren der Universität Basel – lobten Windscheid überschwänglich. In seinen arbeitsintensiven Veranstaltungen lernten die jungen Studenten mehr, „als wenn sie bei Savigny oder Vangerow hören und daneben, wie Regel, nur kneipen“.754 Windscheid stehe in „allgemeiner Achtung“ und werde „als eine Zierde dortiger Universität betrachte[t]“.755 Er, der sein Amt „unter den schwierigsten Verhältnissen . . . angetreten“ habe, habe „ausgezeichnetes Lehrtalent“, „würdige sittliche Haltung“ und „Humanität“ bewiesen, sich die „Liebe seiner Schüler und die Achtung seiner Amtsgenossen und der hohen Behörden“ errungen und sich als Nachfolger ausgezeichneter Wissenschaftler „nicht nur behauptet, sondern . . . als Lehrer sie alle übertroffen“. Außerdem sei er „in den ersten Familien eingeführt“ gewesen, ohne dass ihm gegenüber, dem kritisch betrachteten Fremden, je der leiseste Tadel laut geworden sei.756 Windscheids Weggang bezeichnete denn auch sein Kollege Johannes Schnell als den Verlust „eines nicht nur unter uns, sondern auch bei unsern Studirenden verdientermaßen in besonders gutem Andenken stehenden Lehrers“.757 Allein von dem berühmten Historiker und seit 1848 außerordentlichen Professor in Basel Jacob Burckhardt ist eine andere Einschätzung Windscheids bekannt. Ihm gefiel Windscheids „scheinbar objective Art, die Leute von oben herunter zu definieren“ nicht.758 750
J. J. Bachofen an Windscheid, Basel 22.5.1852, Familiennachlass Windscheid. 1808–1874, über ihn Wyss, Wilhelm Vischer (I) (1960), S. 140 m.w. Nachw. u. E. His, Basler Gelehrte (1941) S. 125–135. 752 1806–1869, über ihn Staehelin, Wilhelm Wackernagel (1960) S. 138 u. E. His, Basler Gelehrte (1941) S. 113–124; seit 1837 Basler Bürger ehrenhalber, Pfister, Einbürgerung (1976) S. 386 Nr. 3032. 753 1793–1876, Meuli, Franz Dorotheus Gerlach (1960) S. 120 u. E. His, Basler Gelehrte (1941) S. 51–57; seit 1833 Basler Bürger ehrenhalber, Pfister, Einbürgerung (1976) S. 199 Nr. 862. 754 W. Vischer an R. Rauchenstein, Basel 9.3.1851 bei E. Vischer, Wilhelm Vischer (1958) S. 47–51, Zitat S. 48. 755 Rudorff an den geheimen Oberregierungsrat Schultze im preußischen Kultusministerium, Berlin 15.2.1852, nach Auskunft von Wackernagel in Basel und Keller in Berlin, SBPK Berlin, Slg. Darmstaedter 2 h (8) 1833, A. A. F. Rudorff, Abschrift im GStA PK Rep. 76 Va Sekt. 7 Tit. IV Nr. 20 Bd. 1 Bl. 285r+v. 756 F. D. Gerlach an Geheimen Oberregierungsrat Schultze, Basel 16.2.1852, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 b (8) 1823 F. D. Gerlach, Abschrift im GStA PK Rep. 76 Va Sekt 7 Tit. IV Nr. 20 Bd. 1 Bl. 280r+v. 757 Rektoratsbericht des Exrektors für das Jahr 1852, Basel 24.2.1853, StA Basel, EZA X 33. 758 Jacob Burckhardt an Paul Heyse, Basel, 12.11.1875, J. Burckhardt, Briefe Bd. 6 (1966) Nr. 692 S. 67–69, 67 und Max Burckhardts plausible Hypothese, dass mit dem ungenannten „Individuum“ nur Windscheid gemeint sein könne, ebd. S. 337. Umgekehrt erscheint auch Jakob Burckhardts Name in keinem der erhaltenen WindscheidBriefe. Zum ganzen spekulierend Wolf, Jakob Burckhardt (1982), Zitat der Briefstelle dort S. 174. 751
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Diese fast allseitige Anerkennung steht in seltsamem Kontrast zu Windscheids erster Äußerung über die Basler Verhältnisse. Am 1. Januar 1848 schrieb er an Heinrich v. Sybel, dass er sich in seinen düsteren Erwartungen nicht getäuscht sehe, eine politische und gesellschaftliche „Engheit“ vorfinde, „dass es einem . . . ganz übel und weh zu Muthe wird“ – wobei die „Einge- und Verbaselten, wohin denn auch ein guter Theil meiner Herren Collegen gehört“ die Schlimmsten seien – und er sich als „Dütscher“ „nichts weniger als heimelich“ fühle.759 Doch dieser erste Schock angesichts Basler Nüchternheit und Geschäftstüchtigkeit verlor sich schnell. Schon drei Monate später schrieb er an Luise Burckhardt-His: „Ich habe mich noch nie in einer Stadt so schnell heimisch und wohl gefühlt“, wobei er das Verdienst daran neben der Freundschaft ihrer Familie auch „den Professoren der deutschen Gesellschaft“ zuschrieb.760 Nach viereinhalb Jahren gestand er auch Sybel, dass er nur „mit schwerem Herzen“ gehe, denn er habe sich „hier eingewöhnt, und viel Freundschaft und Liebe ist mir hier zu Theil geworden“.761 Dabei blieben diese Kontakte jedoch im privaten Bereich. Außer der „deutschen Gesellschaft“ 762 erwähnte Windscheid selbst keinen weiteren festen Kreis. Insbesondere war er nicht wie zahlreiche Kollegen, die meisten seiner Vorgänger und auch sein Nachfolger Mitglied der Historischen Gesellschaft763 und hielt auch keine der in den Wintersemestern regelmäßig angebotenen Vorlesungen für gemischtes Publikum.764 Allein am informellen „akademischen Kränzchen“ nahm er teil.765 Soweit heute noch feststellbar,766 beschränkten sich die engeren Beziehungen Windscheids im Wesentlichen auf die ausgedehnte Verwandtschaft Luise Burckhardt-His’767 und gerade den ursprünglich verpönten Kreis der „verbaselten“ deutschen Professoren. Häufig erscheinen in seinen Brie759
GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1, XLIX Bl. 16–18v. Windscheid an Luise Burckhardt-His, Düsseldorf 3.4.1848, Familiennachlass Windscheid. 761 Windscheid an H. v. Sybel, Basel 3./10.4.1852, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1, XLIX Bl. 36–37v. 762 Zu ihr und ihrer Veränderung von einem Honoratioren- in einen demokratischen Verein im Laufe des Jahres 1848 P. Burckhardt, Geschichte (1942) S. 255 f. 763 Das ergibt sich aus den Vorberichten in den Beiträgen zur vaterländischen Geschichte 4 (1850) S. V–XI, VIII f. u. 5 (1854) S. V–X, VII f.; ein Zeichen für Windscheids fehlenden „historischen Sinn“? So Bachofen laut Kohler, Windscheid (1893) S. 60. – Die näher liegende Juristische Gesellschaft bestand seit 1845 nicht mehr, Kern, Beseler (1982) S. 51 und ders., Juristische Gesellschaft (1983). 764 WS 1848/49: Schönbein und J. Burckhardt, WS 1849/50: Jung, Schönbein und J. Burckhardt, WS 1850/51: Hagenbach, Rektoratsberichte vom 7.2.1850, 13[?]2.1851 u. 18.2.1852, alle StA Basel EZA X 33. 765 Siehe Briefe Friedrich Miescher-His’ an Windscheid, 8.1.1853 und Antonie Miescher-His’ an Windscheid, 19.1.1854, beide Familiennachlass Windscheid. 766 Die zahlreichen Briefe Windscheids an Luise Burckhardt-His, die hier als Hauptquelle dienen, reichen für die Basler Zeit nur bis Sommer 1850. 767 Dazu umfassend E. His, Chronik (1943), zu Luise Burckhardt-His bes. S. 257– 259. 760
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fen an Luise Burckhardt-His die Namen Ecker768 und Jung769, erwähnt werden daneben aber auch Wackernagel,770 De Wette,771 Fischer,772 Schönbein,773 Gerlach,774 Brömmel775 und Bruch776. Über Luise Burckhardt-His lernte er ihre 768 Briefe an Luise Burckhardt-His vom 8.5.1849, 20./21.5.1849, 30.6.1849, 12.7. 1849, 4.12.1849, 25.12.1849, 4.1.1850, 20.1.1850, 30.3.1850, 9.5.1850 und 2.6.1850, alle Familiennachlass Windscheid, und an Alexander Ecker vom 9.10. und 24.10.1849, LB Kiel Boie-Voß NL Cb. 5.59:07. 769 Professor für Anatomie Carl Gustav Jung (1793–1864), Basler Bürger seit 1824, Pfister, Einbürgerung (1976) S. 245 Nr. 1387; über ihn Wolf-Heidegger, Carl Gustav Jung (1960) S. 122 u. E. His, Basler Gelehrte (1941) S. 69–76, auch über seine dritte Ehefrau Sophie geb. Frey (1812–1855) u. seine Tochter[?] Anna (geb. 1832 od. 1833). Brief Windscheids an C. G. Jung, 19.2.1855 (zum Tod der Frau), UB Basel NL Jung 7 N 77; Brief Sophie Jungs an Windscheid, 24.3.1853; Briefe Windscheids an Luise Burckhardt-His vom 3.4.1849, 8.5.1849, 20./21.5.1849, 15.10.1849, 17.11.1849, 4.12. 1849, 25.12.1849, 4.1.1850, 20.1.1850, 20./21.2.1850, 9.5.1850, 21.5.1850 u. 2.6.1850, alle diese Briefe im Familiennachlass Windscheid. 770 Germanistikprofessor Wilhelm Wackernagel, erwähnt in den Briefen Windscheids an Luise Burckhardt-His vom 19.9.1848, 5./6.11.1849, 4.12.1849, 4.1.1850, 20.1.1850, Familiennachlass Windscheid, und Brief Windscheids an Wackernagel, 26.12.1852, StA Basel PA 82 B 16 Windscheid, B. 771 Theologieprofessor Wilhelm Martin Leberecht de Wette (1780–1849), seit 1829 Basler Bürger ehrenhalber, Pfister, Einbürgerung (1976) S. 168 Nr. 495; über ihn E. Staehelin, Wilhelm Martin Leberecht de Wette (1960) S. 116 u. E. His, Basler Gelehrte (1941) S. 32–43; erwähnt in Briefen Windscheids an Luise Burckhardt-His vom 20./21.5.1849, 17.6.1849 (Nachruf: „ausgezeichneter Gelehrter“ und „mehr als das, . . . ein guter Mensch“), 5./6.11.1849 (Frau de Wette), alle Briefe Familiennachlass Windscheid. 772 Friedrich Fischer (1801–1853), Professor für Philosophie, Teichmann, Universität Basel (1885) S. 53; E. His, Basler Gelehrte (1941) S. 179: Württemberger, sog. „dicker Fischer“; erwähnt in Briefen Windscheids an Luise Burckhardt-His vom 20./21.5.1849 und 17.6.1849, Familiennachlass Windscheid, und an Andreas Heusler-Ryhiner, 26.12. 1852, StA Basel PA 328 E 168 Windscheid, Bernhard sowie im Brief von Sophie Jung an Windscheid vom 24.3.1853, Familiennachlass Windscheid. 773 Christian Friedrich Schönbein, Professor für Physik und Chemie (1799–1868), seit 1840 Basler Bürger ehrenhalber, Pfister, Einbürgerung (1976) S. 352 Nr. 2640. über ihn H. Dahn, Christian Friedrich Schönbein (1960), S. 128 u. E. His, Basler Gelehrte (1941) S. 86–94. Erwähnt in Briefen Windscheids an Luise Burckhardt-His vom 20./21.5.1849, 4.1.1850, 2.6.1850, Familiennachlass Windscheid, im Brief Windscheids an Friedrich Miescher-His vom 15.7.1851, UB Basel NL Fr. Miescher-His B Nr. 6244 und im Brief Windscheids an Andreas Heusler-Ryhiner vom 26.12.1852, StA Basel PA 328 E 168 Windscheid, B. Ebenso auch in den Briefen an Windscheid von Friedrich Miescher-His vom 8.1.1853 und Sophie Jung vom 24.3.1853, Familiennachlass Windscheid. 774 Erwähnt in Briefen Windscheids an Luise Burckhardt-His vom 4.1.1850, 9.5. 1850, 2.6.1850 und im Brief Sophie Jungs an Windscheid, 24.3.1853; alle Briefe Familiennachlass Windscheid. 775 Friedrich Brömmel (1791–1856), 1823–1856 Professor für Geschichte, Teichmann, Universität Basel (1885) S. 53 u. E. His, Basler Gelehrte (1941) S. 20 u. S. 190, im Brief Windscheids an Luise Burckhardt-His vom 4.1.1850, Familiennachlass Windscheid, erwähnt. 776 Carl Bruch, geb. 1819 in Mainz, 1850–1855 o.Prof. der Anatomie und Physiologie in Basel, Teichmann, Universität Basel (1885) S. 49. Erwähnt in Windscheids Brie-
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Schwester Antonie Miescher und deren Mann, den Medizinprofessor Friedrich Miescher, kennen.777 Auch mit Luises Brüdern Fritz und Eduard His kam er zusammen.778 Darüber hinaus gab es engere Kontakte jedoch nur noch mit den Familien Heitz,779 und dem gastfreundlichen Haus der Vischers780 sowie mit Andreas Heusler, dem Altratsherrn, Professor und Herausgeber der für Basler Verhältnisse konservativen und von Windscheid sehr geschätzten Basler Zeitung.781 In ihm fand er einen politisch interessierten Gesprächspartner, mit dem auch andere als Basler Angelegenheiten beredet werden konnten.782 Diese Zusammenstellung zeigt, dass – wie bei der Kleinheit der Universität natürlich – ein ausge-
fen an Friedrich Miescher-His vom 15.7.1851 und 31.10.1852, UB Basel NL Fr. Miescher B Nr. 6244 u. 6245 und in den Briefen von Friedrich Miescher-His vom 8.1.1853 und von Sophie Jung vom 24.3.1853 an Windscheid, beide Familiennachlass Windscheid. 777 Zu Antonie Miescher geb. His (1819–1896) und Friedrich Miescher (1811–1887) siehe E. His, Chronik (1943) S. 254–257 u. über ihn ders., Basler Gelehrte (1941) S. 136–144. Windscheid kennt sie mindestens seit September 1848 (Brief an Luise Burckhardt-His vom 19.9.1848), nimmt regen Anteil an Mieschers zweiter Berufung nach Basel (Briefe an dies. vom 9.5.1850, 21.5.1850, 2.6.1850 und 29.6.1850) und bleibt dann in engem Kontakt mit der Familie (Briefe Antonie Mieschers an Windscheid vom 14.8.1850 oder 1851 und nach dem 28.5.1851 sowie Brief Windscheids an Friedrich Miescher vom 15.7. 1851). Der letzte Brief UB Basel NL Fr. Miescher-His B Nr. 6244, alle übrigen Familiennachlass Windscheid. 778 Über den Seidenbandfabrikanten und Kunsthistoriker Eduard His (1820–1905) und den Seidenbandfabrikanten Friedrich (Fritz) His (1824–1891) s. E. His, Chronik (1943) S. 261–276 u. S. 277–282. Windscheid erwähnt Fritz His gegenüber Luise Burckhardt-His in seinen Briefen vom 20./21.5.1849 und 17.11.1849 und Eduard His in seinem Brief vom 30.6.1849, alle Familiennachlass Windscheid. 779 Wohl der Notar August Christoph Heitz und dessen Frau Anna, geb. De Wette, E. His, Basler Gelehrte (1941) S. 34 Fn. 4, von Windscheid in Briefen an Luise Burckhardt-His erwähnt am 25.12.1849, 4.1.1850, und 20./21.2.1850, alle Familiennachlass Windscheid. 780 Carl Vischer-Merian (1818–1895), Geschäftspartner und Verwandter der Familie His, Ratsherr und Historiker, E. His, Chronik (1943) S. 265, ders., Basler Gelehrte (1941) S. 376 f., ders., Basler Handelsherren (1929) S. 61 f. und Vischer-Ehinger, Familie Vischer (1933) S. 192–195 u. S. 211 f. (dort auch zu dessen Frau Amélie geb. Merian). Von Windscheid in seinen Briefen an Luise Burckhardt-His vom 5.9.1849, 25.12.1849, 4.1.1850, 20.1.1850, 20./21.2.1850, 9.5.1850 und 2.6.1850 erwähnt. 781 Erste Erwähnung im Brief Windscheids an Luise Burckhardt-His vom 11.3.1850, Familiennachlass Windscheid. Zur Basler Zeitung siehe E. His, Ratsherr Andreas Heusler (1929), bes. S. 276–302 u. S. 282. Zitat aus Windscheids Brief an Andreas HeuslerRyhiner vom 12.1.1860 nach deren Ende: „Sie war ein gutes Blatt und hat viel genützt“, StA Basel PA 328 E 168 Windscheid, Bernhard. – Zur Vergleichbarkeit des Basler und besonders Heuslers Konservatismus mit deutschem gemäßigtem Liberalismus Kern, Andreas Heusler (1984) S. 918 (gilt auch für den Vater). 782 Windscheid erinnert sich noch in Briefen an Heusler vom 26.12.1852, 15.1.1855 und 12.1.1859 an die gemeinsame Zeit, ihre Freundschaft und „Spaziergänge . . ., auf denen wir . . . das Wohl der Welt zu berathen pflegten“ (15.1.1855). Alle Briefe StA Basel PA 328 E 168, Windscheid, Bernhard.
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prägter gesellschaftlicher Verkehr zwischen den Fakultäten stattfand und Windscheid am gesellschaftlichen Leben durchaus teilnahm.783 Zwischen diesen Kreisen und Windscheid waren auch noch Jahre nach seinem Weggang aus Basel nicht alle Verbindungen abgebrochen.784 Auch wenn Windscheid Freundschaft lediglich als Verpflichtung darstellte, auf das Wesen des anderen im idealen Sinne einzuwirken,785 ohne sich an ihn zu binden, und er gegenseitige Entfremdung durch unterschiedliche geistige Einflüsse in der Theorie als normal zu akzeptieren suchte786, hat sich in der Praxis Windscheids innere Treue zum einmal gewonnenen Freund immer durchgesetzt.787 In Basel war die Beziehung zu Luise Burckhardt-His die intensivste. Er besuchte sie häufig auf dem „Wenken“, einem Landhaus nahe Basel.788 Ihr berichtete er in zahlreichen Briefen789 von seinem Leben und seinen Gedanken, von Festen im Kreis der Bekannten, aber auch von Gefühlen des Alleinseins, von Ausflügen in die Schweizer Berge wie den regelmäßigen Besuchen in Düsseldorf, vom Alltag und der Arbeit sowie besonders von seinen Gedanken über ein glückliches Leben. Aber er ging auch auf Luises Leben ein, beriet sie in der Erziehung ihrer Kinder, versorgte sie weiterhin mit einer ausgebreiteten Literaturauswahl als geistiger Nahrung und nahm allzeit Anteil an ihrem Geschick und dem ihrer Familie. 783 Gegen Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 599 u. ders., Jakob Burckhardt (1982) S. 174. Auch von „zuviel an Verkehrsscheu“, ebd. S. 176, scheint Windscheid völlig frei. Johannes Schnell findet bei ihm im Gegenteil einen „geselligen Spottgeist“, Brief an v. Wyss vom 25.5.1852 bei Müller-Büchi, Johannes Schnell (1964) S. 53 Fn. 25. Ähnlich auch Friedrich Miescher-His an Windscheid am 8.1.1853, Familiennachlass Windscheid: „Die juristische Fakultät [ist] nicht mehr mit dem früheren Glanz in der Gesellschaft repräsentirt.“ 784 So nimmt Windscheid Anteil an der Verbindung von Andreas Heuslers Tochter Sophie mit Luise Burckhardt-His’ Bruder Eduard His, Brief vom 26.12.1852 an Andreas Heusler-Ryhiner, StA Basel PA 328 E 168 Windscheid, Bernhard, am Tod von C. G. Jungs Frau Sophie, Brief vom 19.2.1855, Familiennachlass Windscheid, und bittet 1862 Carl Vischer-Merian zum Paten seines Sohnes Franz, Stammbuch Windscheid 28. 785 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 4./5.6.1849, Familiennachlass Windscheid. 786 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 20.1.1850, 28.1.1850 und 20.2.1850, Familiennachlass Windscheid. 787 So auch Sophie Jung an Windscheid am 24.3.1853, Familiennachlass Windscheid. 788 Wilhelm His – Bruder Luise Burckhardt-His’ –, Lebenserinnerungen (1903) S. 17, wo der spätere Professor der Medizin berichtet, dass ihm Windscheid dort geraten habe, seiner Neigung entsprechend Naturwissenschaften und nicht Jura zu studieren. Über Wilhelm His (1831–1904) E. His, Chronik (1943) S. 283–292, ders., Basler Gelehrte (1941) S. 218–226. Siehe auch die Briefe Windscheids an Luise Burckhardt-His vom 18.4.1848, 17.6.1849, 5.9.1849, 20./21.2.1850 („was wir voneinander haben, wenn Sie auf dem Wenken sind, wissen wir nur zu gut“), 29.6.1850 und 16.7.1850, alle Familiennachlass Windscheid. 789 Allein für die Zeit vom 21.9.1847 (Ruf nach Basel angenommen) bis zur nach dem 16.7.1850 folgenden Lücke enthält der Familiennachlass Windscheid 49 datierte und drei weitere undatierte, aber diesem Zeitraum zuzuordnende Briefe an Luise, dazu zwei Briefe an Martin Burckhardt-His.
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Trotz seinem Alter und der weitgehenden Integration in die Basler Gesellschaft heiratete Windscheid nicht, weil seine finanziellen Möglichkeiten es ihm nicht erlaubten.790 Das beschäftigte ihn zuweilen sehr, denn für ihn gehörte die Verbindung der Geschlechter zur Bestimmung des Menschen, die ihn der angestrebten Einheit mit dem All näher bringt.791 Überhaupt wurde Windscheids Leben in Basel beherrscht von philosophischen Überlegungen zum menschlichen Glück und der Stellung des Menschen in der Welt. Offenbar mit sich selbst und seiner Situation nicht im Reinen, suchte er Antworten auf diese Fragen, wobei er allein seinen Verstand einsetzte und Emotionen oder seelische Bedürfnisse unterdrückte, sie als „Sentimentalitäten“ 792 abtat. Manchmal führte er den Kampf gegen sein auch von ihm nicht immer beherrschtes Gefühl in übertriebener Form,793 aber nie grüblerisch oder voller Selbstzweifel,794 sondern in klarem Bewusstsein des zu erstrebenden Zieles. Dieses Ziel war eine „vollständige Anschauung der echten und wahren Mittelpunkte unseres Seins“ 795 und das Erkämpfen persönlichen Glücks mittels der Erkenntnis.796 Windscheid hatte nach eigener Aussage hierbei in Basel einige Fortschritte gemacht.797 Über sein bei aller gesellschaftlichen Abwechslung oft monotones und zuweilen einsames Leben sagte er mehrfach, er sei „zufrieden und daher glücklich“.798 Zur intellektuellen Bereicherung dienten ihm dabei die musischen Interessen. Die Literatur der Welt vom Nibelungenlied bis zu George Sand799 war Nahrung 790 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 20.1.1850, Familiennachlass Windscheid. 791 Ebd. und Windscheid an Luise Burckhardt-His am 30.3.1850, Familiennachlass Windscheid. 792 Z. B. Windscheid an Luise Burckhardt-His, Düsseldorf 16.4.1849, Familiennachlass Windscheid: kämpft gegen das väterliche Erbe einer „übermäßigen Sentimentalität“. 793 So wenn er am 20.2.1850 an Luise Burckhardt-His über ihre Freundschaft schreibt: „Kein Mensch ist unersetzlich, und derjenige[!], der irgend einen für unersetzlich hält, erkläre ich geradezu für krank“, Familiennachlass Windscheid. 794 So aber Wolf, Jakob Burckhardt (1982) S. 176. 795 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 4.1.1850, Familiennachlass Windscheid. 796 Windscheid an Heinrich v. Sybel am 1.1.1848, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 16–18v, 17r: „Überzeugung . . ., dass . . . aller Wille, also auch der moralisch gute Wille, sicher nur auf dem Grunde der Erkenntniß ruht, der Mensch also gut werden kann nur durch Erkenntniß, aber auch durch sie allein . . .“ – „Mit deiner Gnade kann ich mich ganz und gar nicht befreunden.“ 797 Windscheid an Heinrich v. Sybel am 10.4.1852, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 36–37v: Fortschritte gemacht in dem „was Immermann so schön ,der Dinge Achtung‘ nennt.“ 798 So Windscheid an Luise Burckhardt-His sinngemäß am 26.6.1848, 20./21.5.1849 und 20.1.1850, Familiennachlass Windscheid. 799 Windscheid schenkt Luise Burckhardt-His am 23.12.1849 das Nibelungenlied und Parzival und am 16.5.1848 zusammen mit Varnhagen von Enses ,Leben Blüchers‘ und seinen ,Denkwürdigkeiten‘ sowie Lamartines ,Histoire des Girondins‘ auch drei
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für die wechselnden Bedürfnisse des Geistes und sollte daher nicht nur gelesen, sondern verarbeitet werden.800 Dabei hatte die jetzt „vollständig zur Seite geschoben[e]“ Epoche der Romantik nur beschränkten Wert. Die von ihr propagierte Flucht aus der Wirklichkeit in eine Phantasiewelt war nur in seltenen Notfällen erlaubt, denn sie leugnete die „Einsicht, daß alle Schönheit, wie alle Wahrheit, nur auf dem Boden des Wirklichen ruht, . . ., daß also die Aufgabe der Poesie nur sein kann, das Wirkliche in diesen wahren Zusammenhang und dieses wahre Verhältniß zurückzuversetzen“.801 Tiecks Phantasus konnte darum zwar „mit großer Freude“ aber nur ohne tieferes Nachdenken gelesen werden, während Rankes Geschichte der Päpste wertvoll war, weil sie die größten Ideen behandelt, „die Freiheit des Individuums im Kampfe mit einer Gebundenheit, die unmittelbare göttliche Autorität für sich in Anspruch nimmt“.802 Das Theater diente ihm zur Aufrüttelung und versah ihn mit geistigem Stoff,803 und in der Musik zeigte sich für ihn besonders eindringlich die „Einheit in der Vielheit“ als das „Princip alles Seins“.804 Die regelmäßigen, durch frohe und traurige Anlässe, später besonders durch wiederkehrende nervöse Anfälle seiner Mutter veranlassten Aufenthalte in Düsseldorf 805 bedeuteten für ihn nicht nur Erholung im Schoße der Familie, sondern häusliche Hilfeleistung – besonders für seine älteste verwitwete Schwester Maria –, diente ihm auch dazu, „daß ich mich immer mehr gewöhne, mein eigenes Ich allgemeineren Interessen unterzuordnen“. Denn auf diesem „practischen Gebiete“ musste er sich, behindert durch eine vom Vater ererbte „übermäßige Sentimentalität“, „noch unendlich viel erarbeiten“.806 Romane von George Sand, darunter den sozialkritischen ,Consuelo‘ und seine Fortsetzung, ,die Gräfin von Rudolstadt‘. Beide Briefe Familiennachlass Windscheid. 800 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 17.11.1849 und am 23.12.1849: „erstrebenswertes Ziel, Sie allmälig mit dem Besten, was die Zeiten hervorgebracht haben, zu umgeben“, Familiennachlass Windscheid. 801 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 20./21.5.1849 mit dem Zusatz: „Sie hatte – auf ihrem Gebiete – keine Liebe zu den Dingen“, Familiennachlass Windscheid. 802 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 20./21.5.1849 (Zitat zu Tieck) und am 17.6.1849 (zu Tieck und Ranke), Familiennachlass Windscheid. 803 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 4.12.1849, Familiennachlass Windscheid. 804 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 4./5.6.1849, Familiennachlass Windscheid. Geistige Bildung bedeutet für Windscheid also nicht „vor allem . . . methodische Erziehung zum logischen Denken“, wie Wolf, Jakob Burckhardt (1982) S. 179, meint. 805 Windscheid ist im April und Oktober 1848 und 1849 sowie im Juli/August 1850 in Düsseldorf. In diese Zeit fallen die Hochzeit seiner Schwester Auguste mit dem Düsseldorfer Advokat-Anwalt Engelbert von Fuchsius (22.4.1849) und die seines Bruders Wilhelm mit Marie Wetschky (Sommer 1850). Briefe Windscheids an Luise Burckhardt-His vom 3.4.1848, 18.4.1848, 19.9.1848, 9.10.1848, 3.4.1849, 16.4.1849, 3.5. 1849, 2.10.1849, 30.3.1850 und 16.7.1850, alle Familiennachlass Windscheid. 806 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 16.4.1849, Familiennachlass Windscheid.
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Wissenschaftliche Arbeit war ebenfalls viel mehr als reiner Beruf und Broterwerb. Sie erhielt ihren Sinn mit dem „Bewußtsein, durch diese geistige That . . . dem Höchsten gedient, mitgearbeitet zu haben an der Arbeit der Jahrhunderte, der Vergeistigung des Menschengeschlechts“. Dies verschaffte ihm eine „heitere Freudigkeit, wie es eine reinere . . . überhaupt nicht gibt“. So warf die Arbeit „ein mildes und verklärendes Licht auf mein ganzes Leben“ und war allein imstande, ihm Momente zu verschaffen, „wo ich wunschlos bin . . . in der klaren Ruhe, welche weiß, daß sie die Hauptsache hat, neben welcher alles Andere werthlos ist“ 807 Anfangs arbeitete Windscheid allein an seinen Vorlesungsmanuskripten, die an Basler Verhältnisse und das zugrunde gelegte Puchta’sche Pandektenlehrbuch angepasst werden mussten.808 Dann war er bis zum Sommer 1850 mit vier unterschiedlichen Themen befasst.809 Bevor er im Oktober 1849 die „Voraussetzung“ 810 in Angriff nahm, beschäftigte er sich im Mai und Juni 1849 sehr intensiv mit einem Aufsatz von ungefähr zwei Bogen Umfang,811 hinter dem sich entweder seine Ausführungen über den Verzug im französischen Recht812 oder, was wahrscheinlicher erscheint, die das Thema seiner Dissertation wieder aufgreifenden Darlegungen „Über das Princip des SC Velleianum“ 813 verbergen. Das würde bedeuten, dass von den beiden 1849 gedruckten Arbeiten zum Code Civil der eine Text im April 1849 und der andere – es bleibt noch „Über die Begründung der Servituten durch destination du père de famille“ 814 – zuvor entstanden sein muss. Jedenfalls ist sicher, dass Windscheid nicht, wie behauptet worden ist, mit seiner Ankunft in Basel die Beschäftigung mit dem französischen Zivilrecht aufgegeben hat.815 Windscheids Art zu schreiben war so intensiv, dass sie zuweilen sogar seine Gesundheit zu gefährden drohte. Zwar vermochten ihn Unwohlsein und manchmal heftige rheumatische Anfälle816 nicht darin zu erschüttern, dass er sich, seit 807 Alle Zitate aus dem Brief Windscheids an Luise Burckhardt-His vom 2.6.1850, Familiennachlass Windscheid. 808 Windscheid am 1.1.1848 an Heinrich v. Sybel, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 16–18v. 809 Berichte von seiner Arbeit an Luise Burckhardt-His vom 26.6.1848 (I), 16.4.1849 (II), 20./21.5.1849, 4./5.6.1849 und 17.6.1849 (III) und zwischen dem 17.11.1849 und dem 16.7.1850 (IV), alle Briefe Familiennachlass Windscheid. 810 B. Windscheid, Die Lehre des römischen Rechts von der Voraussetzung, Düsseldorf 1850. 811 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 17.6.1849, Familiennachlass Windscheid. 812 B. Windscheid, Die Lehre des französischen Rechts von der mora (Verzug, demeure), ACCR 44 (1849) 2. Abt. B S. 17–39. 813 AcP 32 (1849) S. 283–324. 814 ACCR 44 (1849) 2. Abt. B S. 3–13. 815 So Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 599 und S. 595: beide Aufsätze zum französischen Recht seien bereits in Bonn entstanden. 816 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 16.4.1849 und 28.1.1850, Familiennachlass Windscheid.
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er die früheren „arge[n] Gedanken in Betreff meiner Gesundheit . . . weggejagt habe,“ „nicht nur geistig glücklicher, sondern geradezu auch körperlich wohler fühle“.817 Dennoch lässt sich dies besonders für die Zeit seiner Beschäftigung mit der Voraussetzungslehre gut nachvollziehen. Im November 1849 war er guter Dinge und noch sicher, dass der inzwischen entwickelte Arbeitsrhythmus ihm nicht mehr gefährlich werden könnte.818 Ende März jedoch gestand er, dass er mehr arbeite, als ihm zuträglich sei, meinte aber: „was wollen Sie? Jede umfassendere Arbeit bringt in diese Art von fieberhaftem Zustande und kann ohne den nicht zu gedeihlichem Ende geführt werden.“ 819 Mitte April musste er, obwohl die Arbeit noch nicht fertig war, unterbrechen und fuhr 14 Tage zur Erholung nach Bern,820 wo sich die Familie Burckhardt während des Medizinstudiums von Martin Burckhardt aufhielt. Erst am 10. Mai hatte er seinen durch Überarbeitung entstandenen Widerwillen überwunden und konnte die Arbeit fortsetzen.821 Ende Juni dann war das Ende absehbar und Mitte Juli, nach neun Monaten, das Buch druckfertig.822 Die Savigny zum 50-jährigen Doktorjubiläum gewidmete Schrift823 übersandte Windscheid Ende Oktober zusammen mit einem in ehrerbietigem Tone gefassten Schreiben an den Jubilar. In diesem Brief feierte er Savigny aber nicht nur – auch im Namen der juristischen Fakultät Basel – als den Begründer einer neuen Ära der Rechtswissenschaft und damit auch als „geistigen Erzeuger“ dieser Schrift, sondern Windscheid wies auch deutlich und selbstbewusst darauf hin, dass er sachlich vielfach von dem von Savigny Gelehrten abweiche.824 Danach entstanden in Basel noch zwei Schriften zur Bedingungslehre, 1851 als akademisches Programm der Aufsatz „Die Wirkung der erfüllten Bedingung“ und ein Jahr später für das Archiv für die civilistische Praxis die Abwandlung „Über die Wirkung der erfüllten Potestativbedingung“.825 Damit blieb Windscheid in Basel seinen alten Themen, dem französischen und römischen Zivilrecht, insbesondere dem Schuldrecht, treu. Zu einer näheren Beschäftigung mit dem schweizerischen Recht hatte er keine Veranlassung, ohne dass man ihm daraus einen 817
Windscheid an Luise Burckhardt-His am 4.1.1850, Familiennachlass Windscheid. Windscheid an Luise Burckhardt-His am 17.11.1849, Familiennachlass Windscheid. 819 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 30.3.1850, Familiennachlass Windscheid. 820 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 7. und 16.4.1850, Familiennachlass Windscheid. 821 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 9.5.1850, Familiennachlass Windscheid. 822 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 29.6.1850 und 16.7.1850, Familiennachlass Windscheid. 823 B. Windscheid, Voraussetzung (1850), Widmung: „Carl Friedrich von Savigny, dem Erneuerer der Wissenschaft des römischen Rechts gewidmet. Ein Beitrag zur Feier des 31. October 1850.“ 824 Windscheid an Savigny, Basel 23.10.1850, UB Marburg Ms. 725/1385. 825 Irrtümlich rechnet Molitor, Greifswalder Juristenfakultät (1956) S. 15, die Schriften über die Bedingung zur Greifswalder Periode. 818
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Vorwurf machen sollte.826 Auch sonstige fachliche Einflüsse waren angesichts der wenigen in Basel tätigen Romanisten nicht zu erwarten. Windscheid selbst beklagte mehrfach das Fehlen geistigen Anstoßes,827 zu dem ihm offensichtlich weder Emanuel Burckhardt-Fürstenberger noch Bachofen mit seiner freilich ganz anders orientierten Sicht des römischen Rechts verhelfen konnten. Im Frühjahr 1852 endete Windscheids Basler Zeit. Am 23. Februar erhielt er den Ruf Minister v. Raumers vom 20.2.1852 als Professor für Prozess und römisches Recht an die juristische Fakultät nach Greifswald.828 Windscheid nahm umgehend an, jedoch – eingedenk der Voraussetzungen seiner Berufung nach Basel – unter der einen Bedingung, dass er nur dann schon zu Ostern und damit zum Sommersemester nach Greifswald kommen könne, wenn bis dahin seine Nachfolge in Basel geregelt sei.829 Zugleich bemühte er sich selbst darum, einen Nachfolger zu finden. Unter anderem erkundigte er sich bei Sybel in Marburg nach dessen Kollegen Zimmermann, der von Grimm gelobt wurde, den Windscheid jedoch nicht kannte.830 Noch am gleichen Tag unterrichtete Windscheid den Präsidenten der Kuratel in Basel, Peter Merian, von dem an ihn ergangenen Ruf und bat darum, „mir bei der hohen Behörde die Entlassung von der hier von mir bekleideten Professur, und zwar, für den Fall, daß von preußischer Seite auf sofortigem Antritt meines neuen Amtes bestanden werden sollte, und unter der Bedingung, daß dann für eine neue Besetzung meiner hiesigen Stelle gesorgt sei, schon zu Ostern d. J. erwirken zu wollen“.831 Entgegen der eindringlichen Bitte Windscheids832 bestand v. Raumer auf dem Dienstantritt zum Sommersemester,833 und es gelang auch, bis dahin einen Nachfolger für Windscheid zu berufen. Da der ebenfalls ausgewählte Alois Brinz aus München einen Ruf als außer826
So aber Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 599. Windscheid am 5./6.11.1849 an Luise Burckhardt-His, Familiennachlass Windscheid, an Heinrich v. Sybel am 10.4.1852, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 36–37v, an Friedrich Miescher-His am 31.10.1852, UB Basel NL Fr. Miescher B Nr. 6245 und an Andreas Heusler-Ryhiner am 26.12.1852, StA Basel PA 328 E 168 Windscheid, Bernhard. 828 GStA PK Rep. 76 Va Sekt 7 Tit. IV Nr. 20 Bd. 1 Bl. 284r+v. 829 Windscheid an Minister v. Raumer, Basel 25.2.1852, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847 (10) B. Windscheid Bl. 112 f. 830 Windscheid an Heinrich v. Sybel, Basel 24.2.1852, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 19 f. 831 Windscheid an den Kuratelspräsidenten Peter Merian, Basel 25.2.1852, StA Basel EZA Z 11. Brief zitiert auch bei Rabel, Windscheid (1909) Sp. 112. 832 In seinem Schreiben an den Minister vom 25.2.1852 führte Windscheid neben der Nachfolgefrage noch Terminprobleme, die Erweiterung seiner Lehrverpflichtung und einen notwendigen längeren Besuch bei der todkranken Mutter an, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847 (10) B. Windscheid Bl. 112 f. 833 Windscheids Nachfrage bei v. Raumer am 11.3.1852, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847 (10) B. Windscheid Bl. 114. Konzept des Schreibens v. Raumers an Windscheid aus Berlin vom 18.3.1852, GStA PK Rep. 76 Va Sekt. 7 Tit. IV Nr. 20 Bd. 1 Bl. 292r+v. 827
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ordentlicher Professor in Erlangen angenommen hatte, bat die Kuratel unter Würdigung von Windscheids Leistungen am 2. April das Erziehungskollegium, beim Kleinen Rat neben der erbetenen Entlassung Windscheids die Berufung des Privatdozenten Zimmermann aus Marburg zu erwirken.834 Nachdem das Erziehungskollegium am 5. April diesem Antrag entsprochen835 und Zimmermann am 7. April den Ruf nach Basel angenommen hatte,836 wurde Bernhard Windscheid am 10. April 1852 vom Kleinen Rat „die begehrte Entlassung von der Professur an hiesiger Universität auf ehrenvolle Art ertheilt“.837
II. Weitere Arbeiten zum französischen Recht 1. Ueber die Begründung der Servituten durch destination du père de famille (1849) Dieser kurze Aufsatz findet sich an recht verstecktem Ort, nämlich in dem in Köln erschienenen Archiv für das Civil- und Criminalrecht der Königl. Preuß. Rheinprovinzen, das, herausgegeben von rheinischen Praktikern, im Wesentlichen eine Übersicht über die für das Rheinland wichtige Rechtsprechung bot. Windscheids demgegenüber rein theoretisches Anliegen ist es, den systematischen Zusammenhang der Art. 692–694 des Code Napoléon zu klären, insbesondere den Widerspruch zwischen Art. 694838 und Art. 692 f.839 möglichst zu beseitigen.840 834 Schreiben der Kuratel vom 2.4.1852 an das Erziehungskollegium wegen der Entlassung Windscheids (darin heißt es: „Er war bei den Studirenden durch Gründlichkeit seiner Kenntnisse, durch Klarheit und Gewandtheit des Vortrags wie auch durch sein wohlwollendes Benehmen ihnen gegenüber sehr beliebt u. hat als Gelehrter durch seine scharfsinnigen juristischen Arbeiten ein verdientes Ansehen sich erworben.“) sowie der Berufung Zimmermanns, StA Basel EZA Z 11. s. dazu auch Windscheids Brief an Heinrich v. Sybel vom 1.4.1852, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 21. 835 StA Basel Protokolle S 42 Bl. 172r+v u. EZA Z 11, dort unter dem 5.4.1852 Hinweis auf „den Eifer u. die Amtstreue dieses trefflichen Lehrers, der sich den Studierenden mit ganzer Liebe gewidmet hat u. bei ihnen so wie bei seinen Kollegen und den Erziehungsbehörden eine der angenehmsten Erinnerungen zurücklässt“. 836 Windscheid an Minister v. Raumer, Basel, 7.4.1852, GStA PK Rep. 76 Va Tit. IV Sekt. 7 Nr. 20 Bd. 1 Bl. 301–302r. 837 Kleiner Rat an das Erziehungskollegium, Basel 10.4.1852, StA Basel, EZA Z 11. Dazu auch Rabel, Windscheid (1909) Sp. 112. 838 Wortlaut: Art. 694: Si le propriétaire de deux héritages entre lesquels il existe un signe apparent de servitude, dispose de l’un des héritages sans que le contrat contienne aucune convention relative à la servitude, elle continue d’exister activement ou passivement en faveur du fonds aliéné ou sur le fonds aliéné. 839 Wortlaut: Art. 692: La destination du père de famille vaut titre à l’égard des servitudes continues et apparentes. Art. 693: Il n’y a destination du père de famille que lorsqu’il est prouvé que les deux fonds actuellement divisés ont appartenu au même propriétaire, et que c’est par lui que les choses ont été mises dans l’état duquel résulte la servitude. 840 B. Windscheid, Servituten (1849) S. 3 Nr. 1.
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Dabei geht er in zwei Schritten vor. Im ersten Abschnitt841 kommentiert er Wortlaut und Systematik der genannten Artikel in Auseinandersetzung mit der bisherigen Literatur und hebt den doppelten Widerspruch des Art. 694 zu den Art. 692 u. 693 hinsichtlich der Voraussetzungen der destination du père de famille hervor. Er wendet sich gegen den Ausdruck „destination“, da es sich um das Fortbestehenlassen eines faktischen Zustandes (des Dienens eines Grundstückes gegenüber einem anderen, bisher im Eigentum der gleichen Person stehenden, Grundstück) handele und damit um die Bestellung einer Grunddienstbarkeit durch stillschweigende Willenserklärung. Auch hält er die Regelung des Art. 693 für der Natur der Sache widersprechend, da es nicht darauf ankommen könne, dass der gemeinsame Eigentümer beider Grundstücke den Zustand herbeigeführt habe, sondern nur darauf, dass er ihn bei Änderung der Eigentumsverhältnisse habe bestehen lassen. Von den bisher von der Literatur vorgeschlagenen Harmonisierungsversuchen favorisiert er die Meinung, die Art. 694 lediglich für eine Erläuterung der Art. 692 f. hält. Dies sei die mildeste Form der „Hineintragung“ von im Gesetz nicht Gesagtem, nur sie stehe nicht mit der Natur der Sache im Widerspruch und nur so ließe sich ein „directe[r] Widerspruch zwischen zwei unmittelbar auf einander folgenden Vorschriften des Code Napoleon“ vermeiden.842 Im zweiten Abschnitt bringt Windscheid sein Spezialwissen über die Entstehungsgeschichte des Code Napoléon in die Diskussion mit ein und kommt dabei zu einem erstaunlichen Ergebnis: Über den Begriff „destination du père de famille“ bestand zur Zeit der Entstehung des C. N. keine Klarheit mehr. So war den Redaktoren nicht bewußt, dass für die h. M. seit der Änderung der Coutume von Paris von 1580 die destination eine ausdrückliche Erklärung voraussetzte und nur Pothier dem in Weiterführung des alten Rechts widersprach. Das führte dazu, dass die Redaktoren, die sich vorwiegend auf Pothier stützten, den Zusammenhang zwischen destination du père de famille als stillschweigende Erklärung (Pothier) und Ausnahmen von der destination als grundsätzlich ausdrücklicher Erklärung (h. M.) nicht erkannten. Daher stehen Art. 692 f. in Fortsetzung von Pothier und dem alten Gewohnheitsrecht vor 1580 zusammenhanglos neben Art. 694, der in Fortsetzung der h. M. die stillschweigende Erklärung nur als Ausnahme – allerdings von einer jetzt nicht mehr im Gesetz enthaltenen Regel! – begreift.843 Damit ist der Widerspruch zwischen Art. 692 f. einerseits und Art. 694 andererseits für Windscheid tatsächlich unüberwindlich und eine Harmonisierung unmöglich, da auf Grund des Befundes der Entstehungsgeschichte unzulässig.844 841
B. Windscheid, Servituten (1849) S. 3–8 Nr. 2–9. B. Windscheid, Servituten (1849) S. 7 f. Nr. 9, Zitate S. 7. 843 B. Windscheid, Servituten (1849) S. 9–13, Nr. 11–14. 844 B. Windscheid, Servituten (1849) S. 8 Nr. 10, auch zum folgenden. – Windscheids Aufsatz ist zustimmend rezipiert bei Zachariä/Anschütz Handbuch II (1853) S. 65 Fn. 9)*. 842
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Welche Folgen dieses sehr praxisfremde Ergebnis845 für die Rechtsanwendung haben kann, erläutert Windscheid nicht. Dagegen ist es ihm ein erneuter Beweis dafür, dass mindestens für die Interpretation des C. N. die Frage nach der Entstehungsgeschichte die schlechthin entscheidende sein muss. Es liegt nahe, hierin einen Beleg für den Vorwurf realitätsferner Theoretisiererei zu sehen. Windscheids Bemühen um Harmonisierung an sich widersprüchlicher Regelungen auch im Interesse ihrer praktischen Anwendbarkeit scheitert hier aber nicht an eigenen unpraktischen Denkvorstellungen, sondern an Mängeln eines Gesetzes, das Windscheid so nie verabschiedet hätte. Auch ist auf den Fortschritt hinzuweisen, den Windscheid durch Aufdeckung der Ursachen systematischer Mängel des C. N. im Vergleich zu anderen Bearbeitern des französischen Zivilrechts bringt, die den Systemfehler der Art. 692–694 entweder bis heute übergehen846 oder ihn immer noch nicht zu erklären wissen.847 2. Die Lehre des französischen Rechts von der mora (Verzug, demeure) (1849) In dieser gleichzeitig und an gleicher Stelle wie der vorstehende Aufsatz erscheinenden längeren Abhandlung geht es Windscheid nicht um ein Detailproblem, sondern um die Erörterung einer ganzen „Lehre“. Lehrbuchartig – man ist versucht, hierin einen Beginn der von Savigny angeregten umfassenden Beschäftigung mit dem C. N. zu sehen! – beschäftigt sich Windscheid in drei Abschnitten mit Begriff, Wirkungen und Beginn der mora.848 Das methodische Vorgehen Windscheids ist schon aus seiner Monographie über die Ungültigkeit bekannt: Die Regelungen des C. N. werden als Weiterführung des römischen Rechts betrachtet und darum wird in Zweifelsfragen oder bei Lücken des C. N. dieses ergänzend herangezogen.849 Grenze ist wiederum die dem römischen Recht widersprechende Regelung des C. N., auch wenn sie von 845 Weill/Terré/Simler, droit civil. Les biens (1985) S. 781 Nr. 833 zu solcher Deutung: „Aucune de ces thèses extrêmes n’a jamais été suivie.“ 846 Ferid, Französisches Zivilrecht II (1971) S. 1094 Nr. 3 E 13 u. 14 und auch noch Ferid/Sonnenberger, Französisches Zivilrecht II (1986) S. 778 Nr. 3 E 18 u. 19 unterscheiden kommentarlos zwischen destination du père de famille (Art. 692 u. 693) und der stillschweigenden Bestellung einer Dienstbarkeit gemäß Art. 694. 847 So trotz Eingehens auf die Entwicklung des Gewohnheitsrechts vor und nach 1580 und auf die Entstehung des C. N. Carbonnier, Droit civil 3/Les Biens (1980) Nr. 56 S. 226 f. u. bes. S. 238–240 sowie Weill/Terré/Simler, droit civil. Les Biens (1985) Nr. 829 f. S. 776 f. u. Nr. 833 S. 780–782. 848 B. Windscheid, Mora, (1849) S. 17 f. Nr. 1–3 (Begriff), S. 18–24 Nr. 4–14 (Wirkungen), S. 25–39 Nr. 14–26 [Druckfehler, müsste Nr. 15–27 sein] (Beginn). 849 B. Windscheid, Mora, (1849) S. 17 Nr. 1 u. 2 zum Begriff, S. 19–22 Nr. 6–9 zu Beweisfragen, S. 25 Nr. 15 zum Eintritt des Verzuges, bes. S. 32–35 Nr. 20 f. zur Voraussetzung der Bösgläubigkeit des Schuldners.
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Windscheid nicht gebilligt wird.850 Mehrfach werden Bestimmungen aus der Natur der Sache heraus getroffen, wobei es nicht darauf ankommt, ob das gefundene Ergebnis dem römischen Recht entspricht oder nicht.851 Auch hier spielt die Entstehungsgeschichte des C. N. für Windscheids Interpretation die entscheidende Rolle: Den Widerspruch zwischen Art. 1139 C. N., wonach im Grundsatz jede „Interpellation“ des Gläubigers zum Verzugseintritt genügt, und Art. 1153, der die mit Verzugseintritt zu ersetzenden Zinsen erst ab Klageerhebung zuspricht,852 erklärt er aus einem Versehen des Gesetzgebers, der er versäumt habe, Art. 1153 an die Grundnorm des Art. 1139 anzugleichen. Deshalb entspreche Art. 1153 nicht dem Willen des C. N., so dass „als geltendes Recht . . . zu behaupten [sei], daß die Verbindlichkeit zu Früchten und Zinsen durch diejenige Thatsache, mit welcher die mora in der That eintritt, d.h. durch die Interpellation, erzeugt werde.“ 853 Das vom C. N. nicht Gewollte aber tatsächlich Gesagte sei allerdings später von Art. 57 Code de procédure bestätigt worden und fordere daher, so wie es dasteht, Beachtung. Der – nicht bindende – Irrtum des C. N. in der Sache muss also dem – bindenden – Motivirrtum des Code de procédure weichen.854 Bei der Darstellung der Sachfragen geht Windscheid ausführlich auf die Bedürfnisse der Praxis ein. Er behandelt eingehend Fragen der Beweislast hinsichtlich des Umfangs des Schadensersatzes855 und setzt sich ausführlich mit dem Zeitpunkt der Berechnung seines Wertes auseinander, ein Gesichtspunkt, der zuvor von der französischen Literatur noch gar nicht und von der deutschen Literatur zum römischen Recht nach Windscheids Meinung nicht befriedigend behandelt worden ist.856 Die Abhandlung beweist, dass Windscheid in der Lage gewesen wäre, in Anwendung des von ihm 1847 entwickelten methodischen Instrumentariums auch 850 B. Windscheid, Mora (1849) S. 25 Nr. 15 Fn. 7a zum Verzugseintritt mit Fristablauf, Art. 1139 C. N. 851 B. Windscheid, Mora (1849) S. 23 f. Nr. 11–14 zum Zeitpunkt für die Berechnung des Wertes des Schadensersatzes mit S. 24 Fn. 7: Zweifelt, ob römische Belegstellen „sich mit der im Texte aus der Natur der Sache entwickelten Theorie in Übereinstimmung bringen lassen“. Ebd. S. 25 u. S. 32–35, Nr. 14 u. Nr. 20 f.: Erfordernis der mala fides des Schuldners für den Verzugseintritt ergibt sich aus dem römischen Recht und der Natur der Sache. 852 B. Windscheid, Mora (1849) S. 25–27 Nr. 16, heute Widerspruch durch Änderung des Art. 1153 mit Gesetz vom 11.7.1975 beseitigt. 853 B. Windscheid, Mora (1849) S. 27–30, Nr. 17 f., Zitat S. 30 Nr. 18 a. E. 854 B. Windscheid, Mora (1849) S. 30 f. Nr. 19, denn der C. N. „sagt, was er nicht will“, während der Code de procédure „sagt, was er will, wenn auch durch einen Irrthum bewogen“. 855 B. Windscheid, Mora (1849) S. 19–22 Nr. 5–9, wobei er – S. 22 Nr. 9 a. E. – der französischen Literatur beistimmt und der Literatur zum römischen Recht widerspricht. 856 B. Windscheid, Mora (1849) S. 23 f. Nr. 11–14. – Windscheids Ansicht dazu übernommen von Zachariä/Anschütz, Handbuch II (1853) S. 247 f. Fn. 11)*, der überhaupt, ebd. S. 246–250, Windscheids Meinungen ausführlich wiedergibt.
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andere Bereiche des C. N. systematisch und konkret zugleich darzustellen und dabei auch eigene neue Ideen einzubringen. Ein Vergleich mit gängigen Lehrbüchern zeigt, dass besonders zur schwierigen Frage der Voraussetzungen des Verzuges857 Windscheids logisch präzise und scharfe Deduktionen noch heute lehrreich sind.858 Seine persönliche Entwicklung brachte es aber mit sich, dass er diesen Weg nicht weiter verfolgte und die Auseinandersetzung mit der mora nach französischem Recht seine letzte das französische Recht betreffende Publikation geblieben ist.859
III. Romanistische Arbeiten 1. Die Lehre des römischen Rechts von der Voraussetzung (1850) Diese erste größere monographische Arbeit Windscheids zum römischen Recht baut auf dem auf, was er bereits 1847 beschrieben hat.860 Damals definierte er: „Wenn Jemand Etwas gibt oder sich obligirt oder auch etwas thut unter der Voraussetzung, daß Etwas sei, gewesen sei, nicht sein werde, und die Wirklichkeit entspricht dieser Voraussetzung nicht, oder hört auf, ihr zu entsprechen, so kann er das Gegebene, oder, wenn er sich obligirt hat, die eingegangene Obligation, oder, wenn er sonst etwas gethan hat, den Vermögenswerth des Thuns condiciren.“ 861 In einem zweiten Schritt versuchte Windscheid dann eine Abgrenzung von Beweggrund (Motiv), Bedingung und Voraussetzung:862 Im Unterschied zum Beweggrund bleibe die Voraussetzung auch nach der Bildung des Willens dessen Grundlage; gewollt werde nicht ,weil‘, sondern nur dann, wenn die Vorstellung eines bestimmten Zustandes wirklich zutreffe, sonst aber nicht.863 Kondiziert werden könne immer dann und unabhängig vom Vorliegen eines Irrtums, wenn eine Leistung mangels Bestehens der vorgestellten Voraus-
857 Ferid, Französisches Zivilrecht I (1971), S. 499: „Die Inverzugsetzung ist eine schwache Stelle im Code, die viele Unklarheiten im Gefolge hat.“ 858 So nimmt laut Weill/Terré, droit civil. Les Obligations (1980) Nr. 418 S. 487 die Leistungsaufforderung des Gläubigers dem Schuldner „toute excuse pour ne pas remplir son engagement“. Ebenso Carbonnier, Droit civil 4/Les Obligations (1979), Nr. 76 S. 276. Dazu B. Windscheid, Mora (1849) Nr. 21 S. 35: Das allein kann zur Herbeiführung der Bösgläubigkeit des Schuldners nicht genügen, denn „welch’ eine exorbitante Verpflichtung wäre das, Jedem glauben zu müssen, dem es in den Sinn kommt, zu behaupten, dass er ein Recht gegen uns habe!“ 859 Nach Klees, Demeure (1968) S. 3, ist sie bis 1968 zugleich die einzige deutschsprachige Studie zum französischen Leistungsstörungsrecht. 860 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 271–297. 861 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 271. 862 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 286–293. 863 B. Windscheid nennt, Ungültigkeit (1847) S. 286, die beiden Formeln: „ich will, weil . . .“ und „ich will, würde aber nicht wollen, wenn nicht . . .“, mit der Folge, daß nach Wegfall des Grundes gelte „ich will nicht mehr“.
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setzung nicht (mehr) vom Willen getragen sei. Ob dies für die condictio indebiti des römischen Rechts gelte, sei zwar umstritten, wenn dem Quellenäußerungen aber wirklich widersprechen sollten, so bedeute das nur, „daß das römische Recht die Natur der Condictionen in dieser speziellen Anwendung verkannt habe“.864 Erst 1850 macht Windscheid deutlich, dass dies nicht das Referat über eine anerkannte Lehre war, sondern lediglich die thesenartige Vorstellung von neuen und bisher unbekannten Gedanken. Jetzt unternimmt er es, sie ausführlich darzustellen und zu begründen. Inhaltliche Änderungen gibt es dabei nicht, was zeigt, dass in Windscheids Vorstellung die Voraussetzungslehre schon seit Jahren voll ausgebildet war, er aber erst in Basel die Zeit fand, „alles, was in den Quellen über dieselbe enthalten ist, zusammenzustellen, und den Versuch zu machen, eine Theorie derselben aufzubauen“.865 Zunächst legt er noch einmal – und für das Gros der Romanisten wohl zum ersten Mal – in wenigen Sätzen dar, wo im System des Zivilrechts die Voraussetzungslehre ihren Platz hat und was sie bedeutet. Erstens ist sie ein Teil der Rechtsgeschäftslehre, genauer der Lehre von den Willenserklärungen. Die Voraussetzung gehört wie Bedingung, Befristung und modus zu den „Selbstbeschränkungen des Willens“, ist insofern gewissermaßen eine „unentwickelte Bedingung“, als der Erklärende nicht nur bedingt, sondern unbedingt, schlechthin will, jedoch in der Annahme bestimmter äußerer Umstände.866 Sie steht hier neben Bedingung und Befristung, dagegen ist der modus – die Zuwendung unter Auflage – nur ein Unterfall der Voraussetzung. Lagen die vorausgesetzten Umstände nicht vor oder treten sie nicht ein, so „besteht das durch die Willenserklärung begründete Rechtsverhältniß nicht ohne, und doch gegen den Willen des Erklärenden“ Windscheid nennt das: „es besteht mit seinem wirklichen, aber gegen seinen eigentlichen Willen“.867 Rechtsfolge in diesem Fall ist entweder eine exceptio doli gegen den einen Anspruch aus diesem Rechtsgeschäft trotz wirksamer und nicht bestehender Voraussetzung Behauptenden oder auch der Anspruch des Erklärenden gegen den Erklärungsempfänger auf Erstattung des Erlangten in der Form der condictio, und insoweit gehört die Voraussetzungslehre zweitens auch in das Bereicherungsrecht. Dieses beschäftigt sich mit dem Haben ohne Grund, und einen bedeutenden Teil dieses Bereichs umfasst das Haben bei fehlender Voraussetzung.868 864
B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 293–297, Zitat S. 297. B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Vorwort S. V f. 866 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 1 S. 1. 867 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 1 S. 2 (Hervorhebungen durch Windscheid). 868 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 1 S. 2 u. Nr. 2 S. 3, weitere Fälle des Habens ohne Grund sind für Windscheid, ebd. S. 4 f., Haben bei bestehender vereinbar865
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Zwei Motive haben Windscheid zur Entwicklung dieser Theorie gebracht. Das erste – vordergründige – Motiv ist die Unzufriedenheit mit der bestehenden Systematik in zweierlei Hinsicht. Einmal hält er den modus für mit Bedingung und Befristung nicht vergleichbar, weil er keine generelle Einschränkung des eigenen Willens enthält,869 und stört sich an seiner Einordnung durch die herrschende Lehre. Zum andern hält er, ebenfalls gegen die h. L., den Motivirrtum des Erklärenden nicht für den Grund der Kondiktionen.870 Das zweite – wesentliche – Motiv ist das Bestreben, dem Wollen der Rechtssubjekte so weit wie möglich Geltung zu verschaffen.871 Deshalb ist für ihn ein „Mittelweg“ 872 zwischen bedingtem Wollen mit gegebenenfalls eintretender Unwirksamkeit ipso iure und unbedingt gültigem Wollen ohne Berücksichtigung der zugrunde liegenden Motive unverzichtbar.873 Ihn sieht er in dem rechtlich bedeutsamen „qualifizirten Beweggrund“ 874 der Voraussetzung. Damit die im gesamten Vermögensrecht zu berücksichtigende Lehre von der Voraussetzung875 nicht zur Rechtsunsicherheit führt, muss bei Rechtsgeschäften unter Lebenden für den Adressaten und bei Rechtsgeschäften von Todes wegen für die Rechtsordnung mindestens erkennbar gewesen sein, dass der Erklärende nur unter einer bestimmten Voraussetzung will,876 also nicht gewollt haben würde, wenn er gewusst hätte, dass die Voraussetzung nicht bestand oder nicht eintreten würde. Festzustellen, ob eine Voraussetzung in diesem Sinne wirklich vorliegt, ist Einzelfallentscheidung und damit Sache des Richters, dem nur Hinweise in Form von Beispielsfällen gegeben werden können.877 Dabei soll der
ter Rückgabepflicht, Haben nach Ausübung eines gesetzlichen Widerrufsrechts, oder auf sittenwidrige Weise (durch Zwang, Betrug) erlangtes Haben. 869 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 1 S. 3. 870 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 3 S. 5 f. besonders gegen Savigny. 871 Vgl. B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 61 S. 89: „Sie [die Theorie] hat dem Reichthume des Lebens zu dienen, nicht den vergeblichen Versuch zu machen, ihn zu beherrschen.“ 872 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 1 S. 2. 873 Dass der Rechtsprechung vor 1850 der Begriff der Voraussetzung kein Ausdruck dieses Mittelweges war, zeigen zwei Erkenntnisse des OAG Jena vom 14.7.1836 (Seuff. Arch. Bd. 4 Nr. 233 S. 369–371) und 31.10.1843, Seuff. Arch. Bd. 11 Nr. 131 S. 192 f.), in denen dieser Ausdruck als rechtlich irrelevant betrachtet wird. Dagegen erklärte das OT Stuttgart am 9.6.1841 jedoch einen Irrtum über „als gewiß vorausgesetzt[e]“ Umstände eines Vergleichs für erheblich, Seuff. Arch. Bd. 3 Nr. 323 S. 367 f. 874 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 4 S. 7. 875 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 6 S. 9 f. 876 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 58 S. 81–84. – Ebenso B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 287. 877 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 59 S. 84. – Ähnlich B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 291: In der Praxis komme hier alles auf die Interpretation des Einzelfalles an, wobei dem Ermessen des Richters ein bedeutender „freier Spielraum“ gelassen werden müsse.
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Richter im Zweifel das geringere Maß der Willensbeschränkung annehmen, also eher nach dem Recht der Voraussetzung entscheiden als eine Bedingung unterstellen,878 wodurch die Weite des Anwendungsbereichs, den Windscheid der Voraussetzung zuspricht, deutlich wird. Methodisch geht Windscheid 1850 vorsichtiger vor als noch 1847. Jetzt behauptet er nicht mehr, die Voraussetzungslehre ergebe sich aus der Natur der Sache, ihr sei darum auch im französischen Recht Geltung zu verschaffen,879 sondern bemüht sich ausführlich darum, das apriorisch Gefundene und Formulierte aus den Quellen des römischen Rechts zu entwickeln, wenn auch in einer bisher noch nicht gekannten Art und Weise.880 Zunächst stellt er nach Fallgruppen geordnet alle Fälle zusammen, in denen bei Willenserklärungen unter Lebenden (§ 2881) und auf den Todesfall (§ 3882) die Voraussetzung eine Rolle spielt. Kriterium ist für ihn dabei die Rechtsfolge der condictio bzw. eine allgemeine Rückgabepflicht wegen Unwirksamkeit. Dann fragt er nach der „Bezeichnung der Voraussetzung in den Quellen“ 883 und findet, dass die Begriffe conditio, causa und modus zwar alle das mit der Voraussetzung Gemeinte erfassen können, es aber nicht in allen Fällen tun und besonders in ihrer Bedeutung mit der Voraussetzung nicht übereinstimmen, woraus sich für Windscheid die Berechtigung ergibt, dieses Wort als terminus technicus neu einzuführen.884 Weiter untersucht Windscheid, getrennt nach Willenserklärungen unter Lebenden885 und auf den Todesfall886, die „Wirkung der ermangelnden Voraussetzung“ 887 und kommt zu dem, angesichts seines Auswahlkriteriums in den §§ 2 und 3 nicht erstaunlichen, Ergebnis, dass in den meisten Fällen die Rechtsfolge der exceptio doli oder der condictio eintritt. Nur in Ausnahmefällen – Freilassung eines Sklaven888, Fehlen einer vorausgesetzten Eigenschaft der Kaufsache889 – kommen daneben auch andere actiones in Betracht. Bei Willenserklärungen auf den Todesfall kann auch 878 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 87 S. 144 u. Nr. 94 S. 152. Ebenso B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 292. 879 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 301. 880 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 126 S. 208–213, bes. S. 208 und Windscheids Berufung auf Donellus S. 210 f. 881 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 9–24 S. 12–33. 882 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 25–30 S. 33–41. 883 Titel des § 4, Nr. 31–40 S. 41–58. 884 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 40 S. 58, Nr. 31 S. 41 u. bes. Nr. 5 u. 7, S. 8 f. u. S. 10. 885 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) § 5 Nr. 41–49, S. 58–68. 886 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) § 6, Nr. 50–56, S. 68–80. 887 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) § 5 Überschrift S. 58. 888 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 47 S. 63 f.: Rechtsfolge: actio de dolo statt condictio. 889 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 49 S. 67 f.: Neben condictio auch actio empti, in ähnlichen Fällen actio locati, actio conducti u. actio venditi begründet.
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anstelle der Rückerstattung die Erfüllung der die Voraussetzung darstellenden Auflage verlangt werden.890 Dagegen interpretiert Windscheid die Quellen dahin, dass Nichtigkeit bei fehlender Voraussetzung nie eintritt891 – was ja auch seiner Definition der Voraussetzung widersprechen würde. Die beiden folgenden Paragraphen beschäftigen sich mit der Frage, wann das Vorliegen einer Voraussetzung angenommen werden dürfe.892 Windscheid kommt dabei zu dem aus den Quellen abstrahierten bereits angegebenen Ergebnis. Dieses wird danach anhand einer Reihe von Fallgruppen illustriert. So komme es bei Willenserklärungen unter Lebenden auf die „erste Absicht“ an,893 oder sei entscheidend die Verbindung von Schenkung und auferlegter Verpflichtung.894 Auch die konkludent erklärte – sich aus Begleitumständen ergebende – Voraussetzung sei möglich,895 finde aber ihre Grenze bei der Schädigung Dritter oder eigenem unredlichen Verhalten.896 Auch bei letztwilligen Verfügungen spielten „Absicht und auferlegte Verpflichtung“ eine Rolle,897 daneben sei aber von besonderer Bedeutung, ob die gewählte „demonstratio“ nur zur Bezeichnung einer bestimmten Person oder Sache oder die genannte „causa“ nur als Motiv genannt sei und also ein Irrtum darüber „non nocet“, oder ob damit eine für die Verfügung wesentliche Eigenschaft oder ein von der Verfügung selbst nicht zu trennender Grund habe bezeichnet werden sollen. Dann seien sie als Voraussetzung zu betrachten.898 Nach diesen Abgrenzungen der Voraussetzung zum rechtlich belanglosen Motiv oder Beweggrund folgt die Abgrenzung zur das Rechtsverhältnis einschneidender beeinflussenden Bedingung.899 Auch hier wird das bereits genannte Ergebnis anhand einzelner Fälle verdeutlicht. In § 10 stellt Windscheid dar, welche anderen Rechtsfolgen neben der Kondiktion eine fehlende Voraussetzung nach römischem Recht nach sich ziehen kann. Er nennt ein vertragliches „Recht auf Zurückgabe“,900 ein 890 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 50 S. 70: Druckmittel zur Erfüllung durch den Begünstigten: Kaution. 891 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 48 S. 64–67 – jedoch soll neben der condictio die in rem actio und die rei vindicatio möglich sein –, Nr. 51 S. 70–74 u. Nr. 54 f. S. 76–79. 892 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) § 7 u. § 8. § 7 Nr. 57–59, S. 80–85, ist prinzipieller Vorspann, § 7 Nr. 60–77, S. 85–125, betrifft Willenserklärungen unter Lebenden, § 8 Nr. 78–85, S. 125–143, Letztwillige Verfügungen. 893 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 60–67, S. 85–102. 894 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 68 f. S. 102–107. 895 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 71–76, S. 108–123. 896 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 77 S. 123–125. 897 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) S. 126, Zwischenüberschrift vor Nr. 79, S. 126–129. 898 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 80–82 S. 130–138 zur falsa demonstratio und Nr. 83 S. 138–141 zur falsa causa. 899 § 9 Nr. 86–95, S. 143–153. 900 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) § 10 Nr. 97–99, S. 153–158, Zitat Zwischenüberschrift vor Nr. 97, S. 153.
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„Recht auf Erfüllung der Voraussetzung“,901 das ihm besonders bei den Verfügungen auf den Todesfall angemessener als die Rückforderung erscheint,902 und sogar ein „Recht des Dritten, zu Gunsten dessen eine Leistung auferlegt worden ist, dieselbe zu verlangen“.903 Dabei findet er mehrfach Gelegenheit, sich zur Entwicklung innerhalb des römischen Rechts auch kritisch zu äußern: Er wehrt sich dagegen, dass der Rückgabeanspruch aus der actio praescriptis verbis Vorrang vor der condictio habe,904 wirft dem römischen Recht vor, es sei inkonsequent, das ius poenitendi neben der actio praescriptis verbis beizubehalten,905 und spricht sich für eine Ausdehnung der Rechte des begünstigten Dritten aus.906 Um die Grenzen der Voraussetzungslehre zu zeigen, behandelt Windscheid in § 11 die Rechtsfolgen einer unerlaubten oder unmöglichen Voraussetzung.907 Bei Unerlaubtheit der Verfügung hängt der Verbleib der Leistung demnach davon ab, welche Seite der Vorwurf des unerlaubten Handelns trifft,908 während bei bloßer Unmöglichkeit, die Voraussetzung zu erfüllen, grundsätzlich und unabhängig vom Verschulden der Parteien die condictio stattfindet, da das an der tatsächlich vorhandenen Selbstbeschränkung des Willens des Erklärenden nichts ändere.909 Freilich kennt das römische Recht Ausnahmen besonders bei der Schenkung.910 Damit beendet Windscheid die Betrachtung der Voraussetzungslehre im materiellen Recht. § 12 beschäftigt sich mit Beweisfragen, also der Frage nach der Geltendmachung der Voraussetzung im Prozess. Wie im materiellen Recht auch, wird zunächst „apriorisch“ das dem Wesen der mit einer Voraussetzung versehenen Willenserklärung Entsprechende dargestellt und dann anhand der Quellen überprüft.911 Der Grundsatz lautet: Die Willenserklärung und ihre Ergänzung um eine Voraussetzung hat der Erklärende zu beweisen, ihr Fehlen dagegen der Gegner. Er behauptet die fortwährende Wirksamkeit der Willenserklärung und muss darum beweisen, dass die Voraussetzung nicht eingetreten ist. Ihm helfen dabei, bis zu ihrer Erschütterung durch den Erklärenden – etwa indem dieser einen ei-
901 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) § 10 Nr. 100–104 S. 158–170, Zitat Zwischenüberschrift vor Nr. 100 S. 158. 902 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 104 S. 167. 903 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) § 10 Nr. 105–107 S. 170–174, Zitat Zwischenüberschrift vor Nr. 105 S. 170. 904 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 98 S. 157 u. Nr. 100 f. S. 158–162. 905 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 103 S. 165 f. 906 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 106 S. 172 f. u. Nr. 107 S. 174. 907 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 108–114 S. 175–189. 908 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 108 S. 175–177. 909 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 109 S. 177–179 u. Nr. 125 S. 205–207. 910 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 111 S. 182 f. u. Nr. 114 S. 188 f. 911 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 120 S. 192: „Dies ist das Resultat, zu welchem eine apriorische (193) Betrachtung meiner Ansicht nach führt. Fragen wir nun nach den Bestimmungen der Quellen . . .“.
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genen Irrtum plausibel machen kann –, eine Reihe von Vermutungen.912 Auf die Quellen kann sich Windscheid hierbei nicht berufen, weil ihnen ein einheitliches Prinzip nicht zu entnehmen ist, sich die römischen Juristen vielmehr an den Gegebenheiten des Einzelfalles orientieren.913 Die Leistung, die Bernhard Windscheid mit diesem Buch erbracht hat, geht über das Einfügen einer neuen Lehre in die Theorie der Willenserklärungen und den Versuch einer neuen Begründung der Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung914 für den Bereich der Leistungskondiktion weit hinaus. Es ist ihm gelungen, weite Felder des Schuldrechts, des Erbrechts und mit der Berücksichtigung der Dos-Bestellung915 auch des Ehegüterrechts unter einem übergreifenden Gesichtspunkt zu behandeln und so Zusammenhänge aufzuzeigen. Dabei führt ihn die Frage nach dem Vorliegen einer Voraussetzung zu grundsätzlichen Überlegungen zum Verhältnis von Leistung und Gegenleistung beim zweiseitigen, besonders gegenseitigen Vertrag,916 zur Frage nach der Behandlung von ursprünglicher wie nachträglicher Unmöglichkeit917 und zum Wesen von Erfüllung,918 Zession919 – die er übrigens problemlos anerkennt! – und Novation.920 Deutlich ist sein Bemühen, bei der Einführung der Voraussetzung als weiterer Möglichkeit der Artikulation des rechtsgeschäftlichen Willens des Rechtssubjekts die Rechtssicherheit und den Verkehrsschutz nicht zu vernachlässigen. Allgemein zeigt sich dies daran, dass dem Adressaten, soweit er ein berechtigtes Interesse daran hat, die Voraussetzung mindestens erkennbar gewesen sein muss. Dieses Interesse fehlt aber bei den frei widerruflichen und weniger dem Austausch von Leistungen als der Vermögensverwaltung dienenden letztwilligen Verfügungen, weshalb in diesem Bereich die Voraussetzung weniger deutlich gemacht zu werden braucht.921 Systematische Folge dieses Erfordernisses ist es, dass auch im Kondiktionenrecht nach Ersetzung des Motivirrtums durch die fehlende Vorausset-
912 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 115–119 S. 189–192 u. Nr. 124 f. S. 202–207. 913 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 120 S. 194 f. und für den Beweis bei Schuldurkunde Nr. 121 S. 196–198 u. Nr. 123 S. 201 f. 914 Von B. Windscheid ausdrücklich betont in Voraussetzung (1850) Nr. 126 S. 208 f. 915 Etwa B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 20 f. S. 27–29. 916 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 61 S. 88, Nr. 88 S. 144 u. Nr. 102 S. 163: Pflicht zur Gegenleistung ist nicht Voraussetzung sondern stillschweigende Bedingung der eigenen Leistungspflicht. 917 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 109–111 S. 177–183. 918 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 63–65 S. 93–98. 919 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 89 S. 144–146, 145: „Der Erwerb durch den Anderen ist die stillschweigende Bedingung seiner Aufgabe“ [der seines Rechts]. 920 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 90 S. 146: Alte und neue Obligation stehen zueinander in einem Abhängigkeitsverhältnis in der Form stillschweigender Bedingungen. 921 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 58 S. 81–84, bes. S. 83 f.
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zung als Grund für die mangelnde Rechtfertigung der Bereicherung dem Anspruchsgegner die Möglichkeit des Fehlens oder Wegfalls des Rechtsgrundes erkennbar gewesen sein muss.922 Im Einzelnen dürfte auch der Hinweis auf die rechtliche Relevanz nur der ersten Absicht der Rechtssicherheit dienen. Ausdrücklich auf die „Sicherheit des Verkehrs“ beruft sich Windscheid, wenn er vor vorschneller Annahme einer Voraussetzung durch eine „leichtsinnige Rechtsanwendung“ in den Fällen warnt, die nicht zu einer der entwickelten Fallgruppen gehören.923 Auf sein bereits in der Basler Antrittsrede formuliertes Ziel der Aktualisierung des römischen Rechts hat Windscheid in vielen Punkten hingearbeitet. Schon die Entwicklung der Voraussetzungslehre, wobei die in den Quellen genannten Fälle nur Beispiele und „Fingerzeige für die Beurtheilung anderer Fälle“ 924 sind, ist mehr als eine einfache Darstellung des römischen Rechts, weist über dasselbe hinaus.925 Aus „natürliche[m] Rechtsgefühl“ setzt er sich aber auch ein für eine Ausdehnung der Sachmängel beim Kauf auf das Fehlen jeder – subjektiv für den Käufer – wesentlichen Eigenschaft und die entsprechende Anwendung dieses Gedankens auch auf Sachmängel bei anderen Verträgen sowie dem Verkauf über Wert.926 Des weiteren führt er Entwicklungen innerhalb des römischen Rechts zu Ende und kommt so zur unbegrenzten Anerkennung der auflösenden Bedingung,927 zur Einklagbarkeit der Erfüllung bei jedem zweiseitigen Vertrag928 und – über die erweiterte Anwendung der petitio fideicomissi – zu einem allgemeinen Anspruch des begünstigten Dritten gegen den Schuldner929. Aus dem Wegfall der Formerfordernisse des alten ius civile schließt er endlich auf die Gültigkeit des formlosen Schuldversprechens.930 Dagegen hält er das ius poenitendi zwar für nach Entstehen der actio praescriptis verbis systemwidrig, wendet es aber dennoch als geltendes Recht an.931 Offensichtlich ist es für ihn leichter, neue Entwicklungen in das römische Recht hineinzunehmen als sich von alten und anachronistisch gewordenen Sätzen zu lösen.
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B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 3 S. 5–7, bes. S. 6. B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 71 S. 108 f., Zitate S. 109. 924 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 59 S. 84. 925 Ebenso Kuntze, Wendepunkt (1856) S. 20. 926 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 73–75 S. 111–120, bes. S. 117–119 gegen Savigny, Zitat S. 119. 927 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 94 S. 148–152, bes. S. 152. 928 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 102 S. 162–165, bes. S. 163 f. 929 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 106 f. S. 171–174. 930 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 121 Fn. 7 S. 198 f., bes. S. 199 gegen Gneist. 931 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 103 S. 165 f. u. Nr. 110 S. 179–182, bes. S. 180 f. 923
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Zusammenfassend stellt sich die Monographie als eine Arbeit dar, die über die bisher übliche Behandlung des römischen Rechts hinausweist und in weite Teile insbesondere des Schuldrechts erneuernd und verändernd eingreift. Dies führte natürlich zu mannigfachen Reaktionen in der Literatur und Rechtsprechung. Uneingeschränkte Zustimmung fand die neue Lehre nur bei wenigen Autoren. Immerhin übernahmen schon 1852 Rudorff, als Bearbeiter des Puchta’schen Lehrbuchs, und spätestens 1859 Arndts Windscheids Gedanken als geltendes römisches Recht.932 In den 50er und 60er Jahren wurde der Begriff in Monographien von Bechmann933 und Hesse934 verwendet, Bähr gebrauchte ihn als Bezeichnung der unentwickelten Bedingung935, und Erxleben sowie Witte erkannten die Willensbeschränkung als Grund der (Leistungs-)Kondiktion an.936 Gleiches tat auch Förster 1866 in seinem Lehrbuch des preußischen Privatrechts937, während wiederum Unger in seinem System des österreichischen allgemeinen Privatrechts 1859 und im österreichischen Erbrecht von 1864 auf die rechtsgeschäftliche Seite der Voraussetzung einging und sie in der Nachfolge Windscheids neben der Bedingung und dem Modus übergeordnet behandelte.938 Barons „Kurzlehrbuch“ von 1872 war dann das letzte, das keine größeren Modifikationen an Windscheids Lehre vornahm. Er trennte lediglich den Modus von der Voraussetzung und behandelte ihn gesondert.939 Größere Abweichungen finden sich bei einer ganzen Reihe von Schriftstellern, die zwar in der Voraussetzung einen „lebensfähige[n] und fruchtbare[n]“ Begriff940 sahen, ihn jedoch in der einen oder anderen Weise eingeschränkt wissen wollten. Für die einen bezeichnete sie eine „besondere Nebenbestimmung“ 941, die durch ausdrückliche
932 Puchta/Rudorff, Pandekten (61852) § 63 S. 92 f.; Arndts, Pandekten (31859, die 2. Aufl. 1855 war mir nicht zugänglich) § 74 S. 90 f., § 340 S. 539 f., allerdings getrennt vom Modus i. e. S.; ders., auch noch in der 8. Aufl. 1874 § 74 S. 101 f. 933 Bechmann, Dotalrecht (1863) S. 31. 934 Hesse, Verträge (1868) S. 60–63, noch vor Kenntnis von Windscheids Monographie oder Lehrbuch!, S. 3 Fn. *). 935 Bähr, Anerkennung als Verpflichtungsgrund (21867) S. 66 u. Fn. 2, insoweit ebenso wie in der 1. Aufl. Vorwort zur 1. Aufl., ebd. S. VI, vom Mai 1855. 936 Erxleben, Condictiones sine causa 2. Abt. (1853) Vorwort S. V f.; Witte, Bereicherungsklagen (1859) S. 65. 937 Förster, Theorie und Praxis des preußischen Privatrechts II (1866) § 150 S. 442 f.; ebenso noch Förster/Eccius, Theorie und Praxis des preußischen Privatrechts II (51887) § 150 S. 458 u. Fn. 8, S. 460 f. 938 Unger, System II (1859) § 84 S. 100, als Hauptbestimmung noch getrennt von der Auflage (modus); anders dann ders., österreichisches Erbrecht (1864) § 13 S. 57 Anm. 3 u. § 18 S. 84 f. Anm. 1. 939 Baron, Pandekten (1872) § 60 S. 130 f. und (81893) § 60 S. 115. 940 Arndts/Pfaff/Hofmann Pandekten (141889) S. 122 Anm. 7. 941 Unger System II (21863) § 84 S. 100 (auch Zitat) u. Fn. 3.
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Bestimmung des Handelnden rechtliche Relevanz erhält942 und damit im Grunde als Ausnahme von der Regel der Unbeachtlichkeit der clausula rebus sic stantibus zu betrachten ist.943 Andere fügten die Voraussetzung allein in die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung ein. So verband Buhl 1875 den Parteiwillen mit der Erreichung des wirtschaftlichen Zwecks und übertrug die subjektive Voraussetzungslehre in das objektive Recht, wo sie ihm zur Erläuterung des ausdrücklich bejahten Abstraktionsprinzips diente.944 Auch Lotmar und Leonhard setzten die Voraussetzung mit dem nicht im Begriff des jeweiligen Rechtsgeschäfts enthaltenen Zweck desselben gleich.945 Eine dritte Meinung ging in den 80er Jahren dahin, dass die Voraussetzung nur dann ihre Berechtigung habe, wenn man sie eng an den Bereich der Bedingung innerhalb der Rechtsgeschäftslehre anlehne.946 Hier könne sie, verstanden als conditio sine qua non der geschäftlich wirksamen Willenserklärung, dazu beitragen, auch minder vollkommenen Willenserklärungen zu rechtlicher Bedeutung zu verhelfen.947 Es zeigt sich also eine Ausdifferenzierung in drei Richtungen: Entweder wird die Voraussetzungslehre als ein Teil der Rechtsgeschäftslehre betrachtet, oder sie gehört, verbunden mit einem objektiv verstandenen Zweckbegriff, in das Bereicherungsrecht, oder aber Voraussetzung ist eine Bezeichnung für Nebenbestimmungen, die unter bestimmten Umständen für das Rechtsverhältnis von Bedeutung sein können. Zahlreicher und auch in ihrer Ablehnung vielfältiger sind die Stimmen, die Windscheids Lehre von der Voraussetzung für verfehlt halten. Den Anfang machte bereits 1850 die einzige bekannte – und angesichts des Umbruchs in der Zeitschriftenliteratur nach 1850 wohl auch einzige vorhandene – Rezension im von Friedrich Zarncke herausgegebenen Literarischen Centralblatt für Deutschland. Der anonyme Verfasser kritisierte vor allem die Einordnung in die Rechtsgeschäftslehre und die Systematik Windscheids. Hier vereinige er sachlich Unvereinbares, nämlich modus, actio praescriptis verbis und condictio sine causa, dort gebe es ein Zwischenglied zwischen Motiv und Bedingung, einen Unterschied zwischen wirklichem und eigentlichem Willen nicht.948 Windscheids Willenstheorie wurde in den folgenden Jahrzehnten noch mehrfach aufgegriffen. Zunächst wurde auch von anderen geleugnet, dass der eigentliche vom wirklichen Willen zu unterscheiden sei949 und dass die Voraussetzung eine Willensbeschrän-
942 Brinz, Pandekten (1868) § 346 S. 1532 f., getrennt vom Modus und bezogen nur auf künftige Ereignisse. 943 Wächter, Pandekten I (1880) § 84 Beilage III,2 S. 439 f., hat daher mit Modus und Bedingung keinen engen Zusammenhang, ebd. § 80 S. 403. 944 Buhl, Beiträge (1875) § 3 f. S. 12–21, bes. S. 12–15. 945 Lotmar, Über causa (1875) S. 88; Leonhard, Irrthum 1. Theil (1882) S. 242 f. 946 Arndts/Pfaff/Hofmann, Pandekten (141889) Anm. 7 S. 122. 947 Bekker, System I (1886) § 119 S. 368 Fn. d u. Beilage I S. 374 f. 948 Anonym, Rez. Voraussetzung (1850) Sp. 250 f.
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kung enthalte950. Dann folgte das schwer zu widerlegende Argument, der erkennbar in Erscheinung getretene eigentliche Wille müsse auch der wirkliche sein,951 und bald darauf der aus bereicherungsrechtlichem Denken stammende Vorwurf, hier werde die strenge Grenze zwischen Beweggrund und causa i. S. von Bestimmungsgrund verwischt.952 1880 kam Gradenwitz in einer scharfsinnigen Dissertation zu dem Ergebnis, die Voraussetzung stelle nur eine Bedingung dar, deren Zutreffen für sehr wahrscheinlich gehalten werde, oder sei zu verstehen als Willenserklärung mit bedingter Auflösungserklärung.953 Im gleichen Jahr meinte Pfersche, da die Voraussetzung die Wirksamkeit der Willenserklärung nicht unmittelbar beeinflusse, sei sie nicht als deren Bestandteil, sondern nur als daneben erkennbar gemachter Beweggrund aufzufassen.954 Ende der 80er Jahre fanden Bekker und Lenel, die beide die Voraussetzung im Bedingungsrecht aufgehen sahen, den Grund für Windscheids Irrtum in einer Überbewertung des Parteiwillens,955 ein Zeichen, dass sich die Vorstellung von der Bedeutung des Subjektiven im Privatrecht zwischen 1850 und 1890 doch sehr verändert hat. Dies wird auch deutlich auf dem zweiten großen Gebiet, in dem Windscheids Gedanken auf Widerspruch stießen, dem des Bereicherungsrechts. Hier sind ohne bleibendes Gewicht die Vorwürfe Zimmermanns, die Rechtsfolgenunterschiede von Anfechtung (d.h. condictio) und Nichtigkeit seien dem Laien fremd956, und Adickes, der statt der Kondiktion einen Vertragsanspruch behauptete.957 Aber wiederum seit Gradenwitz erschienen zwei Argumente, die ihre Berechtigung haben und auch später wiederholt aufgegriffen wurden. Das erste ist, dass nach den Quellen die Leistungsabsicht nicht erkennbar gewesen sein muss, das zweite, Rechtsgrund der condictio sei, vom „eigentlichen Willen“ unabhängig, die mangelnde ökonomische Rechtfertigung der Zuwendung.958 Während Pfersche das 949 Witte, Bereicherungsklagen (1859) S. 65; Voigt, Über die condictiones ob causam (1862) S. 20 f.; Zimmermann, Beiträge (1868) S. 4 f. Fn. 5. 950 Voigt, Über die condictiones ob causam (1862) S. 520; ausführlicher Gradenwitz, Begriff der Voraussetzung (1880) S. 2 f. u. S. 10–12. 951 Adickes, Bedingungen (1876) S. 80. 952 Wendt, condictio ex poenitentia (1878) S. 19–23, ders., Pandekten (1888) S. 157 f. 953 Gradenwitz, Begriff der Voraussetzung (1880) S. 7 f. 954 Pfersche, error in substantia (1880) S. 22 f. 955 Bekker, System I (1886) S. 367 Fn. d u. S. 376; Lenel, Voraussetzung (1889) S. 213–239, 225–227. 956 Zimmermann, Beiträge (1868) S. 5 Fn. 5; dagegen ist zu sagen, dass der Erklärende zwar deutlich machen muss, ob und für welchen Fall er will, ihm jedoch nicht bewusst zu sein braucht, auf welchem juristischen Weg seinem Nichtwollen Rechnung getragen wird. 957 Adickes, Bedingungen (1876) S. 78 f.; dies ist unhaltbar und eine Übertreibung des Vertragsgedankens wegen der Unmöglichkeit, einen in seinem Bestand defekten Vertrag auf diesem Wege perfekt zu machen. 958 Gradenwitz, Begriff der Voraussetzung (1880) S. 16 und S. 12 f. mit S. 19 u. S. 23. Willensunabhängigkeit der condictio auch schon bei Voigt, Über die condictiones ob causam (1862) S. 516 f.
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Erfordernis der für den Empfänger erkennbaren „Beziehung der Leistung zu dem vorausgesetzten Umstande“ bestätigte959, wiederholten Wendt960 und Lenel961 diese Vorwürfe, wobei Wendt noch hinzufügte, allein diese objektive Begründung erlaube die Einheit der Kondiktionenlehre.962 1889 relativierte Hipp dann – sehr zu Recht – das zweite Argument mit dem Hinweis, dass auch der objektive (Geschäfts-)Zweck als Ausdruck des „Parteiwillen[s] in Bezug auf den Erfolg“ angesehen werden könne, lehnte aber ebenfalls das Erfordernis der Erkennbarkeit des Zweckes für den Empfänger ab.963 Auch der in der Tat sehr umfassende Begriff der Voraussetzung erntete reichlich Kritik: Er sei, weil von der Umgangssprache in seinen Inhalten abweichend, als terminus technicus ungeeignet,964 der lateinischen(!) Sprache unbekannt965, zu wandelbar966 und provoziere Irrtümer.967 Zudem sei seine Entwicklung willkürlich968. Der weite Bereich der Voraussetzung brachte außer dem Rezensenten von 1850 noch zahlreiche weitere Autoren dazu, Windscheid systematische Mängel vorzuwerfen. Sie erfasse zu viele und im Einzelnen ungenau behandelte Problemfelder.969 So sei der modus kein Unterfall der Voraussetzung sondern eine Nebenabrede970 und komme der Vereinbarung einer Gegenleistung gleich971. Als Bestimmungsgrund eines Geschäftes könne die Voraussetzung (causa) nicht als Selbstbeschränkung des Willens bezeichnet werden,972 diese Kategorie sei überhaupt überflüssig973. Bei Schenkungen auf den Todesfall und Eheschenkungen beschreibe Windscheid suspensiv bedingte Auflösungsverträge, die ebenfalls mit Selbstbeschränkungen des
959 Pfersche, Bereicherungs-Klagen ([nach 1880]) S. 94, der jedoch auch die Figur der Voraussetzung als in der Rechtsgeschäftslehre falsch begründet ablehnte, ebd. S. 94–96. 960 Wendt, Pandekten (1888) S. 157 u. S. 677 f. 961 Lenel, Voraussetzung (1889) S. 223 u. S. 227–235. 962 Wendt, Pandekten (1888) S. 678. 963 Hipp, Rückforderung (1889) S. 17 f.; demgegenüber ein Rückschritt Pfersche, Irrthumslehre (1891) S. 225 Fn. 25, der den Zweck der Leistung als vom Parteiwillen unabhängig betrachtete und Windscheid, ebd. S. 224 Fn. 20b, Fiktion des Willensmoments vorwarf. 964 Lotmar, Über causa (1875) S. 88. 965 Böcking, Pandekten I (21853) § 110 Anm. a S. 388. 966 Erxleben, Condictiones sine causa (1853) Vorwort S. VI. 967 Witte, Bereicherungsklagen (1859) S. 65. 968 Voigt, Über die condictiones ob causam (1862) S. 523. 969 Böcking, Pandekten I (21853) § 110 Anm. a S. 388. 970 Gradenwitz, Begriff der Voraussetzung (1880) S. 24–27. 971 Pfersche, error in substantia (1880) S. 24 f. 972 Wendt, condictio ex poenitentia (1878) S. 25–27. 973 Voigt, Über die condictiones ob causam (1862) S. 518–520; a. A. Ryck, Lehre von den Schuldverhältnissen (1889) S. 219 Fn. 1 u. S. 307–309, der jedoch ebenfalls die Voraussetzung ablehnt und eine eigene Kategorie der Selbstbeschränkung im modus sieht.
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Willens nichts zu tun hätten974. Auch die Ausdehnung der Sachmängelhaftung beim Kauf sei so, wie von Windscheid vorgeschlagen, nicht möglich, denn sie beruhe nicht auf dem Willen des Erklärenden, sondern auf der Unredlichkeit des Verkäufers.975 Der gewichtigste Vorwurf ist aber der, Windscheid habe seine neue Lehre von den Rechtsfolgen her konstruiert. Darum seien die Elemente der Lehre so heterogen und darum auch könne die Lehre nichts zum besseren Erkennen neuer Wirkungen beitragen976. Um 1890 bestand daher die herrschende Meinung auf einer Beibehaltung der „konkreten und bestimmten Rechtsgebilde der Römer“ 977 und der strikten Trennung der causa des Bereicherungsrechts von modus und Bedingung als Teilen der Rechtsgeschäftslehre. Das erscheint sehr verständlich, wenn man beachtet, wie weit sich die Bedeutungen von causa als Willensmotiv und causa als Rechtsgrund in den Jahren seit 1850 voneinander entfernt haben, so dass beides zusammenzuführen um 1890 noch viel ferner liegen musste, als es 1850 wohl lag. 1889/91 begegnet dann als neues Phänomen der Vorwurf einer „dogmatischen Begriffsjurisprudenz“ und praxisfernen, zu theoretischen Denkens.978 Dem ist zu widersprechen. Sicher ist die Voraussetzungslehre Ergebnis einer juristischen Konstruktion und gehört damit jenem Bereich an, den Ihering Jahre später den höheren Bereich der „productiven Jurisprudenz“ genannt hat und für den der „Begriff“ entscheidende Bedeutung hat.979 Aber für Windscheid war nicht der Begriff der Voraussetzung, wie von der Kritik suggeriert, sondern die Beachtung einer gewissen Gleichförmigkeit der Rechtsfolge Ausgangspunkt der Voraussetzungslehre. Dass Windscheid möglicherweise das Vorstellungsvermögen des menschlichen Willens überschätzte, hat mit Begriffsfetischismus nichts zu tun. Einige wenige, besonders spätere, Stimmen meinten auch, die Voraussetzungslehre sei deshalb abzulehnen, weil sie in der Praxis zu unhaltbaren Ergebnissen führe.980 Auch dieser Vorwurf erscheint prinzipiell nicht berechtigt. Gerade der für Voigt zu weite Freiraum der richterlichen Beurteilung981 erlaubt in der Theorie eine in jedem Fall sachgerechte Entscheidung. Dagegen ist tatsächlich die Erkennbarkeit der Voraussetzung, die ja für Windscheid
974
Gradenwitz, Begriff der Voraussetzung (1880) S. 35. Gradenwitz, Begriff der Voraussetzung (1880) S. 37 f.; dazu auch Pfersche, error in substantia (1880) S. 20–24. 976 Gradenwitz, Begriff der Voraussetzung (1880) S. 44 f.; Pfersche, error in substantia (1880) S. 21 f. 977 Dernburg, Pandekten I (11884) S. 265. 978 Pfersche, Irrthumslehre (1891) S. 225 Fn. 25 (Zitat) und Hipp, Rückforderung (1889) S. 14. 979 Ihering, Unsere Aufgabe (1857) S. 1–52, bes. S. 7–11 u. S. 14. 980 Voigt, Über die condictiones ob causam (1862) S. 522 f.; Zimmermann, Beiträge (1886) S. 5 Fn. 5; Bekker, System I (1886) S. 374; Wendt, Pandekten (1888) S. 157 f.; Pfersche, Irrthumslehre (1891) S. 225 Fn. 25. 981 s. B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 58 f. S. 81–85, bes. S. 84, Nr. 71 S. 108 f., Nr. 73 S. 119, Nr. 87 S. 143 f. und Nr. 94 S. 152. 975
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im Dienst der Rechtssicherheit steht, kritikwürdig. Sobald als Kondiktionsgrund nicht mehr mit Savigny der subjektive Motivirrtum sondern das Fehlschlagen des objektiven Geschäftszwecks gilt, wird dieses Tatbestandsmerkmal überflüssig. Andererseits ist der wirkliche Wille nur dann vom eigentlichen eindeutig zu unterscheiden, wenn letzterer Motiv bleibt – mit allen Risiken seiner Anerkennung für die Rechtssicherheit. Der Empfänger einer von ihm als unter einer Voraussetzung abgegeben erkannten Willenserklärung unterscheidet eben nicht zwischen wirklichem voraussetzungslosem und eigentlichem voraussetzungsbehafteten Willen. Windscheid hat sich vor 1892 zweimal in kurzen Stellungnahmen zu der geschilderten Kritik geäußert. In einer Rezension der Monographie Wittes wehrt er 1859 dessen Einwände mit kurzen Worten ab, verteidigt die „Voraussetzung“ als Rechtsbegriff sowie die Kategorie der „ersten Absicht“ und bedenkt Wittes eigene Vorschläge mit fast schon heftiger Ablehnung.982 1875 dient ihm eine Fußnote seines Lehrbuches983 zu einer Attacke gegen Voigt und Zimmermann, durch deren Opposition er sich jedoch nicht für widerlegt hielt. 1892 dann verteidigt Windscheid seine Lehre in einem längeren Aufsatz vor allem gegen die Auffassung Lenels.984 Hierauf sowie auf die weitere Entwicklung nach 1892 wird in einem späteren Abschnitt eingegangen.985 2. Die Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) Ziel dieser „akademische[n] Gelegenheitsschrift“ 986, die im öffentlichen Buchhandel nicht erschien,987 ist die Korrektur der herrschenden Meinung in einem von der Voraussetzungslehre nicht weit entfernten Bereich. Windscheid möchte beweisen, dass anders als seither von den Meisten angenommen der aufschiebenden Bedingung gar keine, der auflösenden Bedingung nicht unbedingt rückwirkende Kraft zukommt.988 Dabei ist die Untersuchung wegen der Pflicht des Rechts, wo immer möglich den Willen der Parteien zu achten, nur für die Fälle von Bedeutung, in denen klare Hinweise auf den genauen Inhalt des erklärten Willens nicht vorliegen. Dann ist auf das „wahrscheinlich Gewollte“ zurückzugreifen, das sich aus der „gesunde[n], ungetrübte[n] Auffassung der wirklichen Lebensverhältnisse“ ergebe, wie sie in unübertrefflicher Weise dem römischen Recht zugrunde liege.989 982
B. Windscheid, Rez. Witte, Bereicherungsklagen (1859) S. 115–127, 118–121. B. Windscheid, Lehrbuch II (41875) § 423 S. 588 Fn. 8. 984 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 161–202. 985 s. unten Abschnitt H. II. 2. b). 986 So der Untertitel der Wirkung der erfüllten Bedingung. 987 Brief Windscheids an Andreas Heusler-Ryhiner aus München vom 14.10.1861, StA Basel PA 328 E 168, Windscheid, Bernhard. 988 B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 4 f. 989 B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 4. 983
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Im ersten, mit 18 Seiten über die Hälfte der gesamten Abhandlung einnehmenden, Teil beschäftigt sich Windscheid mit der Wirkung der aufschiebenden Bedingung. In einer Kombination aus Quellenbelegen und logischen Schlüssen legt er zunächst dar, dass das römische Recht dieser Bedingung keine rückwirkende Kraft beimisst: Dies ergebe sich aus der Bewertung von Schenkungen auf den Todesfall wie auch der dos990 und zeige sich in einer ganzen Reihe von weiteren anders nicht erklärbaren Phänomenen:991 Wenn das die Existenz des Rechtsverhältnisses hindernde Ereignis erst zur Zeit der Erfüllung der Bedingung eintrete, gelte das Rechtsverhältnis trotz Bedingungseintritts nicht als in der Zwischenzeit existent gewesen. Das sei mit Rückwirkung unvereinbar, „denn so kann man sich doch die rückwirkende Kraft der erfüllten Bedingung nicht construiren, – . . . – daß man den in der Erklärung ausgesprochenen Willen zwar zunächst auf die Zeit der erfüllten Bedingung bezieht, wenn er aber für diese Zeit existent geworden ist, dann auf die der Erklärung zurücküberträgt“.992 Dieses Argument ist nur dann logisch, wenn man mit Windscheid voraussetzt, dass eine auch bedingte Einigung, selbst wenn über ihre richtige juristische Bewertung gestritten werden kann, jedenfalls nicht als nullum betrachtet werden darf und die Rückwirkung nicht auf diese Einigung selbst, sondern nur auf die Folgen des Bedingungseintritts zu beziehen ist.993 Dies mitbedacht schließt Windscheid weiter, dass bei Annahme der Rückwirkung „ein zur Zeit der Willenserklärung vorhandenes rechtliches Hinderniß“ auch wenn es bei Bedingungseintritt nicht mehr bestand, die Wirksamkeit des Rechtsverhältnisses andauernd verhindern müsse, was ebenfalls nicht zutreffe.994 Gleichfalls unerklärlich sei die Unvererblichkeit von Zuwendungen aus bedingten letztwilligen Verfügungen – mit Ausnahme der bedingten Traditionen und Stipulationen – beim Tod des Erklärenden vor Bedingungseintritt.995 Schließlich werde auch von der Gegenmeinung anerkannt, dass bei bedingtem Eigentumserwerb dem Erwerber das Recht auf die Früchte erst ab Be-
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B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 5–7. B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 7–13. 992 B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 9. 993 Dies verdeutlicht B. Windscheid in seiner Rezension von Fitting, Über den Begriff der Rückziehung (1856), Krit.Zeitschr. 4 (1857) S. 35–53, 38: „Es scheint mir ohne Weiteres auf der Hand zu liegen, daß bei der bedingten Willenserklärung das die rechtliche Wirkung Erzeugende immer nur das Wollen sein könne, nicht aber diejenige Gestaltung der Verhältnisse, von welcher das Wollen (in seiner Wirkung) abhängig gemacht worden ist.“ 994 B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 9 f., Zitat S. 9. Ausnahme: Die Gültigkeit der Willenserklärung selbst beeinflussendes Defizit in der Person des Erklärenden (Geschäfts-, Testierfähigkeit), denn dieser Mangel der Willenserklärung dauere an, ebd. S. 10. 995 B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 11 u. S. 11 f. für den Parallelfall des Verhältnisses von Gewalthaber und aus letztwilliger Verfügung Bedachtem für den Fall der Beendigung des Gewaltverhältnisses vor Bedingungseintritt. 991
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dingungseintritt zustehe.996 Dann wendet sich Windscheid den bekannten Argumenten für eine Rückwirkung zu und widerlegt sie durch eine Reihe äußerst scharfsinniger Schlüsse: Nachdem er Sells und Wächters Hinweise auf D.45.1. 137.6, D.50.17.144.1 (beide Sell) und D.12.1.8. (Sell und Wächter) wegen Nichtbeachtung des Zusammenhangs oder des falschen Parallelschlusses kurz abgetan hat997 und D.46.3.16 so interpretiert, dass die Aussage der Stelle mit seinem Verständnis zu vereinbaren ist,998 geht er grundsätzlich auf das Wesen eines unter aufschiebender Bedingung geschlossenen Vertrages ein. Für ihn entsteht bei allen Geschäften unter Lebenden mit deren Abschluss ein „obligatorische[s] Band, der contractus“, das den Willen des unter aufschiebender Bedingung Erklärenden bindet,999 so dass etwa alle seine die volle Wirksamkeit des Geschäfts nach Bedingungseintritt hindernden Zwischenverfügungen dem Vertragspartner gegenüber (also relativ) unwirksam sind.1000 Die volle Wirksamkeit des bedingten Rechtsgeschäfts ist eben nur vom Eintritt der Bedingung, nicht aber von der Willkür einer Partei abhängig. Diese Willensbindung geht auch auf den Erben über,1001 wirkt sich auf die Rechte des Gewalthabers noch nach Beendigung des Gewaltverhältnisses aus und führt zur Haftung einer Gesellschaft für eine bedingte Schuld noch über ihre Auflösung hinaus.1002 Sie ermöglicht auch die Bestimmung des Ranges eines Pfandrechts nach der Zeit der Entstehung einer zu sichernden bedingten und damit noch unwirksamen Forderung und erlaubt so die Erklärung von D.20.4.11.pr. und 1 ohne die Annahme einer rückwirkenden Kraft der erfüllten Bedingung.1003 Keine Ausnahme von der eindeutig den § 158 Abs. 1 und § 161 Abs. 1 BGB ähnelnden Deutung der aufschiebenden Bedingung stellt die Regelung der bedingten Erbeinsetzung dar. Weil neben einer – auch bedingten – testamentarischen Verfügung die gesetzliche Erbfolge nicht denkbar ist, muss, damit die Erbschaft zu jedem Zeitpunkt einem Rechtssubjekt zugeordnet werden kann, die Wirkung der Erbeinsetzung auf den Erbfall zurückbezogen werden. Dies geschieht aber nur auf dem Wege einer Fiktion, die dann nicht statt996 B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 12 f. Von Windscheid ebd. S. 13 akzeptiertes Argument der Gegenmeinung: Rückwirkung beziehe sich nur auf den Erwerb des Rechts, nicht auf dessen Ausübung oder Genuss. 997 B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 13 f. 998 B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 15, wobei er meint, dass diese Auslegung „auch unendlich viel näher liegt, als die gewöhnliche. Diese Behauptung stütze ich auf den Verlauf der Stelle.“ 999 B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 16 f. 1000 B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 22. 1001 B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 16 f. zur Erklärung von D.18.6.8.pr. neben eigener Auslegung des Wortes „quasi“ und systematischem Argument und allgemein ebd. S. 18. Widersprüche in den Quellen sind als Meinungsstreit hinzunehmen. „Ein Resultat“, sagt Windscheid, „mit dem man sich überhaupt wohl öfter begnügen sollte, als man noch immer zu thun geneigt ist.“ 1002 B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 18 f. 1003 B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 19–21.
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findet, wenn die Bedingung wegen Vorversterbens des potentiellen Erben nie eintreten kann.1004 Im zweiten und viel kürzeren Teil fragt dann Windscheid, ob die auflösende Bedingung parallel zur aufschiebenden zu behandeln sei und wenn ja, was dies dann für die Rückwirkung bedeute. Windscheids zunächst theoretisch entwickelte These lautet: Aus der zu fordernden Parallelbehandlung ergibt sich, dass die erfüllte auflösende Bedingung rückwirkende Kraft haben muss, denn sie entspricht nicht der eingetretenen, sondern der nie eintretenden aufschiebenden Bedingung. In beiden Fällen habe nie ein auf Rechtsfolgen gerichteter Wille des Bedingenden vorgelegen. Die auflösende Bedingung sei nämlich keine einem unbedingt abgeschlossenen Geschäft hinzugefügte Vereinbarung der aufschiebend bedingten Auflösung.1005 Dass Windscheid zu diesem Schluss kommt und also dem Eintritt der auflösenden Bedingung Wirkung ex tunc beilegt, kann nicht erstaunen. Wäre es anders, so hätte die Voraussetzung neben dieser Form der Bedingung keinen Raum mehr. Mit der Anerkennung dieses für Windscheid logisch zwingenden Schlusses hat das römische Recht seine Schwierigkeiten, weil es, soweit es die auflösende Bedingung überhaupt anerkennt, annimmt, „daß der Wille über das Rechtsverhältniß, welches er einmal hervorgerufen hat, keine Macht mehr besitzt“.1006 Folge dieser strengen Sichtweise und nicht etwa des vermuteten Parteiwillens – auf den Windscheid seine These stützt – sei es, dass das römische Recht das Rechtsgeschäft nach Eintritt der auflösenden Bedingung nicht für nichtig erklärt, sondern nur eine indirekte Wirkung, etwa Rückforderung der in der Zwischenzeit gezogenen Früchte, zulässt. Diese Rechtsfolge bedeutet zweierlei. Einmal werde daraus, dass die Wirkungen der Zwischenzeit zwischen Abschluss des Rechtsgeschäfts und Bedingungseintritt nicht aufrechterhalten würden, deutlich, dass auch das römische Recht „eigentlich“ die Rückwirkung wolle, sich aber aus prinzipiellen Gründen daran gehindert sehe.1007 Zum anderen haben damit im positiven römischen Recht die Erklärung unter einer auflösenden Bedingung und die Erklärung unter einer Voraussetzung die gleichen Rechtsfolgen, was die auflösende Bedingung angeht allerdings im Widerspruch zur reinen Theorie und zum Willen der Parteien.1008 Eine direkte Wirkung gestehe das römische Recht allerdings ausnahmsweise bei Konsensualverträgen zu. Nach Eintritt der auflösenden Bedingung sei etwa ein Kaufvertrag als niemals geschlossen
1004 Da dann der Erbe seine Erbschaft nie antreten konnte, B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 23. 1005 B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 24 f. gegen Thibaut, Sell und Götting. 1006 B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 25. 1007 B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 25 f., Hervorhebung kein Windscheid-Zitat. 1008 B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 26.
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zu betrachten.1009 Dennoch habe der Verkäufer nur eine persönliche, nicht eine dingliche Klage auf Herausgabe der Früchte der Kaufsache. Dieser – im Übrigen sehr streitige – Satz widerspreche zwar der Natur der Sache, sei aber so lange zu beachten, als er „nicht in einer nachweisbar abgestorbenen Anschauung seine Quelle hat“.1010 Auch hier zeigt sich also, dass Windscheid bei der Aufgabe überlebter Normen des römischen Rechts überaus vorsichtig ist. Nicht ganz redlich geht Windscheid vor, wenn er zum Abschluss den auf Seite 26 als Ausnahme bezeichneten Fall der Konsensualverträge auf Seite 30 stillschweigend – vielleicht weil er seiner These von der Rückwirkung entspricht – zur Regel macht und resümiert, im römischen Recht werde „nach Eintritt der auflösenden Bedingung das Rechtsgeschäft angesehen, als sei es nie abgeschlossen, das jetzt zurückkehrende Recht, als sei es nie verloren worden“ und nur „in Beziehung auf den durch den bisher Berechtigten auf Grund dieses Rechts gemachten Erwerb“ sei die Durchführung nicht konsequent.1011 3. Über die Wirkung der erfüllten Potestativbedingung (1852) Ein Jahr nach diesem Angriff auf die Ansicht der herrschenden Lehre vom Wesen der Bedingungen verfolgt Windscheid den wohl bedeutendsten Gedanken daraus, die Bindung des Willens schon mit Abschluss eines bedingten Rechtsgeschäfts, weiter. Im renommierten Archiv für die civilistische Praxis stellt er sich die Frage, „ob jene Gebundenheit des Willens auch bei der potestativen Bedingung, d.h. (hier) derjenigen, die ohne den Willen dessen, der durch ihre Erfüllung verliert, nicht erfüllt werden kann, stattfindet“.1012 Die herrschende Meinung spricht der potestativen Bedingung rückwirkende Kraft ab, beantwortet die Frage also mit nein. Windscheid entwickelt dagegen eine differenzierte Antwort. Wieder stehen die „principiellen Gründe“ voran. Aus diesen ergebe sich, dass auch bei Fallgestaltungen dieser Art der Wille des Erklärenden gebunden sei. Er könne zwar den Bedingungseintritt durch Nichtvornahme der entsprechenden Handlung verhindern, aber nicht durch dritte Handlungen – etwa durch Zwischenverfügungen im Falle der bedingten Übertragung dinglicher Rechte – die Position des Gegenüber verschlechtern. Daher müssten solche Zwischenverfügungen relativ wirkungslos bleiben.1013 Im Widerspruch dazu muss Windscheid aber mit der herrschenden Meinung feststellen, dass das römische Recht „eine Gebundenheit des Willens bei der potestativen Bedingung nicht anerkenn[t]“. 1009 B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 26–29 mit detaillierten, an Spitzfindigkeit grenzenden Exegesen. 1010 B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 29 f. 1011 B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 30. 1012 B. Windscheid, Potestativbedingung (1852) S. 51, Klammereinschub original. 1013 B. Windscheid, Potestativbedingung (1852) S. 52–54, Zitat S. 52, im Anschluss an Trotsche und besonders Wächter.
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„Es muß angenommen werden, daß die römischen Juristen in der That von der Vorstellung ausgegangen sind, daß ein einmal eingeräumtes unbedingtes Recht, wie überhaupt nicht durch die Willkür des Verleihenden, so auch nicht durch die Erfüllung der Bedingung einer früheren Verleihung zurückgenommen werden könne.“ 1014 Dies gilt, obwohl einzelne Quellen der von Windscheid „im Prinzip“ geforderten Bindung nicht widersprechen.1015 Windscheid muss also hinnehmen, dass sich das römische Recht für eine prinzipiell unhaltbare Anschauung entschieden hat. Zwar kann er dieses Ergebnis nicht billigen, aber er weiß auch keinen Weg, sich davon zu lösen. Es bleibt ihm nur die Hoffnung auf weitere Stimmen, die ihn „eines Besseren belehren“ mögen.1016 Dennoch gibt sich Windscheid nicht so einfach geschlagen. Anhand einer von vielen akzeptierten Ausnahme, dem Fall „der Verpfändung für eine künftig zu contrahirende Schuld, wenn der Verpfänder den Gegner zwingen kann, sich, durch eine Aufopferung, zu seinem Gläubiger zu machen“, will er zeigen, dass diese dem Billigkeitsgefühl entsprechende Ausnahme – der Verpfänder könnte sonst seinen Gegner zur Minderung seines Vermögens zwingen und ihm zugleich die korrespondierende dingliche Sicherung nehmen – juristisch nicht zu begründen ist. Daraus leitet er dann das Erfordernis ab, diese Ausnahme zur, auch prinzipiell richtigen, Regel zu machen.1017 Die Literatur zum römischen Recht mache den Fehler, aus einem Versprechen, das bestehende Pfandrecht nicht zu schmälern, auf den Bestand dieses Pfandrechts zu schließen. Dabei führe doch Nichterfüllung eines Versprechens nie zur Erfüllung, sondern immer nur zum Schadensersatz.1018 Die französische Jurisprudenz – der Windscheid also immer noch nahesteht! – wisse hier ebenfalls keinen Rat. Auch sie verwechsle Verpflichtung zur Bindung mit der Bindung selbst, arbeite außerdem, wie auch die rheinische Jurisprudenz, mit der in diesem Zusammenhang „unglückliche[n] Idee des zweiseitigen Vertrages“.1019 Schließlich könne auch die zur Begründung herangezogene Digestenstelle D.20.4.1.pr. die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen.1020 Windscheids Fazit lautet: Literatur und Rechtsprechung folgen an diesem Punkt dem billigen Rechtsgefühl, das deshalb juristisch nicht zu begründen ist, weil das allein richtige juristische Prinzip nicht beachtet wurde. Bei dieser Sachlage beruft sich Windscheid nun auf das Rechtsgefühl und meint, es dürfe sich zwar gegen eine juristisch begründete Ansicht nicht durchsetzen, aber der 1014 B. Windscheid, Potestativbedingung (1852) S. 58 f. zu D.20.4.11.1 gegen Schmidt und Wächter, Zitat S. 59. 1015 B. Windscheid, Potestativbedingung (1852) S. 54 f. Trotsche folgend zu D.20.6.3. u. D.20.4.11.2. 1016 B. Windscheid, Potestativbedingung (1852) S. 60. 1017 B. Windscheid, Potestativbedingung (1852) S. 60–78, Zitat S. 60. 1018 B. Windscheid, Potestativbedingung (1852) S. 62–64. 1019 B. Windscheid, Potestativbedingung (1852) S. 64–68, Zitat S. 67. 1020 B. Windscheid, Potestativbedingung (1852) S. 69–76, bes. S. 73 u. S. 75 f.
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Jurist dürfe es auch nicht einfach übergehen. „Häufig trifft doch auch das nicht reflectirende Gefühl das Wahre. Es darf nicht Maaß des Wahren sein wollen, aber es kann das Wahre enthüllen.“ Im in Rede stehenden Fall habe „jenes Gefühl . . . das Wahre nur zu enge gefasst“ und es lediglich „für den Fall“ ausgesprochen, „in welchem das Gegentheil auffällige Folgen haben würde“.1021 Aus dieser Erkenntnis der prinzipiell falschen, nur im Einzelfall, weil hier dem Rechtsgefühl und nicht der juristischen Konsequenz folgend, mit dem Prinzip übereinstimmenden gesetzlichen Regelung ergibt sich nicht die Missachtung des Gesetzes. Als Windscheid jedoch 1862 eine mögliche Gesetzesauslegung gefunden zu haben glaubt, die, mit dem Prinzip übereinstimmend, zu einer Bindung des Erklärenden auch bei der Potestativbedingung führt, gibt er alle Vorbehalte auf und behandelt diese Form völlig parallel mit den übrigen Bedingungen.1022 Dass Windscheid seine Gedanken nicht nur als theoretische Überlegungen, sondern auch als Hinweise für die Praxis verstanden hat, lässt sich an einem von ihm für das Greifswalder Spruchkollegium ausgearbeiteten Referat gut belegen. Dort beantwortet er die Frage nach der Beweislast bei unter einer aufschiebenden Bedingung abgeschlossenem Vertrag unter ausdrücklichem Hinweis auf seine dazu erschienenen wissenschaftlichen Veröffentlichungen.1023 Er betont die Gebundenheit des Erklärenden auch vor Bedingungseintritt und behandelt das bedingte Rechtsgeschäft als ein nicht etwa nichtiges, sondern abgeschlossenes, wenn ihm auch noch die rechtlichen Wirkungen fehlten. Daraus, dass die bedingte Willenserklärung gegenüber der unbedingten nicht ein minus, sondern ein aliud sei, ergibt sich konkret, dass jeder, der sich auf das bedingte Rechtsgeschäft beruft, das Vorliegen einer bedingten Willenserklärung zu beweisen hat. Umgekehrt gilt, dass jedem, der die Unbedingtheit dieses Rechtsgeschäfts behauptet, das Zugeständnis eines bedingten Geschäfts nicht hilft und er die Unbedingtheit plausibel machen muss, weil eine bedingte Willenserklärung nicht als eine beschränkte unbedingte sondern als eine mit ihrem Entstehen schon beschränkte zu denken sei.1024 Windscheids Bedingungslehre wurde Ausgangspunkt einer breit angelegten Diskussion, die auch noch andauerte, als sich die erste BGB-Kommission Windscheids Ansicht angeschlossen und sein Verständnis der aufschiebenden Bedingung zum Gesetz erhoben hatte.1025 Es ist beeindruckend zu sehen, wie Wind1021
B. Windscheid, Potestativbedingung (1852) S. 78. B. Windscheid, Lehrbuch I (11862) § 89 a. E. S. 202 f. u. bes. S. 203 Fn. 15. 1023 UAG Jur.Fak. 366, Urteil vom 6./9.10.1856 für das OLG Dessau (27 S.), dort S. 11 zitiert: B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 17–19 und ders., Rez. Fitting, Rückziehung (1857) S. 35–53, 41 f. 1024 UAG Jur.Fak. 366, Urteil für das OLG Dessau vom 6./9.10.1856 bes. S. 24–28. 1025 Siehe den Überblick über die Diskussion und Entstehung des Gesetzes bei Schiemann, Pendenz (1973) S. 99–145. 1022
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scheid von Auflage zu Auflage seines Lehrbuches diese Diskussion verfolgte und nicht ohne Stolz eine stetig wachsende Zahl von Anhängern seiner These von der fehlenden Rückwirkung aufschiebender Bedingungen verzeichnete.1026 Während er sich in dieser Meinung bestätigt fühlen durfte, gab er schon 1862 seinen Widerstand gegen die Betrachtung der auflösenden Bedingung als „aufschiebende [Bedingung] einer auf Wiederaufhebung der Wirkungen der Hauptwillenserklärung gerichteten Nebenwillenserklärung“ auf, da seine andere und prinzipiell richtige Ansicht mit den Quellen nicht zu vereinbaren sei.1027 Wichtiger als der Zahlenvergleich und die Betrachtung des Sonderfalls der auflösenden Bedingung ist jedoch der Vergleich der allgemeinen Argumentationen. Fitting, der als erster nach Windscheid 1856 seine Stimme erhebt,1028 ein Anhänger der Rückwirkungstheorie ist und die Formel der Bedingung nicht in einem „ich will dann, wann“ 1029, sondern durch „ich will, falls“ ausgedrückt sieht,1030 modifiziert diese Lehre in einer Windscheid entgegenkommenden Weise. Für ihn gibt es außer einer rückwärtsgewandten „Rückziehung“ 1031 auch eine vorwärts gerichtete „Vorwirkung“ 1032. Letztere tritt in den Fällen einer bedingten Verfügung ein und bewirkt im Ergebnis ebenso wie Windscheids Gebundenheit des Willens, dass Zwischenverfügungen des bedingt Erklärenden wie auch des Zwischenberechtigten – etwa bei Übereignungen des „Zwischeneigentümers“ – gegenüber dem Erklärungsempfänger unwirksam sind.1033 Bei obligatorischen Geschäften führt die Annahme einer Vorwirkung oder einer Rückziehung laut Fitting zu völlig gleichen Ergebnissen.1034 Beide Autoren sind sich also im Hinblick auf die Lösung praktischer Fälle einig.1035 Ein Unterschied ist darin zu sehen, dass Fitting eine Gebundenheit nicht des Willens, sondern der betroffenen Sache selbst annimmt1036 und in dem Effekt der Vorwirkung über eine objektive Beschreibung hinaus in bestimmten Fällen auch eine subjektive – vererbliche – Rechtsposition sieht.1037 Letzteres übernimmt Windscheid in einer Rezension von Fittings Monographie über den Begriff der Rückziehung als Ergänzung seiB. Windscheid, Lehrbuch I (71891) § 91 Fn. 1 S. 252–255. B. Windscheid, Lehrbuch I (11862) § 86 S. 194 u. Fn. 6. Im Laufe der Zeit machte er sogar Abstriche an seiner prinzipiellen Haltung, ebd. (71891), § 86 S. 238 f. Fn. 6. 1028 Fitting, Rückziehung (1856) und ders., Bedingung (1856) S. 305–350. 1029 B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 4. 1030 Fitting, Bedingung (1856) S. 305–350, 336. 1031 Fitting, Rückziehung (1856), bes. S. 5–21. 1032 Fitting, Rückziehung (1856), bes. S. 21–47. 1033 Fitting, Rückziehung (1856) S. 62–78. 1034 Fitting, Rückziehung (1856) S. 62. 1035 Fitting, Bedingung (1856) S. 333 Fn. 51. 1036 Fitting, Rückziehung (1856) S. 64 f. 1037 Fitting, Rückziehung (1856) S. 103–109. 1026 1027
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ner eigenen Lehre.1038 Dagegen rückt er vom Willensmoment als Ausgangspunkt seiner Betrachtung nicht ab.1039 Der zweite Unterschied liegt darin, dass es Fitting um den objektiven, willensunabhängigen „Begriff“ – der Rückziehung, der Bedingung, auch der Vorwirkung – geht,1040 während Windscheid mit seiner Vorstellung von der Willensgebundenheit im deskriptiven Bereich bleibt, nicht definiert. Dies brachte ihm Kritik vom letzten bedeutenden Pandektisten, der sich mit dieser Frage befasste, Ludwig Enneccerus, wie auch noch in jüngerer Zeit von Schiemann ein.1041 Enneccerus stützt einerseits Windscheids Ansicht gegen Fitting, wenn er annimmt, im römischen Recht sei Ursache der Rechtswirkung der Wille und nicht ein vom Begriff her erschlossenes juristisches Konstrukt.1042 Jedoch betont Enneccerus nach langer grundsätzlicher Untersuchung, ein bedingter Wille sei nicht möglich. Der geäußerte Wille könne mit oder ohne Bezug zu einer Bedingung immer nur unbedingt sein.1043 Dies passt zwar eher zu Windscheids – über die Quellenexegese im Grunde aus der Natur der Sache geschlossenen – Formel „ich will dann, wann“ als zu Fittings „ich will, falls“, entspricht aber nicht Windscheids Ansichten. Er beharrt darauf, der bedingte Wille sei ein „besonders geeigenschafteter“ Wille.1044 Die Vorstellung von einem Willen begrenzter Intensität fällt nicht leicht, kann aber immerhin erklären, woher die Gebundenheit des Erklärenden vor Bedingungseintritt rührt. Allerdings lehnt Enneccerus jede subjektive Form der Gebundenheit ab und ersetzt sie durch das Gesetz, das gewisse Zwischenverfügungen eben autoritativ untersage.1045 Dies erscheint jedoch einmal nicht als in jeder Beziehung im Gegensatz zu Windscheids Meinung stehend, andererseits als nicht genügend. Denn wenn Windscheid sagt, der unter einer Bedingung Erklärende sei gebunden und könne – nicht etwa nur dürfe als vertragstreue Person – die Position des Kontrahenten nicht mehr durch Zwischenhandlungen erschüttern,1046 so ist damit noch nicht gesagt, was dieses Nicht-Können bewirkt. Hier dürfte auch Windscheid auf das Gesetz verwiesen haben, dem er ja einen souveränen Umgang mit dem Recht zuspricht.1047 Dagegen erklärt dies nur die Folgen für den Dritten, nicht die Ur1038 B. Windscheid, Rez. Fitting Rückziehung (1857) S. 35–53, 42, beschränkt auf bedingte Verfügungen unter Lebenden. Ebenso ders., Lehrbuch I (11862) § 89 S. 201. 1039 B. Windscheid, Rez. Fitting Rückziehung (1857) S. 38 f., S. 42 f. u. S. 48 f. 1040 Dies zeigen schon die Titel, besonders aber Fitting Rückziehung (1856) S. 54 Fn. 85 u. ders., Bedingung (1856) S. 329. 1041 Enneccerus, Rechtsgeschäft, Bedingung und Anfangstermin I (1888) S. 165: „Die Gebundenheit ist im Stande allen Anforderungen zu genügen, weil sie ein Begriff ist, dem es noch an der genügenden Klarheit ermangelt, . . .“; ebenso Schiemann, Pendenz (1973) S. 99. 1042 Enneccerus, Rechtsgeschäft, Bedingung und Anfangstermin I (1888) S. 161–163. 1043 Enneccerus, Rechtsgeschäft, Bedingung und Anfangstermin I (1888) S. 177. 1044 B. Windscheid, Lehrbuch I (71891) § 86 S. 235 Fn. 3a. 1045 Enneccerus, Rechtsgeschäft, Bedingung und Anfangstermin I (1888) S. 164. 1046 B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 19, ders., Lehrbuch I (71891) § 89 S. 244 f. u. ebd. Fn. 3 u. 4.
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sache für die Bindung gegenüber dem Kontrahenten. Hier allein auf das Gesetz zu verweisen greift zu kurz, denn es bleibt dann unklar, warum das Gesetz diese Bindung befiehlt. Schiemann kritisiert an Windscheid, er sei zu wenig systematisch mit dem Problem der Rückwirkung umgegangen und insoweit weit hinter Fitting zurückgeblieben.1048 Soweit es dabei um die Vorstellung von einer Gebundenheit des Willens oder der Sache selbst geht, hat Fitting fast entschuldigend gemeint, auch für Windscheid müssten sich die Folgen der Gebundenheit in der Qualität der Sache selbst niederschlagen. Wäre es anders, könnte Windscheid die Wirkungslosigkeit der Verfügungen des Zwischeneigentümers nicht erklären.1049 Windscheid spricht denn auch selbst davon, dass bei einer bedingten Verfügung die Sache vom Recht ergriffen werde,1050 so dass dieser Vorwurf nicht berechtigt erscheint. Unrichtig ist es auch, Windscheids allgemeinere Ausführungen über den Schwebezustand, bei Schiemann Pendenz genannt, als einerseits juristisch eher sinnlos, andererseits Beispiel einer pandektistischen Verirrung bei der Rechtsanwendung zu betrachten.1051 Die kritisierte getrennte Behandlung von Schwebezeit und Zeit nach Bedingungseintritt ergibt sich zwingend aus der Ablehnung einer Rückwirkung und damit einer rückwirkenden Angleichung der rechtlichen Situation in beiden Phasen.1052 Dass die Schwebezeit unter den juristischen Tatsachen erwähnt wird, hat zwar sicher einen „methodisch-systematischen Grund“, nämlich den, das Werden und Vergehen von Rechten genau erfassen zu können, dieser enthält aber noch in keiner Weise irgend welche Vorgaben für die Rechtsanwendung.1053 Windscheids Bedingungslehre hatte nicht nur – aller Kritik ungeachtet – großen Einfluss für das BGB, sondern sie dürfte immer noch der herrschenden Lehre auch in der neueren Romanistik entsprechen,1054 wenn auch die Angriffe darauf nicht zu übersehen sind.1055 1047 s. B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 21: „Wenn auch durch die bedingte Bestellung das dingliche Recht nicht unmittelbar entsteht, so ergreift es doch, wenn der Bestellende durch seine Willenserklärung gebunden war, sobald es entsteht, die Sache in dem rechtlichen Zustande, in welchem sie zur Zeit der Bestellung war.“ Zur Allmacht des Gesetzes vgl. ders., Recht des redl. Besitzers (1847) S. 66, wo er allerdings von „Recht“ spricht, damit aber die „Rechtsregel“ meint. 1048 Schiemann, Pendenz (1973) S. 102 f. u. S. 104 f. 1049 Fitting, Rückziehung (1856) S. 68 f. u. Fn. 103. 1050 B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 21. 1051 Schiemann, Pendenz (1973) S. 104 f., bes. S. 105: Zeichen, dass die Pandektistik „bei der Rechtsanwendung ganz von den maßgeblichen Wertungen und Interessen“ absehe. 1052 B. Windscheid, Lehrbuch I (71891) § 67 S. 163 Fn. 2 und §§ 89 u. 90, S. 243– 251. 1053 B Windscheid, Lehrbuch I (71891) § 67 S. 163–165 u. Fn. 2 und dazu Schiemann, Pendenz (1973) S. 104 f., Zitat S. 104. 1054 Kaser, Römisches Privatrecht 1. Abschnitt (21971) § 61 Nr. 4 S. 255 f. u. Nr. 6 S. 257.
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E. Professur in Greifswald (1852–1857) I. Leben In der zweiten Maiwoche des Jahres 1852 traf Bernhard Windscheid in Greifswald ein.1056 Das Sommersemester hatte bereits begonnen und Windscheid kam verspätet, doch mit Billigung des Ministers v. Raumer: Schon am 25. Februar war Windscheids Mutter in Düsseldorf gestorben,1057 und so konnte der Minister nicht anders, als Windscheids Antrag auf Urlaub, um „vor meiner Abreise nach Greifswald dem älterlichen Hause einige Zeit zu widmen“, stattzugeben.1058 Greifswald war 1852 eine kleine, in der erst 1815 von Schweden an Preußen gefallenen Provinz Neuvorpommern gelegene Ostseestadt von ca. 13.000 Einwohnern1059, noch ohne Eisenbahnanschluss und fast ohne Industrie.1060 Weitab aller Zentren bot die Stadt auch selbst wenig kulturelle oder gesellschaftliche Zerstreuung, verfügte neben der Universität und der angeschlossenen staats- und landwirtschaftlichen Akademie im nahegelegenen Eldena nur noch über ein Appellationsgericht. Die bald 400jährige Universität1061 nahm mit gut 200 Studenten1062 einen der letzten Plätze auf der Stufenleiter deutscher Universitäten ein, noch hinter Marburg und nur vor Kiel, Rostock und Braunsberg.1063 Aber dank des dort seit 1842 wirkenden Georg Beseler hatte sie den Anschluss an die humanistische Bildungsreform Wilhelm v. Humboldts gefunden1064 und, und dies war Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht (41987) § 41 S. 93 bes. Fn. 23. Schiemann, Pendenz (1973) S. 15–22, zusammenfassend S. 23, hält das Kriterium der Rückwirkung im klassischen Recht für wenig hilfreich. 1056 Brief Windscheids vom 3.5.1852 aus Düsseldorf an die juristische Fakultät in Greifswald, UAG ST 788. 1057 Stammbuch, Familiennachlass Windscheid S. 10 f., Eintrag des Vaters vom 28.3. 1852. 1058 Antrag vom 7.4.1852 aus Basel, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 7 Tit. IV Nr. 20 Bd. 1 Bl. 301–302r, 301v; Genehmigung aus Berlin am 25.4.1852, ebd. Bl. 305–306v, 306r. 1059 1854 13.232 Einwohner, Handbuch Hof u. Staat 1854, S. 816. 1060 Universität Greifswald (1982) S. 31: 1856 ca. 300–400 Industriearbeiter; H. Schröder, Zur politischen Geschichte (1956) S. 122: ab 1850 langsamer Beginn der Industrialisierung, Eisenbahnanschluss nach Berlin erst 1863. 1061 Gegründet am 29.5.1456, eröffnet am 17.10.1456, Hertz/Baier, Bericht (1857) S. 1, verdankt sie ihren Erhalt dem Art. 9 des preußisch-schwedischen Vertrags über schwedisch Pommern vom 7.6.1815, Kosegarten, Geschichte Bd. 2 (1856) S. 156 Nr. 246. 1062 SS 1852 bis SS 1857: zwischen 204, Amtliches Verzeichniss Greifswald SS 1852 S. 19, und 247, ebd. SS 1857 S. 20, Studenten und Hospitanten. 1063 Conrad, Statistik (1893) S. 118 f. Tab. I. 1064 Molitor, Greifswalder Juristenfakultät (1956) S. 13 und besonders Kern, Beseler (1982) S. 68 f., ders., Beseler (1988) S. 598–601, 599; Bild Beselers aus seiner Greifswalder Zeit bei O. Schmitt, Wilhelm Titel (1931) Tafel 24. 1055
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Windscheid wichtig, Greifswald lag in Preußen, dem „Vaterlande, dem mein Herz immer zugewandt geblieben ist“.1065 Bemerkenswert auch, dass damals Neuvorpommern das einzige preußische Gebiet war, in dem im Wesentlichen das gemeine Recht Geltung hatte.1066 Die Studentenzahlen der juristischen Fakultät waren bescheiden. Bei Windscheids Ankunft waren es gerade 43. Die Zahl wuchs dann bald auf über 60 an, um jedoch bis zu Windscheids letztem Semester, dem SS 1857, wieder auf 36 und später noch weiter zu fallen.1067 Immerhin blieb dies ein Auditorium, von dem Windscheid in Basel nur träumen konnte. Der Empfang durch die Greifswalder Fachkollegen war so, dass Windscheid feststellen musste: „Hier wird mir keine Liebe entgegengetragen, sondern ich muß mir Wohlwollen verdienen“.1068 Dies kann nicht verwundern, hatte sich die Fakultät doch, als sie im Dezember 1851 ihr Gutachten zur Nachfolge des nach Leipzig berufenen Professors O. Müller abgab, dahin geäußert, Windscheids Berufung wäre „minder für die Verhältnisse der Facultät zutreffend“.1069 Sie hatte betont, dass der neue Kollege den gemeinen Zivilprozess alleine zu vertreten haben werde, und auf einen ausgewiesenen Praktiker gehofft. Erst in zweiter Linie wünschte man auch eine „frischere, unter dem Einfluß späterer Richtungen entwickelte“ Kraft für das römische Recht. Zu beidem wäre ihr der Justiz- und Konsistorialrat Hermann Buchka aus Neustrelitz1070, aber auch der ordentliche Professor Georg Wilhelm Wetzell aus Rostock1071 sehr erwünscht gewesen. Freilich hätte das Ausgaben weit über 1800 Taler für Buchka1072 und noch über 1200 1065 Windscheid aus Basel am 25.2.1852 an Minister v. Raumer bei der Annahme des Rufs, SBPK Slg. Darmst. 2 h 1847 (10) B. Windscheid Bl. 112 f. 1066 Molitor, Greifswalder Juristenfakultät (1956) S. 13. 1067 SS 1852: 43; WS 1852/53: 40; SS 1853: 57; WS 1853/54: 53; SS 1854: 62; SS 1855: 58; WS 1855/56: 61; SS 1856: 54, SS 1857: 36; WS 1866/67: 16!; alle Zahlen entnommen dem jeweiligen Amtlichen Verzeichniss Greifswald. Das bedeutet den vorletzten Platz vor entweder Rostock (bis 1856) oder Freiburg (ab 1856), Conrad, Statistik (1893) S. 120 f. Tab. I. 1068 Windscheid am 31.10.1852 aus Greifswald an Friedrich Miescher-His in Basel, UB Basel NL Fr. Miescher B 6245. 1069 Gutachten vom 6.12.1851, UAG ST 788 (Konzept) = GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 7 Tit. IV Nr. 20 Bd. 1 Bl. 257–264, 261v. – Zum Bestreben schon in den 40er Jahren, einen „Lehrer des Römischen Rechts von zeitgemässer Richtung“ zu gewinnen, was erst mit Windscheid gelungen sei, s. Kern, Germanisten versus Romanisten (2009), S. 117–119. 1070 19.6.1821–15.6.1896, wurde 1866 Mecklenburg-Schwerinscher Justizminister, Landsberg, Geschichte (1910), Noten S. 325. 1071 23.1.1815–22.10.1890, bis 1863 o.Prof. in Rostock, 1863–1866 in Tübingen, dann bis 1886 Innenminister in Mecklenburg-Schwerin, Verfasser eines großen und von Landsberg sehr gelobten Systems des deutschen gemeinen Zivilprozesses, Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 568 f., Noten S. 248. 1072 Nach dem Kommentar des Kanzlers Malte Fürst zu Putbus vom 15.12.1851 eine Summe, die weit über dem normalen Niveau der Ordinariengehälter liegt, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 7 Tit. IV Nr. 20 Bd. 1 Bl. 256.
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
Taler bei Wetzell bedeutet. Windscheid dagegen war in den Augen seiner künftigen Kollegen zwar „für römisches Recht . . . ein erwünschter Lehrer“, aber für seine Kenntnisse des französischen Rechts bestünde in Greifswald „kein Bedürfniß“, und außerdem sei er nach eigener Erklärung „kein Processualist“. Auch vermisste die Fakultät praktische Erfahrung wie Äußerungen zur Prozesstheorie und konnte über seine politische Richtung keine Angaben machen. Dazu kam noch, dass großer Wert auf eine schnelle Besetzung gelegt wurde, wozu Windscheids Voraussetzung der Sicherung seiner Nachfolge in Basel nicht passte. So war Windscheid aus Greifswalder Sicht nur erwünscht, falls „die Anstellung der Hr. Buchka und Wetzell nicht zu bewirken sein“ sollte und unter der Bedingung, dass er „halbjährlich eine Vorlesung über eine processualische Disciplin“ abhalte.1073 Das Ministerium nahm sich diesen Appell aus Greifswald zunächst zu Herzen und fragte bei Buchka an, bot jedoch nur 1200 Taler.1074 Nach dessen Ablehnung wegen seiner Berufung an das Oberappellationsgericht Rostock als höchstem mecklenburgischen Gericht1075 folgte es den Greifswalder Vorschlägen jedoch nicht mehr. Wetzell erschien Berlin zu teuer und nach einem Gutachten Rudorffs auch im wissenschaftlichen Vergleich Windscheid unterlegen,1076 und so konzentrierte sich das Ministerium auf ihn, dessen Namen ja zuerst von dort aus zur Sprache gebracht worden war.1077 Nach Durchsicht der Akte Windscheid erfuhren seine praktische Tätigkeit im Bonner Spruchkollegium, die Ergebnisse seiner literarischen Produktion, die regelmäßig in Berlin eingetroffen waren, sowie seine Anhänglichkeit an Preußen eine positive Würdigung.1078 Als dann noch die überaus günstigen Stellungnahmen Rudorffs aus Berlin1079 und Gerlachs aus Basel1080 bekannt waren, erfolgte umgehend der Ruf nach Basel und 1073 Gutachten der juristischen Fakultät vom 6.12.1851, UAG ST 788 (Konzept, Zitate daraus) = GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 7 Tit. IV Nr. 20 Bd. 1 Bl. 275–264 (Reinschrift, darin die Äußerungen zu Windscheids Qualifikation für das Prozessrecht gestrichen). 1074 Anfrage vom 5.1.1852, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 7 Tit. IV Nr. 20 Bd. 1 Bl. 266. 1075 Buchka aus Neustrelitz am 24.1.1852 an den Minister, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 7 Tit. IV Nr. 20 Bd. 1 Bl. 278 f. 1076 Aktennotiz des Geheimrats Schultze in Berlin vom 1.2.1852, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 7 Tit. IV Nr. 20 Bd. 1 Bl. 281–282r, 281r. 1077 Am 2.12.1851 fragte das Ministerium in Greifswald an, „ob und in wieweit es räthlich sein mögte, durch den ordentlichen Professor an der Universität in Basel Dr. Bernhard Windscheid oder durch den Justiz- und Consistorialrath Dr. Herrmann Buchka in Neu-Strelitz die Lehrkräfte der juristischen Facultät zu vermehren und zu vervollständigen“. UAG ST 788. 1078 Aktennotiz vom 1.2.1852, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 7 Tit. IV Nr. 20 Bd. 1 Bl. 281–282r, 281v u. 282r. 1079 Rudorff an Schultze, Berlin den 15.2.1852, SBPK Berlin Slg. Darmst. 2 h (8) 1833 A.A.F. Rudorff. 1080 Gerlach an Schultze, Basel 16.2.1852, SBPK Berlin Slg. Darmst. 2 b (8) 1823 F.D. Gerlach.
E. Professur in Greifswald (1852–1857)
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die Mitteilung seiner Annahme durch Windscheid nach Greifswald.1081 Auf Antrag des Ministers vom 25.3.18521082 wurde dann Windscheid durch königliche Ordre vom 3.4.1852 mit Wirkung vom 1. April 1852 „zum ordentlichen Professor für die Processdisciplinen und das Römische Recht mit einem Jahrgehalte von 1000 rth. in der juristischen Facultät der Universität in Greifswald“ ernannt.1083 Das damals übliche „Tauziehen zwischen Fakultäten und Ministerien“ um alleinige Berufungskompetenz einerseits und kontrollierende und beaufsichtigende Einmischung andererseits1084 konnte also in diesem Fall das Ministerium für sich entscheiden. Von einer Initiative Beselers zugunsten Windscheids innerhalb der Fakultät oder gegenüber dem Ministerium ist in den Akten dagegen nichts festzustellen.1085 Mit der Übernahme dieses neuen Amtes, in das Windscheid am 5.8.1852 in feierlicher Sitzung der Fakultät eingeführt wurde,1086 begann für ihn ein neuer und wesentlicher Abschnitt seiner Laufbahn. Zum ersten Mal war Windscheid gleichberechtigtes Mitglied eines richtigen Kollegiums, dem neben dem Germanisten Georg Beseler, dem Öffentlichrechtler Karl Theodor Pütter1087, dem außerordentlichen Professor Carl Häberlin1088 und dem Privatdozenten und Oberstaatsanwalt Heinrich Friedberg1089 auch die beiden
1081 Minister v. Raumer an die juristische Fakultät Greifswald am 25.3.1852, UAG ST 788: Mitteilung des Rufes vom 20.2. und seiner Annahme am 25.2. 1082 GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 7 Tit. IV Nr. 20 Bd. 1 Bl. 294–295. 1083 UAG PA 443: Windscheid (Abschrift) = GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 7 Tit. IV Nr. 20 Bd. 1 Bl. 298r. – ohne die von der Fakultät gewünschte Verpflichtung zur regelmäßigen Übernahme einer Prozessrechtsvorlesung! 1084 Allg. McClelland, Die deutschen Hochschullehrer (1988), bes. S. 31–43, Zitat S. 42 f. 1085 Nach Kern, Beseler (1982) S. 70, wurde Windscheid auf Vorschlag Beselers berufen. 1086 UAG ST 788: Einführung und Verpflichtung auf die „provisorischen Facultätsstatuten“ vom 24.9.1838, die Windscheid am 31.7.1852 akzeptiert hatte. Text: UAG ST 784. 1087 3.4.1803–13.4.1873, seit 1832 bis zu seinem Tod in Greifswald, beeinflusst von Savigny und Hegel, Landsberg, Geschichte (1910) Text S. 684 f., Noten S. 278, erwähnt auch bei Lenz, Geschichte 2. Bd. 1. Hälfte (1910) S. 384 Fn. 2, Heymann, Hundert Jahre (1910) Sp. 1129; Bild bei O. Schmitt, Wilhelm Titel (1931) Tafel 30. 1088 Carl Franz Wolf Jérôme Häberlin, in Greifswald 1851–1898, Molitor, Greifswalder Juristenfakultät (1956) S. 17. 1089 1813–1895, 1845–1848 mit Gesetzgebungsarbeiten betrauter Hilfsarbeiter im preußischen Justizministerium, seit 29.7.1849 Leiter der Staatsanwaltschaft im Appellationsgerichtsbezirk Greifswald, 1850–1854 zugleich Privatdozent in Greifswald, dann wieder im Ministerium, 1876 Staatssekretär im Reichsjustizamt, 1879 preußischer Justizminister: Kleinheyer/Schröder, Juristen (2008) S. 497, Stölzel, Rechtsverwaltung 2. Bd. (1888) S. 571–578, S. 588–591, S. 600, S. 602, S. 607, S. 621, S. 632, S. 639, S. 648 u. S. 671 und Molitor, Greifswalder Juristenfakultät (1956) S. 15.
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
Romanisten August Friedrich Barkow1090 und Franz Anton Niemeyer1091 angehörten.1092 Wissenschaftlich anregend vermochten sie, die einer älteren, wenn auch – wenigstens gilt das für Barkow – schon von der historischen Schule beeinflussten Richtung angehörten, auf Windscheid jedoch nicht zu wirken.1093 Die Vorlesungslast war für Windscheid in Greifswald ungleich höher, als sie es in Basel gewesen war. Allein die Übernahme des gesamten Zivilprozesses, in dem Windscheid tatsächlich keinerlei Erfahrung hatte, war eine Herausforderung. Doch er nahm sie an und las bereits im ersten Semester fünfstündig gemeinen und preußischen Zivilprozess.1094 Diese Vorlesung wiederholte er in den folgenden zehn Semestern immerhin noch sechs Mal.1095 Außerdem bot er in Greifswald zweimal ein Publikum über den summarischen Prozess1096 und dreimal ein solches über römischen Zivilprozess1097 an. Darüber vernachlässigte er aber die übrigen romanistischen Vorlesungen keineswegs. Im Wechsel mit seinen Kollegen las er in vier Semestern Institutionen und römische Rechtsgeschichte (7stündig)1098 sowie Erbrecht (3stündig)1099 und in drei Semestern seine zwölfstündige Pandektenvorlesung nach Puchta1100. Dazu kamen dann noch häufige zweistündige Übungen in Quelleninterpretation und Falllösung1101 sowie einmal 1090 28.1.1791–4.3.1861, seit 1819 bis zu seinem Tod in Greifswald, vor 1817 einige Zeit Mitarbeiter Savignys in Berlin, Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 218, Noten S. 104; Molitor, Greifswalder Juristenfakultät (1956) S. 13 u. S. 17; Bild bei O. Schmitt, Wilhelm Titel (1931) Tafel 2. 1091 Stammte aus Halle, in Greifswald seit 1822 oder 1823 bis 1867, Molitor, Greifswalder Juristenfakultät (1956) S. 17, Schultze, Aus dem geistigen Leben (1931) S. 15, Bild bei O. Schmitt, Wilhelm Titel (1931) Tafel 10. 1092 Dagegen gehörte Adolf Schmidt (Ilmenau) entgegen den Angaben bei Landsberg, Geschichte (1910), Noten S. 343, und Molitor, Greifswalder Juristenfakultät (1956) S. 17, seit seiner Berufung nach Freiburg 1850 der Fakultät nicht mehr an. 1093 Windscheid an Friedrich Miescher-His aus Greifswald am 31.10.1852, UB Basel NL Fr. Miescher, B, 6245: „Unmittelbaren Verkehr habe ich auch hier wenig genug. Beseler ist am Ende der einzige von meinen Collegen, mit denen(!) sich ein vernünftiges Wort sprechen ließe, . . .“. 1094 Windscheid an Dekan Pütter aus Basel am 11.4.1852 und Anschlag vom 16.4., UAG Jur. Fak. 340. 1095 WS 1852/53, Index Scholarum S. 32; WS 1853/54 ebd. S. 24; WS 1854/55, ebd. S. 40; SS 1855 ebd. S. 34; WS 1855/56 ebd. S. 12; WS 1856/57 ebd. S. 19. 1096 SS 1853, Index Scholarum S. 32; WS 1854/55, ebd. S. 40. Laut Jäger, Ausbildung (1854) 2. Bd. S. 149, eine überhaupt sehr selten angebotene praxisnahe Vorlesung. 1097 SS 1854 UAG Jur. Fak. 340. 1098 WS 1852/53, Index Scholarum S. 32; SS 1854, UAG Jur. Fak. 340; WS 1855/ 56, Index Scholarum S. 12; SS 1857, ebd. S. 15. 1099 SS 1852, Windscheid an Pütter aus Basel am 11.4.1852, UAG Jur. Fak. 340 u. ebd. Anschlag vom 15.4.1852; WS 1853/54, Index Scholarum S. 24; SS 1855, ebd. S. 34; WS 1865/57, ebd. S. 19. 1100 SS 1853, Index Scholarum S. 32; WS 1854/55, ebd. S. 40; SS 1856, ebd. S. 19. 1101 SS 1852 Exegese-Übung, Windscheid an Pütter aus Basel am 11.4.1852, UAG Jur. Fak. 340 u. ebd. Anschlag vom 15.4.1852; WS 1852/53, Index Scholarum S. 32,
E. Professur in Greifswald (1852–1857)
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ein Versuch mit dem französischen Zivilrecht der Rheinlande, von dem Windscheid sich eine größere Attraktivität Greifswalds auch für Studenten aus jenem Rechtsgebiet versprach.1102 Dieses Programm bedeutete, obwohl er die römische Rechtsgeschichte in die Institutionen integrierte und so dafür insgesamt nur sieben und nicht wie seine Kollegen 12 Stunden aufwendete, eine Belastung von zehn (SS 1852, WS 1853/54 und WS 1856/57) bis siebzehn (WS 1854/55) Wochenstunden1103. Hervorzuheben sind dabei die aus Basel übernommenen romanistischen Übungen in der Quelleninterpretation und Falllösung. Sie waren bisher in Greifswald unbekannt, entsprachen aber einer zeitgenössischen Forderung nach „praxisnaher“ Ausbildung, nach dem Vorbild der Naturwissenschaften, auch bei den Juristen.1104 Allerdings war damals dieser Begriff sehr umstritten. Die einen verstanden in der Tradition der Relatorien und Übungen des 18. Jahrhunderts darunter eine „handwerkliche“ Ausbildung in der Gerichts- und Kanzleipraxis,1105 während besonders Professoren dies als Zumutung an die Universität empfanden und die Vermittlung dieser Kenntnisse der zweiten, praktischen Stufe der Juristenausbildung zuordneten.1106 Für sie war der Gegensatz zur Praxis die große systematische Vorlesung. Ihre notwendig abstrakten Aussagen sollten anhand der Quellen und bei der Bearbeitung von Fällen konkretisiert und anschaulich gemacht werden, was dann zugleich zu einer Vertiefung der theoretischen Kenntnisse führe.1107 In diesem letzteren Sinne sind auch Windscheids Bemühungen um eine praktische Ausbildung zu verstehen. Ende 1854 griff auch das Ministerium in Berlin diese Gedanken auf und fragte in parallelen Schreiben in Breslau und Greifswald an, ob man dort die Errichtung eines juristischen Seminars für sinnvoll halte, um „die Studierenden zu einem gründlichen Studium der Quellen des römischen und des germanischen Rechts anzuleiten und ihnen zugleich zu einer lebendigen Erkenntniß von dem Zusammenhange zu verhelfen, in welchem diese Quellen mit dem noch geltenden
WS 1853/54, ebd. S. 24; SS 1855 ebd. S. 34; SS 1856, ebd. S. 19: Quelleninterpretation und Falllösung; WS 1856/57, ebd. S. 19 u. SS 1857 ebd. S. 15 Übungen im Rahmen des juristischen Seminars. 1102 Antrag Windscheids an Minister v. Raumer vom 24.10.1853 und dessen Genehmigung vom 7.11.1853 UAG Jur. Fak. 340; SS 1855 Index Scholarum S. 34. 1103 Zur Vorlesungstätigkeit s. auch Falk, Gipfel der Pandektistik (2009) S. 138. 1104 s. etwa Mühry, Umgestaltung (1851) 2. Bd. S. 365–372, 365 f. und Jäger, Ausbildung (1854) 1. Bd. S. 478–485, 480–484, 2. Bd. S. 72–78, S. 141–157. 1105 Rehm, Dr. Nöllner und der Nachwuchs (1857) 1. Bd. S. 186–202, 187 u. 193; ähnlich auch Jäger, Ausbildung (1854) 2. Bd. S. 72–78, 75 f. u. S. 141–157, 148. 1106 Besonders Osenbrüggen, Rechtsunterricht (1844) S. 18 f. u. Hälschner, Das juristische Studium (1859) S. 20–24 u. S. 36 f. 1107 Hälschner, Das juristische Studium (1859) S. 27–29 u. 36; Goldschmidt, Recht und Rechtsstudium (1859) S. 29–57, 51 f.; Forderungen von Goldschmidt wiederholt in Studium (1878) S. 57 f.
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
Recht stehen“.1108 Bei der sich daran anschließenden Diskussion in der Fakultät wies Windscheid angesichts der Bedürftigkeit der Studenten auf die Notwendigkeit einer finanziellen Ausstattung des Seminars hin und lehnte eine, von Barkow gewünschte, getrennte Abteilung für Prozessrecht, obwohl dessen Bezüge zum romanistischen und germanistischen materiellen Recht nicht übersehen werden dürften, auch deshalb ab, weil die „Zahl der Studirenden, welche den Proceß gehört haben, fortwährend verschwindend klein“ sei.1109 In diesem Sinne erging dann auch Anfang 1855 der Bericht der Fakultät an das Ministerium, in dem die Einrichtung eines Seminars, bestehend aus einer romanistischen und einer germanistischen Abteilung unter je einem „Dirigenten“, ausdrücklich begrüßt und mit dem Vorschlag verbunden wurde, den ordentlichen Mitgliedern zum Bücherkauf „eine viertel- oder halbjährlich zu zahlende Remuneration auszusetzen“.1110 In einem Begleitschreiben des Kuratoriums billigte Beseler, als zeitiger Rektor zusammen mit dem Universitätsrichter Haenisch dessen kommissarischer Amtsinhaber, diese Stellungnahme in allen Punkten, wobei er jedoch die Remuneration als eine Art Prämie betrachtet wissen wollte. Als Dirigent der romanistischen Abteilung1111 kam für ihn vorzüglich Windscheid in Frage wegen seines „anerkannten regen Eifer[s] für die Wissenschaft“ und des „großen Interesse[s], mit welchem er sich die Ausbildung der studirenden Jugend angelegen sein lässt“.1112 Erst 13 Monate später genehmigte das Ministerium die Vorschläge der Fakultät, bestellte Windscheid und Beseler zu Vorständen der beiden Abteilungen und stellte eine Prämie von 150 Talern pro Jahr zur Verteilung an besonders würdige Mitglieder in Aussicht.1113 Mit dem Sommersemester 1856 verfügte dann die Universität Greifswald als eine der ersten in Deutschland1114 über ein juristisches Seminar, dessen erklärtes Ziel eine Verbindung von Theorie und Praxis des 1108 Schreiben des Ministers v. Raumer an das Kuratorium in Greifswald vom 25.11. 1854 und Abschrift eines Schreibens vom gleichen Datum an die Universität Breslau (Zitat daraus) UAG Jur. Fak. 302. 1109 Stellungnahme Windscheids in der Fakultät vom 4.1.1855 UAG Jur. Fak. 302; Barkows Äußerung vom 1.1.1855 ebd. 1110 Bericht der Fakultät an Minister v. Raumer vom 5.1.1855 UAG Jur. Fak. 302, Schluss: „Es ist unser lebhafter Wunsch, dass auf diesen Grundlagen das Institut baldigst ins Leben trete. Wir erklären uns im Voraus bereit, dasselbe nach unsern Kräften zu fördern.“ 1111 Als Mitunterzeichner und einziger Inhaber eines germanistischen Lehrstuhls machte Beseler, der selbst seit 1842 bereits germanistische Übungen veranstaltet hatte, Kern, Beseler (1982) S. 70, für die germanistische Abteilung keinen Vorschlag. 1112 Bericht des Kuratoriums vom 18.1.1855 an Minister v. Raumer, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt.7 (Univ. Greifswald) Tit. X Nr. 28 Bd. 1 Bll. 4–8v, Zitat Bl. 8r. 1113 Schreiben des Ministeriums an das Kuratorium in Greifswald vom 13.2.1856 UAG Jur. Fak. 302. 1114 O. Fischer, Juristische Fakultät (1893) S. 296 f., nennt als Vorgänger nur Halle 1853. Beseler selbst, Erlebtes und Erstrebtes (1884) S. 45, bezeichnet das Seminar als Muster für andere Universitäten.
E. Professur in Greifswald (1852–1857)
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Rechts auf wissenschaftlicher Ebene war.1115 Der nach Jahresfrist erstellte Rechenschaftsbericht der beiden Dirigenten zeigt, dass dieses Angebot von den Studenten durchaus angenommen wurde,1116 zugleich aber auch, dass zumindest Windscheid in der romanistischen Abteilung den Charakter seiner früheren Übungen nicht verändert hatte. Ausgehend von dem Gesichtspunkt, „daß den Studirenden der Rechtswissenschaft keine bessere Mitgift in das praktische Leben weitergegeben werden könne, als eine genaue Bekanntschaft mit den Quellen des klassischen römischen Rechts“ wurden, ganz im Sinne etwa Goldschmidts,1117 einzelne Pandektentitel mündlich interpretiert, die darin enthaltenen Gedanken entwickelt und in die jeweilige Dogmatik eingeordnet. Dazu kamen schriftliche Interpretationen einzelner Stellen, Bearbeitungen von Fällen aus Iherings Fallsammlung und auch größere, besonders exegetische Ausarbeitungen. Dabei müssen besonders Windscheids Anforderungen recht hoch gewesen sein, denn bei ihm haben sich „im Laufe des gegenwärtigen Wintersemesters einige außerordentliche Mitglieder, denen die Disciplin . . . zu strenge zu sein scheint, ganz zurückgezogen“. Von den in Aussicht gestellten 150 Talern wurden 30 zur Anschaffung literarischer Hilfsmittel beantragt, da es besonders an Quellen – im römischen Recht etwa über das corpus iuris hinaus – sehr fehle,1118 und auch bewilligt1119. Neben dem Amt des Dirigenten der romanistischen Abteilung seit dem Sommersemester 1856 bekleidete Windscheid noch manche andere Funktion an Universität und Fakultät. Bereits im Jahr 1853/54 amtete er als Dekan1120 und war seither bis zum Wintersemester 1856/57 zunächst kraft Amtes und danach gewähltes Mitglied des Senats1121. Im folgenden Jahr wurde er Mitglied der „Kommission für die Honorar-Stundungs- und Quästur-Angelegenheiten“,1122 und ein weiteres Jahr später erscheint sein Name auch bei der Bibliothekskom1115 Statuten überliefert als Anlage A des Rechenschaftsberichts vom 25.2.1857, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt.7 (Univ. Greifswald) Tit. X Nr. 28 Bd. 1 Bl. 23–24r. 1116 Jahresbericht Beselers und Windscheids an Minister v. Raumer vom 25.2.1857, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt.7 (Univ. Greifswald) Tit. X Nr. 28 Bd. 1 Bll. 17–22v, 17v: Im SS 1856 9 Mitglieder in der romanistischen Abteilung und 6 Mitglieder in der germanistischen Abteilung, im WS 1856/57 deren 11 bzw. 5. 1117 Goldschmidt, Recht und Rechtsstudium (1859) S. 29–57, 49–52. 1118 Jahresbericht Beselers und Windscheids über den Seminarbetrieb vom 25.2. 1857, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt.7 (Univ. Greifswald) Tit. X Nr. 28 Bd. 1 Bll. 17–22v, 1. Zitat 18r+v, 2. Zitat 20r+v. 1119 Schreiben des Ministers v. Raumer an die akademische Administration in Greifswald vom 20.3.1857, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt.7 (Univ. Greifswald) Tit. X Nr. 28 Bd. 1 Bl. 25–26r. 1120 Amtliches Verzeichniss Greifswald SS 1853 S. 4, ebd. WS 1853/54 S. 4. 1121 Amtliches Verzeichniss Greifswald SS 1853–WS 1856/57 jeweils S. 3 f. 1122 Amtliches Verzeichniss Greifswald SS 1854 S. 6.
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
mission und im Vorstand des akademischen Leseinstituts1123. Alle diese Tätigkeiten nahm Windscheid bis zu seinem Weggang aus Greifswald wahr. Im Herbst 1854 wurde Windscheid unter dem Rektorat Beselers auch die Festrede auf den Geburtstag von König Friedrich Wilhelm IV. übertragen,1124 eine Ehrung, die wie auch die langjährige Mitwirkung im Senat zeigt, dass es Windscheid gelungen war, sich die Anerkennung seiner Kollegen zu erwerben. In Greifswald war Windscheid zum ersten Mal ordentlicher Beisitzer eines Spruchkollegiums. Unter seinem Ordinarius Niemeyer1125 bestand es aus sämtlichen ordentlichen Professoren der Fakultät, die aber erst nach Abfassung zweier Proberelationen Sitz und Stimme erhielten.1126 Leider sind sowohl die Akten als auch die Sitzungsprotokolle für das Jahr 1852 nicht überliefert, so dass auch Windscheids Probearbeiten fehlen. Von 1853 bis zum Ende des Sommersemesters 1857 wurden 63 Fälle bearbeitet, von denen Windscheid 18 Fälle als Referent zugeteilt erhielt und zweimal als Koreferent in Erscheinung trat.1127 Dabei arbeitete er außer mit dem Ordinarius Niemeyer1128 nur noch mit Beseler zusammen, der zweimal Windscheids Koreferent war1129 und an dessen Stelle Windscheid einen Fall ganz übernahm1130. Von den 18 Referaten waren drei strafrechtlicher Natur, wobei sich das erste, ein Privatgutachten, mit der Auslegung eines Partikulargesetzes befasste,1131 während die beiden anderen Referate Entscheidungen für die Obergerichte in Bremen und Lübeck betrafen,1132 deren Akten jedoch in Greifswald nicht archiviert wurden. Die zivilrechtlichen Fälle kamen, da das Spruchkollegium nur aus dem Ausland stammende Anfragen und Akten
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Amtliches Verzeichniss Greifswald SS 1855 S. 7. B. Windscheid, Recht und Rechtswissenschaft (1854). Siehe dazu Emilie Beseler an ihre Mutter am 20.10.1854, Fünfzig Jahre (1904) S. 151. 1125 Seit 31.7.1852 ist Vorsitzender nicht mehr der Dekan sondern ein aus der Mitte der Fakultät gewählter Ordinarius, Fakultätsstatuten S. 57–70 Abschnitt VII: Vom Spruchcollegio, §§ 53–63, hier S. 62 § 56, UAG ST 784. 1126 Fakultätsstatuten S. 57 f. § 54, UAG ST 784. 1127 Die Akten für diese Jahre sind im UAG vollständig erhalten: Protokollbuch der Sitzungen seit Anfang 1853: UAG ST 720; Akten (nach Eingang) 1853: UAG Jur. Fak. 361, 1854: UAG Jur. Fak. 362, 1855: UAG Jur. Fak. 363, 1856: UAG Jur. Fak. 366. 1128 Dieser vergab die Referate und war im Regelfall Koreferent, Fakultätsstatuten UAG ST 784 S. 63 § 57. 1129 Zwei Urteile für das Herzogl. Anhalt. AG Bernburg vom 13./25.3.1856, UAG Jur.Fak. 366. 1130 Urteil für das Kreisgericht Anhalt-Bernburg vom 26./28.11.1854, UAG Jur.Fak. 362, Beseler revanchierte sich im folgenden Jahr durch ein handelsrechtliches Urteil für das OG Wismar, Akteneingang Dezember 1855, UAG Jur.Fak. 363. 1131 Gutachten vom 7.4.1853 zu Art. 238 IV des Anhalt-Dessau-Cöthenschen Kriminalgesetzbuches, UAG Jur.Fak. 361. 1132 Entscheidung für das OG Bremen in der Sitzung vom 19.6.1854 „wegen Staatsvergehen“, UAG ST 720 S. 22; Entscheidung für das OG Lübeck in der Sitzung vom 9.5.1857 „wegen Entwendungen“, UAG ST 720 S. 49. 1124
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bearbeitete,1133 aus Preußen benachbarten kleineren Staaten, besonders dem Herzogtum Anhalt1134 und der Freien und Hansestadt Lübeck1135, einmal auch aus dem Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin1136. Neben dem Kontakt zur Praxis ergab sich für Windscheid daraus eine erfreuliche Nebeneinnahme. In den Jahren 1853 bis 1856 betrugen die ihm zustehenden Referenten- und Koreferentengebühren im Durchschnitt immerhin gut 65 Taler.1137 Die Fälle betrafen zu etwa gleichen Teilen sachenrechtliche (fünf Sachverhalte) und allgemeine schuldrechtliche Streitigkeiten (vier Sachverhalte). Dazu kamen noch drei Auseinandersetzungen im Bereich des Erbrechts sowie ein Streit um die eheliche Lebensgemeinschaft. Bei der Behandlung mancher Frage musste Windscheid partikularrechtliche Bestimmungen berücksichtigen, speziell deutschrechtliche Materien wie das Handels- oder Wertpapierrecht wurden ihm aber nicht übertragen. Der größte und vom Sachverhalt her interessanteste Fall ist der des 1848 erfolgten Separationsverfahrens im anhaltischen Dorf Vockerode.1138 Dabei ging es um die Überführung des feudalen gestuften Eigentums in die Kategorien des modernen Zivilrechts, konkret um die Festlegung der dinglichen Rechte des anhaltischen Fiskus an den im Gemeinde- oder Privateigentum stehenden Grundstücken. Es standen sich gegenüber Nutzungsrechte der Gemeinde aus dem Landregister von 1549, ein Erbzinsbrief eines Privaten von 1834 und der vom Fiskus behauptete Erwerb von Nutzungsrechten kraft Ersitzung, unvordenklicher Verjährung oder Gewohnheitsrecht. Dazu kam noch ein Gesetz vom 4.8.1852, wonach ein auf einem Grundstück festgestelltes Recht des Fiskus rückwirkend auch für das Verfahren von 1848 für den gesamten Komplex, in dem das Grundstück liegt, 1133
Fakultätsstatuten UAG ST 784 S. 57 f. § 53. Ein Urteil für das Kreisgericht Anhalt-Bernburg vom 26./28.11.1854 (Wassergerechtigkeit), UAG Jur.Fak. 362; drei Urteile für das AG Bernburg (Nachlassherausgabe, gleicher Sachverhalt) vom 6.2.1856 und 17./25.3.1856 (zwei Entscheidungen), UAG Jur.Fak. 366; neun Urteile für das OLG Dessau: vom 1.7. (zwei Urteile), 2.7. u. 3.7.1853 (zwei Urteile, alle fünf Urteile gleicher Sachverhalt: Separation der Vockeroder Mark und des Vockeroder Forsts), UAG Jur.Fak. 361, vom 11.2.1854 (Versicherungsregress), UAG Jur.Fak. 361, vom 10.6.1854 (Erbforderung), UAG Jur.Fak. 362, vom 24./27.6.1855 (Weggerechtigkeit, Windscheid als Koreferent), UAG Jur.Fak. 363 und vom 6./9.10.1856 (Darlehensforderung), UAG Jur.Fak. 366. 1135 Sieben Urteile für das OG Lübeck: vom 16./19.5. und 22./25.10.1854 (derselbe Sachverhalt: Erbstreitigkeiten), UAG Jur.Fak. 362, vom 1./6.3. und 18./22.8.1855 (derselbe Sachverhalt: Vertragserfüllung), UAG Jur.Fak. 363 und vom 13./15.8. (Besitzschutz), 17.8. (Vertragsbeziehungen, Windscheid als Koreferent) sowie 28.11./1.12. 1856 (eheliches Zusammenleben), alle UAG Jur.Fak. 366. 1136 Urteil für das OAG Rostock vom 2./7.7.1855 (Feuerstättengerechtigkeit), UAG Jur.Fak. 363. 1137 1853: Zwei Sachverhalte, sechs Urteile, 84 Taler; 1854: vier Sachverhalte, sechs Urteile, über 45 Taler; 1855: drei Sachverhalte, vier Urteile, 44 Taler; 1856: fünf Sachverhalte, sieben Urteile, 87 Taler. 1138 UAG Jur.Fak. 361, fünf Urteile mit insgesamt 59 Seiten für das OLG Dessau, verfasst vom 1. bis 3. und abgeschickt am 18.7.1853. 1134
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gelten sollte. Windscheid erkannte dieses Gesetz als gültig an und wies auch die Einwendungen der Vockeroder, dass sie sich gegen Übergriffe des Fiskus auf ihre Grundstücke nicht hätten wehren können und schon deshalb die Berufung auf Ersitzung missbräuchlich sei, zurück. Dass der Staat Fiskus und zugleich Forstpolizeibehörde sei und gegen ihn den Rechtsweg zu beschreiten mühselig und riskant gewesen wäre, hebe die Möglichkeit einer früheren Klage nicht auf, daher bleibe die Berufung des Fiskus auf Ersitzung oder unvordenkliche Verjährung zulässig.1139 Bei dieser nicht gerade untertanenfreundlichen, auch wohl wirklichkeitsfremden Haltung beließ es Windscheid jedoch nicht. Er half den Betroffenen durch eine Reihe feiner Differenzierungen und einer strengen Beurteilung der fiskalischen Äußerungen: Die Vockeroder Liegenschaften seien kein einheitlicher Komplex, sondern die Vockeroder Mark sei von dem Vockeroder Forst zu trennen, so dass das Gesetz von 1852 auf jedes dieser Gebiete separat anzuwenden sei.1140 Bei den Rechten des Fiskus ging es nach Windscheid nicht um Weide- oder Holzrechte allgemein, sondern es sei zu unterscheiden, ob es sich um Ober- oder Unterholz, um das Recht an Eichen oder anderem Oberholz, ja sogar ob es sich um ein Eichenpflanzungs- oder ein bloßes Eichennutzungsrecht handele.1141 Aus dem Eichenpflanzungsrecht wurde sogar noch ein besonderes Eichennachpflanzungsrecht herausgetrennt.1142 Dem Fiskus wurde dann nur der Teil des Holzrechtes zugesprochen, der mittels sich nicht widersprechender Zeugenaussagen als durch langjährige Ausübung1143 erworben bewiesen werden konnte. An den ebenfalls in Frage kommenden gewohnheitsrechtlichen Erwerb wurden nach gründlicher historischer Untersuchung so hohe Anforderungen gestellt, dass auch er nicht in Frage kam.1144 Auch der Erbzinsbrief, in dem von „4 Hufen . . . Landes an Acker, Holze und Grase“ die Rede ist, wurde von Windscheid gegen den Fiskus ausgelegt. Nach der Regel, dass gegen den gesprochen werde, „qui clarius loqui debuisset“, müsse es sich der Fiskus „gefallen lassen, daß der Begriff ,Holz‘ in seinem ganzen Umfange gegen ihn zur Anwendung gebracht werde“.1145 Es gilt also der erklärte Wille auch dann, wenn die Erklä-
1139 UAG Jur.Fak. 361, Urteil vom 1./18.7.1853 in Sachen Herzoglich Anhalt-Dessauischer Fiskus gegen die Besitzer privater Grundstücke zu Vockerode, Freisassen Leodegard Richter und Genossen. 1140 Ebd. 1141 Hinweis Windscheids in der zweiten Kollegiumssitzung zu diesem Fall vom 25.6.1853, UAG Jur.Fak. ST 720 S. 11, und Ausführungen im eben genannten Urteil. 1142 UAG Jur.Fak. 361, Urteil für das OLG Dessau vom 1./18.7.1853 in Sachen Herzoglich-Anhalt-Dessauischer Fiskus gegen die Gemeinde Vockerode resp. die hutberechtigten Gemeindemitglieder daselbst. 1143 Servitutenersitzung erforderte nach dem hier gültigen sächsischen Recht eine Ausübung über 31 Jahre 6 Monate und 3 Tage hinweg. 1144 UAG Jur.Fak. 361, Urteil vom 2./18.7.1853 für das OLG Dessau in Sachen Freisassen Richter und Miesner[?], der sieben Vollspänner zu Vockerode und des Freihalbspänners Pflug jun. gegen Herzoglich Anhalt-Dessauischen Fiskus.
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rung dem wahren Willen nicht voll entspricht. Der Fall zeigt, dass für Windscheid eine genaue und fein ausgebildete Begrifflichkeit nicht nur von systematischem Interesse ist, sondern dass sie dem Richter auch die Möglichkeit einer differenzierteren und damit angemesseneren Entscheidung eines Falles eröffnet. Mit der Übernahme von Referaten im Spruchkollegium und der Veranstaltung von Vorlesungen und Übungen sind Windscheids Hauptaufgaben als Glied der Fakultät vorgestellt. Anders als in anderen Staaten wurden in Preußen seit dem 1.1.1850 Professoren nicht mehr zur Mitwirkung bei der ersten juristischen Staatsprüfung herangezogen.1146 In den Jahren 1852 bis 1857 fanden in Greifswald lediglich drei juristische Promotionsverfahren statt.1147 Sie waren nach dortigem Verständnis begabten zukünftigen Wissenschaftlern vorbehalten.1148 Obwohl die Ansprüche an die Kandidaten entsprechend hoch sein sollten, genügte Windscheid eine ordentliche Beherrschung der lateinischen Sprache und die Fähigkeit, ein Rechtsproblem selbständig zu durchdenken und klar darzustellen, zur Vergabe einer guten Note.1149 Ihm war, anders als seinen Kollegen, Sprach- und Stoffbeherrschung in der Dissertation wichtiger als das manchmal gewagte Bemühen um eine eigene Meinung.1150 Während Windscheids Greifswalder Zeit hatte die Fakultät auch die Ausarbeitungen von fünf Preisaufgaben zu bewerten. Das von Windscheid selbst als Dekan im August 1853 gestellte, einen Ausschnitt aus seiner 1856 veröffentlichten Monographie über die actio berührende prozessuale Thema fand, wohl wegen seiner Schwierigkeit, keinen Bearbeiter.1151 Auch 1145 UAG Jur.Fak. 361, Urteil vom 1./18.7.1853 für das OLG Dessau in Sachen Herzoglich Anhalt-Dessauischer Fiskus gegen die Besitzer privater Grundstücke zu Vockerode, Leodegard Richter und Genossen. 1146 UAG Jur.Fak. 320, Mitteilung des Ministers an den Kurator in Greifswald vom 28.12.1849 unter Hinweis auf das Regulativ des Justizministers Nr. 50 vom 10.12.1849, abgedruckt im Justizministerialblatt desselben Tages. 1147 25.10.–8.12.1853, Richard Schultze, im SS 1853 noch Teilnehmer an Windscheids Quelleninterpretationskurs, UAG Jur.Diss. 13; 11.3.–7.4.1857, Wellmann, UAG Jur.Diss. 11; 13.–27.6.1857, Lenz, UAG Jur.Diss. 12. 1148 Sie finden laut Molitor, Greifswalder Juristenfakultät (1956) S. 15, bis in die 90er Jahre nur „aus rein wissenschaftlichen Gründen“ statt. 1149 Promotion Richard Schultze: Windscheids Beurteilung der Dissertation vom 25.10.1853: Ergebnis und Gedankenführung in enger Anlehnung an Vangerow und ohne neues Ergebnis. Windscheid auf Anregung Barkows am 8.11.1853: Dissertation vor Drucklegung revisionsbedürftig. Ders. am 29.11.1853: Exegesen sorgfältig gearbeitet, aber einmal Hauptproblem nicht erkannt. 8.12.1853: Endnote: magna cum laude, UAG Jur.Diss. 13. 1150 Siehe Windscheids Opposition am 22.3.1857 gegen Barkows Vorwurf des Plagiats vom 16.3.1857 im Promotionsverfahren Wellmann, UAG Jur.Diss. 11, einerseits und seine allen anderen widersprechende Beurteilung der Dissertation von Lenz, UAG Jur.Diss. 12, o. D., vor dem 13.6.1857, andererseits. 1151 Windscheids Vorschlag am 7.8.1853: „Disseratur de vi ac potestate litiscontestationis ex iure Romano et hodierno“. Auf Anregung der Fakultät wird daneben das im Vorjahr nicht bearbeitete kirchenrechtliche Thema noch einmal gestellt, UAG Jur.Fak. 269.
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
bei diesen Beurteilungen legte Windscheid großen Wert auf die Latinität,1152 gründliche Kenntnisse und redliches wissenschaftliches Arbeiten, während manche Kollegen, auch Beseler, Originalität gegenüber sprachlichen Mängeln stärker gewichteten.1153 Vor seinem Wechsel nach Greifswald hatte sich Windscheid zwar auf die Rückkehr nach Deutschland und in ein „größere[s], wenn auch nicht große[s], wissenschaftliche[s] Ganze[s]“ gefreut und auf den in Basel vermissten „geistige[n] Ansporn“ gehofft, aber zugleich auch den Weggang aus einem ihm teuer gewordenen Freundes- und Bekanntenkreis bedauert.1154 Sein erster Eindruck schien ihn in seinen Hoffnungen wie seinen Befürchtungen zu bestätigen. Am 31.10.1852 schrieb er an Friedrich Miescher-His in Basel: „Gewonnen habe ich gewiß; denn in der Hauptsache fühle ich mich gefördert. Ich fühle Trieb und Kraft zur Arbeit gesteigert.“ Aber „unmittelbaren Verkehr in meiner besonderen Wissenschaft habe ich auch hier wenig genug. Beseler ist am Ende der einzige von meinen Collegen, mit denen(!) sich ein vernünftiges Wort sprechen ließe, und Sie kennen dessen ablehnende Weise.“ Doch „die Atmosphäre ist eine geistigere“, und „die Wissenschaft ist mir nie in solcher Herrlichkeit erschienen, wie gerade jetzt.“ Was fehlte, war Gesellschaft und Musik. „Hier ist, wo sie sein sollte, eine weiße Leere.“ 1155 Die Isoliertheit währte jedoch nicht lange. Bald schon fand er Anschluss, zunächst an Beseler, dessen „warmes Herz unter einer kalten Hülle“ Windscheid noch im selben Jahr gegenüber Andreas Heusler-Ryhiner rühmte.1156 Aus dieser kollegialen Bekanntschaft wurde bald eine enge und anhaltende persönliche Freundschaft. Windscheid wurde im Hause Beseler1157 herzlich aufgenommen und nahm regen Anteil an den freudigen wie traurigen Begebenheiten der Fami1152 Windscheid etwa am 23.4.1855 zur Preisaufgabe 1854/55 und am 9.5.1856 zu der von 1855/56, UAG Jur.Fak. 269. 1153 Preisaufgabe zur actio Publiciana (Bearbeiter Friedrich Dürr): Windscheid möchte am 2.10.1852 weder Preis, noch, gegen Barkow, Prämie zuerkennen, weil nicht nur Sprache und Darstellung schwach seien, sondern der Bearbeiter auch ohne zu zitieren Wesentliches aus gängigen Lehrbüchern übernommen habe. Dennoch erkennt die Fakultät am 16.10.1852 auf eine Prämie, UAG Jur.Fak. 269. Trotz sprachlicher Schwäche der kirchenrechtlichen Arbeit des selben Autors stimmen Pütter (1.9.1854), Niemeyer (12.9.1854) und Beseler (16.9.1854) gegen Windscheid (10.10.1854 nach Urlaub) und Barkow (13.9.1854) für den vollen Preis wegen der bewiesenen überdurchschnittlichen Kenntnisse (Niemeyer), UAG Jur.Fak. 269. 1154 Windscheid an Heinrich v. Sybel aus Basel am 3./10.4.1852, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 36–37v, Zitat 37r. 1155 UB Basel NL Fr. Miescher B 6245. 1156 Windscheid an Andreas Heusler-Ryhiner aus Greifswald am 26.12.1852, StA Basel PA 328 E 168, Windscheid, Bernhard. 1157 Beselers Wohnung in der Knopfstraße 31 liegt der Windscheids, Knopfstraße 17, gerade gegenüber; Amtliches Verzeichnis Greifswald WS 1852/53 S. 5 (Windscheid) und SS 1857, S. 4 (Beseler und Windscheid).
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lie, für deren Kinder er „Onkel Windscheid“ war.1158 Hier lernte Windscheid auch den übrigen zahlreichen Freundeskreis Beselers kennen, wobei er zum Greifswalder Bürgermeister Paepke, dem Konsistorialrat Vogt, dem Chirurgen Bardeleben, dem Physiker v. Feilitzsch1159 und besonders dem Oberstaatsanwalt Friedberg neue Kontakte knüpfte und mit dem Bekannten aus Bonner Dozentenzeiten Ludwig Urlichs alte Beziehungen wieder aufnahm.1160 Dazu kamen noch die Schwiegereltern Urlichs’, die Familie des Geheimen Justizrats Quistorp, in deren Haus Windscheid eine Wohnung bezogen hatte.1161 Einmal traf Windscheid bei Beselers das diese besuchende befreundete Ehepaar Gervinus, und es entspann sich im Heim des unmusikalischen Hausherrn ein langes und lebhaftes Gespräch über Musik.1162 Der „großen Greifswalder Geselligkeit“ entzog sich Windscheid konsequent und war, abgesehen von dem völligen Mangel an künstlerischer Anregung, mit der „stille[n] Einförmigkeit [s]einer Ostseeküste“ zunächst ganz zufrieden.1163 Ruhiger geworden als in Basel, klagte er kaum mehr über körperliche Leiden, sondern fand sich mit dem, „was man an Gesundheit hat“, ab.1164 Seit 1855 erschien ihm das Leben in Greifswald aber doch recht eintönig, und der Gedanke daran, sein „Leben mal in Greifswald zu beschließen“, war ihm unangenehm.1165 Grund dafür war sicher auch, dass sich Windscheid über die gesamte Greifswalder Zeit hinweg nie die Möglichkeit zur Heirat eröffnete, obwohl er im Laufe der Zeit immer dringender eine Änderung seines Status’ wünschte.1166 1158 Kern, Beseler (1982) S. 73 u. S. 201 f.; Fünfzig Jahre (1904) S. 140–177, bes. S. 156, Brief Emilie Beselers an ihre Mutter vom 25.4.1855 nach dem Tod von Beselers jüngster Tochter Lisbeth: „Windscheid hat wie ein Bruder an uns gehandelt, was wir ihm nie vergessen werden.“ 1159 Am Tod von Feilitzschs Frau Ende 1856 nimmt Windscheid, dem besonders das Schicksal von dessen kleiner Tochter Maria nahegeht, innigen Anteil, Windscheid an Urlichs o. D. [Ende 1856], DArchI Berlin NL Urlichs, Windscheid-Briefe Nr. 1. 1160 Über Treffen dieses Kreises in unterschiedlicher Zusammensetzung bei Beselers s. Fünfzig Jahre (1904) S. 140–177; außerdem sind diese Personen erwähnt in Briefen Windscheids an Frau Emilie Beseler vom 17.12.1857 aus München, BA-Fft/M FN 3/3 Bll. 214–216 und Beselers an Windscheid vom 11.1.1858 und 12.1.1859 (beide Greifswald) sowie vom 7.5.1859 (Berlin), alle Briefe BA-Fft/M FN 3/3 Bll. 158, 159 u. 160. 1161 Ihering in seinem Brief an Windscheid vom 15.2.1857 nennt ihn den „Adoptivsohn“ der Quistorps, Ihering in Briefen (1913) S 86 f., 87. Die Datierung dort auf 15.2.1858 ist unrichtig. Der Familiennachlass Windscheid enthält drei Briefe Frau Quistorps an Windscheid vom 18.1. und 26.9.1858 sowie vom 21.10.1859. 1162 Brief Emilie Beselers an ihre Mutter vom 5.9.1856, Fünfzig Jahre (1904) S. 170. 1163 Windscheid am 10.10.1853 aus Düsseldorf an Friedrich Miescher-His, UB Basel NL Fr. Miescher B, 6246. 1164 Ebd. [10.10.1853 an Friedrich Miescher-His]. 1165 Windscheid am 15.1.1855 aus Greifswald an Andreas Heusler-Ryhiner, StA Basel PA 328 E 168, Windscheid, B. 1166 Dies zeigen die Briefe vom 26.12.1852 an Wilhelm Wackernagel, StA Basel PA 82 B 16, Windscheid, B., vom 15.1.1855 an Andreas Heusler-Ryhiner, StA Basel PA 328 E 168, Windscheid, B. und vom 24.1.1857 an Rudolf Ihering, SBPK-Berlin Slg. Darmst. 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 9–12, 12r.
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
Selten wurde diese Eintönigkeit durch größere oder kleinere gesellschaftliche Ereignisse unterbrochen. Die zu Ehren des Geburtstags von König Friedrich Wilhelm IV. im Oktober 1854 von Windscheid gehaltene Rede über „Recht und Rechtswissenschaft“ war für ihn eine Aufgabe, der er sich nicht gerne unterzog. Er war „eigentlich gegen solche Ansprachen an das größere ,gebildete‘ Publicum“ 1167, das jedoch den in bewusst einfacher Sprache gehaltenen Vortrag sehr gut aufnahm,1168 während Iherings Kommentar nicht gerade überschwänglich ausfiel.1169 Im selben Jahr noch wurde Heinrich Friedberg als Geheimer Justizrat ins Ministerium nach Berlin verabschiedet. Dies war Anlass nicht nur für einen von Windscheid verfassten Dank der Fakultät1170 und eine private Abschiedsgesellschaft1171, sondern auch für einen Brief Friedbergs an Windscheid, der deutlich macht, wie eng beider Freundschaft war und welche schätzenswerten Qualitäten Windscheid verkörperte. Friedberg ehrte den „Herzensfreund“ als einen seltenen Vertreter reiner Lauterkeit und „candide Natur“ und sprach die Hoffnung auf ein baldiges erneutes Zusammenkommen in Berlin aus.1172 Das Jahr 1856 brachte vom 16. bis 20. Oktober das große Jubiläumsfest des 400jährigen Bestehens der Universität, das für viele spätere ähnliche Feierlichkeiten Vorbild werden sollte.1173 Wenn Windscheid auch in keiner besonderen Funktion am Fest mitwirkte, so war es doch auch für ihn eine gute Gelegenheit, eine ganze Reihe bekannter Größen seiner Wissenschaft persönlich kennen zu lernen. In seinem Haus wohnte Ihering als Deputierter der Universität Gießen,1174 und Beselers nahmen den Leipziger Abgesandten Karl Georg v. Wächter und den Vertreter von Königsberg, Eduard Simson, bei sich auf.1175 Von den zahlreichen anlässlich der Feier ausgesprochenen Ehrenpromotionen seien erwähnt die der juristischen Fakultät für den Kreisrichter aus Bergen auf Rügen Berthold Delbrück, dessen 1167 Windscheid am 15.1.1855 an Andreas Heusler-Ryhiner, StA Basel PA 328 E 168, Windscheid, B. 1168 Emilie Beseler am 20.10.1854 an ihre Mutter, Fünfzig Jahre (1904) S. 151; ähnlich lobend Antonie Miescher-His nach Lektüre der Rede im Brief vom 27.11.1854 aus Basel an Windscheid, Familiennachlass Windscheid. – zu dieser Rede s. Falk, Das letzte Wort (1991) S. 190–192, S. 194 f., S. 199 f., S. 205 f., und ders., Gipfel der Pandektistik (2009) S. 131. 1169 Rudolf Ihering an Karl Friedrich Gerber am 26.11./4.12.1854, Losano, Briefwechsel (1984) S. 127–132, 128: „manche schöne Wendungen, Bilder und Redensarten, auch einige richtige Gedanken, im übrigen aber nicht weit her.“ 1170 Verabschiedungsschreiben vom 2.11.1854 und Vorgeschichte im UAG Jur. Fak. Nr. 338. 1171 Emilie Beseler an ihre Mutter am 4.11.1854, Fünfzig Jahre (1904) S. 151. 1172 Heinrich Friedberg am 23.10.1854 aus Berlin, Familiennachlass Windscheid. 1173 Beseler, Erlebtes und Erstrebtes (1884) S. 111; Fünfzig Jahre (1904) S. 169–173; Programmablauf, alle Reden und weitere Angaben bei Hertz/Baier, Bericht (1857). 1174 Ihering an Karl Friedrich Gerber aus Gießen am 29.10.1856, Losano, Briefwechsel (1984) S. 69–72, 70. 1175 Kern, Beseler (1982) S. 201; zu beiden s. Kleinheyer/Schröder, Juristen (2008) S. 534 f. (Simson) und S. 542 (Wächter), je m.w. Nachw.
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Werk über die Singularsukzession Windscheid wenige Jahre zuvor überaus zustimmend rezensiert hatte,1176 und des Grafen Adolf Heinrich von Arnim-Boitzenburg, der seine Ehrung ebenso wie Prinz Adalbert von Preußen den Ehrendoktor der philosophischen Fakultät aus politischen Gründen bald darauf wieder zurückgab.1177 Von der philosophischen Fakultät wurden neben anderen auch Eduard Böcking, Windscheids Bonner Lehrer, und der damals in Breslau wirkende Romanist, Philologe und Historiker Theodor Mommsen geehrt.1178 Windscheid lebte fünfeinhalb Jahre in Greifswald, im „ultima Thule“ der Ostseeküste.1179 Er vergrub sich dort jedoch nicht, sondern hielt regen Kontakt zur Familie wie zu Freunden und Kollegen. Bereits im Sommer 1853 unternahm er eine Reise quer durch Deutschland und, zusammen mit seinem Vater, nach Paris, besuchte auch, wie später noch öfter, die Familie Wolff in Hamburg,1180 wo er ordnende Hand an Immermanns literarischen Nachlass legte.1181 In späteren Semesterferien schlossen sich Treffen mit den „Basler Kollegen“ Zimmermann und Wunderlich in Lübeck,1182 mit Planck und Neuner in Kiel1183 sowie Besuche bei den Freunden Urlichs in Würzburg und Friedberg in Berlin an.1184 Seiner Familie gegenüber blieb er sich der Verantwortung als ältester lebender Sohn bewusst. Sie
1176 Siehe B. Windscheid, Singularsuccession (1853) S. 27–46, über Berthold Delbrück, Die Übernahme fremder Schulden nach gemeinem und preußischem Rechte, Berlin 1853. Zu Delbrücks Ehrendoktor s. Landsberg Geschichte (1910), Text S. 757. 1177 Neue Preußische Zeitung vom 4.11.1856 Nr. 259 u. 9.11.1856 Nr. 264; Hertz/ Baier, Bericht (1857) S. 124 Fn. 1, Ablehnungsbrief des Grafen Arnim-Boitzenburg vom 2.11. und Protokoll der Sitzung der juristischen Fakultät vom 5.11.1856 im UAG ST 790. 1178 Alle Ehrenpromotionen bei Hertz/Baier, Bericht (1857) S. 111–133. Im April 1857 zeichnet auf Vorschlag Windscheids (und Anregung Friedbergs?) die juristische Fakultät den Obertribunalrat und Mitglied des Staatsrats Zettwarth(?) in Berlin zu dessen 50jährigem Dienstjubiläum mit der gleichen Würde aus, UAG Jur.Fak. 338. 1179 Zitat aus einem Brief Iherings an Windscheid vom 15.2.1857 [irrtüml. Angabe 1858], Ihering in Briefen (1913) S. 86 f., 87. 1180 Windscheid am 10.10.1853 aus Düsseldorf an Friedrich Miescher-His, UB Basel NL Fr. Miescher B 6246. 1181 Windscheid am 19.4.1857 aus Hamburg an Ludwig Urlichs, DArchI Berlin NL Urlichs, Windscheid-Briefe Nr. 4. 1182 Im Herbst 1854 für einen Tag, Windscheid an Ihering am 15.11.1854 aus Greifswald, SBPK-Berlin Slg. Darmst. 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 8, 8v. 1183 Zu Ostern 1857, Windscheid an Ihering am 8.8.1857, SBPK-Berlin Slg. Darmst. 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 15 f., 16v; in den Sommerferien 1853 war Planck für kurze Zeit in Greifswald, Windscheid an Friedrich Miescher-His am 10.10.1853, UB Basel NL Fr. Miescher B 6246; zu Johann Julius Wilhelm Planck (1817–1900) und Georg Karl Neuner (1815–1882) s. Landsberg, Geschichte (1910), Noten S. 246 f. bzw. S. 341. 1184 Am 25.8.1855 erhielt Windscheid ein an Urlichs’ Adresse in Würzburg gerichtetes Telegramm, DArchI Berlin NL Urlichs, Windscheid-Briefe Nr. 1a. Windscheid berichtete Urlichs am 19.4.1857 aus Hamburg von einem 14tägigen Besuch bei Friedbergs, DArchI Berlin NL Urlichs, Windscheid-Briefe Nr. 4.
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
erhielt einen Teil seines gegenüber Basel deutlich verbesserten Gehalts,1185 und sicher nahm er sich auch des vom WS 1855/56 bis zum WS 1856/57 in Greifswald Rechtswissenschaft studierenden H. Windscheid aus Düsseldorf an,1186 bei dem es sich eigentlich nur um seinen jüngsten Bruder Hermann handeln kann1187. Die täglichen beruflichen und privaten Kontakte mit dem Germanisten Beseler, etwa bei den häufigen gemeinsamen Mittagsspaziergängen,1188 konnte auf beider Denken nicht ohne Einfluss bleiben. So sagt Beseler, dass ihm Windscheids Rat bei der Entstehung der Bände zwei und drei seines „Systems des gemeinen deutschen Privatrechts“ zugute gekommen sei.1189 Größere Bedeutung dürften die Ansichten des älteren und wissenschaftlich reiferen Freundes für Windscheid gehabt haben. Bereits Ende 1852 und damit nach wenigen Monaten in Greifswald war er überzeugt davon, „daß das Ziel des Studiums [des römischen Rechts] kein anderes sein dürfe, als Enthüllung des Kerns desselben, der nicht römisches, sondern auch deutsches Recht ist“ und träumte von einem Studienplan, in dem auf getrennte Grundvorlesungen im römischen und deutschen Recht eine übergreifende Veranstaltung über „gemeines deutsches Recht“ folgt.1190 Dieser Aussage folgten ähnliche Gedanken in der Rede von 1854 und der Hinweis an Andreas Heusler-Ryhiner 1855, es sei „gerade jetzt“ sehr wichtig, dass dem angehenden Juristen – hier dem späteren Germanisten Andreas Heusler-Sarasin – „ein Herz für das deutsche Recht mitgegeben werde“. Noch weitergehend meinte er sogar, „es [sei] offenbar an der Zeit, daß der Gegensatz zwischen römischem und deutschem Recht, der als principieller nun überwunden ist, auch in den Personen ausgeglichen werde; auch das gelehrte Geschlecht, welches wir erziehen, muß Romanist und Germanist zugleich sein.“ 1191 Diese Vor1185 Er nannte dessen Höhe „erfreulich, nicht meinetwegen – denn für meine Bedürfnisse war hier gesorgt – sondern meiner Familie wegen“, Windscheid an Heinrich v. Sybel am 3./10.4.1852 aus Basel, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 36 f., 37r. Seit dem Jubiläum 1856 wurde es von 1000 auf 1100 Taler erhöht, Brief Windscheids an seinen Vater aus Greifswald vom 12.2.1857, B. Windscheid Festgabe (1909) Sp. 119 f., 119. 1186 Amtliches Verzeichniss Greifswald WS 1855/56 u. SS 1856 je S. 19; ein Windscheid als ao. Mitglied des romanistischen Seminars im WS 1856/57 angegeben in Beselers und Windscheids Rechenschaftsbericht vom 25.2.1857, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt.7 (Univ. Greifswald) Tit. X Nr. 28 Bd. 1 Bll. 17– 22v, 17v. 1187 Geb. Düsseldorf 1836, gest. Niederlahnstein 1900, studierte Rechtswissenschaften. 1188 Kern, Beseler (1982) S. 201; Emilie Beseler an ihre Mutter am 29.6.1855, Fünfzig Jahre (1904) S. 163. 1189 Beseler, Erlebtes und Erstrebtes (1884) S. 108. 1190 Windscheid am 26.12.1852 aus Greifswald an Andreas Heusler-Ryhiner, StA Basel PA 328 E 168 Windscheid, B. 1191 Windscheid am 15.1.1855 aus Greifswald an Andreas Heusler-Ryhiner, StA Basel PA 328 E 168 Windscheid, B.
E. Professur in Greifswald (1852–1857)
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stellungen von einem einheitlichen deutschen Recht hatte Beseler schon zwanzig Jahre zuvor bei seiner Basler Antrittsrede propagiert1192 und auch später immer vertreten. Obwohl Germanist durch und durch,1193 hatte Beseler selbst als Professor für römisches Recht in Basel die Möglichkeit einer Verbindung beider Disziplinen bewiesen. Die Bemühungen um den ersten Schritt, die „Reinigung“ 1194 des geltenden Rechts von spezifisch römischen und daher nicht mehr zeitgemäßen Bestandteilen, schlug sich in Greifswald – anders noch als in Basel – deutlich in Windscheids Publikationen nieder, wie schon der Titel seiner Monographie von 1856 über die „Actio“ 1195 zeigt. So ist es augenscheinlich Beseler zu verdanken, dass Windscheid nicht nur theoretisch die Gegnerschaft von Germanisten und Romanisten für überholt hielt und ablehnte, sondern daraus auch für die Behandlung des römischen Rechts praktische Konsequenzen zog. In seiner Art der Behandlung des römischen Rechts begegnete sich Windscheid mit Rudolf Ihering, damals schon bekannter Professor in Gießen und die zweite wichtige Bekanntschaft Windscheids aus den Jahren 1852 bis 1857. Erste nachweisliche briefliche Kontakte zwischen beiden reichen bis in das Jahr 1852 zurück, als Windscheid zu dem ihm übersandten ersten Band von Iherings „Geist des römischen Rechtes“ ausführlich Stellung genommen haben muss. Im erhaltenen Dankesbrief Iherings stimmte dieser einer Vereinigung von römischem und deutschem Recht als Endziel zu und wies Windscheid auf die zusammen mit Thöl und Gerber geplante Zeitschrift hin, „die diesem Zwecke“ – durch „reinigende“ Vorarbeiten im römischen Recht – „in die Hände arbeiten soll“ und bei der er sich auch Windscheids Mitarbeit wünschte.1196 Nach dem Wechsel weiterer ähnlicher, besonders durch die Übersendung eigener Texte veranlasster Briefe1197 fand dann im Rahmen des Jubiläums 1856 das erste Zusammentreffen Ihe1192
Siehe Beseler, Erlebtes und Erstrebtes (1884) S. 119–130 (= Anlage 3, Über die Stellung des römischen Rechts zu dem nationalen Recht der germanischen Völker, Basel 1835), bes. S. 130. 1193 Nach Windscheids Aussage ein Vertreter der „germanischen Seite der germanischen Rechtswissenschaft“, dagegen Thöl etwa ein „romanischer Germanist“, am 15.1.1855 an Andreas Heusler-Ryhiner, StA Basel PA 328 E 168 Windscheid, B. 1194 Zu diesem Begriff allgemein und besonders bei Windscheid siehe eingehend Ober, Bernhard Windscheid (1989), bes. S. 41–64. – Dies meint Windscheid, wenn er im Brief an Ihering vom 24.1.1857 von der Aufgabe spricht, „uns von dem römischen Recht – soweit dasselbe abgestreift zu werden verdient – zu befreien“. SBPK-Berlin Slg. Darmst. 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 9–12, 9r. 1195 B. Windscheid, Die Actio des römischen Civilrechts vom Standpunkte des heutigen Rechts, Düsseldorf 1856, näheres s. u. Abschnitt II. 3. 1196 Ihering an Windscheid aus Gießen am 29.1.1853, Ihering in Briefen (1913) S. 25–30, 30. 1197 Ihering an Windscheid am 21.12.1853, Ihering in Briefen (1913) S. 35–38 (Kommentar zu Windscheids „ruhender Erbschaft“); Windscheid an Ihering am 15.11. 1854, SBPK-Berlin Slg. Darmst. 2 h 1847 (10) B. Windscheid Bl. 8 (übersendet seine Rede); Ihering an Windscheid am 29.7.1856, Ihering in Briefen (1913) S. 64–68 (ebenfalls zur „ruhenden Erbschaft“).
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
rings sowohl mit Beseler als auch mit Windscheid statt, dessen „Hauswirt“ Quistorp Ihering eingeladen hatte.1198 Hier erfolgte, nach einem übertrieben heftigen Angriff Iherings auf Windscheids juristische Fähigkeiten in einem Kommentar zu dessen Aufsatz über die hereditas iacens,1199 die durch Windscheids Nachsicht und versöhnliche Haltung ermöglichte Aussöhnung,1200 und hier begann eine lebenslange enge Verbundenheit beider Gelehrter, die im persönlichen Bereich ungetrübt bleiben sollte. Seit Greifswald datiert auch Iherings Achtung vor Windscheids Charakter,1201 der ihm ähnlich rein und unangreifbar erschienen sein muss wie zwei Jahre zuvor Friedberg. Iherings mehrfach wiederholte Bitte an Windscheid um einen Beitrag zu der dem gemeinsamen Ziele dienenden Zeitschrift wurde von diesem jedoch nicht erfüllt, ohne dass Gründe dafür bekannt wären, zumal Windscheid Ihering sehr schätzte, besonders dessen „Geist des römischen Rechts“. Es sei „ein Buch, das in seiner Idee ebenso richtig und zeitgemäß, als in seiner Ausführung geistreich ist“. „Dies und kein anderer ist der Weg, den wir wandeln müssen, um uns von dem römischen Recht – soweit dasselbe abgestreift zu werden verdient – zu befreien“. Dennoch hielt er die theoretische „Construction des vorhistorischen Staatswesens“ ohne historisches Fundament im ersten Band für reichlich gewagt und war auch mit dem im zweiten Band enthaltenen Lob der Trennung von Recht und Moral im älteren römischen Recht nicht einig.1202 Gegenüber Ihering, aber auch in weiteren Briefen an Dritte äußerte sich Windscheid auffallend oft über zahlreiche Kollegen und deren Qualitäten. Sicher war Veranlassung dessen Windscheids jetzt gegenüber Basel engerer Kontakt zum wissenschaftlichen Geschehen, aber es dürfte auch als Ausdruck seines gewachsenen Selbstvertrauens gedeutet werden können. Besonderes Lob erfuhren hierbei Friedrich Mommsen in Göttingen und Ernst Immanuel Bekker in Halle als die „tüchtigsten unter den jüngeren Gelehrten“.1203 Diese wie andere Äußerun1198 Briefe Iherings an Windscheid vom 29.7.1856, Ihering in Briefen (1913) S. 64– 68, 68, und Iherings an Gerber vom 29.10.1856, Losano, Briefwechsel (1984) S. 69–72, 70. 1199 Näheres s. u. Abschnitt II. 1. 1200 Dazu siehe besonders Iherings Brief an Windscheid vom 21.12.1856, Ihering in Briefen (1913) S. 73–78, 74. 1201 Ebd. [Ihering an Windscheid 21.12.1856, 74] und Ihering an Gerber am 29.10.1856, Losano, Briefwechsel (1984) S. 69–72, 70. 1202 Windscheid an Ihering aus Greifswald am 24.1.1857, SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 9–12. 1203 Windscheid am 15.1.1855 aus Greifswald an Andreas Heusler-Ryhiner, StA Basel PA 328 E 168 Windscheid, B. Zu Friedrich Mommsen (1818–1892) und Ernst Immanuel Bekker (1827–1916) s. Landsberg, Geschichte (1910), Noten S. 220 bzw. S. 354–357, zu Bekker auch Kriechbaum, Ernst Immanuel Bekker (1984), bes. S. 1–29. – Außerdem äußerte sich Windscheid noch lobend über Johann J. W. Planck (an Friedrich Miescher-His am 31.10.1852, UB Basel NL Fr. Miescher B 6245) und August Anschütz (an Friedrich Zarncke am 20.1.1853, UB Leipzig NL Zarncke WindscheidBriefe Nr. 1), erwartungsvoll zu Berthold Delbrück, Alois Brinz und Wilhelm Girtanner (an Rudolf Ihering am 24.1.1857, SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847 (10)
E. Professur in Greifswald (1852–1857)
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gen beruhten auf der Lektüre juristischer Arbeiten, auf die Windscheid in Greifswald viel Zeit verwendete1204 und die er auch zum Anlass für mehrere Veröffentlichungen nahm. Trotz seiner zahlreichen Vorlesungen, deren Ausarbeitung und Vorbereitung zumindest in den ersten fünf Semestern die meiste Zeit in Anspruch nahm,1205 war Windscheids literarische Produktion in Greifswald nämlich durchaus beachtlich. Die Reihe seiner Kritiken begann 1853 mit der „Singularsuccession in Obligationen“, einer Besprechung von Berthold Delbrücks bereits genanntem Werk in Aufsatzform, in der er nicht nur den Verfasser als Neuentdeckung auf dem Markt juristischer Publikationen pries, sondern auch über Delbrück hinaus eine neue Sichtweise der Forderungsabtretung wie Schuldübernahme im römischen Recht propagierte.1206 Noch im gleichen Jahr, in dem er vorgeblich allein an der Verbesserung seiner Vorlesungen arbeitete,1207 erschien ein Aufsatz über die ruhende Erbschaft, der eigentlich, wie schon das Erscheinen in der „Kritischen Überschau“ zeigt, nicht mehr als ein Sammelbericht über neuere Veröffentlichungen zu diesem Thema sein wollte, in den jedoch Windscheid wiederum originelle eigene Gedanken einarbeitete. 1208 Das Jahr 1854 brachte neben der bereits vorgestellten Festrede eine kurze aber vernichtende Rezension von Zielonackis „Besitz nach dem römischem Rechte“ in dem von Friedrich Zarncke herausgegebenen „Literarische[n] Centralblatt“.1209 Auf Anregung BeseB. Windscheid Bll. 9–12), ist dagegen mit den Leistungen Dietzels, Theodor Muthers, Pagenstechers, Johann Ulrich(?) Wirths und Gustav Demelius’ weniger einverstanden (an Ihering, ebd., s. dazu Falk, Gipfel der Pandektistik (2009) S. 139). Lob erfuhr auch die Dissertation Andreas Heuslers jun. (an Andreas Heusler-Ryhiner am 29.3.1857, StA Basel PA 328 E 168, Windscheid, B.). 1204 Windscheid an Ihering am 24.1. und 8.8.1857, SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 9–12, 11r u. 15 f., 16r. 1205 Windscheid an Ihering am 15.11.1854, SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 8, 8v und an Andreas Heusler-Ryhiner am 15.1.1855, StA Basel PA 328 E 168, Windscheid, B. Bezeichnend für Windscheids Einstellung dazu sein Brief an Friedrich Miescher-His am 10.10.1853, UB Basel NL Fr. Miescher B 6246: „meine Vorlesungen haben mich ganz in Anspruch genommen. Ich habe mich bestrebt, etwas von der Wärme, mit der ich jeden Tag mehr meine Wissenschaft umfassen kann, in die Herzen meiner Zuhörer einfließen zu lassen. Denn darauf kommt es denn doch bei allem Dociren an, daß wir warm machen, viel mehr als darauf, daß wir Kenntnisse mittheilen.“ 1206 Erschienen in der KgdGR 1 (1853) S. 27–46. 1207 Siehe den o. a. Brief an Friedrich Miescher-His vom 10.10.1853, UB Basel NL Fr. Miescher B 6246. 1208 Die ruhende Erbschaft und die vermögensrechtliche Persönlichkeit, KgdGR 1 (1853) S. 181–207. 1209 Lit. Centralblatt 1854 Sp. 268 f. Belegt durch Briefe Windscheids an Zarncke vom 12. und 17.4.1854, UB Leipzig NL Zarncke, Windscheid-Briefe Nr. 2 u. 3. – Dieser Rezension entledigt sich Windscheid in einer ihm angesichts der von Zielonacki vertretenen „Ungeheuerlichkeiten“ und der Art ihrer Darstellung allein noch gerechtfertigt erscheinenden Weise: Auf die kommentarlos zitierende Aneinanderreihung bisher nicht für möglich gehaltener Aussagen folgt die Bemerkung, dass der Referent „in der Schrift Eine beachtenswerthe Bemerkung, für die er im Augenblick keine Quelle an-
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
lers hatte sich Windscheid zuvor mit der für ihn bezeichnenden Bemerkung zur Mitarbeit an diesem Blatt bereit erklärt, dass es ihm fernliege, „um des Recensirens willen“ zu rezensieren, „wogegen der Gedanke, über diejenigen Schriften, die [er] bei [s]einen Studien zu lesen und zu prüfen veranlaßt werde, nach Beendigung dieser Prüfung das Resultat derselben in einem kurzen Wort zusammenzufassen und öffentlich aussprechen zu können, Reiz für [ihn] ha[be]“.1210 Daher und wegen der Tatsache, dass Windscheid sich allein für in der Romanistik kompetent erklärte1211 und ihm für spätere Rezensionen andere Zeitschriften zur Verfügung standen, ist anzunehmen, dass kaum weitere Anzeigen in diesem anonym veröffentlichenden Blatt aus seiner Feder stammen. Wie aus einem Zitat im Urteil Windscheids für das OLG Dessau aus dem Februar 1854 hervorgeht,1212 war schon zu diesem Zeitpunkt auch die große Rezension der 1853 erschienenen ersten Abteilung von Friedrich Mommsens „Beiträge[n] zum Obligationenrecht“ vollendet. Dieses bedeutende und für die Zukunft des allgemeinen Schuldrechts, insbesondere dessen Regelungen der Unmöglichkeit der Leistung, grundlegende Werk1213 begleitete Windscheid bis 1856 mit ausführlichen, kritisch-zustimmenden Kommentaren.1214 Im gleichen Jahr entstanden dann noch die kurze Anzeige einer schadensersatzrechtlichen Dissertation1215 und die Rezension von Hermann Fittings „Begriff der Rückziehung“, die ihm Gelegenheit gab, Gemeinsamkeiten zugeben weiß, gefunden hat“ (Lit. Centralblatt 1854 Sp. 269). Noch deutlicher wird Windscheid in seinem Begleitbrief an den Herausgeber Friedrich Zarncke vom 17.4. 1854. Hier ist die Rede von „der bodenlosen Schlechtigkeit des Buches“, einem „Gewäsch“, das eine eingehende Kritik nicht verdiene, ja einer „Sudelei“, wodurch die ganze Wissenschaft verunreinigt sei. Hätte die Rezension – entgegen den Gepflogenheiten der Zeitschrift – unter Windscheids Namen erscheinen können, so hätte er nicht gezögert, auch öffentlich solche Töne gegenüber einer Person anzuschlagen, die es „nicht Wert (sei), Männern wie Savigny und Bruns“ „die Schuhriemen aufzulösen“, UB Leipzig NL Zarncke Nr. 3. 1210 Windscheid am 20.1.1853 aus Greifswald an Friedrich Zarncke, UB Leipzig NL Zarncke, Windscheid-Briefe Nr. 1. 1211 Er empfahl dagegen für das deutsche Recht August Anschütz in Bonn und Sandhaas in Gießen, ebd. [20.1.1853 an Zarncke]. 1212 UAG Jur.Fak. 361, Spruchsachen 1853 (nach Eingang geordnet). Urteil vom 11./ 16.2.1854. 1213 Siehe vorläufig Kaser, Der römische Anteil (1967) S. 337–344, 343. Näheres unten Abschnitt II. 4. 1214 Rezension der ersten Abteilung (1853) in Krit.Zeitschr. 2 (1855) S. 106–145, der zweiten Abteilung (1855) ebd. S. 525–563 und der dritten Abteilung (1855) ebd. Bd. 3 (1856) S. 253–286. 1215 Rezension von Gottfried Nußbaumer, Über das Maß des Schadenersatzes, Diss. Zürich 1855, Krit.Zeitschr. 3 (1856) S. 72–74. Hierbei wandte sich Windscheid, ebd. S. 72, gegen die auch von Nußbaumer vertretene Lehre, wonach die Haftung nur eintritt, wenn die Kausalität von Handlung und Schaden dem vorhersehbaren „Lauf des Lebens und des Verkehrs“ entspricht. Ihm genügte wohl jede nach heutiger Äquivalenzregel zu bejahende Kausalität: B. Windscheid, Lehrbuch II § 258 seit 11865 S. 30 f.: „Aber jedenfalls muß es wahr sein, daß der Nachtheil nicht eingetreten sein würde, wenn die betreffende Thatsache nicht gewesen wäre“ mit S. 31 Fn. 15.
E. Professur in Greifswald (1852–1857)
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und Abweichungen beider im Bezug auf das Wesen der Bedingung herauszustellen.1216 Ein einziges Werk, zugleich eines der berühmten der Pandektistik, entstand nicht ausdrücklich in Anlehnung an eine zu kommentierende Arbeit. Es ist die Monographie über die „Actio des römischen Civilrechts“.1217 Windscheid hatte sie im Laufe des WS 1854/55 in Angriff genommen,1218 Ende Juni 1856 abgeschlossen1219 und schon im Juli 1856 druckfrisch in Händen gehalten. Letzteres ergibt sich aus einem Brief an Theodor Mommsen, den er sehr verehrte und dem er ein Exemplar zukommen ließ.1220 Windscheid nannte die Arbeit zur Zeit der ersten Anfänge „nichts Großartiges“, jedoch Beispiel dessen, „was uns eigentlich Noth thut, Verdeutschung des römischen Rechts durch Detailarbeiten“.1221 Weiter plante er noch seit 1854 eine Festschrift mit Beiträgen aller ExBasler Professoren zum Basler Universitätsjubiläum, die jedoch trotz Abstimmung mit Beseler und Ihering1222 nicht zustande kam. Ein Weiterschreiten auf dem durch die „Actio“ vorgezeichneten Weg verhinderte einmal die seiner Ansicht nach notwendige Reaktion auf Muthers Kritik,1223 zum anderen aber auch sein bevorstehender Wechsel nach München. Jedenfalls war das Sommersemester 1857 ausgefüllt mit der Überarbeitung des „Pandektenheftes“ sowie der Anfertigung eines „Grundrisses“ dazu, einer vorlesungsbegleitenden Zusammenstellung von Quellenbelegen.1224 Die dazu erforderliche Lektüre neuerer Veröffentlichungen führte Windscheid zu der Feststellung, dass „zu einer vollständigen und zu1216 Erschienen erst im 4. Bd. (1857) der Krit.Zeitschr., aber vollendet bereits im Oktober 1856, s. Urteil für das OLG Dessau vom 6./9.10.1856, UAG Jur.Fak. 366 S. 11. 1217 Die Actio des römischen Civilrechts vom Standpunkte des heutigen Rechts, Düsseldorf 1856. 1218 Eine Kurzfassung seines Grundgedankens findet sich in Recht und Rechtswissenschaft (1854) S. 25, und am 15.1.1855 schrieb Windscheid an Andreas Heusler-Ryhiner, StA Basel PA 328 E 168 Windscheid, B., er sei „erst in diesem Semester . . . dazu gekommen, eine litterar[ische] Arbeit zu beginnen . . .“. 1219 Das Vorwort ist datiert, Actio S. IV, „Greifswald, den 26. Juni 1856“. 1220 Windscheid am 21.7.1856 aus Greifswald an Theodor Mommsen mit der Versicherung seiner „Verehrung und . . . Bewunderung“, SBB-PK, NL Mommsen, Windscheid-Briefe Nr. 1. 1221 Windscheid an Andreas Heusler-Ryhiner am 15.1.1855, StA Basel PA 328 E 168 Windscheid, B, Hervorhebung im Original. 1222 Windscheid an Ihering aus Greifswald am 15.11.1854, SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 8, 8v. 1223 Windscheid an Ihering o. O. o. D. [aus Greifswald zwischen dem 12. u. 14.8. 1857], SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 17, 17r: „Gestern habe ich das Muther’sche Buch [Theodor Muther, Zur Lehre von der Römischen Actio, dem heutigen Klagrecht, der Litiscontestation und der Singularsuccession in Obligationen, Erlangen 1857] erhalten. . . . Er muß doch wohl eine Zurechtweisung haben. Insofern kommt das Buch mir gerade jetzt sehr zur ungelegenen (17v) Zeit, wo ich reisen und übersiedeln muß.“ 1224 Windscheid an Ihering aus Greifswald am 8.8.1857, SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 15 f., 16r, s. dazu Falk, Gipfel der Pandektistik (2009) S. 140 f. mit Fn. 63, 64.
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gleich kritisch prüfenden Benutzung der Litteratur . . . die Zeit nicht reichen [würde], wenn man auch nichts Anderes thun wollte“, ein klarer Beweis dafür, dass sich Windscheid in Greifswald noch nicht mit Plänen zu einem eigenen Lehrbuch beschäftigte.1225 Schon seit August 1856 wusste Windscheid, dass man sich in München für ihn interessierte, wobei eine Entscheidung aber bis zur Jahreswende noch nicht gefallen war.1226 Am 2. Februar erhielt er dann den offiziellen Ruf, den er – nach gründlicher Rücksprache bei dem inzwischen in Würzburg tätigen Urlichs und bei Heinrich von Sybel in München1227 – elf Tage später deshalb annahm, weil er sich die Aussicht auf eine gewaltige Vergrößerung seines Auditoriums als begeisterter Lehrer nicht entgehen lassen durfte.1228 Auf seinen Wunsch hin erhielt er die Entlassung nicht schon auf Ostern, sondern erst auf den 1. Oktober 1857,1229 womit er der dankbaren Fakultät in Greifswald einen bruchlosen Wech-
1225 Zitat (Hervorhebung im Original) im eben genannten Brief Windscheids an Ihering vom 8.8.1857, Bl. 16r. Gegen Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 602, und Wieacker, Bernhard Windscheid (1959) S. 184. 1226 Windscheid am 24.1.1857 aus Greifswald an Ihering, SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 9–12, 12v: „Im August schrieb mir Brinz: Der Minister schwankt zwischen Ihering und Ihnen; . . . und diese Thätigkeit scheint ihm seitdem so lieb geworden zu sein, daß er sich in derselben permanent erklärt hat.“ Ähnlich Ende 1856 aus Greifswald an Urlichs, DArchI Berlin NL Urlichs, WindscheidBriefe Nr. 1. – Dubios die Überlegung Gerbers im Brief an Karl Georg Wächter vom 7.4.1855, Windscheid als Kriminalisten nach Tübingen zu berufen, Festgabe (1909) Sp. 119. 1227 Windscheid aus Greifswald am 3.2.1857 an Heinrich v. Sybel, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 22 f., dort Bl. 22r auch Angabe über den Erhalt des Rufes am Tag zuvor, und am 4.2.1857 an Urlichs, DArchI Berlin NL Urlichs Windscheid-Briefe Nr. 2. 1228 Am 12.2.1857 Mitteilung des Rufes an Geheimrat Schultze in Berlin, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 7 (Univ. Greifswald) Tit. IV Nr. 20 Bd. 2 Bl. 54–55r mit dem Bemerken, Bl. 54v, „daß der akademische Lehrer vor Allem nach einer möglichst reichen Entfaltung seiner Lehrthätigkeit zu streben hat, und nicht zum geringsten Theil deswegen, weil mit der Wirksamkeit die Freudigkeit des Wirkens, und mit dieser die Kraft zum Wirken, in gleichem Maße wächst . . .“. Ähnlich Windscheids Brief an seinen Vater vom 12.2.1857, Festgabe (1909) Sp. 119 f., und die Berichte von der Annahme des Rufes vom 13.2.1857 an Sybel (GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 39 f., o. O. o. D.), Urlichs (DArchI Berlin NL Urlichs Windscheid-Briefe Nr. 3) und Ihering (SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 13 f. – Klare Aussage Windscheids auch am 29.3.1857 gegenüber Andreas Heusler-Ryhiner, StA Basel PA 328 E 168 Windscheid, B.: „Wie schwer es mir wird, Preußen zu verlassen, brauche ich Ihnen nicht erst zu sagen; aber dort sind an 600 Juristen und hier keine 50.“ 1229 Dazu Windscheid an Sybel o. D. [am 13.2.1857], GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 39 f., 39v; Entlassungsantrag Windscheids vom 22.3.1857, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt.7 (Univ. Greifswald) Tit. IV Nr. 20 Bd. 2 Bl. 56; Windscheids Mitteilung dessen an die Fakultät am 27.3.1857, UAG ST 788; Entlassung Windscheids zum 1.10.1857 am 9.5.1857, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt.7 (Univ. Greifswald) Tit. IV Nr. 20 Bd. 2 Bl. 59r;
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sel auf diesem Lehrstuhl ermöglichte. Sein Nachfolger wurde Ernst Immanuel Bekker, bisher außerordentlicher Professor in Halle, mit dem deutlich geringeren Jahresgehalt von 800 Talern.1230 Dessen Bestellung war schon im April im Ministerium in Berlin ausgemachte Sache, so dass die Fakultät ihn notgedrungen im Mai auf Platz eins ihres nach Windscheids Vorlage ausgearbeiteten Vierervorschlags setzte.1231 Bei einem Aufenthalt in Berlin während der Osterferien teilte der Geheime Oberregierungsrat Schultze Windscheid mit, dass sich ihm die Möglichkeit einer „Versetzung“ nach Breslau eröffnet hätte.1232 Unabhängig von seiner Glaubhaftigkeit kam dieser Hinweis jedenfalls zu spät, dürfte auch für Windscheid angesichts der unterschiedlichen Bedeutung beider Universitäten nicht attraktiv gewesen sein.1233 Windscheid verließ Greifswald Mitte Juli 1857 und reiste – unterbrochen von einem kurzen aber sehr befriedigenden Besuch bei Ihering in Gießen – zu seiner Familie nach Düsseldorf,1234 wo er seine Entgeg-
Mitteilung dessen an die Behörden in Greifswald und an Windscheid am 23.5.1857, ebd. Bl. 61r+v = UAG Kurator 181 bzw. UAG ST 788 S. 29. 1230 Ernennung Bekkers am 13.6.1857, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 7 (Univ. Greifswald) Tit. IV Nr. 20 Bd. 2 Bl. 71r; Dank Bekkers vom 1.7.1857 ebda Bl. 77r; Amtliche Mitteilung der Ernennung an Kuratorium und juristische Fakultät in Greifswald am 29.6.1857 UAG Kurator 181 bzw. UAG ST 788 S. 38. 1231 Bewerbung Bekkers bei der Fakultät vom 6.4.1857 UAG ST 788 S. 24–26; Empfehlungsschreiben Pernices für Bekker vom 18.4.1857 ebd. S. 27 f.; Aufforderung des Ministeriums an die Fakultät zum Vorschlag unter Hinweis auf Bekker am 23.5.1857, Konzept GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 7 (Univ. Greifswald) Tit. IV Nr. 20 Bd. 2 Bl. 61v+62r, Reinschrift UAG St 788 S. 29; Fakultätssitzung und Vorlage Windscheids mit Angaben zu den möglichen Nachfolgern Bekker (scharfsinnig, Darstellung übermäßig gesucht), Koeppen (lobend), Stintzing (sehr lobend) und Hartmann (gründlich, aber etwas schwerfällig und unbeholfen) am 28.5.1857, ebda S. 30 bzw. 31 f.; nahezu wortgetreuer, jedoch die negativen Bemerkungen zu Bekker unterschlagender Fakultätsvorschlag mit den genannten Kandidaten in dieser Reihenfolge am 29.5.1857, ebda S. 34–37 (Konzept, Reinschrift GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 7 (Univ. Greifswald) Tit. IV Nr. 20 Bd. 2 Bl. 67– 68v); Empfehlung Bekkers durch das Kuratorium in Greifswald am 31.5.1857, UAG Kurator 181; Mitteilung der Hintergründe durch Windscheid an Urlichs aus Hamburg am 19.4.1857, DArchI Berlin NL Urlichs Windscheid-Briefe Nr. 4 (Fürsprache Barkows für den sehr konservativen Bekker), und an Ihering aus Greifswald am 8.8.1857, SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 15 f., 15v: „Die Facultät, . . . konnte sich nicht gegen ihn erklären; sie hat ihn umgekehrt, wie sie mußte, gelobt.“ Zu den Briefen Windscheids an Ihering auch Falk, Gipfel der Pandektistik (2009) S. 140 mit Fn. 60 f. – zu Bekkers Zeit in Greifswald 1857 bis 1874 Kriechbaum, Von der Pandektistik (2009) S. 151–171. 1232 Windscheid am 19.4.1857 aus Hamburg an Urlichs, DArchI Berlin NL Urlichs Windscheid-Briefe Nr. 4. 1233 München hatte 1856/57–1861 durchschnittlich 451 Jurastudenten, damit Platz 2 knapp hinter Berlin, Breslau nur 152, nahm damit zusammen mit Bonn einen Mittelplatz ein, Conrad, Statistik (1893) S. 120 f. Tabelle I. 1234 Windscheid besuchte Ihering Mitte August 1857 in Gießen und war dann bis Ende September in Düsseldorf, s. dazu Briefe Windscheids an Ihering vom 8.8.1857 und o. O. o. D. [12.–14.8.1857], SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Wind-
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nung auf Muther ausarbeitete1235 und sich auf einen ungewissen Neuanfang in der bayerischen Residenz vorbereitete. Die Zeit von Windscheids Wirken in Greifswald ist für die einen ein Höhepunkt für die dortige juristische Fakultät,1236 für andere eine Zeit der „allgemeinen Stagnation in Lehre und Forschung“.1237 Richtig ist sicher, dass in den fünfziger Jahren auch in Greifswald der „Geist der Reaktion“ herrschte.1238 Dieser war jedoch nicht allgegenwärtig, und die beiden führenden Vertreter der juristischen Fakultät, Beseler und Windscheid, waren alles andere als Repräsentanten dieses Geistes. Dagegen kann angesichts der frühen Gründung des Seminars in Greifswald von einer Stagnation in der Lehre keine Rede sein, und auch die Forschung trat in dieser Zeit nicht auf der Stelle, sondern erlebte einen neuen Aufschwung,1239 ja sie befand sich nach dem Empfinden Windscheids und der Zeitgenossen geradezu an einem „Wendepunkt“ 1240. So ist mit Recht das gemeinsame Wirken von Georg Beseler und Bernhard Windscheid an einer Fakultät als ein Höhepunkt in der Geschichte der betreffenden (Provinz-)Universität anzusehen, auch wenn zu dieser Zeit Windscheid noch im Schatten des älteren und bekannteren Kollegen stand.
II. Romanistische Arbeiten 1. Die ruhende Erbschaft und die vermögensrechtliche Persönlichkeit (1853) In einer 26seitigen Sammelrezension zum Thema der hereditas iacens, also dem rechtlichen Verhältnis der Erbschaft nach dem Tod des Erblassers und vor Antritt der Erbschaft durch den Erben, geht Windscheid in der Münchener „Krischeid Bll. 15 f. u. 17, und Briefe Iherings an Windscheid vom 11.8. [irrtüml. angegeben 7.] und 14.12.1857, Ihering in Briefen (1913) S. 78–82, 79 f. und S. 82–85, 85. 1235 Die Actio. Abwehr gegen Dr. Theodor Muther, Düsseldorf 1857, Vorrede datiert, S. VI, „München, den 14. October 1857“. 1236 Bes. Molitor, Greifswalder Juristenfakultät (1956) S. 14; ähnlich Kern, Beseler (1982) S. 70, und Schubel, Universität Greifswald (1960) S. 58–60, 60. 1237 Universität Greifswald (1982) S. 31. 1238 Universität Greifswald (1982) S. 31 und Andeutungen Windscheids über Barkows Haltung gegenüber Urlichs am 19.4.1857, DArchI Berlin NL Urlichs WindscheidBriefe Nr. 4. 1239 Windscheid am 26.12.1852 an Andreas Heusler-Ryhiner, StA Basel PA 328 E 168 Windscheid, B.: „Das tröstet mich, daß in unserer Wissenschaft ein neues regeres Leben erwacht. Das Morgenroth ist schon angebrochen, welches den Tag ankündigt, an dem es in Deutschland kein fremdes, sondern nur noch deutsches Recht giebt.“ 1240 B. Windscheid, Singularsuccession (1853) S. 27–46, 27: „Für die Wissenschaften wie für den Einzelnen gibt es Wendepunkte, mit denen ein neues Leben beginnt. Wer kann es läugnen, daß gerade jetzt die Wissenschaft des römischen Rechtes sich in einem solchen Wendepunkt befindet?“ – Allgemein Johannes Emil Kuntze, Der Wendepunkt der Rechtswissenschaft; ein Beitrag zur Orientierung über den gegenwärtigen Stand- und Zielpunkt derselben, 1856.
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tischen Überschau“ zugleich auf das allgemeinere Problem der juristischen Person als Rechtssubjekt ein und kommt dabei auf einen neuen und überraschenden Gedanken. Windscheid kritisiert die seit Savigny immer weiter und feiner ausdifferenzierte Behandlung der hereditas iacens als einer Übergangslage, der in irgend einer Weise die Person des Erben oder des Erblassers zugeordnet werden muss. Weder leuchtet ihm Puchtas Vorstellung vom Erbrecht als „Recht an der in den Erben übergegangenen Person des Verstorbenen“ 1241 ein noch Iherings Trennung zwischen einer „actuellen“ und einer „substantiierten Persönlichkeit“ des Erblassers, wobei die letztere eine erbrechtliche Kunstfigur, ein Zwitter zwischen juristischer Person und Sache sei mit der alleinigen Aufgabe, zuerst Subjekt der ruhenden Erbschaft zu sein und dann vom Erben erworben zu werden.1242 Auch die Deutungsversuche der anderen können ihn nicht überzeugen,1243 so dass Windscheid provozierend meint: „schütteln wir uns, und fassen wir uns in unserem gesunden Herzen zusammen, dass wir den klaren Blick wiedergewinnen, den uns Nebelgestalten versperren wollen. Ist es denn so schwer, für ein einfaches Verhältniß einen einfachen, verständlichen Ausdruck zu finden?“ 1244 Und in einer großen Geste schiebt er alle gekünstelten Konstruktionen beiseite und legt seine eigene Sicht dar, die in ihrer Einfachheit zunächst frappiert: „Jemand ist gestorben; er hat ein Vermögen hinterlassen; . . . Das Vermögen besteht fort, wie es bestanden hat, . . . Aber als wessen Vermögen? Nun, als niemandes Vermögen; eben als Vermögen. Ist denn das Recht nicht souverän genug, eine Zusammengehörigkeit von Vermögensrechten und Vermögensverpflichtungen – denn das ist ja ein Vermögen – in dieser Zusammengehörigkeit zu erhalten, ohne daß ein herrschendes Subject dafür da wäre?“ 1245 Diesem Vermögen werden dann die in ihm enthaltenen Rechtsverhältnisse zugeordnet, „da haben wir die Erbschaft als berechtigtes Subject“.1246 Windscheid verteidigt diese Anschauung engagiert, aber nicht etwa mit logisch-systematischen Argumenten, sondern er verweist auf „die Gesundheit oder Ungesundheit einer Lebensanschauung. Da hat der eine nur sein Nein, und der andere nur sein Ja; entscheiden aber kann nur das Leben selbst.“ 1247 Diese Haltung schützt vor allen dogmatischen Angriffen: Zur Fort1241
B. Windscheid, ruhende Erbschaft (1853) S. 184. B. Windscheid, ruhende Erbschaft (1853) S. 184 f. Dazu Windscheid S. 185: „dürfen wir einen Begriff, . . ., ein Ding, das uns unter den Händen verschwindet, wo wir es eben gefaßt zu haben glauben, dem Leben bieten?“ 1243 Nach Scheurl ist Erbschaft die fingierte Person, B. Windscheid, ruhende Erbschaft (1853) S. 185; nach Pagenstecher repräsentiert die Erbschaft die Person des Erblassers, ist aber keine wirkliche Person, ebd.; nach Schirmer schwebt die Persönlichkeit des Erblassers über der Erbschaft, um die in ihr enthaltenen Obligationen zu erhalten, ebd. S. 186. 1244 ruhende Erbschaft (1853) S. 186. 1245 Ebd., Hervorhebung F. Kl. – zum ganzen Falk, Gipfel der Pandektistik (2009) S. 134 f. 1246 B. Windscheid, ruhende Erbschaft (1853) S. 187. 1247 B. Windscheid, ruhende Erbschaft (1853) S. 188. 1242
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dauer der Obligationen einer Erbschaft brauche es ein Weiterwirken der Person des Erblassers als Gläubiger oder Schuldner nicht, denn – und dies ist die zweite grundlegend neue These – die Rechtsanschauung könne einen Gläubiger oder Schuldner zwingen, sich mit einem anderen Partner abzufinden, und dem Recht werde dadurch keine Gewalt angetan.1248 Ein solcher neuer Partner könne sehr wohl die ruhende Erbschaft als juristische Person sein, trotzdem an ihr kein menschliches Individuum beteiligt sei und sie auch nicht wie Körperschaft oder Stiftung einen außer ihr liegenden Zweck verfolge. Dies sei zwar ein auch rechtlich relevanter Unterschied, daraus folge aber nicht die Notwendigkeit einer verschiedenen Bezeichnung, was nur zu einer Häufung der „Kunstausdrücke“ führe, „ohne daß damit irgend etwas gewonnen wird“.1249 An diese Ausführungen schließt sich ein Vergleich des als „naturgemäß“ Erkannten mit den Regelungen des römischen Rechts an. Windscheid ist überzeugt davon, dass schon dieses „ächt praktische Recht“ die ruhende Erbschaft wie eine juristische Person behandelte.1250 Die auf den letzten Seiten folgende Detailkritik der zu besprechenden Schriften nimmt daher nicht nur für heute sondern auch für das römische Recht diese Ansicht als wahr an und hat nur noch polemische Kommentare für die dort geäußerten Ansichten. Für Windscheids eigene Theorie bleibt nur noch zu klären, wie die Rückbeziehung des Rechtes des die Erbschaft antretenden Erben auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers zu behandeln ist. Damit der Nachlass für die Schwebezeit nicht zwei Subjekte, die Erbschaft und den Erblasser, bekommt, erklärt Windscheid die Rückbeziehung für den Ausdruck eines „naheliegende[n] Gefühl[s]“, dem jedoch keine juristische Bedeutung zukomme, und widerspricht damit bewusst auch der Meinung einiger klassischer Juristen.1251 Die Auseinandersetzung mit Scheurl veranlasst Windscheid über das engere Thema hinaus noch zu einer grundsätzlichen Bemerkung zur „strengrechtlichen“ Stipulation und dem ius strictum überhaupt. Für ihn ist „strenger“ nicht die Behandlung der Stipulation an sich, sondern lediglich die Interpretation des Willens der Parteien durch dessen Bindung an die vorgegebene Formel. Davon ausgehend hält er eine Revision der „Lehre von den stricti iuris und bonae fidei obligationes“ für dringend erforderlich.1252
1248 B. Windscheid, ruhende Erbschaft (1853) S. 188 f., „Wer wird läugnen, daß ein Verhältniß zwischen A und C nicht dasselbe ist, wie ein Verhältniß zwischen A und B? Aber der Inhalt wäre doch bei beiden derselbe; und mehr will ja das Recht nicht, als den Inhalt der Herrschaft erhalten, trotz des Wechsels des herrschenden und beherrschten Subjects.“ 1249 B. Windscheid, ruhende Erbschaft (1853) S. 189 f., Zitat S. 190. 1250 B. Windscheid, ruhende Erbschaft (1853) S. 190–194, Zitat S. 190. 1251 B. Windscheid, ruhende Erbschaft (1853) S. 198–205, Zitat S. 204. 1252 B. Windscheid, ruhende Erbschaft (1853) S. 206.
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Bald nach Veröffentlichung dieses Aufsatzes hat Windscheid Gelegenheit, die darin vertretene These auch praktisch zu bewähren. In seinem Rechtsrat als Referent des Greifswalder Spruchkollegiums für das Appellationsgericht Bernburg vom 17./25.3.1856 ist für ihn der Erbschaftskurator entweder Vertreter der herrenlosen Erbschaft als Vermögenseinheit oder, eher noch, Repräsentant der juristischen Person Erbschaft. In jedem Fall lehnt er die Fiktion eines Fortlebens des Erblassers ab.1253 Die erste Reaktion auf die Schrift kommt von Rudolf Ihering, der zu Beginn des Jahres 1853 Windscheid eine eigene Arbeit zum selben Thema ankündigte,1254 also an der Materie interessiert war. Am 21.12.1853 zollt er Windscheids Text „aufrichtige[n] Beifall“ und dankt ihm für dieses „einfache gesunde Wort“. Er akzeptiert, dass heute das subjektive Recht von einer personellen Bindung unabhängig sei und darum die juristische Person auf ein weiteres Subjekt verzichten könne. Im römischen Recht sei allerdings eine Vermögensmasse ohne ein sie tragendes Subjekt undenkbar gewesen. Ihering hofft, dass „die Befreiung der heutigen Jurisprudenz von spezifisch-römischen Gesichtspunkten“ für Windscheid zum Lebenszweck werde und bietet sich als „treuer Verbündeter“ an.1255 Ganz anders klingt sein öffentlicher Kommentar, den er wenige Jahre später als Fußnote dem Programmaufsatz seiner neuen Jahrbücher hinzufügt.1256 Hier nennt er Windscheids Auffassung einen „Protest . . . gegen die Jurisprudenz schlechthin“ und wirft ihm vor, er habe mit seinem „Wegwerfen der römischen Constructionen“ „die Jurisprudenz überhaupt über Bord“ geworfen, sein „Räsonnement“ sei das eines Laien. Denn man dürfe eine Tatsache – hier das Bestehen der Vermögensmasse Erbschaft ohne Rechtssubjekt – nicht als solche stehen lassen, sondern man müsse sie juristisch auf den Begriff bringen. Da nun dem „Begriff des Rechts“ „das Moment der subjectiven Zuständigkeit“ wesentlich sei, so hätte Windscheid entweder die Definition von Recht ändern oder nach dem Tode des Subjekts Erblasser – wie Ihering auch – ein Subjekt künstlich annehmen, also konstruieren müssen. Windscheids größter Fehler sei, dass er dieses Problem nicht einmal berührt habe.1257 Auch Kuntze, der 1856 neben Systematik und Geschichte die Bedeutung der Logik für das Recht deutlich herausstellt1258 und mit ihrer Hilfe eine „civilistische Purifizirung der Methode“ an1253 UAG Jur.Fak. 366, Urteil in Sachen Hofmarschallin Albertine von Seelhorst geb. Schäfer gegen Regierungsrat Pietscher als Curator des Nachlasses der verstorbenen Geheimen Cammerräthin Wilhelmine Schäfer geb. Reicke. 1254 Brief vom 29.1.1853, Ihering in Briefen (1913) S. 25–30, 30. 1255 Ihering in Briefen (1913) S. 35–38. 1256 Ihering, Unsere Aufgabe (1857) S. 1–52, 28 f. Fn. 9. 1257 Allein diese Reaktion bei Falk, Gipfel der Pandektistik (2009) S. 135. 1258 Kuntze, Obligation (1856) S. 375 unter der Überschrift von § 94 „Unsere Aufgabe“: „Wie die Mathematik uns die Beziehungsgesetze und Maße der Körperwelt gibt, welche die unwandelbare Grundlage aller Bildungen und Prozesse sind; . . . so gibt es
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strebt,1259 kritisiert Windscheid heftig und in ähnlicher Weise. Für die Personqualität der ruhenden Erbschaft sei es logisch zwingend, dass „vermöge Fiktion der Erblasser als fortlebend gedacht“ 1260 werde. Die Fiktion liegt dabei „in der künstlichen Herstellung des für die Erhaltung der Persönlichkeit erforderlichen Substrates“ 1261 und ist auf diese Funktion begrenzt. Kuntze sieht in der ruhenden Erbschaft keine juristische, d.h. „nichtleibliche“ Person, sondern „ein fingirtes bestimmtes Individuum“. Für ihn geht es nicht um „die Frage, ob die Römer die hereditas jacens als eine juristische Person angesehen“ haben, sondern, „ob die Römer die hereditas jacens als eine juristische Person (vernünftigerweise) ansehen konnten“.1262 Windscheids Ansicht beachte die Gesetze der Logik nicht. Er vermische in unzulässiger Weise Alltags- und Rechtssprache, nämlich „die Vorstellung der körperlichen Vermögensobjekte mit dem Begriff der Vermögensrechte und Vermögensverbindlichkeiten“. Es liege „im Begriff des Vermögens, daß die Vielheit der seinen Inhalt bildenden Rechte und Pflichten durch gemeinsame Bezugnahme auf ein Subjekt zur künstlichen Einheit“ werde.1263 Windscheids Verzicht auf eine „Vertiefung der Rechtsbegriffe“ sei daher „ein principieller Abweg von der Wahrheit“ und zeuge von willkürlichem Umgang mit dem Rechtsstoff.1264 Gegen diese schwerwiegenden Angriffe1265 verteidigt sich Windscheid 1856 in einem Anhang zur „Actio“, wobei er sich besonders auf Kuntze konzentriert und – wohl aus persönlichen Gründen – auf die viel polemischere Art Iherings kaum eingeht. Statt hierbei seine Rechtfertigung, wie er hätte können, aus einer undogmatischen Betrachtung der faktischen Behandlung der ruhenden Erbschaft im klassischen römischen Recht zu nehmen,1266 folgt er Kuntze auf das Gebiet der Logik. Hier kann er nur dann gewinnen, wenn er beweist, dass „Rechte und Verbindlichkeiten . . . ohne ein Subjekt denkbar“ sind,1267 denn die „universitas“ Erbschaft als Gesamtheit von Rechten und Verpflichtungen ist ihm in ihrer Existenz
auch eine Mathematik des Rechtes – ihr Gegenstand ist das logische Element des Rechtes . . .“. 1259 Kuntze, Obligation (1856) S. 376. 1260 Kuntze, Obligation (1856) S. 378. 1261 Kuntze, Obligation (1856) S. 379. 1262 Kuntze, Obligation (1856) S. 380, Hervorhebung Kuntze. 1263 Kuntze, Obligation (1856) S. 383. 1264 Kuntze, Obligation (1856) S. 384, Hervorhebung Kuntze. 1265 Windscheid selbst nennt sie, ein Zeichen seiner Betroffenheit, „Vorwürfe so böser Art“, Actio S. 170 Fn. 3. 1266 Dazu Kaser, Römisches Privatrecht 1. Abschnitt (21971) S. 571 f., wonach damals die ruhende Erbschaft tatsächlich nach Art einer juristischen Person behandelt wurde, ohne dass jedoch die ihrer Natur nach unsystematischen Juristen sich um eine theoretische Erfassung dieser Figur bemüht hätten. 1267 B. Windscheid, Actio (1856) S. 233. Da er diesen Satz bisher nicht begründet hat, gesteht er ebd. S. 234 Fn. 1 Iherings Angriff eine gewisse Berechtigung zu.
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vom Bestand ihrer einzelnen Teile abhängig.1268 Unter Berufung auf Savigny meint Windscheid nun, nicht die Person, sondern das Recht sei die „Substanz“, die Person nur das „Accidens“ 1269 und zieht daraus den kühnen Schluss: „Ist dem Rechte ein bestimmtes Subject nicht wesentlich, um das zu sein, was es ist, so ist ihm ein Subject überhaupt nicht wesentlich.“ 1270 Diese Folgerung wurde schon bald darauf und zu Recht von Unger klar abgelehnt.1271 Denn der Weg von der – wichtigen und bedeutenden1272 – These, dass Berechtigter und Verpflichteter einer Obligation deswegen wechseln könnten, weil es für das Wesen der Obligation auf deren individuelle Person nicht ankomme, zu der Behauptung, dass das Recht auch ohne jedes, nicht nur ohne individuell bestimmtes, Subjekt bestehe, ist alles andere als zwingend. Dagegen bestreitet Windscheid den Nutzen von Kuntzes Fiktion vom Fortleben des Verstorbenen auf überzeugende Weise wenn er feststellt, dass dadurch „zwar die Regel, daß Rechte nicht ohne Subject sein können, theoretisch festgehalten“, praktisch aber zugleich verletzt worden sei. Denn das Recht habe „trotz dieser Rechtsregel Rechte einem Nichtexistirenden zugeschrieben, d.h. Rechte anerkannt ohne berechtigtes Subject“.1273 Nicht Kuntze, wohl aber Ihering hat sich später auch öffentlich bei Windscheid für den Stil seiner Kritik entschuldigt1274 und sich insoweit dessen Meinung genähert, als er ebenfalls die Personifikation der ruhenden Erbschaft mittels Fiktion ablehnte. Allerdings hielt er, abgesehen von der ihm eigenen Annahme bloß passiver Wirkungen der Rechte in bestimmten Fällen, etwa bei der ruhenden Erbschaft, an dem Satz, dass subjektive Rechte ohne Subjekt nicht denkbar seien, fest.1275 Mit seinen Äußerungen von 1853 und 1856 hat Windscheid in eine Diskussion eingegriffen, die damals und noch für längere Zeit sehr engagiert geführt wurde und weit über die Frage nach dem Wesen der ruhenden Erbschaft hinausgeht. Sie betrifft das Methodenproblem des richtigen Umgangs mit Fiktionen, den Begriff und das Wesen der juristischen Person sowie die sehr grundsätzliche Frage nach der richtigen Definition von Recht. Als erstes bildete sich eine herrschende Mei1268 1269
B. Windscheid, Actio (1856) S. 237. B. Windscheid, Actio (1856) S. 235 unter Hinweis auf Savigny, System 3. Band
S. 10. 1270
B. Windscheid, Actio (1856) S. 235. Unger, juristische Personen (1859) S. 147–188, 160 u. ders., österreichisches Erbrecht (1864) Anm. 5 S. 32. 1272 Siehe dazu unten Abschnitt 3. 1273 B. Windscheid, Actio (1856) S. 236. 1274 Ihering, fremde Rechtsgeschäfte (1858) S. 67–180, 161 f. Fn. 94 u. dazu Brief Iherings an Windscheid vom 11.8.1857, Ihering in Briefen (1913) S. 78–82 [dort irrtüml. 11.7.], 80. – Zuvor schon hatte sich Ihering mehrfach für die Schärfe seines Angriffes bei Windscheid persönlich entschuldigt, freilich ohne in der Sache nachzugeben, Ihering in Briefen (1913) S. 64–68, 65 ff. (29.7.1856) u. S. 73–78, 74 (21.12.1856). 1275 Ihering, Passive Wirkungen (1871) S. 387–586, bes. S. 389–391 u. S. 411–417 mit Betonung des Zweckbegriffs, S. 415. 1271
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nung zum Begriff der Fiktion. Dass Fiktionen nicht dazu taugen, Tatsachen wie den Tod des Erblassers zu negieren und allgemein Fiktionen nur zur praktischen Weiterbildung des Rechts, jedoch nicht zu seiner wissenschaftlichen Erklärung, also „Konstruktion“, verwendet werden können, ist auch die Meinung mehrerer Kollegen.1276 Bedeutender und länger war der Streit um die juristische Person. Für die einen war der Begriff „Person“ allein auf mit eigenem Willen Begabte, also Menschen, anwendbar, und sie boten für Sachgesamtheiten den Begriff „Zweckvermögen“ an, unter den dann auch die ruhende Erbschaft zu fassen wäre.1277 Kuntze trennte zwischen juristischer Person und fingierter Person, wobei ihm „Person“ gleichbedeutend mit „Rechtsfähigkeit“ war, so dass auch alle von Rechts wegen damit begabten Sachgesamtheiten darunter zu fassen wären, wogegen die ruhende Erbschaft, da nur zur Rettung der Regel dazu gemacht, eine fingierte Person darstellt.1278 Die meisten betrachteten jedoch die juristische Person als Fiktion, nämlich als Sinnbild für die Zuweisung von rechtlichen Möglichkeiten an Gebilde ohne herrschendes Subjekt, über die sonst nur natürliche Personen verfügen.1279 Dabei blieb zunächst umstritten, ob die gedachten Gebilde, also auch die ruhende Erbschaft, als „universitas“ mit eigener Subjektivität ausgestattet zu denken sei,1280 oder ob sie „rein objektive Begriffe“ ohne Zuordnung zu einem Rechtsträger darstellten.1281 Dieser Streit wird von Unger mit dem Hinweis beendet, dass sich beide Ansichten nicht in der Konstruktion, sondern nur in der Sehweise, also der Darstellung des gleichen Gemeinten, unterschieden.1282 Bis heute unentschieden ist die Frage nach der Möglichkeit subjektloser Rechte. Pernice hat zwar schon 1873 gezeigt, dass die pragmatischen und eben nicht systematisch denkenden klassischen römischen Juristen die ruhende Erbschaft je nach Fall in ganz unterschiedlicher Weise behandelten und so für sie den Streit um die Möglichkeiten ihrer Personifikation oder um ihre rein objektive Qualifizierung als subjektlose Vermögensmasse erledigt.1283 Aber damit ist die grundsätzliche Frage nicht beantwortet. Windscheid, durch seine Bewertung der 1276 Köppen, Erbschaft (1856) S. 6–8; Demelius, Rechtsfiktion (1858) S. 79–82, 84 u. 86; Köppen, System (1862) S. 240–243; Unger, österreichisches Erbrecht (1864) S. 35 Anm. 10; Ihering, Geist III,1 (1865) S. 284–292; ähnlich heute Larenz, Methodenlehre (51983) S. 251. 1277 Demelius, fingirte Persönlichkeit (1861) S. 113–158, 134 f.; Brinz, Pandekten 2. Abt. 2. Hälfte 1. Lieferung (1868) S. 979–981 u. S. 1000–1002. 1278 Kuntze, Obligation (1856) S. 376–380. 1279 Traditionell Vering, Römisches Erbrecht (1861) S. 89–92: Fiktion des Fortlebens des Erblassers; im Anschluss an Ihering Marcusen, hereditas iacens (1883) S. 106–109. 1280 Sinngemäß so Brinz, Pandekten 2. Abt. (1860) S. 661–666, 665; ebenso B. Windscheid, ruhende Erbschaft (1853) S. 186 f. u. S. 189 f. 1281 Köppen, Erbschaft (1856) S. 11–22; ders., System (1862) S. 204–206, S. 213 f., S. 223 f. u. S. 244 Fn. 44; ähnlich auch Schirmer, Handbuch (1863) S. 14–22. 1282 Unger, österreichisches Erbrecht (1864) S. 34 Anm. 8 u. S. 37 Anm. 12. 1283 Pernice, Labeo I (1873) S. 358–375, bes. S. 366 f. u. S. 374 f. Gute Übersicht über den Literaturstreit bei Steinlechner, Das schwebende Erbrecht I (1893) S. 25–63.
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ruhenden Erbschaft – anders als der im übrigen mit ihm übereinstimmende Unger1284 – dazu getrieben, korrigierte sich nach Pernices Veröffentlichung nicht und stand auch später noch zum Vorliegen subjektloser Rechte nicht nur bei der ruhenden Erbschaft, sondern bei allen juristischen Personen, obwohl sie sich mit seiner eigenen Definition des Rechts als „eine von der Rechtsordnung verliehene Macht oder Herrschaft“ nur schwer vertragen.1285 Diese „Kapitulation vor der Macht des Faktischen“ 1286 griff denn auch etwa Zitelmann 1873 heftig an, indem er den „materialen apriorischen Inhalt“ und die „ureigene schöpferische Kraft“ der Rechtsidee betonte und die von Windscheid zu seiner Rechtfertigung vorgebrachte Figur eines unpersönlichen Wollen-Dürfens als gedanklich unmöglich ablehnte.1287 Immerhin blieb der Streit um diese Frage bis zu Windscheids Tod und darüber hinaus unentschieden.1288 Noch in jüngerer Zeit hielt Hohner subjektlose Rechte auch bei der Annahme einer im Wesentlichen mit Windscheid übereinstimmenden Definition des subjektiven Rechts1289 für möglich. Ihm dient gerade die ruhende Erbschaft als Beispiel dafür, dass kraft seiner Ausschlussfunktion das subjektive Recht auch da Wirksamkeit entfalte, wo es vorübergehend ohne Subjekt sei.1290 Damit verteidigt er bewusst Windscheids Ansicht, wenn auch beschränkt auf die Fälle übergangsweiser Subjektlosigkeit und nicht übertragbar auf den Bereich der juristischen Personen insgesamt.1291 Auch wenn Hohner Windscheids Argumente für „zum Beweis der Möglichkeit subjektloser Rechte“ nicht ausreichend hält, so baut er doch ausdrücklich auf dessen Lehre auf.1292 Mittels einer Kombination von H. A. Fischers weiterführenden Überlegungen zu Windscheids umstrittenem Satz, „wonach aus der Übertragungsmöglichkeit 1284 Nach Unger, österreichisches Erbrecht (1864) S. 32 f. Anm. 5, verwandelt das souveräne Recht bei der ruhenden Erbschaft Rechte und Pflichten „in selbständige rechtliche Mächte“. 1285 B. Windscheid, Lehrbuch I (11862) § 37 S. 81; §§ 49 f. S. 105–109: Rechte bestehen auch ohne Verknüpfung mit einem Subjekt. Kritisch dazu Unger, österreichisches Erbrecht (1864) S. 32 Anm. 5. Dennoch unverändert B. Windscheid, Lehrbuch I (71891) § 49 S. 119–122. 1286 Giger, Das Schicksal des Rechts beim Subjektwechsel I (1973) S. 255. 1287 Zitelmann, juristische Personen (1873) S. 30 (Zitate) und S. 34 f. zu B. Windscheid, Actio (1856) S. 234 und ders., Correalobligation (1859) S. 209–237, 219 f. – Zitelmann selbst findet die Lösung – ebd. 67 ff. – darin, dass es auch nicht-leibliche, also nicht menschliche und dennoch wirkliche willensfähige Persönlichkeiten gebe, denen für das Recht Subjektsqualität zukomme. 1288 Übersicht über den Streitstand bei B. Windscheid, Lehrbuch I (71891) § 49 S. 119 Fn. 3 u. S. 120–122 Fn. 5 u. Hohner, Subjektlose Rechte (1969) S. 64 Fn. 1. 1289 Hohner, Subjektlose Rechte (1969) S. 25 u. S. 39, sagt mit der h. M., Recht sei „die von der Rechtsordnung verliehene Macht des einzelnen zur Befriedigung von Interessen“. 1290 Hohner, Subjektlose Rechte (1969) S. 40–44. 1291 Hohner, Subjektlose Rechte (1969) S. 44–47 mit Literatur u. ausdrücklich S. 77– 80. 1292 Hohner, Subjektlose Rechte (1969) S. 62 f.
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eines subjektiven Rechts die Unabhängigkeit dieses Rechts von seinem Subjekt schlechthin folge“, und der anhand zahlreicher Beispiele überzeugend erwiesenen „Objektsqualität des subjektiven Rechts“ hält er zeitlich begrenzte subjektlose Rechte für „begrifflich und logisch denkbar“ und mit dem Machtelement in der angegebenen Definition des Rechts für vereinbar. Mangels Anknüpfungspunktes in Gestalt eines zukünftig existierenden Subjekts seien dagegen dauernd subjektlose Rechte mit dem herkömmlichen Verständnis des subjektiven Rechts nicht in Einklang zu bringen.1293 Insofern würde also auch Hohner Windscheid einer inneren Inkonsequenz zeihen. Dagegen ist für Giger 1973 Windscheids Begründung subjektloser Rechte völlig überzeugend, ja sogar ein Beispiel „seltener Widerspruchslosigkeit und Harmonie“. Allerdings bezieht sich diese Aussage allein auf Windscheids Behandlung der ruhenden Erbschaft; auf sein Verständnis der juristischen Person geht Giger nicht ein.1294 Dass die Frage nach dem Bestehen subjektloser Rechte von bleibender Aktualität ist, zeigen jüngst geäußerte Gedanken Karsten Schmidts zur Behandlung des „Keinmann-Vereins (e. V.)“. Leider greift Schmidt dabei zwar auf Iherings Ansicht über die passiven Wirkungen der Rechte, jedoch nicht auf die von Windscheid wie gezeigt wesentlich mitbestimmte Theorie der subjektlosen Rechte zurück, die Ihering überhaupt erst zu seiner in gewissem Sinne vermittelnden Meinung gebracht hat.1295 Windscheid selbst hat sich, wohl durch die innere Logik seiner Theorie verleitet, gefährlich weit vom eigenen Rechtsverständnis entfernt und auch durch Unterlassen einer entsprechenden Korrektur mangelnde Konsequenz bewiesen. 2. Die Singularsuccession in Obligationen (1853) Auch mit dieser Rezension in Aufsatzform vom gleichen Jahr und noch geringerem Umfang wird Windscheid im doppelten Sinne des Wortes zum Anstoß für seine Wissenschaft. Er bespricht darin das Erstlingswerk Berthold Delbrücks über „Die Übernahme fremder Schulden nach gemeinem und preußischem Rechte“ 1296 mit der Absicht, die seit Mühlenbruch1297 überkommene Ansicht von der Unmöglichkeit des Forderungsübergangs im römischen und gemeinen Recht zu widerlegen und damit einen Beitrag zur Umwandlung des römischen in 1293 Hohner, Subjektlose Rechte (1969) S. 64–68 zu H. A. Fischer (Zitat 64), S. 69– 75 zur Objektsqualität (Zitat 69) und S. 77–80 zu dauernd subjektlosen Rechten. 1294 Giger, Das Schicksal des Rechts beim Subjektswechsel I (1973) S. 255–259, Zitat S. 257. 1295 K. Schmidt, Erlöschen eines eingetragenen Vereins durch Fortfall aller Mitglieder?, JZ 1988, S. 394–400, bes. S. 397, wo allerdings ungenau Ihering zu den Anhängern der Theorie der subjektlosen Rechte gezählt wird. Weiterführend Falk, Ein Gegensatz principieller Art (1990) S. 221–240 und weitere Nachweise ders., Gipfel der Pandektistik (2009) S. 136 mit Fn. 37. 1296 Erschienen in Berlin 1853. 1297 Mühlenbruch, Cession der Forderungsrechte (1817).
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deutsches Recht zu leisten.1298 Indem er Delbrück zitiert, weist Windscheid darauf hin, dass die Anerkennung der Zession wie der Schuldübernahme ein Erfordernis des Verkehrs sei, demgegenüber die Theorie, wolle sie ihrer Aufgabe gerecht werden, nicht auf hergebrachten Ansichten beharren dürfe, auf das sie vielmehr schöpferisch eingehen müsse.1299 Unhaltbar sei insoweit die Beschreibung der Zession als „Recht zur Ausübung eines fremden Rechtes, welches das fremde Recht bestehen läßt, und ihm doch allen und jeden Inhalt nimmt“.1300 Die bisher als Ausweg anstelle der Schuldübernahme angebotenen und von Delbrück kritisch untersuchten Figuren der Novation, des Vertrages zu Gunsten Dritter und der Zession des Anspruchs des Schuldners gegen den Übernehmer auf Befreiung an den Gläubiger lehnt Windscheid – in der Begründung anders als Delbrück – letztlich deshalb ab, weil sie dem Parteiwillen nicht entsprächen.1301 Aber auch Delbrücks eigene Lösung befriedigt Windscheid nicht. Dieser sieht einen Ausweg in der Verbindung von deutschrechtlichen und gemeinrechtlichen Elementen in der Weise, dass außer und neben der bei subjektiver Betrachtung die Personen verbindenden obligatio auch eine objektive Sicht möglich sei, bei der aus der obligatio als deren „feste[r] sachliche[r] Niederschlag“ die Vermögensbestandteile Schuld und Forderung würden. Diese Bestandteile seien verkehrsfähig und frei übertragbar, während die an die ursprünglichen Subjekte gebundene obligatio nicht gelöst werden könne.1302 Windscheid bestreitet nun in Übereinstimmung mit Beseler,1303 dass Forderung und Schuld als Elemente der Obligation und getrennt von dieser zu denken seien. Vermögensbestandteile, die nicht entweder Sachenrechte oder Obligationen seien, könne es nicht geben. Darum löse Delbrücks Vorschlag das Problem nicht, sondern er umgehe es. Da die römische Ansicht von der Obligation den deutschrechtlichen Vorstellungen von Forderung und Schuld an begrifflicher Schärfe überlegen sei und also an ihr festgehalten werden müsse,1304 geht Windscheids eigener Vorschlag einen Schritt weiter. Nach ihm bestimmt die vom „Bedürfniß des Verkehrs“ geprägte „Rechtsanschauung des Volkes“, dass der durch eine Obligation Verpflichtete einen Wechsel seines Gläubigers anzuerkennen habe. Dieser Wechsel nun ändere – und das ist das Neue – an der Obligation selbst nichts. Windscheid setzt gegen die Behauptung von der Obligation als „ein an die Person unzertrennlich geknüpftes Verhältniß“ die in 1298
B. Windscheid, Singularsuccession (1853) S. 27–46, 27 f. B. Windscheid, Singularsuccession (1853) S. 27–46, 30 f. 1300 B. Windscheid, Singularsuccession (1853) S. 27–46, 31. 1301 B. Windscheid, Singularsuccession (1853) S. 27–46, 33–35. 1302 Delbrück, Übernahme fremder Schulden (1853) S. 10 f. (Zitat S. 10), S. 14, S. 18 u. S. 71 u. dazu B. Windscheid, Singularsuccession (1853) S. 27–46, 36 f. 1303 Beseler, System II (1853) § 118 S. 279 mit Fn. 6 u. 21866 § 118 S. 476 mit Fn. 6. 1304 B. Windscheid, Singularsuccession (1853) S. 27–46, 37–39. – Darum ist es eben nicht „unbedenklich“, dass Delbrück „statt dieses modernen [Obligationen]begriffes eigentlich ihrer zwei, Forderung und Schuld, einfügt“, wie Landsberg, Geschichte (1910) Text S. 757, meint. 1299
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Anlehnung an Brinz1305 auf einen Vergleich mit dem Eigentumsrecht gestützte Gegenbehauptung: „Dem Gläubiger ist der Wille des Schuldners gebunden; das Band, mit dem ihm derselbe gebunden ist, gibt er einem andern in die Hand; dieser hat es nun; ist das Band nicht mehr dasselbe, weil ein anderer es in der Hand hält?“ 1306 Ein Vergleich mit dem römischen Recht zeigt Windscheid, dass dieses zwar so weit nicht ging, aber über Mandat, Prozessprocurator und zuletzt actio utilis des Zessionars auf dem besten Wege dorthin war. Darauf kommt es ihm jedoch letztlich gar nicht an, denn er ist – hier zum ersten Mal! – dazu bereit, „unser Rechtsbewußtseyn selbst gegen das römische Recht zur Geltung zu bringen“.1307 Angesichts dieser Ausführungen zum Forderungsübergang kann natürlich der Subjektswechsel auch die Schuldübernahme nicht hindern. Lediglich aus wirtschaftlichen Gründen, nämlich wegen des Liquiditätsrisikos des Gläubigers, fordert Windscheid dessen Zustimmung als Voraussetzung ihrer Gültigkeit. Das Auftreten des Gläubigers ändere jedoch nichts am Inhalt der alten Schuld, die damit auf den neuen Schuldner übergegangen ist. „Hier ist der Punkt, wo sich unsere Rechtsanschauung von der römischen trennt, indem sie über dieselbe hinausgeht. Für die römische Betrachtung überwiegt die formelle Seite der Sache, für die unsrige die materielle. Die Römer sagen: eine andere obligatorische Thatsache, deßwegen eine andere Obligation. Wir sagen: dieselbe juristische Bestimmtheit des Rechtsverhältnisses, deßwegen dieselbe Obligation.“ 1308 Bei sich anschließenden praktischen Fragen legt Windscheid auf Formvorschriften wenig Wert. So brauche der Neuschuldner die Übernahme nicht unbedingt dem Gläubiger selbst anzuzeigen, solange dieser nur davon erfahre (zugleich akzeptiert damit Windscheid auch den Vertrag zu Gunsten eines Dritten), und der Gläubiger könne seine Zustimmung auch stillschweigend erteilen. Fehle diese, so trete eine Befreiungspflicht des Neuschuldners gegenüber dem Altschuldner zur ansonsten unveränderten Rechtslage hinzu.1309 Mit dem Wunsch, dass sich „in Bälde andere Stimmen über diesen so höchst wichtigen Gegenstand . . . vernehmen lassen mögen“ schließt Windscheid seinen Bericht über eine Schrift, die für ihn „zu den bestgeschriebenen der neueren civilistischen Litteratur“ gehört.1310 Auch Kuntze möchte seine Monographie über die Obligation und die Singularsuccession von 1855/56,1311 die erste ausführliche Schrift zum Thema nach 1305
Brinz, Rez. Buchka (1852) S. 1–42, 34. B. Windscheid, Singularsuccession (1853) S. 27–46, 40 f. – Auch bei dieser Betonung nicht der Personen sondern des Inhalts der Obligation stimmt Windscheid mit Beseler überein, s. Beseler, System II (1853) § 118 S. 276 f., 21866 § 118 S. 475. 1307 B. Windscheid, Singularsuccession (1853) S. 27–46, 41 f., Zitat S. 42, Hervorhebung Windscheid. – s. dazu Falk, Gipfel der Pandektistik (2009) S. 132 f. 1308 B. Windscheid, Singularsuccession (1853) S. 27–46, 43 f. Zitat S. 44. 1309 B. Windscheid, Singularsuccession (1853) S. 27–46, 44–46. 1310 B. Windscheid, Singularsuccession (1853) S. 27–46, 46 (1. Zitat) u. 29 (2. Zitat). 1311 Kuntze, Obligation (1856), Vorwort datiert, S. XII, Oktober 1855. 1306
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Windscheids Aufforderung, als Beitrag zu der Frage „nach dem schließlichen Grundverhältniß der modernen (deutschen) Elemente zu den antiken (römischen) Formen des Rechtes“ gewertet wissen, wobei er als zentrales Feld der darüber zu führenden Diskussion das Obligationenrecht ermittelt hat. Dabei geht es ihm in der Nachfolge Kierulffs um eine „intellektuelle Reproduktion“ des Rechts im neuen, Kuntze eigenen Geist.1312 Für ihn nimmt Windscheid die derzeit entschiedenste „Opposition gegen den bisherigen Standpunkt der civilistischen Doktrin“ ein.1313 Diese Opposition zeuge jedoch von einer „die Substanz des R[ömischen] R[echts] destruierende[n] Tendenz“, insofern sie nämlich unzulässigerweise Ansätze der eigenen Ansicht bereits in das römische Recht hinein verlege.1314 Mit der Parallelisierung von Eigentums- und Forderungsübertragung setze Windscheid den von Brinz eingeschlagenen Weg fort, der über Relativierungen und Kompromisse zu einer Verschleierung von „Begriff und Wesen“ römischer Institute führe. Windscheid, der „Bannerträger der neuen Richtung“, werde so zum Protagonisten einer schädlichen „Nivellirungstendenz“.1315 Nach Kuntzes eigener naturalistisch-organischen Anschauungsweise1316 sind die Elemente der Singularsuccession „(1) Abhängigkeit des neuen Rechts von dem Wurzel-Rechte“ (also nicht Übergang, sondern Neuentstehung des Rechts, dessen Identität für ihn von der Person des Rechtssubjekts abhängt1317), „(2) Unmittelbarkeit des Zeitanschlusses“ und besonders „(3) Einerleiheit [d.h. Identität] des Rechtsobjekts“ zur Aufrechterhaltung der „materielle[n] Kontinuität“.1318 Da nun die Obligation, verstanden als das „Recht an einer . . . Handlung“ 1319 des Schuldners, nicht von den Personen des Gläubigers und Schuldners getrennt gedacht werden könne, vielmehr mit der Lösung des beide verbindenden Bandes auch die Obligation selbst denknotwendig untergehe, liege diese wichtigste Voraussetzung einer Singularsuccession bei Obligationen nie vor: „um der Unübertragbarkeit des Objektes willen ist eine Singularsuccession in Obligationen undenkbar“. Diese „Formel“ sei nicht nur für das römische Recht richtig, sondern dürfe „absolute Geltung“ beanspruchen.1320 Zu Windscheids Äußerungen über die Schuldübernahme 1312
Kuntze, Obligation (1856) S. X f., 1. Zitat S. X, 2. Zitat S. XI. Kuntze, Obligation (1856) S. 34. 1314 Kuntze, Obligation (1856) S. 35–39, Zitat S. 35. 1315 Kuntze, Obligation (1856) S. 44 f., 1. Zitat S. 44, 2. Zitat S. 45. 1316 Endpunkt der Entwicklung ist für Kuntze dabei die „naturalistische Symbolik“ als „das natürliche Korrektiv der spiritualistisch-spintisirenden Sublimirung der Rechtswelt“ (Kuntze, Wendepunkt [1856] S. 49). In Fortsetzung einer bei Leist und Ihering festzustellenden Entwicklung kämpft er für die Anerkennung seiner „Theorie der organischen Grundphänomene“. Sie sei Ausdruck deutschen lebendigen Geistes und ermögliche eine Erklärung des Organischen, Nicht-Logischen im Recht (ebd. S. 47–102, Zitat S. 49, außerdem bes. S. 96 u. S. 102). 1317 Kuntze, Obligation (1856) S. 59 f. 1318 Kuntze, Obligation (1856) S. 62 f., Zitate S. 62. 1319 Kuntze, Obligation (1856) S. 3. 1320 Kuntze, Obligation (1856) S. 73–77, Zitate S. 76. 1313
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merkt Kuntze an, es sei unklar, wie Einwendungen des Erstschuldners auf den Zweitschuldner übergehen sollten. Außerdem favorisiert er aus praktischen Gründen Delbrücks Doppelverpflichtung beider Schuldner gegenüber dem Gläubiger vor dessen Freigabe des Erstschuldners. Windscheids Anzeigepflicht dem Gläubiger gegenüber widerspreche wegen ihrer Umständlichkeit dem Verkehrsbedürfnis.1321 Kuntze sieht das Bedürfnis des Verkehrs dadurch völlig befriedigt, dass neben der formellen Rechtsposition des Gläubigers der Zessionar als procurator in rem suam eine „materiell selbständige Rechtsstellung“ einnehme. Er nennt ihn sogar Subjekt einer eigenen, von der „Stammobligation“ des Gläubigers geschiedenen „Zweigobligation“, ohne durch diesen formalen Ausweg jedoch am materiellen Gehalt des mustergültigen römischen Rechts irgend etwas ändern zu wollen.1322 Seiner Ansicht nach sind alle Probleme des Forderungs- wie Schuldübergangs dadurch zu lösen, dass man „die Entstehung einer derivativen Korrealobligation in der Person des Nachfolgers“ annimmt, dessen Zweigobligation beim Forderungsübergang vor nachteiligen Verfügungen des Erstgläubigers kraft dessen Stammobligation mittels denuntiatio an den Schuldner geschützt werde.1323 Zu dieser völlig anders gearteten Sichtweise nimmt Windscheid noch 1856 ausführlich in seiner ,Actio‘ Stellung. Veranlasst gerade auch durch Kuntzes Schrift,1324 unternimmt es Windscheid, der seit kurzem neben Beseler auch den Germanisten Bluntschli auf seiner Seite weiß,1325 darin seine Meinung auch aus dem römischen Recht zu begründen. Er verteidigt zwar nach wie vor die Rolle, die er dem veränderten Rechtsbewusstsein des Volkes zuschreibt, gegen abweichende Äußerungen Vangerows und Kuntzes, glaubt aber zugleich, die Berufung auf die moderne Verkehrsauffassung bei nunmehr besserer Einsicht in das römische Recht entbehren zu können.1326 Jetzt lautet seine These, das heutige römische Recht kenne eine wirkliche Singularsukzession in Obligationen. Gestützt wird diese These zunächst wie schon im Aufsatz von 1853 auf die Entwicklung der Zession bis hin zur actio utilis des Zedenten, auf deren Charakter als eigene, „suo nomine“ geltend gemachte und seit der Kaiserzeit nicht vom Gläubiger
1321
Kuntze, Obligation (1856) S. 324 f. Kuntze, Obligation (1856) S. 112 f. 1323 Kuntze, Obligation (1856) S. 330–337, Zitat S. 330. 1324 B. Windscheid, Actio (1856) S. 120. 1325 Bluntschli, Deutsches Privatrecht, 2. Bd. (1854) § 111, zum römischen Recht S. 3–5, 4: „Es geht so das Band, das der frühere Gläubiger in freier Hand gehalten, ganz in die Hand des neuen Erwerbers der Forderung über“, jedoch ohne Hinweis auf Windscheid. – Zu weiteren zeitgenössischen Vertretern der Singularsukzession neben dem „Wortführer“ Windscheid s. Luig, Geschichte der Zessionslehre (1966) S. 83 mit Fn. 36, u. S. 90 f., Zitat S. 90. 1326 B. Windscheid, Actio (1856) S. 170 f. – Nach Luig, Zession (1977) S. 112–143, 120 diente „Windscheids Schrift über die Actio . . . in erster Linie“ dem Beweis, dass bereits das römische Recht die Singularsukzession gekannt habe. 1322
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abgeleitete Klage er besonderen Wert legt.1327 Alle dagegen vorgebrachten Meinungen seit Mühlenbruch hält Windscheid für unhaltbar und auf einem falschen Verständnis der actio überhaupt beruhend. Dagegen setzt er nun sein neues Verständnis, mit dessen Hilfe er den Beweis seiner These erbringen möchte: Entgegen der bisherigen allgemeinen Meinung sei die actio mehr als eine „Dienerin des Rechts“. „Die Actio bedarf keines Rechtes, auf welches sie sich stützt, sie trägt ihr Recht in sich selbst. Die Actio ist kein Ausfluß, sie ist der Ausdruck des Rechtes; dadurch eben, daß das römische Recht Jemandem Actio gibt, spricht es ihm Recht zu. Actio ist gerichtlich verfolgbarer, d.h. rechtlich anerkannter Anspruch. Der obligatorische Anspruch ist, was wir Forderungsrecht nennen. Die actio utilis ist also ein eigenes Forderungsrecht des Cessionars.“ 1328 Durch die denuntiatio „ergreife“ der Zessionar „Besitz“ von seiner Actio und hindere damit den – klassisch römisch gedacht – materiellrechtlichen Gläubiger an der Geltendmachung seines Recht, da diesem nun keine actio mehr zustehe.1329 Damit habe sich für das Gericht eine Sukzession in das Recht vollzogen.1330 Die nur durch die besondere Funktion der römischen Gerichtsmagistrate zu erklärende römische Trennung von ius und actio, Recht und Gericht, sei schon für spätere Römer „zu einer verklungenen Erinnerung zusammengeschrumpft“ und heute völlig unvorstellbar.1331 Damit wird für Windscheid die Trennung von durch Zession übergehendem Forderungsrecht und beim Gläubiger verbleibender Obligation zum Festhalten an einer „abgestorbene[n] Antiquität“.1332 Windscheids Beweis beruht also auf einer Analyse des römischen Rechts, verbunden mit der für ihn allein zeitgemäßen Anschauung der actio nicht als (prozessuales) Klagerecht, sondern als (materiellrechtlichem) Anspruch. Von dieser Basis aus geht Windscheid nun gegen Kuntze als dem jüngsten Verteidiger des Dogmas von der aus dem Wesen des obligatorischen Rechtsverhältnisses folgenden Unmöglichkeit einer Singularsukzession in Obligationen vor.1333 Objekt der Obligation sei nicht 1327 B. Windscheid, Actio (1856) S. 121–128, dort S. 128 leichte Abweichung von seiner Ansicht von 1853: Obwohl eigene Klage des Zessionars, werde deren intentio nicht aus seiner, sondern aus der Person des Zedenten genommen, da nicht die Obligation, sondern nur die Actio dem Zessionar erworben sei. – Dass diese Ansicht für das justinianische Recht treffend ist, zeigt Luig, Geschichte der Zessionslehre (1966) S. 6–9. 1328 B. Windscheid, Actio (1856) S. 134. 1329 B. Windscheid, Actio (1856) S. 140 f., Zitat S. 141; ausführliche und praxisnahe Behandlung in deutlicher Anlehnung an den Übergang dinglicher Rechte und neu gegenüber ders., Singularsuccession S. 27–46 in ders., Actio (1956) S. 187–194. 1330 B. Windscheid, Actio (1856) S. 147. 1331 B. Windscheid, Actio (1856) S. 147 f., Zitat S. 148. 1332 B. Windscheid, Actio (1856) S. 148; ähnlich auch sein Kommentar zur bisher h. M., ebd. S. 172–176. 1333 Widerlegung anderer Meinungen, besonders der Ansicht, dass die Person des Gläubigers für den Inhalt der Obligation wesentlich sei, mit dem Hinweis auf die Parallele zur Übertragung des Eigentumsrechts bei B. Windscheid, Actio (1856) S. 149– 153, bes. S. 152 f.
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eine Handlung von nur idealer, künstlicher Existenz, sondern „eine rechtliche Herrschaft über den Willen eines Andern“ und damit „ein Recht auf eine Handlung“.1334 Dass das Recht des Nachfolgers, da das Recht einer anderen Person, mit dem des Vorgängers nicht identisch sei, schade nichts, solange es „dieselbe rechtliche Substanz“, denselben „Rechtsstoff“ enthalte.1335 Kuntzes Theorie sei völlig verfehlt und alle seine Äußerungen zum Schicksal der Obligation beim Wechsel des Subjekts unpassend, da – wie ein Vergleich mit den römischen Ausdrücken zur Nachfolge in das Eigentumsrecht zeige – das römische Recht genau diesen Sachverhalt als successio bezeichne.1336 Im Ergebnis habe Kuntze die Singularsuccession in Obligationen sogar anerkannt, denn „ihrem rechtlichen Leben nach“ seien dessen Stamm- und Zweigobligation eins.1337 Dass außerdem das römische Recht eine Bindung an die Person des Gläubigers nicht nur bei der actio, sondern auch bei der obligatio nicht kenne, zeige zum einen der mögliche Subjektswechsel bei der Obligation im Erbgang, zum andern der Sonderfall der Unübertragbarkeit des Nießbrauchs, für den das römische Recht auch den Ausweg über die Zession einer actio nicht eröffnet habe. Letztlich habe das römische Recht nur darum eine Singularsukzession in die Obligation selbst nicht anerkannt, weil es dem ius civile an der dafür passenden Übertragungsform gefehlt habe.1338 Windscheid weigert sich also – entgegen Kuntze – entschieden, einen wesensmäßigen Unterschied bei der Behandlung von obligatorischen und dinglichen Rechten anzuerkennen. Dagegen wirft er Kuntze vor, dass er „bei jeder Abweichung vom römischen Recht Unwissenschaftlichkeit witter[e]“, aber selbst „dem römischen Rechte Rechtssätze unterschiebe, von denen es nichts weiß“ und diese dann auch noch „als absolute verkaufen“ wolle.1339 Nach diesen theoretischen Äußerungen geht Windscheid dann noch auf praktisch streitige Fragen1340 und den Sonderfall des nach klassischem römischem Recht gerichtlichen Übergangs der actio, nach Windscheid für seine Zeit zu übersetzen als Fall des gesetzlichen Übergangs des Forderungsrechtes, ein.1341 Abgeschlossen wird der knapp 100 Seiten starke Teil über die allgemeine Singularsukzession durch eine überblicksweise Darstellung der Schuldübernahme. Windscheid stellt fest, dass dem römischen Recht zwar eine gesetzliche (gerichtliche), wider Erwarten jedoch
1334
B. Windscheid, Actio (1856) S. 155 f. B. Windscheid, Actio (1856) S. 157 f. abweichend von ders., Singularsuccession (1853) S. 27–46, wo er noch Identität des Rechts trotz Personenwechsels annahm. 1336 B. Windscheid, Actio (1856) S. 158–160. 1337 B. Windscheid, Actio (1856) S. 177–181, Zitat S. 180. 1338 B. Windscheid, Actio (1856) S. 161 f. u. 164 f. 1339 B. Windscheid, Actio (1856) S. 168. – Vernichtende Kritik an Kuntzes Werk übt auch Bekker, Rez. Kuntze, Singularsuccession (1856) S. 444–467. 1340 Neben der Erhaltung von Einreden und Privilegien geht es dabei vor allem um die Art des Forderungsübergangs, Actio (1856) S. 181–194. 1341 B. Windscheid, Actio (1856) S. 194–202. 1335
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nicht eine vertragliche Schuldübernahme bekannt war.1342 Dennoch sei auch letztere für das heutige (römische) Recht anzunehmen, da „Begriff und Wesen des obligatorischen Rechtsverhältnisses“ nicht entgegenstünden und auch der nach Windscheid notwendige Konsens des Gläubigers keine neue Schuld begründe, vielmehr nur den Übergang der alten Obligation ermögliche.1343 Die Annahme einer Schuldübernahme, deren Fehlen im römischen Recht Windscheid auf mangelndes Verkehrsbedürfnis zurückführt, erfordere eine genaue Analyse des Willens des Übernehmenden im Einzelfall. Die weiteren Voraussetzungen entsprechen denen des Forderungsübergangs.1344 Kuntze hat sich von seiner Ansicht in den folgenden Jahren durch Windscheids Kritik genauso wenig abbringen lassen, wie er Windscheid überzeugen konnte. So wiederholt er schon 1857 seine Ansichten über die Unmöglichkeit der Singularsuccession wie auch – in verschärfter Form – seine Vorwürfe gegen Windscheid,1345 dessen Übersetzung von actio durch Anspruch er zwar akzeptiert, jedoch die von diesem für das moderne Recht daraus gezogenen Folgerungen in sehr polemischer und grundsätzlicher Weise ablehnt.1346 Ähnlich kritisch äußert sich Kuntze zwei Jahre später in seiner Rezension zum Windscheid-Mutherschen Streit, hier besonders zum Verhältnis von actio directa und actio utilis und zur Behandlung der exceptiones.1347 Noch 1886 verknüpft Kuntze die Zession mit dem „Gedanken einer abgeleiteten, abgezweigten Obligatio“, was allein den Übergang von Exceptionen und Accessionen erklären könne,1348 und lehnt jede Verbindung zwischen der im modernen Recht vorhandenen obligatorischen Singularsuccession und dem römischen Recht ab.1349 Aber auch andere Stimmen traten gegen Windscheids Ansichten auf: Theodor Muther, dessen Ziel es ist, „Windscheid’s neue Lehre zu entfernen“,1350 widmet über die Hälfte seiner bekannten Gegenschrift gegen Windscheids Actio diesem Thema.1351 Er meint, Windscheid habe mit der Widerlegung herkömmlicher Meinungen die Möglichkeit einer Übertragbarkeit der Obligationen nicht bewie1342
B. Windscheid, Actio (1856) S. 202–208. B. Windscheid, Actio (1856) S. 208 f., Zitat S. 208. 1344 B. Windscheid, Actio (1856) S. 210–213, insbesondere werde der Übernehmende erst mit der Beitrittserklärung („Besitzergreifung“) des Gläubigers zu dessen alleinigem Schuldner, ebd. S. 212. 1345 Kuntze, Inhaberpapiere (1857) S. 217–237, bes. S. 236 f. 1346 Kuntze, Inhaberpapiere (1857) S. 240–244. 1347 Kuntze, Rez. Windscheid, Actio, Muther, Zur Lehre, Windscheid, Abwehr (1859) S. 1–16, 7 l. Sp. – 10 l. Sp. u. 13 r. Sp. 1348 Kuntze, Obligationen (1886) S. 210–212, Zitat S. 210. 1349 Kuntze, Obligationen (1886) S. 212–221 (römisches Recht) u. S. 221–227 (modernes Recht). 1350 Muther, Zur Lehre (1857) S. III. 1351 Muther, Zur Lehre (1857) §§ 28–68, S. 89–195: Über „die Singularsuccession in Obligationen“. 1343
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sen, wohingegen Muther selbst eine Nachfolge in die Schuld und damit auch in die von zwei- und mehrseitigen Obligationen unmöglich erscheint.1352 Besonders nachdrücklich wendet er sich jedoch gegen Windscheids Ansicht von der actio utilis des Zessionars als dessen eigener Klage1353 und seiner Deutung der denuntiatio als „Besitzergreifung“ der Forderung durch den Zessionar.1354 Überhaupt bleibt ihm, allen Neuerungen abhold, „die ganze Lehre von der Cession der Klagen . . . das, was sie von Anfang an gewesen, eine Übertragung des Klagrechts, nicht des Rechts selbst“ 1355 und auch für das heutige Recht hält er eine Singularsuccession in Forderungsrechte für nicht gegeben.1356 Weitere Kritik musste Windscheid von den Rezensenten Dworzak und Brackenhoeft hinnehmen. Während Dworzak klar darstellt, dass er von Windscheids Trennung von Recht und Gericht und der daraus resultierenden Selbständigkeit der actio nichts hält und die denuntiatio nicht als „Besitzergreifung“ des Zessionars sondern als Mittel des Schuldnerschutzes ansieht,1357 sind Brackenhoefts Ausführungen durch schwer erträgliche Überheblichkeit ebenso ausgezeichnet, wie sie Verständlichkeit vermissen lassen. Immerhin ist ihnen zu entnehmen, dass er zwischen Windscheid und Kuntze lediglich Differenzen im Ausdruck erkennen kann, den darin enthaltenen Inhalt, insbesondere auch Windscheids Haltung zur Schuldübernahme, aber ablehnt.1358 Windscheid, der sich nur gegen Muther rechtfertigen zu müssen glaubt und dabei wenigstens von zwei Rezensenten Unterstützung erfährt,1359 verteidigt sein Zessionsmodell sehr ausführlich,1360 korrigiert sich dabei jedoch nur in einem, allerdings wichtigen Punkt: Er ist sich nicht mehr sicher, dass durch die denuntiatio des Zessionars der Zedent für das Gericht alles Recht an der Obligation verloren habe, hält es jetzt für möglich, „dass das römische Recht, auf halbem Wege stehen bleibend, eine wahre Succession in das Forderungsrecht nicht anerkannt, sondern nur den Cessionar in das Forderungsrecht des Cedenten aufgenommen
1352 Muther, Zur Lehre (1857) S. 90–92, gleiches gelte, ebd. S. 93, für einseitige Obligationen mit actiones contrariae. 1353 Muther, Zur Lehre (1857) S. 137–168. Für Muther ist jede in irgend einer Weise von der actio directa abweichende Klage „utilis“, ebd. S. 141. 1354 Muther, Zur Lehre (1857) S. 171–186. Muther nennt, ebd. S. 172, die Vorstellung von „Besitz“ und „Eigentum“ an Forderungen „juristische Excesse“ in unberechtigter Anlehnung an den „vulgären Sprachgebrauch“. 1355 Muther, Zur Lehre (1857) S. 186. 1356 Muther, Zur Lehre (1857) S. 193–195. 1357 Dworzak, Rez.: Windscheid, Actio, (1857) S. 1–23, 16–18. 1358 Brackenhoeft, Rez. Windscheid, Actio und Kuntze, Obligation (1857) S. 401– 421, 401 f., 404 f. u. 408 f. 1359 Ubbelohde, Rez. Muther, Zur Lehre und Windscheid, Abwehr (1858) S. 1826– 1839, 1833; Zimmermann, Der Windscheid-Muthersche Streit (1859) S. 461–492, 484– 491 mit Zweifeln nur an Windscheids Deutung der denuntiatio, ebd. S. 490. 1360 B. Windscheid, Abwehr (1857) S. 55–84.
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hat“.1361 Daraus könnte sich auch ergeben, dass, wie Bähr meint, schon vor der denuntiatio dem Zedenten – zumindest dem Zessionar gegenüber – das Forderungsrecht entzogen ist.1362 1865 nimmt Windscheid jedoch diesen Zweifel wieder zurück und bleibt dabei, dass durch die jetzt „Anzeige“ genannte denuntiatio der Zessionar den Zedenten von allem Recht an der Forderung ausschließen könne.1363 Auch sieht jetzt Windscheid den Grund dafür, dass das klassische römische Recht eine „Sondernachfolge in die Forderung“ nicht gekannt habe, weniger im Fehlen einer Form als im ursprünglichen Einfluss des Schuldners auf eine inhaltliche Änderung seiner Schuld.1364 Im Übrigen bleibt er, von kleineren Modifikationen abgesehen,1365 bei seiner Meinung, die 1865 noch in der Minderheit war,1366 und sich nach Windscheids Ansicht auch bis 1891 noch nicht durchsetzen konnte.1367 Dem widerspricht jedoch Luig in seiner Monographie über die Geschichte der Zessionslehre. Zwischen 1860 und 1880 sei eine Veränderung der herrschenden Meinung in der Richtung auf eine Übertragung des Forderungsrechtes selbst durch Zession festzustellen.1368 3. Die Actio des römischen Civilrechts vom Standpunkte des heutigen Rechts (1856) und Die Actio. Abwehr gegen Dr. Theodor Muther (1857) Welche Überlegungen Windscheid darauf gebracht haben, gerade die actio zum Thema einer Monographie zu wählen, kann im Rückblick nicht mehr mit Bestimmtheit gesagt werden. Zu beachten ist aber sicher, dass er in Greifswald zum einzigen Mal in seiner Laufbahn neben Zivilrecht und Rechtsgeschichte auch Zivilprozessrecht lehrte und dadurch für im Grenzbereich zwischen den beiden großen Teilen des Zivilrechts liegende Fragen besonders empfänglich gewesen sein dürfte. Zum anderen fällt auf, dass Delbrück 1853 bei seinem Bemühen, die Forderung von der Obligation zu trennen, auch in einer kurzen Passage von 1361
B. Windscheid, Abwehr (1857) S. 79. B. Windscheid, Abwehr (1857) S. 80. 1363 B. Windscheid, Lehrbuch II (11865) § 331 S. 231–233 u. gegen Bähr wie Muther S. 231–233 Fn. 8. 1364 B. Windscheid, Lehrbuch II (11865) § 329 S. 223 u. Fn. 1 u. 2. 1365 Etwa Vorrang des Zessionars vor den Sonderrechtsnachfolgern des Zedenten, B. Windscheid, Lehrbuch II (11865) § 331 S. 233 f. u. Fn. 10. 1366 B. Windscheid, Lehrbuch II (11865) Forderungsübergang §§ 329–337, S. 223– 250, bes. § 329 S. 226 f. Fn. 10 m. Nachw.; Schuldübernahme §§ 338–340 S. 251–255, bes. § 338 S. 251 Fn. * u. S. 253 Fn. 7. 1367 B. Windscheid, Lehrbuch II (71891) § 329 S. 230–232 Fn. 10. 1368 Luig, Geschichte der Zessionslehre (1966) S. 107; dort allgemein und breiter, als dies hier geschehen kann, zur Entwicklung der Zessionslehre im 19. Jh. S. 76–129. Dass sich spätestens seit Einführung des BGB die Forderungsübertragung wie die Schuldübernahme völlig durchgesetzt haben, ist so offenbar, dass es hierzu keiner weiteren Ausführungen bedarf. 1362
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der actio redet. Sie bedeute den Römern nicht nur Klage, sondern auch Forderung, denn der Begriff komme auch in Fällen vor „wo nicht im Entferntesten eine Rechtsverletzung vorgekommen ist, wo überhaupt die Anrufung des Richters gar nicht beabsichtigt wird“.1369 Es muss für einen Romanisten eine Verlockung gewesen sein, daran anknüpfend die herkömmliche romanistische wie die als unzureichend empfundene germanistische Ansicht zur Singularsuccession in Obligationen zu überwinden und zugleich der Lösung der Hauptaufgabe, „das römische Recht, dessen wir nicht entrathen wollen und nicht entrathen können, in ein Recht umzugießen, welches nicht mehr fremdes Recht ist, sondern unser Recht, das römische Recht auf seinem eigenen Boden zu überwinden“,1370 näher zu kommen. Dazu passt, dass Windscheid in seiner Rezension der Delbrückschen Schrift von 1853 noch nicht mit der actio argumentiert, er aber schon ein Jahr später beklagt, „daß wir fortwährend von Klagen sprechen, statt von Ansprüchen und Rechten“, obwohl „bei uns . . . das Recht nicht von den Tafeln des Richters“ und also davon abhänge, dass „der Praetor eine Rechtsverfolgung“ bewillige. Windscheid ist sich 1854 sicher: „Nach dieser Richtung ist noch sehr viel zu thun, einer Sichtung dieser Art harrt noch eine reiche Ernte“.1371 Die Rezension von Friedrich Mommsens drittem Beitrag zum Obligationenrecht ist Windscheid dann noch vor Erscheinen der Actio Anlass, sich grundsätzlich zu erklären und daraus auch praktische Folgerungen zu ziehen. So dürfe man nicht mehr wie die Römer und noch Mommsen fragen, „mit welcher Klage“ die Mora geltend gemacht werden könne, denn dieser Ansatz sei ein spezifisch römischer. Heute trete an die Stelle der Frage nach der Klage die nach dem Recht, „und haben wir das Recht, so versteht sich die Klage von selbst“.1372 Folgen hat dies für die 1856 dann weiter ausgeführte Qualifizierung der Litiscontestation nicht als Moment der Umwandlung der ursprünglichen in eine neue Obligation,1373 sondern als Zeitpunkt, in dem sich die alte Obligation verwirklicht.1374 Umgekehrt sei jedoch aus dem römischen Recht als gültig zu übernehmen, dass der Verzug, weil im römischen Recht „mit der actio aus der Hauptobligation geltend gemacht“, keinen davon isolierten eigenen Anspruch gebe.1375
1369 Delbrück, Übernahme fremder Schulden (1853) S. 12–14, Zitat S. 13, dort auch ein Hinweis auf ein passendes Zitat aus Puchtas Pandekten. 1370 B. Windscheid, Actio (1856), Vorwort S. IV. 1371 B. Windscheid, Recht und Rechtswissenschaft (1854) S. 25. 1372 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht III (1856) S. 253–286, 267. 1373 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht III (1856) S. 253–286, 259 u. 277. 1374 B. Windscheid, Actio (1856) §§ 8 u. 9, Die Actio in ihrer Verwirklichung – 1. Litiscontestation, S. 46–72. 1375 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht III (1856) S. 253–286, 267 (Zitat) u. 277.
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Im Juni 1856 dann erscheint Windscheids wohl berühmteste Einzelschrift, die nicht bloß bestimmte Rechtsfragen behandelt, sondern das rechtliche Denken überhaupt verändert hat. Windscheids prinzipielle Aussage beschränkt sich auf den einen Satz: „Actio“ bedeute nicht „Klage oder Klagerecht“, sondern sei heute „der Ausdruck für dasjenige, was man von einem Andern verlangen kann“, kurz mit „Anspruch“ zu übersetzen.1376 Unmittelbar konkrete Folgen hat diese „Entdeckung“ des Anspruchs als zentralem Begriff des materiellen Rechts für Windscheid zunächst im Blick auf Sprache, Systematisierung und Darstellung des Zivilrechts. Weil die römische „Sprache der Actio“ „in die Sprache unserer Rechtsanschauung“ übertragen werden müsse,1377 dürfe die heutige Theorie weder die römischen Klagnamen verwenden noch überhaupt von „Klagen“ sprechen, sondern habe stattdessen von „Ansprüchen und Rechten“ zu reden. Auch dem Richter müsse es um die „Rechtsregel und das durch sie garantirte Recht“, nicht aber um eine Untersuchung der Klage gehen, deren Name in der Praxis vom Kläger gar nicht mehr genannt zu werden brauche.1378 Die hergebrachte Terminologie sei nur ein Beweis einmal für das Aufgehen der gelehrten Juristen in der römischen Auffassung, zum anderen „für die Wahrheit, daß es ihr [der heutigen Theorie, F. Kl.] noch lange nicht vollständig gelungen ist, sich aus einer Dienerin zur Herrscherin des römischen Rechts zu machen.“ 1379 Obwohl auch ihm die „concreten Gestalten“ der einzelnen actiones sympathischer seien als das Leben „mit abstrakten Sätzen“, müsse die Wissenschaft diese überholte Hülle entfernen, denn vorher „kann in Deutschland an ein volksthümliches Recht nicht gedacht werden.“ 1380 Für das System des Rechts bedeutet das, dass die römische Unterscheidung von actio in rem und actio in personam heute als „Eintheilung der Rechte in persönliche und unpersönliche“ aufzufassen sei, wobei die persönlichen Rechte Forderungsrechte sind, während die unpersönlichen Rechte für Rechte an körperlichen (dingliche Rechte i. e. S.) wie unkörperlichen Gegenständen stehen.1381 Dagegen sei eine Unterscheidung von actiones bonae fidei und actiones stricti iudicii nicht allein deshalb aufzugeben, weil der letzte Ausdruck kein technischer sei, sondern vor allem, weil diese „Eintheilung der obligatorischen Ansprüche“ keinen wesensmäßigen Gegensatz, etwa „zwischen dem strengen und billigen 1376
B. Windscheid, Actio (1856) S. III u. S. 1 (1. Zitat) u. S. 5 (2. Zitat). B. Windscheid, Actio (1856) S. III. 1378 B. Windscheid, Actio (1856) S. 228 f. gegen Savigny und Wächter. 1379 B. Windscheid, Actio (1856) S. 229 f., Zitat S. 230. 1380 B. Windscheid, Actio (1856) S. 230. 1381 B. Windscheid, Actio (1856) S. 8–16, Zitat S. 15. Ebd. S. 16 schlägt Windscheid vor, „dingliche Rechte“ als Oberbegriff auch für unkörperliche Gegenstände zu verwenden, will aber, solange sich dieser Sprachgebrauch nicht durchgesetzt hat, beim Ausdruck „unpersönliche Rechte“ bleiben. – Eine klare Durchführung dieser wesentlichen Unterscheidung vermisst Windscheid, ebd. S. 20–23, in den neueren Kodifikationen. 1377
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Recht“ bezeichne.1382 Nicht das Recht, wohl aber der Spielraum des richterlichen Ermessens sei – auch heute noch – von anderer Qualität, weil die Obligation im einen Fall „im Einzelnen“, im anderen „nur im Allgemeinen“ bezeichnet sei.1383 Weiter müsse heute statt von der Unvererblichkeit mancher actiones von der Unmöglichkeit des Übergangs gewisser Obligationen auf den Erben gesprochen und diese Frage darum nicht unter die Theorie der Klagen gefasst werden, sondern sie sei als Problem des Einflusses des Todes auf die Rechte zu behandeln.1384 Folgen dieser neuen Anschauung sieht Windscheid auch für die Darstellung des römischen Rechts. Möglicherweise aus der Erfahrung seiner Lehrtätigkeit heraus1385 stellt er fest, dass das Recht der Actio nicht „als Recht der Klagerechte, der Klagen vorgetragen“ werden dürfe.1386 Das hat Folgen besonders für das Schlusskapitel „des sogenannten allgemeinen Theils“ bisheriger Systeme. Dort wurde üblicherweise unter der Überschrift vom „Schutz“ oder der „Sicherung“ der Rechte die Lehre von den Klagen abgehandelt.1387 Diese Lehre müsse deshalb weichen, weil aus der Verletzung eines Rechts unmittelbar nur ein Recht auf Wiederaufhebung dieser Verletzung folge, ein Klagerecht dagegen erst, wenn der Verletzer die Befriedigung dieses Recht verweigere. Für das „Recht auf Wiederaufhebung der Rechtsverletzung“ lasse sich aber eine allgemeine – und damit dem allgemeinen Teil zuzuordnende – Theorie deshalb wohl kaum aufstellen, weil es bei persönlichen Rechten anders geartet sei als bei unpersönlichen. Sei es bei ersteren mit dem persönlichen oder obligatorischen Recht selbst identisch, so entstehe es bei den unpersönlichen Rechten erst durch ihre Verletzung, wodurch jene zu einem Forderungsrecht oder „Anspruch“ gegen den Verletzer würden. Weder die Theorie der obligatorischen noch die der aus Verletzung unpersönlicher Rechte erwachsenden Ansprüche gehöre aber zur „Lehre von den Rechten überhaupt“ und damit in den allgemeinen Teil.1388 1382 B. Windscheid, Actio (1856) S. 25 f., 1. Zitat S. 25, 2., gegen Savigny gerichtetes Zitat S. 26. 1383 B. Windscheid, Actio (1856) S. 25 f., Zitat S. 25, Hinweis auf den noch heute vorhandenen Unterschied von Darlehens- und Kaufvertrag S. 26. 1384 B. Windscheid, Actio (1856) S. 27–31, der ebd. S. 31 allein Wächter eine richtige Sicht der Dinge attestiert. 1385 Windscheids erhaltene Vorlesungsmanuskripte stammen ausnahmslos aus späterer Zeit. Theoretisch mögliche Gedanken an ein eigenes Lehrbuch lagen Windscheid in Greifswald noch fern. 1386 B. Windscheid, Actio (1856) S. 6. 1387 Siehe etwa Puchta, Pandekten (111872) §§ 81–92, S. 125–144, Vangerow, Leitfaden I (1843) §§ 135–153, S. 155–184, ders., Pandekten I (71863) §§ 135–153, S. 191– 241, Arndts, Pandekten (81874) §§ 95–112, S. 138–164, auch noch Dernburg, Pandekten I (1884) §§ 127–136, S. 288–308. Ähnlich aufgebaut ist auch Savignys Aktionenrecht, System V (1841) und VI (1847). 1388 B. Windscheid, Actio (1856) S. 222 f., Zitat S. 222. – Danach gehören in den allgemeinen Teil nur noch die „allgemeinen Lehren von der Verjährung“ (ebd. S. 224), die Lehre vom Urteil, jedoch unter Aufgabe des „fremde[n] und ohne Erklärung unverständliche[n] Ausdruck[s] Litiscontestation“ (ebd. S. 224) und aus Zweckmäßigkeit die
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Praktisch bedeutender sind die sich aus der Übersetzung von actio mit Anspruch ergebenden weiteren Konsequenzen für den Inhalt des Rechtes. Es kann nicht überraschen, dass dabei die Bereiche von materiellem und Prozessrecht nicht immer klar zu trennen sind. Ist doch ein wesentlicher Ansatz Windscheids, dass hier die Linien in vielerlei Hinsicht neu zu ziehen sind. Daraus, dass die römische actio nicht von dem ihr zugrunde liegenden Recht abhängig, sondern dessen eigenständige Verkörperung sei,1389 folgt vor allem, dass für das römische wie das heutige Recht die Einzelnachfolge in Obligationen anerkannt werden muss.1390 Gleiches gilt, in Wiederholung des bereits in der Delbrück-Rezension Gesagten, für den gesetzlichen Forderungs- und Schuldübergang1391 wie für die vertraglich vereinbarte Schuldübernahme.1392 Für Windscheid ändert sich mit dem Verständnis der actio auch der Einfluss der gemeinrechtlichen Litiscontestation, also der Moment der Rechtshängigkeit,1393 auf sie bzw. den Anspruch. Er werde mit Rechtshängigkeit weder konsumiert und also aufgezehrt noch, wie die h. M. sagt, durch Novation in einen neuen Anspruch umgewandelt,1394 sondern vielmehr in seinem Bestande gefestigt.1395 Dass danach eine zweite actio über denselben Gegenstand nicht mehr möglich sei, gelte nur deshalb für das römische Recht, weil mit ihr nicht ein Recht, sondern Gericht gegeben worden sei.1396 Heute gebe es diese „negative Wirkung“ der Litiskontestation nicht mehr, Lehre von der Beweislast (ebd. S. 227), dagegen nicht die Lehre von der exceptio als dem Gegenstück zum Anspruch (ebd. S. 225–227) und die rein prozessrechtliche Frage nach der restitutio in integrum (ebd. S. 227 f.). 1389 B. Windscheid umschreibt, Actio (1856) S. 119, „die Selbständigkeit der Actio“ damit, „daß dieselbe ihr eigenes Recht in sich trägt, nicht Ausfluß, sondern Ausdruck des Rechtes ist.“ 1390 B. Windscheid, Actio (1856) S. III u. S. 119–194, s. dazu o. Abschnitt 2. 1391 B. Windscheid, Actio (1856) S. 194–203, wobei er sich nebenbei vehement gegen die Behauptung von Savigny, Puchta, Arndts und Seuffert wehrt, „daß in allen Fällen, wo die Cession erzwungen werden könne, das Recht dieselbe ohne Weiteres als geschehen annehme“ (ebd. S. 194) und darum also auch diese Fälle Beispiele für den gesetzlichen Übergang der actio seien. 1392 B. Windscheid, Actio (1856) S. 203–213, hier wie schon bei der Singularsukzession in Forderungen besonders gegen Kuntze. Dabei ist für das geltende Recht unschädlich, dass das römische Recht diese Möglichkeit ohne zwingenden Grund nicht kennt, weil „Begriff und Wesen des obligatorischen Rechtsverhältnisses“ (ebd. S. 208) dem nicht entgegenstehen. 1393 Für B. Windscheid, Actio (1856) S. 70 f., entspricht der klassischen litiscontestatio heute die Mitteilung der Klagschrift an den Beklagten. Da jedoch bei Justinian darunter erst der Widerspruch des Beklagten verstanden worden und ein zwischenzeitlich abänderndes Gewohnheitsrecht nicht nachzuweisen sei, sei letzteres trotz den damit zusammenhängenden Unzuträglichkeiten geltendes gemeines Recht, das nur der Gesetzgeber ändern könne – ein deutliches Beispiel für die Grenze, die Windscheid der Anpassung des römischen Rechts an das zu seiner Zeit Gebotene setzt. 1394 B. Windscheid, Actio (1856) S. 54–59 mit der Folge, dass die Akzessionen der geltend gemachten Obligation erhalten bleiben. 1395 B. Windscheid, Actio (1856) S. 46–48. 1396 B. Windscheid, Actio (1856) S. 49–51.
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wohl aber die als „positive Wirkungen“ beschriebenen Einflüsse der Rechtshängigkeit auf den geltend gemachten Anspruch.1397 Auch bei der Frage der Verjährung ist nach Windscheid das Verständnis der actio als Anspruch von Bedeutung. Wenn man, statt unrichtig von Klagenverjährung zu reden, berücksichtige, dass statt der Klage der Anspruch verjähre, so sei die römische Regelung, wonach die Verjährung allein durch Klageerhebung unterbrochen werde, alles andere als zwingend. Insbesondere stehe es einer neuen Gesetzgebung frei, auch an andere Formen der Geltendmachung des Anspruchs die Unterbrechung der Verjährung zu knüpfen.1398 Dass mit der Verjährung die actio untergehe, eine naturalis obligatio aber nach h. M. noch bestehen bleibe, spricht nicht gegen die Übersetzung von actio durch Anspruch oder geradezu Recht. Denn für Windscheid ist die Naturalobligation eine vom positiven Recht nicht anerkannte „Obligation des natürlichen Rechtsgefühls“ ohne rechtliche Relevanz, die dennoch das positive Recht nicht „ganz unberücksichtigt“ lassen wolle.1399 Weil sich auch im Urteil die Actio verwirkliche, geht Windscheid ausführlich auf die Folgen eines Urteils für die zukünftigen rechtlichen Beziehungen der Prozessparteien zueinander und zu Dritten ein.1400 Für das gemeine Recht ergibt sich demnach für Windscheid zum einen, dass entgegen der h. M. die exceptio rei iudicatae nicht gegen einen zweiten aus dem gleichen Rechtsgrund und auf den gleichen Gegenstand gerichteten Anspruch geltend gemacht werden darf, bevor dieser „den Gegenstand eines Urtheils“ gebildet hat.1401 Zum anderen entsteht für ihn durch das Urteil kein neuer Anspruch, der alte erhalte lediglich „ein neues rechtliches Fundament“, wodurch für ihn die Regeln über die actio iudicati einschlägig würden.1402 Daneben nutzt Windscheid diese Schrift zur Stellungnahme zu ihn beschäftigenden, aber eigentlich nicht unmittelbar zum Thema gehörigen Streitfragen und setzt damit seine für die Greifswalder Zeit typische Art der Teilnahme an der wissenschaftlichen Diskussion in der Form weiterführender Besprechungen fort. So engagiert er sich ausführlich im Streit um die positive Funktion des Urteils, die Bekker in seinem Werk über die prozessualische Konsumtion 18531403 gegen die ganz herrschende Meinung bestritten hat. An einer Reihe von Fällen macht er
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B. Windscheid, Actio (1856) S. 50, S. 63–65, S. 68 u. S. 117 f. B. Windscheid, Actio (1856) S. 69 f. 1399 B. Windscheid, Actio (1856) S. 40 f. Diese kaum verständliche und nur in ihrem negativen Teil – obligatio naturalis ist nicht Bestandteil des positiven Rechts – eindeutige Aussage scheint eine Verlegenheitslösung eines Mannes zu sein, für den einerseits Recht und dessen Durchsetzung eng zusammengehören, der aber andererseits auch rechtlich nicht durchzusetzende Anliegen in eine rechtsnahe Sphäre aufnehmen will. 1400 B. Windscheid, Actio (1856) S. 72–111. 1401 B. Windscheid, Actio (1856) S. 74–77, Zitat S. 76, u. S. 117 f., Zitat S. 117: „Damit ist dem Satze: de eadem re ne bis sit actio seine Grundlage entzogen.“ 1402 B. Windscheid, Actio (1856) S. 112–119, Zitat S. 119. 1403 Bekker, processualische Consumption (1853), bes. S. 14–21. 1398
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deutlich, dass ohne diese positive Funktion nicht auszukommen und darum Bekkers Ansicht abzulehnen sei.1404 Gegen Schluss der Arbeit geht Windscheid schließlich noch in einem Exkurs auf Iherings Ansicht zur rei vindicatio utilis1405 ein. In Anlehnung an die actio utilis des procurator in rem suam behauptet Windscheid, dass jene in einigen Fällen nicht nur, wie Ihering meint, als „dinglicher“ Anspruch auf Wertersatz, sondern geradezu „als Ausdruck des Überganges des vollen Rechtes . . . zu fassen sei.“ 1406 Außerdem hält Windscheid das von Ihering neben der Zession für den endgültigen Erwerb einer rei vindicatio für notwendig gehaltene Erfordernis der Klage für übertrieben. Dem „Bedürfniß des Verkehrs“ an einer Übertragung von Eigentum auch durch die bloße Übertragung des Herausgabeanspruchs entspreche allein, „die in den Quellen für die persönliche Actio anerkannte Denuntiation auch auf die dingliche zu erstrecken“ und so dem Zessionar ihren Erwerb „durch jede Inbesitznahme“ zu ermöglichen.1407 Entscheidend jedoch ist, dass Windscheid seiner Zeit das Problem des Verhältnisses von materiellem und Prozessrecht in bisher unbekannter Klarheit zum Bewusstsein gebracht hat und damit eine noch bis heute nicht abgeschlossene Diskussion in Gang setzte. Für ihn ergibt sich aus der seinem wissenschaftlichen Programm genau entsprechenden Herleitung der neuen Anschauungsweise aus einem historisch gewandelten Rechtsbewusstsein des Volkes eindeutig, dass heute „das Recht das Prius, die Klage das Spätere, das Recht das Erzeugende, die Klage das Erzeugte“ ist. Für den praktischen Sinn der Klassiker trete, besonders angesichts der beherrschenden Stellung der römischen rechtspflegenden Magistrate, die selbständige actio an die Stelle des Rechts, gehe die Rechtsdurchsetzung, also das Gericht vor, sei geradezu „die Rechtsordnung . . . nicht die Ordnung der Rechte, sondern die Ordnung der gerichtlich verfolgbaren Ansprüche.“ 1408 Diese Erkenntnis verbindet er mit in dieser deutlichen Form bei ihm nicht erwarteten und wohl nur aus seiner persönlichen Aufbruchstimmung in Greifswald zu verstehenden Vorwürfen gegenüber der h. M., besonders Savigny. Deren Definition der actio als Klagrecht, d.h. „das durch die Verletzung eines Rechts erzeugte Recht auf gerichtlichen Schutz, dasjenige Recht, in welches sich 1404 B. Windscheid, Actio (1856) S. 82–108, 108: „die Bekker’sche Theorie ist irrig. Sie ist um so mehr ganz und vollständig zu beseitigen, als sie auch schädlich ist, und nicht bloß dadurch, daß sie die richtige Einsicht in den Sinn der Quellen trübt, sondern auch dadurch, daß sie eine richtige Bestimmung des Umfanges der exceptio rei iudicatae verhindert.“ Ähnlich schon ebd. S. 87: „Die Bekker’sche Theorie, so scheinbar [richtig?] sie ist, ist meiner Ansicht nach ganz und vollständig unrichtig; sie muß einfach und unumwunden zurückgewiesen werden, und Bekker sich mit dem Ruhme begnügen, ein wohlgeschriebenes Buch geliefert zu haben, dessen Grundgedanke aber unhaltbar ist.“ 1405 Ihering, Übertragung der Reivindicatio (1857) S. 101–188. 1406 B. Windscheid, Actio (1856) S. 215–218, Zitat S. 217. 1407 B. Windscheid, Actio (1856) S. 219–221, Zitat S. 220 f. 1408 B. Windscheid, Actio (1856) S. 3, dort auch beide Zitate.
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ein Recht durch seine Verletzung verwandelt,“ 1409 beruhe auf einer schwerwiegenden Verkennung des richtigen Verhältnisses von römischem und deutschem gemeinem Recht. Einerseits sei dieser klare und scharfe Begriff unbesehen ins römische Recht übertragen worden auf Grund der – unberechtigten – Unterstellung, das römische Recht sei das absolute Recht schlechthin und müsse darum alles enthalten, „was man als an und für sich begründet ansah“.1410 Umgekehrt habe die h. M., obwohl schon bisher einzelne Schriftsteller die Verwendung des Begriffs „actio“ nicht allein in prozessualem, sondern auch in materiellrechtlichem Kontext erkannt hätten, an der allein prozessualen Behandlung der Lehre von der Actio festgehalten.1411 Windscheid nimmt für sich in Anspruch, als Anhänger einer neuen Richtung für diese Fehler jetzt nicht mehr anfällig zu sein und so dem römischen wie dem modernen Recht gerechter werden zu können. Wie nicht jeder an sich logische Satz im römischen Recht enthalten ist, so erscheine auch nicht jeder römische „Rechtssatz als allgemeingültiger Ausdruck des rechtlichen Gedankens“, vielmehr müsse man auch „rechtliche Bildungen als berechtigt und lebensfähig“ anerkennen, „welche nicht römisch sind“.1412 So sei für den Römer die actio „die Befugniß, seinen Willen durch gerichtliche Verfolgung durchzusetzen“,1413 während sie „in der Sprache unserer Rechtsanschauung“ als Synonym für den „rechtlich anerkannten Anspruch“ stehe.1414 Dieser materiellrechtliche, mit dem Forderungsrecht identische oder aus der Verletzung eines absoluten Rechts erwachsende Anspruch ist dabei streng zu unterscheiden vom öffentlichen Recht auf Unterstützung bei der Durchsetzung dieses Anspruchs, etwa durch die Garantie eines wirkungsvollen gerichtlichen Verfahrens.1415 Windscheid unternimmt mit dieser Schrift nicht weniger als eine neue Grundlegung des materiellen Rechts, das er durch die Einführung des Anspruchsbegriffs vom Prozess trennt, wobei er gleichzeitig auch eine neue theoretische Be1409 B. Windscheid, Actio (1856) S. 1 mit besonderem Hinweis auf Savigny, System V (1841) §§ 204 f. S. 1–11, bes. § 204 S. 3 u. § 205 S. 4. 1410 B. Windscheid, Actio (1856) S. 1. 1411 B. Windscheid, Actio (1856) S. 6, wo er, Fn. 11, als Vorläufer Mühlenbruch, Cession der Forderungsrechte (1817), Kierulff, Theorie (1839) S. 156; Böcking, Pandekten (21853) § 131 [S. 501] sowie Wächter [Handbuch II § 62 Note 2] und Puchta [Vorlesungen II S. 3] nennt. 1412 B. Windscheid, Actio (1856) S. 2. 1413 B. Windscheid, Actio (1856) S. 3. – ebenso Böcking, Pandekten (21853) § 131 S. 501 Fn. 2: „Die Klage, actio, ist im subj. S. als ,Klagerecht‘ das Recht selbst in seiner Bethätigung oder Thätigkeit sich geltend zu machen; . . . Das Recht (an sich, das ruhende) bewegt sich selbst zu seiner Bethätigung, indem es als actio auftritt: nascitur, nata est actio in dem Augenblicke, da das Recht selbst als ein durchzuführendes, auch mittels Staatshilfe zu realisierendes, fertig, reif ist.“ 1414 B. Windscheid, Actio (1856) S. 6. 1415 Auch dieses wird laut B. Windscheid, Actio (1856) S. 3, dem einzelnen Rechtsinhaber kraft seines Rechts zugesprochen.
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handlung des Prozesses ermöglicht, bei der statt nach der Berechtigung der Klagart allein nach der Begründetheit des geltend gemachten subjektiven Rechts (Anspruch) gefragt wird. Damit beginnt mit Windscheid der Abschied vom aktionenrechtlichen Denken. Windscheids Herleitung der auf die Dauer einflussreichen Trennung von materiellem Recht und Prozess stieß zunächst auf weitgehendes Unverständnis. Die meisten Rezensenten beschäftigten sich mehr mit den einzelnen Folgen aus Windscheids Grundgedanken als mit diesem selbst, oder weigerten sich, Windscheids Übersetzungsversuche vom römischen in das zeitgenössische gemeine Recht ernst zu nehmen. Neben einer lobenden, aber sehr allgemein gehaltenen Anzeige Bekkers1416 sind hier Brackenhoeft,1417 Dworzak1418 und besonders Muther zu nennen, der, nachdem die Herausgeber Stintzing und Dernburg seine Rezension wegen des darin enthaltenen „starke[n] Toback[s]“ für die Heidelberger kritische Zeitschrift abgelehnt hatten,1419 eine selbständige Schrift gegen Windscheid herausbrachte.1420 Brackenhoeft vermag in seiner auf die Frage der Singularsukzession konzentrierten und stilistisch wie inhaltlich nahezu unverständlichen Kritik als Kern von Windscheids Meinung nur „ein lediglich auf die Ausdrucksweise gerichtetes“ „Verlangen“ zu erkennen1421 und zeigt sein Unverständnis für Windscheids Anliegen durch völlig überflüssige wie unsachliche Polemik.1422 Dworzaks Ablehnung der Selbständigkeit der actio gegenüber dem Recht erfolgt zwar in sachlicherer Form,1423 aber auch er unterstellt, dass Windscheids Berufung auf die heutige Rechtsanschauung nur einen Mangel an Argumenten und „civilistische[n] Mittel[n]“ verdecke1424 und erkennt nicht, dass un1416 Bekker, Rez. Windscheid, Actio (1856) Sp. 571–573. – Lobend äußert sich schon am 29.10.1856 auch Ihering in einem Brief an Gerber, Losano, Briefwechsel (1984) Nr. 66a S. 213–217, 215: „entschiedene[r] Fortschritt über den historischen Romanismus“. 1417 Brackenhoeft, Rez. Windscheid, Actio, und Kuntze, Obligation (1857) S. 401–421. 1418 Dworzak, Rez. Windscheid, Actio (1857) S. 1–23. 1419 Ihering an Windscheid am 11.8.1857, Ihering in Briefen (1904) S. 78–82, (dort irrtüml. datiert 11.7.1857) 80 f., Zitat S. 81. 1420 Muther, Zur Lehre (1857). 1421 Brackenhoeft, Rez. Windscheid, Actio, und Kuntze, Obligation (1857) S. 401– 421, 410–412, Zitat S. 410. 1422 Brackenhoeft, Rez. Windscheid, Actio, und Kuntze, Obligation (1857) S. 401– 421, 413: Vorwurf an Windscheid, dass er „schwatzt, hört, buchstabirt, wo es sich darum handelt, auszudrücken, zu verstehen und zu lesen“ und dabei die römischen Quellen nicht verstehe. 1423 Dworzak, Rez. Windscheid, Actio (1857) S. 1–23, 5–8, zu Einzelfragen S. 13–23. 1424 Dworzak, Rez. Windscheid, Actio (1857) S. 1–23, 3 unter Berufung auf Ihering. Dies führt Windscheid in einem Brief vom 8.8.1857 an Ihering als Beleg dafür an, wie ungerecht dessen „Verdammungssuata“[!] gegen ihn in: Unsere Aufgabe, IhJbb. 1 (1857) S. 1–52, 28 Fn. 9, gewesen sei. Außerdem beklagt er sich bitter über einen „Banause[n]“, „Tagelöhner“ und schlechten „Schuhmacher“ wie Dworzak, SBPK Berlin, Slg. Darmstädter 2 h 1847(10), B. Windscheid Bll. 15 f., Zitate Bl. 16r+v.
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abhängig von der Stellung der actio im römischen Recht Windscheid für das geltende Recht die Zuordnung des Anspruchs zum materiellen Recht fordert.1425 Bekannter als diese Kritiken ist die später wiederholt nachgedruckte1426 Kontroverse zwischen Muther und Windscheid. Muther, dadurch „persönlich gereizt“, dass Windscheid Größen wie Savigny und Mühlenbruch „nicht die gebührende Achtung“ erwiesen habe, bemühte sich auf 198 Seiten, „Windscheid’s neue Lehre zu entfernen“.1427 Sieht man von Muthers Besprechung einzelner Fragen, besonders der bereits behandelten „Singularsuccession in Obligationen“ (S. 89– 195) ab, so bleibt ein erster Abschnitt von 47 Seiten, in dem Muther Windscheid seine eigene Ansicht über die römische actio und das heutige Klagerecht entgegenhält. Bei der Behandlung des römischen Rechts weigert sich auch Muther, Windscheids Übersetzungen verstehen zu wollen und findet deshalb einen tadelnswerten „Mangel aller Schärfe der Begriffsbestimmungen“.1428 Auch er leugnet die Selbständigkeit der actio, denn sie beruhe mindestens auf prätorischem Recht, so dass man keine actio haben könne, ohne ein Recht zu haben.1429 Zugleich aber akzeptiert Muther die Prozessorientiertheit der actio, indem er ihr gerade das prätorische Edikt als Rechtsgrundlage zuordnet.1430 Dennoch sei die römische Rechtsordnung auch nicht vorrangig „die Ordnung der gerichtlich verfolgbaren Ansprüche“, da jede actio zumindest auf einem überpositiven Recht beruhe und es umgekehrt dann keine Rechte ohne Klage – dies ist für Muther die naturalis obligatio – geben dürfe.1431 Für Muther ist die actio zwar in engem Zusammenhang mit dem Prozess zu sehen, doch steht sie nicht im Gegensatz zum materiellen Recht, sondern gehört einem anderen Bereich an: Actio bedeutet für ihn im römischen Recht „Anspruch . . . auf Ertheilung der Formula“ und damit – öffentlich-rechtlicher – „Anspruch auf Anrufung der Staatshülfe“ nach vorhergehendem Streit unter Privaten.1432 Muther denkt sich den Prozess als Dreiecksverhältnis, in dem zwei öffentlich-rechtliche Rechte, die actio des Verletzten gegenüber dem Staat und das Recht des Staats gegenüber dem Verletzer, dazu dienen, das nach wie vor bestehende private Recht des machtlosen klagenden Verletzten 1425 Dworzak, Rez. Windscheid, Actio (1857) S. 1–23, 8: „Die Formel unseres Vf.: ,Actio ist der Ausdruck für den gerichtlich verfolgbaren Anspruch‘, gibt durchaus kein neues Resultat, wenn wir von der, wie ich glaube mit Erfolg bekämpften, ,Selbständigkeit‘ der Actio absehen.“ 1426 Windscheids „Actio“ sowie die „Abwehr“ und Muthers „Lehre von der Römischen Actio“ erschienen 1969 und noch einmal 1984 als einbändige Nachdrucke sowie 1954, übersetzt von Ernst Heinitz und eingeleitet von Pugliese, in Florenz unter dem Titel ,Polemica intorno all‘ „actio“ . . . 1427 Muther, Zur Lehre (1857) Vorwort S. IV (letztes Zitat) und V (übrige Zitate). 1428 Muther, Zur Lehre (1857) S. 13–18, Zitat S. 13. 1429 Muther, Zur Lehre (1857) S. 18–25. 1430 Muther, Zur Lehre (1857) S. 21–29. 1431 Muther, Zur Lehre (1857) S. 30–33, Zitat S. 30. 1432 Muther, Zur Lehre (1857) S. 35–40, 1. Zitat S. 37, 2. Zitat S. 40.
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durchzusetzen.1433 Allein eine Verschleifung dieser Rechtsbeziehungen im Alltag habe dazu geführt, dass der Begriff ,actio‘ im Sprachgebrauch zuweilen durch ,obligatio‘ ersetzt werde.1434 Dieses völlig neue und sich von Windscheids Ansicht weit entfernende Verständnis der actio als subjektivem öffentlichem Recht gegenüber dem Staat überträgt Muther nun in die Gegenwart und kann so ohne Schwierigkeiten feststellen, „daß noch im heutigen Recht der Begriff des Klagrechts im römischen Sinn Realität hat“.1435 Dabei umfasst dieses Klagerecht nicht nur prozessuale Fragen, sondern nach ihm bestimmt sich auch, für welche Reaktion auf die Verletzung eines dinglichen Rechts der Staat seine Hilfe bereitstellt. So kommt etwa bei der Verletzung des Eigentums zur Durchsetzung des einheitlichen Anspruchs auf Anerkennung dieses Rechts je nach der Art der Beeinträchtigung die rei vindicatio oder die actio negatoria in Betracht.1436 Vor diesem Hintergrund lehnt Muther Windscheids „Hauptsatz . . ., daß im modernen Sinn die Klage bloß Klaghandlung, nicht auch Klagrecht sei“ 1437 ebenso wie dessen Berufung auf ein verändertes Rechtsbewusstsein ab.1438 Außerdem sei der „Anspruch“ nach dem bisherigen Sprachgebrauch der Ausdruck für ein faktisch Zustehendes; der Juristensprache gehöre allein die inhaltlich viel präzisere, weil mit diesem Anspruch eine bestimmte Rechtsregel verbindende „Klage“ an.1439 Diese aus Missverstehen von Windscheids Anliegen und Festhalten am Bestehenden zusammengesetzte ablehnende Haltung verbindet Muther mit dem Vorwurf, Windscheid wolle wie andere Neuerer „bloß dem dürren Ideal eines einzig wahren, strengen Systems trockener Rechtssätze nach(zu)jagen, ohne den Bedürfnissen des schönen concreten Lebens in seiner Mannigfaltigkeit Rechnung zu tragen“ 1440, er sei eigentlich ein „Krämer“, der „großen Welthandel treiben“ wolle,1441 und das Rechtsbewusstsein, auf das er sich berufe, sei mehr ein subjektives als das „an concreten Gestaltungen“ reiche nationale, diene nur zur Kaschierung seiner „abstracten Sätze“, die nicht mehr seien als „Ausgeburten moderner Afterphilosophie“, mit denen Windscheid „der allgemeinen Strömung der Zeit gegenüber den richtigen Weg verfehlt“ habe.1442
1433
Muther, Zur Lehre (1857) S. 40–43. Muther, Zur Lehre (1857) S. 45. 1435 Muther, Zur Lehre (1857) S. 47. 1436 Muther, Zur Lehre (1857) S. 47–50. 1437 Muther, Zur Lehre (1857) S. 10. 1438 Muther, Zur Lehre (1857) S. 12 und S. 52 f. „Lassen wir dem Verfasser sein ,Recht, wie es das Volk begreift‘, welches doch wohl im Ganzen dasselbe ist, das sein College Beseler als ,Volksrecht‘ im Gegensatz zu ,Juristenrecht‘ erfunden hat; . . . wir aber halten uns an das Gegebene und Wirkliche . . .“. 1439 Muther, Zur Lehre (1857) S. 62. 1440 Muther, Zur Lehre (1857) S. 65. 1441 Muther, Zur Lehre (1857) S. 197. 1442 Muther, Zur Lehre (1857) S. 197. 1434
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Windscheid fühlte sich durch diese Schrift, besonders ihren den ganzen Text durchziehenden „unverantwortlich[en]“ Ton, herausgefordert und beschloss diesem „Ritter einer conservativen (gutgesinnten) Jurisprudenz“ eine „Zurechtweisung“ zu erteilen.1443 Gegen Iherings Rat1444 aber durchaus im Sinne Beselers1445 erschien Windscheids Replik trotz Übersiedelung nach München noch im Herbst des gleichen Jahres. Darin verwahrt er sich gegen Muthers „abfertigende[n], wegwerfende[n], . . . entschieden geringschätzige[n] Ton“ 1446 und zeigt, dass dieser „nicht der Mann ist, Andere zu hofmeistern“.1447 Seine Argumentation mit dem Rechtsbewusstsein sei durchaus nicht subjektiv, sondern stütze sich auf die beiden Tatsachen, dass heute „das Gericht dem Rechte gegenüber keine Selbständigkeit und eine Gerichtsregel im Gegensatz zur Rechtsregel für uns keinen Sinn mehr“ habe und dass im Verkehr eine Singularsukzession in Obligationen wirklich und täglich stattfinde.1448 Dieses Rechtsbewusstsein müsse, soweit es „Bewußtsein der Gesamtheit“ sei und im Rechtsleben seinen Niederschlag gefunden habe, entweder als Gesetz oder Gewohnheitsrecht – so die beiden genannten Tatsachen – beachtet oder zumindest von der Wissenschaft berücksichtigt und die Aufmerksamkeit der Gesetzgebung darauf gerichtet werden.1449 Zum römischen Recht beharrt Windscheid darauf, dass der Prätor zwar Recht sprechen, jedoch kein Recht schaffen könne.1450 Dabei gehe seine Selbständigkeit so weit, dass er kraft seiner Amtsgewalt dem Gebot der Gerechtigkeit erst durch den Spruch und ohne zuvor bestehendes Recht habe entsprechen können.1451 Deswegen sei die römische Ordnung nicht allein, aber vorwiegend die Ordnung der gerichtlich verfolgbaren Ansprüche gewesen, und daher rühre die Selbständigkeit der Actio.1452 Da diese Selbständigkeit des Gerichts vom Recht heute – zu ergänzen: im konstitutionellen, liberalen Rechtsstaat1453 – nicht mehr bestehe, sei „die römische Actionensprache auf[zu]geben“, der Actio das prozessuale Element zu 1443 Windscheid aus Greifwald an Ihering zwischen dem 12. u. 14.8.1857, SBPKBerlin, Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 17, Zitate 17r. 1444 Ihering an Gerber am 4.10.1857, Losano, Briefwechsel (1984) Nr. 88 S. 267– 270, 269: „Herr Muther hat sich ebenfalls kürzlich vernehmen lassen, . . . den Mund sehr voll genommen und doch so gut wie gar nichts zu Tage gefördert. Es ist eine eigene Schrift gegen Windscheid. Leider wird letzterer ihm antworten; . . .“. 1445 Beseler an Windscheid am 11.1.1858 aus Greifswald, BA-Fft./M. FN 3/3 Bl. 158 u. 158a, 158. 1446 B. Windscheid, Abwehr (1857) Vorwort S. IV. 1447 B. Windscheid, Abwehr (1857) S. 53. 1448 B. Windscheid, Abwehr (1857) S. 85. 1449 B. Windscheid, Abwehr (1857) S. 86. 1450 B. Windscheid, Abwehr (1857) S. 12, ähnlich S. 10 und S. 14. 1451 B. Windscheid, Abwehr (1857) S. 17. 1452 B. Windscheid, Abwehr (1857) S. 8 und S. 20. 1453 Diesen Rahmen hat Windscheid als auch politisch denkender Mensch sicher bewusst bedacht, nicht nur, wie Schanze, Art. Anspruch (1972) S. 27 meint, „unbewußt politisch konsequent“ gehandelt.
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nehmen, sie mit „Recht“ oder „Rechtsanspruch“ zu übersetzen und damit die Ansprüche – etwa die actio negatoria oder die rei vindicatio –, Fragen der Konkurrenz oder der Verjährung innerhalb des materiellen Rechts zu behandeln.1454 Dabei ist für ihn der „Rechtsanspruch“ als Wort der Alltagssprache ohne rechtliches Fundament gar nicht zu denken, so dass bei ihm auch Muthers Bedenken gegen diesen Begriff nicht verfangen.1455 Muthers Verständnis des Klagerechts und seine aktuelle Realität wird dabei keineswegs geleugnet. Doch verweist es Windscheid sehr zu Recht in das Prozessrecht, von dem seine „Actio“ eben nicht handele, und unterstellt Muther insoweit ein geradezu arglistiges MissverstehenWollen.1456 Grundsätzlich geht es Windscheid nicht in erster Linie um das System, sondern um das sachlich Richtige.1457 Dabei sei es unredlich, „trockene Rechtssätze“ dem „schönen concreten Leben“ entgegenzusetzen, denn wolle die Rechtswissenschaft Wissenschaft sein, so müsse sie mit „Rechtsregeln“ und „Rechtsbegriffen“ „operiren, und diese sind, so ,trocken‘ sie auch sein mögen, für sie bindend“ bis unter dem Einfluss des Lebens eine Erweiterung oder Modifizierung der Begriffe nötig wird.1458 Aufgabe der Wissenschaft und für ihn persönlich sei es, auf diesem Wege den „anationalen“ römischen Rechtsstoff zu durchdringen, „antinationale Elemente“ auszuscheiden und so durch Bearbeitung und Beherrschung des römischen Rechts zur „Herstellung eines nationalen Rechts“ beizutragen.1459 Durch diesen heftigen und von persönlichen Angriffen nicht freien literarischen Streit wurde Windscheids Actio erst richtig bekannt, was einige weitere Rezensionen bis 1859 belegen. Alle Rezensenten, auch Windscheids Gegner Kuntze, sind sich darin einig, dass Windscheids Replik gegen Muthers Angriff in der Sache wie besonders in der Form sehr berechtigt war. Erstmals finden sich nun auch Stimmen, die Windscheids zentrale Aussagen billigen und verteidigen. So führt der Anonymus im Literarischen Centralblatt eine Linie von Andeutun1454 B. Windscheid, Abwehr (1857) S. 24 f. (2. Zitat S. 25), S. 26 f. (1. Zitat S. 26), S. 35–37 (Konkurrenz) u. S. 37–39 (Verjährung). Auf die Behandlung der hier aus dem Rahmen fallenden, auch bereits ausführlich besprochenen Singularsukzession, ebd. S. 55–84, wird hier verzichtet. 1455 B. Windscheid, Abwehr (1857) S. 35. 1456 B. Windscheid, Abwehr (1857) S. 23, S. 26 u. bes. S. 29 f., ebd. S. 30: Muther „liebt das ,Interpretiren‘ nicht, mit anderen Worten, er liebt es nicht, sich um den wahren Sinn der Worte seines Gegners zu bekümmern; er hat es gern, wenn ihm das Nachdenken erspart wird.“ 1457 B. Windscheid, Abwehr (1857) S. 34: „Die Anforderungen des Systems treten erst in zweiter Linie auf, und sind nur Consequenzen aus der Einsicht in das wahre Wesen der Actio.“ 1458 B. Windscheid, Abwehr (1857) S. 87, ebd. S. 85 ist für Windscheid „wissenschaftlich zu formuliren“ ein Synonym für „begriffsmäßig zu construiren“. 1459 B. Windscheid, Abwehr (1857) S. 87 (1. Zitat) und S. 85. Schlusssatz S. 88: „Das Ziel, nach dem wir zu streben haben, ist die formale Beseitigung des römischen Rechts, unter Verwerthung seiner lebendigen Gedanken für das nationale Recht.“
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gen bei Savigny, Puchta und Windscheids Lehrer Böcking bis zu Windscheids prinzipiellen Aussagen, über die zu entscheiden die Wissenschaft allerdings noch „nicht einmal reif“ sei.1460 Ubbelohdes Bericht in den Göttingischen Gelehrten Anzeigen ist ebenfalls und noch eindeutiger eine reine Bestätigung der Windscheidschen Thesen.1461 Selbst Kuntze billigt Windscheids Hauptthese, verwirft nur einzelne Folgerungen daraus – wie etwa dessen Ausführungen über die Litiscontestation und den Übergang der Actio1462 – akzeptiert dagegen andere wie die Untergliederung der actiones, Fragen ihres Untergangs und der Verjährung.1463 Auch für ihn ist die actio ein „civilistisches“ und nicht ein „publicistisches Phänomen“ 1464, und er spricht Windscheid „das Verdienst des Beginnes“ zu, „die Actio als civilistische Grundidee der dogmatischen Intelligenz“ wieder gewonnen zu haben.1465 Allerdings hält er, der auch im römischen Recht eine Ordnung der Rechte sieht, den Begriff der actio auch für das moderne materielle Zivilrecht für unverzichtbar.1466 Zimmermann lehnt nicht nur Muthers Kritik als polemisch, unsachlich und überflüssig ab,1467 sondern hält auch Windscheids These von der Selbständigkeit der actio und der Trennung von Recht und Gericht bei den Römern für einen Irrtum, aus dem sich für die praktische Behandlung des römischen Rechts keine Folgerungen ableiten ließen.1468 Allerdings argumentiert er gegen Windscheids „leere Abstraktion“ der Unterscheidung „zwischen der Ordnung der Rechte und der Ordnung der gerichtlich verfolgbaren Ansprüche“ 1469 mit einem so heiklen Kriterium wie der „Natur der Sache“ und „unwandelbaren Prinzipien“, denen zufolge in jedem Privatrecht Recht und Klage „nothwendige Correlata“ seien.1470 Diese Aussagen sind so abgehoben von der konkreten Ein-
1460 Anonym, Rez. Muther, Zur Lehre und Windscheid, Abwehr (1858) Sp. 410 f., Zitat Sp. 411. 1461 Ubbelohde, Rez. Muther, Zur Lehre und Windscheid, Abwehr (1858) S. 1826– 1839. 1462 Kuntze, Rez. Windscheid, Actio, Muther, Zur Lehre, Windscheid, Abwehr (1859) S. 1–16, 4–6 u. 6–11. 1463 Kuntze, Rez. Windscheid, Actio, Muther, Zur Lehre, Windscheid, Abwehr (1859) S. 1–16, 3 f. 1464 Kuntze, Rez. Windscheid, Actio, Muther, Zur Lehre, Windscheid, Abwehr (1859) S. 1–16, 12. 1465 Kuntze, Rez. Windscheid, Actio, Muther, Zur Lehre, Windscheid, Abwehr (1859) S. 1–16, 14. 1466 Kuntze, Rez. Windscheid, Actio, Muther, Zur Lehre, Windscheid, Abwehr, (1859) S. 1–16, 15, wo er die actio als das „förmliche Organ des Rechtes“, als „forma, facies, imago, ja corpus obligationis“ bezeichnet. 1467 Zimmermann, Der Windscheid-Muthersche Streit (1859) S. 461–492, 463 f., 468–474 u. 492. 1468 Zimmermann, Der Windscheid-Muthersche Streit (1859) S. 461–492, 474–478, zu einzelnem S. 478–491, zusammenfassend S. 491. 1469 Zimmermann, Der Windscheid-Muthersche Streit (1859) S. 461–492, 476. 1470 Zimmermann, Der Windscheid-Muthersche Streit (1859) S. 461–492, 475.
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schätzung der actio durch die römischen Bürger, dass sie zur Widerlegung von Windscheids These nicht geeignet erscheinen. Der Streit zwischen Windscheid und Muther um die Begriffe Anspruch und Klagerecht, damit um das richtige Verhältnis von materiellem Recht und Prozess, bezeichnet den Beginn von Diskussionen um den „Anspruch“, die bis heute noch nicht völlig abgeschlossen sind, wenn ihre Schwerpunkte auch in der Zeit der Pandektistik und im Umfeld der BGB-Entstehung liegen.1471 Sie spiegeln zugleich den periodischen Wechsel von Zu- und Abneigung zum aktionenrechtlichen Denken wider, der jeweils auch für die Haltung Windscheids Ansatz gegenüber mitbestimmend ist. In groben Zügen sollen die Argumente für und wider Windscheids materiellrechtlichen Anspruchsbegriff,1472 dessen innere Entwicklung und seine Bedeutung für die Rechtsordnung insgesamt vorgestellt werden. Windscheids Qualifizierung der römischen actio als dem Recht (ius) gegenüber selbständige, dem subjektiven Recht vergleichbare und dominante Größe ist heute unbestritten1473 und fand auch bereits im 19. Jahrhundert in wachsendem Maße Zustimmung, als erstes die seines Freundes Ihering.1474 Allerdings war es manchen Zeitgenossen auch nach Windscheids Äußerungen unmöglich, vom eigenen Verständnis des Rechts abzusehen und sich in die römische, ihnen fremde Ordnung hineinzudenken. Für sie musste die actio auf einem vor ihr liegenden Recht beruhen,1475 das sie etwa im Aktionenkatalog des Edikts1476 und sogar vermittelt durch die Amtspflicht des Prätors1477 vorfanden. Auch gab es Stim1471 Hellwig, Anspruch (1900) S. 5 meinte: „Es giebt in der modernen Rechtssprache kaum einen Begriff, der nach seiner durch Windscheid geschehenen Einbürgerung nicht nur in der Litteratur und Praxis, sondern auch in den Gesetzen in so verschiedenem Sinne gebraucht wird, wie der des Anspruchs.“ 1472 Auf den parallel dazu aus den römischen prozessualen exceptiones sich entwickelnden Begriff der materiellrechtlichen Einrede – Lange, Art. Anspruch (1987) S. 1 – sei hier nur hingewiesen; dazu knapp Seelig, Einreden (1980) S. 42 f. 1473 Kaser, Das Römische Zivilprozeßrecht (1966) § 32 II 2 S. 172–174; Kaser, Das römische Privatrecht 1. Abschnitt (21971) § 55 S. 223–226, Kaser, Jus Honorarium (1984) S. 1–114, 10–14; Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht (1987) § 90 S. 218–221; H. Kaufmann, Zur Geschichte des aktionenrechtlichen Denkens (1964) S. 482–489, 483 f. 1474 Ihering, Geist II, 2 (1858) S. 671–675; schon 1866 folgte Neuner, Privatrechtsverhältnisse (1866) S. 156, später etwa Baron, Pandekten (81893) § 79 S. 155, Bruns, Das heutige römische Recht, (41882) S. 428, Dernburg, Pandekten I (1884) § 127 S. 289, O. Fischer, Recht und Rechtsschutz (1889) S. 65 f., Wendt, Pandekten (1888) § 86 S. 232 und Wlassak, Art. Actio (1893) Sp. 303–323, 306 u. 308; ähnlich Hölder, Pandekten (1891) § 61 S. 324 Fn. 1. 1475 Allgemein Bethmann-Hollweg, Civilprozeß II (1865), S. 208; Unger, System II (21863) § 113 S. 357 Fn. 19; Wächter, Pandekten I (1880) § 98 S. 503 Anm. 2. 1476 Arndts, Pandekten (81874) § 96 S. 139 Anm. 4. 1477 Brinz, Rez. Rudorff, De jurisdictione edictum (1869) S. 471–502, 486: wegen dieser faktischen Bindung des Prätors war „selbst die gerichtliche Geltendmachung ein Ausfluß der Rechte.“
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men, die Windscheids Lehre wenn überhaupt nur für die Zeit des Formularprozesses anzuerkennen bereit waren.1478 Umgekehrt machte Bekker Windscheid zum Vorwurf, er habe sich nicht tief genug in das römische Verfahren hineinversetzt.1479 Für ihn, der im Interesse einer eigenständigen Entwicklung des modernen Rechts zum „Auseinanderdenken des Römischen und des heutigen Rechts“ 1480 aufforderte, gab es schon im römischen Recht einen „Anspruch“ 1481 neben der actio. Während die actio Voraussetzung des vom Prätor gegebenen iudicium sei, habe über den „Anspruch“ – im Lateinischen in Ermangelung eines festen Begriffs mit „de quo actio est“, „res de qua agitur“ umschrieben1482 – der iudex entschieden. Beides zusammengenommen entspreche heute der Obligation, die das Gezwungenwerdenkönnen der actio wie das Leistensollen des Anspruches enthalte.1483 Dieses originelle Verständnis des Anspruchs im römischen Recht fand jedoch keine Verbreitung. Dagegen blieb die herkömmliche Anschauung der actio als zwar zum materiellen Recht gehörender aber unmittelbar und notwendig auf den Prozess ausgerichteter Begriff1484 so verbreitet, dass Windscheids vom Prozess gelöster, rein materiellrechtlicher „Anspruch“ sich nur langsam durchsetzen konnte. Nicht nur klassische Vertreter der Pandektistik,1485 sondern auch neuere Autoren1486 hielten bis in die 90er Jahre des Jahrhunderts hinein daran fest, dass einerseits die actio vom Recht nicht unterschieden sei, sie andererseits jedoch das materielle Klagerecht und damit die gerichtliche Verfolgbarkeit des Rechts bezeichne. Baron erkannte in seinem verbreiteten Kurzlehrbuch sogar die Überlegenheit des nicht auf die gerichtliche Durchsetzung beschränkten modernen „Anspruchs“ gegenüber dem 1478 So Bethmann-Hollweg, Civilprozeß II (1865) S. 208 Fn. 7; Bruns, Geschichte der Cession (1868) S. 23–66, 50 f. 1479 Bekker, Aktionen I (1871) S. 11. 1480 Bekker, Aktionen I (1871) S. 2 – zu diesem Grundanliegen Bekkers s. Kriechbaum, Ernst Immanuel Bekker (1984) S. 33–39. 1481 Von Bekker verstanden als publizistisches Recht auf Anerkennung des Verhältnisses zum Beklagten und privates Recht gegenüber dem Beklagten „auf irgend eine Leistung“, Bekker, Aktionen I (1871) S. 15, abweichend Kriechbaum, Ernst Immanuel Bekker (1984) S. 56 f. Fn. 38. 1482 So bereits Bekker, Über Windscheid’s Lehrbuch (1863) S. 389–412, 407. 1483 Bekker, Aktionen I (1871) S. 7, S. 9 f., S. 13; ebenso ders., Über Windscheid’s Lehrbuch (1863) S. 389–412, 407–412, wo Bekker statt Obligation „klagbares Recht“ sagt. – Dazu Kriechbaum, Ernst Immanuel Bekker (1984) bes. S. 46–51. 1484 Zu Savignys Zuordnung des auch prozessrechtliche Themen – etwa das Klagrecht – behandelnden Aktionenrechts zum materiellen Recht und den fließenden Übergängen zum Prozess s. Simshäuser, Zur Entwicklung (1965) S. 49, S. 53–57 u. S. 60. 1485 Etwa Arndts, Pandekten (81874) § 96 S. 138; Puchta, Pandekten (111872) § 81 S. 125 f. und dort Rudorff S. 125 Anm. a) sowie 127 Anm. b); Unger, System II (21863) § 113 S. 351 u. S. 353 f.; Wächter, Pandekten I (1880) § 98 S. 503. 1486 So Kuntze, Obligationen (1886) S. 66 f., S. 71–79, S. 88: Anspruch ist das Recht im Stadium der Geltendmachung; Wendt, Pandekten (1888) § 86 S. 230–232; weitere Nachw. bei Simshäuser, Zur Entwicklung (1965) S. 72 Fn. 3.
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„Klagrecht“ an, glaubte jedoch darauf „keine Rücksicht“ nehmen zu können, „eben weil hier das Römische Recht zur Darstellung gebracht werden soll“!1487 Wie recht Fischer hatte, als er 1889 die Schwierigkeit, von der prozessualen Gestalt des Privatrechts bei den Römern loszukommen, betonte,1488 zeigt eine Äußerung Iherings aus dem selben Jahr, wo er mit dem „Anspruch des Eigenthümers auf Herausgabe der Sache“ sofort die „reivindicatio“ assoziiert und diesen „Anspruch im prozessualischen Sinn“ lieber „Klage“ nennen möchte.1489 Dennoch fehlte es Windscheid keineswegs an Anhängern,1490 und schon 1875 schätzte Muther die Lage so ein, dass „die Windscheid’sche Anspruchstheorie . . . alle Aussicht hat[,] in dem zukünftigen Civilgesetzbuch zur Herrschaft zu gelangen“.1491 Wirklich hat erst das BGB mit seiner Definition des Anspruchs in § 194 Abs. 1 (BGB-E 1888 § 154 Abs. 1) Windscheids Schöpfung zur allgemeinen Anerkennung verholfen und den Anspruch zu dem unverzichtbaren zentralen Begriff gemacht, als der er heute jedem Juristen erscheint, auch wenn Leonhards weitergehender Wunsch nach einer „allgemeinen Lehre von den Ansprüchen“ 1492 keine Aufnahme in das Gesetz gefunden hat. Eine etwas andere Entwicklung vollzog sich im Prozessrecht. Dort erscheint der „Anspruch“ als Streitgegenstand schon in der Zivilprozessordnung von 1877 (damals § 230 Abs. 2 Nr. 2, heute § 253 Abs. 2 Nr. 2). Unter diesem Anspruch wurde ursprünglich nach einhelliger Meinung der – Windscheid’sche – Anspruch des materiellen Rechts verstanden.1493 Dies zeigt, dass damals die Trennung von Prozess und materiellem Recht noch nicht vollzogen war, der Prozess noch nicht als eigenständiger Teil der Rechtsordnung begriffen wurde,1494 und damit nicht etwa die Fortschrittlichkeit, sondern eher umgekehrt die Zögerlichkeit der Prozessrechtsentwicklung. Aus dieser mangelnden Konsequenz, nach Windscheids eindeutiger Zuordnung der actio zum materiellen Recht dem Prozess Eigenständigkeit zuzubilligen, resultiert nicht nur die terminologische Unsauberkeit, dass – folgt man dem Wortlaut des Gesetzes – Voraussetzung einer Klage nicht nur die Baron, Pandekten (81893) § 79 S. 154–156, Zitat S. 156. O. Fischer, Recht und Rechtsschutz (1889) S. 7. 1489 Ihering, Besitzwille (1889) S. 520–522, Zitat S. 521. 1490 Frühe Befürworter sind etwa Neuner, Privatrechtsverhältnisse (1866) S. 156 f. und Brinz, Pandekten I (21872) § 79 S. 251 f., wo der Anspruch jedoch nicht actio, sondern petitio genannt wird, weitere Stimmen s. u. 1491 Muther, Rez. Bekker, Aktionen II (1875) S. 231–244, 240. 1492 Leonhard, Anspruchsbegriff (1891) S. 327–364, 333 Fn. 16; ablehnend B. Windscheid, Lehrbuch I (1862) § 43 S. 91 f. Fn. 5. 1493 s. Hahn, Materialien zur ZPO, bei Simshäuser, Zur Entwicklung (1965) S. 83 u. Fn. 43; Nikisch, Zivilprozeßrecht (21952) § 42 S. 163; H. Kaufmann, Zur Geschichte des aktionenrechtlichen Denkens (1964) S. 482–489, 488; Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht (141986) § 96 S. 565; Hellwig, Anspruch (1900) § 17 S. 122. 1494 Hellwig, Anspruch (1900) § 16 S. 122; H. Kaufmann, Zur Geschichte des aktionenrechtlichen Denkens (1964) S. 482–489, 489. 1487 1488
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Behauptung, sondern das tatsächliche Vorhandensein eines Anspruchs ist,1495 sondern besonders die Schwierigkeit mit der Anerkennung von Feststellungsund Gestaltungsklage, deren Inhalt zum eine Leistung implizierenden Anspruch nicht passt.1496 Windscheid selbst hat zwar mit seinem Anspruch „der von allen Klagrechtstheorien bisher gelehrten Einheit von materiellem Recht und Aktionenrecht“ den „Boden entzogen“, die „Klage oder das Element des Gerichts“ als „Brücke“ „zwischen Privatrecht und Prozeßrecht“ zerstört, dabei aber am Verhältnis beider Materien zueinander nichts geändert. Auch er hielt an der Unterordnung der Klage unter das materielle Recht fest.1497 So tragen Windscheids Darlegungen zum Verhältnis von materiellem Recht und Prozess und näher zum Klagerecht deutliche Zeichen eines Übergangsstadiums. Einerseits grenzt er bei der Auflösung des Aktionenrechts immer wieder das materielle Recht scharf vom Prozess ab und erklärt die gerichtliche Geltendmachung nur für eine – nicht die wesentliche – Seite des Anspruchs.1498 Andererseits ist für ihn diese gerichtliche Geltendmachung eigentlich vom Anspruch nicht zu trennen. Sie ist dessen logische Konsequenz und regelmäßiger Weg seiner Durchsetzung, allerdings erst als letztes Mittel, weswegen Voraussetzung seines materiellen Klagerechts nicht nur ein Anspruch und dessen Verletzung ist, sondern auch die Weigerung des Verletzers, nunmehr den gegen ihn gerichteten Anspruch zu erfüllen.1499 Dabei legen seine Formulierungen ebenso wie die der ZPO die Vermutung nahe, Windscheid könne als Prozessgegenstand über die Behauptung eines Anspruchs hinaus auch dessen tatsächliches Vorliegen verlangen.1500 Neben diesen Ungereimtheiten zeigt Windscheids Klagerecht, dass auch er nur an Leistungsklagen denkt und Feststellungs- oder Gestaltungsklagen damit nicht zu vereinbaren sind.1501 Allerdings kennt Windscheid auch und vor allem ein prozessuales Klagerecht, 1495 De Boor, Gerichtsschutz (1941) S. 31; den Wortlaut korrigierend Kipp in Windscheid-Kipp, Lehrbuch I (91906) § 43 Fn. 2 S. 183. 1496 Kipp in Windscheid-Kipp, Lehrbuch I (91906) § 122 Fn. 6 S. 617 f., RosenbergSchwab, Zivilprozeßrecht (141986) § 96 S. 565. 1497 Simshäuser, Zur Entwicklung (1965) S. 78 (1. Zitat) u. S. 84 f. (2. Zitat). 1498 B. Windscheid, Lehrbuch I (11862) § 44 S. 92 f., (71891) § 44 S. 102; Simshäuser, Zur Entwicklung (1965) S. 80 f. 1499 B. Windscheid, Lehrbuch I (11862) § 44 S. 92 u. § 122 S. 295 f. u. Fn. 4, (71891) § 44 S. 102 u. § 122 S. 346 u. Fn. 5. – Dazu Simshäuser, Zur Entwicklung (1965) S. 78 u. S. 81. Gegen diese letzte Voraussetzung Neuner, Privatrechtsverhältnisse (1866), S. 159 u. Fn. 1, Kipp bei Windscheid-Kipp, Lehrbuch I (91906) § 122 Fn. 6 S. 616, Wach, Handbuch I (1885) § 2 S. 20 Fn. 18, im Ergebnis auch Dernburg, Pandekten I (1884) § 127 S. 288 f. 1500 Simshäuser, Zur Entwicklung (1965) S. 83 mit Hinweisen auf Windscheid-Zitate Fn. 41 u. 45; ebenso H. Kaufmann, Zur Geschichte des aktionenrechtlichen Denkens (1964) S. 482–489, 488. 1501 So vermeidet Windscheid sowohl bei der actio preiudicalis wie bei der in integrum restitutio und der querela inofficiosi testamenti den Begriff „Klage“, Lehrbuch I (11862) § 122 S. 297 Fn. 5, (71891) § 122 S. 347 Fn. 7; allg. Langheineken, Urteilsanspruch (1899) S. 9.
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nämlich ein Recht auf Hilfe des Staates.1502 Diese Konzession an Muther verleiht der Prozesstheorie „im Bereich der Lehre vom Klagrecht eine eigene Substanz“, „die sie vorher rechtstheoretisch nicht besessen“.1503 An diesen in die Zukunft weisenden Aspekt knüpft die Prozessrechtslehre an.1504 Besonders der Muthersche Gedanken fortsetzenden,1505 von Wach begründeten1506 Lehre vom Rechtsschutzanspruch1507 gelingt es, über eine Neubestimmung des Streitgegenstands hinaus dem Zivilprozessrecht eine freiere, wenn auch dem materiellen Zivilrecht immer noch untergeordnete Stellung1508 als Teil des öffentlichen Rechts zuzuweisen. Auch wenn diese Lehre heute von der h. M. abgelehnt und ihre aktuelle Existenzberechtigung bestritten wird,1509 nur noch der davon getrennt zu sehende Justizanspruch anerkannt ist,1510 so ist es doch auf sie, die durch Windscheids Trennung von materiellrechtlichem Anspruch und publizistischem Klagerecht erst ermöglicht wurde,1511 zurückzuführen, dass heute der Zivilprozess einen eigenständigen und vom materiellen Zivilrecht relativ unabhängigen Charakter hat.1512 Neben der Trennung vom Prozess hatte der „Anspruch“ auch noch damit zu kämpfen, dass, wie ja schon Muther hervorgehoben hatte, die Alltagssprache 1502 B. Windscheid, Lehrbuch I (11862) § 122 S. 295 f. u. Fn. 4 1. Satz, (71891) § 122 S. 346 u. Fn. 5 1. Satz. 1503 Simshäuser, Zur Entwicklung (1965) S. 79; ähnlich mit Blick auf die Lehre vom Rechtsschutzanspruch De Boor, Gerichtsschutz (1941) S. 33. 1504 Simshäuser, Zur Entwicklung (1965) S. 101: Windscheid gab den Zivilprozessualisten die „Legitimation, im Hinblick auf das in der actio enthaltene Element des Gerichts einen (publizistischen) Klagrechtsbegriff zu entwickeln“. Zu dieser Entwicklung breit ebd. S. 101 ff. 1505 H. Kaufmann, Zur Geschichte des aktionenrechtlichen Denkens (1964) S. 482– 489, 488. 1506 Wach, Handbuch (1885) § 2 S. 19–24 und ders., Feststellungsanspruch (1888) S. 87 ff. (eigene Zählung des Beitrags S. 15 ff.). 1507 Übersicht von Kipp in Windscheid-Kipp, Lehrbuch I (91906) § 122 Fn. 6 S. 616 f. – vertreten etwa von Langheineken, Urteilsanspruch (1899), dort S. 1–11 Übersicht auch über andere zeitgenössische Klagrechtstheorien, und Hellwig, Anspruch (1900). 1508 s. Simshäuser, Zur Entwicklung (1965) S. 150–152, dessen Ansicht, ebd. S. 138 f., einleuchtet, wonach der materiellrechtliche Anspruch Windscheids „gerichtlicher Verfolgbarkeit“ so lange übergeordnet bleibt, als die Klagbarkeit von der „Vollkraft“ dieses Anspruchs abhängt. 1509 Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht (141986) § 3 S. 14–16; – schon O. Fischer, Recht und Rechtsschutz (1889) S. 73 f.: Wachs (unbewusstes) Ziel sei die überflüssige Verewigung der publizistischen Seite der actiones als „Pendant zu den privatrechtlichen Klagerechten“, ähnlich Leonhard, Anspruchsbegriff (1891) S. 327–364, 359–362. 1510 Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht (141986) § 3 S. 13 f. 1511 Hellwig, Anspruch (1900) S. 121; Langheineken, Anspruch (1903), S. VII; Wach, Feststellungsanspruch (1888) S. 92 (eigene Zählung des Beitrags S. 20). 1512 Eine Wiederannäherung von materiellem und prozessualem Anspruch und damit von Zivilrecht und Prozess versucht Georgiades, Anspruchskonkurrenz (1968), s. dort S. 281 f.
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dem Begriff einen weiteren Inhalt gibt, als ihm nach Windscheids Meinung zusteht. An dieser weiten Bedeutung wurde bis in das 20. Jahrhundert hinein ausdrücklich festgehalten. Weil dem „bloßen Anspruch“ typischerweise das „Mittel seiner Durchsetzung“ fehle, nennt 1891 Hölder auch die klagweise verfolgbare privatrechtliche Forderung „Klage“,1513 und 1936 schreibt Müllereisert dem Anspruch als einem Vorgang „der menschlichen Kraft in ihrem naturgesetzlichen Verlauf“ „ein von jedem positiven Recht unabhängiges Sein“ zu.1514 Auch Dernburg fasst den Anspruch ungewohnt weit als „die Befugniß einer Person gegen eine andere auf eine Leistung bestimmter Art“.1515 Vom 19. Jahrhundert bis in die neuere Zeit wird die Meinung vertreten, Windscheids Anspruch sei mit dem subjektiven Recht identisch.1516 Soweit dies begründet wird, liegt dem einmal die Weigerung zugrunde, innerhalb der subjektiven Rechte die relativen von den absoluten Rechten – etwa bei der Verjährung – zu unterscheiden,1517 zum anderen die Ansicht, der Anspruch ziele letzten Endes auf seine gerichtliche Geltendmachung, die aber seit Windscheid im Unterschied zur actio gerade hinweggedacht werde, so dass nur noch das subjektive Recht allein übrig bleibe.1518 Auch sei die Richtung nach außen im subjektiven Recht Windscheids bereits enthalten.1519 Tatsächlich war für Windscheid ein Anspruch immer klagbar und ohne zugrunde liegendes Recht nicht zu denken.1520 Dafür spricht ebenfalls, dass schon das bloße subjektive Recht als Forderungsrecht eine Richtung auf den Verpflichteten hin enthält1521 und sich für Windscheid sogar das unverletzte absolute Recht aus einer Unzahl von Unterlassungsansprüchen gegen jedermann zusammensetzte.1522 Damit ist jedoch weder für Windscheid noch besonders für die von ihm abweichende Anschauung ein absolutes subjekti-
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Hölder, Pandekten (1891) § 61 Anm. 1 S. 328 gegen Windscheid. Müllereisert, Juristische Grundbegriffe (1936) S. 67. 1515 Dernburg, Pandekten I (1884) § 39 S. 87 f. u. S. 88 Fn. 7, Zitat S. 87. 1516 Bruns, Das heutige römische Recht (41882) S. 428; Bähr, Gutachten (1889) S. 291; Müllereisert, Juristische Grundbegriffe (1936) S. 18 f.; De Boor, Gerichtsschutz (1941), S. 23 ff.; Georgiades, Anspruchskonkurrenz (1968), S. 130, allerdings nur zu Windscheid. 1517 So Bähr, Gutachten (1889) S. 291. 1518 De Boor, Gerichtsschutz (1941) S. 24. 1519 Georgiades, Anspruchskonkurrenz (1968) S. 130. 1520 Das ergibt sich bereits aus seiner Wurzel, der actio. s. aber auch B. Windscheid, Lehrbuch I (11862) § 43 S. 90 und § 122 S. 295 f., (71891) § 43 S. 90 und § 122 S. 346. – Ebenso Brinz, Pandekten I (21873) § 79 S. 252. 1521 s. B. Windscheids Definition des subjektiven Rechts, Lehrbuch I (11862) § 37 S. 81: ein Willensinhalt, der „allen anderen Willen gegenüber zur Geltung gebracht werden“ darf, ähnlich (71891) § 37 S. 87: „Recht auf ein gewisses Verhalten, Thun oder Unterlassen, der dem Berechtigten gegenüberstehenden Personen oder einer gegenüberstehenden Person“. 1522 B. Windscheid, Lehrbuch I (11862) § 43 S. 90 f., (71891) § 43 S. 99 f. 1514
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ves Recht mit den daraus fließenden Ansprüchen identisch. Auch für Windscheid war das dingliche Recht zunächst primär ein Herrschaftsrecht über eine Sache,1523 und für diese heute ganz herrschende Meinung bleibt der Anspruch als aus diesem Recht erwachsendes Verlangenkönnen eine selbständige juristische Größe.1524 Zu Recht wird allerdings auf die enge Verbindung zwischen subjektivem Recht und Anspruch hingewiesen.1525 Da dem Anspruch die actio vorausging und diese immer ein Recht voraussetzte oder gar schuf, ist bis heute der Anspruch ohne zugehöriges Recht grundsätzlich nicht denkbar. Definiert man nun wie Windscheid das subjektive Recht im Sinne der Willenstheorie,1526 so kann der Anspruch darüber hinaus dazu dienen, diese Theorie im 19. Jahrhundert und auch im BGB zu verankern.1527 Dabei ist diese Theorie in der Anspruchslehre des BGB nicht eindeutig festgeschrieben, so dass nicht nur Rechte, sondern auch rechtlich geschützte Interessen wie auch Lebensgüter mit Ansprüchen ausgestattet werden können und auch werden.1528 So vereint heute der „Anspruch“ sich aus Rechten entwickelnde schuldrechtliche – mit dem jeweiligen relativen subjektiven Recht identische – und dingliche Ansprüche sowie aus anderen rechtlich geschützten Instituten und Interessen erwachsende Rechte in sich und dient als Oberbegriff für bestimmte rechtliche Gebilde, die von der Rechtsordnung – unabhängig von ihrer Herkunft – in weiten Teilen gleichmäßig zu behandeln sind.1529 Dass diese Gebilde „Anspruch“ und nicht, wie teilweise angestrebt 1523 B. Windscheid, Lehrbuch I (1862) § 43 S. 90: unmittelbarer Inhalt des dinglichen Rechtes ist, „daß der Berechtigte seinen Willen für eine bestimmte Sache in gewisser Weise geltend machen darf.“ Abweichend aber spätestens (71891) § 38 S. 90 f. 1524 So schon Regelsberger, Pandekten I (1893) § 52 S. 214 f. u. Kipp bei Windscheid-Kipp, Lehrbuch I (91906) § 43 S. 188 f. 1525 Hohner, Subjektlose Rechte (1969) S. 30; Schanze, Art. Anspruch (1972) S. 25– 28, 28; Bucher, Aktionendenken (1986) S. 1–73, 14–16, hält die Betonung des subjektiven Rechts für die zwangsläufige Folge der Verabschiedung der actio durch die Trennung von Prozess und materiellem Recht. 1526 s. u. 3. Teil Abschnitt A. I. 1. b), S. 410. 1527 De Boor, Gerichtsschutz (1941) S. 24, spricht gar von einem Sieg der Willensüber Iherings Interessentheorie. – Dass Windscheid mit seiner Anspruchslehre von vornherein die Willenstheorie durchsetzen wollte, wie Kriechbaum, Ernst Immanuel Bekker (1984) S. 132 f. meint, widerspricht der zeitlichen Abfolge von Windscheids „Actio“, in der subjektives Recht und Willenstheorie nicht problematisiert sind, und seinem Lehrbuch. 1528 So als Anhänger der Interessentheorie Bolze, Anspruch (1902) S. 753–791, 772 f. u. 777 f. unter Hinweis auf § 821 Abs. 1 und Abs. 2, § 825 u. § 861 BGB; auch nach Larenz, Allgemeiner Teil (61983) § 14 S. 232, liegt den Besitzschutzansprüchen kein Recht zugrunde. B. Windscheid, Lehrbuch I (11862) § 148 S. 365 Fn. 6, führt sie allerdings auf eine Verletzung des subjektiven Rechts auf Gleichheit und Gleichbehandlung jedes Rechtsgenossen und Achtung seines Willens zurück. 1529 Weite Definition des Anspruchs bei Bolze, Anspruch (1902) S. 753–791, 787; zum Text vgl. Georgiades, Anspruchskonkurrenz (1968) S. 134, und Larenz, Allgemeiner Teil (61983) § 14 S. 233. – Auf den obligationsähnlichen Charakter aller Ansprüche weisen schon Neuner, Privatrechtsverhältnisse (1866) S. 57, und O. Fischer, Recht und Rechtsschutz (1889) S. 333, hin.
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wurde, „Forderung“ genannt werden,1530 liegt an der sprachlichen Entwicklung, die heute noch mehr als damals „Forderung“ dem Bereich des Schuldrechts zuordnet1531 – wo beide Begriffe synonym sind – und „dingliche Forderungen“ eigentlich1532 nicht kennt. Windscheid, der in der ,Actio‘ als Grund für die Entstehung eines dinglichen Anspruchs nur die Verletzung des dinglichen Rechts nennt, nahm seit 1862 an, dass schon aus dem nicht beeinträchtigten dinglichen Recht unzählige Ansprüche auf Unterlassen einer Störung gegen Jedermann erwüchsen.1533 Diese Ansicht fand nur wenige Befürworter,1534 während zahlreiche Stimmen dagegen auftraten. Ihre häufigsten Begründungen sind, dass jeder Anspruch ein Gegenüber, einen realen Gegner erfordere, den das unbeeinträchtigte dingliche Recht nicht kenne,1535 sowie dass der dingliche Anspruch erst aus einem Defekt des dinglichen Rechts entstehen könne.1536 Auch sei dieser Anspruch juristisch unbrauchbar, da er weder gerichtlich verfolgt werden könne noch verjähre oder zessionsfähig sei.1537 Zugleich lehnt Kipp, ein Gegner dieser Unterlassungsansprüche, der der Willenstheorie folgt, jedoch auch mit Windscheid die Definition der dinglichen Rechte als Herrschaftsrechte über eine Sache ab, da sich der menschliche Wille nur von Person zu Person, nicht gegenüber einer Sache äußern könne.1538 1530 Das forderte O. Fischer, Recht und Rechtsschutz (1889) S. 88–92, der S. 77 ff. zeigt, dass schon im BGB-Entwurf 1888 über eine Leistung hinausreichende Befugnisse Anspruch genannt wurden. – A.A. Leonhard, Anspruchsbegriff (1891) S. 327–364, 338 f. 1531 So schon Leonhard, Anspruchsbegriff (1891) S. 338–340 u. Hellwig, Anspruch (1900) S. 5 f. Fn. 16; Larenz, Allgemeiner Teil (61983) § 14 S. 231 f.; Lange, Art. Anspruch (1987) S. 1. 1532 Auf den insoweit uneinheitlichen Sprachgebrauch des BGB weist Medicus, Allgemeiner Teil (31988) § 11 Rn. 75, hin. 1533 B. Windscheid, Actio (1856) S. 222 f., ders., Lehrbuch I (11862) § 43 S. 90 f., 7 ( 1891) § 43 S. 99 f., ebd. § 38 S. 91 Fn. 2 nach Hinweis von Rümelin, Obligation (1885) S. 151–216, 200 f. (dort Verweis auf Bierling, Juristische Grundbegriffe) auf die der gleichen Rechtsordnung Unterworfenen ausdrücklich beschränkt. 1534 Schey, Rechtsverwandlungen (1880) S. 746–774, 768 u. 772; Langheineken, Anspruch (1903) S. V und S. 8, der jedoch gegen B. Windscheid, Lehrbuch I (71891) § 38 S. 91 Fn. 3, daneben auch noch Befugnisse aus dinglichem Recht kennt; begrenzt auf das im dinglichen Recht enthaltene Verbietungsrecht Hellwig, Anspruch (1900) S. 25. 1535 Neuner, Privatrechtsverhältnisse (1866) S. 158 u. S. 170 f.; Brinz, Pandekten I (21873) § 79 S. 253; Kuntze, Obligationen (1886) S. 76 f. u. S. 88; Regelsberger, Pandekten I (1893) § 52 S. 213. 1536 Neuner, Privatrechtsverhältnisse (1866) S. 158 u. S. 170 f.; Kohler, Recht und Prozeß (1887) S. 1–40, 10 f.; Bolze, Anspruch (1902) S. 753–791, 774 f.; De Boor, Gerichtsschutz (1941) S. 22. 1537 Regelsberger, Pandekten I (1893) § 52 S. 216, Kipp bei Windscheid-Kipp, Lehrbuch I (91906) § 43 S. 184 Fn. 3, dort auch reichliche Nachweise zu beiden vertretenen Meinungen. 1538 So B. Windscheid, Lehrbuch I (71891) § 38 S. 90 f., noch weit weniger rigoros (11862) § 38 S. 82 f. u. § 40 S. 84 f., und Kipp bei Windscheid-Kipp, Lehrbuch (91906) § 43 Fn. 3 S. 185.
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Dieser Gesichtspunkt spielt für Vertreter der Interessentheorie, denen die von der Rechtsordnung verliehene interessengerechte ausschließliche Nutzungs- und Verfügungsmöglichkeit zur Definition eines dinglichen Rechtes ausreicht, dagegen keine Rolle.1539 Eine weitere Schwierigkeit stellt die Figur der in einem Unterlassen bestehenden Grunddienstbarkeit dar.1540 Damit lässt sich jedoch Windscheids Theorie nicht überzeugend bestätigen, denn anders als beim Sacheigentum ist der Kreis der betroffenen und gegebenenfalls zu verpflichtenden Personen auf die jeweiligen Grundeigentümer begrenzt und daher von einem Anspruch gegen jedermann, ohne den dieses Recht nicht durchgesetzt werden könne, keine Rede. Auch mit Blick auf das BGB konnte dieser Streit nicht bereinigt werden.1541 Noch heute finden sich unverändert beide Auffassungen, ohne dass freilich die theoretische Grundlage der bekannten Argumente, der Streit um die Bedeutung des Willens für die Rechtsordnung, offen gelegt würde.1542 Aus der Trennung des Anspruchs von Prozess und ,Klagrecht‘ ergibt sich als weitere Frage, ob jeder Anspruch klagweise durchsetzbar sein muss, oder ob das kein Erfordernis seines Bestehens ist, sowie als Konsequenz dessen die Frage nach der rechtlichen Beurteilung der Naturalobligation. Für Windscheid gehörte, wie bereits gezeigt, die klagweise Geltendmachung unmittelbar zum Anspruch.1543 War diese von vornherein nicht gegeben, so handelte es sich um eine naturalis obligatio, die Windscheid eigentlich nicht mehr als rechtlichen, nur noch als rechtsähnlichen Begriff auffasste, was ihre rechtliche Berücksichtigung im Einzelfall – mit Ausnahme der Klagbarkeit – nicht hinderte.1544 Fiel sie nach Eintritt der Verjährung weg, so führte das zum Untergang des Anspruchs.1545 Was blieb, war beim dinglichen Anspruch das nicht damit identische dingliche Recht, während zusammen mit dem schuldrechtlichen Anspruch auch das Recht 1539
Bolze, Anspruch (1902) S. 753–791, 781 u. 783–785. Angeführt von Hellwig, Anspruch (1900) S. 26, und Langheineken, Anspruch (1903) S. 9. 1541 Für Schanze, Art. Anspruch (1972) S. 25–28, 26 sind nach der BGB-Dogmatik die dinglichen Ansprüche Ausflüsse des Herrschaftsrechtes selbst, nicht seiner Verletzung. – Dagegen O. Fischer, Recht und Rechtsschutz (1889) S. 72 u. S. 77; Kipp in Windscheid-Kipp, Lehrbuch I (91906) § 43 S. 189. 1542 Gegen Unterlassungsansprüche gegen Jedermann, da ein Anspruch einen bestimmten Gegner erfordere, Larenz, Allgemeiner Teil (61983) § 14 S. 234; für diese Vorstellung Lange, Art. Anspruch (1987) S. 1. 1543 s. auch B. Windscheid, Lehrbuch I (11862) § 44 S. 92 u. Fn. 2, (71891) § 44 S. 102 u. Fn. 3. 1544 B. Windscheid, Lehrbuch II (11865) §§ 287–289 S. 106–120, § 288 S. 110: „. . . ist die Klagbefugniß so sehr die Voraussetzung der Realisirung der durch das Recht gewährten Macht, daß, wo sie fehlt, man wohl berechtigt ist, von einem nur uneigentlichen Rechte zu reden.“ (71891) §§ 287–289 S. 102–114. – Ähnlich Bekker, Aktionen I (1871) S. 6. 1545 Durch Begründung einer den Anspruch ausschließenden Einrede, B. Windscheid, Lehrbuch I (11862) § 112 S. 265 f., (71891) § 112 S. 317 f. 1540
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unterging, ohne etwa – wie Windscheid gegen die h. M. mit Hinweis auf seine Gleichsetzung von actio und Anspruch betonte – eine Naturalobligation übrig zu lassen.1546 Dass der Anspruch klagbar sein müsse, meinten auch noch die Verfasser des BGB, wie die nur so zu erklärende komplizierte Ausdrucksweise in den §§ 656 und 762 Abs. 1 zeigt.1547 Jedoch führt eine Einrede wie die der Verjährung nicht zum Untergang, sondern nur zur Beschränkung des weiterhin existenten Anspruchs,1548 was beweist, dass anders als bei Windscheid der Anspruch nicht mehr mit der actio gleichgesetzt wird und sich das Gesetz so, indem es sich im Ergebnis der in der Pandektistik herrschenden Meinung anschließt, zugleich von der Wurzel dieses Begriffs löst.1549 Parallel dazu wird – eine ebenfalls über Windscheid hinausreichende Entfernung vom aktionenrechtlichen Denken – die Naturalobligation voll in den Bereich des Rechts integriert und auch im BGB gefunden.1550 Zu dieser Kategorie werden dann auch die nach Verjährung klaglosen Ansprüche gerechnet.1551 Damit ist die heute geläufige Verbindung von verjährtem Anspruch und Naturalobligation oder unvollkommener Verbindlichkeit wieder hergestellt, die sich zwar schon in der Pandektistik findet, vom „Entdecker“ des Anspruchs aber nie akzeptiert worden ist. Weitere Einwände gehen dahin, Windscheid habe zwar die actio als Begriff, nicht aber deren Gegenstand verabschiedet. Schon Bekker warf Windscheid vor, er habe sein Ziel nicht erreicht. Seine Verdeutschung betreffe allein den Ausdruck, nicht den Inhalt. Er habe den sachlichen Unterschied zwischen actio und Anspruch nicht erkannt und so entgegen seiner erklärten Absicht „der römischen B. Windscheid, Lehrbuch I (11862) § 112 S. 266 f., (71891) § 112 S. 317–319, Nachw. zum Meinungsstand S. 317 f. Fn. 3 u. 4. 1547 Kipp bei Windscheid-Kipp, Lehrbuch I (91906) § 43 Fn. 6a S. 188; Hanausek, Gutachten (1889). S. 317 f.; a. A. Hellwig, Anspruch (1900) S. 8. – Ablehnend zur Klagbarkeit des Anspruchs schon 1893 Regelsberger, Pandekten I § 52 S. 214. 1548 Kipp in Windscheid-Kipp, Lehrbuch I (91906) § 43 S. 188; Hellwig, Anspruch (1900) S. 8; Bolze, Anspruch (1902) S. 753–791, 761; Hanausek, Gutachten (1889) S. 315 f.; dies führte Langheineken, Anspruch (1903), auf den Begriff des „verhaltenen Anspruchs“, ebd. S. IV f. u. S. 21 f. 1549 So ausdrücklich Hellwig, Anspruch (1900) S. 8 Fn. 26. 1550 So schon Kuntze, Obligationen (1886) S. 86, Kohler, Recht und Prozeß (1887) S. 1–40, 14 u. Regelsberger, Pandekten I (1893) § 52 S. 214; zum BGB Hanausek, Gutachten (1889) S. 317 f., Medicus, Bürgerliches Recht (111983) § 3 II Rn. 39. 1551 Palandt-Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch (1990) vor § 241 4)aa); Fikentscher, Schuldrecht (61976) § 16 I 1.a) S. 48; Brox, Allgemeines Schuldrecht (71978) § 2 Rn. 18; ähnlich Medicus, Bürgerliches Recht (111983) § 3 II Rn. 42; anders, nämlich immer noch gegen die BGB-Definition den Begriff des Anspruchs von der Klagbarkeit abhängig machend Esser, Einführung (1949), S. 311, Rehbinder, Einführung (61988), S. 102 f. und Larenz, Allgemeiner Teil (61983) § 14 S. 232; – wieder anders RosenbergSchwab, Zivilprozeßrecht (141986) § 4 S. 16, für die verjährte Forderungen klagbare, wenn auch unbegründete Ansprüche bleiben, unvollkommene Verbindlichkeiten nicht als Ansprüche zu bezeichnen sind und die daher nur in den §§ 1001 BGB und 375 HGB unklagbare Ansprüche sehen. 1546
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Lehre . . . die Herrschaft über unser Recht erhalten“.1552 Im Grunde vermisst Bekker bei Windscheid das von ihm geforderte „Auseinanderdenken“ 1553 von römischer und heutiger actio, ohne dass er selbst jedoch für das geltende Recht ausdrücklich wesentlich andere Vorstellungen entwickeln würde.1554 Immerhin folgt aus seiner Analyse die Ablehnung der Correalobligation, eine andere dogmatische Behandlung der condictio und der Novation für das moderne Recht, womit er tatsächlich über Windscheid hinausgeht.1555 Weit grundsätzlicher als der Romanist Bekker lehnt der Germanist Gierke den Anspruch ab als einen „Ersatzbegriff“, der von der „Pandektenjurisprudenz“ „erzeugt und willkürlich auf einen dazu gepreßten deutschen Namen getauft“ worden sei.1556 Für sein „deutsches Rechtsbewußtsein“ gibt es nur Rechte und Klagen; den aus dem Aktionenrecht stammenden Anspruch nennt er ein „fremdartiges und nebelhaftes Gebilde“, nicht nur „überflüssig“, sondern gar „schädlich“ und „ausschließlich zu dem Zwecke geschaffen, um von [der actio] soviel zu retten, als nach dem Untergange des römischen Aktionensystems irgend sich retten läßt“.1557 Gierkes Haltung erklärt sich nicht allein aus seiner deutschrechtlichen Sicht, sondern auch daraus, dass er – anders als die damalige, von Windscheid maßgeblich beeinflusste Pandektistik – sich gegen die „gänzliche Sonderung“ von Privatrecht und Prozess ausspricht.1558 Verglichen damit klingt Fischers Kritik sehr gemäßigt. Er findet eine zu starke Anlehnung des Anspruchs an die actio darin, dass in ihm, seiner Ansicht nach „unnatürlich und verwirrend“, neben der Verpflichtung zu einem Tun auch die zu einem Unterlassen enthalten sei.1559 Windscheid hätte diesen letzten Einwand wohl ohne weitere Diskussion als bloße „terminologische Erwägung“ abgetan.1560 Gierkes Widerspruch ist sicher ernster zu nehmen, aber ebenfalls keiner einverständlichen Klärung zugänglich, denn Windscheid wollte ja wirklich – den deutschen Bedürfnissen adaptiertes und gegebenenfalls auch mit deutschrechtlichen Inhalten harmonisiertes – römisches Recht behandeln, keines-
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Bekker, Über Windscheid’s Lehrbuch (1863) S. 389–412, 400–402, 407 (Zitat) u.
412. 1553
So Bekker, Rez. Prinz, Actionenrecht (1870) S. 587–596, 590. Konkret empfiehlt Bekker, Aktionen II (1873) S. 252 u. S. 257–259, für seinen ,Anspruch‘ ohne actio den Begriff klagloser Anspruch und die Ersetzung der bisherigen Aktionenverjährung bzw. -konkurrenz durch eine Anspruchsverjährung sowie -konkurrenz; s dazu Kriechbaum, Ernst Immanuel Bekker (1984) S. 42–44. 1555 Kriechbaum, Ernst Immanuel Bekker (1984) S. 51, S. 73 u. S. 75 f. 1556 Gierke, Entwurf (21889) S. 41. 1557 Gierke, Entwurf (21889) S. 40–43. 1558 Gierke, Entwurf (21889) S. 43 Fn. 1. 1559 O. Fischer, Recht und Rechtsschutz (1889) S. 71 f., Zitat S. 72. 1560 Wie er dies – mit geringerem Recht – in der Diskussion um das Verhältnis von dinglichem Recht und dinglichem Anspruch mit der Frage seiner Opponenten nach dem Grund und dem Gegner seines Unterlassungsanspruchs gegen jedermann tatsächlich getan hat, B. Windscheid, Lehrbuch I (71891) § 43 S. 100 Fn. 3. 1554
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wegs dessen von ihm für nach wie vor gültig gehaltene Normen widerstandslos preisgeben. Am gerechtesten, Windscheid’schen Gedanken am ehesten entsprechend, argumentiert Bekker. Doch da sein Studienobjekt das klassische Recht ist, dem er keinen Gegenentwurf für das moderne Recht gegenüberstellt, kam es zu keiner weiterführenden Diskussion zwischen beiden. Für ein näheres Eingehen in der Sache ist hier nicht der Ort, denn Bekkers Anspruch spielte für das 19. Jahrhundert keine Rolle. Tendenziös weil zeitgebunden ist De Boors Klage, Windscheid habe zwar mit der Trennung von Anspruch und Prozess die „erste formale Möglichkeit zur Überwindung des aktionenrechtlichen Denkens“ geschaffen, aber zugleich mit der Schaffung des Anspruchs die „Aufrechterhaltung aktionenrechtlichen Denkens“ – verstanden als das Denken des Rechts hin auf den Konfliktfall zwischen Einzelpersonen – „in unserem Privatrecht“ bewirkt.1561 Dass diese zutreffende Feststellung eine herbe Kritik enthält, liegt an De Boors grundlegend anderen Vorstellungen von den Aufgaben der Rechtsordnung. Er, der den „individualistischen Freiheitsbegriff“ ablehnt, fordert die rechtliche Gestaltung der Lebensordnung als eine „objektive“ „Pflichtenordnung“ „zum Wohl der Volksgemeinschaft“.1562 Auch heute noch bedenkenswerte Überlegungen zu in einem Anspruchssystem schwer fassbaren Erscheinungen1563 dienen hier nur als unterstützende Argumente für den im grundsätzlichen geforderten Wandel. Neben diese das aktionenrechtliche oder Anspruchsdenken von ihrer jeweiligen Position aus ablehnende Stimmen traten und treten Meinungen, wonach aus dem lebendigen Recht diese Art der Lösung rechtlicher Fragen gar nicht wegzudenken sei, sie umgekehrt gefordert und gefördert werden solle. Der Senatspräsident des Reichsgerichts Bolze wies 1902 darauf hin, dass sich Recht nicht nur in vornormierten Bahnen bewege, sondern die Praxis regelmäßig mit „pathologischen“ Fällen zu tun habe, für die es eine passende rechtliche Regelung noch nicht gebe. Dennoch müsse über die Schutzbedürftigkeit der dabei betroffenen Interessen entschieden werden. Daraus entwickele sich ein „zweiter mächtiger Stamm des Rechts“, so dass nicht nur in Rom sondern noch heute in gewisser Weise die Rechtsordnung die Ordnung der gerichtlich verfolgbaren Ansprüche geblieben sei.1564 Schanzes Äußerungen von 1972 zum sich „autonom in der Pro1561 De Boor, Gerichtsschutz (1941) S. 21–23, Zitate S. 21 u. 23, ebd. S. 21 auch die interessante, aus Windscheids Biographie jedoch nicht zu belegende These, Windscheid habe, um das römische Recht zu erhalten, dessen Trennung vom Prozess zu jener Zeit erreichen müssen, da es bei einer schon absehbaren Zivilprozessreform Schaden genommen hätte. 1562 De Boor, Gerichtsschutz (1941) S. 40 f. 1563 Zu nennen sind die Vernachlässigung des Vermögensbegriffs, da ohne Beziehungen zu den einzelnen actiones, die Probleme der gemischten Verträge, der faktischen Verträge und der Unterlassungspflichten bei Dauerschuldverhältnissen und besonders die Fälle der Drittschadensliquidation und der Produzentenhaftung (Kettenverträge), De Boor, Gerichtsschutz (1941) S. 36–39. 1564 Bolze, Anspruch (1902) S. 753–791, 788 f., Zitat S. 789.
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zeßpraxis entwickel[nden] Richterrecht“ greifen diesen Gedanken wieder auf. Für ihn besteht der Sinn dieses neuen „aktionenrechtliche[n] Denken[s]“ darin, durch die Formulierung eines Anspruchs eine nachträgliche rationale Begründungsformel für die getroffene Entscheidung zu finden, die deshalb überzeugend wirke, weil in dem Anspruchsbegriff der Bedeutungsgehalt der actio enthalten sei.1565 Dem damit unterschwellig gezogenen Vergleich zwischen römischem Prätor und deutschem Richter hätte Windscheid, gerade als Autor der ,Actio‘, sicher nicht zugestimmt, jedoch zugleich – je nach dem Gegenstand des Streites verschieden – dem Richter bei der Entscheidung neuer Fallkonstellationen innerhalb des Rechts weite Auslegungsspielräume gelassen.1566 In jüngerer Vergangenheit trat Bucher mit einem Appell „für mehr Aktionendenken“ an die Öffentlichkeit, worunter er nicht eine erneute Verbindung von materiellem Recht und Prozess versteht, sondern innerhalb des bürgerlichen Rechts ein verstärktes Denken in Ansprüchen auf deren historischer Grundlage, wie sie von Windscheid eingeführt worden waren. Für Bucher ist eine Reihe von unbefriedigenden rechtlichen Entscheidungen und ungenauen Beschreibungen von Rechtsverhältnissen darauf zurückzuführen, dass heutige Juristen zu sehr „normativ“, d.h. in objektiven Rechtsnormen und Pflichten, denken und zu wenig an den Konflikt von Rechten und dessen angemessene oder allein mögliche Lösung.1567 Diese wechselnden Stimmungen pro und contra aktionenrechtlichen Denkens werden gewiss auch in der Zukunft anhalten, veranlasst durch sich auch weiterhin verändernde rechtliche wie politische Leitbilder. Unabhängig davon ist Windscheids „Anspruch“ aus juristischer Terminologie und Vorstellung nicht mehr wegzudenken. Welche Bedeutung dieser Begriff tatsächlich hat, zeigt sich daran, dass er über das Zivilrecht hinaus im öffentlichen Recht und sogar im Strafrecht einen festen Platz gefunden hat.1568 Es entspräche der historischen Logik, wenn eines Tages die mit den actiones in manchem vergleichbare Unterscheidung zwischen Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage und allgemeiner Leistungsklage des öffentlichen Rechts entfiele und das unterscheidende Kriterium des Verwaltungsakts einem allgemeinen, dem jeweiligen subjektiven öffentlichen Recht entsprechenden justiziablen Anspruch Platz machte.
1565 Schanze, Art. Anspruch (1972) S. 25–28, 28. Vgl. auch Rehbinder, Einführung (61988) S. 105 f. 1566 Zu Windscheids Richterbild s. u. 3. Teil Abschnitt A. V. und allgemein Falk, Ein Gelehrter wie Windscheid (1989) S. 215–222; hier sei nur auf die Bedeutung hingewiesen, die Windscheid in dieser Frage der römischen Unterscheidung von actio stricti iuris und bonae fidei actiones auch für das moderne Recht beimisst, Lehrbuch I (11862) § 46 S. 97–101, bes. S. 101 Fn. 5–7, (71891) § 46 S. 107–111. 1567 Bucher, Aktionendenken (1986) S. 1–73, bes. 7–16. 1568 s. Schanze, Art. Anspruch (1972), S. 27 u. Lange, Art. Anspruch (1987) S. 2.
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4. Rezension von Friedrich Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht 1853 u. 1855 (1855 u. 1856)1569 Windscheids ebenso engagierte wie ausführliche Rezension von Mommsens in drei Teilen erschienenen Beiträgen zeigt, dass er sehr schnell auf diese herausragende Monographie aufmerksam geworden ist und ihre Bedeutung erkannt hat.1570 Auf Mommsen wird denn auch in Windscheids Lehrbuch an den einschlägigen Stellen deutlich hingewiesen. Sein Name erscheint als einziger monographischer Hinweis bei Windscheids Besprechung der Unmöglichkeit der Leistung,1571 dessen zweiter Beitrag wird als „Hauptwerk über die Lehre vom Interesse“ gerühmt1572 und auch Mommsens „Lehre von der Mora“ nennt Windscheid in den Abschnitten über den Verzug an prominenter Stelle und zitiert sie häufig.1573 Entscheidende neue Gedanken zu Inhalt oder Methode des von Mommsen Dargestellten enthalten Windscheids Rezensionen nicht. Jedoch ist dessen mit insgesamt 113 Seiten sehr langer Kommentar natürlich mehr als eine bloße Wiedergabe Mommsenscher Gedanken. Wenn er auch nur einmal zu einer allgemeinen Frage, nämlich dem Inhalt der Obligation, Stellung nimmt, so geht Windscheid doch vielfach genauer auf Argumentationen wie Ergebnisse ein und weicht dabei öfter von Mommsen ab. Da es hier nur um Windscheids Kommentare und nicht um Mommsens Monographie gehen kann, werden Sachprobleme nur insoweit vorgestellt, als an ihnen Windscheids eigene Überlegungen angreifen. Dabei erscheint besonders typisch, wie Windscheid immer wieder innerlich logisch konsequente wie auch äußerlich praktikable und zugleich dem Wesen der Frage entsprechende Lösungen findet.
1569 Aus den vier von Windscheid in Greifswald verfassten reinen Rezensionen (Titel s. im Werkverzeichnis) ragt diese einerseits durch die Bedeutung des besprochenen Werks, andererseits durch ihre Ausführlichkeit (insgesamt 113 Seiten) deutlich heraus. Sie allein verdient daher eine gesonderte Vorstellung. 1570 Nach Wollschläger, Unmöglichkeitslehre (1970) S. 119, ist Mommsens Werk ein „Markstein in der Dogmengeschichte der Leistungsstörungen“ und dessen erster Teil über die Unmöglichkeit der Leistung die erste und einzige bedeutende Monographie zu diesem Thema. 1571 B. Windscheid, Lehrbuch II (11865) § 264 S. 46 Fn. *) (Unmöglichkeit), in der 7. Aufl. 1891 wird dort, § 264 S. 50 Fn. *), lediglich auf eine weitere Monographie hingewiesen: Hartmann, Die Obligation (1875). 1572 B. Windscheid, Lehrbuch II (11865) § 257 S. 25 Fn. *), ebenso ebd. (71891) § 257 S. 30 Fn *). 1573 B. Windscheid, Lehrbuch II (11865) §§ 276–281 S. 70–87 (Schuldnerverzug), S. 70 Fn. *) u. §§ 345 f. S. 270–275 (Gläubigerverzug) S. 270 Fn. *). Ebd. (71891) §§ 276–281 S. 73–89 (Schuldnerverzug) S. 73 Fn. *) u. §§ 345 f. S. 279–285 (Gläubigerverzug) S. 279 Fn. *). – Wie weit Windscheid die einzelnen in Mommsens Schrift enthaltenen Ansichten tatsächlich übernommen hat, wie Emmerich, Leistungsstörungen (21986) S. 9 ohne Nachweis behauptet, bliebe in einer gesonderten Abhandlung noch zu untersuchen.
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a) Erste Abtheilung. Die Unmöglichkeit der Leistung in ihrem Einfluß auf obligatorische Verhältnisse, 1853 (1855)1574 Hier wie auch an den anderen Abschnitten lobt Windscheid Mommsens gründliche und eingehende Behandlung des Themas. Dagegen lasse die Darstellung hinsichtlich „Faßlichkeit und Durchsichtigkeit“ doch berechtigte Wünsche des Lesers unbefriedigt.1575 Die Rezension folgt der von Mommsen vorgenommenen Unterteilung in ursprüngliche und nachträgliche, objektive und subjektive sowie vorübergehende und teilweise Unmöglichkeit. Zu letzterer zählt auch die einem Qualitätsversprechen nicht entsprechende Leistung sowie die Leistung zur falschen Zeit. Wegen ursprünglicher objektiver Unmöglichkeit haftet nach Windscheid der Schuldner deshalb nicht, weil die „auf ein Unmögliches“ gerichtete Willensbindung „ein Widerspruch in sich selbst“ sei.1576 Mommsens nicht ganz befriedigende Folgerungen aus dem präsumtiven Willen der Parteien seien darum unnötig. Dass der Kaufvertrag über eine nicht bestehende Forderung gültig sei, sei davon – entgegen Mommsen – keine Ausnahme, vielmehr überhaupt kein Fall der Unmöglichkeit, da das Recht an sich ja nicht unmöglich sei, nur dem Verkäufer fehle.1577 Bei ursprünglicher subjektiver Unmöglichkeit haftet nach Ansicht beider der Schuldner nicht in jedem Fall, wobei das entscheidende Kriterium aber nicht allein sein Verschulden ist. Die falsche Beurteilung der Verhältnisse hilft dem Schuldner auch dann nicht, wenn sie unverschuldet ist, während er dann nicht hafte, wenn „inzwischen ein“ – rechtliches oder faktisches – „Ereigniß eingetreten ist, welches ihm die früher vorhandene Möglichkeit zur Leistung genommen hat.“ 1578 Die subjektive wie objektive nachträgliche Unmöglichkeit befreit den Schuldner, „wenn sie ohne sein Verschulden eingetreten“ ist.1579 Dabei hat der Schuld1574
Krit.Zeitschr. 2 (1855) S. 106–145. B. Windscheid, Rez. Mommsen Obligationenrecht I (1855) S. 106 (auch Zitat) u. 145, ders., Rez. Mommsen Obligationenrecht II (1855) S. 525 (Kritik gemildert), ders., Rez. Mommsen Obligationenrecht III (1856) S. 254. – Urteil bestätigt von Jakobs, Unmöglichkeit (1969) S. 112. 1576 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht I (1855) S. 115. 1577 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht I (1855) S. 116–118. 1578 B. Windscheid, Rez. Mommsen Obligationenrecht I (1855) S. 109. – Windscheid gibt diese die Haftung des Schuldners in einem besonderen Fall aufhebende Meinung, die Mommsen ausdrücklich akzeptiert hat (Mommsen, Beiträge III [1855] S. 407 f.), seit 1865 mit der Begründung auf, sie bewerte weder das Verschulden des Versprechenden richtig noch finde sie eine deutliche Stütze in den Quellen (B. Windscheid, Lehrbuch II (11865) § 315 S. 182 Fn. 3); dazu Demmer, Haftung des Schuldners (1974) S. 15–17. 1579 Darauf, dass für Windscheid wie Mommsen weniger die Frage der Trennung von Unmöglichkeit und bloßer Leistungserschwernis als vielmehr die des Verschuldens ent1575
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ner – für Windscheid entgegen Mommsen auch im Fall der bedingten Obligation – seine Schuldlosigkeit zu beweisen.1580 Ein Fall der befreienden subjektiven nachträglichen Unmöglichkeit ist für Windscheid auch der vollständige Vermögensverlust. Folge dessen ist, dass bei Wiedererlangen von Geld zwar die Hauptschuld im alten Umfang wieder auflebe, der Gläubiger aber seinen Verzugsschaden nicht geltend machen könne.1581 Ausnahmen vom Verschuldenserfordernis sind für Windscheid weder die Haftung für zufällige Unmöglichkeit nach Verzug, da der Verzug Verschulden voraussetze und die Haftung auf das kausal auf dem Verzug Beruhende beschränkt sei,1582 noch – gegen Mommsen – die Verpflichtung des Schuldners ex causa lucrativa, auch dann noch zu leisten, wenn der Gläubiger die Sache ex causa onerosa bereits erhalten habe. Denn Leistungsinhalt sei nicht nur „Prästation der Sache“, sondern auch, „daß der Gläubiger in die Lage versetzt werde, in welcher er sein würde, wenn er keine Aufopferungen zur Erlangung der Sache hätte zu machen brauchen“.1583 Bei der teilweisen Unmöglichkeit geht Windscheid zunächst auf die grundsätzliche Frage ein, ob und wenn ja wann der noch mögliche Teil geleistet werden solle, sowie, ob bei gegenseitigen Obligationen ein Rücktrittsrecht für die andere Seite bestehe oder nur anteilige Minderung der Gegenleistung eintrete. Wie Mommsen ist auch Windscheid der Meinung, dass dies vor allem vom Willen der Betroffenen bei Begründung der Obligation abhängen müsse, wobei er jedoch im Einzelnen beweglicher als Mommsen argumentiert,1584 auch die Frage scheidend ist, geht ausführlich, besonders gegen Rabel, Unmöglichkeit (1907) S. 171– 237, gerichtet, Jakobs, Unmöglichkeit (1969) bes. S. 141–144, ähnlich S. 119 u. S. 128 f., ein. Sein ebd. S. 144 gegen Windscheid erhobener Vorwurf des „Begriffsjuristische[n]“ ist hierbei nur verständlich im Zusammenhang mit der sich anschließenden eigenartigen Definition, wonach es darin bestehe, „die Dinge nicht beim Namen zu nennen“. 1580 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht I (1855) S. 126 f., Zitat S. 127. 1581 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht I (1855) S. 112 f. u. gg. die h. M. seit 1865 im Lehrbuch II § 277 Fn. 8 (11865 S. 72 f.). – Diese Abweichung zeigt, dass Windscheid weniger als Mommsen den „rigorosen Gläubigerinteressen des Kapitalismus“ (Wollschläger, Unmöglichkeitslehre [1970] S. 151 zu Mommsen, ähnlich ders., S. 166) gerecht wird. – Ob die von Wollschläger ebd. S. 165 angenommene „verwandte Geisteshaltung“ beider auf Mommsens Stellung „als konservativer Exponent des wissenschaftlichen Positivismus der historischen Schule“ (a. a. O.) zurückzuführen ist, erscheint nicht allein, aber auch schon darum fragwürdig. 1582 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht I (1855) S. 129 f.; gegen Mommsen genügt Windscheid nicht schon, dass der Gläubiger die Möglichkeit des Verkaufs der termingerecht geleisteten Sache beweist, sondern notwendig sei der Beweis, dass der Gläubiger verkauft hätte. 1583 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht I (1855) S. 130–132, Zitat S. 131; das gilt nur dann kraft gesetzlicher Ausnahme nicht, wenn zwei obligationes ex lucrative causa zusammentreffen, ebd. S. 133. 1584 Rücktritt für Windscheid dann, wenn unter den gegebenen Umständen der Partner „offenbar“ nicht abgeschlossen hätte, wobei dieses ex-post-Urteil nicht pauschal, sondern unter Beachtung möglichst vieler Begleitumstände getroffen wird, ders., Rez. Mommsen, Obligationenrecht I (1855) S. 120 f.
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nach dem Charakter des Rests als Teil der ursprünglich geschuldeten Leistung oder davon unabhängiger Sache nur als Hilfskriterium bei der Analyse des Willens gelten lässt.1585 Gegen Mommsen hält Windscheid nichts von der unbedingten Unteilbarkeit des Werks beim Werkvertrag, besonders dann, wenn eine der Parteien die Unmöglichkeit der vollständigen Herstellung des bestellten Werks gekannt hat. Dann hafte der dolose Teil auf das volle (Erfüllungs-)Interesse.1586 Auch bei der als Teilunmöglichkeit aufgefassten Lieferung von minderer Qualität als vereinbart entscheidet Windscheid anders als Mommsen. Für ihn bedeutet eine Qualitätszusage immer auch ein Haftungsversprechen, so dass nie bloße Minderung, immer Haftung auf das Erfüllungsinteresse eintritt. Eine charakterverändernde Eigenschaftsangabe (die angebliche Goldvase ist aus Messing) führt für Windscheid nicht zwingend zur Nichtigkeit des Vertrages wegen Auseinanderfallens von Willen und Erklärung, sondern er hält eine der Vereinbarung entsprechende Verpflichtung auch des nicht dolos Irrenden für möglich, die dann noch erfüllt werden kann (es bleibt eine Goldvase geschuldet).1587 Auch im Hinblick auf das Schicksal der Gegenleistung bei gegenseitigen Obligationen widerspricht Windscheid Mommsen, der die unterschiedliche Rechtsfolge beim Kauf- und Mietvertrag nach römischem Recht durch eine Fiktion der Erfüllung beim Kauf erklären will. Weitergehend behauptet Windscheid: „der Abschluß des Kaufvertrages ist die Erfüllung“. „Im Kaufvertrag“ sei „der Entäußerungsvertrag bereits . . . abgeschlossen“, mit ihm der Kaufgegenstand Bestandteil des Käufervermögens. Das gelte, obwohl der Käufer auf die Sache nicht mehr als ein Forderungsrecht habe. Nur diese Betrachtungsweise könne plausibel machen, warum bereits mit Vertragsschluss die Gefahr auf den Käufer übergehe und also bei deren Untergang vor Übereignung der schuldlose Verkäufer seinen Anspruch auf die Gegenleistung behalte.1588 Beim Arbeitsvertrag (locatio conductio operarum) lehnt Windscheid Mommsens Begründung bei übereinstimmendem Ergebnis ab. Der Arbeiter, der dienstbereit sei, dessen Dienste aber der Gläubiger schuldlos nicht annehmen könne, erhalte seinen Lohn nicht deshalb, weil hier der Gläubiger auch verschuldensunabhängig hafte, sondern weil er mit dem Zur-Verfügung-Stellen seiner Arbeitskraft seine Verbindlichkeit bereits erfüllt habe.1589 Als letztes Beispiel für Windscheids praktischen Sinn diene die Beweislastverteilung beim Untergang des bereits ausgeführten Werkes. Wolle der 1585
B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht I (1855) S. 119–121. B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht I (1855) S. 121 f., für Teilbarkeit des Werks auch ebd. S. 140 f. 1587 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht I (1855) S. 122–125; bei fehlender Eigenschaftzusage hilft nach Windscheid, ebd. S. 125, gegen den nicht dolosen Verkäufer nur die Berufung auf Ermangelung der Voraussetzung. 1588 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht I (1855) S. 135–137, 1. Zitat S. 136, 2. Zitat S. 137; gleiches gilt für den Tausch, ebd. S. 143. 1589 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht I (1855) S. 138 f. 1586
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Unternehmer seinen vollen Lohn erhalten, so müsse er zwar seine Unschuld am Untergang des Werks beweisen, nicht aber – gegen Mommsen – die Fehlerlosigkeit des Werks selbst, solange es keine Anhaltspunkte für dessen Fehlerhaftigkeit gebe. Angesichts einer regelmäßig fehlerfreien Herstellung und der praktischen Unmöglichkeit dieses Beweises sei nur so eine einseitige Benachteiligung zu vermeiden.1590 b) Zweite Abtheilung. Die Lehre vom Interesse, 1855 (1855)1591 Diese erste zusammenfassende monographische Darstellung zum Thema ist für Windscheid eine der „erfreulichsten Erscheinungen der neueren civilistischen Literatur“.1592 Mommsens der Differenzhypothese entsprechenden modernen Definition des Interesses stimmt Windscheid vorbehaltslos zu.1593 Mit dieser Deutung versperrt er sich, wie Medicus’ historische Forschungen zeigen,1594 den Zugang zum klassischen römischen Recht, so dass alle seine weiteren Ausführungen nur noch für die Deutung und Behandlung des gemeinen Rechts im 19. Jahrhundert relevant sein können. Außer kleineren Differenzen weicht Windscheid auch in wesentlichen Punkten von Mommsen ab. Mit der herrschenden Meinung entgegnet er Mommsen, es sei nicht die Regel, sondern eine Ausnahme, wenn bei Nichterfüllung einer Obligation der Schuldner das volle Interesse und nicht nur den reinen Sachwert zu ersetzen habe. Zwar sei für den Gläubiger nur das Interesse ein angemessenes Äquivalent der Leistung, nicht aber für den Schuldner. Dieser habe nie mehr als den Sachwert leisten wollen, müsse also bei Verpflichtung auf das Interesse unter Umständen mehr erbringen, als er bei Erfüllung der Obligation selbst hätte aufopfern wollen. Dies könne nur bei Verschulden verlangt werden und sei „gegenüber einem schuldlosen Schuldner eine entschiedene Härte“.1595 Die Erörterung des Zusammenhangs zwischen schadenstiftendem Ereignis und Schadenersatz ist Windscheid bei Mommsen zu ungenau und umständlich. Die Unterscheidung zwischen unmittelbar Schaden stiftender Tatsache und zwar verpflichtender, aber nicht unmittelbar Schaden stiftender Tatsache sei wenig hilfreich. Es müsse vielmehr die notwendige Kausalität zwischen haftungsbegründender und den Schaden herbeiführender Tatsache betont werden.1596 Mommsens Meinung, dass vom 1590
B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht I (1855) S. 139 f. Krit.Zeitschr. 2 (1855) S. 525–563. 1592 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht II (1855) S. 526. 1593 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht II (1855) S. 526. 1594 Medicus, Id quod interest (1962) bes. S. 299–317 u. S. 336 f. 1595 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht II (1855) S. 530–535, Zitat S. 531. 1596 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht II (1855) S. 540 f., ähnlich S. 544 f. 1591
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vom Interesse erfassten und zu ersetzenden entgangenen Gewinn ein durch die haftungsbegründende Tatsache herbeigeführter Gewinn abgezogen werden müsse, billigt Windscheid, obwohl die Quellen diese Ansicht nicht stützten.1597 Bei der Feststellung von Ort und Zeit für die richtige Berechnung des Interesses widerspricht Windscheid Mommsens Begründung der Regelung in einzelnen Fällen: Ursache sei hier nicht die zu Unrecht behauptete mangelnde Unterscheidung der Römer von Strafe und Interesse, sondern der Grund liege in den Kausalitätsverhältnissen. Da der Schuldner sich auf nachfolgende Kausalität nicht berufen könne, brauche ihm der Geschädigte in die Zeit nach Entstehung des Schadens auch nicht zu folgen.1598 Auch von Mommsens Äußerungen zur hin und wieder notwendigen Schätzung des Wertes des Interesses weicht Windscheid mehrfach ab: Dass der mit der actio legis aquiliae vorgehende gutgläubige Besitzer wie ein Eigentümer behandelt werde, liege nicht an einer geringeren Freiheit der heutigen Richter bei der Schätzung der Besitzvorteile, sondern an der mit dem Eigentümer vergleichbaren Stellung des bonae fidei possessor im römischen Recht.1599 Vertragliche Restitutionsansprüche gingen nicht deshalb auf den Eigentumswert, weil der dolose Beklagte „durch die Zahlung der Entschädigungssumme die Eigenthumsansprüche erwerbe“ – so Mommsen –, sondern „einfach“ deshalb, weil das Äquivalent für das Haben einer Sache eben ihr Vermögenswert sei.1600 c) Dritte Abtheilung. Die Lehre von der Mora nebst Beiträgen zur Lehre von der Culpa, 1855 (1856)1601 Windscheid vermisst für Mommsens dritte und längste Abteilung, jedenfalls in dieser Ausführlichkeit, das „unmittelbare Bedürfniß“.1602 Dennoch verfolgt er wiederum Mommsens Darlegungen mit der gewohnten Gründlichkeit, wobei er hier Veranlassung auch zu einigen grundsätzlicheren Bemerkungen findet. Die Qualifikation der Interpellation des Gläubigers hänge davon ab, was man als Inhalt der Obligation zu betrachten habe. Falls sie bestimme, dass der Schuldner leisten müsse, sei die Interpellation nur eine von mehreren Möglichkeiten, um den Zeitpunkt der Leistung festzustellen. Laute der Inhalt der Obligation aber nur, dass der Gläubiger fordern könne, so werde durch die Interpellation der Schuldner überhaupt erst zur Leistung verpflichtet. Wie Mommsen findet auch Windscheid im römischen Recht dazu keine eindeutige Aussage. Dass heute die „interpellirende Kraft des dies“ gewohnheitsrechtlich gelte (was nur zum erstge1597
B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht II (1855) S. B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht II (1855) S. 1599 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht II (1855) S. 1600 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht II (1855) S. 1601 Krit.Zeitschr. 3 (1856) S. 253–286. 1602 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht III (1856) Abteilung erfordert bei Mommsen VIII u. 438 S.! 1598
546–549. 549–551. 560. 561. S. 253. Die dritte
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nannten Obligationsinhalt passt),1603 lehnt Windscheid jedoch ab. Mindestens seit 1822 sei dieser Satz in der Wissenschaft nicht mehr unumstritten, und selbst eine möglicherweise vorhandene einheitliche Rechtspraxis lasse nur einen – hier widerlegten – Schluss auf eine konstante Rechtsüberzeugung zu, könne aber kein Gewohnheitsrecht begründen. Nicht einmal theoretisch könne die zu fordernde konstante Rechtsüberzeugung hier binden, denn sie habe nicht etwa eine Norm, sondern nur eine einseitige Wertung des Parteiwillens zum Inhalt. Diese sei deshalb unzulässig, weil je nach Einzelfall die Obligation den einen wie den anderen Inhalt haben könne, der jeweils durch sorgfältige Interpretation ermittelt werden müsse.1604 Interessant erscheint auch, wie Windscheid, mit Mommsen übereinstimmend, seine Überzeugung, dass Verzug Verschulden voraussetze, begründet: „Wer die rechte Zeit der Leistung hat verstreichen lassen, befindet sich in der Unmöglichkeit, seine Verpflichtung zu erfüllen, wie er sie erfüllen sollte. Unmöglichkeit der Erfüllung befreit, wenn sie unverschuldet ist; soll trotz derselben ein Äquivalent gefordert werden können, so muß sie verschuldet sein.“ Von der allgemeinen culpa-Haftung sei der Verzug deshalb zu unterscheiden, weil es bei ihm um die konkrete Frage nach der Einhaltung der richtigen Leistungszeit gehe.1605 Im Konkreten liegt auch der Grund für eine Reihe von Fällen, in denen Windscheid Mommsen widerspricht. Wolle der Gläubiger einer nach Verzug unverschuldet untergegangenen Sache die vom Schuldner vorgebrachte Einwendung mangelnder Kausalität entkräften, so dürfe er sich nur auf einen zwischenzeitlichen (hypothetischen) Verkauf, nicht schon auf dessen Möglichkeit berufen, denn nur jener, nicht aber diese hätte den Gläubiger vor Verlust geschützt.1606 Zur Schadensermittlung hält Windscheid die römischen Regeln über die Schätzungszeit für untauglich, da diese von der heute nicht mehr zutreffenden Notwendigkeit eines Geldurteils ausgingen.1607 In ähnlicher Weise bemüht sich Windscheid erfolgreich um einfache und zeitgemäße Antworten auf die Fragen nach dem Leistungsort, der richtigen Klage und der Haftung Dritter.1608 Daran schließt sich die ganz entsprechende Behandlung von Voraussetzungen und Folgen des Gläubigerverzugs an.1609 Festzuhalten ist hier nur, dass Windscheid gegen Mommsen 1603 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht III (1856) S. 254–256, Zitat Windscheids über Mommsens Ansicht S. 256. 1604 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht III (1856) S. 256–258. 1605 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht III (1856) S. 260. 1606 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht III (1856) S. 261–263; entsprechend auch Windscheids Ausführungen zur Preisveränderung nach Verzugseintritt, ebd. S. 263. 1607 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht III (1856) S. 264 f. 1608 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht III (1856) S. 265 f. (Leistungsort), S. 267 (Klageform, s. dazu oben 3.), S. 267 f. (Haftung Dritter). 1609 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht III (1856) S. 268–275.
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dem Gläubiger für die Ausübung seiner Herrschaft keine Freiheit lässt, sondern ihn zwingt, sie redlich oder überhaupt nicht auszuüben, woraus dann ein Recht des Schuldners auf Annahme seiner korrekt angebotenen Leistung folgt.1610 Windscheid beschließt die ausführliche und detailreiche Kritik mit einem Kommentar zu Mommsens Beiträgen zur Lehre von der culpa, aus dem nur noch ein kleines, aber typisches Detail herausgegriffen werden soll. Getreu römischer Tradition möchte Mommsen bei juristischen wie ärztlichen Dienstleistungen eine bloße dolus-Haftung eintreten lassen. Dazu bemerkt Windscheid, er könne sich sehr wohl vorstellen, „daß im heutigen Leben, wie im römischen noch Fälle vereinbarter Dienstleistung vorkommen, an welche das Rechtsgefühl des Volkes den gewöhnlichen contractlichen Maaßstab anzulegen sich weigert“. Jedoch „die herrschende Auffassung des Lebens scheint mir mit Entschiedenheit den Arzt – so wie auch den Advokaten – auch für Versehen verantwortlich zu machen“.1611 Mit einem Dank für Mommsens freundliche Aufnahme seiner „nicht aus Lust des Tadels“, sondern „als Beitrag zur Lösung oft schwieriger Fragen“ vorgebrachten Kritik beendet Windscheid diese Rezension.1612
F. Professur in München (1857–1871) I. Leben In München erwartete Windscheid eine gespannte Atmosphäre. Besonders konservativ-katholische und traditionell, namentlich auch unter Ludwig I., königsnahe Kreise verstanden die Bemühungen seines Nachfolgers Maximilian II. um eine Erneuerung der Wissenschaften durch Öffnung der bayerischen Grenzen für ausländische Gelehrte – ein wesentliches Element der eigenständigen Politik Bayerns zwischen den Großmächten Österreich und Preußen – nicht und lehnten die – meist protestantischen – „Nordlichter“ ab. Davon waren nicht nur norddeutsche Literaten wie Emanuel Geibel, Friedrich Bodenstedt und Paul Heyse1613 betroffen, sondern neben anderen Vertretern von Kunst und Wissenschaft auch Windscheids Freund Sybel1614 und sein Schweizer Kollege Johann Caspar
1610
B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht III (1856) S. 268–270. B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht III (1856) S. 286. 1612 Ebd. zu Mommsen, Beiträge III, Anhang (S. 407–428). 1613 Zu ihren Berufungen 1852 (Geibel) und 1854 (Heyse, Bodenstedt) Doeberl, Entwicklungsgeschichte Bayerns III (1931) S. 319–323. Zu Heyse s. autobiographisch Heyse, Jugenderinnerungen (1900), biographisch Raff, Heyse (1910), Berufung S. 3 u. S. 16–18, literaturhistorisch Krausnick, Heyse (1974), allgemein den Ausstellungskatalog 1981 zu „Paul Heyse. Münchner Dichterfürst . . .“ (1981). 1614 Roeder, Ernst Zander (1972) S. 245–249; allgemein, auch über Sybel hinaus und mit vielen Nachweisen Dotterweich, Sybel (1978) S. 225–229, S. 237. 1611
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Bluntschli.1615 Umgekehrt waren die meisten Fremden entweder nicht willens oder nicht fähig, sich in die von adeligen Hofkreisen um die Residenz einerseits wie einfachem, bäuerlichen Kreisen noch nahen Bürgertum andererseits geprägte Münchner Gesellschaft einzugliedern und bildeten von den „Eingeborenen“ oder „Autochthonen“ deutlich abgegrenzte eigene Zirkel.1616 Auch wenn Windscheids Berufung in eine relativ späte Zeit fiel1617 und seine Person weitaus weniger polarisierend wirkte als etwa Sybel oder Bluntschli,1618 so waren doch seine gesamte Münchner Zeit, seine persönlichen Beziehungen, sein Wirken an der Universität wie auch bereits seine Berufung von diesem Gegensatz geprägt, der auch ein Gegensatz zwischen kleindeutschem und großdeutschem Entwurf für ein geeintes deutsches Volk war.1619 Windscheid kam als Nachfolger von Ludwig Arndts, einem Vertreter der „ultramontanen“ Partei.1620 Arndts selbst hatte zwar 1855 unter den möglichen jüngeren Kandidaten für seine Nachfolge den ihm seit dessen Bonner Studienzeit bekannten Windscheid an erster Stelle genannt, zog jedoch letztlich den Einheimischen Alois Brinz als erste Wahl vor.1621 Das stieß in der Fakultät auf lebhafte Zustimmung.1622 Dennoch erschien seit August 1856 auch die Berufung Iherings 1615 1808–1881, zu ihm Forster, Bluntschli (2008) S. 70–73; zu seinem Streit mit Ringseis Bluntschli, Denkwürdiges II (1884) S. 231–233 u. Roeder, Ernst Zander (1972) S. 239–244. 1616 Allgemein dazu bes. Dotterweich, Sybel (1978) S. 225–229, S. 237 f., und zuletzt Dickerhof, neue Ära (1988) S. 271–283, aber auch Bosl, München (1971) S. 96; Doeberl, Entwicklungsgeschichte Bayerns III (1931) S. 288–297 u. S. 323–331; Elsner, Neue Perspektiven (1972) S. 271–314, 271–285. Biographisch zu Stimmung und Leben in München Bluntschli, Denkwürdiges II (1884) S. 121 f.; Braun-Artaria, (1918) S. 60 f.; Dahn, Erinnerungen III (1892) S. 169–174 u. S. 271–279; v. Kobell, Unter den vier ersten Königen Bayerns II (1894) S. 10–34; v. Mohl, Lebenserinnerungen II (1902) S. 338 f. 1617 Immerhin gingen noch 1856/57 die Wellen hoch, wie die Reaktion Jörgs, Zeitläufe (1856/II), S. 735–751, 738–747 auf die Beschreibung Bayerns durch St.-RenéTaillandier, L’Allemagne (1856) S. 109–149, 138–142 und die anonyme Entgegnung Braters, Professoren-Berufungen (1857), bes. S. 11 u. S. 24 f., zeigen. 1618 Dickerhof, Hieronymus Bayer (1988) S. 327–380, 356. Windscheid an Ihering am 10.3.1861, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 36–38, 37r: „in der Facultät idyllischer Frieden“. – Immerhin hoffte der Volksbote beim Wechsel Sybels (Nr. 135 vom 14.6.1861), dass auch „sein Secundant, der Pandekten-Professor“ einen Ruf erhalten und annehmen möge. Dazu auch Dotterweich, Sybel (1978) S. 373 Fn. 155. Ähnlich Roeder, Ernst Zander (1972) S. 248 u. Fn. 92 zum Volksboten vom 5.6.1861 Nr. 127 S. 523. 1619 Zu Windscheids politischer Haltung s. u. 3. Teil Abschnitt C. 1620 Brater, Professoren-Berufungen (1857) S. 18; Dahn, Erinnerungen II (1891) S. 55. 1621 Gutachten Arndts’ vom 1.3.1855, UAM L I 46: Windscheid „ein rühriger Schriftsteller, gewandt und scharfsinnig, mit offenem Blick für das Leben und dessen Anforderungen.“ 1622 Vorschlag der juristischen Fakultät vom 17.3.1855, UAM L I 46. Dazu Dickerhof, Hieronymus Bayer (1988) S. 327–380, 354 f., der S. 354 darauf hinweist, der Se-
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oder Windscheids möglich,1623 die von der Fakultät zwar genannt, aber nicht ausdrücklich gewünscht wurden. Dabei muss offen bleiben, ob dies im Zusammenhang mit dem am 20. Februar 1856 dem König vorgetragenen Wunsch stand, die juristische Fakultät möge sich „einseitigen romanistischen Studien entgegen . . . mehr auf das praktische Recht der Gegenwart“ konzentrieren.1624 Sybel, damals einer der einflussreichsten Berater des Königs in Unterrichts- und Wissenschaftsfragen, empfahl Anfang 1857 ausdrücklich und allein Windscheid und setzte sich damit zuletzt gegen den lange zögernden Minister v. Zwehl durch.1625 Die am 12. Februar 1857 erfolgte Annahme des Rufs vom 2. Februar wurde zum 1. März bestätigt.1626 Am 26. Juni erfolgte Windscheids Ernennung zum 1. Oktober 1857.1627 Als Windscheid im Herbst 1857 nach München kam,1628 fand er die Verhältnisse trotz dieses ungünstigen Starts angenehmer als befürchtet.1629 Er schloss sich zunächst besonders an Sybel an, lernte jedoch schon bald auch andere Mitnior der Fakultät Bayer sei schon vor 1848 „für eine Präferenz einheimischer Nachwuchswissenschaftler bei Berufungen“ gewesen. 1623 Windscheid kurz vor Weihnachten 1856 an Urlichs in Würzburg: „Daß der Minister schwanke[,] schrieb mir schon Brinz jetzt vor vier Monaten. So ein baierischer Minister scheint nichts anderes zu thun zu haben, als zu ,schwanken‘.“ DArchI NL Urlichs, Windscheid-Briefe I. Windscheid aus Greifswald am 24.1.1857 an Ihering in Gießen, SBPK-Berlin Slg. Darmst 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 9–12, 12v: „Das Münchener Damoklesschwert hängt, wenigstens soviel ich weiß, noch immer über unseren beiderseitigen Häuptern, und weiß nicht, welches es treffen soll.“ 1624 3. Protokoll der königl. Gutachterkommission zur Unterstützung der Wissenschaften, HStA (GHA) München NL Max II. 77/6/88, Zitat Prof. Loeher; im Zusammenhang mit dem Widerstand v. Bayers erwähnt bei Dickerhof, Hieronymus Bayer (1988) S. 356 Fn. 142. 1625 Sybels Denkschrift „Hebung des Unterrichts und der Wissenschaften betreffend“ vom 24.1.1857, HStA (GHA) München, NL Max II. 78/1/102, abgedruckt bei Dickerhof-Fröhlich, Studium (1979) S. 189–193, zu Windscheid S. 191 ff., und Bericht v. Zwehls über Stand der Berufung Windscheids vom 27.1.1857 auf Aufforderung des Königs vom 26.1.1857 und billigende Randnotiz des Königs vom 28.1.1857, HStA (GHA) München, NL Zwehl 87. 1626 Windscheid an Sybel am 3.3.1857, GStA PK I. HA Rep. 92 v. Sybel B 1 XLIX Bl. 24 f. – Reaktion Iherings vom 15.2.1857 (irrtüml. angegeben 1858): Ihering in Briefen (1913) S. 86 f. 1627 UAM E II 540: Personalakte Windscheid, dort auch Empfangsbestätigung Windscheids vom 7.7.1857. Jahresgehalt: 2.500 fl. Laut Beilage Nr. 10 „Zur Tagesgeschichte“ vom 6.8.1859 zur Bayerischen Wochenschrift Nr. 19 betrug das Durchschnittsgehalt in München bis dahin um 1.500 fl. – Es war also doch mehr Sybels Einfluss (so Dotterweich, Sybel (1978) S. 248) als allgemeines „großes Interesse“ (Oertmann, Lebensgang [1904] S. XIII), der Windscheid nach München brachte. 1628 Er plante seine Ankunft für Ende September, Windscheid an Bluntschli 7.7. 1857, ZB Zürich FA-Bluntschli 19.960-8 1/4; Windscheid an Ihering o. O. o. D. [Greifswald 12.–14.8.1857], SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 17. 1629 Windscheid am 7.3.1858 an Ihering, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 19 f., 19v u. 20r.
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glieder der „Kolonie“, besonders – wohl über Sybel – den Dichter Paul Heyse und dessen Familien- und Freundeskreis kennen.1630 Mit Heyse verband ihn schon nach kurzem eine enge Freundschaft. So nahm Windscheid kritisierend und ermunternd Anteil an Heyses Schaffen und seinem Aufstieg zum bekanntesten Novellisten seiner Zeit.1631 Während Sybel und Heyse regelmäßig zu den berühmten Symposien Max II. geladen wurden,1632 war Windscheids Beziehung zum König weniger eng. Ihm wurde zwar in späteren Jahren die – nicht sehr erfolgreiche – Einführung des Prinzen Otto in die Rechtswissenschaft übertragen,1633 von einer Einladung zu den Gelehrtentreffen ist jedoch den Zeitgenossen nichts bekannt.1634 Auch der vom König reorganisierten Münchner Akademie der Wissenschaften gehörte Windscheid nie an.1635 Im Hause Heyses traf Windscheid in seinem ersten Münchner Winter eine Freundin von Paul Heyses Gattin Grete aus gemeinsamen Berliner Jugendtagen,1636 die zur weiteren Verbesserung ihrer malerischen Fertigkeiten nach München gekommen war und auf Windscheid einen tiefen Eindruck machte. Als sie im folgenden Sommer zusammen mit Heyses in Ebenhausen bei München die Ferien verbrachte, verließ auch Windscheid, sobald es ihm die Arbeit erlaubte, 1630 Eine anschauliche Schilderung seines Umgangs enthält Windscheids Brief an Emilie Beseler vom 17.12.1857, BA-Fft/M FN 3/3 Bll. 214–216. – Zur Verbindung Sybels zu Geibel und Heyse Dotterweich, Sybel (1978) S. 237. 1631 Wie die Korrespondenz zeigt – etwa Windscheids Briefe an Heyse vom 18. u. 23.7.1858, BSB München, Heyse-Archiv VI, Windscheid, Bernhard Nr. 1 u. 2 oder Heyses Brief an Fontane vom 4.4.1859, Petzet, Briefwechsel Fontane-Heyse (1929) Nr. 23 S. 50–52, 52 – hat die Figur des verständnisvoll-nüchternen Kritikers aus Heyses „Hochzeitsreise an den Walchensee“ (1858), in: Ges. Novellen in Versen (1864) S. 223–261, bes. 223, 237 f. u. 250, in Windscheid ein sehr reales Vorbild, das auch Jakob Burckhardt „wundervoll gezeichnet“ findet: Burckhardt an Heyse am 3.4.1864, J. Burckhardt, Briefe IV (1961) S. 141–143, 141. 1632 Zu Sybel Dotterweich, Sybel (1978) S. 237; zu Heyse Heyse, Jugenderinnerungen (1900) S. 227–236. 1633 Brief Windscheids an seine Frau o. O. o. D. [Mai/Juni 1867] „Freitag Vormittag“, Familiennachlass Windscheid, und Windscheid an seine Frau o. O. o. D. [nach der zweiten Hochzeit Paul Heyses am 6.6.1867], ebd.: „Meine Privatvorlesungen beim Prinzen habe ich heute beschlossen, – mit dem angenehmen Bewußtsein, daß er absolut nichts gelernt hat. Es ist ihm unmöglich, seine Aufmerksamkeit zu concentriren, obgleich er sich den Schein davon zu geben weiß.“ – Zu Windscheids Schülern gehörte auch Ludwig III., Windscheid an Ludwig III. am 25.12.1888, HStA (GHA) NL Ludwig III. 232 und Beckenbauer, Ludwig III (1987) S. 27. 1634 Weder die Windscheid-Korrespondenz noch Heyse, Jugenderinnerungen (1900) S. 227–236 oder Bluntschli, Denkwürdiges II (1884) S. 233 f. erwähnen seine Teilnahme. Auch der Spezialist Hans Rall, Symposien Maximilians II. (1988) S. 63–70, nennt Windscheids Namen nicht. – Dagegen rechnen v. Kobell, Unter den ersten vier Königen Bayerns (1894) S. 5 f., Doeberl, Entwicklungsgeschichte Bayerns III (1931) S. 324 und zuletzt Beckenbauer, Ludwig III. (1987) S. 27 Windscheid ausdrücklich zu den Teilnehmern. 1635 Vgl. Geist und Gestalt, Ergänzungsband 1. Hälfte (1963). 1636 Raff, Heyse (1910) S. 29.
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München und kam zu einem längeren Besuch. Binnen einer Woche sollte für beide feststehen, dass sie ihre Zukunft gemeinsam erleben wollten. Auf einer Wanderung zum Walchensee verlobten sich die beiden am 3. September 1858.1637 Gerade zwei Monate später, am 4. November 1858, fand in Halle die Hochzeit von Bernhard Windscheid mit Charlotte Pochhammer statt.1638 Die siebenundzwanzigjährige Braut stammte aus einer preußischen protestantischen Beamtenfamilie, deren Wurzeln wohl im hessischen „Buchheim“ lagen und deren frühe Vorfahren aus Schmalkalden kamen.1639 Mit der Eheschließung begann für Windscheid an der Seite dieser ausgeglichen heiteren, nicht nur künstlerisch begabten, sondern auch praktischen, gebildeten,1640 willensstarken1641 und schönen1642 Frau ein „neues Leben“.1643 Nicht ganz so erfreulich gestaltete sich Windscheids erste Zeit in der juristischen Fakultät. Gleich zu Beginn wurde Unmut darüber laut, dass Windscheid die Anrechnung seiner früheren Semester als Professor erreicht hatte,1644 was 1637 Briefe Windscheids an seinen Vater vom Walchensee am 4.9.1858 und aus Ebenhausen am 12.9.1858, beide Familiennachlass Windscheid. – Über den Aufenthalt und die Erlebnisse in Ebenhausen berichtet sehr anschaulich Wilbrandt, Werdezeit (1907) S. 75–87, bes. 78–83, und in poetisch verfremdeter Form Heyse in der Windscheid gewidmeten Versnovelle Die Hochzeitsreise an den Walchensee (1858), in: Ges. Novellen in Versen (1864) S. 223–261. – Erste Erwähnung Charlotte Pochhammers in Briefen Windscheids an Paul Heyse vom 4. und 16.8.1858, BSB München Heyse-Archiv VI, Windscheid, Bernhard Nr. 3 u. 3b. Erhalten ist im Familiennachlass Windscheid auch ein Brief Charlotte Pochhammers an den „Herrn Professor“ Windscheid aus Ebenhausen vom 6.8.1858 und die Billigung der Verlobung durch die Mutter Auguste Pochhammer in Halle vom 7.9.1858. – Launige Gratulation Iherings am 19.9.1858, Ihering in Briefen (1913) S. 97–100. 1638 Stammbuch Windscheid S. 27, Familiennachlass Windscheid, und Familien-Bogen Windscheid, StadtA München Slg. Monacensia. – Der von Oertmann, Lebensgang (1904) S. XIII, hergestellte Bezug zwischen Tod der Mutter und Heirat ist nicht erkennbar. – Aus der Zeit des Brautstandes haben sich im Familiennachlass Windscheid 16 zumeist undatierte Briefe an Lotte Pochhammer in Halle erhalten, in denen Windscheid lückenlos von seinem Leben, Tun und Denken zwischen dem 17.9. und dem 30.10.1858 berichtet. 1639 Charlotte, *Berlin 21.11.1830, ist die Tochter von Georg Theodor Adolf Pochhammer (21.2.1796–2.4.1858), zuletzt Geh. Oberfinanzrat im Preuß. Finanzministerium, und Auguste geb. Graefe (13.7.1798–21.6.1879), Pochhammer, Familie Pochhammer I (1944) S. 49 f., II (1945) S. 49 f.; ebd. allgemein zu Vorfahren und Geschwistern I (1944) S. 7 f., S. 10 u. S. 50, II (1945) S. 8, S. 10–13, S. 47–49 u. S. 51 f. 1640 Schilderung Charlottes in Windscheids Brief an seinen Vater vom 12.9.1858, Familiennachlass Windscheid. 1641 Das betont Pochhammer, Familie Pochhammer II (1945) S. 50. 1642 Fontane, Briefe I (1968) Nr. 164 S. 291, nennt sie in einem Brief an seine Frau vom 8.8.1884 eine „ihrerzeit schöne“ Frau. 1643 Windscheid nach Ehe und erster Tochter am 12.1.1860 [irrtümlich datiert 1859] an Andreas Heusler-Ryhiner in Basel, StA Basel PA 328 E 168, Windscheid, Bernhard: Ihm ist „mit dem Einen und dem Anderen ein neues Leben aufgegangen“. 1644 Windscheid an Sybel am 3.3.1857, GStA PK I. HA Rep. 92 v. Sybel B 1 XLIX Bl. 24 f.; ebenso UAM E II 540, Personalakte Windscheid: Ernennung vom 26.6.1857.
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Münchner Gepflogenheiten nicht entsprach. Besonders Bluntschli, dem diese Vergünstigung bei seiner Berufung nicht zuteil geworden war, fühlte sich zurückgesetzt.1645 Windscheids Nachgeben gegenüber Bluntschli einerseits, das Weichen der beiden jüngsten Professoren vor Windscheids Position andererseits bereinigten die Situation.1646 Es war das deshalb nicht allein ein Streit um die Ehre, weil an der Münchner juristischen Fakultät die fünf ältesten Professoren – die fünf „Fakultisten“ – allein an den Einnahmen der Fakultät, etwa durch Promotionen, partizipierten und aus ihrem Kreis der Dekan zu wählen war. Diese, die ,stabile‘ Professorenschaft begünstigende Regelung war ein weiterer Grund dafür, dass die Berufung ausländischer etablierter Gelehrter nicht erwünscht war.1647 Von diesem Zwischenfall abgesehen war Windscheid froh,1648 an einer der größten Universitäten Deutschlands mit mehreren hundert Jura-Studenten wirken zu können.1649 Dabei fiel seine Analyse der Kollegen recht nüchtern aus. „Bedeutend“ seien allein Bluntschli und Maurer, brav und tüchtig immerhin Pözl, der wenig bekannte Dollmann gescheit und zuverlässig, v. Bayer, Senior der Fakultät, ein „kleines freundliches Männchen“, sein Spezialkollege Zenger zwar immer noch eine feine Erscheinung, aber „faul geworden“ und darum keine Konkurrenz, die Ordinarien Kunstmann und Bolgiano schließlich „zwei Nullen, die ich nicht nenne.“ 1650 Außer ihnen lehrten bei Windscheids Ankunft noch die beiden Extraordinarien Walther und E. A. Seuffert, zwei Honorarprofessoren und zwei Privatdozenten.1651 Auch Seuffert als der dritte reine Romanist der Fakultät konnte Windscheids Position schon deshalb nicht gefährden, weil er nur selten als Prüfer bei ersten Staatsexamen auftreten durfte und darum auf die Studenten nur geringe Anziehungskraft ausüben konnte.1652
1645 Schreiben Bluntschlis an die Fakultät vom 7.7.1857 und einhellige Befürwortung, UAM L I 48. 1646 Bericht des Dekans Pözl an den Senat vom 20.7.2857 und Bescheid des Innenministeriums vom 25.10.1857, UAM I 48. 1647 s. dazu Dickerhof, Hieronymus Bayer (1988) S. 333 f. u. S. 355 mit Hinweis auf Äußerungen v. Bayers am 30.12.1862 (UAM L I 53) und den Streit WindscheidBluntschli in UAM L I 48. 1648 Seine anfänglichen Zweifel, Windscheid an Bluntschli 7.7.1857, ZB Zürich FABluntschli 19.960-8 1/4; Windscheid an Ihering 8.8.1857, SBPK Berlin Slg. Darmst. 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 15 f., 16r, kehrten nicht wieder. 1649 1857/58 belegte die Universität mit ca. 1300 Studenten Platz zwei hinter Berlin und vor Leipzig: Conrad, Statistik (1893) S. 118 f. – Die juristische Fakultät hielt mit im WS durchschnittlich 487 Studenten diesen Platz bis 1870, um in den folgenden Jahren dann deutlich bis auf die Hälfte zu sinken, Conrad, Statistik (1893) S. 120 f. Einzelne Zahlen bei Dickerhof, Dokumente (1975) Anhang II, S. 433 u. S. 435, jeweils für die WS. 1650 Windscheid an Ihering am 7.3.1858, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847 (10) B. Windscheid Bll. 19 f., 2r+v. 1651 Verzeichnis der Vorlesungen München WS 1857/58 S. 3 f. 1652 Er las wohl daher nur sehr selten die gesamten Pandekten.
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Windscheid las in stetigem, aber in München ungewohntem Wechsel1653 winters Pandekten in 15 Wochenstunden und sommers im Zusammenhang Institutionen und Römische Rechtsgeschichte (10 Wochenstunden),1654 wozu noch kleinere öffentliche Vorlesungen oder praktische Übungen kamen.1655 Vom Zivilprozess war er befreit, und auch seine Beschäftigung mit dem französischen Recht hatte jetzt endgültig ihr Ende gefunden. Zu Beginn hatte Windscheid nur zwischen 30 und 70 Hörern,1656 aber mit der Zeit und einem weiteren Nachlassen Zengers änderte sich dies. Um 1860 war Windscheid bei über 100 Hörern,1657 und ab 1863 hatte er konstant zwischen 120 und 150 Studenten, die sich für seine Vorlesung meldeten und mit ihren Gebühren das Jahreseinkommen Windscheids mehr als verdoppelten.1658 Über seinen Vortrag, der sich von der eintönig zähen Art Arndts’1659 positiv abhob, liegen mehrere zeitgenössische Äußerungen vor. Der einfache, kunstlose aber auch klare Stil fesselte die interessierten Studenten1660
1653 Windscheid legte, gegen die Münchner Gewohnheit, Wert darauf, die Pandekten im längeren Wintersemester zu lesen, Windscheid an Bluntschli am 6.5. u. 7.7.1857, ZB Zürich FA-Bluntschli 19.960-7 u. 19.960-8 1/4. 1654 Verzeichnis der Vorlesungen München WS 1857/58 bis WS 1870/71. Pandekten las Windscheid zuerst nach seinem Grundriss, dann seit WS 1862/63 nach seinem Lehrbuch. Für Institutionen und römische Rechtsgeschichte empfahl Windscheid Adolf von Scheurls Lehrbuch der Institutionen (11850–81883), Windscheid am 12.3.1871 an die Buchhandlung Gebr. Wolff in Heidelberg, BSB München Neue Autogr. B. Windscheid 2. Mappe Nr. 5. – In der StUB Göttingen sind im Nachlass Windscheid Nr. 11, 1–3 Bruchstücke von Windscheids Institutionen-Manuskript verzeichnet. Den Schluss der Ausschnitte aus dem Obligationenrecht (Nr. 11, 1 u. 2 Bll. 160r–199v) bilden (ebd. Bl. 199v) eigenhändige Datierungen Windscheids seit dem Jahr 1858 bis 1890. Von der Vorlesung SS 1869 gibt es eine – unvollständige – Mitschrift des späteren Indologen und Sohn Philipp Jollys, Julius Jolly [zu ihm Wilhelm, Art. Jolly 3) Julius (1974) S. 591 f.]: BSB München, Jollyana III, 3. 1655 Öffentliche Erklärung von Pandektenstellen in den WS 1857/58, 1866/67 bis 1870/71, exegetische und praktische Übungen in den WS 1858/59 bis 1865/66, Quelleninterpretation in den SS 1862 bis 1867, 4. Buch der Gaius-Institutionen SS 1858, Geschichte des römischen Zivilprozesses SS 1859: Verzeichnis der Vorlesungen München je S. 4. 1656 WS 1857/58 ca. 30–40 Hörer, Windscheid an Ihering am 7.3.1858, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 19 f., 19v; SS 1858 55 Hörer, Windscheid an Ihering am 14.6.1858, ebd. Bll. 21–23, 23r; WS 1858/59 schon 66 Hörer, Windscheid an Ihering am 16.3.1859, ebd. Bll. 26 f., 27v. 1657 WS 1859/60 nach Ausfall Zengers im Sommer 120 Hörer, Windscheid an Ihering am 21./22.[12.1859], SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 29–31, 31v; SS 1860 96 Hörer, Windscheid an Ihering am 5.7.1860, ebd. Bll. 32 f., 33v; WS 1860/61 120 Hörer, Windscheid an Ihering am 20.12.1860 und 10.3.1861, ebd. Bll. 34 f., 35r u. 36–38, 37r. 1658 Windscheid an Gerber am 17.2.1869, HStA Dresden 11125 Min. d. Kultus u. öff. Unterr. 10198/5 Bll. 100 f., 100v, und am 15.3.1869, ebd. NL Gerber 326 Windscheid. 1659 Dazu Dahn, Erinnerungen II (1891) S. 54. 1660 Wenig Interesse bekundete Otto Piper, der sich in Jugend und Heimat (1941) S. 98 darüber beklagt, dass Windscheid im SS 1863 seine Hörer „noch als reine Schüler, und zwar von beschränktem Begriffsvermögen“ behandelt habe.
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besonders deshalb, weil es Windscheid nicht vorwiegend um Wissensvermittlung, sondern um die Befähigung zum eigenen Denken und Arbeiten1661 und besonders darum ging, die sittlichen Grundlagen der konkreten Regel darzulegen, so dass das Recht als Inkarnation des sittlich Richtigen und zugleich Vernünftigen erscheinen konnte.1662 Zu der ausgedehnten und anstrengenden Vorlesungstätigkeit kamen noch weitere Verpflichtungen dem Staat wie der Fakultät gegenüber. So musste Windscheid jeden Herbst und später auch noch im Sommer ungefähr vier Wochen lang täglich acht Stunden als Prüfer im ersten – rein mündlichen1663 – juristischen Staatsexamen auftreten.1664 Dies empfand er immer als eine außerordentliche physische wie psychische Last,1665 die gleich zu Beginn des Wintersemesters die ganze Erholung der Sommerferien mit einem Schlag zunichte machte und sich angesichts der oft dürftigen Leistungen der Kandidaten lähmend auf seinen idealistischen Schwung legte.1666 Zu diesem Eindruck könnte beigetragen haben, dass Windscheid auch in München strenge und hohe Maßstäbe an akademische Leistungen anlegte. Bei der Beurteilung von Preisaufgaben und noch mehr von Dissertationen war er erst dann zufrieden, wenn positives Wissen, eigenständige Behandlung und sprachliche Fertigkeit zusammenkamen.1667
1661 Dies betonte B. Windscheid in seinen Abschiedsworten vom 13.3.1871, Festgabe der DJZ (1909) Sp. 108–110, 108. 1662 So Lujo Brentano in seinen Erinnerungen zum Jahr 1863/64, Festgabe der DJZ (1909) Sp. 117. Lobend auch Gerber gegenüber seinem Minister am 10.2.1869, HStA Dresden 11125 Min. d. Kultus u. öff. Unterr. 10198/5 Bll. 97 f., 97v. – „Fesselnde Lebendigkeit“ schreibt Windscheid nur sein Schwiegersohn Oertmann, Lebensgang (1904) S. XIV, zu. 1663 § 13 der VO über die „Conkurs-Prüfung der zum Staatsdienste adspirirenden Rechts-Candidaten“ vom 6.3.1830, Reg.-Bl. f. d. Kgr. Bayern 1830, Sp. 581–603, 588. – Diese Art der Prüfung wird von dem Praktiker Rehm, Dr. Nöllner und der Nachwuchs (1857) S. 186–202, 193 f., als vorbildlich herausgestellt. 1664 1858: 154 Kandidaten, UAM L I 49 S. 406–410. Seit 1868 Prüfungen auch im Sommer, Windscheid an Bluntschli 24.7.1869, ZB Zürich FA-Bluntschli 19.960-4. 1869 insgesamt 168 Kandidaten, Windscheid an Gerber am 3.8.1869, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. 1665 Windscheid nannte die Prüfungen schon im Brief an Charlotte Pochhammer [vom 11./14.10.1858], Familiennachlass Windscheid, eine „Thierquälerei“ und kam bis zuletzt in zahlreichen Briefen immer wieder auf dieses Thema zurück. – s. auch Windscheids Stellungnahme zur Reform der theoretischen Prüfung am 14.12.1865, UAM L I 57, auch erwähnt bei Dickerhof, Hieronymus Bayer (1988), S. 357 Fn. 149. 1666 Windscheid [am 19./22.10.1858] an Charlotte Pochhammer, Familienachlass Windscheid: „Wenn das die Resultate sind, um welche man arbeitet, Lieber Gott! mit welcher Freudigkeit soll man dann arbeiten?“ 1667 s. z. B. Windscheids Beurteilung vom 15.5.1867 der Preisaufgabe der Jur. Fak. vom Jahr 1866/67 über das SC Macedonianum (UAM L I 58) und seine Stellungnahmen zu den Promotionen v. Theodori, Samhaber, Hermann und Voltz im WS 1857/58 (UAM L I 49).
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Eine weitere Berufspflicht war auch in München Windscheids Teilnahme an den Arbeiten des Spruchkollegiums. Obwohl seit 1804 zumindest jeder ordentliche Professor der Fakultät zugleich dort einen Sitz hatte,1668 wurde Windscheid erst am 25. Januar 1859 als Richter verpflichtet.1669 Das Gremium war – anders als noch in Greifswald – in München zu Windscheids Zeit kaum mehr beschäftigt.1670 Von 1857/58 bis 1870/71 lassen sich pro Jahr höchstens vier Urteile nachweisen.1671 Dabei war München kein Einzelfall. Diese Erscheinung war allgemein und wurde von Bekker besonders wegen des auch bei Juristen notwendigen Kontakts der Wissenschaft mit der Praxis bitter beklagt.1672 Beispielhaft ist die geringe Zahl der von Windscheid ausgearbeiteten Referate. Es sind insgesamt gerade fünf, wovon die ersten beiden den gleichen Fall bei unterschiedlichen Klägern betreffen.1673 Materiell behandeln diese beiden Fälle von 1860 sowie der letzte, Windscheid auf eigenen Wunsch übertragene Fall von 18681674 das Sachenrecht, die Fälle drei (18631675) und vier (18651676) erbrechtliche Fragen. Fast alle Akten kamen von dem Hofgericht des Herzogtums Lauenburg in Ratzeburg, nur die letzte Anfrage hatte als Absender das renommierte gemeinsame oberste Gericht der freien Hansestädte, das OAG Lübeck.1677 Windscheids universitäres Leben beschränkte sich nicht auf reine Berufspflichten. In der Fakultät übernahm er, seitdem er nach dem Ausscheiden Bluntschlis in den Kreis der „Fakultisten“ aufgenommen wurde,1678 mehrfach das Deka1668 Nach Kempter, Gutachten- und Urteilstätigkeit (1975) S. 58–60, wurden spätestens seit 1833 auch andere Fakultätsmitglieder aufgenommen. 1669 Verpflichtungsprotokoll vom 25.1.1859 UAM L IV 53. 1670 Das lässt Kempter, Gutachten- und Urteilstätigkeit (1975), bes. S. 19 f., nicht erkennen und wird von Dickerhof, Hieronymus Bayer (1988), S. 327–380, 346 f., nicht beachtet. 1671 Nach dem Verzeichnis für die Jahre 1804–1866, UAM L IV 52, wurden 1857– 1866 insgesamt 19 Fälle erledigt. Das Protokoll für die Jahre 1851–1869, UAM L IV 60a, verzeichnet für 1867 keine, für 1868 und 1869 je zwei Sitzungen. Die Akte UAM L IV 62 enthält für 1868 eines, für 1869 vier, für 1870 zwei und für 1871 noch einmal vier Erkenntnisse. 1672 Bekker, Zur Universitätsfrage (1864) S. 508–523, 517–521. 1673 Sitzung vom 9.11.1860, UAM L IV 60a, Referate Windscheids vom 4.10. (23 Seiten) bzw. 10.10.1860 (28 Seiten), revidiert am 29. bzw. 30.10.1860, beide UAM L IV 60. 1674 Fall für das OAG der freien Hansestädte in Lübeck, am 6.10.1868 Windscheid übertragen, UAM L IV 60a; beschließende Sitzung über Referat von 18 Seiten am 7.11.1868, UAM L IV 62. 1675 Beschließende Sitzung am 12.11.1863, UAM L IV 61, Referat 9 Seiten. 1676 Referat vom 18.4.1865 (26 Seiten), beschließende Sitzung am 22.4.1865, UAM L IV 61. 1677 Dessen Gewohnheit, die Akten schwieriger Fälle zu übersenden, hebt Bekker, Zur Universitätsfrage (1864) S. 508–523, 520, hervor. 1678 Ministerialreskript vom 28.2.1862 auf von der Fakultät am 15.12.1861 gebilligten Antrag Windscheids vom 26.11.1861, UAM L I 53.
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nat.1679 Er setzte sich für die Beförderung verdienter Lehrkräfte1680 wie eine Erleichterung der Prüfungslast ein1681 und forderte die Gleichbehandlung aller Fakultätsmitglieder in Prüfungs- wie Leitungsangelegenheiten.1682 Bei einer ministeriellen Anfrage zur Erziehungsreform betonte er mit der Mehrheit, dass Philosophie nicht erlernt werden könne und ein obligatorisches kontrolliertes Philosophikum für alle Studierenden nur zu wertlosem Auswendiglernen unverdauter Bruchstücke führe.1683 Im Vorfeld des Vatikanischen Konzils veranlasste Windscheid als Dekan, dass die von Ignaz Döllinger beeinflussten1684 Fragen der Regierung zu möglichen verfassungsrechtlichen und gesellschaftlichen Folgen einer Dogmatisierung der Infallibilität des Papstes und der Erhebung des Syllabus errorum zum Konzilsdekret im Auftrag der Fakultät von den liberal gesonnenen Pözl und Berchtold beantwortet wurden.1685 Anders als der mäßigende v. Bayer warnten sie und warnte mit ihnen die Mehrheit der Fakultät vor schlimmen Auswirkungen einer solchen Entscheidung nicht nur für die Kirche, sondern auch für den Staat.1686 Windscheid erreichte auch, dass nicht nur er, sondern die gesamte Fakultät Wächter in Leipzig zu seinem 50. Professorenjubiläum am 13. August 1869 gratulierte.1687 Personelle Veränderungen der Fakultät verfolgte Windscheid mit Interesse. Die Berufung Paul Roths als Nachfolger des nach Heidelberg gewechselten Bluntschli kommentierte er wenig enthusiastisch. Er sei „jedenfalls
1679 So in den Jahren 1862/63 und 1868/69, Amtliches Verzeichnis München je S. 5, und auch im WS 1869/70, z. B. Protokoll über Gutachten der Jur.Fak. vom 2.11.1869, UAM L I 61. 1680 Über seine von der Fakultät unterstützte Initiative zu Gunsten des ao. Prof. Seuffert Windscheid an Ihering am 29.3.1864, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847 (10) B. Windscheid Bll. 77 f., 78r. 1681 Am 27.12.1865 betonte Windscheid auf die Anfrage des Innenministeriums wegen einer möglichen Prüfungsreform, „daß jede Maßregel mit Freude zu begrüßen sein würde, welche geeignet wäre, uns in dieser Beziehung eine Erleichterung zu verschaffen“, UAM L I 57. 1682 Ebd. UAM L I 57 war Windscheid entschieden für die „Fernhaltung aller Monopole“. Votum Windscheids vom 25.12.1869, weil „innerstes Lebensprincip“ der Universität die „Gleichheit zwischen allen Mitgliedern“ sei, und entsprechende Stellungnahme der Fakultät vom 6.5.1870, beides UAM L I 61. 1683 Votum Windscheids vom 6.3.1866 zum Antrag Valentin Thalhofers, dem Vorstand des homiletischen Seminars, UAM L I 57. Dazu allgemein Dickerhof, Dokumente (1975) S. 399 f. 1684 Denzler, Valentin Thalhofer (1979) S. 33–84, 50 f. 1685 Rundschreiben Windscheids an die Kollegen vom 3.6. und Auftrag vom 17.6. 1869, UAM L I 60. 1686 Gutachten der juristischen Fakultät und Separatvotum v. Bayers vom 2.11.1869, UAM L I 60, abgedruckt in der Allgemeinen Zeitung vom 16. u. 17.11.1869 S. 4917– 4919 u. S. 4933–4935 sowie bei Friedberg, Sammlung der Aktenstücke (1872) S. 296 ff. Näher dazu Dickerhof, Hieronymus Bayer (1988) S. 327–380, 373–377 m.w. Nachw. 1687 Windscheid an Gerber am 31.7. und am 3.8.1869, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid.
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ein ehrlicher Kerl“ 1688 und dem Heidelberger Zöpfl weit vorzuziehen.1689 Sein eigener Favorit wäre Siegel in Wien gewesen.1690 Nach dem Tod des geschätzten Dollmann befürwortete Windscheid dagegen die Berufung J. W. Plancks ausdrücklich und mit der Überlegung, dass Planck nach v. Bayers Ausscheiden vom kriminalistischen Fach zum Zivilprozess überwechseln könne.1691 Diese gewollte Konkurrenz zum in Windscheids Augen wohl wissenschaftlich überlebten v. Bayer hatte bei Windscheid selbstverständlich keinen Einfluss auf die persönliche Achtung. Zu Bayers fünfzigjährigem Münchner Professorenjubiläum am 8. April 1869 schlug Windscheid die Ehrung durch eine „gelehrte Abhandlung“ Paul Roths vor und verfasste den Text der begleitenden Urkunde, die Bayer in einer kleinen Feier zusammen mit Roths Festschrift überreicht wurde.1692 Windscheid nahm auch über den Rahmen der Fakultät hinaus am Schicksal der Universität Anteil. Aus der Sicht der liberal-kleindeutschen, größtenteils aus „Neuberufenen“ bestehenden Gruppe beobachtete er die jährlichen Senats- und Rektoratswahlen,1693 wurde auch selbst 1862 in den Senat gewählt1694 und am 5. August 1867 sogar zum Rektor erkoren.1695 Die Kommentare auf den Stimmzetteln zeigen, dass Windscheid als „Rheinländer“ und daher nur „halber Preuße“ betrachtet wurde, also für einen Ausgleich der Extreme stand.1696 Zu einer privaten abendlichen Feier anlässlich der Rektoratsübernahme lud Windscheid in einem persönlichen Schreiben den neuen badischen Gesandten und Staatsrechtler Robert v. Mohl ein.1697 Über seine Amtstätigkeit ist wenig bekannt.1698 Im No1688 Windscheid an Sybel am 17.10.1861, GStA PK I. HA Rep. 92 v. Sybel B 1 XLIX Bll. 27 f., 27v. 1689 Windscheid nannte die mögliche Berufung Zöpfls am 14.10.1861 gegenüber Andreas Heusler-Ryhiner, StA Basel PA 328 E 168 Windscheid, Bernhard, eine „permutatio leonina“. 1690 Windscheid an Ihering am 1.11.1861, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847 (10) B. Windscheid Bll. 41 f., 41r. 1691 Windscheid an Ihering, 6.1.1867 [irrtümlich datiert 1866], SBPK Berlin, Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid, Bll. 88–91, 90v+91r. – Auf Vorschlag Windscheids setzte die Fakultät am 25.1.1867 J. W. Planck in Kiel auf Platz eins der Liste, der dann auch am 25.3.1867 gerufen und am 12.8.1867 ernannt wurde, alle Vorgänge UAM L I 58. 1692 Vorgänge vom 20.11.1868, 4.4.1869 u. 29.4.1869, alle UAM L I 60. 1693 Windscheid in zwei Briefen o. D. im Juli 1860 zur Niederlage Siebolds gegen Seitz, Familiennachlass Windscheid. 1694 Amtliches Verzeichnis München WS 1862/63 S. 3. 1695 Familien-Bogen Windscheid, StadtA München Slg. Monacensia u. Amtliches Verzeichnis München WS 1867/68 S. 3. 1696 Windscheid an seine Frau [5.8.1867], Familiennachlass Windscheid. Dort auch das Stimmenverhältnis: von 67 Stimmen fielen 44 auf Windscheid, 19 auf Pözl. 1697 Windscheid an Robert v. Mohl am 4.12.1867, UB Tübingen Md 813 (980). – Robert von Mohl war von Herbst 1866 bis 1871 Gesandter Badens in München und zählt Windscheid zu seinem engeren Bekanntenkreis, v. Mohl, Lebenserinnerungen II (1902) S. 307 f., S. 335 u. S. 339. Zu R. v. Mohl Forster, Art. v. Mohl (2008) S. 294–298.
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vember 1867 musste er eine Antrittsrede „an die Studierenden“ halten. Darin wies Windscheid die Studenten auf ihre wahre Aufgabe hin, das pflichtbewusste Lernen und Arbeiten auf dem Felde der jeweiligen Wissenschaft „als ein Werkzeug zur Vollziehung der göttlichen Weltordnung“ mit „religiöse[m] Sinn“ und dem festen Blick auf dieses höchste Ziel.1699 Dass die Ansprache der Übung entsprechend im Druck erschien, war Windscheid nicht sehr angenehm, denn er wusste wohl zwischen dem Effekt eines rhetorischen Pathos auf die Hörer und dem Eindruck bei der Lektüre zu unterscheiden.1700 Tatsächlich ist im Text eine sehr „gehobene Sprache“ mit zahlreichen, nicht immer glücklichen Metaphern verwendet, die zwar immer noch das Ergriffensein des Redners auch für den Leser deutlich macht, aber zugleich wenigstens heute eher deplaziert wirkt. Bei seiner Rede anlässlich des Stiftungsfestes der Universität am 27. Juni 1868 hatte Windscheid von der Drucklegung abgesehen. So ist nur ihr ungefährer Inhalt – Savigny, besonders als Gesetzgeber – bekannt sowie, dass Windscheid zuvor seinen Freund Heinrich Friedberg in Berlin um Informationen zu diesem Thema, gestützt auf dessen Kenntnis der Akten, angegangen hat.1701 Nicht nur als Rektor, auch als Abgesandter bei den Universitätsjubiläen in Basel 1860 und Bonn 1868 vertrat Windscheid die Universität München. In Basel nahm Windscheid an den dreitägigen Feierlichkeiten zum vierhundertjährigen Jubiläum teil,1702 mit deren Glanz die Stadt die nach wie vor bescheidene Stellung ihrer höchsten Erziehungsanstalt aufzuwerten suchte.1703 Besonders in Erscheinung ist er dabei nicht getreten.1704 Dagegen nutzte er die günstige Gelegenheit zu einem ausführlichen Besuch bei Basler Freunden, nämlich dem Ratsherrn Karl Vischer-Merian1705 und Luise Burckhardt-His mit ihren 1698 Immerhin klagte Windscheid gegenüber Friedberg am 23.3.1868, BA Berlin NL Friedberg Bll. 126 f., 127r, über viele die Schaffensfreude raubende Arbeit. 1699 B. Windscheid, Rede (1867) Zitate S. 52/S. 142 u. S. 64/S. 154. – „Arbeit“ und „Ringen mit dem Gedanken“ waren schon Thema von Windscheids Trinkspruch am 7.9.1860 beim Basler Jubiläumsfest, Hess, Beschreibung (1860) S. 19. 1700 Windscheid an Sybel am 7.10.1868, GStA PK I. HA Rep. 92 v. Sybel B 1 XLIX Bl. 33, 33r. 1701 Windscheid an Friedberg am 23.3. u. 11.7.1868, BA Berlin NL Friedberg Bll. 126 f., 126 r+v u. 131 f., 131r. – Auch zum Stiftungsfest lud Windscheid Robert v. Mohl am 23.6.1868 persönlich ein, UB Tübingen Md 613 (980). 1702 Am 5.–7.9.1860, s. Hess, Beschreibung (1860). Gedrucktes Verzeichnis der Festgäste StA Basel EZA X, 31. 1703 s. dazu die kritische Artikelserie der Neuen Zürcher Zeitung „Die Universität Basel“ vom 10.–12., 14., 17. u. 18.9.1860 u. Bonjour, Universität Basel (1960) S. 473. 1704 Er überreichte Münchens Gratulationsurkunde, heute StA Basel UA IV 2,2. Sein Auftreten „in krebsrothem Talar und Barett“ erwähnt J. Burckhardt im Brief an Heyse vom 16.9.1860, J. Burckhardt, Briefe IV (1961) S. 59–61, 61. 1705 Windscheid an Ihering am 5.7.1860, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 32 f., 32v. Windscheid an Beseler am 9.8.1860, BA-Fft/M. Fn. 3/3, Bl. 218.
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Familien,1706 sowie zu einem Wiedersehen mit Beseler und Ihering,1707 die beide in Basel Frau Windscheid zum ersten Mal begegneten.1708 Zum fünfzigjährigen Jubiläum der Universität Bonn1709 erschien Windscheid 1868 nicht nur als Deputierter,1710 sondern auch zugleich als zeitiger Rektor seiner Universität. Auf Betreiben seines Freundes aus der Bonner Dozentenzeit, Albrecht Ritschl, wurde Windscheid von den Abgesandten zum Sprecher der deutschsprachigen Universitäten bestimmt1711 und stand als solcher am 2. August 1868, dem zweiten Tag der Feier, dem damaligen Rektor der Universität Bonn, Heinrich v. Sybel, gegenüber. Für Windscheids lobende Ansprache auf Bonn, das Rheinland, Preußen und die deutsche Einheit dankte Sybel, die innere Rührung bekämpfend, mit kurzen Worten.1712 Besonders eindrucksvoll waren für Windscheid einerseits die Begegnung mit dem Kronprinzen Friedrich,1713 andererseits die Erinnerung an die Zeit seiner Anfänge in Bonn.1714 Nach Abschluss der glänzenden Feierlichkeiten nutzte Windscheid die Gelegenheit zu einem kurzen Besuch beim Vater und den Geschwistern in Düsseldorf und Köln.1715 Dort war Windscheid seit der Hochzeitsreise, bei der er seiner Frau in wenigen Tagen seine zahlreiche Familie vorstellte1716 – kein Familienmitglied 1706 Windscheid an Ihering am 20.12.1860, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847 (10) B. Windscheid Bll. 34 f., 34v. – Auch von Antonie Miescher-His erging eine Einladung, Brief o. D. [15.8.–7.9.1860] im Familiennachlass Windscheid. 1707 Windscheid an Ihering am 5.7.1860, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 32 f., 32v. Windscheid an Beseler am 9.8.1860, BA-Fft/M. Fn. 3/3, Bl. 218. Ihering an Windscheid in Basel am 15.8.1860, Ihering in Briefen (1913) S. 122 f. 1708 s. Iherings Lob im Brief an Windscheid vom 22.12.1860, Ihering in Briefen (1913), S. 127–130, 129. 1709 Gefeiert vom 1. bis zum 4.8.1868, s. Bericht über das fünfzigjährige Jubiläum (1868). 1710 Windscheids Urlaubsgesuch vom 22.7.1868 für den 31.7. bis 8.8.1868 nach seiner Bestimmung zum Deputierten am 27.6.1868 in der Personalakte Windscheid UAM E II 540. 1711 Albrecht Ritschl an seine Frau am 4.8.1868 bei O. Ritschl, Albrecht Ritschls Leben II (1896) S. 62. 1712 Wortlaut der Rede wie Sybels Dank im Bericht über das fünfzigjährige Jubiläum (1868) S. 19–21. Windscheids der Münchner Glückwunschadresse – ebd. S. 62 f. – nachempfundenes Manuskript im Familiennachlass Windscheid. Windscheid am 3.8.[1868] an seine Frau, Familiennachlass Windscheid: „Sybel hat seine Sache gut, aber nicht glänzend gemacht. Bei mir kam ihm die Rührung, an der er leidet, zwischen die Füße, so daß er anfangs kaum reden konnte.“ 1713 Am 3.8.1868, Windscheid an seine Frau o. D. [4.8.1868], Familiennachlass Windscheid, und allgemein Bericht über das fünfzigjährige Jubiläum (1868) S. 111. 1714 Windscheid an seine Frau am 2.[irrtüml. datiert 1.]8.[1868], Familiennachlass Windscheid. 1715 Windscheid an seine Frau am [4.], 6. u. 7.8.1868, Familiennachlass Windscheid. 1716 Über die Hochzeit in Halle, die Hochzeitsreise nach und den Aufenthalt in Düsseldorf berichtete Windscheid Paul Heyse am 11.11.1858, BSB München Heyse-Archiv VI, Windscheid, Bernhard Nr. 6a, und Ihering am 21.12.1858, SBPK Berlin Slg. Darm-
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hatte die Zeit gefunden, selbst zur Hochzeit nach Halle zu reisen!,1717 – nur noch selten gewesen.1718 Das letzte Mal sollte er sein Elternhaus beim Tod des Vaters am 23. Januar 1869 sehen.1719 Windscheids eigenes Familienleben hatte seit 1858 seinen Mittelpunkt in München. Dort wurden ihm in den Jahren 1859 bis 1864 vier Kinder, die Tochter Katharina (Käthe),1720 der Sohn Franz1721 und die Zwillinge Charlotte (Lotte) und Margarete (Gretel)1722 geboren. Dabei hatte Windscheid das Glück, dass trotz Komplikationen bei der zweiten Geburt1723 und zum Teil schweren Erkrankungen1724 weder die Frau noch eines der Kinder städter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 24 f. – Den „Staradvokaten“ und Schwager Windscheids v. Fuchsius und die glücklose Anwaltstätigkeit der Bruders Eugen Windscheid erwähnen Neuber, Rechtsanwaltschaft (1975) S. 30 f., S. 73, S. 77, S. 82 u. S. 85 u. G. Fischer, Staatsanwälte (1970) S. 128–159, 146. 1717 Windscheid an Lotte o. D. [16./18.10.1858] und an seinen Vater 28.10.1858, beide Familiennachlass Windscheid; Windscheid an Ihering 21.12.1858, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 24 f., 24r. 1718 Er war dort Anfang April 1861 nach einem schlagähnlichen Anfall des Vaters (s. vier Briefe Windscheids aus Düsseldorf an seine Frau zwischen dem 27.3. und 8.4.1861, Familiennachlass Windscheid) und im November 1866 für eine Woche mit Frau und den beiden großen Kindern (Windscheid an Ihering, 6.1.1867 [irrtümlich datiert 1866], SBPK Berlin, Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid, Bll. 88–91, 90r+v). 1719 Mit knapp 82 Jahren, Stammbuch Windscheid S. 11, Familiennachlass Windscheid: „Das älterliche Haus ist nun aufgelöst.“ 1720 Katharina Charlotte Friederike Auguste, geboren nach nicht leichter Schwangerschaft am 28.8.1859. Paten u. a. Heinrich v. Sybel und Paul Heyse, Stammbuch Windscheid S. 27, Familiennachlass Windscheid, und Briefe Windscheids an Ihering vom 16.3. u. 30.8.1859, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 26 f., 27v u. Bl. 28. – Glückwunsch Iherings am 14.9.1859, Ihering in Briefen (1913) S. 118– 122, 118 f. Über die Anteilnahme der Freunde Heyse und Geibel s. Heyses Briefe vom 25.8. u. 31.8.1859 u. Geibels Antwort vom 4.9.1859, Petzet, Briefwechsel Geibel-Heyse (1922) Nr. 50 S. 113–115, 115, Nr. 52 S. 118 f., 118 u. Nr. 53 S. 119–121, 120. 1721 Franz Bernhard Ferdinand Adolph, geboren am 17.5.1862, Paten u. a. Georg Beseler, Heinrich Friedberg, Karl Vischer-Merian, Stammbuch Windscheid S. 27, Familiennachlass Windscheid. 1722 Charlotte Friederike Bertha und Margarethe Friederike Auguste, geboren am 19.10.1864, Paten Lottes u.a Rudolf Ihering und Luise Burckhardt-His, Gretels u. a. Emanuel Geibel und Klara Kugler, Stammbuch Windscheid S. 27, Familiennachlass Windscheid. 1723 Windscheid an seinen Vater am 17.5.1862, Familiennachlass Windscheid, an Paul Heyse am 27.6.1862, BSB München Heyse-Archiv VI, Windscheid, Bernhard Nr. 7 und an Ihering am 7.1.1863 [irrtüml. angegeben 1862], SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 46 f., 46r. 1724 Im November 1864 Rippenfellentzündung von Frau Windscheid, Windscheid an Ihering [vor 19.12.1864], SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 86 f., 86r. Im Winter 1864 Franz, die Köchin und das Kindermädchen krank, Charlotte Windscheid an Ihering am 19.3.1865, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 103–105, 104v. Im Winter 1865 Schleimfieber (Typhus) von Käthe, Windscheid an Friedberg 12.3.1866, BA Berlin NL Friedberg Bl. 123 u. 123a, 123v. Im Frühjahr 1868 „rote Ruhr“ der Zwillinge, Windscheid an Friedberg am 23.3.1868, BA Berlin NL Friedberg Bll. 126 f., 127r .
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einer der damals noch unheilbaren Krankheiten zum Opfer fiel.1725 Vergleicht man insoweit Windscheids Schicksal mit dem seiner nahen Freunde Beseler,1726 Heyse1727 oder Ihering1728, so ist das Wort vom „Kind des Glücks“ in einem weniger idealen, mehr realen Sinne eher auf Windscheid als auf Heyse anwendbar.1729 Ihren Alltag verbrachte die Familie Windscheid zusammen mit Köchin, Kindermädchen und Hund die meiste Zeit des Jahres in München, wobei sie, dem Zuwachs nachgebend, mehrmals die Wohnung zu wechseln gezwungen war.1730 In den Sommermonaten fuhr die Familie regelmäßig „ins Gebirge“, d.h. nach Tegernsee,1731 wo Windscheid auch 1864 in einer Kur Erholung für seinen überarbeiteten Körper suchte und eine Nervengeschwulst am Knie entfernen ließ,1732 oder Berchtesgaden.1733 Vor 1864 beschränkten sich Windscheids Ferien 1725 Von häufigen und schweren Typhusepidemien noch nach 1858 weiß Du Moulin Eckardt, Geschichte (1929) S. 144. Vom Auftreten der Cholera berichtet Pecht, Lebenserinnerungen II (1894) S. 74 u. S. 77. 1726 Dessen jüngste Tochter Lisbeth stirbt 1855 in Greifswald an Scharlach, Fünfzig Jahre (1904) S. 155 f. 1727 Verliert seine erste Frau am 30.9.1862 nach anderthalbjährigem Lungenleiden sowie 1870 und 1871 eine Tochter und einen Sohn aus erster Ehe: Raff, Heyse (1910) S. 42 f. u. S. 67. 1728 Verliert 1848 in Rostock bei der Geburt des ersten Kindes dieses und die Ehefrau und im September 1867 in Gießen die zweite Ehefrau [Ihering in Briefen (1913) S. 5 u. S. 219], dazu 1863 ein ungefähr einjähriges Kind. s. dazu Windscheids Kondolenzbrief vom 27.4.1863, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 64 f., 64r. 1729 Zitat bei Krausnick, Heyse (1974) S. 261 f. nach Traugott Schmidt, Theodor Storm und Paul Heyse (1966) S. 13. 1730 Windscheids Wohnungen: zunächst Salvatorstr. 19, StadtA München, Slg. Monacensia, Eintrag im Meldezettel vom 14.10.1857; 17.5.1858 Louisenstr. 7/1; 8.5.1861 Louisenstr. 11/1; 3.10.1863 Briennerstr. 27 lit. B, ebd. Familien-Bogen Windscheid; seit WS 1869/70 Arcostr. 8/2, Amtliches Verzeichnis München, WS 1869/70, S. 25. 1731 Seit 1861, Windscheid an Ihering am 9.8.1861 und 1.11.1861, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 39 f., 40v u. 41 f., 41v („möglichst wenig gearbeitet und möglichst viele Berge bestiegen“), und an Sybel am 17.10.1861, GStA PK I. HA Rep. 92 v. Sybel B 1 XLIX Bll. 27 f., 28r. 1862: Windscheid an Heyse am 27.6.1862, BSB München Heyse-Archiv VI, Windscheid, Bernhard Nr. 7. 1863: Windscheid an Ihering 8.8.1863, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 70 f., an Heyse 11.9.1863, BSB München Heyse-Archiv, Windscheid, Bernhard Nr. 9. 1865: Charlotte Windscheid an Ihering 19.3.1865, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 103–105, 104r. 1867: Windscheid an seine Frau o. D. [am 5.8.1867], Familienachlass Windscheid. 1868: Windscheid an Friedberg am 11.7.1868, BA Berlin NL Friedberg Bll. 131 f., 131v. 1869: Windscheid an Bluntschli 24.7.1869, ZB Zürich FA-Bluntschli 19.960-4. 1732 Über Windscheids Abgespanntheit und Leiden berichtete er selbst Ihering am 18.6. u. 26.8.1864, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 79 f., 79r u. 81 f., 81r, und Charlotte an Heyse [vor 21.]7.1864, BSB München, Heyse-Archiv VI, Windscheid, Lotte Nr. 1. Die von Charlotte erwähnte depressive Stim-
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auf die vier Wochen zwischen Mitte August und Mitte September, und auch der durch diese Krisis Gewarnte hatte kaum einmal die Zeit, volle acht Wochen bei seiner Familie und nur der Gesundheit zu leben. Windscheids regelmäßiger Umgang beschränkte sich auf wenige Personen aus Künstler- und Professorenkreisen. Neben dem engen Freund der Familie Paul Heyse gehörten dazu Emanuel Geibel,1734 der ebenso wie Heyse und dessen Schwiegermutter Klara Kugler geb. Hitzig Pate eines Windscheid-Kindes1735 wurde, die Hausgenossen Heyses, also seine Schwäger Hans und Bernhard Kugler sowie Hansens Freund Adolf Wilbrandt,1736 aber auch der „autochthone“ Mineraloge und Dichter Franz Kobell, bei dessen Bockbierfesten im Frühjahr Windscheid regelmäßiger Gast war.1737 Zahlreiche Briefe belegen, wie herzlichen Anteil Windscheid an den schriftstellerischen wie familiären Freuden und Leiden Heyses nahm.1738 Von den Professoren standen Windscheid neben dem „3/7 Politiker“ Sybel der „4/7 Politiker“ Bluntschli1739 und der Physiker Philipp Jolly1740 mung dramatisiert Oertmann, Lebensgang (1904) S. XIV. – Windscheids Anträge auf Sonderurlaub vom 27.6. und 21.7.1864 sowie deren Genehmigungen am 2. und 21.7. 1864 im UAM E II 540, Personalakte Windscheid. 1733 Dort war Windscheid im August und September 1870, Antrag Windscheids vom 27.6. mit ärztlichem Attest vom 24.6.1870, UAM E II 540, Personalakte Windscheid, und Windscheid an badisches Innenministerium 8.9.1870, GLA-KA 235/3117 Bl. 342. 1734 Besonders eng war der Kontakt im Winter 1861/62, Geibel an Heyse am 8.4. 1862, Petzet, Briefwechsel Geibel-Heyse (1922) Nr. 74 S. 170–175, 174. – Erhalten ist eine undatierte Einladung Geibels an Windscheid, Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek Kiel, Ca-Autographen: Geibel, E. 1735 s. o. Fn. 1722 und dazu Brief Heyses an Geibel vom 24.11.1861, Petzet, Briefwechsel Geibel-Heyse (1922) Nr. 69 S. 153–155, 155. 1736 Windscheid an seine Frau am 22.4.1861, Familiennachlass Windscheid: Essen bei Klara Kugler mit Familie Heyse und Adolf Wilbrandt. Über die Familie Heyse und Wilbrandt Windscheid an Sybel am 26.10.1862, GStA PK I. HA Rep. 92 v. Sybel B 1 XLIX Bll. 31 f. Windscheid empfahl Wilbrandt am 27.4.1861 Heinrich Kruse, HHI Düsseldorf, NL Heinrich Kruse. – Wilbrandt schildert in Fritz Reuters Leben und Werke (1874) S. 1–96, 71, die Begeisterung auch Windscheids Anfang der 60er Jahre über Reuters „Olle Kamellen“. 1737 Kobell, Unter den vier ersten Königen Bayerns II (1894) S. 23–27. – Die Verehrung Windscheids für den „Bock“ zeigte sich in Heyses Anspielung auf Windscheid als „fidus Achates in Achatzio“ (,zum Achatz‘ heißt die Gastwirtschaft) in einem Brief an Geibel vom 19.12.1869, Petzet, Briefwechsel Geibel-Heyse (1922) Nr. 89 S. 211–213, 213, sowie in mehrmaligen Biersendungen an Ihering, s. etwa Briefe vom 17.4. u. 8.8.1863, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 63v u. Bll. 70 f., 70r und Ihering an Windscheid am 19.[irrtüml. datiert 29.]3.1864, Ihering in Briefen (1913) S. 162–166, 162 u. am 18.4.1865, ebd. S. 173–180, 173. 1738 Der Familiennachlass Windscheid enthält 25 meist undatierte Briefe Heyses. Im Heyse-Archiv VI der BSB München liegen 16 Briefe Windscheids aus der Zeit zwischen 1858 u. 1887 und acht Briefe seiner Frau Lotte aus den Jahren 1858 bis 1910. Außerdem erwähnte Windscheid in zahlreichen Briefen besonders an seine Frau, aber auch in der Korrespondenz mit Freunden das Ergehen Heyses und dessen Familie. 1739 So bezeichnet von Sybel selbst, Bluntschli, Denkwürdiges II (1884) S. 309; über seine Freundschaft zu Windscheid ebd. S. 122. Erste Erkundigung nach Bluntschli bei
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besonders nahe. Fast noch schwerer als Sybels Weggang 18611741 traf Windscheid, dass auch Bluntschli ein Jahr später vor der ihm entgegengebrachten Abneigung kapitulierte und – nicht zuletzt auch wegen der Aussicht auf eine politische Zukunft – nach Heidelberg wechselte.1742 Windscheid hatte Bluntschlis direkte und offene Art immer gefallen.1743 Nach seinem Weggang fühlte er sich in der Fakultät allein, war er doch bis zu Plancks Berufung1744 der einzige Nichtbayer im Kollegenkreis.1745 In diesem pflegte er näheren Umgang nur noch mit Joseph Pözl,1746 auch wenn beider Liberalität politischen Streit zwischen dem preußischen Rheinländer und dem Bayern um die Zukunft Deutschlands nicht verhindern konnte.1747 Nur selten konnte Windscheid seinen Freund und Kollegen Ihering in München begrüßen.1748 Lockereren Kontakt hatte Windscheid Andreas Heusler-Ryhiner am 29.3.1857, StA Basel PA 328 E 168 Windscheid, Bernhard. Seit 6.5.1857 war Windscheid in direktem Kontakt mit Bluntschli, ZB Zürich FABluntschli 19.960-7. Bluntschli war für Windscheid „ein sehr werther Freund“, Windscheid an Andreas Heusler-Ryhiner am 12.1.1860 [irrtüml. datiert 1859], StA Basel PA 328 E 168 Windscheid, Bernhard. 1740 Bruder des badischen Politikers Julius Jolly (1809–1884), Gerlach, Art. Jolly 4) Philipp (v.) (1974) S. 592. – Ihn erwähnte Windscheid gegenüber Charlotte Windscheid geb. Pochhammer am 27.10.1858, im Juli 1860 und im [August 1868], Familiennachlass Windscheid. Einladung Philipp Jollys wegen Anwesenheit seines Bruders Julius am 9.4.1868, SBPK Berlin Autogr. I/181/31. Empfehlung von Philipp Jollys Sohn Julius an Theodor Mommsen in Berlin durch Windscheid am 18.10.1869, SBPK Berlin NL Mommsen, Windscheid-Briefe Nr. 5. 1741 Dazu Bluntschli, Denkwürdiges II (1884) S. 304–309; Varrentrapp, Sybel (1897) S. 100–105. Windscheids Abschiedsgruß an Sybel am 6.8.1861 im GStA PK I. HA Rep. 92 v. Sybel B 1 XLIX Bl. 26. Über Sybels Weggang und die unschönen Begleitumstände Windscheid an Ihering am 9.8.1861, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 39 f., 40v. 1742 Bluntschli, Denkwürdiges II (1884) S. 309. Windscheid an Bluntschli am 11.9. 1861, ZB Zürich FA-Bluntschli 19.960-6 und an Heyse am 31.10.1861, BSB München Heyse-Archiv VI, Windscheid, Bernhard Nr. 6. 1743 Windscheid an Ihering am 10.12.1861, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847 (10) B. Windscheid Bll. 43–45, 45r. 1744 J.W. Planck kam 1867 als Professor für Kriminalrecht und Kriminalprozess nach München, Landsberg, Geschichte (1910) Noten S. 247. 1745 Windscheid an Sybel am 17.10.1861, GStA PK I. HA Rep. 92 v. Sybel B 1 XLIX Bll. 27 f., 27v u. an Ihering am 1.11.1861, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 41 f., 41v sowie am 10.12.1861, ebd. Bll. 43–45, 44v u. 45r. 1746 Im August 1858 unternahmen Windscheid, Pözl und Ihering eine 14-tägige Fußund Wagentour durch die Berge, Ihering an Gerber am 8.12.1858, Losano I, Briefwechsel (1984) Nr. 100 S. 297–299, 298; Windscheid an Ihering am 14.6.1858, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 21–23, 21v–22v; Ihering an Windscheid am 21.7.1858, Ihering in Briefen (1913) S. 93–95, 93 f.; Windscheid an Heyse am 16.8.1858, BSB Heyse-Archiv VI, Windscheid, Bernhard Nr. 3b. 1747 Windscheid an Beseler am 28.2. und am 23.11.1860, BA-Fft/M. FN 3/3 Bl. 217 u. Bl. 220. 1748 Erstes Treffen in München war die gemeinsame Wanderung mit Pözl im August 1858, s. o. Fn. 1746. Außerdem kam Ihering noch im August 1862 (Brief Iherings an
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
mit den Professoren Siebold,1749 Bischoff, Sybels Nachfolger Giesebrecht1750 und über Bluntschli wie Sybel zu dem liberalen Journalisten Brater.1751 Ihm war der Treffpunkt Heyses und Geibels, das Haus der Staatsrätin Ledebour an „der Ecke“, vertraut,1752 und 1859 empfing er den auf Anregung Heyses in München weilenden Theodor Fontane.1753 Natürlich kannte Windscheid auch das Haupt der Münchner Gelehrtenwelt Justus v. Liebig.1754 Obwohl Windscheid kein von Haus aus geselliger Typ war, besuchte er doch öfter die Dienstagsgesellschaft liberaler Professoren in der Weinhandlung Grosdemange1755 und – gemeinsam mit Heyse – den Gelehrten- und Künstlerkreis der „zwanglosen Gesellschaft“.1756 Windscheid am 13.8.1862, StUB Göttingen 4º Philos 195a), im Mai 1863 (Ihering an Gerber am 12.5.1863, Losano I, Briefwechsel (1984) Nr. 213 S. 532–534, 534 u. Windscheid an Ihering 14.6.1863, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 66 f., 67v) u. im August 1869 mit seiner Verlobten Louise Wilders (Windscheid an seine Frau in Tegernsee Samstag Abend [vor dem 14.8. (Examensende) 1869], Familiennachlass Windscheid) nach München. 1749 Windscheid an Charlotte Pochhammer [16./18.10.1858], Familiennachlass Windscheid. – Zu dessen gastfreundlichem Heim Braun-Artaria, Zeitgenossen (1918) S. 62 f. 1750 Giesebrecht an Windscheid am 26.12.1862, SBPK Berlin Autogr. I/181/19. Von einer Einladung bei Giesebrecht zusammen mit Dönniges, Riehl, Cornelius und J. W. Planck berichtete Windscheid seiner Frau [1867–1871], Familiennachlass Windscheid. 1751 s. Briefe Windscheids an Sybel o. O. o. D. [vor 18.8.1859], GStA PK I. HA Rep. 92 v. Sybel B 1 XLIX Bl. 38 u. Antwort Sybels 18.8.1859, SBPK Berlin Autogr. I/ 181/54. 1752 s. etwa Windscheid an seine Frau am 14.4.1861 sowie in einem undatierten Brief [7.1860–9.1861], beide Familiennachlass Windscheid. – Zur Beteiligung Windscheids am Grabstein für die am 27.11.1863 gestorbene Staatsrätin Ledebour s. Heyse an Geibel am 22.1.1864, Petzet, Briefwechsel Geibel-Heyse (1922) Nr. 79 S. 190 f., 190 u. Anm. S. 324. 1753 s. Fontane an seine Frau am 2.3.1859, Pleister, Fontane [1962] S. 35–37, 35, und Fontane an Heyse am 29.3.1859, Petzet, Briefwechsel Fontane-Heyse (1929) Nr. 21 S. 47 f., 48 (erwähnt eine „noch nicht konstituierte Gesellschaft Immermannia (Windscheid, Sybel usw.)“). 1754 Schilderung eines Empfangs bei Liebig schon in Windscheids Brief an Emilie Beseler vom 17.12.1857, BA-Fft/M. FN 3/3 Bll. 214–216. Am 29.5.1870 berichtete Windscheid Friedberg mit Betroffenheit von Liebigs schwerer Erkrankung, BA Berlin NL Friedberg Bll. 49 f., 50r+v. Am 23.3.1871 verabschiedete sich Windscheid mit überschwänglicher Herzlichkeit von Liebig, Stadt- und Landesbibliothek Dortmund Atg.-Nr. 8881. 1755 Windscheid an Charlotte Windscheid geb. Pochhammer am 11./14., 19./22.10. 1858, am 22.4.1861 und am 15.5.[1867–1870], Familiennachlass Windscheid. – Über diese Gesellschaft berichten Bluntschli, Denkwürdiges II (1884) S. 255, u. Dahn, Erinnerungen III (1892) S. 390 f. 1756 Windscheid an Charlotte Windscheid geb. Pochhammer am 19./22.10.1858 und im Mai/Juni 1866, Familiennachlass Windscheid. – Über die Gründung der „Zwanglosen“ 1837 und ihre Wiederbelebung durch die Neuberufenen nach 1848 Völderndorff, Plaudereien (1892) S. 255–259. Eine anschauliche Beschreibung bei v. Mohl, Lebenserinnerungen II (1902) S. 336 f. s. auch Pecht, Aus meiner Zeit II (1894) S. 72 f.
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Über seinem neuen Lebenskreis vergaß Windscheid die alten Freunde keineswegs.1757 Er hielt seine Beziehungen zu Basel ebenso aufrecht1758 wie die zu den Greifswalder Kollegen, besonders Beseler und Friedberg,1759 beide Paten seines Sohnes Franz.1760 Während sich Windscheid aber in den aus der Münchner Zeit erhaltenen Briefen an diese beiden1761 größtenteils auf die Mitteilung von Privatem und Politischem beschränkte, allenfalls noch vom Fortgang der eigenen Arbeit berichtete, korrespondierte Windscheid mit Ihering auch über juristische Fragen. Dabei ging es um den Wissenschaftsbetrieb, die Frage von Berufungen und wissenschaftlichen Leistungen, aber auch um inhaltliche Stellungnahmen zu den Werken des anderen. Windscheid schätzte besonders Iherings „Geist“ und trieb Ihering immer wieder dazu an, daran weiterzuarbeiten und ihn schließlich zu vollenden.1762 Von Iherings anonym verfassten „Briefen eines Unbekannten“ war Windscheid hellauf begeistert und bestärkte Ihering in seiner Kritik.1763 Umgekehrt bewunderte Ihering Windscheids Wissen und Arbeitsfähigkeit,1764 achtete ihn als einen führenden Vertreter der neuen Richtung1765 und hielt in einem frühen Brief seine eigene „Wende“ zu einem Teil für eine Entwicklung hin zu 1757 Aus Bonn kamen im Herbst 1861 Claus und Heimsoeth, Windscheid an Sybel am 17.10.1861, GStA PK I. HA Rep. 92 v. Sybel B 1 XLIX Bll. 27 f., 28v. – Am 30.8.1859 teilte Windscheid Urlichs in Würzburg die Geburt seiner Tochter mit, DArchI Berlin NL Urlichs, Briefe Windscheid V. 1758 Antonie Miescher-His gratulierte am 13.1.1859 zur Hochzeit. Karl Vischer-Merian wurde Pate von Sohn Franz, Luise Burckhardt-His Patin von Tochter Lotte, Stammbuch Windscheid S. 27, alles Familiennachlass Windscheid. 1759 Friedberg war als einziger von Windscheids Freunden bei seiner Hochzeit anwesend, Windscheid an Ihering am 21.12.1858, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 24 f., 24r. 1760 Stammbuch Windscheid S. 27, Familiennachlass Windscheid. 1761 Windscheid an Frau Beseler am 17.12.1857, BA-Fft./M. FN 3/3 214–216, an Georg Beseler am 28.2., 9.8., 23.11. u. 25.12.1860 und am 30.9.1862, ebd. 217–221. Beseler an Windscheid am 11.1.1858, 12.1. u. 7.5.1859 und am 17.6.1863, ebd. 158– 161a. – Windscheid an Heinrich Friedberg am 12.3. u. 8.7.1866, am 23.3. u. 11.7.1868 sowie am 29.5.1870, BA Berlin NL Friedberg Bll. 123 f., 124 f., 126 f., 131 f. u. 149 f. 1762 Windscheid an Ihering am 7.3.1858, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 19 f., 19r, am 21.12.1858, ebd. Bll. 24 f., 25r, am 16.3.1859, ebd. Bll. 26 f., 26r+v, am 20.12.1860, ebd. Bll. 34 f., 35v, am 1.11.1861, ebd. Bll. 41 f., 42v, am 10.12.1861, ebd. Bll. 43–45, 44v, am 26.12.1863, ebd. Bll. 72 f., 72r, am 29.3.1864, ebd. Bll. 77 f., 78v, am 4.11.1864, ebd. Bl. 85, 85v u. o. D. [vor 19.12. 1864], Bll. 86 f., 87v. Reaktionen Iherings vom 15.12.1858, Ihering in Briefen (1913) S. 104–107, 106 f., vom 14.9.1859, ebd. S. 118–122, 119–122, vom 22.12.1860, ebd. S. 127–130, 130, vom Anfang 1864, ebd. S. 158–162, 160–162, vom 16.12.1864, ebd. S. 166 f. und vom 18.4.1865, ebd. S. 173–180, 174–179. 1763 Windscheid an Ihering am 10.12.1861, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 43–45, 43v u. 44r, am 26.12.1863, ebd. Bl. 72 f., 72r, am 6.1.1867 [irrtümlich datiert 1866], ebd. Bll. 88–91, 88r. 1764 Ihering an Windscheid am 22.12.1860, Ihering in Briefen (1913) S. 127–130, 130, und am 10.9.1865, ebd. S. 183–188, 186 f. 1765 Ihering an Gerber o. D. [26.2.–2.3.1861], Losano I, Briefwechsel (1984) Nr. 147 S. 402–404, 403: Windscheid „steht mir in der Richtung am nächsten“. Ihering an
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Windscheid.1766 Grenzenlosen Respekt hatte Ihering vor Windscheids moralischer Autorität.1767 Besonders deutlich wurde das 1862 anlässlich des Streits um die rechtliche Behandlung der Basler Festungsbauwerke. Baselstadt bemühte als Gutachter Ihering,1768 während für Baselland Dernburg eine juristische Stellungnahme verfasste.1769 Der kämpferische Ihering, bemüht, gegen gutes Geld Baselstadt zum Sieg zu verhelfen, stellte in einem zweiten Gutachten Dernburgs Argumentation nicht nur als unhaltbar, sondern auch als bewusst unredlich und damit Dernburg selbst als miesen Winkeladvokaten hin, der wider besseres Wissen eine verlorene Sache retten wolle.1770 Gegenüber Freund Gerber rechtfertigte Ihering dieses Vorgehen damit, er habe Dernburg „einschlachten“ müssen. Anders wären die – im Ergebnis Ihering folgenden – Richter nicht zu überzeugen gewesen.1771 Windscheid reagierte auf Iherings zweites Gutachten sehr betroffen, machte Ihering herbe Vorwürfe, weil seine verletzende Einschätzung Dernburgs ungerecht sei, und belegte dies mit einer ausführlichen, Dernburg verteidigenden Argumentation.1772 Ohne sich nach außen von der Begründung überzeugt zu zeigen, nahm Ihering diesen Vorwurf sehr ernst.1773 Er erklärte sich mindestens Windscheid gegenüber durch dessen moralische Integrität vor ihm und der wissenschaftlichen Welt für gerichtet und dankte ihm doch zugleich für diesen Freundschaftsdienst, den ihm kein anderer als Windscheid hätte leisten können.1774 Windscheids Konzession, bei allen ungerechten Angriffen auf Dernburg an Iherings subjektive Ehrlichkeit zu glauben,1775 verhinderte eine bleibende Verstimmung. Ohne die Windscheid am 1.3.1861, Ihering in Briefen (1913) S. 130–133, 131: er sei „Vertreter einer Richtung, der ich den Sieg wünsche“. 1766 Ihering an Windscheid am 18.4.1865, Ihering in Briefen (1913) S. 173–180, 176: „Ich habe in den letzten 2–3 Jahren eine merkwürdige Umwandlung meiner ganzen Anschauung durchlebt, die Dich noch oft frappieren und – freuen wird, denn sie besteht in einem Übergang zu dem Standpunkt, den Du seit Jahren einnimmst, und den ich früher so scharf bekämpft habe.“ 1767 Ihering an Lotte Windscheid am 15.4.1865, Ihering in Briefen (1913) S. 169– 172, 171. 1768 Ihering, Streit (1862). 1769 Dernburg, Rechtsgutachten (1862). 1770 Ihering, Erwiderung (1862), bes. fiktiver Dialog S. 22–37; dazu s. Falk, Jherings Kampf (2008), bes. S. 721 f. 1771 Ihering an Gerber am 15.11.1862, Losano I, Briefwechsel (1984) Nr. 198 S. 502–505, 502 f. 1772 Erste sachliche Zweifel Windscheids im Brief an Ihering vom 16.4.1862, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 49 f., 50r; Vorwürfe am 2.11.1862, ebd. Bll. 53 f.; Gegenargumentation am 18.11.1862, ebd. Bll. 55–61. 1773 Ihering an Gerber am 6.11.1862, Losano I, Briefwechsel (1984) Nr. 196 S. 498– 500, 499 f. 1774 Ihering an Windscheid am 12.11.1862, Ihering in Briefen (1913) S. 149–155, und Ende 1862, ebd. S. 155–158. 1775 Windscheid an Ihering am 18.11.1862 und 7.1.1863 [irrtüml. angegeben 1862], SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 55–61, 55v. u. Bll. 46 f., 46v–47v.
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eigene Leistung zu verkleinern, erkannte Windscheid stets die größere geistige Beweglichkeit Iherings an und stellte ihn oft im Rang über sich selbst.1776 Dabei stieg Ihering in Windscheids Einschätzung zwischen 1858 und 1869 sogar noch. Auf einer von Sybel dem König vorgelegten und maßgeblich von Windscheid erstellten Liste der bedeutendsten außerbayerischen Juristen erschien Ihering erst auf Platz drei in Nachbarschaft von Albrecht und Beseler, während als der vielleicht „bedeutendste der jetzt lebenden Juristen“ v. Wächter in Leipzig auf Platz eins rangierte.1777 Ein gutes Jahrzehnt später wurde in unverdächtigem Zusammenhang dieses Prädikat von Windscheid Ihering verliehen.1778 Aber auch die Leistungen vieler anderer, nicht nur romanistischer Kollegen verfolgte Windscheid aufmerksam und kritisch. Neben persönlichen Einsatz – Windscheid empfahl den damaligen Heidelberger Extraordinarius Julius Jolly nach Würzburg1779 und engagierte sich erfolgreich für die Beförderung seines „Täuflings“ Berthold Delbrück zum Appellationsgerichtsrat in Greifswald1780 – trat dabei die öffentliche1781 wie private Kommentierung literarischer Neuheiten. In drei Briefen, die die bereits in Greifswald begonnene Korrespondenz fortsetzten und in denen sich Windscheid für ihm übersandte Werke bedankte, drückte Windscheid Theodor Mommsen seine tiefe Verehrung und Bewunderung von dessen doppelter Begabung als Romanist und Philologe aus.1782 Lob ernteten auch Bähr1783 und unter 1776 Windscheid kurz vor Weihnachten 1856 an Urlichs in Würzburg über seine mögliche Berufung nach München: „Ich bleibe dabei, daß die Bayern am besten thun, Ihering zu nehmen . . .“: DArchI NL Urlichs, Windscheid-Briefe I; Windscheid an Ihering am 16.4.1858, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 21–23, 21r, am 21.12.1858, ebd. Bll. 24 f., 24r, am 10.3.1861, ebd. Bll. 36–38, 37v. Windscheid an Friedberg am 23.3.1868, BA Berlin NL Friedberg Bll. 126 f., 127v: nennt Ihering „die größte geistige Potenz unter uns allen“. Ebenso Windscheid an Gerber am 18.3.1869, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. 1777 Entwurf vom 1.6.1858, BA Koblenz NL 193 Sybel Bd. 19 Bll. 38–39v; Original des „Verzeichnisses hervorragender Männer“ vom 2.6.1858 mit leicht abweichendem Text HStA München (GHA) NL Max II 78/1/102: Platz 5 Böcking, Platz 6 J. W. Planck; Savigny als bereits mit dem Maximiliansorden Ausgezeichneter blieb unberücksichtigt. 1778 In seinem Gutachten zur eigenen Nachfolge in München vom 30.10.1870 war Ihering für Windscheid „der geistvollste und ideenreichste unter allen jetzt lebenden Romanisten“, UAM L I 62. 1779 Gemeinsam mit Beseler, Sybel an Urlichs am 3.5.1858, GStA PK I. HA Rep. 92 v. Sybel B 1 XLIX Bl. 69. 1780 Windscheid an Ihering am 7.1.1859 [irrtüml. datiert 1858], SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 18, am 16.3.1859, ebd. Bll. 26 f., 27r u. am 30.8.1859, ebd. Bl. 28. – Zitat im Brief Iherings an Windscheid vom 14.12.1857, Ihering in Briefen (1913) S. 82–85, 84, wohl in Anspielung auf dessen Ehrenpromotion 1856. 1781 Inhaltlicher Kommentar zu Windscheids zahlreichen Rezensionen s. u. im Abschnitt II. 2. 1782 Windscheid an Theodor Mommsen am 4.6.1860, SBPK Berlin NL Mommsen, Windscheid-Briefe Nr. 2, am 16.7.1866, ebd. Nr. 4 u. am 16.12.1870, ebd. Nr. 6. 1783 Windscheid an Ihering am 16.3.1859, SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847 (10) B. Windscheid Bll. 26 f., 27v.
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
den Romanisten Bruns1784, Fitting,1785 Brinz,1786 Gneist,1787 und Köppen1788 während Vangerow nur als exzellenter Lehrer gerühmt wurde.1789 Zahlreich sind jedoch ebenfalls die Namen derjenigen, deren schriftstellerische Leistungen Windscheid weniger hoch schätzte.1790 Dennoch hielt er ein Übermaß an mittelmäßigen bis überflüssigen Büchern für das kleinere Übel gegenüber den früheren Gepflogenheiten des Aufstiegs in die Professorenämter kraft Anciennität. Die durch Schriften zu beweisende Qualifikation allein könne vor solchem unwissenschaftlichen Verhalten schützen.1791 Von den regelmäßigen Treffen wissenschaftlicher und praktischer Juristen bei den seit 1860 bestehenden Juristentagen hielt Windscheid wenig.1792 Er nahm trotz Aufforderungen Iherings1793 wie Bluntschlis1794 an keinem auswärtigen Ju1784 Windscheid an Ihering am 9.8.1861, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 39 f., 40r zur Behandlung des römischen Rechts in Bruns’ Monographie über den Besitz. 1785 Windscheid am 12.1.1860 [irrtüml. datiert 1859] an Andreas Heusler-Ryhiner, StA Basel PA 328 E 168 Windscheid, Bernhard: tüchtigster romanistischer Nachwuchswissenschaftler. 1786 Windscheid an Charlotte Pochhammer am 17.9.1858, Familiennachlass Windscheid, an Ihering am 21./22.[12.1859], SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 29–31, 31v u. am 5.7.1860, ebd. Bll. 32 f., 33v. War für Windscheid in seinem Gutachten vom 30.10.1870 Ihering „ebenbürtig“, UAM L I 62. 1787 Windscheid an Friedberg am 23.3.1868, BA Berlin NL Friedberg Bll. 126 f., 127v: Sein einziges Hemmnis sei Gneists Eitelkeit. 1788 Windscheid an Gerber 18.3.1869, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. Steht in Windscheids Gutachten vom 30.10.1870, UAM L I 62, auf Platz drei. 1789 Vangerow erscheint auf Sybels Liste vom 2.6.1858, HStA München (GHA) NL Max II 78/1/102, auf Platz 7 als zu Recht berühmter aber wissenschaftlich weniger bedeutender Lehrer. 1790 Genannt wird die posthume Herausgabe von Kellers Pandekten durch Emil Friedberg (Windscheid an Ihering am 20.6.1862, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 51 f., 52v) und die Namen Erbling (Windscheid an Ihering am 21./22.[12.1859], SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 29–31, 30v), Baron (Windscheid an Ihering 29.3.1864, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 77 f., 78r+v), Burchhardi u. Ubbelohde (Windscheid an Ihering 26.8.1864, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 81 f., 82v), Ziebarth und Neuner (Windscheid an Ihering, 6.1.1867 [irrtümlich datiert 1866], SBPK Berlin, Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid, Bll. 88– 91, 91r). 1791 Windscheid an Ihering am 6.1.1867 [irrtümlich datiert 1866], SBPK Berlin, Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid, Bll. 88–91, 88r–89r. – Den Trend zur Aufwertung wissenschaftlicher Produktion gegenüber der Lehrgabe betont auch Dickerhof, Hieronymus Bayer (1988) S. 327–380, 357 unter Hinweis auf Bayers Votum vom 20.5. 1870, UAM L I 61 gegen Windscheid und Roth. 1792 Interesse zeigte Windscheid nur am 9.8.1860 vor dem 1. Juristentag gegenüber Beseler, BA-Fft/M. FN 3/3, Bl. 218. 1793 Ihering an Windscheid am 28.7.1861, Ihering in Briefen (1913) S. 140–143, 143. 1794 Windscheid anlässlich des Heidelberger Juristentags am 24.7.1869 an Bluntschli, ZB Zürich FA-Bluntschli 19.960-4.
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ristentag teil. Beim Münchner Juristentag 1867 war Windscheid nur deswegen, weil er hier Bekannte und Freunde treffen konnte und sein Fernbleiben als Unhöflichkeit hätte ausgelegt werden können.1795 Ein Beleg für Windscheids eigene wissenschaftliche Qualifikation war das Interesse der bedeutendsten deutschen Universitäten an ihm. Bereits 1860, also noch vor der Veröffentlichung des ersten Bandes seines Lehrbuchs, erschien Windscheids Name auf der Berufungsliste der juristischen Fakultät Berlin als möglicher Nachfolger Kellers. Besonders dem in der Zwischenzeit von Greifswald nach Berlin berufenen Beseler hatte es Windscheid zu verdanken, dass er nach Vangerow in Heidelberg und Bruns in Tübingen auf Platz drei gesetzt wurde.1796 Da nach Vangerows zögernder, aber dann aus finanziellen Erwägungen doch erfolgender Ablehnung1797 Bruns sofort und bedingungslos annahm,1798 zerschlug sich für Windscheid die Chance, auf den Lehrstuhl Savignys und Puchtas berufen zu werden. Er selbst gönnte Bruns anders als Vangerow diese führende Stellung an der ersten Universität Deutschlands, wenn er selbst auch trotz Respektes vor der großen Aufgabe letztlich nicht abgelehnt hätte.1799 Sehr stolz war Windscheid darauf, dass sich Wächter Friedberg gegenüber gegen Bruns und für ihn ausgesprochen hatte.1800 Bezeichnend ist die abweichende Reaktion Iherings, der weniger auf die wissenschaftliche Qualifikation als auf den Ruf der Person achtete. Er hätte Vangerow – vielleicht mit dem Hintergedanken, dann selbst eine Chance in Heidelberg zu erhalten1801 – als Nachfolger Kel1795 Diese Haltung nahm Windscheid schon 1864 angesichts des für 1865 in München geplanten Juristentages ein, Windscheid an Ihering am 18.6. u. 14.9.1864, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 79 f., 80r u. Bll. 83 f., 83v, und traf dann auch während des Juristentages Wächter, Gneist und Ihering, Windscheid an seine Frau o. D. [27.8.1867], Familiennachlass Windscheid. – Windscheid war seit 1865 oder 1866 Mitglied des Juristentages, Verhandlungen des sechsten Deutschen Juristentages I (1865) Verzeichnis B Nr. 2310, ohne sich in einer der Sitzungen zu äußern, ebd. III (1868). 1796 Anfrage des Ministers v. Bethmann-Hollweg vom 1.10.1860 und Vorschlag der Fakultät vom 14.11.1860 GStA PK I. HA Rep. 76Va Sekt. 2 Tit. 4 Nr. 45 Vol. I Bl. 345 bzw. 355 f. 1797 Ruf Bethmann-Hollwegs am 11.12.1860, GStA PK I. HA Rep. 76Va Sekt. 2 Tit. 4 Nr. 45 Vol. I Bl. 357r; 1. Ablehnung Vangerows am 16.12., ebd. Bl. 362; Verbesserung des Angebots durch Bethmann-Hollweg am 29.12., ebd. Bl. 363; endgültige Ablehnung Vangerows am 6.1.1861, ebd. Bll. 370 f. 1798 Ruf Bethmann-Hollwegs vom 4.2.1861, GStA PK I. HA Rep. 76Va Sekt. 2 Tit. 4 Nr. 45 Vol. I Bl. 373; Bruns Annahme mit höherem Gehaltswunsch vom 24.2. ebd. Bll. 379 f.; Ablehnung dessen durch den Minister am 9.3., ebd. Bl. 382r; dennoch endgültige Annahme Bruns’ am 16.3.1861 ebd. Bll. 388 f. 1799 Windscheid an Beseler am 25.12.1860, BA-Fft/M. FN 3/3, Bl. 221, an Ihering am 10.3.1861, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 36–38, 36r–37v. 1800 Windscheid an seine Frau am 14.4.1861, Familiennachlass Windscheid. 1801 So rechnete Windscheid im Brief an Ihering vom 10.3.1861, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 36–38, 36v. Ihering selbst bezeichnete
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
lers akzeptiert, während er an Bruns kaum ein gutes Haar ließ1802 und sich auch fragte, warum, wenn schon einer der Jüngeren berufen werden sollte, dann nicht sein, sondern Windscheids Name zur Debatte stand.1803 Anfang 1869 sah der Dekan der aufstrebendsten juristischen Fakultät, der Germanist und Staatsrechtler Gerber in Leipzig, die Chance, durch Umbesetzung einzelner Lehrstühle und Neuberufungen das Ansehen Leipzigs für die Zukunft zu sichern. Im römischen Recht favorisierte er, anders als die Fakultät,1804 nicht Adolf Schmidt in Freiburg sondern Windscheid, dessen Lehrbuch er inzwischen1805 als das beste Werk seiner Gattung ansah.1806 Da Schmidt kurz vorher einen Ruf nach Bonn angenommen hatte und darum Leipzig ablehnend bescheiden musste,1807 erging am 8. März 1869 nach vorbereitendem Briefwechsel1808 ein offizieller Ruf an Windscheid.1809 Diesen Ruf empfand nun die Münchner Fakultät, besonders Pözl, als eine so bedeutende Gefahr für das eigene Renommé, dass alles versucht wurde, um Windscheid in München zu halten.1810 Es gelang auch, Windscheid weniger in sachlichen Verhandlungen als durch einen schnellen Anschlag auf sein Ehrgefühl den Wechsel nach Leipzig, zu dem er prinzipiell bereit gewesen wäre, unmöglich zu machen: Fünf Tage nachdem Windscheid der Regierung Mitteilung von dem an ihn ergangenen Ruf gemacht am 28.12.1867 den Ruf nach Heidelberg als „den schönsten Wunsch meines Lebens“, Ihering in Briefen (1913) S. 221–223, 222. 1802 Ihering an Gerber o. O. o. D. [26.2.–2.3.1861], Losano I, Briefwechsel (1984) Nr. 147 S. 402–404, 403 f. Ähnlich Ihering am 1.3.1861 gegenüber Windscheid, Ihering in Briefen (1913) S. 130–133, 131 f. 1803 Ihering an Gerber am 1.2.1861, Losano I, Briefwechsel (1984) Nr. 145 S. 397– 400, 398 f. 1804 Der Vorschlag der Fakultät vom 20.1.1869, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts Nr. 10198/5 Bll. 90–94, hier 90–92, nannte an erster Stelle Schmidt wegen dessen auch historischer Ausrichtung, dann Windscheid, nach ihm Fitting in Halle und zuletzt Stintzing in Erlangen. 1805 Am 30.11.1862 konnte Gerber Ihering gegenüber im 1. Band „kein[en] erhebliche[n] Fortschritt“ entdecken, Losano I, Briefwechsel (1984) Nr. 200 S. 508. 1806 Gerber an Minister, 21.1.1869, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10198/5 Bll. 95 f. und nach Schmidts Ablehnung insistierend am 10.2.1869, ebd. Bll. 97 f., sowie am 19.2.1869, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts Nr. 10198/5 Bl. 99. 1807 Abschrift eines Briefes Schmidts an Danz in Jena vom 18.3.1869 als Beilage eines Schreibens Gerbers an den Minister vom 25.3.1869, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts Nr. 10198/5 Bll. 107 f., 108r. 1808 Gerber an Windscheid 14.2.1869 privat und „ganz vertraulich“, HStA Dresden NL Gerber Nr. 326, Windscheid; Windscheid prinzipiell interessiert an Gerber am 17.2.1869, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10198/5 Bll. 100 f. 1809 Windscheid an Gerber am 9.3.1869, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid, mit Bitte um weitere Auskünfte. 1810 Nach Mitteilung des Leipziger Rufs durch Windscheid alarmierte Pözl am 10.3.1869 die Kollegen wie die Regierung, und bat der Senat den König am 13.3.1869, Windscheid zu halten, UAM E II 540, Personalakte Windscheid.
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hatte, erhielt er ein königliches Handschreiben, das ihm die Verleihung des Verdienstordens der bayerischen Krone ankündigte.1811 Nachdem Windscheid bereits 1866 den St. Michaelsorden erhalten hatte1812 – eine Ehrung, der weder er noch seine Umgebung, etwa Freund Ihering, besondere Bedeutung beigemessen hatten1813 –, wurde ihm nun ohne weitere Bedingung eine Auszeichnung verliehen, mit der der persönliche Adel verbunden ist.1814 Besonders das persönliche Engagement des Königs machte es Windscheid unmöglich, nun Bayern zu verlassen.1815 Dass mit seinem Verbleib eine beträchtliche Erhöhung seines Jahresgehalts verbunden war, soll nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden.1816 Vielleicht hätte Windscheid trotz dieses ehrenden und zugleich ködernden Verhaltens den Wechsel nach Leipzig dann vorgenommen, wenn der von ihm sehr verehrte Wächter1817 selbst Windscheids Kommen ausdrücklich begrüßt hätte.1818 Fest steht, dass Windscheid nicht wünschte, in Konkurrenz zu Wächter zu treten,1819 während Gerber Windscheids Berufung auch mit dem Blick auf ein späteres Ausscheiden des schon betagten Wächter betrieb,1820 und dass Wind-
1811 Königliches Handschreiben Ludwigs II. vom 14.3.1869 zusammen mit anderen Unterlagen im HStA München, Ordensakten 2202. 1812 Am 9.11.1866, BayHStA München, Ordensakten 6633 u. UAM E II 540, Personalakte Windscheid. 1813 Ihering an Windscheid am 4.1.1867, Ihering in Briefen (1913) S. 212; Windscheid an Ihering am 6.1.1867, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 88–91, 91v. 1814 „Edict über den Adel im Königreiche Baiern“ vom 26.5.1818, Gesetzblatt f. d. Kgr. Baiern vom 4.7.1818 Sp. 213–220, § 5 Sp. 215. 1815 Windscheid am 15.3.1869 an Minister v. Falckenstein, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10198/5 Bll. 103 f., an Geheimrat Hübel, ebd. Bll. 105 f., und an Gerber, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. – Heyses Freude über Windscheids Verbleib zeigt sein Brief an Geibel am 15.3.1869, Petzet, Briefwechsel Geibel-Heyse (1922) Nr. 86 S. 205–207, 207. 1816 Windscheids Jahresgehalt wurde von 3.000 fl. auf 4.000 fl. angehoben, Staatsminister an Senat am 15.3.1869, HStA München Ordensakten 2202 u. UAM E II 540, Personalakte Windscheid. – Bereits am 31.12.1868 war Windscheids Gehalt durch Ministerialreskript zum 1.1.1869 um 500 fl. auf 3.000 fl. erhöht worden, UAM E II 540, Personalakte Windscheid. 1817 Windscheid empfand „fast Ehrfurcht“ vor dessen Württembergischem Privatrecht, Windscheid an Ihering am 5.7.1860, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 32 f., 33v. 1818 So Ihering unter Berufung auf eine Aussage Windscheids an Gerber am 4.4. 1869, Losano I, Briefwechsel (1984) Nr. 278 S. 650–652, 651. 1819 Windscheid an Gerber schon am 17.2.1869, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10198/5 Bll. 100 f., 101v: sonst sei Kommen „eine absolute Unmöglichkeit“. Im Brief an Gerber vom 31.7.1869, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid, war Windscheid froh darüber, dass Schmidts Berufung auch den Wünschen Wächters entsprach. – zu Wächter s. umfassend Mauntel, Carl Georg von Wächter (2004). 1820 Gerber an Minister am 12.1.1869, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10198/5 Bll. 95 f., 95r.
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
scheid aus Leipzig von Komplikationen, dagegen nichts über eine freundliche Reaktion Wächters erfahren hatte.1821 So richtete sich die Familie Windscheid bedauernd und in dem Bewusstsein, in München zwar gut leben, nie aber heimisch werden zu können,1822 auf den weiteren Verbleib in München ein.1823 Für den Schriftsteller Windscheid war der Aufenthalt in München sicher der entscheidende Abschnitt seines Lebens. Windscheid empfand die fünfzehn Wochenstunden der großen Pandektenvorlesung als sehr mühsam, verschmähte aber den Ausweg, in kürzerer Zeit nach einem fremden Lehrbuch zu lesen.1824 So wuchs in ihm der Gedanke, ein eigenes Lehrbuch zu verfassen. Zuvor veröffentlichte er einige kleinere rezensierende Aufsätze und Anzeigen,1825 soweit er ne1821
Windscheid an Gerber am 15.3.1869, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. So Windscheid schon am 12.1.1860 [irrtüml. datiert 1859] an Andreas HeuslerRyhiner, StA Basel PA 328 E 168 Windscheid, Bernhard, dann am 10.3.1861 an Ihering, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 36–38, 36v, und am 17.2.1869 an Gerber, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10198/5 Bll. 100 f., 100v. – Immerhin war Windscheid so integriert, dass Karl Martius einen seiner lateinischen Scherzbriefe am 13.3.1866 an ihn und Paul Roth richtete, BSB München, Martiusiana II A 1 Nr. 43. Von einem neuen Zusammengehörigkeitsgefühl – hier zwischen Franz v. Kobell und Frau Windscheid – nach dem Sieg 1871 berichtet Raff, Heyse (1910) S. 66 f. 1823 Windscheids Dank an Prodekan Pözl und die Fakultät für ihr bewiesenes Interesse an seinem Verbleib vom 16.3.1869 im UAM E II 540, Personalakte Windscheid. – Nach Leipzig wurde letztlich doch zum 1.10.1869 Adolf Schmidt in Bonn berufen: HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10198/5 Bll. 107 f. u. 129–135. 1824 Windscheid an Beseler am 23.11.1860, BA-Fft/M. FN 3/3 Bl. 220. Ähnlich Windscheid an Ihering am 20.12.1860, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 34 f., 35r. 1825 Vor 1862 erscheinen – der Aufsatz ,Zur Lehre von der Correalobligation‘, KÜdGR 6 (1859) S. 209–237 [dazu Windscheid an Ihering am 14.6.1858, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 21–23, 23r], – in der Krit.Vjschr. 1 (1859) die Rezensionen von Rudolph Schlesinger, Zur Lehre von den Formalcontracten (1858), S. 105–114, von Hermann Witte, Die Bereicherungsklagen (1859), S. 115–127, von G. C. Groskopff, Zur Lehre vom Retentionsrechte (1858), S. 127–130, von Hermann Gerber, Beiträge zur Lehre vom Klagegrunde (1858), S. 130–133, von Friedrich Mommsen, Erörterungen aus dem Obligationenrecht (1859), S. 133–136, von Ernst Pegert, Erklärung der l.12. Cod. de usufructu (III.33) (1859), S. 136 f., von Otto Brunnow, Querela non numeratae pecuniae (1857), S. 138, von Wilhelm Girtanner, Über die Bedeutung der sponsio (1858), S. 291 f., von O. Buelon [Oscar Bülow], De praeiudicialibus formulis (1859), S. 292 f., von Burkhard Wilhelm Leist, Civilistische Studien. Drittes Heft (1859), S. 294–301, von Wilhelm Girtanner, Die Stipulation (1859), S. 427–437, von Joseph Unger, System (1856–1859), S. 437–440, – in der Krit.Vjschr. 2 (1860) die Rezensionen von K[arl] F[riedrich] F[erdinand] Kneip, Einfluß der bedingten Novation (1860), S. 242–251, und von S. J. Hingst, Proeve eener geschiedenis der historische school (1859), S. 307–309, und – in der Krit.Vjschr. 3 (1861) die Rezensionen von W[ilhelm] Endemann, Das Princip der Rechtskraft (1860), S. 112–117 sowie schließlich von Franz Samhaber, Zur Lehre von der Correalobligation (1861), S. 161–179. 1822
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ben Vorlesungstätigkeit und Vorbereitung darauf sowie den Ansprüchen seiner Frau1826 Zeit dazu erübrigen konnte. In diese Münchner Anfangsphase fällt auch ein populär gehaltener Vortrag über „das römische Recht in Deutschland“, den Windscheid am 27. Februar 18581827 im Liebigschen Hörsaal hielt und in dem er Gedanken aus der Greifswalder Rede von 1854 weiterführte.1828 Seit Mitte der fünfziger Jahre hatte es Liebig zusammen mit Kollegen und mit freundlicher Unterstützung des Königs unternommen, im Winter in dem eigens für ihn erstellten neuen chemischen Hörsaal allgemeinverständliche Vorlesungen für ein interessiertes bürgerliches Publikum zu meist naturwissenschaftlichen, aber auch sonstigen allgemein-bildenden Themen zu veranstalten.1829 Bereits im Winter 1857/58, also kurz nach seiner Ankunft, erreichte auch Windscheid die Bitte um Mitwirkung an dieser Vortragsreihe. Windscheid akzeptierte, indem er anbot, einen bereits ausgearbeiteten und in der Gesellschaft der Zwanglosen vorgetragenen Text noch einmal zu lesen.1830 Obwohl in der Folgezeit zuerst die Überarbeitung des Pandektengrundrisses1831 und dann sein Lehrbuch den größten Teil seiner Zeit in Anspruch nahmen, waren ihm ein sehr persönlicher Nachruf für den 1868 verstorbenen Berthold Delbrück1832 und einige Anzeigen für die Kritische Vierteljahrschrift möglich.1833 Sein nahes Verhältnis zu Pözl brachte es mit sich, dass er
1826 Der Konflikt zwischen Pflicht und Vergnügen, wobei die Pflicht obsiegt, ist bereits eine der Lehren von Heyses „Hochzeitsreise an den Walchensee“ (1858), in: Ges. Novellen in Versen (1864) S. 223–261, 260. Zum Versuch Charlottes, Windscheid vom Arbeiten nach dem Abendessen abzuhalten, Windscheid an Ihering am 21./ 22.[12.1859], SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 29–31, 29v; ähnlich bereits Windscheid an Ihering am 21.12.1858, ebd. Bll. 24 f., 25r. 1827 Windscheid an einen Kollegen [Justus v. Liebig] am 1.2.1858 [irrtümlich angegeben 1857], Stadt- u. Landesbibliothek Dortmund Atg.-Nr. 6205. 1828 B. Windscheid, Das römische Recht in Deutschland, in: Wissenschaftliche Vorträge gehalten in München im Winter 1858 (1858) S. 435–463. 1829 Dazu Bluntschli, Denkwürdiges II (1884) S. 244; Elsner, Neue Perspektiven (1972) S. 271–314, 280; v. Kobell, Unter den vier ersten Königen Bayerns II (1894) S. 27–29; Rall, Wie König Maximilian II die Kultur förderte (1953) S. 27–32, 30. 1830 Windscheid an einen Kollegen [Justus v. Liebig] am 1.2.1858 [irrtümlich datiert 1857], Stadt- u. Landesbibliothek Dortmund Atg.-Nr. 6205. 1831 Sie dauerte von Oktober 1857 bis 6.3.1858, Windscheid an Ihering am 7.3.1858, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 19 f., 19r. – Der National Union Catalogue (NUC) weist, pre1956 Vol. 667 p. 640, eine 1862 erschienene 2. Auflage des Grundrisses nach. 1832 Zur Erinnerung an Berthold Delbrück, Krit.Vjschr. 10 (1868) S. 287–295. 1833 Rezensionen von Filippo Serafini, Il telegrafo (1862) in der Krit.Vjschr. 5 (1863) S. 445, von A. F. L. Gregory, Specimen juris civilis de ratihabitione (1864) u. J. A. Kramer, De leer van den psychischen dwang in het burgerlijke regt (1864), ebd. 6 (1864) S. 414–418, von Botho von Salpius, Novation und Delegation (1864), ebd. 6 (1864) S. 463–466, von Ferdinand Regelsberger, Civilistische Erläuterungen. Erstes Heft [1868], ebd. 10 (1868) S. 152–158, des Archivio giuridico, ebd. 10 (1868) S. 607–612, von Giuseppe Polignani, La dottrina della Ratihabitio (1869), ebd. 12 (1870) S. 152 f., von Guido Padeletti, Die Lehre von der Erbeinsetzung ex certa re (1870), ebd. 12
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
von 1868 bis 1871 einen Teil der redaktionellen Arbeit für dieses 1859 aus einer Fusion1834 von Heidelberger Kritischer Zeitschrift und Münchner Kritischer Überschau entstandene Blatt übernahm,1835 das trotz einer stattlichen Reihe von Mitherausgebern im Grunde dem Engagement Pözls sein Bestehen verdankte.1836 Windscheid nahm die Vorarbeiten für sein Lehrbuch im Herbst 1859 in der Hoffnung auf, „Manches . . . Anders sagen zu können, als es Arndts und Puchta gesagt haben.“ 1837 Nach zögerndem Beginn arbeitete er stetig und intensiv, musste aber dennoch seinen Zeitplan immer wieder korrigieren.1838 Im Sommer 1861 war endlich der Allgemeine Teil vollendet.1839 Im April 1862 hielt Windscheid die ersten Korrekturbögen in Händen,1840 und im Oktober dieses Jahres erschien der erste, den Allgemeinen Teil und das Sachenrecht enthaltende Band1841 mit einer Stärke von immerhin 663 Seiten.1842 Besonders Ihering setzte (1870) S. 476–480 u. schließlich von Hermann Fitting, Das castrense peculium (1871), ebd. 13 (1871) S. 253–263, datiert Dezember 1870. Dagegen dürften die gleichfalls in Windscheids ,Kleine Schriften, Reden und Rezensionen‘ II (1984) aufgenommenen strafrechtlichen Rezensionen aus den Jahren 1868 bis 1871 (ebd. S. 172–177 u. 191–205), die in der Krit.Vjschr. lediglich mit ,W‘, nicht wie die übrigen mit ,B.W.‘ oder ,B. Windscheid‘ unterzeichnet sind, nicht von Windscheid stammen, obwohl das alphabetische Verfasserverzeichnis der Krit.Vjschr. 13 (1871) S. 621 die zweite Serie Windscheid zuschreibt. Wahrscheinlicher Verfasser ist der damalige Münchner Strafrechtler Walther, der auch in der Krit.Vjschr. publizierte. Belege für die eine oder andere Verfasserschaft finden sich im Archiv der Krit. Vjschr. leider nicht mehr (freundl. Auskunft des Oldenbourg-Verlages (Dr. Dieckmann) vom 5.6. 1989). 1834 Dazu Windscheid an Ihering am 21.12.1858, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) Bll. 24 f., 25r. 1835 Pözl als Dekan am 18.6.1868 an Rektor Windscheid, UAM L I 59. – Am 23.1. 1868 u. 21.5.1868 schrieb Windscheid als Mitherausgeber an August Bechmann und am 9.12.1869 an Paul Roth (alle Briefe UB Greifswald). Am 1.3.1869 empfahl Ihering Windscheid den Privatdozenten Hof[f]mann in Wien „als Mitarbeiter für Handelsrecht und römisches Obligationenrecht“, Ihering in Briefen (1913) S. 236–239, 238. 1836 Windscheid an Ihering am 21./22.[12.1859], SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 29–31, 30v. 1837 Windscheid an Ihering am 21./22.[12.1859], SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 29–31, 30r. 1838 Über die Arbeit am Lehrbuch Windscheid an Ihering am 5.7., SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 32 f., 33r, an Beseler am 23.11., BA-Fft/ M. FN 3/3, Bl. 220, und an Ihering am 20.12.1860 mit der Hoffnung, den Allgemeinen Teil mit dem WS 1860/61 zu beenden, SBPK wie o. Bll. 34 f., 35v. 1839 Windscheid an Ihering am 10.3.1861, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847 (10) B. Windscheid Bll. 36–38, 38v, und am 9.8.1861, ebd. Bll. 39 f., 40r+v. 1840 Windscheid an Ihering am 16.4.1862, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847 (10) B. Windscheid Bll. 49 f., 50r. 1841 Windscheid an Beseler am 30.9.1862, BA-Fft/M. FN 3/3, Bl. 219 u. an Sybel am 26.10.1862, GStA PK I. HA Rep. 92 v. Sybel B 1 XLIX Bll. 31 f., 32r. 1842 B. Windscheid, Lehrbuch I (1862), Vorrede S. VII datiert 3.9.1862. – Windscheid kündigte das Buch Sybel schon am 26.12.1861 für 1862 an (GStA PK I. HA Rep. 92 v. Sybel B 1 XLIX Bll. 29 f., 30v), war aber selbst gegenüber Ihering am 7.1. und
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große Erwartungen in dieses Werk,1843 während sich Windscheid selbst eher unsicher war.1844 Als jedoch im „Litterarischen Centralblatt“ eine wenig freundliche und von Windscheid als im höchsten Grade ungerecht betrachtete Rezension erschien, machte dies Windscheid sehr betroffen.1845 Auch Iherings verhaltenes Lob konnte daran nichts ändern, zumal deutlich zu spüren war, dass Windscheids Werk Iherings Erwartungen nicht entsprach.1846 Der Autor der Rezension blieb anonym, ist aber möglicherweise Salkowski.1847 Eine positive Gegenrezension Deurers für die Kritische Vierteljahrsschrift war lange angekündigt und von Windscheid sehr gewünscht,1848 erschien aber nicht. Dennoch machte Windscheid, bestärkt durch Beseler1849 und wohl auch durch die freundlichen Worte Vangerows,1850 weiter und nahm nun das Obligationenrecht in Angriff.1851 Ende März 1864 war dessen Allgemeiner Teil fertig,1852 der jedoch erst im Herbst 20.6.1862 wegen dessen Umfang besorgt (SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) Bll. 48, 48v u. 51 f., 51v). – Genauere Angaben erlauben Windscheids Datierungen in den von der StUB Göttingen verwahrten Teilen von dessen Manuskript zur 1. Auflage (NL Windscheid Nr. 13, 1–3). Danach hatte er am 31.12.1860 das 1. und 2. Buch von Bd. 1 (allgemeiner Teil, bis § 134) bis auf den die Privilegien enthaltenden Anhang beendet (Nr. 13, 1 Bl. 43v). Das erste Kapitel des Sachenrechts (bis § 147) war am 10.6.1861 (Nr. 13, 2 Bl. dv), bis zum 24. 12.1861 war § 190 vollendet (ebd. Bl. aa, 2). Mit dem Pfandrecht (§§ 224–249) begann Windscheid am 7.4.1862 (ebd. 13, 3 Bogen 1). 1843 Ihering an Windscheid am 15.8.1860, Ihering in Briefen (1913) S. 122 f., 123, am 22.12.1860, ebd. S. 127–130, 130, am 28.7.1861, ebd. S. 140–143, 142 u. am 10.11. 1861, ebd. S. 143–148, 147: Lehrbuch soll die Pandekten „auf die Höhe unserer Zeit“ bringen. 1844 Windscheid an Ihering am 10.12.1861, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847 (10) B. Windscheid Bll. 43–45, 44v: „Man verliert in Folge langer Arbeit alles Urtheil über den Werth des Geschaffenen.“ 1845 Anonym, Lehrbuch I, Lit. Centralblatt (1863) Sp. 538–544. – Windscheids Reaktion gegenüber Ihering am 14.6.1863, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 66 f. 1846 Ihering an Gerber am 3.12.1862: Das Buch „hat seinen Wert, allerdings darf man es nicht mit Puchta vergleichen!“ (Losano I, Briefwechsel (1984) Nr. 201 S. 509 f., 510) und am 8.8.1863 (Losano I, Briefwechsel (1984) Nr. 216 S. 539–543, 542) sowie an Windscheid Ende 1862, Ihering in Briefen (1913) S. 155–158, 158: „Der Himmel bewahre jeden, der eigne Ideen hat, davor, ein Kompendium zu schreiben.“ 1847 Vgl. Ihering an Windscheid Anfang 1864 (Ihering in Briefen (1913) S. 158–162, 159), am 10.9.1865 (ebd. S. 183–188, 187) und am 17.3.1869 (ebd. S. 239–241, 241). 1848 Windscheid an Ihering am 14.6.1863, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847 (10) B. Windscheid Bll. 66 f., 66v, am 28.6.1863, ebd. Bll. 68 f., 69r, am 8.8.1863, ebd. Bll. 70 f., 70v, am 26.12.1863, ebd. Bll. 72 f., 73v und noch einmal am 29.3.1864, ebd. Bll. 77 f., 78v. 1849 Beseler an Windscheid am 17.6.1863, BA-Fft/M. FN 3/3, Bll. 161 u. 161a, 161. 1850 Vangerow, Pandekten I (71863), Vorrede S. XI f. 1851 Windscheid an Ihering 26.12.1863, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 72 f., 73r. 1852 Windscheid an Ihering am 29.3.1864, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847 (10) B. Windscheid Bll. 77 f., 78v. – Zum Fortgang der Arbeit Windscheid an Bluntschli
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
1865 als eigener Band erschien.1853 Schon im Juni 1864 bearbeitete Windscheid den Kaufvertrag1854 und im August das Mietrecht.1855 Der Preis für dieses rasche Tempo war aber völlige Abgespanntheit, die ihn vor weiterer Überanstrengung warnte und ihn in der Folge zu einem langsameren Fortschreiten veranlasste. So dauerte es – auch wegen „häuslicher Noth“ im Winter 1865/661856 – bis zur Vervollständigung des zweiten Bandes (Obligationenrecht und Familienrecht) noch gut zwei Jahre. Immerhin war Windscheid im März 1866 bis zum ehelichen Güterrecht gediehen1857 und schon im Mai mit der Erstellung des Registers beschäftigt.1858 Über den im September 1866 fertig vorliegenden zweiten Band1859 meinte Ihering, er gefalle ihm weniger, weil er weniger praktisch und mehr mit ungesundem juristischem Formalismus durchsetzt sei, wobei er offen ließ, ob dieses Urteil auf eine Veränderung im Werk oder einen Wandel der eigenen Anschauung zurückzuführen sei.1860 An der zügigen Vollendung des Gesamtwerks durch Herausgabe des dritten, erbrechtlichen Bandes wurde Windscheid durch die bereits ab 1867 notwendig gewordene Bearbeitung einer zweiten Auflage gehindert. Ende 1867 erschien der nicht wesentlich veränderte aber gründlich revidierte erste Band der zweiten Auflage, in der sich Windscheid bereits mit der neuen Auffassung Iherings vom Recht als durch Klage geschütztem Interesse auseinandersetzen musste.1861 Wegen des zeitraubenden Rektorats konnte nicht der ganze 6.2.1864, ZB Zürich FA-Bluntschli 19.960-5 1/4 und an Ihering 24.2.1864, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 74–76, 76v. 1853 B. Windscheid, Lehrbuch 2. Band 1. Abteilung (1865), VI u. 323 S. 1854 Windscheid in Ihering am 18.6.1864, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847 (10) B. Windscheid Bll. 79 f., 80r. 1855 Windscheid an Ihering am 26.8.1864, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847 (10) B. Windscheid Bll. 81 f., 82v. 1856 Windscheid an Friedberg am 12.3.1866, BA Berlin NL Friedberg Bl. 123 u. 123a, 123a–r. 1857 Windscheid an Friedberg am 12.3.1866, BA Berlin NL Friedberg Bl. 123 u. 123a, 123a–r. 1858 Windscheid an seine Frau o. D. [kurz vor 17.5.1866], Familiennachlass Windscheid. 1859 B. Windscheid, Lehrbuch 2. Band 2. Abteilung (1866), VI u. 532 S., Vorrede (S. V) vom 20.9.1866. – Windscheids Datierungen in seinem unvollständigen Manuskript der ersten Auflage ergeben für den zweiten Band (StUB Göttingen NL Windscheid Nr. 13, 4) folgenden Fortgang: § 466 am 15.6.1865 beendet (ebd. Bl. 172v). Das vierte Buch (Obligationenrecht) am 3.10.1865 beendet (ebd. Bl. 189r). Zum fünften Buch (Familienrecht) findet sich als frühester Eintrag der 7.1.1866 (zu § 509, ebd. Bl. 199r) und als spätester der 19.4.1866 (zu § 512, ebd. Bl. 202v), obgleich das Manuskript bis zum Ende des 2. Bandes (§ 526, ebd. Bl. 212, § 524 am 4.3.1866 beendet, ebd. Bl. 210r) reicht, ein Zeichen, dass Windscheids Familienrecht nicht der Paragraphenfolge entsprechend entstanden ist. 1860 Ihering an Windscheid am 26.3.1866, Ihering in Briefen (1913) S. 191–195, 195. 1861 Windscheid an Ihering am 6.1.1867 [irrtüml. datiert 1866], SBPK Berlin, Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid, Bll. 88–91, 91v und Ihering an Windscheid am 6.11.1867, Ihering in Briefen (1913) S. 219–221, 219.
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zweite Band der zweiten Auflage wie vorgesehen 1868 erscheinen.1862 Parallel dazu arbeitete Windscheid seit dem Wintersemester 1868/69 am Erbrecht,1863 das er im Juli 1869 bis auf die Vermächtnislehre vollendete und sofort getrennt herausgab.1864 Ein knappes Jahr später endlich konnte Windscheid Friedberg erleichtert mitteilen: „Ich darf wohl sagen, daß ich jetzt seit 11 Jahren, seit ich mein Buch begonnen habe, keine Ruhe mehr gehabt habe. . . . Hätte ich eine Ahnung von der Tragweite dieser [Arbeit] gehabt, – doch: eine Ahnung hatte ich wohl, aber Einsicht gewiß nicht: ich hätte sie nie begonnen. Jetzt ist sie bis auf wenige Striche abgeschlossen, – und ich bin auch müde!“ 1865 Im Herbst 1870 lag der dritte Band des insgesamt auf über 1900 Seiten angewachsenen „Lehrbuchs des Pandektenrechts“ komplett vor.1866 Die von Anbeginn an große Bedeutung dieses Werks wird durch nichts deutlicher als durch die Tatsache, dass noch im gleichen Jahr eine nahezu unveränderte dritte Auflage der Bände eins und zwei nötig wurde,1867 der schon 1871 die zweite Auflage des dritten Bandes folgte. Mit den Jahren 1870 und 1871 verbanden sich nicht nur grundlegende politische Veränderungen, sondern auch für Windscheids persönliches Leben eröffneten sich neue Perspektiven. Im Sommer 1870 schlug der schon schwerkranke Dekan Vangerow in Heidelberg der großherzoglichen badischen Regierung vor, noch vor seinem Ausscheiden, mit dem möglicherweise schon bald gerechnet werden müsse, einen adäquaten Nachfolger zu berufen. Er nannte nicht den inzwischen in Wien hochdotierten und gefeierten Ihering,1868 sondern Windscheid.1869 Minister Jolly1870 wie die Kollegen gingen auf diesen Wunsch ein, 1862 B. Windscheid, Lehrbuch 2. Aufl. 2. Band (VI u. 883 S.): Die 1. Abteilung erschien im Frühjahr 1868, der Rest 1869. Datum der Vorrede, S. VI, 3.9.1868. Dazu Windscheid an Ihering am 8.9.1867, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 92 f., 92v, und an Friedberg am 23.3.1868, BA Berlin NL Friedberg Bll. 126 f., 127r+v. 1863 Ihering an Windscheid am 1.3.1869, Ihering in Briefen (1913) S. 236–239, 238. 1864 Windscheid an Bluntschli 24.7.1869, ZB Zürich FA-Bluntschli 19.960-4. Im Herbst 1869 erschienen die S. 1–266 des 3. Bandes, s. dort S. III, die von Windscheid Gerber am 17.10.1869 angekündigt worden sind, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. 1865 Windscheid an Friedberg am 29.5.1870, BA Berlin NL Friedberg Bll. 49 f., 49v. Dieser Endspurt machte für den Sommer einen zweiten Sonderurlaub ab 30.7. erforderlich: Antrag vom 27.6.1870 und bewilligendes Ministerialreskript vom 3.7.1870 UAM E II 540, Personalakte Windscheid. 1866 B. Windscheid, Lehrbuch 3. Band XI u. 421 S., Vorrede S. III datiert 1.9.1870. 1867 Windscheid an Friedberg am 29.5.1870, BA Berlin NL Friedberg Bll. 49 f., 50r. 1868 Worauf der, obwohl er schon am 28.12.1867 zu Windscheids Gunsten auf Heidelberg verzichtet hatte (Ihering in Briefen (1913) S. 221–223, 222), verärgert reagierte: Ihering an Gerber am 14.7.1870, Losano I, Briefwechsel (1984) Nr. 286 S. 668– 671, 670 f. 1869 Bericht der Jur. Fak. an Ministerium des Innern vom 27.6.1870, GLA-KA 235/ 3117 Bll. 332–335. Stellungnahme der Fakultätskollegen vom 27.6.1870 UA Heidelberg Jur. Fak. H-II-111/70 Bl. 163.
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
und Vangerow selbst fragte bei dem für seine Empfindlichkeit in solchen Dingen offenbar bekannten Windscheid an, ob er zu einem Wechsel nach Heidelberg bereit wäre.1871 Windscheid konnte und wollte die Ehre, vom berühmtesten Pandektenlehrer seiner Zeit als Kollege und späterer Nachfolger gerufen zu werden, nicht ablehnen, wobei für ihn die Aussicht auf Befreiung von den ermüdenden und zugleich ernüchternden Examensprüfungen den Ausschlag gab. Als ideal veranlagter Lehrer hoffte Windscheid für Heidelberg auf eine geistig beweglichere und begeisterungs- wie aufnahmefähigere Zuhörerschaft, als er sie in München hatte. Da er fürchtete, auf Dauer in München an idealistischem Schwung zu verlieren, ließ er sich auf Verhandlungen mit der bayerischen Regierung überhaupt nicht ein,1872 vereinbarte aber wegen des deutsch-französischen Krieges und zur Sicherung seiner Nachfolge den Wechsel nach Heidelberg erst für das Frühjahr 1871.1873 Als Nachfolger kam der schon 1857 von der Fakultät favorisierte Alois Brinz. In ihm vereinigten sich allseits anerkannte wissenschaftliche Qualifikation mit realistischen finanziellen Ansprüchen und bayerischer Herkunft, so dass er sich eindeutig gegen den von Windscheid an erster Stelle vorgeschlagenen Ihering durchsetzen konnte.1874 Im März 1871 wurde Windscheid von der Studentenschaft wie von seinen Kollegen mit allen Ehren verabschiedet.1875 Dabei lehnte er jedoch angesichts der Unbedeutendheit seiner Person im Vergleich zu den großen Veränderungen der Zeit und den vom Volk dafür erbrachten Opfern große Zeremonien wie einen studentischen Fackelzug ab.1876 So wurde seine letzte Vorlesung am 13. März 1870 Jolly – Julius Jolly, Jurist und Bruder des Münchner Freundes Philipp Jolly. Zu ihm s. Gall, Art. Jolly 2) Julius (1974) S. 589–591. – an Vangerow am 5.7.1870, UA Heidelberg Jur.Fak. H-II-111/70 Bll. 168 f. Auszug gedruckt bei Bekker, Vier Pandektisten (1903) S. 135–202, 200 f. Anm. 41. 1871 Vangerow kündigte [am 7.7.1870] der Fakultät morgigen Brief an Windscheid an, UA Heidelberg Jur. Fak. H-II-111/70 Bl. 167r. 1872 Am 12.7.1870 warnte Rektor Pettenkofer die Regierung vor dem drohenden herben Verlust, UAM E II 540, Personalakte Windscheid. 1873 Umfassend dazu bereits Windscheids erste Reaktion gegenüber Vangerow vom 11.7.1870, UA Heidelberg Jur. Fak. H-II-111/70 Bll. 170–173, Auszug bei Bekker, Vier Pandektisten (1903) S. 135–202, 201 Anm. 42. – Prinzipielle Annahme des Rufes in den Briefen Windscheids an Vangerow vom 17.7.1870, GLA-KA 235/3117 Bll. 338 f. und an die badische Regierung vom 22.7.1870, ebd. Bl. 340. Schon am 20.7.1870 kündigte Windscheid Bluntschli sein Kommen nach Heidelberg für das folgende Jahr an, ZB Zürich FA-Bluntschli 19.960-3. 1874 Vorschlag Zengers vom 29.10., Windscheids vom 30.10., Liste der Fakultät vom 8.11.1870 (1. Brinz, 2. Adolf Schmidt, 3. Dernburg) und Berufung Brinz’ am 4.1.1871: UAM L I 62. 1875 Statt mit einem Festmahl ehrten die Freunde und Kollegen Windscheid – durchaus in seinem Sinne – am 15.3.1871 durch Übersendung eines Photographien-Albums nebst vom Dekan J. W. Planck verfasster Würdigung. Deren Konzept vom 26.2. und Windscheids Dankesbrief vom 19.3.1871 im UAM L I 62. 1876 Brief Windscheids vom 8.3. an die Studenten, veröffentlicht in den Neuesten Nachrichten vom 11.3.1871 Nr. 70 S. 4 und in der Festgabe der DJZ zum 500jährigen
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1871 zur Abschiedsfeier, in der Windscheid in einer improvisierten Rede noch einmal seine nationale Begeisterung wie seine Anschauungen vom Arbeitsethos und seinen Wunsch nach sittlicher Pflichterfüllung als akademischer Lehrer vor seinem Münchner Auditorium darlegen konnte.1877 Die Zeit in München war für Windscheids Privatleben sicher ganz entscheidend und auch für den Juristen in der Verbindung von erfolgreicher Lehre und – in Gestalt seines Lehrbuchs – wesentlichem Beitrag zur Wissenschaft von besonderem Gewicht. Dass dieser zweitlängste Abschnitt seines akademischen Lebens den Höhepunkt seiner Laufbahn darstellte1878 und sogar seine ausgedehnteste Vorlesungstätigkeit enthielte,1879 hieße jedoch, den Höhepunkt mit dem Aufstieg zu identifizieren und besonders Windscheids letzte 18 Jahre in Leipzig als bloße Spätphase abzutun.
II. Kleinere Texte 1857–1871 Anders als in der ersten Hälfte seines Lebens wird seit seiner Ankunft in München Windscheids literarische Tätigkeit von einem einzigen großen, seine Arbeitskraft mehr als alle anderen beanspruchenden Werk beherrscht: seinem „Lehrbuch des Pandektenrechts“. Ungeachtet dieser Tatsache soll auch im folgenden bei der Darstellung Windscheid’schen Schaffens nach 1857 die Chronologie soweit möglich eingehalten werden. 1. Das römische Recht in Deutschland (1858) Ziel dieser bereits 1858 gedruckten1880 und darum erhaltenen Rede ist es, einem interessierten, aber fachlich nicht vorgebildeten Auditorium die Rechtswissenschaft nahe zu bringen, ihm „das Gefühl der Befangenheit“ dieser Disziplin gegenüber zu nehmen.1881 Dazu wählt Windscheid sein bereits in Basel und Greifswald behandeltes Thema, nämlich das Verhältnis von römischem Recht und deutschem Nationalcharakter. Den Auftakt zu einem historischen Abriss des römischrechtlichen Einflusses in Deutschland bildet Windscheids bereits bekanntes Bekenntnis einmal zur besonderen Qualität des römischen Rechts und zum anderen zu seiner Totalrezeption in Jubiläum der Universität Leipzig (1909), Sp. 110. – Die gleiche Haltung Windscheids schon im Brief an Karl Halm vom 31.1.1871, BSB München, Halmiana IX. 1877 Windscheids Abschiedsworte, Festgabe der DJZ (1909) Sp. 108–110. 1878 Elsner, Neue Perspektiven (1972) S. 271–314, 277. 1879 So Landsberg, Windscheid (1898) S. 423–425, 423. 1880 Das römische Recht in Deutschland, in: Wissenschaftliche Vorträge, gehalten zu München im Winter 1858, Braunschweig 1858, S. 435–463. 1881 B. Windscheid, Römisches Recht (1858) S. 435.
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Deutschland. Das römische Recht kommt für Windscheid dem Ideal1882 deshalb besonders nahe, weil es sowohl scharf und präzise formulierte Regeln kenne, denen sich der Einzelne auch im Falle einer individuell ungerechten Behandlung unterordnen müsse,1883 als auch in der Anwendung so flexibel sei, dass es „jedem neu auftretenden Lebensverhältniß“, „jedem anklopfenden Bedürfniß . . . gerecht zu werden vermöge“ 1884. Dieser seiner Qualität wegen sei es – auch unterstützt durch die politischen Verhältnisse1885 – mehr noch als in England oder Frankreich „in Deutschland ganz eigentlich Gesetz geworden“ 1886. Diese Entwicklung, wie Beseler meinte, als „nationales Unglück“ 1887 zu betrachten, hält Windscheid nach wie vor nur dann für berechtigt, wenn es nicht gelingen sollte, aus diesem nahezu idealen, aber fremden Recht durch „Ausscheidung des Fremden und Abgestorbenen“ und „innerlicher Aneignung des wahrhaft Lebendigen“ das eigene nationale Recht zu machen.1888 Die geraffte Darstellung der Entwicklung auf dem Gebiet des Privatrechts seit dem 16. Jahrhundert1889 führt Windscheid zur Vorstellung der historischen Schule und zur Beschreibung seiner Position im Streit zwischen deren romanistischer und germanistischer Richtung. Auch hierbei wiederholt Windscheid seine in Greifswald unter Beselers Einfluss gefestigte Position: Die große Verehrung, die Windscheid den Anfängen der historischen Schule und besonders seinem Haupt Savigny entgegenbringt,1890 verbindet er mit dem Hinweis, dass diese Schule die Praxis zu wenig berücksichtigt und auch dem nationalen Gedanken zu wenig Raum gegeben habe.1891 Insbesondere lehnt er deren Theorie von der Übernahme des römischen Rechts durch die das Volk vertretenden Juristen ab und fordert, dass das Juristenrecht mehr als bisher „seine Grundlagen und seine Wurzeln in dem Rechtsbewußtsein des Volkes habe“ 1892, ohne dass im einzelnen zu 1882 B. Windscheid, Römisches Recht (1858) S. 440: „Wenn das die Aufgabe alles Rechtes ist, unter allen Umständen feste Regeln zu haben, und doch den Verhältnissen möglichst gemäße, so hat das römische Recht diese Aufgabe gelöst wie kein Recht vor ihm und kein Recht nach ihm.“ 1883 B. Windscheid, Römisches Recht (1858) S. 438 f. 1884 B. Windscheid, Römisches Recht (1858) S. 440. 1885 „politische Zersplitterung“ einerseits, „Idee des fortlebenden römischen Kaiserreichs“ andererseits, B. Windscheid, Römisches Recht (1858) S. 445. 1886 B. Windscheid, Römisches Recht (1858) S. 445. 1887 B. Windscheid, Römisches Recht (1858) S. 446. 1888 Beide Zitate B. Windscheid, Römisches Recht (1858) S. 447. 1889 B. Windscheid, Römisches Recht (1858) S. 449 ff. 1890 B. Windscheid, Römisches Recht (1858) S. 454: „Savigny gehört . . . zu den größten Juristen aller Zeiten; wenn es jemals eine den großen römischen Juristen congeniale Natur gegeben hat, so ist er es.“ Windscheid zu seiner Nachfolge auf Savignys Landshuter Lehrstuhl ebd. S. 454 f.: Jeder Nachfolger „darf sich sagen, daß er auf diesem Stuhle einen Vorgänger gehabt hat, den zu erreichen ihm nicht möglich, dem aber nachzustreben schon Ehre ist.“ 1891 B. Windscheid, Römisches Recht (1858) S. 455 f.
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entscheidenden Fall freilich die juristischen Begriffe hinter dem vom Volk gefühlten Recht zurückstehen müssten.1893 Der Gedanke, dass einerseits die geschichtliche „Sünde“ einer unkritischen Übernahme fremden Rechts korrigiert, andererseits der „für alle Zeiten werthvolle Bestandtheil“ 1894 des römischen Rechts erhalten werden müsse, führt Windscheid zur Forderung nach „Reinigung“ des römischen Rechts.1895 Dabei ist für ihn nach Lage der Dinge der richtige Weg hierzu – und das muss besonders im Hinblick auf sein Lehrbuch und die Kritik hieran betont werden – anders als noch in Greifswald1896 die Gesetzgebung. Nur so könne nationales Recht in einer Gestalt geschaffen werden, die es dem gesamten Volk erkennbar mache.1897 Mit diesem Programm tritt Windscheid in München an, und diesem hohen Ziel weiß er sich auch als Autor seines Lehrbuches verbunden. Es wird im folgenden zu zeigen sein, aus welchen Gründen Windscheid so weit, wie er in dieser Rede andeutet, im Lehrbuch doch nicht gehen zu können glaubte. Doch bevor hierauf eingegangen werden kann, soll noch ein kurzer Blick auf die vor und während der Entstehung des Lehrbuchs von Windscheid verfassten Rezensionen geworfen werden. 2. Rezensionen 1859–1871 Die Fülle der Rezensionen und kurzen Anzeigen, die Windscheid insbesondere vor 1862 veröffentlicht, zeigt deutlich, wie gründlich er die Vorarbeiten zu seinem Lehrbuch betreibt. Dabei fällt auf, dass ihre überwiegende Mehrzahl auf dem Gebiet des allgemeinen und des besonderen Schuldrechts liegt, Themen des Sachenrechts dagegen stark abfallen. Eine Sonderstellung nehmen Hinweise auf außerdeutsche Autoren (österreichisches Privatrecht, italienische Forschung) ein. a) Schuldrechtliche Themen Den Auftakt bildet eine ausführliche, auch die Ansichten deutschrechtlicher Autoren wie Stobbe und Bluntschli1898 berücksichtigende, Sammelrezension „zur 1892
B. Windscheid, Römisches Recht (1858) S. 458. B. Windscheid, Römisches Recht (1858) S. 458: „. . . und im gegebenen Falle mögen den Einen seine Begriffe zu einem ganz anderen Resultate führen, als den Anderen seine Gefühle; dann haben die Begriffe Recht, und nicht die Gefühle.“ 1894 B. Windscheid, Römisches Recht (1858) S. 459 (beide Zitate). 1895 B. Windscheid, Römisches Recht (1858) S. 460. 1896 s. o. E. II. 3. S. 229 zur ,actio‘. 1897 B. Windscheid, Römisches Recht (1858) S. 461. In seiner Schlußemphase nennt Windscheid, ebd. S. 462, als Aufgabe des Juristen die Mitarbeit „an dem Dom nationaler Herrlichkeit, er soll helfen, des deutschen Volkes deutsches Recht zu bereiten.“ 1898 Der Kollege und Freund Bluntschli erhält innerhalb des selben Aufsatzes Gelegenheit, auf Windscheids Auseinandersetzung mit seinen Thesen (Correalobligation (1859) S. 234–236) zu antworten (ebd. S. 236 Fn. *). 1893
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Lehre von der Correalobligation“,1899 ein Thema, mit dem sich Windscheid intensiv und anhaltend beschäftigt hat.1900 Der Grund hierfür ist, dass diese Rechtsfigur für Windscheid einerseits keine nationalrömisch gebundene ist und daher ins deutsche Recht übernommen werden muss,1901 andererseits der damit verbundene Theorienstreit bei aller Bemühung um eine Lösung1902 zu Lasten der erwünschten Praktikabilität (Anpassung an die „Bedürfnisse des Verkehrs“ 1903) im Rahmen des Pandektenrechts, d.h. ohne Eingreifen des Gesetzgebers, nicht zu bereinigen ist.1904 In der Sache sieht Windscheid zu seinem eigenen Bedauern1905 leider keinen wissenschaftlich zu begründenden Weg, um die Trennung von Solidar- und Correalobligation zu beseitigen, und sieht sich daher gezwungen, entgegen vielfältiger Opposition neuerer Schriftsteller1906 an der herrschenden Meinung festzuhalten1907. Dies wird ihm dadurch erleichtert, dass für Windscheid die Vorstellung, dass einer Obligation mehrere Subjekte zugeordnet sein können, deshalb keine Schwierigkeiten bereitet, weil für ihn – wie bereits gezeigt1908 – das Subjekt kein notwendiges Element einer Obligation bildet1909. Ein deutlicher Hinweis auf Windscheids Anlass zur Lektüre wissenschaftlicher Arbeiten in dieser Zeit ist die lobende Bemerkung, dass „eine treue und doch
1899
Zur Lehre von der Correalobligation, KÜdGR 6 (1859) S. 209–237. s. dazu noch B. Windscheid, Rez. Samhaber, Correalobligation (1861) S. 161– 179, und ders., Lehrbuch Band 2 11865 §§ 293–297. 1901 B. Windscheid, Correalobligation (1859) S. 232 f., dort S. 233 f. Hinweis auf von Stobbe und Bluntschli vorgetragene vergleichbare Konstellationen im älteren deutschen und im Züricher Recht. 1902 B. Windscheid, Rez. Samhaber, Correalobligation (1861) S. 161–179, 163: „Über das Wesen der Correalobliation ist in der neueren Zeit so viel geschrieben worden, daß das Thema anfangen mag, Manchem einen gelinden Überdruß zu erregen. Die Wissenschaft darf und wird sich dadurch nicht beirren lassen; das einmal angeregte Problem muß auch gelöst werden.“ 1903 B. Windscheid, Correalobligation (1859) S. 233. 1904 Windscheid an Ihering am 27.4.1863, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 64 f.: „Ich sitze gerade an den Correalobligationen! Ich habe gerungen, um den Unterschied zwischen der Correal- u. der bloß solidarischen Obligation los zu werden. Aber es geht nicht.“ 1905 B. Windscheid, Rez. Samhaber, Correalobligation (1861) S. 161–179, 179. 1906 Zu Kuntze, B. Windscheid, Correalobligation (1859) S. 209–237, 211–213 u. 214 f., zu Rückert ebd. S. 213 f., zu v. Helmolt ebd. S. 215–218, zu Bekker ebd. S. 222 f., zu Girtanner ebd. S. 223, zu Brinz ebd. S. 224–226 u. S. 228 f., zu Samhaber B. Windscheid, Rez. Samhaber, Correalobligation (1861) S. 161–179, 161–163 u. 179, zu Fitting ebd. S. 163–179. 1907 B. Windscheid, Correalobligation (1859) S. 209–237, 218 f., 227 f. und ders., Rez. Samhaber, Correalobligation (1861) S. 161–179, 163. 1908 s. o. E. II. 1. S. 201 f. zur ruhenden Erbschaft und E. II. 3. S. 221 f. zur ,Actio‘. 1909 B. Windscheid, Correalobligation (1859) S. 209–237, 219–221 und ders., Rez. Samhaber, Correalobligation (1861) S. 161–179, 177 f. 1900
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klare und lesbare Wiedergabe der Ansichten Anderer . . . bekanntlich keine so ganz leichte Sache“ sei1910. Hier spricht eindeutig der mit den Arbeiten an einem Lehrbuch befasste Autor. Deutliche formale Kritik übt Windscheid dagegen an der Schrift Rudolph Schlesingers „Zur Lehre von den Formalcontracten und der Querela non numeratae pecuniae“1911. Es benutzt diese Anzeige, wie es seine Art ist, soweit er nicht nur den Autor vorstellen möchte, sondern ihm auch das Thema wichtig genug erscheint, dazu, zu beiden Themen seine eigene Position kurz darzustellen. Mit Bähr und gegen die von Schlesinger vertretene herrschende Meinung spricht sich Windscheid für die Anerkennung des abstrakten Schuldanerkenntnisses aus. Der Schuldschein sei dann, wenn seine Ausstellung vom Willen des Ausstellers getragen sei, mehr als ein bloßes Beweismittel. Mangels Rechtsgrundes rückgängig zu machen ist eine solche Verpflichtung für Windscheid nur noch „nach dem Rechte der Voraussetzung“ 1912. Hinsichtlich der Einordnung der querela non numeratae pecuniae steht Windscheid deshalb mit der herrschenden Meinung in Opposition zu Schlesinger (und Bähr), weil trotz bestehender „gewichtigste[r] äußere[r] und innere[r] Schwierigkeiten“ 1913 dieselbe „wenigstens den Wortlaut der Quellenzeugnisse für sich“ hat1914. Diese vorsichtige Haltung ist für Windscheid typisch und wird sich in seinem Lehrbuch vielfach wiederholen: Soweit und solange die Mittel der Gesetzesinterpretation zur Erlangung eines nach allen Seiten hin abgesicherten Ergebnisses nicht ausreichen, muss an der bisherigen Meinung festgehalten werden, mag diese auch kompliziert und weder einfach zu lernen noch in der Anwendung bequem sein. Grenze der Gültigkeit ist allein das Verdikt einer überholten, fremden und allein nationalrömischen Regelung. Es ist dann eine Frage der richtigen und juristisch gekonnten Rechtsanwendung, im Rahmen des geltenden Rechts – auch wenn dessen Umständlichkeit zu beklagen ist – eine gerechte und dem Rechtsempfinden möglichst entsprechende Entscheidung zu finden. Es ist hier nicht der Ort, die Fülle der technischen Detailfragen, die Windscheid in seiner Rezension von Hermann Wittes „Bereicherungsklagen des gemeinen Rechts“1915 diskutiert, wiederzugeben oder gar kritisch zu würdigen. Darüber hinaus nutzt Windscheid diese Schrift, um zum einen seiner Überzeugung Ausdruck zu geben, dass Billigkeitsentscheidungen niemals dazu dienen können, um unklare Gesetzeslagen zu bereinigen, sondern erst nach Klärung der gesetz1910
B. Windscheid, Rez. Samhaber, Correalobligation (1861) S. 161–179, 161. Krit.Vjschr. 1 (1859) S. 105–114, dort 114: Die Darstellung sei „mühsam“; der Verfasser habe es „an der gehörigen Durcharbeitung . . . fehlen lassen“. 1912 B. Windscheid, Rez. Schlesinger, Formalcontracte (1859) S. 105–114, 106 f., Zitat S. 107. 1913 B. Windscheid, Rez. Schlesinger, Formalcontracte (1859) S. 105–114, 110. 1914 B. Windscheid, Rez. Schlesinger, Formalcontracte (1859) S. 105–114, 114. 1915 Krit.Vjschr. 1 (1859) S. 115–127. 1911
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lichen Voraussetzung zu einer bewussten Korrektur des Ergebnisses führen dürfen.1916 Zum anderen ist ihm diese Schrift Anlass, seine Voraussetzungslehre gegen Angriffe des Verfassers und anderer Autoren zu verteidigen1917. Im übrigen ist dieser wie der vorhergehenden Rezension anzumerken, dass sich Windscheid mit diesen Werken „mehr geplagt [hat], als die Bücher verdienen“ 1918. In der Rezension von Groskopffs Lehre vom Retentionsrechte1919 wendet sich der Systematiker Windscheid mit Entscheidenheit gegen Groskopffs Versuch, aus den Fällen, in denen „ein Verpflichteter das Recht habe, mit seiner Leistung zurückzuhalten“, ein Prinzip zu entwickeln. Diese Fälle seien „von der verschiedensten juristischen Natur“ und ließen „deßwegen eine gemeinsame Theorie nicht zu“ 1920. Ähnlich straff fasst Windscheid seine Bemerkungen zu Hermann Gerbers 1858 erschienenen „Beiträgen zur Lehre vom Klagegrunde und der Beweislast“ 1921. Hier begnügt sich Windscheid jedoch mit einer bloßen kritischen Inhaltsanzeige, der er lediglich eine Verteidigung gegen den in der Schrift enthaltenen Angriff auf Windscheids in seiner „Voraussetzung“ auf den Seiten 189 und 190 enthaltenen Ausführungen zur Beweislastverteilung hinzufügt1922. Nicht wortreicher, aber mit mehr innerer Teilnahme beschäftigt sich Windscheid mit einer weiteren Arbeit Friedrich Mommsens, dessen Erörterungen aus dem Obligationenrecht (1859).1923 Er lobt dessen – dem Rezensenten schon aus früheren Arbeiten bekannte – „Gründlichkeit, Scharfsinn und ächt praktischen Sinn“, in dieser Arbeit mehr als früher gepaart mit „Leichtigkeit und Verständlichkeit der Darstellung“ 1924. Inhaltlich würdigt Windscheid Mommsens Fähigkeit zu einer über einen Ansatz Iherings hinausgehenden Differenzierung innerhalb der behandelten Regel und hebt insgesamt, ohne auf Detailkritik zu verzichten, die enge Verwandtschaft der Ansichten Iherings, Mommsens und seiner selbst hervor. Bei der Durchsicht der zivilistischen Literatur auf Art und Umfang ihrer Verwertbarkeit im Lehrbuch berücksichtigt Windscheid selbst Anfängerarbeiten. Da-
1916 1917
B. Windscheid, Rez. Witte, Bereicherungsklagen (1859) S. 115–127, 117 f. B. Windscheid, Rez. Witte, Bereicherungsklagen (1859) S. 115–127, 118–120 u.
122. 1918 Windscheid an Ihering 16.3.1859, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 26 f., wo er dagegen Bähr seinen Respekt bezeugt. 1919 G. C. Groskopff, Zur Lehre vom Retentionsrechte, 1858, von Windscheid rezensiert in Krit.Vjschr. 1 (1859) S. 127–130. 1920 B. Windscheid, Rez. Groskopff, Retentionsrecht (1859) S. 127–130, 127. 1921 Krit.Vjschr. 1 (1859) S. 130–133. 1922 B. Windscheid, Rez. Gerber, Klagegrund (1859) S. 130–133, 132 f. 1923 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Erörterungen (1859) S. 133–136. 1924 B. Windscheid, Rez. Mommsen (1859) S. 133–136, 136.
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bei hält er Oskar Bülows Inauguraldissertation „De praeiudicialibus formulis“ für empfehlenswert,1925 während er Otto Brunnows „Querela non numeratae pecuniae“ mehr als Mittelmaß zuzubilligen nicht bereit ist. Dabei hält sich Windscheids sachliche und in der Form immer maßvolle Kritik bezeichnenderweise besonders daran auf, dass Brunnow glaubt, ohne Prüfung der Quellen ein richtiges Ergebnis allein aus der praktischen Übung herleiten zu können.1926 Gleich zweimal geht Windscheid auf Schriften Wilhelm Girtanners ein,1927 wobei freilich die erste Schrift den Vorabdruck des ersten Teils der zweiten darstellt.1928 Trotz formaler Mängel und inhaltlicher Kritik findet Windscheid in Girtanners „Bedeutung der sponsio“ durchaus überzeugende Passagen, während er in dessen „Stipulation“ „kaum einen gesunden Gedanken mehr“ finden kann und „den Mann“ „im Grunde . . . verloren“ gibt1929. Über die Ablehnung der Ansicht hinaus, dass die bindende Kraft der sponsio ihre Wurzeln in einem eidlichen Versprechen gehabt habe, worin sich Windscheid mit Girtanner und dem weitaus größten Teil der damaligen Literatur einig ist,1930 kann Windscheid Girtanners Ansatz nicht billigen. Insbesondere sieht er die Notwendigkeit, klarzulegen, dass der Wille des Versprechenden allein, ohne irgendwelche zusätzlichen Erfordernisse auf der Seite des Versprechensempfängers („fides“, „gewisse Einrichtung des Vermögens“, „acceptirter Wille“), eine Verbindlichkeit oder Obligation schaffe.1931 Girtanners abweichende Ansicht sei weder aus der ,Natur der Sache‘ noch aus dem ,positiven römischen Recht‘ zu begründen. Gegenüber Girtanners geschraubter und in ihrer Kompliziertheit nahezu unverständlichen Argumentation beharrt Windscheid auf der einfachen und allgemein gültigen Regel: Eine schuldrechtliche Verbindlichkeit entsteht immer dann, wenn der Gläubiger die Erklärung des Gegenübers, dass er sich ihm zum Schuldner machen wolle, entgegennimmt (in diesem Sinne ,akzeptiert‘).1932 Dies gelte wie für das klassische römische so auch für das geltende Recht. Unterstellt, man könne den Privatmann als Gesetzgeber „in Betreff seiner Privatverhältnisse“
1925 B. Windscheid, Rez. Bülow, De praeiudicialibus (1859) S. 292 f. – [O. Buelon = Oskar Bülow – Landsberg, Geschichte (1910) Noten S. 398 Note 4, M. Rümelin, Nekrolog (1908) S. 1–33, Schriftenverzeichnis ebd. S. 8 f.]. 1926 B. Windscheid, Rez. Brunnow, Querela (1859) S. 138. 1927 B. Windscheid, Rez. Girtanner, sponsio (1859) S. 291 f., und ders., Rez. Girtanner, Stipulation (1859) S. 427–437. 1928 B. Windscheid, Rez. Girtanner, Stipulation (1859) S. 427–437, 427. 1929 Windscheid an Ihering am 21./22.[12.?]1859, SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 29–31, 30r. 1930 B. Windscheid, Rez. Girtanner, Stipulation (1859) S. 427–437, 427. 1931 B. Windscheid, Rez. Girtanner, Stipulation (1859) S. 427–437, 428. 1932 B. Windscheid, Rez. Girtanner, Stipulation (1859) S. 427–437, 428–435, exemplifiziert an der sponsio, an ,Mandat und Societät‘, Kauf- und Tauschvertrag und abgegrenzt zum römischen Schenkungsversprechen.
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ansehen, so sei auch zu einem solchen Gesetz „weiter nichts erforderlich . . ., als eine irgendwelche Erklärung seines Willens.“ 1933 Die für Girtanner erhebliche Frage, warum der Gläubiger die Schuld, sobald sie besteht, nicht sofort einfordere – für ihn die Vermögenshandlung, die zur Schaffung der Obligation vonnöten ist –, beantwortet Windscheid schlicht damit, jeder Gläubiger wünsche die Tilgung der Schuld erst dann, wenn er nicht mehr Gläubiger bleiben wolle.1934 In dieser Rezension hat Windscheid die Gelegenheit wahrgenommen, sein – die Bedeutung des rechtsfähigen Subjekts als Rechtsträger in individualistischer Weise betonendes – Bekenntnis zur allein entscheidenden Macht des Willens bei der Schaffung und Ausgestaltung von Privatrechtsverhältnissen – wenigstens auf dem Gebiet des Schuldrechts – zu wiederholen. 1860 greift er die von Karl Friedrich Ferdinand Kneip gestellte schwierige Frage nach dem „Einfluß der bedingten Novation auf die ursprüngliche Obligatio“ auf, um zu einem nicht minder grundsätzlichen Thema, nämlich dem richtigen Umgang mit dem römischen Recht heute, erneut Stellung zu nehmen.1935 Nach historisch sachkundiger Vorstellung der Entwicklung dieser Frage im römischen Recht1936 widerlegt Windscheid die Argumente, durch die sich Kneip bemüht, den Nachweis zu führen, dass die römischen Juristen allgemein, aber besonders bei diesem Thema zahlreiche Irrtümer begangen hätten.1937 Er übernimmt jedoch dessen Warnung, die Verehrung der römischen Juristen zu übertreiben und „ihre Sätze ohne weiteres für unumstößliche Wahrheiten“ zu halten, ebenso wie seine Aufforderung, sich die „wahrhaft lebendigen Sätze“ des Corpus Iuris anzueignen.1938 Dagegen lehnt er es ab, das römische Recht im übrigen „wegzuwerfen“. Jedenfalls „bis jetzt“ seien „die römischen Juristen diejenigen, in denen das juristische Können des Menschengeistes, d.h. die Kunst der juristischen Behandlung eines gegebenen Rechtsstoffes, den vollkommensten Ausdruck gefunden“ habe und auf die daher als „die besten Lehrmeister“ nicht verzichtet werden könne.1939 Abschließend begrüßt es Windscheid – bei aller Kritik an diesem einzelnen Werk – ausdrücklich, dass in jüngerer Zeit wertvolle theoretische Untersuchungen auch aus Kreisen der Praxis hervorgegangen seien. Man mag es als Zeichen 1933
B. Windscheid, Rez. Girtanner, Stipulation (1859) S. 427–437, 435. B. Windscheid, Rez. Girtanner, Stipulation (1859) S. 427–437, 430–432. 1935 B. Windscheid, Rez. Kneip, Novation (1860) S. 242–251. 1936 B. Windscheid, Rez. Kneip, Novation (1860) S. 242–251, 242–244. 1937 B. Windscheid, Rez. Kneip, Novation (1860) S. 242–251, 244–249, dabei legt Windscheid in einem Falle Wert auf eine begrifflich genaue Trennung von „Novationsstipulation“ und „Novationsobligation“ (ebd. S. 247). 1938 B. Windscheid, Rez. Kneip, Novation (1860) S. 242–251, 249. 1939 B. Windscheid, Rez. Kneip, Novation (1860) S. 242–251, 249 f. 1934
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eines Windscheid’schen Defizits oder als Beweis seiner Aufgeschlossenheit im Wissen um die eigenen Grenzen deuten, wenn er meint, es könne „nicht lebhaft genug anerkannt werden, wie dankbar die Theorie für jede Unterstützung zu seyn hat, welche ihr von dieser Seite zu Theil wird.“ 1940 Vier Jahre später kommt Windscheid noch einmal kurz auf das Problem der Novation zurück. An der Rezension einer weiteren Praktikerarbeit1941 fällt auf, dass er hinsichtlich der Qualifikation der Delegation als Anweisung im heutigen Recht ausdrücklich Thöl und damit einem Germanisten folgt.1942 Darüber hinaus sind kurzen Andeutungen Windscheids Haltung zum Verhältnis von Begriff, Praxis und Quellenlage auch hier zu entnehmen. Demnach sind Unterschiede in den praktischen Folgen wichtiger als bloße begriffliche Differenzierungen. Bei eindeutiger Quellenlage können jedoch an sich erwünschte praktische Folgen nicht durch argumentative Kunstgriffe sondern allein durch eine Gesetzesänderung erreicht werden.1943 Dass ein Begriff – hier der des Vertrages – kein Kunstprodukt sein darf, nicht jeder willkürlichen Definition offen steht, sondern der „Wirklichkeit“ tunlichst entsprechen sollte, betont Windscheid auch in seiner kurzen Rezension von Regelsbergers ,Civilrechtlichen Erläuterungen‘ von 1868.1944 Sodann verteidigt er in Auseinandersetzung mit Regelsbergers Ausführungen zur Auslobung und anders als bei einer unter besonderen Bedingungen stehenden Versteigerung die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen, auch wenn sie Schadensersatzansprüche nach sich ziehen könnte: Der Auslobende soll auch dann noch, wenn eine bestimmte Person mit der geforderten Tätigkeit bereits begonnen hat, von der Auslobung zurücktreten können, notfalls gegen Schadensersatzleistung.1945 Dagegen ist Windscheid die Meinung sympathisch, das Gebot eines Ansteigerers sei bei dessen Zahlungsunfähigkeit ohne Wirkung, so dass der Vorbieter verpflichtet bleibe.1946 Praktikabilität ist also für Windscheid selbst der Willensfreiheit gegenüber ein legitimes und zu beachtendes Korrektiv. Generell wird daran, dass Windscheid an zwei Stellen im Rahmen der Diskussion sein eigenes Lehrbuch anführt,1947 deutlich, warum er nach dem Verlassen Münchens und damit der Kritischen Vierteljahrsschrift seine Rezensionstätigkeit völlig einstellt: Das Lehrbuch bietet ihm ein eigenes Forum, in dem er jedwede 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947
155.
B. Windscheid, Rez. Kneip, Novation (1860) S. 242–251, 250. B. Windscheid, Rez. Salpius, Novation (1864) S. 436–466. B. Windscheid, Rez. Salpius, Novation (1864) S. 436–466, 464. B. Windscheid, Rez. Salpius, Novation (1864) S. 436–466, 465 f. B. Windscheid, Rez. Regelsberger, Erläuterungen (1868) S. 152–158, 153. B. Windscheid, Rez. Regelsberger, Erläuterungen (1868) S. 152–158, 156 f. B. Windscheid, Rez. Regelsberger, Erläuterungen (1868) S. 152–158, 156. B. Windscheid, Rez. Regelsberger, Erläuterungen (1868) S. 152–158, 154 und
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Literaturmeinung an passender Stelle und im Zusammenhang der gesamten Lehre wie auch seiner persönlichen Meinung vorstellen und kritisieren kann. Gesonderter Rezensionsartikel bedarf es daher nicht mehr. So bildet die im Dezember 1870 entstandene Rezension von Herrmann Fittings ,castrense peculium‘ einen gewissen Abschluss1948. Trotz des Hinweises, dass dieses Thema einen Text von über 670 Seiten wohl kaum verdiene,1949 widmet sich Windscheid mit der ihm angeborenen Gründlichkeit seinem Text in der – getäuschten – Hoffnung, darin Neues zur allgemeinen „Lehre von der Rückziehung und dem Schweben der Rechtsverhältnisse“ zu erfahren.1950 In diesem Zusammenhang zu erwähnen sind daher lediglich die Schwierigkeiten, die es Windscheid bereitet, ein – oft als wünschenswert empfundenes – Gewohnheitsrecht anzuerkennen, weil er, streng den Regeln folgend, nicht nur eine in sich einheitliche Wissenschaft und Lehre, sondern auch den Nachweis einer stetig geübten Praxis fordert.1951 b) Sachenrechtliche Themen Zu diesem Bereich des Bürgerlichen Rechts hat sich Windscheid lediglich in zwei Rezensionen geäußert, die beide aus dem Jahre 1859 stammen. Die erste zum Werk des preußischen Praktikers Pegert1952 verdankt ihre Entstehung wohl weniger dem Thema als vielmehr der Tatsache, dass Windscheid dadurch Gelegenheit findet, erstens die Beschäftigung mit dem römischen Recht durch Juristen der Gebiete, in denen das Corpus Iuris nicht mehr gilt, zu loben und zweitens zu zeigen, dass bei richtiger Form der Abstraktion auch auf den ersten Blick uneinsichtige Differenzierungen durchaus ihre innere Rechtfertigung finden und diese daher kein Anlass sind, das römische Recht gering zu achten. Dem zweiten besprochenen Text seines Basler Nachfolgers und Jenaer Kollegen Burkard Wilhelm Leist widmet Windscheid sicher nicht nur der Person sondern auch der grundsätzlicheren Anlage wegen erheblich mehr Zeit und Mühe.1953 Grundsätzlich stimmt Windscheid Leists Ansatz zu, wonach „ein großer Theil des bei einem Volke geltenden Rechtes nicht von der rechtsschaffenden Gewalt nach Gesichtspunkten verständiger Überlegung erfunden worden, sondern daß er der unmittelbare Ausdruck der gegebenen Lebensverhältnisse, ein Kleid 1948 B. Windscheid, Rez. Fitting, castrense peculium (1871) S. 253–263, Signatur auf S. 263: „Ende Dezember 1870. B. Windscheid.“ 1949 B. Windscheid, Rez. Fitting, castrense peculium (1871) S. 253–263, 253: Gegenstand „fast mehr als vollständig“ erschöpft. 1950 B. Windscheid, Rez. Fitting, castrense peculium (1871) S. 253–263, 262. 1951 B. Windscheid, Rez. Fitting, castrense peculium (1871) S. 253–263, 260. 1952 B. Windscheid, Rez. Pegert, de usufructu (1859) S. 136 f. 1953 B. Windscheid, Rez. Leist, Studien (1859) S. 294–301.
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(sei), welches dieselben durch ihre eigene in ihnen ruhende Kraft sich selbst auswirken.“ 1954 Allerdings bleibt es für Windscheid dennoch letztlich ein Akt subjektiver menschlicher Entscheidung zu bestimmen, wie denn zu einer gegebenen Zeit die „Natur der Lebensverhältnisse“ aussieht und wie dementsprechend „das durch sie mit Nothwendigkeit gegebene Recht“ beschaffen sein muss.1955 Nur weil Leist diese Relativierung nicht anerkenne, könne er als „real existirenden“ „Natursatz“ behaupten, „daß Eigenthümer einer Sache sey, wer dieselbe sich erarbeitet habe.“ 1956 Genauso wenig sei ihm darin zu folgen, dass ein solcher Natursatz vorrechtliche Qualität habe und, ohne dass er dem Recht angehöre, zwar durch einen Rechtssatz möglicherweise ausgeschlossen, nicht aber durch ihn verdrängt werden könne. Dem widerspricht für Windscheid bereits der Begriff des „Eigentümers“. Er bedeute, „daß er die Sache haben dürfe, nicht bloß habe“. Dieses Dürfen aber setze eine Autorität voraus, die, da Leist das Sittengesetz ausdrücklich nicht heranziehe, nur das Rechtsgesetz sein könne.1957 Ein bloßes „Habenwollen“, beruhend auf dem Willen des Besitzers und ohne den Schutz irgendeiner „über den Einzelnen stehende(n) Regel oder Vorschrift“ sei nun einmal kein Eigentum.1958 Noch an mehreren weiteren Stellen wiederholt Windscheid den aus der Entstehung der Begriffe heraus einzig möglichen Satz, dass Rechtsbegriffe, wie eben auch das ,Eigentum‘ einer ist, für ihr Bestehen des Rechts als gesetzter überpersönlicher Regelung gesellschaftlicher Verhältnisse bedürfen. Eine mit „Naturnotwendigkeit“ vorauszusetzende Definition rechtlicher Begriffe scheidet daher aus. Diese Widerlegung des Leistschen Ansatzes trägt Windscheid das Lob Iherings ein, er habe „das Unhaltbare seiner ganzen Auffassung mit wenig Worten schlagend nachgewiesen und ihn doch so schonend behandelt, als nur irgend möglich ist.“ 1959 c) Prozessuales Lediglich mit einer Rezension begibt sich Windscheid, der durch die Einführung des ,Anspruchs‘ ja entscheidend zur Trennung von materiellem Recht und Prozessrecht beigetragen hat, auf das Gebiet des letzteren. In seiner Besprechung von Endemanns ,Princip der Rechtskraft‘ verteidigt er den Grundsatz der formalen Wahrheit einer gerichtlichen Entscheidung gegen die Polemik des Autors und widerspricht zugleich dessen Ansicht, im klassischen römischen Recht habe der Grundsatz der materiellen Wahrheit in einem viel größeren Umfang als heute 1954
B. Windscheid, Rez. Leist, Studien (1859) S. 294–301, 295. Ebd. 1956 B. Windscheid, Rez. Leist, Studien (1859) S. 294–301, 296. 1957 B. Windscheid, Rez. Leist, Studien (1859) S. 294–301, 296 f., Zitat S. 297. 1958 B. Windscheid, Rez. Leist, Studien (1859) S. 294–301, 298. 1959 Ihering an Windscheid am 14.9.1859, Ihering in Briefen (1913) S. 118–122, 119, ebd. S. 119–121 schärfere Kritik an Leist. 1955
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geherrscht.1960 Dabei stellt er fest, dass es dem Autor nicht gelungen sei, die als Voraussetzung für die wünschenswerte Neubearbeitung der Lehre dringend erforderlichen neuen Erkenntnisse über den wahren Inhalt der römischen Quellen zur Reichweite der Rechtskraft des Urteils zu gewinnen, die dann auch im heute geltenden Recht zur Anwendung gebracht werden könnten.1961 Anders als auf dem Gebiet des materiellen Rechts verzichtet Windscheid darauf, hierzu erste Hinweise zu geben oder weiterführende Vorschläge zu machen, und begnügt sich mit der enttäuschten Feststellung, das Werk enthalte keine „nennenswerthe Förderung der behandelten Lehre“.1962 d) Hinweise auf außerdeutsche Arbeiten Über das gesamte Jahrzehnt seiner Rezensionstätigkeit hinweg hat Windscheid immer wieder einen Blick über die Grenzen des deutschen Rechts und der deutschen Sprache gewagt und sich um die Förderung von Kontakten besonders zu den dem deutschen wegen der gemeinsamen unmittelbaren Basis des Corpus Iuris besonders verwandten niederländischen und italienischen Rechtskreisen bemüht. Den Anfang macht eine kurze Vorstellung von Ungers ,System des österreichischen allgemeinen Privatrechts‘, das er im Zusammenhang mit den Vorarbeiten zu seinem Lehrbuch „entdeckt“ hat und – entgegen dem insoweit verschleiernden Titel – als eines der – nicht zuletzt wegen der Selbständigkeit der Forschung, der Begründetheit der Ergebnisse und der Sorgfalt der literarischen Nachweise – wichtigen Lehrbücher des Pandektenrechts warm empfiehlt.1963 Dies nicht nur, weil er es in seiner Bedeutung mit Wächters berühmtem „Württembergischen Privatrecht“ 1964 vergleicht, sondern auch, weil Unger einer derjenigen sei, die auf den rechten Pfad zurückkehrten und ein Gesetz nicht „aus sich selbst“ heraus sondern unter breiter Berücksichtigung der dem Gesetz zugrunde liegenden Doktrin und damit der früheren Lehren interpretierten.1965 Der Zweck, den er mit seinem eigenen Lehrbuch verfolgt, lässt sich zugleich seinem ersten, auf das österreichische ABGB von 1811 bezogenen Satz entnehmen. Wenn es stimmt, dass „ein neues Gesetzbuch im Ganzen und Großen nie 1960
B. Windscheid, Rez. Endemann, Rechtskraft (1861) S. 112–117, hierzu S. 112–
115. 1961 B. Windscheid, Rez. Endemann, Rechtskraft (1861) S. 112–117, hierzu S. 112– 115, 115. 1962 B. Windscheid, Rez. Endemann, Rechtskraft (1861) S. 112–117, hierzu S. 112– 115, 117. 1963 B. Windscheid, Rez. Unger, System (1859) S. 437–440. 1964 Carl Georg Wächter, Handbuch des im Königreiche Württemberg geltenden Privatrechts, 2. Band, Allgemeine Lehren, Stuttgart 1842. 1965 B. Windscheid, Rez. Unger, System (1859) S. 437–440, 438 f.
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etwas Anderes seyn wird, als der Niederschlag des zu seiner Zeit vorhandenen Wissens von dem geltenden Recht,“ 1966 wie es in der jeweils herrschenden Doktrin zusammengefasst ist, so ist umgekehrt eine übersichtliche Darstellung dieser Doktrin die beste Voraussetzung für die rasche Erarbeitung eines, von Windscheid ja sehnlichst gewünschten, neuen deutschen Gesetzbuches. Weniger gewichtig, aber ähnlich grundsätzlich gemeint ist Windscheids Hinweis auf die Utrechter Dissertation von S. J. Hingst über die Historische Rechtsschule in Deutschland.1967 Dabei nennt er als deren Größen die Germanisten Beseler und Bluntschli in einem Atemzug mit Savigny und Puchta und hebt als Standpunkt des Autors augenscheinlich die Punkte hervor, die ihm auch selbst die wichtigsten sind, nämlich: „Streben nach Ineinanderarbeitung des deutschen und römischen Rechtsstoffes“, „Beziehung der Rechtssätze auf die Lebensverhältnisse“ und das Verlangen nach einem Gesetzbuch des bürgerlichen Rechts als einer „Zierde des 19. Jahrhunderts“.1968 1864 stellt Windscheid noch zwei weitere holländische Dissertationen, diesmal aus Leiden, als Beweis dessen vor, „dass das Studium des römischen Rechts von einer nationalen Gesetzgebung nichts zu besorgen hat, und dass daher auch die Befürchtungen unbegründet sind, welche man jetzt wohl in Deutschland gegenüber dem Streben nach einheitlicher Gesetzgebung von Verehrern des römischen Rechts aussprechen hört.“ 1969 Zugleich achtet Windscheid auf Klarheit und genaue Verwendung der Begriffe. Er wendet sich entschieden gegen den Versuch, Sachverhalte klären zu wollen, indem ein bereits definierter Begriff (Ratihabition) zunächst in der Weise überstrapaziert wird, dass ein Element (rückwirkende Kraft) in ihn hineingetragen wird, das bisher von der Definition nicht umfasst war, um dann eben dieses Element als begriffsimmanent zu behaupten.1970 Auch lehnt er eine Neuschöpfung als bloßen „Ausdruck“ so lange ab, als er nicht Begriffsqualität, und das heißt erweiterte Erkenntnismöglichkeiten, erreicht.1971 Auf das Geschehen in Italien weist Windscheid durch drei kurze Beiträge aus den Jahren 1863, 1869 und 1870 hin. Zunächst erwähnt er Serafinis in Teilen auf Vorarbeiten deutscher Gelehrter gestütztes Werk über den Vertragsabschluss unter Abwesenden und rühmt dabei die Vertrautheit des Autors mit der deutschen Literatur.1972 1966
B. Windscheid, Rez. Unger, System (1859) S. 437–440, 437. B. Windscheid, Rez. Hingst, Proeve (1860) S. 307–309. 1968 B. Windscheid, Rez. Hingst, Proeve (1860) S. 307–309, 308 f. 1969 B. Windscheid, Rez. Gregory und Kramer, Specimen juris civilis de ratihabitione, Den Haag 1864 und J. A. Kramer, de leer van den psychischen dwang in het burgerlijke regt, in: Krit.Vjschr. 6 (1864) S. 414–418, Zitat S. 414. 1970 B. Windscheid, Rez. Gregory und Kramer (1864) S. 414–418, 415. 1971 B. Windscheid, Rez. Gregory und Kramer (1864) S. 414–418, 417. 1972 B. Windscheid, Rez. Serafini, Telegrafo (1863) S. 445. 1967
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Dem Recht der Genehmigung entstammt Polignanis Werk, auf das Windscheid im November 1869 mehr aus einem Gefühl des Dankes für die gründliche Auseinandersetzung mit deutscher juristischer Literatur in Italien als wegen des Wertes der Veröffentlichung selbst hinweist. Hauptkritikpunkt ist die fehlende Ausdifferenzierung der verschiedenen Fälle, die unter denselben Begriff ,Genehmigung‘ bzw. ratihabitio gefasst werden.1973 Padelettis Arbeit über ,die Lehre von der Erbeinsetzung ex certa re‘ erschien in Deutschland als spätere Übersetzung des italienischen Originals.1974 Windscheids Besprechung geht über eine nüchterne Diskussion von Form und Inhalt nicht hinaus. Allerdings nutzt er die Gelegenheit, um auf Serafinis Übersichten über die deutsche juristische Literatur in dessen „Archivio giuridico“ mit besonderer Betonung hinzuweisen.1975 Bereits als diese Zeitschrift 1868 erstmals, damals von Pietro Ellero herausgegeben, erschien, machte Windscheid auf sie aufmerksam, indem er Plan und Grundgedanken vorstellte, Auszüge aus dem einleitenden Programm in deutscher Sprache wiedergab und die ersten darin erschienenen Aufsätze nannte.1976
III. Lehrbuch des Pandektenrechts 1862–1871 (und später) Über die allgemeine Entstehungsgeschichte seines Lehrbuchs wurde bereits im Abschnitt über Windscheids Leben in München einiges gesagt, auf das hier verwiesen werden kann.1977 Darüber hinaus geben die erhaltenen Manuskripte Aufschluss darüber, in welcher Art und mit welcher Präzision Windscheid gearbeitet hat. Windscheid schrieb seinen Text und die zugehörigen Fußnoten stets getrennt von einander auf Bögen oder Blätter mit je eigener Zählung. Dabei nutzte er den ihm zur Verfügung stehenden Raum auf den beidseitig beschriebenen Blättern von einer das Format DIN-A-5 in der Breite mehr, in der Höhe wenig überschreitenden Größe (Breite: 17,5 cm, Höhe: 21,6 cm) oder auf doppelt großen, in der Länge gefalteten Bögen, so dass ein Bogen vier Seiten entspricht, immer nur zur Hälfte, indem er jeweils die rechte Hälfte seines Blattes für Ergänzungen oder Korrekturen zunächst freiließ. Oftmals musste er später im Text wie bei den Fußnoten auf diese Platzreserve zurückgreifen, während Überklebungen ganzer oder halber Seiten die große Ausnahme sind.
1973 B. Windscheid, Rezension: Giuseppe Polignani, La dottrina della Ratihabitio, Neapel 1869, in: Krit.Vjschr. 12 (1870) S. 152 f. 1974 B. Windscheid, Rezension: Guido Padeletti, Die Lehre von der Erbeinsetzung ex certa re, Berlin 1870, in: Krit.Vjschr. 12 (1870) S. 476–480, 480. 1975 B. Windscheid, Rez. Padeletti, Erbeinsetzung (1870) S. 476–480, 480 Fn. *). 1976 B. Windscheid, Rez. Ellero, Archivio (1868) S. 607–612. 1977 s. o. I. Seiten 278–281.
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Soweit das Manuskript noch erhalten ist, lässt sich aus den Datumsangaben, die Windscheid jeweils am Beginn oder am Ende größerer Abschnitte anbrachte, ablesen, dass er – bis auf eine einzige Ausnahme im Familienrecht – kontinuierlich seiner Gliederung folgend vorging. Dabei legte er jedenfalls zu Beginn größere Pausen nur zwischen größeren Abschnitten ein. So beendete er den Allgemeinen Teil (1. und 2. Buch, §§ 1–134) abgesehen vom Anhang über die Privilegien (§§ 135 u. 136) am 31.12.18601978, das erste Kapitel des Sachenrechts (3. Buch, §§ 137–147) erst am 10.6.18611979, das zweite Kapitel über den Besitz (3. Buch, §§ 148–164) dagegen schon am 21.7.18611980 und legte dann eine Sommerpause ein. Vom 8.10.18611981 bis zum 27.7.18621982 bewältigte er in kontinuierlicher Arbeit das restliche Sachenrecht (immerhin 84 Paragraphen), wobei er für das Eigentum drei Monate1983, für die Dienstbarkeiten rund sechs Wochen1984, dann nach kurzer Pause für Emphyteusis und Superficies gerade neun Tage1985 und zuletzt für das Pfandrecht noch einmal gut dreieinhalb Monate benötigte1986. Dabei deutet die Tatsache, dass das letzte Datum den Abschluss der Fußnoten angibt, darauf hin, dass Windscheid Text und Fußnoten parallel bearbeitet haben dürfte. Danach wurden größere Änderungen nicht mehr vorgenommen, denn bereits kurze Zeit später konnte der erste Band des Lehrbuchs erscheinen1987. Das Manuskript zur ersten Abteilung des zweiten Bandes, die als erstes Kapitel des vierten Buches das allgemeine Forderungsrecht enthält, ist leider nicht erhalten oder zumindest dessen Verbleib nicht bekannt. Immerhin geht aus Briefen Windscheids hervor, dass er bereits Ende März 1864 diesen wichtigen Abschnitt vollendet hatte,1988 der jedoch erst im Herbst 1865 erschien1989. Einen beträchtlichen Teil des zweiten Kapitels seines vierten Buches (Die einzelnen Forderungsrechte, §§ 362–488; es bildet zusammen mit dem Familienrecht die 1978
StUB Göttingen, NL Windscheid Nr. 13, 1 Bl. 43v. StUB Göttingen, NL Windscheid Nr. 13, 2 Bl. d 2. 1980 StUB Göttingen, NL Windscheid Nr. 13, 2 Bl. q, 2. 1981 StUB Göttingen, NL Windscheid Nr. 13, 2 Bl. q, 3. 1982 StUB Göttingen, NL Windscheid Nr. 14, 7 Bl. 24r. 1983 Ende des § 199 am 6.1.1862, StUB Göttingen, NL Windscheid Nr. 13, 2 Bl. cc, 4. 1984 Beginn des 5. Kapitels (§ 200) am 12.1.1862, StUB Göttingen, NL Windscheid Nr. 13, 2 Bl. cc, 4; Ende des § 217 am 25.2.1862, ebd. Bl. kk, 3. 1985 Beginn des 6. Kapitels (§ 218) am 15.3.1862, StUB Göttingen, NL Windscheid Nr. 13, 2 Bl. kk, 3; Ende des § 223 am 24.3.1862, ebd. Bl. nn, 2. 1986 Beginn des § 224 am 7.4.1862, StUB Göttingen, NL Windscheid Nr. 13, 3 Bl. 1, Ende der Noten zu § 249 am 27.7.1862, ebd. Nr. 14, 7 Bl. 24r. 1987 Die Vorrede des ersten Bandes ist datiert Tegernsee, 3.9.1962, erschienen ist er im Oktober 1862, s. o. I. S. 278. 1988 Windscheid an Ihering am 29.3.1864, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847 (10), B. Windscheid Bll. 77 f., 78v. 1989 B. Windscheid, Lehrbuch der Pandekten 2. Band 1. Abteilung (1865). 1979
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zweite Abteilung des zweiten Bandes) vollendete Windscheid noch im Sommer des Jahres 1864.1990 Erst gut ein Jahr später konnte er dieses Kapitel jedoch mit dem Delikts- und Quasideliktsrecht,1991 der Darstellung „anderer gesetzlicher Forderungsrechte“ 1992 sowie der „Haftung für Verbindlichkeiten Anderer“ 1993 abschließen. Für das gesamte Familienrecht brauchte Windscheid nicht mehr als vier Monate. Dabei ging er hier nicht streng systematisch vor. Zunächst bearbeitete er seit Januar 1866 die Themen Ehegattenschenkungen (§ 509)1994 und „Verhältniß zwischen Aeltern und Kindern“ (§§ 513–525)1995. Im März und April 1866 behandelte er schließlich die Bedeutung und die weiteren, insbesondere vermögensrechtlichen Folgen der Ehe (§§ 489–508, 510–513).1996 Das vollständige Manuskript zum 3. Band – 6. Buch: Erbrecht – des Lehrbuchs fand sich im Nachlass von Herrn Prof. Dr. Eduard Wahl und wurde von Herrn Prof. Dr. Adolf Laufs dem Verfasser freundlicherweise zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt. Aus ihm geht hervor, dass Windscheid mit dem Erbrecht „Anf[ang] November 1868“ begann1997 und – abgesehen von einer Pause zwischen dem 11.3. und dem 1.4.1869 – bis zur Vollendung der ersten vier Kapitel am 4.8.1869 kontinuierlich daran arbeitete.1998 Für die verbleibende Vermächtnislehre und letzte Anhänge brauchte Windscheid noch einmal siebeneinhalb Monate,1999 wobei er mehrfach kürzere2000, aber auch einzelne längere Pausen 1990 Vgl. die Briefe Windscheids an Ihering vom 18.6. und 26.8.1864, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 1847(10) B. Windscheid Bll. 79 f., 80r und 81 f., 82v. Bedauerlicherweise ist das Manuskript zu diesem Teil des Lehrbuchs gleichfalls verschollen. 1991 Ende des § 466 am 15.6.1865, StUB Göttingen, NL Windscheid Nr. 13, 4 Bl. 172v, Ende des § 472 am 11.7.1865, ebd. Bl. 175v. 1992 Ende des § 475 am 23.7.1865, StUB Göttingen, NL Windscheid Nr. 13, 4 Bl. 178v. 1993 Ende des § 487 am 3.10.1865, StUB Göttingen, NL Windscheid Nr. 13, 4 Bl. 189r. 1994 7.1.1866–14.1.1866, StUB Göttingen, NL Windscheid Nr. 13, 4 Bll. 199r u. 200r. 1995 § 513 beendet am 17.1.1866, StUB Göttingen, NL Windscheid Nr. 13, 4 Bl. 205r; § 519 beendet am 3.2.1866, ebd. Bl. 208r; § 520 begonnen am 27.2.1866, ebd.; § 524 beendet am 4.3.1866, ebd. Bl. 210r. 1996 § 489 begonnen am 13.3.1866, StUB Göttingen, NL Windscheid Nr. 13, 4 Bl. 189v; § 508 beendet am 16.4.1866, ebd. Bl. 198v. 1997 NL Wahl-Laufs Lehrbuch 3. Buch, Text Bl. 1r. 1998 NL Wahl-Laufs Lehrbuch 3. Buch, Text: vor § 535, ebd. Bl. 6r: „28.11. 68“; vor § 538, ebd. Bl. 7v: „5.12.68“; nach § 552, ebd. Bl. 15v: „31.12. 68“; nach § 561, ebd. Bl. 23r: „31.1.69“; nach § 568, ebd. Bl. 27v: „19.2.69“; nach § 572, 1., ebd. Bl. 29r, „28.2.69“; nach § 574, ebd. Bl. 30v, „11.3.69“; vor § 575, ebd. Bl. 31r, „1.4.69“; nach § 592, ebd. Bl. 41v, „29.4.69“; nach § 593, ebd. Bl. 42r, „4.5.[69]“; nach § 601, ebd. Bl. 48v, „1.6.69“; nach § 604, ebd. Bl. 51v, „8.6.69“; vor § 606, ebd. Bl. 52v, „21.6.69“; nach § 622, ebd. Bl. 67r, „4.8.69“. 1999 NL Wahl-Laufs Lehrbuch 3. Buch, Text, neue Blattierung 1–42 für §§ 623–678, Bl. 1r vor § 623: „7.11.69“, Bl. 42v nach § 678: „24. Juni 1870“. 2000 Je eine Woche zwischen § 633 und § 634 (NL Wahl-Laufs Lehrbuch 3. Buch, Text, neue Blattierung 1–42 für §§ 623–678, Bl. 8v nach § 633: „15.12. 69“, vor § 634
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einlegte2001. Auch bei diesem Band fällt erneut auf, dass zwischen Fertigstellung des Manuskripts und Erscheinen des Buches nur wenige Monate vergingen.2002 Wodurch zeichnet sich nun dieses berühmt gewordene Werk aus? Zur Beantwortung dieser Frage soll zunächst das Ziel, das Windscheid damit verfolgte, so wie er es selbst in seiner Vorrede angegeben hat, in kritischer Nachzeichnung ausgebreitet werden. Ihr folgt unter Rückgriff auf die eingehenden Untersuchungen von Ulrich Falk und Jürgen Ober und in einem Vergleich mit zeitgenössischen Werken anderer Pandektisten eine Darstellung dessen, was Windscheids Lehrbuch als originell und möglicherweise herausragend ausweist und seinen im Anschluss daran kurz nachzuzeichnenden Erfolg im In- und Ausland begründet hat. Zunächst sollten Windscheids Pandekten der „Einführung und Anleitung des Lernenden“ dienen, darüber hinaus aber auch „eingehende Untersuchungen“ „zu practischen oder theoretischen Zwecken“ ermöglichen.2003 Dabei sieht Windscheid keinen Gewinn darin, „Alles anders sagen zu wollen, als meine Vorgänger es gesagt haben“. Er hält es vielmehr für seine Pflicht, „das . . . Gute festzuhalten“, nachdem er sich von dessen Qualität überzeugt hat.2004 Außerdem hatte Windscheid die Absicht, „im Ausdruck wie in der Sache“ „möglichst deutsch zu reden“. Soweit irgend möglich, sollten deutsche Ausdrücke Verwendung finden. Zugleich war es Windscheids Bestreben, „die Rechtssätze . . . ihrer specifisch römischen Erscheinungsform zu entkleiden und ihren für uns noch lebendigen Kern herauszukehren.“ 2005 Allerdings sind für Windscheid auch „innerlich abgestorbene“ römischrechtliche Sätze solange geltendes Recht, als es ihm nicht gelingt, „einen besonderen Grund ihrer Nichtgeltung“ nachzuweisen. Hierbei scheitert Windscheid oftmals deshalb, weil die Feststellung eines derogierenden Gewohnheitsrechts eine einheitliche abweichende Übung voraussetzt, die für ihn „wie oft! unauffindbar“ ist.2006 Nicht zuletzt aus diesem Grund hat Windscheid ebd. „22.12.69“), § 637 und § 638 (ebd. Bl. 11v nach § 637: „31.12.69“, vor § 638: „7.1.70“), § 641 und § 642 (ebd. Bl. 14v nach § 641: „23.1.70“, vor § 642: „30.1.70“) und § 653 und § 654 (ebd. Bl. 24v nach § 653: „18.3.70“, vor § 654: „25.3.70“). 2001 Zwischen den §§ 661 und 662 liegen ca. 6 Wochen (NL Wahl-Laufs Lehrbuch 3. Buch, Text, neue Blattierung 1–42 für §§ 623–678, Bl. 32r nach § 661: „2.4.70“, vor § 662: „14.5.70“), zwischen den §§ 667 und 668 noch einmal 14 Tage (ebd. Bl. 36r nach § 667: „26.5.70“, vor § 668: „8.6.70“). 2002 Schluss des Manuskripts am 24.6.1870 (NL Wahl-Laufs Lehrbuch 3. Buch, Text, neue Blattierung 1–42 für §§ 623–678, Bl. 42v), Erscheinen von Band 3 im September 1870 (Datum der Vorrede 1.9.1870). 2003 B. Windscheid, Lehrbuch Bd. 1 1. Aufl. 1862, Vorrede S. V. 2004 B. Windscheid, Lehrbuch Bd. 1 1. Aufl. 1862, Vorrede S. VI. 2005 B. Windscheid, Lehrbuch Bd. 1 1. Aufl. 1862, Vorrede S. VI f. 2006 B. Windscheid, Lehrbuch Bd. 1 1. Aufl. 1862, Vorrede S. VII. Noch deutlicher in der Vorrede zur 2. Abteilung des 2. Bandes der 1. Aufl. am 20.9.1866 S. IV: „Es ist leicht, von einem römischen Rechtssatz auszusagen, daß er unseren Bedürfnissen oder Anschauungen nicht mehr entspreche; aber damit ist wenigstens für Denjenigen, wel-
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schließlich „den Wunsch und die Sehnsucht“ nach einem modernen Gesetzbuch,2007 das er durch sein Werk vorbereiten helfen möchte.2008 Mit dieser Haltung – weitgehendes Festhalten am Überkommenen und Hoffen auf Erneuerung durch ein modernes Gesetz – erweist sich Windscheid, etwa im Vergleich zu früheren Vertretern der historischen Rechtsschule wie seinem Lehrer und ehemaligen Bonner Kollegen Böcking, als einerseits formal konservativer (im Sinne von „bewahrend“), andererseits insoweit im Ergebnis progressiver, als er seine Erwartungen auf das kommende Gesetz setzt, in jedem Fall als in sich konsequenter. Denn während sich Windscheid weigert, „unpassende“ Inhalte des römischen Rechts ohne für ihn zwingende Begründung als obsolet anzusehen, kennt Böcking mit der von ihm so genannten „inneren Reception“ einen Weg, alles das, was in die aktuellen Lebensumstände nicht passt, schon deshalb als unbeachtlich ansehen zu können, weil es gar nicht geltendes Recht geworden sei2009. Dabei geht er auf den zeitlichen Bezug der Rezeption allerdings nicht näher ein, deutet vielmehr durch den Hinweis auf die organische Entwicklung des Rechts2010 eine
cher an der Reception des römischen Rechts als Ganzen festhält, noch nicht bewiesen, daß er nicht mehr gelte.“ Im Hinblick auf diesen Nachweis ist „der Verfasser eines Lehrbuchs des Pandektenrechts . . . in der übelsten Lage, da es ihm an hundert Punkten an den nöthigsten Vorarbeiten fehlt. In dieser Lage ist aber . . . im Interesse der Sicherheit der Rechtspflege Zähigkeit am Festhalten gerechtfertigter, als leichte Beweglichkeit, welche nur zu sehr der Gefahr unterliegt, subjective Anschauungen mit objectiven Gesichtspunkten zu verwechseln.“ 2007 B. Windscheid, Lehrbuch Bd. 1 1. Aufl. 1862, Vorrede S. VII. In der Vorrede S. V zur 2. Abteilung des 2. Bandes der 1. Aufl. schreibt Windscheid am 20.9.1866: „Gründlich kann hier nur durch Gesetzgebung geholfen werden“. Ähnlich in der Vorrede zum 3. Band der 1. Aufl. am 1.9.1870: „Die Neugestaltung Deutschlands . . . muß uns über kurz oder lang das deutsche Gesetzbuch bringen. Dieses Gesetzbuch wird das Studium des römischen Rechts nicht beseitigen, sondern neu beleben; aber die Lehrbücher des römischen Rechts werden dann eine andere Gestalt haben. In diesem Sinne wünsche ich, daß das meinige bald veraltet sein möge.“ 2008 B. Windscheid, Lehrbuch Bd. 1 1. Aufl. 1862, Vorrede S. VI: „wir werden nie vergessen dürfen, daß auf die Abfassung derselben [scil. der Gesetzbücher, F.K.] die Lehrbücher zu allen Zeiten einen nicht unbedeutenden, mittelbaren oder unmittelbaren, Einfluß ausüben werden.“ 2009 Böcking, Pandekten (21853) § 24 S. 114 Fn. 75: „d.h. nicht sowol, daß das röm. Recht in Deutschland gelte, wo es diesem an einheimischen Rechtsbestimmungen fehlt, als vielmehr, daß die römischen Civilrechtsbestimmungen in Deutschland gelten, soweit hier deren Voraussetzungen, übereinstimmende Lebenseinrichtungen und Verhältnisse sich finden. Diese Subsidiarität des röm. Rechts kann man die innere nennen; sie wird noch immer nicht genug in ihrer Wichtigkeit und ihrem Verhältniss zu der von jeher hervorgehobenen äußeren gewürdigt . . .“ 2010 Böcking, Pandekten (21853) § 29 S. 130: „Das römische Privatrecht im objectiven Sinne als Grundlage unserer heutigen Civilrechtswissenschaft begreift in sich viele Rechtsbestimmungen und selbst ganze Rechtseinrichtungen oder Institute, welche unser heutiges Rechtsleben abgestreift und gleichsam als Entwickelungshüllen hinter sich gelaßen hat; auch haben, eben weil das Recht ein lebendiges, sich bewegendes und System ist, unsere heutigen Rechtseinrichtungen vielfältig eine andere Bedeutung, als die gleichnamigen römischen.“
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Art „dynamisches“ Rezeptionsverständnis an. Diese „Unschärfe“ bei der Behandlung der Rezeption – die sich Windscheid nie erlaubt hätte! – macht es Böcking auf der anderen Seite leichter, dem traditionellen Verständnis der historischen Schule entsprechend die Gesetzgebung lediglich als Ausdruck des bestehenden Volksbewusstseins zu sehen, von dem Neuerungen mit dem Ziel, ein den aktuellen Verkehrsbedürfnissen entsprechendes Recht zu setzen, nicht erwartet werden dürften2011. Einen allgemein hohen Lehrbuch-Standard und reichen Nutzgewinn für Studium, Wissenschaft und Praxis erreicht Windscheid auf dreifache Art und Weise: Zunächst bietet er im Text in umfassender Weise den Stoff einer Pandektenvorlesung, wobei eine detaillierte Gliederung und ein reichhaltiges Register einen unmittelbaren Zugriff auf jede Einzelheit ermöglichen. Trotz des großen Umfang des Werks ist die Diktion dabei eher knapp, die Gedankenführung dank klarer Binnengliederung jedes Paragraphen und sorgfältiger Verwendung der Begriffe immer präzise. Auch wo sich Windscheid über die Themen hinaus, die er – wie insbesondere den „Anspruch“ und die „Voraussetzung“ – selbst monographisch bearbeitet hat, – mehrfach – für eine abweichende Meinung entscheidet, macht er dies jedes Mal deutlich und stellt ihr die von anderen vertretenen Meinungen, darunter auch die so genannte „herrschende Meinung“, gegenüber, so dass es dem Leser möglich bleibt, nach Abwägung der dargelegten Gründe sich für oder wider zu entscheiden und er zugleich weiß, auf welcher Seite er damit steht.2012 Schwierigkeiten könnten dem angehenden Juristen allenfalls Windscheids Art der Darlegung des Stoffes geboten haben, das Zergliedern jedes Rechtsverhältnisses, jedes Rechts und selbst jedes rechtlich relevanten Phänomens in seine Bestandteile und weiter das Bemühen um eine möglichst genaue Beschreibung dieser Bestandteile. Die daraus resultierenden Begriffspyramiden stellen hohe Anforderungen an die analytischen Fähigkeiten des Verstandes wie auch an seine Vorstellungskraft, gerade weil Windscheids Werk dadurch wenig 2011 Böcking, Pandekten (21853) Vorrede S. VII: „Die gründliche Kenntnis des reinen römischen Rechts ist recht eigentlich ein nationaldeutsches Interesse, nicht damit jenem Geltung oder deren Fortdauer bereitet werde, sondern gerade im Gegentheil, damit wir seiner, soweit es unserem Rechtsleben unentsprechend ist, ledig werden, was, wie die Erfahrung gelehrt hat und zu lehren nicht ablaßen wird, durch Codificationen nicht zu bewerkstelligen ist: Die Gesetzgebung kann das Rechtsbewustsein zwar fördern oder stören, aber nicht schaffen.“ Ähnlich ebda.§ 7 S. 8 f.: „das objective Recht ist nicht ein Product der Willkür einzelner Menschen, nicht eine Masse beliebiger Vorschriften einer zur Aufstellung von Gesetzen berechtigten Macht, die ohne inneren Zusammenhang mit dem übrigen Staats- und Volks-Leben ihr Gutdünken bekannt machte, das dann als Richtschnur der Handlungen befolgt werden müste. Die Gesetze sind vielmehr in Wahrheit Aeußerungen des dem Staatsganzen innewohnenden geistigen Bildungstriebes in Beziehung auf das Recht.“ 2012 Die Beispiele hierzu sind, da der Meinungsstreit einen wesentlichen Teil des Inhalts Windscheid’scher Fußnoten ausmacht, derart zahlreich, dass selbst auf eine ausgewählte Nennung einzelner Fälle hier verzichtet wird.
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anschaulich ist, er auch auf Beispiele weitgehend verzichtet. Andererseits ermöglicht diese Stoffbehandlung aber auch die genaue Lokalisierung jedes denkbaren juristischen Problems und seine Einordnung in den richtigen Zusammenhang. Außerdem kann die Kombination von Literaturhinweisen und Gesetzesbelegen in den Fußnoten dazu führen, dass der Leser von der Verfolgung eines Hauptgedankens abgelenkt und in eine sich daraus entspinnende Literaturdiskussion hineingezogen wird, was ihm die weitere Verfolgung des Themas des Textes selbst erschwert. Davon abgesehen lässt dieses Buch jedoch hinsichtlich Vollständigkeit keine Wünsche offen, die ein Anfangssemester in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an ein aktuelles Pandektenlehrbuch gerichtet haben könnte. Weiter genügt Windscheids Werk auch wissenschaftlichen Ansprüchen, zum einen deshalb, weil er jede Streitigkeit auch von geringerer Bedeutung darstellt und – meist begründet – Stellung dazu bezieht und auf diese Weise die dogmatische Entwicklung des Stoffes nahezu auf allen Feldern fördert. Zum anderen dient Windscheid der Wissenschaft durch die Bewältigung der schlichten, aber gewiss nicht nur in Anerkennung des großen Aufwandes von den Zeitgenossen besonders gelobten Fleißaufgabe der Nennung der gesamten Literatur seit des von Glück begründeten großen Pandektenkommentars.2013 Diese Zusammenstellung erspart nicht nur damals wie heute ein Gutteil der ansonsten für die wissenschaftliche Aufarbeitung eines Themas erforderlichen Recherchen, sondern sie gibt Windscheids resümierender eigener Stellungnahme auch ein besonderes Gewicht: Ihm gegenüber schweigt jeder Vorwurf, seine Meinung beruhe allein auf einer einseitigen Betrachtung der Dinge und der wissenschaftlichen Diskussion. Zudem zeichnet sich Windscheids Lehrbuch dadurch aus, dass er sich nicht scheut, wo immer es das Thema angezeigt erscheinen lässt, neben den Romanisten auch die germanistischen Vertreter der deutschen Rechtswissenschaft sorgfältig nachzuweisen.2014
2013 Dazu B. Windscheid, Lehrbuch Bd. 1 1. Aufl. 1862, Vorrede V f.: S. „Zugleich aber habe ich es versucht, demjenigen, welcher zu praktischen oder theoretischen Zwecken eingehendere Untersuchungen zu machen veranlaßt ist, das Material mit einer gewissen Vollständigkeit zu überliefern. . . . Doch machte die Massenhaftigkeit derselben [scil.: der Literatur, F.K.] eine Beschränkung unumgänglich nöthig. Demzufolge habe ich die ältere Literatur principiell ausgeschlossen; ich meine näher die Literatur vor Glück, . . . .Auch die spätere Literatur ist nicht mit unbedingter Vollständigkeit citirt, . . .; doch war mein Bestreben darauf gerichtet, einmal nichts Wesentliches zu übergehen, und sodann in dem Genannten die Mittel zur Auffindung des nicht Genannten zu gewähren.“ 2014 Z. B. werden zu ,Spiel und Wette‘, Lehrbuch § 419, in Fn. * ausdrücklich auch „die Lehrbücher des deutschen Privatrechts von Gerber . . ., Beseler . . ., Blunschli . . ., Stobbe . . .“ zitiert; ähnlich zu § 433, Begründung der Vormundschaft, in der dortigen Fn. 2 Hinweise auf Kraut, Beseler und Stobbe und zu § 568, Gemeinschaftliches und wechselseitiges Testament, in der dortigen Fn. * u. a. Hinweise auf Beseler, Buchka und Stobbe.
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Schließlich erweist Windscheid auch den praktischen Juristen, Anwälten wie der Justiz insgesamt, dadurch einen besonderen Dienst, dass er – in der ersten Auflage nur in beschränktem Maße, in den späteren Auflagen jedoch stetig erweiternd – obergerichtliche und höchstrichterliche Entscheidungen zitiert. Dabei wertet er zunächst das von Johann Adam v. Seuffert begründete und später von dessen Sohn E. A. Seuffert und anderen herausgegebene „Archiv“ aus, die damals umfassendste Sammlung gemeinrechtlicher Entscheidungen.2015 Seit dem Erscheinen der amtlichen Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts 1880 greift Windscheid auch auf diese Quelle zurück. Darüber hinaus werden von ihm auch einzelne weitere Entscheidungen, insbesondere des Oberappellationsgerichts Rostock, zitiert. Seine Bemühungen um ein „deutsches“ Lehrbuch werden augenfällig besonders in der Wahl seiner Begriffe. Wie groß der Unterschied zum früher Üblichen ist, zeigt bereits der bloße Vergleich zwischen der Wortwahl im Inhaltsverzeichnis einerseits und den Begriffen des Registers andererseits, in dem die Leser erklärtermaßen die ihnen gewohnten Bezeichnungen wiederfinden sollen.2016 Im Sachenrecht des ersten Bandes etwa finden sich außer den persönlichen Dienstbarkeiten der ,habitatio‘ und ,operae‘ sowie dem Kapitel über ,Emphyteusis und Superficies‘ überhaupt keine Paragraphenbezeichnungen, die Fremdwortcharakter hätten. Dabei behält Windscheid die ,habitatio‘ allein deshalb bei, weil ihm zur Beschreibung des Sinngehaltes weder ,Nießbrauch‘ noch ,Gebrauchsrecht‘ vollständig passend erscheinen.2017 In ähnlicher Weise behält er die ,operae‘ deshalb bei, weil diese besondere Form der Dienstbarkeit des römischen Rechts heute ihre Sonderstellung verloren habe.2018 Schließlich hält Windscheid nur deshalb an den fremd anmutenden Begriffen ,Emphyteusis‘ und ,Superficies‘ fest, weil er andernfalls eine Verwechslung mit sachnahen deutschrechtlichen Instituten fürchtet.2019 Dieses Bemühen um möglichst weitgehende Eindeutschung der Terminologie hat Windscheid konsequent und weit getrieben. Es lässt sich durch 2015 „Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in Deutschland“, begründet 1847, 1857 übernommen von E. A. Seuffert, 1863 neuer Herausgeber A. F. W. Preußer, seit 1879 hrsg. von H. F. Schütt, Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 598, Noten S. 263. 2016 B. Windscheid, Lehrbuch, Vorrede zur 2. Abteilung des zweiten Bandes der 1. Auflage vom 20.9.1866 S. III: „In das Register ist die hergebrachte Terminologie vollständig aufgenommen worden.“ 2017 B. Windscheid, Lehrbuch 1. Aufl. 1 Band (1862) § 208 S. 529. 2018 B. Windscheid, Lehrbuch 1. Aufl. 1 Band (1862) § 208 S. 530. 2019 B. Windscheid, Lehrbuch 1. Aufl. 1 Band (1862) § 218 S. 564 f.: „Es liegt nahe, den Versuch zu machen, die römischen, dem Volksleben unverständlichen Bezeichnungen durch entsprechende deutsche wiederzugeben, wobei sich namentlich die Ausdrücke ,Erbpachtrecht‘, ,Erbzinsrecht‘ darbieten. Da jedoch diese Ausdrücke bereits zur Bezeichnung ähnlicher deutschrechtlicher Verhältnisse in Beschlag genommen sind, so wird, wenn nicht Verwirrung in die Theorie gebracht werden soll, von diesem Versuche abgestanden werden müssen.“
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das gesamte Werk hindurch anhand einer Vielzahl von Wortpaaren belegen. Hier eine möglichst charakteristische Auswahl: Es finden sich im allgemeinen Teil statt ius aequum das ,billige Recht‘,2020 statt des ius singulare ,regelwidriges Recht‘.2021 Breit wird die Ausdifferenzierung der actio in ,Anspruch‘ einerseits und ,Klage, Klagerecht‘ andererseits abgehandelt einschließlich der Folgen für die richtige Umsetzung der actiones in personam und der actiones in rem in das geltende Recht2022 und die Bedeutung der – nicht exceptiones sondern – Einreden.2023 Infolgedessen erscheinen auch die zahlreichen actiones wie exceptiones des römischen Rechts bei Windscheid nur als erklärende Formeln in den Fußnoten, während die Ansprüche und Einreden selbst losgelöst von diesen festen Ausdrücken mit deutschen Worten im Text abgehandelt werden. Rechte verändern sich hinsichtlich ihres Subjekts nicht durch Succession, sondern durch ,(Rechts-)Nachfolge‘.2024 Sie werden erlangt nicht durch derivativen bzw. originären, sondern durch ,abgeleiteten‘ oder ,selbständigen‘ Erwerb.2025 In der Rechtsgeschäftslehre spricht Windscheid statt von der Convalescenz von der ,Heilung‘ eines ungültigen Rechtsgeschäfts2026 und nennt Bedingungen nicht resolutiv bzw. suspensiv sondern ,auflösend‘ oder ,aufschiebend‘.2027 Bei der Lehre über die Verjährung (praescriptio) ist Windscheid weder mit der sich an die lateinischen Ausdrücke anlehnenden Acquisitiv- und Exstinctiv-Verjährung noch gar mit den Begriffen erwerbende oder erlöschende Verjährung einig und verwendet stattdessen die Bezeichnungen ,begründende‘ oder auch ,Erwerbs‘- und ,aufhebende Verjährung‘2028 In entsprechender Weise behandelt Windscheid auch das Sachen-2029, Schuld-, Familien- und Erbrecht. Über die sorgfältige Vermeidung 2020
B. Windscheid, Lehrbuch 1. Aufl. 1. Band (1862) § 28 S. 61. B. Windscheid, Lehrbuch 1. Aufl. 1. Band (1862) § 29 S. 63. 2022 B. Windscheid, Lehrbuch 1. Aufl. 1. Band (1862) §§ 44 f. S. 92–97. Dabei werden die römischen Begriffe deshalb genannt, weil gerade ihre differenzierte Übernahme in das deutsche Recht deutlich gemacht werden soll. 2023 B. Windscheid, Lehrbuch 1. Aufl. 1. Band (1862) § 47 S. 101–105. 2024 B. Windscheid, Lehrbuch 1. Aufl. 1. Band (1862) § 65 S. 139. 2025 B. Windscheid, Lehrbuch 1. Aufl. 1. Band (1862) § 66 S. 141. 2026 B. Windscheid, Lehrbuch 1. Aufl. 1. Band (1862) § 83 S. 184. 2027 B. Windscheid, Lehrbuch 1. Aufl. 1. Band (1862) § 86 S. 194. 2028 B. Windscheid, Lehrbuch 1. Aufl. 1. Band (1862) § 105 S. 248 Fn. 1. 2029 Statt Pertinenzen ,Zubehörungen‘, B. Windscheid, Lehrbuch 1. Aufl. 1. Band (1862) § 143 S. 353; statt fructus civiles – naturales ,juristische‘ und ,natürliche Früchte‘, ebd. § 144 S. 356; statt naturalis – civilis possessio ,natürlicher‘ – ,juristischer Besitz‘, ebd. § 148 S. 368; statt ius in re ,Recht an fremder Sache‘, ebd. § 165 S. 414 Fn. 1; statt condominium ,Miteigenthum‘, ebd. § 169a S. 427; statt dominium directum – utile ,Ober‘- und ,Untereigentum‘, ebd. S. 429 mit Fn. 10; statt Tradition ,Besitzübergabe‘, ebd. § 171 S. 432; deutsche Umschreibung des pactum reservati dominii und des constitutum possessorium, ebd. § 172 S. 438 f., sowie der cautio damni infecti, ebd. § 173 S. 443 mit Fn. 3; statt usucapio ,Ersitzung‘, ebd. § 175 S. 445 mit Fn. 1; statt Specification und Accession ,Eigentumserwerb durch Verarbeitung‘, ebd. § 187 S. 479 f. mit Fn. 2, bzw. ,durch Verbindung‘, ebd. § 188 S. 481 mit Fn. 1; statt impensae necessa2021
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lateinischer oder latinisierender Ausdrücke hinaus versucht Windscheid in seinem vierten Buch ,Das Recht der Forderungen‘ römische Differenzierungen in den deutschen Sprachgebrauch zu übertragen.2030 Andererseits ist er von Purismus frei und hält an gängigen Fachausdrücken durchaus fest.2031 Was „die einzelnen Forderungsrechte“ im zweiten Kapitel des vierten Buches angeht, so kann nach dem bisher Gesagten nicht verwundern, dass Windscheid sie in ihren Grundformen soweit irgend möglich mit den deutschen Namen versieht. Darüber hinaus ist es aber auch sein Bestreben, entweder lateinische Fachausdrücke für einzelne Unterfälle zu umschreiben oder auch sie direkt zu übersetzen.2032 Am
riae – utiles ,notwendige‘ und ,nützliche Verwendungen‘, ebd. § 195 S. 493 mit Fn. 2 u. 6; Umschreibung der laudatio auctoris und der ficta possessio ebd. § 196 S. 496 mit Fn. 6 u. 8; statt Servituten ,Dienstbarkeiten‘, ebd. § 200 S. 506 mit Fn. 1; statt ususfructus ,Nießbrauch‘, ebd. § 203 S. 515 mit Fn. 1; statt servitutes rusticae – urbanae ,Feld-‘ und ,Gebäudedienstbarkeiten‘, ebd. § 210 S. 536 m. Fn. 2; statt subpignus ,Afterpfandrecht‘, ebd. § 239 S. 631 m. Fn. 13. 2030 Als Beispiel seien die Verschuldensgrade genannt: statt dolus ,Arglist‘, statt culpa ,Nachlässigkeit‘ statt lata culpa ,grobe Nachlässigkeit‘, statt levis culpa ,gewöhnliche Nachlässigkeit‘, statt diligentia quam suis (rebus adhibere solet) oder auch culpa levis in concreto ,relative Sorgfalt‘: B. Windscheid, Lehrbuch 1. Aufl. 2. Band 1. Abteilung (1865) § 265 S. 48–51. Weitere Eindeutschungen: statt beneficium competentiae ,Rechtswohltat des Notbedarfs‘, ebd. § 267 S. 53 f. mit Fn. 1; statt mora ,Verzug‘, ebd. § 276 S. 70; statt obligatio naturalis ,natürliche Verbindlichkeit‘, ebd. § 287 S. 106 mit Fn. 1; statt beneficium excussionis oder ordinis ,Rechtswohltat der Vorausklage‘, statt beneficium divisionis ,Rechtswohltat der Teilung‘, ebd. § 293 S. 130 mit Fn. 5 u. 6; statt acceptilatio ,Erlaß‘, ebd. § 295 S. 134 mit Fn. 4; statt pactum de contrahendo unter Hinweis auf Thöl ,Vorvertrag‘, ebd. § 310 S. 170 f. mit Fn. 1; statt Confusion ,Zusammenkommen von Forderung und Schuld in derselben Person‘, ebd. § 352 S. 290; statt pactum de non petendo ,Erlaßvertrag‘, ebd. § 357 S. 310 mit Fn. 6. 2031 Beispiele: ,Concurs‘, ,Interusurium‘ und ,Moratorium‘, B. Windscheid, Lehrbuch 1. Aufl. 2. Band 1. Abteilung (1865) § 269 S. 58, § 274 S. 66 f. u. § 275 S. 69 mit Fn. 2; ,Correalobligation‘ im Unterschied zur ,bloß solidarischen Obligation‘, ebd. § 292 S. 126; gleiches gilt für die ,Cession‘ wie auch den ,Cessionar‘ bzw. ,Cedent‘, ebd. § 329 S. 226 f., für die selten ,Aufrechnung‘ genannte Compensation, ebd. § 348 S. 276, sowie ausdrücklich für die ,Novation‘, ebd. § 353 S. 292 f. mit Fn. 1. 2032 So heißt es etwa: statt donatio sub modo ,Schenkung mit einer Auflage‘, B. Windscheid, Lehrbuch 1. Auflage, 2. Band 2. Abteilung (1866) § 368 S. 23; statt mortis causa donatio ,Schenkung auf Todesfall‘, ebd. § 369 S. 24 mit Fn. 1; statt SC Macedonianum ,Verbot des Darlehns an Hauskinder‘, ebd. § 373 S. 37; statt contractus aestimatorius ,Trödelvertrag‘, ebd. § 383 S. 61 f. mit Fn. 7; statt receptum nautae cauponis stabularii ,Übernahme von Sachen durch Schiffer, Gast- und Stallwirte‘, ebd. § 384 S. 63 mit Fn. *; statt pactum de retrovendendo oder de retroemendo ,Vertrag auf Wiederverkauf‘ oder ,auf Wiederkauf‘, ebd. § 388 S. 76 mit Fn. 3 u. 4; statt mandatum ,Auftrag‘, ebd. § 409 S. 145 mit Fn. 1; statt mandatum qualificatum ,Creditauftrag‘, ebd. § 412 S. 158 mit Fn. 20; statt compromissum ,Schieds(richter)vertrag‘, ebd. § 415 S. 167 mit Fn. 1; statt pactum de compromittendum ,Vertrag auf Abschluß eines Schiedsvertrages‘, ebd. § 416 S. 172 mit Fn. 17; statt furtum ,Entwendung‘, ebd. § 452 S. 286 f., statt operis novi nuntiatio ,Einspruch gegen eine Bautätigkeit‘, ebd. § 466 S. 339 mit Fn. 1; statt remissio nuntiationis ,richterliche Aufhebung des Einspruchs‘, ebd. § 466 S. 341 mit Fn. 8a, statt intercessio ,Übernahme fremder Verbindlichkeiten‘, ebd. § 485 S. 405 mit Fn. 2.
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lateinischen Ausdruck hält Windscheid nur dort fest, wo es der deutschen Sprache an einem differenzierenden Begriff fehlt, wie etwa beim ,Precarium‘2033 und bei der ,Sequestration‘2034. Neben der Beibehaltung einzelner Ausdrücke wie etwa der ,Dos‘ wegen des klaren Bezugs dieses Begriffes zum römischen Recht im Unterschied zur Vielgestaltigkeit der deutschen Bezeichnungen und deutschrechtlichen Ehegüterrechte2035 verhilft Windscheid auch im Familienrecht der deutschen Sprache zu möglichst breiter Geltung.2036 Gleichfalls treten auch Fälle des Verzichts auf lateinische Fachausdrücke auf.2037 Im Erbrecht verwendet Windscheid einerseits ganz selbstverständlich den deutschen Ausdruck ,ruhende Erbschaft‘2038, unterscheidet aus entwicklungsgeschichtlichen Gründen jedoch andererseits zwischen der ,hereditas‘ und der ,bonorum possessio‘.2039 Manche Begriffe sind Windscheid derart geläufig, dass er auf ihre Eindeutschung verzichtet.2040 Zahlreiche termini technici werden jedoch lediglich in Fußnoten angegeben, da sie für die Darstellung selbst unwesentlich Nicht verwendet sondern nur zitiert werden das ,depositum irregulare‘, ebd. § 379 S. 54 mit Fn. 1, das ,pactum de non praestanda evictione‘, ebd. § 392 Fn. 1, die ,laesio enormis‘, ebd. § 396 S. 108 Fn. 2, die ,operae liberales‘, ebd. § 404 S. 131 Fn. 2, das ,negotium mixtum donatione‘, ebd. § 405 S. 136 f. Fn. 16, die ,culpa in eligendo‘, ebd. § 410 S. 147 Fn. 6, die ,damni infecti cautio‘, ebd. § 456 S. 306 Fn. 19 und § 458 S. 309 mit Fn. 2, die ,missio ex secundo decreto‘, ebd. § 459 S. 313 Fn. 26, das ,interdictum demolitorium‘, ebd. § 466 S. 344 mit Fn. 12 und das ,beneficium cedendarum actionum‘, ebd. § 481 S. 389 mit Fn. 8. 2033 B. Windscheid, Lehrbuch 1. Aufl. 2. Band 2. Abteilung (1866) § 376 S. 49. 2034 B. Windscheid, Lehrbuch 1. Aufl. 2. Band 2. Abteilung (1866) § 380 S. 56 mit Fn. 2. 2035 B. Windscheid, Lehrbuch 1. Aufl. 2. Band 2. Abteilung (1866) § 491 S. 424 Fn. 4. 2036 Etwa: statt dotis promissio ,Dotalversprechen‘ und statt dotis dictio ,Dotalzusage‘, B. Windscheid, Lehrbuch 1. Aufl. 2. Band 2. Abteilung (1866) § 495 S. 433 Fn. 2; statt bona paraphernalia oder Paraphernalvermögen ,freies Vermögen‘, ebd. § 507 S. 457 mit Fn. 1; statt poenae secundarum nuptiarum ,Nachteile der Wiederverheiratung‘, ebd. § 511 S. 469 mit Fn. 1; statt lucrum nuptiale ,Ehegewinn‘, ebd. § 511 S. 469 mit Fn. 2. 2037 Etwa: Umschreibung der ,praesumtio Muciana‘, B. Windscheid, Lehrbuch 1. Aufl. 2. Band 2. Abteilung (1866) § 509 S. 466 f. und Fn. 36, und des peculium castrense, quasi-castrense bzw. militare, ebd. § 516 S. 477–478 mit Fn. 1 u. 2; Umschreibung der ,legitimatio per testamentum‘ und der ,legitimatio per nuncupationem‘, ebd. § 522 S. 494 Fn. 5 u. 7; Umschreibung der ,adoptio plena – minus plena‘, ebd. § 524 S. 497 mit Fn. 1; Umschreibung der ,emancipatio Iustinianea‘, ,emancipatio Anastasiana‘ und des ,praemium emancipationis‘, ebd. § 525 S. 501 mit Fn. 11, 12 u. 15. 2038 B. Windscheid, Lehrbuch 1. Aufl. 3. Band (1870) § 531 S. 9 mit Fn. 3. 2039 B. Windscheid, Lehrbuch 1. Aufl. 3. Band (1870) § 532 S. 14–17. 2040 So etwa beim ,Intestaterben‘, B. Windscheid, Lehrbuch 1. Aufl. 3. Band (1870) § 537 S. 24 f., beim ,Codizill‘, ebd. § 538 S. 27, oder bei den ,Substitutionen‘, die er zwar einmal ,Nacherbeseinsetzung‘ nennt, ebd. § 557 S. 75, im übrigen den Begriff jedoch weiter verwendet. Auch die ,Pupillarsubstitution‘, ebd. § 558 S. 77, behält Wind-
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sind.2041 Nicht zuletzt ersetzt Windscheid aber auch hier lateinische und latinisierende Ausdrücke durch deutsche Bezeichnungen.2042 Der Sache nach ist sein Thema nicht „das gemeine deutsche Privatrecht“, also das in Deutschland als Ganzes geltende bürgerliche Recht, sondern Windscheid muss seine Kräfte darauf beschränken, „das gemeine deutsche Privatrecht römischen Ursprungs“ 2043 darzustellen. Ein weiteres ernstes Hindernis für sein Bemühen um Praxisnähe und damit Modernität stellt seine Überzeugung dar, das römische Recht sei „in derjenigen Gestalt, welche es durch die Justinianische Codification und die Lehre der Schule von Bologna erhalten hat“ „auf dem Wege des Gewohnheitsrechts“ „als Ganzes – ,in complexu‘ – recipirt worden.“ 2044 Diese damals jedenfalls bei den Romanisten absolut herrschende Ansicht2045
scheid bei. Ähnliches gilt für die Pflicht zur ,Collation‘ d.h. zum ,Beibringen‘, ebd. § 609 S. 226 f. mit Fn. 1. 2041 s. etwa die Voraussetzung der ,unitas actus‘, B. Windscheid, Lehrbuch 1. Aufl. 3. Band (1870) § 541 S. 33 Fn. 7, die Bezeichnungen ,testamentum militare‘, ebd. § 544 S. 38 Fn. 1, ,testamentum tempore pestis‘, aaO. S. 39 Fn. 7, ,testamentum ruri conditum‘, aaO. S. 39 Fn. 8, ,testamentum parentum inter liberos‘, aaO. S. 40 Fn. 9 und ,testamentum mysticum‘, ebd. § 546 S. 45 Fn. 10. Ebenso: ,constitutio de incertis personis‘, ebd. § 547 S. 47 Fn. 2; ,captatorische Erbeseinsetzung‘, ebd. § 548 S. 53 Fn. 18; ,heredis institutio ex re certa‘, ebd. § 553 S. 63 Fn. 1; ,testamentum destitutum‘ und ,testamentum ruptum‘, ebd. § 563 S. 94 Fn. 8–10; ,executor testamenti conventionalis‘ oder ,pacticius‘, ebd. § 567 S. 104 Fn. 9; ,socius liberalitatis imperialis‘, ebd. § 570 S. 109 Fn. 8; ,successio ordinum‘ bzw. ,graduum‘, ebd. § 573 S. 120 Fn. 2 u. 3; ,cautela Socini‘, ebd. § 582 S. 141 Fn. 4; ,exheredatio bona mente facta‘, ebd. § 583 S. 143 Fn. 6; ,pro herede gestio‘, ebd. § 596 S. 181 Fn. 7; ,transmissio Iustinianea‘, ebd. § 600 S. 194 Fn. 3; ,transmissio Theodosiana‘, ebd. § 600 S. 196 mit Fn. 7; ,transmissio ex capite in integrum restitutionis‘, ebd. § 600 S. 198 Fn. 11; ,transmissio ex iure patrio‘, ebd. § 601 S. 200 Fn. 1; ,transmissio ex capite infantiae‘, ebd. § 601 S. 200 Fn. 3; ,hereditatis petitio partiaria‘, ebd. § 614 S. 250 Fn. 17; ,interdictum quorum bonorum‘, ebd. § 617 S. 257 Fn. 1; ,remedium ex l. ult. C. de edicto D. Hadriani tollendo‘, ebd. § 617 S. 258 Fn. 6; ,legatum generis‘, ebd. § 655 S. 370 Fn. 7; ,legatum nominis‘, ebd. § 657 S. 373 Fn. 2; ,legatum liberationis‘, ebd. § 657 S. 375 Fn. 8; ,legatum debiti‘, ebd. § 658 S. 376 Fn. 1. 2042 Statt exheredatio ,Enterbung‘, B. Windscheid, Lehrbuch 1. Aufl. 3. Band (1870) § 562 S. 89 mit Fn. 1, statt Incapacität ,Erwerbunfähigkeit‘, ebd. § 550 S. 57 mit Fn. 2; statt aditio hereditatis ,Antretung, Antritt der Erbschaft‘, ebd. § 596 S. 180 mit Fn. 1a; statt hereditatem repudiare, recusare, praetermittere, omittere ,Ausschlagung der Erbschaft‘, ebd. § 599 S. 190 mit Fn. 1; statt ius accrescendi ,Anwachsungsrecht‘, ebd. § 603 S. 204 mit Fn. 2; statt beneficium inventarii ,Rechtswohltat des Inventars‘, ebd. § 606 S. 215 f. mit Fn. 6; statt beneficium separationis ,Rechtswohltat der Gütertrennung‘, ebd. § 607 S. 218; statt hereditatis petitio ,Erbschaftsanspruch‘, ebd. § 611 S. 240 f. mit Fn. 3; statt legatum bzw. fideicommissum ,Vermächtniß‘, ebd. § 623 S. 267–269; statt praelegatum ,Vorausvermächtniß‘, ebd. § 627 S. 275 mit Fn. 1. 2043 Zitate B. Windscheid, Lehrbuch 1. Band (11862) § 1 S. 1 (Hervorhebung F. Kl.). 2044 B. Windscheid, Lehrbuch 1. Band (11862) 1. Zitat § 2 S. 4, 2. Zitat § 1 S. 2, 3. Zitat § 2 S. 4 mit Fn. 1. 2045 Als Gegner zitiert B. Windscheid, Lehrbuch 1. Band (11862) § 2 S. 5 Fn. 2 neben Leist nur die – allerdings führenden – Germanisten Beseler, Eichhorn und Reyscher,
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brachte es mit sich, dass im Grundsatz sämtliche römischrechtlichen Institute solange als geltendes Recht angesehen werden mussten, als nicht ein entgegenstehendes Gewohnheitsrecht bewiesen war. Dies ist ein wesentlicher Grund dafür, dass von Justinians corpus iuris civilis abweichendes und insofern ,gereinigtes‘ römisches Recht nur einen kleinen Teil von Windscheids Lehrbuch ausmacht. Aus Jürgen Obers verdienstvoller Arbeit über ,Bernhard Windscheid und die Reinigung des römischen Rechts‘ ergibt sich, dass für Windscheid zwar lediglich drei Regelungen des römischen Rechts nicht Bestandteil des gemeinen Rechts geworden sind,2046 jedoch immerhin an neun Stellen die (Gerichts-)Praxis,2047 bei zwölf Instituten Gewohnheitsrecht2048 und sogar in 21 Punkten der Gesetzgeber2049 ändernd eingegriffen hat. Dagegen hat der Wissenschaftler Windscheid selbst, von seinen eigenen „Entdeckungen“ des Anspruchs und der Voraussetzung mit ihren vielfältigen Folgen abgesehen, nur selten und behutsam aus Gründen der inneren Konsequenz2050, der geänderten Verkehrssitte2051 oder grundsätzlich gegen die immerhin Gerber die h. M. verteidigt. Diese Fronten blieben im Wesentlichen noch 1891 bestehen, vgl. B. Windscheid, Lehrbuch 1. Band (71891) § 2 S. 5 Fn. 2. 2046 Ober, Bernhard Windscheid (1989) S. 94–96: Stipulation, Eheschenkung, Frist und Form der Erbschaftsantretung. 2047 Ober, Bernhard Windscheid (1989) S. 98–103, 1. Frist der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, 2. unfreiwilliger Erlass, 3. Erbrecht von Brautkindern, 4. Kollationspflicht, 5. außerordentliche Erbfolge von unehelichen Kindern, 6. eidliche Bestärkung von ungültigen Willenserklärungen, 7. Übernahme fremder Verbindlichkeiten durch eine Person weiblichen Geschlechts, 8. Entstehung des Pfandrechts durch Rechtssatz, 9. Erbrecht der curia, der Universität und der Armeninstitute. 2048 Ober, Bernhard Windscheid (1989) S. 105–113: 1. Stellvertretung, 2. unvordenkliche Verjährung, 3. Form des Vertrages, 4. Rechtsverhältnisse an Sachen, 5. Zession, 6. Vertrag zugunsten Dritter, 7. Alimentationsverbindlichkeit, 8. Dos, 9. Nachteile vorzeitiger Wiederverheiratung, 10. Testamentsvollstrecker, 11. Erbvertrag, 12. Vermächtnis durch Vertrag. 2049 Ober, Bernhard Windscheid (1989) S. 114–135: 1. Privatstrafe, 2. Ansprüche aus Delikt, 3. Strafe der calumnia, 4. Iniurie, 5. Wertberechnung bei der Lex Aquilia, 6. Intestaterbfolge, 7. Testierfähigkeit, 8. Bestrafung des Ehebruchs, 9. richterliches Pfandrecht, 10. Verkauf gerichtlich gepfändeter Sachen, 11. Beweisregeln, 12. Beweis der Erfüllung, 13. Strafe bei nachlässiger Vormundschaft, 14. Verkürzung des Gläubigers, 15. Soldatentestament, 16. Ausweitung der römischen Haftungsregelungen für Schiffer, Gast- und Stallwirte, 17. Nachteile in der bürgerlichen Rechtsstellung durch das religiöse Bekenntnis, 18. Beschränkungen der Rechtsstellung von Juden, 19. Entstehung des Pfandrechts, 20. Emphyteusis und Superficies (im Ergebnis, nicht jedoch in der Theorie), 21. Eigentumsbeschränkungen (von Wassernutzungsrechten durch Partikulargesetze); dagegen bleibt es auch nach Inkrafttreten des RStGB bei den römischen Ansprüchen wegen Störung der Rechtshilfe (Ober ebd. S. 120) und den römischen Ehescheidungsstrafen (Ober ebd. S. 125 f.), da das Gesetz keine diese Materien betreffenden Bestimmungen enthalte bzw. die Strafe keinen reinen Strafcharakter habe und daher durch die Einführung des Strafgesetzbuches nicht beseitigt sei. Gleiches gilt für die gegen den Eigentumsanspruch bestehende Einrede des Besitzers, ihm stehe ein dingliches Recht an der Sache zu, da sie nach Windscheid mit den Regelungen der ZPO vereinbar ist (Ober ebd. S. 127). 2050 Ober, Bernhard Windscheid (1989) S. 137–141: Folgen der Ablehnung der stipulatio: Formfreiheit der Novation, Formfreiheit und systematische Unabhängigkeit des
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veränderter Umstände2052 dem römischen Recht seine aktuelle Geltung bestritten. Unter Verzicht auf diese allgemein überzeugenden Begründungen stützt Windscheid darüber hinaus einerseits gewisse Änderungen allein auf seine Behauptung der ,Unpraktikabilität‘ 2053 oder des veränderten Rechtsbewusstseins2054, behält aber andererseits antiquiert anmutende Regelungen bei, wenn er von ihrem Überholtsein nicht völlig überzeugt ist.2055 Insgesamt bemüht sich Windscheid erkennbar um Modernität und Praxisgerechtigkeit, sieht seine Freiheiten hierbei jedoch einerseits durch die Rezeption des römischen Rechts in complexu und andererseits deshalb begrenzt, weil er hier, in seinem Lehrbuch, anders als in seinen – insbesondere früheren – Monographien und Aufsätzen, keine grundlegenden Neuerungen zur Diskussion stellen, sondern geltendes Recht mit Aus-
Garantievertrags, genereller Ausschluss des Rückforderungsrechts bei Nichterfüllung, Wegfall eines vertragsunabhängigen Anspruchs auf Zinszahlung, Formlosigkeit eines Anerkennungsvertrages, teilweise Gültigkeit der Bürgschaft in duriorem causam, obligatorische Verpflichtungen aus Nießbrauch kraft Gesetzes. 2051 Ober, Bernhard Windscheid (1989) S. 141–143: Vollendung einer Urkunde durch Unterschrift des Ausstellers, Unanwendbarkeit der actio de dolo mit Wegfall der Infamie, Wegfall der Trennung zwischen dem Recht an sich und seiner Verwirklichung nach Herausgabe einer Erbschaft, Unabhängigkeit des Leistungsortes von einer actio arbitraria, Wegfall der Unterscheidung von hereditas und bonorum possessio. 2052 s. Ober, Bernhard Windscheid (1989) S. 143–154 zu den Folgen des Wegfalls der Sklaverei, der römischen Verwaltungsstruktur, der ,familia‘ mit ihren spezifischen interpersonellen Gewaltverhältnissen und der besonderen, dieses Gewaltverhältnis beendenden Würden sowie spezifischer gesellschaftlicher Ränge und Folgen der Geschlechtsreife für das Vormundschaftsrecht. 2053 s. Ober, Bernhard Windscheid (1989) S. 158: ,unpractisch‘ ist die Ungültigkeit des Vermächtnisses an den Gewalthaber in bestimmten Fällen. Ebd. S. 159: Dies gilt ebenso für einen Teil der römischen Regeln über gesetzliche Eigentumsbeschränkungen. Ähnlich lapidare Äußerungen Windscheids zu veralteten Fällen gesetzlicher Veräußerungsverbote, zu den Abschluss eines Kaufvertrags betreffenden Vorschriften und zu den Fällen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Ober a. a. O. S. 159 u. S. 169. 2054 Betonung der individuellen Vertragsfreiheit gegenüber sie beschränkenden Formvorschriften hinsichtlich der Frage der Belastung eines Nießbrauches mit Dienstbarkeiten durch den Eigentümer, Ober, Bernhard Windscheid (1989) S. 157 f. Begrenzung der Fälle, in denen die römischen Regeln über die Erbschaftserwerbsunfähigkeit anwendbar sind, ebd. S. 158. Zur Infamie und zum Reurecht ebda. S. 160. Beachtenswert, dass Windscheid bei der Selbsthilfe, der Unterscheidung zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen, bezüglich der Dosbestellung und den Bestimmungen eines Mindesterbes nach kanonischem Recht wie auch dem Institut der Reallasten dem römischen das deutsch(rechtlich)e Rechtsbewusstsein als dominant gegenüberstellt, ebda. S. 160 f. u. S. 165–167. Deutschrechtlich ist auch die von Windscheid vorgenommene Erweiterung der absoluten Rechte in den Bereich der immateriellen Geistesgüter (Gewerberechte, ausschließliche Merkzeichen wie Name, Wappen, Firma, Marke), Ober a. a. O. S. 169. 2055 Unterscheidung precarium – commodatum, Ober, Bernhard Windscheid (1989) S. 172 f.; Verpflichtung zum Vorweisen, ebda. S. 173; aus den bei Ober ebda. S. 176– 185 weiter genannten Fällen seien wegen ihrer eindeutigen Antiquiertheit hier erwähnt die Emanzipation (S. 176), Verbot der cessio in potentiorem (S. 177), Agnation im römisch-rechtlichen Sinne (S. 177 f.), peculium (S. 179), Kapital als Obergrenze des Zinsbetrags (S. 182).
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sicht auf möglichst breite Akzeptanz bei Wissenschaft und Praxis darbieten möchte.2056 Wenn Windscheid also mit seiner Darstellung des Pandektenrechts bewusst nichts Grundstürzendes erreichen will, so betont er doch das ,gemeine Recht‘ als Romanisten wie Germanisten gemeinsam zur Bearbeitung zugewiesenes Feld in bisher nicht gekanntem Maße.2057 Deutlich wird dies nicht nur in der Anerkennung vieler Produkte ,germanischen Gewohnheitsrechts‘ sondern insbesondere in seiner Zitierweise. Breit und wo immer Anlass hierzu besteht, weist Windscheid in allen Büchern neben den Romanisten auch ohne jegliche Berührungsängste auf die zur Sache gehörenden Meinungsäußerungen der Germanisten hin,2058 ohne dass in vielen Fällen überhaupt deutlich würde, zu welcher ,Fraktion‘ der genannte Autor eigentlich gehört. Durch diese drei Aspekte, nämlich die Wiedergabe des gesamten Pandektenrechts in relativer Modernität, die „Eindeutschung“ vieler Fachbegriffe und die Wiedergabe der gesamten damals aktuellen, auch der germanistischen, Literatur bereitet Windscheid von Anfang an – bewusst – den Weg hin zu einem allgemeinen deutschen bürgerlichen Gesetzbuch. Im Aufbau entspricht sein Werk dem damals bereits üblich gewordenen FünfBücher-Schema, wobei er den ,Allgemeinen Teil‘ auf zwei Bücher verteilt. Besonders zu vermerken ist allenfalls, dass Windscheid ,allgemeine Teile‘ auch an den Anfang einzelner Bücher2059, ja sogar einzelner Abschnitte der Bücher2060 2056 Besonders den letzten Punkt hat m. E. Ober nicht genügend beachtet, wenn er die Durchführung des ,Reinigungsprogrammes‘, so wie es Windscheid besonders in seiner Greifswalder Zeit unter dem Einfluß Beselers formulierte, an den Inhalten des Lehrbuchs misst. 2057 B. Windscheid, Lehrbuch 1. Aufl. Band 1 (1862) § 2 S. 5 f.: „Das römische Recht gilt in Deutschland nicht unmodificirt. Die Modificationen, mit welchen es gilt, haben eine dreifache Quelle: das canonische Recht, die deutschen Reichsgesetze, das gemeine deutsche Gewohnheitsrecht.“ Dazu Fn. 5: „Es ist überhaupt der leitende Faden, welcher durch die gesammte deutsche Rechtsentwicklung seit der Reception des römischen Rechts hindurchgeht, daß sich dem letzteren gegenüber das einheimische Recht immer mehr ermannt und sich immer größere Anerkennung errungen hat.“ § 10 S. 25 Fn. 4: . . . „die Juristen haben Hand an’s Werk gelegt, die Sätze des Corpus Juris zu sichten, das Fremdartige auszustoßen, das Homogene in das Gefüge des nationalen Rechts einzuarbeiten, kurz, das römische Recht aus einem fremden zu einem deutschen zu machen. In dieser Entwicklung sind wir noch jetzt begriffen; vollendet ist sie noch lange nicht.“ 2058 Typisch ist, dass Windscheid nicht nur die romanistischen Lehrbücher von Puchta, Vangerow, Arndts, Brinz oder Dernburg sondern ebenso auch die Hauptwerke von Gerber, Beseler, Stobbe und Roth lediglich mit den Namen der Verfasser zitiert. 2059 z. B. Band 1, drittes Buch: ,Das Sachenrecht‘, darin ,Erstes Kapitel. Allgemeines‘ (§§ 137–147); Band 2, viertes Buch: ,Das Recht der Forderungen‘, darin erstes Kapitel: ,Von den Forderungsrechten überhaupt‘ (§§ 250–361); Band 3, sechstes Buch: ,Das Erbrecht‘, darin ,Erstes Kapitel. Allgemeines‘ (§§ 527–534). 2060 z. B. Band 1, zweites Buch, zweites Kapitel: ,Das Rechtssubject‘; darin ,I. Vom Rechtssubject im Allgemeinen‘ (§§ 49–51); Band 1 zweites Buch, drittes Kapitel: ,Ent-
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stellt und die Vormundschaft in einem eigenständigen Kapitel innerhalb des Familienrechts behandelt2061. Ein Vergleich mit den damals gleichfalls gängigen Lehrbüchern, zunächst seines Bonner Lehrers Böcking, dann besonders seines Münchner Kollegen Arndts und des Professors in Zürich, Halle und Berlin, Dernburg, an den sich noch ein kurzer Hinweis auf das „Repetitorium“ von Baron anschließt, zeigt die Vor-, aber auch die Nachteile gerade von Windscheids Pandekten weiter auf: Deutlich setzt sich Windscheid vom Selbstverständnis seines Lehrers Eduard Böcking2062 ab. Auch wenn dieser als Angehöriger der historischen Rechtsschule die Entwicklung vom klassischen römischen Recht bis ins 19. Jahrhundert sieht2063, so ist sein Ziel doch nicht etwa eine Harmonisierung des überkommenrömischen mit dem geltenden heutigen, auch aus deutschrechtlichen Teilen bestehenden (bürgerlichen) Recht angesichts einer erwarteten Kodifikation, sondern Böckings Bestreben geht dahin, das klassische römische Recht möglichst „rein“ zu lehren, um so das nötige Verständnis dafür zu wecken, welche seiner Regelungen auch heute noch gelten können.2064 Die Folge davon ist nicht der Versuch einer Verbindung „römischen“ und „germanischen“ Rechts, sondern die klare Scheidung früherer römischer und aktueller deutscher Sichtweisen, etwa im Erbrecht beim Verständnis des Erbes2065 oder auch hinsichtlich der materiellen
stehung, Untergang, Veränderung der Rechte‘, darin ,I. Allgemeines‘ (§§ 63–68); Band 3, sechstes Buch, viertes Kapitel: ,Das Rechtsverhältniß des Erben‘, darin ,I. Im Allgemeinen‘ (§ 605), fünftes Kapitel: ,Das Vermächtniß‘, darin ,I. Allgemeine Grundsätze‘ (§§ 624–653). 2061 Band 2 fünftes Buch, drittes Kapitel, § 526. 2062 Böcking, Pandekten des römischen Privatrechts, 1. Aufl. 1843, 2. Auflage 1853. 2063 Böcking, Pandekten (21853) S. IV, Vorrede zur ersten Auflage 1843: „Was wir Deutschen nicht gut, weil eigentlich widersprechend, als ,unser heutiges römisches Recht‘ bezeichnen, der Gegenstand unsrer heutigen Pandekten, ist vom Standpuncte des römischen Rechts aus betrachtet ein unreines römisches, vom Standpuncte unseres Rechts aus gesehen gar kein römisches, sondern eben unser eigenes Recht, wie es sich unter dem bedeutenden Einfluße des fremden und insbesondere des römischen gestaltet hat.“ 2064 Böcking, Pandekten (21853), S. VII, Vorrede der zweiten Auflage: „Die gründliche Kenntnis des reinen römischen Rechts ist recht eigentlich ein nationaldeutsches Interesse, nicht damit jenem Geltung oder deren Fortdauer bereitet werde, sondern gerade im Gegentheil, damit wir seiner, soweit es unserem Rechtsleben unentsprechend ist, ledig werden, was, wie die Erfahrung gelehrt hat und zu lehren nicht ablaßen wird, durch Codificationen nicht zu bewerkstelligen ist: Die Gesetzgebung kann das Rechtsbewustsein zwar fördern oder stören, aber nicht schaffen. Unzählige Anwendungen des römischen Rechts auf Fälle unseres Rechtslebens sind gemacht worden und werden gemacht, weil jenes nicht richtig verstanden worden ist und wird.“ 2065 Böcking, Pandekten (21853) S. VIII, Vorrede der zweiten Auflage: „Die Verunreinigung unseres Erbrechts rührt größtenteils von der unreinlichen Behandlung des römischen her, und es ist recht praktisch wichtig, die Einheit, universitas und fingierte Persönlichkeit der hereditas erkannt zu haben, damit man die auf diesen Begriff sich
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Wirkungen des Prozesses2066. Ähnlich zentral wie bei Windscheid ist schon bei Böcking der „Begriff“ als Vehikel, das den Zugang zum „reinen“ (oder klassischen) römischen Recht für die Zeitgenossen überhaupt erst eröffnet2067. Aus dem auch in der „vermehrten“ zweiten Auflage 1853 kurz gefassten2068 Werk sei auf Folgendes besonders hingewiesen: Die schärfere Trennung zwischen dem ursprünglichen, reinen römischen Recht und den aktuellen Verhältnissen erlaubt es Böcking, jenes Recht, „wie es in den glossierten Stücken der justinianischen Werke enthalten ist,“ ungeachtet seiner Rezeption „als gemeines subsidiäres Recht für das deutsche Reich“ nicht stets für anwendbar zu halten, „wo es . . . an einheimischen Rechtsbestimmungen fehlt“, sondern nur dort, wo sich mit den römischen Zivilrechtsbestimmungen „übereinstimmende Lebenseinrichtungen und Verhältnisse“ auch in Deutschland finden und betont diese „innere Subsidiarität“.2069 Dies verschafft ihm die Freiheit, „viele Rechtsbestimmungen und selbst ganze Rechtseinrichtungen oder Institute“ als bloße „Entwickelungshüllen“ zu bezeichnen, die das heutige Rechtsleben hinter sich gelassen habe.2070 Gemeinsam ist Böcking mit Windscheid die Erkenntnis, dass wesentliche Begriffe des römischen Rechts zum besseren aktuellen Verständnis übersetzt werden müssen. Hinsichtlich der „actio“ weist schon Böcking darauf hin, das diese nicht als „Klage“ sondern als (Klage-)Recht anzusehen sei: „Jedes Privatrecht kann, sofern es im positiven Recht vollständig anerkannt ist, dadurch, dass es verletzt ist, die Gestalt eines gerichtlich zu schützenden, eines Klagerechtes i. w. S. annehmen und so bezeichnet auch actio i. w. S. einerseits jede Parteithätigkeit zum Zwecke
gründenden Bestimmungen des römischen Rechts nicht auf den Nachlaß und die Erbfolge des heutigen Rechts anwende: die Hinterlaßenschaft ist nach unserem Recht nur eine Summe von Vermögensrechten und es ist für den heutigen Erben eben so unrichtig, daß er die vermögensrechtliche Persönlichkeit des Erblaßers in sich aufnehme, als dies gerade das Wesen des römischen heres ausmachte.“ 2066 Böcking, Pandekten (21853) S. VIII: „Viele Zweifel und Streitigkeiten über die materiellen Wirkungen des Processes lösen sich durch das Verständniss, was die römische obligatio und actio und dass diese nicht mit unserer ,Klage‘ noch weniger jene mit unserer ,Obligation‘ identisch sei und daß der römische Unterschied der civiles und der naturales obligationes bei uns nicht gelte; aber daß und warum er nicht gelte, zu begreifen, ist wesentlich bedingt durch die Erkenntnis seiner eigentlichen ursprünglichen Bedeutung.“ 2067 Böcking, Pandekten (21853) S. V, Vorrede zur ersten Auflage: Es geht darum, „das reine römische Privatrecht dar(zu)stellen, aber in der Gestaltung und dem inneren Zusammenhange seiner Bestandtheile (und diese sind Begriffe), in denen es unserem Geiste . . . als ein Werk des römischen Volksgeistes erfaßbar ist: Wir müßen das reine römische Recht durch unsere Construction für uns hervorbringen, aber nur aus den Quellen des römischen Rechts; das Recht ist das römische, die Betrachtung und Auffassung die unsrige.“ 2068 Ein Band in 132 Paragraphen auf XVIII und 528 Seiten sowie 94 Seiten Anhang und Register. 2069 Böcking, Pandekten (21853) S. 114. 2070 Böcking, Pandekten (21853) S. 130.
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gerichtliches [sic] Rechtsschutzes und das dieser zum Grunde liegende Privatrecht selbst, . . ., andererseits die Form jener Thätigkeit, die processualische Seite desselben.“ 2071 Hier erscheint die Entwicklung der actio vom (prozessual gedachten) Klagerecht hin zum (nur noch materiellrechtlichen) Anspruch deutlich angelegt. Nicht als Vorläufer, sondern als Angehöriger der selben Professorengeneration und damit als direkter Konkurrent tritt Windscheids Münchner Kollege Ludwig Arndts, Ritter von Arnesberg auf. Sein ,Lehrbuch der Pandekten‘2072 erschien erstmals im Jahr 1852 und erreichte bis 1886 13 inländische Auflagen, wovon 10 nach 1862 datieren, und mindestens zwei Auflagen einer italienischen Bearbeitung2073, was für seine weite Verbreitung spricht. In seiner Berufung auf Puchta2074 könnte dieses Werk eines Angehörigen der historischen Schule, der Savigny als seinen „großen Lehrer“ bezeichnet,2075 in gewisser Weise als Fortführung von Puchtas Pandekten bezeichnet werden. Auch wenn Arndts’ Lehrbuch parallel zu Windscheids Pandekten auf dem Markt ist, gibt es sich doch bewusst bescheiden: Zweck dieses einbändigen Werks sei es lediglich, „meinen Zuhörern ein von mir selbst entworfenes Lehrbuch als Leitfaden bei meinen Vorlesungen an die Hand zu geben“ 2076. Diesem Ziel entsprechend bemüht sich Arndts zwar um wissenschaftliche Aktualität,2077 ohne jedoch selbst einen Beitrag zu deren Fortschreiten leisten zu wollen. Vielmehr begnügt er sich mit einer soliden Darstellung der „herrschenden Meinung“. So wird die Rezeption des römischen Rechts als gemeines Recht, „so weit es von den Lehrern der Rechtsschule zu Bologna im 12. und 13. Jahrhundert . . . als geltendes Recht gelehrt worden ist“,2078 nicht in Frage gestellt und die Diskussion zwischen Windscheid und Ihering um das Wesen des subjektiven Rechts als „ein von der Rechtsordnung verliehenes Wollen-Dürfen“ im Gegensatz zur Betonung der „rechtlich geschützte(n) Interessen“ kommentarlos in eine Fußnote verbannt.2079 Die von Windscheid zur Erklärung der „hereditas iacens“ für möglich gehaltene Existenz subjektloser Rechte lehnt Arndts schon deshalb ab, weil sie dem Sprachgebrauch nicht entspreBöcking, Pandekten (21853) S. 501 f. Arndts, Lehrbuch der Pandekten, 13 Auflagen ab 1852, 8. Auflage 1874, alle folgenden Zitate aus dieser Ausgabe. 2073 Arndts, Pandekten (81874), Vorwort zur 8. Auflage S. X: Hinweis auf Serafinis italienische Bearbeitung. 2074 Arndts, Pandekten (81874) Vorwort zur 1. Auflage 18.9.1852, S. VI zu Puchtas Pandekten: „. . . wie ich gerne bekenne, daß vorzüglich ihnen dieses Buch, wenn etwas Gutes an ihm ist, viel zu danken hat“. 2075 Arndts, Pandekten (81874) Vorwort zur 1. Auflage S. V: Widmung an Savigny als „Schüler des großen Lehrers“. 2076 Arndts, Pandekten (81874) S. V. 2077 Arndts, Pandekten (81874) S. VII f. 2078 Arndts, Pandekten (81874) § 2 S. 2. 2079 Arndts, Pandekten (81874) § 21 S. 22 Fn. 1. 2071 2072
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che.2080 Dessen Voraussetzung wird unter dem Abschnitt „modus“ behandelt, ohne dass Arndts darin eine besondere Art der Nebenbestimmung sehen würde.2081 Zur väterlichen Gewalt stellt Arndts ungeachtet der völlig veränderten gesellschaftlichen Umstände ohne innere Begründung lediglich fest, dass „von diesen Rechten . . . heutzutage jenes Verkaufsrecht ganz weggefallen“ sei und das Recht zur Zustimmung zur Ehe „jetzt auch der Mutter, und dem Vater auch nach Aufhebung der väterlichen Gewalt beigelegt“ werde. Bedeutender sei der „Einfluß der väterlichen Gewalt auf das Vermögen, und darin offenbart sich jetzt noch vorzüglich der besondere juristische Charakter dieses Familienverhältnisses.“ 2082 Auch bei den grundsätzlichen Begriffen der „actio“ und der „cessio“ hält Arndts im Grundsatz an den Aussagen der Glossatoren zum römischen Rechts fest, wenn er auch die aktuellen Diskussionen wie das davon abweichende populäre Verständnis zur Kenntnis nimmt. Für ihn bleibt „actio“ das prozessuale „Klagrecht“ und wird nicht zum materiell-rechtlichen „Anspruch“.2083 Ebenso bleibt er dabei, dass eine Obligation als persönliches Band zwischen Gläubiger und Schuldner im Grundsatz nicht übertragbar ist und sieht das „Bedürfniß des rechtlichen Verkehrs“ vollkommen dadurch befriedigt, „daß der Gläubiger die Ausübung seines Forderungsrechtes jenem zu eigenem Vortheil überläßt“ und diese Position durch eine besondere actio utilis schützt.2084 Den Streit zwischen Windscheid, Muther und Kuntze um die Möglichkeit einer Singularsukzession in Forderungen hält Arndts für „lebhaft, aber nicht in gleichem Maße fruchtbar“ und lässt sich in seiner Darstellung auch nicht davon beeindrucken, dass sich „im heutigen Rechtsbewußtsein des Volkes . . . die übertragene Forderung als eine dem Cessionar eben so eigene dar[stellt], wie eine veräußerte körperliche Sache als Eigenthum des Erwerbers.“ 2085 Arndts Pandekten (81874) § 21 S. 22 Fn. 1: „Aber es ist gegen den Sprachgebrauch, ein Recht als bestehend anzuerkennen, das keinem Subject zusteht. . . . Wenn aber von bestehenden Rechten gesprochen wird, als deren Subject doch nicht eine natürliche Person erscheint, so liegt dabei unwillkürlich eine Personification zum Grunde, ohne welche man nicht von Rechten, . . ., sprechen könnte.“ 2081 Arndts, Pandekten (81874) § 74 S. 102 Fn. 2: „Unter den Begriff von Nebenbestimmungen der Rechtsgeschäfte ist die Voraussetzung in ihrer manchfaltigen Art und Bedeutung jedenfalls nicht zu stellen.“ 2082 Arndts, Pandekten (81874) § 428 S. 716 f., alles ohne Belege. 2083 Arndts, Pandekten (81874) § 96 S. 138 f. und dort Fn. 4 gegen Windscheid: „Allein wenn der Prätor für gewisse Fälle verhieß: ,actionem dabo‘, so kann man zwar wohl sagen, daß diese Verheißung, soweit sie als Rechtsnorm Bestand hatte, Rechte gewisser Art erzeugte oder vielmehr deren Möglichkeit unter bestimmten Voraussetzungen statuirte; aber die Actio, die darnach im concreten Fall Jemand beigelegt wurde, war doch nicht minder, wie in anderen Fällen, Ausfluß eines Rechts, das nämlich nach jener Rechtsnorm begründet war, dieses Recht war auch hier dann ,das Prius, das Erzeugende‘, die Klage, die der Prätor ohne Unrecht nicht mehr versagen konnte, das Erzeugte.“ 2084 Arndts, Pandekten (81874) § 254 S. 435 f. 2085 Arndts, Pandekten (81874) § 254 S. 438 Fn. 5. 2080
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Auch über diese einzelnen Beispiele hinaus zeichnet sich Arndts Darstellung dadurch aus, dass der allgemein gehaltene und die Begrifflichkeiten – in Pyramidenform – klärende Text gut verständlich bleibt, die Diskussionen zwar in zahlreichen, breiten Raum einnehmenden Fußnoten genannt werden, er aber auf einen eigenen klärenden Beitrag verzichtet. Bei allem, auch in der Sprache klar erkennbaren Bemühen um Verständlichkeit hält Arndts doch an den überkommenen lateinischen Rechtsbegriffen fest, freilich nicht ohne sie in einer Art „Zweisprachigkeit“ im Moment ihrer Einführung zu erklären. Beispielhaft seien hier die Behandlung des Gebrauchsrechts (usus)2086 und die Definition des Kaufvertrages (emtio venditio)2087 genannt. Insgesamt erscheint Arndts Lehrbuch als ein Werk, das ungeachtet seiner beachtlichen Verbreitung nicht nur in seinem Umfang sondern insbesondere auch hinsichtlich seiner wissenschaftlich-dokumentierenden wie seiner gedanklichen Durcharbeitung hinter Windscheids Pandekten deutlich zurücksteht. Einen vergleichbaren wissenschaftlichen Vorrang gegenüber den Pandekten von Dernburg zu behaupten, fällt erheblich schwerer, zumal bereits Zeitgenossen wie Kohler und Dove2088 insbesondere in Beziehung auf Originalität und Eigenständigkeit Dernburgs Werk den Vorzug gegeben haben. Heinrich Dernburgs „Pandekten“ erfahren zwischen 1884/87 und 1911/12 nicht weniger als acht Auflagen. Auch wenn der jüngere Kollege2089 beim Erscheinen dieses Werks dem bereits etablierten Windscheid und dessen Pandekten seine Reverenz – in versteckt-kritischer Form – erweist,2090 so machen doch schon Zahl der Auflagen wie auch deren Umfang – bereits die erste Auflage erscheint in drei Bänden mit insgesamt über 1.400 Seiten2091 – deutlich, dass 2086 Arndts, Pandekten (81874) § 182 S. 292: „Usus ist seiner wörtlichen Bedeutung nach das ius utendi ohne das ius fruendi, das Recht, die Sache ihrer Natur und Bestimmung gemäß für seine Zwecke zu gebrauchen, ohne das Recht aus derselben sonst noch andere Vorteile zu ziehen, und sie überhaupt als eine Erwerbsquelle für sich zu benutzen . . .“. 2087 Arndts, Pandekten (81874) § 300 S. 508: „Der Kaufvertrag (emtio venditio) besteht darin, dass der eine (venditor) sich verbindlich macht, dem andern einen gewissen Vermögensgegenstand zu gewähren, dieser (emtor) dafür einen Geldpreis als Gegenleistung verspricht. Wesentlich ist also 1) einerseits ein in Geld bestimmter Preis, . . .; 2) andererseits ein Kaufgegenstand, welcher nicht blos eine Sache sein kann, sondern auch jeder andere überhaupt veräußerliche Vermögensgegenstand, . . .“. 2088 Kohler, Windscheid (1893) S. 58–60; Dove, Rudolf von Ihering und Bernhard Windscheid (1893) S. 143, s. o. 1. Teil S. 28 Fn. 113. 2089 Heinrich Dernburg, 3.3.1829 (Mainz) bis 23.11.1907 (Berlin), zu ihm Kleinheyer/Schröder, Juristen (52008) S. 493; Avenarius, Art. Dernburg (22004) Bd. 1 Sp. 954 f.; Süss, Dernburg (1991). 2090 Dernburg, Pandekten (11884) Vorwort S. V: „Insbesondere war nicht beabsichtigt, die Zusammenstellung der neueren Litteratur zu wiederholen, welche Windscheid in so vortrefflicher und fleißiger Weise giebt.“ 2091 Umfang der ersten in Berlin erschienenen Auflage: Band 1 – Einleitung, Allgemeine Lehren und die Sachenrechte –, 1884: XXIV und 719 Seiten, Band 2 – Das
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sich dieses Lehrbuch eines Professors, der in Berlin2092 und damit an einer der Leipziger Universität im Range möglicherweise sogar vorgehenden Alma mater wirkt, als Konkurrenzprodukt auf dem Markt studentischer Lehrbücher mit praktischen Bezügen versteht2093. Und dieser Anspruch ist nicht vermessen, sondern hat gute Gründe: Anders als für Windscheid war für Dernburg die Beschäftigung mit den Pandekten nicht seine erste große schriftstellerische Leistung auf dem Gebiet der Lehrbücher. Sein dreibändiges „Preußisches Privatrecht“ entstand schon seit 1871 und wird noch heute als Dernburgs „herausragende wissenschaftliche Leistung“ 2094 betrachtet. Neben Erfahrung mit der Systematisierung und Durcharbeitung bürgerlich-rechtlichen Materials brachte ihn die Auseinandersetzung mit dem für Preußen und damit dem bedeutendsten Teil des damaligen Deutschland maßgeblichen partikularen Recht des Allgemeinen Landrechts von 1794 zu grundsätzlichen Überlegungen, „in welchem Umfang und Sinne die römischen Rechtssätze tatsächlich in Deutschland aufgenommen wurden und in dem Recht der Gegenwart lebendig wirksam sind“ 2095. Wäre es nach ihm gegangen, wäre nicht das „gemeine Recht“ sondern das Preußische Allgemeine Landrecht zur Grundlage eines gemeinsamen bürgerlichen Rechts des Deutschen Reiches bestimmt worden.2096 Grund hierfür ist sein weniger theoretisch-historischer als vielmehr konkret-praktischer Blick auf das geltende Recht. Dieser zeigt sich nicht nur in seiner Ablehnung der Rezeption des römischen Rechts „in complexu“, sondern auch darin, dass für ihn bei der Behandlung einzelner Institute deren Praktikabilität wichtiger ist als die wissenschaftliche Herleitung2097 und er sich auch nicht scheut, in seinem Lehrbuch des geltenden Pandektenrechts zur Abrundung deutschrechtliche Institute anzusprechen. Zur Geltung des corpus iuris in Deutschland stellt Dernburg fest, sie beruhe „unzweifelhaft nur auf Gewohnheit und nicht auf Gesetzgebung“. Er folgert daraus, „in die deutsche Gewohnheit“ seien nur – und zwar „offensichtlich“ – „solche römischen Rechtssätze übergegangen, welche Anknüpfungspunkte an das Obligationenrecht –, 1886: IX und 385 Seiten, Band 3 – Das Familienrecht und das Erbrecht –, 1887: X und 367 Seiten. 2092 Zu Dernburgs von Fürst Bismarck geförderter Berufung nach Berlin und deren Vollzug 1872 nach Ablehnung vorangehender Rufe durch Ihering und Windscheid s. Süss, Dernburg (1991) S. 36–42. Vgl. dazu auch im folgenden Abschnitt G. S. 338 f. 2093 Dernburg, Pandekten Band 1 (11884) Vorwort S. III: Adressat des Werkes ist die studierende Jugend. „Sollte auch der in der Praxis stehende Jurist in dem Buche Anregung und Unterstützung finden, so wäre dies hocherwünscht.“ 2094 Süss, Dernburg (1991) S. 46 ff., bes. S. 51–56, Zitat S. 46. 2095 Süss, Dernburg (1991) S. 53. 2096 Süss, Dernburg (1991) S. 50 f. auch zum Gutachten der Vorkommission vom 15.4.1874. 2097 Symptomatisch hierfür ist, dass Dernburg, anders als Arndts, nur eine Kategorie von Fußnoten kennt, nicht in gesonderter Form auf die Quellentexte hinweist.
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deutsche Leben und die deutsche Rechtsanschauung hatten.“ Daher hätte von Anfang an gelehrt werden sollen, „daß sich der Umfang der Reception aus der Gewohnheit ergebe und daß, was der deutschen Gewohnheit fremd blieb, auch nicht gemeines Recht wurde.“ 2098 Die dem widersprechende herrschende Lehre, Windscheid eingeschlossen, von der Rezeption des römischen Rechts als Ganzem sei schädlich und verleite dazu „zahlreiche Rechtssätze theoretisch als bestehend darzustellen, die im wirklichen Leben keinen Boden haben. Wir dagegen meinen, was niemals im Laufe der Jahrhunderte zur Anwendung kam, ist nicht recipirt. Es blieb dem deutschen Wesen fremd und ist nicht gemeinen Rechtens. Nach der entgegengesetzten Ansicht sind gerade diejenigen Sätze des römischen Rechtes, deren Anwendung Niemand versuchte, weil sie den deutschen Rechtsauffassungen schlechthin zuwiderliefen, gemeinen Rechtens geblieben.“ 2099 Zur praktischen Nutzanwendung führt Dernburg aus: „Die Praxis lässt sich aber hierauf nicht ein, wenn sie auch vermeidet, mit dem Axiom der universellen Reception ausdrücklich in Widerstand zu treten.“ 2100 An diesen Sätzen lassen sich die Unterschiede zwischen Windscheids wissenschaftlicher Sorgfalt, die den Anschein einer gewissen Unbeweglichkeit vermittelt und den Eindruck mangelnden Mutes zum Neuen erwecken könnte, einerseits und der Unbekümmertheit Dernburgs im Umgang mit der wissenschaftlichen Lehre im Dienste praktischer Anwendbarkeit des geltenden Rechts andererseits exemplarisch verdeutlichen. Der gemeinsame Ausgangspunkt einer Rezeption des römischen Rechts durch Gewohnheit2101 führt so zu gänzlich unterschiedlichen Ergebnissen. Für Windscheid gibt es entweder eine Rezeption „in complexu“ oder keine, denn die gewohnheitsrechtliche Übernahme des römischen Rechts als „Recht schlechthin“ durch die Rechtsgelehrten habe sich auf das gesamte Recht, wie es in der glossierten Form des corpus iuris civilis vorgelegen habe, erstreckt.2102 Ein solches historisches Verständnis des Geschehens zwischen dem 13. und der Mitte des 16. Jahrhunderts lässt einen Vorbehalt der Übereinstimmung mit einer – nicht näher definierten – „deutschen Rechtsauffassung“ nicht zu. Hinzu kommt die – unstreitig – lediglich subsidiäre Geltung des „neuen“ gelehrten Rechts. Sie macht es in allen Bereichen, für die partikulares Recht Regelungen vorsieht, unmöglich, aus der Nichtanwendung des römischen Rechts auf dessen Nichtgeltung und damit Nichtrezeption zu schließen. Somit bleibt für jemanden, der, wie Windscheid, ein praxisnahes römisches Rechts anstrebt, nur die Möglichkeit, entweder ein entgegenstehendes Gewohnheitsrecht positiv feststellen zu können2103 oder ein Ver-
2098 2099 2100 2101 2102 2103
Dernburg, Pandekten Band 1 (11884) § 4 S. 8. Dernburg, Pandekten Band 1 (11884) § 4 S. 9. Dernburg, Pandekten Band 1 (11884) § 4 S. 10. B. Windscheid, Lehrbuch (11861) § 1 S. 2 mit Fn. 3. B. Windscheid, Lehrbuch (11861) § 1 S. 2 mit Fn. 5 und § 2 S. 4 f. mit Fn. 1 und 2. B. Windscheid, Lehrbuch (11861) § 2 S. 6 mit Fn. 5.
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ständnis dieses Rechts zu propagieren, das den „Bedürfnissen des Lebens“ 2104 entspricht. Diese Überlegungen führen zu einem in sich geschlossenen und logisch-argumentativ kaum angreifbaren System, das seine innere Kohärenz jedoch mit einem gewissen Grad an Unbeweglichkeit erkauft und hinsichtlich seiner unmittelbaren Anwendbarkeit Wünsche offen lässt. Demgegenüber kommt es Dernburg offenbar weniger auf logisch exakte Schlüsse als vielmehr auf Praktikabilität des Ergebnisses an. Dies zeigt sich bereits in der Annahme einer – nicht weiter hinterfragten – „deutschen Rechtsanschauung“ oder eines „deutschen Wesens“. Diese im Kern ungeachtet seines Bekenntnisses zur Bedeutung der historischen Entwicklung2105 unhistorische Sicht auf das geltende Recht lag dem Politiker2106 und ausgewiesenen Partikularrechtler Dernburg, der sich selbst eher der „naturrechtlichen“ und damit gesetzgebungsfreundlichen Schule zurechnete,2107 augenscheinlich näher als dem aus der historischen Schule hervorgegangenen „reinen“ Wissenschaftler Windscheid. Diese „praktische“ Herangehensweise wird sowohl bei der Definition des subjektiven Rechts2108 als auch bei der Behandlung einzelner Rechtsinstitute deutlich. Recht im subjektiven Sinne ist nach Dernburg nicht ein „Wollendürfen“, sondern – ausdrücklich entgegen der herrschenden Meinung und gegen Windscheid als deren Hauptrepräsentant – „ein dem Individuum nach der Rechtsordnung zustehender Antheil an den Lebensgütern“.2109 Daraus leitet Dernburg un-
2104 So der von Windscheid vielfach verwendete Topos, vgl. auch dessen Lehrbuch (11861), § 28 S. 61 zur Definition des „billigen Rechts“ als das den tatsächlichen Verhältnissen angemessene Recht. 2105 Dernburg, Pandekten Band 1 (11884) Vorwort S. IV: „. . . bei jedem Schritt sollen wir bewußt bleiben, daß wir auf historischem Boden stehen, daß es sich hier um die Geistesarbeit vieler Generationen handelt. Das Gewinnen dieser Anschauung ist das wichtigste Resultat, welches das juristische Universitätsstudium erzielen kann.“ 2106 Zu Dernburgs Wirken als Mitglied des preußischen Herrenhauses s. Süss, Dernburg (1991) S. 105 ff. 2107 Dernburg, Pandekten Band 1 (11884) § 17 S. 38: „Der Einfluß der naturrechtlichen Schule war zurückgedrängt, aber nicht gebrochen. Er machte sich vorzugsweise in der Gesetzgebung geltend. . . . inmitten der Wandlung aller menschlichen Dinge bedarf auch das Recht stetiger Weiterbildung. . . . Oft bedarf es der Hülfe der Gesetzgebung, welche nicht bloß das historisch überlieferte entwickelt, sondern das angemessene und zweckmäßige feststellt. Nie können und sollen wir von dem Gegebenen absehen. Aber wir dürfen uns auch nicht der Freiheit begeben, dasselbe nach den Anforderungen unserer Vernunft weiterzubilden.“ – War Vangerow-Schüler, Avenarius, Art. Dernburg (2004) Sp. 954. 2108 Recht ist „die durch den allgemeinen Willen aufrechterhaltene Ordnung der Lebensverhältnisse“ (Dernburg, Pandekten Band 1 [11884] S. 43), und insofern ist – gegen Windscheids Hinweis auf das Ideal des „billigen Rechts“ in seinen Pandekten, Band 1 § 28 mit Fn. 2 – die „ars boni et aequi“ des Celsus „nicht ein Ideal, es ist die Kunst der Verwirklichung des Ideals“, Dernburg a. a. O. S. 42 Fn. 4. 2109 Dernburg, Pandekten Band 1 (11884) § 39 S. 86 gegen Windscheid, da auch ein Willensunfähiger ohne Vertreter Inhaber von Rechten sei.
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mittelbar und ohne Rückgriff auf aktionenrechtliches Denken den „Anspruch“ ab, als „Befugniß einer Person gegen eine andere auf eine Leistung bestimmter Art“. Ansprüche gegenüber „Jedermann“ lehnt er hingegen ab und bezeichnet ein dingliches Recht schlicht als „ein unmittelbares Herrschaftsrecht über eine Sache“ 2110. Von einem solchen Verständnis ausgehend ist es konsequent, wenn Dernburg fordert, man dürfe „die römische actio“ nicht – wie Windscheid – „mit unserem deutschen Anspruch identificiren“ 2111. Damit setzt Dernburg freilich zum einen die Existenz eines – deutschen – Anspruchs voraus, den es als Ergebnis juristisch-wissenschaftlicher Erkenntnis ohne dessen Ableitung aus der römischen actio – jedenfalls für die Romanisten unter den Rechtsgelehrten – gar nicht gegeben hätte, und räumt zum anderen nach eigener Überzeugung der „naiven Vorstellung“ des „res mea est“ Vorrang vor dem als „rechtsphilosophisch“ bezeichneten Bemühen um ein System gegenseitiger Ansprüche auch im Bereich der dinglichen Rechte ein.2112 Ein weiteres Beispiel für den „praktischen“ Zugang zu Rechtsfragen ist Dernburgs Behandlung des Kaufs auf Probe. Entgegen der auch von Windscheid vertretenen herrschenden Meinung, wonach es nicht zulässig sei, „Geschäfte durch Bedingungen in die reine Willkür des Promittenten zu stellen. Denn eine Einwilligung unter der Bedingung der Einwilligung sei in der That keine“ 2113, gebe es nun einmal in den Quellen und im praktischen Leben den Kauf auf Probe, „welcher unter der Bedingung geschlossen wird, daß die Waare dem Käufer gefällt.“ Dabei stehe „die Erklärung des Gefallens oder Nichtgefallens . . . in der reinen Willkür des Käufers“ 2114. Hierbei handele es sich „um Thatsachen, die zu erklären, nicht abzuleugnen sind“ 2115. Angesichts dieser Unbekümmertheit um das Verhältnis von Theorie und Praxis nimmt es nicht wunder, wenn Dernburg zum Wesen der Obligation feststellt, anders als die römische Obligation sei die heutige Obligation „beweglich, beständiger Fortbildung fähig. Trotz aller Veränderungen gilt sie als dasselbe Rechtsverhältniß, da sie sich letztlich aus dem ursprünglichen Begründungsakte herleitet. Dies bezieht sich auf den Inhalt, wie auf die Subjekte der Obligation“.2116 Folglich sind für Dernburg auch der Übergang einer Obligation von einem Berechtigten auf den Anderen im Wege der Zession kein Problem2117 und alle hierzu, nicht zuletzt von Windscheid entwickelten Modifikationen eigentlich nicht mehr der Rede
Dernburg, Pandekten Band 1 (11884) § 39 S. 87 f. Dernburg, Pandekten Band 1 (11884) § 39 S. 88 Fn. 7. 2112 Dernburg, Pandekten Band 1 (11884) § 22 S. 48 mit Fn. 5. 2113 Dernburg, Pandekten Band 1 (11884) § 108 S. 247. 2114 Dernburg, Pandekten Band 1 (11884) § 108 S. 248. 2115 Dernburg, Pandekten Band 1 (11884) § 108 S. 248 Fn. 4. 2116 Dernburg, Pandekten Band 1 (11884) § 47 S. 127. 2117 Dernburg, Pandekten Band 1 (11884) § 47 S. 129: „Nach römischer Auffassung war dies alles ,Utilität‘ . . . Das heutige Recht entnimmt hieraus einen neuen Grundsatz – das Recht zur Abtretung der Forderungen.“ 2110 2111
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wert.2118 In ähnlicher Weise am Tatsächlichen orientiert ist Dernburgs Verständnis der Ersitzung, bei der es für ihn wesentlich auf den fortdauernden Besitz und weniger auf einen „Titel“ ankommt.2119 Der „titulus pro derelicto“ sei keine „Erwerbsthatsache“, denn die Dereliktion durch den bisherigen Besitzer (und Nichteigentümer) sei kein Erwerbsgrund.2120 Einen erheblichen Einfluss auf die Rezeption römischen Rechts räumt Dernburg auch dem „deutschen Gerichtsgebrauch“ ein. Er habe vielfach „das fremde Recht . . . in deutschem Sinne“ umgebildet.2121 „Beispielsweise übernahm man in Deutschland die römische väterliche Gewalt; aber diese erreicht in Rom ihr Ende erst mit dem Tode das Vaters, sofern der Vater sie nicht selbst freiwillig durch Emancipation löste. In Deutschland endigt nach gemeiner Gewohnheit die Gewalt auch ohne den Willen des Vaters mit der persönlichen und wirthschaftlichen Selbständigkeit des Kindes durch s.g. emancipatio Germanica. Das römische Rechtsinstitut ist hiermit grundmäßig geändert.“ 2122 Auch wenn in der Sache hinsichtlich der emancipatio Germanica Windscheid nichts anderes lehrt, so ist doch bezeichnend, dass Windscheid sie lediglich als eine unter mehreren Möglichkeiten aufführt, unter denen die väterliche Gewalt von selbst ende. Insoweit verweist Windscheid lapidar auf das „heutige Recht“, hält aber im Übrigen an der Ausgestaltung der patria potestas im justinianischen Recht und ihrer fortdauernden Bedeutung für die väterlichen Rechte gegenüber Kindern „in Betreff des Vermögens“ fest.2123 Auch mit dem Wesen der ruhenden Erbschaft geht Dernburg unbefangen um und sieht, anders als Windscheid, kein Problem darin, sie einerseits in die Nähe der juristischen Person zu rücken, ohne sie andererseits als juristische Person zu behandeln.2124 Mit einem solchen „Schwebezustand“ hätte sich Windscheid nie zufrieden gegeben.
2118 Dernburg, Pandekten Band 1 (11884) §§ 48 f., S. 129–134, zur Denuntiation und dem Zessionsgrund. 2119 Dernburg, Pandekten Band 1 (11884) § 219 S. 496. 2120 Dernburg, Pandekten Band 1 (11884) § 220 S. 502 Fn. 24. 2121 Dernburg, Pandekten Band 1 (11884) § 14 S. 27. 2122 Dernburg, Pandekten Band 1 (11884) § 14 S. 27. 2123 B. Windscheid, Lehrbuch (61887) 2. Band §§ 515–519, S. 957–972, und § 525, S. 982–986, dort unter 3.c.g und Fn. 20 zur „emancipatio tacita, oder Germanica, oder Saxonica“ „nach heutigem Recht“. 2124 Dernburg, Pandekten Band 1 (11884) § 62, Anstalten und Stiftungen, S. 143– 145, 144 f.: „Die ruhende Erbschaft, d.h. der Nachlaß eines Verstorbenen vor Antritt des Erben, repräsentirt den Erblasser. Es ist also eine gedachte Person Träger der Rechte und Pflichten der ruhenden Erbschaft. Hierin liegt ihre Verwandtschaft mit den juristischen Personen. Im übrigen findet sich nichts verwandtes. Die juristische Person besteht um allgemeiner Zwecke willen, die ruhende Erbschaft wird im Interesse eines einzelnen Individuums, nämlich des Erben, personificirt. Die juristische Person ist auf Dauer, die ruhende Erbschaft für eine Übergangszeit bestimmt. Die Rechtsnormen, welche die juristische Person beherrschen, sind auf die ruhende Erbschaft nicht anwendbar.“
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Beachtlich ist schließlich der Umfang dessen, was Dernburg noch als Teil des Pandektenrechts und damit innerhalb dieses Lehrbuchs zu behandeln für erforderlich ansieht. So widmet er, anders als Windscheid, innerhalb des fünften Buches – Erbrecht – der Lehre von den Erbverträgen einen eigenen – wenn auch knappen – Abschnitt. Er begründet die Erwähnung dieses allein deutschrechtlichen Instituts damit, sie seien „seit der Reception des römischen Rechts durch Praxis und Gewohnheitsrecht“ anerkannt, hätten ihre Ausbildung „vorzugsweise durch die romanistische Wissenschaft“ erfahren und hätten „im gemeinen Rechte erhebliche Bedeutung“.2125 Auch hier bleibt Windscheid der überkommenen Systematik treu. Zwar weist er darauf hin, dass „nach heutigem Recht“ „ein Erbe auch auf dem Wege des Vertrags, durch einen Erbvertrag, berufen werden“ könne, geht darauf jedoch lediglich in einer ausgedehnten, die aktuelle – deutschrechtliche – Literatur nachweisenden Fußnote weiter ein.2126 Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass Dernburg bei der sprachlichen Darstellung und inhaltlichen Wiedergabe des aktuell geltenden „Pandektenrechts“ mit der Tradition der romanistischen Wissenschaft unbefangener umgeht und so tatsächlich „moderner“ als Windscheid wirkt. Soweit es die Nachwelt betrifft, ist diese Wirkung auch darauf zurückzuführen, dass er über die Einführung des BGB hinaus schriftstellerisch tätig sein und nicht nur die Pandekten noch nach 1900 fortführen sondern ihnen auch noch ein „Bürgerliches Recht des Deutschen Reiches und Preußens“ 2127 an die Seite stellen kann. Diese Wirkung ist Dernburg aber nur deshalb möglich, weil er sich mit der Darstellung dieses tatsächlich geltenden Rechts begnügt und keinen Anspruch darauf erhebt, ein möglichst geschlossenes und in sich widerspruchsfreies System des geltenden gemeinen Rechts römischrechtlicher Provenienz darzustellen. Möglich macht dies vor allem seine Ablehnung einer Rezeption des „römischen Rechts“ in complexu, daneben aber auch mancher lapidare Hinweis auf das faktisch als rechtsgültig Anerkannte. Damit geht diese Stärke der „Modernität“ mit einer systematischen Schwäche notwendig einher.2128 Auch hinsichtlich argumentativer Schärfe bleiben die Darlegungen Dernburgs hinter denen Windscheids deutlich zurück. Welchem Werk hinsichtlich seiner Geeignetheit für Ausbildung und Praxis der Vorzug zu geben ist, ist schwerlich zu sagen. Es kann jedoch festgestellt werden, dass Windscheids Pandekten für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit seinen Inhalten nicht nur wegen der unerreicht ausführlichen Darstellung der vertretenen Meinungen sondern eben auch wegen der argumentativen Bemühungen um Einheitlichkeit und Systemtreue von größerem Gewicht sind. Dernburg, Pandekten Band 3 (11887) Dritter Abschnitt, §§ 126 f., S. 254–259, Zitate S. 254. 2126 B. Windscheid, Lehrbuch 3. Band (11870) § 529 S. 5 f. mit Fn. 2 und 3. 2127 Dazu Süss, Dernburg (1991) S. 57 f. 2128 Vgl. dazu umfassend gerade auch im Vergleich mit Windscheids Lehrbuch Süss, Dernburg (1991) S. 203–246. 2125
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Gegenüber den beiden großen Lehrbüchern von Arndts und Dernburg fallen die Pandekten in einem Band von J. Baron2129 nicht nur im Umfang sondern auch und besonders hinsichtlich ihres wissenschaftlichen Anspruchs deutlich ab. Auf sie wird hier nur deshalb kurz eingegangen, weil auch dieses eher als Repetitorium denn als Lehrbuch zu bezeichnende Werk2130 parallel zu Windscheids Lehrbuch mehrere Auflagen erfahren hat und gerade dadurch auf die besondere Bedeutung von Windscheids Pandekten hinweist, dass es, soweit andere Lehrbücher überhaupt zitiert werden, regelmäßig gerade auf Windscheid und nicht etwa auf Puchta, Arndts oder Dernburg verweist2131. Anders als Dernburg war es Windscheid nicht vergönnt, das Inkrafttreten des BGB noch zu erleben und darauf durch Anpassung seines Lehrbuches selbst zu reagieren. Immerhin hat Theodor Kipp noch 1906 und damit 14 Jahre nach Windscheids Tod eine 9. Auflage besorgt, in der sein Pandektenrecht „unter vergleichender Darstellung des deutschen bürgerlichen Rechts“ 2132 wiedergegeben ist – auch dies ein Beleg für das Maß der Anerkennung, die diesem Lehrbuch zuteil geworden ist. Über die Ausstrahlung, die Windscheids Werk über den deutschen Rechtskreis hinaus erfahren hat, informiert umfassend die Zusammenstellung der Bezüge zwischen modernen Privatrechtsordnungen und römischrechtlicher Tradition von Gábor Hamza.2133 Demnach wurden Windscheids Pandekten zweimal in italienischer Sprache publiziert. Zunächst übersetzten die beiden Zivilisten Carlo Fadda (1853–1931) und Paolo Emilio Bensa (1858–1928) das Werk in den Jahren 1902–1904, vermehrt um deren Deutungen, Erläuterungen und umfangreiche Ergänzungen wie auch Verweisen auf das geltende italienische Recht.2134 Ein zweites Mal gaben Pietro Bonfante und Fulvio Maroi diese Übersetzung 1925/26 in Turin heraus, im übersetzten Text unverändert, aber mit eigenen Kommentaren zur neuesten italienischen und ausländischen Literatur versehen.2135 Für Griechenland gab der Windscheid-Schüler Konstantinos E. Polygenes (1862–1935), seit 1895 ordentlicher Professor für römisches und byzantinisches Recht an der Universität Athen, Windscheids Pandekten in griechischer Übersetzung in mehreren Auflagen heraus, ergänzt um auf die griechische Gesetzgebung und Jurispru2129
J. Baron, Pandekten, erschienen zwischen 1872 und 1887 in sechs Auflagen; 5. Auflage 1885: XX und 765 Seiten. 2130 Enthält als Fußnoten lediglich Quellenzitate, keine speziellen Literaturhinweise. Ohne allgemeine Hinweise zu Sinn und Zweck dieses Kurzlehrbuchs. 2131 Literaturhinweise finden sich jeweils am Anfang jedes Paragraphen. Neben Windscheid werden meist Vangerow (Pandekten), Savigny (System) und Brinz (Pandekten), nicht dagegen Puchta, Arndts oder Dernburg genannt, 2132 So der Titel der 9. Auflage. 2133 Entstehung und Entwicklung der modernen Privatrechtsordnungen und die römischrechtliche Tradition, Budapest 2009. 2134 Hamza, Entstehung und Entwicklung (2009) S. 311 f. 2135 Hamza, Entstehung und Entwicklung (2009) S. 312.
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denz bezogene Zusätze und Kommentare.2136 Noch vor den Pandektenlehrbüchern von Baron (dritte Auflage ediert 1909) und Dernburg (ab 1900) erschien bereits 1874 der erste Band von Windscheids Pandektenrecht in russischer Sprache, versehen mit einem Vorwort von S.V. Pachmann (1825–1910).2137 Nicht im Wege von weiteren Übersetzungen seines Lehrbuches sondern dank der vielen ausländischen Schüler, die ihn in Deutschland gehört hatten oder von seinem Werk beeinflusst worden sind und in ihren Heimatländern auf die jeweilige nationale Rechtsentwicklung erheblichen Einfluss hatten, fand das von Windscheid gelehrte Pandektenrecht auch Eingang in die Rechtsordnungen der skandinavischen Staaten, besonders Schwedens2138, aber auch über Johannes Christiaan de Wet (1912–1990) in Südafrika.2139
G. Professur in Heidelberg (1871–1874) Als Bernhard Windscheid zum Sommersemester 1871 nach Heidelberg kam,2140 war Vangerow bereits gestorben.2141 Der deutsch-französische Krieg hatte verhindert, dass der wegen seiner Vorlesungen meistgeachtete Pandektist Deutschlands2142 gemeinsam mit seinem von ihm selbst berufenen Nachfolger an der für ihre juristische Fakultät berühmten Ruperta-Carola gehört werden konnte. 2136
Hamza, Entstehung und Entwicklung (2009) S. 450 und Fn. 417. Unter dem Titel ,Ucˇebnik pandektnogo prava. Obšcˇaja cˇast‘; zudem lehrte der letzte Herausgeber von Windscheids Pandekten, Theodor Kipp (1862–1931), an dem bis 1914 existierenden Institut zur Ausbildung künftiger russischer Universitäts-Dozenten an der königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin, Hamza, Entstehung und Entwicklung (2009) S. 530 mit Fn. 489. 2138 Ivar Afzelius (1848–1921) trieb als Schüler besonders Iherings, aber auch Windscheids, als permanenter Vorsitzender der Gesetzesvorbereitungskommission die Vereinheitlichung des Privatrechts der nordischen Länder voran und führte in Schweden die dogmatische Methode ein, Hamza, Entstehung und Entwicklung (2009) S. 428. 2139 Hamza, Entstehung und Entwicklung (2009) S. 693, bezeichnet de Wet als den einflussreichsten Rechtsgelehrten Südafrikas im 20. Jahrhundert, auf dessen Arbeiten die pandektistisch geprägte kontinentaleuropäische Jurisprudenz, besonders Savigny und Windscheid, große Wirkung gehabt habe. 2140 Windscheid wurde am 3.4.1871 durch Prorektor Bluntschli verpflichtet, UAH III, 3b Nr. 138 und dessen Bericht an das Innenministerium am 11.4.1871, ebd. u. GLA Karlsruhe 76/10089. – Zu Windscheids Verhandlungen mit der badischen Regierung s. die Vorgänge zwischen dem 19.7.1870 und dem 29.9.1870, GLA Karlsruhe 325/3117 Bll. 338–347, besonders Windscheids Schreiben vom 8.9.1870, ebd. Bl. 342 (Gehalt 4800 fl./Jahr, Titel eines Geheimrats 2. Klasse, Einkaufsgeld in badische Witwenkasse, Umzugskostenentschädigung 800 fl., Beginn 1.4.1871), die Berufung Windscheids durch den Großherzog am 17.9.1870, ebd. Bl. 345 = GLA Karlsruhe 76/10089 u. UAH Personalakte Bernhard v. Windscheid III, 3b Nr. 138, und Windscheids Dank dafür gegenüber Staatsminister Julius Jolly vom 29.9.1870, UB Heidelberg Hs. 3631, 11. 2141 Karl Adolph v. Vangerow, *5.6.1808, y 11.10.1870, seit 14.6.1840 o. Prof. des römischen Rechts in Heidelberg, Landsberg, Geschichte (1910) Text, S. 603. 2142 Hart, German Universities (1874) S. 60: „the then most prominent jurist in Germany“; Rivier, Rudolf von Ihering and Bernhard Windscheid (1893) S. 9, nennt Van2137
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
Der Wiederaufschwung der Universität Heidelberg,2143 seitdem sie 1803 zusammen mit der bayerischen Pfalz an Baden gefallen war, zeigte sich gerade in der juristischen Fakultät besonders deutlich. Namen wie Thibaut, Heise oder Martin in der „1. Generation“ 2144 repräsentierten ein Niveau, das auch ihre Nachfolger verpflichtete. Neben dem berühmten Strafrechtler Mittermaier2145 und den bedeutenden liberalen Staatsrechtlern Robert v. Mohl2146 sowie seit 1861 Johann Caspar Bluntschli2147 gelang es vor allem Adolph v. Vangerow, diese Verpflichtung glänzend einzulösen. Seiner Pandektenvorlesung2148 vor allem war es zu verdanken, dass 1866/71 die juristische Fakultät in Heidelberg nach Berlin, München und Leipzig und mit deutlichem Abstand vor Bonn den vierten Platz aller deutschen Universitäten einnahm2149 und rund die Hälfte aller Heidelberger Studenten Mitglieder dieser Fakultät waren.2150 Den größten Anteil daran machten ausländische Studenten, besonders Preußen, aus,2151 die vorwiegend zu Be-
gerow mit Bezug auf einen Besuch im August 1870 „the greatest master of the Pandects“. s. auch Kleinheyer/Schröder, Juristen (52008) S. 539. 2143 Durch das Organisationsstatut vom 13.5.1803, Dickel, Heidelberger Juristische Fakultät (1961) S. 163–234, 205 f. – Zum Streit darüber, ob es sich 1803 um eine „Neugründung“ gehandelt habe, s. einerseits (pro) Du Moulin-Eckardt, Geschichte (1929) S. 62 und Classen/Wolgast, Kleine Geschichte (1983) S. 35, andererseits (contra) Weisert, Geschichte (1983) S. 72 f. 2144 Anton Friedrich Justus Thibaut (1772–1840, dogmatischer Pandektist, in Heidelberg 1805–1840), Georg Arnold Heise (1778–1851, Systematiker, in Heidelberg 1804– 1814), Christoph Reinhardt Dietrich Martin (1772–1857, Strafrechtler und Prozessualist, in Heidelberg 1805–1815), zu allen Landsberg, Geschichte (1910) Text S. 69–88, S. 89–98, S. 160–165, zu Thibaut auch J. Schröder, Anton Friedrich Justus Thibaut (2008) S. 436–439 m.w. Nachw. 2145 Karl Joseph Anton Mittermaier (1787–1867, in Heidelberg seit 1821), zu ihm J. Schröder, Karl Joseph Anton Mittermaier (2008) S. 284–289 m.w. Nachw. 2146 1799–1875, in Heidelberg 1847–1861, Forster, Robert von Mohl (2008) S. 294– 298 m.w. Nachw. 2147 1808–1881, in Heidelberg 1861–1881, Landsberg, Geschichte (1910) Text S. 552–558 und Forster, Johann Caspar Bluntschli (2008) S. 70–73 m.w. Nachw. 2148 s. Windscheid an Ihering am 7.1.1862, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847 (10) B. Windscheid Bl. 48, 48v: „Bluntschli klagt aus Heidelberg über die Faulheit der Studenten; eigentlich würden nur die Vorlesungen von Vangerow besucht.“ Ebenso Bluntschli, Denkwürdiges III (1884) S. 19 f. und Classen/Wolgast, Kleine Geschichte (1983) S. 49. 2149 Conrad, Statistik (1893) S. 115–168, S. 110 f. u. S. 120 f. Tabelle 1. 2150 Bluntschli, Denkwürdiges III (1884) S. 19 f.; Riese, Hochschule (1977) S. 27 u. S. 346 Tabelle 6. 2151 SS 1871: von 289 Juristen 247 Ausländer, insgesamt 189 Preußen (Adreßbuch Universität Heidelberg Sommerhalbjahr 1871, S. 21 f.); WS 1871/72: von 299 Juristen 233 Ausländer, insgesamt 155 Preußen (ebd. Winterhalbjahr 1871/72, S. 23 f.); SS 1872: von 487 Juristen 430 Ausländer, insgesamt 375 Preußen (ebd., Sommerhalbjahr 1872, S. 28 f.); WS 1872/73: von 313 Juristen 259 Ausländer, insgesamt 209 Preußen (ebd. Winterhalbjahr 1872/73, S. 23 f.); SS 1873: von 451 Juristen 407 Ausländer, insgesamt 350 Preußen (ebd. Sommerhalbjahr 1873, S. 27 f.); WS 1873/74: von 273 Juris-
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ginn ihres Studiums2152 und im Sommer nach Heidelberg kamen.2153 Die badischen Landeskinder allein hätten Heidelberg den Ruf einer „Weltuniversität“ 2154 niemals verschaffen können. Sobald Windscheid, ausgezeichnet mit dem Titel eines badischen Geheimen Rates2155 und dem bayerischen Adelsprädikat, Heidelberg betrat, war er verpflichtet, den Ruf der juristischen Fakultät, aber damit auch den der Universität wie der noch kleinen und ansonsten wenig bedeutenden Stadt2156 zu erhalten.2157 Auf seinem eigenen Fachgebiet gelang ihm das auch vollauf. In seiner Zeit nahm die Zahl der Jurastudenten in Heidelberg nicht ab,2158 obwohl der Trend seit
ten 229 Ausländer, insgesamt 171 Preußen (ebd. Winterhalbjahr 1873/74, S. 22 f.); SS 1874: von 486 Juristen 440 Ausländer, insgesamt 373 Preußen (ebd. Sommerhalbjahr 1874, S. 27). 2152 Windscheid an Beseler am 24.6.1872, GStA PK I. HA Rep. 76Va Sekt. 2 Tit. 4 Nr. 45 Vol. III Bll. 113 f., 113v. 2153 Den Charakter Heidelbergs als „Sommeruniversität“ heben hervor Du MoulinEckardt, Geschichte (1929) S. 67 f., Riese, Hochschule (1977) S. 25, Classen/Wolgast, Kleine Geschichte (1983) S. 42. 2154 So Bluntschli, Denkwürdiges III (1884) S. 19 f.; auch Dickel, Heidelberger Juristische Fakultät (1961) S. 213, nennt Heidelberg eine für das Ausland im 19. Jh. typische deutsche Universität. 2155 Windscheid an badisches Innenministerium am 8.9.1870, GLA Karlsruhe 235/ 3117 Bl. 342. – Diesen Titel kennzeichnet Craig, Scholarship and Nation Building (1984) S. 83, als nach 1870 für liberale Professoren typisches Zeichen einer Annäherung an die Regierung. 2156 Laut Heidelberger Zeitung Nr. 4 vom 4.1.1872 ergab die letzte Volkszählung eine Bevölkerung Heidelbergs von 20.162 Personen. – Die erste Eisenbahn HeidelbergSpeyer wurde 1873 eröffnet, mit der ersten Kanalisation 1875 begonnen: Wilckens, Heidelberg seit 1869 (1886) S. 46. 2157 s. Juristische Fakultät (Dekan Vangerow) an Innenministerium am 27.6.1870, GLA Karlsruhe 235/3117 Bll. 332–335 und Vortrag des Innenministers Jolly beim Großherzog am 12.9.1870, ebd. Bll. 343 f. – Dass sich Windscheid dieser Aufgabe von Anfang an bewusst ist, zeigen Äußerungen in seinem Brief an Vangerow vom 11.7.1870, UAH Jur. Fak. H II-111 Bll. 170–173r, 170v (= Bekker, Vier Pandektisten (1903) S. 201 Fn. 42): „Der Pandektenlehrstuhl Heidelbergs ist durch Thibaut und Sie zum ersten Pandektenlehrstuhl Deutschlands erhoben worden.“ Dort „wirken zu dürfen, ist eine Auszeichnung, über welche hinaus es für den Civilisten keine größere gibt.“ Jedoch „Befürchtung, daß meine Kraft nicht ausreichen möge zur Ausfüllung der mir angebotenen Stellung.“ Ähnlich Windscheid an Gerber o. D. [vor 1.4.1871], HStA Dresden, NL Gerber 326 Windscheid: „dem Glanze, welcher seit langer Zeit um den Heidelberger Pandektenlehrstuhl liegt, war es schwer zu widerstehen.“ – Zu einem Weggang aus München allein „aus Pietätsgefühl“, wie Oertmann, Lebensgang (1904) S. IX–XX, XV meint, passen diese Kommentare wenig. 2158 s. Tabelle I bei Conrad, Statistik (1893) S. 115–168, 120 f.: Durchschnittszahlen 1866–1876 stabil bei knapp 340, Einbruch auf 278 erst im folgenden Jahrfünft. Ebenso für die juristische Fakultät Riese, Hochschule (1977) S. 27. Zahlen s. o. S. 324 f. Fn. 2151. – Insoweit unrichtig Hart, German Universities (1874) S. 383, sowie Landsbergs Vermutung (Bernhard Windscheid, Die Nation (1892) Nr. 6 S. 84–86, 85), Windscheids Vorlesungen habe in Heidelberg der Erfolg gefehlt.
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
1871 eindeutig in Richtung der großen Universitätsstädte ging.2159 Dabei gab er der Versuchung, gerade die Pandekten vor großer Kulisse und daher im Sommersemester zu lesen, nicht nach, sondern blieb seiner fachlichen Überzeugung treu. Er las also sommers Institutionen und römische Rechtsgeschichte mit Quelleninterpretationen in 10 bis 12 Wochenstunden2160 und im längeren Wintersemester die große Pandektenvorlesung in 15 oder 16 Wochenstunden.2161 Obwohl Windscheid damit die Vorlesung im Vergleich zu Vangerow deutlich straffte,2162 belastete sie ihn immer noch erheblich.2163 Andere Verpflichtungen hatte Windscheid nicht. Insbesondere wurde ein juristisches Seminar wie in Greifswald erst mit dem Wechsel Bekkers von Greifswald nach Heidelberg im Wintersemester 1874/75 eingerichtet.2164 Windscheids Fachkollegen, der ordentliche Professor Karlowa2165 sowie die Extraordinarien Pagenstecher2166 und Vering2167, erkannten seine Stellung als erster Pandektist dadurch an, dass sie ihre Vorlesungen nie parallel, sondern Pandekten wie Institutionen immer um ein Semester versetzt anboten.
2159 Eulenburg, Frequenz (1904) S. 262 f.; ähnlich Conrad, Universitätsstudium (1884) S. 107. 2160 Anzeige der Vorlesungen Heidelberg SS 1871 – SS 1874 je S. 4: 1871 u. 1872 täglich 8–10 h, also 12 Wochenstunden, 1873 u. 1874 nur Mo–Fr 8–10 h also 10 Wochenstunden. – Schon am 12.3.1871 schickt Windscheid der Buchhandlung Wolff in Heidelberg eine Liste der von ihm zu dieser Vorlesung empfohlenen Literatur (Lehrbuch v. Scheurl; Corpus iuris: Kriegel’sche Ausgabe; Pandekten: kleine Mommsensche Ausgabe; Huschke: iurispr. anteiust.; Bruns: fontes iuris Romani antiqui.), BSB München, Neue Autogr. B. Windscheid 2. Mappe Nr. 5. Windscheids unvollständiges Institutionen-Manuskript in der StUB Göttingen (NL Windscheid Nr. 11, 1–3) enthält im Sachenrecht (Nr. 11, 1 Bl. 159v), im Obligationenrecht (Nr. 11, 2 Bl. 199v) sowie im Erbrecht (Nr. 11, 2 Bl. 245v) Daten- und Stundenangaben zwischen Mai und Juli 1871– 1874. 2161 Anzeige der Vorlesungen Heidelberg WS 1871/72–WS 1873/74, je S. 4: WS 1871/72 u. WS 1872/73 je 16, WS 1873/74 15 Wochenstunden. 2162 Für das WS 1870/71 kündigten Vangerow und Pagenstecher gemeinsam Pandekten in insgesamt 21 Wochenstunden an, Anzeige der Vorlesungen Heidelberg WS 1870/ 71, S. 4. Anschaulich zu Vangerows Vorlesung Hart, German Universities (1874) S. 44 u. S. 58 f. und Bekker, Vier Pandektisten (1903) S. 133–202, 183–185, ebd. S. 181: Vangerow las Pandekten im WS fast 5 Stunden täglich. 2163 Das ergibt sich aus einem Brief Iherings an Windscheid am 18.3.1874, Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 11 S. 37 f., 37. 2164 Weisert, Geschichte (1983) S. 92. 2165 Otto Karlowa (1836–1904), seit 1867 Greifswald, seit SS 1872 Heidelberg, Landsberg, Geschichte (1910) Text S. 885 f., Noten S. 372; Vorlesungen Karlowas s. Anzeige der Vorlesungen Heidelberg SS 1872–SS 1873 je S. 16, WS 1873/74 u. SS 1874 je S. 17. 2166 E. Pagenstecher, in Heidelberg bis zum Sommersemester 1871, Anzeige der Vorlesungen Heidelberg SS 1871, S. 16. 2167 In Heidelberg über Windscheids gesamte Heidelberger Zeit hinweg, Anzeige der Vorlesungen Heidelberg SS 1871–SS 1873 je S. 16, WS 1873/74 u. SS 1874 je S. 17.
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Bei dieser Bedeutung Windscheids für die Fakultät kann es nicht erstaunen, dass ihm auch einmal das Amt des Dekans übertragen wurde.2168 Damit war neben den üblichen Amtsgeschäften auch die Last verbunden, die mündlichen Rigorosa der zahlreichen Heidelberger Promotionen2169 mit dazugehörigem Doktoressen im eigenen Haus auszurichten.2170 Die Familie Windscheid wohnte nahe der Universität im zu eigen erworbenen Haus Plöck 50, das bei Windscheids Weggang der berühmte Philosophiehistoriker Kuno Fischer erwarb.2171 Anders als in München war die Zahl der Promotionen in Heidelberg deshalb hoch,2172 weil dort die Vorlage einer Dissertation nicht zwingender Teil der Prüfung war, vielmehr bereits zwei schriftliche lateinische Exegesen und die mündliche Examination durch die Fakultät genügten.2173 Dafür war die Fakultät mit der Abnahme der Staatsexamina nicht befasst. Neben der Fakultät, und seit 1805 von ihr organisatorisch getrennt, bestand auch in Heidelberg ein Spruchkollegium,2174 dem der jeweilige Prozessrechtslehrer als Ordinarius vorstand.2175 Während Windscheids Heidelberger Zeit nahm diese Stelle Achilles Renaud2176 ein, ein ruhiger Leiter der Sitzungen, der bei der Durchsicht der von den Referenten ausgearbeiteten Entscheidungen kaum einmal etwas auszusetzen fand.2177 Obwohl die Mitarbeit freiwillig war, trat Windscheid dem Gremium sofort 1871 bei.2178 Der Arbeitsanfall war gegenüber früheren
2168 Windscheid ist im WS 1872/73 und im SS 1873 Dekan und damit zugleich Mitglied des engeren Senats, Adressbuch Universität Heidelberg Winterhalbjahr 1872/73 und Sommerhalbjahr 1873 je S. 3, Weisert, Rektoren und Dekane (1968) S. 53. – Sein Engagement als Senator – hier bei der Neubesetzung der Oberbibliothekarsstelle – zeigen die Briefe Windscheids an den Leiter der Münchner Staatsbibliothek Karl Halm vom 1. und 28.2.1873, BSB Autogr XI Bll. 2 u. 3. 2169 Ausweislich der Akten der juristischen Fakultät für das Jahr 1872/73, UAH H-II, 111/74, Bll. 123–225, fanden in diesem Jahr 28 Promotionen statt. 2170 Davon berichtet Käthe Windscheid, Erinnerungen (1928). 2171 Adressbuch Universität Heidelberg Sommerhalbjahr 1871 – Sommerhalbjahr 1874 je S. 4. Zum Haus und seinem Schicksal Glockner, Heidelberger Bilderbuch (1969) S. 156 f. Fn. 1. – Ihering gratulierte zum Erwerb des Hauses am 31.3.1872, Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 8, S. 31–33, 33, und zum Verkauf desselben am 9.7.1874, ebd. Nr. 13, S. 39 f., 39. 2172 Conrad, Statistik (1893) S. 115–168, 152. 2173 s. Informationsschreiben des Dekans Windscheid an den Referendar Julius Rintelen in Berlin vom 21.7.1873, SBPK Berlin, Windscheid, Bernh. Jos. Hubert 141/27, und Dickel, Heidelberger Juristische Fakultät (1961) S. 163–234, 210. 2174 Dickel, Heidelberger Juristische Fakultät (1961) S. 163–234, 222; die Regeln für das Spruchkollegium bei Jammers, Heidelberger Juristenfakultät (1964) S. 161–176. 2175 Jammers, Heidelberger Juristenfakultät (1964) S. 73. 2176 1819–1884, lehrte in Heidelberg ab 1851 deutsches Privatrecht, Handelsrecht, Zivilprozess und französisch-badisches Zivilrecht, Landsberg, Geschichte (1910) Text S. 634 f., Noten S. 273–275, 274. 2177 Jammers, Heidelberger Juristenfakultät (1964) S. 66. 2178 Jammers, Heidelberger Juristenfakultät (1964) S. 67 u. S. 75.
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Zeiten recht gering,2179 so dass Windscheid nachweisbar nur drei Entscheidungen und ein Gutachten übertragen wurden.2180 Ein weiterer Grund für dieses geringe Engagement könnte auch sein, dass andere Kollegen, besonders der 1872 aus Greifswald berufene noch junge Karlowa, möglichst viele Fälle übernehmen wollten,2181 und der etablierte Professor Windscheid dann gerne zurücktrat. Von den drei Urteilen aus den Jahren 1871, 1872 und 18732182 wurden zwei für die fürstlich lippische Justizkanzlei zu Detmold2183 und eines für das herzoglich anhaltische Kreisgericht Ballerstedt2184 gesprochen. Neben den überwiegenden Beweisfragen ging es dabei einmal darum, ob gegen die Einrede der Aufrechnung die Replik der Gegenaufrechnung zulässig ist.2185 Ein andermal entschied Windscheid, dass ein Kaufvertrag zwischen Eheleuten dann durch den Gläubiger des Ehemannes als in fraudem creditorem abgeschlossen angefochten werden kann, wenn das restliche Vermögen des Schuldners nicht einmal zur Befriedigung dieses einen Gläubigers ausreicht.2186 Interessanter ist die Frage, mit der sich das Rechtsgutachten für die „Anonyme Gesellschaft der vereinigten Pachtungen des Kurhauses und der Mineralquellen zu Homburg vor der Höhe“ von 18712187 beschäftigt: Kann die Gesellschaft, die 1857 die Homburger Quellen von der landgräflich hessischen Regierung gepachtet, zugleich für 800.000 fl. Aktien der Eisenbahn Homburg-Frankfurt/M gekauft und für die bis zum 1.4.1896 dauernde Pachtzeit auf Dividenden daraus verzichtet hat, ab 1.1.1873 diese Dividenden verlangen, nachdem durch preußisches Gesetz vom 5.3.1868 und Vertrag zwischen der Gesellschaft und der preußischen Staatsregierung (Preußen als Rechtsnachfolger des Großherzogtums und dieses der Landgrafschaft Hessen) vom 5.4.1868 das vorzeitige Ende des Pachtverhältnisses auf den 31.12.1872 gelegt wurde? In einer alle Aspekte dieser Dreiecks2179 1867 bis zum Ende am 1.10.1879 im Schnitt jährlich unter 10 Fälle, Jammers, Heidelberger Juristenfakultät (1964) S. 68 f., dagegen 1803–1867 über 3500 Fälle, ebd. S. 69 f. Ausweislich UAH H-II 155/972a 1871 6 Fälle, 1872 5 Fälle, 1873 18 oder 19 Fälle, 1874 5 Fälle. 2180 UAH H-II 155/972a und Jammers, Heidelberger Juristenfakultät (1964) S. 67. 2181 Dass Karlowa ab 1872 einen bedeutenden Teil der Fälle übernahm – Jammers, Heidelberger Juristenfakultät (1964) S. 67 – bestätigt die Durchsicht der Akten UAH HII 155/972a für die Jahre 1872–1874. 2182 Für das Jahr 1874 läßt sich in UAH H-II 155/972a kein von Windscheid bearbeiteter Fall nachweisen. 2183 1. Urteil 31.3.–2.5.1871, UAH H-II 155/972a Bll. 85–89; 2. Urteil 29.12.1871– 3.3.1872, ebd. Bll. 148–154. 2184 9.6.–20.6.1873, UAH H-II 155/972a Bll. 245–251 (falsch paginiert, rückwärts zu lesen!). 2185 1872, UAH H-II-155/972a, Entscheidung 3. Instanz für die fürstl. lippische Justizkanzlei, letzte Revision 3.3.1872, Bll. 150–154. 2186 1873, Urteil für das Herzogl. Anhalt. Kreisgericht Ballerstedt, letzte Revision 20.6.1873, Bll. 243–251. 2187 1871, UAH H-II-155/972a, Bll. 108–128, letzte Revision 8.12.1871.
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beziehung ausführlich beleuchtenden Untersuchung kam Windscheid zu einer verneinenden Antwort, die er besonders auf die in den Verträgen zum Ausdruck kommenden Interessenlagen nicht zuletzt auch der Gesellschaft selbst stützte.2188 Während Windscheids Position in Fakultät und Spruchkollegium unangefochten und klar abgegrenzt war, brach gerade 1871 in der Führung der Universität ein heftiger Kompetenzkonflikt aus, der sich über mehrere Jahre hinweg bedrückend auf die allgemeine Stimmung legte. Konkret ging es um den Vorsitz in der Ökonomie-Kommission, der von Rechts wegen dem Prorektor zustand, den aber bisher immer der Direktor dieser Kommission innehatte. Jetzt wollte der neue Prorektor Knies sein Recht geltend machen, was die heftige Opposition nicht nur des Kommissionsdirektors Schenkel hervorrief.2189 Hintergrund dessen war der auch in Heidelberg vorhandene Gegensatz von preußisch-kleindeutsch gesinntem und süddeutsch-föderalistischem Lager sowie eine Entfremdung zwischen den geistes- und den naturwissenschaftlichen Fakultäten, die über die Kommission nach Ansicht der Gegner privilegierten Zugang zu den Universitätsmitteln hatten.2190 Die badische Regierung griff dadurch ein, dass sie die Juristen Renaud und Bluntschli um Gutachten dazu bat, ob die Ökonomie-Kommission zu erhalten sei, oder ob ihre Aufgaben auf das allgemeine Führungsgremium der Universität, den vom Prorektor präsidierten engeren Senat,2191 übertragen werden könnten.2192 Sie folgte dann nicht Renaud, der für Beibehaltung stimmte, sondern Bluntschlis die Auflösung befürwortendem Votum und beseitigte zu Jahresbeginn 1872 dadurch diesen Stein des Anstoßes.2193 Damit war aber der Streit noch nicht bereinigt. Die unterlegene, Preußen weniger freundlich gesonnene Mehrheit2194 wählte schon 1871 Bluntschli nicht mehr zum Abgeordneten der Univer-
2188 UAH H-II-155/972a Bll. 119r–126v, also 16 Seiten! Weder hier noch überhaupt ist zu erkennen, warum Windscheid „in der Behandlung von Spruchsachen . . . ungeschickt gewesen sein“ soll, wie Jammers, Heidelberger Juristenfakultät (1964), S. 67 unter Berufung auf Bekker, Vier Pandektisten (1903), S. 135–202, 188, ohne weitere Begründung behauptet. 2189 Weisert, Verfassung (1974) S. 100 f.; Riese, Hochschule (1977) S. 74 f.; Classen/ Wolgast, Kleine Geschichte (1983) S. 61; s. auch Schroeder, Universität (2010) S. 226. 2190 Riese, Hochschule (1977) S. 74 f.; Bluntschli, Denkwürdiges III (1884) S. 157 f. u. S. 283. 2191 Der seit 1861 vom großen Senat jährlich gewählte Prorektor stand in Vertretung des Landesherrn (Rektor Magnificentissimus) an der Spitze der Universität. Näheres s. Weisert, Verfassung (1974) bes. S. 90 ff., 98–112. 2192 Riese, Hochschule (1977) S. 77. 2193 Classen/Wolgast, Kleine Geschichte (1983) S. 61; Weisert, Verfassung (1974) S. 101. 2194 Im Gegensatz dazu schildert Weisert, Geschichte (1983) S. 89 die allgemeine Stimmung schon vor 1871 als überwiegend kleindeutsch und nennen Classen/Wolgast, Kleine Geschichte (1983) S. 55, Heidelberg zwischen 1848 und 1871 gar die „Hauptträgerin des kleindeutsch-orientierten Einheitsgedankens in Südwestdeutschland“.
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sität in der ersten badischen Kammer,2195 dagegen jetzt 1872 ihren Führer Renaud zum Prorektor.2196 Bereits in diesem Jahr wünschte Bluntschli, dass Windscheid als ein Mann, der keiner der Parteien angehörte, aber als derzeitiger Dekan im engeren Senat Sitz und Stimme hatte, gute Beziehungen zum Ministerpräsidenten Jolly besaß und im Grunde auf der Seite der „Preußenfreunde“ stand, das Prorektorat übernehme.2197 Bei der Wahl am 14. Januar 1872 unterlag Windscheid Renaud jedoch noch deutlich.2198 Zwei Jahre später aber, als dieser Streit immer noch die Atmosphäre belastete,2199 wurde Windscheid dann zum Prorektor gewählt und vom Großherzog bestätigt.2200 Windscheid selbst nahm die Wahl nur unter größtem Widerstreben an, ja er nannte die Übernahme dieses Amtes das bisher größte Opfer seines Lebens für öffentliche Dinge „nach allen, allen Seiten“.2201 Vielleicht spürte er schon da, dass er nicht der Mann sei, mit starker Hand Ruhe zu gebieten und diesen Zwist zu beenden.2202 Jedenfalls erfüllten sich Bluntschlis Hoffnungen, Windscheid möge die Bereinigung der Situation gelingen, nicht. Dies enttäuschte Bluntschli sehr und versetzte seiner Freundschaft zu Windscheid einen deutlichen Stoß.2203 Anders als Ihering, für den Heidelberg lange das Ziel aller Wünsche war,2204 empfand Windscheid das leichte und lebhafte Treiben in Heidelberg nicht als verlockend. Zwar spürte auch er den „alten Zauber“ Heidelbergs,2205 aber den-
2195 Heidelberger Zeitung Nr. 193 vom 5.8.1871, gewählt Hofrat Zeller; Bluntschli, Denkwürdiges III (1884) S. 284; Classen/Wolgast, Kleine Geschichte (1983) S. 61; Riese, Hochschule (1977) S. 77. 2196 Heidelberger Zeitung Nr. 12 vom 15.1.1872; Riese, Hochschule (1977) S. 77; Weisert, Geschichte (1983) S. 90. 2197 Brief Bluntschlis an Windscheid vom 7.1.1872 bei Bluntschli, Denkwürdiges III (1884) S. 290 f. und dazu ebd. S. 348. 2198 Heidelberger Zeitung Nr. 12 vom 15.1.1872: Renaud 22, Windscheid 11 Stimmen. 2199 Bekker, Vier Pandektisten (1903) S. 135–202, 187, redet von „jahrelange[n] Zänkereien und Verhetzungen“; ähnlich Riese, Hochschule (1977) S. 77 f. und Classen/ Wolgast, Kleine Geschichte (1983) S. 62 mit einem Treitschke-Zitat von 1874. 2200 Heidelberger Zeitung Nr. 12 vom 15.1.1874: Windscheid gestern zum Prorektor gewählt; ebd. Nr. 31 vom 6.2.1874: am 5.2. großherzogliche Bestätigung dieser Wahl. 2201 Windscheid an Jolly am 18.1.1874, UB Heidelberg Hs. 3631,14. – Ihering übermittelte am 18.3.1874 Windscheid seine „aufrichtige Condolenz“, Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 11 S. 37 f., 37. 2202 So Bekker, Vier Pandektisten (1903) S. 135–202, 187; ähnlich Oertmann, Lebensgang (1904) S. IX–XX, XV. 2203 Bluntschli, Denkwürdiges III (1884) S. 348. 2204 s. etwa Ihering am 28.10.1871 an Oskar Bülow, Ihering in Briefen (1913) S. 265–269, 266: „Wenn ich an Heidelberg denke, bemeistert sich meiner stets ein Gefühl des tiefsten Schmerzes, ja ich muß fast sagen der Bitterkeit.“ Ähnlich noch Ihering an dens. am 9.8.1874, ebd. S. 294–298, 296 f. 2205 Windscheid an seine Frau, o. D., wohl 11. oder 18.8.1868, Familiennachlass Windscheid.
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noch gelang es ihm und seiner Familie nicht, Kontakte in der Heidelberger Gesellschaft zu knüpfen und sich hier heimisch zu fühlen.2206 Möglich, dass er ähnlich Bluntschli im Vergleich mit München das repräsentative Auftreten der Gesellschaft als Genusssucht ablehnte.2207 Sicher ist, dass ihm das Fehlen einer höheren Töchterschule im Blick auf die Erziehung seiner Kinder als schwerer Mangel erschien2208 und er überhaupt das Klima als ihrer Entwicklung nicht förderlich betrachtete.2209 Auch fehlte ihm das künstlerische Angebot einer Großstadt.2210 Dennoch setzte sich Windscheid in Heidelberg mehr als jemals zuvor für ein außeruniversitäres Thema ein. Der Grund dafür waren die Beschlüsse des Ersten Vatikanischen Konzils im Sommer 1870. Schon in München war Windscheid als damaliger Dekan mit dem staatsrechtlichen Gutachten der juristischen Fakultät zu den möglichen Folgen der angekündigten Beschlüsse befasst gewesen.2211 Er hatte dort auch zu den knapp 50 katholischen Professoren und Laien gehört, die bereits Ende Juli 1870 eine besonders gegen die päpstliche Unfehlbarkeit gerichtete Erklärung unterzeichneten.2212 In Heidelberg setzte Windscheid dieses Engagement in der beginnenden altkatholischen Bewegung bruchlos fort. Im Mai 1871 unterstützte er den von seinem Bischof bedrängten Münchner Anführer des Widerstandes, Ignaz v. Döllinger, durch die Unterzeichnung einer gemeinsamen Solidaritätsadresse badischer Bildungsanstalten.2213 Ebenfalls noch im Mai wurde Windscheid Gründungsmitglied des Heidelberger altkatholischen Komi2206 Windscheid an Julius Jolly am 11.5.1874, UB Heidelberg Hs. 3631,15, wo er vom mangelnden „Heimathgefühl“ sprach, und am 14.5.1874, ebd. Hs. 3631,16, wo er feststellte, dass es ihm und seiner Familie in den letzten drei Jahren nicht gelungen sei, „als Menschen hier Boden zu gewinnen“. 2207 s. den allgemeinen und anschaulichen Vergleich München–Heidelberg bei Bluntschli, Denkwürdiges III (1884) S. 23 f. 2208 Windscheid an Julius Jolly am 28.6.1872, UB Heidelberg Hs. 3631,13: „. . . wüßte ich nicht, was mehr dazu beitragen könnte, mir den Aufenthalt in Heidelberg werthvoll zu machen.“ – Eine höhere Mädchenschule wurde dann 1877 in Heidelberg eröffnet, Wilckens, Heidelberg seit 1869 (1886) S. 44 u. S. 46. 2209 Windscheid an Julius Jolly am 14.5.1874, UB Heidelberg Hs. 3631,16: In Heidelberg herrsche eine „geistige Atmosphäre, . . . die ja ihre außerordentlich liebenswürdigen Seiten hat, aber auch einen Zusatz von Leichtfertigkeit und Genußsucht, gegen dessen Gefahren alles häusliche Entgegenwirken sich auf die Dauer doch vielleicht als ohnmächtig erweisen möchte.“ 2210 Ausdrücklich wies Windscheid auf die fehlenden Qualitäten „auf geistigem Gebiete“, etwa im Vergleich zu Berlin, hin: Windscheid am 24.6.1872 an Georg Beseler, GStA PK I. HA Rep. 76Va Sekt. 2 Tit. 4 Nr. 45 Vol. III Bll. 113 f., 113r+v; Windscheid am 28.6.1872 an Julius Jolly, UB Heidelberg Hs. 3631, 13. Ebenso Oertmann, Lebensgang (1904), S. IX–XX, XV. 2211 s. o. F. I. S. 260. 2212 Schulte, Altkatholizismus (1887) S. 188 f.; s. auch Stenographischer Bericht über die Verhandlungen des Katholiken-Congresses (1871) S. IV. 2213 Rieks, Altkatholizismus in Baden (1883) S. 10.
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tees.2214 Als dann im August die Münchner Altkatholiken den ersten, für September in München geplanten, Kongress in Heidelberg vorbereiteten, stellte Windscheid den Kontakt zu den Heidelberger Gesinnungsgenossen her und übernahm am zweiten Sitzungstag den Vorsitz.2215 Vom 22. bis 24. September 1871 nahm dann Windscheid als Heidelberger Delegierter am ersten Altkatholikenkongress in München teil und bildete auch zusammen mit dem Aarauer Nationalrat Keller das Vizepräsidium.2216 Bei der ersten öffentlichen Sitzung am 23. September 1871 im Glaspalast hielt Windscheid „im Namen Deutschlands“ eine kurze Ansprache,2217 die deutlich macht, warum er sich so für die Ziele dieser Bewegung engagierte. Es ging ihm um die „Freiheit des Geistes“. Es gelte, die „Grundprincipien unserer Geistescultur“ gegen die Sätze des Syllabus zu verteidigen. Sonst drohe dem in Deutschland heimischen freien Geist, „der kein Gesetz, das ihm von außen gesetzt wird, annimmt“ die Vernichtung, was zu „religiöse[r] Gleichgiltigkeit und Stumpfheit“ ja sogar geistigem und sittlichem Verfall führe.2218 Aus dieser Überzeugung heraus setzte er sich auch in Baden für die altkatholische Bewegung ein. Er berichtete dem Heidelberger Komitee wie auch der Öffentlichkeit vom Münchner Kongress und seinen Ergebnissen.2219 Das Heidelberger Komitee schrieb im Oktober 1871 für Ende Januar 1872 einen badischen Delegiertenkongress nach Karlsruhe aus, an dessen Planung und Durchführung auch Windscheid beteiligt war.2220 Zu einer Landesversammlung in Offenburg lud Windscheid im Auftrag des Komitees die rheinländischen Professoren Reinkens 2214 Rieks, Altkatholizismus in Baden (1883), S. 13; s. auch Schulte, Altkatholizismus (1887) S. 350 f. 2215 Heidelberger Zeitung Nr. 194 vom 7.8.1871; Kessler, Windscheid an Knoodt (1986) S. 42–54, 44 f. m.w. Nachw.; Rieks, Altkatholizismus in Baden (1883) S. 14 f.; Stenographischer Bericht über die Verhandlungen des Katholiken-Congresses (1871) S. XIV; Schulte, Altkatholizismus (1887) S. 342 f. 2216 Stenographischer Bericht über die Verhandlungen des Katholiken-Congresses (1871), S. XVI, S. 1, S. 36, S. 100–144 u. S. 147; Schulte, Altkatholizismus (1887) S. 343–346. 2217 Stenographischer Bericht über die Verhandlungen des Katholiken-Congresses (1871) S. 153. 2218 Stenographischer Bericht über die Verhandlungen des Katholiken-Congresses (1871), S. 153 f.; Windscheid an seine Frau o. O. o. D. [München, 24.9.1871], Familiennachlass Windscheid: Gestern Nachmittag ca. 3000 Menschen im Glaspalast. Über die eigenen Worte: „man kommt immer weiter; aber andererseits war es mir nicht unangenehm, bei dieser Gelegenheit den Standpunkt, den ich der Bewegung gegenüber einnehme, präcisiren zu können.“ Zum Altkatholikenkongress in München auch Schulte, Lebenserinnerungen I (1908) S. 284 f. 2219 Am 30.9. und 7.10.1871, Rieks, Altkatholizismus in Baden (1883) S. 20 f. und Bericht der Heidelberger Zeitung Nr. 248 vom 9.10.1871. 2220 26.10.1871: Auch von Windscheid unterzeichnete Einladung des Heidelberger Komitees, Rieks, Altkatholizismus in Baden (1883) S. 21 (Text). 20.11.1871: Programm, ebd. S. 25. 28.1.1872: Treffen 150 Delegierter aus 25 Orten in Karlsruhe zur Verabschiedung der Statuten des Badischen Katholikenvereins, Schulte, Altkatholizis-
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und Knoodt ein,2221 wobei ihm seine frühere Bekanntschaft mit Peter Knoodt aus Bonner Dozententagen2222 zustatten kam. Diese Landesversammlung wurde dann am 14. April 1872 von Windscheid als dem Vertreter des Heidelberger Komitees eröffnet.2223 Auch hierbei warnte Windscheid vor der drohenden „Vergewaltigung“ deutscher Geistesfreiheit und seines Kulturlebens „von jenseits der Berge“.2224 Im Mai baten Heidelberger Bürger den Reichstag in einer Petition um die Ausweisung der Jesuiten,2225 und noch im selben Monat eröffnete Windscheid als Vorsitzender eine Landesdelegiertenversammlung in Freiburg, auf der das Heidelberger Komitee offiziell zum Zentralkomitee für Baden erklärt wurde.2226 Am zweiten Altkatholikenkongress im Kölner Gürzenich vom 20. bis 22. September 1872 nahm für Heidelberg nicht Windscheid sondern H. A. Bilabel teil, vielleicht der Grund dafür, dass neben Köln und München nicht auch Heidelberg als Sitz eines Zentralkomitees anerkannt wurde.2227 Überhaupt trat Windscheid nach Ende des ersten Kongresses in München überregional nicht mehr in offizieller Mission auf. Dagegen engagierte er sich nach wie vor für die Belange der Heidelberger Altkatholiken. Im Dezember 1872 übernahm er den Vorsitz in einer Heidelberger Versammlung,2228 und im Februar und März des folgenden Jahres setzte er sich sehr, wenn auch letztlich erfolglos, für die Bestallung des Gymnasiallehrers Dr. Brühl aus Köln als Pfarrer für Heidelberg, Mannheim und Durlach ein.2229 Zu Ostern gelang es ihm, aushilfsweise Knoodt als Seelsorger zu gewinnen.2230 Trotz dieser im Vergleich zu den Jahren 1870/71
mus (1887) S. 351 u. Rieks, Altkatholizismus in Baden (1883) S. 25–28, ebd. 27: Windscheid nahm teil und sprach sich für eine Interpellation an die badische Regierung aus. 2221 Windscheid an Peter Knoodt und Joseph Hubert Reinkens am 31.3. und an Knoodt am 3.4.1872, Kessler, Windscheid an Knoodt (1986) S. 42–54, 46 f., 47 f. u. 48; Rieks, Altkatholizismus in Baden (1883) S. 42 f. 2222 Dazu Kessler, Windscheid an Knoodt (1986) S. 42–54, 43 und allgemein zu Knoodt Beumer, Peter Knoodt (1975) S. 149–175, bes. S. 150–152. 2223 Rieks, Altkatholizismus in Baden (1883) S. 44; Schulte, Altkatholizismus (1887) S. 351 [gibt irrtümlich das Jahr 1873 an]. Danach besuchten Reinkens und Knoodt in Heidelberg u. a. Windscheid, Reinkens, Briefe III (1979) Nr. 922 S. 1799 f. (19.4.1872). 2224 Text bei Rieks, Altkatholizismus in Baden (1883) S. 44. 2225 Rieks, Altkatholizismus in Baden (1883) S. 50–56. Folge: Am 15.6.1872 Verabschiedung des Reichsgesetzes, das den Jesuitenorden aufhebt, ebd. S. 56. 2226 Bericht über diese Versammlung vom 26.5.1872, unterzeichnet von Windscheid u. Neff: SBPK Berlin, NL Rieks Akte I Bll. 116–118 und Rieks, Altkatholizismus in Baden (1883) S. 45–48, dort S. 46: Ab jetzt ist das Heidelberger Komitee auch offiziell das Zentralkomitee für Baden. s. dazu Briefe Windscheids an Prof. Neff vom 8.6. und [14?].6.1872, SBPK Berlin NL Rieks Akte I Bl. 419 u. 418. 2227 Die Verhandlungen des zweiten Altkatholiken-Congresses zu Köln (1872), S. 110 und Rieks, Altkatholizismus in Baden (1883) S. 77 f. 2228 Rieks, Altkatholizismus in Baden (1883) S. 80. 2229 Rieks, Altkatholizismus in Baden (1883) S. 86 f. 2230 Windscheid an Peter Knoodt am 1. u. 3.4.1873, Kessler, Windscheid an Knoodt (1986) S. 42–54, 48 f. u. 49 f.; Rieks, Altkatholizismus in Baden (1883) S. 82.
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beobachteten Zurückhaltung wurde Windscheid im Juni 1873 von den gewählten Vertretern zum kooptierten Mitglied der Synodalrepräsentanz, dem höchsten Gremium zwischen den Synoden, bestellt.2231 Darüber war Windscheid alles andere als glücklich. In einem Brief an Peter Knoodt bat er dringend, „dahin wirken zu wollen, daß dieser Wahl keine weitere Folge gegeben werde“ und lehnte seine Wahl ab. Als Begründung gab er an, dass er es zwar für wichtig halte, „daß eine Religionsform, welche in aller Zeit die Religionsform für viele Millionen sein wird, von einem häßlichen, die wahre Religiosität tödtenden und aller Cultur feindlichen Auswuchs bewahrt bleibe“, dass aber seine eigene religiöse Überzeugung auch von dem Lehrbegriff der katholischen Reformbewegung erheblich abweiche. Deshalb sei er auch nie Vorsitzender des Heidelberger Komitees geworden und betrachte sich „mehr als berathendes, denn als actives Mitglied dieses Comités“.2232 Obwohl er aus dieser Haltung heraus den Beitritt zu der sich 1874 bildenden altkatholischen Gemeinde ablehnte,2233 setzte er sich doch weiterhin für deren Interessen ein. Nicht zuletzt seiner tätigen Mitwirkung war es zu verdanken, dass zu Ostern 1874 der elsäßische Lehrer Johannes Franz Rieks zum Pfarrer von Heidelberg, Wiesbaden, Offenbach und Mannheim bestellt werden konnte.2234 Am dritten Altkatholikenkongress 1873 in Konstanz nahm Windscheid nur deshalb teil, weil ihn sein Weg auf einer Erholungsreise auch durch diese Stadt führte.2235 Er war sehr erfreut, dort seinen Bonner Freund Hasenclever zu treffen, zugleich aber auch ungehalten darüber, dass man ihn „in einer für mich sehr unerwarteten, und nicht ganz tactvollen Weise in die Lage gebracht“ habe, „die Stelle des ersten Vicepräsidenten ablehnen zu müssen“.2236
2231
Rieks, Altkatholizismus in Baden (1883) S. 92 u. Schulte, Altkatholizismus (1887) S. 381 u. S. 578–580, auch zur Stellung und Aufgabe der Synodalrepräsentanz. Seit 17.9.1883 war Mitglied der Synodalrepräsentanz der – höchstwahrscheinlich mit Windscheid verschwägerte – Geh. Regierungsrat Kühlwetter in Köln. „An Stelle des ausserord. Mitglieds Windscheid, der ablehnte, wurde Prof. Dr. Gengler in Erlangen gewählt.“ Beides ebd. S. 580. 2232 Windscheid an Peter Knoodt am 8.6.1873, Kessler, Windscheid an Knoodt (1986) S. 42–54, 50–52. 2233 Windscheid an Peter Knoodt am 14.6.1873, Kessler, Windscheid an Knoodt (1986) S. 42–54, 52 f., 53. Dennoch erscheint Windscheid – unberechtigt? – bei Rieks, Altkatholizismus in Baden (1883) S. 118 f. u. S. 179 ff. als Nr. 585 in der Liste der Mitglieder der Heidelberger altkatholischen Gemeinde. 2234 Rieks, Altkatholizismus in Baden (1883) S. 113–115. Zu Rieks s. Kessler, Windscheid an Knoodt, (1986) S. 42–54, 45 f. 2235 Windscheid an seine Frau Lotte aus Konstanz am 12.9. und o. D. [14.9.1873], Familiennachlass Windscheid. 2236 Windscheid aus Konstanz an seine Frau Lotte o. D. [14.9.1873], Familiennachlass Windscheid. s. auch allgemein zum Konstanzer Kongress (12.–14.9.1873) und Windscheids Auftreten dort Der dritte Altkatholiken-Congreß in Constanz im Jahre 1873 (1873), bes. S. 48 f.; Rieks, Altkatholizismus in Baden (1883) S. 100.
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Mit der Konstituierung der Heidelberger altkatholischen Gemeinde am 8. März 1874 und der Berufung von Pfarrer Rieks2237 endete Windscheids für einen aufgeklärten und liberalen katholischen Wissenschaftler dieser Zeit typische und darum hier etwas ausführlicher dargestellte Einsatz in der altkatholischen Bewegung.2238 Am vierten Altkatholikenkongress in Freiburg (6.–8.9.1874) nahm er nicht mehr teil,2239 und aus seiner Leipziger Zeit ist über eine öffentliche Förderung einer bestimmten religiösen Richtung nichts bekannt. Über dieses religiöse Engagement hinaus fand ein belegbarer engerer Kontakt Windscheids zur Heidelberger Gesellschaft nicht statt. Im Kreise der Professoren setzte sich seine Bekanntschaft zur Familie Bluntschli sicherlich fort. Auch kannte und verehrte er den nur kurze Zeit vor ihm berufenen Historiker Preußens Heinrich von Treitschke.2240 Max Conrat2241 erzählt, wie Windscheid in einer „eigentümliche[n] Mischung von Bonhomie und Strenge, von Jovialität, Ernst und Würde“ dem jungen Habilitanden begegnet sei.2242 Im Übrigen berichten die Quellen jedoch nur von freundschaftlichen Beziehungen nach auswärts. Windscheid erhielt Besuch von Ihering,2243 von dessen Freund, dem Tübinger Professor Oskar Bülow,2244 den Windscheid seit dessen Dissertation kannte,2245 sowie von dem Bonner Orientalisten und Freund Albrecht Ritschl.2246 Er selbst hielt nicht nur brieflich den Kontakt zu Basler und Münchner Bekannten wie Andreas Heusler-Sarasin,2247 Robert v. Mohl,2248 zum Leiter der Münchner Staatsbiblio2237 Rieks, Altkatholizismus in Baden (1883) S. V, S. 113–115 u. S. 118 f. Windscheid an Peter Knoodt am 27.1.1874, Kessler, Windscheid an Knoodt (1986) S. 42–54, 53 f., 54. 2238 Zur allgemeinen Stimmung damals s. Conzemius, Katholizismus ohne Rom (1969) S. 55–65, bes. S. 59–61. 2239 s. Der vierte Altkatholiken-Congreß in Freiburg im Breisgau im Jahre 1874 (1874) und dort die Liste der Heidelberger Teilnehmer S. 191. 2240 1834–1896, in Heidelberg 1867–1874; s. Bericht von der feierlichen Verabschiedung Treitschkes am 1.3.1874 in der Heidelberger Zeitung vom 2.3.1874 und Windscheid an Treitschke am 2.2.1875, SBPK Berlin NL Treitschke, Bernhard Windscheid. 2241 Romanistischer Mediävist, ursprünglich Max Cohn, geb. 1848, studierte in Heidelberg, dort Habilitation 1873 und Ernennung zum ao. Prof. 1874, Landsberg, Geschichte (1910), Text S. 773 f., Noten S. 331. 2242 Conrat, [Erinnerungen an Windscheid] (1909) Sp. 115. 2243 Ihering an Windscheid am 13.1.1873, Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 9 S. 33–35, 35: Dank für die letzte gastliche Aufnahme. 2244 Ihering an Windscheid am 13.1.1873, Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 9 S. 33–35, 34. 2245 s. Windscheids lobende Rezension in der Krit.Vjschr. 1 (1859) S. 292 f. 2246 Im Herbst 1872 auf dem Rückweg aus dem Elsaß, O. Ritschl, Albrecht Ritschls Leben II (1896) S. 128 f. 2247 Windscheid an Andreas Heusler-Sarasin am 27.11.1872, StA Basel PA 329 I 74,20 Windscheid, Bernhard: U. a. Nachruf auf den 1868 gestorbenen Vater: „Er war einer der besten Männer, welche die Schweiz jemals besessen hat.“ 2248 Windscheid an v. Mohl am 6.3.1873: Gratuliert zur Verlobung von v. Mohls Sohn, UB Tübingen Md 613 (980).
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thek Karl Halm2249 und der Familie Justus von Liebigs2250 aufrecht, sondern besuchte auch Ihering,2251 die Familie Heyse in München2252 sowie die Basler Freunde Burckhardt und Vischer-Merian.2253 Zusammen mit Bluntschli fuhr Windscheid Ende Juli 1872 zur 400-Jahrfeier der Ludwig-Maximilians-Universität nach München, wo beide von Sybel und den alten Freunden herzlich begrüßt wurden, während der „aus dem kleinlich-gehässigen Coteriegeist heraus“ als Heidelberger Delegierter entsandte Prorektor Renaud kaum Beachtung fand. Sie erlebten an bevorzugter Stelle die gesamten dreitägigen Feierlichkeiten mit,2254 bei denen Windscheid auch Gelegenheit gefunden haben dürfte, den Deputierten der Universität Berlin Theodor Mommsen zu treffen.2255 Der Briefwechsel mit Ihering war nach wie vor herzlich und direkt, nur wurden darin, soweit bekannt, nach dem in München erfolgten wissenschaftlichen Auseinanderleben beider juristische Themen nicht mehr angesprochen.2256 Das tägliche Leben verlief in Heidelberg zwar nicht immer ohne gesundheitliche Beschwerden Windscheids selbst2257 oder seiner Familie,2258 aber im Allgemeinen ruhig und jedenfalls frei von einschneidenden positiven wie negativen Begebenheiten. 2249 Windscheid an Halm am 17.11.1873, BSB München Neue Autogr. B. Windscheid 2. Mappe Nr. 4. 2250 Windscheid am 20.4.1873 an die „verehrte Frau Baronin“ Liebig, BSB München, Liebigiana II D Windscheid, Bernhard: Kondolenzbrief zum Tod Liebigs am 18.4.1873. Ebd. auch Parallelbrief Lotte Windscheids. 2251 Oertmann, Lebensgang (1904) S. IX–XX, XIX, weiß von einem Pfingstbesuch der Windscheids in Göttingen. 2252 Windscheid an seine Frau o. O. o. D. [München, 24.9.1871], Familiennachlass Windscheid: Isst während des Altkatholikenkongresses bei Heyses. 2253 Nach dem 3. Altkatholikenkongress in Konstanz, Windscheid an seine Frau am 12.9. und [14.9.1873], Familiennachlass Windscheid. 2254 Bluntschli, Denkwürdiges III (1884) S. 296–298, Zitat S. 296; allgemein Die vierhundertjährige Stiftungsfeier München (1872). 2255 s. Die vierhundertjährige Stiftungsfeier München (1872), Th. Mommsen als Nr. 1920 der Teilnehmerliste. – Zur anhaltenden Verehrung Windscheids für Mommsen s. Brief Windscheids an Mommsen aus Heidelberg am 9.12.1871 [wohl fälschlich datiert 1861], SBPK Berlin NL Mommsen, Windscheid-Briefe Nr. 3. 2256 Aus den Jahren 1871–1874 sind nur folgende 11 Briefe Iherings an Windscheid bekannt: vom 2.7.1871, Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 4, S. 24–27, vom 21.7.1871, ebd. Nr. 5, S. 27 f., in dem Ihering (S. 27) einen „Gegensatz prinzipieller Art“ in ihrer beider Anschauungsweisen feststellt, vom 18.12.1871, ebd. Nr. 6, S. 28– 30, vom 21.1.1872, ebd. Nr. 7, S. 30 f., vom 31.3.1872, ebd. Nr. 8, S. 31–33 (= Ihering in Briefen (1913) S. 277–280), vom 13.1.1873, ebd. Nr. 9, S. 33–35, vom 31.12.1873, ebd. Nr. 10, S. 35–37 (= Ihering in Briefen (1913) S. 292–294), vom 18.3.1874, ebd. Nr. 11, S. 37 f., vom 8.7.1874, ebd. Nr. 12, S. 38 (= Ihering in Briefen (1913), S. 298 f.), vom 9.7.1874, ebd. Nr. 13, S. 39 f. und vom 19.7.1874, ebd. Nr. 14, S. 41. 2257 Windscheid bat am 10.7.1872 nicht nur wegen des anstehenden Münchner Jubiläums, sondern auch aus gesundheitlichen Gründen um die Erlaubnis, das Semester vorzeitig zum 28.7. schließen zu dürfen, UAH III 3b Nr. 138. Seine Reise im September 1873 nach Konstanz, Basel und Straßburg diente auch der Erholung, Windscheid an seine Frau am 12.9. und [14.9.1873], Familiennachlass Windscheid.
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Ganz anderes gilt für die Windscheid betreffenden juristischen Ereignisse, insbesondere im Hinblick auf seine berufliche Zukunft. Noch 1871 unternahm es Franz von Roggenbach,2259 der von Bismarck bestellte Organisator der in Straßburg neu zu gründenden Reichsuniversität, den Ruf Straßburgs als bedeutende Anstalt von vornherein prägende Lehrkräfte für seinen Plan einer modernen Universität zu gewinnen.2260 Ihm half dabei neben einem ungewöhnlich großen Budget auch manches Mal der Appell an das nationale Bewusstsein der Kandidaten.2261 Hingegen war er zugleich gehalten, die genuin preußischen Interessen zu wahren. So legte ihm der preußische Kultusminister Mühler auf Bitten des Bonner Kurators Wilhelm Beseler, des Bruders von Georg Beseler, nahe, er möge seine Lehrkräfte nicht auf den eigenen Universitäten suchen, sondern sich eher an die Konkurrenz, etwa Leipzig oder Heidelberg, halten.2262 Roggenbach verhandelte seit Oktober 1871 mit Ihering in Wien, der jedoch trotz glänzender finanzieller Aussichten dankend ablehnte, weil ihn der Ort wie das Umfeld Straßburgs nach einem kurzen Besuch so abschreckten, dass er dort weder für sich noch für die Universität eine Zukunft sah.2263 Darauf muss sich Roggenbach an Windscheid gewandt haben, denn Ende Dezember 1871 bestätigte Windscheid Minister Jolly, dass er, „nicht ohne einen Rest von Unbefriedigtheit des Gefühls“, eine sachlich begründete Ablehnung an Roggenbach geschickt habe.2264 Dass Ihering diesen Entschluss begrüßte,2265 nimmt angesichts der Vorgeschichte nicht wunder. Statt seiner wurde dann, auch durch Iherings Vermittlung, Köppen berufen.2266 Auf Antrag Jollys, der neben der Straßburger Angelegenheit auch von einem zu erwartenden aber nicht mehr nachweisbaren Ruf aus Leipzig spricht, bedankte sich der Großherzog bei Windscheid, indem er 2258 Lotte Windscheid berichtete in einem Brief an Paul Heyse am 24.11.1873 (BSB München Heyse-Archiv VI Windscheid, Lotte Nr. 2) von eigener Krankheit und der Not mit den Kindern. 2259 Zu ihm Samwer, Zur Erinnerung an Franz v. Roggenbach (1909). 2260 Dazu s. umfassend Craig, Scholarship and Nation Building (1984) S. 39–54. 2261 Craig, Scholarship and Nation Building (1984) S. 48, S. 51 und S. 55 f. mit den positiven Reaktionen Anton Springers, Rudolph Sohms, Franz Bremers und Heinrich Brunners. 2262 Craig, Scholarship and Nation Building (1984) S. 49 f. 2263 Craig, Scholarship and Nation Building (1984) S. 54 und Ihering an Oskar Bülow am 28.10. und 15.12.1871, Ihering in Briefen (1913) S. 265–269 u. S. 269–271, sowie Ihering an Windscheid am 18.12.1871, Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 6, S. 28–30, 29 f. 2264 Windscheid an Julius Jolly am 31.12.1871, UB Heidelberg Hs. 3631, 12. Worauf Windscheid seine Ablehnung tatsächlich stützte, ist nicht bekannt. 2265 Ihering am 21.1.1872 an Windscheid, Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 7 S. 30 f., 31. 2266 Ihering am 24.1.1872 an Oskar Bülow, Ihering in Briefen (1913) S. 271–273, 273, und ebd. S. 273–277, 274 Ihering an Ludwig Lange am 3.2.1872. Craig, Scholarship and Nation Building (1984) S. 54, spricht vom andauernden großen Einfluss Iherings auf die Anfangsbesetzung der Straßburger Juristenfakultät.
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
ihm das Kommandeurkreuz zweiter Klasse mit Eichenlaub des Ordens vom Zähringer Löwen verlieh.2267 Im folgenden Jahr 1872 wünschte dann die juristische Fakultät Berlin nach dem Weggang von Eck und der Einstellung der Vorlesungstätigkeit Rudorffs, sich im römischen Recht durch eine Lehrkraft „ersten Ranges“ zu verstärken. Dabei wurden parallel und ausschließlich Ihering und Windscheid genannt.2268 Minister Falk versuchte – wohl nach entsprechendem Hinweis des Ministerpräsidenten Bismarck selbst2269 – der Fakultät den Namen Dernburgs in Halle nahe zu bringen, indem er die Schwierigkeit, eine dieser beiden Kapazitäten zu gewinnen, betonte.2270 Dieses Ansinnen lehnte die Fakultät jedoch rigoros ab und wies Dernburg allenfalls eine Stelle in der zweiten Reihe der Zivilrechtslehrer zu.2271 Im Juni 1872 antwortete Windscheid, von Ihering beraten,2272 auf eine Anfrage Georg Beselers, dass er kein „principielles Bedenken“ gegen einen Wechsel nach Berlin trage, vielmehr die vielerlei Vorteile Berlins auf geistigem Gebiete die Annehmlichkeiten des Heidelberger Lebens aufwögen und überböten. Dagegen würde die Annahme dieses Rufes unzumutbare finanzielle Opfer mit sich bringen: Da bekanntermaßen in Heidelberg vorwiegend Anfangsemester, in Berlin dagegen Studenten höherer Semester lebten, müsse er mit einem deutlichen Rückgang seiner Hörerzahlen rechnen. Die damit einhergehende Honorareinbuße2273 sei bei seriöser Forderung durch ein festes Gehalt nicht auszugleichen. Da sein hiesiges Gehalt in Teilen auch der Familienversorgung diene und diese sowieso schon in Heidelberg „nicht unerheblich höher“ als in Berlin sei, müsse er leider „auf den Gedanken einer Übersiedelung nach Berlin“ verzichten.2274 2267 Ausführlicher, Windscheid lobender Antrag Jollys vom 12.2.1872, Beschluss der Ordenskanzlei vom 15.2.1872 und Jollys Konzept der Mitteilung dessen an Windscheid vom 17.2.1872 GLA Karlsruhe 76/10089. – Dazu gratulierte Ihering am 31.3.1872, Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 8, S. 31–33, 33. Dazu s. auch Süss, Dernburg (1991) S. 39 Fn. 159. 2268 Jur. Fak. Berlin an Min. Falk am 26.3.1872, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 2 Tit. 4 Nr. 45 Vol. III Bl. 87–91, ab 88v. 2269 Dies legt ein Briefkonzept Minister Falks an Bismarck vom 30.5.1872 als Antwort auf dessen Schreiben vom 9.3.1872 nahe, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 2 Tit. 4 Nr. 45 Vol. III Bl. 99r. 2270 Falk an Jur. Fak. Berlin am 27.4.1872, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 2 Tit. 4 Nr. 45 Vol. III Bl. 92. 2271 Jur. Fak. Berlin an Falk am 10.5.1872, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 2 Tit. 4 Nr. 45 Vol. III Bl. 97 f., 98v. 2272 Das schreibt Ihering am 16.6.1872 an Oskar Bülow, Ihering in Briefen (1913) S. 282–284, 282. 2273 Bis 26.11.1872 beträgt das Stundenhonorar der juristischen Fakultät 2 fl., ab dann 2 fl. 55, d.h. 5 Mark, UAH H-II, 111/74 Bll. 107–110. Bei 100–150 Studenten und 25 Wochenstunden/Jahr brachte dies Windscheid eine Einnahme von 5.000–7.500 fl., ab 26.11.1872 von 12.500–18.750 Mark pro Jahr! 2274 Windscheid an Georg Beseler am 24.6.1872, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 2 Tit. 4 Nr. 45 Vol. III Bl. 113–114v: 1. Zitat Bl. 113r, 2. u. 3.
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Durch diese Antwort erreichte Windscheid zwar keinen Ausgleich der „geistige[n] Gewinne“ Berlins – etwa durch die Einrichtung einer höheren Töchterschule2275 –, aber immerhin eine beträchtliche Erhöhung seines Jahresgehalts von 4800 fl. auf 6000 fl.2276 Nach Berlin wurde dann schließlich doch Dernburg berufen.2277 Oertmann weiß außerdem noch von einer aus Wien kommenden Anfrage an Windscheid,2278 zu der auch ein ironischer Kommentar Lotte Windscheids passen würde.2279 Näheres ist darüber jedoch nicht bekannt. In die Zeit kurz vor Windscheids Weggang aus Heidelberg fiel ein Ereignis von besonderer Bedeutung nicht nur für Windscheids Zukunft, sondern auch besonders für die Entwicklung des Zivilrechts in Deutschland. Nachdem die „lex Lasker“ das Tor zu einem reichseinheitlichen Bürgerlichen Recht geöffnet hatte2280 und die so genannte „Vorkommission“, von Levin Goldschmidt maßgeblich beeinflusst, den Rahmen für dieses Recht beschrieben hatte,2281 wählte am 2. Juli 1874 der Bundesrat die Mitglieder „der Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs“. Zu ihnen gehörte auch „Professor Dr. von Windscheid in Heidelberg“.2282 Diese Wahl, zu der Ihering neidlos und anerkennend gratulierte,2283 bedeutete für Windscheid einerseits eine „tiefe Befriedigung“,2284 andererseits aber auch, dass er in den folgenden Jahren einen Teil der Zitat Bl. 114v. – Georg Beseler berichtete am 26.6.1872 dem Ministerium von Windscheids Ablehnung, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 2 Tit. 4 Nr. 45 Vol. III Bl. 112. 2275 Diese wünschte Windscheid im Brief vom 28.6.1872 an Julius Jolly, UB Heidelberg Hs. 3631,13, dort auch Zitat. 2276 Entsprechender, ausführlich begründeter Antrag des Innenministeriums an das Staatsministerium vom 1.7.1872, GLA Karlsruhe 76/10089, und Mitteilung der Gehaltserhöhung an Windscheid vom 5.7.1872, UAH III 3b Nr. 138. 2277 Heinrich Dernburg, 1829–1907, seit 1873 in Berlin, Landsberg, Geschichte (1910) Noten S. 390; umfassend Süss, Dernburg (1991). 2278 Oertmann, Lebensgang (1904) S. IX–XX, XVI. 2279 Lotte Windscheid an Bernhard, o. O. o. D., [evtl. 1874], Familiennachlass Windscheid: „Ich kann mir den Spaß nicht versagen, Dir mitzutheilen, daß eben von Unger aus Wien in den schmeichelhaftetsten Ausdrücken eine vertrauliche Anfrage gekommen ist, ob man Dich für Wien gewinnen könnte. Endlich einmal ein Ruf, von dem man den reinsten Spaß hat. Wir – und Österreich, Hurrah Deutschland!“ 2280 Gesetz vom 20.12.1873, RGBl. 1873, S. 379; zur Ausdehnung der Gesetzgebungskompetenz des Reiches auf das gesamte bürgerliche Recht und die tragende Rolle des führenden Nationalliberalen Eduard Lasker s. Laufs, Eduard Lasker (1984) S. 62– 66. 2281 Benöhr, Grundlage des BGB (1977) S. 79–82 m.w. Nachw. 2282 s. Schreiben des Reichskanzleramts an das badische Staatsministerium vom 10.7.1874, in Abschrift im GLA Karlsruhe 76/10089. 2283 Ihering am 8.7.1874 an Windscheid, Ihering in Briefen (1913) S. 298 f. = Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 12 S. 38. 2284 So Oertmann, Lebensgang (1904) S. IX–XX, XVI.
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Semesterferien den Kommissionssitzungen in Berlin opfern musste. Dass ihn dies trotz möglicher Treffen mit den Größen der Justizverwaltung und seinen Kollegen aus der Berliner Universität nicht nur begeisterte, macht schon ein Brief Windscheids von 1874 an seine Frau deutlich.2285 Durch seine Vorlesungstätigkeit „in außergewöhnlichem Maße in Anspruch genommen“,2286 blieb Windscheid wenig Zeit für literarische Betätigung. So war die 1873/74 erscheinende Ausgabe seines Lehrbuchs lediglich ein zweiter Abdruck der noch in München vollendeten dritten Auflage.2287 Zwar arbeitete Windscheid, soviel möglich, an einer neuen Auflage, „welche dringendes Bedürfnis ist“,2288 doch erschien 1874 nur der erste Band dieser vierten Auflage, während Band zwei und drei erst in späteren Jahren folgten.2289 Welche Bedeutung dieses Werk bereits erlangt hatte, wird daran deutlich, dass 1874 ein umfängliches Register dazu auf den Markt kam.2290 Neben der Vorbereitung einer Neuauflage war Windscheid zu keinem einzigen Aufsatz in der Lage. Sogar die Anfrage Friedrich von Weechs, ob er für die Badischen Biographien den Artikel über seinen Vorgänger Vangerow übernehmen könne, musste er abschlägig bescheiden, wobei er auf Stintzing in Bonn als berufenere Adresse verwies. Tatsächlich übernahm dann Stintzing diesen Artikel.2291 Immerhin firmierte Windscheid ab 1871 als Mitherausgeber des renommierten, von Thibaut gegründeten und in Heidelberg erscheinenden ,Archivs für die civilistische Praxis‘,2292 wobei jedoch nicht nachzuweisen ist, ob er sich in Heidelberg tatsächlich an der redaktionellen Arbeit beteiligte.2293
2285 Windscheid an seine Frau o. D. [1874] aus Berlin, Familiennachlass Windscheid: „Der Präsident hat gestern wieder gezögert und gezogen, daß es schwer war, ruhig auf dem Stuhl zu bleiben.“ Möchte möglichst bald zurück nach Heidelberg. 2286 Windscheid an Friedrich von Weech Anfang Mai 1873, Baier, Heidelberger Professorenbriefe (1937) S. 170–206, Nr. 9 S. 185 f., 185. 2287 B. Windscheid, Lehrbuch 3. Aufl. Düsseldorf: 1. Band 2. Abdruck 1873, 2. Band 2. Abdruck 1873, 3., mit der 2. Auflage 1871 identischer Band 1874. 2288 Windscheid an Friedrich von Weech Anfang Mai 1873, Baier, Heidelberger Professorenbriefe (1937) S. 170–206, Nr. 9 S. 185 f., 186. 2289 B. Windscheid, Lehrbuch 4. Aufl.: 1. Band Düsseldorf 1874, 2. Band Düsseldorf 1875, 3. Band Stuttgart 1878. 2290 Wort-, Sach- und Spruchregister zu Windscheid’s Lehrbuch des Pandektenrechts, VI u. 244 S., 1874. 2291 Windscheid an Friedrich von Weech Anfang Mai 1873, Baier, Heidelberger Professorenbriefe (1937) S. 170–206, Nr. 9 S. 185 f. u. 186 Fn. 1. 2292 AcP 54 (1871) und 55 (1872), neben Anschütz, Fitting, Francke und Renaud; AcP 56 (1873) neben Anschütz, Fitting und Renaud; AcP 57 (1874) bis 61 (1878) neben Fitting und Renaud. 2293 Das Archiv des damaligen Verlegers, der Akademischen Verlagshandlung J. C. B. Mohr, ist, wie ein Besuch beim Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) in Tübingen zeigte, für die Zeit bis 1878 nur noch in wenig aufschlussreichen Resten erhalten.
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Im November 1873 wurde in der juristischen Fakultät der Universität Leipzig der Ruf vorbereitet, der dann ein knappes Jahr später Windscheid das Verlassen des ungeliebten Heidelberg erlaubte.2294 Nachdem die Leistungsfähigkeit von Wächters mit der Zeit abgenommen hatte, bat nun die Fakultät mit Zustimmung Wächters um die „schleunige Berufung eines Romanisten“ „ersten Ranges von anerkannt wissenschaftlichem Namen“.2295 Da der dortige zweite Romanist Adolf Schmidt für den 1872 nach Göttingen gewechselten Ihering nicht gerade Sympathien hegte, nannte die Fakultät pari passu neben ihm auch Windscheid und (bei Gegenstimmen) Stintzing.2296 Obwohl die Fakultät trotz der damit verbundenen und voraussichtlich „sehr große[n] Opfer“ 2297 auf eine schnelle Erledigung dieses Gesuchs drängte,2298 betrachteten es besonders die Romanisten Schmidt und Kuntze mit äußerster Skepsis. Kuntze wollte damit noch bis zu Wächters Rücktritt warten und zwischenzeitlich seine eigene Position als Professor „juris romani“ stabilisieren,2299 während Schmidt zwar für sofortige Neuberufung stimmte, jedoch in jedem Fall auf dem alleinigen Angebot der Pandektenvorlesung im Wintersemester durch ihn beharrte.2300 Da er wusste, dass die Fakultät ihm diese Position nicht zu garantieren bereit war und auch seine Drohung, Leipzig andernfalls zu verlassen,2301 angesichts der bereits dargestellten Umstände seines Wechsels 1869 von Bonn nach Leipzig nicht sehr überzeugend wirkte, favorisierte er Oskar Bülow in Tübingen, der neben römischem Recht vor allem Prozess zu lesen gehabt hätte und daher eine weniger ernst zu nehmende Konkurrenz bedeutet hätte.2302 Auf 2294
So schon Landsberg, Geschichte (1910) Noten S. 362. Jur. Fak. an Minister Gerber am 18.11.1873, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10198/6 Bll. 132 f., Zitat Bl. 132r. 2296 Jur. Fak. an Minister Gerber am 18.11.1873, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10198/6 Bll. 132 f., 132v u. 133r und dazu die vertraulichen Erläuterungen des Dekans Friedberg an Gerber vom 13.11.1873, ebd. Bl. 131, 131r. 2297 Minister Gerber an Jur.Fak. Leipzig am 6.12.1873, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10198/6 Bl. 137. 2298 Jur. Fak. an Gerber am 22.12.1873, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10198/6 Bl. 138 und am 2.3.1874, ebd. Bll. 139 f. 2299 Kuntze an Minister Gerber am 14.11.1873, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10198/6 Bll. 134 f. 2300 Adolf Schmidt an Minister Gerber am 18.11.1873, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10198/6 Bl. 136. 2301 Adolf Schmidt an Minister Gerber am 6.3.1874, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10198/6 Bll. 141– 143, 142v: „Sollte mir diese Position streitig gemacht werden, so würde ich es bedauern müssen, der Berufung hierher gefolgt zu sein; ich würde mich bemühen müssen, anderwärts Stellung zu finden.“ 2302 Adolf Schmidt an Min. Gerber am 6.3.1874, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10198/6 Bll. 141–143, 143r. 2295
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diesen Vorschlag ging Minister Gerber zwar ein,2303 stieß aber in der Fakultät auf glatte Ablehnung. Benötigt werde ein Pandektist „ersten Ranges, der eine Disciplin voll decke, welche – wie die Verhältnisse der deutschen Universitäten zur Zeit noch liegen – allein eine Attractionskraft auszuüben vermag, und ohne dessen Vorhandensein die noch so hingebungsvolle und angestrengte Thätigkeit der übrigen Facultätsmitglieder den jetzt vorhandenen Blüthestand der juristischen Studien in Leipzig nicht aufrecht zu erhalten“ vermöge.2304 Daraufhin wandten sich im April 1874 Gerber als Minister und Freund und für ihn als Unterhändler Stobbe und Binding an Ihering.2305 Doch dieser lehnte in dieser „Schicksalsfrage“ ab, einmal weil ihm der Elan zu einem weiteren Wechsel abhanden gekommen sei,2306 zum anderen aber auch, weil ihm durch die Vermittlung des Göttinger Kurators Warnstedt der preußische Staat mit 4.400 rl. ein Gehalt zusprach,2307 das Gerber keinesfalls bieten konnte.2308 Im Mai 1874 erfolgte dann Gerbers Anfrage bei Windscheid, in der er ihn einen idealen Nachfolger Wächters nannte und „angemessene Bedingungen“ anbot.2309 Sofort informierte Windscheid in einem persönlichen und vertraulichen Schreiben Minister Jolly und stellte dabei klar, dass er – einigermaßen erträgliche Konditionen vorausgesetzt – im Interesse der Kindererziehung, wegen der „Unerquicklichkeit der hiesigen Verhältnisse“, des fehlenden Heimatgefühls und der größeren Nähe zur Schwiegermutter in Halle diesen Ruf mit Gewissheit annehmen und in Bleibeverhandlungen daher keinesfalls eintreten werde.2310 Zu diesen Konditionen gehörte neben dem zu erwartenden Gehalt seine Position innerhalb der Leipziger Fakultät, die eine Anrechnung auswärtiger Dienstzeiten auf 2303 Adolf Schmidt an Gerber am 9.3.1874, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10198/6 Bl. 144 und Gerber an Jur. Fak. Leipzig am 11.3.1874, HStA Dresden, ebd. Bll. 145–148, 148r+v. 2304 Jur. Fak. an Ministerium am 2.4.1874, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10198/6 Bll. 149–153, Zitat Bl. 152v. 2305 Gerber an Ihering am 12.4.1874, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10198/6 Bl. 154; Stobbe und Binding an Gerber am 18.4.1874, ebd. Bl. 157 u. 158r; Gerber an Stobbe am 19.4.1874, ebd. Bl. 158v; Stobbe an Gerber am 20.4.1874, ebd. Bl. 159. 2306 Ihering an Gerber am 16.4.1874, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10198/6 Bll. 155 f., Zitat Bl. 155r. 2307 Stobbe und Binding an Gerber am 18.4.1874, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10198/6 Bl. 157 f., 157v und Ihering aus Leipzig an Gerber am 21.4.1874, ebd. Bl. 160. 2308 Gerber an Stobbe am 19.4.1874, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10198/6 Bl. 158v. 2309 Gerber an Windscheid am 8.5.1874 (Konzept), HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10281/313 Bl. 1. 2310 Windscheid an Julius Jolly als den „Bruder meines nächsten Freundes“ am 11.5. 1874, UB Heidelberg Hs. 3631,15, und noch einmal ausdrücklich am 14.5.1874, UB Heidelberg Hs. 3631,16.
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die Anciennität nicht kannte, sowie das Verhältnis seiner Vorlesungen zu denen des Geheimen Justizrates Schmidt.2311 Gerber wies hinsichtlich der letzten Frage darauf hin, dass die Regierung auf das Vorlesungsangebot keinen Einfluss habe, er jedoch sicher sei, dass bei einem parallelen Angebot „sich das richtige Verhältniß zwischen Ihnen alsdann schon in der kürzesten Zeit von selbst herstellen wird.“ 2312 Da Windscheid als Nachfolger Wächters berufen wurde, bot ihm Gerber eine – bis zu Wächters Tod vertraulich zu behandelnde – Anwartschaft auf dessen von der Regierung zu vergebenden Titel eines „ersten Professors und Ordinarius der Facultät“ an.2313 Die damit verbundenen außerordentlichen Einkünfte sollte Windscheid zu einem wesentlichen Teil sofort bei seinem Wechsel nach Leipzig und übergangsweise aus der Staatskasse erhalten, was ihm ein festes Jahresgehalt von 4.000 rl. garantierte.2314 Diese Konditionen akzeptierte Windscheid am 22. Mai 1874, wobei er nur um ein Äquivalent für seinen Titel eines badischen Geheimen Rats zweiter Klasse sowie um möglichsten Ersatz der Kosten bat, die die mögliche Rückforderung seiner Umzugskostenpauschale sowie der Einkaufssumme in die Pensionskasse durch den badischen Staat verursachen werde. Dagegen wies er darauf hin, dass er von dem in amtlichen Angelegenheiten in Heidelberg stets geführten Adelsprädikat in Sachsen „keinen Gebrauch zu machen“ wünsche.2315 Am 27. Mai 1874 zeigte der zeitige Prorektor Windscheid dem badischen Innenministerium die Annahme seines Rufes nach Leipzig an und bat um seine Entlassung aus dem badischen Staatsdienst zum 30. September.2316 Auf Empfehlung Jollys wurde ihm diese am 8. Juni 1874 erteilt.2317
2311 Windscheid an Gerber am 11.5.1874, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10281/313 Bl. 2. 2312 Gerber an Windscheid am 13.5.1874, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10281/313 Bll. 3–6, Zitat Bl. 5r+v. 2313 Gerber an Windscheid am 13. und 19.5.1874, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10281/313 Bll. 3–6, 4r+v u. Bll. 10 f., 10v. 2314 Gerber an Windscheid am 13. und 19.5.1874, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10281/313 Bll. 3–6, 5v u. 6r u. Bll. 10 f., 10r. 2315 Windscheid an Gerber am 17.5.1874, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10281/313 Bll. 7–9 und am 22.5.1874, ebd. Bll. 12 f., dort Zitat Bl. 13r. 2316 Windscheid an das badische Innenministerium, GLA Karlsruhe 76/10089. – Seine Pflichten als Prorektor legte Windscheid bereits zum 31.8.1874 nieder: Urlaubsantrag Windscheids vom 21.8.1874 und Bewilligung des Innenministeriums am 25.8. 1874 im UAH, Personalakte Bernhard v. Windscheid III 3b Nr. 138. 2317 Innenministerium an Großherzog (Staatsministerium) am 28.5.1874, GLA Karlsruhe 76/10089, und von dort am 7.6.1874 offizielles Entlassungsschreiben ans Innenministerium zurück, ebd.
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
Sobald die Regierung von Windscheids möglichem Weggang nach Leipzig erfahren hatte, wandte sie sich ihrerseits an Ihering, um ihn für Heidelberg zu gewinnen.2318 Doch dieser rächte sich für die Missachtung von 1870 dadurch, dass er Jollys persönliches Angebot von geradezu sagenhaften 7.885 fl. pro Jahr verschmähte, obwohl nach Jollys Worten „die Zukunft der juristischen Fakultät einzig auf [Iherings] Gewinnung beruhe“.2319 Die Fakultät selbst, der Iherings Ablehnung nicht verborgen blieb, schlug als Windscheids Nachfolger und mit dessen Billigung Bruns in Berlin oder Brinz in München vor, wobei letzterem als dem anregenderen Dozenten der Vorzug gebühre.2320 Nach Brinz’ Ablehnung wurde nicht Bruns, sondern Ernst Immanuel Bekker aus Greifswald berufen, eine Entscheidung, die Ihering Windscheid gegenüber nicht ohne Vorbehalt kommentierte.2321 Ob es an dieser Wahl lag, dass Heidelberg in den folgenden Jahren gegenüber den führenden juristischen Fakultäten deutlich zurückfallen sollte,2322 muss freilich offen bleiben. Ende Juli und Anfang August 1874 wurde Windscheid in feierlicher Weise von Studenten wie Professoren aus Heidelberg verabschiedet. Korporationen wie nicht farbentragende Studenten veranstalteten – allerdings getrennt – ihm zu Ehren einen Fackelzug vom Karlsplatz zum Ludwigsplatz.2323 Im Bandhaussaal des Schlosses fand, organisiert wiederum von nicht korporierten Studenten, ein großer Festkommers für Windscheid und den ebenfalls scheidenden Theologen Holtzmann statt, an dem auch die Professoren der Fakultät teilnahmen.2324 Zuletzt richteten die Fakultäten selbst am 1. August im Saal des Gasthofes zum Prinz Karl ein „solennes“ Abschiedsmahl für Windscheid sowie die Theologie-
2318 Aktenvermerk des badischen Innenministeriums vom 27.5.1874, GLA Karlsruhe 235/3117. 2319 So jedenfalls Ihering am 9.8.1874 an Oskar Bülow, Ihering in Briefen (1913) S. 294–298, 297. 2320 Bericht der Jur. Fak. Heidelberg vom 7.6.1874, GLA Karlsruhe 235/3117 Bll. 382 f., auf Aufforderung des Innenministeriums vom 30.5.1874, ebd. Bl. 375, und unterstützt vom engeren Senat am 11.6.1874, ebd. Bl. 381, für den Windscheid selbst unterzeichnete. 2321 Zu Brinz’ Ablehnung s. Aktennotiz vom 3.7.1874, GLA Karlsruhe 235/3117 Bl. 381. – Zur Berufung Bekkers Ihering an Windscheid am 9.7.1874, Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 13 S. 39 f., 39. 2322 Conrad, Statistik (1893) S. 115–168, 120 f. Tabelle 1: Heidelberg 1871/72–1876 mit durchschnittlich 339 Studenten auf Platz 3, 1876/77–1891 mit im Schnitt 270–280 Studenten auf den Plätzen 6 (1876–1881), 3 (1881/82–1886) und 4 (1886/87–1891); von einem Abschwung Ende der 70er Jahre wegen verminderten Andrangs ausländischer Studenten spricht auch Riese, Hochschule (1977) S. 27. 2323 Fackelzug der Verbindungen am 10.7., Heidelberger Zeitung Nr. 160 vom 11.7. 1874; Fackelzug der nicht korporierten Studenten am 23.7., Heidelberger Zeitung Nr. 170 vom 23.7. und Nr. 171 vom 24.7.1874. 2324 Über diese Feier am 25.7. berichtet die Heidelberger Zeitung Nr. 173 vom 27.7. 1874.
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professoren Holtzmann und Pierson aus,2325 bei dem Dekan Zöpfl eher schon übertriebene Worte höchster Bewunderung fand. Er nannte Windscheid „einen Paulus und Papinianus redivivus“ in der juristischen Welt Deutschlands und den einzigen, der die Jurisprudenz als Kunst behandele. Auch wenn die Gründe für Windscheids Weggang unklar seien, so bleibe der „Praeceptor Germaniae“ als Lehrer Deutschlands auch Heidelberg erhalten.2326 Prosaischer kommentierte Bluntschli Windscheids Weggang: „Wie man die beste Professur in Deutschland aufgeben kann, verstehe ich nicht, wenn man doch nur Professor ist und sein will. Es scheint, seine Frau ist wesentlich mit im Spiel dabei.“ 2327 Für beide Äußerungen gilt, dass, so einseitig sie auch sein mögen, doch ein Teil Wahrheit in ihnen enthalten sein dürfte.
H. Professur in Leipzig (1874–1892) I. Leben Windscheid war, als er nach Leipzig kam, nicht nur einer der bedeutendsten lebenden Romanisten2328 und ein gesuchter akademischer Lehrer, sondern auch – auf Veranlassung Badens – Mitglied der neu berufenen Kommission zur Abfassung eines bürgerlichen Gesetzbuches für das deutsche Reich. Die doppelte Beschäftigung mit dem römisch-gemeinen Recht einerseits wie mit dem entstehenden BGB andererseits bestimmte sein wissenschaftliches Dasein seit 1874 und schlug sich auch in der äußeren Lebensgeschichte deutlich nieder. In den ersten Jahren bis 1880 behielt der akademische Gelehrte eindeutig die Oberhand. Als einer der höchstdotierten Professoren, königlich sächsischer Geheimer Rat und designierter Nachfolger des von ihm hoch verehrten, wenn auch krankheitshalber seit kurzer Zeit an der vollen Erfüllung seiner Lehrverpflichtungen gehinderten2329 Carl Georg Wächter2330 zog Windscheid im Herbst 1874 2325 Heidelberger Zeitung Nr. 179 vom 3.8.1874. – Es fällt auf, dass in der für die Professoren aufgelegten Einzeichnungsliste vom 21.7.1874, UAH H-II-111/74, die Namen Bluntschli, Renaud und Schenkel fehlen. 2326 Ansprache des Dekans der juristischen Facultät bei der Abschiedsfeier seiner Magnificenz des Herrn Geheimen Rathes v. Windscheid . . . am 1. August 1874 (1874). 2327 Bluntschli, Denkwürdiges III (1884) S. 348. 2328 Windscheid erscheint im Personal-Verzeichniß Leipzig von Anfang an (WS 1874/75 S. 6) als Ehrenmitglied der Universität Kasan. Wann und wo er diese Ehrung erhalten hat, ist nicht bekannt. 2329 s. B. Windscheid, Carl Georg v. Wächter (1880) S. 18. 2330 HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10281/313, dort die Schreiben Gerbers vom 13. (Bll. 3–6v), 19. (Bll. 10 f.), 24. (Bll. 14 f.) und 26.5.1874 (Bll. 19 f.), Windscheids Antworten vom 17. (Bll. 7–9), und 22.5.1874 (Bll. 12 f.) sowie die Vorgänge zu Windscheids Ernennung vom 26.5.1874 (Bll. 16 u. 18). Demnach erhielt Windscheid ein festes Gehalt von 4.000 rl. Der Durchschnitt betrug dagegen 1872 in Leipzig 2.500 rl, Hart, German Uni-
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
nach Leipzig.2331 Hier wurde er am 20. Oktober vor der Fakultät auf sein neues Amt verpflichtet.2332 Die ehrwürdige, bereits 1409 nach einem Auszug Prager Lehrer und Studenten gegründete Universität2333 war im ersten Drittel des Jahrhunderts organisatorisch gründlich reformiert worden2334 und hatte seitdem, als Staatsanstalt mit finanziellen Mitteln gut ausgestattet,2335 nach leichtem Abfall bis 1856 namentlich seit 1866 einen rapiden Aufstieg erlebt.2336 1874 war sie noch vor Berlin die größte Universität des deutschen Reiches,2337 was sie vor allem dem Besuch zahlreicher auswärtiger, besonders preußischer Studenten verdankte.2338 So hatte sich das Königreich Sachsen, das nach 1866/1871 die Übermacht Preußens endgültig hatte anerkennen müssen, für die politische Niederlage in gewisser Weise auf kulturell-wissenschaftlichem Gebiet revanchiert.2339 Auch noch 1874 war die Universität geprägt von einer lutherisch-konservativen, abwartenden Haltung, wobei die konfessionelle Bindung sich jedoch immer mehr auf die theologische Fakultät zurückzog.2340 Der Aufschwung in Leipzig war dank Professoren wie versities (1874) S. 378. – Die vom badischen Staat doch noch geforderte Rückzahlung der Einkaufssumme in die badische Witwenkasse von 1.289 fl. bekam Windscheid immerhin in Höhe von 736 rl. erstattet, Windscheid an Gerber am 16.6. u. 22.7.1874, ebd. Bll. 21 u. 24, und Gerber an das Universitätsrentamt am 17.6.1874, ebd. Bll. 21r u. 22 f. 2331 Den Umzug besorgte auf Iherings Empfehlung der erfahrene Packmeister Schirmer aus Braunschweig, Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 13, 13a (Schirmer an Windscheid) und 14 (S. 39–41) vom 9.7., 26.6. u. 19.7.1874. 2332 HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10198/6 Bll. 166–168. 2333 Flaschendräger/Steinmetz, studium lipsiense (1974) S. 11–21, 11. 2334 Steinmetz, Vorwort in: Gelehrte I (1965) S. V–XXXV, XI; Flaschendräger/Steinmetz, studium lipsiense (1974) S. 11–21, 16 f.; Zwahr, Universitätsreform (1984) S. 141– 190, 142: hatte 1830 als letzte Universität Europas die Einteilung in Nationen aufgegeben. 2335 Seit 1832 stand die Universität unter staatlicher Verwaltung, Zwahr, Universitätsreform (1984) S. 141–190, 144. Die Zeit zwischen 1871 und 1914 war für die Universität Leipzig die Zeit der größten Bautätigkeit: u. a. 1882 Collegium Juridicum um 821.000 Mark, 1891 Universitätsbibliothek um 2,65 Mio. Mark, Czok, Wissenschaftsentwicklung (1984) S. 191–228, 195, Bild der Bibliothek ebd. S. 192. 2336 Eulenburg, Entwicklung (1909) S. 15 f. mit Tab. 2337 Ab 1879 wurde sie wieder von Berlin, ab 1887 auch von München überholt, Eulenburg, Frequenz (1904) S. 261; Conrad, Statistik (1893) S. 115–168, 118 f. 2338 Czok, Wissenschaftsentwicklung (1984) S. 191–228, 194: 1879–1884 studierten in Leipzig 2.226 Sachsen, aber 4.396 Preußen; Conrad, Universitätsstudium (1884) S. 110: 1880/81 waren 402, d.h. knapp 50% aller im Ausland studierenden preußischen Jurastudenten in Leipzig. 2339 So Hart, German Universities (1874) S. 375. Ähnlich auch Czok, Wissenschaftsentwicklung (1984) S. 191–228, 194. 2340 Steinmetz, Vorwort, in: Gelehrte I (1965) S. V–XXXV, VI f., IX u. XI: ab 1812 keine Verpflichtung auf die Konkordienformel mehr außerhalb der theologischen Fakultät.
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den Germanisten und Staatsrechtlern Albrecht2341 und seinem Schüler Gerber2342 sowie dem Pandektisten und Strafrechtler Wächter2343 auch an der juristischen Fakultät nicht vorübergegangen. Als Windscheid nach Leipzig kam, fand sich dort neben Wächter eine ganze Reihe weiterer bekannter Persönlichkeiten wie der Senior Gustav Hänel,2344 Emil Friedberg,2345 Otto Stobbe2346 oder Karl Binding.2347 So verwundert es nicht, dass auch die juristische Fakultät den ersten Platz im Reich einnahm und die Konkurrenten Berlin und Heidelberg mit nahezu 1.000 Studenten weit hinter sich ließ.2348 Dabei hatte Leipzig den Ruf einer „Arbeitsuniversität“,2349 dem zum großen Teil junge Semester folgten.2350 Windscheid setzte sich schnell und ohne sich eine längere Zeit der Eingewöhnung in die neue Umgebung zu gönnen für die Interessen von Fakultät und Universität ein. So drängte er bereits Anfang 1875 Kultusminister Gerber zu der – im Ergebnis erfolgreichen – Berufung des secundo loco vorgeschlagenen Adolph Wach, die ihm, nachdem sein Münchner Kollege Wilhelm Planck einen Ruf ab2341 Wilhelm Eduard Albrecht, 4.3.1800–22.5.1876, seit 1840 in Leipzig, seit 1.4. 1868 emeritiert, Landsberg, Geschichte (1910) Text S. 318 f. 2342 Karl Friedrich Wilhelm Gerber, 11.4.1823–23.9.1891, Schüler Albrechts, Professor in Leipzig ab 1863, dann 1871 Kulturminister, Landsberg, Geschichte (1910) Text S. 778, Noten S. 334. Zu ihm umfassend Schmidt-Radefeldt, Carl Friedrich von Gerber (2003), dort S. 101–106 zu seiner Tätigkeit als Kultusminister. 2343 Karl Joseph Georg Sigismund Wächter, 24.12.1797–15.1.1880, in Leipzig 1833– 1836 und erneut seit 1852, Landsberg, Geschichte (1910) Text S. 386 f. 2344 Gustav Friedrich Hänel, 5.10.1792–18.10.1878, 1816 Privatdozent, 1821 ao. und 1838 o. Prof. in Leipzig, vornehmlich als Editor tätiger Romanist, Landsberg, Geschichte (1910) Noten S. 212 f. 2345 Emil Albert Friedberg, geb. 22.12.1837, Kirchenrechtler, seit 1873 in Leipzig, Landsberg, Geschichte (1910) Noten S. 257, gest. 1910, Kleinheyer/Schröder, Juristen (52008) S. 497. 2346 Johann Ernst Otto Stobbe, 28.6.1831–19.5.1887, Germanist und Schüler Albrechts, seit Ostern 1872 als Nachfolger Gerbers in Leipzig, Landsberg, Geschichte (1910) Noten S. 375 f., Kern, Art. Stobbe (1990) Sp. 1998–2001. Zu Stobbe umfassend Scholze, Otto Stobbe (2002), zu Leipzig S. 71–106, bes. S. 83–85. 2347 Karl Binding, 4.6.1841–7.4.1920, Strafrechtler, seit 1873 bis zur Emeritierung 1913 in Leipzig, Schröder, Karl Binding (2008) S. 62–65. 2348 Eulenburg, Entwicklung (1909) S. 23; die juristische Fakultät hatte 1874–1880 in den Sommersemestern im Schnitt 925, in den Wintersemestern 1.059 Studenten, E. Friedberg, Juristenfakultät (1909) S. 109; allgemein zur Geschichte der Fakultät zur Zeit Windscheids ebd. S. 104–111, Landsberg, juristische Fakultät (1909) Sp. 3–24, 20– 22 und Helbig, Universität Leipzig (1961) S. 62–74. Zur mangelnden Attraktivität Berlins gegenüber Leipzig um 1874 s. Hart, German Universities (1874) S. 374 f. und ausführlich Holtzendorff, Rückgang der berliner Universität (1873) Band 4 Nr. 27 S. 1–4 u. Nr. 28 S. 19–22, der jedoch die Ursache mehr in äußeren Gründen (Lage, Preisniveau, Wesen der Stadt) als in der Qualität des Lehrpersonals sucht. 2349 E. Friedberg, Juristenfakultät (1909) S. 111; Zwahr, Universitätsreform (1984) S. 141–190, 166. 2350 Eulenburg, Entwicklung (1909) S. 61 f. Dies ist anders als etwa in Berlin, Holtzendorff, Rückgang der berliner Universität (1873) Band 4 Nr. 27 S. 1.
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
gelehnt hatte, für das Wohl der Fakultät unverzichtbar erschien.2351 Außerdem stellte er seine Kontakte zu München in den Dienst der Universität2352 und ließ sich zum Wintersemester 1876/77 in den Senat, das wichtigste Entscheidungsgremium der Universität, wählen.2353 Ein Jahr später übernahm Windscheid das Amt des Dekans der juristischen Fakultät2354 und erhielt in Anerkennung seiner „ausgezeichnete[n] Wirksamkeit“ das Ritterkreuz 1. Klasse des königlich-sächsischen Verdienstordens.2355 Noch im ersten Jahr hielt Windscheid die öffentliche Antrittsrede,2356 zu der er zur Erlangung des Status eines ordentlichen Fakultätsmitgliedes verpflichtet war.2357 Darin beschäftigte er sich mit der ,geschichtlichen Schule in der Rechtswissenschaft‘, wobei er zum einen seine Position gegenüber Savigny darstellte und zum anderen auf das zu schaffende bürgerliche Gesetzbuch einging. Er bekannte sich als Anhänger der historischen Schule, lehnte aber Savignys zeitgebundene Geringschätzung einer planvollen, umfassenden Gesetzgebung ab.2358 Umgekehrt warnte er jedoch den zeitgenössischen Gesetzgeber davor, in frischem Schwunge einzureißen und zu beseitigen, wo es eigentlich darauf ankomme, „die schöne Blüthe und die reife Frucht des der Zeit erworbenen Wissens vom Rechte“ im Interesse der Dauerhaftigkeit des Gesetzes zu bewahren.2359 Rechtstheorie wie „streng geschichtliche Methode“ 2360 übernahm Windscheid
2351 Windscheid am 9.2.1875 an Gerber, HStA Dresden NL Gerber Nr. 326, Windscheid. Zur Gewinnung Wachs gratulierte Ihering Windscheid am 16.4.1875, Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 15 S. 41–43. 2352 Windscheid am 12.4.1875 aus Wien an Gerber in Dresden, HStA Dresden NL Gerber Nr. 326 Windscheid: Berichtet über Aussichten, Prantl in München für Leipzig zu gewinnen. 2353 Personal-Verzeichniss Leipzig WS 1876/77 S. 3. – Nach § 4 des Statuts vom 15.3.1880, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10034/10 Bl. 104, beginnt die passive Wahlberechtigung eines Professors 2 Jahre nach Dienstantritt. Demnach wäre Windscheid zum frühest möglichen Zeitpunkt gewählt worden. Seither war Windscheid kraft Amtes (als Dekan bzw. Ordinarius) oder durch Wahl ohne Unterbrechung Mitglied dieses Gremiums. 2354 Personal-Verzeichniss Leipzig WS 1877/78, S. 1. 2355 Minister Gerber an Windscheid am 11.6.1878, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig Nr. 10281/313 Bl. 25r (= Nr. 10012/4 Bl. 214); ebd. Bl. 26 Dank Windscheids vom 14.6.1878. 2356 Die geschichtliche Schule in der Rechtswissenschaft, Nord und Süd 4 (1878) S. 42–53. – Dass es sich bei diesem Aufsatz um eine Umarbeitung von Windscheids Antrittsvorlesung handelt, teilt er selbst am 2.1.1878 [irrtüml. datiert 1877] bei dessen Übersendung Minister Gerber mit, HStA Dresden NL Gerber Nr. 326 Windscheid. 2357 So jedenfalls nach dem gedruckten Statut der Universität Leipzig vom 15.3. 1880, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10034/10 Bl. 104 S. 13 § 44. 2358 B. Windscheid, geschichtliche Schule (1878) S. 42–53, 45–48. 2359 B. Windscheid, geschichtliche Schule (1878) S. 42–53, 48. 2360 B. Windscheid, geschichtliche Schule (1878) S. 42–53, 48.
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vollständig, gerade auch im Blick auf das zu schaffende BGB. Dieses fördere er nur deshalb, weil es die Pandekten nicht ablöse, sondern die in ihnen enthaltene „Rechtsarbeit der Jahrhunderte“ in sich aufnehmen werde.2361 Den Ansichten der historischen Schule entspricht es auch, dass für Windscheid kein „einsichtiger Jurist“ das BGB als Garanten für ein „festes und sicheres“, den Zweifel ausschließendes Recht ansehen dürfe.2362 In diesem Sinne fasste Windscheid auch seine Lehrtätigkeit auf. Er legte großen Wert auf die Feststellung, „daß, wer vom Geiste der historischen Schule durchdrungen ist, wol Dogmatiker sein kann, aber nie – . . . – Dogmaticist sein wird“ und meinte, „daß er nicht geneigt sein wird, an die Macht der Formel zu glauben, und sich zu Dogmen im Sinne von unumstößlichen Wahrheiten zu bekennen.“ Denn die Wahrheit sei niemals statisch, bleibe „nie rastende Bewegung“, und eine Formel sei daher nicht mehr als die abstrahierte Zusammenfassung einer persönlichen Erkenntnis, die im Laufe der menschlichen Entwicklung der absoluten Wahrheit zwar immer näher komme, diese aber nie erreichen könne.2363 Daher sei es auch nicht so sehr Aufgabe des akademischen Lehrers, Wahrheiten, nämlich fertige Sätze, zu verkünden. Viel wichtiger sei es, „in das innere Leben der Sätze . . . einzuführen“ und dem Lernenden den gedanklichen Weg zu diesen Sätzen zu zeigen, damit dieser, zweifelnd und fragend auf demselben Weg weiter schreitend, in den Stand gesetzt werde, sich der Wahrheit weiter anzunähern. Ziel sei „ein Geschlecht nicht von Wissern, sondern von Denkern.“ 2364 Windscheid übernahm damit bewusst Ziele, die Savigny bereits 1832 formuliert hatte.2365 Aber nicht nur darin, auch im Vortragsstil und im Selbstverständnis des Lehrers erwies sich Windscheid als Schüler dieses großen Vorbildes: Seine Beschreibung von Savignys Rede als klar und schlicht, präzise und frei von jeder rhetorischen Übertreibung, als „unmittelbarste Einheit zwischen Gedanken und Ausdruck“ 2366 stimmt fast wörtlich mit Schilderungen überein, die Hörer Windscheids von dessen Vortrag geben.2367 Für beide, Savigny wie den ihn zitierenden Windscheid, waren entscheidend für den Erfolg des akademischen Lehrers aber nicht seine rhetorischen Fähigkeiten, son2361
B. Windscheid, geschichtliche Schule (1878) S. 42–53, 49. B. Windscheid, geschichtliche Schule (1878) S. 42–53, Zitat S. 50; ebd. S. 51: „Deswegen klage man nicht, wenn man an dem Gesetzbuch Fehler entdecken wird, die es gewiß haben wird, sondern man suche sie zu verbessern.“ 2363 B. Windscheid, geschichtliche Schule (1878) S. 42–53, 52. 2364 B. Windscheid, geschichtliche Schule (1878) S. 42–53, 1. Zitat S. 52, 2. Zitat S. 53. 2365 B. Windscheid, Festrede Savigny (1879/1904) S. 81–99, 95 mit Hinweis auf Savigny, Wesen (1832) S. 569–592. 2366 B. Windscheid, Festrede Savigny (1879/1904) S. 81–99, 94. 2367 Windscheids Auftritt im Hörsaal beschreiben Geffcken, Windscheid und seine Studenten (1892), Stranz, [Erinnerungen an Leipzig] (1909) Sp. 94–96, 94, R. Schmidt, Bernhard Windscheid (1909) Sp. 100–103, bes. Sp. 100, Siber, [Erinnerung an Windscheid] (1909) Sp. 116 f. und – weniger schmeichelhaft – Hachenburg, Lebenserinnerungen (1978) S. 35. 2362
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dern die dahinter stehenden „sittlichen Kräfte“, eine Mischung aus Pflichtgefühl und persönlicher Zuwendung, mit der beide versuchten, ihren Hörern die eigenen fachlichen wie persönlich-moralischen Überzeugungen nahe zu bringen.2368 Diese Haltung zeigt nicht nur Windscheids absolute wissenschaftliche wie menschliche Redlichkeit und Integrität, sondern er hatte damit auch den Erfolg, den er als überzeugter Lehrer brauchte.2369 Obwohl er, nach einem Versuch, sich im Jahr 1874/75 mit seinem Kollegen Schmidt zu arrangieren,2370 ab dem Wintersemester 1875/76 bis zum Sommer 1881 Pandekten (im Winter zwölfstündig, im Sommer meist sechsstündig2371) wie Institutionen und äußere Rechtsgeschichte (sommers sechsstündig2372) größtenteils parallel und sogar zeitgleich mit Schmidt las, hatte er besonders im Winter bis 1880/81 das vergleichsweise gewaltige Auditorium von zwischen 320 und 370 Hörern!2373 Neben diesen bei-
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B. Windscheid, Festrede Savigny (1879/1904) S. 81–99, 95 f. Wie wichtig ihm die Vorlesungen waren, zeigen seine Briefe vom 4.10.1874 an Karl Stieler (BSB München, Stieleriana II,1 Windscheid, Bernhard) und vom 5.10.1874 an Heinrich Kruse (HHI Düsseldorf NL Heinrich Kruse), in denen er um Aufnahme einer Notiz in die Allgemeine Zeitung bzw. die Kölner Zeitung bat, dass seine Veranstaltungen trotz Mitgliedschaft in der BGB-Kommission stattfinden würden, und bestätigen auch Geffcken, Windscheid und seine Studenten (1892) und Oertmann, Lebensgang (1904) S. IX–XX, XVI f. 2370 Im WS 1874/75 las Windscheid in 9 Stunden nur den Allgemeinen Teil und das Sachenrecht der Pandekten, außerdem Institutionen, im Sommer 1875 der Pandekten 2. Teil in 9 Stunden und die Erklärung eines Pandektentitels und ließ so im Winter Raum für Schmidts Vorlesung Pandekten II, im Sommer für dessen Pandekten I, Verzeichnis der Vorlesungen Leipzig WS 1874/75, S. 6 und SS 1875, S. 6. 2371 Ab dem WS 1875/76, Verzeichnis Vorlesungen Leipzig S. 6 f. bzw. dem SS 1877, ebd. S. 32, bis zum WS 1891/92 bzw. dem SS 1892, freilich nicht von WS 1881/ 82 bis SS 1883. Im SS 1876 las Windscheid Pandekten II 4stündig, Verzeichnis Vorlesungen Leipzig S. 6 f. – Erhalten ist ein Vorlesungsanschlag Windscheids für das WS 1880/81, UB Heidelberg Hs. 2649(116). 2372 Ab SS 1876, Verzeichnis Vorlesungen Leipzig S. 6 f., bis SS 1892 mit Ausnahme der SS 1882 und 1883. – Mitschrift von Karl Lamprecht aus der Zeit zwischen 1874 u. 1878 UB Bonn S 2713 ; Mitschrift von Karl Samwer vom SS 1880 zusammen mit dem dazu gehörigen gedruckten ,Grundriß‘ nachgewiesen NUC Pre 1956 Vol. 667 p. 640 r.Sp. 2373 Windscheids Hörerzahlen finden sich im HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10038/2 (1874–1877), 10038/3 (1878–1886) und 10038/4 (1887–1892). Danach ergeben sich neben den genannten Zahlen für Pandekten II im Sommer bis 1881 zwischen 185 u. 220 Hörern, für Institutionen bis 1886 88–135 Hörer, für das Publikum im Winter über die gesamte Zeit hinweg 170–286 und für die Übungen im Sommer 35–91 Hörer. Die Hörerzahlen Schmidts (ebd.) betragen, soweit er mit Windscheid konkurriert, also bis 1881, bei den Institutionen im Schnitt kaum die Hälfte, bei Pandekten unter einem Viertel. – Bedenkt man, dass an der juristischen Fakultät jede Semesterstunde für den Hörer 4,50 M kostet (Senat an das Ministerium am 12.5.1874, Rabatt bei Privatvorlesungen über 6 Wochenstunden, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10042/7 Bll. 2–4, 4), ergibt sich daraus eine jährliche „Nebeneinnahme“ Windscheids in Höhe von mindestens 20.000 M! 2369
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den Hauptvorlesungen für Anfangssemester2374 hielt Windscheid noch im Winter ein kleines Publicum über einen bestimmten Pandektentitel2375 und bot im Sommer zweistündige exegetische und praktische Übungen an.2376 Diese Veranstaltung im Seminarstil erscheint als Fortsetzung des von Windscheid bereits in Greifswald übernommenen romanistischen Seminars und war sicher die für seine Studenten anspruchsvollste.2377 Es wurden dort in Wort und Schrift praktische Fälle erörtert,2378 was es Windscheid erlaubte, theoretische Lehren auf ihre Praxisnähe und Anwendbarkeit im Alltag zu überprüfen. Zu den Vorlesungen, die ihn mit 13 oder 14 Stunden pro Woche – trotzdem er sie regelmäßig wiederholte – beträchtlich in Anspruch nahmen, kamen noch seine Verpflichtungen als Mitglied des Spruchkollegiums2379 und bei der Abnahme von Promotionen sowie die in Leipzig wie in München auf den Schultern der Professoren liegenden Staatsexamina. Das Leipziger Spruchkollegium, das um 1835 noch über 3500 Fälle jährlich zu bearbeiten hatte,2380 setzte seine Beratungen bis zur Auflösung 1879 fort, hatte jedoch zu Windscheids Zeit keine große Bedeutung mehr.2381 Der Verlust des Archivs der juristischen Fakultät Leipzig im Zweiten Weltkrieg2382 lässt eine genauere Aussage leider nicht zu. Windscheid war seit 1874 Mitglied des Kollegiums2383 und nahm auch an dessen Beratungen teil.2384 Ob er auch noch in Leipzig als Referent tätig geworden ist, lässt sich aus dem genannten Grund nicht mehr feststellen.
2374 Der Leipziger Studienplan vom 13.5.1874 sieht Institutionen und römische Rechtsgeschichte für das 1. Semester, die Pandekten im Anschluss daran vor, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10017 Bl. 296 f., 297r. 2375 Einstündig, zuerst im SS 1875, Verzeichnis Vorlesungen Leipzig S. 6, dann in den WS 1875/76 bis 1891/92 mit Ausnahme von 1881/82 und 1882/83. 2376 Ab dem SS 1876, Verzeichnis Vorlesungen Leipzig S. 6 f., bis zum SS 1892 mit Ausnahme der SS 1882 und 1883. 2377 Über dieses Kolleg lobend [Friedrich] v. Ihering: [Erinnerung an Windscheid] (1909) Sp. 114 f., 114, der bei Windscheid hörte, Ihering an Windscheid am 30.12. 1879, Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 19 S. 47 f., 48. 2378 Noch am 14.6.1891 schrieb Windscheid seinem Schwiegersohn Fritz Bendixen, dass er in der letzten Woche 49 Seminararbeiten zu korrigieren hatte (Familiennachlass Windscheid). 2379 Es bestand seit 1856 unter dem Vorsitz des ,Ordinarius‘ aus allen ordentlichen Professoren (Ordinarien) der Fakultät, E. Friedberg, Juristenfakultät (1909) S. 102. 2380 B. Windscheid, Wächter (1880) S. 7, Zitat Carl Georg von Wächters. 2381 So E. Friedberg, Juristenfakultät (1909) S. 102. 2382 Freundliche Mitteilung der – damaligen – Leiterin des Archivs der Karl-MarxUniversität Leipzig, Frau Prof. Dr. G. Schwendler, vom 19.11.1986. 2383 Personal-Verzeichniss Leipzig WS 1874/75, S. 7. 2384 s. B. Windscheid, Wächter (1880) S. 18.
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
Die in Leipzig sehr zahlreichen Promotionen2385 führten nicht nur zu einer regelmäßigen Nebeneinnahme für die Ordinarien,2386 sondern bedeuteten auch, dass Dissertation wie die gestellten Exegesen zu korrigieren waren2387 und dass bei der mündlichen Prüfung jedes Fach vertreten sein musste.2388 Möglicherweise ist die hohe Zahl der Kandidaten darauf zurückzuführen, dass die Fakultät den Druck der Dissertation nicht verlangte.2389 Gegen den Vorwurf, ihre Prüfungen seien deshalb nicht seriös,2390 wehrte sie sich jedenfalls heftig und einmütig, indem sie besonders auf die Zahl der abgewiesenen bzw. durchgefallenen Promovenden hinwies,2391 und betonte, nicht jede den Anforderungen gerecht werdende und damit „druckfähige“ Leistung müsse auch publiziert werden, und eine „druckwürdige“ – also die Wissenschaft fördernde – Leistung dürfe von einem Doktoranden nicht erwartet werden.2392 Gleich nach seinem Wechsel wurde Windscheid auch Mitglied in der staatlichen Prüfungskommission für Juristen und war damit an den zahlreichen2393 2385 Eindrücklich Eulenburg, Entwicklung (1909) S. 124 f.; Windscheid an Planck am 23.12.1883, Schubert, Windscheids Briefe an Planck (1978) S. 283–326, 293 (= StUB Göttingen NL Planck G 10 Nr. 72): Stöhnt unter der Zahl der Promotionsgesuche: fast jede Woche zwei bis drei Dissertationen auf seinem Tisch, dazu mündliche Examina. 2386 Bis November 1879 erhielt jeder der 10 Ordinarien von den 621,80 M bis 694 M 55,84 M, ab November 1879 erhielt jeder o. Prof. von der gesenkten Gebühr (550 M [+ 12 M]) 40 M, dazu Dekan, Referent und ,Ordinarius‘ weitere 20 M, juristische Fakultät an Ministerium am 18.11.1879 und Antwort Gerbers am 22.11.1879, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10200/ 5 Bll. 27–30. 2387 Seit der Promotionsordnung vom August 1887, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10200/5 Bll. 46 f., wurde eine schriftliche und mündliche Prüfung verlangt (§ 3), wobei die schriftliche aus zwei Exegesen (Zivil- und Kirchenrecht) bestand (§ 4). 2388 Stoff der mündlichen Prüfung waren alle Fächer außer Partikularrecht, Promotionsordnungen vom 21.1.1882, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10200/5 Bl. 32, und vom August 1887 § 4, ebd. Bll. 46 f. 2389 E. Friedberg, Juristenfakultät (1909) S. 103: dies gilt für die Zeit zwischen 1859 und dem Ende des Jahrhunderts. s. Promotionsordnung vom 21.1.1882, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10200/ 5 Bl. 32, 32r, und Promotionsordnung vom August 1887, ebd. Bll. 46 f. § 6. 2390 s. etwa die Rede des Abgeordneten Mithoff im preußischen Abgeordnetenhaus in der 33. Sitzung am 7.3.1888, Stenographische Berichte 1888, 2. Band S. 899. 2391 Übersicht der juristischen Fakultät für den Minister über die Promotionen der letzten Jahre vom 10.5.1888, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10200/5 Bl. 52: 1884/85 28%, 1885/86 12% und 1886/87 5% zurückgewiesen. – Zur Strenge der Fakultät auch schon Windscheid an Planck am 23.12.1883, Schubert, Windscheids Briefe an Planck (1978) S. 283–326, 293 (= StUB Göttingen NL Planck G 10 Nr. 72). 2392 Jur. Fak. (Dekan Wach) an Ministerium am 9.12.1890, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10043/1 Bll. 241–245 (= 10200/5, Bll. 58–61v).
H. Professur in Leipzig (1874–1892)
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und häufigen schriftlichen wie mündlichen Prüfungen des ersten Staatsexamens beteiligt,2394 worüber er auch in Leipzig zeitweilig nicht gerade glücklich gewesen ist.2395 Windscheid fühlte sich in Leipzig von Anfang an wohl.2396 Abgesehen von einer gewissen Rivalität mit Schmidt und vielleicht auch Kuntze war das Klima in der Fakultät und an der gesamten Universität2397 gut. Er selbst nennt als seine Freunde Wach, Stobbe und Binding.2398 Die mit ca. 100.000 Einwohnern2399 gegenüber Heidelberg doch deutlich größere und industriell weiter entwickelte Stadt war nicht nur wegen ihrer Nähe zu Halle, dem Wohnsitz der Schwiegermutter, sondern auch als Sitz zahlreicher Verlage und Druckereien, als Kultur- und Messestadt von anderem Zuschnitt als der badische Universitätsort.2400 Sicher nicht nur wohlverstandenes Eigeninte-
2393 Verteilt auf zwei Termine (Februar und Juli) fanden 1874–1879 ca. 100–110 mündliche Prüfungen statt, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10200/13; zu den Prüfungen der Jahre 1879–1892 s. ebd. 10200/14 und 10200/15. 2394 Laut Regulativ vom 31.1.1861, HStA Dresden11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig 10034/14 Bll. 45 ff., war Prüfungsgremium nicht mehr die Fakultät, sondern eine besondere Kommission (§ 1 S. 3, dazu auch E. Friedberg, Juristenfakultät (1909), 103), und bestand die Prüfung aus acht mehrstündigen schriftlichen Arbeiten und einer mündlichen Prüfung (ebd. §§ 2, 3 u. 5 S. 4–6). Windscheid war Kommissionsmitglied seit WS 1874/75, Personal-Verzeichniss Leipzig WS 1874/75, S. 17, und prüfte selbst mindestens bis Sommer 1891 (Windscheid an Grete Bendixen am 21.6.1891, Familiennachlass Windscheid). 2395 s. Windscheids Briefe vom 21.1. und 3.2.1884 an Gottlieb Planck (Schubert, Windscheids Briefe an Planck (1978) S. 283–326, 296 f. u. 298 f. = StUB Göttingen NL Planck G 10 Nr. 73 u. 74) und an Friedberg am 3.2.1884, BA Berlin NL Friedberg Bl. 136. 2396 s. Ihering an Windscheid am 16.4.1875, Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 15 S. 41–43, 42, und am 31.12.1875, Ihering in Briefen (1913) S. 308–312, 310 (fehlt bei Kroeschell a.a.O). – Windscheid wohnte von Anfang bis Ende in der Parkstraße 11, zwischenzeitlich in Goethestr. 9 umbenannt (heute wieder Goethestraße), im Gebäude der Kreditanstalt, Personal-Verzeichniss Leipzig ab WS 1874/75, dort S. 6. 2397 Freundschaftliche Beziehungen Windscheids sind bekannt zu dem Mediziner und Bruder von Luise Burckhardt-His, Wilhelm His [1831–1904] (W. His, Lebenserinnerungen (1903) S. 17; E. His, Chronik (1943) S. 283–292, bes. 287–290). 2398 Wach: Windscheid am 10.1.1877 an Heinrich Kruse, HHI-Düsseldorf, NL Heinrich Kruse. Über dessen ,Vorträge über die Reichscivilprozeßordnung‘ äußerte sich Windscheid gegenüber H. Friedberg am 5.11.1879 (BA Berlin NL Friedberg Bl. 135) überaus lobend. Stobbe: Windscheid war Pate eines Kindes, Ihering am 23.1.1878 an Windscheid, Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 17 S. 44 f. Stobbe und Binding: B. Windscheid, Wächter (1880), Einleitung vor S. 1. – Ebenso Oertmann, Lebensgang (1904) S. IX–XX, XVI: herzliches bis freundschaftliches Verhältnis besonders zu den jüngeren Kollegen. 2399 Hart, German Universities (1874) S. 382. 2400 Czok, Wissenschaftsentwicklung (1984) S. 191–228, 191 f.; Leipzig in acht Jahrhunderten (1965) S. 152–157 u. S. 161; Hart, German Universities (1874) S. 382, nennt
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
resse, sondern auch Engagement für diese Stadt brachten Windscheid dazu, 1877 Leipzig als Sitz des Reichsgerichtes zu favorisieren und sich dafür auch einzusetzen.2401 Besonders groß war seine Freude, hierbei in dem Führer der Nationalliberalen Partei, Eduard Lasker, einen Verbündeten zu finden. Die Übereinstimmung mit ihm, der immer die Reichsidee vertreten hatte, überzeugte Windscheids vollends davon, dass seine Abneigung gegen eine übermächtige Zentrale Berlin den Interessen dieses Reiches nicht zuwiderlief.2402 Das Familienleben empfand Windscheid in Leipzig als überaus glücklich. Die Zwillinge Lotte und Grete – immer noch „der Sonnenschein des Hauses“ – wuchsen heran, Sohn Franz, der seine gesundheitliche Labilität mit der Pubertät überwand, besuchte das Gymnasium, und Käthe, die Älteste, wurde in die Gesellschaft eingeführt.2403 Dabei fiel Windscheid schon früh auf, dass Käthes intellektuelles Interesse gegenüber der Freude an Spiel und Tanz überwog und sich auch gegenüber überkommenen weiblichen Tugenden wie Fleiß und Selbstlosigkeit durchsetzte. Er war davon zwar nicht eben begeistert, erkannte aber an, dass sie „mit einem Verstande begabt [ist], der einen Mann neidisch machen könnte“.2404 In dieser entspannten Atmosphäre war es Windscheid gar nicht möglich, sich von Gesellschaft und Geselligkeit fernzuhalten,2405 wenn auch vor allem seine Frau Lotte den Kontakt zur außerberuflichen Sphäre vermitteln musste.2406 An Ostern 1877 war Windscheid mit der ganzen Familie wieder einmal an den Stätten seiner Kindheit am Rhein, von denen er aber angesichts der Schicksalsschläge in der Leipzig „the head-centre for the culture of the most productive nation of the present day.“ 2401 Windscheid bat am 10.1.1877 Heinrich Kruse, er möge einen entsprechenden Artikel Wachs in die Kölner Zeitung aufnehmen, HHI-Düsseldorf NL Heinrich Kruse. 2402 Windscheid an Eduard Lasker am 16.4.1877, BA Berlin NL Lasker (90 La 6) Bll. 1 f.; ebenso Otto Stobbe an seinen Schwiegervater am 18.2.1877, FS der DJZ zum 500j. Jubiläum der Universität Leipzig (1909) Sp. 25 f. Fn. 1. 2403 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 27.10.1876, am 22.5.1877 (auch Zitat) am 22.5.1878 und am 19.5.1879, alle Familiennachlass Windscheid. 2404 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 22.5.1877, 22.5.1878 und am 19.5.1879 (auch Zitat), alle Familiennachlass Windscheid. 2405 Eine Einladungskarte Windscheids für Karl Friedrich Stähelin (1859–1934) galt für die ,Professoren-Gesellschaft‘ am 19.2.1881, StA Basel PA 513 I G 4 W. Von engen Kontakten zu seinen Studenten berichten Geffcken, Windscheid und seine Studenten (1892), und Oertmann, Lebensgang (1904) S. IX–XX, XVII. Zu einem seiner Studentenabende war auch K. F. Stähelin am 22.11.1881 geladen, StA Basel PA 513 J G 4 W. 2406 s. Lene Raff, Meine Erinnerungen an Margarete Bendixen-Windscheid, Typoskript 12 S., nach 11.3.1936, Familiennachlass Windscheid, und Lotte Windscheid an G. Planck am 7.11.1892, StUB Göttingen NL Planck G 10 Nr. 92: „Meine Lebensaufgabe, seine Wege frei vom Erdenstaub zu halten, ist dahin; sie war unendlich lohnend(?) und hat mich oft mit Stolz erfüllt.“ Ebenso dieselbe am 12.6.1893 an Luise Burckhardt-His, Familiennachlass Windscheid: „eine Ehe wie die unsre ist selten! und selten das Glück, daß eine Frau ihrem Mann mit seiner rein geistigen Natur soviel sein darf, ihm die Steine aus dem Lebensweg räumen, seiner schwermütigen Natur die Sonnenseite des Lebens zu werden.“
H. Professur in Leipzig (1874–1892)
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Familie seines Bruders Albert in ernster Stimmung zurückkehrte.2407 Am 22. Juni 1879 starb in Halle die Schwiegermutter Pochhammer, ein Schlag, der besonders ihre Tochter, Lotte Windscheid, in tiefe Trauer stürzte.2408 Ein Jahr später wurde Windscheid selbst durch den Tod seines Bruders, des Arztes Gustav Windscheid, sehr getroffen.2409 In den Ferien reiste die Familie an die Nordsee,2410 nach Thüringen2411 oder in die geliebten Berge, nach Berchtesgaden,2412 Tirol,2413 oder an den Tegernsee,2414 obwohl Windscheid einen Teil der freien Zeit regelmäßig den Sitzungen der BGB-Kommission in Berlin zum Opfer bringen musste. Die jährlichen, bis 1878 mehrwöchigen Kommissionssitzungen2415 waren für Windscheid einerseits langwierig und mühsam,2416 andererseits aber auch hoch2407 Windscheid an Heyse o. D. [15.3.1877], BSB München Heyse-Archiv VI Windscheid, Bernhard Nr. 12, und an Luise Burckhardt-His am 22.5.1877, Familiennachlass Windscheid (um sich greifende Schwindsucht in der Familie). 2408 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 6.7.1879, Familiennachlass Windscheid, und Lotte Windscheid am 29.8.1879 an Paul Heyse, BSB München Heyse-Archiv VI Windscheid, Lotte Nr. 4. – s. Kondolenzbrief Iherings vom 29.6.1879, Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 18 S. 46–47, und Antwort Windscheids vom 6.7.1879, SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 94 f., 94r. 2409 Gustav starb am 15.6.1880, Windscheid im Stammbuch S. 12 f., Familiennachlass Windscheid. Dazu Conrat, [Erinnerungen an Windscheid] (1909) Sp. 115. – Am 6.5. 1881 folgte ihm der Bruder Eugen, Stammbuch S. 12, Familiennachlass Windscheid. 2410 Windscheid aus Norderney am 19.8.1875 an Paul Heyse, BSB München HeyseArchiv VI, Windscheid, Bernhard Nr. 11: Familie hier wegen der Zartheit von Sohn Franz. 2411 Im Sommer 1876, Windscheid an Luise Burckhardt-His aus Leipzig am 27.10. 1876, Familiennachlass Windscheid. 2412 Sommer 1878, Lotte Windscheid (Tochter) an ihre Patin Luise Burckhardt-His aus Leipzig am 26.11.1878, Familiennachlass Windscheid. 2413 Sommer 1877 im Pustertal, Windscheid an Luise Burckhardt-His am 22.5.1878, Familiennachlass Windscheid. 2414 Sommer 1879–1881: Windscheid am 20.7.1879 an Karl Stieler in München, BSB München Stieleriana II, 1, und Lotte Windscheid am 29.8.1879 an Paul Heyse, BSB München Heyse-Archiv VI, Windscheid, Lotte Nr. 4; Döllinger aus der Villa Arco in Tegernsee am 15.8.1880 an Lord Acton: „Windscheid ist hier.“, Döllinger, Briefwechsel III (1971). Dort traf Windscheid auch seinen alten Freund Albrecht Ritschl, O. Ritschl, Albrecht Ritschls Leben II (1896) S. 372 u. S. 375; Lotte Windscheid am 22.7.1881 an Ihering, SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) Bll. 106 f., 107r. 2415 Windscheid nahm seit 1874 regelmäßig an den Sitzungen teil. Zugleich bestand seit seiner Berufung in die Kommission die Vereinbarung, dass er seine akademische Lehrtätigkeit fortsetze und an Redaktionsarbeiten nicht beteiligt werde, Schubert, Windscheid und das Bereicherungsrecht, (1975) S. 186–223, 187 mit Fn 7 [Hinweis auf ZStA Potsdam – jetzt: BA Berlin –, Reichsjustizamt Nr. 3869 fol. 45 f., Pape an den Reichskanzler Sept. 1874] u. 188. Die Sitzungstermine (17.9.–29.9.1874, 4.10.–28.10.1875, ab 18.9.1876, 17.9.–20.10.1877, ab 4.10.1878, 30.10.1879, 28.12.1880) Schubert, Materialien (1978) S. 206–237. 2416 Aus zwei Briefen Windscheids an seine Frau, o. D. [1875–1880], Familiennachlass Windscheid: „Wir sind in den letzten Tagen unglaublich langsam vorwärts gekommen.“ – „Gestern in der Sitzung war es recht unerquicklich. Ich habe mir den Mund zerredet, um Dinge klar zu machen, die mir so durchsichtig wie klares Wasser waren,
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
interessant, so dass er sich dieser Mühe gerne unterzog.2417 Auch hatte er dadurch Gelegenheit, mit Berliner Freunden und Bekannten wie Beseler, Friedberg, Sybel, Treitschke sowie Verwandten seiner Frau zusammenzutreffen.2418 Aber auch die anderen Freunde wurden in Leipzig nicht vergessen. Seinem Heidelberger Kollegen Bluntschli berichtete Windscheid 1877 vom Stand der Kommissionsberatungen und bot an, ihm die vorhandenen Unterlagen vertraulich zu übersenden.2419 Regelmäßig korrespondierte Windscheid mit Luise BurckhardtHis2420 und anderen Freunden in Basel2421 sowie mit Ihering in Göttingen,2422 hielt auch den Kontakt zum inzwischen zum Sekretär des Reichsjustizamtes und preußischen Justizminister aufgestiegenen Heinrich Friedberg aufrecht,2423 ohne darüber die Münchner Freunde Heyse und Jolly aus den Augen zu verlieren.2424
und die doch Niemand, Niemand begreifen wollte. Unter Larven die einzige fühlende Brust! Ich habe aber nicht nachgelassen u. endlich doch wenigstens Dämmerung erzielt.“ 2417 So Windscheid an Luise Burckhardt-His am 27.10.1876, Familiennachlass Windscheid. – Windscheid schrieb an Gerber am 1.11.1875, HStA Dresden NL Gerber Nr. 326 Windscheid: „daß die Arbeiten dieser Commission einen gedeihlichen Fortgang nehmen, und daß wir bei unserem diesjährigen Zusammensein das Zutrauen gewonnen haben, daß wir, unvorhergesehene Hindernisse vorbehalten, das Ziel erreichen werden.“ 2418 Windscheid an seine Frau aus Berlin o. D. [1875–1880], Familiennachlass Windscheid (drei Briefe). 2419 Windscheid an Bluntschli am 23.10.1877, zuvor kondolierte Windscheid am 22.4.1875 beim Tod von Bluntschlis Gattin, danach gratulierte er am 1.8.1879 zu Bluntschlis 50j. Doktorjubiläum, alle Zentralbibliothek Zürich FA Bluntschli 19.960, 19.960-1 u. 19.960-2. 2420 Der Familiennachlass Windscheid enthält für die Zeit vom 27.10.1876 bis zum 27.6.1892 34 datierte Briefe Windscheids an Luise Burckhardt-His. 2421 Erhalten sind zwei Briefe an Johann Jakob Bachofen vom 4.11.1880 und 17.11.1885, UB Basel NL Bachofen 93 Nr. 281 u. 282, Briefe vom 13.12.1880, 29.11.1885, 26.1. u. 28.4.1886 und 20.3.1888 an Andreas Heusler-Sarasin, StA Basel P 329 J 68 Windscheid, Bernhard und ein Brief Karl Vischer-Merians an Windscheid vom 27.11.1885, Familiennachlass Windscheid. 2422 Bei Kroeschell, Iherings Briefe (1988), sind für Windscheids Leipziger Zeit 18 Briefe zwischen dem 16.4.1875 und dem 3.5.1891 (Nrn. 15–32) publiziert, von denen Windscheid acht sicher beantwortet hat. Dazu kommen noch Briefe Iherings vom 31.12.1875, Ihering in Briefen (1913), S. 308–312, und vom 27.1.1884, BA Berlin NL Friedberg Bll. 137 f. Dagegen sind in der SBPK Berlin, Slg. Darmstädter 2 h 1847 (10) Bernhard Windscheid Bll. 94–102, nur fünf Briefe Windscheids nach 1869 (6.7.1879, 11.6.1881, 11.8.1888, 9.4.1889 und 4.8.1892) an Ihering erhalten. 2423 Gratulation Windscheids zum Amt des Sekretärs des Reichsjustizamts am 31.12. 1876, BA Berlin NL Friedberg Bl. 133, und zur Ernennung zum preußischen Justizminister am 4.11.1879, ebd. Bl. 134; weitere Briefe Windscheids an Heinrich Friedberg am 5.11.1879, 3.2.1884, 25.4.1887, 28.4.1887, 30.4.1887, 8.10.1888, 28.1.1889, 11.9. 1889, 25.9.1889, 5.5.1890, ebd. Bll. 135–151. 2424 Im Heyse-Archiv VI der BSB München finden sich zwischen dem 19.5.1875 und dem 25.2.1887 sechs Briefe Windscheids an Paul Heyse (Nr. 10–15). Jolly schreibt an Windscheid am 17.2.1882, Familiennachlass Windscheid. – Außerdem sind zwei Briefe Windscheids an den verehrten Münchner Stiftsprobst und Kollegen Ignaz von
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Gegenüber Ihering drängte Windscheid nach wie vor auf Fertigstellung des „Geistes“, während er mit dessen seit 1877 erscheinendem ,Zweck im Recht‘ nichts Rechtes anzufangen wusste.2425 An beider Freundschaft, die durch gegenseitige Besuche gefestigt wurde, änderte sich dadurch jedoch nichts.2426 1879 trat Windscheid nach seiner Antrittsrede ein weiteres Mal an die gebildete Öffentlichkeit. Die Fakultät hatte ihn zum Redner auf der von ihr veranstalteten Gedächtnisfeier zum 100. Geburtstag Savignys am 21. Februar bestimmt.2427 Er feierte Savigny als Haupt einer bahnbrechenden und immer noch herrschenden methodischen Richtung – der historischen Rechtsschule – und nahm lobend wie auch kritisch zu deren Leistungen Stellung. Dabei erlaubte es ihm das Thema, manche Passagen seiner Antrittsrede nicht oder nur leicht verändert erneut zu verwenden.2428 Savignys reifstes Werk war für Windscheid das unvollendete ,System des heutigen römischen Rechts‘ (1840–1851), während für den dogmatischen Praktiker dessen gelehrte ,Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter‘ als bloße Gelehrtengeschichte abfiel.2429 Windscheid nahm für seine Generation in Anspruch, dass sie in den letzten 30 Jahren über Savigny hinausgekommen sei, zögerte aber gleichzeitig nicht, ihn – besonders seinen gestaltungsmächtigen Stil – mit Goethe auf eine Stufe zu stellen.2430 Zugleich nahm Windscheid Savignys gesetzgeberische Ansätze vor gängigen Vorurteilen in Schutz. Indem er sich auf Nachforschungen Friedbergs berief,2431 lobte er Döllinger vom 6.10.1879 und 26.2.1889 erhalten, BSB München, Döllingeriana II, Windscheid, Bernhard. 2425 s. dazu Ihering an Windscheid am 16.4.1875 (Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 15 S. 41–43, 42), 31.12.1875 (Ihering in Briefen (1913) S. 308–312, 309 f.), kritisch am 30.12.1883 und 31.12.1884, Kroeschell a. a. O. Nr. 21 S. 50–53, 51 u. Nr. 25 S. 55 f., 55, und Windscheid an Gerber am 2.1.1877, HStA Dresden NL Gerber Nr. 326. Zum ,Geist‘ Windscheid am 11.6.1881 an Ihering, SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) Bl. 96 f., 96r + v. 2426 Ihering war im Frühjahr 1877 zwei Tage, am 6.3.1884 und vom 4. bis 6.4.1886 in Leipzig: Ihering am 6.3.1877 an Windscheid, Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 16 S. 43, Ihering an Oskar Bülow [ca. 15.5.]1877, Ihering in Briefen (1913) S. 321– 323, 321; Ihering an Windscheid am 27.1.1884, BA Berlin NL Friedberg Bll. 137 f., 138r, und am 19.2.1884, Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 22 S. 53; Ihering an Windscheid am 18.3., 24.3. u. 26.3.1886, ebd. Nrn. 26–28 S. 57–59; Windscheids waren zu Pfingsten 1881 einige Tage in Göttingen, Windscheid an Ihering am 11.6.1881, SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) Bll. 96 f., 96r, und Frau Windscheid an Ihering am 22.7.1881, ebd. Bll. 106 f. Darüber berichtete die Göttinger Zeitung am 9.6.1881 auf S. 3, StUB Göttingen NL Ihering Kasten 13. 2427 B. Windscheid, Festrede Savigny (1879/1904) S. 81–99. Dazu Windscheid an Gerber am 22.2.1879, HStA Dresden NL Gerber 326, Windscheid. 2428 s. besonders zur Frage der Stellung des Subjekts zum objektiven Geschehen, B. Windscheid, Festrede Savigny (1879/1904) S. 81–99, 87 f. 2429 B. Windscheid, Festrede Savigny (1879/1904) S. 81–99, 89 f. 2430 B. Windscheid, Festrede Savigny (1879/1904) S. 81–99, 91 f. u. 96. 2431 s. Windscheid an Friedberg am 23.3. und 11.7.1868, BA Berlin NL Friedberg Bll. 126 f. u. 131 f.
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Form und Inhalt der von Savigny initiierten Entwürfe als klar, präzise und bei allen traditionellen wie religiösen Bindungen doch von freiheitlich-unabhängigem Geiste geprägt.2432 Sich selbst bekannte Windscheid als Berliner Schüler des späten Savigny, dessen Vorlesungen sein „geistiges Sein“ in herausragender Weise bestimmt hätten.2433 Neben der öffentlichen Tätigkeit in Hörsaal, Seminar und bei Prüfungen kam auch die private Arbeit am Schreibtisch in diesen ersten Jahren nicht zu kurz. Der erste Band der vierten Auflage seines Lehrbuches erschien Ende 1874,2434 der zweite im folgenden Jahr und der dritte Ende 1878.2435 Ihering lobte auch diese Auflage als wegen der Güte der Literaturverarbeitung „für jeden Juristen des gemeinen Rechts unentbehrlich“ und kündigte Windscheid die Notwendigkeit weiterer Auflagen mit Bestimmtheit an.2436 Ihering sollte Recht behalten: Die fünfte Auflage kam mit allen drei Bänden und in großer Auflage bereits 1879 auf den Markt,2437 1880 gefolgt von einer zweiten, erweiterten Auflage des dazu gehörigen ,Repertoriums‘.2438 Angesichts dieser Geschwindigkeit erscheint verständlich, dass diese fünfte Auflage anders als die vierte nicht gründlich durchgearbeitet wurde. Windscheid beschränkte sich auf eine korrigierende und manches Neue nachtragende Durchsicht. Daneben fand er Zeit, während seines Dekanats 1878 zwei Einladungsprogramme mit wissenschaftlichen Aufsätzen auszustatten. So erschienen zu einer Rede von Prof. Höck am 13. Februar 1878 ,Zwei Fragen aus der Lehre von der Verpflichtung wegen ungerechtfertigter Bereicherung‘2439 2432
B. Windscheid, Festrede Savigny (1879/1904) S. 81–99, 93 f. B. Windscheid, Festrede Savigny (1879/1904) S. 81–99, 95. 2434 Am 31.1.1875 übersandte Windscheid an Gerber (HStA Dresden, NL Gerber Nr. 326 Windscheid) ein „Exemplar des so eben erschienenen ersten Bandes der neuen Auflage meines Pandektenlehrbuchs“. Gerber revanchierte sich durch Übersendung der Neuauflagen seines Staats- bzw. deutschen Privatrechts, s. Windscheid an Gerber am 1.11.1875, 8.5.1878, 6.3.1880, 22.2.1882 und 20.3.1886, alle ebd. 2435 Band 1 und 2 erscheinen bei Buddeus in Düsseldorf, Band 3 bei Ebner u. Seubert in Stuttgart. 2436 Ihering an Windscheid am 16.4.1875, Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 15 S. 41–43, Zitat S. 42, am 31.12.1875, Ihering in Briefen (1913) S. 308–312 und am 23.1.1878, Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 17 S. 44 f. 2437 Verlag wiederum Ebner und Seubert in Stuttgart. Die große Stückzahl erwähnt Windscheid in der Vorrede zur 6. Auflage 1887, Band 1 S. VIII, und genauer am 20.3.1886 gegenüber Gerber (HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid): 5000 Stück. – Zur 5. Aufl. s. Ihering an Windscheid am 30.12.1879, Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 19 S. 47 f., 47. 2438 Repertorium zu Windscheid’s Lehrbuch des Pandektenrechts (21880) VIII u. 288 S., Verfasser ist der OLG-Rat Neubauer, s. Windscheid an Neubauer am 13.10.1887, UB Basel Autogr. Slg. Menzel W. Zu Wilhelm Neubauer, der auch Hilfsarbeiter der 1. BGB-Kommission war, s. Jahnel, Kurzbiographien (1978) S. 69–124, 90. 2439 An jenem Tag fand die jährliche Gedächtnisfeier für Christian Friedrich Kees statt. Dieser ehemals fürstlich Schwarzburgische Hofrat hatte in seinem Testament der juristischen Fakultät an der Universität Leipzig einen ansehnlichen Betrag zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses vermacht und sich als Gegenleistung eine 2433
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und ,Wille und Willenserklärung‘ zur Gedächtnisfeier für den Stifter Bernhard Friedrich Rudolph Lauhn am 20. Mai.2440 Außerdem war Windscheid nominell noch bis zu diesem Jahr 1878 Mitherausgeber des ,Archivs für die civilistische Praxis‘ neben Fitting und Renaud. Drei Ereignisse aus dem Jahr 1880 führten zu einer wesentlichen Änderung in Windscheids bis dahin geordnet und ruhig abgelaufenem Leipziger Leben: Am 15. Januar starb Carl Georg von Wächter, die BGB-Kommission beschloss, in einer zweiten Stufe ihrer Beratungen die inzwischen vorliegenden Referentenentwürfe im Einzelnen zu beraten und zu diesem Zwecke permanent zu tagen, und Windscheid erhielt einen erneuten Ruf der juristischen Fakultät Berlin, diesmal als Nachfolger von Bruns. Das zufällige Zusammentreffen dieser Geschehnisse erlaubte es Windscheid, seine eigenen Vorstellungen weitestgehend durchzusetzen und infolgedessen für längere Zeit zur BGB-Kommission nach Berlin zu wechseln, ohne dass er deswegen seinen Leipziger Lehrstuhl aufgeben musste. Bereits am 19. Januar 1880, also vier Tage nach Wächters Tod, wurde Windscheid der mit ihm getroffenen, aber bisher geheimen Absprache entsprechend von der Regierung zum Nachfolger Wächters als ,erster Professor und Ordinarius‘ ernannt.2441 Damit war er automatisch Vorsitzender des Spruchkollegiums,2442 Consiliarius der Universität mit ständigem Sitz im Senat2443 und traditionell auch Präses der juristischen Prüfungskommission.2444 Verspätet, nämlich erst am 20. Januar, versuchte die Fakultät, die Regierung zu einer Beschränkung dieser Position, besonders hinsichtlich des ungeliebten Titels ,erster Professor‘ jährliche Gedenkfeier mit der Rede eines der Geförderten ausbedungen, B. Windscheid, Zwei Fragen (1878) S. 41. 2440 B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878), 44 S., Datum auf S. 44, erneut veröffentlicht AcP 63 (1880) S. 72–112, s. ebd. S. 72 Fn. 1. 2441 HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bl. 38. 2442 E. Friedberg, (1909) S. 102. – Daraufhin ließ sich Windscheids Rivale Schmidt von der Teilnahme an den Sitzungen befreien: Schmidt an Gerber am 26.1., HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10198/6 Bl. 221r, Gerber an Windscheid am 29.1., ebd. Bl. 222, Windscheid an Gerber am 2.2. und Entscheid Gerbers am 3.2.1880, ebd. Bl. 223r+v. 2443 § 5 des Statuts der Universität Leipzig vom 29.3.1871, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10034/10 Bl. 99a S. 4, sowie des Statuts vom 15.3.1880, ebd. Bl. 104 S. 5. 2444 s. Gerber an Geheimrat Petzold am 22.1., HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bl. 44 u. Personal-Verzeichniss Leipzig SS 1880, S. 19. – Als solcher schlug Windscheid – seiner Haltung in München getreu – dem Ministerium am 27.6.1884 erfolgreich vor, die philosophischen Vorlesungen, weil sie nicht Prüfungsstoff seien, aus dem Katalog der Pflichtveranstaltungen zu streichen, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10017, Bl. 298 f. und Studienplan vom 22.7.1884, ebd. Bl. 301. – Seit SS 1889 war Windscheids Kommissionskollege auch der Volkswirtschaftler und Kathedersozialist Lujo Brentano, Personal-Verzeichniss Leipzig WS 1889/90, S. 22.
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und einiger besonderer Rechte und Einnahmen – etwa aus den Promotionsgebühren – zu bewegen.2445 Am Titel, über den Windscheid froh war, weil er dadurch „aus einer schiefen Stellung meinen Collegen gegenüber befreit worden“ sei,2446 ließ sich 1880 nichts mehr ändern.2447 Immerhin gelang es, organisatorische und finanzielle Vorrechte des Ordinarius zu beschneiden.2448 So wurde ihm die Dekanibilität und damit die Möglichkeit, die beiden lukrativen Ämter des Ordinarius und des Dekans zu kombinieren, entzogen. Auch auf seinen besonderen Anteil an den Promotionsgebühren musste er verzichten. Mit beidem war Windscheid einverstanden, bat jedoch im Gegenzug darum, dass ihm die „Pflicht zu einer jährlichen Abfassung einer Reihe von Programmen“ im Zusammenhang mit den stiftungsmäßig zu haltenden Reden erlassen werde.2449 Obgleich an diese Einladungsprogramme die Bezüge des Ordinarius aus den Stiftungen geknüpft waren, bestand bei Minister Gerber für diesen Wunsch Windscheids, der seine wissenschaftliche Kraft nicht „in häßlicher Weise verzettelt“ sehen wollte,2450 „volles materielles Einverständniß“.2451 Neben diesem wissenschaftlichen Grund ist für den späteren Betrachter Windscheids Anliegen auch deshalb verständlich, weil er, anders als die Ordinarien vor ihm, tatsächlich durch die Übernahme der entsprechenden Ordinarienpflichten keine finanzielle Verbesserung erlangte, sich
2445 Jur. Fak. (Dekan Osterloh) an Ministerium, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10034/14 Bll. 85 f. 2446 Zitat aus dem Privatschreiben Windscheids an Gerber vom 22.1., HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bll. 39 f., 39r; s. auch Windscheids überschwänglichen Dank an das Ministerium vom selben Tag, ebd. Bl. 43. 2447 Nach Windscheids Tod fielen die Titel ,Ordinarius‘ und ,erster Professor‘ als die Kollegialität störend auf Antrag der Fakultät endgültig weg, jur. Fak. an Ministerium am 7.11.1892, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10034/14 Bll. 96–98v und Minister v. Seydewitz’ Antwort vom 8.12.1892, ebd. Bl. 104r. 2448 Vgl. das Schreiben der jur. Fak. vom 20.1.1880 an das Ministerium, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10034/14 Bll. 85 f., die Antwort Minister Gerbers vom 22.1., ebd. Bl. 88, und dessen Glückwunsch an Windscheid vom 23.1., ebd. 10281/313 Bll. 41 f. 2449 Windscheid an Gerber privat am 22.1.1880, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bll. 39 f., Zitat 39v; ebd. 40r bezeichnete Windscheid diese Pflicht als einen Fall, „wo eine Stiftungsbestimmung sich überlebt hat und zu der lebendigen Wirklichkeit nicht mehr paßt.“ – Wie deutlich Windscheid diese Last empfand, zeigt ihre Erwähnung auch im Nachruf für Wächter, B. Windscheid, Wächter (1880) S. 23. 2450 Windscheid am 22.1.1880 an Gerber, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bll. 39r bis 40r, Zitat Bl. 39v: „Vielleicht, daß eine irgendwelche Entscheidung nicht nöthig ist, und durch ein factisches Vorgehen, welches sicher sein dürfte, keiner Rüge zu begegnen, allmälig eine Praxis angebahnt werden könnte.“ 2451 Gerber an Windscheid am 23.1.1880, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bl. 41 f., Zitat Bl. 42r.
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vielmehr lediglich die Quelle seiner Bezüge veränderte.2452 So stimmte das Ministerium Windscheids etwas gewagter Auslegung, dass die testamentarisch von den Stiftern geforderten „Programme“ nicht notwendig „Abhandlungen“, sondern nach dem Wortsinn auch bloße öffentliche und „schriftliche Nachricht[en]“ darstellen könnten, zu,2453 und befreite Windscheid von dieser drohenden Last. Kraft seiner Position war Windscheid der geeignete Mann, um Wächters Leben bei einer Gedenkfeier der Universität am 29. Februar 1880 zu würdigen.2454 Für die – später gedruckte – Rede2455 recherchierte er gründlich und stützte sich neben eigenem Wissen auch auf die Äußerungen seiner Freunde Stobbe (zu Wächter als Rechtshistoriker, insbesondere zu seinem 1. Band des württembergischen Privatrechts) und Binding (zu Wächter als Strafrechtler) sowie weiterer ungenannter Gewährsmänner (zu Wächters Rolle als Präsident der württembergischen Abgeordnetenkammer).2456 In einer kurzen, aber umfassenden Darstellung schilderte Windscheid Wächters Leben weit eingehender, als dies bei seinen Reden über Savigny der Fall ist, wo dessen Leben lediglich den Hintergrund für die Auseinandersetzung mit der historischen Schule bildet. Von Windscheids ausführlicher Kommentierung von Wächters Werk ist seine Einschätzung des ,Handbuchs des württembergischen Privatrechts‘ (1842–1851) als Hauptwerk hervorzuheben.2457 Hier sei zum ersten Mal der Versuch unternommen worden, das komplette Privatrecht eines Gebietes, also das gemeine wie das partikulare Recht, darzustellen.2458 Auch wenn dieser Versuch ein Torso geblieben sei, sei es dem 2452 Zur Regelung von Windscheids Bezügen s. Universitätsrentamt an Ministerium am 23.1., HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bll. 46–50v, Gerber an Windscheid am 29.1., ebd. Bll. 51 f., Rentamt an Ministerium am 8.3., ebd. Bll. 66 f. und Antwort am 11.3.1880, ebd. Bl. 68. Insgesamt bleibt es bei Windscheids Gehalt von 4.000 rl. oder jetzt 12.000 M. 2453 Ministerium an Windscheid am 26.6.1880 auf dessen Vorstellung vom 19.6., HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bll. 69 f.; s. dazu auch Windscheid an Gerber am 24.6., HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. 2454 Am 22.1.1880 teilte Windscheid Gerber mit, dass er im Auftrag der Fakultät die Gedächtnisrede auf Wächter halten solle, und bat ihn um Material zu Wächters Württemberger Zeit, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bll. 39 f., 40r + v. Gerbers Antwort am 23.1. ebd. Bll. 41 f. u. 59. 2455 B. Windscheid, Carl Georg von Wächter, bei Duncker & Humblot Leipzig 1880, nachdem sich Cotta vergebens um den Verlag bemühte (Windscheid am 18.1.1880 an die J. G. Cotta’sche Buchhandlung, Schiller-Nationalmuseum Marbach/N. Cotta-Archiv (Stiftung der Stuttgarter Zeitung) 1), anonym sehr lobend angezeigt im Literarischen Centralblatt für Deutschland Nr. 25 vom 19.6.1880 Sp. 814 f. Am 2.3.1880 überreichte Windscheid Gerber ein Exemplar, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. – Diese Rede wertet noch Mauntel, Carl Georg von Wächter (2004), zu ihr S. 15–18, als eine der folgenreichsten wissenschaftsgeschichtlichen Studien zu Werk und Wirkung Wächters. 2456 B. Windscheid, Wächter (1880) S. 10 f. 2457 B. Windscheid, Wächter (1880) S. 9 f. und ausführlich S. 25–37. 2458 B. Windscheid, Wächter (1880) S. 26.
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Praktiker Wächter in diesem sich an den praktisch tätigen Juristen wendenden Werk noch besser als Savigny gelungen, das gelehrte Material so zu verarbeiten, dass er das „lebendige Recht“ beschreibe, „wie es bereit ist, heute, morgen in Aktion zu treten und die Verhältnisse des lichten Tages zu gestalten.“ 2459 Dies, „jenes unnachsichtige Herabdrücken aller historischen Kenntnisse auf das Niveau von Handwerkszeug und jener instinctive Zug nach dem realen Leben“,2460 machte auf Windscheid, als er das Buch „in verhältnißmäßig später Zeit“ kennen lernte, augenscheinlich einen gewaltigen Eindruck.2461 Es wird in dieser Rede deutlich, dass Windscheid besonders die Kombination von historisch ausgerichtetem Rechtsverständnis und einem Zug zum Praktischen und Rationalen bei gleichzeitiger Ablehnung allen überpositiven und unveränderlichen Naturrechts bei Wächter bewunderte.2462 An dem Menschen Wächter hob Windscheid das „Gesunde“ seiner Natur hervor, die – anders als bei Windscheid selbst – frei von allem Sentimentalen oder Melancholischen gewesen sei.2463 Schon vor Wächters Tod, im November 1879, teilte Windscheid dem vorgesetzten Ministerium mit, dass ab Herbst 1880 die Teilentwürfe für das neue BGB von der Gesamtkommission beraten werden sollten, was möglicherweise dazu führe, „daß ich vielleicht bei fortdauernder Theilnahme an der Commission auf längere Zeit meiner hiesigen akademischen Thätigkeit entzogen werden könnte.“ 2464 Gegen diese Aussichten lief die Fakultät Sturm und stellte fest, im Interesse von Fakultät wie Universität sei es eine „Unmöglichkeit“, „daß er während des Winter-Semesters das Halten der Pandektenvorlesung einstellt.“ 2465 Minister Gerber strebte einen Ausgleich an, stellte aber Windscheid gegenüber klar, dass für ihn die Interessen der Universität Leipzig Vorrang hätten.2466 Windscheid empfand Gerbers Vorschlag, ihn in Berlin etwa durch Bruns zu ersetzen und selbst von Leipzig aus nach Art eines „Raths von Haus aus“ weiter an den Ge2459
B. Windscheid, Wächter (1880) S. 27 f. u. S. 32 (Zitat). B. Windscheid, Wächter (1880) S. 35. 2461 B. Windscheid, Wächter (1880) S. 34. 2462 B. Windscheid, Wächter (1880) S. 51–53 u. S. 57. 2463 B. Windscheid, Wächter (1880) S. 74. – Dass Windscheid angesichts einer umstrittenen Position als Mitglied der ersten BGB-Kommission diese Rede nutzte, „um an einer für ihn vorteilhaften Außendarstellung zu basteln“ (Mauntel, Carl Georg von Wächter (2004) S. 16), erscheint wenig wahrscheinlich, zumal er, anders als der ebenda durch ein Oertmann-Zitat angeführte Savigny, immer ein glühender Befürworter einer Kodifikation des Bürgerlichen Rechts gewesen ist. 2464 Windscheid an Gerber am 12.11.1879, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bll. 28 f., Zitat Bl. 28. 2465 Stobbe, Wach, Binding und Emil Friedberg an Gerber am 12.11.1879, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts Nr. 10281/313 Bl. 27, Zitat 27v, Auszug bei Schubert, Windscheids Briefe an Planck (1978) S. 283– 326, 284. 2466 Gerber privat an Windscheid am 26.11.1879, HstA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bll. 30 f. 2460
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schicken des BGB teilzuhaben, „als einen der tiefsten Schmerze meines Lebens“ 2467 und beschloss, in die Offensive zu gehen. In der Hoffnung, dass der Kommissionsvorsitzende Pape wie Staatssekretär Schelling Windscheid um einen hohen Preis zu halten wünschten, bot er am 6. Januar 1880 der BGB-Kommission unter Hinweis auf die Verweigerung eines Urlaubs für das Wintersemester durch das sächsische Kultusministerium seinen Rücktritt an,2468 nicht ohne sich zuvor Heinrich Friedbergs gezielter Bemühungen hinter den Kulissen versichert zu haben.2469 Die Ernennung zum Ordinarius verbesserte seine Position zwar etwas, aber noch beharrte Gerber auf Windscheids Lehrtätigkeit im Wintersemester,2470 während Pape weder auf Windscheid verzichten noch die sich aus diesem Kompromiss ergebende Verzögerung der Beratungen hinnehmen wollte.2471 So brachte Pape einen neuen, speziell auf Windscheids Situation zugeschnittenen Zeitplan in die Diskussion,2472 dem im Februar 1880 Gerber wie Windscheid erleichtert zustimmten.2473 Demnach sollte die Beratung der Teilentwürfe erst am 1. März 1881 beginnen und in ihrem ersten, auf die Prinzipien beschränkten Teil möglichst noch im Sommer 1881 beendet sein, woran sich dann eine Unterbrechung zur Vorbereitung des Hauptentwurfs während des Winters 1881/82 anschließen würde. Dieser Gerber doch sehr weit entgegenkommende Vorschlag zeigt, dass zumindest bei Pape und dem Reichsjustizamt tatsächlich das von Windscheid kalkulierte große Interesse an seiner weiteren Mitwirkung bestand.2474 2467 Gerber privat an Windscheid am 26.11.1879, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bll. 30 f., Zitat 31r; Antwort Windscheids am 2.12.1879, ebd. Bll. 32 f., Zitat 33r (Auszug bei Schubert, Windscheids Briefe an Planck (1978) S. 283–326, 284). 2468 Windscheid an das Reichsjustizamt Berlin am 6.1.1880 (Abschrift), HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bll. 60 f. (= ZStA Potsdam – jetzt BA Berlin –, Reichsjustizamt Nr. 3869 fol. 144 ff. laut Schubert, Windscheid und das Bereicherungsrecht (1975) S. 186–233, 188 mit Fn. 8). 2469 Zu Windscheids Überlegungen s. Windscheid an seine Frau o. D. [2.12.1879– 6.1.1880], Familiennachlass Windscheid: „Friedberg ist damit einverstanden, und wird es an Bemühungen unter der Hand nicht fehlen lassen.“ 2470 Gerber an Pape in Berlin am 11.1.1880, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bll. 35 f., nachdem ihm Windscheid am selben Tag den Inhalt seines Schreibens vom 6.1.1880 mitgeteilt hatte, ebd. Bl. 34. 2471 Pape an den Reichskanzler am 14.1.1880 bei Schubert, Windscheid und das Bereicherungsrecht (1975) S. 186–233, 188 aus ZStA Potsdam – jetzt: BA Berlin –, Reichsjustizamt Nr. 3869 fol. 154–163. 2472 Reichsjustizamt (Schilling) am 1.2.1880 an die sächsische Regierung (Abschrift), HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bll. 55–59. 2473 Gerber an Windscheid am 10.2.1880, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bl. 62, und am 17.2. in der Antwort an das Reichsjustizamt, ebd. Bl. 64, sowie Windscheid am 15.2. an Gerber, ebd. Bl. 63. Zustimmend Pape an Gerber am 7.3.1880, ebd. Bl. 65. 2474 So heißt es in dem bereits genannten Schreiben an die sächsische Regierung vom 1.2.1880, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bll. 55–59, dass auf Windscheids „hervorragende Rechtskenntniß und
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Nach diesem Zeitplan wäre wohl auch verfahren worden, wenn nicht am 11. Dezember 1880 Bruns in Berlin gestorben wäre. Für das preußische Kultusministerium wie für die juristische Fakultät kam trotz des hinhaltenden Widerstandes des den Konkurrenten fürchtenden Dekans Dernburg als Nachfolger allein Windscheid in Betracht.2475 Um ihn zu gewinnen und möglichen Versprechungen der sächsischen Regierung zuvorzukommen, wurde in aller Eile ein die bisher üblichen Verhältnisse Berlins sprengendes Gehalt vorgesehen2476 und zugleich, nur wenige Tage nach Bruns’ Tod, Windscheid ein offizieller Ruf zugeleitet.2477 Windscheid entschied nicht sofort, sondern wartete ab, welche Zusagen ihm Minister Gerber in Sachen BGB-Beratung zu geben imstande sein würde. Angesichts dieser neuen Lage befürwortete jetzt die juristische Fakultät in Leipzig die Freistellung Windscheids auch für das Wintersemester, da dies immer noch besser sei, als ihn ganz zu verlieren.2478 Am 19. Dezember fand dann eine persönliche Besprechung zwischen Windscheid und Gerber statt2479 mit dem Ergebnis, dass Windscheid den Ruf nach Berlin ausschlug. Er begründete dies damit, dass seine Neigung zu Sachsen die Pflicht gegenüber seinem Geburtsland überwiege und die sächsische Regierung ihm jeden „durch die Interessen der Commission gebotene[n] Urlaub ohne alle Beschränkung“ gewährt habe.2480 Am wissenschaftlichen Ruf bei der Zusammensetzung der Kommission besonderes Gewicht gelegt“ wurde und er „wegen seiner ungewöhnlichen, das gesammte Civilrecht beherrschenden Kenntnisse, wegen seiner seltenen juristischen Begabung, nicht minder wegen seiner übrigen persönlichen Eigenschaften, die ihn zur kollegialischen Arbeit ausnehmend befähigen und ihm die Verständigung mit praktischen Juristen erleichtern, und wegen des hohen Ansehens welches er als Rechtslehrer in allen juristischen Kreisen genießt, von größtem Werthe“ sei. Dazu komme, „daß er auf die von der Gesammtkommission bisher gefaßten grundlegenden Beschlüsse in erheblichstem Maße bereits eingewirkt“ habe „und daß diese Beschlüsse mehr oder weniger beseitigt und in ihren sachgemäßen Konsequenzen verschüttet werden könnten“ (Bll. 56v u. 57r). 2475 Preußisches Kultusminsterium an den Finanzminister am 13.12.1880, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76Va Sekt. 2 Tit. 4 Nr. 45 Vol. IV Bll. 133 f., und Juristische Fakultät Berlin an Kultusminister Puttkamer am 14.12.1880, ebd. Bll. 135 f. 2476 Nämlich 15.000 M, preuß. Kultusministerium an Finanzministerium am 13.12.1880, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76Va Sekt. 2 Tit. 4 Nr. 45 Vol. IV Bll. 133 f., 134, dessen zustimmende Antwort vom 19.12.1880 ebd. Bll. 146 f. 2477 s. Windscheid an Gerber am 15.12.1880, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. 2478 Jur. Fak. Leipzig (Dekan Ad. Schmidt) am 16.12.1880 an Ministerium, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bll. 71 f. 2479 s. Windscheid an Gerber am 17.12.1880, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. – Dem ging ein Schreiben Gerbers an Windscheid vom 16.12.1880 voraus, in dem er weitestgehendes Entgegenkommen ankündigte, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. 2480 Windscheid an das preußische Kultusministerium am 19.12.1880, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 115 f., Zitat Bl. 116r, und weiter: „Die Blüthe Leipzigs hängt in viel größerem Maße von seinen Lehrkräften ab, und Sachsen ist ein kleines Land, welches das Wenige, was es hat, ängstlich hüten muß,
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20. Dezember wurde Windscheid eine entsprechende Zusicherung, versehen mit der Erwartung, dass er auch die Interessen der Fakultät Leipzig soweit möglich zu wahren bemüht sein werde, auch schriftlich erteilt.2481 Windscheid blieb also in Leipzig,2482 während nach Berlin nach der weiteren Absage von Alois Brinz dem Vorschlag der Fakultät entsprechend die beiden jüngeren Ordinarien Eck aus Breslau als Dogmatiker und Pernice aus Halle als Historiker berufen wurden.2483 Nach diesem folgenreichen Intermezzo wurde der Zeitplan für die Kommissionsberatungen erneut geändert und Ende 1880 beschlossen, mit den ständigen Beratungen erst am 1. Oktober 1881 zu beginnen.2484 Unter Hinweis auf die ihm gemachte Zusage bat Windscheid im Juni 1881 um Urlaub, zunächst für das Wintersemester 1881/82, der umgehend bewilligt wurde.2485 Zugleich bereitete er sich auf einen Umzug der ganzen Familie nach Berlin vor und fand – „merkwürdiges Zusammentreffen“ – in der ehemals Bruns’schen Wohnung ein geeignetes Quartier.2486 Auch wenn ihm der Abschied vom Katheder nicht leicht fiel und besonders die Kinder den Wechsel nur zögernd akzeptierten, war Windscheid mit seinem Berliner Aufenthalt doch im Wesentlichen zufrieden.2487 Grund dafür war besonders die hohe Bedeutung, die Windscheid seiner dortigen Tätigkeit beimaß.
während Preußen groß ist und Vieles entbehren kann.“ – s. auch Windscheid privat an Geheimrat Olshausen in Berlin am 24.12.1880, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76Va Sekt. 2 Tit. 4 Nr. 45 Vol. IV Bl. 143. 2481 Windscheids schriftliche Anfrage vom 19.12.1880 HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bl. 73, die ministerielle Zusage vom 20.12. ebd. Bl. 74. 2482 Dafür erhielt Windscheid im März 1881 das Komturkreuz 2. Klasse des sächsischen Verdienstordens, s. die Vorgänge zwischen dem 5. u. 15.3.1881 im HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10012/4 Bll. 253–257, 10281/313 Bll. 76–78 u. Sächs. Ordenskanzlei Nr. 207. 2483 Jur. Fak. Berlin an Kultusminister Puttkamer am 14.12.1880, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76Va Sekt. 2 Tit. 4 Nr. 45 Vol. IV Bll. 135 f., 136r, Puttkamer an Generalkasse des Ministeriums am 24.3. u. 28.9.1881, ebd. Bll. 158 u. 163. 2484 Bezeichnend dazu Windscheids Brief vom 11.6.1881 an Ihering, SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) Bll. 96 f., 97r: Auf Frage an Pape zur möglichen Dauer der ab 1.10. beginnenden Beratungen: „es ist ein Sprung ins Dunkle!“ 2485 Windscheid an Gerber am 2.6.1881, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bl. 79, und Antwort Gerbers am 7.6., ebd. Bl. 80. – Den Vorsitz im Spruchkollegium wie in der Prüfungskommission übernahm der Senior der Fakultät Osterloh (Windscheid ans Ministerium am 14.9., ebd. Bl. 81, und Gerber an die jur. Fak. am 17.9., ebd. Bl. 82), sein Sitz im Senat blieb vakant, das Amt des Consiliarius des Universität ruhte (Senat an Ministerium am 21.9., ebd. Bl. 83r+v, und Antwort Gerbers am 23.9., ebd. Bl. 83v). – Wegen Fortdauer der Arbeiten sollte der Urlaub auf das SS 1882 ausgedehnt werden, Windscheid an Gerber am 30.12.1881, ebd. Bl. 90r, und tags darauf Gerber an Windscheid, ebd. Bl. 90v. 2486 Windscheid an Ihering am 11.6.1881, SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847 (10) Bll. 96 f., 96v. – Windscheids Adresse war: Berlin W., Blumeshof 12. 2487 Windscheid am 14.1.1882 an Paul Heyse, BSB München Heyse-Archiv VI Windscheid, Bernhard Nr. 13.
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Für ihn hatte die Arbeit in der Kommission „an Höhe und Würde der Aufgabe und an überwältigendem Interesse nicht ihres gleichen. Es ist die Summe meines Lebens, die ich hier ziehe; was ich gelernt habe, soll hier verwerthet werden.“ Dabei blieb sich Windscheid der Unzulänglichkeit selbst seines Wissens bewusst.2488 Im Laufe der Zeit lebte sich die Familie, soweit sie sich in Berlin aufhielt,2489 immer besser ein,2490 während sich Windscheid bereits im Januar 1882 vor „die schwerste Entscheidung [s]eines Lebens“ gestellt sah, entweder aus der Kommission oder aus dem Lehramt auszuscheiden, denn bereits da war für ihn erkennbar, dass die Beratungen bis zu ihrem Abschluss noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen würden.2491 Obwohl die Kommission bis Ende Februar 1882 immerhin den allgemeinen Teil mit Ausnahme des Internationalen Privatrechts und der juristischen Personen durchberaten hatte,2492 reichte Windscheid am 19. März schweren Herzens sein Rücktrittsgesuch zum 1. Oktober ein, das er mit ökonomischen Bedingungen2493 und moralischen Verpflichtungen gegenüber der Fakultät in Leipzig begründete.2494 Der Intervention Papes gelang es jedoch, der Kommission den „erheblichen Einfluß“ Windscheids auf die Beratungen und ihr Ergebnis für ein weiteres Jahr zu erhalten.2495 Dabei hielt es Pape Windscheid gegenüber für möglich, dass bis zum 1. Oktober 1883 „die wesentlichen Grundlagen des Gesetzbuchs“, nämlich das gesamte allgemeine Schuldrecht, der größte 2488 Windscheid am 14.1.1882 aus Berlin an Paul Heyse, BSB München, Heyse-Archiv VI Windscheid, Bernhard Nr. 13 (auch Zitat), ähnlich am 23.5.1882 an Luise Burckhardt-His, Familiennachlass Windscheid. 2489 Sohn Franz studierte in der Zeit Medizin in München und Leipzig, s. Philipp Jolly an Windscheid am 17.2.1882, Familiennachlass Windscheid, und Windscheid an Luise Burckhardt-His am 19.2.1882, ebd. 2490 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 19.2.1882, Familiennachlass Windscheid: Es „hat sich unser Leben befriedigender gestaltet, als wir erwarteten.“ 2491 Windscheid am 14.1.1882 an Paul Heyse, BSB München, Heyse-Archiv VI Windscheid, Bernhard Nr. 13. – Freund Philipp Jolly meint am 17.2.: „Ich meine[,] Deine innere Neigung müßte Dich zum Katheder zurückführen, gebe aber zu, daß die Entscheidung ziemlich schwer ist.“ (Familiennachlass Windscheid). 2492 Windscheid an Gerber am 22.2.1882, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. 2493 Mit Windscheids Leipziger Jahreseinkünften von deutlich über 32.000 Mark – Gehalt 12.000 M, Hörergeld > 20.000 M, dazu Promotionsgebühren – ist die Entschädigung für Kommissionsmitglieder von 7.500 M nicht zu vergleichen. Windscheid selbst gab am 6.4.1882 als Betrag seiner Einkünfte 23.500 M an, Schubert, Windscheid und das Bereicherungsrecht (1975) S. 186–233, 189 mit Fn. 17: dort ZStA Potsdam – jetzt BA Berlin –, Reichsjustizamt Nr. 3870 fol. 31 f. 2494 Schubert, Windscheid und das Bereicherungsrecht (1975) S. 186–233, 189, zitiert dort Fn. 13: ZStA Potsdam – jetzt BA Berlin –, Reichsjustizamt Nr. 3870 fol. 21 ff. s. dazu Windscheid an Gerber am 31.3.1882, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bll. 91 f., und an Luise Burckhardt-His am 23.5.1882, Familiennachlass Windscheid. 2495 Pape an das Reichsjustizamt am 21.3.1882 bei Schubert, Windscheid und das Bereicherungsrecht, (1975) S. 186–233, 189 mit Fn. 15: ZStA Potsdam – jetzt BA Berlin –, Reichsjustizamt Nr. 3870 fol. 18–20.
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Teil des Sachenrechts sowie einige Hauptpunkte des besonderen Schuldrechts (Kauf-, Bereicherungsrecht) sollten bewältigt werden können.2496 Diese – sich nachher nur teilweise verwirklichende2497 – Aussicht gab den Ausschlag, obwohl Gerber auf die sinkenden Studentenzahlen2498 an der juristischen Fakultät in Leipzig hinwies und als Folge von Windscheids Entscheidung „eine überaus bedauerliche Verstimmung“ der dortigen Kollegen für möglich hielt.2499 Zugleich akzeptierte Windscheid jedoch Gerbers „bona-fide-Interpretation“ seiner ursprünglichen Urlaubsgarantie von 1880, wonach der 1. Oktober 1883 der letzte noch unter den Begriff „Urlaub“ fallende Termin ist.2500 Immerhin hatte Windscheid durch die Kündigung vom März 1882 erreicht, dass seine finanziellen Ausfälle während der Berliner Zeit überschaubar bleiben.2501 Ein Jahr später wiederholte Windscheid sein Entlassungsgesuch2502 in dem Bewusstsein, dass er nun endgültig diesen Kompromiss zwischen gesetzgeberischer Tätigkeit und Lehramt eingehen musste.2503 Das Reichsjustizamt gab seinem Wunsch mit großem Be2496 So Windscheid an Gerber am 31.1.1882, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bll. 91 f., 91v u. 92r. 2497 Während Windscheids Teilnahme wurden „der Allgemeine Teil mit Ausnahme des Rechts der juristischen Personen, die allgemeinen Lehren des Schuldrechts sowie die wichtigsten Institutionen des besonderen Schuldrechts beraten“, Schubert, Windscheids Briefe an Planck (1978) S. 283–326, 284. 2498 In den Jahren 1881–1883 betrug der Schnitt im Sommer 729, im Winter 812 Studenten, also jeweils ca. 200 weniger als in den Jahren 1874–1880, E. Friedberg, Juristenfakultät (1909) S. 109. 2499 Gerber am 2.4.1882 an Windscheid, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bll. 93 f., Zitat Bl 93r. 2500 Gerber an Windscheid am 2. u. 11.4.1882, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bll. 93 f. u. 97, und Windscheids Antworten vom 7.4., ebd. Bll. 95 f. (offiziell, Auszug bei Schubert, Windscheids Briefe an Planck (1978) S. 283–326, 285) sowie o. D. [7.4.], HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid (privat, Zitat dort und weiter: „Einen wohlwollenderen Chef, als ich in Ihnen gefunden habe, darf sich niemand wünschen.“). 2501 Pape am 10.4.1882 an den Reichskanzler, Schubert, Windscheid und das Bereicherungsrecht (1975) S. 186–233, 189 mit Fn. 16: ZStA Potsdam – jetzt BA Berlin –, Reichsjustizamt Nr. 3870 fol. 30: Windscheid blieb noch ein Jahr gegen zusätzliche Entschädigung von 6.000 Mark über die reguläre Entschädigung von 7.500 M pro Jahr hinaus. – Windscheid stellte am 31.3.1882 Gerber gegenüber fest (HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bll. 91 f.), dass die am 29.3. angebotene Entschädigung zwar kein echter Ausgleich sei, es jedoch nicht heißen solle, „daß ich mich einem nationalen Werke um einer Geldfrage willen entzogen habe“ (Bl. 92v). 2502 Am 18.3.1883, Schubert, Windscheid und das Bereicherungsrecht (1975) S. 186– 233, 189 mit Fn. 18: ZStA Potsdam – jetzt BA Berlin –, Reichsjustizamt Nr. 3870 fol. 72. Am 29.3. berichtete Pape darüber an das Reichsjustizamt, ebd. Fn. 16: ZStA Potsdam – jetzt BA Berlin –, Reichsjustizamt Nr. 3870 fol. 69–71: „empfindliche[r] Übelstand“. 2503 Windscheid an Luise Burckhardt-His aus Berlin, Schellingstr. 1, am 20.5.1883, Familiennachlass Windscheid, und am 26.8.1883 an unbekannt [Joseph Kohler], SBPKBerlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 2.
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dauern statt,2504 und Windscheid nahm zum Wintersemester 1883/84 nach einem Erholungsurlaub in den Bergen2505 seine Vorlesungen in Leipzig wieder auf 2506. Bei seinem Abschied aus Berlin konnte Windscheid auf eine intensive zweijährige Arbeit im Dienste der Nation zurückblicken, deren Bedeutung ihm auch durch die Verleihung des königlich-preußischen Kronordens 2. Klasse mit Stern von offizieller Seite bestätigt wurde.2507 Zu eigener wissenschaftlicher Produktion war dagegen in Berlin keine Zeit. 1882 erschien zwar eine neue Ausgabe seines Lehrbuches, doch stellte diese lediglich eine zweite, unveränderte Titelausgabe der fünften Auflage von 1879 in einem neuen Verlag dar.2508 Von Windscheids Privatleben in Berlin ist nur bekannt, dass er sich im Frühjahr 1882 von dem Maler Gustav Graef porträtieren ließ.2509 Es kann jedoch bei Windscheids Persönlichkeit als sicher angenommen werden, dass er den Kontakt zu den Berliner Freunden und Bekannten aufrecht erhielt. Außerdem erwuchs aus der gemeinsamen Arbeit in der Kommission eine enge, auf gegenseitiger Zuneigung und wissenschaftlicher Achtung beruhende Freundschaft mit Gottlieb Planck.2510
2504 Schubert, Windscheid und das Bereicherungsrecht (1975) S. 186–233, 190 mit Fn. 20: Protokoll des Bundesrates, Session 1883, § 274, und Windscheid an Minister Gerber am 7.6.1883, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bl. 98. 2505 In Saavis[?] und Pontresina, Windscheid am 17.10.1883 an Heyse, BSB München Heyse-Archiv VI Windscheid, Bernhard Nr. 14. 2506 Eine ausführliche Analyse der Tätigkeit Windscheids in der ersten Kommission und seiner Bedeutung für deren Wirken muss einer gesonderten Darstellung vorbehalten bleiben. 2507 Windscheid an Gerber am 19.9.1883, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bl. 100, und Antwort Gerbers am 20.9., ebd. Bl. 101. – Bereits 1881 war Windscheid das Kommandeurkreuz 2. Klasse des schwedischen Nordstern-Ordens zuerkannt worden, ohne dass der genaue Grund für diese Auszeichnung bekannt wäre, s. die Vorgänge zwischen dem 4.10. u. 17.11.1881, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bll. 87r–89v. 2508 Von nun an erschien das Lehrbuch bei der Literarischen Anstalt in Frankfurt/M. Es wurde begleitet von einer ebenfalls unveränderten 3. Auflage des anonym erscheinenden (von OLG-Rat Neubauer verfassten, s. Windscheid an Neubauer am 13.10.1887, UB Basel Autogr. Slg. Menzel W.) ,Repertoriums zu Windscheids Pandekten‘ (1882). 2509 Windscheid an Gustav Graef am 18.3., 30.3., 3.4., 20.5., und an unbekannt [Lepsius?] am 15.7. und 17.10.1882, Dt. Literaturarchiv, Schiller-Nationalmuseum Marbach/N, Bestand Sabine Lepsius, Briefe Dritter, 71.784/1–6. – Über Graef (1821–1895) s. Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler Bd. 14 (1921) S. 475. 2510 s. Plancks Entwurf der Adresse der BGB-Kommission für Windscheid zum 22.12.1888, StUB Göttingen NL Planck G 10 Nr. 5, dort S. 3, Lotte Windscheid an Gottlieb Planck am 7.11.1892, StUB Göttingen NL Planck G 10 Nr. 92, Plancks erster Hilfsarbeiter Braun 1910 bei Schubert, Windscheids Briefe an Planck (1978) S. 283– 326, 286 f. Fn. 16 (= StUB Göttingen NL Planck G 16 Nr. 5 Bll. 1–16, 11 f.) und Oertmann, Lebensgang (1904) S. IX–XX, XVII. – Der im WS 1886/87 in Leipzig Jura studierende Sohn Plancks wurde von Windscheid herzlich aufgenommen, Windscheid an Planck am 7.10.1886, Schubert, Windscheids Briefe an Planck (1978) S. 283–326,
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Als Windscheid nach Leipzig zurückkam, war er immerhin 66 Jahre alt, aber von Dienst- oder Arbeitsmüdigkeit war bei ihm noch nichts zu spüren. Vielmehr war seine Schaffenskraft und -lust bis kurz vor seinem Tode ungebrochen,2511 wobei sich sein Interesse nun, nach Überwiegen der Lehrtätigkeit bis 1881 und des Wirkens als Gesetzgeber bis 1883, gleichmäßig auf beide Bereiche erstreckte. Die juristische Fakultät war in ein neues Gebäude2512 umgezogen und hatte sich personell weiter verstärkt2513. Gleichwohl war und blieb Windscheids Position nun völlig unangefochten. Auch Schmidt hatte vor Windscheids überragender Bedeutung kapituliert und seine Vorlesungen um ein halbes Jahr versetzt.2514 Vielleicht spürten seine Hörer, dass für Windscheid „jede Vorlesung eine That“ war, er in jeder Stunde sein Bestes gab2515 und ganz und gar nicht glauben konnte, „daß das eigentliche Lernen in der Jurisprudenz erst nach dem zweiten Examen anfange.“ 2516 Jedenfalls war Windscheid noch in seiner Spätzeit so attraktiv, dass die Auditorien gefüllt waren2517 und auch die Anzahl der Leipziger
305 f. (= StUB Göttingen NL Planck G 10 Nr. 80), S. 305, zu Wilhelm Planck (1866– 1901) ebd. S. 303 Fn. 98. 2511 Am 29.6.1887 versicherte Windscheid Gerber anlässlich seines 70. Geburtstags, „daß ich auch ferner bestrebt sein werde, das, was mir an Kraft noch beschieden sein wird, im Dienste des mir anvertrauten Amtes und der Wissenschaft zu verwenden“ (HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid). Am 21.6.1891 berichtete Windscheid seiner Tochter Grete von der Promotion zweier Hamburger am Vortag (Familiennachlass Windscheid), und am 28.1.1892 wirkte Windscheid am öffentlichen Rigorosum des Prinzen Max mit (Leipziger Zeitung vom 29.1.1892, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10200/5 Bl. 63). 2512 An der Einweihung des neuen Juridikums am 30.10.1882 durch den Dekan Friedberg, E. Friedberg, Juristenfakultät (1909) S. 110, nahm auch Windscheid teil, Windscheid am 24.10.1882 aus Berlin an Rektor Zarncke, UB Leipzig NL Zarncke Brief Nr. 9. 2513 Zum SS 1885 kam der Romanist und Zivilprozessrechtler Oskar Bülow (1837– 1907), Personal-Verzeichniss Leipzig SS 1885, S. 6, im WS 1887/88 der Kirchenrechtler Rudolph Sohm (1841–1917), Personal-Verzeichniss Leipzig WS 1887/88, S. 7. 2514 Schmidt konkurrierte jetzt statt mit Windscheid mit Johannes Emil Kuntze, Verzeichnis Vorlesungen Leipzig WS 1883/84, S. 36 u. SS 1884, S. 35. – 1885/86 gehörte Prinz Friedrich August Hz. zu Sachsen für zwei Semester zu Windscheids Hörern, Prinz Friedrich an Minister Gerber am 1.3.1886, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10012/5 Bll. 67–69. 2515 B. Windscheid, Rede des antretenden Rectors, in: Rektoratswechsel an der Universität Leipzig (1884), S. 17–36, 34. s. auch Windscheid an G. Planck am 4.1.1885, Schubert, Windscheids Briefe an Planck (1978) S. 283–326, 303 f. (= StUB Göttingen NL Planck G 10 Nr. 78), S. 303. – Ein ,Grundriß‘ von 71 Seiten zur Pandektenvorlesung, gedruckt 1885, liegt in der UB Leipzig MS 01123. 2516 Windscheid entrüstet an Heinrich Friedberg am 25.4.1887, BA Berlin, NL Friedberg Bl. 139–141, 139v f. nach dessen entsprechender Behauptung im preuß. Abgeordnetenhaus; nach Erklärung Versöhnung am 28.4., ebd. Bll. 142 f. 2517 In den Pandekten hatte Windscheid im Winter bis zum Schluss zwischen 267 und 349, im Sommer zwischen 150 und 190 Hörer. Die Zahlen in den Institutionen stiegen nach 1887 auf deutlich über 120 bis 168 an: HStA Dresden 11125 Ministerium
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Jurastudenten wieder anstieg.2518 Allerdings konnte auch er nichts mehr daran ändern, dass Leipzig nun hinter Berlin und München nur noch die drittgrößte juristische Fakultät im Reich hatte.2519 Nach dem Erscheinen des BGB-Entwurfs 1888 kündigte Windscheid seine Pandektenvorlesung „mit Berücksichtigung des Entwurfs eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs“ an,2520 ohne dass sich an ihrem Inhalt Wesentliches geändert haben dürfte. Zumindest hat Windscheid die alten Manuskripte weiterverwendet.2521 Windscheids Bedeutung für die Universität wird auch daraus deutlich, dass er zum nächsten möglichen Termin, am 30. Juli 1884, von der Universitätsversammlung2522 zum Rektor für das Jahr 1884/85 gewählt wurde.2523 Er nahm die Wahl deshalb an, weil er es angesichts seines Alters für sich und seine Familie nützlich hielt, sich nicht „einseitig in juristische Gedankenkreise einzuschließen“.2524 Gleichzeitig schmerzte ihn der Zeitverlust, den seine vielfältigen amtlichen Verpflichtungen2525 mit sich brachten.2526 In der traditionell zu haltenden des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10038/3 (1883–1886) und 10038/4 (1887– 1892). 2518 1884–1892 hörten in Leipzig im Sommer durchschnittlich 802, im Winter 908 Jurastudenten, also 80 bis 100 mehr als in den Jahren 1881–1883. Allerdings nahm die Zahl der Nichtsachsen von 1880 ca. 75% bis 1892 auf 37% ab, E. Friedberg, Juristenfakultät (1909) S. 109. 2519 Conrad, Statistik (1893) S. 115–168, 120 f., teilt der Juristenfakultät Leipzig ab dem Jahrfünft 1876/81 nach Berlin den 2. Platz und ab dem Jahrfünft 1886/91 nach Berlin und München den 3. Platz zu. 2520 Ab WS 1888/89, Verzeichnis der Vorlesungen Leipzig S. 34. s. auch Windscheids handschriftliche Vorlesungsankündigung vom 16.10.1888 zum WS 1888/89, UB Leipzig Slg. Tant. 2521 Erhalten sind die Bll. 1–9 (Einleitung), 141–159 (Sachenrecht), 160–199 (Obligationenrecht), 200–205 (Familiengüterrecht), 206–245 (Erbrecht) und 246–299 (Aktionenrecht) der Institutionenvorlesung mit Datierungen Windscheids von 1858 bis 1892 (StUB Göttingen NL Windscheid, B. Kasten 2 Nr. 11, 1–3) sowie die Bll. 4–32, 83–118 (Allgemeiner Teil), 159–180, 183–238 (Sachenrecht), 239–450 (Obligationenrecht) und in neuer Zählung 1–48 (Familienrecht), 48a–180, 200–202 (Erbrecht) der Pandektenvorlesung mit Datierungen Windscheids von 1880 bis 1892 (ebd. Kasten 1 Nr. 1 bis 6,3). 2522 Diese, bestehend aus allen ordentlichen und ao. Professoren, wählte seit 1880 den Rektor, §§ 28 f. des Statuts der Universität Leipzig vom 15.3.1880, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10034/10 Bl. 104 S. 10. 2523 Rektor Heinze am 30.7.1884 ans Ministerium, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10001/2 Bl. 55: gewählt mit 43 von 47 Stimmen; Wahl tags darauf vom Ministerium bestätigt, ebd. Bl. 56r (= ebd. 10281/313 Bl. 102). – Zur Beteiligung des Rektors an den Inskriptionsgebühren und seiner weiteren Remuneration s. Senat (Rektor Zarncke) ans Ministerium am 18.8.1872, ebd. 10034/10 Bl. 6–8r, Antwort Gerbers vom 28.8.1872, ebd. Bl. 9, und Ministerialerlass an das Rentamt vom 30.1.1873, ebd. Bl. 16v. 2524 Windscheid an Luise Burckardt-His am 22.12.1884 aus Leipzig, Familiennachlass Windscheid. 2525 Windscheid war als Rektor Mitglied der Immatrikulationskommission und Vorsitzender des Universitätsgerichts (Personal-Verzeichniss WS 1884/85 S. 16), Vorsitzender der Verwaltungsdeputation (ebd. S. 17), der Convictdeputation, der Albrecht-Stif-
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Antrittsrede am 31. Oktober 18842527 bot Windscheid einen kurzen Überblick über allgemeine Fragen der Rechtswissenschaft. Dabei wiederholte er auch seine alte Überzeugung von der Rechtswissenschaft als praktischer Wissenschaft.2528 In die Alltagsgeschäfte des Rektorats arbeitete sich Windscheid nicht mehr intensiv ein. Eine Reihe von Briefen an den damaligen Prorektor, den Philologen Zarncke, zeigt, dass sich Windscheid in vielen Fällen auf den Rat dieses Kollegen verließ.2529 An dem Konzept des Schreibens, das Minister Gerber nach Ablauf des Rektorats an Windscheid richtete, fällt auf, dass das Wort „Anerkennung“ gestrichen ist und er statt für eine „umsichtige“ lediglich für „hingebende Thätigkeit“ zum Wohle der Universität dankt.2530 Wahrscheinlich in die Zeit seines Rektorats fällt eine weitere Rede, in der Windscheid vor der „universitas literarum“ und zu Ehren des Königs über den Zustand des Zivilrechts und insbesondere über den guten Glauben referierte. Eine genauere Datierung oder Bestimmung des Anlasses lässt das erhaltene Fragment des Manuskripts leider nicht zu.2531 Auch nach 1885 war Windscheid noch im Dienste der Universität tätig. Im August 1886 fuhr er mit Binding als Delegierter Leipzigs zur 500-Jahr-Feier der Universität Heidelberg,2532 wo er eine Reihe alter Bekannter traf.2533 Seit 1887 war Windscheid für die Verwaltung der Albrecht-Stiftung zuständig.2534 Der wissenschaftlichen Auseinandersetzung konnte sich Windscheid jetzt wieder mehr als noch in Berlin widmen. So erschienen noch zwei weitere Auflagen tung, der Haase’schen Stiftung, der Freitisch-Stiftungen, Direktor der allg. studentischen Krankenkasse (ebd. S. 18), des Armendirectoriums, in der Quästur-Revisionskommission und Vorsitzender der Gestundungskommission (ebd. S. 19). 2526 Windscheid an Luise Burckardt-His am 22.12.1884 aus Leipzig, Familiennachlass Windscheid. 2527 Amtsantritt des Rektors am 31.10. nach § 6 des Universitätsstatuts vom 15.3. 1880, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10034/10 Bl. 104 S. 5. 2528 „Es ist schön, sich im Aether reiner Erkenntniß zu wiegen; es ist schöner, für das Wohl der Menschheit zu arbeiten“: B. Windscheid, Recht und Rechtswissenschaft (1884) S. 17–36, 25. 2529 Zwischen 22.3. und 13.10.1885 sind 10 Briefe Windscheids als Rektor an Zarncke erhalten mit der Bitte, ihn bei den Rektoratsgeschäften zu unterstützen bzw. zu vertreten, UB Leipzig NL Zarncke, Briefe Windscheids Nr. 11–20. 2530 Gerber an Windscheid (Konzept) am 1.10.1885, HStA Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10001/2 Bl. 61r (= 10281/313 Bl. 104). 2531 StUB Göttingen NL Windscheid Kasten 3 Nr. 15 Bll. 4–9, 26–31 u. 47–63, dort wird Bl. 9 Bülow, Gesetz und Richteramt, erschienen 1885, zitiert. Anlass mag des sächsischen Königs Geburtstag oder Regierungsantritt sein. 2532 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 21.5.1886 aus Leipzig, Familiennachlass Windscheid. 2533 So waren etwa neben Windscheid und Binding anwesend Baumstark aus Greifswald, Fitting aus Halle, Julius Jolly aus München, Theodor Mommsen und Heinrich v. Treitschke aus Berlin sowie Ludwig Urlichs aus Würzburg, Ruperto Carola, Illustrirte Fest-Chronik (1886), S. 229 f. 2534 Personal-Verzeichniss Leipzig SS 1887, S. 19.
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seines Lehrbuchs. Dabei wurde besonders die 6. Auflage 1887 nach vorbereitenden Überlegungen zum Gewohnheitsrecht und zum subjektiven Recht2535 noch einmal gründlich durchgesehen und aktualisiert,2536 während er sich bei der 7. Auflage 1891 auf – möglichst vollständige – Zusätze beschränken musste.2537 Daneben verfasste Windscheid 1887 ein Gutachten zum Bau der Hafenanlagen von Patras, das ihm Gelegenheit gab, seine Voraussetzungslehre praktisch anzuwenden.2538 Im letzten Lebensjahr 1892 erschienen auch die letzten beiden Abhandlungen, zum einen über ,die indirekte Vermögensleistung‘ in der Festschrift für den Leipziger Kollegen Otto Müller,2539 zum anderen noch einmal eine Stellungnahme zur Voraussetzungslehre, in der Windscheid seine Erfindung besonders gegen Angriffe Otto Lenels verteidigte.2540 Neben diesen Arbeiten zum geltenden Recht galt Windscheids Interesse in gleichem Maße dem entstehenden neuen Gesetzbuch. Die zahlreichen, von Werner Schubert veröffentlichten Briefe Windscheids an Planck zeigen, dass er an der Entstehung des BGB bis hin zum Entwurf von 1888 fortlaufend Anteil nahm und seine Vorschläge über den Freund Planck auch Eingang in die Beratungen fanden.2541 Von Oertmann wissen wir, dass Windscheid eine Geschichte der Entstehung des BGB schrieb,2542 die als authentischer Bericht eines Zeitzeugen von höchstem Interesse wäre, jedoch bis jetzt noch und möglicherweise für immer als verschollen gelten muss. Erhalten sind dagegen Teile eines Lehrbuch- oder Vorlesungsmanuskripts, in dem es Windscheid ab 1887 anhand der Protokolle der ersten Kommission unternimmt, das neue bürgerliche Recht des deutschen Reiches vorzustellen.2543 Noch im Alter von 70 Jahren versuchte Windscheid also auf Reichsebene das, was er in Gestalt des württembergischen Privatrechts 1880 2535 s. Windscheid an Planck am 23.12.1883, Schubert, Windscheids Briefe an Planck (1978) S. 283–326, 293 (= StUB Göttingen NL Planck G 10 Nr. 72), und am 21.1.1884, ebd. S. 296 f., 297 bzw. Nr. 73. 2536 B. Windscheid, Lehrbuch (61887) I, Vorrede S. VIII. – An dieser Auflage arbeitete Windscheid seit Anfang 1884 (Windscheid an Gerber am 20.3.1886, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid), intensiv seit Anfang 1886 (Windscheid an G. Planck am 4.1.1885 [1886?] u. 13.1.1886, Schubert, Windscheids Briefe an Planck (1978) S. 283– 326, 303 f. u. 304 f. = StUB Göttingen NL Planck G 10 Nr. 78 u. 79). Der Druck begann bereits im März 1885, B. Windscheid, Lehrbuch (61887) I, Vorrede S. VIII. 2537 B. Windscheid, Lehrbuch (71891) I, Vorrede S. VII f., ebd. VIII: Druckbeginn bereits im Herbst 1889. Zum Werk Ihering an Windscheid am 3.5.1891, Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 32 S. 64 f. (= Ihering in Briefen (1913) S. 427–430), S. 64. 2538 B. Windscheid, Gutachten betr. d. Hafen v. Patras 1887, StUB Göttingen NL Ihering Kasten 8 Nr. 13 Bll. 7–25. 2539 B. Windscheid, indirekte Vermögensleistung (1892) S. 1–26. 2540 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 161–202. 2541 Schubert, Windscheids Briefe an Planck (1978) S. 283–326 mit 18 Briefen zwischen dem 18.4.1883 und dem 10.12.1891 (= StUB Göttingen NL Planck G 10 Nr. 71– 89). s. auch Windscheid an OLG-Rat Neubauer am 13.10.1887, UB Basel Autogr. Slg. Menzel W. 2542 Oertmann, Lebensgang (1904) S. IX–XX, XVIII.
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als größte zivilistische Leistung Wächters gerühmt hatte. Die zahlreichen und vielfältigen Angriffe gegen den 1888 erscheinenden Entwurf hatte Windscheid zwar erwartet, er hielt sie aber im großen und ganzen für nicht gerechtfertigt.2544 Ihm war ein unvollkommenes, aber verabschiedetes Gesetz wichtiger als lang andauernde Verbesserungsversuche, die doch zu keinem allgemeinen Konsens führen könnten,2545 zumal es für ihn ja weiterhin Aufgabe der Wissenschaft blieb, das Gesetz kritisch und verbessernd zu begleiten. Daher war er mit dem weiteren, ins Einzelne gehenden Vorgehen der zweiten Kommission nicht einverstanden.2546 Dabei spielt sicher auch eine Rolle, dass dadurch für Windscheid die Chance, den ersehnten Moment der Rechtseinheit in Deutschland noch selbst mitzuerleben, immer weiter abnahm.2547 1888 wurde Windscheids wissenschaftliche Leistung, besonders anlässlich seines 50jährigen Doktorjubiläums am 22. Dezember, in großem Maßstabe gewürdigt. Schon zuvor erhielt er im September des selben Jahres die ihm im Rahmen ihrer 800-Jahr-Feier in Abwesenheit verliehene Ehrendoktorwürde der Universität Bologna, der Wiege der abendländischen Pandektistik.2548 2543 StUB Göttingen NL Windscheid Kasten 2 Nr. 7–10,2 und Nr. 12, dort: Nr. 7 Bll. 36–52 Fragmente des Allgemeinen Teils; Nr. 8, 1–3 Bll. 2–5, 38–258 Sachenrecht, datiert 6.3. bis 16.10.1887; Nr. 9 Bll. 93–124v aus dem Ehegüterrecht, Datierungen Jahreswende 1887/88; Nr. 10, 1+2 Bll. 77–219, Erbrecht, Datierungen Mitte 1888 bis Ende 1889, Nr. 12 nur 6 Bll. (2–4c), undatiert. – Oertmann, Jurist (1904) S. XXI– XXXVI, weiß (S. XXXII) von einer ersten Skizze eines Lehrbuchs des neuen Rechts. 2544 s. Windscheid an Planck am 7.10.1886, Schubert, Windscheids Briefe an Planck (1978) S. 283–326, 305 f. (= StUB Göttingen NL Planck G 10 Nr. 80), S. 306, und am 26.9.1889, ebd. S. 307 f. (Nr. 84). Aufschlussreich hierzu Windscheids Brief an H. Friedberg vom 8.10.1888, BA Berlin, NL Friedberg Bll. 145 f. u. 128–130, zum heftig attackierten § 118 BGB-E 1888, Bl. 145r: „Gerade dieser Paragraph ist bezeichnend für die Art und Weise, wie der Entwurf denkt und sich ausdrückt, und ein Beleg für das, was ich sagte: der Entwurf denkt richtig, aber die Gestalt, in welcher er auftritt, bedarf vielfach erst der Auflösung.“ Bl. 130v: „Freilich verlangt der Entwurf, dass der Leser sich in seinen Gedanken hineindenke“ und das dafür nötige Wissen mitbringe. 2545 Das zeigen die Briefe Windscheids an Planck am 28.6. und 10.12.1891, Schubert, Windscheids Briefe an Planck (1978) S. 283–326, 309 f. (= StUB Göttingen NL Planck G 10 Nrn 88 u. 89). 2546 s. die Briefe Windscheids an Planck am 31.12.1890 und 28.6.1891, Schubert, Windscheids Briefe an Planck (1978) S. 283–326, 309 f. (= StUB Göttingen NL Planck G 10 Nrn 87 u. 88). 2547 Zu Windscheids vergeblichem Wunsch, die Geltung des BGB noch zu erleben, s. Lotte Windscheid an Gottlieb Planck am 7.11.1892, StUB Göttingen NL Planck G 10 Nr. 92. 2548 Gemeinsam mit Roscher und Ludwig, Leipzig, sowie Felix Klein, Göttingen, s. die Vorgänge vom 6.9.1888, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10030 Bll. 281v u. 282r, vom 12.9., ebd. Bl. 283, und vom 1.11, ebd. Bl. 285. Weitere Ehrenpromotionen erfolgen 1888/89 durch die Universität Leipzig (Dr. phil., wohl im Zusammenhang mit dem Doktorjubiläum 1888, s. Personal-Verzeichniss Leipzig SS 1889, S. 6) und 1890 durch die Universität Edinbourgh (Personal-Verzeichniss Leipzig WS 1890/91, S. 6).
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Die Vorbereitungen zu Windscheids Doktorjubiläum begannen an Deutschlands Universitäten bereits zu Beginn des Jahres 1888.2549 Am Festtag selbst wurden dann Windscheid nicht nur Festschriften der Universitäten Breslau, Rostock und Leipzig2550 sowie Glückwunschadressen mancher anderen Universität2551 überreicht, sondern er wurde auch vom badischen wie vom sächsischen Herrscher durch weitere Ordensverleihungen ausgezeichnet2552 und erhielt von Prinz Ludwig III. persönlich ein Glückwunschtelegramm.2553 Die Gratulanten2554 waren sich über Windscheids große Leistung als Lehrer und Lehrbuchautor einig und erkannten auch sein Engagement in der Gesetzgebungskommission an, zögerten aber selbst bei diesem Anlass mit ihrem Urteil über den eben erschienenen Entwurf.2555 Auffallend ist auch, dass die Gratulation aus Göttingen Regelsberger und nicht Ihering verfasste,2556 wohl ein Zeichen dafür, dass sich Ihering über den Wert von Windscheids Lehre und Methode nicht mehr so sicher war. Dagegen zögerte Windscheid nicht, Ihering bei dessen Jubiläum 1892 trotz aller Ablehnung seiner Interessentheorie als den „geistvollsten“(!) lebenden Juristen zu loben und den Leipziger Glückwunsch an ihn zu verfassen.2557 Windscheid 2549 Bereits am 24.2.teilte der Dekan der jur. Fak. Leipzig Adolf Schmidt z. B. den Fakultäten in Göttingen (UA Göttingen J 134 Ehrungen, Gratulationen etc. 1882–1899) und Greifswald (UA Greifswald Jur.Fak. 336 S. 2) die bevorstehende Feier mit. 2550 Festgabe der Leipziger Juristenfakultät (1888), mit ehrender Vorrede, in der die Fakultät ein „für die Fakultätsaula bestimmtes Brustbild, welches zufolge Beschlusses der Fakultät von Künstlerhand gefertigt worden ist“, als ihr Geschenk bezeichnet; Festschrift, überreicht von der Juristenfakultät zu Breslau (1888), mit kurzer Widmung; Festschrift, hrsg. von der Rostocker Juristenfakultät (1888), ohne Widmung. 2551 Etwa Göttingen: Entwurf vom 13. und Druck vom 22.12.1888, UA Göttingen J 134 Ehrungen, Gratulationen etc. 1882–1899; Greifswald: vom 21.12., entworfen von Pescatore, UA Greifswald Jur. Fak. 336 S. 3–5. 2552 Stern zum Kommandeurkreuz 2. Klasse mit Eichenlaub des badischen Ordens vom Zähringer Löwen (Großherzogl. Dekret vom 19.12., GLA Karlsruhe 76/10089, und HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/ 313 Bl. 112) und Komthurkreuz 1. Klasse des sächsischen Albrechtordens (s. die Vorgänge zwischen dem 15.11. und 22.12.1888, HStA Dresden 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts 10281/313 Bll. 107–111). 2553 s. Windscheids Dank vom 25.12.1888, HStA München Geh. Hausarchiv NL Ludwig III.232. 2554 Nachweisbar sind Glückwünsche von Julius Friedrich C. Weizsäcker (Windscheid an Weizsäcker am 19.12.1888, SBPK-Berlin NL Weizsäcker III), von der BGBKommission, am 22.12. von G. Planck und Mandry persönlich überreicht (StUB Göttingen NL Planck G 10 Nr. 5), von Heinrich Sybel (Windscheid an Sybel am 25.12.1888, GStA PK Rep. 92 v. Sybel B 1 XLIX Bl. 35) und von Schulte (Windscheid am 4.1.1889 [irrtüml. datiert 1888] an Schulte, BSB München Schulteana 12,76 Windscheid, Bernhard). 2555 So die Jur. Fak. Göttingen, UA Göttingen J 134 Ehrungen, Gratulationen etc. 1882–1899. 2556 Dekan Frensdorff am 13.12.1888 an Jur. Fak. Göttingen, UA Göttingen J 134 Ehrungen, Gratulationen etc. 1882–1899. 2557 Windscheid an Ihering am 4.8.1892, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 102.
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nahm die Feier, wie sie gemeint war, als unverbindliche Ehrung eines alten Mannes, an die, auch wenn ihm die Wissenschaft möglicherweise viel verdankte, nicht der Maßstab seriöser wissenschaftlicher Kritik angelegt werden dürfe.2558 Windscheid war aber in Leipzig nicht nur Professor, sondern auch Bürger einer Stadt, die besonders ab 1870 einen ungeheuren, insbesondere industriellen Aufschwung erlebte.2559 Dadurch schwoll die Bevölkerung in Leipzig und in den die Stadt umgebenden Gemeinden in unvorhergesehener Weise an.2560 Es entwickelte sich ein Massenproletariat, das Leipzig nicht nur zu einem Zentrum der sozialistischen Bewegung machte,2561 sondern auch die bürgerliche Wohltätigkeit vor große Aufgaben stellte. Hier setzten sich nicht nur Windscheids Frau,2562 sondern auch er selbst mit großem Engagement ein. Er war seit 1876 bis zu seinem Tode Vorstandsmitglied der gemeinnützigen Gesellschaft, 1880 Armenpfleger, danach für sieben Jahre Mitglied des Armendirektoriums und übernahm 1886 die einführende Berichterstattung in der Frage der Errichtung von Mädchenhorten zur Betreuung von Kindern berufstätiger Eltern.2563 Dass sich Windscheid bei dieser Tätigkeit mit den sozialen Spannungen seiner Zeit auseinandersetzte, zeigt seine Einschätzung der Situation wie der Leistung Bismarcks anlässlich der Bismarckfeier am 1. April 1885. In seiner Rede stellte er fest, dass Bismarck „gegenüber dem großen nie gelösten und vielleicht nie zu lösenden Räthsel der ungleichen Verteilung der Güter, statt, wie so Viele, die Meisten, die Hände quietistisch in den Schooß zu legen, wenigstens auf Linderung der Übelstände bedacht gewesen ist. Vielleicht, daß dereinst der Geschichtsschreibung dieses Blatt in seinem Lorbeerkranz in höherem Glanze erscheinen wird, als der 2558 Windscheid an Sybel am 25.12.1888, GStA PK Rep. 92 v. Sybel B 1 XLIX Bl. 35, 35v: „Die Feier meines Jubiläums ist in der üblichen Weise verlaufen. Es wird Einem an einem solchen Tage viel Lobes gesagt, und man denkt sich das Seinige dabei.“ – Gedruckte Danksagungen Windscheids für unzählige Grüße, Glückwünsche und Teilnahme vom 26.12.1888 in der Stadt- u. Landesbibl. Dortmund Atg: 14915 und der SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 3 u. 4. Windscheids Dank nach Greifswald vom 4. und 7.1.1889 UB Greifswald, Windscheid-Briefe IV bzw. UA Greifswald Jur.Fak. 336 S. 7 f., sein Dank nach Göttingen vom 8.1.1889 UA Göttingen J 134 Ehrungen, Gratulationen etc. 1882–1899. 2559 Leipzig in acht Jahrhunderten (1965) S. 143–151. 2560 Czok, Wissenschaftsentwicklung (1984) S. 191–228, 191: 1889–1892 wurden insgesamt 17 Vororte eingemeindet, z. B. Reudnitz (> 20.000 Einwohner). Um 1900 war Leipzig Großstadt (456.000 E). Zwischen 1871 und 1895 wuchs die Stadt von 107.000 auf 400.000 Einwohner, Leipzig in acht Jahrhunderten (1965) S. 147. 2561 Leipzig in acht Jahrhunderten (1965) S. 161–168, 185 f. und Staude Sozialdemokratie (1969). 2562 Dazu Wolff-Arndt, Frau Lotte Windscheid zum achtzigsten Geburtstage (21. November), 17. Beilage der Leipziger Neuesten Nachrichten Nr. 320 vom 20.11.1910. 2563 Gensel, Windscheid und die Gemeinnützige Gesellschaft (1909) Sp. 113; Binkau, in: „Zur Erinnerung an die Feier der Bestattung von Bernhard Windscheid“, MS-Druck, Familiennachlass Windscheid, S. 15–18, 17; Oertmann, Lebensgang (1904) S. IX–XX, XVIII (auch Einsatz für den Tierschutzverein).
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Gegenwart.“ 2564 Die Stadt Leipzig verlieh Windscheid in Anerkennung seiner Verdienste „insbesondere auch um unsere Stadtgemeinde, namentlich auf dem Gebiete der Wohlthätigkeit“ im Januar 1890 die Ehrenbürgerwürde.2565 Windscheids schriftlicher Dank dafür zeigt, dass er auf diese Ehrung als Mensch und Bürger ganz besonders stolz war.2566 Für die Familie Windscheid waren diese letzten Leipziger Jahre mehr als bisher Jahre der Veränderung. Die älteste Tochter Käthe setzte ihre Studien fort, fuhr zur Verbesserung ihrer sprachlichen Fähigkeiten nach England und in die französische Schweiz und bildete sich zur Lehrerin aus.2567 Sie setzte sich für ihren geliebten Beruf ebenso ein wie für die Interessen des Lehrerinnenverbandes, dessen Mitglied sie 1888 war.2568 Ihre intellektuelle Neigung und ihr Durchsetzungsvermögen machten es möglich, dass sie am 16. Februar 1895 als erste Frau von der Universität Heidelberg mit einer Arbeit zur englischen Hirtendichtung zum Dr. phil. promoviert wurde.2569 Zugleich ist sie als eine der frühen Frauenrechtlerinnen Leipzigs zu betrachten.2570 Der Sohn Franz beendete sein 2564
B. Windscheid, Bismarck als Staatsmann und Parlamentarier (1885) S. 3–9, 8. Rat der Stadt Leipzig (Dr. Georg) am 12.1.1890 an die Stadtverordnetenversammlung (auch Zitat), Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung des Stadtverordnetenkollegiums vom 15.1., StadtA Leipzig o. Sign. – Noch heute trägt die Verlängerung der August-Bebel-Straße im Süden Leipzigs [Connewitz, 1891 eingemeindet, Leipzig in acht Jahrhunderten (1965) S. 147] Windscheids Namen. 2566 Windscheid an das Stadtverordnetenkollegium am 21.1.1890, StadtA Leipzig o. Sign. Wortlaut des Dankschreibens Windscheids an das Stadtverordnetenkollegium für diese Ehrung auch in der Leipziger Zeitung, undatierter Ausschnitt Familiennachlass Windscheid; Oertmann, Lebensgang (1904) S. IX–XX, XVIII f. 2567 1. Examen im Dezember 1882, Windscheid am 23.5.1882 an Luise BurckhardtHis, Familiennachlass Windscheid, und am 22.12.1882 an einen ungenannten Kollegen in Leipzig, BSB München, Neue Autogr. B. Windscheid 2. Mappe Nr. 2. Weiter Windscheid an Luise Burckhardt-His am 20.5.1883, 22.5.1884, 21.5. u. 9.8.1885, 21.5.1886, alle Familiennachlass Windscheid. 2568 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 1.1.1888, Familiennachlass Windscheid: Käthe sei begeisterte Lehrerin mit starkem Interesse „auch an den allgemeinen Angelegenheiten des Lehrerstandes“. Anfrage Käthe Windscheids bei Sybel im Namen des Leipziger Lehrerinnen-Vereines am 4.11.1888, GStA PK Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bll. 6 f. Windscheid an Luise Burckhardt-His am 26.5.1889, Familiennachlass Windscheid: Käthe „verfolgt mit Eifer ihre Bestrebungen zur Hebung des Lehrerinnenstandes“. Windscheid an Luise Burckhardt-His am 11.10.1891, ebd., Käthe leitete die „Anstalt für Verschaffung von Stellen an Lehrerinnen“, wollte höhere Bildung für Mädchen erreichen. 2569 K. Windscheid, Die englische Hirtendichtung von 1579–1625. „Näheres ist wegen des Verlusts der Fakultätsakten nicht mehr feststellbar.“ Weisert, Verfassung (1974) S. 109. – Am 22.5.1892 berichtete Windscheid Luise Burckhardt-His, dass sich Käthe intensiv in Altenglisch und Altsächsisch einarbeite, Familiennachlass Windscheid. 2570 Das zeigen ihre Vorträge ,Erziehung und Bildung unserer Töchter‘ in der Mitgliederversammlung der Vereins Frauenbildung-Frauenstudium in Mannheim 1905 und ,Dem Gedächtnis Henrik Ibsens‘ im Frauenclub Leipzig 1907 und besonders der Privatdruck ,Zur Feier von Käthe Windscheids 70. Geburtstag‘ (28.8.1929) im Familiennachlass Windscheid. 2565
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Medizinstudium,2571 wurde Assistenzarzt an der Neurologischen Klinik in Leipzig,2572 heiratete 1889 in Frankfurt die Tochter des Oberlandesgerichtsrats und Vetters von Frau Windscheid H. Graefe, Maria,2573 und ließ sich in Leipzig als Neurologe nieder,2574 in welchem Fach er sich auch habilitierte.2575 Während seines Aufenthalts in Frankfurt hielt Windscheid am 22. September 1889 vor der dortigen juristischen Gesellschaft beim Festessen zur Feier des 50jährigen Dienstjubiläums des Oberlandesgerichtspräsidenten Albrecht jene berühmte Rede, in der er das juristische Denken über den praktischen Takt stellte, zugleich aber auch für den Fall einer dadurch erzwungenen unbilligen Entscheidung Abhilfe von der Gesetzgebung erwartete.2576 Franz Windscheid und seiner Frau wurde am 16. Dezember 1890 die erste Tochter Emmi geboren,2577 das einzige Enkelkind, dessen Geburt Windscheid noch erlebte.2578 Seit August 1887 war Grete, die jüngere der Zwillinge, mit dem angehenden Juristen Fritz Bendixen aus Hamburg verlobt.2579 Die Heirat folgte am 28. Februar 1891.2580 Seit 1889 korrespondierte der spätere Direktor der Hamburgischen Hypothekenbank und Geldtheoretiker Bendixen regelmäßig mit seinem Schwiegervater, wobei er diesen um sein Urteil zu verschiedenen Hamburger Rechtsstreitigkeiten bat.2581 Aus 2571 1. Staatsexamen Sommer 1883, Windscheid an Luise Burckhardt-His am 20.5. 1883, Familiennachlass Windscheid. Letztes Examen Ende 1886, Windscheid an Luise Burckhardt-His am 21.5.1886, Familiennachlass Windscheid. 2572 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 21.5.1887 und 1.1.1888, Familiennachlass Windscheid. 2573 Über die Verlobung Windscheid an Luise Burckhardt-His am 1.3.1888, Familiennachlass Windscheid. Hochzeit am 19.9.1889: Stammbuch S. 29 und Windscheid an Luise Burckhardt-His am 23.9.1889, Familiennachlass Windscheid, Windscheid am 11.9.1889 an H. Friedberg, BA Berlin NL Friedberg Bl. 149. 2574 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 6.8.1889, Familiennachlass Windscheid. 2575 Franz’ Habilitation meldete das Literarische Centralblatt f. Deutschland Nr. 34 vom 15.8.1891 Sp. 1183 f. 2576 B. Windscheid, Rede Dr. Albrecht (1889) (auch Familiennachlass Windscheid). 2577 Stammbuch S. 29 und Windscheid an Luise Burckhardt-His am 31.12.1890, beides Familiennachlass Windscheid. 2578 Am 6. Dezember 1891 wurde das 1. Kind von Fritz und Grete Bendixen tot geboren, Windscheid am 7.12.1891 an Fritz, am 10.12.1891 an Grete Bendixen, beide Familiennachlass Windscheid, und am 10.12.1891 an G. Planck, StUB Göttingen Nl Planck G 10 Nr. 89. 2579 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 5.8.1887, Familiennachlass Windscheid: „Die Verlobung ist früh, . . . . Aber der junge Mann ist ernst und tüchtig und gehört einer guten Familie an.“ 2580 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 31.12.1890 und am 22.5.1891, beide Familiennachlass Windscheid. 2581 Für die Jahre 1889–1891 sind im Familiennachlass Windscheid ein Brief Bendixens an Windscheid vom 26.10.1891 und elf Briefe Windscheids an Fritz Bendixen erhalten (14.7., 20.8., 10.12.1889, 21.1. u. 7.6.1890, 30.5., 14.6., 9.8., 29.9., 7.12. u. 30.12.1891). Sie enthalten teilweise ausführliche juristische Erörterungen und Diskussionen. Bendixen schreibt am 10.11.1905 an G. F. Knapp, dass er in diesen Jahren von
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
diesem Briefwechsel wird deutlich, dass Windscheid jederzeit bereit war, einzelne Auskünfte in seinem Lehrbuch, die sich als nicht praktikabel erwiesen, zu korrigieren.2582 Die Tochter Lotte, die das zeichnerische Talent ihrer Mutter geerbt hatte und an der Kunsthochschule Karlsruhe weiter ausbildete,2583 war zuletzt das einzige Kind, das dem trotz glücklicher Ehe2584 die wachsende Einsamkeit fürchtenden Windscheid blieb. Sie fühlte sich verpflichtet, zusammen mit ihrer Mutter Windscheids Lebensabend zu begleiten2585 und heiratete erst nach dessen Tod den Zivilrechtler und zuletzt Göttinger Ordinarius, Paul Oertmann.2586 Neben den selbständig werdenden Kindern verlor Windscheid durch den Tod seine Schwester Maria2587 und den Bruder Wilhelm.2588 Windscheids Freundeskreis in Leipzig und außerhalb blieb, abgesehen vom Tod Otto Stobbes 1887,2589 erhalten.2590 Neuen Kontakt gewann Windscheid zum Rostocker Ordinarius und Schwiegersohn Iherings, Victor Ehrenberg.2591 Zu Windscheid „sehr stark beeinflusst“ worden sei, Knapp/Bendixen, Theorie des Geldes (1958) S. 15. 2582 Windscheid an Bendixen am 14.7.1889, Familiennachlass Windscheid, zum Anspruch der geschiedenen Frau auf Witwenversorgung, Lehrbuch § 510, und am 30.12. 1891 zu § 271 Note 2: „Die Fassung . . . ist nicht genau genug“. 2583 Windscheid am 31.12.1890 an Luise Burckhardt-His, Familiennachlass Windscheid. 2584 Davon legen Briefe Windscheids wie seiner Frau beredtes Zeugnis ab, s. Windscheid an Luise Burckhardt-His am 19.5.1879, Familiennachlass Windscheid; Lotte Windscheid an Paul Heyse am 3.9.[1879] zum 21j. Verlobungstag und am 4.1.1893, BSB München Heyse-Archiv VI Windscheid, Lotte Nr. 5 u. 6; Windscheid am 17.10. 1883 vor seiner silbernen Hochzeit an Heyse, BSB München Heyse-Archiv VI Windscheid, Bernhard Nr. 14. 2585 Eintragung Lottes vom 30.3.1887, Tagebuch Lotte Windscheid II S. 33–35, Familiennachlass Windscheid. 2586 Heirat am 25.10.1902; über Oertmann (1865–1938) Kleinheyer/Schröder, Juristen (52008) S. 524, Vortmann, Art. Oertmann (1999), und umfassend Brodhun, Oertmann (1999). 2587 Sie starb am 4.10.1885 in Hamburg, Stammbuch S. 13, Familiennachlass Windscheid. 2588 Er starb am 15.4.1891, Stammbuch S. 29 f., Familiennachlass Windscheid. 2589 s. dazu Ihering an Windscheid am 19.5.1887, Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 30 S. 60 f. 2590 Im Herbst 1887 kündigte Sybel seinen Besuch an: Windscheid am 28.9.1887 an Sybel, GStA PK Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 34r. Windscheid beteiligte sich am Festgeschenk für Sybels [Doktor?]Jubiläum, Windscheid am 4.11.1887 an Eduard Zeller, UB Tübingen Md 747(847). – Im November 1889 wurde Windscheid von Zarncke eingeladen, Windscheid an Zarncke am 10.11.1889, UB Leipzig NL Zarncke, Briefe Windscheids Nr. 24. – Im März 1891 war Windscheid mit Tochter Käthe bei Paul Heyse in Meran, s. Briefe Windscheids an seine Frau vom 20., 25., 27. u. 30.3.1891, Familiennachlass Windscheid. 2591 Zur Verlobung Ehrenbergs mit Helene Ihering gratulierte Windscheid am 6.7. 1879, SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 94 f., 94v. – s. die Briefe Windscheids an Ehrenberg vom 2.1.1884, 12.12.1886, 22.9.1887 und 10.3.
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Ihering selbst blieb die Beziehung nach wie vor eng,2592 ungeachtet aller wissenschaftlichen Differenzen, die ihren Höhepunkt erreichten, als Ihering 1889 in seinem Buch über den Besitzwillen die von Windscheid vertretene Lehre einerseits in grober Polemik angriff, andererseits aber bei Windscheid anfragte, ob dieser bereit sei, die Dedikation dieses Buches anzunehmen. Diese Zumutung wies Windscheid verbindlich, aber kategorisch zurück.2593 Über Ihering lernte Windscheid Theodor Kipp kennen, den späteren Herausgeber der 8. und 9. Auflage seines Lehrbuches. Dieser war in Göttingen Iherings Schüler gewesen, wechselte jedoch nach Leipzig, weil er in Göttingen keine Aussicht hatte, als Privatdozent eine Anstellung zu finden.2594 In den 80er Jahren erlebte Windscheid den Aufstieg Josef Kohlers zum für viele Zeitgenossen bedeutendsten Juristen seiner Generation.2595 Windscheids Gesundheit war bis kurz vor seinem Tod so gut, dass er seinen 70. Geburtstag im Vollbesitz seiner Kräfte begehen2596 und, von kurzen Unterbrechungen abgesehen,2597 bis zum Sommer 1892 seine Vorlesungen halten konn1889, SBPK-Berlin NL Viktor Ehrenberg Bll. 1 u. 2–8, in denen Windscheid auch Ratschläge zu Neuberufungen für Rostock gibt. 2592 s. bes. Iherings Charakterisierung Windscheids als Repräsentant der Romanistik vom 18.3.1886, Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 26 S. 57 f., 57 (= Ihering in Briefen (1913) S. 398–400). 2593 Ihering an Windscheid am 5.8.1888, Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 31 S. 62 f. (= Ihering in Briefen (1913) S. 405–408); Windscheid an Ihering am 11.8.1888, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 98 f., 99r: „Du bekämpfst eine Richtung, die Du für verderblich hältst; Du willst sie beseitigen, vernichten, . . . Zu den Vertretern dieser Richtung zählst Du auch mich.“ Ebenso am 9.4.1889, ebd. Bll. 100 f., 100r: „Über den Inhalt mit Dir in freundlicher Weise zu verhandeln, hast Du eigentlich unmöglich gemacht.“ – Windscheids Ablehnung dieses Werkes ist auch deutlich in seinem Brief vom 26.9.1889 an G. Planck, Schubert, Windscheids Briefe an Planck (1978) S. 283–326, 307 f. (= StUB Göttingen NL Planck G 10 Nr. 84), S. 307. 2594 Ihering an Windscheid am 24.7.1886, Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 29 S. 60. Kipp (1862–1931) wird später Professor in Halle, Kiel, Erlangen und Berlin, ebd. Anhang S. 71. 2595 Zu Kohler (1849–1919) s. Kleinheyer/Schröder, Juristen (52008) S. 512. Am 26.8.1883 gratuliert ihm Windscheid zu seinen ,Gesammelten Abhandlungen‘ Bd. 1, SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 2, und am 13.6.1887 schreibt er an Zarncke, UB Leipzig NL Zarncke, Briefe Windscheids Nr. 21, über Kohler, „daß er zu den ,ausgezeichneten‘ deutschen Juristen gehört, wenngleich in der neuern Zeit die Hast seiner Produktion bei Manchen Kopfschütteln erregt hat.“ 2596 Windscheid am 5.8.1887 an Luise Burckhardt-His, Familiennachlass Windscheid: „Mein 70. Geburtstag hat eine mich überraschende Theilnahme gefunden; ich bin mit Besuchen, Briefen u. Telegrammen fast überschüttet worden.“ 2597 Im Februar 1886 fiel Windscheid wegen einer Lungenentzündung für drei Wochen aus, die er im SS nachholte, Windscheid an Luise Burckhardt-His am 21.5.1886 aus Leipzig, Familiennachlass Windscheid. Im WS 1891/92 plagte ihn ein schmerzhafter Bluterguss am Bein, Windscheid am 10.12.1891 an G. Planck, StUB Göttingen Nl Planck G 10 Nr. 89, und an Luise Burckhardt-His am 1.1. und 22.5.1892, Familiennachlass Windscheid.
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
te.2598 Der jährliche Wanderurlaub in den Bergen blieb bis 1892 fester Bestandteil des Jahresablaufs,2599 auch weil Windscheid die Hitze des Leipziger Sommers nur schwer ertragen konnte.2600 In der letzten Zeit litt er an einer Augentrübung, die ihm jedoch bei aller Behinderung den Drang zur Arbeit nicht verleidete.2601 Windscheids Redlichkeit und seinem Bemühen, im Einklang mit seinen Überzeugungen zu leben, entspricht es, dass er noch kurz vor seinem Tod seine Zugehörigkeit zum Katholizismus auch offiziell aufkündigte und zum protestantischen Bekenntnis übertrat.2602 Als Liberaler war er ein Feind jeder Intoleranz2603 und schloss sich daher angesichts der Zunahme national-rassistischer Stimmungen2604 2598 „Die Vorlesungen (zwei Stunden täglich) greifen mich nicht nur nicht an, sondern erfrischen mich.“ Windscheid an Luise Burckhardt-His am 22.5.1892, Familiennachlass Windscheid. 2599 Sommer 1884: Pontresina, Windscheid am 1.7.1884 an Planck, Schubert, Windscheids Briefe an Planck (1978) S. 283–326, 301 ff., 301 (= StUB Göttingen NL Planck G 10 Nr. 77) und am 16.8.1884 an die Kinder zuhause, Familiennachlass Windscheid. Sommer 1885: Tegernsee, Windscheid am 9.8.1885 an Luise Burckhardt-His, Familiennachlass Windscheid. Sommer 1886: Wildenswyl bei Interlaken und Rigi, Windscheid am 7.10.1886 an Planck, StUB Göttingen NL Planck G 10 Nr. 80. Sommer 1887: Reichenhall, Salzkammergut, Windscheid am 5.8.1887 an Luise Burckhardt-His, Familiennachlass Windscheid. Sommer 1888: Schönau bei Berchtesgaden, Windscheid an Ihering am 11.8.1887, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 98 f. Sommer 1889: Gossensaß am Brenner und Venedig, Windscheid an Luise Burckhardt-His am 6.8. und 23.9.1889, Familiennachlass Windscheid, Windscheid an Planck am 11.8.1889, Schubert, Windscheids Briefe an Planck (1978) S. 283–326, 307 (= StUB Göttingen NL Planck G 10 Nr. 83), Windscheid an H. Friedberg am 11.9.1889, BA Berlin NL Friedberg Bl. 149. Sommer 1890: Gossensaß, Lene Raff, Meine Erinnerungen an Margarete Bendixen-Windscheid, Typoskript 12 S., nach 11.3.1936, Familiennachlass Windscheid. Sommer 1891: Gossensaß, Windscheid an Fritz Bendixen am 9.8.1891, Familiennachlass Windscheid, Landro, Windscheid an Fr. Merkel am 4.9.1891, StUB Göttingen 8º Cod. Ms. Philos 187, 28 Nr. 120, und Tegernsee, Windscheid am 11.10.1891, Familiennachlass Windscheid. Sommer 1892: Gossensaß, Windscheid an Ihering am 4.8.1892, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847 (10) B. Windscheid Bl. 102. 2600 So schon Windscheid an Luise Burckhardt-His am 22.5.1878 und wieder am 11.10.1891, beide Familiennachlass Windscheid. 2601 Windscheid an H. Friedberg am 28.1.1889, BA Berlin NL Friedberg Bll. 147 f., 148r; Windscheid an Luise Burckhardt-His am 26.5.1889, Familie Windscheid an Fritz Bendixen am 29.9.1891, beide Familiennachlass Windscheid. Ebenso am 27.6.1892 an Luise Burckhardt-His, ebd.: „Ich will mir . . . keine Sorgen machen, sondern schaffen, so lange der Tag scheint.“ 2602 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 12.10.1891, Familiennachlass Windscheid, und Archidiakon Binkau in: Zur Erinnerung an die Feier der Bestattung von Bernhard Windscheid S. 15–18, 16 (ebd.). 2603 Als Beleg diene Windscheids erfolgreicher Einsatz für den Habilitationsurlaub des Juden Dr. Goldschmidt, Ihering an Windscheid am 30.12.1883 (Kroeschell, Iherings Briefe (1988) Nr. 21 S. 50–53, 52), und am 27.1.1884 (BA Berlin NL Friedberg Bll. 137 f., 137v). 2604 Dazu allgemein Pulzer, Political Anti-Semitism (1964), bes. S. 75–127, u. Philippson, Geschichte II (21930), der auf S. 50 bes. die sächs. Regierung angreift. – In
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dem im Januar 1891 erscheinenden Gründungsaufruf des ,Vereins zur Abwehr des Antisemitismus‘ an.2605 Seit Sommer 1892 nahm Windscheids Kraft schnell ab. Ende September erkrankte er an einem ruhrartigen Darmkatarrh. Diese Krankheit überwand er zwar noch,2606 sein Körper war aber dadurch so geschwächt, dass er der zunehmenden Leukämie, an der Windscheid seit zwei Jahren, ohne etwas davon zu wissen, litt, keinen Widerstand mehr entgegensetzen konnte.2607 Am 26. Oktober 1892 morgens um 1.30 Uhr starb Bernhard Windscheid.2608 Drei Tage später fand in der Universitätskirche die Bestattungsfeier statt, bei der zahlreiche Redner dem Toten als Mensch und Wissenschaftler die letzte Ehre erwiesen.2609 Noch nach seinem Tod zeigte sein Testament, dass er wie sein Leben, so auch die Zukunft seiner Angehörigen gründlich und umfassend geregelt hatte.2610 Sein Wunsch, dass Zitelmann aus Bonn als sein Nachfolger nach Leipzig kommen möge, erfüllte sich dagegen nicht.2611 Aber an eine „Nachfolge“ Windscheids war 1892 auch gar nicht zu denken. Einer der letzten großen Pandektisten war gestorben und schon darum nicht zu ersetzen, weil die Pandektistik insgesamt mit dem auch von Windscheid vorbereiteten und wenige Jahre später endgültig verabschiedeten Bürgerlichen Gesetzbuch ihr Ende fand.
Leipzig wurde kein einziger Jude zum Ordinarius ernannt, Breslauer, Zurücksetzung (1911) S. 5. 2605 Unter den fast 500 v. a. bürgerlich-liberalen u. freisinnigen Unterzeichnern des Aufrufs in der Allgemeinen Zeitung Nr. 29 vom 29.1.1891 (Abendblatt) S. 4 war auch Windscheid. – Zur Bedeutung dieses Vereins bis 1914 s. Suchy, Verein (1983) S. 205– 239. 2606 Lotte Windscheid am 7.11.1892 an G. Planck, StUB Göttingen NL Planck G 10 Nr. 92. 2607 Lotte Windscheid am 4.1.1893 an Paul Heyse, BSB München, Heyse-Archiv VI Windscheid, Lotte Nr. 6, und am 21.6.1893 an Fr. Merkel, StUB Göttingen 8º Cod.Ms. Philos 187,28 Nr. 122. 2608 Todesanzeige vom 26.10.1892, wohl aus der Leipziger Zeitung vom 26. oder 27.10.1892, Ausschnitt Familiennachlass Windscheid. 2609 Zur Erinnerung an die Feier der Bestattung von Bernhard Windscheid am 29.10.1892 (Manuskriptdruck Familiennachlass Windscheid) mit Reden von Emil Friedberg (S. 5–7), Adolph Wach (S. 8–11), Karl Binding (S. 12), Rudolf Stammler (S. 13), Victor Ehrenberg (S. 13) und Rudolph Sohm (S. 14). Seine letzte Ruhe fand Windscheid im „Sepulcrum universitatis auf dem Thonbergfriedhof“, Whistling, Trauerfeier zu St. Pauli, Beilage zum Leipziger Tageblatt, wohl vom 30.10.1892, Ausschnitt – und weitere Meldungen zu Windscheids Tod – im Familiennachlass Windscheid. 2610 Windscheids Testament vom 13.1.1888/20.10.1889 in einer Abschrift von Fritz Bendixen, Hamburg, 1.11.1892, im Familiennachlass Windscheid. 2611 Lotte Windscheid am 21.6.1893 an Fr. Merkel, StUB Göttingen 8º Cod.Ms. Philos 187,28 Nr. 122. – Im SS 1893 lesen dagegen erstmals Eduard Hölder (27.11.1847– 14.4.1911) materielles römisches Recht (Pandekten, Institutionen) und Heinrich Degenkolb (25.10.1832–2.9.1909) römischen Zivilprozess und Pandekten-Exegese, Verzeichnis Vorlesungen Leipzig SS 1893, S. 41.
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2. Teil: Bernhard Windscheid 1817 bis 1892
II. Aufsätze 1. 1878: „Zwei Fragen aus der Lehre von der Verpflichtung wegen ungerechtfertigter Bereicherung“ und „Wille und Willenserklärung“ Beide 1878 erschienenen Aufsätze haben Gedenkfeiern zum Anlass, zu denen die juristische Fakultät und als deren Vertreter Windscheid als damaliger Dekan einzuladen hatte2612. Windscheid nutzt diese Einladungen zu zwei ausführlichen, von ihm „Programm“ genannten Abhandlungen zu Themen, die ihn schon lange beschäftigen und die für ihn von besonderer Bedeutung sind. a) Zwei Fragen aus der Lehre von der Verpflichtung wegen ungerechtfertigter Bereicherung Auf immerhin 38 Seiten, gegliedert in zwei Abschnitte und 18 Paragraphen, von denen der 18. mit dem 2. Abschnitt identisch ist, beschäftigt sich Windscheid mit den Folgen des Untergangs einer Sache, die zuvor der Besitzer und Nichteigentümer veräußert oder verbraucht hatte, oder ihrer Ersitzung durch den Erwerber. Kann der ursprüngliche Eigentümer seinen Vermögensverlust nicht nur beim unredlichen Besitzer und Veräußerer im Wege des Schadensersatzes sondern auch bei dessen Redlichkeit wenigstens dessen Gewinn aus ungerechtfertigter Bereicherung oder auch „aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung“ 2613 herausverlangen? Windscheid arbeitet im 1. Paragraph die Frage heraus, ob dieser Anspruch neben der Veräußerung und der Bereicherung – die seiner Meinung nach zur Begründung des Anspruchs ausreichen2614 – auch noch, wie verbreitet vertreten werde, voraussetze, dass der redliche Besitzer ohne Titel, d.h. lediglich aufgrund eines Putativtitels, besessen habe2615. In den folgenden Paragraphen setzt er sich mit Quellenstellen auseinander, die entweder einen Putativtitel voraussetzen bzw. nahe legen2616 oder jedenfalls nicht zum Beweis der von ihm vertretenen Ansicht dienen können2617. Auch Quellentexte, die sich nicht auf Kauf2612 Wortlaut der Einladungen: „Die juristische Facultät der Universität Leipzig verkündigt die Feier des Andenkens an Dr. Christian Friedrich Kees, welche am 13. Februar 1878 vormittags 12 Uhr im Auditorium Iuridicum statthaben wird“ und „Die juristische Facultät der Universität Leipzig verkündigt die Feier des Andenkens an Dr. Bernh. Friedr. Rud. Lauhn, welche am 6. Juni 1878 vormittags 12 Uhr im Auditorium Iuridicum statthaben wird“. 2613 B. Windscheid, Zwei Fragen (1878) S. 3. 2614 B. Windscheid, Zwei Fragen (1878) S. 4 unter Hinweis auf sein eigenes Lehrbuch, § 422 Fn. 4. 2615 So nach B. Windscheid, Zwei Fragen (1878) S. 4 Fn. 1, u. a. Ihering, v. Wächter, H. Witte, E. Zimmermann, Goldschmidt, G. Hartmann, Vangerow. 2616 D.12.1.23, D.3.5.49, D.19.1.30.pr., D.12.1.18.pr., C.4.51.1, C.4.52.1, B. Windscheid, Zwei Fragen (1878) § 2, S. 5 f. 2617 D.20.5.12.1, B. Windscheid, Zwei Fragen (1878) § 3, S. 6–13; D.19.1.24.1, B. Windscheid, Zwei Fragen (1878) § 4; S. 13 f.; D.6.1.17.pr., B. Windscheid, Zwei Fragen (1878) § 5, S. 14 f.
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vorgänge beziehen, sondern in denen es um Verbindung oder Verarbeitung („Specification“)2618 geht, können, wie Windscheid selbst in einem Zwischenresumé feststellt,2619 allein belegen, dass im Falle der Verbindung ein Bereicherungsanspruch auch gegen einen mit einem Titel versehenen redlichen Besitzer bejaht wird. Daraufhin setzt Windscheids Prüfung gewissermaßen „von der anderen Seite“ aus an, nämlich bei der Frage, „ob vielleicht die Quellen einen Ausspruch enthalten, durch welchen der Bereicherungsanspruch gegen den redlichen Besitzer mit Titel versagt wird“ 2620. Die Überprüfung einschlägiger Quellenstellen in den folgenden Paragraphen führen auch insoweit zu keinem eindeutigen Ergebnis.2621 Damit ist für Windscheid eine „prinzipielle“ Antwort auf die ursprünglich gestellte Frage möglich: Ist es – bei Ungewissheit und unzureichender Beweislage – zulässig, die Unabhängigkeit eines Bereicherungsanspruchs vom Bestehen oder Nichtbestehen eines gültigen Titels zum allgemein gültigen Prinzip zu erheben? Dabei geht er nicht den „einfachen“ Weg, diesen für den Fall des Eigentumsverlusts durch Verbindung gültigen Satz zu verallgemeinern,2622 sondern vertritt unabhängig davon die kühne These, „dass kein Grund vorhanden ist, die Entscheidungen, welche in den Quellen für den redlichen Besitzer ohne Titel enthalten sind, auf den redlichen Besitzer ohne Titel zu beschränken“, formuliert vielmehr, „dass in ihnen allerdings der Ausdruck einer allgemeinen Wahrheit für den redlichen Besitzer überhaupt gefunden werden muss.“ 2623 Im zweiten Teil seiner Abhandlung verteidigt Windscheid diesen Ansatz gegen drei Argumente, die aus seiner Sicht dagegen vorgebracht werden können. Erstens handele es sich bei den Entscheidungen von Fällen redlicher Besitzer ohne Titel nicht um Ausnahmen, die nicht verallgemeinert werden dürften,2624 zweitens sei auch die Bereicherung eines mit einem Titel versehenen gutgläubigen Besitzers nicht gerechtfertigt2625 und drittens sei auch ein solcher Besitzer bereichert.2626 Dabei beschränkt Windscheid seinen Argumentationsgang nicht auf die Verteidigung dieser Thesen, sondern erweitert ihn um obiter dicta, die gerade deshalb, weil es auf sie nach Windscheids eigener Meinung nicht ankommt, besonders hervorzuheben sind: So wendet er sich nicht nur dagegen, dass die Behandlung des titellosen redlichen Besitzers eine Ausnahme darstelle, sondern er bestreitet darüber hinaus 2618 D.6.1.23.5 u. a., Inst. 2.1.26, Gai Inst. 2.79, D.24.1.29.1 und D.24.1.30, B. Windscheid, Zwei Fragen (1878) § 6, S. 15–18. 2619 B. Windscheid, Zwei Fragen (1878) § 7, S. 18. 2620 B. Windscheid, Zwei Fragen (1878) § 8, S. 18. 2621 B. Windscheid, Zwei Fragen (1878) §§ 8–11, S. 18–25: D.46.3.17; D.23.3.67. 2622 Vgl. B. Windscheid, Zwei Fragen (1878) § 12, S. 25 f. 2623 B. Windscheid, Zwei Fragen (1878) § 13, S. 26. 2624 B. Windscheid, Zwei Fragen (1878) §§ 14 f., S. 26–33. 2625 B. Windscheid, Zwei Fragen (1878) § 16, S. 33–36. 2626 B. Windscheid, Zwei Fragen (1878) § 17, S. 36 f.
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allgemein den Satz, Ausnahmen seien einer ausdehnenden Analogie nicht zugänglich. Dieser Behauptung fehle die innere Begründung. Denn die „analogische Ausdehnung eines Rechtssatzes“ sei „nichts Anderes, als Herauskehrung seines eigentlichen Sinnes, welcher in dem vom Urheber gedachten und zum Ausdruck gebrachten Gedanken nur unvollkommen zur Darstellung gekommen“ sei. Wenn „diese Hervorkehrung“ Rechtssätzen gegenüber überhaupt erlaubt sei, so müsse dies auch für solche Rechtssätze gelten, „welche sich mit der Rechtsconsequenz2627 in Widerspruch setzen“. Denn „im Grunde [sei] ja alles neue Recht Ausnahmerecht“. Einschränkungen dieser weiten Anwendung von Analogieschlüssen hält Windscheid dann für gerechtfertigt, wenn der Urheber eines Rechtssatzes „das, was er sagt, nach allen Richtungen hin genau überlegt“ hat. Das sei jedoch beim aktuellen Gesetzgeber eher anzunehmen als bei den Quellen des überkommenen Rechts, die bloße „Entscheidungen für den einzelnen Fall“ 2628 darstellten. Das von Windscheid betonte allgemeine Prinzip, dass herauszugeben sei „diejenige Bereicherung, welche aus dem Vermögen eines Anderen ohne rechtfertigenden Grund gewonnen worden ist“, ist für ihn insbesondere deshalb praktikabel, weil es „in zahlreichen Fällen dem Richter die Möglichkeit“ gibt, „die Anforderungen des Rechtsgefühls mit den Mitteln des Rechts selbst zu befriedigen.“ 2629 Eine Gefährdung des Rechtsverkehrs könne sich daraus „nur in der Hand der ungeschickten und leichtfertigen Richter“ ergeben, „aber für Richter dieser Art werden die Gesetze nicht geschrieben“.2630 Zum möglichen Umfang der Bereicherung erörtert Windscheid abschließend die Frage, ob der redliche Besitzer vom Erlangten das „in Abzug bringen“ darf, „was er seinerseits für die Erlangung der Sache aufgeopfert hat?“ 2631 Windscheid verneint – insbesondere gegen Ihering – unter Hinweis darauf, dass ansonsten der Besitzer nach Verkauf besser stünde als zuvor und er ungeachtet des Verkaufs – weiterhin – die „actio empti“ gegenüber dem Verkäufer geltend machen könne, dem es vertragswidrig nicht gelungen sei, ihm das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Auch diese Abhandlung zeigt, wie Windscheid als Vertreter der historischen Schule zunächst tiefgehende Quellenanalyse unter Heranziehung sämtlicher anerkannter Auslegungsprinzipien betreibt. Führt diese jedoch nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, so gibt er sich damit nicht zufrieden, sondern sucht und findet –
2627 Gemeint ist: „das, was sich aus dem bestehenden Recht als Consequenz ergiebt“, B. Windscheid, Zwei Fragen (1878) S. 28. 2628 Alle Zitate B. Windscheid, Zwei Fragen (1878) S. 27 und S. 28. 2629 B. Windscheid, Zwei Fragen (1878) S. 29. 2630 B. Windscheid, Zwei Fragen (1878) S. 29 f. 2631 B. Windscheid, Zwei Fragen (1878) § 18, S. 37–40, Zitat S. 37.
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getrieben vom Bestreben, ein möglichst geschlossenes System zu entwickeln, darüber hinausweisende Antworten. Dabei wird auch deutlich, dass sich Windscheid schon zu diesem frühen Zeitpunkt intensiv mit der Entwicklung vom überkommenen Pandektenrecht hin zu einem modernen Gesetzesrecht auseinandersetzt und sich Gedanken darüber macht, welchen Einfluss der Charakter des jeweiligen Rechts auf die Möglichkeiten des Umgangs mit ihm hat. Zugleich betont Windscheid auch hier die bedeutende Rolle, die eine qualifizierte Rechtsprechung für das Zusammenführen des „Rechtsgefühls“ mit den Inhalten des Rechts und damit für die Funktion des Rechts in der Gesellschaft spielt. b) Wille und Willenserklärung Mit diesem von ihm „Studie“ genannten Programm überdenkt Windscheid im selben Jahr ein zentrales Thema seines Verständnisses des subjektiven Rechts, nämlich die Frage des Zusammenhangs von Wille und Willenserklärung. Auf 40 Seiten und 16 Paragraphen behandelt er in gewohnt gründlicher Weise diese Frage in Auseinandersetzung mit der Fülle der damals vertretenen Meinungen für den Bereich der zweiseitigen oder vertraglichen Willenserklärungen (§§ 1– 13), der einseitigen Willenserklärungen (§ 14) und im Blick auf Praxis (§ 15) und Gesetzgebung (§ 16). Ausgehend von der weiland herrschenden Meinung, wonach jegliches Auseinanderfallen von Wille und Erklärung zur Nichtigkeit der Willenserklärung führe, setzt er sich zunächst mit der aufkommenden Ansicht2632 auseinander, dass sich der Adressat der Erklärung auch dann auf sie als gültig berufen könne, wenn sie zwar nach dem subjektiven oder auch „objektivierten Empfängerhorizont“ 2633 richtig verstanden wurde, gleichwohl aber nicht den „wahren Willen“ des Erklärenden wiedergibt. In Kenntnis der unterschiedlichen Modifikationen dieser Ansicht unterzieht er sie – unter Ausschluss der stillschweigenden Willenserklärungen – einem kritischen Vergleich mit jener – auch von ihm vertretenen – herrschenden Meinung anhand der Frage: „Kann . . . derjenige, welcher sich auf die Zeichen verlassen hat, verlangen, dass für ihn das nicht Gewollte als gewollt gelte?“ 2634
2632 Genannt werden Regelsberger [Civilrechtliche Erörterungen I S. 17–23, 1868], Roever [Über die Bedeutung des Willens bei Willenserklärungen, 1874], Bähr [Über Irrungen im Contrahiren, IhJbb. XIV (1876) S. 393–427], Schlossmann [Der Vertrag S. 85–140, 1876], Hölder [Krit.Vjschr. XVIII S. 175 ff., 1876] und Schall [Der Parteiwille im Rechtsgeschäft, 1877], Wille und Willenserklärung (1878) S. 3 f. 2633 B. Windscheid konstatiert, Wille und Willenserklärung (1878) S. 4, Wirksamkeit der Willenserklärung nach dieser Strömung, wenn sie „als der Ausdruck des wirklichen Willens nach dem gemeinen Verständnis oder dem Verständnis des oder der der Willenserklärung Gegenüberstehenden erscheint.“ 2634 B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) S. 5.
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Willenstheoretisch2635 wendet sich Windscheid zunächst gegen die von Schlossmann und auch Schall vertretene Trennung zwischen einer auf Änderung der Sinnenwelt und einer auf Änderung der Rechtswelt gerichteten Erklärung des Willens. Vielmehr werde „in der Willenserklärung . . . nicht bloss der auf Setzung der sinnlich wahrnehmbaren Zeichen gerichtete Wille verwirklicht, sondern zugleich der auf die Hervorbringung der rechtlichen Wirkungen gerichtete Wille“, denn der Erklärende sei sich dieser Wirkungen bewusst.2636 Anschaulicher erscheint Windscheid die Frage, ob es einem Bedürfnis des Verkehrs entspreche, „dass Jeder sich auf eine ihm gegenüber abgegebene Willenserklärung müsse verlassen können“.2637 Hierzu äußert sich Windscheid in doppelter Weise. Einerseits erkennt er die Verkehrsinteressen in ihrer Bedeutung an,2638 andererseits betont er die Ambivalenz des im aktuellen Recht zunehmenden Vorrangs des guten Glaubens vor den tatsächlichen Verhältnissen.2639 Er sieht darin neben der Stabilisierung von Rechtsgeschäften insbesondere ein Opfer desjenigen, dessen tatsächliches Wollen für unerheblich erklärt werde.2640 Und das Ausmaß dieses Opfers sei nicht in schlüssiger Weise zu begrenzen. Aus Sicht des gutgläubigen Empfängers einer Willenserklärung könne es etwa keinen Unterschied machen, ob diese ohne den Willen des Erklärenden in den Verkehr gelangt oder gar gefälscht worden sei. Hinzu komme, dass selbst bei Annahme eines unabweisbaren Verkehrsbedürfnisses für den Rechtssatz, „dass Jedermann sich auf die Zuverlässigkeit einer ihm hingegebenen Willenserklärung müsse verlassen können“, dessen Existenz noch nicht bewiesen sei, denn „das Bedürfnis des Verkehrs ist keine Rechtsquelle“.2641 Auch wenn sich Vertreter dieser An-
2635 Windscheid bezeichnet diese Überlegungen – eher abschätzig – als „abstracte Betrachtungen“, B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) S. 9. 2636 B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) § 2, S. 5–9, Zitat S. 7. 2637 B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) § 3, S. 9–12, Zitat S. 9 unter Hinweis auf Regelsberger, Bähr und Roever. 2638 „Das Recht ist nicht um seiner selbst willen und nicht um des durch seine Erkenntniss gewährten Vergnügens willen da. Es soll menschliche Bedürfnisse befriedigen und die Erreichung menschlicher Zwecke ermöglichen.“ – B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) S. 9. 2639 Beispiele für die „entschiedene Neigung“ des modernen Rechts, „den guten Glauben gegenüber der Wirklichkeit in der Weise zu begünstigen, dass es dem guten Glauben von dem Vorhandensein einer Thatsache die gleiche Wirkung beilegt, wie der Thatsache selbst“: öffentlicher Glaube des Grundbuchs, gutgläubiger Erwerb einer beweglichen Sache: B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) S. 9 f., Zitat S. 9. 2640 „. . . so wird es Niemand für an und für sich gerecht erklären wollen, dass ich verliere, obgleich ich nicht habe verlieren wollen, bloss deswegen, weil der Schein meines Willens vorhanden ist. Verliere ich nach der Bestimmung des Rechtes dennoch, so wird mir damit ein Opfer auferlegt, von dem doch wohl zu überlegen ist, ob es nicht für den Zweck, welcher damit erreicht werden soll, zu gross ist.“ – B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) S. 10. 2641 B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) § 4, S. 12.
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sicht, dies erkennend, nicht hierauf, sondern auf die „Natur der Sache“ beriefen,2642 so trage dieses Argument nicht weit, denn „für die Rechtsverhältnisse einer Person massgebend ist ihr Wollen, nicht aber der Schein ihres Wollens“ 2643. Abweichungen hiervon seien allenfalls der Zweckmäßigkeit geschuldet, erfolgten also lediglich „utilitatis causa“ 2644. Wenn möglich noch entschiedener lehnt Windscheid den Ansatz Bährs ab, der – und sei es im Wege einer Fiktion – die Maßgeblichkeit einer Willensäußerung selbst für den Fall fordere, dass sich der Erklärende ihrer gar nicht bewusst war.2645 Da somit aus prinzipiellen Überlegungen eine Grundlage für die referierte neue Lehre nicht zu finden sei, wendet sich Windscheid in einem zweiten Anlauf der Quellenlage zu.2646 Die stützt nun seiner Ansicht nach nicht etwa diese neue Lehre, sondern bereitet ihr nicht zu beseitigende Hindernisse.2647 Dem Versuch Bährs, seine Ansicht von der Maßgeblichkeit der Erklärung selbst ohne (entsprechenden) Willen aus den Quellen zu belegen, widmet Windscheid fünf Paragraphen und gesteht dieser Meinung damit eine die anderen Lehrmeinungen überragende Bedeutung zu. Er wendet sich zunächst dagegen, den Irrtum über eine nicht mehr bestehende Willenserklärung mit dem Irrtum über eine (überhaupt) nicht vorhandene Willenserklärung gleichzusetzen und lehnt jedenfalls in den Fällen eine schuldbefreiende Wirkung ab, „wo der Schuldner auf eine gefälschte oder dem Gläubiger entwendete Vollmacht leistet, weil hier nicht einmal eine Erklärung vorliegt“.2648 Zudem sei den Quellen allenfalls zu entnehmen, dass eine auf einem Irrtum über den tatsächlichen Willen beruhende Aufopferung nicht umsonst gewesen sein solle. Dieser Schutzzweck sei unbedingt zu beachten und führe dazu, dass „bei Verträgen, welche auf Gewährung eines Ersatzes für eine zu machende Aufopferung nicht gerichtet sind“ hieraus nicht deren Gültigkeit sondern höchstens ein Anspruch auf das „negative Vertragsinteresse“ folge.2649 Dies gelte weiter nicht nur im Kauf- oder Mietrecht, sondern auch bei Kreditgeschäften, nämlich dann, wenn die „Ermächtigung“ eines „Institors“ – also der Umfang der Vollmacht zur 2642 B. Windscheid nennt, Wille und Willenserklärung (1878) S. 12, insbesondere Roever. 2643 B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) S. 12 f. 2644 B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) S. 13. 2645 B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) S. 13 f. 2646 B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) §§ 5–10, S. 14–30. 2647 Im Einzelnen: gegen Roever und Schall D 34.5.3, B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) § 5, S. 14 f.; gegen Roever, Schlossmann und Schall die den Irrtum behandelnden Digestenstellen D.44.7.57, D.45.1.83.1, D.45.1.137.1, D.18.1.9.pr. und I.3.29.23, ebd. S. 15–17, und die beiden Reskripte C.4.22.5 und C.8.54.10, ebd. S. 17 f. 2648 B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) § 6, S. 19 f., Zitat S. 20. 2649 B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) § 6, S. 21 f., Zitat S. 21, gemeint: Kauf oder Miete.
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geschäftlichen Vertretung – durch dessen Hintermann, den Principal,2650 beschränkt oder zurückgenommen und der Gegenüber hiervon nicht korrekt in Kenntnis gesetzt worden sei, gleichwohl aber einen Kredit bewilligt habe. Hier gehe es gleichfalls um den Schutz vor Vermögensverlust, weil ein Wille, nämlich der des Hintermannes, sich selbst zu verpflichten, geendet habe.2651 Auch in nicht durch Rechtssätze des römischen Rechts belegbaren Fällen wie der Kombination aus schriftlicher Vollmacht und mündlicher Beschränkung dieser Bevollmächtigung durch den Vollmachtgeber sieht Windscheid, soweit kein Fall der Arglist oder einer – sonstigen – Mentalreservation vorliege, keinen Anlass, dem Vertragspartner über den Ersatz seiner Aufopferung hinaus einen Erfüllungsanspruch zu geben, denn der Vertrag „ist doch eben nicht mit seinem Willen abgeschlossen worden, und die Behauptung, dass er dennoch an denselben gebunden sei, weil der andere Contrahent habe annehmen müssen, dass der Vertrag mit seinem Willen abgeschlossen werde, ist eben – Behauptung“.2652 Auch könne nicht zugestanden werden, dass jemand ungeachtet möglichen Verschuldens und genauerer Untersuchung des von ihm tatsächlich Gewollten nur deshalb an von ihm nicht zur Kenntnis genommenen Vertragsklauseln festgehalten werde, weil die andere Vertragspartei „in gutem Glauben angenommen habe, dass der Unterzeichner den Inhalt gekannt habe“.2653 Nur scheinbare Ausnahmen stellten zwei Fälle dar, in denen auch Windscheid mit Bähr annimmt, dass „die gegebene Entscheidung als durch das Rechtsgefühl mit zwingender Nothwendigkeit geboten“ sei, nämlich die generelle Geltung veröffentlichter allgemeiner Vertragsbedingungen einer „öffentlichen Anstalt“ und die Geltung von zu Beginn einer Versteigerung bekannt gemachter Vertragsbedingungen auch gegenüber einem zu spät Gekommenen.2654 Grund hierfür sei nämlich nicht der bloße gute Glaube des Vertragspartners, sondern es komme neben der freiwilligen Unterwerfung unter diese Vertragsbedingungen oder der groben Fahrlässigkeit des Nicht-Bedenkens ihrer Existenz insbesondere der Umstand in Betracht, dass in diesen Fällen – ebenso wie in D.14.3.11.3 – die geltenden Bedingungen öffentlich bekannt gemacht worden seien.2655 Der weitere Fall, in dem Windscheid im Ergebnis mit Bähr übereinstimmt, ist der des inneren Vorbehalts, der „Mentalreservation“ oder „einseitigen Simulation“ zum Zwecke der Täuschung des Gegenüber. Entscheidender Grund hierfür sei jedoch auch hier nicht die „Wirksamkeit einer Willenserklärung ohne Willen“ 2656, sondern der Umstand, „dass die Mentalreservation eine Lüge enthält, und Niemand sich zu seiner Vertheidigung darauf berufen 2650 2651 2652 2653 2654 2655 2656
Vgl. Heumann, Handlexikon (1891) S. 261 zu „Institor“. B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) § 7, S. 22 f. B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) § 8, S. 23 f., Zitat S. 24. B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) § 8, S. 25. B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) § 9, S. 25. B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) § 9, S. 25–27. Alle Zitate B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) § 10, S. 27.
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darf, dass er gelogen habe“.2657 Zwar sei, auch nach der Quellenlage, anzuerkennen, dass hier einer Willenserklärung ohne Willen „Wirkung beigelegt“ werde, dies gelte jedoch nur für den besonderen Fall der Arglist des „Urhebers der Willenserklärung“.2658 Als Fazit seiner Auseinandersetzung mit den einschlägigen Quellentexten und insbesondere mit Bähr hält Windscheid fest, eine Willenserklärung, die dem wirklichen Willen des Erklärenden nicht entspreche, sei nur dann „als gültig zu behandeln“, wenn „den Urheber der Willenserklärung eine Schuld treffe“. Über die bereits als erheblich bejahte Arglist hinaus ist Windscheid als Ergebnis der Analyse weiterer Quellenstellen bereit, auch grob nachlässiges Verhalten der Arglist gleichzustellen und den Urheber dieses Verhaltens auf Erfüllung haften zu lassen. Diese Verpflichtung „zur Erfüllung eines Versprechens, welches er nicht gegeben hat“ ist, weil im Ansatz systemwidrig, für Windscheid eigentlich eine Zumutung. Die bloße Tatsache einer in einem anderen „erregten Erwartung“ ist und bleibt für ihn „kein hinreichender Grund, denjenigen, aus dessen Handlung sie geschöpft worden ist, als Wollenden zu behandeln, obgleich er nicht gewollt hat; in Verbindung mit einer demselben zur Last fallenden groben Verschuldung wächst sie uns zu einem genügenden Grund heran“.2659 Dies gilt dann auch für einen auf grober Nachlässigkeit beruhenden Erklärungsirrtum und eine grob fahrlässige Scherzerklärung. Weiter zu gehen ist Windscheid aber nicht bereit. In Fällen leichter Fahrlässigkeit – „gewöhnlicher Nachlässigkeit (levis culpa)“ – könne dem Empfänger der Willenserklärung nur durch den Gesetzgeber geholfen werden, auch wenn dieser zu einer entsprechenden Regelung nicht verpflichtet sei. Ob das Interesse des Rechtsverkehrs an der Gültigkeit eines Vertrages höher zu bewerten sei als die Achtung des tatsächlich vom Erklärenden Gewollten sei keine juristische sondern eine Frage „praktische[r] Erwägung“.2660 Als Folge seiner Überlegungen ergibt sich eine sehr spezielle aber für Windscheid zwingende Modifikation seiner bisherigen Auslegung von Vertragserklärungen. Er beschränkt sich nicht mehr auf eine generelle Auslegung einer Willenserklärung nach dem Empfängerhorizont, wie sie von Ihering entwickelt und von Windscheid übernommen wurde.2661 Auf den Vorwurf der Inkonsequenz, wenn nur „für die Frage, was gewollt sei“, „nicht aber für die Frage, ob etwas gewollt sei“, „die Auffassung des anderen Contrahenten für massgebend“ erklärt 2657
B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) § 10, S. 29. B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) § 10, S. 30. 2659 B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) § 11, S. 30–35, Zitat S. 34. 2660 B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) § 12, S. 35 f., Zitate S. 35 und S. 36. 2661 B. Windscheid weist, Wille und Willenserklärung (1878) § 13, S. 37, auf Ihering in IhJbb. IV S. 72 hin und stellt ihm seine eigene Formulierung an die Seite: „Jeder Contrahent hat das Recht auf die Erklärung des andern Contrahenten in demjenigen Sinn, in welchem er sie auffassen musste.“ 2658
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werde, reagiert Windscheid mit folgender Differenzierung: Für die Frage, wozu sich dieser andere Kontrahent selbst verpflichte, sei sein Verständnis der Willenserklärung – weiterhin – maßgeblich. Das bedeute jedoch nicht, dass sich auch der Erklärende selbst in jedem Fall und unabhängig von eigenem Verschulden im selben Sinne verpflichtet habe. Vielmehr fänden bei fehlender Übereinstimmung des tatsächlich Gewollten die Regeln über den Dissens Anwendung.2662 Da die – von Windscheid „nolens volens“ und mehr aus moralischen und sich aus der Quellenlage ergebenden als aus systematischen Gründen – anerkannte Modifikation der Herrschaft des Erklärenden über seinen Willen ihren Grund in den Interessen des Verkehrs hat, diese aber bei letztwilligen Verfügungen kein Gewicht beanspruchen dürften, lehnt Windscheid für diesen Bereich „auch das hier der neuen Lehre für den Fall der Arglist und der groben Nachlässigkeit gemachte Zugeständniss“ ab. Dies gelte auch für andere „einseitige Verfügungen“ wie die Annahme („Antretung“) oder Ausschlagung einer Erbschaft.2663 Ein Blick auf die aktuelle Rechtsprechung bestätigt Windscheid in der von ihm vertretenen Ansicht. Insbesondere ein von Bähr ausdrücklich verteidigtes Urteil des Oberappellationsgerichts in Berlin vom 30.10.1873, wonach jemand – entsprechend dem tatsächlichen Text – für 600 Taler bürgen sollte, obgleich ihm die Bürgschaftsurkunde „als auf 600 Mark lautend vom Schuldner vorgelesen worden war“, und dessen Begründung mit der „Sicherheit des Verkehrs“ 2664 führt Windscheid als Beleg dafür an, dass „Rechtsgefühl und das Bedürfnis praktischer Gerechtigkeit . . . für die positive Geltung eines Rechtssatzes sehr ungenügende Grundlagen“ seien, eine sich wiederholende hierauf gegründete Rechtsprechung jedoch zur Entstehung von Gewohnheitsrecht führe.2665 Abschließend sieht Windscheid die von ihm – weiterhin – vertretene Ansicht auch durch einen Blick auf die damals geltenden Gesetze bzw. vorliegenden Gesetzentwürfe bestätigt. Allein Art. 876 des österreichischen ABGB erkläre auch einen auf einer irrtümlich abgegebenen Willenserklärung beruhenden Vertrag für bestehend, werde dafür jedoch von Unger heftig kritisiert.2666 Diese „Studie“ zeigt exemplarisch, wie Windscheid eine von ihm vertretene Rechtsansicht einerseits stets hinterfragt und anhand abweichender Meinungen in 2662
B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) § 13, S. 38. B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) § 14, S. 39. 2664 B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) § 15, S. 40 f., Zitate S. 41. – Das Verhältnis von (Silber-)Taler zu (Gold-)Mark betrug seit 1871 1:3. Eine (Gold-) Mark des deutschen Reichs mit 0,35842g Gold entsprach knapp 10 EUR. 2665 B. Windscheid, Wille und Willenserklärung (1878) § 15, S. 42. 2666 B. Windscheid nennt, Wille und Willenserklärung (1878) § 16, S. 42 f., das Preußisches Allgemeine Landrecht, den Code civil, das Sächsische BGB sowie die Gesetzentwürfe aus Hessen 1853, Bayern 1861, der Schweiz 1875, 1877 und 1878 und – mit Modifikation – Dresden 1864. 2663
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Literatur und auch Rechtsprechung prüft, andererseits aber nur dann zu Änderungen bereit ist, wenn sie sich entweder klar aus geltendem Recht begründen lassen oder wenigstens mit dessen Inhalt noch unter Einsatz anerkannter Auslegungsregeln vereinbar sind. Darüber hinaus kann nur der Gesetzgeber helfen, wenn denn Hilfe überhaupt nötig ist. Hierfür reicht ihm die reine „bona fides“ oder das „Verkehrsinteresse“ jedenfalls dann nicht aus, wenn das von diesen Interessen gewünschte Ergebnis mit systematischen Leitlinien nicht in Einklang zu bringen ist oder gar mit Grundsätzen des Privatrechts im Widerspruch steht, zu denen für Windscheid die Willensherrschaft des Rechtssubjekts zentral gehört. 2. 1892: „Die indirekte Vermögensleistung“ und „Die Voraussetzung“ Diese letzten wissenschaftlichen Arbeiten Windscheids, beide erst im Jahr seines Todes erschienen, belegen zum einen seine bis zuletzt anhaltende Schaffenskraft und sind zum anderen symptomatisch für zwei wesentliche Aspekte seiner Herangehensweise: Einerseits systematische Problemerfassung und Versuch einer in sich geschlossenen Lösung, andererseits Fortentwicklung des Systems weniger im Interesse der Lückenfüllung als zur Befriedigung entsprechender „Bedüfnisse des Verkehrs“. a) Die indirekte Vermögensleistung Auch in diesem Beitrag zur „Festgabe der Leipziger Juristenfakultät für Otto Müller“ beschäftigt sich Windscheid mit einer einzelnen – schuldrechtlichen – Frage: inwiefern nämlich im Dreieckverhältnis zwischen Anweisendem, Angewiesenem und Leistungsempfänger „ein rechtlicher Mangel der Grundleistungen oder einer derselben auf die Vollzugsleistung einwirkt“ 2667. Auffällig ist hierbei, dass er dieser Aufgabenstellung in einem ersten Abschnitt unvermittelt und ohne jegliche Hinführung das Tableau möglicher Konstellationen voranstellt, wobei der Einstieg noch nicht einmal durch einen grammatikalisch vollständigen Satz erfolgt, geschweige denn, dass Windscheid dem durch die Festgabe zu Ehrenden auch nur andeutungsweise seine Referenz erwiese. Ob dies als Ausdruck innerer Lustlosigkeit – oder gar Geringschätzung – zu verstehen ist oder einem bloßen Zeitmangel geschuldet, mag dahinstehen. Auf 26 Seiten in 10 Abschnitten geht Windscheid nach kurzer Darstellung der in diesem Leistungsdreieck möglichen Beziehungen und einer Klärung der von ihm „der Kürze wegen“ verwendeten Begriffe2668 sein Thema in der Weise an, 2667
B. Windscheid, indirekte Vermögensleistung (1892) § 2, S. 5 f. B. Windscheid, indirekte Vermögensleistung (1892) § 1, S. 1–5, Zitat S. 5, Begriffe: Anweisung, Leistungsempfänger, Leistungsperson, Empfangsperson, Grundleistungen, Vollzugsleistung. 2668
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dass er zunächst die möglichen Defizite („rechtlichen Mängel“) ermittelt und nach Lösungsansätzen „der Rechtsordnung“ fragt,2669 dann die Behandlung dieser Defizite in den römisch-rechtlichen Quellentexten breit darstellt,2670 einige „Nachträge“ ergänzt2671 und sich abschließend – überaus kritisch – mit einer Monographie aus dem Jahre 1886 auseinandersetzt.2672 Mängel können sowohl die Grundleistung(en) als auch die Vollzugsleistung erfassen, wobei Windscheid noch zwischen abstrakter Vollzugsleistung und „titulirter Delegation“ unterscheidet. Während sich bei letzterer Mängel der Grundleistung „zweifellos“ auch auf die Vollzugsleistung erstreckten, differenziert Windscheid innerhalb der abstrakten Vollzugsleistung noch weiter danach, ob der Mangel die Grundleistung des Angewiesenen an den Anweisenden – dann sei es „gerecht“, wenn kein Durchgriff auf die Vollzugsleistung erfolge, denn der Dritte habe erhalten, was ihm gebühre – oder die Grundleistung des Anweisenden an den Dritten oder beide Grundleistungen erfasse. In beiden letztgenannten Fällen werde „die Rechtsordnung zu erwägen haben“, ob dem Angewiesenen ein Vorgehen gegen den Dritten – entweder deswegen, weil er selbst gegenüber dem Anweisenden wirksam erfüllt habe oder wegen der Abstraktheit der Vollzugsleistung an und für sich – versagt werden solle.2673 Aus der römischrechtlichen Kasuistik2674 entnimmt Windscheid zahlreiche Beispiele, die die von ihm als gerecht empfundene Lösung der ersten Variante einer abstrakten Vollzugsleistung (Mangel der Grundleistung zwischen Angewiesenem und Anweisendem) bestätigen.2675 Auch zu der zweiten Variante (Mangel der Grundleistung zwischen Anweisendem und Drittem) findet Windscheid eine Entscheidung, in der der Angewiesene deshalb zur Erfüllung verpflichtet bleibt, weil er selbst tatsächlich Schuldner ist.2676 Dagegen gestatte das römische Recht im dritten Fall – Mangelhaftigkeit beider Grundleistungen – die Nichtleistung durch den Angewiesenen, und zwar aus praktischen Erwägungen: Auf den dop2669
B. Windscheid, indirekte Vermögensleistung (1892) § 2, S. 5–8, Zitate S. 5 und
S. 7 f. 2670
B. Windscheid, indirekte Vermögensleistung (1892) §§ 3–8, S. 8–21. B. Windscheid, indirekte Vermögensleistung (1892) § 9, S. 21–23. 2672 E. Danz, Die Forderungsüberweisung, Schuldüberweisung und Verträge zu Gunsten Dritter, bei B. Windscheid, indirekte Vermögensleistung (1892) § 10, S. 23–26; dort S. 23 auch Hinweis auf einen Aufsatz Danz’ in IhJbb. XIX (1881) S. 69 ff. 2673 B. Windscheid, indirekte Vermögensleistung (1892) § 2, Zitate S. 6, 7 und 8. – Es fällt auf, dass Windscheid selbst in seiner Fußnote 1 zu § 2 mit Thöl und P. Gide einen germanistischen und einen französischen Gelehrten zitiert. 2674 Windscheid erwartet von den Gesetzbüchern selbst wegen ihrer notwendigen Abstraktheit hierzu keine befriedigenden Antworten, B. Windscheid, indirekte Vermögensleistung (1892) S. 8 Fn. 1. 2675 B. Windscheid, indirekte Vermögensleistung (1892) § 3, S. 8–10: D.46.2.19; D.46.2.12 und 13; D.44.5.1.10; D.12.4.9.1; D.23.3.78.5; D.44.4.4.21. 2676 B. Windscheid, indirekte Vermögensleistung (1892) § 3, S. 10: D.44.5.1.11. 2671
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pelten Regress werde verzichtet und so die „Herstellung des richtigen ökonomischen Verhältnisses“ bewirkt.2677 Daraus leitet Windscheid ab, dass dem römischen Recht sachliche Erwägungen wichtiger seien als die theoretische Konstruktion (hier die „abstrakte Natur der Vollzugsleistung“ 2678) und findet Bestätigung darin, dass auch im Falle der Schenkung an den Dritten der Leistende – wegen fehlender Regessmöglichkeit des Anweisenden gegenüber dem Dritten – die Leistung verweigern dürfe.2679 Auch wenn die Mangelhaftigkeit der Leistung ihre Ursache nicht in irrigen Vorstellungen, sondern in Zwang, Betrug oder Nichtbeachtung der gesetzlich vorgeschriebenen Form hat, führt dies zu keinem anderen Ergebnis.2680 Weiter spricht Windscheid noch die Sonderfälle der Ungültigkeit einer Schenkung zwischen Ehegatten und der Handlungsunfähigkeit des Anweisenden an. In ersterem Fall sei Nichtigkeit der Vollzugsleistung auch bei Wirksamkeit der anderen Grundleistung wegen der „Eigenthümlichkeit der Schenkung zwischen Ehegatten“ anzunehmen2681, im zweiten Fall dem Angewiesenen nur dann Einrede und Rückforderungsrecht zu gewähren, wenn der Anweisende für die an den Dritten vollzogene Leistung kein „Aequivalent“ habe.2682 Als „Nachträge“ bezeichnet Windscheid einige Quellenstellen, die zu den von ihm gefundenen Ergebnissen nicht zu passen scheinen, die aber seiner Ansicht nach gleichwohl diesen nicht widersprechen, weil es sich entweder nicht um abstrakte Vollzugsleistungen handele2683 oder die Vollzugsleistung „in sich, abgesehen von ihrer Eigenschaft als auf Anweisung erfolgte Vollzugsleistung, ungültig ist“, was jenseits der „hier verhandelte(n) Frage“ liege.2684 Damit hat Windscheid seine Quellenkritik abgeschlossen und ist zu einem für ihn befriedigenden Ergebnis gekommen, so dass nicht zwingend erscheint, warum die bereits genannte Monographie von E. Danz „nicht unerwähnt bleiben“ 2685 dürfe. Ursache dessen dürfte sein, dass Danz weiterhin an der „früher herrschende(n) Auffassung der Delegation“ 2686 festhält und dies Windscheid Gelegenheit gibt, seine modernere Ansicht über die Möglichkeiten eines Forderungsübergangs zu verteidigen. Dabei geht Windscheid wenig rücksichtsvoll vor, 2677
B. Windscheid, indirekte Vermögensleistung (1892) § 3, S. 11. B. Windscheid, indirekte Vermögensleistung (1892) § 4, S. 11. 2679 B. Windscheid, indirekte Vermögensleistung (1892) § 4, S. 12 f.: D.39.5.2.3, D.44.4.7.pr. 2680 B. Windscheid, indirekte Vermögensleistung (1892) §§ 5, S. 6 und S. 13–17, Ausnahme in D.39.5.21.95 sei „Ausdruck einer haltlosen Billigkeit“ ebd. S. 17. 2681 B. Windscheid, indirekte Vermögensleistung (1892) § 7, S. 17–19, Zitat S. 17. 2682 B. Windscheid, indirekte Vermögensleistung (1892) § 8, S. 19–21, Zitat S. 21. 2683 B. Windscheid, indirekte Vermögensleistung (1892) § 9, S. 21 f.: D.12.4.7.pr. und D.14.6.7.7. 2684 B. Windscheid, indirekte Vermögensleistung (1892) § 9, S. 22 f.: D.47.2.44.pr., Zitate S. 22 und S. 22 f. 2685 B. Windscheid, indirekte Vermögensleistung (1892) § 10, S. 23. 2686 B. Windscheid, indirekte Vermögensleistung (1892) § 10, S. 23. 2678
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hält nicht nur die Quellenauslegung von Danz für „wenig wahrscheinlich“, sondern auch die sich daraus für Danz ergebende „Entdeckung“ für unbedeutend und schließlich sogar die von Danz behauptete „erschöpfende Definition der Delegation“ 2687 schon deshalb für untauglich, weil sie mit der lateinischen Grammatik unvereinbar sei.2688 Was Windscheid dazu gebracht hat, entgegen seiner sonstigen Vornehmheit auch im Umgang mit abweichenden wissenschaftlichen Ansichten und deren Vertretern in dieser massiven Weise – wenn auch an eher versteckter Stelle – seinen Unmut zu äußern, ist nicht bekannt. Mit diesem Abschluss wird freilich der schon zu Beginn des Aufsatzes aufgekommene Eindruck verstärkt, es handele sich eher um ein Auftragswerk und akademische Pflichtübung, als dass Windscheid damit einer wissenschaftlichen Herausforderung nachgegeben hätte. b) Die Voraussetzung Ganz im Gegensatz hierzu ist es Windscheid ein offensichtliches Bedürfnis, noch kurze Zeit vor seinem Tode seine Lehre von der Voraussetzung im Zusammenhang mit deren Bedeutung für das künftige Bürgerliche Gesetzbuch gegen einen gewichtigen Angriff des Straßburger Professors Otto Lenel 2689 zu verteidigen. Lenels Aufsatz „Die Lehre von der Voraussetzung (im Hinblick auf den Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches)“ erscheint 1889 im angesehenen Archiv für die Civilistische Praxis als einer von vielen Kommentaren zum 1888 fertig und zur öffentlichen Diskussion gestellten Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich.2690 Sein ausdrücklich erklärtes Ziel ist es, die Kodifizierung einer „unausgetragenen Theorie“ zu verhindern, damit nicht danach anstelle eines fruchtbaren Streitens um die besseren Gründe „die Wissenschaft nur noch die trostlose Aufgabe haben [werde], die Hindernisse zu constatiren, die die Fassung des Gesetzes ihr in den Weg legt.“ 2691 Dies sei umso mehr zu verhindern, als die Annahme oder Verwerfung dieser Lehre „von der allergrößten praktischen Bedeutung“ 2692 sei. Auch wenn Windscheids Lehre von der Voraussetzung in den allgemeinen Teil des Entwurfs als „allgemeine Kategorie 2687
B. Windscheid, indirekte Vermögensleistung (1892) § 10, S. 25 alle drei Zitate. B. Windscheid, indirekte Vermögensleistung (1892) § 10, S. 26 Schlusssatz: „Danz wird sich mit der lateinischen Grammatik auseinanderzusetzen haben.“ 2689 13.12.1849–7.2.1935, zu ihm Bund, Art. Lenel (1985) S. 204 f. und Sinzheimer, Jüdische Klassiker (1953) S. 97–110, bes. S. 106 f. 2690 AcP Band 74 (1889) S. 213–239. Der gesamte Jahresband enthält zum weit überwiegenden Teil professorale und richterliche Reaktionen auf und Kommentare zu diesem Entwurf. 2691 Lenel, Voraussetzung (1889) S. 213. 2692 Lenel, Voraussetzung (1889) S. 213 Fn. 3. 2688
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der Selbstbeschränkung der rechtsgeschäftlichen Wirkungen“ 2693 keine Aufnahme gefunden habe, so werde sie doch an anderen Stellen durchaus berücksichtigt. Zunächst sei in § 7422694 „das Recht der condictio causa data causa non secuta durchaus nach Windscheid’s Lehre geordnet“ 2695. Darüber hinaus findet Lenel Windscheid’sche Gedanken nicht nur dann, wenn die Voraussetzung zukunftsbezogen ist, sondern auch im Hinblick auf gegenwärtige oder vergangene Ereignisse in den Paragraphen 684 Abs. 2 (condictio indebiti promessi) – soweit Voraussetzung zumindest stillschweigend erklärt –, 737 (condictio indebiti soluti) – ohne ausdrückliches Erfordernis einer Erklärung –, 290 Abs. 2 – Anfechtung des negativen Anerkennungsvertrages – und 667 Abs. 2 – Rückgängigmachung eines Vergleichsschlusses wegen fehlender, nicht notwendig erklärter, Voraussetzung –.2696 Lenel resümiert: Nach dem vorliegenden Entwurf sei die condictio causa data causa non secuta „schon zulässig, wenn bei der Leistung der Eintritt oder Nichteintritt irgend eines beliebigen künftigen Ereignisses oder rechtlichen Erfolges vorausgesetzt wurde und diese Voraussetzung sich nicht verwirklicht; in jenen anderen Fällen dagegen ist die Anfechtung nur zugelassen, wenn die Voraussetzung sich auf bestimmte näher bezeichnete Umstände bezieht, die mit dem Zweck des abgeschlossenen Geschäfts in innigstem Zusammenhang stehen. Ein allgemeines Recht der Anfechtung wegen ermangelnder Voraussetzung gibt es nicht.“ 2697 Dieser Befund führt zu heftiger Kritik, denn entweder müsse eine bestimmte in sich geschlossene Lehre ganz oder gar nicht in das BGB aufgenommen werden. Ganz, wenn sie „richtig“ sei, gar nicht, wenn daran auch nur entfernte Zweifel bestünden. Mit der „Halbheit des Entwurfs“ 2698 sei niemandem gedient. Daran schließt sich über gut acht Seiten eine eingehende Kritik an Windscheids Voraussetzungslehre an. Seine Wiedergabe der römischrechtlichen causa verkehre die Regel von der Unerheblichkeit der Motive – jedenfalls bei Geschäften unter Lebenden – geradezu in ihr Gegenteil. Die Gefahr, dass jedes wesentliche und nicht realisierte Motiv zur Kondiktion führe, könne – entgegen Windscheid – nicht durch die Forderung gebannt werden, dass die für den einen maßgeblichen Begleitumstände vom anderen auch erkennbar gewesen seien.2699 Denn 2693 Lenel, Voraussetzung (1889) S. 214 als Zitat Lenels aus den Motiven Bd. I, S. 249. 2694 Im Wortlaut bei Lenel, Voraussetzung (1889) S. 215: „Wer unter der ausdrücklich oder stillschweigend erklärten Voraussetzung des Eintrittes oder Nichteintrittes eines künftigen Ereignisses oder eines rechtlichen Erfolges eine Leistung bewirkt hat, kann, wenn die Voraussetzung sich nicht erfüllt, von dem Empfänger das Geleistete zurückfordern.“ 2695 Lenel, Voraussetzung (1889) S. 215. 2696 Lenel, Voraussetzung (1889) S. 217 f. 2697 Lenel, Voraussetzung (1889) S. 219. 2698 Lenel, Voraussetzung (1889) S. 219: „Das Bild, das uns nach dem Obigen der Entwurf bietet, ist m. E. ein in hohem Grade unerfreuliches.“ Dort auch das Zitat im Text. 2699 Lenel, Voraussetzung (1889) S. 221 f.
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zum einen finde sich von dieser Einschränkung nichts in den Quellen, sei vielmehr die condictio sine causa wegen ermangelnder Voraussetzung nicht durch das „Erkennbargewesensein“ der Voraussetzung bedingt.2700 Zum anderen könne das Erkennbarwerden des Beweggrundes die Bedeutung, die Windscheid ihm zuschreibe, gar nicht haben, denn jede entsprechende Mitteilung qualifiziere die Äußerung entweder als – wesentliche – Bedingung oder als – unwesentliches – Motiv und beseitige so die ,Zwischenebene‘ der Voraussetzung.2701 Den Grund für Windscheids „so offensichtlich unhaltbare Lehre“ sieht Lenel in dessen Bestreben, „die Bedeutung des Parteiwillens für den rechtlichen Erfolg der Rechtsgeschäfte zu übertreiben“ 2702. Um zu angemessenen Ergebnissen zu kommen, sei nicht auf den Parteiwillen – „weder auf [den] wirklichen noch auf [den] wahren oder eigentlichen“, sondern auf die „Verschiedenheit in der Bedeutung der Beweggründe“ abzustellen.2703 Daher schlägt Lenel zunächst vor, „der unrichtigen Lehre von der Voraussetzung in den Bestimmungen des Entwurfs die richtig verstandene römische Lehre von der causa zu substituiren“ 2704, wonach „rechtserheblich“ „nur derjenige Zweck einer Leistung [ist], der für die wirtschaftliche Natur der Leistung selbst bestimmend ist.“ 2705 Als Zwecke dieser Art erkennt Lenel allein – in Abgrenzung zu den für das Recht unerheblichen Schenkungszwecken (donandi causa) – die „wirthschaftliche[n] Zwecke“ an.2706 Zur Aufnahme dieser Lehre in das Gesetzbuch müsste daher „eine für ein Gesetzbuch geeignete Formulierung des Begriffs des wirtschaftlichen Zwecks“ gefunden werden. Da diese positiv nur schwer zu formulieren sei, könnte ein die condictio ob rem und die condictio ob causam finitam – also die §§ 742 und 745 des Entwurfs – zusammenfassender Paragraph wie folgt lauten: „Wer, nicht in Schenkungsabsicht, eine Leistung bewirkt hat, kann, wenn der Zweck der Leistung nicht erreicht wird oder die Leistung nachträglich ihren Zweck verliert, von dem Empfänger das Geleistete zurückfordern.“ 2707 Noch mehr würde es Lenel begrüßen, wenn der Gesetzgeber auf eine Kodifikation des Bereicherungsrechts im Detail verzichten und sich auf eine Grundregel2708 – und einige Anwendungsfälle – beschränken würde. So er-
2700
Lenel, Voraussetzung (1889) S. 223–225 m. Beispielen. Lenel, Voraussetzung (1889) S. 225 f. mit Beispielen, S. 226: „und ein Mittelding zwischen solchem Beweggrund und der wirklichen Bedingung gibt es nicht“. 2702 Lenel, Voraussetzung (1889) S. 226 (1. Zitat) und 227 (2. Zitat). 2703 Lenel, Voraussetzung (1889) S. 228. 2704 Lenel, Voraussetzung (1889) S. 228. 2705 Lenel, Voraussetzung (1889) S. 230. 2706 Lenel, Voraussetzung (1889) S. 230–234, Zitat S. 232. 2707 Lenel, Voraussetzung (1889) S. 235 f. 2708 Lenel, Voraussetzung (1889) S. 237: „Derjenige, aus dessen Vermögen ein Anderer ohne rechtlichen Grund bereichert worden ist, kann von dem Andern die Herausgabe der Bereicherung fordern.“ 2701
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hielte die Wissenschaft freie Hand, um „auf einem zur Stunde noch heftig umstrittenen Gebiet“ 2709 auf dem – gewohnten – Wege der wissenschaftlichen Auseinandersetzung zu möglicherweise besseren Ergebnissen zu kommen. Sollte dagegen dieser Entwurf Gesetz werden, so würde sich dessen Unpraktikabilität rasch erweisen und die Gerichte würden gezwungen, zur Erzielung billiger Ergebnisse „alle erlaubten und unerlaubten Mittel der Auslegungs- und Unterlegungskunst in Bewegung zu setzen“ „und so einen Zustand der Rechtsungewissheit schaffen, durch den der Zweck der Codification vereitelt werden würde. Man würde alle Schattenseiten des codificationslosen Zustands haben, aber ohne dessen Lichtseiten.“ 2710 Es liegt auf der Hand, dass Windscheid sich angesichts dieser Breitseite zu einer Reaktion veranlasst sieht, ist doch nicht nur seine Lehre von der Voraussetzung im Streit, sondern darüber hinaus – jedenfalls nach Lenels Behauptung – der Wert des neuen Gesetzbuches und damit des Werkes, auf das Windscheid seit Jahren eben deshalb mit aller Kraft hingearbeitet hat, weil er sich von ihm die zukünftige Klarheit der rechtlichen Verhältnisse versprochen hat, die Lenel – gerade wegen teilweiser Übernahme einer Windscheid’schen Lehre(!) – gefährdet sieht. Darum legt Windscheid 1891 oder 18922711 auf immerhin 41 Seiten noch einmal in extenso und in Auseinandersetzung mit seinen wissenschaftlichen Widersachern wie auch den von jenen genannten Quellentexten seine – unveränderte – Auffassung dar und zieht zum Beleg ihrer praktischen Anwendbarkeit auch eine Reihe von Gerichtsentscheidungen heran. Windscheid geht davon aus, dass es bei „empfangsbedürftigen Willenserklärungen“ 2712 entgegen einem Urteil des Reichsgerichts vom 13.5.18892713 und besonders Lenel „ein Mittelding zwischen dem Beweggrund und der wirklichen Bedingung“ eben doch gebe.2714 Denn während eine „Bedingung“ mit der Ungewissheit ihres Eintritts verknüpft sei, stelle die Voraussetzung den Umstand dar, der als sicher gegeben angenommen – eben „vorausgesetzt“ – werde und eben deshalb nicht in den Inhalt der Willenserklärung eingehe.2715 Aber wenn die Voraussetzung auch keine Bedingung sei, so sei sie doch auch kein rechtliches Nullum. Ein entsprechender Zusatz zu einer Willenserklärung müsse beachtet wer-
2709
Lenel, Voraussetzung (1889) S. 238. Lenel, Voraussetzung (1889) S. 239 (Schlusssatz). 2711 Sein Aufsatz „Die Voraussetzung“ erscheint erst 1892 im Archiv für die civilistische Praxis Bd. 78, S. 161–202. Er selbst stellt eingangs (dort S. 161) jedoch fest, es seien seit seiner – 1851 veröffentlichten – Monographie „mehr als 40 Jahre verflossen“. 2712 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 161 f. 2713 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 162 m. Fn. 4: RGZ 24, S. 169 ff. 2714 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 162 f. Zitat S. 162. 2715 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 163–165 m. Beispielen. 2710
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den,2716 besonders dann, wenn das Geschäft bedingungsfeindlich sei.2717 Daher bleibt es dabei, dass es sich bei einer erklärten Voraussetzung um eine Willensbeschränkung handelt, die bei – unerwartetem – Nichteintritt oder Wegfall der Voraussetzung zur exceptio oder condictio eines zunächst wirksamen Rechtsgeschäfts führt.2718 Nichts anderes gelte dann, wenn die Voraussetzung nicht ausdrücklich erklärt worden sei. Hierzu gelangt Windscheid nach Analyse des von ihm 1851 „Absicht“, von anderen „Zweck“ genannten Beweggrundes und in Auseinandersetzung insbesondere mit Lenel und den von diesem herangezogenen Beispielen. Über deren rechtliche Behandlung ist er sich mit Lenel einig, hält seine Kategorie des „wirtschaftlichen Zwecks“ jedoch für nicht weiterführend, weil sie zum einen auf der bloßen Ausgrenzung der Zwecke einer Schenkung beruhe und zum anderen auch diese Zwecke von der Rechtsordnung nicht völlig außer Acht gelassen werden dürften.2719 Auch andere Versuche von Buhl, Witte und Bekker, durch nähere Bestimmung des „Zwecks“ Sicherheit in der Behandlung von Kondiktionsfällen zu erlangen, führen für Windscheid nicht zur angestrebten „prinzipiellen Erledigung der Frage“.2720 Daher sieht sich Windscheid dazu berechtigt, an seiner – noch näher zu erörternden – „Kategorie des ersten Zwecks“ 2721 festzuhalten. Dies ist für Windscheid der Zweck, zu welchem ein – tatsächlich eingetretener – Erfolg hervorgerufen worden ist.2722 Da keine Vermögenszuwendung in diesem Sinne zweckfrei erfolgt, kann Windscheid feststellen, „daß die Erreichung des ersten Zwecks der Vermögenszuwendung ihre Voraussetzung bildet“ 2723. Dies hat zur Folge, dass sich niemand darauf verlassen darf, dass eine Vermögenszuwendung ,zweckfrei‘ erfolgt sei. Vielmehr ist eine entsprechende Willenserklärung „unvollständig“ und „gibt nichts als ein Stück des wirklichen
2716 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 165: „Es wird abzuwarten sein, ob ein Richter den Muth haben wird, den Zusatz bei einer Willenserklärung, daß sie nur unter dieser oder jener ,Voraussetzung‘ abgegeben werde, einfach unbeachtet zu lassen.“ 2717 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 166 mit Fn. 10, wo Windscheid auf die in § 870 BGB-E geregelte Auflassung hinweist: „Die Auflassung unter Beifügung einer Bedingung oder eines Anfangstermins ist unwirksam.“ 2718 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 166 f. mit Verteidigung seiner Unterscheidung zwischen dem ,wirklichen‘ und dem ,eigentlichen‘ Willen des Erklärenden ungeachtet des Wissens darum (ebd. S. 167), „daß der Sprachgebrauch eine scharfe Unterscheidung zwischen wahr oder wirklich und eigentlich nicht an die Hand gibt. Aber es wird ein Ausdruck, welchen die Sprache des Lebens darbietet, zu einem technischen Sinn gestempelt. Keine Wissenschaft kann dieses Hülfsmittels entbehren.“ 2719 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 168–171. 2720 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 171–173, Zitat S. 173. 2721 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 174, früher „erste Absicht“. 2722 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 174: „welches ist der Zweck, zu welchem dieser rechtliche Erfolg hervorgerufen wird? Dies ist für mich der erste Zweck.“ 2723 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 175.
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Willens wieder“.2724 Dieser „erste Zweck“ ergibt sich aus dem Wesen des jeweiligen Rechtsgeschäftes selbst und ist dem Gegenüber daher auch dann bewusst, wenn er nicht ausdrücklich erklärt ist. Den wissenschaftlichen Gewinn dieser Sichtweise sieht Windscheid darin, dass so ein „bestimmter Grund“ 2725 für Entscheidungen der – römischen – Rechtsordnung benannt werden kann, die ansonsten lediglich als Ausdruck der „Billigkeit“ – als Abweichung vom ansonsten Geltenden2726 – bezeichnet werden könnten. Dieser Grund ist ein vom Erklärenden gesetzter „Vorbehalt des Inhalts, daß bei getäuschter Annahme oder Erwartung die Willenserklärung für ihn unverbindlich sein solle“ 2727. Ob darüber hinaus auch durch Auslegung eine stillschweigende Erklärung der Voraussetzung angenommen werden dürfe, untersucht Windscheid anhand zahlreicher Quellenstellen und bejaht dieses zunächst für die mit einer Schenkung – als ,erster Zweck‘ der Vermögenszuwendung – verbundenen Auflagen.2728 Zum selben Ergebnis führt ihn die Analyse weiterer Quellenstellen bei Schenkung zwischen Verlobten, Schenkung auf den Todesfall oder einem Vergleich über einen bestrittenen Anspruch.2729 Auch die sich anschließende Analyse obergerichtlicher und höchstrichterlicher Entscheidungen2730 erlaubt Windscheid die Feststellung, dass stillschweigend erklärte Voraussetzungen für möglich gehalten würden2731 und sogar zur Grundlage gerechter Entscheidungen gemacht worden sind.2732 Manche Entscheidungen werden von ihm gerade deswegen missbilligt, weil sie versäumt haben, die Kriterien der Voraussetzungslehre korrekt heranzuziehen.2733
2724
B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 177 f., Zitat S. 178. B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 180. 2726 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 179. 2727 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 181. 2728 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 181–184. 2729 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 184–188, zum Vergleichsvertrag unter zustimmendem Hinweis auf § 667 Abs. 2 BGB-E: „Ist bei der Schließung des Vertrags von den Vertragschließenden ausdrücklich oder stillschweigend das Nichtvorhandensein eines Umstandes vorausgesetzt, welcher den Streit oder die Ungewissheit ausgeschlossen haben würde, so kann der Vertragschließende, welcher von einem solchen Umstand erst nach der Schließung des Vergleichs Kenntnis erlangt hat, verlangen, daß der Vergleich rückgängig gemacht werde.“ 2730 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 188–194. 2731 OLG Rostock, 16.1.1889, B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 189, und RG, 13.5.1889 – RGZ 24, S. 169 ff. –, ebd. S. 190 mit erst-Recht-Schluss aus der Annahme einer stillschweigenden Bedingung. 2732 OT Stuttgart, 6.6.1856, B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 189; OT Stuttgart 8./10.7.1862, ebd. S. 193. 2733 ROHG 9.11.1872 – ROHGE 7, S. 433 ff. –, B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 190 f.; RG 3.1.1888 – RGZ 19, S. 260 ff. –, ebd. S. 191 f.; AG Celle 20.11. 1878, ebd. S. 192 f. 2725
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Auch gegenüber der Annahme einer stillschweigenden Bedingung2734 sieht Windscheid keine Veranlassung, von seiner seit 1851 entwickelten Ansicht abzugehen. Er hält daran fest, mit der Voraussetzung werde „ein Irrthum im Beweggrund von besonderer Art“ geltend gemacht, „der in die Willenserklärung mit hineingenommen, zu einem Bestandtheil derselben gemacht worden ist.“ 2735 Die Sorge insbesondere der Wissenschaft, hierdurch begebe man sich „auf einen abschüssigen Boden“ 2736, versucht Windscheid dadurch zu begegnen, dass er einerseits die zu entscheidenden Fallkonstellationen als unumstritten darstellt und andererseits auf die besondere Möglichkeit hinweist, gerade durch Annahme einer „Voraussetzung“ zu gerechten Lösungen zu kommen: Unstreitig führe Nichterreichen des „ersten Zwecks“ 2737 oder Nichterfüllen einer vom Schenker mit der Schenkung verbundenen Auflage zu einem – in bestimmten Fällen modifizierten – Rückforderungsrecht. Den Grund hierfür als Wegfall der Voraussetzung zu bezeichnen, biete sich schon deshalb an, weil ein besserer Begriff nicht zur Verfügung stehe, auch wenn es auf die „terminologische Frage“ 2738 hier nicht ankomme. Was die allgemeine Ergänzung einer Willenserklärung um eine Voraussetzung angehe, die Anlass zur genannten Befürchtung geben könnte, so wendet sich Windscheid mit scharfen Worten gegen die Annahme des Reichsgerichts, „die Ermangelung einer beliebig gesetzten sog. Voraussetzung“ sollte die Anfechtung einer „an und für sich zustande gekommene[n] Rechtwirkung“ ermöglichen.2739 Jede Voraussetzung könne „nach den Regeln der Auslegung als gewollt objektiv und subjektiv erkannt werden.“ 2740 Sie biete dem Richter – insbesondere wenn er sich nicht so rasch wie das Reichsgericht dazu entschließen könne, eine stillschweigende Bedingung anzunehmen – die Möglichkeit, „in zahlreichen Fällen die Anforderungen seines Gerechtigkeitsgefühls auf dem Wege juristischen Denkens“ zu befriedigen.2741 Die Voraussetzungslehre also als Weg zur Flexibilisierung der gerichtlichen Entscheidung im Dienste der Gerechtigkeit!2742 2734 RG 13.5.1889, B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 190, Hinweis auf Dernburgs Pandekten – III § 97 Note 3 – ebd. S. 194 m. Fn. 65. 2735 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 195. 2736 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 196. 2737 „oder welche andere Kategorie man an die Stelle dieser Kategorie setzen will“, B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 196. 2738 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 196, auch Zitat. 2739 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 197 und dazu Windscheid: „Aber um eine ,beliebig gesetzte‘ Voraussetzung handelt es sich in alle Wege nicht, und das Reichsgericht möge sich beruhigen. Es kämpft gegen ein Phantom, es schlägt einen Feind nieder, den es selbst erfunden hat.“ 2740 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 197. 2741 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 197. 2742 Möglicherweise schätzte Windscheid das Bestreben der Richterschaft nach einer solchen Form richterlicher Unabhängigkeit richtig ein, wenn er die Zähigkeit und Lebensfähigkeit seiner Erfindung – B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 197 – so beschreibt: „Zur Thüre hinausgeworfen, kommt sie zum Fenster wieder herein.“
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Gegen Lenel als seinen ärgsten Widersacher bringt Windscheid vor, da eine Willenserklärung ohne Voraussetzung – wie gezeigt – unvollständig sei, könne diese auch noch nachträglich erklärt werden, wobei die Mitteilung eines bloßen Motivs, das nicht zur Willensbeschränkung führe, nicht genüge.2743 Allerdings stimmt er Lenel darin ausdrücklich zu, dass der Gesetzgeber inkonsequent agiere, wenn er die auf die Zukunft bezogene Voraussetzung allgemein, die auf die Vergangenheit oder Gegenwart gerichtete aber nur mit Einschränkungen anerkenne.2744 Sein Ausweg erstaunt, denn Windscheid stellt dabei Klarheit über Abstraktion und Einzelfallgerechtigkeit über Rechtssicherheit: Da auch für ihn der Wortlaut des § 742 BGB-E2745 eine extensive Auslegung ermöglicht, die manche Äußerung miterfasst, die für Windscheid nicht unter die „Voraussetzung“ als einer Willensbeschränkung fällt2746, möchte er als Normbefehl lieber seine Definition der Voraussetzung als das Wort selbst in das Gesetz aufnehmen.2747 Und bei der Frage, ob auch stillschweigend erklärte Voraussetzungen sollen Geltung beanspruchen dürfen, betont er, dass es „dem Zuge der heutigen Zeit“ nicht – mehr? – entspreche, wenn einer „formalistischen“ Rechtsanwendung der Vorzug gegenüber „der auf die Sache sehenden Rechtsanwendung“ gegeben würde.2748 Dass die Erfassung aller rechtserheblichen Konstellationen des Kondiktionenrechts den Gesetzgeber vor erhebliche terminologische Schwierigkeiten stellt, kann Windscheid nicht davon abhalten, auch für diesen Rechtsbereich eine gründliche gesetzliche Regelung zu fordern. Lenels Vorschlag, die wissenschaftlich umstrittenen Fragen weiterhin der Theorie zu überlassen und ins Gesetz lediglich Unstreitiges aufzunehmen, lehnt Windscheid daher kategorisch ab.2749 Getrieben von der „ungemeine[n] Gefahr“, „mit der [Windscheids] Lehre die Sicherheit des geschäftlichen Verkehrs“ bedrohe, holt Lenel noch im selben Jahr im Folgeband des Archivs für die Civilistische Praxis zu einer umfänglichen Erwiderung aus.2750 Ausgehend von der Behauptung, dass es „ein Mittelding zwi2743
B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 198 f. B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 200 unter Hinweis auf § 742 BGB-E einerseits und § 296 Abs. 4, § 667 Abs. 2 und § 689 Abs. 2 andererseits. 2745 Nochmals: „Wer unter der ausdrücklich oder stillschweigend erklärten Voraussetzung des Eintritts oder Nichteintritts eines künftigen Ereignisses oder eines rechtlichen Erfolges eine Leistung bewirkt, kann, wenn die Voraussetzung sich nicht erfüllt, von dem Empfänger das Geleistete zurückfordern.“ 2746 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 200. 2747 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 200 f. Vorschlags W’s: „Wer bei einer Willenserklärung an den Tag legt, daß er sie nicht abgeben würde, wenn er nicht von einer bestimmten Annahme (oder: Annahme oder Erwartung) ausginge, ist an die Willenserklärung nicht gebunden, wenn sich die Annahme (Erwartung) nicht bewährt.“ 2748 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 201. 2749 B. Windscheid, Voraussetzung (1892) S. 202, Schlusssatz: „Ich bin nicht so anspruchslos.“ 2750 Lenel, Nochmals die Lehre von der Voraussetzung, AcP 79 (1892) S. 49–107. 2744
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schen Motiv und Bedingung“ eben doch nicht gebe,2751 greift er Windscheids Argumentation Schritt für Schritt auf und sucht sie zu widerlegen. Sein philologisches Argument, mit „Voraussetzung“ werde nicht etwas Sicheres gesetzt, sondern etwas Unsicheres entweder verschwiegen (dann bloße Überzeugung) oder zum Ausdruck gebracht, mündet in der Aussage: „Wer eine Voraussetzung ausdrücklich erklärt, der hegt sie nicht, und wer sie hegt, der erklärt sie nicht“.2752 Eine erklärte „Voraussetzung“ könne verschiedenste Bedeutung haben,2753 werde aber in jedem Fall Vertragsbestandteil und führe daher im Konfliktfall zu einer Klage aus Vertrag und nicht, wie Windscheid vertrete, zur Kondiktion.2754 Unterschiedliche Grade der Ungewissheit könnten dabei – entgegen Windscheid – ein Übergehen von der Bedingung hin zu einer Voraussetzung im Sinne einer – nicht vollständig – sicheren Erwartung nicht begründen.2755 Bei der „stillschweigend erklärten“ Voraussetzung handele es sich um etwas völlig anderes. Erkennbar sei hierbei kein Wille, sondern eine bloße Vorstellung oder Überzeugung. Entgegen der – komplizierten – Konstruktion eines „potentiellen Willens“ bei Windscheid hält Lenel daran fest, dass Willenserklärung nur die Erklärung dessen sei, „was man (bedingt oder unbedingt) will, nicht dessen, was man unter gewissen Eventualitäten wollen würde.“ 2756 Anderenfalls wäre es möglich, „jedes erkennbare wirklich entscheidende Motiv unserer Willenserklärungen zu rechtlicher Bedeutung“ zu erheben. Nach Windscheid verändere das Motiv „seine Natur, wenn es als Motiv erkennbar wird“ 2757. Diese übersteigerte Wertschätzung subjektiver Äußerungen, die zu Willensbeschränkungen stilisiert werden, sei aber schon „geradezu psychologisch unmöglich“ 2758 und wird zudem um der Sicherheit des Verkehrs willen rigoros abgelehnt. Nach der bisherigen, eher theoretischen und prinzipiellen Argumentation, unternimmt es Lenel, „die Unrichtigkeit“ dieser Lehre „auch an ihren Einzelanwen-
2751
Lenel, Nochmals Voraussetzung (1892) S. 51. Lenel, Nochmals Voraussetzung (1892) S. 53. 2753 Lenel nennt, Nochmals Voraussetzung (1892) S. 54, Suspensivbedingung, Resolutivbedingung, Rücktrittsrecht, Rückforderung des Geleisteten, Schadensersatzklage. 2754 Lenel, Nochmals Voraussetzung (1892) S. 54–58 mit Beispielen. 2755 Beispiel des Kaufs eines „bedingt bebaubaren“ Grundstücks, Lenel, Nochmals Voraussetzung (1892) S. 56 f. 2756 Lenel, Nochmals Voraussetzung (1892) S. 59–62, Zitat S. 60. 2757 Lenel, Nochmals Voraussetzung (1892) S. 61 (beide Zitate). 2758 Lenel, Nochmals Voraussetzung (1892) S. 61. Zusammenfassend S. 62: „Eine prinzipielle Grenzziehung zwischen der Voraussetzung und dem bloßen Beweggrund ist nicht nur Windscheid nicht gelungen, sie ist überhaupt unmöglich. Die Vertheidiger der Voraussetzungslehre erklären, wenn man von den direkten Quellenentscheidungen absieht, für Voraussetzungen einfach diejenigen Motive, bei denen ihnen ein, leider nur zu oft trügliches, Billigkeitsgefühl sagt, daß hier ein eventuelles Rücktrittsrecht am Platze wäre. Sie glauben aus dem Voraussetzungscharakter des Motivs das Rücktrittsrecht zu deduciren, und schließen, sich selbst unbewußt, in Wirklichkeit umgekehrt.“ 2752
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dungen [zu] erproben“, wobei es ihm „darauf ankommt, wo möglich, keinen Winkel der Voraussetzungslehre unbeleuchtet zu lassen“.2759 Dabei greift er nicht nur Windscheids Gleichsetzung der Voraussetzung mit dem „ersten Zweck“ wortmächtig an,2760 sondern wiederholt demgegenüber seine Überzeugung, rechterheblich seien allein die Zwecke, „die für die wirthschaftliche Natur der Leistung selbst bestimmend“ seien, nämlich wirtschaftliche Zwecke einerseits, Schenkungszwecke andererseits2761 mit der Folge, dass über die Erreichung oder Nichterreichung des Erfolgs im Bereich der wirtschaftlichen Zwecke „relativ leicht und sicher“ zu entscheiden sei, während sich die Schenkung „durch die Natur ihrer Zwecke der gleichen Behandlung“ entziehe.2762 Weiter greift Lenel Windscheids Aussagen zu Schenkungen sowie Vergleichsanfechtung betreffende Quellenstellen an,2763 um auch hier „nachzuweisen, daß die Lehre von der ,stillschweigend erklärten‘ Voraussetzung in den Quellen nicht begründet ist,2764 und diskutiert auch die von Windscheid zitierten Gerichtsentscheidungen neu, um zu belegen, dass auch ohne Heranziehung der Voraussetzungslehre „billige“, also gerechte Entscheidungen gefällt werden können.2765 Lenel wiederholt sein Ergebnis, wonach die Voraussetzungslehre überflüssig sei, denn entweder stelle eine Erklärung eines Vertragspartners keine Willensbeschränkung dar und sei daher unerheblich, oder aber sein Gegenüber gehe auf diese Erklärung ein und akzeptiere sie. Dann werde sie Vertragsbestandteil und damit mehr, als Windscheid einer – einseitigen, dem Gegner lediglich erkennbaren – Erklärung zuzubilligen bereit sei. Die Voraussetzungslehre, wie sie von Windscheid vertreten werde, führe demgegenüber dahin, „daß dem anderen Vertragstheil unter dem Titel ,Voraussetzung‘ etwas als Bedingung, sei es auch uneigentliche, des Bestands des Geschäfts octroyirt wird, was er als solche nimmermehr angenommen haben würde“.2766 Auch hinsichtlich der Nachholbarkeit einer – noch – nicht erklärten oder erkennbaren Voraussetzung ist Lenel grundlegend anderer Ansicht. Für ihn ist es unvorstellbar, das Behaltendürfen einer Sache nachträglich davon abhängig zu machen, dass deren Überlassung einem bestimmten vom Geber lediglich behaupteten Zweck entspreche. Vielmehr könne jede zweckfrei hingegebene Sache so lange behalten werden, bis der Geber einen damit verknüpften Zweck bewiesen habe, der zur Rückforderung berechtige. Es komme „nicht auf die nachträglich erklärte sondern auf die ursprünglich vorhandene . . . causa an.“ Die abweichende 2759 2760 2761 2762 2763 2764 2765 2766
Lenel, Nochmals Voraussetzung (1892) S. 62–96, Zitat S. 62. Lenel, Nochmals Voraussetzung (1892) S. 63–68. Lenel, Nochmals Voraussetzung (1892) S. 69. Lenel, Nochmals Voraussetzung (1892) S. 74. Lenel, Nochmals Voraussetzung (1892) S. 74–85. Lenel, Nochmals Voraussetzung (1892) S. 85. Lenel, Nochmals Voraussetzung (1892) S. 85–96. Lenel, Nochmals Voraussetzung (1892) S. 96 f., Zitat S. 97.
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Ansicht Windscheids belege nur, dass es sich bei der von ihm entwickelten „Voraussetzung“ tatsächlich um etwas anderes als die römisch-rechtliche ,causa‘ handele.2767 Abschließend hält Lenel daran fest, dass der im Entstehen begriffenen Kodifikation wie auch der Wissenschaft am besten gedient wäre, wenn der vorliegende Streit um die Voraussetzung durch die besseren Argumente entschieden und nicht durch gesetzliche Festlegung diesem Ergebnis vorgegriffen würde, zumal „das Machtgebot des Gesetzgebers . . . den Streit gar nicht beenden, sondern nur seine Austragung erschweren“ könne.2768 Hierauf nochmals zu erwidern, war Windscheid nicht vergönnt. Durch die zweite Kommission wurde seine Voraussetzungslehre im Anschluss an die Entscheidung des Reichsgerichts vom 13.5.1889 – RGZ 24, S. 169 ff. – aus dem Gesetzestext vollends entfernt.2769 Bei der Betrachtung der weiteren Entwicklung ist der Bereich der Rechtsgeschäftslehre vom Bereicherungsrecht zu trennen. Die rechtsgeschäftliche Lehre von der Geschäftsgrundlage, die insbesondere durch Windscheids Schwiegersohn Oertmann2770 entwickelt2771, später unter anderem auf dem 40. Deutschen Juristentag 1953 diskutiert2772 wurde und Eingang in das öffentliche2773 wie das bürgerliche Recht2774 fand, geht zurück auf die gemeinrechtliche clausula rebus sic stantibus und macht nach neuerem Verständ2767 Lenel, Nochmals Voraussetzung (1892) S. 98, auch Zitat; – im Folgenden geht Lenel – S. 99–105 – noch auf Bekkers Begriff der Voraussetzung ein und deutet dabei an, dem dieser Lehre zugrunde liegende Wunsch nach erweiterter Berücksichtigung eines bloßen Motivirrtums könne durch Annahme eines Sachmangels bei Fehlens einer ,verkehrswesentlichen Eigenschaft‘ der Sache oder auch in der Person des Vertragspartners besser entsprochen werden. 2768 Lenel, Nochmals Voraussetzung (1892) S. 105 f., Zitat S. 106 unter Hinweis auf Äußerungen Windscheids zu Artt. 1131–1133 C.N. 2769 Simshäuser, Voraussetzungslehre (1972) S. 20 und im Einzelnen S. 33: Windscheids Voraussetzungslehre fand in der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des BGB keinen Befürworter mehr. 2770 Paul Ernst Wilhelm Oertmann (1865–1938), zu ihm Brodhun, Oertmann (1999). 2771 Oertmann, Geschäftsgrundlage (1921); dazu und zur weiteren Entwicklung Brodhun, Oertmann (1999) S. 223–238. Definition bei Oertmann, Geschäftsgrundlage (1921) S. 37: „Geschäftsgrundlage ist die beim Geschäftsschluss zutage tretende und vom etwaigen Gegner in ihrer Bedeutsamkeit erkannte und nicht beanstandete Vorstellung eines Beteiligten oder die gemeinsame Vorstellung der mehreren Beteiligten vom Sein oder vom Eintritt gewisser Umstände, auf deren Grundlage der Geschäftswille sich aufbaut.“ 2772 Kegel, Gutachten 40. Deutscher Juristentag (1953) S. 135–236, zu Windscheids Voraussetzung S. 143–150, zu Oertmanns Geschäftsgrundlage S. 153–157; dazu auch Stötter, Geschäftsgrundlage (1966) S. 149–187, zu Windscheid dort S. 155 f., zu Oertmann S. 156–158. 2773 Vgl. § 60 VwVfG. 2774 Seit 1.1.2002 § 313 BGB.
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nis2775 die Beendigung oder die Anpassung eines bestimmten Rechtsgeschäfts an veränderte Umstände davon abhängig, dass äußere Einflüsse, die für die am Rechtsgeschäft Beteiligten nicht absehbar waren, ein Festhalten an den bisherigen Konditionen des Rechtsgeschäfts für zumindest einen der Beteiligten unzumutbar gemacht haben. Die so verstandene „Geschäftsgrundlage“ ist also objektiv bestimmt und nicht mehr – wie Windscheids Voraussetzung – eine Frage subjektiver Willensbeschränkung. Daher ist – entgegen in der Wissenschaft vertretener Ansicht2776 – diese Lehre gerade im Angesicht eingetretener wirtschaftlicher Unmöglichkeit nicht das Fenster, durch das die zur Tür hinausgeworfene Voraussetzungslehre wieder hereingekommen ist. Schon Oertmann, der sich voller Verehrung gegenüber Windscheid äußerte,2777 hat in der Einleitung zu seiner Diskussion der Geschäftsgrundlage auf diese entscheidende Verlagerung vom subjektiven in den objektiv-rechtlichen Bereich hingewiesen.2778 Daher ist auf die weitere Diskussion dieses Instituts hier auch nicht näher einzugehen. Im Bereicherungsrecht hat dagegen Simshäuser2779 zutreffend festgestellt, dass für die Auslegung von § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz BGB Windscheids Voraussetzungslehre weiterhin von Bedeutung ist.2780 Diese Regelung geht auf die condictio ob causam datorum oder condictio causa data causa non secuta des
2775 Zur Differenzierung nach subjektiver und objektiver Methode und der Betonung des – objektiven – Erfordernisses der Unzumutbarkeit seit Larenz’ Monographie Geschäftsgrundlage und Vertragserfüllung 1951 s. Stötter, Geschäftsgrundlage (1966) S. 154–173, bes. S. 160–172 und zu Larenz Kegel, Gutachten 40. Deutscher Juristentag (1953) S. 190–199. 2776 Kegel Gutachten 40. Deutscher Juristentag (1953) S. 150; Simshäuser, Geschäftsgrundlage (1972) S. 20. 2777 Oertmann, Geschäftsgrundlage (1921) S. 1: „Aber Tatsache ist doch, dass erst Windscheid die Fragen meines Themas unter dem notwendigen allgemeinen Gesichtspunkt behandelt hat; dass sie sich erst unter dem bedeutenden Eindruck seines Buches zu einem Zentralproblem der modernen Rechtswissenschaft und -anwendung herausgebildet haben, das keinen mehr loslässt, der sich einmal ernsthaft darin vertieft hat. Zu einem Problem, über dessen geradezu ungeheure praktische Bedeutung uns erst die Lehren des Weltkrieges so recht die Augen geöffnet haben. Soviel steht heute unzweideutig fest, dass keiner unter Windscheids zahlreichen Widersachern, auch nicht Lenel als der weitaus bedeutendste unter ihnen, den befehdeten Begriff der Voraussetzung endgültig hat erledigen können; dass ihr Sieg bei der zweiten Beratung des BGB mehr Schein als Wirklichkeit gewesen ist.“ 2778 Oertmann, Geschäftsgrundlage (1921) S. 26 f.: „Es muss sich handeln um die objektive Grundlage des Geschäfts als solchen, nicht nur um die subjektive Grundlage für den Willensentschluss und die Erklärung einer der dabei beteiligten Personen. Dadurch unterscheidet die Geschäftsgrundlage sich aufs Schärfste von dem bloßen Motiv aber auch von der Voraussetzung in dem Sinne Windscheids oder doch dem, was man als Sinn aus seiner Voraussetzungslehre herausgelesen hat.“ 2779 Simshäuser, Voraussetzungslehre (1972) S. 19–38. 2780 Ihm geht es „um das Wiederauftauchen der Voraussetzungslehre auf einem Gebiet, auf dem sie von ihrem Schöpfer ursprünglich und eigentlich entwickelt worden ist: im Bereicherungsrecht,“ Simshäuser Voraussetzungslehre (1972) S. 21.
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römischen Rechts zurück, die noch im justinianischen Recht – systemwidrig – erhalten geblieben ist, obgleich gegenüber der klassischen Zeit die vertraglichen Möglichkeiten erweitert worden sind und auch „Innominat“-Verträge wie die besonders benannten Vertragsformen behandelt werden konnten, somit die Erfüllung der Gegenleistung auch – und vorrangig – durch actio praescriptis verbis erzwungen werden konnte.2781 Windscheids Übersetzung der „causa“ mit „Voraussetzung“ stellt vor diesem Hintergrund den Versuch dar, die in den Quellen gegebene „condictio“ einerseits zu erklären und andererseits daran festzuhalten, dass der Motivirrtum unbeachtlich sei.2782 Sein Verständnis der Voraussetzung als Selbstbeschränkung des Willens, die nicht zum Vertragsinhalt geworden ist,2783 bedeutet zugleich, dass die Kondiktion bei fehlender Voraussetzung jegliche vertragliche Bindung ausschließt. „In diesem Fehlen oder in diesem Ausschluß schuldvertraglicher Bindung an die Erreichung eines bestimmten Leistungszwecks findet aber gerade ein Wesensmerkmal der condictio causa data causa non secuta, die Nichterzwingbarkeit der mit einer Leistung bezweckten Gegenleistung, im Zeitalter der prinzipiellen Klagbarkeit aller Verträge einen adaequaten materiellrechtlichen Ausdruck. Dies ist daher auch genau der Punkt, an dem die Voraussetzungslehre Windscheids wiederauftaucht.“ 2784 Auch wenn die Formulierung des § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz BGB alles andere als klar ist, insbesondere „das wohl wesentlichste Merkmal der condictio, nämlich das Fehlen schuldvertraglicher Bindung an den mit einer Leistung bezweckten Erfolg oder die Nichterzwingbarkeit der mit einer Leistung bezweckten Gegenleistung“ 2785 nicht zum Ausdruck kommt, so kann doch das Wissen um Windscheids Voraussetzungslehre hier zu einer stimmigen Auslegung helfen. Die condictio ob causam datorum ist entgegen verbreiteter Meinung nicht auch dann wegen Nichteintritts des mit einer Leistung bezweckten Erfolges anwendbar, „wenn ein über den Anspruch auf die Gegenleistung hinausgehender Erfolg Vertragsinhalt geworden ist“.2786 Denn was tatsächlich Vertragsinhalt geworden ist, kann in aller Regel auch durch Klage erzwungen werden und steht einem Rückgriff auf Kondiktion des Geleisteten – weil die Gegenleistung nicht zu erlangen sei – entgegen.2787 Zutreffend hat hingegen der Bundesgerichtshof noch in einem Urteil vom 29.11.1965 erkannt, dass bei dieser Kondiktionsform mit der Bestimmung hinsichtlich des bezweckten Erfolges „keine vertragliche Bindung ge-
2781
Simshäuser Voraussetzungslehre (1972) S. 21 u. S. 23–25. Simshäuser Voraussetzungslehre (1972) S. 25 f. 2783 Dies betont Simshäuser Voraussetzungslehre (1972) S. 29. 2784 Simshäuser Voraussetzungslehre (1972) S. 30. 2785 Simshäuser Voraussetzungslehre (1972) S. 35. 2786 Obiter dictum des Reichsgerichts in einem Urteil vom 5.4.1907 und viele Nachweise bei Simshäuser Voraussetzungslehre (1972) S. 35 mit Fn. 88. 2787 Simshäuser Voraussetzungslehre (1972) S. 36. 2782
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meint“ ist.2788 So wirken Windscheids Überlegungen zur „Voraussetzung“ wenn schon nicht in der Rechtsgeschäftslehre doch wenigstens im Bereicherungsrecht fort als überzeugende Begründung dafür, dass der dort genannte „bezweckte Erfolg“ von Vertragsinhalten getrennt zu denken ist. Im Handelsrecht der USA hat Windscheids Voraussetzungslehre insbesondere in dem das case law vereinheitlichenden Uniform Commercial Code (UCC) von 1952 seinen Niederschlag gefunden. Dieses Gesetzgebungsvorhaben des Law Reform Movement erlangte abgesehen vom Bundesstaat Louisiana in den gesamten Vereinigten Staaten Geltung und trug so zur Vereinheitlichung des Rechts bei. Windscheids Einfluss ist darauf zurückzuführen, dass der „Chief Reporter“ (Hauptverfasser) der Redaktionskommission des UCC, Karl Nickerson Llewellyn (1893–1962), als Kenner nicht nur des deutschen Privatrechts sondern auch der Pandektistik mit dessen Überlegungen vertraut war.2789
2788 VII ZR 214/63, BGHZ 44, S. 321–324, Zitat S. 323 bei Simshäuser Voraussetzungslehre (1972) S. 37; zur vorangegangenen Rezeption der Voraussetzungslehre Windscheids durch das Reichsgericht bis 1889 wie zu dessen Abkehr von dieser Lehre seit dem Urteil vom 13.5.1889 – VI. 60/89 –, RGZ 24, S. 169, s. Falk, Ein Gelehrter wie Windscheid (1989) S. 210–214. 2789 Hamza, Entstehung und Entwicklung (2009) S. 622 f., zu Karl Nickerson Llewellyn S. 623.
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Grundlinien Bernhard Windscheids Bis hierher wurden verschiedene Aspekte, die die Sicht Bernhard Windscheids auf seine berufliche Tätigkeit wie auf sein Leben insgesamt beschreiben, zwar angesprochen, aber mehr gestreift als im Zusammenhang dargestellt. Dies betrifft zum einen sein Rechts- und Methodenverständnis, wie es sich insbesondere in der ersten Phase seiner wissenschaftlichen Tätigkeit – also bis 1857 – herausgebildet und dann in seinem großen Lehrbuch des Pandektenrechts seinen Niederschlag gefunden hat. Zum andern und über sein fachlich-wissenschaftliches Wirken hinaus sollen – soweit anhand der Quellen möglich – seine innere Haltung dem Leben und den Menschen gegenüber sowie seine politischen Ansichten in der gebotenen Kürze reflektiert werden. Ohne deren Betrachtung erscheint es nicht möglich, über die bloße Darstellung seines Lebens und des Wirkens hinaus der Person Bernhard Windscheids in ihrer Zeit gerecht zu werden. Für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts charakteristisch ist, dass zur individuellen Lebensgestaltung in neuer Weise ein organisatorischer Rahmen tritt, der vom Staat und damit den verfassungspolitischen Verhältnissen im weiteren Sinne geschaffen und für die Bevölkerung mehr als zuvor bestimmend geworden ist. Windscheids Wirken ist Ausdruck dieser Ambivalenz: Einerseits ist für ihn das Recht seinem Wesen nach eine abstrakte oder auch von der Idee geprägte Materie, die andererseits aber von den Bürgern als Akteuren in der Wirklichkeit anzuwenden ist. Beide Aspekte müssen auch bei Windscheids wissenschaftlich-juristischem Wirken besonders beachtet werden.
A. Rechts- und Methodenverständnis bis 1857 Zur Erfassung des Verständnisses, das Windscheid vom „Recht“ und der Rechtswissenschaft hatte, bedarf es einer detaillierten Betrachtung dieser Begrifflichkeiten wie auch seiner Haltung gegenüber dem Gesetz, seiner Vorstellung von den Aufgaben eines Richters und – besonders angesichts der immer noch gängigen Schlagwörter der Pandektistik-Forschung vom realitätsfernen Systematiker und Begriffsjuristen – insbesondere der Methoden, die er zur Handhabung von Recht im wissenschaftlichen Bereich einsetzte und seiner inneren Haltung wie äußeren Nähe zu dessen praktischer – gemeinrechtlichen – Anwendung.
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I. Windscheids Rechtsverständnis Von Anfang an ist sich Windscheid über das Ziel des Rechts im Klaren. Der Weg, die Art und Weise, wie dieses Ziel zu erreichen sei, ist weniger festgelegt. Darum soll hier zunächst das theoretische Ziel vorgestellt werden. Daran schließen sich Ausführungen zum praktischen Weg an. 1. Recht und Idee a) Recht als Garant der Gerechtigkeit und zugleich der Sittlichkeit Die letzte Aufgabe des Rechts ist für Windscheid, ausdrücklich seit 1847, „die sittliche Ordnung der Dinge . . . zu schützen“.1 Dieser moralische Anspruch steht über jedem positiven Gesetz.2 In der Greifswalder Rede von 1854 wird diese Verbindung von Recht und Moral noch verstärkt: Hier preist Windscheid das Recht als Diener der „höchsten Ideen“ und „Grundlage der sittlichen Weltordnung“ 3 und nennt als seinen „Leitstern“ und „Ideal“ die Billigkeit, verstanden als „Gleichheit mit den Verhältnissen“.4 Auch wenn Windscheid weiß, dass Ideale in der Realität nie rein zu verwirklichen sind,5 wird so für ihn, der an einen transzendentalen und persönlichen Gott nicht glauben kann, das diesseitige und zugleich ideale Recht zur Ersatzreligion. Dass Windscheid in seiner ersten Veröffentlichung 1841 Thibaut angreift, weil der dem „Billigkeitsgefühl Einfluß auf die Gestaltung der Rechtsregeln“ einräume, widerspricht dem Gesagten nicht. Denn der Vorwurf ist allein gegen das „vage, nicht durch juristische Begriffe vermittelte Billigkeitsgefühl“ gerichtet.6 Windscheid selbst denkt bei der Inhaltsbestimmung der von ihm verwendeten Begriffe regelmäßig an die Billigkeit als Begrenzung des von Rechts wegen Anerkannten.7
1
B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 252. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 303 Fn. 39: „dieser Satz ist viel zu tief in der Aufgabe alles Rechts begründet, als daß wir seine Geltung für irgend eine positive Gesetzgebung von deren ausdrücklicher Sanction abhängig machen dürften.“ 3 B. Windscheid, Recht und Rechtswissenschaft (1854) S. 4. 4 B. Windscheid, Recht und Rechtswissenschaft (1854) S. 10. 5 Ebd. 6 B. Windscheid, Besitz an Theilen (1841) S. 454 u. S. 458 Fn. 2. 7 Beispiele: Folgenlosigkeit des Motivirrtums nur bei sittlich nicht anstößigem Motiv [Ungültigkeit (1847) S. 252]; konkludent erklärte Voraussetzung nur anzuerkennen, falls dies weder Dritten schädigt noch eigenes unredliches Verhalten anerkennt [Voraussetzung (1850) Nr. 77 S. 123–125]; der durch bedingte Willenserklärung gebundene Teil darf den Eintritt der Bedingung nicht auf unredliche Weise verhindern [Bedingung (1851) S. 21 f.]; das gilt auch bei Potestativbedingungen [Potestativbedingung (1852) S. 52–54]; unter die befreiende subjektive nachträgliche Unmöglichkeit fällt auch der unverschuldete vollständige Vermögensverlust [Rez. Mommsen, Obligationenrecht I (1855) S. 112 f.]; falls Unmöglichkeit der völligen Herstellung eines Werkes auf dolus beruht, haftet der dolose Teil auf das volle (Erfüllungs-)interesse [Rez. Mommsen, Ob2
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3. Teil: Grundlinien Bernhard Windscheids
b) Recht und menschliche Freiheit – die Bedeutung des Willens Der Wille ist für Windscheid der die Rechtsordnung bestimmende Faktor. Er kennt sogar einen Willen des – durch Gewohnheit entstehenden – Rechts selbst, der absolut ist und jede denkbare Rechtsfolge herbeiführen kann.8 Für die Auslegung des Gesetzes ist oberste Richtschnur der wirkliche, unter Umständen nicht einmal deutlich geäußerte Wille des historischen Gesetzgebers.9 Gleiches gilt für die Auslegung der Rechtsverhältnisse zwischen Privaten, die innerhalb des privaten Bereiches einem Gesetzgeber vergleichbar behandelt werden. So ist alles von Rechts wegen zu beachten, was willenstheoretisch möglich ist und sich innerhalb der „ewigen Ordnung“ 10 der Sittlichkeit hält. Es gibt daher nicht nur einen auf das Ganze, sondern auch einen auf ein Teil des Ganzen gerichteten Besitzwillen.11 Dagegen kann an Unmögliches der Wille nicht gebunden werden.12 Indem das Recht den Willen der individuellen vernünftigen Rechtssubjekte genau beachtet13, ermöglicht es ihnen ein Höchstmaß an Freiheit im Umgang miteinander.14 Hier liegt die letzte Ursache für die Anerkennung der Voraussetzung, die einen „Mittelweg“ zwischen bedingtem und unbedingt gültigem Wollen eröffnen möchte15, und auch für die Ablehnung der früheren Modelle zum Übergang von obligatorischen Verpflichtungen oder Rechten von einer Person auf eine andere.16 Nur der Wille selbst kann sich einer strengeren Interpretation seiner eigenen Äußerungen unterwerfen, etwa wenn er sich eines Instituts aus dem Bereich des ius strictum bedient.17 ligationenrecht I (1855) S. 121 f.]; Ursache des Gläubigerverzuges ist, dass der Gläubiger seine Herrschaft über den Schuldner entweder korrekt oder überhaupt nicht ausüben darf [Rez. Mommsen, Obligationenrecht III (1856), S. 268–270]. 8 Etwa die, dass der gutgläubige Eigenbesitzer nur das Verbrauchsrecht, nicht aber Eigentum an den von ihm gezogenen Früchten erhält (B. Windscheid, Recht des redl. Besitzers [1847] S. 66), was Koeppen (Fruchterwerb [1872] S. 46 f.) kritisierte, weil es ein von Eigentum gesondertes Konsumtionsrecht nicht gebe. 9 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. V–VIII. 10 B. Windscheid, Recht und Rechtswissenschaft (1854) S. 4. 11 B. Windscheid, Besitz an Theilen (1841) S. 452 f. 12 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht I (1855) S. 115. 13 Dennoch ist der Motivirrtum unbeachtlich, weil die Erklärung dem Willen tatsächlich entspricht (B. Windscheid, Ungültigkeit [1847] S. 252). Umgekehrt ist über den Sachwert hinausgehender Schadensersatz bei Unmöglichkeit die verschuldensabhängige Ausnahme, weil die Willensbindung im Normalfall auf den Sachwert begrenzt ist (B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht II [1855] S. 530–535). 14 B. Windscheid, Recht und Rechtswissenschaft (1854) S. 4 f.; ders., Abwehr (1857) S. 11: „Recht ist der Inbegriff der Bestimmungen darüber, inwiefern jedes Individuum seinen Willen den übrigen Individuen gegenüber zur Geltung bringen dürfe, inwiefern sich die übrigen Individuen seinem Willen zu fügen haben.“ 15 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 1 S. 2 (Zitat). – Wie gezeigt, hat die Kritik Windscheid hier mit einer gewissen Berechtigung logische Unmöglichkeit seiner Vorstellungen vorgeworfen. 16 B. Windscheid, Singularsuccession (1853) S. 27–46, 33–35.
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Durch den Willen wird im Privatrecht ein Rechtssubjekt dem anderen gegenüber gebunden und der genaue Inhalt des rechtlichen Verhältnisses bestimmt. Die Wissenschaft greift nur dann ein, wenn die privaten Vorstellungen etwa von dem Wesen der Bedingung, den Folgen der Teilunmöglichkeit oder der Bedeutung der Interpellation nicht eindeutig sind.18 Dabei ergreift diese Bindung nur das Gegenüber, das andere Rechtssubjekt, nicht das zwischen beiden abgeschlossene Rechtsverhältnis.19 Dadurch wird für Windscheid, der sich von Kuntzes Kritik nicht beeindrucken lässt, die Forderungsabtretung wie auch die Schuldübernahme möglich.20 Die konsequente, wenn auch logisch zweifelhafte Folge der Überlegung, dass das Bestehen eines Rechts von einem bestimmten Rechtssubjekt unabhängig ist,21 bildet die Figur des Vermögens als juristischer Person und damit eines unpersönlichen und dennoch rechtlich relevanten Wollen-Dürfens. 2. Recht und Wirklichkeit a) Das Recht und die Bedürfnisse des täglichen Lebens In Windscheids Bewertung des Verhältnisses von Recht und Lebenswirklichkeit ist eine klare Entwicklung zu erkennen. Seine ersten romanistischen Studien wie die Arbeiten zum französischen Recht enthalten allenfalls in die Praxis umsetzbare Überzeugungen, sind aber nicht an den Bedürfnissen des täglichen Lebens orientiert oder gar aus ihnen geschöpft. Aus seiner Basler Zeit stammen Äußerungen, wonach die Theorie nicht das Leben beherrschen, sondern ihm dienen soll22 und es der größte Vorzug des römischen Rechts sei, dass es die „wirklichen Lebensverhältnisse“ in einer so glücklichen Weise in Normen umgesetzt habe, dass dessen Regeln auch heute 17
B. Windscheid, ruhende Erbschaft (1853) S. 206 zur „strengrechtlichen“ Stipula-
tion. 18 Zur Bedingung B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 4 u. ders., Rez. Fitting, Rückziehung (1857) S. 39; zur Teilunmöglichkeit B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht I (1855) S. 119–121; zur Interpellation B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht III (1856) S. 256–258. 19 B. Windscheid, ruhende Erbschaft (1853) S. 188 f.; B. Windscheid, Rez. Fitting, Rückziehung, (1857) S. 38 f., S. 42 f. u. S. 48 f. gegen Fitting, Rückziehung (1856), S. 64 f. und öfter. 20 B. Windscheid, Singularsuccession (1853) S. 27–46, 40 f. in Übereinstimmung mit Beseler, System II (1853) § 118 S. 276 f.: „Dem Gläubiger ist der Wille des Schuldners gebunden; das Band, mit dem ihm derselbe gebunden ist, gibt er einem andern in die Hand; dieser hat es nun; ist das Band nicht mehr dasselbe, weil ein anderer es in der Hand hält?“ – Dagegen Kuntze, Obligation (1856) S. 59 f. u. S. 76 und die Replik B. Windscheids, Actio (1856) S. 155 f. 21 B. Windscheid, Actio (1856) S. 235: „Ist dem Rechte ein bestimmtes Subject nicht wesentlich, um das zu sein, was es ist, so ist ihm ein Subject überhaupt nicht wesentlich.“ 22 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 61 S. 89.
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noch dann, wenn der klare Parteiwille fehlt und darum das „wahrscheinlich Gewollte“ zu ermitteln ist, problemlos übernommen werden könnten.23 Dieser Erkenntnis der Bedeutung der Lebenswirklichkeit für das Recht folgt in Greifswald die Kritik an den bestehenden Zuständen. Windscheid wirft den Größen seiner Wissenschaft vor, sie befänden sich in der Gefahr, „den festen Boden des Lebens unter den Füßen“ zu verlieren und die „Wirklichkeit der Dinge“ nicht zu beachten.24 Dazu gehört die Anerkennung des Vermögens als juristischer Person, für Windscheid eine Frage der „Gesundheit oder Ungesundheit einer Lebensanschauung“.25 Er ist der Überzeugung, das römische „ächt praktische Recht“ stehe dabei auf seiner Seite.26 Das ändert sich, als Windscheid in der Frage der Einzelnachfolge in Obligationen dem von der „Rechtsanschauung des Volkes“ geprägten „Bedürfniß des Verkehrs“ gerecht zu werden versucht. Hier ist er bereit, das neue Selbstbewusstsein „selbst gegen das römische Recht zur Geltung zu bringen.“ 27 In seiner Rede von 1854 wird Windscheid grundsätzlich und fordert im Interesse der Billigkeit („Gleichheit mit den Verhältnissen“) eine enge Beziehung von Recht und täglichem Leben. Die in Deutschland übertriebene Lust an der Abstraktion habe einen unnötigen und „nie genug zu beklagende[n] Bruch“ zwischen Theorie und Praxis herbeigeführt, den es zu beseitigen gelte.28 Vorbild ist ihm dabei immer noch das römische Recht, allerdings nicht mehr wie noch 1851 in unmittelbarer, sondern in analoger Anwendung. Das heißt, nicht mehr dessen Ergebnisse, nur noch die Tauglichkeit, praktische Bedürfnisse umzusetzen, sind Grund der Verehrung. Konkret nennt Windscheid einige Bereiche, in denen das Recht den modernen Bedürfnissen anzupassen wäre.29 Damit hat Windscheid den Anschluss an Forderungen nach Praxisnähe aus der Zeit des Vormärzes gefunden30, obgleich er nicht bereit ist – vielleicht auch nach dem Scheitern der 23
B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 4. B. Windscheid, ruhende Erbschaft (1853) S. 182 gegen u. a. Savigny und Puchta. 25 B. Windscheid, ruhende Erbschaft (1853) S. 188. – Kuntze, Obligation (1856) S. 380, hält Windscheids Ansicht für logisch unmöglich und darum undenkbar. 26 B. Windscheid, ruhende Erbschaft (1853) S. 190. 27 B. Windscheid, Abwehr (1857) S. 86, verpflichtet die Wissenschaft, Veränderungen im Rechtsbewusstsein zu erkennen und den Gesetzgeber darauf aufmerksam zu machen. – Dazu passt die Forderung eines Anonymus, Gemeines Recht für Deutschland (1846) Sp. 169–179, 172, „daß unsere Jurisprudenz für die rationelle Kritik des bestehenden Rechts und die legislative Politik wenigstens des Privatrechts“ in Zukunft bedeutend mehr leisten müsse. 28 B. Windscheid, Recht und Rechtswissenschaft (1854) S. 23. 29 Nämlich das Stellvertretungsrecht, den Vertrag zu Gunsten Dritter, den Forderungsübergang und das römische Aktionenwesen, B. Windscheid, Recht und Rechtswissenschaft (1854) S. 24. 30 Anonym, Römische und moderne Jurisprudenz (1845) Sp. 1189–1193 u. Sp. 1441– 1448 sowie (1846) Sp. 73–80 u. Sp. 297–304, bes. (1845) Sp. 1190. 24
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Revolution keinen Anlass mehr sieht –, diese Forderung über den wissenschaftlichen Bereich hinaus in die Öffentlichkeit zu tragen.31 Verglichen mit Zeitgenossen, die in der Aufbruchstimmung der 50er Jahre ebenfalls ihr ,Programm‘ vorstellen, geht Windscheid dennoch weiter. Bekker sieht zwar eine enge Verbindung von Rechtswissenschaft und gesellschaftlicher wie wirtschaftlicher Entwicklung, doch problematisiert er dieses Verhältnis nicht; er rechnet nur mit einer daraus folgenden Vermehrung des zu bearbeitenden Stoffes.32 Ihering strebt neben seinem bekannten Ziel „durch das römische Recht über das römische Recht hinaus“ immerhin „die Verschmelzung der Wissenschaft mit dem Leben“ an, doch möchte er dies durch „juristische Speise“ erreichen.33 Für ihn wie für Bekker ist das Leben der dienende, von der Jurisprudenz profitierende, nicht aber der zu Forderungen an die Wissenschaft berechtigte Teil. Seine theoretischen Überzeugungen setzt Windscheid weiter um in seiner Rezension von Friedrich Mommsens Beiträgen zum Obligationenrecht und in der ,Actio‘. Mehr als der als Gesinnungsgenosse begrüßte Mommsen34 bemüht er sich um praktische und interessengerechte Interpretationen etwa beim Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft35 oder bei der Begründung der Preisgefahr beim Kauf im Moment des Vertragsabschlusses.36 Die Übersetzung der ,actio‘ mit ,Anspruch‘ allein ist der Versuch, auch von Muther nicht zu bestreitende gesellschaftliche Veränderungen juristisch zu berücksichtigen.37 Dabei zeigt er sich nach wie vor überzeugt, „daß das römische Recht“ nicht „das absolute Recht sei“.38 Innerhalb der Monographie geht er in der Berücksichtigung des Verkehrsbedürfnisses dadurch weiter als Ihering, dass er einen Eigentumsüber-
31 1844 forderte ein Anonymus in „Die Stellung der Jurisprudenz zur Gegenwart“, Sp. 101–105, 104, die Rechtswissenschaft dürfe sich nicht vom Volk isolieren, sondern müsse „auf den Markt des Lebens und in die Arena der Tageskämpfe treten.“ 32 Bekker, Über das gemeine deutsche Recht (1857) S. 1–23, 12–15. 33 Ihering, Unsere Aufgabe (1857) S. 1–52, 51 f. u. 27. 34 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht I (1855) S. 106 u. S. 145, ders., Rez. Mommsen, Obligationenrecht II (1855) S. 525, ders., Rez. Mommsen, Obligationenrecht III (1856) S. 253 f. 35 Zu beidem B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht I (1855) S. 122–125: Qualitätszusage bedeute immer Haftungsversprechen auf das Erfüllungsinteresse; Irrtum bei der Eigenschaftsangabe führe nicht automatisch zur Nichtigkeit, auch Verpflichtung des Irrenden zur Leistung des Gewollten sei denkbar. 36 „Im Kaufvertrag“ sei „der Entäußerungsvertrag bereits . . . abgeschlossen“ und damit der Kaufgegenstand wirtschaftlich Bestandteil des Käufervermögens, B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht I (1855) S. 135–137, Zitat S. 137, ebenso beim Tausch, ebd. S. 143. Hier folgt Windscheid also der römischen Intention gegen die moderne Rechtsregel. 37 B. Windscheid, Actio (1856) S. 4, S. 147 f. u. S. 165 f.; Muther, Zur Lehre (1857) S. 197; B. Windscheid, Abwehr (1857) S. 85. 38 B. Windscheid, Actio (1856) S. 1.
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gang durch bloße Übertragung des Herausgabeanspruchs und ohne zusätzliche Klage für möglich hält.39 b) Entstehung des Rechts Getreu der Tradition der historischen Schule ist für Windscheid das Recht ein Ausdruck der Kultur eines Volkes, „ein Stück seines eigensten Daseins, mit ihm geboren und fortlebend wie seine Sprache und Sitte,“ 40 zugleich „von der Willkühr des Einzelnen . . . unabhängig.“ Gerecht ist dieses Recht dann, wenn seine Entwicklung mit der allgemeinen Entwicklung des Volkes Schritt halten kann.41 Recht entsteht für Windscheid aus der vom Volksbewusstsein getragenen Gewohnheit42 oder durch das Gesetz. Priorität hat für ihn in seiner Zeit eindeutig das letztere. 1854 nennt er die „Gesetzgebung fast die einzige Rechtsquelle“ 43, und 1856 weist er einen zukünftigen Gesetzgeber darauf hin, dass nach der Übersetzung von actio mit Anspruch die Voraussetzungen der Verjährung neu zu überdenken seien.44 Gewohnheitsrechtlich galt „dies interpellat pro homine“. Windscheid lehnt die „interpellirende Kraft des dies“ einmal wegen Fehlens einer konstanten Rechtsüberzeugung, zum anderen deshalb ab, weil die hier in Rede stehende einseitige Wertung des Parteiwillens nie Inhalt eines Gewohnheitsrechtes sein könne.45 c) Verhältnis von römischem und deutschem Recht In der allein das klassische römische Recht behandelnden Dissertation von 1838 schrieb Windscheid: „si de certi populi legibus disserimus, eam naturalem rationem esse putare debemus, quae ipsi, non quae nobis naturalis videtur“.46 Diese einseitige Betrachtung hat er aber, wo es um das geltende Recht ging, nicht übernommen. 1847 nennt er es die Aufgabe der Beschäftigung mit dem französischen Recht, das „Echte und Bleibende“ vom Überholten zu sondern und allein zu bewahren.47 Seit Basel dann erklärt er das römische Recht zum rezipierten und damit deutschen Recht, das die Romanisten – fern davon, mit ihren deut-
39 B. Windscheid, Actio (1856) S. 219–221 zu Ihering, Übertragung der Reivindicatio (1857) S. 101–188, 104–120. 40 Artikel „Antrittsrede des Herrn Professor Windscheid“ im Allgemeinen Intelligenzblatt der Stadt Basel vom 14.1.1848, Titelseite. Der Wortlaut des Vortrags ist nicht erhalten. 41 B. Windscheid, Recht und Rechtswissenschaft (1854) S. 11. 42 B. Windscheid, Recht des redl. Besitzers (1847) S. 67, S. 72 u. bes. S. 103. 43 B. Windscheid, Recht und Rechtswissenschaft (1854) S. 11. 44 B. Windscheid, Actio (1856) S. 69 f. 45 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht III (1856) S. 254–256. 46 B. Windscheid, De valida (1838) S. 61. 47 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. X f.
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schrechtlichen Kollegen über das ,wahre‘ deutsche Recht zu streiten – zu bearbeiten und als nationalen Stoff „zu entwickeln“ hätten.48 Wie diese „Entwicklung“ aussehen sollte, zeigt sein Werk über die Voraussetzung: Nicht nur die ,Voraussetzung‘ selbst weist über das römische Recht hinaus49, auch auf zahlreichen anderen, dort nur kurz angesprochenen Gebieten führt Windscheid die römische Entwicklung fort50, wogegen er als überholt erkannte Regelungen nicht etwa ignoriert, sondern beibehält.51 In Greifswald, wo ihn die Frage nach der Bedeutung des römischen Rechts intensiv beschäftigt, weil sie „das innerste Leben der deutschen Rechtswissenschaft“ berühre52, geht Windscheid über die erste Stufe, die Anerkennung des römischen Rechts als rezipiertes deutsches Recht53, hinaus. Jetzt fordert er dessen nationale Aneignung, wie sie bereits mit andern Erbstücken antiker Kunst und Kultur erfolgt sei, und damit die Aufnahme des römischen in ein eigenes neues Recht.54 Die Verbindung von Savignys Volksgeistlehre und Thibauts nationaler Begeisterung, unterstützt von Beselers andauernden Hinweisen auf das „nationale Bewusstsein“ gegen Savignys Repräsentantentheorie55, müsse dazu führen, dass in Zukunft die „deutsche Rechtswissenschaft nur Wissenschaft des deutschen Rechts sein dürfe“ 56, demgegenüber das klassische römische Recht nur noch die – allerdings wichtige – Funktion eines „Erziehungs- und Hülfsmit48 Artikel „Antrittsrede des Herrn Professor Windscheid“ im Allgemeinen Intelligenzblatt der Stadt Basel vom 14.1.1848, Titelseite. 49 So Kuntze, Wendepunkt (1856) S. 20. – Für B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 59 S. 84, sind die in den Quellen behandelten Fälle nur „Fingerzeige für die Beurtheilung anderer Fälle“. 50 Ausdehnung der Sachmängelhaftung (Voraussetzung [1850] Nr. 73–75, S. 111– 120, bes. S. 117–119 gegen Savigny), unbegrenzte Anerkennung der auflösenden Bedingung (ebd. Nr. 94 S. 148–152), Klagbarkeit jedes zweiseitigen Vertrags (ebd. Nr. 102 S. 162–165), allgemeiner Anspruch des begünstigten Dritten gegen den Schuldner (ebd. Nr. 106 f. S. 171–174), Gültigkeit des formlosen Schuldversprechens (ebd. Nr. 121 Fn. 7 S. 198 f., gegen Gneist). 51 Ius poenitendi bleibt auch nach Entstehen der actio praescriptis verbis geltendes Recht, B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 103 S. 165 f. u. Nr. 110 S. 179–182, bes. S. 180 f. 52 B. Windscheid, Recht und Rechtswissenschaft (1854) S. 14. 53 B. Windscheid, Recht und Rechtswissenschaft (1854) S. 16. Ausdrücklich bejaht er also die Rezeption und übernimmt Beselers Kritik daran nicht. Ebenso Kern, Beseler (1982) S. 19. 54 B. Windscheid, Recht und Rechtswissenschaft (1854) S. 21. 55 B. Windscheid, Recht und Rechtswissenschaft (1854) S. 17–19. 56 B. Windscheid, Recht und Rechtswissenschaft (1854) S. 20. Sein eigenes Ziel ist, dadurch die Voraussetzung für ein volkstümliches Recht zu schaffen, dass er den „anationalen“ römischen Rechtsstoff durchdringt, „antinationale Elemente“ ausscheidet und so beiträgt zur „Herstellung eines nationalen Rechts“: B. Windscheid, Actio (1856) S. 230 und ders., Abwehr (1857) S. 87 (1. Zitat) u. S. 85. Schlußsatz S. 88: „Das Ziel, nach dem wir zu streben haben, ist die formale Beseitigung des römischen Rechts, unter Verwerthung seiner lebendigen Gedanken für das nationale Recht.“
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tel[s] einer nationalen Jurisprudenz“ zu übernehmen habe.57 Diese Veränderung dürfe nicht nur im Unterricht58, sie müsse auch in der Gestaltung der Lehrbücher sichtbar werden.59 Das ist für Windscheid der entscheidende „Wendepunkt“, auf den er in seinen Greifswalder Publikationen immer wieder zurückkommt.60 Formal soll diese Erneuerung streng nach den Regeln der Kunst erfolgen, denn auf „die Schärfe des Denkens und die präcise Ausbildung der Begriffe“, „in welcher die römische Jurisprudenz allen Zeiten ein leuchtendes Vorbild geworden ist“ 61, will Windscheid nicht verzichten. Außerdem macht er den wesentlichen Vorbehalt, dass einmal rezipiertes römisches Recht so lange in Geltung bleibe, „bis es durch eine zur Rechtserzeugung befugte Quelle beseitigt ist“.62 Ähnlich wie in der Frage nach dem Verhältnis von Recht und Wirklichkeit nimmt Windscheid auch bei diesem Thema Forderungen aus der Zeit des Vormärzes63 und besonders der Germanistentage64 wieder auf. Angesichts der Stimmung innerhalb des romanistischen Lagers65 ist verständlich, dass er dabei von der Vorstellung der Gesamtrezeption nicht abgeht.66 Dennoch ist Windscheids Haltung, verglichen mit der anderer Vertreter des römischen Rechts, nationaler 57 B. Windscheid, Recht und Rechtswissenschaft (1854) S. 22. Dieser Ansicht ist auch Bachofen in seiner Selbstbiographie vom gleichen Jahr 1854, (1916) S. 337–380, 371. 58 B. Windscheid, Recht und Rechtswissenschaft (1854) S. 14. 59 B. Windscheid, Recht und Rechtswissenschaft (1854) S. 26: „Eine Generation, welche in dem Bewußtsein aufgewachsen ist, daß es nur Ein deutsches Recht gibt, wird auch die Kraft haben, Alles zu umfassen, was zur wissenschaftlichen Darstellung dieses einigen deutschen Rechtes erforderlich ist.“ 60 Erstmals B. Windscheid, Singularsuccession (1853) S. 27–46, 27, dann in ders., ruhende Erbschaft (1853) S. 181–207, 182 und ders., Actio (1856) S. IV u. S. 166–168. 61 B. Windscheid, Actio (1856) S. 168. 62 B. Windscheid, Rez. Nußbaumer, Schadensersatz (1856) S. 72–74, 73. 63 Anonym, Römische und moderne Jurisprudenz (1845) Sp. 1189–1193 u. Sp. 1441– 1448 sowie (1846) Sp. 73–80 u. Sp. 297–304. Dort wird, (1845) Sp. 1448, der Tag erwartet, „wo dieses [das römische] Recht seine praktische Gültigkeit in allen Staaten eingebüßt haben wird“. Ebd. (1846) Sp. 73 wird als „letzte[s] Ziel“ angesehen, von den Römern „die juristische Kunst . . . zu erlernen und sich den Geist der römischen Jurisprudenz anzueignen“ und darauf eigenständig aufzubauen. 64 Beseler wünschte am letzten Tag der 2. Germanistenversammlung in Lübeck, am 30.9.1847 – Verhandlungen der Germanisten zu Lübeck (1848) S. 236 – „daß es nicht blos Romanisten und Germanisten in Deutschland gibt, sondern nur deutsche Juristen.“ 65 Extrem G. Lenz, geschichtliche Entstehung (1854), für den, S. VIII, das römische Recht das absolute Recht ist und, S. 258 f., von anderen Rechten nur erhaltenswert, „was vor dem Römischen Recht, dem Jus, die Probe besteht, sich principiell von ihm durchdringen läßt“. 66 Hier anders Von der Pfordten am 30.9.1847, Verhandlungen der Germanisten zu Lübeck (1848), S. 229: der lediglich national-römische Teil des Rechts sei nicht rezipiert worden. Ähnlich Beseler, Volksrecht und Juristenrecht (1843) S. 362: rezipiert sei nicht der Buchstabe, sondern der „Geist der Institute in seiner modernen Durchbildung“. – Im Ausdruck noch ebenso Windscheid in Basel, Artikel „Antrittsrede des Herrn Professor Windscheid“ im Allgemeinen Intelligenzblatt der Stadt Basel vom
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und – wohl zurückzuführen auf den Einfluss Beselers – der Germanistik gegenüber aufgeschlossener. Für Gerber etwa bedeutet Aneignung des römischen Rechts die Übertragung des römischen juristischen Denkens auf deutschrechtliche Materien.67 Bekker geht so weit nicht, aber auch er verbindet seinen Wunsch nach einem „ächt Deutschen Recht“ mit keinerlei Kritik an der herkömmlichen Forschung.68 Die Folgen von Windscheids Programm zeigen sich in allen seinen selbständigen Schriften aus der Greifswalder Zeit. Überall geht es darum, „das römische Recht auf seinem eigenen Boden zu überwinden“ 69, etwa in der Betonung der materiellen Betrachtung gegenüber dem römischen Formalismus besonders des Aktionensystems70 oder durch die Erkenntnis, dass nicht jeder römische Rechtssatz „als allgemeingültiger Ausdruck des rechtlichen Gedankens“ gelten kann, es daneben auch berechtigte und lebensfähige rechtliche Bildungen gibt, „welche nicht römisch sind“.71 d) Kodifikation Durch die Beschäftigung mit dem Code civil nicht nur mit dem corpus iuris sondern auch mit einem modernen Gesetzbuch vertraut, teilt Windscheid die Abneigung der älteren historischen Schule gegenüber einer Kodifikation des deutschen Rechts nicht.72 In Greifswald sieht er sogar die größte Aufgabe der Rechtswissenschaft darin, nach dem Scheitern der politischen Einheit 1848 auf dem juristischen Gebiet die nationale Einigung voranzutreiben.73 Wie ein zukünftiges deutsches Gesetzbuch aussehen könnte, sagt Windscheid zwar nicht, aber seine detaillierte Kritik an den Unzulänglichkeiten des Code civil74 macht deutlich, 14.1.1848, Titelseite: Nicht rezipiert sei das geschichtliche, lokale und nationale Element des römischen Rechts. 67 Gerber, Über deutsches Recht (1878) S. 11–14 (Rede 6.11.1851), ähnlich S. 20 f. (Rede 1855). 68 Bekker, Über das gemeine deutsche Recht (1857) S. 1–23, 7. 69 B. Windscheid, Actio (1856) S. IV: Die große Aufgabe „der heutigen Rechtswissenschaft“ ist, „das römische Recht, dessen wir nicht entrathen wollen und nicht entrathen können, in ein Recht umzugießen, welches nicht mehr ein fremdes Recht ist, sondern unser Recht, das römische Recht auf seinem eigenen Boden zu überwinden.“ 70 s. B. Windscheid, Singularsuccession (1853) S. 27–46, 27 f., 44 f.; ähnlich ders., Rez. Mommsen, Obligationenrecht I (1855) S. 142 f. zu den Innominatverträgen mit heftiger Kritik u. a. an Wächter. 71 B. Windscheid, Actio (1856) S. 2. 72 s. den Artikel „Antrittsrede des Herrn Professor Windscheid“ im Allgemeinen Intelligenzblatt der Stadt Basel vom 14.1.1848, Titelseite. 73 B. Windscheid, Recht und Rechtswissenschaft (1854) S. 26. 74 B. Windscheid rügt etwa, Ungültigkeit (1847), S. V u. S. IX f., ungenaue Wortwahl und unklare Systematik, die auf eine mangelnde Durchbildung des zu behandelnden Rechts schließen ließen. Auch fordert er – vgl. ebd. S. 53–62 u. S. 197–204 – eine schlüssige Verbindung unterschiedlicher Rechtsmassen.
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dass Windscheid schon seit damals präzise Vorstellungen von der wünschenswerten Gestalt eines guten Gesetzes hat.75 e) Rechtssprache Seit 1850 bemüht sich Windscheid spürbar, lateinische Fachausdrücke durch deutsche Bezeichnungen zu ersetzen. Den Anfang macht die ,Voraussetzung‘76, in der neben den gängigen lateinischen Termini – etwa causa, conditio – auch schon häufig ,Beweggrund‘, ,Bedingung‘ und auch die ,Leistung‘77 Verwendung finden. Grundsätzlich äußert sich Windscheid dazu in seinem Aufsatz über die ,ruhende Erbschaft‘, wo er zur Verwendung deutscher Begriffe aufruft und sich über unsinnige Kunstwörter wie ,Ususfruct‘ oder ,adiren‘ empört.78 Umgekehrt verwahrt er sich aber gegen den Vorwurf, Juristen sprächen eine unverständliche Sprache. Fachsprache dürfe zwar den Zugang zu einer Wissenschaft nicht verhindern, aber jede Wissenschaft sei auf abstrakte Begriffe zur Darstellung ihres „Gebäude[s]“ angewiesen, die von einem Interessierten eben gelernt werden müssten.79 Bei der Erfindung neuer Begriffe wie etwa des ,Anspruchs‘ ist es Windscheid wichtig, dass dabei die heutige neue Rechtsauffassung zur Geltung kommt.80 Darum ist ,Klage‘ statt ,actio‘ für ihn inakzeptabel, während es ihn nicht stört, wenn der ,Anspruch‘ der Alltagssprache weiter ist als der juristische Ausdruck.81 Nur innerhalb der Rechtssprache müssen die Begriffe eindeutig definiert sein.
II. Windscheids Selbstverständnis: Recht und Wissenschaft Sein Beruf ist Windscheid von Anfang an hohe Verpflichtung. Der Abiturient bereits sieht die Berufung des Gelehrten darin, seinen Mitmenschen nützlich zu sein.82 Der Student und junge Dozent hat als Ziel die „Vergeistigung des Menschengeschlechts“ und bindet seine Tätigkeit eng an das Höchste und Absolute.83 In Basel ist Windscheid stolz darauf, mitzuweben „an dem immer fortschreiten-
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Gegen M. Rümelin, Bernhard Windscheid (1907) S. 18 u. S. 21. Zu diesem Begriff B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 5 S. 7–9. 77 B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 6 S. 9 f., bes. S. 10. 78 B. Windscheid, ruhende Erbschaft (1853) S. 181–207, 181 Fn. 1. 79 B. Windscheid, Recht und Rechtswissenschaft (1854) S. 12–14, Zitat S. 13. 80 B. Windscheid, Actio (1856) S. 229 f. u. ebd. S. III: Übertragung der römischen „Sprache der Actio“ „in die Sprache unserer Rechtsanschauung“. 81 s. die entsprechende Kritik Muthers, Zur Lehre (1857) S. 62 und B. Windscheids Entgegnung, Abwehr (1857) S. 35. 82 s. Windscheids Abituraufsatz, SchulA Görres-Gymnasium Düsseldorf. 83 s. o. 2. Teil Abschnitt B. IV. S. 78 und Abschnitt D. I. S. 146 (auch Zitat). 76
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den Gewebe unendlicher Erkenntniß“.84 Die Verbindung eines festen Glaubens an den wissenschaftlichen wie allgemein menschlichen Fortschritt85 mit hohem ethischem Anspruch lässt ihn 1854 verkünden, die Juristen seien „berufen, mitzuarbeiten an der Weisheit derer, die nach uns sein werden“ als Arbeiter „für die höchsten Güter der Menschheit“ und „Verwalter göttlicher Dinge“.86 Damit wird Windscheid zum Priester der Wissenschaft, die ihm säkularer Ersatz für sein gebrochenes Verhältnis zum Christentum ist, und stellt sich unter den hohen Anspruch, mitverantwortlich zu sein für das Heil der Menschheit.
III. Autorität des Gesetzes Ohne es ausdrücklich zu sagen, stellt Windscheid das Gesetz unter die Verfassung, die für ihn als Anhänger der konstitutionellen Monarchie Garantie ist für menschliche Freiheit und Eigentum und in den Abgeordneten der Kammern einen besonders legitimierten Gesetzgeber kennt. Dies wird daran deutlich, dass Windscheid die enteignenden Wirkungen eines modernen Gesetzes möglichst gering halten will und darum eine enge Auslegung vertritt87 und den Wortlaut eines neuen Gesetzes genau beachtet, solange nicht die entgegenstehende „wahre Meinung“ des Gesetzgebers „mit Sicherheit“ feststeht.88 Die Interpretation des Code civil wie des römischen Rechts endet für Windscheid jedoch dann, wenn das Gesetz offensichtlich eine andere Entscheidung befiehlt, denn der Wissenschaftler darf sich nicht „die Befugnisse des Gesetzgebers anmaaßen“.89 Darum ist es Windscheid – solange er sich an das Gesetz gebunden fühlt – unmöglich, eine im römischen Recht angelegte Entwicklung zu vollenden90, oder ein Institut unter Missachtung einer Sonderregel zu harmonisieren.91 Auch der „Natur der Sache“ darf nur so lange mit anerkannten interpretatorischen Mitteln zum Sieg verholfen werden, als nicht das Gesetz ausdrücklich 84 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 29.6.1850, Familiennachlass Windscheid, bei Fertigstellung der ,Voraussetzung‘. 85 B. Windscheid, Recht und Rechtswissenschaft (1854) S. 6 nach Hegels Vorbild: „Jedes spätere ist ein anderes, als das frühere, und doch nicht ein entgegengesetztes; es ist das frühere in höherer Gestaltung, mehr gereinigt von den Schlacken der Einseitigkeit, näher hinaufgehoben zu der Sonne, zu der alles hinstrebt.“ 86 B. Windscheid, Recht und Rechtswissenschaft (1854) S. 9 (1. Zitat) u. S. 4 f. 87 UAG Jur.Fak. 363, Brief des Korreferenten Windscheid an Referent Niemeyer vom 23.6.1855 und Übernahme von Windscheids Vorschlag in das Urteil vom 24./ 27.6.1855 für das OLG Dessau, ein Auseinandersetzungsverfahren betreffend. 88 UAG Jur.Fak. 361, Gutachten vom 7.4.1853 zu Art. 238 IV des Anhalt-DessauKöthenschen Kriminalgesetzbuches. 89 B. Windscheid, l. 9 § 3 D. qui potiores (1847) S. 438. 90 B. Windscheid, l. 9 § 3 D. qui potiores (1847) S. 434 u. S. 437 f. 91 B. Windscheid, Recht des redl. Besitzers (1847) S. 132–137 zum Verhältnis von Sach- und juristischen Früchten und der Sondernorm des SC Juventianum.
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die sach- oder systemwidrige Rechtsfolge vorschreibt.92 Dies gilt, bis erwiesen ist, dass dem Gesetz „eine nachweisbar abgestorbene Anschauung“ zugrunde liegt.93 Innerhalb dieses Rahmens ist jede system- oder interessengerechte Auslegung erlaubt. Schon 1838 kennt Windscheid die Regel, „ut, quod naturae rei ac rationi iuris magis congruum est, praeferatur, dummodo per sanam interpretationem erui e legum verbis possit“.94 Diese „sana interpretatio“ wird so weit getrieben, dass sogar gegen den Wortlaut des Gesetzes entschieden werden darf, wenn zu beweisen ist, dass hier ein Irrtum des Gesetzgebers vorliegt, sein wahrer Wille dem Wortlaut nicht entspricht.95 Bei unklaren oder unvollständigen Gesetzen scheut sich Windscheid nicht, sie seinem eigenen prinzipiellen Verständnis entsprechend auszulegen oder gar zu vervollständigen, wobei als Rechtfertigung genügt, dass jede andere Interpretation noch gewagter erscheine.96 Es lässt sich also mit Fug behaupten, dass Windscheid das bei liberal-konstitutioneller Haltung noch Mögliche an Freiheit im Umgang mit dem Gesetz voll ausschöpft.
IV. Zu Windscheids Methode 1. Zweck, Natur der Sache, Prinzip und wahres Wesen Für Windscheid ist von sehr großer Bedeutung, was hinter einem Rechtsinstitut steht oder ihm zu Grunde liegt, wobei die Bezeichnungen wechseln. Schon seine Dissertation wie auch der Folgeaufsatz von 1849 bestehen im Grunde nur aus der Frage nach der ,ratio‘, also dem Zweck des SC Velleianum.97 Ist diese beantwortet, ergeben sich die Interpretation schwieriger Quellenstellen und die Beantwortung praktischer Folgefragen wie von selbst. Die Natur der Sache bestimmt nach Windscheid die korrekten Folgen der Nichtigkeit ebenso98, wie sie seiner Ansicht nach der ,Voraussetzung‘ zugrunde liegt.99 So schillernd der Bedeutungsinhalt dieser „Natur“ aber auch sein mag, mit überpositivem ,Na92 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 150–158 zu Art. 1681 u. Art. 1682 C. N.; ebenso ders., mora (1849) S. 25 Nr. 15 Fn. 7a zum Verzugseintritt mit Fristablauf, Art. 1139 C. N. 93 B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 29 f. zur Verkäuferklage nach Eintritt einer auflösenden Bedingung. 94 B. Windscheid, De valida (1838) S. 53. 95 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 260 f.; ebenso ders., mora (1849) S. 27–30, Nr. 17 f. 96 B. Windscheid, SC Velleianum (1849) S. 290–295, bes. S. 291; ebenso ders., Rez. Fitting, Rückziehung (1857) S. 35–53, 44 f. 97 Vgl. B. Windscheid, De valida (1838) § 1 S. 4. 98 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 173–186. 99 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 270 f. u. S. 301.
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turrecht‘ hat sie nichts zu tun, immer ergibt sie sich aus einem konkreten Anliegen, etwa dem Schutz der Frau in bestimmten Konstellationen oder dem Schließen einer gedanklichen Lücke zwischen Motiv und Bedingung. Bei der Entdeckung des Prinzips kann auch das billige Rechtsgefühl hilfreich sein und vor falschen logischen Schlüssen bewahren, solange es nicht selbst das „Maaß des Wahren“ zu sein vorgibt.100 Selbst bei der Entwicklung neuen Rechts, aber natürlich auch bei der Eingliederung von Detailregeln in ein vorhandenes System, führt die Natur der Sache zu sach- und zweckentsprechenden und dennoch systemerhaltenden Ergebnissen.101 So dient die Frage nach dem wahren Wesen einerseits als Leitbild für neue Entwicklungen, andererseits der Erhaltung und sicheren Beherrschung des Bekannten.102 2. Bedeutung des Systems Windscheids allgemeinem Harmoniebedürfnis entspricht sein Bemühen um eine widerspruchsfreie, geschlossene Darstellung eines Rechtsinstituts in vielen seiner früheren Arbeiten. So werden 1838 die justinianischen Neuerungen so interpretiert, dass sie sich bruchlos in das frühere System des SC Velleianum einfügen. 1841 wird das Besitzrecht so bearbeitet, dass Savignys Regel ohne, nicht wie bisher mit einer Ausnahme gilt.103 Auch beim Pfandrecht geht es 1847 um ein widerspruchsfreies Gebäude, und im gleichen Jahr wird das Recht des Besitzers an den Früchten von einem systemwidrigen Eigentumserwerb unabhängig gemacht. 1849 dann hat der kurze Aufsatz zum französischen Recht der Servituten ein ausschließlich systematisches Interesse. Nicht nur um Geschlossenheit in Einzelfragen, sondern um die systematische Durchdringung eines größeren Bereichs geht es Windscheid in seiner Monographie zur Ungültigkeit im Code Napoléon. Wirkten manche der bisher genannten Harmonisierungen eher gezwungen und etwas gequält, so beweist dieses große Werk, wie überlegen der systematische Ansatz der bisherigen exegetischen Bearbeitung des Code Napoléon ist, wenn es um die Frage der inneren Konsequenz eines Gesetzes und das Entdecken von Widersprüchen geht. Zu Recht erhielt Windscheid dafür reiches Lob als hervorragender Systematiker. 100
B. Windscheid, Potestativbedingung (1852) S. 78. Wichtiger als das positive Recht ist, was sich aus der Natur der Sache ergibt, B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 297–301 u. bes. S. 314. Die vertragliche Schuldübernahme kann im geltenden Recht anerkannt werden, weil „Begriff und Wesen des obligatorischen Rechtsverhältnisses“ im römischen Recht dem nicht entgegenstehen, B. Windscheid, Actio (1856) S. 203–213, Zitat S. 208. 102 Auf die mit dieser vielseitigen Verwendbarkeit korrespondierenden Vagheit in der Begründung der Natur der Sache selbst weist zu Recht Falk, Ein Gelehrter wie Windscheid (1989) S. 183–193, hin. 103 Vgl. B. Windscheid, Besitz an Theilen (1841) S. 449 mit S. 466 u. S. 468 einerseits und ebd. S. 473. 101
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3. Teil: Grundlinien Bernhard Windscheids
Ab 1850 lässt sich ein Abnehmen der Bedeutung des Systems für Windscheids Schriften feststellen, ohne dass es jedoch außer acht gelassen würde. In der Voraussetzung verfolgt Windscheid auch ein systematisches Interesse104, doch tritt dieses hinter den Anspruch, einer besonderen Nuance der Willensäußerung gerecht zu werden, zurück. Ein Jahr später stellt Windscheid fest, es ließen sich nicht alle Widersprüche der Quellen ausgleichen. Sie seien mehr als bisher als Meinungsstreit hinzunehmen.105 Es ist auffallend, dass Kritiker Windscheid in beiden Fällen systematische Unzulänglichkeit vorwarfen.106 In der ,Actio‘ dann ist mehrfach vom System die Rede – etwa bei der Einteilung der Rechte oder der nötigen Veränderung an den Darstellungen in Lehrbüchern107 –, doch sind hier systematische Aussagen nicht Ziel, sondern lediglich Folge einer nicht mit Blick auf das System entwickelten Feststellung, der Übersetzung der actio durch ,Anspruch‘. Dennoch erhebt sich hier bei seinen Kritikern zum ersten Mal der Vorwurf, Windscheid opfere das vielgestaltige konkrete Leben einem strengen System.108 Es ist Windscheid zu glauben, wenn er entgegnet, wichtiger als das System sei ihm die Darstellung des sachlich Richtigen gewesen.109 Gerade die ,Actio‘ zeigt, dass Windscheid, seiner Anlage entsprechend, bei der Behandlung jedes Problems auch berücksichtigt, wie sie sich auf das Rechtssystem auswirken wird, und dass seine Antworten darauf für das Recht und seine Darstellung folgenreicher sein können als gezielte systematische Harmonisierungen im Detail. 3. Bedeutung des Begriffs Der Begriff ist für Windscheid das Mittel, das „Handwerkszeug“, mit dem in der Jurisprudenz gearbeitet, „operirt“ und „erklärt“, d.h. „construirt“ wird.110 Ein leistungsfähiger Begriff muss scharf und so präzise sein111, dass man ihm immer 104 Nämlich die richtige Einordnung des modus und die Herausnahme des Motivirrtums aus dem Kondiktionenrecht, B. Windscheid, Voraussetzung (1850) Nr. 1 S. 3 u. Nr. 3 S. 5 f. 105 B. Windscheid, Wirkung der erfüllten Bedingung (1851) S. 18. 106 Zur Voraussetzung als erster Anonym, Rez. Voraussetzung (1850) Sp. 250 f., im Übrigen s. o. 2. Teil Abschnitt D. III. 2. S. 168–170 und zur Bedingungslehre Schiemann, Pendenz (1973) S. 102 f. u. S. 104 f. 107 B. Windscheid, Actio (1856) S. 8–16 u. S. 222–228. 108 Muther, Zur Lehre (1857) S. 65. 109 B. Windscheid, Abwehr (1857) S. 34: „Die Anforderungen des Systems treten erst in zweiter Linie auf, und sind nur Consequenzen aus der Einsicht in das wahre Wesen der Actio.“ 110 Windscheid an Ihering aus Greifswald am 24.1.1857, SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 9–12. – B. Windscheid, Abwehr (1857) S. 85 u. S. 87. 111 B. Windscheid, Actio (1856) S. 168. – Windscheids Dissertation von 1838 lässt sich durchaus als Präzisierung des Begriffs ,Interzession‘ auffassen.
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treu bleiben kann.112 Diesem Anspruch genügen weder die Ausdrücke des Code Napoléon113 noch Delbrücks ,Forderung‘ und ,Schuld‘114 oder gar Kuntzes „Theorie der organischen Grundphänomene“ 115, die nach Windscheid nur beschreibt, wo sie erklären sollte.116 Daneben muss auch der regelmäßig abstrakte Begriff der Lebenswirklichkeit entsprechen. Er darf sich nicht von ihr entfernen117, sondern folgt nur jeweiligen tatsächlichen Veränderungen.118 Jeder Begriff ist Mittel zum Zweck. Bis 1856 dienten die von Windscheid verwendeten Begriffe vielen unterschiedlichen Zwecken. Immer muss die Billigkeit, soll sie – wie von Windscheid grundsätzlich gewünscht – rechtlich relevant sein, durch juristische Begriffe ins Recht hineingetragen werden.119 Begriffe wie die ,Voraussetzung‘ und der ,Anspruch‘ bezeichnen „Entdeckungen“ Windscheids und erlauben ihre Einordnung in das vertraute System. Die begriffliche Herleitung von eigentlich aus der Natur der Sache bzw. den Bedürfnissen des Lebens erwachsenen Entwicklungen hilft bei der Legitimation und Verteidigung gegen Kritiker.120 In einzelnen Fällen weicht Windscheid von seiner eigenen Forderung im Interesse der Sache ab und verwendet einen bewusst unscharfen Begriff, weil ihm nur so eine überzeugende Erklärung seiner Theorie möglich erscheint. Beispiele sind der – darob kritisierte – Begriff der bereits Vorwirkungen auslösenden ,Gebundenheit‘121 beim bedingten Vertrag und die – ebenfalls heftig angegrif112 Windscheid an Ihering aus Greifswald am 24.1.1857, SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 9–12, 10r. 113 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 41–44, bes. S. 42 zu den Begriffen relative Nullität und Anfechtbarkeit u. S. 323–346 zur „obligation“. 114 B. Windscheid, Singularsuccession (1853) S. 27–46, 37–39. 115 Kuntze, Wendepunkt (1856) S. 47–102, Zitat S. 49, außerdem bes. S. 96 u. S. 102. 116 Windscheid an Ihering aus Greifswald am 24.1.1857, SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 9–12. 117 B. Windscheid, ruhende Erbschaft (1853) S. 182. 118 B. Windscheid, Abwehr (1857) S. 87: „Die Rechtswissenschaft hört auf, Wissenschaft zu sein, wenn sie aufhört, mit Rechtsregeln, und, füge ich hinzu, Rechtsbegriffen zu operiren, und diese sind, so ,trocken‘ sie auch sein mögen, für sie bindend. Hat dann das ,schöne concrete Leben‘ neues Recht producirt, so mag sie ihre Regeln und Begriffe erweitern und modificiren.“ 119 B. Windscheid, Besitz an Theilen (1841) S. 454 u. S. 458 Fn 2. 120 Zur ,Voraussetzung‘ B. Windscheid, Voraussetzung (1850) § 4 Nr. 31–40 S. 41– 58. Titel des Paragraphen: „Die Bezeichnung der Voraussetzung in den Quellen.“ Zur Forderungsabtretung B. Windscheid, Actio (1856) S. 119–194, bes. 170 f. – Mehrmals folgt Windscheid seinen Kritikern auf das von ihnen besetzte Feld der Logik, um sie dort, sozusagen mit ihren eigenen Mitteln, zu überzeugen, so etwa gegen Kuntze in Sachen ruhender Erbschaft B. Windscheid, Actio (1856) Anhang: S. 233–238, oder gegen Muther zur Rechtfertigung der Forderungsabtretung aus der actio utilis des Cessionars B. Windscheid, Abwehr (1857) S. 55–81. 121 Dazu Enneccerus, Rechtsgeschäft, Bedingung und Anfangstermin I (1888) S. 165: „Die Gebundenheit ist im Stande allen Anforderungen zu genügen, weil sie ein Begriff ist, dem es noch an der genügenden Klarheit ermangelt, . . .“; ebenso Schiemann, Pendenz (1973) S. 99.
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fene122 – Subsumtion der ruhenden Erbschaft unter den Begriff der juristischen Person123, in gewisser Weise auch die Parallelisierung von Eigentums- und Forderungsübertragung.124 Besonders für Windscheid, der einerseits ein lebensnahes Recht wünscht, andererseits aber altes römisches Recht ohne Befehl des Gesetzgebers oder derogierendes Gewohnheitsrecht nicht über Bord werfen kann, ist der virtuose Umgang mit Begriffen eine und vielleicht die einzige Möglichkeit, beide Anforderungen miteinander zu vereinigen, indem alten Gesetzen neue Begriffe und damit moderne Inhalte abgerungen werden.125 Anders als beim zeitgenössischen Ihering empfindet Windscheid das „Aufden-Begriff-Bringen“ eines juristischen Gedankens dabei nie als besondere „productive Jurisprudenz“ 126 und „höhere[n] Aggregatzustand“ der wissenschaftlichen Behandlung.127 Noch weniger entwickelt ein Begriff bei Windscheid ein Eigenleben. So ist er nicht gezwungen, eine juristische Erscheinung für unmöglich zu erklären, weil sie den einmal geschaffenen Begriff sprengen würde, wie dies etwa Fitting128 und besonders Kuntze129 getan haben. Begriff wie System sind für Windscheid selbstverständliche Hilfsmittel des Rechtswissenschaftlers, die zur Erklärung und Einordnung und damit zur Kommunikation mit anderen dienen. Niemals kann für Windscheid ein tauglicher Begriff die rechtliche Aussage gegen den Willen seines Verwenders verfälschen. Niemals kann das System ihn zwingen, nüchtern und bewusst eine unerwünschte Folgerung zu ziehen. Dagegen legen einige – besonders frühe – Arbeiten die 122 Ihering, Unsere Aufgabe (1857) S. 1–52, 28 f. Fn. 9; Kuntze, Obligation (1856) S. 378. 123 B. Windscheid, ruhende Erbschaft (1853) S. 189 f.: ein neuer Begriff führe zu einer Häufung der „Kunstausdrücke“ ohne praktischen Gewinn. 124 B. Windscheid, Singularsuccession (1853) S. 27–46, 40 f.; kritisch dazu Kuntze, Obligation (1856) S. 44 f. – Nicht hierher gehört Muthers Vorwurf, Zur Lehre (1857) S. 13, vom „Mangel aller Schärfe der Begriffsbestimmungen“ bei Windscheid, denn ihm liegt die Weigerung zugrunde, Windscheids Übersetzungen von klassischer ,actio‘ in modernen ,Anspruch‘ verstehen zu wollen. 125 Dies erklärt, wie Kuntze, Wendepunkt (1856) S. 16 f. u. S. 20–22, Windscheid einerseits unter die Kategorie „Vergeistigung und Verfeinerung“ des römischen Rechts fassen und ihn andererseits als Wortführer derer bezeichnen kann, die ihre „Stimme zu Gunsten einer einfachen, kunstlosen, ungesuchten und der täglichen Lebensauffassung mehr entsprechenden Behandlungsweise“ erheben, ebd. S. 25. 126 Ihering, Unsere Aufgabe (1857) S. 1–52, bes. 7–11 u. 14. 127 Ihering, Unsere Aufgabe (1857) S. 1–52, 3 f., 7–9, 14–17, Zitat S. 9. 128 Fitting, Rückziehung (1856) bes. S. 54 Fn. 85, u. ders., Bedingung (1850) S. 305–350, 329 und entsprechender Vorwurf B. Windscheids an Fitting, Rez. Fitting, Rückziehung (1857) S. 35–53, 38. 129 Vgl. Kuntze, Obligation (1856) S. 383: Es liege „im Begriff des Vermögens, daß die Vielheit der seinen Inhalt bildenden Rechte und Pflichten durch gemeinsame Bezugnahme auf Ein Subjekt zur künstlichen Einheit“ werde.
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Vermutung nahe, dass Windscheids ausgeprägtes Streben nach Ordnung und Harmonie des Systems ihn unbewusst zu einzelnen sonst schwer verständlichen Schlüssen verleitet hat.
V. Windscheids Richterbild – der gerechte und verständige Richter Der Richter ist die Instanz, die im Konfliktfall Windscheids oberste Rechtsmaximen, Bewahrung der sittlichen Ordnung und Achtung des Parteiwillens, im Verfahren und im Urteil in gleicher Weise beachten muss. Da Windscheid zu der Frage, wie der Richter beschaffen sein muss und welche Möglichkeiten ihm zu eröffnen sind, damit er diesem Anspruch genügen kann, ausdrücklich noch nicht und indirekt nur beiläufig Stellung genommen hat, erscheint es zulässig, eine Antwort auch anhand von Windscheids eigenem richterlichen Verhalten als Mitglied des Spruchkollegiums in Greifswald zu suchen. Im Verfahren soll der Richter einerseits die Verhandlungsmaxime beachten130, andererseits alles tun, um eine gerechte Entscheidung zu ermöglichen. Dazu gehört neben ausgedehnter Zeugenvernehmung131 sogar das Anfordern von den Parteien unzugänglichem Beweismaterial von Gerichts wegen und ohne Berücksichtigung von Präklusionsfristen.132 Überhaupt solle sich das Gericht „den Partheien in allen geziemenden Dingen . . . willfährig . . . erweisen“, jedoch unbeschadet eines dabei eingeräumten „freieste[n] Spielraum[s]“.133 Besonders groß ist die richterliche Freiheit „im Interesse der Aufrechterhaltung der Ehe und des ehelichen Zusammenlebens“.134 Sogar die Frage der Rechtskrafterstreckung macht Windscheid von der Billigkeit des Ergebnisses abhängig.135 Weitgehende Freiheit hat der Richter auch bei seiner Entscheidungsfindung. Schon die Möglichkeit, eine Norm nach dem „wirklichen Willen“ des Gesetzgebers auszulegen, eröffnet einen weiten Spielraum.136 Diesen lässt Windscheid 130 So ist die Geltung von Partikularrecht – anders als die des gemeinen Rechts – eine Beweisfrage, nicht Ergebnis richterlicher Ermittlung: UAG Jur.Fak. 362, Urteil für das Kreisgericht Anhalt-Bernburg vom 26./28.11.1854, hier § 11 Anhalt-Zerbstische Mühlenordnung vom 26.2.1723. 131 UAG Jur.Fak. 362, Urteil für das OG Lübeck vom 16./19.5.1854. 132 UAG Jur.Fak. 363, Urteil für das OG Lübeck vom 18./22.8.1855. 133 UAG Jur.Fak. 363, Urteil für das OG Lübeck vom 18./22.8.1855. 134 Deshalb ist für Windscheid in Ehesachen selbst eine „reformatio in peius“ möglich, UAG Jur.Fak. 366, Urteil vom 28.11./1.12.1856 für das OG Lübeck (Zitat) und Sitzung des Kollegiums vom 26.11.1856, UAG ST 720 S. 45. 135 UAG Jur.Fak. 361, Urteil für das OLG Dessau vom 1./18.7.1853 in Sachen Herzoglich-Anhalt-Dessauischer Fiskus gegen die Besitzer privater Grundstücke zu Vockerode, Freisassen Leodegard Richter und Genossen: Urteil gilt trotz fehlender Beschwerde nicht gegenüber dritten, am Prozess nicht beteiligten Personen, deren abweichende Ansicht aus einem Parallelprozess klar hervorgeht. 136 s. o. 2. Teil Abschnitt C. III. S. 120.
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dem Richter gleichfalls bei der Feststellung eines unter einer Voraussetzung abgeschlossenen Rechtsgeschäfts, wobei er lediglich wegen der „Sicherheit des Verkehrs“ vor „leichtsinnige[r] Rechtsanwendung“ warnt.137 Beschränkt ist diese Freiheit nur dort, wo sich die Parteien unter die Regeln des ius strictum gestellt haben.138 Verfolgt man Windscheids eigenes Auftreten als Richter, so ergibt sich, dass der Richter diese ihm eingeräumte Freiheit zu einer billigen und zugleich wohlbegründeten Entscheidung nutzen muss. Dazu muss er neben sicheren Kenntnissen139 und argumentativen Fähigkeiten besonders über Gewandtheit in der Behandlung der juristischen Begriffe verfügen. Nicht nur im bereits dargestellten Wackenroder Auseinandersetzungsverfahren, sondern auch im Streit zweier Mühlenbesitzer um die Rechte am gemeinsam genutzten Bach setzt Windscheid seine Billigkeitsvorstellungen vermittels zielgerichteter Begriffsinterpretation durch: Die „dem Vorwurfe der Frivolität“ ausgesetzte prozesshindernde Einrede des unschlüssigen und inepten Libells des oberen Müllers weist er als grundlos zurück und umgeht dessen Einrede der Verjährung des interdictum quod vi aut clam dadurch, dass er als Rechtsgrundlage der Klage des unteren Müllers auch die actio aquae pluviae arcendae und die actio negatoria anerkennt. Zum einen sei der wasserführende Bach auf eigenem Grund ein Teil des Eigentums, das durch ein Übermaß an Wasser beeinträchtigt sein könne, und zum anderen schade die Vermischung des Regenwassers mit dem – hier allein streitigen! – Bachwasser der Klage nicht.140 Dass für Windscheid der Richter und nicht schon das Verfahren als solches Garant der Gerechtigkeit ist, ist auch daran zu sehen, dass er im iusiurandum in litem nicht ein objektives Mittel zur Wahrheitsfindung, sondern vielmehr das Werkzeug subjektiver klägerischer Willkür sieht, vor der allein das „Ermäßigungsrecht des Richters“ schützen könne.141 Demnach ist für Windscheid der ideale Richter ein wissenschaftlich gut ausgebildeter Jurist mit viel Verständnis für das Anliegen der Parteien und zugleich festen sittlichen Grundsätzen, der sich zwar an die Gesetze halten muss, aber zugleich im Interesse der billigen Entscheidung über einen möglichst weiten Spielraum bei der Anwendung dieser Gesetze verfügt und diesen auch nutzt.142 137 Zum Spielraum s. B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 291 und ders., Voraussetzung (1850) Nr. 58 f. S. 81–85, bes. 84, Nr. 73 S. 119, Nr. 87 S. 143 f. u. Nr. 94 S. 152; die Warnung in ders., Voraussetzung (1850) Nr. 71 S. 108 f., Zitate S. 109. 138 B. Windscheid, ruhende Erbschaft (1853) S. 206 u. ders., Actio (1856) S. 25 f. 139 Etwa zur klaren Trennung von possessorischen und petitorischen Ansprüchen: UAG Jur.Fak. 366, Urteil vom 13./15.8.1856 für das OG Lübeck. 140 UAG Jur.Fak. 362, Urteil vom 26./28.11.1854 für das Kreisgericht Anhalt-Bernburg. 141 B. Windscheid, Rez. Nußbaumer, Schadensersatz (1856) S. 72–74, 73. 142 I.E. ebenso nach ausführlicher Herleitung Falk, Ein Gelehrter wie Windscheid (1989) S. 96–104 und S. 218 f.
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VI. Praktikabilität Windscheidschen Denkens Bei einem Rechtsgelehrten, der engen Kontakt zwischen Recht und Leben fordert, ist schließlich noch zu fragen, ob seine wissenschaftlichen Gedanken für die Praxis brauchbar sind und ob er selbst ein praktisches Verständnis hat. Soweit Windscheids Thesen überhaupt Einfluss auf die Praxis haben143, ist diese Frage differenziert zu beantworten. Sicher ist die Art, wie Windscheid die Begründung der Servituten durch destination du père de famille behandelt, betont unpraktisch und nur geeignet, die praktischen Schwächen des Code civil mit historischer Begründung offen zu legen.144 Dagegen behandelt er die französischen Regelungen des Verzugs so, dass auch viele praktische Fragen, etwa des Beweises und der Schadensfeststellung, besprochen werden. Ausdrücklich berücksichtigt Windscheid praktische Interessen, wenn er bei der Auslegung, speziell den Abweichungen vom Wortlaut, klare Regeln fordert, an die sich der Richter zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit halten kann.145 Die von Windscheid geleistete Umwandlung der Interzession aus einem formal bestimmten in einen materiellen Begriff erhöht einerseits dessen Verwendbarkeit, weil eine am Schutzzweck orientierte wirtschaftliche Betrachtung eingängiger ist als bloße förmliche Regeln mit ihren Ausnahmen und manchen Streit überflüssig macht. Sie fordert andererseits aber auch den verständigen Richter, der nicht nur schematisch nach bestimmten Konstellationen urteilen darf. Besondere Aufmerksamkeit verdient Windscheids Voraussetzungslehre, die ja auch bei Gericht Eingang gefunden hat. Dass hier das letzten Endes praktische Anliegen Windscheids, denen zu helfen, die mit Grund nicht mehr an ihren Willen gebunden sein möchten, aber nicht eindeutig unter einer Bedingung abgeschlossen haben, mit der ebenfalls praktischen und in ihrer Bedeutung von Windscheid geachteten Rechtssicherheit kollidieren könnte, hat Windscheid selbst bereits erkannt. Aber sein Vertrauen in die Qualität der Richter war offenbar so groß, dass er dieses Problem der Praxis glaubte überlassen zu können.146 Wo es um „normale“ Rechtsprobleme und weniger um die prinzipielle Frage nach der Relevanz des menschlichen Willens geht, beweist Windscheid als Theoretiker wie Richter ausgeprägten praktischen Sinn. So gibt er dem Werkunterneh143 Dies ist bei den allein die juristische Konstruktion betreffenden Gedanken zur ruhenden Erbschaft, der Einzelrechtsnachfolge und beim Anspruch schon prinzipiell nicht möglich und bei den meisten frühen romanistischen Arbeiten wegen der doch recht speziellen Themen wohl gleichfalls kaum der Fall gewesen. 144 Siehe B. Windscheid, Servituten (1849) 2. Abt. B, 8 Nr. 10. 145 B. Windscheid, Ungültigkeit (1847) S. 22–28. 146 Dagegen spricht nicht der Vorwurf fehlender Praktikabilität von Seiten der Wissenschaft: Voigt, Über die condictiones ob causam (1862) S. 522 f.; Zimmermann, Beiträge (1886) S. 5 Fn. 5; Bekker, System I (1886) S. 374; Wendt, Pandekten (1888) S. 157 f.; Pfersche, Irrthumslehre (1891) S. 225 Fn. 25.
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mer nach Untergang des fertigen Werkes schon dann vollen Schadensersatz, wenn dieser bloß seine Unschuld am Untergang und nicht auch noch die Fehlerlosigkeit des Werkes beweist, weil fehlerfreie Herstellung die Regel sei und angesichts der praktischen Unmöglichkeit des zweiten Beweises eine andere Entscheidung zu einer einseitigen Benachteiligung führen müsse.147 Völlig überzeugend ist Windscheids Schluss, dass der Vertragspartner sich dann betrügerisch verhalten habe, wenn er nicht, wie er behauptet, alle eingehende Post, sondern nur die „richtigen“ Briefe weiterbefördert hat, weil daraus klar hervorgehe, dass er von dem besonderen Charakter der fraglichen Briefe wusste.148 Vielleicht lässt sich Windscheids Verhältnis zur Praxis so charakterisieren: Sein nachweislich vorhandener praktischer Sinn hält ihn nicht davon ab, die Praxis mit schwierigen willenstheoretischen Entscheidungen zu konfrontieren.
B. Lebensphilosophie und Menschenbild Als Schüler erwarb Windscheid „recht genaue Kenntnisse der [katholischen] Glaubens- und Sittenlehre“, empfand sich aber nicht durch die Religion befreit, betonte umgekehrt die Pflichten des Menschen gegenüber Gott und die Schwierigkeit, ihnen nach dem Sündenfall gerecht zu werden.149 Der junge Bonner Dozent erlebte 1844 die heftige Attacke Sybels und Gildemeisters auf ein Symbol katholischer Frömmigkeit, die Wallfahrt zum ungenähten Heiligen Rock in Trier,150 die im Schwanen ausgeheckt und durchgeführt wurde, denn „allwöchentlich“ wurden dort „die Meldungen von immer neu entdeckten heiligen ungenähten Röcken“ „mit Jubel“ entgegengenommen.151 Von seiner unmittelbaren Reaktion auf den damit wieder aufgeflammten Streit zwischen Glauben und Wissenschaft152 ist leider Näheres nicht bekannt. 147 B. Windscheid, Rez. Mommsen, Obligationenrecht I (1855) S. 139 f., gegen Mommsen. Dies gilt so lange, als keine Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit des Werks gegeben sind. – Windscheids Mommsen-Rezensionen enthalten noch weitere, an der Praxis orientierte Aussagen. 148 UAG Jur.Fak. 363, Urteil für das OG Lübeck vom 1./6.3.1855; s. auch die ausführlichen Darlegungen zum Beweis einer Servitutenersitzung im Urteil vom 2./7.7. 1855 für das OAG Rostock (25 S.!), UAG Jur.Fak. 363. 149 s. Protokoll der mündlichen Reifeprüfung bei Hagemann am 3.9.1834 (auch Zitat) und Windscheids Bewertung im Fach Religion im Reifezeugnis vom 6.9.1834, beides SchulA Görres-Gymnasium Düsseldorf. 150 „Der Heilige Rock zu Trier und die zwanzig andern Heiligen Ungenähten Röcke. Eine historische Untersuchung von Dr. J. Gildemeister und Dr. H. von Sybel, Düsseldorf 1844.“ 151 Heinrich v. Sybel, 1. Autobiographie BA Koblenz N 193 Sybel Nr. 3 Bl. 4v; s. auch Bezold, Geschichte (1920) S. 398 u. Varrentrapp, Sybel (1897) S. 35 f. 152 Dieser Streit begann mit der Auseinandersetzung zwischen „Hermesianern“ und dem Kölner Erzbischof Droste zu Vischering seit 1835, mündete 1837 in den Mischehenstreit zwischen Staat und kath. Kirche und führte in den 40er Jahren in einer Ver-
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Die erste ausführliche Stellungnahme Windscheids zu Glaubensfragen findet sich in einem Brief an Minister Eichhorn anlässlich seiner Ernennung zum außerordentlichen Professor 1847. Darin lehnt er die Persönlichkeit Gottes ebenso ab wie die Gottessohnschaft Jesu Christi, leugnet auch die Möglichkeit einer „unmittelbare[n] Offenbarung“ des Evangeliums jenseits des dem menschlichen Geiste Fasslichen und erklärt, dass das Absolute „nur in dem Menschengeiste zum Selbstbewußtsein gelange“. Als eigene christliche Glaubensinhalte bezeichnet er dagegen eine allumfassende Liebe und die Erkenntnis, „daß das Absolute dem Menschen nicht als Äußerliches gegenüberstehe, sondern sein ganzes Wesen durchdringend mit ihm eins werden müsse“ sowie das Streben, „diese Einheit immer inniger herzustellen“.153 Dieses „neue“ und für Windscheid gültige „Prinzip“ bedeutet, dass es ein Jenseits über das Sein hinaus nicht gibt, auch das Absolute innerhalb der Welt zu denken ist.154 Die erwähnten Vorstellungen von höchsten Ideen, Weltenharmonie und idealer Verschmelzung des eigenen Seins mit dem Absoluten wirken in Windscheid unabhängig von ihrer künstlichen Anbindung an das Christentum weiter. Sein Bedürfnis nach Einheit erhofft sich eine Auflösung des Gegensatzes von „Außerweltlichkeit und Weltlichkeit“ in einer höheren, umfassenden Wahrheit, zu der der menschliche Geist wegen der Einseitigkeit seiner Auffassungen noch nicht vorgedrungen ist,155 und die er dann ohne nähere Beschreibung das „All“ nennt, als dessen Teil der Mensch seine Bestimmung finde.156 Damit sich der Mensch in den derart vorgegebenen existentiellen Rahmen richtig einfüge und so persönliche Zufriedenheit und Glück erlange, ist erforderlich das völlige Absehen von „subjectiven“ Gefühlen und eine vorbehaltslose Anerkennung und damit Unterordnung unter „die objective Macht der Dinge“. Der Verstoß dagegen führt zu einer fruchtlosen „Sentimentalität“. 157 Vorbild ist hierknüpfung beider Bereiche einerseits zu konfessionellen Abgrenzungen, andererseits zur Verteidigung der vernunftgemäßen Freiheit sowohl gegen die Kirche wie auch gegen den Staat. Dazu Ennen/Höroldt, Kleine Geschichte (1976) S. 199, S. 205 f. u. S. 216; Höroldt, Bedeutung der Universität (1969) S. 282. 153 Windscheid an Minister Eichhorn, Bonn 26.6.1847, GStA PK Berlin I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 38 Bd. 1 Bl. 127– 128v. 154 Windscheid an Heinrich v. Sybel, Bonn 16.7.1847, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 10–13v, dort Bl. 12r: „Daß alles Sein kein andres Wesen habe, als sein eigenes, was ist klarer? Und doch will man der Welt einen Gott aufdrängen, der nicht Welt . . . ist.“ 155 Windscheids Brief an seine Mutter vom 1.10.1845 aus Neapel, Familiennachlass Windscheid, dort über den 18. August in Salerno. 156 Windscheid an Luise Burckhardt-His, Rolandseck 21.7.1846 und Bonn 3.12. 1846, beide Briefe Familiennachlass Windscheid. 157 Windscheid an Luise Burckhardt-His, Düsseldorf 5.7. (irrtümlich angegebenes Datum 6. [Juni]) 1846. Windscheid an Luise Burckhardt-His am 23.12.1849: „Wem Freud’ ist wie Leid und Leid wie Freud’, der ist befreit von aller Traurigkeit“!, ähnlich
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3. Teil: Grundlinien Bernhard Windscheids
bei Goethe, der im Werther um Befreiung vom Sentimentalen und „geistige Gesundheit“ gekämpft habe. Dagegen sei Schiller der vollendete Vertreter der dem Menschen „angeborene[n] Unart, das eigene Ich als Mittelpunkt der Welt zu fühlen und von dem Ich aus das Sein begreifen zu wollen.“ 158 Für seine Maxime der „Achtung vor den Dingen“ 159 findet Windscheid dabei Formulierungen, die sehr an hegelsche Gedanken erinnern, mit denen er bei Gans in Berlin oder Gärtner in Bonn bekannt geworden sein könnte. So spricht er etwa „von der Vernünftigkeit des Daseienden, eben weil es da ist“ 160 und von dem Ziel des Menschen, „alles Einzelne als dieses scharf zu erkennen und doch es in der Idee des Alls stark zusammenzufassen.“ 161 Damit er dies erreicht, muss der Mensch nicht nur „Respect vor den – an sich guten! – Dingen“ 162 zeigen, sondern zugleich seine Gedanken auf die höchsten Ideen163 richten und sich ständig bewusst bleiben, dass er nur als Teil des Ganzen „eins“ werden kann „mit dem . . . umgebenden Sein“ 164. Seinen Blick auf das Absolute aus der – nach Windscheid dem menschlichen Geist allein möglichen – diesseitig-realen Perspektive behält Windscheid auch in Basel bei,165 jedoch ohne es weiter als christliche Haltung zu bezeichnen.166
Windscheid an Luise Burckhardt-His am 15.10.1849, alle Belege Familiennachlass Windscheid. 158 Windscheid an Luise Burckhardt-His, Rolandseck 12.7.1846, Familiennachlass Windscheid. 159 Windscheid an Luise Burckhardt-His, Rolandseck 18.8.1846, Familiennachlass Windscheid. Dafür, dass die dort geäußerten Zweifel am katholischen Bekenntnis eine Folge des Todes seines Bruders Franz wären, so Wolf, Bernhard Windscheid (1963) S. 596, fehlt jeder Hinweis. 160 Windscheid an Luise Burckhardt-His, Rolandseck 18.8.1846, Familiennachlass Windscheid. 161 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 4./5.6.1849, Familiennachlass Windscheid. 162 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 22.5.1848, 9.10.1848 und 3.4.1849, dort rigoros: „alles Andere ist Zugabe, selbst Liebe und Freundschaft.“ Alle Briefe Familiennachlass Windscheid. 163 „Sursum corda“ in Anspielung auf die katholische Messe, Windscheid an Luise Burckhardt-His am 4.1.1850, Familiennachlass Windscheid. 164 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 4./5.6.1849, Familiennachlass Windscheid. 165 „Sünde“ ist für ihn das den Erwartungen des Seins an den Menschen nicht entsprechende Anderssein, in dem der Mensch nicht bereit ist, sich in die Weltharmonie einzuordnen, und Frömmigkeit das Erkennen der Aufgabe des Individuums in der Gesamtheit, Windscheid an Luise Burckhardt-His am 20.5.1849, 4./5.6.1849 und 11.3. 1850, alle Briefe Familiennachlass Windscheid. 166 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 17.11.1849: Christentum ist mit Religiosität und Sittlichkeit nicht zu identifizieren! „Als wenn nur die christliche Weltanschauung im Stande wäre, ein Absolutes, ein über dem zufälligen Erscheinenden stehendes Dauerndes und Ewiges zu fassen!“ – Als „verblaßte Religiosität“, so Wolf, Jakob Burckhardt (1982) S. 180, ist diese Haltung jedoch wohl nicht zu bezeichnen.
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Dennoch soll für ihn die Erziehung, die auf höchste Ideen und das demütige Erkennen eines Höheren hin ausgerichtet sein muss, durch einen christlichen Menschen erfolgen, weil allein die christliche Religion durchgebildet genug sei, um erzieherisch wirken zu können167 – eine bemerkenswerte Aussage eines Mannes, der als akademischer Lehrer mit der Unterrichtung von Anfangssemestern ja auch bewusst eine erzieherische Aufgabe übernahm. Ein Schritt auf dem Weg hin zur erstrebten Harmonie ist für Windscheid Liebe und Ehe. Das zeigen die Briefe Windscheids aus seiner Verlobungszeit an Charlotte Pochhammer ganz deutlich. Selbst in dieser Zeit der großen Emotionen soll nach Windscheid eigentlich der Wille die Herrschaft und Kontrolle behalten.168 Die Liebe empfindet er jedoch als so überwältigend, dass die Trennung von Geist und Körper, von „Wille“ und „Fleisch und Blut“ endet. Sein „Wille“ bleibt nicht mehr rational fassbar, sondern wird „ein Stück meines Selbst, zu mir gehörig, wie mein Fleisch und mein Blut.“ 169 Jetzt glaubt und vertraut er auch dann, wenn er sich den Grund des Vertrauens – ganz gegen seine Gewohnheit – „nicht begriffsmäßig construiren kann“ und ist glücklich dabei.170 Die Liebe hebt die Trennung nicht nur zwischen Geist und Körper, sondern auch zwischen den Personen auf. Deshalb liegt sie auf dem Weg hin zum Höchsten in der Welt, nämlich „daß das Individuum sei und doch nicht sei, sei für sich und doch ein höheres Sein lebe in dem Zusammensein mit Anderem, in der Auflösung in dasjenige, wofür wir den Ausdruck Gott gebrauchen.“ 171 Aber die Liebe ist zugleich nicht das Höchste selbst, sie bleibt unvollkommen. Denn es ist „nicht die Signatur des Individuellen, daß es sich mit einem einzelnen anderen Individuellen zusammenschließe, sondern daß es sich zusammenschließe mit der Gesamtheit Alles dessen, was ist.“ 172 Diese schwärmerisch-mythischen Vorstellungen werden durch die Institution der Ehe in die Wirklichkeit zurückgeholt. Hier ist für Windscheid die Verbindung und das „Einsbleiben“ von Mann und Frau „Grundlage der sittlichen Weltordnung“. Das bedeutet zugleich, dass die Treue der Ehe „höchstes Gesetz“, „Einsbleiben wollen“ ihre tiefste Bedeutung ist und ein Ziel, für das
167 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 11.3.1850, Familiennachlass Windscheid. 168 Windscheid an Charlotte Pochhammer am 2./3.10.1858, Familiennachlass Windscheid: „Du wirst wollen, u. somit auch können, – nicht ganz so sehr, als Du wollen wirst, aber doch viel mehr, als Du können würdest, wenn Du nicht wolltest.“ 169 Windscheid an Charlotte Pochhammer am 21.9.1858, Familiennachlass Windscheid. 170 Windscheid an Charlotte Pochhammer am 2./3.10.1858, Familiennachlass Windscheid. – In dieser Sehnsucht danach, „blind“ vertrauen zu können, ist wohl auch der Grund für Windscheids immer wieder deutlich werdenden Wunsch nach Freundschaften und sein Festhalten an ihnen zu sehen. 171 Windscheid an Charlotte Pochhammer am 2./3.10.1858, Familiennachlass Windscheid. 172 Ebd.
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3. Teil: Grundlinien Bernhard Windscheids
während der Ehe gearbeitet werden muss. Dass diese Arbeit möglich ist, macht Liebe für Windscheid zu einem Element des Realen und des Berechenbaren. Die durch Treue erarbeitete Gegenliebe ist ihm wertvoller als die erste Leidenschaft.173 Selbst im Moment höchsten Glücks, in dem sogar Windscheid seine Nüchternheit verliert, löst sich die Spannung zwischen erstrebtem Ideal und vom Willen beherrschter Arbeit am in der Wirklichkeit Erreichbaren nicht.174 Die unvorstellbare, allumfassende Harmonie ist wirklich erstrebtes und zugleich unerreichbares Ziel. Dabei wirkt diese Unerreichbarkeit nicht lähmend, sondern spornt dazu an, soviel wie möglich daran zu arbeiten, jenem Ziel näher zu kommen. Arbeit ist also viel mehr als bloße Pflichterfüllung. Sie ist von einem hohen Ethos getragen, denn sie stützt die sittliche Weltordnung. In ihrer Verbindung von idealer Verschmelzung und realer Treue ist die Ehe ein „Abbild des Bundes Gottes mit der Welt“ und erlaubt dem Verheirateten mit der „Vollziehung der göttlichen Weltordnung“ eine „höhere Existenz“.175 Trotzdem gilt aber immer noch, dass der Einzelne seine Bedeutung nicht überschätzen und das Wirkliche anerkennen soll.176 Die andere Spannung zwischen Individuum und Einheit thematisiert Windscheid erneut in seiner Leipziger Antrittsrede von 1874/75. Indem er Savigny kritisiert, betont er die Bedeutung der „persönlichen That des Individuums“ für jeden geistigen Fortschritt.177 Zugleich bleibe der Mensch eingebunden in „die Frucht der geistigen Arbeit der Jahrhunderte, die vor ihm gewesen sind, sich darstellend in den Errungenschaften der Wissenschaft und den Einrichtungen des bürgerlichen, staatlichen, religiösen Lebens.“ 178 Auch hier wieder ist das – selten erreichte – Höchste die Verbindung von individueller Selbständigkeit und Unterordnung des Menschen unter den Lauf der Geschichte in einer „concreten Einheit“.179 Zugleich wird deutlich, wie sehr Windscheid an den – aus geschichtlicher Entwicklung und individueller Leistung gleichermaßen gespeisten – permanenten Fortschritt glaubt, wenn er die „Wahrheit“ als „ewig sich neu gebärend und unendlich fortschreitend“ beschreibt.180 173
Ebd. Windscheid an Charlotte Pochhammer am 6./10.10.1858, Familiennachlass Windscheid: „das Göttliche (hängt) in das Menschliche nur hinein . . .; im übrigen geht das Göttliche und das Menschliche jedes seine besonderen Wege. Alle Idee bricht sich, so bald sie zur . . . Erscheinung kommt.“ 175 Windscheid an Charlotte Pochhammer am 29./30.10.1858, Familiennachlass Windscheid. 176 Windscheid an Charlotte Pochhammer am 23./26.10.1858, Familiennachlass Windscheid: Das „Vordrängen der eigenen Persönlichkeit ist es, worüber ich bei den Menschen am wenigsten hinwegkommen kann.“ 177 B. Windscheid, geschichtliche Schule (1878) S. 42–53, 46. 178 B. Windscheid, geschichtliche Schule (1878) S. 42–53, 46. 179 B. Windscheid, geschichtliche Schule (1878) S. 42–53, 46 f. (Zitat S. 47). 180 B. Windscheid, geschichtliche Schule (1878) S. 42–53, 47. 174
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Dass Windscheids Vorstellung des Göttlichen als idealer Harmonie mit den konkreten Anforderungen, die die katholische Kirche an den Glauben und das Glaubensleben der ihr Angehörenden stellt, nicht zu vereinbaren ist, liegt auf der Hand. Obwohl Windscheid dieser Konflikt „drückt“, bleibt er seiner Überzeugung treu. Daraus folgt zuerst die Verweigerung des Versprechens einer katholischen Kindererziehung,181 dann seine Ablehnung der Beschlüsse des ersten Vatikanums verbunden mit dem äußeren Engagement in der altkatholischen Bewegung und zuletzt seine Konversion zum Protestantismus. Diesen Schritt tat Windscheid nicht etwa, weil er eine Übereinstimmung zwischen protestantischer Lehre und eigenem Glauben sah. Dieser hatte sich reduziert auf den Glauben „an die Macht des Geistes“ und „die Aufgabe des Menschen . . ., ein sittlicher Mensch zu sein“. Aber er hielt die protestantische Kirche für offen in einer Weise, „daß ein christlich gesinnter Mensch auch mit einem so geringen Glaubensvorrath, wie ich besitze, sich ohne Lüge zu ihr bekennen kann“, was ihm die katholische Kirche nicht ermöglichte.182 Die geschilderte Mischung von hohem geistig-intellektuellen Idealismus und zugleich völliger Nüchternheit gegenüber der Wirklichkeit hat sich ausgebildet vor dem Hintergrund der schwierigen beruflichen Situation Windscheids in seinen Bonner Dozentenjahren und seiner gleichfalls nicht einfachen Position in Basel, ist daher nicht aus ursprünglichem „moralischem Rigorismus“ 183 erwachsen – wenn es sich dem Außenstehenden auch so darstellen mag –, sondern diente nicht zuletzt der Bewältigung persönlicher Lebensfragen. Zugleich beschreiben diese Gedanken aber auch den Versuch, zwei grundsätzliche Spannungsverhältnisse des menschlichen Lebens aufzuarbeiten, nämlich die Spannung zwischen Ideal und Wirklichkeit sowie das Verhältnis von Individuum und Gesamtheit. In beiden Beziehungspaaren bejaht Windscheid jedes Element für sich und ihre Verbindung. Individuum und Einheit sind zu beachten, Ideal und Realität machen das Leben aus. Nur so ist das Absolute, die nicht transzendental verstandene sondern im Diesseits liegende umfassende Harmonie, zu erreichen. Weil jedes – offensichtlich frei und selbstbestimmt gedachte – Individuum die Annäherung daran erstreben kann und soll, folgen aus Windscheids Denken weit reichende, an jeden Einzelnen gerichtete sittlich-moralische Ansprüche. Denn auch wenn der Einzelne im All kaum wahrnehmbar erscheint, so geht er doch darin nicht unter, sondern auf ihn kommt es an. Daher ist Windscheids Menschenbild betont individualistisch, diesseitig-ideal und streng moralisch. 181 Windscheid an Lotte Pochhammer am 11./14.11.1858, Familiennachlass Windscheid. 182 Windscheid an Luise Burckhardt-His am 12.10.1891, Familiennachlass Windscheid. – Diese Einschätzung der protestantischen Kirche bestätigt Archidiakon Dr. Binkau während der Trauerfeier am 29.10.1892, Zur Erinnerung an die Feier der Bestattung von Bernhard Windscheid, MS-Druck, Familiennachlass Windscheid, S. 15–18, 16. 183 Den Wolf, Jakob Burckhardt (1982) S. 175, Windscheid vorwirft.
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C. Politische Vorstellungen Über die ersten 30 Jahre, also über Windscheids politisches Erleben im Vormärz, ist fast nichts bekannt. Zu bedenken ist, dass er im Rheinland, d.h. unter französischem, auf der Rechtsgleichheit beruhendem Recht und in einem gegenüber anderen Teilen Preußens relativ freiheitlich gesinnten Klima, wenn auch in einem verfassungslosen Staat aufgewachsen ist. Greifbar ist sein enger Kontakt zur Familie v. Sybel, ein von dort herrührender liberaler Einfluss wahrscheinlich. Ob Windscheids Elternhaus diesen bremste oder noch verstärkte, lässt sich anhand der bekannten Fakten nicht feststellen. Als Student blieb Windscheid politisch unauffällig. Allein sein Studium des deutschen Staatsrechts bei dem Hegelianer Gans könnte darauf schließen lassen, dass er dem Staat positiv gegenüber stand. Die Ablehnung überpositiven Rechts in seinen Doktorthesen entsprach einer so weit verbreiteten Meinung, dass daraus keine sicheren Schlüsse gezogen werden dürfen. Jedenfalls steht fest, dass sich Windscheid seit 1845 für politische Ereignisse interessierte184 und immer eine liberale, deutsch-nationale, zuweilen gegenüber den konstitutionell-monarchischen Zuständen kritische, dabei aber stets loyale Haltung einnahm. Kritik äußerte er namentlich dann, wenn die Wirklichkeit dem idealen Bild des Gegenstandes nicht entsprach. So beklagte er 1847 an der lang ersehnten185 preußischen Verfassung deren „feudalistischen Pferdefuß“, das Denken der Regierung in einem „unglückseligen privatrechtlichen Dualismus von Beherrschten und Herrschenden“ den er wohl den tatsächlichen Verhältnissen gegenüber als anachronistisch,186 jedenfalls als mit dem Wunsch der „öffentlichen Meinung“ nach einem „Repräsentativstaat“ unvereinbar angesehen hat.187 Ebenso entschieden verurteilte er den „Scandal in Baiern“ um Ludwig I. und die Tänzerin Lola Montez188: Es sei unverzeihlich, so „das Königthum vor den Augen des Volkes mit Füßen getreten zu 184 Windscheid am 5.9.1845 an Pauline Kühlwetter: Wünscht, dass Kühlwetter noch öfter Mitteilungen mache von „politica, provincialia und Eisenbahnliche[m]“, Familiennachlass Windscheid. 185 Ebd. am Ende: hat aus guter Quelle, „daß uns zum 15. Octob. ein Verfassungspapier geschenkt werden soll: ist es wahr?“ 186 Windscheid an Heinrich v. Sybel, Bonn 16.7.1847, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 10–13v: „Das neue Prinzip ist gefunden, und geht seinen siegreichen Gang unaufhaltsam weiter. . . . Und doch will man dem Volke einen König [aufdrängen], der nicht Volk ist! Und die das wollen, haben noch die Macht, . . .“. 187 Windscheid an Sybel, Düsseldorf 19.3.1847, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1, XLIX Bl. 8–9v. – Siehe auch Dotterweich, Sybel (1978) S. 56 Fn. 140. Dort Teilzitat dieses Briefes und Bezug auf Sybels Schrift „Die politischen Parteien in der Rheinprovinz in ihrem Verhältnis zur preußischen Verfassung geschildert“, Düsseldorf 1847, für deren Erhalt Windscheid dankt. Allg. Hemmerle, Verfassungsfrage (1912). 188 Dazu s. Handbuch d. bayer. Geschichte IV/1 (1974) S. 210–213; Kraus, Geschichte Bayerns (1983) S. 486 f.
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haben.“ 189 Bezeichnend ist auch sein Kommentar zum Verhältnis von Staat und Kirche: Ein Konflikt werde „unmöglich zu vermeiden sein, so lange diese [die Kirche] nicht offen und ehrlich den Anspruch darauf aufgibt, göttliche Wahrheit zu besitzen,“ womit sie sich aber selbst die Existenzberechtigung absprechen müsste.190 Auch hier entspricht die Wirklichkeit nicht dem Ideal eines konstitutionell-monarchischen, von der Kirche unabhängigen Staates. Durch seinen Wechsel von Bonn nach Basel ist Bernhard Windscheid dem bewegten politischen Geschehen dieser Jahre in Deutschland weitgehend entrückt worden. Nur auf Reisen nach Düsseldorf erfuhr er unmittelbar von der gerade herrschenden Stimmung und äußerte sich auch selbst dazu. Am 31. März 1848 bewunderte er den festlichen Schmuck Frankfurts zum Einzug der Mitglieder des Vorparlaments. Den 1. April verbrachte er in der Paulskirche und erlebte die Debatte über die brisante Frage, ob man sich auflösen oder für permanent erklären solle. Besonders beeindruckt zeigte er sich vom Führer der Gemäßigten, Gagern, aber fast noch mehr bewunderte er Robert Blum, dem es gelungen sei, gegen Hecker eine gewaltsame Lösung dieser Frage durch einen von den Republikanern angezettelten Volksaufstand zu verhindern. Ihm imponierte nicht nur Blums rednerisches Talent, sondern vor allem dessen rechtliche Haltung, mit der er sich für die Erkämpfung der Republik „im Wege ordnungsmäßiger Entwicklung“ einsetzte.191 Seine eigene Haltung zur Frage der zukünftigen Staatsform zeugt von Realismus und einer richtigen Einschätzung der allgemeinen Stimmung: Nur in Südwestdeutschland und besonders bei einigen Wortführern werde die Republik favorisiert, „das ganze übrige Deutschland aber will bei der constitutionellen Monarchie stehen bleiben.“ Dies entsprach auch seinem persönlichen Wunsche und in dieser Beziehung hoffte er auf angemessene Entschließungen des preußischen Königs.192 Vom 3.4.1849, also genau ein Jahr später, datiert das zweite Streiflicht über die deutsche Revolution. Windscheid war begeistert von der „Nachricht von der Wahl des Königs von Preußen zum Kaiser der Deutschen.“ 193 Dabei ging es ihm nicht um Preußen, sondern um Deutschland, dessen Geschicke „in seinen Händen
189 Windscheid an Sybel, Düsseldorf 19.3.1847, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1, XLIX Bl. 8–9v. 190 Windscheid an Sybel, Düsseldorf 19.3.1847, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1, XLIX Bl. 8–9v. 191 Dazu s. Blum, Robert Blum (1878) S. 286 ff., bes. S. 295–297. 192 Windscheid an Luise Burckhardt-His, Düsseldorf 3.4.1848, Familiennachlass Windscheid. 193 Windscheid an Luise Burckhardt-His, Düsseldorf 3.4.1849, Familiennachlass Windscheid: „sie hat goldiges Licht auf den ganzen Tag geworfen. Möge das Licht durch die Annahme des Königs zu einem alle Tage erhellenden werden!“ Damals informierte er sich bei Berliner Abgeordneten der Paulskirche auch über den allgemeinen Stand der Dinge.
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. . . die beste Stätte finden, die sie unter den gegebenen Verhältnissen zu finden im Stande sind“. Doch auch hier verstellte ihm der Traum von einem „großen und herrlichen“ geeinten Land nicht den Blick für die Realität. Er glaubte noch nicht recht an „eine seinem Geiste entsprechende Form der Existenz“ „schon in dieser Zeit“ und rechnete zuvor noch „mit zuckenden Blitzen und schweren Donnerschlägen“. Und dennoch war er sich sicher, dass die große Zeit Deutschlands „einst kommen wird“. Für diese Zeit erhoffte er dann auch eine geistige Wiederannäherung der Schweiz an ihre „natürliche Basis“.194 Zum dritten Mal äußerte sich Windscheid im Oktober 1849, also nach dem Scheitern der Paulskirche. Auf dem Schiff zwischen Mannheim und Köln traf er Polen, die als preußische Soldaten geholfen hatten, den Aufstand in Baden niederzuschlagen. Für einen Konstitutionellen verständlich, hielt er ihren Kampf, ohne dabei an das Schicksal der badischen Bevölkerung zu denken, für eine gute Sache und schwärmte – für ihn typisch – davon, das Leben „für die Ideen“ zu riskieren, „was denn doch das einzig wahrhaft beglückende ist.“ 195 Hier verließ ihn über dem idealen Schwung sein Realitätssinn. Denn es scheint höchst unwahrscheinlich, dass diese bewusst fern ihrer Heimat eingesetzten polnischen Soldaten an Windscheids beglückendem Gefühl teilhatten.196 1848/49 zeigt, abgesehen von dem bei Windscheid vertrauten idealen Grundton, dass ihm wie vielen der Umsturz fern lag, er eine ,geordnete Revolution‘ wünschte, und auch, dass ihm spätestens jetzt ,Deutschland‘ wichtiger wurde als seine preußische Heimat. Rückblickend bedauerte er 30 Jahre später, dass nicht schon damals die berechtigten Wünsche des Volkes befriedigt worden waren.197 In der Greifswalder Zeit lässt nur Windscheids Verhalten in einzelnen unterschiedlichen Situationen Rückschlüsse auf seine politischen Überzeugungen zu. Angesichts konservativer Revisionen der Verfassung bedauerte er 1852 die „Apathie bei dem Volke“ wie die „Rührigkeit auf Seiten der Junker“ und bekräftigte seine Opposition gegen jede Form der Monokratie. Gleichzeitig sah er Parlament und Verfassung durch die Regierungsforderung nach „zweijähriger Periodicität“ gefährdet.198 194 Windscheid an Luise Burckhardt-His, Düsseldorf 3.4.1849, Familiennachlass Windscheid. Brief in anderem Zusammenhang auch erwähnt und zitiert bei Wolf, Jakob Burckhardt (1982) S. 180 f. 195 Windscheid an Luise Burckhardt-His, Düsseldorf 2.10.1849, Familiennachlass Windscheid. 196 Realistischer ist dagegen Windscheids Bedauern – aber nicht Entrüstung! – darüber, dass die gleichen Soldaten 1848 in Posen gegen die eigenen Landsleute antreten mussten, ebd. 197 B. Windscheid, Festrede Savigny (1879/1904) S. 81–99, 88. 198 Windscheid am 26.12.1852 aus Greifswald an Andreas Heusler-Ryhiner, StA Basel PA 328 E 168, Windscheid, B. – Der Vorschlag der politischen Rechten, das Budget
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Der Skandal um die Rückgabe der Ehrenpromotionen 1856, der zu mancher Erregung in der deutschen Presse führte199 und den Fakultäten einigen ministeriellen Grimm eintrug200, war im Kern ein Streit um die Frage, ob in den Kreis der Geehrten auch liberale Persönlichkeiten aufgenommen werden dürfen. Besonders das preußische hochkonservative Lager um die Kreuzzeitung hielt die Auswahl für einen Affront gegen die königliche Regierung.201 Um die völlige Unschuld der Fakultäten darzulegen, griff auch Windscheid zur Feder und nahm in einem – leider nicht mehr zu individualisierenden – Artikel gegen die Angriffe der Kreuzzeitung Stellung.202 Dabei ging es ihm offenbar nicht nur darum, die Auswahl und damit die wissenschaftliche Unabhängigkeit der Universität zu verteidigen, sondern ihm lag auch daran, den Zusammenhang zwischen liberaler und königsfeindlicher Haltung zu zerstören. Seine eigene Vorstellung von einem geordneten Rechts- und Verfassungsstaat wirkte sich sogar auf Windscheids Tätigkeit im Spruchkollegium aus. In einer Nachlasssache ermöglichte er eine Beschwerde über das Kreisgericht Bernburg als Nachlassregulierungsbehörde beim zuständigen Appellationsgericht als Aufsichtsbehörde, obwohl dieses das Verfahren als gerichtliche Appellation behan-
für zwei Jahre zu beschließen und die Kammern entsprechend selten einzuberufen, war Anfang des Jahres in der ersten Kammer gescheitert, wurde Ende Oktober 1852 in dem Bericht einer Kommission der zweiten Kammer wiederholt und scheiterte endgültig in den Beratungen der zweiten Kammer zwischen dem 21.12.1852 und dem 14.3.1853, Grünthal, Parlamentarismus (1982) S. 307–311, bes. S. 309, S. 307 Fn. 52 u. S. 311 Fn. 72. 199 Siehe die Artikel in der Neuen Preußischen (= Kreuz-)Zeitung vom 24., 28. und 31.10.1856, Nr. 250, 253 u. 256, und die Entgegnungen in den Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen vom 1.11.1856 Nr. 257, in der Königlich privilegierten Berlinischen Zeitung („Vossische“) vom 22.11.1856 Nr. 275 1. Beilage (beide UAG Jur. Fak. 365) und in der Allgemeinen Zeitung vom 2. u. 10.11.1856, Nr. 308 S. 4915 bzw. Nr. 316 S. 5042. 200 Windscheid an Urlichs o. O. o. D. [Greifswald, Herbst 1856], DArchI Berlin NL Urlichs, Windscheid-Briefe Nr. 1: „Von unseren Promotionen haben wir noch viel Ärger gehabt. . . . Daß wir dem Minist[er(ium)] gegenüber noch immer in statu poenitentiae sind und auch wohl geraume Zeit bleiben werden, kannst Du Dir denken.“ 201 Besonders verletzend nannte die Neue Preußische Zeitung am 28.10.1856 (Nr. 250) die Ehrung der linken Abgeordneten der 2. Kammer Maximilian Graf von Schwerin (1804–1872), August Wentzel (1799–1860) (beide Dr. iur. h.c.) und Wilhelm Adolf Lette (1799–1868, Dr. phil. h.c.). Zu ihnen s. Grünthal, Parlamentarismus (1982) S. 523, S. 527 u. S. 528 (Register), zu Lette und Schwerin auch Mann, Biographisches Handbuch (1988) S. 243 Nr. 1342 u. S. 360 Nr. 2148. 202 Windscheid an Urlichs o. O. o. D. [Ende 1856], DArchI Berlin NL Urlichs, Windscheid-Briefe Nr. 1: „Es gibt Wenige, die glauben, wie unschuldig die Facultäten gewesen sind.“ Windscheid an Ihering aus Greifswald am 24.1.1857, SBPK-Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 9–12, 12r+v; Kommentar Iherings dazu: Die Universitäten sollten doch „ihre Würden nicht an Leute wegwerfen, die engherzig genug sind, lieber mit einem politisch-korrekten Strohkopf in die Hölle zu fahren, als mit einem Liberalen in den Himmel.“ Brief an Windscheid vom 21.12.1856, Ihering in Briefen (1913) S. 73–78, 76.
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delt wissen wollte, und betonte dabei den Unterschied zwischen Exekutive und rechtsprechender Gewalt.203 Zu diesen inneren Auseinandersetzungen gesellte sich Loyalität nach außen, eine beherrschende nationaldeutsche Haltung und ein Streben nach Harmonie auch in der Politik: Im Streit zwischen Preußen und der Schweiz um Neuchâtel stand Windscheid 1857 bei allem Verständnis für die Eidgenossen auf preußischer Seite.204 Doch sein Ideal war nicht Preußen und die „preußischen Götter“, sondern ein geeintes Deutschland.205 Zugleich träumte Windscheid von einem zukünftigen Zusammenleben der Menschen und Völker in umfassender Gerechtigkeit, ermöglicht durch einen vom Völkerrecht garantierten Weltfrieden und eine gleichmäßigere, die sozialen Gegensätze ausgleichende Verteilung der materiellen Güter.206 Der letzte Punkt zeigt, dass Windscheid die Bedeutung nicht nur der (verfassungs-)rechtlichen, sondern auch der sozialen Frage für die Gerechtigkeit erkannt hat. In München setzte sich Windscheids Interesse für die preußische Politik fort, während er an dem politischen Geschehen in Bayern wenig Anteil nahm.207 Immerhin war er in der Reaktionszeit froh darüber, „zu sehen, wie mäßig sich hier der Rückschlag des Umschwungs, der sich gegenwärtig in Preußen vollzieht, geltend macht.“ 208 Seine liberale und zugleich nationale Gesinnung brachte ihn in einen doppelten Gegensatz zur in Bayern herrschenden Meinung und zu den Ansichten seiner einheimischen Kollegen, besonders Pözls.209 Während des italienischen Krieges stand die Minderheit der norddeutschen Kolonie gegen Österreich auf der Seite des italienischen Volkes,210 und in der deutschen nationalen Frage waren Ver-
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UAG Jur.Fak. 366, Entscheidung vom 6.2.1856 für das AG Bernburg. Windscheid am 29.3.1857 aus Greifswald an Andreas Heusler-Ryhiner, StA Basel PA 328 E 168, Windscheid, B. 205 Windscheid am 3.3.1857 aus Greifswald an Heinrich von Sybel: „Ich werde meine ganze Kraft einsetzen . . . zu Ehren von – Deutschland. Haben wir in Preußen nicht den preußischen Göttern geopfert, so wird es uns auch in Baiern erlaubt sein, über die Grenzpfähle hinauszusehen.“ GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 24 f., 24v u. 25r. 206 B. Windscheid, Recht und Rechtswissenschaft (1854) S. 8 f. 207 Windscheid an Charlotte Pochhammer am 11./14.10.1858, Familiennachlass Windscheid: Die Nachrichten aus Berlin „regen mich in tiefster Seele auf. . . . In Bayern raisonnieren sie jetzt gewaltig über das Ministerium und sein Verfahren gegen die Kammern; ich laß’ mir das vorerzählen, und langweile mich dabei.“ 208 Windscheid an Ihering am 21.12.1858, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847 (10) B. Windscheid Bll. 24 f., 25v. 209 Windscheid an Bluntschli am 6.2.1864, ZB Zürich FA Bluntschli 19.960-5 1/4. 210 Bluntschli, Denkwürdiges II, 1 (1884) S. 256 f. u. S. 273, nennt u. a. Windscheids Freunde Sybel und Heyse. 204
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treter der kleindeutschen Lösung wie Windscheid als „Gothaer“ verschrieen.211 Windscheid selbst erkannte den auch in Bayern vorhandenen Liberalismus an, bedauerte aber zugleich die antipreußische Gesinnung seiner Vertreter.212 In der deutschen Frage empfand Windscheid die österreichischen Vorschläge auf dem Frankfurter Fürstentag 1863 zwar als – bescheidenen – Fortschritt, verteidigte aber Preußens ablehnende Haltung, das den in diesen Vorschlägen liegenden Affront nicht hinzunehmen brauche, und vertrat damit zugleich erneut die Interessen der liberal-nationalen Bewegung.213 An der preußischen Politik fand Windscheid bis 1866 wenig Lobenswertes. Auf dem Höhepunkt des Konfliktes um die Heeresreform empfand er die Lage als höchst unerfreulich214 und war ohne Hoffnung auf einen „gedeihlichen Ausgang“,215 den er wohl in einem Interessenausgleich von liberalem Bürgertum und Militärstaat gesehen hätte. Dagegen fürchtete er um den Bestand der Verfassung und den Erhalt des geltenden Wahlrechts,216 nannte überhaupt das Geschehen in Preußen „inqualifiable“.217 Auch für Bismarck hatte Windscheid, wie so viele, bis zum Sieg über Österreich „wahrhaft keine Sympathien“.218 Da jedoch eine Niederlage Preußens gegen Österreich den Ruin dieses Landes bedeuten würde und dazuhin dessen Rolle für die Zukunft Deutschlands auf dem Spiel stand,219 musste Windscheid auf diesen „Abenteurer“ 220 setzen und war froh, als der Krieg ohne Eingreifen Frankreichs überstanden war.221 211
Dahn, Erinnerungen IV (1894) S. 122. Windscheid an Ihering am 28.6.1863, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847 (10) Bll. 68 f., 68v. 213 Windscheid an Heyse am 11.9.1863, BSB München Heyse-Archiv VI, Windscheid, Bernhard Nr. 9. – Dazu s. Nipperdey, Deutsche Geschichte (1983) S. 707–709. 214 Windscheid an Sybel am 26.12.1861, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bll. 29 f., 29r. 215 Windscheid an Beseler am 30.9.1862 [irrtümlich datiert 1860], BA-Fft/M FN 3/ 3, Bl. 219. 216 Windscheid an Heyse am 11.9.1863, BSB München Heyse-Archiv VI, Windscheid, Bernhard Nr. 9. 217 Windscheid an H. Friedberg am 12.3.1866, BA Berlin NL Friedberg Bll. 123 u. 123a, 123ar. 218 Windscheid an seine Frau o. D. [Mai/Juni 1866: Freitag abend], Familiennachlass Windscheid. 219 Windscheid an seine Frau o. D. [Mai/Juni 1866: Mittwoch abend und Samstag], Familiennachlass Windscheid, dort Samstag: „Wenn Preußen dieses Mal keine Schädigung erleidet, so ist seine providentielle Mission dem Blindesten klar geworden.“ 220 Windscheid an seine Frau o. D. [Mai/Juni 1866, Samstag], Familiennachlass Windscheid: „Und wir gehen in diesen Krieg unter der Aegide dieses Abenteurers, – ein Krieg Bismarck’s, der ein Volkskrieg sein sollte!“ 221 Windscheid an H. Friedberg am 8.7.1866, BA Berlin NL Friedberg Bll. 124 f., 124v: „Jetzt ist es ja wohl hoffentlich zu Ende, und die unheimlich aufsteigende Gestalt des Mannes an der Seine bleibt Wolke, und wird nicht Gewitter. – Einmal wird hoffentlich auch mit ihm abgerechnet werden. Jetzt geht es nicht.“ 212
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3. Teil: Grundlinien Bernhard Windscheids
Das Geschehen von 1870/71 empfand Windscheid als einen Höhepunkt der deutschen Geschichte, dem gegenüber die eigenen Interessen „zum Nichts zusammenschrumpfen“.222 Hier wurden „die höchsten Güter der Nation“ verteidigt223 und zugleich die längst ersehnte Einigkeit in Deutschland erreicht.224 Die Reichseinheit stand Windscheid auch nach 1871 über allem, was bedeutete, dass Deutschland zwar „von Preußischem Geiste geleitet“ werden sollte, aber nicht „in Preußen aufgehen“ durfte. „Durch Preußen über Preußen hinaus“ war sein Wahlspruch.225 Dazu passte eine „einseitige Stärkung des Centrums“ – also Berlins – nicht, und somit blieb Windscheid 1880 in Leipzig.226 Im konsolidierten Deutschen Reich würdigte Windscheid dann auch die Verdienste Bismarcks, lobte dessen militärisch wie staatsmännisch kluges Vorgehen gegen Österreich 1866 und seine Fortschrittlichkeit, mit der er nicht ein vergrößertes Preußen, sondern ein geeintes Deutschland erstrebt und erreicht habe.227 Windscheids Stolz auf die bedeutende Rolle Deutschlands in Europa seit 1871 führte bei ihm aber zu keiner Verherrlichung Bismarcks, wie sie etwa Ihering vornahm.228 Nicht Bismarck, sondern die nationale Idee, getragen von der deutschen Einheitsbewegung der Turner, Schützen und Sänger, der deutschen Presse, Literatur und Universitäten und durchgesetzt vom kaiserlichen Heer war für Windscheid die eigentliche Schöpferin des deutschen Reiches. Und im Budgetkonflikt stand statt des Werkzeuges dieser Idee, Bismarck, die liberale Opposition auf der richtigen Seite!229 Dass Windscheid auch die Schwächen an Bismarcks Person nicht übersah, zeigt seine 1890 gegenüber Heinrich Friedberg geäußerte – und nur zu berechtigte – Befürchtung, Bismarck möge seine Entlassung nicht so tragen, „wie man möchte, daß ein großer Mann sein Schicksal trägt.“ 230 Der letzte Grund für Windscheids Aussöhnung mit Bismarck ist, dass er zusammen mit Wilhelm I. nach 1871 „Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit und Sittlich222 Windscheid an den badischen Ministerialrat am 22.7.1870, GLA-KA 325/3117 Bl. 340v. 223 Windscheid am 17.7.1870 an Vangerow, GLA-KA 235/3117 Bll. 338 f., 338r, fürchtet um den Sieg bei einem Eingreifen Österreichs. 224 Windscheid an Bluntschli 20.7.1870, ZB Zürich FA-Bluntschli 19.960-3. – Das neue Einheitsgefühl auch in Bayern anschaulich bei Braun-Artaria, Zeitgenossen (1918) S. 174 f. und Oertmann, Lebensgang (1904) S. IX–XX, XIV. 225 Windscheid an H. Friedberg am 31.12.1876, BA Berlin NL Friedberg Bl. 133, Zitate 133v. 226 Windscheid am 19.12.1880 an das preuß. Kultusministerium, SBPK Berlin Slg. Darmstädter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 115 f., Zitat 115v. 227 B. Windscheid, Bismarck (1885) S. 3–9, 5–7. 228 Ihering an Windscheid am 19.8.1866, Ihering in Briefen (1913) S. 205–208, 206 f., dort S. 207: „Ich gebe für einen solchen Mann der Tat . . . hundert Männer der liberalen Gesinnung, der machtlosen Ehrlichkeit!“ 229 B. Windscheid, Bismarck (1885) S. 3–9, 3–5. 230 Windscheid an H. Friedberg am 5.5.1890, BA Berlin NL Friedberg Bl. 151, Zitat 151v.
C. Politische Vorstellungen
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keit“ in die Politik zurückgebracht habe.231 Windscheid betrachtete es als die wichtigste Aufgabe, diesen glücklichen Zustand zu erhalten, was nur dann gelinge, wenn alle Bürger mit Hingebung und sittlichem Ernst die ihnen gestellten Aufgaben erfüllten, wobei es weniger auf die physische Kraft als auf die sittliche Idee ankomme.232 Auch in der Politik herrschen also für Windscheid letzten Endes die Ideen, und das Ideal ist dann erreicht, wenn die Wirklichkeit ihnen entspricht. Für ihn war dieses Ideal im Hinblick auf die nationale Idee in Erfüllung gegangen. Die sittlichen Werte von Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit blieben dagegen ein ständiger Ansporn, auch wenn Windscheid, wie im letzten Abschnitt bereits geschildert,233 auf die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit keine endgültige Antwort wusste.
231 232 233
B. Windscheid, Bismarck (1885) S. 3–9, 8. B. Windscheid, Bismarck (1885) S. 3–9, 9. s. o. 2. Teil Abschnitt H. I. S. 375 f.
4. Teil
Fazit Was zeichnet nun Windscheids Leben und Werk aus? Was bedeutet es, wenn einem Studenten der Rechtswissenschaften gegen Ende des 19. Jahrhunderts vermittelt wurde: „Jurisprudenz, das heißt Pandekten – Pandekten, das heißt Windscheid“?1 Vordergründig hatte gewiss Windscheids Lehrbuch des Pandektenrechts – schon wegen seiner zahlreichen Auflagen und immensen Verbreitung – die größte Bedeutung und die breiteste Wirkung. Noch ist nicht abschließend untersucht – und auch die vorliegende Arbeit konnte dies nicht leisten – ob Windscheids persönliches Engagement oder seine in diesem Buch niedergelegte Lehre größeren Einfluss auf die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches hatte. Aber hinter diesem Werk wie auch seinen weiteren Arbeiten, Monographien und Aufsätzen, steht die Person. Diese Person war ein deutscher Gelehrter des 19. Jahrhunderts und vielleicht gerade deshalb, weil mit eher wenigen Ecken und Kanten ausgestattet, gerade in dieser „Normalität“ typisch: Zwar war er als Teil der historischen Rechtsschule überzeugter Anhänger Savignys, jedoch kein direkter Schüler oder gar unmittelbarer Nachfolger wie etwa Puchta und sah als einer späteren Generation angehörend den Beruf seiner Zeit zur Gesetzgebung völlig anders. Zwar war auch er zu späteren Zeiten ein gefeierter Lehrer mit vollen Hörsälen und daher großer Bedeutung für seine jeweilige Fakultät und darüber hinaus, jedoch, bezogen auf seine Lehrtätigkeit, keine solche internationale Berühmtheit wie etwa Vangerow in Heidelberg. Zwar fühlte er sich, wo immer er sich aufhielt, immer seinem Heimatland verbunden, das auch für ihn als Rheinländer zuerst Preußen und dann Deutschland hieß, war jedoch auch immer bereit, über die Grenzen hinauszublicken, als ein Teil der deutschen Kulturnation. Zwar hatte er zu politischen Fragen seine eigene, reflektierte Meinung, war jedoch nie, wie etwa Bluntschli, nach seinem eigenen Verständnis auch Politiker. Als Rechtsgelehrter war er, wie bereits die Nachrufe auf ihn zeigen, eine Berühmtheit, auch wenn er weniger Glanz verbreitete, als der extrovertierte Rudolf 1
Siber, Erinnerungen an Windscheid (1909) Sp. 116.
4. Teil: Fazit
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v. Ihering, weniger Originalität besaß als Alois Brinz und ihm auch die Anschaulichkeit eines Heinrich Dernburg abging. Was charakterisiert Windscheid also in besonderer Weise? Hervorzuheben sind sein Fleiß, seine Zuverlässigkeit, sein hoher Anspruch an sich selbst, sein Harmoniestreben und sein „Mittelmaß“, verstanden nicht im Sinne von „Durchschnitt“ sondern verstanden als das Wissen um die „maze“, das rechte „Maß“, Zentraltugend mittelalterlich-höf ischer Ethik des Maßhaltens und zugleich der Charakterfestigkeit. Als Person war er stets ohne religiösen Eifer, aber an religiösen Fragen und ihrer Bedeutung für die geistige Bildung stets interessiert: Seine Haltung zur Frage der Konfession war ihm vor allem „Gewissensfrage“, der er aber dann, wenn es in seinen Augen sein sollte, etwa beim Aufkommen der altkatholischen Bewegung oder der Parteinahme gegen antisemitische Tendenzen, auch deutlichen Ausdruck verlieh. Politisch war er bürgerlich-liberaler Konstitutionalist, kein Demokrat von 1848, aber auch keiner, dem Orden und Ehrenzeichen und die damit verbundene Annäherung an den Adel – einschließlich der Verleihung des persönlichen Adels – viel bedeutet hätten. Er war auch kein Sozialist, sich zugleich aber der sozialen Fragen seiner Zeit bewusst und auch hier engagiert. Ähnliches gilt für seine Haltung zur Stellung der Frauen in der Gesellschaft und ihren Rechten: Die eigenständige Persönlichkeit seiner Ehefrau und das offensive Eintreten seiner ältesten Tochter für eine Aufwertung ihres Geschlechts fügen sich bruchlos in das Bild eines aufgeklärten Ehemannes und Vaters ein, der die römische patria postestas zwar lehrt, jedoch weit davon entfernt ist, sie noch für lebensfähig zu halten. „Unmäßig“ erscheint Windscheid allerdings in dreierlei Hinsicht: In seinem hohen Anspruch an sich selbst – wobei er Ehrungen, die sich darauf beziehen, durchaus zu schätzen weiß –, in seinem Bemühen, in seinem Beruf Überkommenes und aktuelle Anforderungen wo immer möglich in Einklang miteinander zu bringen, und in seiner Überzeugung, dass neben der politischen Einheit auch und besonders die Einheit des (bürgerlichen) Rechts das Gebot der Zeit ist. Der hohe Anspruch an die Tätigkeit als Jurist zeigt sich nicht nur darin, dass Windscheid immer bestrebt war, seinen Studenten ein hohes berufliches Ethos einzupflanzen, sondern auch in seiner literarischen Arbeit: Nicht umsonst wurde sein Lehrbuch besonders dafür gelobt, dass es ein stets aktuelles Abbild der wissenschaftlichen Diskussionen seines Fachs war. Dies wie auch sein anhaltendes Bemühen, auch in seinen Aufsätzen jede zu behandelnde Frage erschöpfend und unter Heranziehung aller einschlägigen Quellen zu erörtern, ist mehr als bloßer Fleiß. Für Windscheid war dieser umfassende Überblick über die Literatur seiner Zeit und die darin vertretenen Meinungen, über den er wie sonst kaum einer verfügte, Vorbedingung für die von ihm angestrebte Überwindung des römischen Rechts. Dieses Überblickswissen war für ihn Voraussetzung und Basis einer Ver-
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4. Teil: Fazit
einheitlichung des Rechts. Auch weil ihm viele seiner Zeitgenossen darin gefolgt sind, errang sein Lehrbuch seinen besonderen Ruf. Dass sich Windscheid seiner Bedeutung bewusst war und auch Wert auf entsprechende Anerkennung legte, zeigte sich darin, wie er – als letzter einer illustren Reihe und unmittelbarer Nachfolger des von ihm besonders hoch verehrten Wächter – in Leipzig den Titel eines „ersten Professors und Ordinarius“ der Fakultät anstrebte und auch erhielt. Das Bemühen um die Harmonisierung von Überkommenem mit aktuellen insbesondere wirtschaftlichen Anforderungen, etwa umschrieben als „Bedürfnisse des Verkehrs“, ist Auslöser seiner literarischen „Entdeckungen“. Als Anhänger der umfassenden Rezeption des – mittelalterlichen – römischen Rechts war er gezwungen, auf exegetisch-interpretatorischem Wege aktuell aufgeworfene Fragen angemessen zu beantworten. Dies galt für die Achtung des subjektiven Willens – die zur Entwicklung der umstrittenen Voraussetzungslehre führte – ebenso wie für die Frage des Übergangs von Obligationen, der Behandlung der „liegenden Erbschaft“ oder auch der Verlagerung des römisch-rechtlichen Aktionendenkens in das materielle Recht. Die dritte und womöglich bedeutendste Triebfeder Windscheid’schen Schaffens war das Streben nach Vereinheitlichung des Rechts in der Form einer alle großen Bereiche des bürgerlichen Rechts umfassenden Kodifikation. Geschult an dem – ebenfalls auf römisch-rechtlicher Grundlage entstandenen – Code Civil war er stets der Überzeugung, dass der zeitweise tiefe Graben innerhalb der historischen Rechtsschule zwischen „Romanisten“ hier und „Germanisten“ da im Interesse eines einheitlichen bürgerlichen Rechts in Deutschland überwunden werden müsse. Deshalb war Wächter und dessen Handbuch des im Königreiche Württemberg geltenden Privatrechts sein größtes Vorbild. Seine private Freundschaft und berufliche Zusammenarbeit mit Beseler in Greifswald bestärkte ihn in dieser Haltung und führte dazu, dass er sich zwar auch weiterhin auf „sein Feld“ der Pandektistik beschränkte, dieses jedoch so bestellte, dass es zu einer möglichst harmonischen Verbindung mit den Instituten des „germanisch-deutschen“ Rechts kommen konnte. Als Vollender der Pandektistik, dem es, obgleich an Konzeption und Erarbeitung zu Anfang tatkräftig und maßgeblich beteiligt, nicht mehr vergönnt war, das Inkrafttreten des von ihm so sehr herbeigesehnten BGB zu erleben, steht er naturgemäß mehr am Ende als am Anfang einer Entwicklung und eignet sich daher schon deshalb dazu, als „Archetyp“ seiner Zeit (der Pandektistik, auch des „Positivismus“) zu dienen. Einen Höhepunkt hat die Pandektistik auch dank Windscheid gegen Ende des 19. Jahrhunderts sicher erreicht. Zu zeigen, dass dieser Höhepunkt nicht zugleich auch – entgegen dem lange Zeit tradierten Klischee – mit einer Erstarrung und begriffsjuristisch-konstruktivistischen wie auch positivistischen Engführung einherging, war ein wesentliches Ziel dieser biographischen Arbeit. Sie versteht sich insoweit als biographisch-werkgeschichtliche Ergänzung
4. Teil: Fazit
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zu den zahlreichen Arbeiten insbesondere von Ulrich Falk, in denen er es sich seit seiner ersten Monographie2 erfolgreich zum Ziel gesetzt hat, diese Klischees in Auseinandersetzung mit ihren Vertretern insbesondere aus den 20er bis 40er Jahren des 20. Jahrhunderts zu hinterfragen, zu korrigieren und auf diesem Wege ein erneuertes und zugleich historisch angemessenes Windscheid-Bild zu zeichnen. Seine Befunde werden durch die vorliegende Schilderung von Windscheids Biographie und der Einbettung seiner Leistung als Gelehrter in Wort und Schrift in sein Leben gestützt und bestätigt.
2 Falk, Ein Gelehrter wie Windscheid (1989); zuletzt ders., Gipfel der Pandektistik (2009) S. 129–150; zu seinen weiteren Veröffentlichungen wird auf das Literaturverzeichnis verwiesen.
Anhang: Genealogische Übersicht der Vorfahren und Nachkommen Bernhard Windscheids Großeltern väterlicherseits: Johann Wilhelm Windscheid, * Blankenberg/Sieg 1743, y Düsseldorf 28.01.1801 Maria Anna Sibylla Johanna Josepha Gesser, getauft Düsseldorf 27.09.1747, y Düsseldorf 1823 Hochzeit: 24.07.1776 in Derendorf Großeltern mütterlicherseits: Franz Joseph Servaes 1767–1823, beerdigt Düsseldorf 17.05.1823 Franziska geb. Dickershoff, getauft Recklinghausen 01.03.1767 – beerdigt Düsseldorf 12.10.1841, Heirat: 01.11.1792 Vater: Ferdinand Windscheid, * Düsseldorf 01.02.1787, y Düsseldorf 23.01.1869 1. Schwester: * 11.05.1777, y 30.09.1777 2. Bruder:
* 16.08.1778, y 30.10.1778
3. Bruder:
* 15.02.1780, y 31.03.1784
4. Bruder:
Johann Wilhelm Josef Theodor Windscheid, * Düsseldorf 1781, y Geistingen 1824, verheiratet mit Margareta Kamp Kinder: 1. Josef Wilhelm Maria Herbert Windscheid, * Düsseldorf 1819, y Köln 1876, verheiratet mit Johanna Wilhelmina Elisabeth Carluyrds, * Elberfeld 1823, y Köln 1879, 6 Kinder, 3 Enkel, 2 Urenkel 2. Franz Friedrich Otto Windscheid, 1822–1878, verheiratet mit Amalia Henriette Wiesener, 10 Kinder 3. Anna Elisabeth Wilhelmina geb. Windscheid, * Geistingen/Sieg 1823, y Eitorf 1872, verheiratet mit Ernst Falkenberg, 1806–1883, 2 Kinder, 6 Enkel,16 Urenkel
5. Bruder:
* und y 15.07.1782
Anhang 6. Bruder:
Franz Theodor Albert Joseph Hubert Windscheid, * Düsseldorf 06.08.1784, y München 04.08.1824, Heirat in Memmingen am 25.02.1813 mit Elisabetha Baur, * Memmingen 20.09.1788, y 1854, 2 Kinder
7. Bruder:
Karl Anselm Engelbert Josef Hubert Windscheid, * 17.11.1789, y 1864, verheiratet mit Helene Meese, 1796–1861, 7 Kinder, 14 Enkel, 7 Urenkel, 6 Ururenkel
Mutter: Friederike geb. Servaes, * Recklinghausen 25.04.1795, y Düsseldorf 25.02.1852 Heirat: 30.01.1813 Bernhard Josef Hubert Windscheid, * Düsseldorf 26.06.1817, y Leipzig 24.10.1892 1. Bruder:
Franz Wilhelm Friedrich Windscheid, * Düsseldorf 15.12.1813, y 04.03.1845, Advokatanwalt beim Königlichen Landgericht Düsseldorf, keine Nachkommen
2. Schwester: Maria Francisca geb. Windscheid, * Düsseldorf 17.09.1815, y Hamburg 04.10.1885, verheiratet seit 1834 mit Gustav Meinertz, * Lübeck 1789, y Berlin 1847, 4 Kinder, 20 Enkel, 12 Urenkel, 1 Ururenkel 3. Bruder:
Carl Eugen Joseph Hubert Windscheid, Amtsanwalt, * Düsseldorf 28.10.1819, y Köln 06.05.1881, verheiratet mit Maria Arndts, 1829–1914, 3 Kinder, 7 Enkel, 10 Urenkel
4. Schwester: Pauline Helene Wilhelmine Herbertine geb. Windscheid, * Uerdingen 22.04.1821, y Köln 1893, verheiratet mit Eduard Kühlwetter, * Düsseldorf 1813, y Köln 1897, 4 Kinder, 11 Enkel, 4 Urenkel 5. Schwester: Auguste Arnoldine Herbertine geb. Windscheid, * Uerdingen 09.07.1823, y Düsseldorf 1899, verheiratet mit Engelbert v. Fuchsius, 1822–1870 (?), 3 Kinder, 1 Adoptivtochter, 1 [Adoptiv]enkel 6. Bruder:
Franz Wilhelm Herbert Hilarius Windscheid, Rechnungsrat, * Emmerich a. Rh. 15.02.1825, y Köln 15.04.1891, verheiratet mit Maria Wetschky, 1826–1870, 4 Kinder, 7 Enkel, 9 Urenkel
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Anhang
7. Bruder:
Franz Albert Josef Hubert Windscheid, geh. Justizrat, Hypothekenbewahrer, * Emmerich 27.06.1826, y Aachen 1903, verheiratet mit Anna Margarethe Josefina Limbourg, * Helenberg b.Trier 1831, y Köln 1877, 7 Kinder, 5 Enkel, 5 Urenkel
8. Bruder:
Ernst Johann Franz Herbert Windscheid, * Emmerich 16.04.1828, y 12.01.1829
9. Schwester: Anna Francisca Henriette Herbertine Windscheid, * Emmerich 20.04.1829, y 27.01.1831 10. Bruder:
Johann Gustav Windscheid, praktischer Arzt, * Emmerich 08.08.1832, y Düsseldorf 15.06.1880, verheiratet mit Auguste Lützeler, * Elberfeld 1838, y Düsseldorf 1924, 4 Kinder, 2 Enkel, 1 Urenkel
11. Bruder:
Hermann Heinrich Windscheid, * Düsseldorf 07.04.1836, y Niederlahnstein 1900, verheiratet mit Maria Mathilde Schewe
12. Schwester: Catharina Carolina Gisberta Windscheid, * Düsseldorf 27.08.1837, y Köln 1917 Heirat am 04.11.1858 in Halle/S mit Charlotte Eleonore geb. Pochhammer, * Berlin 21.11.1830, y Leipzig 09.07.1918 1. Tochter:
Katharina Charlotte Friederike Auguste, * München 28.08.1859, y Leipzig 15.03.1943, Dr. phil. 1895 Heidelberg, Direktorin der Realgymnasialkurse des Allgemeinen deutschen Frauenvereins (ADF) für Mädchen in Leipzig
2. Sohn:
Franz Bernhard Ferdinand Adolph, Prof. Dr. med., * München 17.05.1862, y Leipzig 12.02.1910, verheiratet 19.09.1889 in Frankfurt a. M. mit Maria Graefe, * Naumburg 18.06.1864, y Tannenfelde b. Gera 17.10.1919, 3 Töchter: a) Emmy geb. Windscheid, * Leipzig, 16.12.1890, y München, verheiratet mit Prof. Dr. Bernhard Schmeidler, * Berlin 06.08.1879, y 28.05.1959 München, 2 Kinder b) Hildegard * Leipzig 27.08.1893; y ? c) Dora geb. Windscheid * Leipzig19.04.1899, y 1957, verheiratet mit Karl Uhlenhaut, Apotheker, * Mühlhausen i. E. 01.06.1896, y 1945, 6 Kinder 1 Sohn: Hermann, * Leipzig 21.09.1896, y Reservelazarett Bromberg 02.04.1915
Anhang
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3. u. 4. Tochter: Charlotte Friederike Bertha geb. Windscheid, (Zwillinge) * München 19.10.1864, y Göttingen 1938 verheiratet seit 25.10.1902 mit Paul Ernst Wilhelm Oertmann, * Bielefeld 03.07.1865, y Göttingen 22.05.1938, Zivilrechtler, kinderlos Margarethe Friederike Auguste geb. Windscheid, * München 19.10.1864, y Göttingen 11.03.1936, Heirat am 28.02.1891 mit Dr. Friedrich Bendixen, * San Francisco 30.09.1864, y Hamburg 29.07.1920, Bankdirektor in Hamburg 2 Töchter: a) Margarethe geb. Bendixen, * Hamburg 03.09.1895, y 29.08.1970, 1. Ehe: Dr. med. Hans Jürgen Fressel, * Hamburg 15.10.1893, y Hamburg 25.05.1921, 1 Sohn 2. Ehe: Dr. phil. Jost Trier, * Schlitz (Hessen) 15.12.1894, y Bad Salzuflen 15.09.1970, Prof. f. Germanische Philologie in Münster, 3 Kinder b) Elisabeth geb. Bendixen, gen. Lili, * Hamburg 26.06.1899, y 02.06.1966, verheiratet mit Dr. jur. Helmut Wendte, * Hannover 23.09.1898, geschieden, 3 Kinder
Literaturverzeichnis I. Werkverzeichnis Windscheids (chronologisch) 1. Publikationen De valida mulierum intercessione. Dissertatio inauguralis quam ex consensu et auctoritate amplissimi iureconsultorum ordinis in alma literarum universitate Friedericia Guilhelmia Rheana pro summis in utroque iure honoribus rite impetrandis D. XXII. M. Decembris A. MDCCCXXXVIII [22.12.1838] H.L.Q.C. publice defendet auctor, Bonnae MDCCCXXXVIII [1838], auch in: Kleine Schriften, Reden und Rezensionen Teil I (1838–1858) (= Opuscula Juridica. Sammelausgaben seltener und bisher nicht selbständig erschienener rechtswissenschaftlicher Arbeiten Band II [Teil I]), Leipzig 1984, S. 1–68 (Originalzählung, nach der auch zitiert wird: S. 1–64). Zit.: De valida (1838) Ueber den Besitz an Theilen einer zusammengesetzten Sache, Jahrbücher für historische und dogmatische Bearbeitung des römischen Rechts. Hrsg. von Karl Sell und Wilhelm Sell Bd. 1, Braunschweig 1841, S. 449–473. Zit.: Besitz an Theilen (1841) Zur Lehre des Code Napoléon von der Ungültigkeit der Rechtsgeschäfte, Düsseldorf 1847. Zit.: Ungültigkeit (1847) Ueber l. 9. § 3. D. qui potiores, ZCP 3 N. F. (1847), S. 424–440, wiederabgedruckt in: Kleine Schriften, Reden und Rezensionen Teil I (1838–1858) (= Opuscula Juridica. Sammelausgaben seltener und bisher nicht selbständig erschienener rechtswissenschaftlicher Arbeiten Band II [Teil I]), Leipzig 1984, S. 70–86. Zit.: l. 9 § 3. D. qui potiores (1847) Ueber das Recht des redlichen Besitzers an den Früchten, ZCP 4 N. F. (1847), S. 55– 137, wiederabgedruckt in: Kleine Schriften, Reden und Rezensionen Teil I (1838– 1858) (= Opuscula Juridica. Sammelausgaben seltener und bisher nicht selbständig erschienener rechtswissenschaftlicher Arbeiten Band II [Teil I]), Leipzig 1984, S. 87–169. Zit.: Recht des redlichen Besitzers (1847) Ueber die Begründung der Servituten durch destination du père de famille, ACCR 44 (1849) 2. Abt. B, S. 3–13, wiederabgedruckt in: Kleine Schriften, Reden und Rezensionen Teil I (1838–1858) (= Opuscula Juridica. Sammelausgaben seltener und bisher nicht selbständig erschienener rechtswissenschaftlicher Arbeiten Band II [Teil I]), Leipzig 1984, S. 213–223. Zit.: Servituten (1849) Die Lehre des französischen Rechts von der mora (Verzug, demeure), ACCR 44 (1849) 2. Abt. B, S. 17–39, wiederabgedruckt in: Kleine Schriften, Reden und Rezensionen Teil I (1838–1858) (= Opuscula Juridica. Sammelausgaben seltener und bisher nicht selbständig erschienener rechtswissenschaftlicher Arbeiten Band II [Teil I]), Leipzig 1984, S. 225–247. Zit.: mora (1849)
Literaturverzeichnis
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123, und in: Kleine Schriften, Reden und Rezensionen Teil II (1859–1892) (= Opuscula Juridica. Sammelausgaben seltener und bisher nicht selbständig erschienener rechtswissenschaftlicher Arbeiten Band II [Teil II]), Leipzig 1984, S. 449–456. Zit.: Bismarck (1885) Lehrbuch des Pandektenrechts 6. Aufl. 3 Bände Frankfurt/M. 1887. Zit.: Lehrbuch (61887) Rede beim Festessen zur Feier des 50jährigen Dienstjubiläums des OLG-Präsidenten Dr. Albrecht vor der juristischen Gesellschaft in Frankfurt am Main am 22.9.1889, Monatliche Rundschau der juristischen Gesellschaft in Frankfurt 23. Jg. (1889) Beilage III S. 1 f. (im Familiennachlass Windscheid), wiederabgedruckt in: Festgabe der DJZ zum 500-jährigen Jubiläum der Universität Leipzig, hrsg. von Otto Liebmann, Berlin 1909, Sp. 106–108. Zit.: Rede Dr. Albrecht (1889) Lehrbuch des Pandektenrechts 7. Aufl. 3 Bände Frankfurt a. M. 1891. Zit.: Lehrbuch (71891) Die indirekte Vermögensleistung, in: Festgabe der Leipziger Juristenfakultät für Dr. jur. Otto Müller zum 14. Mai 1892, Leipzig 1892, S. 1–26, wiederabgedruckt in: Paul Oertmann (Hrsg.), Bernhard Windscheid, Gesammelte Reden und Abhandlungen, Leipzig 1904, S. 410–430, und in: Kleine Schriften, Reden und Rezensionen Teil II (1859–1892) (= Opuscula Juridica. Sammelausgaben seltener und bisher nicht selbständig erschienener rechtswissenschaftlicher Arbeiten Band II [Teil II]), Leipzig 1984, S. 499–524. Zit.: indirekte Vermögensleistung (1892) Die Voraussetzung, AcP 78 (1892) S. 161–202, wiederabgedruckt in: Paul Oertmann (Hrsg.), Bernhard Windscheid, Gesammelte Reden und Abhandlungen, Leipzig 1904, S. 375–409, und in: Kleine Schriften, Reden und Rezensionen Teil II (1859– 1892) (= Opuscula Juridica. Sammelausgaben seltener und bisher nicht selbständig erschienener rechtswissenschaftlicher Arbeiten Band II [Teil II]), Leipzig 1984, S. 457–498. Zit.: Voraussetzung (1892) [Lehrbuch des Pandektenrechts 9. Aufl., unter vergleichender Darstellung des deutschen bürgerlichen Rechts bearbeitet von Theodor Kipp, 3 Bände Frankfurt a. M. 1906. Zit.: Windscheid/Kipp, Lehrbuch (91906)] [Polemica. Intorno all’ „actio“: Die Actio des römischen Civilrechts di Bernhard Windscheid, Zur Lehre von der römischen actio di Theodor Muther. Segue Die Actio. Abwehr gegen Dr. Theodor Muther di Bernhard Windscheid; prima traduzione italiana a cura di Ernst Heinitz e di Giovanni Pugliese, introduzione di G. Pugliese (= I classici del diritto II), Firenze 1954.] 2. Andere Druckwerke (Verlautbarungen, Grundrisse) Brief an den Vater Ferdinand Windscheid vom 12.2.1857, Festgabe der DJZ zum 500jährigen Jubiläum der Universität Leipzig, Berlin 1909, Sp. 119 f. Grundriss zu Pandekten-Vorlesungen, 2. Aufl. München 1862, nachgewiesen NUC Pre1956 Vol. 667 p. 640. Offener Brief an die Münchner Studentenschaft vom 8.3.1871, [Münchner] Neueste Nachrichten vom 11.3.1871 Nr. 70 S. 4, wiederabgedruckt in: Festgabe der DJZ zum 500jährigen Jubiläum der Universität Leipzig, Berlin 1909, Sp. 110.
Literaturverzeichnis
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Windscheids Abschiedsworte bei seinem Abgang aus München vom 13.3.1871, Festgabe der DJZ zum 500jährigen Jubiläum der Universität Leipzig, Berlin 1909, Sp. 108–110. Grundriss zu Vorlesungen über Institutionen des römischen Rechts, gedruckt in Leipzig, nachgewiesen NUC Pre-1956 Vol. 667 p. 640 r.Sp. Grundriss zu Pandekten-Vorlesungen. Als Manuskript gedruckt. Erster Theil. Allgemeine Lehren, Sachenrecht, Obligationenrecht, Leipzig 1885, 71 S., in der UB Leipzig MS 01123.
II. Quellenverzeichnis 1. Ungedruckte Quellen a) Windscheids Manuskripte und Vorlesungsmitschriften Dritter aa) Windscheids Manuskripte (1) Vorlesungen Institutionen und römische Rechtsgeschichte (unvollständig) 1. StUB Göttingen, NL Windscheid:
Nr. 11, 1–3
– Allgemeine Einleitung:
Nr. 11, 1 Bll. 1–9.
– Sachenrecht (1871–1892):
Nr. 11, 1 Bll. 141–159v.
– Obligationenrecht (1858–1890):
Nr. 11, 1 Bll. 160r–192v und Nr. 11, 2 Bll. 193r–199v.
– Familienrecht (1887–1891):
Nr. 11, 2 Bll. 200r–205v.
– Erbrecht (1871–1892):
Nr. 11, 2 Bll. 206–245v.
– Aktionenrecht (1877–1890):
Nr. 11, 3 Bll. 246–299v.
2. Aus dem Nachlass Wahl im Besitz von Prof. Dr. Laufs, Heidelberg – Historischer Teil (1858–1891, unvollständig) §§ 16–30 (rot §§ 6–20): „Zweites Buch. Die Rechtsquellen“ Bll. 35–72 – Dogmatischer Teil „Drittes Buch. Das Privatrecht“ (Anfang) Einleitung und §§ 31–34 (bzw. §§ 21–24) Bll. 73–82. Pandekten (unvollständig) StUB Göttingen, NL Windscheid Nr. 1–6,3 – §§ 1–11, Allgemeiner Teil:
Nr. 1 Bll. 4–32.
– §§ 9, 27–55, Allgemeiner Teil (Institutionen?): Nr. 2 Bll. 83–118. – §§ 73–83, 86–126, Sachenrecht (1881–1890):
Nr. 3 Bll. 159–180, 183–238.
– §§ 127–254, Obligationenrecht:
Nr. 4, 1–4, Bll. 239–450.
– §§ 257–277, Familienrecht (1880–1892):
Nr. 5 Bll. 1–48.
– §§ 278–357, Erbrecht (1880–1892):
Nr. 6, 1–3, Bll. 48a–180, 200–202.
460
Literaturverzeichnis
(2) Lehrbuch Lehrbuch 1. Auflage, Text (unvollständig) 1. StUB Göttingen, NL Windscheid
Nr. 13, 1–4.
– Allgemeiner Teil (§§ 89–136, unvollständig):
Nr. 13, 1 Bll. 18–45r.
– Sachenrecht (§§ 137–223):
Nr. 13, 2 Bll. a–z und aa–zz.
– Sachenrecht (§§ 224–249):
Nr. 13, 3 Bogen 1–12.
– Obligationenrecht (§§ 466–487):
Nr. 13, 4 Bll. 172–189r.
– Familienrecht (§§ 489–526):
Nr. 13, 4 Bll. 189v–212.
2. Aus dem Nachlass Wahl im Besitz von Prof. Dr. Laufs, Heidelberg – Erbrecht (Band 3 komplett): Titelblatt, Vorrede, Inhaltsverzeichnis Bll. 1–7, §§ 527–622 neue Blattierung Bll. 1–67, §§ 623–678 dritte Blattierung Bll. 1–42. Lehrbuch 1. Auflage, Noten (unvollständig) 1. StUB Göttingen, NL Windscheid
Nr. 14, 1–12.
– §§ 1–3, 5, 13, 29, 36:
Nr. 14, 1.
– §§ 63 f, 606, 108:
Nr. 14, 2.
– §§ 107–136 (Ende des Allgemeinen Teils):
Nr. 14, 3.
– Sachenrecht: §§ 137–169a §§ 169a–207 §§ 208–223 §§ 224–249
Nr. 14, 4. Nr. 14, 5. Nr. 14, 6. Nr. 14, 7.
– Obligationenrecht (unvollständig): §§ 250–291 Nr. 14, 8. §§ 292–351 Nr. 14, 9. – Erbrecht (unvollständig): §§ 600 Fn. 17 bis 622 Fn. 8 §§ 623–642 Fn. 13
Nr. 14, 11. Nr. 14, 12.
2. Aus dem Nachlass Wahl im Besitz von Prof. Dr. Laufs, Heidelberg – Obligationenrecht (damit vollständig): §§ 352–488
Bll. 139a–401.
– Familienrecht: §§ 489–526
Bll. 402–447r.
– Erbrecht (damit vollständig): §§ 527–600 Fn. 16
Bll. 1–117.
Lehrbuch, spätere Auflage, Noten (§§ 292–301), StUB Göttingen, NL Windscheid Nr. 14, 10.
Literaturverzeichnis
461
(3) Bürgerliches Recht nach den Protokollen und dem Entwurf der 1. BGB-Kommission Zusammenstellung des bürgerlichen Rechts nach den Protokollen und dem Entwurf der 1. BGB-Kommission (unvollständig) 1. StUB Göttingen, NL Windscheid – §§ 72a, 76–89, 108–114, 124–126, 128–134, Allgemeiner Teil:
Nr. 7–10,2. Nr. 7 Bll. 36–52.
– §§ 770–772, 811–814, weiteres Sachenrecht (1887):
Nr. 8, 1–3, Bll. 1–5, 38–258.
– Eheliches Güterrecht (1887/88):
Nr. 9 Bll. 93–124.
– Erbrecht (1888 u. 1889):
Nr. 10, 1–2, Bll. 77–219.
2. Aus dem Nachlass Wahl im Besitz von Prof. Dr. Laufs, Heidelberg – Von den allgemeinen Bestimmungen des Sachenrechts §§ 773–785a Bll. 6–14. – Inhaltsverzeichnis zum Familienrecht (224 Bl.), woraus in der StUB Göttingen die Bll. 93–124 zum ehelichen Güterrecht liegen, sowie Bl. 1, „Verlöbniß“ (24.10.1887). – Erbrecht: Inhaltsverzeichnis zu 221 Bll. und Bll. 1–76 (1888), Ergänzung des Bestandes der StUB Göttingen. Systematischer Entwurf eines Lehrbuchs/einer Vorlesung zum bürgerlichen Recht nach dem BGB-Entwurf 1888, StUB Göttingen NL Windscheid Nr. 12 Bll. 2–4c (6 Blätter). (4) Sonstiges (chronologisch) Fragment einer Rede vor der „universitas literarum“ [ab 1885], StUB Göttingen, NL Windscheid Nr. 15 Bll. 4–9, 26–31, 47–63. Gutachten betr. d. Hafen v. Patras, 1887, für Herrn P. Cerrier, Direktor der Compagnie Générale de travaux publics et particuliers, StUB Göttingen NL Ihering Kasten 8 Nr. 13 Bll. 7–25. Deckblatt: „Über die Grundlagen des bürgerlichen Rechts in Deutschland, mit besonderer Berücksichtigung des Entwurfs des deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs. Vortrag im Kaufmännischen Verein zu Leipzig, 24. Februar 1888“, 1 Bl., aus dem Nachlass Wahl im Besitz von Prof. Dr. Laufs, Heidelberg. Redemanuskript „Die Savigny’sche Rechtsschule im 19. Jahrhundert. 1891“, 60 Bll., aus dem Nachlass Wahl im Besitz von Prof. Dr. Laufs, Heidelberg. Anmerkungen zu [Emil] Pfersche, Die Irrthumslehre des öst[erreichischen] Privatr[echts. Mit Berücksichtigung des Entwurfes eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Graz 1891.], 1 Bl. aus dem Nachlass Wahl im Besitz von Prof. Dr. Laufs, Heidelberg.
462
Literaturverzeichnis bb) Vorlesungsmitschriften Dritter
Geschichte und Institutionen des römischen Rechts, München SS 1869, Mitschrift von Julius Jolly, BSB München, Jollyana III, 3. Institutionen [1874–1878], Mitschrift von Karl Lamprecht, UB Bonn S 2713 . Institutionen und äußere Geschichte des römischen Rechts, Leipzig SS 1880, 308 S., Mitschrift von Karl Samwer, nachgewiesen NUC Pre-1956 Vol. 667 p. 640 r. Sp. Pandekten I, Leipzig WS 1886/87, Mitschrift von Erich Jung, UB Leipzig MS 01123.
b) Akten StA Basel – Erziehungsakten (EZA) X 31. – Erziehungsakten (EZA) X 33. – Erziehungsakten (EZA) X 34. – Erziehungsakten (EZA) Z 11. – Protokolle des Erziehungskollegiums S 42 (16.5.1843–28.3.1855). – Protokolle Großer Rat 25. – Universitätsarchiv (UA) A 4 (Statuten 1819–1864). – Universitätsarchiv (UA) B 1 VII (Sitzungsprotokolle der Regenz 1834–1859). – Universitätsarchiv (UA) F 5 (akad. Einladungen 1741–1877). – Universitätsarchiv (UA) I 5 (Preisaufgaben 1835–1955). – Universitätsarchiv (UA) P 6 (Diplomata facultatis juridiciae 1831–1895). – Universitätsarchiv (UA) IV 2,2 (Gratulationsdiplome 1860). GStA PK Berlin – I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 2 (Univ. Berlin) Tit. IV Nr. 45 Bd. 1, 3 u. 4. – I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 2 Bd. 12. – I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 4 Bd. 7. – I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 38 Bd. 1. – I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. IV Nr. 43. – I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 3 (Universität Bonn) Tit. XIII Nr. 1 Bd. 6 und 7. – I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 7 (Univ. Greifswald) Tit. IV Nr. 20 Bd. 1 und 2. – I. HA Rep. 76 Kultusministerium Va Sekt. 7 (Univ. Greifswald) Tit. X Nr. 28 Bd. 1. SBPK Berlin – NL Rieks Akte I (Bll. 116–118). – Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid.
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UA HU-Berlin – Rektor und Senat Litt. A No. 6 Bd. CLXIII Bl. 14 ff. UA Bonn – Abgangszeugnis Windscheid. – Personalakte Windscheid. – Promotionsalbum. – Rektorat U 66. NW-Personenstandsarchiv Brühl – Zivilstandsregister – Geburten – Düsseldorf Nr. 441. HStA Dresden Aus dem Bestand 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Universität Leipzig – – – – – – – – – – – – – –
Nr. 10001/2 (Rektoratswechsel 1869–1917). Nr. 10012/4 (Auszeichnung verdienstvoller Lehrer 1872–1883). Nr. 10012/5 (Auszeichnung verdienstvoller Lehrer 1883–1897). Nr. 10017 (Studienpläne und Prüfungen 1832–1894). Nr. 10030 (Verleihung ausländischer Orden an Professoren der Universität Leipzig 1869–1898). Nr. 10034/10 (Verfassung der Universität Leipzig; Fakultäten 1871–1901). Nr. 10034/14 (Verfassung der Juristenfakultät zu Leipzig 1848–1910). Nr. 10042/7 (Kollegienhonorare 1874–1907). Nr. 10043/1 (Von auswärtigen Regierungen erbetene Mitteilungen über Verhältnisse der Universität Leipzig 1876–1897). Nr. 10198/5 (Ersetzung der ordentlichen Professuren bei der Juristenfakultät Leipzig 1865–1872). Nr. 10198/6 (Ersetzung der ordentlichen Professuren bei der Juristenfakultät Leipzig 1871–1910). Nr. 10200/13, 14 u. 15 (Prüfung der Rechtskandidaten bei der Juristenfakultät Leipzig 1874–1879, 1879–1891, 1891–1898). Nr. 10200/5 (Doktorpromotionen bei der Juristenfakultät zu Leipzig 1855–1906). Nr. 10281/313 (Personalakte Geheimer Rat Prof. Dr. Bernhard Josef Windscheid)
SchulA Görres-Gymnasium Düsseldorf – Abituraufsatz Windscheids „Über die Gründe, die uns bei der Wahl unseres Lebensberufes leiten sollen“. – lateinischer Lebenslauf Bernhard Windscheids (1834). – Protokoll über die mündliche Reifeprüfung am 2.–4.9.1834. – Zeugnis der Reife für Bernhard Windscheid vom 6.9.1834.
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UA Göttingen – J 134: Ehrungen, Gratulationen etc. 1882–1899. UA Greifswald – Jur.Diss. 11, 12, und 13. – Jur.Fak. 269: Preisaufgaben für Studierende 1838–1878. – Jur.Fak. 302: Konversatorium, Seminar und Bibliothek. – Jur.Fak. 320: Teilnahme von Fakultätsmitgliedern an jur. Staatsprüfung 1847–1901. – Jur.Fak. 336: Gratulationen zu Jubiläum 1850–1891. – Jur.Fak. 338: Ehrenpromotionen 1850–1889. – Jur.Fak. 340: Lektionskatalog-Anfertigung 1846–1858. – Jur.Fak. 361: Spruchsachen 1853. – Jur.Fak. 362: Spruchsachen 1854. – Jur.Fak. 363: Spruchsachen 1855. – Jur.Fak. 365: Jubiläumsfest 1856, Zeitungsberichte. – Jur.Fak. 366: Spruchsachen 1856. – Kurator 181. – PA 443: Personalakte Windscheid. – ST 720: Spruchkollegiumsprotokolle seit 1853. – ST 784: Statuten der juristischen Fakultät vom 24.9.1838. – ST 788: Professorenabgang und -Anstellung 1850–1871. – ST 790: 400jährige Stiftungsfeier 1856. UA Heidelberg – Juristische Fakultät (1870–1874): H-II-111/74 (1872/73). – Personalakte Bernhard v. Windscheid III 3b Nr. 138. – Spruchkollegium 1871–1874: H-II-155/972a. UB Heidelberg – Heid. Hs. 2649(116): Vorlesungsankündigung WS 1880/81. GLA Karlsruhe – 233/33444 (Universität Freiburg, Professoren der juristischen Fakultät 1818–1918). – 235/3117 (Universität Heidelberg, Juristische Fakultät, Stellenbesetzung 1818– 1885). – 76/10089 (Universität Heidelberg, Diener, Bernhard v. Windscheid).
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BA Koblenz – NL 193 v. Sybel Bd. 19 (Entwurf einer „Liste hervorragender Männer“ für – den späteren – Maximilian II. vom 1.6.1858). StadtA Leipzig – Akten zum Ehrenbürgerrecht Windscheids (Januar 1890), ohne Signatur. UB Leipzig – Slg. Tant: Vorlesungsankündigung WS 1888/89. GHA (= Abt. III des HStA) München – NL Maximilian II. 77/6/88. – NL Maximilian II. 78/1/102. – NL Zwehl 87. HStA München – Ordensakten 2202. – Ordensakten 6633. Stadt München – Sammlung Monacensia (Meldezettel und Familienbogen Windscheid). UA München – E II 540:
Personalakte Windscheid.
– L I 46:
Juristenfakultät 1854/55.
– L I 48:
Juristenfakultät 1856/57.
– L I 49:
Juristenfakultät 1857/58.
– L I 53:
Juristenfakultät 1861/62.
– L I 57:
Juristenfakultät 1865/66.
– L I 58:
Juristenfakultät 1866/67.
– L I 59:
Juristenfakultät 1867/68.
– L I 60:
Juristenfakultät 1868/69.
– L I 61:
Juristenfakultät 1869/70.
– L I 62:
Juristenfakultät 1870/71.
– L IV 52:
Verzeichnis der Gutachten des Spruchkollegiums der Juristischen Fakultät 1804–1866.
– L IV 53:
Verpflichtungen der Mitglieder des Spruchkollegiums 1830–1874.
– L IV 60:
Spruchkollegium, Urteile (um 1860).
– L IV 60a: Protokolle des Spruchkollegiums 1851–1869. – L IV 61:
Spruchkollegium, Urteile (um 1863–1865).
– L IV 62:
Spruchkollegium, Urteile (um 1868–1871).
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Literaturverzeichnis c) Private Aufzeichnungen ohne Briefe
GStA PK Berlin I. HA Rep. 92 NL v. Sybel A 1 Bl. 15–24r: „Der Schwanenritter“. StUB Göttingen Braun, Theodor: Aus meinen Erinnerungen an [Gottlieb] Planck 1874–1877, NL Planck G 16 Nr. 5 Bll. 1–16. BA Koblenz Sybel, Heinrich v.: – 1. Autobiographie, ca. 1870, laut Varrentrapp [s. allg. Literatur] S. 4 Fn. 1 von 1877, BA Koblenz N 193 Sybel Nr. 3. – 2. Autobiographie, nach 1878, laut Varrentrapp [s. allg. Literatur] S. 4 Fn. 1 von 1888, BA Koblenz N 193 Sybel Nr. 4. Münster, Familiennachlass Windscheid (Privatbesitz Dr. Trier) Raff, Lene: Meine Erinnerungen an Margarethe Bendixen-Windscheid, Typoskript 12 S., verfasst nach deren Tod am 11.3.1936. Windscheid, Bernhard: – Gedichte: Rom 10.3.1846, Rom 11.3.1846, beide für Luise Burckhardt-His. – Lektüreliste [wohl für Luise Burckhardt-His]. – Redemanuskript für das Bonner Universitätsjubiläum am 2.8.1868. – Stammbuch (ab Johann Wilhelm Windscheids Heirat, 24.6.1776, bis zum Tod von Wilhelm Windscheid (Bernhards Bruder) am 15.4.1891. – Testament vom 13.1.1888/20.10.1889 in einer Abschrift Fritz Bendixens vom 1.11. 1892. – Todesanzeige Bernhard Windscheids, Zeitungsausschnitt. Windscheid, Charlotte („Lotte“, Tochter Bernhards): – Tagebuch Nr. 2 (6.2.1887–25.6.1890). Windscheid, Franz (Bernhards ältester Bruder, 15.12.1813–4.3.1845): – Tagebuch 6.3.1837–8.1.1843, Manuskript und Transkript (Typoskript) von Hans Lesener, irrtümlich Bernhard Windscheid zugeschrieben. Zur Erinnerung an die Feier der Bestattung von Bernhard Windscheid, MS-Druck. d) Briefe aa) Bernhard Windscheids (chronologisch) – an Heinrich v. Sybel am 28./29.11.1839, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 49–51v.
Literaturverzeichnis
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– an Heinrich v. Sybel am 11./13.1.1840, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 52–58v. – an Heinrich v. Sybel am 20./23.4.1840, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 37–40v. – an Heinrich v. Sybel am 26.10.1840, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 35. – an Heinrich v. Sybel am 12./13.4.1841, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 33–34v. – an Heinrich v. Sybel am 14.10.1841, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 31–32r. – an Heinrich v. Sybel am 2.12.1841, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 30r. – an Heinrich v. Sybel am 23.10.1842, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 3 Bl. 28r. – an Heinrich v. Sybel am 11./12./18.10.1843, GStA PK I. HA Rep. 92 v. Sybel B 3 Bl. 24–27. – an Friederike Windscheid (Mutter) am 31.5.1845, Familiennachlass Windscheid. – an Friederike Windscheid (Mutter) am 13./14.6.1845, Familiennachlass Windscheid. – an Friederike Windscheid (Mutter) am 1./2.7.1845, Familiennachlass Windscheid. – an Friederike Windscheid (Mutter) am 18.7.1845, Familiennachlass Windscheid. – an Friederike Windscheid (Mutter) am 9.8.1845, Familiennachlass Windscheid. – an Pauline Kühlwetter (Schwester) am 5./7.9.1845, Familiennachlass Windscheid. – an Friederike Windscheid (Mutter) am 1.10.1845, Familiennachlass Windscheid. – an Friederike Windscheid (Mutter) am 3./7.11.1845, Familiennachlass Windscheid. – an Friederike Windscheid (Mutter) am 4.12.1845, Familiennachlass Windscheid. – an Friederike Windscheid (Mutter) am 20.12.1845, Familiennachlass Windscheid. – an Friederike Windscheid (Mutter) am 13.1.1846, Familiennachlass Windscheid. – an Friederike Windscheid (Mutter) am 22.2.1846, Familiennachlass Windscheid. – an Pauline Kühlwetter (Schwester) am 17.3.1846, Familiennachlass Windscheid. – an Friederike Windscheid (Mutter) am 15.4.1846, Familiennachlass Windscheid. – an Friederike Windscheid (Mutter) am 4.5.1846, Familiennachlass Windscheid. – an Friederike Windscheid (Mutter) am 25.5.1846, Familiennachlass Windscheid. – an Martin Burckhardt-His am 7.6.1846, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 24.6.1846, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 5.7. [irrtüml. datiert: 6.]1846, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 21.7.1846, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 7.8.1846, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 18.8.1846, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 9.9.1846, Familiennachlass Windscheid.
468
Literaturverzeichnis
– an Luise Burckhardt-His am 24.9.1846, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 18.10.1846, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 3.12.1846, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 15.1.1847, Familiennachlass Windscheid. – an Heinrich v. Sybel am 19.3.1847, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 8–9v. – an Luise Burckhardt-His am 3.4.1847, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 23.5.1847, Familiennachlass Windscheid. – an Heinrich v. Sybel am 16.7.1847, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 10–13v. – an Franz Dorotheus Gerlach am 3.8.1847, StA Basel EZA Z 11. – an Luise Burckhardt-His am 7.8.1847, Familiennachlass Windscheid. – an Heinrich v. Sybel am 9.8.1847, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 14 f. – an Franz Dorotheus Gerlach am 26.8.1847, StA Basel EZA Z 11. – an Luise Burckhardt-His am 2.9.1847, Familiennachlass Windscheid. – an Peter Merian am 20.9.1847, StA Basel EZA Z 11. – an Luise Burckhardt-His am 21.9.1847, Familiennachlass Windscheid. – an Martin Burckhardt-His am 9.10.1847, Familiennachlass Windscheid. – an Martin Burckhardt-His am 12.10.1847, Familiennachlass Windscheid. – an Heinrich v. Sybel am 1.1.1848, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 16–18. – an Luise Burckhardt-His am 3.4.1848, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 18.4.1848, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 16.5.1848, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 22.5.1848, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 26.6.1848, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 19.9.1848, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 9.10.1848, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 3.4.1849, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 16.4.1849, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 3.5.1849, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 8.5.1849, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 20./21.5.1849, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 4./5.6.1849, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 17.6.1849, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 30.6.1849, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 12.7.1849, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 5.9.1849, Familiennachlass Windscheid.
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– an Luise Burckhardt-His am 2.10.1849, Familiennachlass Windscheid. – an Alexander Ecker am 9.10.1849, LB Kiel Boie-Voß-NL, Cb 5.59:07. – an Luise Burckhardt-His am 15.10.1849, Familiennachlass Windscheid. – an Alexander Ecker am 24.10.1849, LB Kiel Boie-Voß-NL, Cb. 5.59:07. – an Luise Burckhardt-His am 5./6.11.1849, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 17.11.1849, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 4.12.1849, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 23.12.1849, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 25.12.1849, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 4.1. [1850, irrtüml. datiert 1849], Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 20.1.1850, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 28.1.1850, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 20./21.2.1850, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 11.3.1850, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 30.3.1850, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 7.4. [irrtüml. datiert 3.]1850, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 16.4.1850, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 9.5.1850, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 21.5.1850, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 2.6.1850, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 29.6.1850, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 16.7.1850, Familiennachlass Windscheid. – an Friedrich Carl v. Savigny am 23.10.1850, UB Marburg Ms. 725/1385. – an Friedrich Miescher-His am 15.7.1851, UB Basel NL Fr. Miescher-His B Nr. 6244. – an Heinrich v. Sybel am 24.2.1852, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 19 f. – an Minister v. Raumer am 25.2.1852, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847 (10) B. Windscheid Bl. 112 f. – an Peter Merian [Präsident der Kuratel] am 25.2.1852, StA Basel EZA Z 11. – an Minister v. Raumer am 11.3.1852, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847 (10) B. Windscheid Bl. 114. – an Heinrich v. Sybel am 1.4.1852, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 21. – an Heinrich v. Sybel am 3./10.4.1852, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 36 f. – an Minister v. Raumer am 7.4.1852, GStA PK I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Va Sekt. 7 Tit. IV Nr. 20 Bd. 1 Bl. 301 f.
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– an Dekan Pütter am 11.4.1852, UAG Jur.Fak. 340. – an Friedrich Miescher-His am 31.10.1852, UB Basel NL Fr. Miescher-His B Nr. 6245. – an Andreas Heusler-Ryhiner am 26.12.1852, StA Basel PA 328 E 168, Windscheid, Bernhard. – an Wilhelm Wackernagel am 26.12.1852, StA Basel PA 82 B 16 Windscheid, Bernhard. – an Friedrich Zarncke am 20.1.1853, UB Leipzig NL Zarncke, Windscheid-Briefe Nr. 1. – an Friedrich Miescher-His am 10.10.1853, UB Basel NL Fr. Miescher B Nr. 6246. – an Friedrich Zarncke am 12.4.1854, UB Leipzig NL Zarncke, Windscheid-Briefe Nr. 2. – an Friedrich Zarncke am 17.4.1854, UB Leipzig NL Zarncke, Windscheid-Briefe Nr. 3. – an Rudolf Ihering am 15.11.1854, SBPK-Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 8. – an Andreas Heusler-Ryhiner am 15.1.1855, StA Basel PA 328 E 168, Windscheid, Bernhard. – an Carl Gustav Jung am 19.2.1855, UB Basel NL Jung 7 N 77. – an Theodor Mommsen am 21.7.1856, SBPK, NL Mommsen, Windscheid-Briefe Nr. 1. – an Ludwig Urlichs o. D. [Ende 1856], DArchI Berlin NL Urlichs, Windscheid-Briefe Nr. 1. – an Rudolf Ihering am 24.1.1857, SBPK-Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 9–12. – an Heinrich v. Sybel am 3.2.1857, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 22 f. – an Ludwig Urlichs am 4.2.1857, DArchI Berlin NL Urlichs, Windscheid-Briefe Nr. 2. – an Geheimrat Schultze im Ministerium in Berlin am 12.2.1857, GStA PK I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Va Sekt. 7 Tit.IV Nr. 20 Bd. 2 Bl. 54 f. – an Rudolf Ihering am 13.2.1857, SBPK-Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 13 f. – an Heinrich v. Sybel o. D. [13.2.1857], GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 39 f. – an Ludwig Urlichs am 13.2.1857, DArchI Berlin NL Urlichs, Windscheid-Briefe Nr. 3. – an Heinrich v. Sybel am 3.3.1857, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 24 f. – an Minister v. Raumer am 22.3.1857, GStA PK I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Va Sekt. 7 Tit. V Nr. 20 Bd. 2 Bl. 56.
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– an Andreas Heusler-Ryhiner am 29.3.1857, StA Basel PA 328 E 168 Windscheid, Bernhard. – an Ludwig Urlichs am 19.4.1857, DArchI Berlin NL Urlichs, Windscheid-Briefe Nr. 4. – an Johann Caspar Bluntschli am 6.5.1857, ZB Zürich FA-Bluntschli 19.960-7. – an Johann Caspar Bluntschli am 7.7.1857, ZB Zürich FA-Bluntschli 19.960-8 1/4. – an Rudolf Ihering am 8.8.1857, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 15 f. – an Rudolf Ihering o. D. [zwischen 12. u. 14.8.1857], SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 17. – an Emilie Beseler am 17.12.1857, BA-Fft/M FN 3/3 Bll. 214–216. – an einen Münchner Kollegen [Justus v. Liebig] am 1.2.1858 [irrtüml. datiert 1857], Stadt- u. Landesbibliothek Dortmund Atg.-Nr. 6205. – an Rudolf Ihering am 7.3.1858, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 19 f. – an Rudolf Ihering am 14.6.1858, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 21–23. – an Paul Heyse am 18.7.1858, BSB München Heyse-Archiv VI, Windscheid, Bernhard Nr. 1. – an Paul Heyse am 23.7.1858, BSB München Heyse-Archiv VI, Windscheid, Bernhard Nr. 2. – an Paul Heyse am 4.8.1858, BSB München Heyse-Archiv VI, Windscheid, Bernhard Nr. 3. – an Paul Heyse am 13.8.1858, BSB München Heyse-Archiv VI, Windscheid, Bernhard Nr. 3a. – an Paul Heyse am 16.8.[1858], BSB München Heyse-Archiv VI, Windscheid, Bernhard Nr. 3b. – an den Vater Ferdinand Windscheid am 4.9.1858, Familiennachlass Windscheid. – an den Vater Ferdinand Windscheid am 12.9.1858, Familiennachlass Windscheid. – an Lotte Pochhammer (Verlobte) am 17.9.1858, Familiennachlass Windscheid. – an Lotte Pochhammer (Verlobte) am 19.9.1858, Familiennachlass Windscheid. – an Lotte Pochhammer (Verlobte) am 21.9.1858, Familiennachlass Windscheid. – an Lotte Pochhammer (Verlobte) am 22.9.[1858], Familiennachlass Windscheid. – an Paul Heyse am 23.9.1858, BSB München Heyse-Archiv VI, Windscheid, Bernhard Nr. 4. – an Lotte Pochhammer (Verlobte) am 2.[u. 3.]10.1858, Familiennachlass Windscheid. – an Lotte Pochhammer (Verlobte) o. D. [4.–6.10.1858], Familiennachlass Windscheid. – an Lotte Pochhammer (Verlobte) am 6.[–10.]10.[1858], Familiennachlass Windscheid. – an Lotte Pochhammer (Verlobte) o. D. [11.–14.10.1858], Familiennachlass Windscheid.
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– an Lotte Pochhammer (Verlobte) am 15.10.1858, Familiennachlass Windscheid. – an Lotte Pochhammer (Verlobte) o. D. [16.–18.10.1858], Familiennachlass Windscheid. – an Lotte Pochhammer (Verlobte) o. D. [19.–22.10.1858], Familiennachlass Windscheid. – an Lotte Pochhammer (Verlobte) o. D. [23.–26.10.1858], Familiennachlass Windscheid. – an Lotte Pochhammer (Verlobte) am 27.10.[1858], Familiennachlass Windscheid. – an den Vater Ferdinand Windscheid am 28.10.1858, Familiennachlass Windscheid. – an Lotte Pochhammer (Verlobte) o. D. [29. u. 30.10.1858], Familiennachlass Windscheid. – an Paul Heyse am 31.10.1858, BSB München Heyse-Archiv VI, Windscheid, Bernhard Nr. 5. – an Paul Heyse am 11.11.1858, BSB München Heyse-Archiv VI, Windscheid, Bernhard Nr. 6a. – an Rudolf Ihering am 21.12.1858, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 24 f. – an Rudolf Ihering am 7.1.1859 [irrtüml. datiert 1858], SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 18. – an Rudolf Ihering am 16.3.1859, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 26 f. – an Heinrich Sybel o. D. [kurz vor 18.8.1859], GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 38. – an Rudolf Ihering am 30.8.1859, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 28. – an Ludwig Urlichs am 30.8.1859, DArchI Berlin NL Urlichs Windscheid-Briefe Nr. 5. – an Rudolf Ihering o. D., am 21./22.[12.1859], SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 29–31. – an Andreas Heusler-Ryhiner am 12.1.1860 [irrtüml. datiert 1859], StA Basel PA 328 E 168, Windscheid, Bernhard. – an Georg Beseler am 28.2.1860, BA-Fft/M FN 3/3, Bl. 217. – an Theodor Mommsen am 4.6.1860, SBPK, NL Mommsen Windscheid-Briefe Nr. 2. – an seine Frau Lotte o. D. [7.1860–9.1861], Familiennachlass Windscheid. – an seine Frau Lotte o. D. [Anfang 7.1860], fünf Briefe, Familiennachlass Windscheid. – an Rudolf Ihering am 5.7.1860, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 32 f. – an seine Frau Lotte o. D. [Ende 7.1860], Familiennachlass Windscheid. – an Georg Beseler am 9.8.1860, BA-Fft/M FN 3/3, Bl. 218. – an Georg Beseler am 23.11.1860, BA-Fft/M FN 3/3, Bl. 220.
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– an Rudolf Ihering am 20.12.1860, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 34 f. – an Georg Beseler am 25.12.1860, BA-Fft/M FN 3/3, Bl. 221. – an Rudolf Ihering am 10.3.1861, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 36–38. – an seine Frau Lotte 4 Briefe zwischen 27.3. u. 8.4.1861, der 4. datiert 8.4.1861, Familiennachlass Windscheid. – an seine Frau Lotte am 14.4.1861, Familiennachlass Windscheid. – an seine Frau Lotte am 22.4.1861, Familiennachlass Windscheid. – an Heinrich Kruse am 27.4.1861, HHI Düsseldorf NL Heinrich Kruse. – an Heinrich Sybel am 6.8.1861, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 26. – an Rudolf Ihering am 9.8.1861, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 39 f. – an Johann Caspar Bluntschli am 11.9.1861, ZB Zürich FA-Bluntschli 19.960-6. – an Andreas Heusler-Ryhiner am 14.10.1861, StA Basel PA 328 E 168, Windscheid, Bernhard. – an Heinrich Sybel am 17.10.1861, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bll. 27 f. – an Paul Heyse am 31.10.1861, BSB München Heyse-Archiv VI Windscheid, Bernhard Nr. 6. – an Rudolf Ihering am 1.11.1861, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 41 f. – an Rudolf Ihering am 10.12.1861, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 43–45. – an Heinrich Sybel am 26.12.1861, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bll. 29 f. – an Rudolf Ihering am 7.1.1862, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 48. – an Rudolf Ihering am 16.4.1862, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 49 f. – an den Vater Ferdinand Windscheid am 17.5.1862, Familiennachlass Windscheid. – an Rudolf Ihering am 20.6.1862, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 51 f. – an Paul Heyse am 27.6.1862, BSB München Heyse-Archiv VI Windscheid, Bernhard Nr. 7. – an Paul Heyse am 25.8.1862, BSB München Heyse-Archiv VI Windscheid, Bernhard Nr. 8. – an Georg Beseler am 30.9.1862 [irrtüml. datiert 1860], BA-Fft/M FN 3/3, Bl. 219. – an Heinrich Sybel am 26.10.1862, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bll. 31 f.
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– an Rudolf Ihering am 2.11.1862, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 53 f. – an Rudolf Ihering am 18.11.1862, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 55 f. u. 57–61. – an Rudolf Ihering am 7.1.1863 [irrtüml. datiert 1862], SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 46 f. – an Rudolf Ihering am 25.1.1863, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 62. – an Rudolf Ihering am 17.4.1863, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 63. – an Rudolf Ihering am 27.4.1863, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 64 f. – an Rudolf Ihering am 14.6.1863, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 66 f. – an Rudolf Ihering am 28.6.1863, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 68 f. – an Rudolf Ihering am 8.8.1863, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 70 f. – an Paul Heyse am 11.9.1863, BSB München Heyse-Archiv VI Windscheid, Bernhard Nr. 9. – an Rudolf Ihering am 26.12.1863, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 72 f. – an Johann Caspar Bluntschli am 6.2.1864, ZB Zürich FA-Bluntschli 19.960-5 1/4. – an Rudolf Ihering am 24.2.1864, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 74–76. – an Rudolf Ihering am 29.3.1864, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 77 f. – an Rudolf Ihering am 18.6.1864, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 79 f. – an Rudolf Ihering am 26.8.1864, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 81 f. – an Rudolf Ihering am 14.9.1864, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 83 f. – an Rudolf Ihering am 4.11.1864, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 85. – an Rudolf Ihering o. D. [vor 19.12.1864], SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847 (10) B. Windscheid Bll. 86 f. – an Heinrich Friedberg am 12.3.1866, BA Berlin NL Friedberg Bll. 123 u. 123a. – an seine Frau Lotte 13 Briefe o. D. [zwischen April und Juni 1866], Familiennachlass Windscheid. – an Heinrich Friedberg am 8.7.1866, BA Berlin NL Friedberg Bll. 124 f.
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– an Theodor Mommsen am 16.7.1866, SBPK Berlin NL Mommsen WindscheidBriefe Nr. 4. – an Rudolf Ihering am 6.1.1867 [irrtüml. datiert 1866], SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 88–91. – an seine Frau zwei Briefe o. D., davon einer datiert 15.5. [1867–1870], Familiennachlass Windscheid. – an seine Frau o. D. [Mai/Juni 1867], Familiennachlass Windscheid. – an seine Frau o. D. [nach 6.6.1867], Familiennachlass Windscheid. – an seine Frau o. D. [5.8.1867], Familiennachlass Windscheid. – an seine Frau o. D. [ca. 27.8.1867], Familiennachlass Windscheid. – an Rudolf Ihering am 8.9.1867, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 92 f. – an Robert v. Mohl am 4.12.1867, UB Tübingen Md 813 (980). – an [August Bechmann] am 23.1.1868, UB Greifswald, Windscheid-Briefe Nr. 1. – an Heinrich Friedberg am 23.3.1868, BA Berlin NL Friedberg Bll. 126 f. – an [August Bechmann] am 21.5.1868, UB Greifswald, Windscheid-Briefe Nr. 2. – an Robert v. Mohl am 23.6.1868, UB Tübingen Md 613 (980). – an Heinrich Friedberg am 11.7.1868, BA Berlin NL Friedberg Bll. 131 f. – an seine Frau o. D. [2.8.1868], Familiennachlass Windscheid. – an seine Frau o. D. [3.8.1868], Familiennachlass Windscheid. – an seine Frau o. D. [4.8.1868], Familiennachlass Windscheid. – an seine Frau am 6.8.1868, Familiennachlass Windscheid. – an seine Frau am 7.8.1868, Familiennachlass Windscheid. – an seine Frau o. D. [11.8.1868], Familiennachlass Windscheid. – an Heinrich Sybel am 7.10.1868, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 33. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 17.2.1869, HStA Dresden 11125 Min. d. Kultus u. öff. Unterr. 10198/5 Bll. 100 f. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 9.3.1869, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 15.3.1869, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 18.3.1869, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. – an Johann Caspar Bluntschli am 24.7.1869, ZB Zürich FA-Bluntschli 19.960-4. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 31.7.1869, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 3.8.1869, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. – an seine Frau o. D. [vor 21.9.1869], Familiennachlass Windscheid.
476
Literaturverzeichnis
– an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 17.10.1869, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid – an Theodor Mommsen am 18.10.1869, SBPK Berlin NL Mommsen WindscheidBriefe Nr. 5. – an [Paul Roth] am 9.12.1869, UB Greifswald, Windscheid-Briefe Nr. 3. – an Heinrich Friedberg am 29.5.1870, BA Berlin NL Friedberg Bll. 149 f. – an Karl Adolf v. Vangerow am 11.7.1870, UA Heidelberg Jur. Fak. Bll. 170–173. – an Karl Adolf v. Vangerow am 17.7.1870, GLA Karlsruhe 235/3117 Bll. 338 f. – an Johann Caspar Bluntschli am 20.7.1870, ZB Zürich FA-Bluntschli 19.960-3. – an Julius Jolly am 29.9.1870, UB Heidelberg Hs. 3631,11. – an Theodor Mommsen am 16.12.1870, SBPK Berlin NL Mommsen WindscheidBriefe Nr. 6. – an Karl Halm am 31.1.1871, BSB München Halmiana IX. – an Buch- und Antiquariatshandlung Gebr. Wolff in Heidelberg am 12.3.1871, BSB München Neue Autogr. B. Windscheid 2. Mappe Nr. 5. – an Justus v. Liebig am 23.3.1871, Stadt- und Landesbibliothek Dortmund Atg.Nr. 8881. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber o. D. [vor Ostern 1871], HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. – an seine Frau o. D. [24.9.1871], Familiennachlass Windscheid. – an Theodor Mommsen am 9.12.[1871, wohl fälschlich datiert 1861, da aus Heidelberg], SBPK Berlin NL Mommsen, Windscheid-Briefe Nr. 3. – an Julius Jolly am 31.12.1871, UB Heidelberg Hs. 3631,12. – an Professor Neff am 8.6.1872, SBPK Berlin NL Rieks Akte I, 419. – an Professor Neff am [14.]6.1872, SBPK Berlin NL Rieks Akte I, 418. – an Georg Beseler am 24.6.1872, GStA PK I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Va Sekt. 2 Tit. IV Nr. 45 Bd. 3 Bll. 113 f. – an Julius Jolly am 28.6.1872, UB Heidelberg Hs. 3631,13. – an Andreas Heusler-Sarasin am 27.11.1872, StA Basel PA 329 I 74,20 Windscheid, Bernhard. – an Karl Halm am 1.2.1873, BSB München Autogr. XI Bl. 2. – an Karl Halm am 28.2.1873, BSB München Autogr. XI Bl. 3. – an Robert v. Mohl am 6.3.1873, UB Tübingen Md 613(980). – an Frau v. Liebig am 20.4.1873, BSB München, Liebigiana II D Windscheid, Bernhard. – an Julius Rintelen am 21.7.1873, SBPK Berlin, Windscheid, Bernhard Josef Hubert 141/27. – an seine Frau am 12.[9.1873], Familiennachlass Windscheid. – an seine Frau o. D. [14.9.1873], Familiennachlass Windscheid.
Literaturverzeichnis
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– an Karl Halm am 17.11.1873, BSB München, Neue Autogr. B. Windscheid 2. Mappe Nr. 4. – an Julius Jolly am 18.1.1874, UB Heidelberg Hs. 3631,14. – an Julius Jolly am 11.5.1874, UB Heidelberg Hs. 3631,15. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 11.5.1874, HStA Dresden, 11125 Min. d. Kultus u. öff. Unterr. 10281/313 Bl. 2. – an Julius Jolly am 14.5.1874, UB Heidelberg Hs 3631,16. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 17.5.1874, HStA Dresden, 11125 Min. d. Kultus u. öff. Unterr. 10281/313 Bll. 7–9. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 22.5.1874, HStA Dresden, 11125 Min. d. Kultus u. öff. Unterr. 10281/313 Bll. 12 f. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 16.6.1874, HStA Dresden, 11125 Min. d. Kultus u. öff. Unterr. 10281/313 Bl. 21. – an seine Frau o. D. [zwischen 17.9. u. 29.9.1874], Familiennachlass Windscheid. – an Karl Stieler am 4.10.1874, BSB München Stieleriana II, 1 Windscheid, Bernhard (2). – an Heinrich Kruse am 5.10.1874, HHI Düsseldorf NL Heinrich Kruse. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 31.1.1875, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. – an Heinrich Treitschke am 2.2.1875, SBPK Berlin NL Treitschke, Bernhard Windscheid. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 9.2.1875, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 12.4.1875, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. – an Johann Caspar Bluntschli am 22.4.1875, ZB Zürich FA Bluntschli 19.960-1. – an Paul Heyse am 19.5.1875 [Poststempel], BSB München Heyse-Archiv VI, Windscheid, Bernhard Nr. 10. – an Paul Heyse am 19.8.1875, BSB München Heyse-Archiv VI, Windscheid, Bernhard Nr. 11. – an seine Frau aus Berlin o. D. [Oktober 1875–November 1878], Familiennachlass Windscheid, 3 Briefe. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 1.11.1875, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 27.10.1876, Familiennachlass Windscheid. – an Heinrich Friedberg am 31.12.1876, BA Berlin NL Friedberg Bl. 133. – an Heinrich Kruse am 10.1.1877, HHI Düsseldorf NL Heinrich Kruse. – an Paul Heyse o. D. [15.3.1877], BSB München Heyse-Archiv VI, Windscheid, Bernhard Nr. 12. – an Eduard Lasker am 16.4.1877, BA Berlin NL Lasker (90 La 6) Bll. 1 f. – an Luise Burckhardt-His am 22.5.1877, Familiennachlass Windscheid.
478
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– an Johann Caspar Bluntschli am 23.10.1877, ZB Zürich FA Bluntschli 19.960. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 2.1.1878 [irrtüml. datiert 1877], HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 8.5.1878, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 22.5.1878, Familiennachlass Windscheid. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 14.6.1878, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 22.2.1879, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 19.5.1879, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 6.7.1879, Familiennachlass Windscheid. – an Rudolf Ihering am 6.7.1879, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 94 f. – an Karl Stieler am 20.7.1879, BSB München Stieleriana II, 1 Windscheid, Bernhard. – an Johann Caspar Bluntschli am 1.8.1879, ZB Zürich FA Bluntschli 19.960-2. – an Ignaz Döllinger am 6.10.1879, BSB München Döllingeriana II, Windscheid, Bernhard. – an Heinrich Friedberg o. D. [4.11.1879], BA Berlin NL Friedberg Bl. 134. – an Heinrich Friedberg am 5.11.1879, BA Berlin NL Friedberg Bl. 135. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 12.11.1879, HStA Dresden, 11125 Min. d. Kultus u. öff. Unterr. 10281/313 Bll. 28 f. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 2.12.1879, HStA Dresden, 11125 Min. d. Kultus u. öff. Unterr. 10281/313 Bll. 32 f. – an seine Frau o. D. [2.12.1879–6.1.1880, Weihnachtsferien 1879/80], Familiennachlass Windscheid. – an das Reichsjustizamt am 6.1.1880, HStA Dresden, 11125 Min. d. Kultus u. öff. Unterr. 10281/313 Bll. 60 f (Abschrift). – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 11.1.1880, HStA Dresden, 11125 Min. d. Kultus u.öff. Unterr. 10281/313 Bl. 34. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 22.1.1880, HStA Dresden, 11125 Min. d. Kultus u. öff. Unterr. 10281/313 Bll. 39 f. – an die J. G. Cotta’sche Buchhandlung am 28.1.1880, Schiller-Nationalmuseum Marbach/N. Cotta-Archiv (Stiftung der Stuttgarter Zeitung) 1. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 2.3.1880, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 6.3.1880, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 24.6.1880, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. – an Johann Jakob Bachofen am 4.11.1880, UB Basel NL Bachofen 93 Nr. 281.
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– an Andreas Heusler-Sarasin am 13.12.1880, StA Basel P 329 J 68 Windscheid, Bernhard. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 15.12.1880, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 17.12.1880, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. – an Geheimrat Olshausen im preußischen Kultusministerium am 19.12.1880, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 115 f. – an Geheimrat Olshausen am 24.12.1880, GStA PK I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Va Sekt. 2 Tit. IV Nr. 45 Bd. 4 Bl. 143. – an Karl Friedrich Stähelin o. D. [vor dem 19.2.1881], StA Basel PA 513 I G 4 W. – an Rudolf Ihering am 11.6.1881, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 96 f. – an Karl Friedrich Stähelin am 22.11.1881, StA Basel PA 513 I G 4 W. – an Paul Heyse am 14.1.1882, BSB München Heyse-Archiv VI, Windscheid, Bernhard Nr. 13. – an Luise Burckhardt-His am 19.2.1882, Familiennachlass Windscheid. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 22.2.1882, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. – an Gustav Graef am 18.3.1882, Deutsches Literaturarchiv/Schiller-Nationalmuseum Marbach/N., Bestand Sabine Lepsius, Briefe Dritter 71.784/1. – an Gustav Graef am 30.3.1882, Deutsches Literaturarchiv/Schiller-Nationalmuseum Marbach/N. Bestand Sabine Lepsius, Briefe Dritter 71.784/2. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 31.3.1882, HStA Dresden, 11125 Min. d. Kultus u. öff. Unterr. 10281/313 Bll. 91 f. – an Gustav Graef am 3.4.1882, Deutsches Literaturarchiv/Schiller-Nationalmuseum Marbach/N., Bestand Sabine Lepsius, Briefe Dritter 71.784/3. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber o. D. [7.4.1882], HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. – an Gustav Graef am 20.5.1882, Deutsches Literaturarchiv/Schiller-Nationalmuseum Marbach/N., Bestand Sabine Lepsius, Briefe Dritter 71.784/4. – an Luise Burckhardt-His am 23.5.1882, Familiennachlass Windscheid. – an unbekannt [Lepsius ?] am 15.7.1882, Deutsches Literaturarchiv/Schiller-Nationalmuseum Marbach/N., Bestand Sabine Lepsius, Briefe Dritter 71.784/5. – an unbekannt [Lepsius ?] am 17.10.1882, Deutsches Literaturarchiv/Schiller-Nationalmuseum Marbach/N., Bestand Sabine Lepsius, Briefe Dritter 71.784/6. – an Friedrich Zarncke am 24.10.1882, UB Leipzig NL Zarncke, Briefe Windscheids Nr. 9. – an unbekannten Kollegen in Leipzig am 22.12.1882, BSB München, Neue Autogr. B. Windscheid 2. Mappe Nr. 2. – an Luise Burckhardt-His am 20.5.1883, Familiennachlass Windscheid.
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– an unbekannt [Joseph Kohler] am 26.8.1883, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 2 – an Paul Heyse am 17.10.1883, BSB München Heyse-Archiv VI Windscheid, Bernhard Nr. 14. – an Victor Ehrenberg am 2.1.1884, SBPK Berlin NL Victor Ehrenberg Bl. 1. – an Heinrich Friedberg am 3.2.1884, BA Berlin NL Friedberg Bl. 136. – an Luise Burckhardt-His am 22.5.1884, Familiennachlass Windscheid. – an die Töchter Lotte und Grete am 16.8.1884 [Poststempel], Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 22.12.1884, Familiennachlass Windscheid. – an Friedrich Zarncke am 22.3.1885, UB Leipzig NL Zarncke, Briefe Windscheids Nr. 11. – an Luise Burckhardt-His am 21.5.1885, Familiennachlass Windscheid. – an Friedrich Zarncke am 28.5.1885, UB Leipzig NL Zarncke, Briefe Windscheids Nr. 12. – an Friedrich Zarncke am 18.6.1885, UB Leipzig NL Zarncke, Briefe Windscheids Nr. 13. – an Friedrich Zarncke am 14.7.1885, UB Leipzig NL Zarncke, Briefe Windscheids Nr. 14. – an Friedrich Zarncke am 27.7.1885, UB Leipzig NL Zarncke, Briefe Windscheids Nr. 15. – an Friedrich Zarncke am 30.7.1885, UB Leipzig NL Zarncke, Briefe Windscheids Nr. 16. – an Friedrich Zarncke am 3.8.1885, UB Leipzig NL Zarncke, Briefe Windscheids Nr. 17. – an Friedrich Zarncke am 4.8.1885, UB Leipzig NL Zarncke, Briefe Windscheids Nr. 18. – an Luise Burckhardt-His am 9.8.1885, Familiennachlass Windscheid. – an Friedrich Zarncke am 20.9.1885, UB Leipzig NL Zarncke, Briefe Windscheids Nr. 19. – an Friedrich Zarncke am 13.10.1885, UB Leipzig NL Zarncke, Briefe Windscheids Nr. 20. – an Johann Jakob Bachofen am 17.11.1885, UB Basel NL Bachofen 93 N. 282. – an Andreas Heusler-Sarasin am 29.11.1885, StA Basel PA 329 I 68 Windscheid, Bernhard. – an Andreas Heusler-Sarasin am 26.1.1886, StA Basel PA 329 I 68 Windscheid, Bernhard. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 20.3.1886, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. – an Andreas Heusler-Sarasin am 28.4.1886, StA Basel PA 329 I 68 Windscheid, Bernhard. – an Luise Burckhardt-His am 21.5.1886, Familiennachlass Windscheid.
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– an Gottlieb Planck am 7.10.1886, StUB Göttingen NL Planck G 10 Nr. 80 [Im Text wird Bezug genommen auf einen bei Schubert, Windscheids Briefe an Planck, ZRG (RA) 95 (1978), S. 293–326, 305 f. nicht abgedruckten Teil]. – an Victor Ehrenberg am 12.12.1886, SBPK Berlin NL Victor Ehrenberg Bll. 3 f. – an Paul Heyse am 25.2.1887, BSB München Heyse-Archiv VI, Windscheid, Bernhard Nr. 15. – an Heinrich Friedberg am 25.4.1887, BA Berlin NL Friedberg Bll. 139–141. – an Heinrich Friedberg am 28.4.1887, BA Berlin NL Friedberg Bll. 142 f. – an Heinrich Friedberg am 30.4.1887, BA Berlin NL Friedberg Bl. 144. – an Luise Burckhardt-His am 21.5.1887, Familiennachlass Windscheid. – an Friedrich Zarncke am 13.6.1887, UB Leipzig NL Zarncke, Briefe Windscheids Nr. 21. – an Karl Friedrich Wilhelm Gerber am 29.6.1887, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 5.8.1887, Familiennachlass Windscheid. – an Victor Ehrenberg am 22.9.1887, SBPK Berlin NL Victor Ehrenberg Bll. 5 f. – an Heinrich v. Sybel am 28.9.1887, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 34. – an Wilhelm Neubauer am 13.10.1887, UB Basel Autogr. Slg. Menzel W. – an Eduard Zeller am 4.11.1887, UB Tübingen Md 747 (847). – an Luise Burckhardt-His am 1.1.1888, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 1.3.1888, Familiennachlass Windscheid. – an Andreas Heusler-Sarasin am [20.]3.1888, StA Basel PA 329 I 68 Windscheid, Bernhard. – an Rudolf Ihering am 11.8.1888, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 98 f. – an Heinrich Friedberg am 8.10.1888, BA Berlin NL Friedberg Bll. 145 f u. 128–130. – an Julius C. Friedrich Weizsäcker am 19.12.1888, SBPK Berlin NL Weizsäcker III. – an Prinz Ludwig III. am 25.12.1888, GHA München NL Ludwig III. 232. – an Heinrich v. Sybel am 25.12.1888, GStA PK I. HA Rep. 92 NL v. Sybel B 1 XLIX Bl. 35. – vorgedruckte Danksagung für Glückwünsche zum 50j Doktorjubiläum, datiert 26.12.1888, Stadt- u. Landesbibliothek Dortmund Atg. 14915, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 3 u. 4. – an Schulte am 4.1.1889 [irrtümlich datiert 1888], BSB München Schulteana 12,76 Windscheid, Bernhard. – an unbekannt [Weismann in Greifswald?] am 4.1.1889, UB Greifswald Briefe Windscheids IV. – an juristische Fakultät Greifswald am 7.1.1889, UA Greifswald Jur. Fak. 336. – an juristische Fakultät Göttingen am 8.1.1889, UA Göttingen J 134 Ehrungen, Gratulationen etc. 1882–1899.
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– an Heinrich Friedberg am 28.1.1889, BA Berlin NL Friedberg Bll. 147 f. – an Ignaz Döllinger am 26.2.1889, BSB München Döllingeriana II, Windscheid, Bernhard. – an Victor Ehrenberg am 10.3.1889, SBPK Berlin NL Victor Ehrenberg Bll. 7 f. – an Rudolf Ihering am 9.4.1889, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bll. 100 f. – an Luise Burckhardt-His am 26.5.1889, Familiennachlass Windscheid. – an Fritz Bendixen am 14.7.1889, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 6.8.1889, Familiennachlass Windscheid. – an Fritz Bendixen am 20.8.1889, Familiennachlass Windscheid. – an Heinrich Friedberg am 11.9.1889, BA Berlin NL Friedberg Bl. 149. – an Luise Burckhardt-His am 23.9.1889, Familiennachlass Windscheid. – an Heinrich Friedberg am 25.9.1889, BA Berlin NL Friedberg Bl. 150. – an Friedrich Zarncke am 10.11.1889, UB Leipzig NL Zarncke Briefe Windscheids Nr. 24. – an Fritz Bendixen am 10.12.1889, Familiennachlass Windscheid. – an Stadtverordneten-Kollegium der Stadt Leipzig am 21.1.1890, StadtA Leipzig o. Sign. – an Fritz Bendixen am 21.1.1890, Familiennachlass Windscheid. – an Heinrich Friedberg am 5.5.1890, BA Berlin NL Friedberg Bl. 151. – an Fritz Bendixen am 7.6.1890, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 31.12.1890, Familiennachlass Windscheid. – an seine Frau am 20.3.1891, Familiennachlass Windscheid. – an seine Frau am 25.3.1891, Familiennachlass Windscheid. – an seine Frau am 27.3.1891, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 22.5.1891, Familiennachlass Windscheid. – an Fritz Bendixen am 30.5.1891, Familiennachlass Windscheid. – an Fritz Bendixen am 14.6.1891, Familiennachlass Windscheid. – an Grete Bendixen am 21.6.1891, Familiennachlass Windscheid. – an Fritz Bendixen am 9.8.1891, Familiennachlass Windscheid. – an Fr. Merkel am 4.9.1891, StUB Göttingen 8o Cod. Ms. Philos 187,28 Nr. 120. – an Fritz Bendixen am 29.9.1891, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 11.10.1891, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 12.10.1891, Familiennachlass Windscheid. – an Fritz Bendixen am 7.12.1891, Familiennachlass Windscheid. – an Grete Bendixen am 10.12.[1891], Familiennachlass Windscheid. – an Gottlieb Planck am 10.12.1891, StUB Göttingen NL Planck G 10 Nr. 89 [Im Text wird Bezug genommen auf einen bei Schubert, Windscheids Briefe an Planck, ZRG (RA) 95 (1978) S. 293–326, 305 f. nicht abgedruckten Teil].
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– an Fritz Bendixen am 30.12.1891, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 1.1.1892, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 22.5.1892, Familiennachlass Windscheid. – an Luise Burckhardt-His am 27.6.1892, Familiennachlass Windscheid. – an Rudolf Ihering am 4.8.1892, SBPK Berlin Slg. Darmstaedter 2 h 1847(10) B. Windscheid Bl. 102.
bb) An Bernhard Windscheid (nach Verfasser) Bachofen, Johann Jakob: 22.5.1852, Familiennachlass Windscheid. Bendixen, Fritz: 26.10.1891, Familiennachlass Windscheid. Beseler, Georg: 11.1.1858, BA-Fft/M FN 3/3 Bll. 158/a. – 12.1.1859, BA-Fft/M FN 3/3 Bll. 159/a. – 7.5.1859, BA-Fft/M FN 3/3 Bll. 160/a. – 17.6.1863, BA-Fft/M FN 3/3 Bll. 161/a. Friedberg, Heinrich: 23.10.1854, Familiennachlass Windscheid. Fuchsius, Ferdinand v.: 5.8.1891, Familiennachlass Windscheid, als Anlage zu Windscheids Brief an Fritz Bendixen vom 9.8.1891. Geibel, Emanuel: o. D. [1857–1868], Schleswig-Holsteinische LB Kiel Ca-Autographen: Geibel, E., Abschrift im Archiv der Hansestadt Lübeck, Geibel-Nachlass 2, 37. Gerber, Karl Friedrich Wilhelm: 14.2.1869, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid (Konzept). – 8.5.1874, HStA Dresden, 11125 Min. d. Kultus u. öff. Unterr. 10281/313 Bl. 1 (Konzept). – 13.5.1874, HStA Dresden, 11125 Min. d. Kultus u. öff. Unterr. 10281/313 Bll. 3–6. – 19.5.1874, HStA Dresden, 11125 Min. d. Kultus u. öff. Unterr. 10281/313 Bll. 10 f. – 24.5.1874, HStA Dresden, 11125 Min. d. Kultus u. öff. Unterr. 10281/313 Bll. 14 f. – 17.6.1874, HStA Dresden, 11125 Min. d. Kultus u. öff. Unterr. 10281/313 Bll. 22 f. – 11.6.1878, HStA Dresden, 11125 Min. d. Kultus u. öff. Unterr. 10281/313 Bl. 25. – 26.11.1879, HStA Dresden, 11125 Min. d. Kultus u. öff. Unterr. 10281/313 Bll. 30 f. – 23.1.1880, HStA Dresden, 11125 Min. d. Kultus u. öff. Unterr. 10281/313 Bll. 41 f u. 59. – 29.1.1880, HStA Dresden, 11125 Min. d. Kultus u. öff. Unterr. 10281/313 Bll. 51 f. – 10.2.1880, HStA Dresden, 11125 Min. d. Kultus u. öff. Unterr. 10281/313 Bl. 62. – 26.6.1880, HStA Dresden, 11125 Min. d. Kultus u. öff. Unterr. 10281/313 Bll. 69 f. – 16.12.1880, HStA Dresden NL Gerber 326 Windscheid [auf Brief Windscheids vom 15.12. ebd.].
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Personenverzeichnis Accursius 33, 37, 41 Adalbert, Prinz von Preußen 191 Adickes, Franz 163 African 105–106 Afzelius, Ivar 323 Albrecht, Georg 377 Albrecht, Wilhelm Eduard 271, 347 Anschütz, August 124, 194, 196, 340 Arndt, Ernst Moritz 57 Arndts, Karl Ludwig 57, 75, 161, 252, 257, 278, 310–311, 313–316, 322 Arnim-Boitzenburg, Adolf Heinrich von 191 Augustus 69 Bachofen, Johann Jakob 41, 107, 128– 129, 136–138, 148, 356, 416 Bähr, Otto 32, 161, 217, 271, 287–288, 385–390 Ballot, Charles 123 Bardeleben, Heinrich Adolf von 189 Barkow, August Friedrich 180, 182, 188, 199 Baron, Julius 161, 232, 272, 311, 322– 323 Bartin, Etienne 126 Bartolus 41 Bastian, Adolf 41 Bauerband, Johann Joseph 84, 93, 95, 122 Baumstark, Eduard 371 Bayer, Hieronymus von 256, 260–261 Bechmann, August 161, 278 Bekker, Ernst Immanuel 22, 27–28, 41, 163, 194, 199, 222, 225, 232, 240, 242, 259, 326, 344, 398, 404, 413, 417, 427 Bendemann, Anton Heinrich und Fanny 64
Bendixen, Fritz 17, 351, 377–378 Bensa, Paolo Emilio 322 Berchtold, Josef 260 Beseler, Emilie 189 Beseler, Georg 128, 176, 179, 182–184, 188–190, 192–194, 196–197, 200, 209, 212, 228, 263–265, 269, 271, 273, 279, 284, 295, 307, 310, 337–338, 356, 415, 417, 444 Beseler, Lisbeth (Elisabeth) 189 Beseler, Wilhelm 337 Bethmann-Hollweg, Moritz August von 57–58, 66–68, 79, 82, 84, 93–95, 98– 100, 121–122, 273 Biedermann, Alois Emanuel 99 Bilabel, Heinrich August 333 Binding, (Georg Christoph ?) 103–104 Binding, Karl 342, 347, 353, 361–362, 371, 381 Binkau, Karl Theodor 433 Bischoff, Theodor von 268 Bismarck, Otto von 316, 337–338, 375, 439–440 Blum, Robert 435 Blume, Friedrich 82 Bluntschli, Johann Caspar 212, 252, 256, 259–260, 266–267, 272, 282, 285, 295, 323–324, 329–331, 335–336, 345, 356 Böcking, Eduard 57–59, 64, 66–68, 79– 84, 128, 130, 191, 230, 271, 300, 311– 312 Bodenstedt, Friedrich 251 Bolgiano, Karl 256 Bolze, Albert 242 Bonfante, Pietro 322 Brackenhoeft, Theodor 216, 225 Brater, Karl 268
Personenverzeichnis
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Brauer, Wilhelm 123 Bremer, Franz 337 Brentano, Lujo 258, 359 Brinz, Alois 29, 38, 75, 148, 194, 198, 210–211, 252, 272, 282, 310, 322, 344, 365, 443 Brömmel, Friedrich 141 Bruch, Carl 141 Brüggemann, Theodor 52 Brühl, ? 333 Brunner, Heinrich 337 Brunnow, Otto 289 Bruns, Karl Georg 196, 272–274, 344, 359, 362, 364–365 Bucher, Eugen 243 Buchka, Hermann Friedrich Ludwig Rudolf von 128, 177–178 Budde, Johann Friedrich 85, 87 Buhl, Heinrich 162, 398 Bülow, Oskar 289, 330, 335, 341, 369 Burchhardi, (Georg Christian ?) 272 Burckhardt, Emanuel 135 Burckhardt, Jacob 139 Burckhardt, Johann Jakob 89 Burckhardt, Martin 89–90, 147, 336 Burckhardt-Brenner, Hans 134 Burckhardt-Burckhardt, Carl 134 Burckhardt-Fürstenberger, Emanuel 132, 134, 136, 148 Burckhardt-His, Luise 89–92, 131, 137, 140–141, 143, 262, 264, 269, 356 Burckhardt-Iselin, Carl 134
Dahlmann, Friedrich Christoph 92 Dahn, Felix 257 Daniels, Alexander von 94, 96, 122 Danz, Erich 392–394 Danz, Heinrich Aemilius August 274 De Boor, Hans Otto 242 De Wet, Johannes Christiaan 323 De Wette, Wilhelm Martin Leberecht 141 Degenkolb, Heinrich 381 Deiters, Peter Franz 57, 67–69, 79 Delbrück, Berthold 190, 194–195, 208– 209, 212, 217–218, 221, 271, 277, 423 Demante, Antoine-Marie 115 Demelius, Gustav 195 Dernburg, Heinrich 28, 41, 75, 236, 270, 282, 310–311, 315–323, 338–339, 364, 400, 443 Deurer, Ernst Ferdinand Friedrich Wilhelm 279 Dietzel, Gustav 195 Diez, Friedrich Christian 58 Diokletian 112 Döllinger, Ignaz von 260, 331, 357 Dollmann, Karl Friedrich 256, 261 Donellus, Hugo 70, 156 Dove, Richard Wilhelm 24, 28, 315 Dreyer, Karl Heinrich 28 Droste zu Vischering, Clemens August 428 Duranton, Alexandre 115 Dworzak, Joseph Franz 216, 225 Dyckershoff, Bernhardine 48 Dyckershoff, Lea 48
Calker, Friedrich van 58 Chambon, Eduard Egmont Joseph 128 Christiansen, Johannes 128 Christiansen, Karl 128 Claudius 69 Claus, Bruno 85, 88, 99, 269 Conrat, Max 335 Crome, Carl 125, 127 Czyhlarz, Karl Ritter von 111
Eck, Ernst 24, 26, 28, 38, 338, 365 Ecker, Alexander 137, 141 Ehrenberg, Victor 378, 381 Eichhorn, Karl Friedrich 61, 93, 95–98, 100, 108, 122, 307, 429 Ellero, Pietro 296 Endemann, Wilhelm 293 Enneccerus, Ludwig 174, 423 Erbling, ? 272 Erxleben, Albrecht 161
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Personenverzeichnis
Fadda, Carlo 322 Falk, Adalbert 338 Falk, Ulrich 43, 299, 445 Feilitzsch, Ottokar von 189 Feuerbach, Paul Johann Anselm 23 Fichte, Immanuel Hermann 53 Fichte, Johann Gottlieb 53, 61 Fischer, Friedrich 141 Fischer, Hans Albrecht 207 Fischer, Kuno 327 Fischer, Otto 233, 241 Fitting, Hermann 173–175, 196, 272, 274, 292, 340, 359, 371, 411, 424 Fontane, Theodor 268 Förster, Franz 161 Francke, Wilhelm Franz Gottfried 340 Friedberg, Emil 272, 347, 362, 381 Friedberg, Heinrich 179, 189–191, 194, 262, 264, 269, 273, 281, 356–357, 363, 440 Friedrich August Herzog zu Sachsen 369 Friedrich Wilhelm III. 56 Friedrich Wilhelm IV. 97, 99, 184, 190 Friedrich, Kronprinz 263 Fuchsius, Auguste von siehe Windscheid, Auguste Fuchsius, Engelbert von 145, 264 Fuchsius, Ferdinand von 45 Gagern, Heinrich von 435 Gans, Eduard 62–64, 430, 434 Gärtner, Gustav Friedrich 66–68, 80, 430 Geibel, Emanuel 251, 264, 266, 268 Gengler, Heinrich Gottfried 334 Gerber, Hermann 288 Gerber, Karl Friedrich Wilhelm 27, 193, 258, 270, 274–275, 308, 310, 325, 342– 343, 347, 360, 362–364, 367, 371, 417 Gerlach, Franz Dorotheus 128, 132, 139, 141, 178 Gervinus, Georg Gottfried, und Viktoria geb. Schelver 189
Gesser, Maria Anna Sibylla Johanna Josefa siehe Windscheid, Maria Anna Sibylla Johanna Josefa Gide, Paul 392 Gierke, Otto von 41, 241 Giesebrecht, Wilhelm (von) 268 Giger, Hans 208 Gildemeister, Johannes 85, 428 Girtanner, Wilhelm 75, 194, 289–290 Glück, Christian Friedrich von 302 Gneist, Rudolf von 272–273, 415 Goethe, Johann Wolfgang von 430 Goldschmidt, Levin 183, 339, 382 Goldschmidt, Ludwig (Louis) 380 Göppert, Heinrich Robert 111 Göschen, Otto 62, 64 Grabbe, Christian Dietrich 51 Gradenwitz, Otto 163 Graef, Gustav 368 Graefe, H. 377 Graefe, Maria 377 Grimm, Julius 135, 148 Groskopff, Gerhard Christian 288 Häberlin, Carl 179 Haenisch, F. S. K. 182 Hagemann, ? 53, 428 Halm, Karl 283, 327, 336 Hälschner, Hugo 94 Hamza, Gábor 322 Hänel, Gustav 347 Hartmann, Gustav 199, 382 Hasenbalg, H. 75 Hasenclever, Richard 60, 78, 86, 334 Hecker, Friedrich 435 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 61, 419, 430 Heimlicher, Johann Jakob 135 Heimsoeth, Friedrich 85–86, 99, 269 Heise, Georg Arnold 324 Heitz, August Christoph 142 Hellfeld, Johann August 70 Helmholtz, Hermann von 41
Personenverzeichnis Hengstenberg, Ernst Wilhelm 61 Hensel, Wilhelm und Fanny 64 Hesse, Chr. August 161 Heusler, Andreas 356 Heusler, Andreas jun. 195 Heusler-Ryhiner, Andreas 135, 142, 188, 192, 267 Heusler-Sarasin, Andreas 134, 192, 335 Heyse, Grete 254 Heyse, Paul 251, 254, 263–266, 268, 275, 277, 336, 356, 378, 438 Hingst, Sybrand J. 295 Hipp, Ernst 164 His, Eduard 142 His, Fritz 142 His, Wilhelm 353 Höck, Hermann 358 Hofmann, Franz 278 Hohner, Georg 207–208 Hölder, Eduard 236, 381, 385 Holtzmann, Heinrich Julius 344 Homeyer, Carl Gustav 63 Hüllmann, Karl Dietrich 58 Humboldt, Wilhelm von 176 Ihering, Friedrich von 351 Ihering, Helene 378 Ihering, Rudolf von 17, 27, 33–35, 38– 41, 128, 165, 183, 190, 193–194, 197, 199, 201, 203–205, 208, 223, 228, 231, 233, 237, 252, 263–267, 269–273, 275, 278–282, 288, 293, 313, 323, 326–327, 330, 335–339, 341–342, 344, 346, 348, 355–358, 374, 378–379, 382, 384, 389, 424, 437, 440, 443 Immermann, Karl Leberecht 50–52, 77– 78, 86, 191 Immermann, Marianne 52, 86, 91, 94 Jahnel, Rosemarie 79 Jolly, Julius 257, 267, 271, 281–282, 323, 325, 330–331, 337, 342–344, 371 Jolly, Philipp 266, 282, 356, 366 Jung, Carl Gustav 141 Justinian 69, 72–73, 112, 221, 307
527
Kaden, Hans-Erich 76 Karl Theodor 47 Karlowa, Otto 326, 328 Kees, Christian Friedrich 358, 382 Keller, Augustin 332 Keller, Friedrich Ludwig von 273 Kierulff, Johann Friedrich Martin 211 Kinkel, Gottfried 86 Kinkel, Johanna 86 Kipp, Theodor 238, 322–323, 379 Klein, Felix 373 Kneip, Karl Friedrich Ferdinand 290 Knies, Carl 329 Knoodt, Peter 333–334 Kobell, Franz von 266, 276 Koeppen siehe Köppen Kohler, Josef 21, 25–26, 28, 36, 38, 41, 75, 126, 315, 379 Köppen, Karl Christian Friedrich Albert 111, 199, 272, 337 Kortüm, Karl Wilhelm 52, 64 Kruse, Heinrich 350, 354 Kugler, Bernhard 266 Kugler, Hans 266 Kugler, Klara 264, 266 Kühlwetter, Eduard 88, 334 Kühlwetter, Pauline siehe Windscheid, Pauline Kunstmann, Friedrich 256 Kuntze, Johannes Emil 22, 24, 26, 29, 34–35, 40, 203–206, 210–216, 229– 230, 314, 341, 353, 369, 411, 423–424 Lamprecht, Karl 350 Landsberg, Ernst 18, 20, 22, 24–26, 28– 29, 31, 33–34, 36, 38–41 Larenz, Karl 405 Lasker, Eduard 339, 354 Laufs, Adolf 298 Lauhn, Bernhard Friedrich Rudolph 359, 382 Lehwald, Fanny 90
528
Personenverzeichnis
Leist, Burkhard Wilhelm 128, 138, 292– 293, 307 Lenel, Otto 163–164, 166, 372, 394–398, 401–405 Leonhard, Rudolf 22, 24, 34–35, 38, 40, 162 Lesener, Hans 77 Lette, Wilhelm Adolf 437 Liebig, Justus von 268, 277, 336 Llewellyn, Karl Nickerson 407 Lotmar, Philipp 162 Ludwig, Richard 373 Ludwig I. 251, 434 Ludwig II. von Bayern 275 Ludwig III. (bayr. König) 254, 374 Luig, Klaus 217 Maaßen, Karl Georg 49 Madai, Otto Karl von 103, 137 Mandry, Gustav v. 374 Maroi, Fulvio 322 Marstaller 88 Martin, Christoph Reinhardt Dietrich 324 Martius, Karl 276 Maurenbrecher, Romeo 57, 79, 83 Maurer, Konrad (von) 256 Maximilian II. 251, 254 Maximilian von Sachsen 369 Medicus, Dieter 75–76, 248 Mendelssohn, Familie 64 Mendelssohn-Bartholdy, Felix 51 Merian, Peter 148 Mertens-Schaaffhausen, Sibylle 86 Miescher, Antonie 142, 263 Miescher, Friedrich 142, 188 Miescher-His, Antonie 269 Mittermaier, Karl Joseph Anton 57, 324 Mohl, Robert von 261–262, 324, 335 Mommsen, Friedrich 41, 194, 196, 218, 244–251, 288, 413, 428
Mommsen, Theodor 191, 197, 267, 271, 336, 371 Montez, Lola 434 Mühlenbruch, Christian Friedrich 208, 213, 226 Mühler, Heinrich von 337 Müller, Karl Otto 177, 372, 391 Müllereisert 236 Muther, Theodor 195, 197, 200, 215– 216, 225–231, 233, 235, 314, 413, 418, 423–424 Neubauer, Wilhelm Konrad 358, 368 Neuner, (C. ?) 272 Neuner, Georg Karl 191 Nicolovius, Alfred Georg 130 Niebuhr, Barthold Georg 57 Niemeyer, Franz Anton 180, 184, 188 Ober, Jürgen 299, 308 Oertmann, Paul 18, 20, 22–25, 27, 30, 41, 58, 63, 81, 258, 339, 372, 378, 404–405 Osterloh, Ernst Robert 365 Otto (bayr. Prinz) 254 Pachmann, Semen Vikentevich 323 Padeletti, Guido 296 Paepke, Johann Carl Gottfried 189 Pagenstecher, Ernst 195, 201, 326 Pape, C. 104 Pape, Heinrich Eduard von 363, 365–366 Pegert, Ernst 292 Pernice, Alfred 199, 206–207, 365 Perthes, Clemens 57 Pfersche, Emil 163, 427 Pierson, Allard 345 Piper, Otto 257 Planck, Gottlieb 368, 372, 374 Planck, Johann Julius Wilhelm 128, 191, 194, 261, 267, 271, 282, 347 Planck, Wilhelm 369 Pochhammer, Auguste 255, 355
Personenverzeichnis Pochhammer, Charlotte siehe Windscheid, Charlotte Pochhammer, Georg Theodor Adolf 255 Polignani, Giuseppe 296 Polygenes, Konstantinos E. 322 Pothier, Robert-Joseph 120, 150 Pözl, Joseph 256, 260, 267, 274, 277, 438 Prantl, Karl von 348 Puchelt, Sigismund 124 Puchta, Georg Friedrich 35, 40, 70, 73, 131, 201, 230, 273, 278, 295, 310, 313, 322, 412, 442 Puggé, Eduard 57–58 Pütter, Karl Theodor 179, 188 Quistorp, Joachim Friedrich Bernhard 189, 194 Ranke, Leopold von 61–62 Raumer, Karl Otto von 148, 176 Regelsberger, Ferdinand 291, 374, 385– 386 Rehfues, Philipp Joseph 56–57, 76, 79 Reinkens, Joseph Hubert 333 Renaud, Achilles 125, 327, 329–330, 336, 340, 345, 359 Reyscher, August Ludwig 307 Rieks, Johannes Franz 334–335 Rintelen, Julius 327 Ritschl, Albrecht 99, 130, 263, 335, 355 Ritschl, Friedrich Wilhelm 85 Rivier, Alphonse 24, 34 Roestell, Friedrich Wilhelm 62 Roever, Wilhelm 385–387 Roggenbach, Franz von 337 Roscher, Georg Friedrich Wilhelm 373 Rosshirt, Konrad Eugen Franz 123 Roth, Paul 260–261, 276, 278, 310 Rudorff, Adolf Friedrich 62, 64, 161, 178, 338 Rümelin, Max 18, 23–24, 31, 36, 39, 41
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Salkowski, Karl 279 Samwer, Karl 350 Sandhaas, Georg 196 Savigny, Friedrich Carl von 24, 33, 39– 41, 57, 61–62, 64, 94–95, 100–104, 110, 114, 122, 139, 147, 151, 166, 196, 201, 205, 223, 226, 230, 262, 271, 273, 284, 295, 313, 322–323, 348–349, 357–358, 361–362, 412, 415, 421, 432, 442 Schadow, Wilhelm von 50 Schall, Richard 385–387 Schanbacher, Dietmar 107 Schanze, Erich 242 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 61 Schelling, Hermann Ludwig von 363 Schenkel, Daniel 329, 345 Scheurl, Christoph Gottlieb Adolf von 201–202, 257, 326 Schiemann, Gottfried 174–175, 423 Schiller, Friedrich 430 Schirmer, Johann Theodor 201 Schlegel, August Wilhelm von 57–58 Schleiermacher, Friedrich 61, 98 Schlesinger, Rudolf 287 Schlossmann, Siegmund 385–387 Schmid, Albert 107 Schmidt, (?) 128 Schmidt (Ilmenau) siehe Schmidt, Carl Adolf Schmidt, Carl Adolf 137, 180, 274, 276, 282, 341, 343, 350, 353, 359, 369, 374 Schmidt, Karsten 208 Schmidt, Richard 42 Schnaase, Karl 50 Schnell, Johannes 132, 134, 139 Schönbein, Christian Friedrich 141 Schröder, Jan 23, 26–28, 40, 43 Schulte, Johann Friedrich von 374 Schultze, auch Schulze, Johannes Karl Hartwig 199 Schütz, Karl August von 49 Schwerin, Maximilian Graf von 437 Sell, Carl 82–84, 100, 168
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Personenverzeichnis
Sell, Wilhelm 84, 100 Serafini, Filippo 295–296 Servaes, Auguste 48 Servaes, Franz Joseph 69 Servaes, Marie Francisca Friederike siehe Windscheid, Marie Francisca Friederike Seuffert, Ernst August von 256, 260, 303 Seuffert, Johann Adam von 303 Seydewitz, Paul v. 360 Siebold, Carl von 268 Siegel, Heinrich 261 Simshäuser, Wilhelm 405 Simson, Eduard 190 Sintenis, Karl Friedrich Ferdinand 101– 102 Sohm, Rudolph 337, 369, 381 Springer, Anton 337 Stähelin, Karl Friedrich 354 Stahl, Friedrich Julius 61 Stammler, Rudolf 381 Stehlin, Carl Rudolf 134 Stieler, Karl 350 Stintzing, Roderich 199, 274, 340–341 Stobbe, Otto 285, 310, 342, 347, 353– 354, 361–362, 378 Sybel, Amalie von 51 Sybel, Heinrich Philipp Ferdinand von 51 Sybel, Heinrich von 51, 53–54, 60, 62, 64, 77–78, 85–86, 99, 140, 148, 198, 251–253, 263–264, 266–267, 271–272, 336, 356, 374, 378, 428, 438 Thibaut, Anton Friedrich Justus 70–73, 100–102, 324–325, 409, 415 Thile, Ludwig Gustav von 97 Thöl, Johann Heinrich 193, 291, 392 Treitschke, Heinrich von 335, 356, 371 Ubbelohde, August 230, 272 Üchtritz, Friedrich von 50 Ulpian 70, 82, 102
Unger, Joseph 161, 205–207, 294, 339, 390 Unterholzner, Karl August Dominik 101–102 Urlichs, Karl Ludwig 85, 99, 189, 191, 198, 269, 371 Vangerow, Karl Adolph 39, 74–75, 101, 137, 139, 212, 272–273, 279, 281, 310, 318, 322–326, 340, 382, 442 Vering, Friedrich Heinrich 326 Vischer, Wilhelm 138 Vischer-Merian, Karl 142, 262, 264, 269, 336, 356 Vogt, Heinrich 75 Vogt, Karl August Traugott 189 Voigt, Moritz 165–166, 427 Wach, Adolf 235, 347, 352–353, 362, 381 Wächter, Karl Georg von 168, 190, 260, 271, 273, 275–276, 294, 341–343, 345, 347, 359, 361–362, 373, 382, 417, 444 Wacke, Andreas 107 Wackernagel, Wilhelm 139, 141 Wahl, Eduard 298 Walter, Ferdinand 57–58, 66–68, 77, 79, 82 Walther, Friedrich 256 Warnstedt, Adolf Eduard von 342 Weech, Friedrich von 340 Weizsäcker, Julius Friedrich C. 374 Welcker, Carl Theodor 57 Welcker, Friedrich Gottlieb 58 Wendt, Otto 164, 427 Wentzel, August 437 Wetzell, Georg Wilhelm 177–178 Wieacker, Franz 20–21, 23, 26–28, 34, 39, 42–43 Wieland, Carl 134 Wilbrandt, Adolf 266 Wilders, Louise 268 Wilhelm I. 440 Windscheid, Albert 355
Personenverzeichnis Windscheid, Auguste 145 Windscheid, Charlotte 255, 263–264, 276, 339, 354–355, 375, 378, 431 Windscheid, Emmi 377 Windscheid, Eugen 48, 50, 264, 355 Windscheid, Ferdinand Joseph Hubert 45–49, 69, 191, 263–264 Windscheid, Ferdinand jun. 50 Windscheid, Franz 50, 55, 60, 77, 79, 88, 264, 269, 354, 366, 376–377, 430 Windscheid, Gustav 355 Windscheid, Hermann 192 Windscheid, Johann Wilhelm 45, 49 Windscheid, Karl 49–50 Windscheid, Katharina siehe Windscheid, Käthe Windscheid, Käthe 18, 24, 264, 354, 376, 378 Windscheid, Lotte (Tochter) 264, 354 Windscheid, Margarete 17, 264, 354, 377 Windscheid, Maria (Schwester) 99, 145, 378 Windscheid, Maria Anna Sibylla Johanna Josefa 46 Windscheid, Marie Francisca Friederike 45, 47, 88, 99, 145, 176 Windscheid, Marie geb. Wetschky 145 Windscheid, Otto 50
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Windscheid, Pauline 88–89 Windscheid, Wilhelm 49, 145, 378 Windscheiff, Thomas 45 Wirth, Johann Ulrich(?) 195 Witte, Hermann 161, 166, 287, 382, 398 Wolf, Erik 21–23, 26–28, 37, 39, 42–43, 133, 143–144, 146, 148 Wolff, Christian 40 Wolff, Guido 94 Wolff, Guido und Marianne 191 Wolff, Marianne siehe Immermann Marianne Wulfert, Friedrich 28 Wüllner, Franz 48, 52 Wunderlich, Agathon 128, 191 Zarncke, Friedrich 371, 378 Zenger, Franz Xaver 256–257, 282 Ziebarth, Karl 272 Zielonacki, Jozéfat von 195 Zimmermann, Ernst 148–149, 163, 166, 191, 230, 382, 427 Zirndorfer, Paul 42 Zitelmann, Ernst 207, 381 Zöpfl, Heinrich 261, 345 Zwehl, Theodor von 253
Sachverzeichnis Abitur 54 Abstraktion 292 Abtretung 27, 195, 411, 423 Achtung vor den Dingen 430 actio 26, 217, 223–224, 230, 233, 236– 237, 240, 243, 304, 312, 314, 319, 413–414, 418, 422, 424 – ad exhibendum 102 – als Anspruch 213, 215 – Anspruch 218–219, 221, 313–314 – aquae pluviae arcendae 426 – bonae fidei 219, 243 – conducti 156 – de dolo 156, 309 – directa 215–216 – dupli 103 – empti 156, 384 – Forderung 218 – Forderungsrecht 214 – Gericht 221 – in personam 219 – in rem 157, 219 – iudicati 222 – Klage 220 – Klagerecht 223, 226, 312, 314 – legis aquiliae 249 – locati 156 – negatoria 227, 229, 426 – öffentlich-rechtlicher Anspruch 226 – pignoraticia utilis 106 – praescriptis verbis 120, 158, 160, 162, 406, 415 – preiudicalis 234 – Publiciana 106, 188 – rechtlich anerkannter Anspruch 224 – Rechtsanspruch 229 – Rechtshängigkeit 221
– stricti iudicii 219 – stricti iuris 243 – und Gericht 235 – und ius 213 – und Prätor 232 – und Prozess 226, 232 – und Recht 225, 228, 231 – und Urteil 222 – und Verjährung 222 – utilis 107, 213, 215, 223, 314, 423 – utilis des Zedenten 212 – utilis des Zessionars 210, 216 – venditi 156 Actio (Monographie) 25–27, 187, 193, 197, 218–219, 229, 237–238, 243, 285–286, 413, 422 action en nullité ou en rescision 115–118 action en nullité ou en restitution siehe action en restitution action en restitution 116 action tendant à faire déclarer nul un contrat 116, 118 Adel, persönlicher 275, 325, 343 adiren 418 Advokat-Anwalt 50 akademischer Lehrer 81 aktionenrechtliches Denken 225, 231, 240, 243 Aktionensystem 417 allgemeine Vertragsbedingungen 388 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB), Art. 876 390 Allgemeines Landrecht 316 Altkatholiken 17, 22, 332–333 Altkatholikenkongress – erster 332 – zweiter 333
Sachverzeichnis – dritter 334 – vierter 335 altkatholische Bewegung 331, 433 altkatholische Gemeinde (Heidelberg) 334 altkatholische Landesdelegiertenversammlung 333 altkatholische Landesversammlung 332 altkatholisches Komitee Heidelberg 332 Analogieschlüsse 384 Anfechtbarkeit im Code Napoléon 115, 117, 125 Anfechtung im Code Napoléon 113 animus – donandi 70–72 – intercendendi 75 – possidendi siehe Besitzwille – solvendi 70 Anspruch 26–27, 209, 219, 224, 226– 227, 231–232, 234, 237, 241–243, 293, 301, 304, 308–309, 319, 413–414, 418, 422–424 – dinglicher 238 – im Prozessrecht 233 – petitio 233 – systematischer Ort 220 – und Alltagssprache 235 – und iudex 232 – und Prozess 239 – und Rechtshängigkeit 222 – und subjektives Recht 236 – und Verjährung 222 – und Willenstheorie 237 – verhaltener 240 – § 154 Abs. 1 BGB-E 1888 233 – § 194 Abs. 1 BGB 233 Anweisung 291 Anweisungsverhältnis 391 – und mögliche Mängel 392 Arbeitsethos 432 Arbeitsvertrag 247 Archiv für die civilistische Praxis 340, 359
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Archivio giuridico 296 Assessor 93–94 Assessorexamen 65 Aufopferung 387–388 Aufstand in Baden 436 Auskultator 76 Auskultatoren-Examen 61, 64, 94 Auslegung 410, 419 Auslegung (des C. N.) – historisches Argument 118–119 – Wortlautargument 118 Auslegungsregeln 391 Auslobung 291 Basel 90, 128, 154, 178, 188, 193, 269, 283, 411, 414, 416, 418 – allgemeine Verhältnisse 131 – am Fischmarkt 130 – am Schlüsselberg 130 – Antrittsrede 131 – Basler Zeitung 142 – Berufung 130 – Dekan 135 – deutsche Gesellschaft 140 – Erziehungskollegium 130, 149 – französisches Zivilrecht 146 – gesellschaftliches Leben 143 – historische Gesellschaft 140 – juristische Fakultät 132, 134, 147 – Kleiner Rat 130, 149 – Kuratel 148–149 – Regenz 131, 133 – Universität 100, 128, 131, 136 – Universitätsjubiläum 262 – Universitätskuratel 130 Basler Festungsbauwerke 270 Bedingung 25, 107, 120, 153–157, 159– 160, 162, 165–166, 172, 197, 319, 396–397, 399–400, 402–403, 409, 411, 415, 418, 421, 427 – auflösende 169, 173 – Aufsatz 1851 147 – aufschiebende 167–168, 172
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Sachverzeichnis
– Potestativbedingung, Aufsatz 1852 147 – potestative 170 – Rückziehung 173 – Vorwirkung 173 Begriff 23, 26–27, 34–37, 39, 41, 43, 67, 69–70, 102, 115, 122, 125, 156, 165, 174, 203–204, 206, 224, 231, 238, 285, 293, 295, 301, 303, 312, 349, 391, 409, 416, 418, 422–424, 426 – der Interzession 70 – deutscher 418 – Rechtsbegriff 229 – und Eigenleben 424 – und Wirklichkeit 291 Begriffsjurisprudenz 23, 35, 37, 41, 165 Begriffsjurist 42 Begriffspyramide 187, 301 Berchtesgaden 265 Bereicherung, ungerechtfertigte 382–383 Bereicherungsanspruch und Motiv 395 Bereicherungsklagen 287 Bereicherungsrecht 165, 396 Bereicherungsrecht siehe condictio Berlin 316, 365, 368, 370 – Alt-Kölln 63 – Alte Jakobstraße 63 – Blumeshof 12 365 – Ehrungen 368 – juristische Fakultät 61, 324, 347 – Lesegesellschaft 64 – Militärpflicht 63 – Studentenviertel 63 – Universität 60–61, 346 Berufungen – Basel 100, 130, 148 – Berlin 273, 338, 359, 364 – Breslau 199 – Freiburg 136–138 – Greifswald 148, 178 – Heidelberg 281–282 – Leipzig 274, 337, 341 – München 198, 252
– Straßburg 337 – Wien 339 Besitz, gutgläubiger 108 Besitzwille 103–104, 410 Beweggrund 25, 153, 157, 163, 397– 398, 400, 402, 418 – qualifizierter 155 Beweggrund siehe auch Motiv Beweislast 288 BGB siehe auch Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – 1. Entwurf 32 – § 313 404 – § 656 240 – § 762 Abs. 1 240 – § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz 406 – § 812 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz 405 – § 1001 240 BGB-Entwurf 32, 394, 397 – § 118 373 – § 290 Abs. 2 395 – § 296 Abs. 4 401 – § 667 Abs. 2 395, 399, 401 – § 684 Abs. 2 395 – § 689 Abs. 2 401 – § 737 395 – § 742 395–396, 401 – § 745 396 – § 870 398 BGB-Kommission 17, 31–32, 114, 172, 339, 345, 350, 355, 359, 362–364, 368, 374 – Sitzungen 355 Billigkeit 23, 36, 102, 104, 106, 171, 287, 318, 393, 399, 409, 412, 421, 423, 425 bonae fidei possessio siehe Besitz, gutgläubiger bonae fidei possessor siehe gutgläubiger Besitzer Bonn 84, 93, 97, 269 – Antrittsvorlesung 79–80 – außerordentlicher Professor 95, 97 – Einwohnerschaft 55
Sachverzeichnis – Hundsgasse 86 – juristische Fakultät 57, 69–71, 77, 79– 80, 94–95, 97, 324 – Landesuniversität 50, 55 – Lesegesellschaft 56, 85 – Musikverein 86 – Professur für französisches Recht 130 – Regierungsbevollmächtigter 56, 76, 79, 82 – Schwanenorden 85 – Sternstraße 55, 58 – studentische Verbindungen 59 – Universität 53, 55–56 – Universitätsjubiläum 262–263 Budgetkonflikt 440 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) 18, 31– 32, 35, 37, 40–43, 175, 233, 237, 239– 240, 321–322, 345, 348–349, 362–363, 372–373, 395, 442, 444 cessio 26, 314 – in potentiorem 309 Cession 305 Charakter B. Windscheids 350, 354 clausula rebus sic stantibus 404 Code civil siehe Code Napoléon Code Napoléon 417, 427, 444 – Art. 692 149–151 – Art. 692 und 693 150 – Art. 693 149–150 – Art. 694 149–151 – Art. 1110 120, 125 – Art. 1117 116–119, 123 – Art. 1131 125 – Art. 1131–1133 404 – Art. 1139 152, 420 – Art. 1153 152 – Art. 1304 115, 117, 123, 125, 127 – Art. 1338 119 – Art. 1339 119 – Art. 1681 118, 420 – Art. 1682 118, 420 – historisches Argument 116, 150, 152
535
– Nichtigkeitsgründe 116 – systematischer Zusammenhang 149 – Systemfehler 151 Codexstellen – C.4.22.5 387 – C.4.29.6.1 und 2 70 – C.4.29.13 71, 75 – C.4.29.23 71 – C.4.29.23.2 72 – C.4.51.1 382 – C.4.52.1 382 – C.8.54.10 387 condictio 111, 120–121, 154, 156–158, 162, 241, 398, 406 – causa data causa non secuta 395, 405– 406 – indebiti 154 – indebiti promessi 395 – indebiti soluti 395 – ob causam finitam 396 – ob rem 396 – Rechtsgrund 163 – sine causa 396 condictio ob causam datorum siehe condictio causa data causa non secuta Corpus Iuris 35, 37, 290, 292, 294, 307, 310, 316 Correalobligation 212, 241, 286, 305 Coutume von Paris 150 das Höchste siehe Gott – und wissenschaftliche Arbeit 146 Delegation 291, 393 denuntiatio 212–213, 216 – Anzeige 217 – des Zessionars 216 destination du père de famille 427 deutsche Frage 439 deutscher Zollverein 49 Deutsches Reich 440 Deutschland 435–436, 438, 440, 442 – und Schweiz 436 Dialektik 36
536 Digestenstellen – D.3.5.49 382 – D.6.1.17.pr. 382 – D.6.1.23.5 383 – D.6.1.23.7 105 – D.10.4.7.1 102–103 – D.12.1.8 168 – D.12.1.18.pr. 382 – D.12.1.23 382 – D.12.4.7.pr. 393 – D.12.4.9.1 392 – D.13.7.41 107 – D.14.3.11.3 388 – D.14.6.7.7 393 – D.16.1.4.1 71 – D.16.1.8.1 70 – D.16.1.19.pr.-1 70 – D.16.1.21.1 71 – D.16.1.28.1 71 – D.16.1.31 73 – D.18.1.9.pr. 387 – D.18.6.8.pr. 168 – D.19.1.24.1 382 – D.19.1.30.pr. 382 – D.20.1.22 107 – D.20.4.1.pr. 171 – D.20.4.9.3 105 – D.20.4.9.3. 107 – D.20.4.11.pr. und 1 168 – D.20.5.12.1 382 – D.23.3.67 383 – D.23.3.78.5 392 – D.24.1.29.1 383 – D.24.1.30 383 – D.34.5.3 387 – D.39.5.2.3 393 – D.39.5.21.95 393 – D.41.1.7.11 105 – D.41.2.30.pr. 102 – D.41.3.23.pr. 102 – D.41.3.30.1 102–104 – D.44.4.4.21 392
Sachverzeichnis – D.44.4.7.pr. 393 – D.44.4.32 107 – D.44.5.1.10 392 – D.44.5.1.11 392 – D.44.7.57 387 – D.45.1.83.1 387 – D.45.1.137.1 387 – D.45.1.137.6 168 – D.46.2.12 und 13 392 – D.46.2.19 392 – D.46.3.16 168 – D.46.3.17 383 – D.50.17.144.1 168 Dissens 390 Dissertation 66–69, 73–74, 81, 101, 146, 414, 420, 422 Dogma 349 Dogmatik 33, 38–39, 100, 183 dogmatische Schule 39 dogmatischer Zugang 101 Dos 72, 306, 308 Düsseldorf 21, 45–52, 65, 76–80, 84, 86, 88, 90, 143, 145, 176, 199, 263, 418 – Eisenbahn 49 – Eisenindustrie 50 – Gymnasium 48–49, 51–53 – Kunstakademie 50 – Landgericht 50, 65, 76 – Rechtsakademie 45, 47 – Vaterstadt 79 Ebenhausen 254 Edikt, Aktionenkatalog 231 Ehe 354, 431 Ehrendoktorwürde – Bologna 373 – Edinbourgh 373 – Leipzig Dr. phil. 373 Ehrenpromotionen (1856) 437 Eigentum 293 Eigentümer, Begriff 293 Einheitsbewegung, deutsche 440 Einzelfallgerechtigkeit 401
Sachverzeichnis emancipatio Germanica 320 Emanzipation 320 Emmerich 48 Entscheidung, billige 426 Erbrecht (Vorlesung) 62 Erbschaft, ruhende 286, 320, 424 Erbvertrag 321 Erfüllung 388 Erfüllungswille siehe animus solvendi Erklärungswille, wirklicher oder eigentlicher 398 Ersatzreligion 409 Ersitzung (Usucapion) 101–104, 320 exceptio 215, 398 – doli 106–107, 154, 156 – rei iudicatae 222–223 – rei venditae et traditae 106 – SC Vell. 72–73 Exekutive 438 Fachsprache 418 Familie 45–48, 77, 79, 90, 99, 145, 176, 191, 199, 263, 265–266, 276, 327, 331, 336, 342, 354–355, 365, 370, 376 Feststellungsklage 234 Forderung 238, 423 Forderungsrecht 219, 236 Forderungsübergang 208, 210, 221, 393 siehe auch Zession Formalismus, römischer 417 Formel (i. S. v. Begriff) 349 formula 26, 289 Formularprozess 232 Forschung 18, 22, 29, 61, 105, 129, 200, 294, 417 Fortschritt 432 Fortschrittsglaube 419 Frankfurter Fürstentag (1863) 439 Freundschaft 143, 431 Frömmigkeit 428, 430 Gaius’ Institutionen 2.79 383 Gaius-Institutionen (Vorlesung) 58
537
Gebundenheit 423 Geldurteil 250 Gemeinwohl 36 Genehmigung 296 Gerechtigkeit 21, 43, 228, 400, 409, 414, 426, 438, 440–441 – praktische 390 – soziale 441 Gerechtigkeitsgefühl 400 Gericht und Recht 228, 230 Germanisten 57, 61, 124, 179, 295, 302, 307, 310, 347, 416, 444 Germanistentage 416 Germanistik 417 Gesamtheit 433 Geschäftsführung 382 Geschäftsgrundlage 26, 404–405 Geschichte der Entstehung des BGB (Text) 372 Gesetz 291, 414 – Auslegung 294, 420 – Code Napoléon, Qualitätsanforderungen 113 – Rechtsgesetz 293 – Sittengesetz 293 – und Verfassung 419 Gesetzbuch 294–295, 310, 417 – deutsches 31, 40 Gesetzesauslegung 21 Gesetzesglaube 39 Gesetzesrecht 385 Gesetzessystematik 108 Gesetzgeber 221, 389, 391, 419 Gesetzgebung 31, 34, 111, 114, 222, 228, 285, 295, 300–301, 311, 316, 318, 322, 348, 377, 385, 409, 414, 442 Gestaltungsklage 234 Gesundheit 83–84, 87, 89, 91, 95, 99, 129–130, 146, 189, 266, 336, 379, 381 Gewissen 22 Gewohnheit 414
538
Sachverzeichnis
Gewohnheitsrecht 36, 115, 185, 221, 228, 250, 292, 308, 310, 317, 321, 390, 414, 424 Glaubensfragen 429 Gläubigerverzug siehe Verzug des Gläubigers glossa ordinaria 37 Gothaer (Kleindeutsche) 439 Gott 78, 431 Greifswald 148, 176–177, 188, 200, 217, 223, 269, 271, 273, 283–284, 351, 412, 415, 417, 425 – akademische Ämter 183 – Dekan 183 – Dirigent der romanistischen Abteilung 182–183 – Ehrenpromotionen 190 – Festrede 1854 190 – gemeiner Zivilprozess 177 – juristische Fakultät 177–178, 182, 198, 200 – juristisches Seminar 181–182 – Knopfstraße 17 188 – Kollegium 179 – Kuratorium 182 – literarische Produktion 195 – Preisaufgaben 187 – Promotionen 187 – prozessrechtliche Publika 180 – romanistische Übungen 181 – Spruchkollegium 184 – Spruchkollegium, Separationsverfahren Vockerode 185 – Stadt 176 – Universität 176 – Universitätsjubiläum 1856 190 – Vorlesungslast 180 Grunddienstbarkeit 150, 427 guter Glaube 388 – Opfer 386 – Vorrang vor Realität 386 gutgläubiger Besitzer 249
Habilitation 65–66, 77, 79, 92 Habilitationsbericht 66, 69, 76 Halle an der Saale 255 Harmonie 431–433, 438 Harmonisierung 111, 421 Heeresreform 439 Heidelberg 323, 371 – Abschied 344 – badischer Geheimer Rat 325 – Dekan 327, 330 – Gesellschaft 331, 335 – Haus Plöck 50 327 – juristische Fakultät 324, 344, 347 – juristisches Seminar 326 – Ökonomie-Kommission 329 – Orden 338 – Promotionen 327 – Prorektor 330, 343 – Rechtsgutachten 328 – Spruchkollegium 327 – Stadt 325 – Universität 324 Heiliger Rock 428 hereditas iacens 194, 200, 306, 313 – als Gesamtheit von Rechten und Pflichten 204, 206 – als juristische Person 202 – Einzelfall Spruchkollegium 203 – Fiktion einer Person 204 – logische Herleitung 204 – und römisches Recht 202 – Zweckvermögen 206 Herzogtum Berg 45–47 HGB § 375 240 Historische Rechtsschule siehe historische Schule historische Schule 38–41, 57, 61–62, 64, 68, 96, 100, 108, 110, 180, 246, 284, 295, 300–301, 311, 313, 318, 348–349, 357, 361, 384, 414, 417, 442, 444 Hochzeit 255
Sachverzeichnis Ideal 22–23, 37, 227, 284, 432–433, 435, 438, 441 Idealismus 21, 23, 39, 433 – individuelle Freiheit 145 – statt Romantik 145 Idealist 42 Idee des Alls 430 – kreative 28 – sittliche 441 in integrum restitutio 234 Individualismus 21–22, 26 Individuum 432–433 Infallibilität 260 Institor 387 Institutionen (Vorlesung) 58, 326 Institutionenstellen – I.2.1.26 383 – I.3.29.23. 387 intercessio siehe Interzession interdictum quod vi aut clam 426 Interesse 244 – Berechnung 249 – Differenzhypothese 248 – Umfang 248 Interessenjurisprudenz 18, 42 Interessentheorie 237, 239 Interpellation 249, 411 Interpolation 107, 112 Interzession 66–67, 69–72, 305, 422, 427 Italienreise 87, 90–92 – Familie Burckhardt 89 – Florenz 90 – Neapel 88 – Rom 89 ius poenitendi 158, 160, 415 ius strictum 410, 426 iusiurandum in litem 426 Judikative 438 Juristen, römische 290 Juristensprache siehe Terminologie Juristentag 273 Juristentage 272
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juristische Person 205 Justizanspruch 235 Kaiserwahl 435 Kasan 345 Katholizismus 23 Kauf auf Probe 319 Kaufvertrag 247 Keinmann-Verein 208 Kirche – katholische 433 – protestantische 433 Klage 27, 219, 223–224, 226–227, 230, 233–234, 236, 250, 304, 312, 418 – des Art. 1117 C. N. 116, 123 – des Art. 1304 C. N. 115 – Rechtsgrund 218 – und Recht 223 Klagerecht 227, 231, 233–234, 239 kleindeutsche Lösung 439 Kleve 46, 48 Kodifikation 37, 311, 362, 396, 404, 417, 444 Kommissionsberatungen 365–366 Kondiktion siehe Bereicherungsanspruch Kondiktionenrecht 422 Konstrukt 174 Konstruktion 17, 23, 26, 35, 39, 165, 203, 206, 229, 312, 402, 427 Konvaleszenz 106–107 Konversion 380, 433 Korrealobligation siehe Correalobligation Kreuzzeitung 437 Krieg, italienischer 438 Lebensauffassung 251 Lebensbedürfnisse 423 Lebenswirklichkeit 411–412, 423 Lehrbuch des Pandektenrechts 17, 25, 27–29, 31–33, 36, 39–40, 114, 166, 198, 274, 276, 278, 283, 291, 296, 311, 315, 322–323, 340, 358, 368, 372, 442 – Aufbau 310
540
Sachverzeichnis
– Darstellung 301 – Entstehung 296 – erste Auflage erster Band 1862 278 – erste Auflage zweiter Band 1866 280 – erste Auflage dritter Band 1870 281 – Inhalt 301, 307 – Sprache 303 – wissenschaftlicher Anspruch 302 – Zweck 299 Lehre – herrschende 33 – römische 69 Lehrtätigkeit 18, 24, 30, 33, 40, 42, 61, 95, 110, 130, 139, 198, 220, 257, 282– 283, 349–350, 355, 363, 369 – nach Savigny 61 Leidenschaft 432 Leipzig 353 – Antrittsrede 348 – Armendirektorium 375 – Armenpfleger 375 – Consiliarius 359 – Dekan 348 – Doktorjubiläum 1888 374 – Ehrenbürgerwürde 376 – Ehrungen 365, 373 – erster Professor 359 – Fakultät 274, 359 – Geheimer Rat 345 – gemeinnützige Gesellschaft 375 – Gesellschaft 375 – juristische Fakultät 324, 347–348, 369–370 – juristische Prüfungskommission 359 – Orden 348 – Professoren-Gesellschaft 354 – Promotionen 351–352 – Reichsgericht 354 – Rektor 370 – Savigny-Gedächtnisfeier 357 – Senat 348 – soziale Frage 375 – Spruchkollegium 351
– Staatsexamen 351, 353 – Universität 346 – Wohnung 353 Leistung 418 Leistungsklage 234 Leistungszweck 396 – erster 398 – wirtschaftlicher 396, 398 Lektüreempfehlungen 91–92, 143–144 lex Lasker 339 Libell, unschlüssiges und ineptes 426 liberal-nationale Bewegung 439 Liberaler 380 Liberalismus 434, 437–438 Liebe 78, 86, 431 litis contestatio siehe Litiscontestation Litiscontestation 218, 221, 230 locatio conductio operarum siehe Arbeitsvertrag materielles Recht und Prozess 224–225 Mentalreservation 388 Methode 26, 34–35, 37–39, 42, 71, 123– 124, 151, 156, 175, 203, 348, 420 modus 154–155, 162, 164–165, 314, 422 Monarchie – konstitutionelle 435 – repräsentative 99 Monokratie 436 Mora siehe Verzug Motiv 395, 402, 421 Motivirrtum 119, 159, 404, 406, 409– 410, 422 München 197–198, 228, 253, 325, 336, 348, 370 – Abgesandter 262 – Abschied 282–283 – Akademie der Wissenschaften 254 – Arcostraße 8/2 265 – Briennerstraße 27 lit. B 265 – Dekan 260 – Dienstagsgesellschaft 268 – Dissertationen 258
Sachverzeichnis – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Erneuerung der Wissenschaften 251 Erziehungsreform 260 Fakultät 267, 274, 276 Fakultisten 256, 259 Freundeskreis 254 Gelehrtentreffen 254 Gesellschaft 252 Hochzeitsreise an den Walchensee 254–255 Hörerzahlen 257 Jahreseinkommen 257 Juristentag 1867 273 juristische Fakultät 199, 253, 255, 259, 324 Kollegenkreis 256 Kolonie 254 Kritische Vierteljahrsschrift 291 Lehrtätigkeit 257 Liberalität 267 Louisenstraße 265 Preisaufgaben 258 Prüfungslast 260 Rektor 261, 263 Salvatorstraße 19 265 Senat 261, 274 Spruchkollegium 259 Staatsexamenslast 258 Stiftungsfest 262 Universität 346 Verlobung 254 Vorlesungen 257 zwanglose Gesellschaft 268, 277
Nationalcharakter, deutscher 283 nationaldeutsche Haltung 438 nationale Idee 284, 440–441 Nationalismus 434, 438, 440 Natur der Sache 36, 72, 102, 108, 114, 118–121, 150, 152, 156, 170, 174, 230, 289, 387, 419–421, 423 Naturalobligation 222, 226, 239–240 Naturrecht 22–23, 40, 43, 58, 68, 362, 421
541
Neuchâtel (Streit 1857) 438 Neuhumanismus 23, 52 Neuvorpommern 177 Nichtigkeit im Code Napoléon 113–115, 120, 125 Nordlichter 251 Normengefüge 106 Novation 159, 209, 221, 241, 290–291, 305, 308 Novellen 134 c. 8 72 Nullität (im C. N.) – absolute 116–118, 123, 126–127 – relative 115–117, 123–124, 127, 423 Obligation 232, 286, 289–290, 319 – im franz. Zivilrecht 121 – im Interesse eines Dritten 70 – Inhalt 244, 249 – Singularsuccession in die 211, 221, 226, 228 – Stamm- und Zweigobligation 212, 214 – Übertragbarkeit 216, 314 – und Schuld bzw. Forderung 209 Obligationen – gegenseitige 247 – stricti iuris oder bonae fidei 202 Obligationenrecht 31, 211, 218, 244 – Savigny 62 Opposition, liberale 440 Orden – badischer Orden vom Zähringer Löwen Stern zum Kommandeurkreuz 2. Kl. m. Eichenlaub 374 – bayer. St. Michaelsorden 275 – kgl.-preuß. Kronorden 2. Klasse mit Stern 368 – sächsischer Albrechtorden, Komthurkreuz 1. Kl. 374 – sächsischer Verdienstorden, Komturkreuz 2. Klasse 365 – schwed. Nordstern-Orden Kommandeurkreuz 2. Klasse 368 – Verdienstorden der bayerischen Krone 275
542
Sachverzeichnis
Ordinarius 17, 184, 343, 348, 351–352, 359–360, 363, 444 – Vorstand Spruchkollegium Heidelberg 327 Ordnung, sittliche 425 Österreich 438–440 Pandekten (Vorlesung) 58–59, 62 Pandektengrundriss 277 Pandektenrecht 30, 40, 323, 349 – und Gesetzesrecht 385 Pandektistik 27, 107, 113, 124, 232, 240–241, 444 Partei, nationalliberale 17, 20 Parteiwille 209, 396, 425 patria potestas 320 Paulskirche 435–436 peculium castrense 292 Pendenz 175 Philosophie 22–23 Positivismus 23, 27, 37, 39, 42–43, 246, 444 Positivist 40 Praeceptor Germaniae 345 Praktikabilität 291 – fehlende 309 Praxis, gemeinrechtliche 25, 29–31, 33, 35, 40, 42, 69, 93, 138, 152, 155, 165, 172, 177, 181–182, 185, 219, 231, 242, 259, 284, 290–292, 301, 308, 310, 316–317, 319, 321, 385, 411–412, 427–428 Praxisnähe bei Windscheid 427 Preußen 439–440, 442 Principal 388 Prinzip 35, 37, 69–71, 73–76, 159, 170– 172, 288, 383–384, 420–421 Privatdozent 79, 81–82, 95 Privatdozent (Windscheid) 76 procurator in rem suam 223 Promotion (allgemein) 65–66
Promotion (Windscheid) 68, 74, 77 – mündliche Prüfung 68 – Promotionsakt 68 – Promotionsbericht 68 – Promotionsverfahren 66 – Prüfungsergebnis 68 – schriftliche Prüfung 67 – Thesen 68 Protestantismus 22, 433 Puchta, Pandektenlehrbuch 70, 73, 131, 135 Putativtitel 382 Quelle 28, 35, 37, 70, 74, 100, 108, 122– 123, 154, 156–158, 160, 163, 168, 171, 173, 181, 183, 223, 225, 245, 249, 287, 289, 291, 294, 312, 319, 383–384, 387, 389–390, 393, 396–397, 399, 403, 406, 422–423 querela – inofficiosi testamenti 234 – non numeratae pecuniae 287, 289 ratihabitio siehe Genehmigung ratio iuris 69, 72–73, 420 – des SC Vell. 73, 75 Recht 318 – Definition 410 – deutsches 285 – dingliches 219, 237–238, 319 – Entstehung 292 – Juristenrecht 284 – nationales 229, 284–285, 415, 417 – persönliches 219 – römisches 283, 417 – subjektives 236, 313, 318 – subjektloses 201, 207–208, 313, 411 – und Ideal 409 – und Praxisnähe 412 – und Volkskultur 414 – unpersönliches 219 – Volksrecht 285 Rechtsanalogie 36
Sachverzeichnis Rechtsanschauung 210 – des Volkes 209 Rechtsanwendung 401 Rechtsbegriff 280 Rechtsbewusstsein 227–228, 309 Rechtseinheit 193 – deutsche 41 Rechtsgebäude 108 – widerspruchsfreies 105 Rechtsgefühl 171–172, 384–385, 388, 390, 421 Rechtsgeschäftslehre 23, 125, 154, 165, 304 Rechtsgutachten (1871) 328 Rechtsidee 23, 39, 207 Rechtskraft 293–294 Rechtsmaxime 425 Rechtsordnung 110 Rechtsphilosophie 38 Rechtspolitik 21 Rechtspositivismus 42 Rechtspraxis 21, 250 Rechtsprechung 21, 30, 119, 121, 149, 155, 161, 171, 385, 390–391, 397, 399, 403 Rechtsquellen 386 – römisches Recht und coutumes 114 Rechtsregel 219 Rechtsschutzanspruch 235 Rechtssicherheit 31, 115, 122, 159, 166, 401, 427 Rechtsstaat 437 Rechtssubjekt 290 Rechtstheorie 23, 33, 348 Rechtsverfolgung 218 Rechtswissenschaft 21, 23, 27, 29, 33– 34, 37–38, 40, 44, 54, 81, 129, 147, 183, 193, 229, 283, 302, 371, 413, 415, 417, 423 – nationale 416 – römische 416 Rechtszweck 386 Recklinghausen 48
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Referendarexamen 65 rei vindicatio 157, 223, 227, 229, 233 – utilis 223 Reichseinheit 440 Reichsgericht 354 Reichsidee 354 Reinigung – des römischen Rechts 154, 192–193, 285 – des Zivilrechts des C. N. 114, 120 – von spezifisch römischem Recht 203 Religion, christliche 428, 431 religiöse Haltung 97–99, 334 Repräsentativstaat 434 Republik 435 Retentionsrecht 288 Revolution (1848/49) 435–436 Rezeption 300, 312–313, 316, 321, 415– 416, 444 – durch Gewohnheit 317 – in complexu 307, 416 – totale 283 – universelle 317 Rezeptionsverständnis 299, 301 rheinisches Bürgertum 51 Rheinprovinz 50, 93 Richter 21, 27, 34, 36–37, 43, 115, 126, 155, 165, 187, 218–219, 243, 249, 259, 384, 398, 400, 425, 427 – B. Windscheid als Richter 426 – Entscheidungsfindung 425 – Ermäßigungsrecht 426 – Fähigkeiten 426 – Idealbild 426 – praetor 218 – richterliche Freiheit 425–426 – richterliches Ermessen 220 – und Gerechtigkeit 426 Richterrecht 243 Romanisten 57, 82, 154, 180, 193, 218, 272, 295, 302, 307, 310, 319, 414, 416, 444
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Sachverzeichnis
römische Rechtsgeschichte (Vorlesung) 58, 82 römisches Recht 100–101, 106, 170, 312 – Aktualisierung 160 – heute 290 – heutiges 290, 311 – klassisches 293 – Reinigung 308 – Rezeption 101 – Verdeutschung 197 Rücktrittsrecht 402 ruhende Erbschaft siehe hereditas iacens Schadensermittlung 250 Schenkungswille siehe animus donandi Schuld 423 Schuldanerkenntnis, abstraktes 287 Schuldübernahme 209–211, 214, 216, 221, 411 Schutzzweck 70–71, 387, 427 Senatus Consultum – Juventianum 111, 419 – Velleianum 66, 69–76, 420–421 Servitut siehe Grunddienstbarkeit Sittlichkeit 410, 441 Solidarobligation 286 soziale Frage 21, 28, 438 Specification siehe Verbindung sponsio 289 Sprache – unserer Rechtsanschauung 219 Sprache siehe auch Terminologie Spruchkollegium – Bonn 84, 95, 178 – Greifswald 172, 184, 203, 425, 437 – Heidelberg 327 – Leipzig 351, 359 – München 259 Staat und Kirche 435 Stapelrecht 46, 49 Stipulation 289, 411 Straßburg (Reichsuniversität) 337 Streitgegenstand 235
Sünde 430 Sursum corda 430 Syllabus errorum 260, 332 Synodalrepräsentanz 334 System 22–23, 26, 29–31, 35–39, 41, 43, 69, 73, 95, 102–103, 108, 111, 154, 175, 219, 227, 229, 288, 318–319, 321, 385, 391, 421–423, 425 – allgemeiner Teil 220 – Sayigny 62 – und Geschlossenheit 421 Systematik 155, 162 Systematiker 42 Tegernsee 265 Terminologie 32, 34–35, 219, 243, 303 – deutsche 21, 29, 34, 40 Theater Düsseldorf 51 titulus pro derelicto 320 Tradition (traditio) 103 – nach französischem Recht 125 Treue 431 Übernahme in den Justizdienst 93 Überwindung, römisches Recht 210, 218 Uerdingen 48 Ulpian-Fragmente 62 Unfehlbarkeit, päpstliche 331 Ungültigkeit (im C. N.) 114 – einzelne Gründe 113 – Heilung 113, 118 – historisches Argument 115 – Rechtsinstitut 113 – systematischer Ansatz 112 – teleologisches Argument 115 – Wortlautargument 115 Uniform Commercial Code 1952 407 universitas 103 Unmöglichkeit 409 – Schadensersatz 410 Unmöglichkeit der Leistung 244–245 – nachträgliche 245 – teilweise 246
Sachverzeichnis – ursprünglich objektiv 245 – ursprünglich subjektiv 245 usus modernus 36 Ususfruct 418 Vaterland 177 väterliche Gewalt 314 Vatikanisches Konzil 260, 433 Verbindung 383 Verein zur Abwehr des Antisemitismus 381 Verfassung, preußische 434, 436, 439 Verfassungsstaat 437 Verhandlungsmaxime 425 Verkehrsbedürfnis 36, 74, 209, 212, 215, 223, 286, 301, 386, 391, 412–413, 444 Verkehrsinteresse 386, 389, 391 Verkehrssicherheit 159, 390, 402 Verkehrssitte 308 Vernunft 78 Versteigerung 291 Verwaltungsakt 243 Verwaltungsverfahrensgesetz § 60 404 Verzug 244 – des Gläubigers 250 – des Schuldners 250 – und Verschulden 250 Völkerrecht 438 Volksaufstand 435 Volksbewusstsein 108–109, 111, 301, 414 Volksgeist 312 Vorarbeiten zum Code Napoléon 96 Voraussetzung 25–27, 120, 125, 146– 147, 153–157, 166, 169, 247, 287–288, 301, 308, 314, 394–399, 401–402, 404–406, 409–410, 415, 418, 420, 422–423, 426 – als Konstrukt 165 – auferlegte Verpflichtung 157 – Definition 153 – erste Absicht 157, 160, 166, 398 – erster Zweck 398, 400, 403 – im Prozess 158 – in Abgrenzung zu Motiv 120
– – – – – – – – – – – – – – – – – – –
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Irrtum im Beweggrund 400 konkludent erklärt 157 Nachholbarkeit 403 Rechtsfolgen des Fehlens 157 stillschweigend erklärte 403 stillschweigende 399 terminus technicus 156, 164 und Anfechtung 395 und Auslegung 400 und Bedingung 397 und clausula rebus sic stantibus 162 und Geschäftsgrundlage 404 und Geschäftszweck 162 und Kondiktion 402 und Leistungskondiktion 159, 161 und Motiv 395 und Parteiwille 396 und Rechtsgeschäftslehre 161–162 und römisch-rechtliche causa 395– 396, 404, 406 – und Verkehrsschutz 159 – und Vertrag 402 – und Wille 402 – und Willenserklärung 397 – und Willenstheorie 163 – unentwickelte Bedingung 154, 161 – unmögliche oder unerlaubte 158 – Willensbeschränkung 398, 401 Voraussetzungslehre 288, 372 – Praktikabilität 427 Voraussetzungslehre siehe auch Voraussetzung Vorkommission 339 Vorlesungen Windscheids – Code Napoléon und französisches Handelsrecht 84 – Erbrecht 83, 93, 133, 180 – Erklärung von Pandektenstellen 257 – Familienrecht 83 – französisches Zivilrecht 83, 133, 181 – Gaius-Institutionen 257 – gemeiner und preußischer Zivilprozess 180
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Sachverzeichnis
– Geschichte des römischen Zivilprozesses 257 – Institutionen 83, 93, 133, 180, 257, 326, 350, 369 – Pandekten 83, 87, 130, 135, 257, 276, 326, 350, 369 – Pandekten mit Berücksichtigung des BGB-Entwurfs 370 – Pandekten nach Puchta 133, 180 – Pandektenstellen 83 – Publicum über Pandektentitel 351 – Quelleninterpretation 257 – römische Rechtsgeschichte 180–181, 257, 326, 350 – Übungen 351 – Ulpian-Fragmente 82, 87 Vormärz 412, 416, 434 Vorparlament (Frankfurt) 435 Wahlrecht 439 Wahrhaftigkeit 440–441 Wahrheit 349, 432 – formale 293 – materielle 293 Weltanschauung 22–24, 144, 262, 430 Weltharmonie 429–430, 438 Weltordnung, sittliche 409, 431 Wendepunkt 200, 416 Wesel 48 Wille 431–432 – bedingter 174 – potentieller 402 – wirklicher 399 Wille (allgemein und rechtlich erheblich) 386 Wille (rechtlich erheblich) 71, 102, 104, 119, 153, 158–159, 164–166, 169–170, 174, 186, 202, 210, 214–215, 237–239, 246, 289–290, 385, 388, 410–411, 427, 444 – des Gesetzes (C. N.) 152 – des Gesetzgebers 420 – des Gesetzgebers des C. N. 113 – des Rechtssubjekts 155
– Selbstbeschränkung 154–155 – und Erklärung 119 – und Willenserklärung 385 – wirklicher des Gesetzes 120 – wirklicher des Gesetzgebers 425 Willensbindung 170, 173–175, 245 Willensdogma 36 Willenserklärung 386, 402 – Auslegung 389 – Empfängerhorizont 385 – ohne Willen 389 – und Irrtum 387 – und letztwillige Verfügungen 390 – und Motiv 402 – und Schuld 389 – wahrer Wille 385 Willensherrschaft 26, 391 Willenssubjekt 26–27 Willenstheorie 162, 166, 238 Wirklichkeit 433 Wissenschaft 30, 80, 219, 222, 228, 272, 283, 310 – als Verpflichtung 418 – Ersatzreligion 419 – und Ethos 419 – und Gesetzgebung 419 Zession 159, 209, 212, 215, 217, 223, 308, 314, 319 – Übertragung des Klagerechts 216 Zessionar – als procurator in rem suam 212 Zivilprozess (Vorlesung) 62, 66 Zivilprozessrecht 217, 235 Zur Lehre des Code Napoléon . . . 91–94 – Gutachten Daniels 96 Zweck 420 – Schenkungszweck 403 – wirtschaftlicher 403 Zweck siehe ratio iuris zweite BGB-Kommission 373, 404 Zwölftafelrecht 103