Hermann Herrey: Werk und Leben 1904-1968 9783035613346, 9783035613230

Das vielseitige Schaffen Hermann Herreys Hermann Zweigenthal, später Hermann Herrey, ist vor allem als Architekt der K

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INHALT
VORWORT
1. KINDHEIT UND JUGEND IN WIEN 1904–1920
2. KÜNSTLERTRÄUME, WANDERLEBEN, REIFEJAHRE 1920–1922
3. STUDIUM IN BERLIN 1922–1927
4. LEBEN UND BERUF IN BERLIN 1922–1933
5. SECHS BÜHNENBILDER 1924–1932
6. EIN THEATER FÜR MAX REINHARDT 1926–1927
7. EINE WOHNUNG IN BERLIN, EIN LADEN IN FRANKFURT 1929–1930
8. KANT-GARAGEN-PALAST BERLIN 1929–1930
9. DAS WACHSENDE HAUS ODER VON DER LAUBE ZUR VILLA 1932
10. STATION IN DER SCHWEIZ, STATION IN ÖSTERREICH 1933–1935
11. ARCHITEKTEN UND ARCHITEKTUR IN LONDON 1935–1939
12. SZENOGRAPHIE UND ARCHITEKTUR FÜR DAS Q THEATRE BRENTFORD 1938–1946
13. EIN STAATENLOSER IN NEW YORK UND CAMBRIDGE 1940–1945
14. GEMEINSCHAFT IN DER KLEINEN UND DER GROSSEN STADT 1942–1944
15. POLITIK FÜR DAS LAND UND DIE WELT 1944–1950
16. PLANEN UND BAUEN AUF LONG ISLAND 1946–1953
17. THEATER IM GARTEN VON HAUS PERTZOFF 1955
18. PLANEN UND BAUEN FÜR BERLIN 1956–1958
19. REGIE UND SZENE KLASSISCHER STÜCKE 1956–1958
20. REGIE UND SZENE ABSURDER STÜCKE 1957–1959
21. EIN THEATER FÜR TRIER 1959–1960
22. AN DER FREIEN VOLKSBÜHNE BERLIN 1959–1960
23. BAUEN IN BROOKLINE, PLANEN FÜR BOSTON 1961–1964
24. EINE VISION FÜR MANHATTAN 1965–1968
WERKVERZEICHNIS
REGISTER
BIBLIOGRAPHIE
BILDNACHWEIS
ÜBER DEN AUTOR
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Hermann Herrey: Werk und Leben 1904-1968
 9783035613346, 9783035613230

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HERMANN HERREY WERK UND LEBEN 1904–1968

RUDOLF STEGERS

HERMANN HERREY WERK UND LEBEN 1904–1968

Birkhäuser Basel

INHALT VORWORT

7 | EINE WOHNUNG IN BERLIN, EIN LADEN IN FRANKFURT 1929–1930

6

Ambiente für den Schauspieler Lothar Müthel 1929 / Wohnungen für Hermann Vollmer und Erich Schatzki 1930 / Möbel zwischen Unikat und Fabrikat / Egon Eiermanns erste Möbel / Wiener Erbschaft / Einfluss von Adolf Loos / Schuhhaus Jacoby in Frankfurt am Main 1930 / Bedeutung der Kaiserstraße / Laden als Maschine und als Theater / Schließung des Geschäfts 1931

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8 | KANT-GARAGEN-PALAST BERLIN 1929–1930

1 | KINDHEIT UND JUGEND IN WIEN 1904–1920 Familie Zweigenthal aus Ungarisch Brod / Mutter Therese Zweigenthal, geb. Abelles / Wien in der Ära des Bürgermeisters Dr. Karl Lueger / Schulzeit im Pensionat Sankt Josef in Strebersdorf April 1911 – September 1913 / Schulzeit in der K.K. Staats-Realschule im I. Bezirk Innere Stadt September 1915 – Februar 1920 / Wien im Ersten Weltkrieg

8

Kurt Tucholskys Kritik des Verkehrs in Berlin / Automobil und Garage als Statusymbol / Louis Serlins Projekt einer modernen Hochgarage an der Kantstraße / Engagement von Hermann Zweigenthal und Richard Paulick / Mühsames Entwerfen und Gestalten / Einführung des Prinzips der Wendelrampe / Villa Schultze oder variable Architektur / Amerikanismus in Berlin

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9 | DAS WACHSENDE HAUS ODER VON DER LAUBE ZUR VILLA 1932

2 | KÜNSTLERTRÄUME, WANDERLEBEN, REIFEJAHRE 1920–1922 Ausbildung an der Kunstgewerbeschule Wien Oktober 1920 – Mai 1921 / Franz Cizek als Lehrer / Kinetismus / Illustrationen zu Joseph von Eichendorffs »Aus dem Leben eines Taugenichts« / Vergleich mit Fritzi Löw / Aufenthalt in Den Haag Mai 1921 – Februar 1922 / Matura Juli 1922

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3 | STUDIUM IN BERLIN 1922–1927 Gebäude und Umgebung der Technischen Hochschule Berlin / Antiquiertes Curriculum der Architektur vom ersten bis vierten Semester 1922–1924 / Unterricht bei den Professoren Daniel Krencker und Friedrich Seeßelberg / Auf Besuch in Wien September–Oktober 1924 / Aufnahme des Portals der Salvatorkapelle mit Egon Eiermann / Hans Poelzigs Seminar »Entwerfen von Hochbauten« 1924–1927 / Diplom Juli 1927

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4 | LEBEN UND BERUF IN BERLIN 1922–1933 Ankunft in Berlin September 1922 / Zur Miete Königgrätzer Straße, Hohenstaufenstraße, Giesebrechtstraße / Freundschaft mit Dorothee Liepmann / Entwurf zu einem Einband für Carl Spittelers »Prometheus und Epimetheus« / Entstehung und Entwicklung der Gruppe Junger Architekten (GJA) 1926–1928 / Bootsfahrt »Ostpolzug« der Poelzigschüler Juli 1928 / Ausstellung »Hans Poelzig und seine Schule« der Preußischen Akademie der Künste März 1931 / Julius Posener als Sprachrohr der GJA / Konstitution der Generation GJA / Auflösung der GJA ab 1932

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5 | SECHS BÜHNENBILDER 1924–1932 Entwicklung des Bühnenbilds seit den Reformen durch Max Reinhardt / Verhältnis von Bild und Raum / Friedrich Kiesler und Hans Poelzig / Giacomo Puccini »Der Mantel« 26. März 1924 / René Fauchois »Der sprechende Affe« 10. April 1925 / Ferruccio Busoni »Die Brautwahl« 7. Januar 1926 / Jean Cocteau »Orpheus« 5. Januar 1929 / Johann Wolfgang von Goethe »Die natürliche Tochter« 29. August 1931 / Johann Wolfgang von Goethe »Faust I« 2. Dezember 1932 / Bühnenbild aus der Stimmung der Dichtung / Nähe zu Caspar Neher

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6 | EIN THEATER FÜR MAX REINHARDT 1926–1927 Konrad Wachsmann bei Max Reinhardt / Diplomprojekt-Thema bei Hans Poelzig / ›Demokratisches‹ Amphitheater und ›aristokratisches‹ Logentheater / Vergleich mit Oskar Kaufmann / Vergleich mit dem Großen Schauspielhaus Salzburg von Hans Poelzig / Rolle der Loge für Theater und Gesellschaft / Engagement der Emil Heinicke AG und Aufgabe des Vorhabens am Lehniner Platz

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Ausstellung »Sonne, Luft und Haus für Alle« / Entstehung der Abteilung »Das Anbauhaus« durch Arbeitsgemeinschaft und Wettbewerb / Konzept und Programm in Martin Wagners Buch »Das Wachsende Haus« / Charakteristika der Typen- und Musterhäuser / Kritik von Julius Posener und andern Autoren / Hermann Zweigenthals Wachsendes Haus / Vergleich mit den Bauten von Hugo Häring und von Ludwig Hilberseimer / Scheitern der Verwirklichung durch die Allgemeine Baugesellschaft Lenz & Co

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10 | STATION IN DER SCHWEIZ, STATION IN ÖSTERREICH 1933–1935 Premiere des »Faust I« am 2. Dezember 1932 / Gespannte Gesellschaft zur Wende von 1932 auf 1933 / Kritik der nationalsozialistischen Theaterkritiker Richard Biedrzynski und Alfred Mühr / Lothar Müthels Verhältnis zum Nationalsozialismus / Flucht aus Deutschland Mai 1933 / Schweizer Korrespondent für »L’Architecture d’Aujourd’hui« in Ascona 1934 / Wohnung Schnitzler in Wien 1935 / Kultivierte Intimität und Neues Wiener Wohnen

88

11 | ARCHITEKTEN UND ARCHITEKTUR IN LONDON 1935–1939 Wohnungen im Londoner Nordwesten / Flüchtlinge in der englischen Gesellschaft / Modernismus in Britannien / Aktivität für die Modern Architectural Research Group (MARS) / Landhaus Scrutton in Virginia Water 1937 / Stadthaus Jolowicz in London 1939 / Entwicklung der drei Entwürfe für Haus Jolowicz / Einfluss von Josef Frank / Vergleich mit Oliver Hill, Berthold Lubetkin, Raymond McGrath / Entstehung, Bedeutung und Gestaltung der Ausstellung »Road Architecture. The Need for a Plan« des Royal Institute of British Architects (RIBA) März 1939 / Drei Entwürfe im Vergleich

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12 | SZENOGRAPHIE UND ARCHITEKTUR FÜR DAS Q THEATRE BRENTFORD 1938–1946 Theater im West End von London / Bühnenbild Max Catto »They Walk Alone« 21. November 1938 / Bühnenbild William Shakespeare »Julius Caesar« 29. November 1939 / Bedeutung des Q Theatre unter Jack und Beatrice de Leon / Entwurf des Q Theatre als Theater und Klub, als Ort des Ästhetischen und des Sozialen ab 1939 / Vergleich mit Marcel Breuers Projekt des Ukrainischen Staatstheaters Charkow / Lage der Deutschen und Österreicher im London des »phoney war« 1939–1940 / Transit Britannien–Kanada 1940

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13 | EIN STAATENLOSER IN NEW YORK UND CAMBRIDGE 1940–1945 Heinrich und Olga Schnitzler in den USA / Warnung von Martin Wagner Januar 1941 / Wohnung in Riverdale, Wohnung in Flushing, Leben in New York / Versuch einer Fortführung der Londoner Verkehrsausstellung in New York und anderswo 1941–1942 / Ingenieur der Switlik Parachute Company Trenton 1943–1944 / Entwicklung der Graduate School of Design (GSD) der Harvard University Cambridge unter Joseph Hudnut / Projekt einer Dissertation 1942–1943 / Pläne für Planer an der McGill University Montreal 1944–1945 / Harlow Shapley als »Protektor«

136

14 | GEMEINSCHAFT IN DER KLEINEN UND DER GROSSEN STADT 1942–1944

19 | REGIE UND SZENE KLASSISCHER STÜCKE 1956–1958 Lage des Theaters in Westdeutschland / Darmstädter Gespräch 1955 / Friedrich Lufts Unmut / William Shakespeare »Der Widerspenstigen Zähmung« St. Gallen 18. April 1956 / Thomas Wolfe »Herrenhaus« Konstanz 26. März 1958 / Henrik Ibsen »Hedda Gabler« Wuppertal 5. November 1958

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20 | REGIE UND SZENE ABSURDER STÜCKE 1957–1959 Lage des Theaters in Berlin West / Bedeutung des Absurden Theaters / Eugène Ionesco »Die Stühle« Berlin 22. September 1957 / Jean Genet »Die Zofen« und Eugène Ionesco »Jacques oder Der Gehorsam« Berlin 1. Oktober 1958 / Wolfgang Hildesheimer »Landschaft mit Figuren« Berlin 29. September 1959 / Pläne für ein Theater des Realismus

230

Thema der Dissertation »Planning for Community Activities. Community Centers« / Rezeption von Lewis Mumfords Buch »The Culture of Cities« / Sigfried Giedions Miss­ verstehen des Community center / Begriff der Gemeinschaft im Diskurs der USA / Debatten und Projekte um Community seit der Progressive Era / Vorträge in Boston November 1943 und Philadelphia November 1944 / Vom Commissioners’ Plan zu Robert Moses / Darstellung, Bedeutung und Kritik des Manhattan Plan 1943–1944 / Elemente eines organischen Urbanismus / Wende bei Walter Gropius und Martin Wagner / Levittown als Suburbia / Kritik des Prinzips Nachbarschaftseinheiten

145

15 | POLITIK FÜR DAS LAND UND DIE WELT 1944–1950 Reise mit John Bland nach Knoxville zur Tennessee Valley Authority (TVA) JuniJuli 1944 / »Cultural and Scientific Conference for World Peace« in New York März 1949 / Freiheit und Frieden oder die Hysterien des Kalten Krieges / Expertenkonferenz »World Security through International Resources Development« über die Politik globaler Entwicklung und Entspannung in Philadelphia Oktober 1949 / Stringfellow Barrs »Let’s Join the Human Race« 1950 / Mähliches Verebben des politischen Engagements

166

16 | PLANEN UND BAUEN AUF LONG ISLAND 1946–1953 Gründung eines Büros in New York 1946 / Vorlesungen über Hausbau am Queens College New York 1946–1947 / Projekt Villa Court Garden Apartments in Hempstead 1947–1948 / Haus Mautner in Massapequa als Neubau 1949–1950 / Vergleich mit Marcel Breuers Haus Robinson / Haus Morgenthau in Lattingtown als Umbau 1949–1950 / Verhältnis zur Bauherrin / Musik der Avantgarde in Haus Morgenthau 1950 / Enttäuschung mit der Nedick’s und der Rudolph K. Waldman Company / Felix Augenfelds Meinung zu New York

178

17 | THEATER IM GARTEN VON HAUS PERTZOFF 1955 Hermann Herrey, Heinrich Schnitzler und das Theater in den USA / Reaktion auf Lothar Müthel in Wien 1946 / Schwierige Aufnahme in die Gewerkschaft der Bühnenbildner 1954 / Gründung der Organisation »Opus« zur Pflege der Künste / Frank Wedekinds Stück »König Nicolo oder So ist das Leben« / Konzeption und Konstruktion des Theaters in Lincoln 1955 / Nähe zu Caspar Neher / Bühnenbilder aus dem Geist der Malerei / Meinung der Kritik

196

18 | PLANEN UND BAUEN FÜR BERLIN 1956–1958 Versuchsweise Rückkehr nach Deutschland August–Dezember 1955 / Zinsloses Darlehen vom Entschädigungsamt Berlin / Wohnen im alten Westend und im neuen Hansaviertel / Geschichte und Bedeutung des Wettbewerbs Hauptstadt Berlin 1957–1958 / Hermann Herreys Entwurf im Kontext des Städtebaus der 1950er Jahre / Wettbewerb Haus der Jüdischen Gemeinde Berlin 1957–1958 / Hermann Herreys Entwurf im Kontext der Architektur der 1950er Jahre

206

21 | EIN THEATER FÜR TRIER 1959–1960 Aufbau und Neubau westdeutscher Theatergebäude 1948–1960 / Konflikt zwischen Variabilität und Repräsentation / Hilfe bei Wettbewerben um neue Theatergebäude in Bonn und Düsseldorf / Brauchbarkeit, Lesbarkeit, Örtlichkeit im Kontext des Trierer Theatergebäudes / Schwierigkeit des Entwerfens zwischen Skizze und Modell / Hans Poelzigs Erbe / Theaterinneres vom Eingang zur Bühne / Drei Verlierer des Wettbewerbs / Versagen des Preisgerichts unter Otto Ernst Schweizer und Hans Schwippert Februar 1960

248

22 | AN DER FREIEN VOLKSBÜHNE BERLIN 1959–1960 Theaterpreis 1958/59 des Verbands der Deutschen Kritiker / Aufsatz »ShakespeareInterpretation auf der Bühne« / Verein Freie Volksbühne unter Siegfried Nestriepke / Erste Bewerbung um die Künstlerische Leitung des Theaters am Kurfürstendamm Februar–April 1959 / Meinungsmacher im Konflikt um Rudolf Noelte / Zweite Bewerbung um die Künstlerische Leitung des Theaters am Kurfürstendamm durch Regie und Szene William Shakespeare »Macbeth« Berlin 7. Mai 1960 / Verrisse und Verrisse / Haltung von Walther Karsch und Friedrich Luft / Rückzug aus Berlin

268

23 | BAUEN IN BROOKLINE, PLANEN FÜR BOSTON 1961–1964 In New York und in neuer Lage / Gründung der Herrey Development Corporation durch Antony Herrey 1961 / Wohnungsbau in den USA der 1960er Jahre / The Peabody Apartment House in Brookline 1963–1964 / Urban renewal und das »Neue Boston« / Government Center Redevelopment Plan / Projekt eines Wolkenkratzers am Rathaus 1964 / Engagement von Pier Luigi Nervi und Kelly & Gruzen / Scheitern an Cabot, Cabot & Forbes

285

24 | EINE VISION FÜR MANHATTAN 1965–1968 Städtische Entwicklung New Yorks in den frühen 1960er Jahren / Pläne von Inves­toren und Politikern für die Wasserseiten Lower Manhattans / Kritik zweier Publizisten am Zustand New Yorks 1965 / Wiederaufnahme der Siedlungs- und Verkehrspläne für Manhattan / Ausdehnung Manhattans an seinen Ufern / Communities als landschaftliche Städte an den Rändern der Stadt / Neue Ordnung der Verkehre auf Straßen und Schienen / Gleichzeitigkeit großer Projekte und großer Proteste / Julius Poseners Kondolenz Oktober 1968

293

WERKVERZEICHNIS

308

REGISTER

310

BIBLIOGRAPHIE

320

BILDNACHWEIS

349

ÜBER DEN AUTOR

351

VORWORT

Fünfzig Jahre nach dem Tod jenes Mannes, der erst unter dem Namen Hermann Zweigenthal, dann unter dem Namen Hermann Herrey bekannt war, erscheint mit diesem Buch eine Monographie über den aufgrund widriger Umstände in Vergessenheit Geratenen, der von Mitte der zwanziger bis Mitte der sechziger Jahre in Wien, Berlin, London, New York und Boston als Architekt, Urbanist und Designer, als Szenograph und Regisseur, als Citoyen oder Citizen gelebt und gewirkt hat. Profession und Diversität Dass Herrey sich, erstens, als Architekt, Urbanist und Designer verstand, war vermutlich seiner Wiener Herkunft, das heißt auch seinen sieben Monaten des Unterrichts an der Kunstgewerbeschule des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie zu verdanken. Denn die Mischung des einen mit dem andern Beruf, heute etwas Rares, scheint im Österreich der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts verbreitet gewesen zu sein. Was die Arbeit Herreys jedoch von der Arbeit nur wenig älterer Gestalter wie Oswald Haerdtl und Ernst Anton Plischke unterschied, war Folge seiner Wahrnehmung und Erfahrung amerikanischer Kommunen der Ostküste, seit er 1940 in die USA gelangt war. Aus dieser Wendung rührte im Lauf der nächsten Jahre nicht allein ein Plan für das gesamte Manhattan, sondern auch eine praktische Theorie, die auf einen organischen Urbanismus und durch ihn auf die Bildung offener städtischer Gemeinschaft aus dem Geist des Jeffersonian Republicanism zielte. Dass Herrey sich, zweitens, als Szenograph und Regisseur verstand, war eindeutig dem Berlin der Weimarer Republik geschuldet. Hier konnte er, mit dem Werk Max Reinhardts, Leopold Jessners und Erwin Piscators, die Ideen und Konzepte dreier ästhetisch und politisch differenter Inten­ danten kennenlernen. Hier kam er, aufgrund seiner Freundschaft mit Lothar Müthel und Heinrich Schnitzler, mit dem Schauspielwesen direkt in Kontakt. Von ähnlicher, wo nicht größerer Bedeutung war allerdings, dass Herrey von 1924 bis 1927 das Poelzigsche Seminar »Entwerfen von Hochbauten« an der Technischen Hochschule besuchte. Hans Poelzigs Schaffen, das sich, in den Jahren der Weimarer Republik, mit fast gleicher Intensität auf Architektur wie auf Theater erstreckte, bot Herrey die wohl 6

größte Anregung. Mit dem avantgardistischen Projekt des Q Theatre, das zwischen 1939 und 1946 im britischen und amerikanischen Exil entstand, zeigte Herrey, dass er, wie kein zweiter unter den Poelzigschülern, Architektur und Theater zu verbinden, ja zu verschmelzen wusste. Dass Herrey sich, drittens, als Citoyen oder Citizen verstand, war eine Haltung, die zwar schon in Berlin und London dann und wann zur Erscheinung gekommen war, die aber erst durch die Freundschaft mit dem Astronomen Harlow Shapley in Cambridge / Massachusetts auf Dauer gestärkt wurde. Es war vor allem dieser Demokrat und Patriot, der den Immigranten um das Jahr 1945 zu einer so reflektierten wie pragmatischen politischen Aktivität im Sinne der Gewinnung und Er­ haltung des Friedens motivierte. Die Debatten der »Cultural and Scienti­fic Conference for World Peace« und die Broschüre »A Draft Proposal for World Security through International Resources Development« bildeten 1949 den Höhepunkt dieses Engagements. In der Rolle des liberalen politischen Aktivisten war Herrey unter den deutschen Architekten des zwanzigsten Jahrhunderts absolut singulär. Autonomie und Resilienz Von Herreys Prägung etwa durch Poelzig oder Shapley zu schreiben, will nicht sagen, der Mann sei Anhänger oder Mitmacher gewesen. Vielmehr war Autonomie einer seiner höchsten persönlichen Werte. In welcher Profession Herrey auch wirkte, was ihn trieb, war nicht zuletzt der Wille, alles aus dem Eigenen zu entwerfen, aus dem Eigenen zu gestalten. Er wolle keine »Konzession« machen, schrieb er nach zwanzig Jahren beruf­ lichen Lebens an Schnitzler. Es sei ihm »gar nicht wichtig, ob es viel oder wenig Geld bringt, wenn ich es nur so machen kann, wie es mich freut. Amerika hat es fertiggebracht, mich so auf mich selbst zu verweisen, daß ich gar keinen Wert mehr darauf lege, andern zu gefallen als mir selbst und einigen wenigen Menschen, die mir wirklich wichtig sind.« Das Eigene zu bewahren und zu entfalten, dieser Wille zog sich durch Herreys ganzes Leben. Er zog sich durch die Lust und Last, sich dreimal in der je neuen Fremde zu behaupten. Denn erst in Berlin, dann in London, dann in Cambridge und New York musste Herrey Fuß fassen.

»A nous deux maintenant!« So lauten die letzten Worte in Hono­ré de Balzacs Roman »Vater Goriot«. Es sind Worte des durch bittere Erfahrung gereiften Studenten Eugène de Rastignac. »Jetzt sind wir zwei dran!« Das meint den Kampf zwischen der großen Stadt und dem jungen Mann, zwischen Paris und Eugène. Es heißt, Herrey habe Balzacs Roman von Jugend an geschätzt. Er empfahl ihn seiner Freundin Dorothee Liepmann, kaum dass die beiden sich 1923 lieben gelernt hatten. Herreys Laufbahn verlief in Berlin eine Weile lang neben der Richard Paulicks, in New York eine Weile lang neben der Marcel Breuers. Egon Eiermann war er freundschaftlich verbunden. Doch was diesen drei trotz der Katastrophen und Kataklysmen des zwanzigsten Jahrhunderts gelang, blieb Herrey bei aller Resilienz versagt: die Dauer des Erfolgs. Fast scheint es, als ob er immer dann, wenn er dem Durchbruch nahe war, behindert, ja gebrochen worden sei. Aufgrund dessen war Herrey nicht ein Mann der ungeahnten, sondern der unerfüllten Möglichkeiten. Vieles wurde nie verwirklicht: nicht 1968 der zweite Manhattan Plan für New York noch 1958 das Haus der Jüdischen Gemeinde in Berlin. Selbst 1939 beim Haus Jolowicz in London und 1930 beim Kant-Garagen-Palast in Berlin musste Herrey die Erfahrung der Beschränkung durch die Bauherren machen. Und dass Theater den Ruhm ihrer Szenographen und Regisseure nicht tradieren, wird Herrey gewusst haben, bevor er 1924 zum ersten Mal eine Bühne baute. »Die Einzelgänger zwischen den Fronten haben es bei den Historikern schwerer gehabt als die Meldegänger ganz vorn. Obwohl gemischte Charaktere eigentlich die interessanteren sind.« Diesen Satz schrieb Wolfgang Pehnt über Poelzig. Gilt er nicht auch für Herrey? Dank Für Tat und Rat danke ich: Lore Ditzen, die mich als Autor empfahl; Antony Herrey, der das fünfzehn Jahre währende Vorhaben initi­ ierte und finanzierte und mit dem ich in regem Austausch, manchmal auch kontroverser Diskussion stand; Julian Herrey, der mich über viele Details vor allem zu Fragen des Theaters informierte; Thomas Katzke, der mir die Unterlagen seiner Sichtung des Hermann-Herrey-Nachlass-

es zur Verfügung stellte; Ria Stein, die für den Verlag mit Geduld alle Beteiligten bei der Sache hielt; Kristin Feireiss, die mich mit gutem Rat in meiner Position als freier Autor stützte; Claus Bacher, der die kluge Abfassung des Vertrags besorgte; Ulrich Gatz, der über Jahre hinweg den Bilder­speicher schuf und für die Anmutung der Gestaltung sorgte. Für Hilfe danke ich auch: Boris Allwang, Technische Universität, ­Berlin; Gina Angress, Berlin; Eleanor Brown, Cornell University, Ithaca / New York; Sabine Brtnik, Deutsches Literaturarchiv, Marbach am Neckar; Keith Davis, Freud Museum, London; Thorsten Dette, Historisches Zentrum, Wuppertal; Wolf-Erich Eckstein, Israelitische Kultusgemeinde, Wien; Ines Ganske, Der Tagesspiegel, Archiv, Berlin; Karl Gerzabek, De La Salle Schule, Wien; Andrea Hauer, Deutsches Theatermuseum, München; Elgin Helmstaedt, Akademie der Künste, Archiv, Berlin; Silvia Herkt, Universität für Angewandte Kunst, Sammlungen, Wien; Maria Herrey, Cambridge / Massachusetts; Margaret Hrabe, University of Virginia, Charlottesville / Virginia; Andreas Jaenecke, Malmö; Peter Jammerthal, Freie Universität, Berlin; Gerhard Kabierske, Karlsruher Institut für Technologie, Südwestdeutsches Archiv für Architektur und Ingenieurbau, Karlsruhe; Michael Kuthe, Stadtarchiv, Konstanz; Gianni Augusto Morselli, Locust Valley / New York; Christiane Mühlegger-Henhapel, Österreichisches Theatermuseum, Wien; Marcus Nitschke, Berlin; Orte Architekturnetz­ werk Niederösterreich, Krems an der Donau; Anthony J. Pane, Ithaca / New York; Susanne Pils, Wiener Stadt- und Landes­archiv, Wien; Bärbel Reißmann, Stadtmuseum, Theatersammlung, Berlin; Margret Rieß, Stadtarchiv, Tuttlingen; Heather Riser, University of Virginia, Charlottesville / Virginia; Anna Roche, London; Craig A. Schiffert, Smithsonian Institution, Archives of American Art, Washington, D. C.; Johanna Conny Schmitt, Pfarre Maria Treu, Piaristenkirche, Wien; Michael Schnitzler, Wien; Anita Schömer, Stadtarchiv, Trier; Frank Schütz, Berlinische Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Photographie und Architektur, Berlin; Peter Sourian, New York; Alice Ströver, Kulturvolk, Freie Volksbühne Berlin e.V., Berlin; Dagmar Walach, Freie Universität, Berlin; Caroline Rob Zaleski, New York. Rudolf Stegers 7

1  KINDHEIT UND JUGEND IN WIEN 1904–1920

Familie Zweigenthal stammte aus Ungarisch Brod, einer Kleinstadt in Mähren, die um 1900 kaum mehr als 4900 Einwohner hatte und heute unter dem Namen Uhersky Brod zu Tschechien gehört. Der Kaufmann Hermann Zweigenthal (gest. 1903) und seine Frau Helene, geborene Beer (gest. 1917) hatten drei Söhne: Moriz (1865–1933), Maximilian (1867–1941), Arnold (1870–1915). Ab Mitte der achtziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts kamen die drei jungen Männer einer nach dem andern nach Wien, wo sie – wie Tausende, die damals aus der näheren und weiteren, ärmeren Umgebung in die österreichisch-ungarische Kapitale strömten – nach Arbeit und Aufstieg, vielleicht gar nach einem Leben in Freiheit suchten. Moriz studierte vom Wintersemester 1884/85 bis zum Sommersemester 1891 Jura an der Universität Wien, wurde am Ende seines Studiums promoviert, machte dann im Bezirk Innere Stadt eine Kanzlei auf und war dort viele Jahre als Anwalt tätig. Maximilian führte von 1912 bis 1938 eine typische Eckkneipe an der Kreuzung von Märzstraße und Sturzgasse im Bezirk Rudolfsheim, wo damals vor allem kleine Leute, Gehilfen und Arbeiter wohnten. Arnold wurde Inhaber der Anton Haaß Nachfolger Seidenwarenfabrik. Eine Weile wohnten Moriz und Arnold im selben Haus in der Kaiserstraße 57 im Bezirk Neubau. Und etwa sieben Jahre hatten Kanzlei und Fabrik dieselbe Adresse: Wipplingerstraße 21, Bezirk Innere Stadt. Das stattliche Gebäude, das sich an der Ecke der Hohen Brücke über dem Tiefen Graben noch heute zur Schau stellt, nennt seinen Namen und das Jahr seiner Entstehung nicht ohne Stolz. Hoch unter dem Mittelgiebel prangt ein Relief: »Zum Alten Babenberger Stadtthor«; dazu die Lettern: »Erbaut Anno MCM«. In der Sterngasse Maximilian Zweigenthal, der als Fabrikant aus Geiersberg in Böhmen nach Wien gekommen war, wurde 1903 getraut. Zur Frau nahm er Therese Henriette Abelles (1880–1965), Tochter des Lederhändlers Ferdinand Abelles und der Henriette Abelles, geborene Glattauer. Therese stammte aus dem Bezirk Fünfhaus, hatte erst eine Volksschule, dann eine Bürgerschule, dann eine Höhere Töchterschule besucht 8

und war Sekretärin eines Anwalts. Am 4. April 1904 wurde ihr Sohn Hermann geboren. Zwischen 1909 und 1912 war sie Inhaberin des Herrenwäschegeschäfts D. Kurutz Wwe. Der Laden fand sich erst unter der Adresse Kohlmarkt 22, dann unter der Adresse Bognergasse 1, beide Male also in feinster Gegend zwischen Michaelerplatz und Graben im Bezirk Innere Stadt. Zwischen Anfang Februar und Anfang April 1911, in einer Spanne von etwa acht Wochen, versuchte Therese – wie es heißt, eine Frau von starkem Willen – ihrem Leben eine neue Richtung zu geben: Erst ließ sie sich scheiden; dann trat sie aus der Israelitischen Kultusgemeinde aus; dann ließ sie sich selbst und ihren Sohn Hermann in der Piaristenkirche Maria Treu im Bezirk Josefstadt taufen. Kaum ein Jahr später, will sagen 1912, heiratete sie ihren ›Schwager‹ Moriz Zweigenthal. Die Familie lebte zunächst in der Eßlinggasse 8 im Bezirk Innere Stadt. 1913 gebar Therese ihren zweiten Sohn, dem das Paar den Namen Stefan gab. Schließlich zogen der Vater, die Mutter und die beiden Kinder im November 1914 in eine Wohnung im ersten Obergeschoss des Hauses Sterngasse 11 im Bezirk Innere Stadt. Erbaut 1898, steht das Haus auf der linken Seite des kurzen Endstücks der Sterngasse zwischen Marc-Aurel-Straße und Fischerstiege. Wie die meisten Bauten auf den in Richtung des nahen Donaukanals leicht fallenden Grundstücken hat es Erdgeschoss, Hochparterre, Mezzanin, erstes, zweites, drittes Obergeschoss und Dachgeschoss; das steinerne Treppenhaus wirkt mit seinen Geländern aus Eisenguss zwar ansehnlich, doch nicht herrschaftlich. Was zählte, war die gute Gegend. Es ist jenes Gebiet, wo Wien seinen Ursprung hat, wo nämlich in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts nach Christi Geburt die X. Römische Legion ein Heerlager errichtet hatte, das den Namen »Vindobona« trug. Und es ist jenes Gebiet, das früher »Textilviertel« oder »Fetzenviertel« genannt wurde. Schriftzüge wie »Schirmfabrik Rumpler, Oser & Co« oder »F. Ortner Strickwarengroßhandel« auf Fassaden am Rudolfsplatz zeugen noch heute von dieser Geschichte.

Wien, Bezirk Innere Stadt, Blick in die Sterngasse, 1912

Therese Zweigenthal mit dem älteren Sohn Hermann und dem jüngeren Sohn Stefan, etwa 1915

Auf der Schule Hermanns Kindheit nahm ihren Anfang in der Werdertorgasse 4 im Bezirk Innere Stadt. Unter den zahlreichen Unterrichtsanstalten, die der Junge im Lauf der Jahre betrat, lag die erste gleich im Nachbarhaus. Es war die Allgemeine Volksschule Werdertorgasse 6. In ihre erste Klasse ging Hermann freilich nur gut ein halbes Jahr, von September 1910 bis März 1911; denn schon im April 1911, genau einen Tag nach seiner Taufe, brachte die Mutter ihren Sohn zum Pensionat Sankt Josef, einer renommierten, katholischen Volks-, Bürger- und Handelsschule, geleitet von Geistlichen, die zum ursprünglich französischen Orden der Brüder der Christlichen Schulen gehörten. Das schon von weitem sichtbare Pensionat mit kleiner Kirche lag in Strebersdorf, im Bezirk Floridsdorf, hoch im Norden von Wien, wo die Hauptstadt bis auf den Bahnhof und das Schulhaus noch längst keinen urbanen Charakter besaß. Das Internat hatte damals 273 »interne« und 73 »externe Zöglinge«. Hermann war natürlich »Interner«; der Weg von und zur Wohnung der Eltern war viel zu weit, als dass der Schüler ihn täglich hätte fahren können. Der Unterricht in Strebersdorf kam offenbar nicht ohne stren

gen Gehorsam, nicht ohne harte Züchtigung, nicht ohne karge Mahlzeiten aus. Obwohl Hermann von seinen Lehrern beste Noten bekam, bat er seine Eltern schon früh, das Pensionat Sankt Josef verlassen zu dürfen. Erst spät hatte das Drängen Erfolg. Aus dem »Hauptkatalog« des Internats wurde der Name des Kindes im September 1913 gestrichen. Ohne Antwort bleibt die Frage, ob Hermann danach, sei es in einer Privatschule, sei es im Elternhause, unterrichtet wurde, was unter Wiener Bürgern, die Wert auf Bildung legten, keine Seltenheit war. Von September 1915 bis Februar 1920, das heißt von Beginn der ersten bis Mitte der fünften Klasse, ging der Junge auf die K.K. Staats-Realschule im I. Bezirk, die ab 1919 – nachdem das Ende des Ersten Weltkriegs auch das Ende der Herrschaft auf der Hofburg gebracht hatte – den Namen Bundesrealschule im I. Bezirk trug. Man lehrte dort kein Griechisch und Latein, sondern Französisch und Englisch. Und man lehrte Freihandzeichnen; in diesem Fach wurden Hermanns Leistungen auf sämtlichen Zeugnissen mit der Note »sehr gut« gewürdigt. Morgen für Morgen führte der Schulweg den Schüler von der Sterngasse erst KINDHEIT UND JUGEND IN WIEN 1904–1920

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Pensionat St. Josef, Wien-Strebersdorf, Hermann Zweigenthals Schule von 1911 bis 1913

nach links, dann die breiten Stufen der Fischerstiege hinauf, dann nach rechts durch die Salvatorgasse, vorbei an der zierlichen, gotischen Kirche Sankt Maria am Gestade, dann nach links durch die Schwertgasse, dann nach rechts durch den langen, belebten Korridor der Wipplingerstraße, vorbei am Eckhaus Hohe Brücke / Tiefer Graben – wo der Vater seine Kanzlei hatte – und vorbei an den Läden der Textilhändler, die Stoffe, Garne, Weiß- und Buntwäsche zum Verkauf boten, schließlich zum grünen Börseplatz und von dort im raschen Zickzack nach links nach rechts nach links vor das Schulhaus an der Schottenbastei 7–9, ein massives Gebäude des Historismus in nächster Nähe der nördlichen Partien der Ringstraße. Politik und Kultur im Wien der zehner Jahre Hermanns Kindheit und Jugend hatten ihren Ort auf vitalem, urbanem Areal. Seine Heimat war das räumlich wie baulich dichte Gefüge zwischen Börseplatz und Hohem Markt, zwischen Wipplingerstraße und Donaukanal. Auf diesem Terrain steht die Großstadt vor allem des späten neunzehnten, in kleinen Teilen auch des frühen achtzehnten Jahrhunderts, sieht man von den alten Kirchen wie Sankt Maria am Gestade, Sankt Salvator und Sankt Ruprecht ab. Wiewohl Teil des Bezirks Innere Stadt, lag diese Gegend dennoch etwas abseits jener Stätten, wo das Wien der zehner Jahre seine kulturelle Modernität unter Beweis stellte. Arthur Schnitzlers literarischer Psychologismus, Karl Kraus’ Kritik der Sprache, Arnold Schönbergs Weg von tonaler zu atonaler Musik, Ernst Machs Bestimmung der Relation von Subjekt und Objekt im Empiriokritizismus, Sigmund Freuds Entdeckung und Beschreibung des Unbewussten: All das gärte nicht hier, sondern weiter westlich, in näherer Umgebung der Ringstraße, und ergriff in Wahrheit auch nur kleine Zirkel der Zwei-Millionen-Stadt. Nicht anders der Melancholiker und der Sezessionist; sie blieben unter ihresgleichen. Das Morbide und 10

Nervöse war seit dem Fin de Siècle Sentiment der Bourgeoisie, nicht Gefühl der Masse. Trotz täglicher, lockerer Gesellschaft im Kaffeehaus – um 1900 hatte Wien rund sechshundert Treffpunkte dieser Art –, der Geist des »Bürokretinismus«, um einen Ausdruck von Karl Kraus zu verwenden, strangulierte die Metropole. Dabei stand das Wien der Jahre von 1910 bis 1914 noch ganz im Schatten der Ära des legendären Bürgermeisters Dr. Karl Lueger. Wie auch immer der Volksmund ihn genannt hatte, der »fesche Karl«, der »Bürgerkaiser«, der »Tribun des kleinen Mannes« war Gründer und Führer der Christlichsozialen Partei, Modernisierer und Reaktionär in ein und derselben Person gewesen. Während der dreizehn Jahre seiner Amtszeit von 1897 bis 1910 hatte Lueger dafür gesorgt, dass Wien zu einer modernen Metropole mit moderner Infrastruktur wurde. Dass die Haushalte fließend frisches Wasser, Strom und Gas hatten, dass die Kranken gepflegt wurden, dass die Armen versorgt wurden, dass die Bäume auf den Plätzen blühten, dass die Grabstätten auf den Friedhöfen bezahlbar blieben: Für all diese Aufgaben der Gemeinschaft hatte der Bürgermeister kommunale Institute gründen lassen. Der Neubau der Stadtbahn und des K.K. Österreichischen Postsparkassenamtes sowie die Planung eines städtischen Museums neben der Karlskirche – alle drei nach architektonisch innovativen Entwürfen Otto Wagners – hätten ohne den Einsatz Luegers keine Chance gehabt. Indes, als Verfechter der Belange der unteren Mittelschicht hatte sich der Redner, oft im Affekt und mit Elan, einerseits gegen die »Kapitalisten«, anderseits gegen die »Proletarier« gewandt, weil in seinen Augen beide den »guten Bürgern ihren Besitz streitig machen« wollten. Mit dem nächsten Atem hatte Lueger die »Fremden« und die »Juden« verdammt, deren es in Wien – seit je Hauptstadt eines Staates vieler Völker – mehr und mehr gab, sodass sie in manchen Vierteln den Alltag sichtbar prägten. Das kollektive Ressentiment seiner Wähler, der von

Zweite Klasse mit Hermann Zweigenthal in der obersten Reihe als Dritter von links, 1912

Modernität sei es in sozialer, sei es in kultureller Gestalt sich bedroht fühlenden Kleinbürger, hatte der Bürgermeister mit Geschick in eine Stimmung, ja in eine mächtiger und mächtiger werdende Bewegung verwandelt, deren auch mörderische Gefährlichkeit erst im Österreich der dreißiger Jahre vollends zum Tragen kommen würde. Wien im Ersten Weltkrieg Ob Rechtsanwalt Dr. Moriz Zweigenthal sich selbst, seine Frau Therese und seinen Sohn Hermann je ob ihrer Herkunft diffamiert sah, wir wissen es nicht, weil es in der Sache kein Zeugnis gibt. Als der Vater, die Mutter und die beiden Kinder im November 1914 in eine Wohnung im ersten Obergeschoss des Hauses Sterngasse 11 im Bezirk Innere Stadt zogen, hatte ganz Wien nur eines im Kopf: den Krieg. Noch war die allgemeine Begeisterung nicht verflogen; noch schrie man »Hurra!« und »Immer feste druff!«. Aber Brot und Mehl wurden schon 1915, Milch und Fett, Zucker und Kaffee schon 1916 rationiert. Die Not erfasste nicht allein die unteren, sondern auch die mittleren und oberen Schichten. Die Lage war schlimmer als in Paris oder London, ja schlimmer als in Berlin. Mit nur 830 Kalorien pro Tag unterschritt die den Wienern gewährte Ration etwa Mitte 1917 das Minimum physischer Existenz. Derweil zogen Kinder mit Büchsen von Haus zu Haus, von Tür zu Tür, um für Krüppel, Witwen und Waisen zu sammeln. Tausende Jungen und Mädchen zeichneten Anleihen von je hundert Kronen für den Krieg und wurden von ihren Lehrern mit der Phrase »Konnt ich auch

nicht Waffen tragen, half ich doch die Feinde schlagen!« als Patrioten gepriesen. Indes fiel an den Schulen der Unterricht immer häufiger aus. Auf Hermanns Zeugnissen zeigen schwarze Striche, welche Fächer an der K.K. Staats-Realschule im I. Bezirk nicht mehr gelehrt wurden. Es wäre nicht erstaunlich, wenn die Tatsache, dass Hermann von Ende 1918 bis Anfang 1920 – also im Alter von vierzehn und fünfzehn Jahren – vom Fach »Turnen« befreit war, aus einer Schwäche seines Körpers rührte. Gut neun Zehntel der Kinder und Jugendlichen von Wien litten damals unter physischen Defekten, die aus dem Mangel an Nahrung folgten. Der Krieg kroch in alles und jedes, war in allen Häusern, an allen Straßen, auf allen Märkten zu spüren. Er hatte eine Totalität und Omnipräsenz, die wir Heutige uns kaum vorstellen können. Er schürte Angst, Neid, Wut, Hass. Das dumpfe Gemisch aus Nachrichten und Gerüchten von der Front wie das stundenlange Schlangestehen um ein paar Lebensmittel führten am Ende gar zu Formen der Meuterei und des Aufstandes. Die ohnehin brüchige soziale Kohäsion zwischen Deutschen, Tschechen, Slowaken, Polen, Ukrainern, Ungarn, Rumänen, Slowenen, Kroaten und Bosniern wich einem hier leisen, da lauten, täglichen Rassismus. Von 1918 auf 1919 herrschten Hunger und Kälte. Und es wütete die Spanische Grippe. Die Kapitale Kakaniens schien zu sterben. Erschüttert und verbittert über die mal ins Brutale, mal ins Absurde schweifenden Gespräche unter den Wienern, sah Karl Kraus »Die letzten Tage der Menschheit« kommen. KINDHEIT UND JUGEND IN WIEN 1904–1920

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2  KÜNSTLERTRÄUME, WANDERLEBEN, REIFEJAHRE 1920–1922

Als Einrichtung gegründet 1867, als Gebäude errichtet 1877, geleitet durch den Bühnenbildner Alfred Roller ab 1909, war die Kunstgewerbeschule des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie – dank der Impulse, die von der Secession wie von der Wiener Werkstätte auf das Curriculum im Gebäude am Stubenring ausgingen – seit den zehner Jahren zweifellos moderner als andere Lehrstätten, die sich der Erziehung und Ausbildung von Gestaltern widmeten. Ob in der Allgemeinen Abteilung, wo es um das Studium des Ornaments, der Natur und des Aktes ging; ob in den Fachklassen, wo es um Architektur und Bildende Künste ging; ob in den Werkstätten, wo es um die künstlerisch geprägte Gestaltung der Dinge des Alltags in der Stadt ging: Für den gesamten Unterricht, den Jungen und Mädchen ab dem Alter von vierzehn Jahren nach einer Prüfung als ordentliche oder als hospitierende Schüler besuchen konnten, standen der Kunstgewerbeschule – obwohl sie nicht einmal, wie etwa die Akademie der Bildenden Künste, den Status einer Hochschule hatte – zu Beginn der zwanziger Jahre namhafte Lehrkräfte zur Verfügung, unter ihnen die Architekten Josef Hoffmann, Oskar Strnad und Josef Frank. Bei Franz Cizek an der Kunstgewerbeschule Etwa sieben Monate nach Ende seiner Schulzeit an der K.K. StaatsRealschule im I. Bezirk trat Hermann Zweigenthal zum 1. Oktober 1920 in die Kunstgewerbeschule, nicht als Ordentlicher, sondern als Hospitierender. Auf seinem »Nationale« – so hieß an den Hochschulen der Republik Österreich der Bogen mit Daten zu der Person des Studenten und zu den Kursen des Studiums – gab der Jugendliche auf die Frage nach dem »Lebensberuf« die Antwort: »Malerei und Kunstgewerbe«. Wie wohl die meisten der jüngeren Anfänger unter den damals knapp vierhundert Schülern der Kunstgewerbeschule ging Zweigenthal trotz seines klaren Berufswunsches nicht gleich in eine der Fachklassen noch gleich in eine der Werkstätten, sondern in zwei Kurse der Allgemeinen Abteilung: in den Kurs »Allgemeines Aktzeichnen« bei Professor Erich Mallina und in den Kurs »Ornamentale Formen­ lehre« bei Professor Franz Cizek. 12

Das Allgemeine Aktzeichnen hatte sich längst vom klassischen Ideal der Harmonie von Stabilität und Labilität des Körpers befreit. Die Statik der Natur war aus der Ruhe gebracht; Standbein, Spielbein und der ganze Contrapposto spielten keine Rolle mehr. Das Zeichnen eines Aktes diente nun primär dem Training der räumlichen Wahrnehmung am Beispiel der Darstellung eines Menschen in Bewegung. Keine Frage, dass dieser Ansatz modern war. Mehr noch als Erich Mallina fühlte sich aber Franz Cizek in seiner Lehre der Gegenwart verpflichtet. Dank des Erfolgs seiner »Jugendkunstklasse«, die Kinder im Alter von sieben bis vierzehn Jahren in die Kunstgewerbeschule lud, stand Cizek während der zwanziger Jahre im Zenit seines Schaffens. Er war ein renommierter Pädagoge auf dem Feld der Kunst, ein Mann von nicht bloß nationaler Reputation. Dabei hatte Cizek keine Methode, sondern einen Habitus. Er mied alles Vormachen und Nachahmen, operierte mit der Wechselwirkung von Lehren und Lernen, sprach gern vom »Werden« und »Wachsen« der Jungen und Mädchen, wusste die künstlerischen Fähigkeiten von Kindern zu wecken und zu fördern, ohne dass er gewollt hätte, dass sie aufgrund ihres kreativen ästhetischen Potentials alle zu Künstlern würden: »Ich tadle nie, ich lobe nie, ich gebe nur meiner Freude Ausdruck.« Es würde wundern, wenn Cizek in den Kursen der Ornamentalen Formenlehre völlig anders agiert hätte als in den Jugendkunstklassen. Dass er seinen Schülern das Ornament nicht herkömmlich erklärte; dass er ihnen keine Vorlagen vorlegte; dass er sie nicht bat, sich ein Beispiel sei es an der Natur, sei es an den Stilen seit der griechischen Antike zu nehmen; dass er ihnen vielmehr Themen wie »Fliegende Blätter«, »Kreisende Räder«, »Fahrende Autos«, »Rasende Wölfe«, »Tanzende Menschen« vorschlug; dass er ihnen zurief »Stülpen Sie heute Ihre Seele nach außen!« und ihnen empfahl, ihre eigenen Gefühle – Liebe, Freude, Trauer, Wut, Angst, Neid – erst zur Grundlage rhythmischer Gestaltung, dann zur Grundlage des Ornaments zu machen: All das kann den sechzehnjährigen Zweigenthal nur erstaunt, nur verwirrt haben. Cizeks Zeichenlehre muss sich jedenfalls vom Unterricht an der K.K. Staats-Realschule im I. Bezirk stark unterschieden haben.

Hermann Zweigenthal, »Aus dem Leben eines Taugenichts«, Illustration zur Novelle Joseph von Eichendorffs, zwischen 1920 und 1922

Kinetismus In der Zeit des Umbruchs von der Monarchie zur Republik hatte Cizek seinem Unterricht eine neue Grundlage geschaffen, ästhetisch frei von allem, was noch aus der Schwüle des Fin de Siècle stammte. Zwei oder drei Jahre hatte er mit seinen Schülern auf Basis der Ideen des deutschen Expressionismus, des französischen Kubismus, des italienischen Futurismus und des russischen Konstruktivismus experimentiert. Einfluss auf die Lehre Cizeks hatten diese jungen Ismen seit etwa 1918 mit ihrem Verhältnis einerseits von Raum und Bild, anderseits von Emotion und Passion, Vitalität und Mobilität. Im Schuljahr 1920/21 hatte der Kurs Ornamentale Formenlehre genau dreiundzwanzig Teilnehmer. Man traf sich Tag für Tag in einer Zweigstelle der Kunstgewerbeschule, in einem Gebäude an der Fichtegasse, auf halbem Weg zwischen Seilerstätte und Schubertring. Unter den Schülerinnen fielen Gertrude Hammerschlag, Erika Giovanna Klien und Gertrude Neuwirth auf; denn Cizeks Aneignung der modernsten Moderne Europas wurde von diesen drei Frauen – alle waren vier bis

fünf Jahre älter als Zweigenthal – so begierig wie begeistert rezipiert. Wieder und wieder standen sie im Mittelpunkt des Unterrichts, wo sie im Verein mit Cizek jene österreichisch moderate Variante des Futurismus schufen, die unter dem Namen »Kinetismus« bekannt wurde. Ob der Kinetismus Eindruck auf Zweigenthal machte? Da die meisten seiner Zeichnungen aus den zehner, zwanziger und dreißiger Jahren im Sommer 1940 mit einem Schiff im Atlantik versinken würden, gibt es leider kein Zeugnis, aufgrund dessen eine Antwort auf diese Frage möglich wäre. War Zweigenthal im Alter von sechzehn oder siebzehn Jahren zu jung, um die ästhetische Avantgarde als solche zu erkennen? War er sich schon so früh seiner differenten ästhetischen Präferenzen bewusst? Bei allem, was Teilnehmer am Unterricht von Cizek über ihren Lehrer sei es in Sachen Jugendkunst, sei es in Sachen Ornamentale Formenlehre in reifem Alter sagen würden, ist eines sicher: Cizek muss auch Zweigenthal motiviert, dessen Traum von einem Leben als freier Künstler mehr als nur respektiert haben. KÜNSTLERTRÄUME, WANDERLEBEN, REIFEJAHRE 1920–1922

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»Aus dem Leben eines Taugenichts« Das Träumen und Wandern eines jungen Mannes als eines freien Künstlers – besser gesagt: als eines Lebens- und Straßenkünstlers – ist auch Teil der Novelle »Aus dem Leben eines Taugenichts«, die Joseph von Eichendorff 1826 zum Druck gab. Der Taugenichts wird von seinem Vater, einem Müller mit Mühle, in die Fremde geschickt: »Ich kann dich hier nicht länger füttern. Der Frühling ist vor der Türe, geh auch einmal hinaus in die Welt und erwirb dir selber dein Brot.« Gesagt, getan. Der Bursche holt seine Geige aus dem Haus und macht sich auf den Weg, der ihn mit mancher Irrung und Wirrung von Wien nach Rom, von Rom nach Wien und am Ende in die Arme seiner großen, stillen Liebe führt. Wiewohl der Held nach dem Willen seines Vaters seinen Unterhalt selber bestreiten soll, gönnt ihm der Autor einen Alltag abseits des bürgerlichen Erwerbslebens, manchmal gar einen Alltag à la Hans im Glück. Eichendorffs Novelle hat immer wieder märchenhafte, sommerliche, liebestolle Augenblicke, die das Poetische gegen das Philiströse, Natur und Musik gegen Zollbuch und Schlafrock setzen. Charmanter Musiker, fideler Vagabund, Adoleszent von reflektierter Naivität: Wohl zwischen 1920 und 1922 studierte Zweigenthal den Charakter des Taugenichts. Und fand ihn mehr als nur sympathisch. Ist er nicht der kleine Bruder des Julien Sorel? Ist er nicht Vorläufer und Verwandter jener Figur Stendhals, die Zweigenthal schon früh faszinierte? Ist nicht das Thema der großen, großen Stadt – hier die Präsenz von Rom als der prächtigen, heiligen, ewigen Stadt am Tiber – ein Thema, dem Zweigenthal lebenslang verbunden war? Den Taugenichts zu verstehen, das konnte nur bedeuten, sich seiner Geschichte und seinem Gebaren nicht allein in der Leser-, sondern auch in der Künstlerrolle zu nähern. In der Tat haben sich sechs kleine, farbige Zeichnungen erhalten, die erst einen Titel in Fraktur unter dem Portrait des Helden bilden, dann fünf Momente aus dem ersten und zweiten Kapitel der Novelle schildern. Wiewohl es sich um Graphik aus der Hand eines Jugendlichen handelt – der die perspektivische Komposition als rechte Verbindung des Vorder-, Mittel- und Hintergrunds noch nicht vollends beherrscht –, zwei oder drei der Blätter zeugen schon von der für Zweigenthal typischen, einerseits auf Bewahrung, anderseits auf Entwicklung ästhetischer Konvention setzenden Raffinesse. Punkte, Striche, Flächen sind hier eines, lassen sich an keiner Stelle trennen. Was für die Botschaft eines Bildes wichtig ist, wird durch Gegenfarbe betont. So hebt sich etwas Rotes von Grünem, etwas Gelbes von Blauem ab. Das Interesse gilt der Impression von Plein air, das heißt dem Eindruck eines leichten Flirrens, wie es zum Gefühl heißer Sommer gehört. In Bezug auf manche Formen dem Rokoko näher als der Romantik, hat die Darstellung von Bauten und Menschen etwas Bühnenhaftes. Ein Pferdekopf, ein Schmetterling, ein Blumenstrauß, 14

eine Schuhsohle stehlen sich aus den kräuselnden Linien der Rahmen. So machen die Zeichnungen ihre Bildhaftigkeit und Künstlichkeit zum Thema. Die sechste und letzte Graphik schildert ein nächtliches Ereignis. Der Taugenichts sitzt bei Mondschein auf dem Birnbaum im Schloss­ park, die Augen voller Sehnsucht in Richtung des Schlosses gewandt, wo ein Fest statthat, auf welchem er seine große Liebe beim Tanz weiß. »Dort drehten sich die Kronleuchter langsam wie Kränze von Sternen«, heißt es bei Eichendorff. »Damen und Herren, wie in einem Schattenspiele, wogten und walzten und wirrten. Alles ist so fröhlich, um Dich kümmert sich kein Mensch. Es ist, als wäre ich überall eben zu spät gekommen, als hätte die ganze Welt gar nicht auf mich gerechnet.« Das Lebensgefühl des Taugenichts – der Eindruck, bei allem und jedem zu spät zu kommen – war auch das Lebensgefühl Eichendorffs. Für eines seiner Blätter wählte Zweigenthal also eine zentrale Passage der Novelle, auf die andere künstlerisch Tätige, die sich mit dem Taugenichts befasst hatten, keinen Wert gelegt hatten. Auch wenn dieses Interesse mehr mit der Gefühlslage eines etwa sechzehn bis achtzehn Jahre alten Jugendlichen aus bürgerlichem Hause als mit der Identität des Romantikers Eichendorff zu tun hätte, bliebe doch die Wahrnehmung des Betrachters, dass sich Zweigenthal gerade hier einer avancierten Ästhetik bedient, die an den Auftrag kleiner Tupfer reiner Farben und an das Verschmelzen der Partikel einerseits auf den Landschafts- und Gartenbildern Gustav Klimts, anderseits auf den Gemälden der französischen Pointillisten gemahnt. So meistert Zweigenthal die Darstellung des für das Sehen bei Nacht häufigen Verwischens sämtlicher Umrisse. Vom dunklen Grün und dunklen Blau der Bäume und Sträucher im Vordergrund hebt sich das helle Blau des Himmels im Hintergrund ab. In dieses helle Blau mischt sich helles Gelb, sodass zwar nicht – wie bei Eichendorff – Sträucher und Bäume, dafür aber das Firmament »von den vielen Lichtern aus dem Saale wie vergoldet« erscheint. Die konkrete Utopie des großen Festes, auf dem sich Theater und Gesellschaft mischen und beide eine zugleich schöne und wahre Botschaft haben, würde Zweigenthal Jahrzehnte begleiten, bis sie mit dem Erfolg der Inszenierung von Eugène Ionescos Farce »Die Stühle« im Herbst 1957 ihr Ende finden würde. Durch Zeilen auf der ersten unter den sechs Zeichnungen Zweigen­ thals wird deutlich, dass er den Mut hatte, seine Graphik dem Wiener Verlag Anton Schroll & Co. zu präsentieren. Anton Schroll war ein Haus von Rang; es war der Verlag, dessen Name an erster Stelle genannt wurde, wenn ein Historiker der Architektur oder Kunst eine Arbeit publizieren wollte. Bei Anton Schroll wurde aber auch Literatur verlegt. So war 1918 die Reihe der »Liebhaberausgaben« mit kleinen Werken deutscher

Hermann Zweigenthal, »Aus dem Leben eines Taugenichts«, Illustration zur Novelle Joseph von Eichendorffs, zwischen 1920 und 1922

KÜNSTLERTRÄUME, WANDERLEBEN, REIFEJAHRE 1920–1922

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Autoren des neunzehnten Jahrhunderts entstanden. Die Bücher mit Texten etwa von Clemens Brentano, Franz Grillparzer, Wilhelm Hauff, Eduard Mörike und Gottfried Keller hatten ein Format von nur achteinhalb mal elf Zentimeter und einen Einband aus Pappe. Sie waren wegen ihrer originalen, illustrativen Lithographien beliebt und eigneten sich gut als Geschenk. Für genau diese Reihe waren Zweigenthals Blätter gedacht. Vielleicht hätte ein anderer, klügerer Verleger die Begabung des jungen Mannes erkannt, ihn in Fürsorge genommen und die seiner Arbeit inhärente, moderate Modernität gefördert. Nicht so Friedrich Meyer aus dem Hause Anton Schroll. Der gab den Auftrag lieber der weit älteren, aus größerer Erfahrung schöpfenden, für die Liebhaberausgaben ohnehin tätigen Fritzi Löw, die durch zahllose Postkarten der Wiener Werkstätte längst bekannt war. Viele davon machen den Eindruck, als ob die gezeigten zierlichen Personen in Kostümen steckten; alle sind hübsch, zu hübsch. Ähnlich wirken auch jene zwölf Bilder, die Löw zu Eichendorffs Novelle »Aus dem Leben eines Taugenichts« schuf. Denn die Zeichnungen der Liebhaberausgabe von 1923 haben das Biedermeier nicht allein zum Thema, sondern auch zur Technik; die Graphik erschöpft sich in freundlicher Nachahmung. Bei Löw hat der Taugenichts die Chance zum Biedermann, bei Zweigenthal aber die Chance zum Träumer, Stürmer und Dränger. In den Niederlanden Zweigenthal hielt seine Fähigkeit im Zeichnen wie Malen für hoch. Und wusste genau warum. Denn auf der K.K. Staats-Realschule im I. Bezirk hatten die Lehrer seine Leistung im Fach »Freihandzeichnen« stets mit der Note »sehr gut« bedacht. Einem Träumer, Stürmer und Dränger verwandt, verließ er die Kunstgewerbeschule und den Unterricht bei Cizek schon nach sieben Monaten – auf dem eingangs erwähnten »Nationale« steht oben mit Handschrift: »6. Mai 1921 gestrichen« – und machte sich wenig später wie ein wandernder Geselle auf den Weg in die Niederlande. Zum ersten Mal tat Zweigenthal, was er im Lauf seines Lebens immer wieder, meist unter mehr als nur widrigen Umständen tun würde: Er trat in den Kreis einer ihm fremden, neuen Kultur. So kam der kaum siebzehn Jahre alte Jugendliche aus einem Land mit monarchischer und katholischer in ein Land mit republikanischer und protestantischer Tradition. Und er kam in alte, ja schöne Städte, die den Ersten Weltkrieg mit seinem Feuer, seinem Hunger und seinen Toten nicht erlebt hatten. Waren Geschichte und Gegenwart dort der österreichischen, hier der niederländischen Kapitale überhaupt zu vergleichen? Die Leidenschaft für das »Gouden Eeuw«, das heißt für die Malerei der Holländer des siebzehnten als des »Goldenen Jahrhunderts«, war eines der Motive, warum Zweigenthal von Wien nach Den 16

Haag zog. Was er in den Sälen des großen Kunsthistorischen Museums nicht hatte sehen können, konnte er in den Räumen des kleinen Museums Mauritshuis sehen: das Genie von Künstlern wie Rembrandt van Rijn und Jan Vermeer, das Portrait bei Govert Flinck, das Genre bei Jan Steen, die Landschaft bei Jacob van Ruisdael. Es gelang ihm sogar, mit Abraham Bredius und Cornelius Hofstede de Groot ins Gespräch zu kommen und am Museum Mauritshuis – der Wirkungsstätte dieser damals noch immer gefragten, älteren Experten des Gouden Eeuw – eine Art Praktikum zu absolvieren, wiewohl er zur selben Zeit auch seinen Unterhalt verdienen musste. Matura Zur Matura kehrte Zweigenthal Ende 1921, Anfang 1922 nach Wien zurück. Noch einmal betrat er seine alte Schule im Bezirk Innere Stadt. Sie hieß nun – da die Monarchie der Republik hatte weichen müssen – nicht mehr »K.K. Staats-Realschule«, sondern »Bundesrealschule«. Nach eigenem Bekunden holte er die »fehlenden zweieinhalb Jahre Schulbildung durch privates Studium« nach. Dieses Verfahren, heute so gut wie undenkbar, scheint in Wien keine Seltenheit gewesen zu sein, bedenkt man die Vielzahl der Privatschulen, die »Adolph Lehmann’s Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger« unter dem Stichwort »Unterrichtsanstalten« Jahr für Jahr verzeichnet. Die Prüfung des Zöglings fand am 3. Juli 1922 statt. Geprüft wurde in gleich sieben Fächern. Die Fragen im Fach »Vaterlandskunde« zeugen von dem Versuch, die nach dem Ersten Weltkrieg malträtierte Identität eines plötzlich kleinen Landes zu stärken. Es ging um das Erbe der Römer, die Schaffung der Einheit der Alpenländer, die Revolution von 1848 und die riesigen Gebiete, die Österreich durch den Friedensvertrag von Saint Germain 1919/1920 verloren hatte. Im Fach »Deutsche Sprache« musste sich der Schüler zu Werken Friedrich Schillers äußern; die Themen hießen »Kampf zwischen Pflicht und Neigung bei Max Piccolomini« und »Das Gedicht: Sehnsucht«. Es ist ein Lied in vier Strophen, dessen Autor sich auf die Suche nach einem Weg aus dem Reich der Realität in das der Utopie macht. Die ersten Zeilen lauten: »Ach, aus dieses Tales Gründen, / Die der kalte Nebel drückt, / Könnt ich doch den Ausgang finden, / Ach wie fühlt ich mich beglückt! / Dort erblick ich schöne Hügel, / Ewig jung und ewig grün! / Hätt ich Schwingen, hätt ich Flügel, / Nach den Hügeln zög ich hin.« Die letzten Zeilen lauten: »Einen Nachen seh ich schwanken, / Aber ach! der Fährmann fehlt. / Frisch hinein und ohne Wanken, / Seine Segel sind beseelt. / Du mußt glauben, du mußt wagen, / Denn die Götter leihn kein Pfand, / Nur ein Wunder kann dich tragen / In das schöne Wunderland.« Ein Vierteljahr nach der ersten folgt die zweite Matura: Zweigenthal zieht von Wien nach Berlin. Die Stadt wird sein Wunderland. Bis 1933.

3  STUDIUM IN BERLIN 1922–1927

Hermann Zweigenthal hätte an der Kunstgewerbeschule des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie Wien eine in Bezug auf Lehrkräfte, Lehrweisen und Lehrmittel glänzende Ausbildung bekommen können, gleich ob als Architekt oder Designer oder Szenograph. Und der »Ordentlich Studierende« hätte in den Klassenräumen am Stubenring 3 en passant die Bekanntschaft hochbegabter anderer Studenten machen können. Dass Zweigenthal die beiden Kurse bei Franz Cizek und Erich Mallina am 6. Mai 1921 abbrach; dass er nach der Matura am 3. Juli 1922 nicht wieder an die Kunstgewerbeschule Wien ging; dass er auch nicht an die Akademie der Bildenden Künste Wien oder an die Technische Hochschule Wien ging; dass er vielmehr an die Technische Hochschule Berlin ging, obwohl dort das Curriculum für Architektur besonders rückständig war und der professorale, autoritäre Akademismus erst Mitte der zwanziger Jahre durch Hans Poelzig und Heinrich Tessenow ins Wanken kommen würde: Diese Paradoxie hat ihren Grund wohl darin, dass sich Zweigenthal einerseits von seiner Heimatstadt und seinem Elternhaus ein Stück entfernen, ja befreien wollte und dass er sich anderseits nach einem Leben in der Hauptstadt Deutschlands sehnte, wo seit Ende des Weltkriegs ein frischer, das heißt republikanischer, metropolitaner, avantgardistischer Geist zu wehen schien. Wie zum Abschied und ganz unter dem Einfluss Rembrandts zeichnet der Sohn am 21. September 1922 ein meisterliches Portrait seiner Mutter. Am 30. September 1922 wird er an der Technischen Hochschule Berlin unter der Nummer 31563 immatrikuliert. Im Lichthof Deren Gebäude lag südlich einer Achse, die damals Berliner Straße hieß, weil sie – geschichtlich betrachtet – von Charlottenburg im Westen nach Berlin im Osten führt. Der Bau stand zwischen dem Knie, dessen Name auf die sanfte Biegung der Chaussee an genau dieser Stelle Bezug nahm, und dem majestätischen Charlottenburger Tor, das vom Reichtum einer Gemeinde zeugte, die erst 1920 ihren Status als eigene Kommune verloren hatte, zu einem bloßen Bezirk Berlins geworden war.

Hermann Zweigenthal, Portrait Therese Zweigenthal, Zeichnung, 1922

Nach Entwürfen von Richard Lucae, Friedrich Hitzig, Julius Carl Raschdorff gestaltet und 1884 feierlich eröffnet, gehörte das gestreckte Gebäude der Technischen Hochschule zu den wahrlich monumentalen Architekturen aus dem Berlin des späten neunzehnten Jahrhunderts. Wie so oft in der kaiserlichen Metropole hatte auch hier der Wunsch nach Überbietung, ja Übertrumpfung dessen, was anderswo öffentlich errichtet worden war, Einfluss auf die äußere wie innere Erscheinung des Gebäudes genommen, weshalb es schon mit seiner schieren Breite STUDIUM IN BERLIN 1922–1927

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von 227 Meter die eben gebauten Universitätsarchitekturen von Otto Warth in Straßburg und Heinrich von Ferstel in Wien in den Schatten zu stellen suchte. Das Gebäude an der Berliner Straße zu erkunden, glich einer Bewegung des Immer-höher-hinauf und Immer-tiefer-hinein. Der Besucher kam durch dichte Reihen von Bäumen am Rande der Allee, schritt über eine der beiden seitlichen Auffahrten zu einem der fünf Eingänge, ging durch den Windfang in das mit Säulen bestückte Vestibül, trat auf die paar Stufen einer breiten Treppe, deren linke wie rechte Wange mit je einer Sphinx gleichsam Wachschutz bot, und sah schließlich in den großen Lichthof und Festraum des Hauses: an den vier Seiten zum Hauptgeschoss, erstem und zweitem Obergeschoss Arkade neben Arkade, unten in Gestalt dicker Mauern, oben in Gestalt dünner Säulen aus rotem Granit; auf den Feldern Fresken nach Art Michelangelo Buonarrotis, ein auf Bedeutung bedachtes Programm von weiblichen Körpern, männlichen Köpfen, Wappen deutscher Städte, alles zum Lobe deutscher Technik; das Ganze zwar dem Innenhof des Palazzo Borghese verwandt, doch durch ein riesiges Oberlicht, eine sich wölbende Decke eiserner Stäbe und gläserner Scheiben, zu wahrer Krönung gebracht. Was zur Einweihung für eine grandiose Architektur, eine geniale Rezeption der Renaissance gehalten worden war, wurde achtzehn Jahre später von Bruno Taut mit ganz andern Augen betrachtet. Zum ersten Mal auf Besuch in Berlin, schrieb der junge Königsberger seinem Bruder Max am 2. März 1902, das Gebäude der Technischen Hochschule wirke »durch und durch ledern und nüchtern«. Drinnen habe er, wohl beim Streifen durch die hohen Säle und langen Flure, nur den Wunsch gehabt, »endlich mal draußen zu sein«. Während Taut sich noch gefragt hatte, ob der Lichthof womöglich Qualität habe – »aber schön ist doch anders«, schränkte der Autor dann ein –, würde später ein Kommilitone Zweigenthals keine Mühe haben, seiner Abscheu vor dem Lichthof Ausdruck zu geben. »Arkaden in drei Geschossen!«, heißt es in den Memoiren dieses Mannes. »Und daneben zu beiden Seiten viel zu breite Treppen. Mir machte jeder Schritt auf diesen Treppen Mühe. Außerdem stank die Halle nach der Kantine, die sich unten befand. Nein, ich mochte das Haus nicht.« Die Memoiren dieses Mannes, das meint die Memoiren Julius Poseners. Geboren 1904 als drittes, jüngstes Kind der Eheleute Moritz und Gertrud Posener – beide »aus gutem Hause«, wie man damals zu sagen pflegte; beide mit großer Neigung zu den Künsten –, hatte Posener Anfang 1923 am Realgymnasium Zehlendorf, das für seine progressiven Pädagogen bekannt war, Abitur gemacht und noch Mitte 1923 mit dem Studium der Architektur an der Technischen Hochschule Berlin begonnen, die von der kleinen Villa seiner Eltern im tiefen Süden der Hauptstadt nur eine S-Bahn-Fahrt entfernt lag. Was an der Technischen 18

Hauptbau Technische Hochschule Berlin, Korridor um den Binnenhof, 1884

Hochschule in den zwanziger Jahren in Sachen Baukunst gelehrt und gelernt wurde, lässt sich anschaulich beschreiben. Denn über das, was im »Programm« genannten Vorlesungsverzeichnis dieser Anstalt Jahr für Jahr nur als Liste von Titeln und Themen, von Namen und Räumen erschien, ergänzt um Studienordnungen und Stundenpläne, gibt es – freilich erst Jahre später verfasst – schriftliche Zeugnisse aus erster Hand. Sie stammen von Egon Eiermann, Helmut Hentrich, Kurt Liebknecht, Joachim Matthaei, Klaus Müller-Rehm, Richard Paulick, Julius Posener, Carl-Heinz Schwennicke und Albert Speer. Bis auf Speer waren sie Schüler Poelzigs, bis auf Matthaei Kommilitonen Zweigenthals. Vom ersten zum vierten Semester: Geschichte ohne Gegenwart Im höchsten Geschoss des Gebäudes der Technischen Hochschule lagen die Räume der Fakultät für Bauwesen, geteilt in die der kleineren Abteilung für Architektur und die der größeren Abteilung für BauIngenieurwesen. Im Wintersemester 1922/23, als Zweigenthal mit dem Studium begann, zählte die Abteilung für Architektur genau 245 »Ordentlich Studierende«. Das Gros ihrer vierzehn Professoren und zweiundzwanzig Dozenten war noch unter Kaiser Wilhelm II. berufen worden und hatte den Übergang von der Monarchie zur Republik nicht verkraftet. Das Wappenschild mit den verschränkten Buchstaben

Hermann Muthesius, Haus Tuteur, Ansicht von der Berliner Straße, 1924

»KTH« für »Königliche Technische Hochschule« – Teil des Schmucks auf jedem zweiten der Pilaster an der Fassade des Gebäudes rechts vom Hauptbau – war für diese Herren noch gültige Gegenwart. Kein Wunder also, dass die Abteilung für Architektur noch ganz im neunzehnten Jahrhundert steckte, dass sie ihr Curriculum auf Basis der historischen Stile statt auf Basis der aktuellen Praxis des Bauens definierte. Während die Schüler der Klassen Josef Hoffmanns und Oskar Strnads an der Kunstgewerbeschule des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie Wien zur Teilnahme an der berühmten »Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes« Paris 1925 geladen worden waren, hätten dort Entwürfe von Studenten der Technischen Hochschule Berlin allein zu höhnischem Gelächter geführt. Denn hier galt nur die Geschichte. Diese aber hörte lange vor der Gegenwart auf. Gelehrt wurde sie von Daniel Krencker, der aus dem Elsass stammte, sich als Archäologe erst in Syrien, Jordanien, Äthiopien, dann in Trier bei der Grabung nach den Kaiserthermen einen Namen gemacht hatte und schließlich 1922, als nicht mehr ganz junger Mann von knapp fünfzig Jahren, einem Ruf an die Technische Hochschule Berlin gefolgt war. Krencker, so würde Albert Speer schreiben, habe einmal in seiner Vorlesung ein Lichtbild des Münsters von Straßburg gezeigt und ob dieser »deutschen Baukunst« nach kurzem mit den Tränen kämpfen, ja seine Vorlesung abbrechen müssen. Julius Posener hingegen würde berichten, Krencker habe Hermann Muthesius’ drei Bände »Das englische Haus« in seinem »Giftschrank« vor den Studenten

verborgen. Dass Schönheit mit Gebrauch, Gebrauch mit Schönheit zu tun hat, selbst das durfte seiner Meinung nach kein Vorbild der Jungen werden. Ob Krencker auch über Muthesius’ Haus Tuteur die Nase rümpfte? Was Zweigenthal und die übrigen Studenten gegen Ende ihrer ersten vier Semester in nächster Nähe des Knie auf einem Grundstück an der spitzen Ecke von Berliner Straße und Sophienstraße ›wachsen‹ sahen, war eine Villa, die mit Pilaster, Risalit, Tympanon und Travertin, also mit dem durch und durch Klassischen spielte. Was sie ›wachsen‹ sahen, war eines der späten Werke jener zumeist in den sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts geborenen Architekten, eines der späten Werke jener frühen preußischen Modernen, die gegen Ende ihres Schaffens zu Bauten neigten, welche das Funktionale dem Monumentalen zu opfern scheinen. Zum Glück hatten die Studenten keine Mühe, sich an andern Orten des großen Berlin ein Bild von dem zu machen, was in der Hauptstadt, trotz ihrer wirtschaftlich betrachtet katastrophalen Situation, eben an wirklich kontemporären Architekturen aus dem Boden gestampft worden war: so im Bezirk Mitte einerseits das Mossehaus von Erich Mendelsohn, anderseits das Haus des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) von Max Taut und Franz Hoffmann; so im Bezirk Charlottenburg einerseits das Haus Buchthal von Hans und Wassili Luckhardt, anderseits das Haus Wasservogel von Arthur Korn und Siegfried Weitzmann. Alle vier Bauten – die hier nur als Beispiele für STUDIUM IN BERLIN 1922–1927

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andere Gebäude dienen – waren sei es 1923, sei es 1924 fertiggestellt worden. Mal eher expressionistisch, mal eher rationalistisch, bei Mendelsohn natürlich mit der ihm eigenen Verbindung von Dynamik und Funktion, stehen sie für das, was Zweigenthal und alle der Gegenwart offenen Studenten sich selber lehren mussten. Die Technische Hochschule bot in dieser Hinsicht keine Hilfe. Hentrich etwa würde schreiben, erst im Lesesaal der Staatlichen Kunstbibliothek an der PrinzAlbrecht-Straße habe er als junger Mann Zeitschriften aus andern Ländern gefunden, in welchen er zum ersten Mal auf Namen wie den des Schweden Erik Gunnar Asplund oder den des Franzosen Emile Jacques Ruhlmann gestoßen sei. Vom ersten zum vierten Semester: Bögen über Bögen zeichnen Die Einschreibung kostete fünfzig, die Rückmeldung zwanzig, jede Wochenstunde zehn Reichsmark. Das Studium umfasste acht Semester, der Lehrplan etwa vierzig Wochenstunden. Lehre fand montags bis freitags von 8h00 bis 20h00, samstags von 8h00 bis 17h00 statt. Wenn schon keiner von den Professoren und Dozenten die Studenten der Architektur je mit Bauten von Hier und Jetzt vertraut machte, woraus bestand die Lehre dann? Woraus bestand der gleichsam schulische Unterricht, dessen miserable Qualitäten in den dreißig, vierzig, ja fünfzig Jahre später verfassten Zeugnissen mal bedauert, mal belächelt werden würden? Er bestand in so gut wie allen Fächern – von Geometrie bis Konstruktion – in ein und demselben, wieder und wieder wiederholten Vorgang: in einem genauen Nachzeichnen einer genauen Vorlage. Bestückt mit Bleistiften, Tuschfedern und einem »Whatmanbogen«, das heißt einem Bogen weißen, steifen, edlen Büttenpapiers im Format von knapp neunzig mal knapp siebzig Zentimetern, kamen die Studenten in den Zeichensaal. Dort hatten sie, in den ihnen besonders verhassten Fächern »Formenlehre« und »Ornamentzeichnen«, im Verlauf des ersten und zweiten Semesters ausschließlich mit der Antike, im Verlauf des dritten und vierten Semesters ausschließlich mit dem Mittelalter und der frühen Neuzeit zu tun. Im Fach »Formenlehre« wurden von den Erstund Zweitsemestern – seit 1896 – Jahr für Jahr dieselben Zeichnungen nach denselben Vorlagen gefertigt: Schnitt und Riss des Kapitells erstens einer griechisch-dorischen, zweitens einer römisch-dorischen, drittens einer ionischen, viertens einer korinthischen Säule. Im Fach »Ornamentzeichnen« war die Wahl des Schmuckwerks frei, in Wahrheit jedoch auf die längst staubigen Kopien von Reliefs und Plastiken beschränkt, die dicht an dicht in einem Flur hingen, der – bis 1927 – nicht mal elektrisch beleuchtet war. Ohne Lust auf die Mühsal des Zeichnens von Volute oder Akanthus, bauten die Studenten ein Gerät zum Pausen. An die Konstruktion des Apparates würden sich Eiermann und Lieb20

knecht in gleicher Weise erinnern: Das Gerät bestand aus einem Metallrahmen in der Größe eines Whatmanbogens, einer Glasscheibe, einer Glühbirne. Deren Licht strahlte von unten erst durch die Scheibe, dann durch einen Bogen mit schöner Zeichnung – den wohl ein älteres Semester zur Verfügung gestellt hatte –, dann durch einen leeren weißen Bogen. Von oben war die Zeichnung eben noch zu sehen. Das Weitere des Verfahrens lässt sich denken. Man pauste. Was sonst? Wir wüssten heute nicht, welche Blüten das permanente Repetieren des Historischen an der Technischen Hochschule trieb, hätte nicht Posener 1931 in einem Aufsatz der Zeitschrift »Die Baugilde« und 1990 in seinen Memoiren davon erzählt. Einer der Aktivisten unter den Professoren, deren Lehre zu genießen Zweigenthal das Vergnügen hatte, vermutlich im Wintersemester 1923/24 und Sommersemester 1924, war der Architekturhistoriker Friedrich Seeßelberg. Dieser hatte 1903 zu den Gründern des Bundes Deutscher Architekten (BDA) gehört, war 1911 dem Ruf auf die Stelle des Ordinarius für »Philosophie der Baukunst« und für »Raumkunst« gefolgt, war 1914 trotz seines Alters von dreiundfünfzig Jahren in den Weltkrieg gestürmt, hatte 1926 ein Buch über die technischen und taktischen Finessen des Stellungskriegs in den Handel gebracht und würde sich 1927 zur Ruhe setzen. Seeßelberg, so wissen wir durch Poseners zwei Berichte, mochte den Augen und Händen seiner Studenten nicht trauen; er mochte nicht glauben, dass sie fähig waren, gotische Gewölbe sauber zu Papier zu bringen. »Wir waren etwa vierzig in der Klasse Mittelalter«, heißt es bei Posener, »und Seeßelberg ging unermüdlich von einem zum nächsten und zeichnete auf jedem Bogen etwa zehn Minuten lang. Das heißt, wir warteten den besseren Teil des Tages darauf, daß der Professor kam und diese Striche auf unserem Bogen zeichnete.« Vorprüfung mit Egon Eiermann Die klügeren Studenten werden unter dieser Art Unterricht gelitten und sich anderswo gebildet haben. So auch Zweigenthal und Eiermann, die schon im ersten Semester ihres Studiums, also im Winter 1922/23, einer dem andern begegnet waren und bald Freundschaft geschlossen hatten. Sie teilten, außer dem Jahr ihrer Geburt, die Leidenschaft für die Zeichenkunst, die Passion für das Theater und die seltene Fähigkeit, ihr Können auf den Markt zu tragen. Man stelle sich vor: Der kaum zwanzig Jahre alte Zweigenthal stand Anfang 1924 beim Deutschen Opernhaus Charlottenburg für die Bühnenbilder einer Inszenierung von Giacomo Puccinis Oper »Der Mantel« unter Vertrag; der kaum zwanzig Jahre alte Eiermann stand Ende 1924 bei der Universal Film Aktiengesellschaft (UFA) für die Bauten des Films »Der rosa Diamant« von Rochus Gliese unter Vertrag. Selbst die Themen der Oper und des

Hermann Zweigenthal, Salvatorkapelle, Supraporte, Zeichnung, 1924

Filmes haben eine gewisse Verwandtschaft, geht es doch bei Puccini wie bei Gliese um Verbrechen aus liebender Leidenschaft. Vermutlich zwischen Mitte September und Mitte Oktober 1924 hielten sich Zweigenthal und Eiermann gemeinsam in Wien auf. Eier­ mann war Gast bei den Zweigenthals, deren Wohnung noch immer im Haus Sterngasse 11 lag. Von hier aus werden die Studenten die Kapitale Österreichs erkundet haben; Zweigenthal wird Eiermann – bei aller Distanz zu dem, was er für Provinz hielt – die Schätze seiner Heimat gezeigt haben, all die Gebäude und Gemälde, die er mochte. Vor allem werden sich die beiden jungen Herren in das »Musik- und Theaterfest der Stadt Wien« gestürzt haben, jenen Vorläufer der »Wie­ ner Festwochen«, der den Bezirk Innere Stadt vier Wochen lang im Licht künstlerischer Ereignisse strahlen ließ. Sie werden im Rathaus die von Oskar Katann besorgte Ausstellung »Das volkstümliche Theater Wiens seit 150 Jahren«, in der Albertina die von Joseph Gregor besorgte »Aus­ stellung moderner Theaterkunst« und im Konzerthaus die von Friedrich Kiesler besorgte »Internationale Ausstellung neuer Theatertechnik« be­ sucht haben. Während die Albertina Arbeiten der von Max Reinhardt für sein Deutsches Theater Berlin engagierten Szenographen bot – fer­ ner Entwürfe Enrico Prampolinis und Natalija Sergejewna Gontscha­

rowas, die zur Avantgarde jener Jahre zählten –, bot das Konzerthaus neben vielem andern mit der Kieslerschen »Rundbühne« ein Holz- und Stahlgestell, das allerdings die Akteure, wie ein Kritiker notierte, an den Rand von Szene und Drama zu drängen drohte. Anlass für Zweigenthals und Eiermanns Aufenthalt in Wien war jedoch nicht ihr kulturelles Interesse an Museum und Theater, auch nicht der zwanzigste Geburtstag Eiermanns, den sie am 29. September gefeiert haben werden. Anlass war vielmehr: ein Examen. Die Studie­ renden der Architektur an der Technischen Hochschule Berlin muss­ten sich nach vier Semestern einer harten Prüfung unterziehen, zu der auch die peinliche Aufnahme eines Gebäudes gehörte. Während andere für diese Aufgabe in Berlin blieben oder in die nähere Umgebung fuhren – wenn sie nicht gleich nach früheren Zeichnungen älterer Semester suchten, um diese Blätter zu pausen –, hatten sich die beiden Freunde etwas Besseres, Schöneres einfallen lassen und für die bauliche Aufnah­ me, sicher auf Anregung Zweigenthals, das Portal der Salvatorkapelle ins Auge gefasst. Nun traten sie aus dem Haus Sterngasse 11, zogen nach links, ka­ men nach kaum sechzig Schritten an die Fischerstiege, gingen deren breite Stufen hinauf, standen in der Salvatorgasse und schauten auf die STUDIUM IN BERLIN 1922–1927

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Studenten im Poelzigschen Seminar »Entwerfen von Hochbauten«, hinten links, die Arme verschränkt, Hermann Zweigenthal, 1927

Bauten der andern Seite dieser schmalen Straße, auf den Eingang der kleinen Kirche. Die Klinken, die Drücker, die Türen, die Pfosten, die Säulen, die Friese, der Rundbogen mit dem Relief des herrschenden Sohnes und der flehenden Mutter innen, mit den beiden Wappen tragenden, männlichen Figuren außen: Alles von diesem Reichtum, alles von diesem Stück Architektur der Renaissance mit lombardischen Elementen – »Consecratu Salvatori Nostro Iesu Christo« lauten die Lettern auf der Tafel über den Türen – musste von Zweigenthal und Eiermann durch mehrere Zeichnungen zu einer nicht allein im Maßstab treuen, sondern auch sonst genauen Darstellung gebracht werden. Doch trotz des Akademismus ihrer Präsentation, die den Blättern eines Lehrbuchs aus dem sechzehnten Jahrhundert gleicht, bereitet einerseits die Exaktheit der Konturen, anderseits der durch feine Schraffur erreichte, plastische Charakter eines jeden der vielen Details und Dekors noch dem heutigen Betrachter ein gewisses Vergnügen. Professor Emil Rüster nahm die Zeichnungen am 4. November 1924 mit seiner Unterschrift ab. Zweigenthal und Eiermann hatten den Sprung aus der »Unterstufe« in die »Oberstufe« des Studiums geschafft. Bei Hans Poelzig Mit diesem Sprung trat eine Person in das Leben des jungen Zweigen­thal, die den vielleicht größten Einfluss auf seine Idee und sein Konzept nicht allein von Architektur, sondern auch von Theater, die den vielleicht größten Einfluss auf sein Entwerfen und Gestalten überhaupt haben würde. Nicht dass Zweigenthals spätere ästhetische Artefakte – ob 22

Häuser, ob Möbel, ob Bühnenbilder – im Schatten dieser einen Person stehen würden; aber immer würden sie von der Lehre dieses einen Lehrers geprägt werden. Dieser Mann war, nach Jahren in Breslau und Dresden, 1920 nach Berlin gekommen, war 1923 auf eine Professur an der Technischen Hochschule der Hauptstadt berufen worden und bot dort seit 1924 sommers und winters ein für Studenten des fünften bis achten Semesters gedachtes Seminar unter dem Titel »Entwerfen von Hochbauten« an. Von Mitte 1924 bis Mitte 1925 fand es statt: donnerstags und freitags von 11h00 bis 17h00 in Räumen des Hauptbaus der Technischen Hochschule. Von Mitte 1925 bis Mitte 1927 fand es statt: erst donnerstags und freitags von 11h00 bis 17h00, dann mittwochs, donnerstags und freitags von 10h00 bis 16h00 in Räumen mit der Nummer 169 am Rande des großen grünen Hofes der Vereinigten Staatsschulen für Freie und Angewandte Kunst. Deren Gebäude lag an der Hardenbergstraße, um die Ecke vom Knie und hinter der Technischen Hochschule. Den Umzug vom einen zum andern Haus hatte der im Kulturellen wie Politischen agile Professor gewollt, weil unter der Direktion des Architekten und Designers Bruno Paul an den Vereinigten Staatsschulen eine Stimmung herrschte, die einem moderaten Modernismus – bis dahin an keiner Berliner Lehrstätte bekannt – zum ersten Mal die Wege bahnte. Von diesem Klima der Produktivität und Kreativität sollten offenbar auch Studierende der Technischen Hochschule profitieren. Keine Frage, dass hier die Rede ist von: Poelzig. Auf dem Foto, das August Sander 1928 für sein Buch »Antlitz der Zeit« von ihm machte, sieht man nicht den schäumenden Baumeister noch den vitalen Professor.

Hofbau Vereinigte Staatsschulen für Freie und Angewandte Kunst Berlin, Grundriss erstes Obergeschoss mit dem für das Poelzigsche Seminar genutzten Hörsaal 169, 1930er

Wären da nicht die Tolle, die Brille, die Fliege, die Brasil, man würde diesen Herrn, um es in der Sprache jener Jahre zu sagen, für eine »durchgeistigte Persönlichkeit« halten, die er auch war. Um das Charisma des Professors rankten sich allerlei Geschichten. Seine Studenten zitierten schöne Sätze aus seinem Munde. Sie handeln vom Wesen der Architektur und vom Beruf des Architekten. Etwa: »Das Dingel hat was.« Oder: »Da is Musike drin.« Oder: »Kinder, ihr könnt alles machen, es muß nur richtig sein.« Oder: »Warum machste denn det? Det kannste doch!« Oder: »Ihr sollt doch plagiieren. Denkt ihr denn, ich tue es nicht?« Oder: »Das ›geistige Eigentum‹ ist eine dumme Erfindung. Das gibt es gar nicht.« Trotz der Tatsache, dass die Vorgänge im Poelzigschen Seminar sich am besten anhand der Berichte über das »Schlachtfest« genannte Verfahren der Aufnahme und über den Ablauf einer Sitzung erklären, lässt sich das Vorgehen im Seminar »Entwerfen von Hochbauten« – vorläufig – auch unter ein paar flexible Maximen stellen: Musikalität / Jeder nach seiner eigenen Fähigkeit / Jede Aufgabe als neue Aufgabe / Keine Lehre von Kunst / Keine Lehre von Stil / Keine Methode / Keine Routine / Kein Prinzip / Kein Kanon / Vermeidung eines bestimmten Architekturvokabulars, gleich ob historisch oder modern definiert / Synthese von reduzierter Tradition und kontrollierter Modernität / Erlaubnis zu reflektierten Plagiaten, aber keine Kopie und kein Zitat der Bauten Poelzigs / Präferenz praktischer Probleme / Lehre als Schauspiel, Seminar als Theater / Eros. Betrachtet vor dem Hintergrund der heutigen Entwicklung – die vom Studierenden der Architektur vor allem verlangt, sich den

Interessen des »freien Marktes« zu fügen –, ist die Existenz einer erotischen Komponente im Verhältnis von Lehrer und Schüler, von Schüler und Lehrer etwas äußerst Fremdes. Indes legen schriftliche Zeugnisse nahe, dass Poelzig diesen Eros hatte. So würde Joachim Matthaei von dessen »Ausdruck der Augen, Ausdruck der Stimme, Ausdruck der Hände« als dem »Ausdruck einer großen Güte« sprechen. Als der schon erwähnte Professor Friedrich Seeßelberg Ende 1930, gut drei Jahre nachdem er in Pension gegangen war, in seinem Aufsatz »Die Totalität des baulichen Gestaltens« die Grundlagen des Poelzigschen Seminars kritisierte, trauten die längst in Brot und Lohn stehenden, früheren Studenten Professor Poelzigs – darunter natürlich auch Zweigenthal – ihren Augen und Ohren nicht. Emeritus gab sich als Progressiver. Er, der die Dritt- und Viertsemester leere Hülsen hatte zeichnen lassen, schwärmte nun vom »Draufgängerischen«, vom »Verschwenderischen«, ja vom »Faustischen«, das die Studenten unter der Führung des Meisters verlören. Von so wilder Freiheit hielten Poelzigs Schüler wenig; sie präferierten das Regulativ der Autorität. Julius Posener konterte Seeßelberg, sicher nicht ohne vorher andere Meinungen erkundet zu haben, in seinem Aufsatz »Zur Reform des Hochschulstudiums« Anfang 1931: »Sie werden die Jugend nicht auf Ihrer Seite sehen, Herr Geheimrat, wenn Sie zur Selbständigkeit gegen die ›großen Männer‹ aufrufen. Ein junger Mann ist immer noch lieber an einem ›Großen‹ zugrunde gegangen, als daß er sich dazu verstanden hätte, unter freundlicher Leitung ›sich selbst zu suchen‹.« STUDIUM IN BERLIN 1922–1927

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Vom »Schlachtfest« und dem Ablauf einer Sitzung Zweigenthal hätte sich die Sache leicht machen können. Er hätte, ab Herbst 1924, die Entwurfslehre sei es von Erich Blunck, sei es von Emil Rüster, sei es von Friedrich Seeßelberg besuchen können. Diese Herren nahmen jeden auf; eine Prüfung gab es nicht. Dann und wann waren Blunck, Rüster und Seeßelberg in eigene Projekte außerhalb der Technischen Hochschule involviert; doch ihre Architektur war historisierend, idyllisierend, fern vom Rang eines Paul Mebes und Paul Emmerich, erst recht fern von dem, was damals in der Metropole Berlin für Regung und Spannung sorgte. Zweigenthal ging folglich zu Poelzig, der zum Ärger seiner Kollegen seinen Unterricht durch einen Numerus clausus vor weniger begabten Studenten schützte. Das Poelzigsche Seminar hatte nie mehr als gut zwanzig Teilnehmer; Semester für Semester durften nur so viele Neue kommen, wie Alte gingen. Die Bewerber mussten eine Mappe mit Zeichnungen einreichen. Dabei war die Skizze eines erträumten städtischen oder ländlichen Gebäudes so willkommen wie die Graphik einer Skulptur, einer Szene, eines Dekors. Wenn Poelzig die Blätter mochte – wenn er spürte: »Da is Musike drin« –, dann bekamen die Bewerber die Aufgabe, ein Gebäude mit vagem Thema und Programm zu entwerfen und wurden zum »Schlachtfest« geladen. Bei aller Ironie, schon der Name avisiert Konkurrenz, Dynamik, Passion. Jahre später würde Eiermann, in einer teils eher launigen Vorlesung vor Studenten der Technischen Hochschule Karlsruhe, von einem »Ausscheidungsverfahren« sprechen, bei dem die älteren Seminarteilnehmer die jüngeren Seminarbewerber in großer Runde streng geprüft hätten, ohne dass Poelzig auf diesen Vorgang irgend Einfluss gehabt habe. Die Härte des Ganzen würde Eiermann mit Worten wie »Reinpassen« und »Rausboxen« beschreiben. Die Härte des Ganzen wird aber auch in zwei Anekdoten deutlich, die erste von Klaus Müller-Rehm, die zweite von Helmut Hentrich hinterlassen. Erste Szene: Albert Speer bewirbt sich im Herbst 1925 um Aufnahme in das Poelzigsche Seminar. Er reicht seine Mappe ein; er hört nichts von Poelzig; er bittet Zweigenthal, Poelzig um Antwort zu bitten. Zweigenthal: »Meister, bei dem Schlachtfest vor zwei Tagen hat sich auch ein gewisser Speer beworben. Darf ich Sie fragen, ob Sie die Mappe gesehen haben?« Poelzig: »Ja!« Zweigenthal: »Darf ich nach Ihrer Entscheidung fragen?« Poelzig: »Mein lieber Junge, ich will Dir mal was sagen: Aus einem Arsch kommt immer nur Scheiße!« Konsequenz: Speer wird kein Poelzigschüler. Zweite Szene: Helmut Hentrich bewirbt sich im Herbst 1926 um Aufnahme in das Poelzigsche Seminar. Er reicht seine Mappe ein; er bekommt die Aufgabe, einen Pavillon für einen nordischen Staat auf einer großen Ausstellung zu entwerfen. Die Blätter werden von den 24

Charlotte Berend-Corinth, Portrait Hans Poelzig, Gemälde, 1926

Seminarteilnehmern »vernichtend« kritisiert, weil sie »dynamische Architektur« liefern statt den »puristischen Theorien« des Bauhauses zu folgen, das wenig später seinen Neubau in Dessau bezieht. Einer der stärksten »Gegner« heißt Richard Paulick. Er ist ein Student mit Status, damals auch in Dessau tätig, dort mit dem Planen und Bauen eines Hauses ganz aus Stahl befasst und mit Marcel Breuer wie mit Georg Muche auf Du und Du. Nach Paulick nimmt sich Poelzig das Wort. Er nennt die Arbeit »interessant«, hält den Pavillon für »lebendig«. Konsequenz: Hentrich wird Poelzigschüler. Erst zwölf, dann achtzehn und mehr Stunden pro Woche verbrachten die Studenten in dem sie prägenden Seminar. Im Rhythmus von einer, zwei, drei oder vier Wochen forderte der Meister von den Schülern das Entwerfen erst von ein-, dann von mehrräumigen Anlagen. »Die Aufgaben wechselten in bunter Folge«, würde Joachim Matthaei schreiben. Die Laube, das Wohnhaus, die Villa; das Büro, die Fabrik, das Depot; das Kino, das Theater, das Museum; die Arena, das Stadion; die Garage, die Anlage technischer Versorgung; selbst der Ballsaal im Dampfschiff und das Affen- oder Pfauenhaus im Zoo: Die ganze Typologie der Architektur kam auf den Tisch. Zur Darstellung gehörten Risse, Schnitte und in den meisten Fällen auch attraktive Perspektiven vom Äußeren wie Inneren des geplanten Gebäudes. Es gab lange Tage des

ten Ideen und Konzepte hatte, durfte seinem Stück virtueller Architektur in Ton, Gips oder Wachs zu besserer Darstellung verhelfen. Aber auch dann, wenn schon ein Modell gebaut worden war, kam es noch vor, dass Poelzig das Projekt als solches verwarf und dass der arme Student – auf ›Los!‹ geschickt – mit einem neuen Entwurf in ein neues Rennen sich wagen musste. In aller Regel hatte ein Schüler seinen ersten Entwurf erst nach einem halben, wenn nicht ganzen Jahr zu solcher Reife gebracht, dass Poelzig das »Dingel« für durch und durch fertig hielt. »Wieviel Mühe«, würde Schwennicke später schreiben, »aber auch welch Stolz, wenn dann der Meister sein Signum endlich – und das tat er erst beim Einreichen zum Examen – unter die Arbeit gesetzt hatte!«

Hans Poelzig, »Der Architekt«, Seite mit Widmung, 1931

Diskutierens und Korrigierens. Dazu wurden, wie die Rollen mit den Plänen in die Hände fielen, sämtliche neueren Entwürfe an die Wand gehängt. Nun forderte Poelzig Engagement und Temperament. Im ers­ ten Schritt musste der Verfasser eines Entwurfes sein Werk erläutern. Im zweiten Schritt mussten der linke und der rechte »Plannachbar« sich zum Werk in der Mitte äußern. Im dritten Schritt durfte jeder, der reden wollte, das Seine sagen. So gelangten die Studenten vom einen zum nächsten der Projekte; noch dem letzten Schaublatt wurde dieselbe Sorgfalt wie dem ersten zuteil. »Dummes Zeug zu reden«, würde CarlHeinz Schwennicke schreiben, »verbot die Gegenwart der sehr kritischen Zuhörer«, unter denen sich stets Stimmen eines lauten Ja wie eines lauten Nein fanden. Aus der Schar der Köpfe stieg ein blauer Faden mählich unter die Decke; Poelzig mochte den Geschmack einer guten Brasil. Mit seiner Meinung hielt er sich lange zurück. Erst am frühen Abend, erst am Schluss der Sitzung – die der Professor Stunde um Stunde geführt hatte, ohne dass die Studenten es gemerkt hatten – kam er damit heraus, energisch und sensibel mit ein und denselben Worten. Keinem Entwurf gab er eine Note; doch ließ er jeden Schüler wissen, ob es sich lohne, seine Risse und Schnitte weiter in die Hand zu nehmen. Nur wer die Empfehlung zur Entwicklung seiner im Wettbewerb gestähl-

Kandidaten der Architektur Vier solcher größeren Entwürfe musste ein Student der Technischen Hochschule gefertigt haben, bevor ihm der Status des Diplomanden gewährt wurde. Dem Kandidaten der Architektur stand dann ein rigides Examen bevor: Er musste binnen drei Monaten einen fünften großen Entwurf mit freiem Thema und Programm von der ersten Skizze zu dem letzten Detail führen; er musste dreimal sechs Stunden aus dem Stegreif kleinere wie größere Gebäude entwerfen; er musste dreimal sechs Stunden in Sachen Material, Konstruktion und Infrastruktur von Gebäuden Rede und Antwort stehen. Zweigenthal war seit Ende 1926 mit dem Examen beschäftigt. Sein ›fünfter‹ Entwurf war der des Inneren eines Theaters, das auf einem Grundstück am oberen Berliner Kurfürstendamm errichtet werden sollte. Das Interieur sollte die seit dem neunzehnten Jahrhundert diskutierte Opposition von hier aristokratischem Logentheater, dort demokratischem Amphitheater in praxi und in situ lösen. Im Tresor des Archivs der heutigen Technischen Universität Berlin lagern zwei Folianten: »Studierende. Bd. VII 1914–1922/23« und »Studierende. Bd. VIII 1923–1928«. Nummer und Name, Geburtsjahr und Geburtsort der Studenten stehen auf den linken, Testate auf den rechten Teilen der Doppelseiten. Alles wurde von Händen notiert, die Übung in Schönschrift hatten. Demnach begann für Fritz Lazarus, geboren 1903 in Lübtheen / Mecklenburg, für Richard Paulick, geboren 1903 in Roßlau / Anhalt, und für Hermann Zweigenthal, geboren 1904 in Wien, die letzte Prüfung am 16. Juli 1927. Die jungen Herren hatten bei Poelzig studiert. Sie würden zwei Jahre später – beim Bau einer höchst modernen Garage – einer mit dem andern Tag für Tag zu tun haben. Und einem von ihnen würde am 3. Juli 1931 ein Heft mit dem Text eines Vortrags unter dem Titel »Der Architekt« zum Geschenk gemacht werden. Die Widmung lautet: »Dem lieben Hermann Zweigenthal in alter Freundschaft«. Dann die markante Signatur: »Poelzig«. STUDIUM IN BERLIN 1922–1927

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4  LEBEN UND BERUF IN BERLIN 1922–1933

Der Wiener Sommer war vorbei; Hermann Zweigenthal machte sich auf den Weg. An einem der Tage nach dem 22. und vor dem 30. September 1922 fuhr sein Zug von Wien via Prag / Dresden / Leipzig nach Berlin. Letzter Bahnhof war der Anhalter Bahnhof. Das riesige, in Dampf und Ruß getauchte Gebäude mit dem klassischen Portikus lag an einer hoch frequentierten Magistrale, auf der Stunde um Stunde Menschen, Pferde, Wagen – dann und wann auch ein Automobil – sei es in Richtung Potsdamer Platz, sei es in Richtung Belle-Alliance-Platz strömten. Auf halbem Wege zwischen dem Anhalter Bahnhof und dem Hebbel-Theater stand ein Haus, in dessen weitem Hof die Kirche der Evangelischen Böhmisch-Mährischen Brüdergemeinde trotz ihrer Größe um ihre Würde bangen musste. Hier – unter der Adresse Königgrätzer Straße 91 – fand der kaum achtzehn Jahre alte Student seine erste Bleibe. Verglichen mit der heimischen Sterngasse war es eine laute Gegend, die der junge Mann schon wenig später verließ. Ab dem 1. November 1922 wohnte er zur Untermiete bei einem Koch mit Namen E. Lauer, IV. Obergeschoss, Hohenstaufenstraße 53, Ecke Martin-Luther-Straße. Anfang 1927 jedoch, zur Zeit seines Diploms an der Technischen Hochschule Berlin, hatte Zweigenthal längst eine neue »Bude«, die vielleicht schon keine bloße »Bude« mehr war. Immerhin stand das Haus Giesebrechtstraße 6 in nächster Nähe des auf Eleganz bedachten, oberen Kurfürstendamms. Wer den Charakter von Berliner Quartieren und Bezirken kennt, der ahnt, welche Bedeutung die Umzüge erst von Kreuzberg nach Schöneberg, dann von Schöneberg nach Charlottenburg hatten. Sie waren nicht allein Wechsel von jener in diese Wohnung, sondern auch Schritte auf dem Weg in neue, fremde Kreise, wo Zweigenthal Mitglieder der höheren Berliner Gesellschaft zu begegnen hoffte. Schon für den Studenten, der fiktive Figuren wie Eugène de Rastignac und Julien Sorel zu Spiegeln der Entwicklung des eigenen Bewusstseins gewählt hatte, war soziale Distinktion keine Nebensache. Dorothee Liepmann Es traf sich folglich auf das Schönste, dass er, wohl im Januar oder Feb­ ruar 1923, im Fernzug mit einer jungen Frau ins Gespräch kam, die 26

Familie Hugo und Agathe Liepmann, Anfang 1920er

sich auf eine Reise in die deutschen Alpen gemacht hatte und beim Wuchten ihres Koffers das Fenster des Abteils in Stücke hatte gehen lassen. Zweigenthal spielte den Kavalier und stellte sich vor die Scheibe, damit der Schaffner nur nicht sähe, was für ein Malheur passiert war. Die Aussicht auf eine hohe Rechnung für den Ersatz des Schadens hätte der jungen Dame im Urlaub alle Freude geraubt. Ihr Name: Dorothee Liepmann, geboren 1900 als drittes von vier Kindern des renommierten Neurologen und Psychiaters Hugo Liepmann (1863–1925) und der Agathe Liepmann (1871–1933), Tochter des Bankiers Julius Bleichröder. Aufgrund der Herkunft der Mutter waren die Liepmanns nicht ohne Wohlstand. Seit den zehner Jahren wohnten sie im Haus Ahornstraße 1, Ecke Maaßenstraße, heute Einem­straße. Die Gegend südlich des Lützowplatzes und nördlich des Nollendorfplatzes widersprach dem Klischee vom Berliner Häusermeer. Obgleich viele der stattlichen Gebäude des Alten Westens als

und beim Binden von Büchern. Einige Arbeiten aus ihrer Werkstatt wurden auf einer Messe in Leipzig gezeigt und brachten ihr sogar diesen oder jenen Auftrag. Derweil blieb sie in Kontakt mit dem Mann, der sie vor einer Rechnung der Deutschen Reichsbahn bewahrt hatte. Sie lud ihn zum Fünf-Uhr-Tee in die Villa ihrer Eltern und zur Ruderpartie nach Potsdam. In Briefen heißt es 1923 »Sehr geehrter Herr Zweigen­ thal!«, 1925 »Lieber Hermann!«, 1927 »Mein Liebling!«. Am 12. März 1928 wurden Hermann Zweigenthal und Dorothee Liepmann standesamtlich getraut; Zeugen der Trauung waren einerseits Hans Liepmann, der Jüngste unter den vier Kindern, anderseits Adele Schreiber, die als Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) wie als Mitglied des Deutschen Reichstags für die Rechte der Frauen kämpfte. Die liebenden Vermählten zogen in das Haus Königin-Augusta-Straße 53, das am südlichen Tiergarten und schräg gegenüber der Villa von der Heydt stand. Hierher war Agathe Liepmann nach dem Tod ihres Gatten Hugo Liepmann gezogen. Und hier richtete Architekt Zweigenthal sein erstes Büro ein.

Dorothee Liepmann, Ende 1920er

Ambassaden und Konsulate genutzt wurden, waren dort die Ränder der Straßen noch immer von Villen und Gärten geprägt. Auch das Liepmannsche Anwesen hatte eine Terrasse, eine Pergola und einen großen Garten mit Brunnen. Liebster Ort der Familie war die Bibliothek des Hauses. Man war von liberaler Contenance; man war gesprächig und gesellig; man mochte das Kommen und Gehen von Gästen. Zu den besten Freunden der Liepmanns zählten der Philosoph Georg Simmel und dessen Frau Gertrud Simmel, die unter Pseudonym für weibliche Belange stritt. Dorothee Liepmann hatte schon als Mädchen Unterricht im Zeichnen und Malen genommen. Mit dem Älterwerden spürte sie, dass ihr Talent zum freien Künstler nicht reichen würde. Sie suchte daher die Verbindung des Künstlerischen und Gewerblichen, kaufte einen großen Webstuhl, webte im Hause ihrer Eltern Stoffe nach eigenen Entwürfen, schulte ihre Hände aber auch im Umgang mit Papier, Leder

Berliner Gedränge In mancher Hinsicht lässt sich das Berlin von Anfang 1928 kaum noch mit dem von Ende 1922 vergleichen. Als Zweigenthal aus dem Portikus des Anhalter Bahnhofs in das Gewühl der Menge trat, hatte er Hoffnung noch und noch. Er dachte, in Berlin werde alles anders, alles besser sein als in Wien. Die Wahrheit jedoch war, dass die Hauptstadt der Deutschen die Niederlage des Kaiserreichs auch vier Jahre nach Ende des Krieges nicht vollkommen verwunden hatte. »Mein Vorsatz ist, euch für die Republik zu gewinnen und für das, was Demokratie genannt wird, und was ich Humanität nenne.« Mit diesen Worten hatte Thomas Mann in seiner Rede »Von deutscher Republik« am 13. Oktober 1922 im Beethovensaal des Berliner Philharmonischen Orchesters an der Köthener Straße für die neue staatliche Verfassung geworben. Wie wenig seine Haltung damals geschätzt wurde, zeigte die Resonanz der Medien, die den Autor als »Verräter« beschimpften. Auch der Alltag des nächsten Jahres trug nicht dazu bei, die Republik zu festigen. Vielmehr nahm 1923 die Katastrophe der Inflation ihren Lauf. Im Wäschekorb wurden die Geldscheine aus den Bankhäusern getragen; kein Schein hatte noch Wert. In einem Theater im Bezirk Steglitz kostete der billigste Platz zwei Eier, der teuerste ein Pfund Butter. Dies und die Pflicht, Woche für Woche etwa vierzig Stunden in den Zeichensälen und Arbeitsräumen der Technischen Hochschule am Knie zu verbringen, wird den Alltag eines Studenten wie Zweigenthal eine ganze Weile stärker bestimmt haben als das Verlangen nach Vergnügen in Theater und Kino, Museum und Café. Allein, den Traum vom Leben als Künstler wird der junge Mann bewahrt haben. Wohl LEBEN UND BERUF IN BERLIN 1922–1933

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während dieser frühen Jahre in Berlin und wohl ohne Auftrag entwarf Zweigenthal – oder war es seine Freundin Dorette? – den Einband für ein Buch von Carl Spitteler. Die Arbeit galt einem Frühwerk des Schweizer Autors, der 1919 den Nobelpreis erhalten hatte und 1924 verstorben war. Es hieß »Prometheus und Epimetheus« und war einerseits die Geschichte zweier Brüder, anderseits die Geschichte eines Künstlers gegen einen König. Die Graphik zeigt entflammte Fackeln für den Individualisten Prometheus, verdorrte Zweige für den Konventionalisten Epimetheus: ein starker Hinweis auf das, was Zweigenthal werden und was er nicht werden wollte. Die Stimmung Berlins während jener Handvoll Jahre, die noch im­mer gern »Golden Twenties« oder »Roaring Twenties« genannt werden – im Grunde nur die Zeit von 1924 bis 1928 –, beschrieb niemand so genau wie ein Mann, der wie Zweigenthal in den ersten Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts geboren worden war, der wie Zweigen­ thal Jahre in Wien verbracht hatte, der wie Zweigenthal den Umgang mit Schauspielern und Schriftstellern mochte, der wie Zweigenthal mit den Akteuren des Berliner Theaters am Schiffbauerdamm zu tun hatte. Die Rede ist von Elias Canetti, der im Sommer 1928 und im Sommer 1929 in Berlin weilte. In seinen Memoiren unter dem Titel »Die Fackel im Ohr« wird Wien im Sozialen mit »Sterilität«, im Kulturellen mit »Hygiene« assoziiert; Berlin aber steht dort für die Launen des Neusten vom Neusten, für das Spielen mit Rollen und Namen, für das Sich-Gehen-Lassen und Sich-Zeigen-Müssen, für die Wonnen der »Berührung« und »Vermischung« von allen und allem, für das Leben einerseits in Cliquen, Logen, Zirkeln, anderseits unter permanenten Konkurrenten. »Jeder Einzelne, der etwas war, schlug mit sich auf die andern los. Ob sie ihn verstanden, blieb fraglich, er verschaffte sich Gehör, es schien ihn nicht zu stören, daß andere sich auf andere Weise Gehör verschafften. Geltung hatte er, sobald er gehört worden war, und nun mußte er weiter mit sich drauf losschlagen, um nicht verdrängt zu werden.« Das Resultat dieser extremen Existenz, so Canetti, waren »Bücher, Bilder, kreuz und quer«. Man könnte auch sagen: Kunst. Vom Poelzigschen Seminar zur Gruppe Junger Architekten Von großer Bedeutung für Zweigenthals Entfaltung als Entwerfer und Gestalter war die Gruppe Junger Architekten (GJA). Sie war weit mehr als ein Klub von Leuten, die sämtlich bei Hans Poelzig studiert hatten, gern über neue Bauten sprachen und gern über »bauliche Gesinnung« stritten. Sie hätte vielmehr die intramoderne Modernekritik der Zeit um 1930 in die Praxis führen können, wenn nicht das Jahr 1933 diese Möglichkeit der Vermittlung zwischen dem Pol der »Avantgarde« und 28

dem der »Tradition« vernichtet hätte, indem es die Mitglieder der GJA eines nach dem andern aus der Bahn warf, sie alle zur Hochspannung von Anpassung oder Widerstand zwang und viele durch solche Nötigung in gleich welche Richtung viele ihrer Eigenschaften und Fähigkeiten verloren: eine Historie mit dramatischen Konsequenzen für die Architektur beider deutscher Staaten nach 1945. Fundament der GJA war zweifellos das Poelzigsche Seminar, das Charisma des Professors, das Fluidum der Enklave an der Technischen Hochschule Berlin. Die Prägung der Schüler durch den Lehrer war umso größer, als sie bei niemand anders das »Entwerfen von Hochbauten« lernten und vom fünften bis achten Semester jede Woche achtzehn Stunden und länger unter dem Einfluss des »Meisters« standen. So wurde die Schülerschaft zur Bruderschaft, deren Bande auch nach dem Diplom nicht rissen. Ohne Ironie konstatiert Julius Posener: »Wir hielten uns für eine Elite.« Ihm und Helmut Hentrich verdanken wir die Schilderung von Umständen aus dem Frühjahr 1926, die – vermutlich – den Ausschlag für die Gründung der GJA gaben. Unter Führung der Fachschaft Architektur forderten die Studenten seinerzeit die Berufung eines weiteren Professors für Entwerfen; die Jüngeren wollten Ludwig Mies van der Rohe, die Älteren Heinrich Tessenow gewinnen. In der »Bewegung von 26« wagten die Studenten auch die Bestimmung neuer Lehr- und Lernziele für die Unter- wie für die Oberstufe. Zwar sorgten die studentischen Aktionen für einige Erregung in Hörsälen und Sprechzimmern; doch blieb der Protest im Großen und Ganzen ohne Erfolg. Bis auf die Berufung Tessenows. Und bis auf die Tatsache, dass ohne die »Bewegung von 26« wohl keine GJA je in Erscheinung getreten wäre. Schon der Ort, wo sich die GJA seit Mitte oder Ende 1926 Woche für Woche traf, war nicht allein Ort, sondern auch Botschaft. Denn an den kleinen Marmortischen des Romanischen Cafés nahe der KaiserWilhelm-Gedächtnis-Kirche saßen Journalisten und Literaten, Charaktere aus den Schauspiel- und Lichtspielhäusern und wer immer glaubte, das Talent zu haben, eines schönen Tages in der Kultur eine große Rolle zu spielen. Vielleicht ohne dass sie es einer dem andern sagten, träumten diese Träume auch die eben diplomierten Architekten der GJA. Mitglieder der Gruppe waren: Max Berling (geb. 1904), Hans Brandt (geb. 1903), Egon Eiermann (geb. 1904), Günther Hafemann (geb. 1902), Rudolf Hamburger (geb. 1903), Fritz Jaenecke (geb. 1903), Hans Köhler (geb. 1907), Fritz Lazarus (geb. 1903), Klaus Müller-Rehm (geb. 1907), Karl Otto (geb. 1904), Richard Paulick (geb. 1903), Julius Posener (geb. 1904), Max Säume (geb. 1901), Wolfgang Sand (geb. 1904), Jürgen Schweitzer (geb. 1907), Carl-Heinz Schwennicke (geb. 1901), Camilla Sommer (geb. 1904), Rambald von Steinbüchel-Rheinwall (geb. 1902), Ludolf von Veltheim (geb. 1895), Wolf-Werner Zschimmer (geb. 1902)

Mitglieder der Gruppe Junger Architekten (GJA) bei einem Ausflug, auf beiden Bildern links Hermann Zweigenthal und rechts Richard Paulick, etwa 1930

und: Hermann Zweigenthal (geb. 1904), der nach Ottos Bekunden »Initiator«, nach eigenem Bekunden in den ersten drei Jahren sogar »Präsident« der GJA war. Schwierig war ihr Anfang. Dem Architekten Hans Linow, der in Dresden eine GJA ins Leben rufen wollte, schrieb Jaenecke: »Ich kann Dir nur sagen, daß schon die Gründung nicht sehr einfach ist, weil ein jeder zunächst mal einem jeden misstraut. Als wir dabei waren, die Gruppe zu gründen, wurden wir von vielen Seiten spöttisch belächelt. Man kann auch wohl sagen, daß die ersten beiden Lebensjahre der Gruppe nur höchst negative Resultate hervor brachten. Sie gingen hin in fruchtlosen inneren Kämpfen. Einige traten aus, andere traten ein, der Vorstand wurde geschmäht, abgesetzt, ein neuer gewählt, auch abgesetzt, der alte wieder gewählt.« »Ostpolzug« Auch Poelzig fand sich eher auf Seiten der Spötter, weil er, wie wir von Jaenecke wissen, die GJA zunächst für einen »amüsanten Kinder- oder Schülerverein« hielt, dem vor allem das »Arrangement der Poelzigfeste« am Herzen liege. Auf einem mit fast vierzig Zentimetern fast verrückt langen Streifen Papier lud man 1928 unter einem großen »P« mit Punkt zu einem »Ostpolzug«. In Reim-dich-oder-ich-fress-dich-Versen hieß es: »Am 14. Juli steigt eine Fête / Bis zur Nacht ganz späte, / Und wir laden Dich ein, / Mit dabei zu sein. / Dem Sommer entsprechend / Auf Hundstage rechnend, / Planen wir weise / ’Ne Dampferreise. / Um 5 Uhr nachmittag, / Es ist ja ein Samstag, / Geht die Fahrt ins Glück / Von der Jannowitzbrück’. / Zwar ist an dem Tag, / Wie man wissen mag, / Der Sturm der Bastille. / Das stört uns nicht ville, / Wir halten’s mit

Zille / Mehr mit der Destille. / B und R saufen / Muß man erkaufen, / Auf eig’ne Gefahr / Und nur gegen bar. / Die Fahrt geht die Spree / Hinauf in die Höh’, / Den Ostpol zu finden, / Geologisch zu künden. / Am Abend zurücke / Zur Warschauer Brücke, / Per Hochbahn nach Haus, / Das rechnen wir aus. / Als Kostüm raten wir / Unterm Mantel Shakespeare, / Das heißt wie’s gefällt, / Was ihr wollt in der Welt. / Die Karte ist billig. / Zahl’ 4 Mark willig! / Zu haben tagtäglich, / 5–6 nachmittäglich, / In der Akademie / Am Steinplatze hie!« Es lohnt sich, dieses Stück jovialer, juveniler Literatur genau zu lesen. Da ist nicht nur der Verweis auf den Steinplatz als den Ort, an dem die Vereinigten Staatsschulen für Freie und Angewandte Kunst standen, in deren Garten einerseits das Poelzigsche Seminar der Technischen Hochschule, anderseits das Poelzigsche Meisteratelier der Preußischen Akademie der Künste ihre Räume hatten. Da ist nicht nur eine Lust am Wortspiel, an der Verschiebung von Buchstabe und Bedeutung – »P« wie »Poelzig« und »Ostpolzug« wie »Ostpoelzig« –; da ist auch ein Verweis auf den Skandalautor Arnolt Bronnen, dessen expressives Delirium »Ostpolzug« 1926 am Preußischen Staatstheater Schauspielhaus am Gendarmenmarkt unter Leopold Jessner und mit Fritz Kortner Premiere gehabt hatte. Das wüste, erfolgreiche Monodrama handelt, mit nur einem Akteur in mal dieser, mal jener Rolle, von König Alexander dem Großen auf der Route nach Nepal und von einem Forscher auf dem Wege zur Spitze des Mount Everest. Im Typ des drängenden, stürmenden, jagenden, siegenden Alexander als eines zugleich antiken wie modernen, erobernden wie bezwingenden, unterkühlten wie überhitzten Einzelkämpfers wird sich mancher von den »Kindern« und »Schülern« der GJA erkannt haben. LEBEN UND BERUF IN BERLIN 1922–1933

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Robert Herlth und Walter Röhrig, Bühne »Ostpolzug«, Drittes Bild, »Sprung in Babylons Mitte«, 1926

Die Ausstellung »Poelzig und seine Schule« Nach langem Hin und Her planten die jungen Leute ihren ersten öffentlichen Auftritt für Juli 1929. Aus Anlass des sechzigsten Geburtstags von Poelzig – so schlug die GJA vor – solle in der Preußischen Akademie der Künste zu Berlin eine Ausstellung stattfinden, einerseits mit Entwürfen des Jubilars, anderseits mit Arbeiten von Mitgliedern der GJA und von Studenten des Poelzigschen Seminars an der Technischen Hochschule. Berling, der im Büro Poelzig an so gut wie allen größeren Poelzigschen Projekten der späten zwanziger Jahre beteiligt war, bekam von seinen Freunden den Auftrag, die Sache in die Hand zu nehmen. Ob die Akademie, in deren Sälen das Thema Architektur zwanzig Jahre lang kaum eine Rolle gespielt hatte, von sich aus eine Ausstellung zu Ehren ihres Mitglieds Poelzig in Erwägung zog oder erst durch die GJA auf diese Idee gebracht wurde, darauf lässt sich heute keine klare Antwort mehr geben. Sicher ist allein, dass Poelzig erst darum bat, auch seinen früheren Breslauer, Dresdener und Berliner Schülern einen Platz in der Ausstellung zu gewähren, und dass er dann darum bat, die Ausstellung als Ganze zu verschieben, weil ihm wichtige Gebäude – in Frankfurt am Main der Sitz der IG Farben, in Berlin das Haus des Rundfunks – damals noch nicht fertig waren, also noch nicht von ihrer besten Seite gezeigt werden konnten. Auf beide Wünsche ließ die Akademie sich rasch ein. Allerdings stand die Teilnahme von Mitgliedern der GJA und von Studenten des Poelzigschen Seminars eine Weile auf 30

der Kippe. Im November 1930 hieß es plötzlich, die Ausstellung zu Ehren Poelzigs solle mit einer andern Ausstellung verbunden werden. Um aber neben dem Œuvre Poelzigs weitere kontemporäre Architekturen bieten zu können, müsse man auf die Werke der vielen Schüler des großen Lehrers verzichten. Zum Glück kam es anders. Die Ausstellung »Poelzig und seine Schule« – ein falscher Titel, da Poelzig nie eine Schule wollte, nie eine Schule hatte – blieb frei von Entwürfen, die am Thema vorbeigingen. Vom 7. bis 28. März 1931 konnten sich die Besucher in allen zwölf Sälen des Hauses am Pariser Platz durch ein Dicht-an-Dicht von Skizzen, Plänen, Fotos und Modellen ein Bild von der Arbeit hier des »Meis­ ters«, da der »Jünger« machen. Allein die Gliederung der Ausstellung war eine Huldigung des Jubilars. Poelzigs Schaffen nahm die Folge der Säle 1 bis 4 ein, in Saal 2 die Berliner Gebäude, in Saal 4 das mächtige, ja drohende Frankfurter Verwaltungsgebäude der IG Farben. Links und rechts dieser Sequenz, in den Sälen 5 bis 7 und 10 bis 12, hingen die besten Stücke der schon beruflich tätigen Poelzigschüler. Hinten, in den Sälen 8 und 9, stellten die Studenten des Poelzigschen Seminars ihr Können zur Schau. Von den sechsundvierzig Poelzigschülern, die an der Ausstellung teilnahmen, gehörten fünfzehn zur GJA. Im Katalog zur Ausstellung, einer zwar kleinen, doch an Daten reichen Broschüre, wurden sie durch je zwei Sternchen hinter ihrem Namen auf einen Schlag als Mitglieder dieser jungen »Gemeinschaft« bekannt. Namhafte Kritiker

seiner Schüler kräftig zehre – zu erklären versuchten, betonte Curt Glaser, damals Direktor der Staatlichen Kunstbibliothek, in seinem für den »Berliner Börsen-Courier« verfassten Artikel ebenfalls die objektiven statt der subjektiven Einflüsse auf die Entwürfe derer, die bei Poelzig studiert hatten. Es scheint gar, als ob Glaser sich der Mühe habe unterziehen wollen, die Poelzigschüler aus dem Poelzigrahmen zu holen und die Jungen auf dem Terrain der Architektur des Modernismus zu situieren. Seiner Meinung nach hatte sich die GJA wohl auf den Weg von einem eher durch Funktion bestimmten »Neuen Bauen« zu einer eher durch Ästhetik bestimmten »Neuen Baukunst« gemacht.

Ausstellung »Poelzig und seine Schule«, Grundriss, 1931

verfassten Elogen. Sie galten nicht allein Poelzig, sondern auch den Schülern. Werner Hegemann würdigte ihre »siegreiche Schöpferkraft«, Bruno E. Werner den »festlichen Charakter« ihrer Arbeiten. Blätter wie der »Vorwärts« und die »Vossische Zeitung« glaubten mit Rudolf Schwarz, Architekt der Aachener Sankt-Fronleichnam-Kirche und Direktor der Aachener Kunstgewerbeschule, sowie mit Eiermann und Zweigenthal die besonders Begabten unter den vielen andern erkannt zu haben. Für Zweigenthal war die Verschiebung der Ausstellung von Juli 1929 auf März 1931 sicher ein Glücksfall, gab ihm doch der Verzug die Möglichkeit, drei Projekte mit sehr differenten Spezifika – die Garage an der Kantstraße in Berlin, die Möbel der Wohnung des Schauspielers Lothar Müthel an der Bayernallee in Berlin, die Einrichtung des Schuhhauses Jacoby an der Kaiserstraße in Frankfurt am Main – nicht allein in attraktiven Perspektiven, sondern auch in Fotos vom Zustand gleich nach Fertigstellung zu präsentieren. Wiewohl der Titel »Poelzig und seine Schule« besser durch den Titel »Poelzig und seine Schüler« ersetzt worden wäre, stand doch die Frage im Raum, was die Schüler zur Schule machte. Wer die Ausstellung mehr als nur genießen wollte, wollte erfahren, wo im Ungleichen der Schüler das Gleiche der Schule steckte. Im Katalog notierte Poelzig, die Verwandtschaft der Erscheinung der Gebäude resultiere aus dem Material, der Konstruktion, der Funktion und der »Gesinnung« aller in der Akademie illustrierten Architektur. Während die meisten Kritiker das Phänomen der Kongruenz durch Poelzigs Elan vital – von dem jeder

Julius Posener als Journalist der GJA Fiel es schon einem renommierten Autor wie Glaser nicht leicht, einen Begriff wie »Neue Baukunst« von einem Begriff wie »Neues Bauen« zu trennen und dem Leser deutlich zu machen, warum die Architektur der Poelzigschüler mehr als nur »sachlich« sei, so war es für die Mitglieder der GJA in den frühen Jahren der Gruppe erst recht kaum möglich gewesen, auf den Treffen im Romanischen Café die je eigenen Meinungen in solcher Weise zu bedenken, dass nach einer Weile des Redens schließlich ein Standpunkt erreicht worden wäre, den alle hätten teilen können. Beim Reflektieren dieser oder jener Position spielte Posener die wohl größte Rolle, war er doch das einzige auch schreibende unter den nur bauenden Mitgliedern der GJA. Seine ›éducation architecturale‹ an der Technischen Hochschule hatte ihn von dem zum Völkischen neigenden Erich Blunck zu dem moderat Modernen Poelzig geführt, bei dem er im Frühjahr 1929 sein Diplom gemacht hatte. Danach reiste Posener durch den Süden Frankreichs, hielt sich lange in Paris auf, von wo er einigen Zeitschriften Texte über neue Bauten französischer Architekten schickte. Zum ersten Mal exponieren, ja profilieren konnte sich der junge Autor mit einem Aufsatz über die »Section Allemande« der »Exposition de la Société des Artistes Décorateurs Français« in Heft 11/1930 der Zeitschrift »Die Baugilde«, immerhin das Organ des Bundes Deutscher Architekten (BDA). Poseners Attacke auf die vom Deutschen Werkbund (DWB) besorgte Abteilung der Ausstellung im Pariser Grand Palais war von solcher Schärfe, dass die Schriftleitung der »Baugilde« ihren Abstand in einem kurzen Vorspann zum Ausdruck brachte. Dass ihr Autor meinte, bei den von Walter Gropius, Marcel Breuer, László Moholy-Nagy und Herbert Bayer inszenierten Visionen einer Mischung von Wohnung und Hotel im Hochhaus gehe es allein um den Versuch, den Alltag der Menschen einer bestimmten Anschauung von Leben zu fügen; dass er meinte, die metallischen Interieurs ließen sich mit einer »Sing-Sing-Scenerie«, also mit Gewahrsam und Gefängnis vergleichen; dass er meinte, die französischen Magazine hätten »Respekt, gemischt LEBEN UND BERUF IN BERLIN 1922–1933

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Hermann Zweigenthal, Krematorium Graz, Ansicht, 1931

mit ein wenig Grauen vor der Organisation, der Präzision, der Konsequenz, der Kälte und der Neuheit der deutschen Schau«: Genau diesen Angriff auf das Dogma der »Sachlichkeit« wird das Gros der Poelzigschüler voller Sympathie rezipiert haben. Mitte Juni 1930 kehrte Posener nach Berlin zurück. 1931 war er, ohne dass man ihn für seine Arbeit bezahlt hätte, im Büro von Erich Mendelsohn tätig. 1932 dachte er daran zu promovieren, war freier Journalist mit geringem Einkommen und wurde – wie er gut fünfzig Jahre später in einer Rede auf Eiermann erklären würde – »Journalist« der GJA. Ein Jahr nach ihrem Auftritt im Rahmen der Ausstellung »Poelzig und seine Schule« hatten die Mitglieder der GJA noch einmal die Chance, ihr Können vor aller Augen unter Beweis zu stellen. Stadtbaurat Martin Wagner lud sie ein, für die Berliner Sommerschau »Sonne, Luft und Haus für Alle« kleine Typen- und Musterhäuser zu entwerfen. Eiermann, Hafemann, Jaenecke, Köhler, Müller-Rehm, Säume, Schweitzer, von Steinbüchel-Rheinwall, von Veltheim und Zweigenthal machten sich an die schwierige Aufgabe und ließen ihre quasi industriell produzierten »Wachsenden Häuser« Anfang Mai 1932 im Schatten des Funkturms errichten. Posener nutzte seinen Bericht über die Ausstellung in Heft 6/1932 der Zeitschrift »L’Architecture d’Aujourd’hui« für einen Vergleich der Bauten aus den Büros der Älteren mit denen aus den Büros der Jüngeren. Die Häuser der Älteren – Gropius, Mendelsohn – trügen nichts zum Komfort ihrer künftigen Bewohner bei; Wagners Haus sei »im Grundriss verfehlt«, die »Konzeption« sei »ornamental«, nur die simple »Formel einer ganzen Ideologie«. Die Häuser der Jüngeren hingegen hätten »Charme« und manchmal – etwa im Falle Zweigenthal – sogar »originale wie originelle Züge«. 32

Eine Art Manifest »Ganz langsam wird klar, daß die Architekten, die heute fünfundzwanzig und dreißig Jahre alt sind, nicht mehr dasselbe wollen wie das Bauhaus. Manifeste jener wissenschaftlich begründeten, rationalen, hygienischen Baukunst, einer Baukunst unserer und kommender Tage, jugendlich und für die Jugend bestimmt, werden noch Tag für Tag gebaut, geschrieben, gesprochen – und treffen bei den Jungen auf Zurückhaltung.« Mit diesen Zeilen begann ein von Posener verfasster Artikel, den die Schriftleitung der »Vossischen Zeitung« am 5. August 1932 ins Blatt hob. Das Engagement des Journalisten für die GJA, deren beste Köpfe zur selben Zeit mit sechs Typen- und Musterhäusern auf der Berliner Sommerschau präsent waren, erreichte durch diesen Text seinen Höhepunkt. Die Sicherheit des Auftretens, ja Auftrumpfens wich allerdings schon im nächsten Absatz einer Kritik, die vor den Schwächen dieser Jungen nicht Halt machte. Noch schade ihren Entwürfen das Epigonale; noch fehle ihren Gedanken das Theoretische; noch könne niemand sagen, was diese Jungen von Le Corbusier und Walter Gropius, von Otto Rudolf Salvisberg und Emil Fahrenkamp grundsätzlich unterscheide. Gewiss sei nur ihr Abstand zu allen Meistern, die in den achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts geboren wurden; gewiss sei nur ihr Abstand zum Bauhaus als einem Ort sozialer Utopien und als einer Variation des Akademismus, der seit je die pädagogisch-ästhetische Aktivität von Architekten in strikte Regeln habe fassen wollen. Die Architektur, so der Autor, müsse sich »nach den Stürmen der ersten Jahrzehnte des Jahrhunderts« dem Unscheinbaren, dem Alltäglichen nähern; sie dürfe es nach der langen Phase konkurrierender Philo-

Krematorium Graz, Grundriss

sophien »nicht mehr eilig haben, gleich wieder zu einer neuen Kunst zu kommen«. Diese Jungen seien von einer Stimmung der Skepsis geprägt: »gegen die Theorien, die sie allzuoft und allzunah haben zu Moden verblassen sehen; gegen die Institute, die nur leben, weil sie nicht zu sterben wagen«. Diese Jungen hätten aber ein sehr »warmes, klares Gefühl« für das Haus als einen jedermann vertrauten »menschlichen Gegenstand«. Statt des bloß »Gezeichneten« und »Gekastelten« vieler neuer Möbel, statt des bloß »Balancierten« schwerer Ledersessel auf dünnen Metallkufen, statt ungemein »prickelnder« Kunstwerke hätten diese Jungen etwas Besseres, weil Ding- und Sinnhaftes zu bieten. »Holz ist Holz und Spind ist Spind.« Ihre Möbel kämen ohne Zauber aus. Der Nutzer habe an ihren Stücken weit mehr als nur die Freude des Auges. Dass Posener dabei an jene Tische, Stühle und Sessel dachte, die Zweigenthal für sein Wachsendes Haus entworfen, die der Kollege und Kritiker auf der Ausstellung »Sonne, Luft und Haus für Alle« bewundert und in seinem Bericht für »L’Architecture d’Aujourd’hui« als die »interessantesten« der Berliner Sommerschau bezeichnet hatte, steht so gut wie außer Frage. Auch bei den Bauten, die es »nicht mehr eilig haben, gleich wieder zu einer neuen Kunst zu kommen«, dachte Posener vermutlich nicht allein an das Stadtbad Mitte in Berlin und an die Malwida-vonMeysenbug-Schule in Kassel, beide 1930 nach Plänen des von ihm geschätzten Tessenow fertig gestellt, sondern auch an Zweigenthals Entwurf des Krematoriums der Stadt Graz, für den der Architekt in einem Wettbewerb 1931 den zweiten Preis errungen hatte. Diese Arbeit steht Tessenows Ideal des Unscheinbaren und Alltäglichen nicht fern. Das längliche, durch ein flaches Walmdach gedeckte Gebäude ist weit

gehend geschlossen. Die Symmetrie der Anlage – zu der neben dem mittigen Gebäude vier weitere, kleinere, seitliche, ebenfalls längliche Gebäude gehören – und die beiden hohen, schlanken Stützen vor dem Eingang geben Zeichen von Würde, doch ohne jeden Rückgriff auf ein spezifisches historisches Vokabular. Wieder und wieder erscheint außen und innen, im Grundriss und im Aufriss, selbst im Fugenraster der steinernen Verkleidung: das Quadrat. Wodurch der Raum des an sich monumentalen Krematoriums in eine stete, starke Spannung zwischen dem Prinzip Achse und dem Prinzip Zentrum gerät. Hätte Posener seine Sprache nur ein wenig verschärft, hätten wir es mit einem kleinen Manifest zu tun. Aber auch ohne den Brustton des ›Treten Sie ab!‹ und des ›Wir sind dran!‹ gleicht der Artikel aus der »Vossischen Zeitung« – weckt nicht schon sein Titel »Die jungen Architekten« Hoffnung auf etwas von Grund auf Neues? – einer Art programmatischen Explikation, einer Art strategischen Offensive, durch welche die GJA nach Jahren quälender Querelen ihre eigene Version von Moderne zu erreichen versuchte. Es wurde eine Position großer Nähe zu Hans Poelzig wie zu Heinrich Tessenow und großer Ferne zu Walter Gropius wie zu Paul Schmitthenner, damit auch großer Ferne zu linker wie rechter Strömung. Gut fünfzig Jahre später, in der bereits erwähnten Rede auf Eiermann, würde Posener von einem Bündnis der Enkel mit den Großvätern gegen die Väter sprechen. Was die Enkel ferner einte, wusste indes schon der junge Autor mit Pathos in Worte zu kleiden. In dem Artikel aus der »Vossischen Zeitung« heißt es über die Mitglieder und Umkreise der GJA: »Diese Leute haben nach dem Kriege das Ende jeder Lehre gesehen, das hilflose Zucken zwischen Erstarrung und Zersprengung. Kaum aus LEBEN UND BERUF IN BERLIN 1922–1933

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den Hörsälen entlassen, noch vorm ersten Atemholen, wälzt sich das Weltdesaster zwischen sie und ihren Anfang. Und bei alledem ist diese Generation von einer früheren Reife wie keine vor ihr.« Generation GJA zwischen Durchbruch und Abbruch Sicher ohne dass es dem Autor irgend bewusst war, standen Poseners Versuche der Konstitution einer Generation GJA in Kontakt mit dem einflussreichen Aufsatz »Das Problem der Generationen«, den der Soziologe Karl Mannheim Ende der zwanziger Jahre publiziert hatte. »Generation« nannte Mannheim einzelne oder mehrere Jahrgänge von Personen, die aufgrund gleicher Ereignisse und Erlebnisse, gleicher Erfahrungen und Erkenntnisse in gleicher Weise sozial und kulturell disponiert seien. Keine Frage, dass die GJA in diesem Sinne Teil einer Generation war. Freilich war es nur eine Generation in statu nascendi, da sie erst durch den Einbruch der Bauwirtschaft Anfang 1931 – drei von vier Männern und Frauen dieser Branche waren damals ohne Arbeit –, dann durch den Aufstieg Adolf Hitlers Anfang 1933 an der Entwicklung ihrer Eigenheit mehr als nur gehindert wurde. Am 8. Juli 1932 schrieb Jaenecke an den seit einer Weile in China tätigen Hamburger: »Die Nachrichten, die zur Zeit Deines Briefes von Kämpfen in Schanghai berichten, haben jetzt den Schlagzeilen Platz gemacht, die von solchen Ereignissen aus Berlin und Deutschland erzählen. Solange man bei diesen Dingen in der Nähe ist, spürt man es nicht so schlimm, wie es in der Zeitung steht, vorausgesetzt, daß man nicht selber einen auf die Birne kriegt. Aber im Ganzen, Großen sind die Aspekte hierzulande nicht freundlich. Wir stehen mal wieder am Vorabend großer Ereignisse. Soweit ich mich erinnern kann, standen wir das immer. Aber ich halte nicht mehr viel davon und wünsche mir, verdammt noch mal, schließlich und ernstlich in einer anspruchslosen, bürgerlichen und spießigen Zeit zu leben, in der das wichtigste Ereignis die jährliche Wahl der Schönheitskönigin ist. Mit frommen Wünschen ist es nicht getan, und so stehen wir eben am Vorabend großer Ereignisse und warten getrost auf den Hereinbruch einer Katastrophe.« Ob diese Haltung typisch war? Typisch für die Reihen der GJA? Nach all den Jahren heftiger Debatten und hitziger Konflikte der Parteien des Deutschen Reiches, nach all dem Mangel an ziviler Balance zwischen Konsens und Dissens im Raum der Politik, nach all den Trommlern und Boxern für diese oder jene ›gute‹ Sache, um an zwei für die Weimarer Republik symbolische Charaktere zu erinnern, war die Sehnsucht nach einem Alltag ohne Politik verständlich. Während es im Herbst 1932 von außen so schien, als ob der GJA – dank ihrer Präsenz auf der Ausstellung »Sonne, Luft und Haus für Alle«, dank Poseners Beiträgen in Zeitungen und Zeitschriften, dank der Wahl Ottos und von Steinbüchel-Rheinwalls in den Vorstand des Deutschen Werkbunds 34

Julius Posener, 1934

(DWB) – ein Durchbruch gelungen sei, war sie in Wahrheit schon auf Abbruch gestimmt. Zweigenthal sei kürzlich in die Schweiz gereist, heißt es in dem Brief von Jaenecke an Hamburger; Paulick und Lazarus seien wie verschollen; im Büro Poelzig komme die Arbeit an ihr Ende; Berling werde als Letzter in den nächsten Wochen gehen. Am 21. Januar 1936, also etwa drei und ein halbes Jahr später, schilderte Jaenecke dem mit Frau und Kind in London lebenden Zweigenthal, was inzwischen aus der GJA geworden war. Ja, es werde wieder gebaut. Köhler, Schweitzer und von Steinbüchel-Rheinwall hätten gut zu tun; Eiermann aber trage seinen »Optimismus« nur noch »aus Routine« zur Schau. »Das scheinen die Reste der einst so hoffnungsfrohen Gruppe zu sein.« Und dann: »Alles ist unklar, niemand zeigt, wohin er möchte.« Wer unter den deutschen Architekten zu den Jahrgängen von 1900 bis 1910 gehörte, gehörte zu denen, die durch den Faschismus auf das Feld zwischen Ja und Nein, zwischen Anpassung und Widerstand genötigt wurden. Als die »Bauwelt« im Sommer 1935 unter dem Titel »Architekten aus Poelzigs Schule« in gleich mehreren Beiträgen neuere Entwürfe auch von einigen Mitgliedern der GJA zeigte – Eiermann, Jaenecke, Köhler, Otto, Schwennicke, von Steinbüchel-Rheinwall –, da wird mancher Leser, noch vertraut mit dem kubischen Charakter des Modernen, das merkwürdig Geduckte, Gedrückte der Gebäude gespürt haben. Indes würden die meisten Poelzigschüler während der fünfziger und sechziger Jahre noch zu Karrieren kommen: Eiermann und Müller-Rehm im Westen, Paulick und Lazarus im Osten des Landes. Beladen, behindert, betrogen, verraten, vertrieben, verworfen würden vor allem die Emigranten der dreißiger und Remigranten der fünfziger Jahre werden. Einer unter ihnen: Zweigenthal.

5  SECHS BÜHNENBILDER 1924–1932

Als Hermann Zweigenthal im Herbst 1922 nach Berlin kam, war die Hauptstadt des Deutschen Reiches eben dabei, sich zur stärksten Stätte eines neuen, jungen, kulturell und politisch avancierten Theaters zu machen, das sich vor allem mit den Namen von Regisseuren und Intendanten wie Leopold Jessner und Erwin Piscator verband, dem aber auch ein Max Reinhardt noch wichtige Impulse geben konnte. Zwar lag dessen große Leistung, das heißt die Reform des Schauspiels und der Bühne, damals schon gut anderthalb Jahrzehnte zurück; doch blieben weite Teile der Fachwelt dem Traditionellen und Konventionellen treu, mochten sich von Pomp und Plüsch in Weiß-Rot-Gold nicht trennen. Ja, selbst Kritiker aus den Feuilletons zahlloser Berliner Zeitungen sprachen noch in den späten zwanziger Jahren oft nicht von Bühnenbild oder Bühnenraum, sondern von »Dekoration«, als ob es in der Republik um den Festschmuck einer höfischen Gesellschaft ginge. Dabei hatte Reinhardt das Theater der Meininger längst von Grund auf reformiert, hatte ihre textilen Prospekte, Kulissen, Soffitten von der Bühne geräumt und durch einen psychologisch raffinierten Realismus, etwas zugleich Artifizielles und Illusionäres ersetzt: zum Beispiel durch die echten Bäume auf Gustav Kninas und Karl Walsers Bühne für eine Inszenierung der Komödie »Ein Sommernachtstraum« von William Shakespeare; zum Beispiel durch das depressive Interieur auf Edvard Munchs Bühne für eine Inszenierung des Dramas »Gespenster« von Henrik Ibsen. Die Intensität dieser beiden sehr verschiedenen Bühnenräume, der erste 1905 im Neuen Theater, der zweite 1906 in den Kammerspielen des Deutschen Theaters, war ein Durchbruch. Seither galt bei Reinhardt der Satz »Un paysage quelconque est un état de l’âme« – den der Genfer Autor Henri Frédéric Amiel Mitte des neunzehnten Jahrhunderts in sein »Journal Intime« notiert hatte – auch für die Szenographie. Von nun an wirkte eine Bühne am besten, wenn sie dem Innersten der auf ihren Brettern Fühlenden und Handelnden zu entsprechen versuchte, wenn sie die Psychologik der dramatis personae Bau und Ding werden ließ. Friedrich Kiesler, Hans Poelzig und andere Einflüsse Diese Art der Synergie des darstellenden und des gestaltenden Mediums auf dem Theater trat bei Teilen der Avantgarde während der zwan

ziger Jahre in den Hintergrund. Dafür gewann deren Bühne, auf dem Weg vom Bild zum Raum, ein Eigenleben ohnegleichen. Hölzerne oder eiserne Versatzstücke, Treppen, Leitern, Rampen, Brücken und Podeste ersetzten alles nur Flächige und nur Bemalte. Man mochte das Verzerren, also Verkürzen oder Verlängern der Perspektive, mochte die Aktivität von Apparaten, als ob man die Worte des Direktors aus dem Vorspiel des »Faust« – »Drum schonet mir an diesem Tag / Prospekte nicht und nicht Maschinen« – auf neue Weise schätzen gelernt hätte. Der Herbst 1924 sah den Architekten und Szenographen Friedrich Kiesler im Konzerthaus Wien die von ihm besorgte »Internationale Ausstellung neuer Theatertechnik« eröffnen. Ob Zweigenthal von der Schau seines Landsmannes wusste? Er hätte dort aus Russland konstruktivistische, aus Italien futuristische, aus Deutschland expressionistische, dadaistische, kubistische Beiträge bewundern oder verachten können. Kiesler selbst hatte im Mozartsaal des Konzerthauses seine kreisrunde »Raumbühne« installiert und in dem auch typographisch dezidiert modernen Katalog eine Polemik publiziert, die unter dem Titel »Debacle des Theaters« die Nachteile des guten alten Guckkastens genau beschreibt. Ob Zweigenthal auf der »IAT« die Bauhausbühne von Oskar Schlemmer und die Merzbühne von Kurt Schwitters bestaunt hätte? Sicher ist nur, dass der Student von kaum zwanzig Jahren – dessen Neigung in Richtung nicht allein der bauenden, sondern auch der bildenden Künste ging und der das Theater als ein Amalgam von Medien liebte – in Wien das expressive, ja phantastische Modell des Festspielhauses Salzburg von Hans Poelzig studiert hätte. Dessen Bühnenbilder aus dem Berlin der Jahre 1923 und 1924 waren Zweigenthal wohl nicht entgangen. Ob es die Szene für Wolfgang Amadeus Mozarts »Don Giovanni« in der Preußischen Staatsoper Unter den Linden, für William Shakespeares »König Lear« im Großen Schauspielhaus, für Georg Kaisers »Gilles und Jeanne« im Dramatischen Theater war, die Poelzigschen Entwürfe wollten Räume voller Rhythmus und Melos. Die oft schmucken Blätter, mit ihren leuchtenden Farben und lodernden Formen den Bildern strahlender Feuerwerke und glühender Wunderkerzen verwandt, waren Paraphrasen dramatischer Phantasien im graphischen Medium. SECHS BÜHNENBILDER 1924–1932

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Wie beim Lehrer Poelzig nahm auch beim Schüler Zweigenthal die Gestalt der Bühne ihren Anfang alle Male in einer Zeichnung, nicht etwa in einem Modell. Binnen fünf Jahren entwarf der junge Wiener für die Elite und für die Avantgarde, für die Komödie am Kurfürstendamm und für das Theater am Schiffbauerdamm, folglich für so differente Charaktere wie Max Reinhardt und Ernst Josef Aufricht. Keine Frage, sein frisches Talent konnte sich noch nicht mit den arrivierten Szenographen, nicht mit den Meistern des Faches messen, die Mitte der zwanziger Jahre in Berlin dem Schauspiel die großen und kleinen Bühnen bauten. Traugott Müller, der für den Kommunisten Piscator, Emil Pirchan, der für den Demokraten Jessner, Ernst Stern, der für den Ästheten und Reformer Reinhardt tätig war, alle drei hatten ihr je eigenes Gleichgewicht im Verhältnis von Bild und Raum gefunden. Zweigenthal hingegen war Anfänger. Aber Schritt um Schritt wurden seine Bühnen freier, lösten sich vom gemalten Horizont und schöpften dennoch wieder und wieder aus der früh gelernten, stets gepflegten Zeichenkunst. »Der Mantel« Wie und wann Zweigenthal seinen ersten Auftrag für das Design einer Szene bekam, darüber gibt es nur mündliche Berichte. Es heißt, der Student habe sich schon 1923 bei diversen Theatern präsentiert, hier und da eine Mappe mit Skizzen gezeigt und schließlich am Deutschen Opernhaus Charlottenburg Erfolg gehabt. Die erste Arbeit galt der Bühne für eine kleine Oper von Giacomo Puccini. Zusammen mit »Suor Angelica« und »Gianni Schicchi« bildet »Il Tabarro« – die deutsche Fassung trägt den Titel »Der Mantel« – eine Trilogie von Einaktern, die ihre Uraufführung 1918 an der Metropolitan Opera New York gefeiert hatte. Später wurden die drei Werke auch einzeln gespielt, so etwa im Deutschen Opernhaus Charlottenburg am 26. März 1924 »Der Mantel«. Als wichtigste Figuren dieses episodischen, naturalistisch orientierten Stücks erscheinen am Ufer der Seine in Paris: der fünfzigjährige Marcel, Besitzer eines Schleppkahns; die fünfundzwanzigjährige Georgette, Marcels Ehefrau; der zwanzigjährige Henri, ein Löscher. Nachdem die Arbeit des Tages getan ist, erklären Henri und Georgette einander ihre Liebe. Der junge Mann verspricht der jungen Frau ein Wiedersehn um Mitternacht. Marcel aber, voller Verdacht, steht auf dem Deck, sieht Henri über den Steg an Bord schleichen, stürzt sich auf den Rivalen, zwingt ihn zum Bekenntnis seiner Leidenschaft, drückt ihm die Kehle zu und bringt ihn um. Den Körper birgt er unter seinem weiten Mantel. Als nach einer Weile die ängstliche Georgette erscheint, öffnet Marcel den Umhang, lässt die Leiche vor ihre Füße fallen und drückt ihr Gesicht auf das Antlitz des Toten. Von Zweigenthals Bühnenraum für diese dichte, dumpfe, düstere Geschichte einer zugleich maßlosen und grausamen Eifersucht hat sich 36

eine einzige Abbildung erhalten. Sie erschien in Heft 4/1924 der Zeitschrift »Die deutsche Elite«. Mit jeder Nummer pries das aufwendig gedruckte Magazin den ›Lifestyle‹ von Aristokraten, die in der Weimarer Republik partout keine Heimat haben wollten. Indes brachten so gut wie sämtliche Ausgaben der ersten beiden Jahrgänge auch ein oder zwei Seiten »Berliner Bühnenbilder«. Mit Angaben zu Autor und Titel, zu Regisseur und Szenograph versehen, gab jede Zeichnung – alle in Farbe – einen bestimmten Bühnenraum wieder. Dann und wann traten Darstellungen von Figurinen hinzu, obgleich so klein, dass man das Kostüm nur unter der Lupe richtig sieht. Zwar fehlen manche große Namen; doch macht die Durchsicht der Hefte mit dem Reichtum dessen vertraut, was an Bühnenbildern für das Berliner Theater der Jahre 1924 und 1925 gestaltet wurde. Die meisten dieser Zeichnungen stammen nicht von den Szenographen selbst, sondern wurden, ohne dass man wüsste warum, eigens geschaffen. So auch im Fall Zweigenthal. Hier freilich überrascht der Name des Zeichners. Es ist Egon Eiermann, seit dem Wintersemester 1922/23 Student der Architektur an der Technischen Hochschule Berlin und wie Zweigenthal ein begierig Lernender im Poelzigschen Seminar. Ob Eiermann aus eigener Leidenschaft ins Deutsche Opernhaus Charlottenburg ging und dann zum Stift griff oder ob das Blatt sei es auf Bitten von Zweigenthal, sei es im Auftrag des Magazins entstand, ist nicht bekannt. Im Hintergrund, fast mittig und ganz oben, ragen die beiden Türme von Notre-Dame empor, unter und neben der Kathedrale ein breites, schmutziges, mal nach vorne, mal nach hinten springendes Panorama hoher Mietshäuser mit kahlen Brandwänden. Aus der Tiefe des Stadtraums führt eine Straßenschlucht bis an den Fluss, ein Weg vom Hellen ins Dunkle. Die matten Farben der Bauten changieren von Gelb nach Rot, von Grün nach Blau. Im Mittelgrund dehnen sich die Ufer der Seine. Links führen eine Brücke und eine Treppe an Land; vor dem Sturz von dem Steg schützen nur ein paar Pfosten und Seile. Rechts ruht ein Schleppkahn; seine Kajüte ist schwach erleuchtet. Im Vordergrund, auf dem planen Terrain eines Bürgersteigs oder Straßenrands, scheinen drei Personen, eine in Blau, zwei in Rot gekleidet, im Streit, ja im Kampf zu liegen. Die trübe Zeichnung bietet den Schluss der Oper: Aus dem Mantel fällt der Löscher Henri; über dem Toten ringen Marcel und Georgette. Eiermanns Aquarell – original ein Karton von 43,5 Zentimeter Breite und 30 Zentimeter Höhe – klärt nicht, ob für die Aufführung von Puccinis Melodram der Hintergrund aus Holz gebaut oder auf Stoff gemalt wurde. Die Ansicht der Häuser, die Paris nach Berlin, Berlin nach Paris holt, lässt eher an eine textile Kulisse vor der Rückseite der Hauptbühne denken. Nur der Kahn, die Brücke, die Treppe und die Lampen müssen damals irgend gebaut worden sein; anders hätten die Sänger

Hermann Zweigenthal, Bühne »Der Mantel«, in einer Zeichnung Egon Eiermanns, 1924

das Drama zwischen Marcel, Henri und Georgette kaum zu wirklicher Anschauung bringen können. Ohne Antwort bleibt auch die Frage, wie Zweigenthal mit der riesigen Anlage des Theaters umging. Das Parkett und die drei Ränge des Deutschen Opernhauses Charlottenburg fassten immerhin 2300 Zuschauer; als 1912 die höhere städtische Gesellschaft in diesem Bau die erste Premiere zelebrierte, war dessen Bühne mit einer Breite von achtundzwanzig Meter, einer Tiefe von zwanzig Meter und einem Portal von dreizehneinhalb Meter die größte der Welt. Für eine Kammeroper vom Typus »Der Mantel« nicht die beste Stätte. Zweigenthals Bühnenraum borgt den Stil – wie schon die Kritiker ein oder zwei Tage nach dem 26. März 1924 bemerkten – nicht bloß von der teils ironischen, teils idyllischen, immer leise kritischen Kunst Heinrich Zilles und Hans Baluscheks. Er ist ebenso mit der Darstellung Berliner Werktage bei Gustav Wunderwald und Otto Nagel verwandt. Auch der junge Werner Heldt, mit dem übrigens Zweigenthal und Eiermann das Geburtsjahr teilen, malte ähnlich. Die meisten Bilder der Baluschek und Wunderwald, der Nagel und Heldt aus dem Berlin der

zwanziger Jahre sind erzählfreudig. Doch erscheint jede Farbe wie unter einem grauen oder braunen Schleier. Der Ort wirkt oft dunstig und diesig, wie kurz vor oder nach starkem Regen. Hinter dem Pittoresken und Romantischen der sozialen Realität derer ›da unten‹ lauert die kollektive Depression. »Vortrefflich« hieß es im »Berliner Tageblatt«, »vorzüglich« in der »Deutschen Zeitung«, »vorbildlich« im »Vorwärts«. Für die Inszenierung Georg Paulys waren die meisten Feuilletons voller Lob, auch wenn sie Puccini, ob seiner Gefühligkeit und Gefälligkeit, nicht alle mochten. Hier und da wurde auch Zweigenthals Bühnenraum beschrieben, seine Formen und Farben freilich nie so genau in Worte gefasst wie auf Eiermanns Darstellung gezeichnet. In Bezug auf die Beleuchtung aber sind zwei Texte von Belang. Im »Vorwärts« meinte Heinrich Maurer, von der ersten zur letzten Note habe Zweigenthal den Ort »in ein halb mitleidiges, halb blutdürstiges, aufgewühltes Dämmerlicht gehüllt«. In der »Deutschen Zeitung« nannte August Püringer den Lichtfall »meisterhaft feinstufig«. Und dann: »So dient die Szene der Stimmung.« – Ja, SECHS BÜHNENBILDER 1924–1932

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»Stimmung« war wohl der rechte Begriff für den Abend in der Oper. Die klanglichen und bildlichen, darstellenden und gestaltenden Künste fanden dort für eine gute Stunde zu einer Synästhesie, die Zweigenthal durch seine Arbeit bereichert hatte. Er sah den Stadtraum mit den Augen der Schiffer, machte die Szene zu einem Konstrukt ihrer Psyche. Das Ufer der Seine war ein Seelenzustand. »Der sprechende Affe« Nichts, so scheint es, haben das erste und das zweite Bühnenbild von Zweigenthal gemein. Obwohl beide Geschichten – »Der Mantel« von Giacomo Puccini und »Der sprechende Affe« von René Fauchois – vom Lieben und Leiden kleiner Leute handeln und im Paris des frühen zwanzigsten Jahrhunderts spielen, ist das je erdachte Geschehen zu verschieden, als dass die beiden Stücke und ihre Orte zu weiteren Vergleichen lockten. »Der Mantel« wirkt stets real, eine quälende Tragödie; »Der sprechende Affe« wirkt stets fiktiv, eine tändelnde Komödie. Wer Zweigenthals Bühnenbild für dieses leichte Schauspiel verstehen, womöglich würdigen möchte, muss das mentale und physische Umfeld des Entwurfs in Betracht ziehen. Dazu gehörten nicht allein das Werk des Autors Fauchois, sondern auch Reinhardts Gebaren und Geschäfte sowie die Anmutung des Innenraums jenes neuen, beinahe intimen Theaters, das heißt der Komödie im Neuen Westen von Berlin, während deren erster Spielzeit 1924/25 Zweigen­ thal verpflichtet wurde. Theater am Boulevard ist seit je eine Kunst raschen, süßen Verzehrs. Namen wie Fauchois und Titel wie »Der sprechende Affe« geraten bald ins Vergessen, sofern sie nicht das Zeug zum Klassiker haben. Dabei hatte der Schauspieler und Schriftsteller Fauchois – dramatisierte Biographien standen am Beginn der Karriere des Franzosen – mit »Le singe qui parle« zunächst durchaus Glück. Zwischen Herbst 1924 und Herbst 1925 wurde seine eben verfasste »comédie en trois actes« der Reihe nach in Paris, Brüssel, Genf, Berlin, Prag und London auf die Bretter gebracht; gedreht nach zentralen Motiven des Stücks, würde 1927 in den USA unter der Regie von Raoul Walsh der Stummfilm »The monkey talks« entstehen. Thema sind Erfolg und Missgunst, Liebe und Verrat, Treue und Rache im Zirkusmilieu. Zwei Artisten finden großen Anklang mit einer Nummer, bei welcher einer den Dompteur, einer den Affen spielt und beide das Publikum in der Arena zum Staunen und Lachen bringen. Die Handlung ist, wie so oft im seichten Genre, eine delikate Konstruktion. Was man wünscht, dass es passiert, das passiert: Den falschen, ›menschlichen‹ Affen Faho zu entführen und ihn durch den echten, ›tierischen‹ Affen Adonis zu ersetzen, diese Attacke und Intrige mit stiller Hoffnung auf ein tödliches Finale schlägt natürlich fehl. Ende gut, alles gut. Vorhang. Beifall. Schluss. 38

Hermann Zweigenthal, Bühne »Der sprechende Affe«, 1925

»Ein Stück für junge Mädchen oder solche, die es werden wollen!« Mit herrischem Rufzeichen versehen, war dies das Urteil des Kritikers Ernst Heilborn in der »Frankfurter Zeitung«. Dass gerade ein Intendant und Regisseur, ja ein Genie wie Reinhardt – bei dessen Namen man gewohnt ist, an die künstlerisch wertvolle Inszenierung großer Dramen klassischen bis modernen Charakters zu denken – sich mit der rührenden Geschichte um den Affen Faho befasste, die der Kritiker Fritz Engel im »Berliner Tageblatt« eine »Tarzaniade« nannte, war aus seinem um die Mitte der zwanziger Jahre starken Interesse für schwerelose Unterhaltung gefolgt. Reinhardt hatte im April 1924 in Wien das Theater in der Josefstadt und im November 1924 in Berlin die Komödie eröffnet, beide Häuser mit Carlo Goldonis »Der Diener zweier Herren«. Anlässlich der Berliner Premiere und nicht ohne eine gewisse Bitterkeit angesichts der jüngeren Entwicklung des Reinhardtschen Theaters hatte der Romancier und Publizist Josef Roth im »Prager Tagblatt« geschrieben, das wirkliche Ereignis des Abends sei nicht die Commedia dell’arte, nicht der Jux um den armen Truffaldino gewesen, sondern das Tête-à-tête der Gesellschaft jener »oberen Zehntausend, die eigentlich nur Vierhundert sind«. Entworfen von Oskar Kaufmann, der in Berlin schon vor dem Ersten Weltkrieg durch die Bauten des Hebbel-Theaters und der Volksbühne Ansehen erworben hatte, war die Komödie am Kurfürstendamm in Charlottenburg eine durch und durch eklektische Architektur. Im Wechsel konkaver und konvexer Strukturen schwang das verspielte Gebäude ein und aus. Lauter loses Ornament, schwankend zwischen Rokoko und Art déco, zierte Decken und Wände. Der Saal, in Bordeauxrot und Zitrusgelb gehalten, hatte Parkett und zwei Geschoss Logen; das ›Hufeisen‹ bot 469 Zuschauern Platz. Die Brüstungsfelder der Logen hatte der aus dem Schwäbischen stammende Zeichner und Maler Hans Meid in Tempera gestaltet. Unten herrschten das Idyllische, Arkadische: ruhige, südliche Landschaften, wo Xerxes unter einer

Hermann Zweigenthal, Bühne »Die Brautwahl«, erste Szene, 1926

Palme sein »Ombra mai fu« hätte singen können. Oben schwenkten Damen ihren Hut, zückten Ritter ihren Dolch: die Welt der Mantel-undDegen-Stücke, zu der sich Harlekin und Kavalier gesellten. Bei näherer Betrachtung von Aufnahmen des Interieurs der Komödie, etwa in Paul Zuckers Buch »Theater und Lichtspielhäuser« 1926, hat man bald das Gefühl, dass ein Stück wie »Der sprechende Affe« in Berlin keine schönere Spielstätte hätte haben können. In der Tat eignete dem Inneren des mit seinen Nachbarn zur Linken und Rechten treu in der Flucht stehenden Gebäudes etwas faszinierend Circensisches, das auch Zweigenthal gleich gespürt haben muss. Hätte er, nur um nicht den »oberen Zehntausend« Gefallen zu gewähren, das Angebot ablehnen sollen? Warum solcher Furor der Moral? Welcher Student bekam schon die Chance, für einen Reinhardt in einem der Wirklichkeit so entrückten Theater wie der Komödie tätig zu sein? Die Beschreibung von Zweigenthals Bühnenbild – das sich bei der Premiere am 10. April 1925 auf einem Podium von nicht einmal sieben Metern Tiefe und ohne üppige technische Anlage wie am Deutschen Opernhaus Charlottenburg bewähren musste – verlangt erneut das Blättern in der Zeitschrift »Die deutsche Elite«. Denn wieder sind deren Bilder, in Heft 6/1925 einmal die Bühne, zweimal je eine Figur im Kostüm, die heute einzigen Zeugnisse seiner Arbeit. Der Hinweis, die drei Zeichnungen stammten von Zweigenthal selber, macht sie zu authentischen Dokumenten einer Szenographie, welcher die Kritiker selten mehr als ein paar allgemein lobende oder tadelnde Worte gönnen. Rote Fransen hängen vom Rahmen der Bühne; sie setzen das Halbrund der Logen fort. Die rechte Hälfte des Podiums nimmt der breite Aufgang zur Manege ein. Diese Partie wird durch einen langen, schmalen, roten Vorhang links von der Gasse in die Arena bestimmt. Ein ganzes Ballett – sechs Damen in gelbem, schwingendem Rock, ein Herr in blauem, schweifendem Frack – regt sich auf den Stufen. Ob

vor dem Auftritt, ob nach dem Auftritt, man weiß es nicht. Die linke Hälfte des Podiums schließt an der Seite mit einer Tür unter einer ärmlichen Wandleuchte. Diese Partie füllen mehrere Personen. An der Tür stehen der galante Vicomte in schwarzem Frack, schwarzem Zylinder und mit einem dünnen Stock in der Hand sowie die Kunstreiterin Nelly Goldsmith in engem Anzug mit weißer Hose und weißen Stiefeln, eine Peitsche in Händen wiegend. Der Mann scheint die Frau durch ein Gespräch am Gehen hindern zu wollen. Aber sie wendet sich von ihm ab, will zur Tür hinaus. Rechts neben dem Paar lungern Faho und Firmin, der Affe knieend in schwarzem Frack, der Jongleur stehend in grüner Hose, grüner Jacke und schwarzen Stiefeln. An der teils eher grauen, teils eher braunen, fleckigen, schmutzigen Rückwand kleben zwei Plakate. Das Magazin druckte auch zwei Figurinen, allerdings in winzigen Formaten. Das kleinere Bild zeigt die Seiltänzerin Miss Dora. Sie trägt einen knappen, roten Hosenrock mit tiefem Ausschnitt vorne und hinten sowie einen weiten, von der Schulter zu den Füßen reichenden, innen bläulichen, außen gelblichen Mantel. Das größere Bild zeigt den Affen Faho. Er trägt einen dicken, weiten Umhang, der wie ein teils bräunlicher, teils grünlicher, flauschiger Pelzmantel wirkt und auf dem Boden schleppt. Das ›Tier‹ drängt mit dem ganzen Körper heftig nach vorn. Mit dem ›falschen‹ und dem ›echten‹ Affen wurde das Paradox von Realität und Illusion boulevardesk thematisiert. Für Kurt Pinthus, Kritiker beim »8 Uhr-Abendblatt«, griff das Vergnügen an der Mischung des literarisch und akrobatisch Virtuosen gar auf den Alltag über: »Eine große Aufgabe für einen Schauspieler, der ein Affe sein kann. Er hieß Paul Graetz. Ganz Berlin sprach davon, daß der eifrige Graetz seit Wochen täglich zu dem berühmten Schimpansen Susi in den Zoo ging, um ihn nachzumachen. Am Vormittag ging ich, als Vorbereitung für die Premiere, in den Zoo und stellte fest, daß der Schimpanse Susi ganz großartig Paul Graetzen nachmacht. Am Abend stellte ich dann im Theater fest, daß Graetz nicht minder großartig den Schimpansen Susi nachmacht, so daß man im Notfall die beiden miteinander austauschen kann.« »Die Brautwahl« Das dritte Engagement führte Zweigenthal im Spätherbst 1925 noch einmal an das Deutsche Opernhaus Charlottenburg. Dort hatte sich allerdings einiges verändert. Eben erst durch die Kommune in Trägerschaft genommen, sollte die neue Städtische Oper Berlin unter dem Intendanten Heinz Tietjen und dem Dirigenten Bruno Walter nun einem breiteren Publikum dienen als die Staatsoper Unter den Linden. Die Spielzeit 1925/26 bot ein Programm, das eher Repräsentatives mit eher Experimentellem verband. Dabei sollte die Inszenierung der Oper SECHS BÜHNENBILDER 1924–1932

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»Die Brautwahl« von Ferruccio Busoni – für die Zweigenthal Bilder und Räume schuf – ein Zeichen setzen, handelt es sich doch, wie nach der Premiere am 7. Januar 1926 Erich Urban voller Freude in der »B.Z. am Mittag« schrieb, um eine durch und durch Berliner Geschichte, bei der Orte wie der Tiergarten, die Weinschänke und das Rathaus an der Spandauer Straße ihre Rolle spielen. Das Werk fußt auf einer der weniger bekannten, weil schwächeren Novellen E. T. A. Hoffmanns und spielt um 1820. Drei Freier werben um das Mädchen Albertine: Maler Lehsen, Schreiber Thusman, Baron Bensch. Süß und echt aber ist die Liebe allein zwischen Albertine und Maler Lehsen, während Schreiber Thusman nur das Versprechen von Albertines Vater, Baron Bensch nur viel Geld ins Spiel um die Braut bringen kann. Zum Glück weiß Maler Lehsen den alten Goldschmied Leonhard auf seiner Seite. Magier und Diplomat höchst eigenen Charakters, findet der Greis eine Lösung des Konflikts nach Art von William Shakespeares »Der Kaufmann von Venedig«. Die drei Freier müssen im Hause des Vaters von Albertine unter drei kleinen Kästen einen wählen. Es trifft sich, dass nicht der Bürokrat noch der Bonvivant, nicht Freier Thusman noch Freier Bensch, sondern Freier Lehsen das rechte Kästchen zur Hand nimmt. Es trägt die Aufschrift »Wer mich erwählt, dem wird erträumte Seligkeit« und birgt ein Bildnis der schönen Albertine. Erträumte Seligkeit? Auf Geheiß des Goldschmieds Leonhard muss Maler Lehsen gleich nach der Brautwahl Abschied von Albertine nehmen und sich auf den Weg nach Rom machen, wo er zum wahren Künstler reifen soll. Wie wohl das ganze Œuvre Hoffmanns, lebt auch diese Erzählung vom Widerspruch hie mystischer, da komischer, hie okkulter, da skurriler, hie dämonischer, da ironischer Episoden. Else Kolliner hatte Recht, als sie in ihrer Kritik für das »Neue Wiener Tagblatt« schrieb, die Welt des phantastischen Romantikers Hoffmann sei eine Welt der »Falltüren und Falltreppen unterhalb der Wirklichkeit«. Für solche Gefahren und Gespenster, ja für die Hoffmannschen Stimmungen überhaupt war kein anderer Komponist der Moderne so empfänglich wie der nervöse Formalist Busoni. Seine Musik – von Skala und Melos schon fast frei – mag die »Mysterien des linearen Kontrapunktes«, um es noch einmal mit Urban zu sagen. Sie offeriert dem Hörer Pentatonik und Gregorianik, imitiert Wolfgang Amadeus Mozart und Gioacchino Rossini, hat den Humor eines Buffo, schillert und schimmert in vielen Farben. Von den zahllosen Zeichnungen, die Regisseur Alexander Schum und Dirigent Fritz Zweig unter die Augen kamen, als Zweigenthal die beiden Musiker lange vor den Proben mit seinen Ideen für die Bilder und Räume zur Oper »Die Brautwahl« vertraut machte, blieb auch nicht eine erhalten. Erhalten blieben nur zwei schwarzweiße Aufnahmen in 40

Heft 3/1926 der Zeitschrift »Das Theater«, auf der Doppelseite unten links das erste, unten rechts das letzte Bild des Abends. Als der Vorhang mit den ersten Klängen sich hob, sahen die Zuschauer eine symmetrische Architektur: im Hintergrund auf voller Breite eine klassische Fassade mit Risalit, die der Stirnseite einer feudalen Residenz gleicht; im Mittelgrund an den Seiten ein paar Bäume; im Vordergrund zentral ein gestuftes Podium – unten mit Tischen und Stühlen bestückt, oben von einem fragilen Geländer begrenzt und einem textilen Baldachin beschützt –, flankiert links und rechts durch je eine Laterne und je einen Tor- und Rundbogen mit Schinkelscher Palmette. Die räumliche Anlage dient einem harmlosen Geschehen. Was im Libretto knapp »Die Zelte. Viele Gäste. Buntes Leben« heißt, meint das Vergnügen der Berliner in jenen Gaststätten am Spreeufer, die bis Ende des achtzehnten Jahrhunderts nur als Zelte erlaubt waren. Als der Vorhang mit den letzten Klängen fiel, sahen die Zuschauer ein symmetrisches Interieur: eine Reihe großer, leerer Räume, die aufgrund schmaler, hoher Rahmen eine generöse Enfilade suggerieren; die vier Portale dekoriert nach dem Geschmack des Biedermeier; in der Mitte vorne oben ein kleinerer Kronleuchter. Eigentlich ist »Die Brautwahl« eine Kammeroper mit gerade einer weiblichen und sechs männlichen Personen. Dennoch nutzten Regisseur und Szenograph die gesamte, riesige Bühne des Hauses, mit deren Tücken Zweigenthal schon bei der Inszenierung von Giacomo Puccinis »Der Mantel« hatte kämpfen müssen. Das Ufer der Seine und das Panorama der Architektur auf der andern Seite des Flusses legen zum Spielen und Singen eine breite Fläche nahe. Nicht so das Restaurant mit dem Podium der Musiker im Tiergarten, das sich auch noch im Nu erst in die nächtliche Spandauer Straße vor dem Rathaus, dann in eine dunstige Weinschänke verwandeln muss. Die Kritiker Oscar Bie vom »Berliner Börsen-Courier« und Rudolf Kastner von der »Berliner Morgenpost« fanden die Bühne zu weit, zu hoch. Im »Vorwärts« staunte Kurt Singer: »Es stehen so wenig Menschen auf einem Podium, das für fünfhundert Platz hat!« Dass dieser und alle andern Orte der Handlung kunstvoll in Licht getaucht waren, dass die Kulissen einerseits wohl zwischen Gelb/Grün/Braun, anderseits wohl zwischen Weiß/Grau/ Schwarz changierten, geht nicht allein aus dem Libretto, sondern auch aus den Kritiken hervor. Zweigenthals pointierte Koloristik – das bleiche Gelb des Mondes, das fette Grün der Bäume, das dumpfe Braun der Häuser – trug viel zur Stimmung der Szenen bei. Indes laden Busonis Arien zum Spiel auch mit grellen Farben ein. Schreiber Thusman etwa, dem Maler Lehsen vor Wut mit dem Pinsel einen giftig grünen Teint gibt, der trotz Wasser und Seife nicht schwindet, möchte sich nachts im Froschlaich das Leben nehmen: »O, kalter Tod! O, grüner Teich! O, grüne Welt, Adieu!«

Hermann Zweigenthal, Bühne »Orpheus«, 1929

Allen Szenen der Oper »Die Brautwahl« eignen schemen-, masken-, zauber- und märchenhafte Züge. Bei so viel Hokuspokus durften das Restaurant und das Podium im Tiergarten ein wenig nach Rummel riechen; die Stellwände brauchten die Orte nur andeuten; die Kulissen konnten auf die Perfektion der Illusion verzichten, diese gar durch das Mittel grober Zeichnung brechen und dem Ganzen etwas Humor schenken, da Busoni den Freunden seiner Musik mit der Geschichte um die Freier der Albertine ohnehin eine höchst irreale Komödie bietet. Wenn der Komponist und Kritiker Alfred Schattmann in der »Nachtausgabe. Die illustrierte Abendzeitung« im Kontext der Zweigenthalschen Bilder und Räume den Namen Panos Aravantinos nannte, war das für den Leser kein Wunder, galt doch beim Publikum der in den zwanziger Jahren an der Staatsoper Unter den Linden tätige griechische Ausstatter als Meister der Kunst, die Stimmung von Musik in Licht- und Farbklang zu verwandeln. Auch Urban nannte Namen. Er sah Zweigenthal unter dem Einfluss der Bühnenbildner Adolf Mahnke aus Dresden und Ludwig Sievert aus Frankfurt. Möglich, dass die paar schiefen Häuser und schiefen Lampen auf der Bühne der Städtischen Oper Berlin noch von jenem Expressionismus zehrten, dem Mahnke und Sievert bis Mitte der zwanziger Jahre gefrönt hatten. Von Belang ist aber eher, dass Sievert damals in einem kleinen Aufsatz unter dem Titel »Wer ist der ideale Bühnenbildner?« schrieb, Szenographen müssten die Stimmung des Werkes als Vision erleben und gestalten, müssten dem Schauspieler eine Umgebung verschaffen, die ihm zum zweiten Ich werde. Indem nun Urban erst auf Sievert, dann

auf Zweigenthal zu sprechen kam und noch im selben Zuge deutlich machte, der »neue Mann« sei »begabt« und »nicht ohne innere Gesichte«, wurde zwischen jenem und diesem eine Verwandtschaft behauptet, die Zweigenthal mächtig ehrte. In der Tat verband das Desiderat »Atmosphäre« den Jüngeren mit dem Älteren. Urbans Rede war das vielleicht höchste Lob, das ein Autor Bildern und Räumen für »Die Brautwahl« spenden konnte. Denn ist es nicht so, dass große Teile dieser Oper von den inneren Gesichten, von dem Wunsch und Wahn ihrer Figuren handeln? »Orpheus« Zu Beginn der Spielzeit 1928/29 wurde der kaum dreißig Jahre alte Ernst Josef Aufricht Direktor des Theaters am Schiffbauerdamm. Unter seiner Führung war das Haus bis 1931 ein Hort der Avantgarde, die man im Feuilleton dieser Jahre gern »Zeitstück« nannte. Schon die Eröffnung des Gebäudes unter neuer Leitung brachte mit der Uraufführung der »Dreigroschenoper« von Bertolt Brecht und Kurt Weill einen Erfolg ohnegleichen. Das Stück lief und lief; es machte aufgrund glänzender Einnahmen vorerst jede weitere Premiere unnötig, ja unmöglich. Aus diesem Grunde konnte sich Aufricht voller Elan seiner Idee einer »Versuchsbühne« am eigenen Theater widmen. Mit von der Partie bei der Gründung des Studios waren der Dramaturg Heinrich Fischer sowie der Regisseur und Photograph Julius Halewicz. Die jungen Herren riefen ihre Versuchsbühne mit dem Drama eines Autors ins Leben, den der deutsche Bildungsbürger bis dahin nur als Poète maudit und Enfant terrible kannte: Jean Cocteau. Dies und die Namen der SECHS BÜHNENBILDER 1924–1932

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Schauspieler Roma Bahn, Gustaf Gründgens, Günther Hadank, Maria Koppenhöfer, Lothar Müthel und Wolf Trutz reizte die Neugier der Kritiker, sodass sie bereit waren – in der Nacht vom 5. auf den 6. Januar 1929 – die jüngste, vielleicht schrillste Version einer ihnen längst bekannten Geschichte zu sehen. Das Theater am Schiffbauerdamm war eben ein Magnet. Und lockte zur Premiere des »Orpheus« von Cocteau die Garde der Kritik ins Parkett: Walter Benjamin für »Die literarische Welt«, Bernhard Diebold für die »Frankfurter Zeitung«, Emil Faktor für den »Berliner Börsen-Courier«, Norbert Falk für die »B.Z. am Mittag«, Willy Haas für den »MM Der Montag Morgen«, Max Hochdorf für den »Vorwärts«, Herbert Ihering für die »Magdeburgische Zeitung«, Monty Jacobs für die »Vossische Zeitung«, Alfred Kerr für das »Berliner Tageblatt«, Kurt Kersten für »Die Welt am Abend«, Julius Knopf für die »Berliner Börsen-Zeitung«, Erik Krünes für die »Berliner illustrierte Nachtausgabe«, Hanns G. Lustig für das »Tempo«, Elise Münzer für die »Berliner Morgenpost«, Rolf Nürnberg für die »Neue Berliner Zeitung«, Kurt Pinthus für das »8 Uhr-Abendblatt«, Ludwig Reve für die »Berliner Montagspost«, Franz Servaes für den »Berliner LokalAnzeiger«, Lutz Weltmann für die »BVZ Berliner Volks-Zeitung«, Bruno E. Werner für die »Deutsche Allgemeine Zeitung«. Hochdorf nahm Notiz von der Eiseskälte jenes späten Abends, von der Frau, die am Stadt- und Fernbahnhof Friedrichstraße Streichhölzer verkaufte, von den Arbeitslosen, die für ein paar Pfennig den Gästen des Hauses die Türen der Wagen öffneten. Kerr über den Anfang: »Jott, nu schon bei de Nacht!« Knopf über das Ende: »Um zwei Uhr morgens war der Spuk zerronnen.« Orpheus, Dichter und Sänger aus Thrazien, lebte bisher mit Eurydike in trauter Ehe auf dem Lande. Vor einer Weile aber folgte ihm ein Schimmel, der sich durch lautes Scharren mit den Hufen äußert. Statt selber zu dichten und zu singen, lauscht Orpheus nun dauernd den Tönen des Pferdes, das in seiner Villa wohnt und Verse diktiert. Die Liebe ihres Gatten zu dem Tier stört Eurydike. Sie nörgelt, wütet, schlägt Tag für Tag ein Fenster zu Bruch. Auf ihren Ruf kommt Heurtebise in den Salon. Um den Schimmel zu töten, hat der junge Glaser ein Stück Zucker voller Gift besorgt. Der Würfel stammt von Aglaonice, die um eine Gegenleistung bittet. Eurydike soll der Bacchantin einen Brief erstatten, der die Sängerin beleidigt und nur aus Versehen in die Villa gelangte. Eurydike steckt den Brief in einen Umschlag, den Heurtebise von Aglaonice bekam. Doch das Gummi des Kuverts ist giftig. Eurydike leckt daran und stirbt. In quasi medizinischer Operation durchreißen die aus einem Spiegel in den Salon tretende Madame La Mort und ihre Helfer den Lebensfaden Eurydikes, töten das Pferd und machen sich davon. Heurtebise rät Orpheus, sich durch den Spiegel in den Hades zu wagen, mit der Todesgöttin zu sprechen und so seine Gattin zu retten. Orpheus 42

tut dies und kommt mit Eurydike zurück. Doch da er seiner Gattin bei neuem Streit in die Augen schaut, stirbt Eurydike zum zweiten Mal. Wenig später stürzt Orpheus vom Balkon. Draußen morden ihn die Bacchantinnen. Sein Kopf rollt in den Salon. Heurtebise stellt das Haupt auf einen Sockel. Es ruft nach Eurydike. Sie kommt durch den Spiegel und geht mit dem Rumpf ihres Gatten. Ein Kommissar verhaftet Heurtebise. Doch der Glaser flüchtet, während der Kopf dem Kommissar zu Protokoll gibt, er heiße Jean Cocteau. Der Schluss spielt im Himmel. Im Beisein von Eurydike und Heurtebise dankt Orpheus Gott für seine Rettung. Welche Gestalt hat dieser Dank? Die von Worten? Die von Tönen? Das Thema des Sängers, der nicht mehr singen will und erst nach langen Wirren um seine Gattin von dieser Pein erlöst wird, fordert die Schaffung von Musik heraus. Für diese Aufgabe gewonnen wurde Hansjörg Dammert, geboren 1910 und vom Wintersemester 1927/28 bis zum Wintersemester 1929/30 Schüler Arnold Schönbergs in dessen Meisterschule für musikalische Komposition an der Preußischen Akademie der Künste Berlin. Dammert hatte sich im Herbst 1927 an das Komponieren einer Oper nach Cocteaus Drama gemacht. Einige Fragmente dieses Kunstwerks, das nie zum Abschluss gebracht werden würde, kamen im Theater am Schiffbauerdamm zu Gehör. Im Rollenbuch des Schauspieles macht der französische Autor genaue Vorgaben in Bezug auf die Bühne und das Interieur von Orpheus und Eurydike. Er wünscht den üblichen Guckkasten mit einem Salon im Geschmack der Zeit: an der Hinterwand mittig einen Verschlag für das Pferd, links davon eine Tür in den Garten, rechts davon ein Waschbecken und eine gläserne Schiebetür mit Sprossenwerk und Blick auf die Terrasse; an der Seitenwand links einen großen Spiegel; an der Seitenwand rechts eine Tür in das Zimmer der Eurydike; als Möbel links einen kleinen Schreibtisch mit Stuhl, rechts einen kleinen Teetisch mit Stühlen. Zur Uraufführung im Théâtre des Arts Paris 1926 hatte Jean Hugo einen Salon in jenen Formen entworfen, die im Jahr zuvor auf der Pariser »Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes« gezeigt worden waren, ein zwar kontemporäres, doch kein avantgardistisches Interieur, näher bei den Designs von Emile Jacques Ruhlmann als bei denen von René Herbst. Dekors und Details wirkten eher klassisch; die Wände und die Decke zierten hölzerne Paneele und Kassetten wie aus dem achtzehnten Jahrhundert. Wenige Eingriffe hätten genügt, um den Salon in ein Bordell feinster Klasse zu verwandeln. Zweigenthals Bühnenbild musste – praktisch und technisch – zwei Maßgaben gehorchen. Es sollte leicht zu bauen sein; es durfte nicht viel kosten. Denn Aufricht wusste, dass eine Inszenierung auf der neuen Versuchsbühne seines Hauses nicht en suite gespielt werden würde, ja dass Premiere und Derniere eventuell in eins fallen würden; was in

Preußisches Staatstheater Schauspielhaus am Gendarmenmarkt, bei Dunkelheit, 1928

diesem Fall nicht der Fall war, wurde doch die Aufführung aufgrund ihres Erfolgs eine Woche später wiederholt. Äußerlich betrachtet, hielt sich Zweigenthal an die Cocteauschen Vorgaben. Er schuf einen Salon mit drei Türen, einem Spiegel, einem Verschlag, zwei Tischen und drei Stühlen. Er schuf aber keinen Raum in der moderaten Art eines Oskar Kaufmann, sondern in der radikalen Art der Berliner und Dessauer Avantgarde, stellte folglich schneeweiße Wände, raumhohe Türen, Tische und Stühle aus Stahlrohr auf die Bühne. Den Kerrs und Knopfs fielen vor allem die Freischwinger, mithin das Neuste vom Neusten auf. Lothar Müthel als Orpheus, Roma Bahn als Eurydike und Günther Hadank als Heurtebise saßen auf jenem Möbel, das Ludwig Mies van der Rohe 1927 für sein Wohnhaus in der Siedlung auf dem Stuttgarter Weißenhof kreiert hatte. Mit Absicht mied der Salon den Eindruck, als ob er »von Geheimnis umwittert« oder »verdächtig« sei, wie im Rollenbuch gefordert. Das Zweigenthalsche Ambiente war vielmehr voller Licht und Luft, voller Klarheit und Reinheit und entsprach damit dem Ideal der Moderne, wie sie um 1930 leibt und lebt. Hier die Rationalität und Funktionalität der unterkühlten Einrichtung, da die Irrationalität und Dysfunktionalität des überhitzten Geschehens: Sie standen in spürbar scharfem Kontrast. Wollte die Truppe um Aufricht genau diesen Kontrast zur Botschaft des ersten Abends auf der Versuchsbühne machen? Die weiße Hose des Orpheus, der weiße Rock der Eurydike, das weiße Pferd, der weiße Zucker, das weiße Kuvert, der weiße Faden, die weiße Taube,

das Brechen von Spiegeln, das Klirren von Scheiben, das Trennen von Haupt und Rumpf, das Trennen von Büste und Sockel: Sie zeugten vom Drama zwischen der surrealen und der katholischen unter der evidenten ästhetischen Seite Cocteaus. Es war Diebold, der in seiner Kritik für die »Frankfurter Zeitung« das Triebhafte hinter dem Geistreichen der Wortwechsel witterte. Indem er das Verhältnis von Psyche und Technik zum Thema seines Textes machte, von der »sachlichen« Ermordung der Eurydike, ja von »Euthanasie mit allem Komfort« sprach, zielte er auf das Andere der Moderne und wurde so dem Potential des Trauerspiels von Cocteau – wie des Bühnenbilds von Zweigenthal – eher gerecht als die übrigen Kritiker. Die Kollegen schrieben von »Bluff«, von »Ulk«, von »Spuk«, von »frostigem Snobismus«; Diebold schrieb: »Man schaudert.« »Die natürliche Tochter« Vollauf mit der Arbeit einerseits der Einrichtung mehrerer Wohnungen und eines großen Ladens, anderseits der Ausführung eines Parkhauses befasst, hatte Zweigenthal von Anfang 1929 bis Mitte 1931 offenbar keinen Augenblick Zeit für eine Tätigkeit am Theater. Als er, wohl im Frühjahr 1931, dennoch den Auftrag bekam, für eine Inszenierung des Trauerspiels »Die natürliche Tochter« von Johann Wolfgang von Goethe am Preußischen Staatstheater Schauspielhaus am Gendarmenmarkt die Bilder und Räume der Bühne zu gestalten, war dies für den jungen Mann eine Aufgabe von höherer Bedeutung und in besserer Umgebung denn je. SECHS BÜHNENBILDER 1924–1932

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Lothar Müthel, Inszenierung »Die natürliche Tochter«, links Ludwig Donath als Graf, auf der Bahre Maria Schanda als Eugenie, an der Bahre Theodor Loos als Herzog, rechts Wilhelm Krüger als Wundarzt, ganz rechts Lothar Müthel als König, im Hintergrund die Bühne »Dichter Wald«, 1931

Immerhin galt das Schauspielhaus als die Nummer eins unter den Theatern der Hauptstadt des Deutschen Reiches. Und mit der Inszenierung des Stücks »Die natürliche Tochter« sollte dort nicht allein die Spielzeit 1931/32, sondern auch das von Reichskunstwart Edwin Redslob konzipierte Goethe-Gedenk-Jahr eröffnet werden. In Berlin und andern Städten sollte die Zeit um den hundertsten Todestag des »Dichterfürsten« genutzt werden, um der labilen Nation ein Stück kultureller Identität zu stiften. Am milden, weil noch sommerlichen Abend des 29. August 1931 erreicht Franz Köppen, Redakteur und Kritiker der »Berliner BörsenZeitung«, den Gendarmenmarkt. Von den majestätischen Architekturen links des Deutschen, rechts des Französischen Domes flankiert, sieht er im Hintergrund die Fassade des Schinkelschen Theaters. »Das Haus«, so wird Köppen tags drauf schreiben, »ragt am ersten Abend der neuen Spielzeit in strahlender Helligkeit aus dem Düster. Bogenlampen gießen blendende Helle über die mächtige Freitreppe, und aus dem dunklen Gemäuer wachsen die Reliefs der Dachfirste in greifbarer Plastik.« Dann wird Köppen, ohne seinen Namen zu nennen, auf die Ära Leopold Jessner zu sprechen kommen, auf jene Dekade von Ende 1919 bis Anfang 1930, in welcher der Sozialdemokrat Jess­ ner das Theater in der Mitte Berlins aus der Monarchie in die Republik geführt und zu einem Ort auch der politischen Demonstration, ja Provokation gemacht hatte. Schließlich wird Köppen klagen, das Schauspielhaus friste seit dem Fortgang Jessners ein »Dasein verbor44

gener Abseitigkeit«. Er wird fragen, ob es wieder in den »Brennpunkt« rücken wolle und ob man den »Lichtglanz« als »Symbol der Hoffnung« nehmen dürfe. Köppens Kollege Fritz Engel vom »Berliner Tageblatt« wird schreiben, er sehe all die »Geschäftigkeit« und »Geschäftlichkeit« mit einem »Schüttelfrost«. Und in beiden Fällen, bei Köppen wie bei Engel, wird der Leser von heute den Eindruck nicht los, dass die zwei Autoren in ihrer Zeitung nicht allein zur Lage des Theaters, sondern auch zur Lage der Republik sich äußern. »Laßt uns hoffen«, so wird Engel flehen. »Die Hoffnung ist das kostbarste und billigste Privileg der menschlichen Kreatur.« Was Köppen und Engel an jenem Sommerabend im Schauspielhaus sahen, war die Inszenierung eines nicht eben bekannten Trauerspiels der deutschen Klassik. Zur Geschichte hat »Die natürliche Tochter« eine höfische Intrige, um nicht zu sagen eine Machination des Ancien Régime. Eugenie, Spross eines Herzogs und einer Dame aus dem Adel Frankreichs, soll nach dem Tod ihrer Mutter endlich vom König legitimiert werden, wozu die junge Frau nach Gebaren und Gesinnung auch prädestiniert scheint. Ihr wütender Halbbruder aber fürchtet, sein Erbe nun teilen zu müssen, weshalb der Frondeur seine Halbschwester, unterstützt von ein paar Hofschranzen, erst für tot erklären, dann in eine ferne Hafenstadt verschleppen lässt, von wo sie in die Verbannung auf eine Insel geschickt werden soll. Doch indem Eugenie, freilich erst nach zähen Kämpfen, ihrem Anspruch auf

Links Theodor Loos als Herzog, rechts Lothar Müthel als König, im Hintergrund die Bühne »Dichter Wald«

die Rolle einer Fürstin entsagt und einen Gerichtsrat bürgerlicher Herkunft heiratet, wird sie im letzten Moment gerettet. Künftig möchte sie allein dem Vaterland dienen, weil ihm ein »jäher Umsturz« drohe und ein »Führer« fehle, der in der Lage wäre, das Volk zu einen. Durch Worte Goethes bestärkt, hielten Publizisten und Interpreten »Die natürliche Tochter« stets für eine Reaktion auf die Französische Revolution; feminine Humanität, vom Politischen emanzipiert, so etwa laute das Programm des Autors. Früh schon hatten Kritiker wie Ludwig Ferdinand Huber moniert, das Werk sei »marmorglatt und marmorkalt«; nur die Schönheit der Sprache mache das Strenge und Steife der Handlung wett. Spärliche Angaben bestimmen die Orte: Der erste Aufzug spielt in einem »dichten« Wald, der zweite in einem »gotischen« Zimmer der Tochter, der dritte in einem »modernen« Zimmer des Herzogs, der vierte und fünfte auf einem »Platz am Hafen« mit Palast und Kirche. Zweigenthal schuf für das Ganze eine Kunstwelt, bei der Szene und Kostüm so weit wie möglich mit dem Kontrast von Schwarz und Weiß operierten. Es gab einen breiten Kas­ ten mit weißem Boden und weißen Wänden. Schwarze Graphik sei es von Bäumen, Felsen, Wolken, sei es von Türen, Fenstern, Säulen, sei es von Segeln, Masten, Wassern deckte die Wände links, rechts und hinten. Striche und Flächen formten an manchen Stellen keine Einheit. Der Strich mied die Fläche; die Fläche mied den Strich. Aus dieser Technik rührte der Eindruck von rascher Skizze, von bewegter

Flüchtigkeit, die nur Andeutung, nur Anregung sein wollte. Den Stil des Rokoko oder des Empire minutiös kopierende Exterieurs, Interieurs und Requisiten hätten die Vorstellung des Zuschauers in der Tat gelähmt statt belebt, hätten das extrem Artifizielle und Deklamatorische der Tragödie durch falsche Echtheit verschenkt. »Wenn ich, beim Sonnenschein, durch diese Straßen, / Bewundernd wandle, der Gebäude Pracht, / Die felsengleich getürmten Massen schaue, / Der Plätze Kreis, der Kirchen edlen Bau, / Des Hafens masterfüllten Raum betrachte; / Das scheint mir alles für die Ewigkeit / Gegründet und geordnet, diese Menge / Gewerksam Tätiger, die, hin und her, / In diesen Räumen wogt, auch die verspricht / Sich, unvertilgbar, ewig herzustellen. / Allein wenn dieses große Bild, bei Nacht, / In meines Geistes Tiefen, sich erneut, / Da stürmt ein Brausen durch die düstre Luft, / Der feste Boden wankt, die Türme schwanken, / Gefugte Steine lösen sich herab / Und so zerfällt in ungeformten Schutt / Die Prachterscheinung. Wenig lebendes / Durchklimmt, bekümmert, neuentstandne Hügel / Und jede Trümmer deutet auf ein Grab. / Das Element zu bändigen, vermag / Ein tiefgebeugt, vermindert Volk nicht mehr, / Und, rastlos wiederkehrend, füllt die Flut, / Mit Sand und Schlamm, des Hafens Becken aus.« Mit diesen Versen schildert ein Mönch, was er sieht, was er fühlt, was er ahnt, was er träumt: Vorboten der mählichen Zerstörung des städtischen und staatlichen Gefüges seiner Heimat. Er rät Eugenie zur SECHS BÜHNENBILDER 1924–1932

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Hermann Zweigenthal, Bühne »Die natürliche Tochter«,

Links Maria Koppenhöfer als Hofmeisterin,

vierter und fünfter Aufzug, »Platz am Hafen«, Zeichnung

rechts Maria Schanda als Eugenie,

zum Zweck der Projektion

im Hintergrund die Bühne »Platz am Hafen«

Flucht, das heißt zur Hinnahme der furchtbaren Verbannung. Die Worte des Mönches fallen im siebten Auftritt des fünften Aufzugs, fast am Ende des heillosen Geschehens um die Tochter des Herzogs. Der Ort des vierten und fünften Aktes ist der Platz am Hafen. Von diesem letzten der Zweigenthalschen Bühnenbilder hat sich eine Darstellung erhalten. Es ist die Wiedergabe einer Zeichnung, deren Maße wir nicht kennen; das kleine Stück längst braunen Papiers stammt wohl aus einer Zeitung. In Kenntnis der Rede des Mönches wird noch beim ersten Blick auf die Graphik klar, dass Zweigenthal die Sehweise des Geistlichen zur Grundlage des Bühnenbilds machte. Bei der Aufführung im Schauspielhaus sahen die Zuschauer nach der Viertelstunde Pause ein auf drei Wände gemaltes – nein: geschmiertes, geträumtes – offenes, räumliches Gebilde, links eine hohe Tür, rechts eine hohe Tür, die Platten auf dem Boden zu Quadraten geschnitten und im Raster verlegt. Die Zentralität der Perspektive hätte die Gewähr eines harmonischen Panoramas sowie einer stabilen Balance zwischen Vorder- und Hintergrund geboten. Zweigenthal hingegen führte die Betrachter auf dem Weg in die Tiefe aus einem Raum großer Ruhe in einen Raum großer Unruhe. Im Fluchtpunkt – anders gesagt: in der Mitte der Mitte – stand alles schräg und schief. Sicher, wer mit der ästhetischen Analyse von Bildern vertraut war, erkannte auf der Rückwand die Teilung der Fläche in zweimal zwei Felder mit zweimal zwei Themen: unten links Wasser, oben rechts Wolken, also Natur; oben links Bauten, unten rechts Schiffe, also Kultur. Was trotz der Gliederung vorherrschte, war der Eindruck fahrender, fallender Ordnung. Alles sah aus, als hätte alles auch anders aussehen können. Würden die Häuser stürzen, die Schiffe sinken, Sand und Schlamm des Hafens Becken füllen?

»Faust I« »Das ist einmal eine Nachricht!«, schreibt Zweigenthal am 14. Oktober 1932 von Berlin nach Ascona, wo seine Frau Dorothee und ihr kaum neun Monate altes Kind Antonius schon seit dem Sommer weilen. An den großen Auftrag, für die Inszenierung des »Faust. Der Tragödie Erster Teil« von Johann Wolfgang von Goethe am Preußischen Staatstheater Schauspielhaus am Gendarmenmarkt die Bilder und Räume zu schaffen, habe er nicht mehr glauben wollen, da sich auch Caspar Neher – einer der ersten Szenographen des Theaters der Weimarer Republik – um diese, für das eigene Ansehen wichtige Aufgabe beworben habe. Er verdanke den schönen Auftrag einerseits der Tatsache, dass Nehers jüngste Arbeit, die Bühne für Jürgen Fehlings Inszenierung von Friedrich Schillers »Wilhelm Tell«, keinen Erfolg gehabt habe, anderseits der Tatsache, dass »gute Freunde« wie die am Gendarmenmarkt engagierten Schauspieler Walter Franck, Veit Harlan, Lothar Müthel und Aribert Wäscher sich für ihn starkgemacht hätten. Zwar habe man ihm noch keinen Vertrag geschickt; doch wolle er Müthels Nachricht trauen, da er von diesem eben gehört habe, dass die Leitung des Schauspielhauses auf einer Regiesitzung den Einbau einer Drehscheibe bewilligt habe: »Man richtet sich also auf meine Pläne ein.« Ursprünglich hatte sich der Vorhang zur Premiere des »Faust« am 22. März 1932 heben sollen, genau hundert Jahre nach Goethes Tod; der »Faust« hatte die Krönung des Goethe-Gedenk-Jahres werden sollen. Intendant und Regisseur Ernst Legal aber war es trotz aller Mühe nicht gelungen, den Schauspieler Werner Krauss – der aufgrund seiner Filme äußerst beliebt war und den Kenner für den besten Akteur deutscher Sprache hielten – für die Rolle des Faust zu gewinnen, sodass es zum Abbruch der Proben, wenig später gar zum Rücktritt Legals von seinem Posten gekommen war. Die Führung des Hauses musste

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Hermann Zweigenthal, Bühne »Faust«, »Studierzimmer«, Zeichnung zum Zweck der Projektion, 1932

nun Heinz Tietjen, Generalintendant sämtlicher preußischer Theater im Deutschen Reich, für eine Weile selbst übernehmen. Zwar galt das Interesse dieses Mannes vor allem seiner Tätigkeit an der Staatsoper Unter den Linden; doch war ihm klar, dass er die Zügel der übrigen staatlichen Spielstätten nicht völlig schleifen lassen, dass er ein Projekt wie »Faust« nicht lange liegen lassen durfte, wollte das Theater keine weitere Blamage riskieren. So wurde schließlich Lothar Müthel mit der Regie, Werner Krauss mit der Rolle des Faust, Gustaf Gründgens mit der des Mephisto, Käthe Gold mit der des Gretchens und Zweigenthal mit den Bildern und Räumen auf der Bühne betraut. Die Arbeit litt unter Hochdruck; enorme Pression und Konkurrenz machten den Künstlern zu schaffen. Dass Müthel und Gründgens für die vakante Position des Intendanten in Frage kamen, dass beide mit

Tietjen im Gespräch standen, dass beide sich folglich besonders beweisen mussten, war ein offenes Geheimnis. Sogar über die Proben drang dies und das an die Öffentlichkeit. Nach der Premiere am 2. Dezember 1932 würde Franz Köppen in der »Berliner Börsen-Zeitung« von Krächen über Krächen, von Nervosität selbst an höchster Stelle schreiben. Die Schauspieler hätten nicht an das große Ganze, sondern jeder von ihnen nur an sich selbst und seine Rolle gedacht. Dass der Abend, um es im Jargon zu sagen, wohl ein Abend mit lauter »Rampenschweinen« war, kümmerte das Publikum allerdings nicht. Nach fünf Stunden war der Beifall stürmisch. Sein langes Rauschen mag nicht allein Müthel, Krauss, Gründgens, Gold, sondern auch Franck in der Rolle des Valentin, Harlan in der des Schülers, Wäscher in der der Hexe riesig gefreut haben. Der Blick in die am späten Mittag oder frühen Abend des nächsten SECHS BÜHNENBILDER 1924–1932

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Tages am Kiosk hängenden Zeitungen muss sie jedoch alle ernüchtert haben. Wie so oft: Die Kritik kannte kein Pardon. »Es war eine schwere Enttäuschung!«, schrieb Max Osborn in der »Berliner Morgenpost«. »Faust ohne Faust, ohne Strich, ohne Stil, ohne Stimmung«, schrieb Monty Jacobs in der »Vossischen Zeitung«. Müthel und Krauss wurden heftig verrissen, Gründgens und Gold heftig gefeiert, Franck, Harlan und Wäscher freundlich erwähnt. Und Zweigenthal? Der kam gut weg. Sehr gut sogar. Um sich dessen Bildern und Räumen für den »Faust« zu nähern, bedarf es eines kleinen Umwegs. Zweigenthal, so muss man wissen, hatte schon früh eine Leidenschaft für alles Technische am Theater entwickelt. Vermutlich hatte er als Student die »Internationale Ausstellung neuer Theatertechnik« Wien 1924 und die »Deutsche Theater-Ausstellung« Magdeburg 1927 besucht. In seiner Diplomarbeit an der Technischen Hochschule Berlin hatte er versucht, das Prinzip des älteren Amphitheaters und des jüngeren Logentheaters entwurflich zu verbinden. Dabei hatte er sich offenbar vorgestellt, dass Bühnenturm und Schnürboden bald nicht mehr gebraucht werden würden, weil das Bühnenbild aus dem Malersaal durch die Projektion von Dias und Filmen bald ersetzt werden würde. In der Tat hatten Glühbirne und Scheinwerfer im Lauf der letzten Jahrzehnte des neunzehnten Jahrhunderts den Bühnenraum aus dem Halbdunkel von Gasleuchtern gerissen. Die Elektrizität hatte die seit langem bekannte Verwendung projizierender Apparaturen auf neue Weise sinnvoll gemacht. Doch erst Mitte der zwanziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts war deutlich geworden, dass sich durch Projektion atmosphärische Intensitäten schaffen ließen, die zuvor niemand auch nur hätte ahnen können. Das für die Projektion produzierte Dia war eine in den meisten Fällen achtzehn mal achtzehn Zentimeter große Platte aus festem, hartem Glas oder aus Glimmer, dessen thermische Resistenz bis 550 Grad Celsius reicht. Das Bild entstand von Hand, das heißt durch Zeichnen, Malen, Kratzen, Schaben, Stechen. Nötig war ein feiner, zarter Strich, da das Bild auf dem Weg durch das Objektiv des Projektors oft auf das Hundert-, ja Hundertfünfzigfache vergrößert wurde. Sollte das Bild, wie üblich, von hinten auf einen gekrümmten, textilen Horizont geworfen werden, so mussten – mit Hilfe eines Rasters, der die Entsprechung eines jeden Punktes auf dem Horizont und eines jeden Punktes auf der Platte möglich machte – die Verzerrung im Kleinen und die Entzerrung im Großen genau bedacht werden. Wie die Platte selbst durften auch die Farben und Formen auf ihrer Fläche keinen Schaden nehmen. Um das Bild vor dem Hitzeschwall der Lichtquelle, das heißt vor dem Bleichen und Schmelzen zu schützen, wurde es durch feuerfesten Lack fixiert. Angesichts der handwerkli48

Hermann Zweigenthal, Bühne »Faust«, »Auerbachs Keller«

chen und künstlerischen Eigenheiten des gesamten Verfahrens war es kein Wunder, dass es nur wenige Personen gab, die fähig waren, zugleich farbechte und leuchtstarke Bilder zu liefern. Und es versteht sich, dass die Meister des Fachs ihre technischen Finessen wie ein Geheimnis hüteten. Unter den Bühnenbildnern, deren avancierte ästhetische Ambition ohne die Unterstützung solcher Meister kaum hätte sichtbar werden können, ragten Hein Heckroth in Essen, Caspar Neher in Berlin, Wilhelm Reinking und Lothar Schenck von Trapp in Darmstadt hervor. Es war jedoch die aus einer adeligen Familie von der Küste des Schwarzen Meeres stammende, seit Beginn der zwanziger Jahre in Berlin lebende, russische Künstlerin Nina Tokumbet, die seit 1924 für die Volksbühne und weitere Theater eine Platte nach der andern malte, dabei die Intention der Szenographen mit stupender Empathie zu transformieren wusste. Ob es um die Propaganda einer politischen Konzeption, um die Illusion einer gigantischen Architektur, um das Drama der Natur ging: Tokumbet konnte wie niemand sonst jenes wie dieses einfühlend umsetzen, jenes wie dieses mit Geschick auf Hartglas bannen. Keine Frage, dass Zweigenthal mit Nina Tokumbet mehr als eine fleißige Helferin hatte. Wiewohl er selber das Zeichnen von Jugend auf trainiert hatte, war es doch eine andere Aufgabe, einer Serie von Graphiken ein neues Medium zu geben, das heißt: sie auf solche Art zu doppeln, dass sie jede einzeln – vergrößert durch das Objektiv des Projektors – von hinten den riesigen Horizont der 25,87 Meter breiten und 22,17 Meter tiefen Bühne des Schauspielhauses in ganzer Weite füllen konnten. Von Zweigenthals vermutlich zahlreichen Zeichnungen blieben zwölf Motive erhalten, keines als Platte, keines als Graphik, jedes – leider – nur als Foto der Graphik, nur im kleinen Format. Aber alle Szenen, die man von einer Aufführung des »Faust« erwartet, sind dabei: das Studierzimmer, der Keller in Leipzig, die Hexenküche, Gretchens Stube, Marthes Garten, der Dom, der Brocken, der Kerker.

Bühne »Faust«, »Hexenküche«

Die Bilder machen nicht den Eindruck, als ob Farbe eine Rolle gespielt hätte. Man meint vielmehr feine Stufen von Weiß bis Schwarz oder von Weiß bis Braun zu sehen. Mal fällt das Licht in hellen Streifen von rechts in den Raum. Der Keller wirkt durch seine Tiefe, der Kerker durch seine Höhe exorbitant dramatisiert. Die Straßen und Häuser muten dank ihrer kahlen Wände wie aus der Großstadt an. Die Kritiker notierten die Verwandtschaft der Zweigenthalschen Bühnenbilder mit Gemälden und Zeichnungen des späten fünfzehnten bis späten siebzehnten Jahrhunderts; sie erwähnten das Genre und die Landschaft bei Albrecht Dürer und Albrecht Altdorfer, bei Pieter Bruegel und Rembrandt van Rijn; auch das Biedermeier eines Carl Spitzweg wurde zum Vergleich bemüht. Kerr schloss seine Kritik der Inszenierung im »Berliner Tageblatt« mit dem Satz, Gründgens sei an diesem Abend »das sicherste Plus«. Dann ein Absatz. Dann zwei Worte. Dann ein Punkt: »Neben Zweigenthal.« Stärker als mit dieser knappen Formel hätte man den Künstler nicht loben können. Zweigenthal hatte Grund zur Freude. Doch die größte Würdigung war auch die letzte Würdigung. Denn zur Wahrheit

des 2. Dezember 1932 gehört auch, dass Kerr und Zweigenthal – der Kritiker und der Szenograph, der Lobende und der Gelobte – Deutschland wenig später fluchtartig verließen. Aus der Stimmung der Dichtung »Saison! Saison! Die Damen hatten zu tun. Man konnte in diesen Tagen unmöglich bei allen Akten einer Premiere zugegen sein. Die Autoren mochten schäumen. Man teilte weise ein: wem man die erste Hälfte bis zur Pause und wem man das Happy End schuldig war. Weiter! Kein Ende! Dem Tod entfliehen. Dem Ganzen entrinnen. Nur naschen! Welch’ süße Confiserie, die Welt. Dreißig Prozent einer Veranstaltung reichten zur ersten Urteilsbildung, die durch die Kritik der Zeitungen am folgenden Tag genugsam gefestigt wurde, um sodann als Bekenntnis verwertet zu werden. Auch Politik gehörte zur Kosmetik. Man schmückte sich mit ihr wie mit der Intelligenz. Die ›schöne Seele‹ der Klassiker war zur ›klugen Psyche‹ geworden. Liebe nannte man Flirt. Von Bad zu Bad, von Modes zu Robes, von Anlaß zu Anlaß, von Premiere zu Premiere raste das Leben im Tempo. Das Glück hieß Occasion.« SECHS BÜHNENBILDER 1924–1932

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Diese Zeilen stammen aus einem Roman mit dem Titel »Das Reich ohne Mitte«, verfasst von Bernhard Diebold, einem der renommierten Rezensenten der Weimarer Republik. So kritisch, ja zynisch sprach der Autor am Ende der dreißiger Jahre über das Publikum des Berliner Theaters vom Beginn der dreißiger Jahre. Sicher, Diebold hatte Gründe für seinen Ekel. Dem Schaffen der Regisseure und Szenographen aber wurde er – schon geprägt vom Schweizer Exil – mit seinen Worten nicht gerecht. Man kann die Redlichkeit des Engagements von Reinhardt, Jess­ ner, Piscator auf der einen, von Stern, Pirchan, Müller auf der andern Seite nicht leugnen. Lässt man die Arbeit für das Stück »Der sprechende Affe« außer Acht, so war auch das Bühnenbild von Zweigenthal alles andere als »Confiserie« und »Occasion«. Etwas zu beschreiben, von dem es außer ein paar Fotos in Beilagen von Zeitungen, außer ein paar Sätzen in Artikeln von Kritikern keinerlei Darstellung aus erster Hand gibt, stellt jeden Autor vor eine schwierige Aufgabe. Zum Glück schufen die meisten Szenographen von Rang in den besten Jahren der Weimarer Republik fünf, ja zehn Bühnenräume pro Spielzeit. Wenn von den Entwürfen mehr als nur der Hintergrund einiger Aufnahmen mit Gesichtern von Schauspielern blieb, wenn etwa Gouachen, Modelle, technische Zeichnungen blieben, dann fällt es nicht schwer, die ästhetischen Artefakte als Folgen mit dieser oder jener Richtung zu deuten. Was aber lässt sich sagen, wenn es sich – wie bei Zweigenthal – um nur sechs Werke in neun Jahren handelt? Ist es möglich, seine Tätigkeit als Entwicklung zu betrachten, wo doch der Abstand von der einen zur andern Arbeit so groß ist, dass zwischen jener und dieser auf den ersten Blick keine Verbindung zu bestehen scheint? Die Zweigenthalschen Bühnenbilder kommen nicht von Adolphe Appia und nicht von Edward Gordon Craig. Sie arbeiten nicht mit Platten, Stützen, Balken, nicht mit Kuben und Quadern, nicht mit hölzernen, stählernen, gläsernen Gestellen, nicht mit der Schräge von Böden, Wänden, Decken, nicht mit der Diagonalperspektive, nicht mit skulpturaler Ambition, nicht mit genuiner Architektur, kurz: nicht mit jenen Mitteln, die Teile des Publikums am Theater so schätzten. Die Zweigenthalschen Bühnenbilder kommen vielmehr von der Skizze oder Graphik, die auch ein guter Illustrator von Prosa und Lyrik so oder ähnlich zu Papier gebracht hätte. Sie haben mehr Breite als Tiefe, etwas eigentümlich Flächenhaftes. Das Bühnenbild zu »Der Mantel« war expressionistisch, das zu »Der sprechende Affe« boulevardesk, das zu »Die Brautwahl« komödiantisch, das zu »Orpheus« experimentell. Doch erst die Bühnenbilder zu den Stücken »Die natürliche Tochter« und »Faust. Der Tragödie Erster Teil«, gespielt zum Anfang und zum Ende der Goethefeiern 1931/32, führten Zweigenthal auf einen Weg, den er wohl weiter verfolgt hätte, hätte er in Berlin bleiben können. 50

Hermann Zweigenthal, Bühne »Faust«, »Dom«

Aus Russland konstruktivistische, aus Italien futuristische, aus Deutschland expressionistische, dadaistische, kubistische Bühnenbilder: Was lange bewundert worden war, wurde plötzlich bemängelt. Um 1930 hatten sich die Ideen und Konzepte der zwanziger Jahre erschöpft. Zu spüren war nun, dass manche Bühnenbilder sich von den Stücken und Spielern gelöst, ja dass sie – als autonome theatrale Artefakte – einem Ismus gehorcht statt einem Drama gedient hatten. Mit dieser Perzeption und Kontroverse sicher gut vertraut, schuf Zweigenthal mit seinen letzten beiden Bühnenbildern vor 1933 eine Reihe von Räumen, die eins vor allem nicht wollten: der Aktion der Akteure im Weg stehen. Sie boten daher viel freie Fläche. Ja, was auf den Brettern lag oder stand, schien so wenig Belang zu haben, dass einige Kritiker die Aufbauten ungeschickt fanden. Ob wirklich allein die Wände links, rechts und hinten, allein der Horizont künstlerisch gestaltet war? Wir wissen es nicht. Leider gibt es kein Zeugnis, das eine Antwort auf diese Frage erlaubt. Aufgrund seiner scharfen Trennung von eher flach gebautem Vordergrund einerseits, eher breit und hoch gemaltem Hintergrund anderseits, aufgrund seines Interesses an technisch raffinierter Projektion, aufgrund seiner Ausbeutung der Malerei für die geraden oder gekrümmten Prospekte stand Zweigenthal Anfang der dreißiger Jahre ganz in der Nähe Nehers. Was Manfred Georg – Journalist, Kritiker und Redakteur der Berliner Abendzeitung »Tempo« – damals in der Zeitschrift »Die Scene« über die Bühnenbilder dieses Künstlers schrieb, er hätte es ähnlich auch über die besten der sechs Arbeiten Zweigen­t hals notieren können: Sie wollen nicht an und für sich bedeuten, schon gar nicht an und für sich auffallen, sondern in ihrer Aufgabe aufgehen. Sie suggerieren Atmosphäre. Und: »Sie wachsen geradezu organisch aus der Stimmung der Dichtung.«

6  EIN THEATER FÜR MAX REINHARDT 1926–1927

Der junge Mann hatte »Danton« besucht, das Drama der Französischen Revolution, ein Stück von Romain Rolland unter der Regie von Max Reinhardt. Die Vorstellung im Großen Schauspielhaus Berlin, von den Kritikern einhellig verrissen, hatte ihn dermaßen begeistert, dass er sich gleich an die Arbeit machte, ein noch größeres, schöneres, besseres Theater zu entwerfen, als es das vom Häusermeer zwar verdeckte, doch riesige, rötliche Gebäude von Hans Poelzig – ein ›Höhlenbau‹ mit ›Tropfsteinen‹ – in seinen Augen schon war. Die Trennung von Szene und Parkett sollte endlich gelöst werden; sogar Pferde und Autos sollten auf der Bühne stehen können. »Fort mit der bunten Lüge!«, dachte der junge Schwärmer, wandte sich an die Schauspielerin Tilla Durieux und bat sie um einen Termin bei Reinhardt, der sich tatsächlich einen Augenblick Zeit nahm, den Fremden zu hören und seine Skizzen zu sehen. »Nicht schlecht«, sagte der Intendant und Regisseur. »Heben Sie diese Blätter auf, vielleicht reden wir in zehn Jahren noch einmal darüber.« So schildert Konrad Wachsmann seinen Besuch bei Reinhardt im Mai 1920. Auch wenn die Memoiren des Architekten das kurze Treffen womöglich verklären, bleibt der Vorgang als solcher rührend. Wer sonst unter den Giganten des Berliner Theaters hätte schon einen neunzehn Jahre alten Studenten aus Frankfurt an der Oder in seinem Büro empfangen, um sich dort mit dessen Utopie vom Theater als einem Tempel der Bildung des Volkes zu befassen? Indes scheint es, als ob sich gut sechs Jahre später das Ereignis wiederholt habe. Wieder war es ein Poelzigschüler, der mit Reinhardt ins Gespräch kommen wollte. Aber diesmal war es ein Mann, der sein Können aufgrund von drei Bühnenbildern – 1924 für das Deutsche Opernhaus, 1925 für die Komödie, 1926 für die Städtische Oper – längst unter Beweis gestellt hatte. Vor allem war es ein Mann, der ein größeres Bewusstsein für die Schwierigkeit der Verbindung des Wünschbaren mit dem Machbaren besaß: Hermann Zweigenthal. Für seine Diplomarbeit an der Technischen Hochschule Berlin hatte er sich nicht, wie viele seiner Kommilitonen, mit fiktiven Idyllen abgeben wollen, also nicht mit dem Entwerfen eines Landhauses oder einer Volksschule oder einer

Kassenhäuschen der Reinhardtbühnen auf dem Kurfürstendamm, 1928

Dorfkirche in freundlichster Umgebung. Vielmehr hatte er ein Thema aus der städtischen, ja der Berliner Wirklichkeit gewählt, ein echtes Bauvorhaben mit einer echten Bauherrenschaft. Arbeit am Diplom Zweigenthals »Theater für Max Reinhardt« kann nur verstehen, wer den Hintergrund der Aufgabe zu erklären weiß. Mitte der zwanziger Jahre suchte die Geschäftsführung des Reinhardtkonzerns im damals gerade bei betuchten Berlinern beliebten, weil jungen, frischen, schicken Neuen Westen westlich der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche Fuß zu fassen. Gemeinsam mit der Emil Heinicke Aktiengesellschaft hatte man in der Welt des Luxus und der Moden die Komödie errichtet, eröffnet und rasch zum Erfolg geführt. Unterdes war die im Wohnungs-, Laden- und Bürobau tätige Aktiengesellschaft Pächterin einiger Grundstücke geworden, die der Verlegerin Felicia LachmannMosse gehörten. Das Areal umfasste vierzigtausend Quadratmeter; es lag am oberen Teil des Kurfürstendamms, in Höhe des Lehniner EIN THEATER FÜR MAX REINHARDT 1926–1927

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Platzes. Die offenbar auch für die Pächterin Heinicke aktive Wohnhaus-Grundstücks-Verwertungs-Aktiengesellschaft (WOGA) hatte den schon damals – nicht nur wegen der Gestaltung des Verlagshauses Rudolf Mosse im Zeitungsviertel von Berlin – renommierten Architekten Erich Mendelsohn für den Entwurf eines Komplexes mit Woh­ nungen, Geschäften, Restaurant, Theater und Kino gewonnen. Aus dem Jahr 1926 stammen Skizzen und Pläne, die am Boulevard links ein Café, rechts ein Kino zeigen. Zwischen beiden führt eine neue, von Läden gesäumte Stichstraße auf ein Theater. In einem gut platzierten Artikel des »Berliner Tageblatts« vom 25. November 1926 heißt es, gebaut würden südlich des Lehniner Platzes dreihundert teils kleinere, teils größere Wohnungen mit allem Komfort. Am Endpunkt der schmalen Straße werde »ein Theater für zweitausend Personen projektiert, das voraussichtlich von einem sehr bekannten Theaterdirektor gepachtet werden wird«. Kenner der Szene mussten nicht raten; sie wussten Bescheid: Es ging um Reinhardt. Unternehmer wie Unterhalter in einer Rolle, dachte der Weltmann an eine Stätte, die sich ebenso wie die übrigen Schau- und Lustspielhäuser seines Konzerns Saison für Saison würde rechnen müssen; an eine Stätte, unter deren Dach auch andere Nutzungen – ein Ballsaal – Raum finden würden; an eine Stätte, die dem Wiener Beispiel der Verbindung des Theaters in der Josefstadt mit den Sträußelsälen folgen würde. Diesem Programm einer Mixtur von Kultur und Kommerz schuf Mendelsohn ein Gehäuse. Zweigenthal gab dem Bau ein elegantes Interieur. Nicht dass durch seine Grundrisse, Längs- und Querschnitte schon eine detaillierte Architektur vor Augen träte. Wie sollten auch die wenigen schwarzweißen Zeichnungen mehr als ein Gebilde kubischen Charakters und die Verteilung der Nutzungen erkennen lassen, wenn der Körper als solcher einer noch unklaren Vorgabe Mendelsohns zu gehorchen hatte? Jedenfalls plante Zweigenthal ein Theater mit avancierter Technologie: unten eine neunzehn Meter tiefe Wagenbühne mit schieb-, schwenk- und senkbarem Horizont in Form einer halben Kuppel aus Eisen und Rabitz; oben ein Schnürboden mit siebzig Zügen. Er hätte aber auf den Bühnenturm in der Tiefe des Terrains am liebsten verzichtet, weil das Bühnenbild aus dem Malersaal seiner Meinung nach bald durch die Projektion von Dias und Filmen ersetzt werden würde. Am Wendepunkt der Stichstraße liegen Läden, Büros und die breite, vermutlich gläserne Eingangshalle. Hinter der Kasse folgen die beiden Foyers, die auch als Restaurant mit Galerie fungieren. Allein für das Herzstück des Ganzen, für den Saal mit Parkett und Logen, hatte der Diplomand schon eine genaue räumliche Vorstellung. Das leicht gestreckte Hufeisen nimmt 1900 Zuschauer auf: vorne und hinten das schräge Parkett, gestaffelt in dreiundzwanzig Reihen; hinten und oben 52

Karl Schulpig, Plakat »Deutsche Theater-Ausstellung« Magdeburg 1927

hundertvierzig Logen, gestapelt in acht Reihen. Jede dieser Kammern bietet vier bis zwölf Gästen Platz; von der runden Brüstung schweift der Blick durch den Saal auf die Bühne. Die vermutlich glatten, weißen, halben Zylinder bilden eine dynamische, so modulare wie uniforme Struktur, die als von Menschen belebter Hintergrund in Erscheinung tritt, nachdem das Parkett in der Versenkung verschwunden und der Ort zum Ballsaal geworden ist. Zwischen Logentheater und Amphitheater Zweigenthal fand in Berlin eine reiche theatrale Typologie. Der Student konnte in Hermann Richters Deutschem Theater ein Rangtheater, in William Müllers Kammerspielen des Deutschen Theaters ein Saaltheater, in Max Littmanns Schiller-Theater ein Amphitheater, in Oskar Kaufmanns Komödie ein Logentheater und in Hans Poelzigs Großem Schauspielhaus einen Raum für das quasi kultische Spektakel erfahren. Vermutlich war er mit den wichtigsten Theatergebäuden in Wien und Berlin vertraut; vermutlich kannte er diese Häuser

nicht allein von außen, sondern auch von innen, einschließlich ihrer den Besucher ärgernden, je spezifischen akustischen und visuellen Probleme. Mit dem Titel »Amphitheatrales Logentheater« nimmt seine Diplom­ arbeit deutlich Bezug auf den weit in das neunzehnte Jahrhundert reichenden Streit um das ältere Logentheater einerseits, das jüngere Amphitheater anderseits. Etiketten wie »aristokratisch« für das Logentheater und »demokratisch« für das Amphitheater machen klar, dass es im Kern nicht bloß ein Zank um die gleich gute Sicht von allen Plätzen war. Vielmehr schwelte da eine kulturelle und politische Kontroverse: Soll das Theater nur den höheren Schichten oder auch den gemeinen Leuten dienen? Zweigenthal verstand seinen Entwurf gewiss als einen Beitrag in der Sache. Möglich, dass er dieser wie jener Partei einen Vorschlag zur Güte schenken wollte. Paten seines Konzepts sind neben dem Intendanten Reinhardt die Architekten Kaufmann und Poelzig. So verschieden ihre Haltungen sonst waren, einte sie doch Skepsis und Kritik in Bezug auf das Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts gebaute Charlottenburger Schiller-Theater. Dieses Haus war ein Manifest der Reformer. Es wollte durch die Farben seines Innern – Grau und Grün statt Rot und Gold – den Abstand zum Geschmack der Fürsten zum Ausdruck bringen. Und es wollte durch den steilen Sektor des Parketts wie durch den Verzicht auf Logen die hellenische Tradition der in Halbrunden sitzenden, freien und gleichen Bürger Athens für die Gegenwart gewinnen. Nicht dass es sich nun bei Zweigenthal um die Nachahmung der Vorbilder Kaufmann und Poelzig handelt, wiewohl man einem Studenten im Examen das Kopieren verzeiht. Nein, die Verwandtschaft rührt aus dem Bemühen, zwar einerseits die Distanz zwischen Zuschauer und Schauspieler zu wahren, doch anderseits Parkett und Loge und Szene oder Schauraum und Spielraum als Einraum zu bauen. Sie rührt aus der Vorstellung von Theater nicht als Aufklärung und Erziehung breiter Massen, sondern als Illusion und Suggestion eines andern, besseren Lebens. Kein Wunder, dass Reinhardt, Kaufmann, Poelzig – und Zweigenthal – den Abend vor der Bühne gern in die Nähe gesellschaftlicher Festlichkeiten rücken. Das Beispiel Oskar Kaufmann Kaufmanns Berliner Hebbel-Theater aus dem Jahr 1908 und Kaufmanns Berliner Volksbühne aus dem Jahr 1914 sind beides wuchtige Gebäude, die ihre plastischen Fassaden wie ein Monument aus Muschelkalk behandeln. Die späteren, aus den zwanziger Jahren stammenden Theater des ungarischen Architekten deutscher Sprache wirken im Vergleich dazu verspielt und sind vor allem innen von jener charmanten Melange aus Rokoko und Art déco geprägt, die damals Mode wurde, sodass derlei Formen bald jedes neue Café schmückten. Gleich sieben von Kaufmanns Bauten waren mit Skizzen, Rissen, Schnitten und wahrschein

lich auch Modellen auf der großen »Deutschen Theater-Ausstellung« Magdeburg 1927 zu betrachten. Ob Zweigenthal – im Sommer dieses Jahres ganz und gar mit dem Examen an der Technischen Hochschule Berlin beschäftigt – die Ausstellung besuchte, ob er sich in den Pavillons hinter der neuen Stadthalle Magdeburg diese oder jene letzte Anregung für seine Diplomarbeit holte, wir wissen es nicht. Sicher ist allein, dass Zweigenthal, nachdem ihn 1925 der Reinhardtkonzern für das Bühnenbild der Inszenierung des Stücks »Der sprechende Affe« verpflichtet hatte, mit einem dieser eher kleinen Häuser von Kaufmann seine eigene Erfahrung gemacht hatte. Die Komödie am Kurfürstendamm, wo Erich Pabst das Zirkusdrama um den Affen Faho erstmals in Deutschland auf die Bühne gebracht hatte, war ein Theater mit Parkett und zwei Geschoss Logen. Sein exquisites Interieur entsprach den Ideen, die Kaufmann schon 1909 in einem programmatisch expliziten Aufsatz unter dem Titel »Der moderne Theaterbau« in der Zeitschrift »Die Deutsche Bühne« publiziert hatte. Wer ein Theater entwerfe, brauche nicht zwischen einem alten, vermeintlich aristokratischen und einem neuen, vermeintlich demokratischen Prinzip wählen, müsse aber auf die harmonische Relation aller räumlichen und baulichen Teile, auf den feinen Rhythmus von Entree, Foyer, Parkett, Loge und schließlich Szene achten. Das Amphitheater, so Kaufmann weiter, eigne sich gut für das veritable Spektakulum, doch schlecht für die Werke etwa der Henrik Ibsen, August Strindberg, Gerhart Hauptmann. Für deren leise, dichte Kammerspiele, ja für beinahe die gesamte bürgerliche dramatische Literatur müssten der Raum des Schauspielers und der des Zuschauers »unbedingt geschieden« werden. Architekt und Regisseur müssten daher Sorge tragen: erstens, dass zwischen Szene und Parkett der »schärfste« und »strengste« Bühnenrahmen stehe; zweitens, dass das Publikum in kleinen Gruppen, also am besten in kleinen Rängen und kleinen Logen, in die rechte Stimmung versetzt werde. Der Einklang zwischen Spielenden und Schauenden – so lässt sich aus dem Beitrag Kaufmanns folgern – hat nicht damit zu tun, wer oben und wer unten, wer vorne und wer hinten ist. Die fragile Konkordanz ist nicht Resultat primär physischer, sondern primär psychischer Nähe. Die Qualität der Akteure und das Engagement des Publikums einmal außer Acht lassend, bedarf es für diesen Einklang nur noch: der alle und alles bindenden Eigenschaft des Raumes als Ganzen. Das Beispiel Hans Poelzig In der ersten Hälfte der zwanziger Jahre gab es wohl niemand, der für diese Utopie von Theater mit größerer Leidenschaft gestritten hätte als Poelzig. Seine immerhin drei, vom einen zum nächsten freilich weniger und weniger trumpfenden Entwürfe für das Salzburger Festspielhaus – Julius Posener nennt das Vorhaben »sein liebstes Projekt« – zeigen eine EIN THEATER FÜR MAX REINHARDT 1926–1927

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Hans Poelzig, Salzburger Festspielhaus, Ansicht mit Parkett, Logen und Bühne, erster Entwurf, zwischen 1920 und 1922

Haltung, welche die Opposition von Logentheater und Amphitheater souverän annulliert. Entwurf Nummer eins ist eine Anlage von drei Gebäuden, verbunden durch Arkaden und Pavillons, errichtet in der süd­lichen Hanglage des Schlossparkes von Hellbrunn. Die Höhe und Mitte des Ganzen gehört dem Oval des großen Opern-, Schauspiel- und Konzert­hauses mit etwa zweitausend Sitzplätzen. In einer längeren Ansprache, gehalten 1920 vor der Generalversammlung der Salzburger Festspielhaus-Gemeinde warb Poelzig unter Verweis auf den barocken Guckkasten für die »künstlerische Einheitlichkeit« der Bühne hier, des Parketts und der Logen dort. »Beide rauschen und brausen im gleichen Takt.« Diese knappe und – für Poelzig typisch – in Worte der Musik gefasste Beschreibung könnte sich auch auf das Interieur beziehen, das er dem Großen Hause der Salzburger Festspiele zu geben dachte. Von diesem Innenraum gibt es eine nicht eben kleine Darstellung, die man 54

früher wohl »Schaublatt« genannt hätte. Kohle und Kreide auf braunem Karton, zeigt die Graphik den Festsaal im Blick von den letzten Reihen des Parketts auf die Bühne und die Orgel. Den weitaus größten Teil der Zeichnung nehmen indes die sechs oder sieben Reihen Logen ein. Ihre gestreckten Öffnungen erscheinen wie flauschige Gebilde, als Bündel dicker Striche, die an den Rändern fransen. Von beiden Seiten drängen, ja rasen die Logen in den Rahmen der Bühne und den Prospekt der Orgel. Alles wirkt enorm dynamisiert, dramatisiert, ja erotisiert. In der hellen Mitte: Ein Lustloch? Auf jeden Fall schafft diese Graphik mehr Schwung, mehr zentrifugale und zentripetale Energie als das Modell der »Raumbühne« von Friedrich Kiesler 1924 und das Modell des »Totaltheaters« von Walter Gropius 1927. Was für ein Paradox, dass der konservative Poelzig die beinahe kosmische Vision völliger räumlicher Verschmelzung so zu Papier bringt!

Hermann Zweigenthal, Amphitheatrales Logen­theater, Ansicht mit Logen und Parkett, 1927

Die Botschaft einer Zeichnung Dass der Examenskandidat Zweigenthal mit dem Projekt Salzburger Festspielhaus vertraut war, steht außer Frage. Obwohl Poelzig seine Rollen als Architekt und Professor scharf trennte und daher nicht wollte, dass sein Werk von Studenten im Seminar auch nur genannt wurde, darf man sicher sein, dass die Schüler die wichtigsten Entwürfe und Gebäude des Meisters gut kannten. Wozu auch das Opern-, Schauspielund Konzerthaus von Hellbrunn in der Hochschule ansprechen, wenn Zweigenthal das Vorhaben – der Bau war Mitte der zwanziger Jahre bereits gescheitert – mühelos publiziert und propagiert finden konnte. Die Kritiker Paul Westheim und Gustav Adolf Platz hatten sich für Poelzigs Sache stark gemacht, so schon 1921 in »Wasmuths Monats­ heften für Baukunst« und im »Kunstblatt«, vier Jahre später noch einmal in den Monatsheften aus dem Hause Wasmuth. Sämtliche Bei­

träge zeigten die erwähnte feurige Darstellung von Szene, Parkett und Logen; »Das Kunstblatt« bot seinen Lesern ferner die erwähnte Ansprache vor der Festspielhausgemeinde. Ähnlich wie Poelzig versucht auch Zweigenthal, die Idee seines Theaters für Max Reinhardt mit wenigen Zeichnungen zu erläutern. Den besten Einblick in die Botschaft des Entwurfs gewährt eine Perspektive von kalkulierter Raffinesse. Zweigenthal träumt, wie seine Augen von weit oben schräg in den Saal wandern. 21,59 mal 22,86 Zentimeter breit und hoch und mit Tusche auf dünnes Papier gebracht, erstaunt die Darstellung den Betrachter, weil die Bühne gar nicht in das Bild kommt, weil das Parkett nur in der Form einer Zunge mit einer Sequenz flacher Kurven zu sehen ist, weil die Logen aber solche Präsenz haben, dass man nicht umhinkann, sie für die Hauptsache des Innenraums zu halten. Die kleinen Kammern reihen und türmen EIN THEATER FÜR MAX REINHARDT 1926–1927

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sich und lassen sich nach links, nach rechts und nach oben beinahe beliebig erweitern. Wie das Detail der Verschränkung von Eingängen und Brüstungen verdeutlicht, haben wir es mit einem wachsenden, ja wuchernden Gebilde zu tun. Es ist eine expansive Architektur, die mit dem Elementaren, dem Systematischen, dem Repetitiven operiert und dabei etwas Organisches, etwas Totales phantasiert. Alle diese Eigenschaften, in Bezug auf die Logen noch der Umschlag von Textur in Struktur und von Struktur in Textur, sind eine Erbschaft aus dem Œuvre von Poelzig, die der mühelos sichtbare Unterschied der Zeichnungen dort von Meister-, hier von Schülerhand mehr verbirgt als enthüllt. Denn im Nu fällt das weich Gelöste bei Poelzig, das hart Gefasste bei Zweigenthal auf. Kein Wunder, im Jahr von dessen Prüfung sonnte sich der Deutsche Werkbund (DWB) im Erfolg der neuen Siedlung auf dem Stuttgarter Weißenhof, die den kurvilinearen Expressionismus der frühen zwanziger Jahre energisch verdrängte und sogar den auf Balance bedachten Poelzig für einen freilich glücklosen Augenblick von der roten, steinernen zur weißen, verputzten Moderne hatte schwenken lassen. Bei diesem Vorgang waren Kristall und Krone aus der Utopie in das Ornament, in das Dreieck von Erkern und Gauben oder in das bloß hübsche Zickzack am Gesims gerutscht. Wer jung und forsch war, wollte Abstraktion statt Expression und hatte für Technikkritik à la Poelzig – die zum Beispiel am Beginn seiner Rede in Salzburg stand und die Posener mit Grund eine »fixe Idee« nennt – nur ein müdes Lächeln. Die Behauptung eines Widerspruchs zwischen dem Kunst- und dem Nutzwert von Bauten war natürlich auch Zweigenthal fremd. Vielmehr würde er später nicht ohne Stolz das technologisch Avancierte seiner Diplomarbeit hervorkehren. Den Schnürboden des Theaters für Max Reinhardt hätte er, wie gesagt, am liebsten gar nicht erst geplant. Gesellschaft im Bienenkorb Die Kenntnis dieser Meinung verdankt sich einem langen Brief des Emigranten Zweigenthal in Zürich an den Emigranten Posener in Paris. Unter dem Datum des 5. September 1933 bat der frühere Kommilitone Zweigenthal den früheren Kommilitonen Posener um eine Publikation seines Entwurfs in der Zeitschrift »L’Architecture d’Aujourd’hui«, für die Posener damals tätig war. Von der Präsentation des Theatergebäudes, die ein Teil schon des nächsten Heftes wurde, versprach sich Zweigenthal Vorteile im Bemühen um eine Habilitation an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich, wo sein Bruder Stefan Student war. Der Flüchtling musste lernen zu bitten, ja zu kämpfen; ohne dauernde geschickte Bewegung zwischen Widerstand und Anpassung gab es in der Fremde nur den Sturz in das Nichts. 56

Gleichwohl war der Brief kein Notschrei. Zweigenthal nahm sich Zeit, dem Pariser Redakteur nicht allein die Details der Technik, sondern auch die soziale und kulturelle Ambition seines Theaters für Max Reinhardt zu erklären. Der eloquente Entrepreneur hatte 1926 – in einem Geleitwort zu dem Bilderbuch »Träume eines Baumeisters« von Móric Pogány – seine helle Freude über die fünfzig Skizzen des ungarischen Architekten zum Ausdruck gebracht. Reinhardt sehnte sich nach »Erbauern von Luftschlössern«, die noch willens waren, einen »Ausflug« in das »Traumland der Freiheit« zu wagen. Er dachte dabei an die barocke Synergie, jene Einheit der bildenden und bauenden Künste, jene Einheit von Schauspiel und Festspiel, die im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert existiert hatte und die er in der Gegenwart vermisste. Gut möglich, dass Zweigenthal die märchenhaften Architekturvisionen Pogánys kannte. Sicher kannte er Reinhardts Wunsch nach einem Schau- und Festspielhaus, das jedermann entrücken, jedermann verzü­ cken würde. War es nicht genau das, was er für ihn schuf? In der Tat erwähnt Zweigenthal in seinem Schreiben an Posener das Teatro alla Scala in Mailand, das Teatro Fenice in Venedig, das Teatro San Carlo in Neapel als die wichtigsten, Reinhardtschen Vorbilder seines Entwurfs. In der Tradition Italiens hatte der Diplomand ein Haus konzipert, wo das Publikum nach dem letzten Vorhang, dem letzten Klatschen und kurzer Pause im Foyer wieder in den Saal strömt, der nun, nach dem Versenken der Sitzreihen und dem Aufstellen von Tischen und Stühlen an den Rändern der freien Fläche, einer bis in den Morgen tanzenden, trinkenden, feiernden Gesellschaft dient. Das Ganze von Parkett und Logen gleicht einerseits im Querschnitt einem brummenden Bienenkorb, anderseits zu später Stunde einem schönen Stück Stadt: unten die von Menschen wimmelnde ›Piazza‹, oben die helllichten ›Wohnungen‹ und ›Balkone‹. Die Loge ist Zweigenthal der Ort einer urbanen Balance des Privaten und Publiken, der Ort des Tête-à-­tête der Liebenden, der Ort auch der Eugène de Rastignac und Julien Sorel, dieser wie jener von Ehrgeiz gepackt, auf dem Sprung nach vorn und: Zweigenthals fiktiver Vorfahre aus dem Paris der zwanziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts. Das Theater der Reinhardt und Zweigenthal wendet sich nicht an das Proletariat noch an die Bourgeoisie, eher schon an die kulturell liberal gestimmte Elite des großen Berlin. Aber die Weimarer Republik war eine Demokratie ohne Demokraten. Jedenfalls hatte die im besten Sinne bessere Gesellschaft, von der Reinhardt und Zweigenthal hofften, sie würde ihr Theater am Lehniner Platz besuchen, in den Nöten des Alltags keine Zeit sich zu bilden. Wohnungen statt Theater für Max Reinhardt Wer durch seinen Vorrat an Bildern im Kopf stöbert, wird bald merken, dass ihm kein einziges Theater der Weißen oder Roten Moderne

Hermann Zweigenthal, Amphitheatrales Logentheater, Querschnitt

vor Augen tritt. Kaum eine Phase des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts ist für die Entwicklung des Theatergebäudes – nicht des Theatergeschehens – von so geringer Bedeutung wie die Spanne zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. In der dritten und letzten Auflage von Walter Müller-Wulckows Buch »Bauten der Gemeinschaft« aus dem Jahr 1929 erscheinen mehrere Stadthallen, darunter übrigens auch die von Johannes Göderitz in Magdeburg, doch nur zwei Theater. Es sind nicht mal Neubauten, nur Umbauten: das Stadttheater Jena von Walter Gropius 1923, das Festspielhaus Salzburg von Clemens Holzmeister 1926. Gewiss, die knapp anderthalb Jahrzehnte zwischen Monarchie und Diktatur brachten ein paar große Konzepte, die nach der theatralen Aktivierung des gesamten räumlichen Gefüges eines jeden Theaters strebten. Aber, alles blieb Projekt, Phantasie, Utopie. Gebaut wurde wenig. Dafür war die Zeit zu kurz, die ökonomische Situation der Weimarer Republik zu miserabel. Sie standen ja auch noch alle da, die Musentempel des Kaiserreichs, als jede größere Kommune ihr eigenes, pompöses Theater haben wollte und es bei der Einweihung »Dem Wahren, Schönen, Guten« widmete. Man stelle sich vor: Allein mit dem Schiller-Theater an der Bismarckstraße, dem Neuen Schauspielhaus am Nollendorf-

platz, dem Hebbel-Theater an der Königgrätzer Straße, dem Deutschen Opernhaus an der Bismarckstraße, der Volksbühne am Bülowplatz und dem Großen Schauspielhaus an der Friedrichstraße waren in Berlin zwischen 1906 und 1919 fast elftausend Sitzplätze für die Aufklärung und das Vergnügen des Publikums neu geschaffen worden. Nicht zuletzt machten nun die neuen Lichtspielhäuser den alten Schauspielhäusern Konkurrenz. Wozu also weitere Theater aus dem Boden stampfen? Diese Entwicklung vor Augen, müssen sich die Emil-Heinicke- und die Wohnhaus-Grundstücks-Verwertungs-Aktiengesellschaft Anfang oder Mitte 1927 von Reinhardt gelöst und mit Mendelsohn neue Pläne gefasst haben. Im Herbst 1928 wurden die Kopfbauten seiner rasch berühmten, schwungvollen Anlage am Lehniner Platz fertig: linker Hand das Kabarett der Komiker und das Café Astor, rechter Hand das Kino Universum. Wo Zweigenthal das »Amphitheatrale Logentheater« hatte bauen wollen, wurde wenig später eine sieben Geschoss hohe Scheibe mit Wohnungen errichtet. Großes Theater gab es an diesem Ort erst, als zu Beginn der achtziger Jahre die von Peter Stein geführte Schaubühne in das neue alte Kino zog.

EIN THEATER FÜR MAX REINHARDT 1926–1927

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7  EINE WOHNUNG IN BERLIN, EIN LADEN IN FRANKFURT 1929–1930

Alles musste raus. Erst der Lüster, das Buffett, die Kredenz; dann die komplette Garnitur; dann die marmorierten Paneele, die satinierten Tapeten. Fort mit der guten Stube der Armen! Fort mit dem Salon der Reichen! Fort mit Plüsch, Pracht, Prunk! Die Avantgarde der zwanziger Jahre wollte die Wohnungen entrümpeln und durchlüften, wollte die Räume leerer, die Möbel leichter, das Ganze heller als je zuvor. Statt historischer Maskerade und Repräsentation: Zwanglosigkeit und Be­ weglichkeit. »Menschen, die in sich das Verlangen nach solcher Um­ gebung tragen, werden klarer denken«, schrieb der Publizist Walter Müller-Wulckow noch 1932 in seinem Buch »Die deutsche Wohnung der Gegenwart«. Dass das am Bauhaus Dessau und im Deutschen Werkbund (DWB) heimische Ideal bei aller Prominenz und Resonanz etwa durch die Aus­ stellung »Die Wohnung« auf dem Stuttgarter Weißenhof 1927 – das Plakat mit dem dicken roten Kreuz durch die Aufnahme eines Wohn­ zimmers der Kaiserzeit war deutlich genug – in Wahrheit nur kleine Teile der Städter erfasste; dass nicht einmal die Mehrheit derer, die von Berufs wegen mit Kultur zu tun hatte, von diesem Ideal fasziniert war, das zeigt schon ein Blick auf die Fotos, die Waldemar Titzenthaler im Lauf der zwanziger Jahre von Berliner Wohnungen machte und die in der für die betuchte Gesellschaft gedachten Zeitschrift »Die Dame« ge­ druckt wurden. Noch heute erstaunt, in welchem Ambiente etwa der Kunstsammler Gerhart Bollert, der Regisseur Fritz Lang, die Bühnen­ bildner Hans Meid und Ernst Stern, die Schauspielerinnen Asta Nielsen und Henny Porten während jener Jahre lebten. Ihre Wohnungen, die zu zeigen sie keine Scheu hatten, litten sämtlich unter Verstopfung durch Möbel und Nippes in allen Stilen, hatten jedenfalls mit der Askese der Moderne nichts gemein. Ein Ambiente für Lothar Müthel Vor diesem Hintergrund muss man es als Sternstunde betrachten, dass Mitte der zwanziger Jahre der Gestalter Hermann Zweigenthal und der Schauspieler Lothar Müthel einer den andern traf und beide bald gute Freunde wurden. 58

Lothar Müthel, Anfang 1930er

Geboren 1896 in Berlin als Sohn des Ingenieurs Müthel, Vorname un­ bekannt, und der Mathilde Amalie Wilhelmine Müthel, Mädchenna­ me Lütcke, wuchs der Junge allein bei seiner Mutter auf. Ort seiner Kindheit und Jugend war die Gegend um den Stettiner Bahnhof, halb im Bezirk Mitte, halb im Bezirk Wedding. 1912 und 1913 war Müthel Schüler der Schauspielschule des Deutschen Theaters Berlin, von 1913 bis 1917 Mitglied der Truppe dieses starken unter den vielen Häusern Max Reinhardts. 1917 zog er in den Weltkrieg und stand nach dessen Ende erst in Bukarest, dann in Darmstadt, dann in München auf der Bühne. Leopold Jessner holte den jungen Mann 1920 an das Preußi­ sche Staatstheater Schauspielhaus am Gendarmenmarkt Berlin; der In­ tendant und Regisseur gab ihm Helden des klassischen wie modernen Theaters zu spielen. Weiter bekannt machten Müthel seine wenngleich nur kleinen Rollen in mehreren berühmten Stummfilmen, etwa in Paul Wegeners und Carl Boeses »Der Golem, wie er in die Welt kam« 1920, oder in Fritz Langs »Der müde Tod. Ein deutsches Volkslied in sechs Versen« 1921, oder in Friedrich Wilhelm Murnaus »Faust. Eine deut­ sche Volkssage« 1926.

Hermann Zweigenthal, Wohnung Lothar Müthel, Blick von der Eingangstür auf die ›Wohnlandschaft‹ mit breitem Fenster, 1929

Wohl im Frühjahr 1929 nahm Müthel eine große neue Mietwohnung in einem großen neuen Doppelhaus. Es liegt an der Bayernallee, nahe dem Reichskanzlerplatz, heute Theodor-Heuss-Platz, im Westteil des Westends von Charlottenburg. Der Bau sucht den Eindruck einer stattlichen Anlage mit drei Flügeln zu machen; doch fehlt ihm zu dieser Wirkung das Portal in der Mitte. Die Fassaden stehen noch unter dem Einfluss des Expressionismus; der weiße Putz, der rote Stein, der Verband von Läufern und Bindern, die vier Pilaster und die auf ihren Kapitellen posierenden, heroischen Charaktere wollen folglich eine Zierde sein. Die Grundrisse im Erdgeschoss und in den Obergeschossen der linken wie rechten Hälfte des Hauses folgen der bei Neubauten der zwanziger Jahre seltener werdenden, strikten Trennung von Räumen für Herrschaften einerseits, für Dienstburschen und Dienstmädchen anderseits. Nach Plänen und Fotos zu urteilen, muss die Wohnung Müthel drei Zimmer nach vorne und ein oder zwei Zimmer nach hinten gehabt haben. Er muss sie aber ein wenig anders genutzt haben als vom Baumeister entworfen, muss das Speisezimmer zum Arbeitszimmer, das Empfangszimmer zum Speisezimmer gemacht haben.

Ohne die Freundschaft zwischen dem Auftraggeber Müthel und dem Auftragnehmer Zweigenthal hätte das Interieur an der Bayernallee kaum jene Qualität des Lautlosen und Handfesten bekommen, die sich auf den Fotos von Max Krajewsky und Eva List wahrnehmen lässt. Natürlich musste Zweigenthal den der Konvention bürgerlichen Wohnens treuen Grundriss der Räume nehmen, wie er war; er hätte ihn nicht in eine feudale Enfilade noch in einen modernen Plan libre verwandeln können. Gleichwohl, durch zwei Türen gab es zwischen dem Arbeitszimmer, dem Speisezimmer und einem dritten Zimmer, dessen Gebrauch nicht bekannt ist, eine kleine Achse quer durch die Wohnung. Anders als die übrigen Öffnungen von Zimmer zu Zimmer hatten diese beiden Türen Holzrahmen, Glasscheiben, Vorhänge. Ihre zwei mal zwei hohen Flügel dienten nicht allein der Belüftung, sondern – durch die Gestaltung Zweigenthals – auch der Belichtung. Mehr noch, sie brachten das gesamte Gefüge in Bewegung, was bei einem so steifen Grundriss schon etwas heißen wollte. Die Bedeutung der Holz- und Glastüren für die Belichtung wurde durch das mittige Deckenlicht des Speiseraums sichtbar verstärkt, weil Zweigenthal für die verwandte

EINE WOHNUNG IN BERLIN, EIN LADEN IN FRANKFURT 1929–1930

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Funktion ein verwandtes Element entworfen hatte: einen Holzrahmen mit zwei Sprossen, vier Feldern und Textilmembran, der die Höhe der Diele um keinen Preis stören wollte. Im Studio eines Schauspielers Das Eine und Alles der Wohnung Müthel aber war ihr Arbeitszimmer. Hier und da auch »Atelier« oder »Studio« genannt, hatte der Raum eine Breite von etwa fünf Metern, eine Tiefe von etwa sieben Metern. Krajewsky wählte für seine Aufnahme den Standpunkt dessen, der eben in den Raum tritt. So macht die von links nach rechts schwenkende Totale schon auf den ersten Blick deutlich: Trotz seiner vielen Teile ist der Raum ein Ganzes von Klarheit und Ruhe. Der weiße Kasten lässt seine zwölf Kanten sehen oder ahnen. Alle Möbel sind aus dem Holz von Mooreichen oder Nussbäumen geschreinert; ihre stumpfen Farben reichen von Grau nach Schwarz wie von Gelb nach Braun. Die Stücke stehen an ihren Stellen wie autonome Organismen; sie haben ihren festen Platz, könnten aber auch einen andern festen Platz haben. Nirgends ragen sie über die Höhe der Hüfte eines Menschen hinaus, ordnen sich also dem Nutzer unter, lassen selbst dem Prisma des Interieurs seine Freiheit. Es gibt drei Zonen: vorne links die um den langen Schreibtisch, hinten rechts die um den runden Teetisch, hinten links die um die flache Liege. Es gibt Raum zum Anspannen und zum Ausspannen, Raum zum Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen. Die kahlen Wände können sich mit Bildern füllen; sie können aber auch leer bleiben. Es stört nicht. Was hätte ein seine Rolle lernender Schauspieler wie Müthel mehr verlangen können? Wer die Aufnahmen des Ateliers betrachtet – seien es die von Krajewsky, seien es die von List –, wird bald merken, dass der Schauspieler im eigenen Studio von zahlreichen Objekten umgeben war. In Müthels Refugium stehen: an einer Stelle ein Schreibtisch, zwei Stühle und ein Regal; an einer andern Stelle ein Teetisch und drei Sessel; an wieder einer andern Stelle eine Liege, ein Beitisch, zwei Sessel und eine Leuchte. Dass der Raum dennoch nicht verstopft wirkt, rührt einerseits aus seiner Fläche von immerhin fünfunddreißig Quadratmetern, anderseits aus dem Charakter seiner Möbel, die auf zugleich delikate wie elegante Manier zwischen Uniform und Pluriform changieren. Größtes Stück ist der Schreibtisch. Er steht gleich links vom Eingang frei im Raum. Je ein Stuhl vor seinen beiden langen Seiten macht deutlich, dass man so wie so an ihm sitzen kann. Keine Frage, dass sich der Nutzer besser fühlt, wenn er die Tür im Rücken, den Raum vor Augen hat. Stünde das Möbel hinten, unter dem breiten Fenster, stünde es wie von selbst im Brennpunkt, würde dem Interieur eine Hierarchie oktroyieren, die dem Genius der Moderne widerspricht. Der Schreibtisch wirkt robust und fragil. Er hat eine Platte, die sich länger 60

Hermann Zweigenthal, Wohnung Lothar Müthel, Schreibtisch

oder kürzer machen, und ein Regal, das sich zwischen die Beine stellen und – auf Rollen? – von einer zur andern Seite schieben lässt. Ein praktikables, ein flexibles Konzept, das sich in solcher Reife bei keinem andern Designer der zwanziger Jahre findet. Anders als für die älteren Werkbündler und Bauhäusler war für die jüngeren Jahrgänge unter den Architekten die Belichtung einer Wohnung durch Glühbirnen schon Standard. Im Sinne der Schaffung eines Raumes ohne Orte erster und zweiter Klasse gibt es im Arbeitszimmer keine Leuchte, die von der Mitte der Decke hängt; vielmehr werden die drei Zonen am Schreibtisch, am Teetisch und an der Ottomane verschieden beleuchtet: der Schreibtisch durch eine Röhre gleich über, der Teetisch durch eine Röhre gleich neben der Platte. Die Liege und den Beitisch zu ihrer Seite aber erhellt ein sehr eigenes, biegsames Gebilde, das schon den Literaten und Journalisten Johannes Günther in seiner 1934 publizierten Monographie »Der Schauspieler Lothar Müthel« faszinierte: »Das Atelier ist der Wohnraum, der Müthel gemäß ist. Inmitten eine riesige Stehlampe, wächst auf, lehnt sich hin wie ein Baum, breitet ihren Schirm.« In der Tat scheint diese Leuchte mal einer Pflanze mit Stängel und Blüte, mal einem Lampion mit Haltestock und Faltkugel zu ähneln. Ihr Körper weckt indes nicht allein die kindliche Anschauung und Vorstellung; er ist vielmehr ein Beitrag zum Designdiskurs der Zeit, adelt er doch die Funktion durch Phantasie und die Phantasie durch Funktion. In dieser Hinsicht ähnlich sind die drei schwärzlichen, ledernen, molligen Armsessel mit vier kurzen, krummen Beinen, einer dicken, runden Trommel und zwei Lehnen, die so tun, als ob ein Mensch erst seine Schultern hebe, dann seine Arme öffne und schließlich einen andern – den, der sich setzt – liebevoll umfange. Die zwei Stühle am Schreibtisch und zwei der drei Sessel am Teetisch müssen als verwandt gelten. Beide Typen haben einen starken Rahmen, beide Typen Sitzfläche und Rücklehne aus weißen Japanlederriemen, auf den Rahmen der Sitzfläche längs und quer, auf den

Liege, Leuchte, Regal

Eingangstür, Teetisch, Durchreiche

Rahmen der Rücklehne nur längs gespannt. Fotos zeigen die Stühle und Sessel mal mit, mal ohne Polster. Als Entwerfer wünschte Zweigenthal vermutlich den Gebrauch der Möbel ohne Kissen, weil solche Textilien seine Invention nur verdeckten. Der scharfe Kontrast zwischen dem harten prismatischen Gestell und dem weichen organischen Geflecht – dessen Gurte unter dem Druck der Körper ihre Spannung langsam lösen – ist ja Teil einer in ihrer Anmutung alles Flächige meidenden, also durch und durch linearen, minimierten, transparenten Konstruktion, welche die Spuren der Nutzung dieser Stühle und Sessel nicht leugnen, sondern mit den Sitzen und Lehnen das Sitzen und Lehnen zeigen, wo nicht gar klären will. Das Dritte zwischen Unikat und Fabrikat Nach der Wohnung Müthel im Haus Bayernallee 15/16 entwarf Zweigenthal noch eine Reihe weiterer Wohnungen. Zwei davon entstanden 1930 in Neubauten, die im Bezirk Wilmersdorf von Berlin errichtet worden waren. Es handelt sich erst um Interieurs für den Kinderarzt Hermann Vollmer im Haus Cicerostraße 57 – übrigens ein Gebäude von Erich Mendelsohn –, dann um Interieurs für den Technischen Direktor der Lufthansa und Piloten Erich Schatzki im Haus Hohenzollerndamm 142. Jenem wie diesem Auftraggeber schuf Zweigenthal Varianten des Mobiliars der Wohnung Müthel, obwohl in beiden Fällen nicht so viel Raum war wie auf der halben Etage des Schauspielers. Zwar erstaunt in der Wohnung Vollmer die breite, weiße Schiebetür zwischen zwei etwa gleich großen Zimmern und in der Wohnung Schatzki die um eine Ecke geführte Sitzbank; doch die herrliche Verschwendung von Raum im Müthelschen Studio, wo die oberen Partien des gesamten Volumens leer und weiß bleiben durften, konnte sich Zweigenthal nicht noch einmal erlauben. Was zeigen die Aufnahmen der Wohnungen Müthels, Vollmers, Schatzkis? Unikate? Fabrikate? Auf alle Fälle Arbeiten eines Gestalters, der nicht allein diesen oder jenen guten Tisch oder guten Stuhl zu ent-

werfen in der Lage war, sondern auch ein Bewusstsein von der Aufgabe hatte. Seit dem Werkbundstreit zwischen Henry van de Velde und Hermann Muthesius war die Frage, ob der Kultur des Wohnens besser durch Einzelmöbel oder besser durch Typenmöbel gedient sei, kontrovers debattiert worden. Designer wie Adolf G. Schneck aus Stuttgart, Franz Schuster aus Wien, Erich Dieckmann aus Weimar, Ferdinand Kramer aus Frankfurt am Main – um nur einige der älteren zu nennen – hatten aus ihren Büros das Kunstwollen früherer Gestalter vertrieben, das Möbelbauen zu einer Sache rein maschineller Produktion gemacht. Zweigenthal hätte Schnecks Designs wohl ein wenig zu brav, Kramers Designs wohl ein wenig zu brüsk gefunden. Was er suchte, war nicht das Einzelmöbel noch das Typenmöbel, nicht das Ästhetisierte noch das Standardisierte, nicht das Pretiose noch das Anonyme. Was er suchte, war etwas Drittes, das die Frage, ob ein Möbel Unikat oder Fabrikat sei, so obsolet wie redundant hätte wirken lassen. Was er suchte, war: der fassliche, nützliche, kunstlose Gegenstand; statt der zweckhaften die sinnhafte Einrichtung. Anders als heute, wo kaum ein Architekt noch als Designer, kaum ein Designer noch als Architekt brilliert, waren in den zwanziger Jahren jener und dieser Beruf noch verbunden. Auch unter den Schülern von Hans Poelzig gab es viele, die gleich nach ihrem Diplom mit dem Entwurf von Möbeln befasst waren. Zweigenthal war keine Ausnahme. Sein Freund Egon Eiermann etwa – wie er 1927 Absolvent der Technischen Hochschule Berlin – bekam 1929 den Auftrag, die Räume der Direktion der Berliner Elektrizitätswerke AG (BEWAG) mit Mobilien zu bestücken. Unter anderm entwarf Eiermann zwei runde Tische und vier Sessel aus massivem Eichenholz. Ob man es für möglich hält oder nicht: An Lehnen wie an Beinen haben diese Stücke applizierte Ornamente in der Gestalt mal runder, mal spitzer Zungen. Die Garnitur steht dem Expressionismus der frühen näher als dem Funktionalismus der späten zwanziger Jahre. Ja, sie gleicht dem Mobiliar einer Märchenhütte oder Bauernschänke mehr als dem Interieur eines auf Moderni-

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Hermann Zweigenthal, Wohnung Lothar Müthel, Armsessel und Lehnstuhl

tät bedachten städtischen Betriebes. Schwer und steif – trotz Sehnen und Schwüngen zwischen Beinen und Lehnen, trotz Flechtwerk für die Flächen hinter dem Rücken und unter den Armen – wirken auch die Sessel, die Eiermann 1930 für das Wohnzimmer des Wohnhauses Adolf Chaskel in Berlin schuf. Erst 1932 gelang ihm ein neuer Ansatz. Für das Haus Carl und Franziska Hesse in Berlin sowie für das Wachsende Haus auf der Berliner Ausstellung »Sonne, Luft und Haus für Alle« entwarf er Möbel zum Sitzen und Liegen, deren Rahmenhölzer längs und quer mit Gurten bespannt sind. Keine Frage, dass diese Designs auch unter dem Einfluss Zweigenthals entstanden, waren doch Eiermann die Fotos der Wohnung Müthel – Ende 1929 in »Die Dame«, Anfang 1931 in »Moderne Bauformen« – sicher nicht entgangen. In Sachen der Wohnungen Müthel, Vollmer, Schatzki spielte Julius Posener den besten Interpreten. Damals bei solchem Thema noch selten, hat sein Beitrag in Heft 3/1933 der Zeitschrift »Innen-Dekoration« die Form fast eines Interviews. Posener lässt Zweigenthal selber sprechen. Eine Einrichtung, meint der Gestalter, dürfe man »gar nicht merken«. Er wolle sich in einer Wohnung »nach Belieben bewegen« können. Sie müsse »so bequem wie ein guter Anzug« passen. Er wolle keine »Raumkunst«, sondern »große klare Räume«, in die man alles und jedes stellen könne. Sie dürften durchaus »wie Farben auf einer Wiese« wirken. Die vorige Generation habe immer »komponieren« oder »konstruieren« wollen. Dabei sei es das »Dritte«, was zu tun sei: entwerfen jenseits der peinlichen Entscheidung zwischen Kunst und Zweck. Obwohl Posener die Gestaltung Zweigenthals mit einem gewissen Misstrauen betrachtet, weil ihre »nervöse Ästhetik« der gewünschten Einfachheit in die Quere komme, zögert er nicht zu schreiben: »Diese Wohnungen sind gut. Was auffällt, sind sogar Eigenschaften, die man in anderen Interieurs der letzten Zeit nicht noch einmal findet.« Das Lob galt vermutlich der erwähnten linearen, minimierten, transparenten Konstruktion, der erwähnten fasslichen, nützlichen, kunstlosen Anmutung der Zweigenthalschen Möbel. In der Tat halten 62

sich die Stücke der Wohnung Müthel von allem fern, was Stil genannt werden könnte; Stil würde sie ja ihrer Eigenheit berauben. Für ihre Art, sich prismatisch und organisch zu geben, als wäre dies kein heilloser Widerspruch; für ihre Art, Holz und Leder in eine zarte Gestalt zu führen, ohne dass eine skulpturale Ambition dem Nutzwerk schadet: Für beides findet man so gut wie keinen Vergleich. Einzig der damals nur in engen Wiener Kreisen bekannte Architekt und Designer Ernst Anton Plischke – geboren 1903 in Klosterneuburg, von 1919 bis 1923 Schüler der Kunstgewerbeschule des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie Wien, von 1923 bis 1926 Student der Akademie der Bildenden Künste Wien – entwarf in den späten zwanziger und frühen dreißiger Jahren Einrichtungen, die den Zweigenthalschen Interieurs in mancher Hinsicht nahestehen. In der Wohnung des Fabrikanten Viktor Böhm und in der des Apothekers Friedrich Neubauer etwa gab es Stühle und Sessel mit Sitz- und Lehnflächen aus Lederriemen; ähnlich war dort auch der Umgang mit Farben, mit Glasscheiben und mit Vorhängen zur räumlichen Gliederung. Auf den Spuren von Adolf Loos Einem Leser, der den Diskurs des Designs um 1930 kennt, öffnet Poseners Artikel die Tür zu den ›Ahnen‹ der Zweigenthalschen Interieurs. In dieser Folge – nennen wir sie eine potentielle Genealogie – stehen: erstens das »Neue Wiener Wohnen« der zwanziger und zehner Jahre, mit seiner Freude an englischen Wohnweisen und seiner Kultur des Komforts, als deren wichtigste Vertreter Josef Frank, Oskar Strnad und Adolf Loos gelten; zweitens das noch ganz reduzierte ästhetische Vokabular der frühen Wiener Werkstätte, wie es sich im Schaffen Koloman Mosers zeigt, etwa im kubischen Charakter und der Dominanz von Blöcken und Flächen des Schreibschranks für Fritz Waerndorfer oder im filigranen Lineament des Armlehnstuhls aus dem Sanatorium Purkersdorf; drittens das Angebot der Thonetschen wie der Danhauserschen Möbelfabrik, allen voran Michael Thonets

Hermann Zweigenthal, Schuhhaus Jacoby, Fassade, 1930

Bugholzstuhl mit dem Namen »Modell 14« oder »Konsumsessel«, der bis 1930 etwa fünfzig Millionen Mal verkauft wurde und in wohl jedem Wiener Café zu sehen war; viertens das englische »Aesthetic Movement« und seine quasi ägyptischen Mobilien, Stühle mit Rahmen aus Holz und Flächen aus Stoff, welcher der Figur des Körpers willig folgt, das Ganze nach Designs von Künstlern wie William Holman Hunt und Ford Madox Brown. Bei ihrer Kritik der »Raumkunst« und ihrem Vergleich einer Wohnung mit einem »guten Anzug« verweisen Posener und Zweigenthal schon dank ihrer Wortwahl auf Adolf Loos. Unter den zum Teil noch aus der Tiefe des neunzehnten Jahrhunderts stammenden ›Vorläufern‹ der Zweigenthalschen Mobilien spielen Werke dieses Meisters – mehr noch: dessen Haltung – die Schlüsselrolle. Loos war für den Schriftsteller Tristan Tzara, für die Tänzerin Josephine Baker, für den Luxusherrenausstatter Knizˇe tätig; Zweigenthal war für den Schauspieler Lothar Müthel, für den Piloten Erich Schatzki, für den Luxusschuhverkäufer Jacoby tätig. Zweigenthals Arbeiten erschienen in Zeitschriften wie »Die deutsche Elite«, »Die Dame«, »Das schöne Heim« und »Innen-Dekoration«, die sich auch an die gentile Klientel eines Loos wandten. Dessen roter Bugholzstuhl für das Wiener Café Museum stellt die lineare, minimierte, transparente Konstruktion des »Konsumsessels« von Michael Thonet noch in den Schatten, weil der Rundstab im Querschnitt je nach Last dicker oder dünner wird

und man das Stück mit dem kleinen Finger heben kann: eine Festigkeit und Leichtigkeit, die Zweigenthal vermutlich ideal fand. Schließlich das Thema Raumkunst. Loos war Gegner jeder Richtung, welche das Interieur ästhetisiert, statt in der Wohnung für das Annehmliche und Behagliche zu sorgen und zwischen den vier Wänden das je Persönliche möglich zu machen. Sein Schmäh galt folglich der Wiener Werkstätte, dem Deutschen Werkbund (DWB), dem Bauhaus Weimar, dem Bauhaus Dessau, dem Stijl und dem Art déco. Und das schon vor ihrer Geburt. In seiner berühmten, im Jahr 1900 im »Neuen Wiener Tagblatt« gedruckten Geschichte »Von einem armen, reichen Manne« geißelt er die Diktatur des Architekten. Dem armen, reichen Manne sagt der Gestalter, er habe seine Einrichtung vollendet entworfen. Sie müsse nun bleiben, wie sie liege und stehe. »Wie kommen Sie dazu, sich etwas schenken zu lassen! Sie brauchen nichts mehr. Sie sind komplett!« Genau diese Order hätte Zweigenthal nicht weniger verachtet, als Loos es tat. Einem Müthel, einem Vollmer, einem Schatzki etwas vorschreiben? Was für eine Vorstellung! Schuhhaus Jacoby Wohl nach Abschluss der Arbeit an der Wohnung Müthel, doch vor Abschluss der Arbeit an der Wohnung Vollmer wie der Wohnung Schatzki bekam Zweigenthal Ende 1929 oder Anfang 1930 einen Auftrag, der

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Hermann Zweigenthal, Schuhhaus Jacoby, Vitrine und Schaufenster

ihn nicht nur wegen seines Umfangs beglückt haben muss. Die »Emil Jacoby Aktiengesellschaft gegründet 1872« – ein Schuhgeschäft, das gute, teure Damen-, Herren- und Kinderschuhe, also schönen, reinen Luxus bot – hatte die Absicht, nach Läden an der Friedrichstraße in Berlin und am Jungfernstieg in Hamburg, einen Laden an der Kaiserstraße in Frankfurt am Main zu öffnen. Friedrichstraße, Jungfernstieg, Kaiserstraße: Das Schuhhaus Jacoby lag stets in vornehmer Umgebung. Auch die Kaiserstraße war nicht irgendeine Straße. Als frühes Produkt der Gründerzeit nach Bildung des Deutschen Reiches 1871 sollte sie mit ihren Geschäfts-, Büro- und Wohnbauten von Frankfurts neuem Wohlstand zeugen. Die Kaiserstraße führte vom Roßmarkt erst Richtung Süden, dann Richtung Westen, erst bis zum Platz mit dem Kaiserbrunnen, dann bis zum Platz vor dem Hauptbahnhof. Ging man vom Roßmarkt in die Kaiserstraße, so fand sich an ihrer linken Seite unter der Nummer 9 ein Haus, das 1874 erbaut worden war. Es hatte sechs Geschosse, fünf Achsen, ein Risalit ganz links, ein Risalit ganz rechts. Die etwa 17,5 Meter breite Fassade war mit mal gräulichen, mal grünlichen, klar verfugten Hausteinen verkleidet. Dem Haus Nummer 9, zum Bürgersteig noch dem restringierten Vokabular der Architektur des Klassizismus verpflichtet, folgten die Häuser Nummer 11, Nummer 13, Nummer 15. Haus Nummer 17 stand vor dem Kaiserbrunnen und stand frei. Es war die ungemein fürstliche Anlage des Hotels Frankfurter Hof. In nächster Nähe dieses noblen französischen Hôtel de ville – im Haus Kaiserstraße 9 – ließ sich das Schuhhaus Jacoby neben der dort schon lange existenten Parfumerie Albersheim nieder. Für beide, Jacoby und Albersheim, entwarf Zweigenthal die gesamte Einrichtung. Diese war jener, jene war dieser ähnlich; sie wirkten wie aus einem Guss. Freilich hatte das Schuhhaus die Herrschaft über die äußere Erscheinung des Gebäudes inne. Der Eingriff in den Bestand war um Ausgleich 64

bemüht; Neues und Altes sollten einander vertragen; es ging um Konvention und Raffinesse. Was Zweigenthal tat, lag folglich abseits jener Haltung, mit der Erich Mendelsohn zu Beginn der zwanziger Jahre das Berliner Mossehaus auf Schwung gebracht hatte. Zwar wurde die Außenhaut des Frankfurter Gebäudes in den beiden untersten Geschossen vollständig beseitigt; doch die neue Fassade wahrte nicht allein den flächigen Charakter, sondern auch die perfekte Symmetrie der früheren Erscheinung. Vom Bürgersteig sah der Flaneur: unten zwei um vier bronzene Rundstützen schwebende, längliche Vitrinen sowie je einen Durchgang links und rechts und in der Mitte; oben drei etwas breitere und zwei etwas schmalere Hochfenster zwischen sechs bronzenen Wandflächen. Vor den leichten Rücksprüngen der bronzenen und den leichten Vorsprüngen der gläsernen Partien machten sich die sechs großen Lettern »Jacoby« und die vier kleinen Nummern »1872« – kaum fünf Millimeter starke, schlanke, rote Zeichen – fast wie ein antikes Kameo kenntlich. Nur diesem ›Logo‹ war es erlaubt, sich aus dem Gleichmaß von links und rechts und Mitte zu stehlen. Unter der applizierten Pretiose trat der Kunde in eine vier Meter hohe, querende Passage, die bei Dunkelheit durch sechzehn in den beiden Vitrinen versteckte Scheinwerfer beleuchtet wurde. Ihre Strahlen stiegen erst auf die helle weiße Decke, fielen dann auf den hellen braunen Boden der Halle. Das Spiel von Flachglas und Hohlglas, das die volle Länge, Breite und Höhe des Raumes in Anspruch nahm, das Spiel von Scheiben und Sprossen – und Schuhen – reizte die Augen und führte mit Absicht nur langsam vor den eher schmalen Eingang des Ladens. Das Erdgeschoss bot dem Kunden ein weit nach hinten weisendes räumliches Gefüge, dessen vier Teile – großer Vorderbereich, kleiner Zwischenbereich, großer Mittelbereich, kleiner Hinterbereich – Schritt

Erdgeschoss mit Anmutung von Theater

für Schritt erfasst werden wollten: im Vorderbereich links eine Theke für den Verkauf von Sohlen, Schnallen, Spannern, Löffeln, Bürsten, Lappen, Kremen und allen Siebensachen, die nicht nur für den Mann und die Frau mit Schuhtick von Belang waren; im Vorderbereich rechts eine Theke mit Kasse; im Vorderbereich oben der Luftraum einer Galerie mit stählernem Geländer und stählernen Brüstungen, deren blanke Rohre eine einzige Linie erst in die Höhe, dann um die Ecken zogen; im Zwischenbereich das exakte Vis-à-vis links einer Kabine mit Telefon, rechts eines Treppenanfangs mit Wendung in das Obergeschoss; im Mittelbereich ein Freiraum in der Mitte und je eine Reihe von Sesseln an der linken wie der rechten Wand; im Hinterbereich wieder eine Reihe von Sesseln, diesmal vor einer raumbreiten, leuchtenden Vitrine, hinter der die Rückwand mit sanfter Rundung zur Decke stieg. Das Obergeschoss bot dem Kunden die um den Luftraum der Galerie gruppierten Raumteile. Was man vor allem wahrnahm, war die lange Reihe von Sesseln vor den Stützen, Fenstern und Pflanzen mit Blick auf die Kaiserstraße. Breite, hohe Spiegel auf den beiden schmalen Wänden – das heißt an den Enden der Reihe – machten die Folge der Sessel, Stützen, Fenster und Pflanzen länger und länger, als habe

der Raum partout an die Versailler Galerie des glaces erinnern wollen. Zwei nicht eben kleine Metallkörper dienten der Heizung. Ihre Betonung durch gläserne Vitrinen und ihre symmetrische Position vor konstruktiven Elementen des alten Hauses trugen zur räumlichen Gliederung bei. In den hinteren Partien der Etage gab es Platz für Kinder, für zwei Kabinen mit neuesten Geräten der Fußpflege sowie für Räume des Personals. Im Reich der Damen sah manches nach Kino und Salon, im Reich der Herren manches nach Natur und Technik aus. Beide Geschosse, das untere wie das obere, hatten ihre je eigene Eleganz. Was sie teilten, waren auf dem Boden Linoleum und Teppiche mit teils grauer, teils blauer Farbe und mit hohem Flor, waren an den Wänden Puderlack mit einer Farbe wie Elfenbein, waren runde Leuchten aus Glas und Aluminium, die wie Augen von der Decke schauten, waren schließlich viele Sessel von immer gleicher Gestalt. Zweigenthal hatte das Stück ähnlich den Stücken der drei Berliner Wohnungen entworfen. Ein starker Rahmen aus grauer und weißer Esche, Sitz- und Lehnflächen aus Rindleder, die Gurte der Sitzfläche längs und quer gespannt, die Gurte der Lehnfläche erst schräg durch die Sitzfläche, dann schräg auf die

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Querstrebe gezogen, die mit den beiden Längsstreben die Figur eines großen H auf den Boden drückte und dem Sessel dort festen Halt gab. »Wasmuths Monatshefte« schrieben, Zweigenthal habe bei der gesamten Einrichtung des Schuhhauses Jacoby den »Eindruck der Neuheit« meiden wollen. Und »Die Baugilde« meinte, Zweigenthal habe »mit der Patina der täglichen Bewährung gerechnet«. In der Tat, hier konnte jedes Objekt gut altern; Spuren des Gebrauchs hätten die Schönheit der Dinge nur zum Tragen gebracht. Maschine, Theater, Schuhkult Ob Eigentümer, ob Pächter, wer in den zwanziger Jahren einen Laden führte und modern war, der sorgte beim Neubau oder Umbau für ein funktionales, also rationelles, effizientes, hygienisches Interieur. Auch das Schuhhaus Jacoby wurde von den Zeitschriften und Zeitungen auf diese Weise beschrieben. Kritiker würdigten das Äußere und Innere der beiden Geschosse als »Maschine« zum Verkauf von Waren. Erwähnt wurde das Röntgengerät, das prüfen sollte, ob die Schuhe auch passten; erwähnt wurden die Apparate zur Pediküre; der Redakteur der »Frankfurter Nachrichten« glaubte gar, im Haus Kaiserstraße 9 ein »Laboratorium« gefunden zu haben. Für solche, vom Ideal der Industrie geprägte Gestaltung eines Geschäfts gab es 1930 in Berlin ein gutes Beispiel: das Schuhhaus Direkt. Gelegen an der belebten Leipziger Straße, hatte der Laden eine breite Schauseite mit fünf Schaufenstern. Die Einrichtung stammte von dem Bauhäusler Otto Rittweger. In das gestreckte räumliche Gebilde hatte der junge Designer lange Reihen kleinerer und größerer, offener, stählerner Regale sowie Metall-undTextil-Stühle der Firma Thonet gestellt. Das Ein und Aus der Besucher, das Hin und Her der Verkäufer, das Öffnen und Schließen der Kartons, ja selbst das Kurbeln an der Kasse war hier von draußen zu sehen. Die »Auflösung des Schaufensters«, so ließ »Die Form« ihre Leser wissen, liege wohl im Zug der Zeit. Dass Zweigenthals Gestaltung des Schuhhauses Jacoby von Kritikern mit dem Leitbild Maschine in Verbindung gebracht wurde, hatte wohl mehr mit einer durch den Jargon des Journalismus restringier66

Hermann Zweigenthal, Schuhhaus Jacoby, Treppenaufgang

ten Rezeption von Architektur als mit einer genauen Anschauung des vornehmen Geschäfts zu tun. Denn was dem Ideal der Industrie entsprochen hätte – Wände mit Fächern und Leitern, Kartons in Reih und Glied, Schuhe in Mengen –, es hätte Zweigenthal nicht gefallen. Einem Bericht zufolge war eine in solcher Weise nüchterne Anmutung auch vom Bauherrn nicht erwünscht, hätte sie doch der Vorstellung vom Schuh als einem Objekt des Luxus widersprochen. Offene Regale gab es daher an keiner Stelle des Ladens; alle Lager blieben in Zwischenräumen der unteren wie der oberen Etage verborgen. Was immer den Eindruck von Arbeit und Masse gemacht hätte, hätte ja der Strategie, die ledernen Objekte als singuläre, exquisite Artefakte zu präsentieren, nur geschadet. Nicht allein vom Ideal der Maschine, sondern auch von dem der Transparenz – dieses wie jenes ein Attribut der Moderne – hielt Zweigen­ thal seine Arbeit fern. Während Rittwegers Einrichtung des Berliner Schuhhauses Direkt in jeder Hinsicht offen war, blieb Zweigenthals Gestaltung des Frankfurter Schuhhauses Jacoby bei aller Leichtigkeit

Obergeschoss mit Stuhlreihe vor Fensterwand

der Erscheinung merkwürdig verschlossen. Zweifellos bildeten der Bürgersteig, die Vorhalle und der Binnenhof ein auf die Beziehung des Äußeren mit dem Inneren bedachtes räumliches Gefüge, dessen Konjunktiv zu erkennen der einerseits auf dem Boden der Vorhalle, ander­seits auf dem Boden des Binnenhofs verlegte bräunliche Stein aus dem fränkischen Solnhofen ein Stück half. Allerdings wollten die Schaufenster – das kleine links, das große rechts vom eher schmalen Eingang – zu dieser Beziehung nicht beitragen: Milchglas kam der Neugier zuvor. Es schloss die Rückseiten der Schaufenster, sodass die untere Ebene des Geschäfts nur im Vorder- wie im Zwischenbereich noch Taglicht hatte, während im Mittel- wie im Hinterbereich schon Kunstlicht herrschte. Im ›Salon‹ der Damen war Exklusion ohnehin wichtiger als die freundliche Einladung an Jedermann, sich dem Luxus in Leder zu nähern. Die Betrachtung der Grundrisse wie der Aufnahmen des Schuhhauses Jacoby; die Bemerkung der Zeitschrift »Der Baumeister«, dieser Laden schaffe eine durch und durch soziale Atmosphäre; die Betonung

der Tatsache, dass Zweigenthal eine Passion für Theater hatte: All das lässt den Interpreten von Architektur nach einer Weile fragen, ob Zweigenthal im Erdgeschoss des Hauses Kaiserstraße 9 etwa ein ›Intimes Theater‹ à la Oskar Kaufmann bauen wollte. Es macht keine Mühe, die erwähnte Raumfolge von Bürgersteig / Vorhalle / Binnenhof und weiter erst in den Vorraum, dann in den Hauptraum der Damen als eine theatrale Enfilade zu beschreiben. So wird die Vorhalle: Vorplatz und Vorfahrt. So wird der Binnenhof: Foyer. So wird der Vorraum der Damen: Parkett. So wird der Hauptraum der Damen: Szene. Aus der linken wie der rechten Wand treten Stützen des Altbaus in den Raum: das Portal der Bühne. Vor der Rückwand steht eine längliche Vitrine mit Schuhen hinter Klarglas und unter Kunstlicht: die Kulisse der Bühne. Feine Damen sitzen auf Stühlen. Junge Mädchen treten aus dem Lager durch den Vorhang sei es von der linken, sei es von der rechten Seite in den Raum. Sie öffnen Kartons, holen aus dem Seidenpapier Schuhe, reichen die Stücke in Hände von Damen. Spiegel spiegeln den Vorgang. Was sehen wir? Schuhkult?

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Hermann Zweigenthal, Schuhhaus Jacoby,

Grundriss Obergeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Frühes Ende Nach Monaten von der hölzernen Einhausung der Fassade befreit, begann das Schuhhaus Jacoby am 3. Oktober 1930 mit dem Verkauf. Einige Zeitschriften brachten teils kleinere, teils größere Artikel. Über den Laden schrieben »Das neue Frankfurt« im Februar, »Wasmuths Monatshefte Baukunst und Städtebau« im März, »Die Baugilde« im April, »Der Baumeister« im August 1931. Aber sosehr die Autoren das elegante Interieur des Schuhhauses würdigten, Worte und Bilder halfen nicht mehr. Die Krise war stärker. Der Laden schloss am 30. Juni 1931. Kein Wunder, dass es unter den gegebenen wirtschaftlichen Bedingungen nicht mehr dazu kam, auch das Geschäft in Berlin, Friedrichstraße 70, und das Geschäft in Hamburg, Jungfernstieg 26, nach Entwürfen Zweigenthals neu zu gestalten. Wie lange die Frankfurter Einrichtung blieb, wie sie war? Zweigenthal hätte sie womöglich schon ein Jahr nach ihrer Fertigstellung nicht wiedererkannt. 68

Anzeige »Emil Jacoby« in der »Frankfurter Zeitung«, 3. Oktober 1930

8  KANT-GARAGEN-PALAST BERLIN 1929–1930

Einen gab es, dem die ganze Richtung nicht passte. Anfang November 1926 – eben hatten Stadtrat Martin Wagner und Stadtrat Ernst Reuter ihre Absicht deutlich gemacht, die Mitte Berlins nach den Wünschen von Geschäftsleuten und Verkehrsfreunden neu zu formen – erschien aus seiner Feder eine Glosse unter dem Titel »Berliner Verkehr«. Leser der Wochenschrift »Die Weltbühne« nahmen durch den Text zur Kenntnis: Der Verkehr mit dem Auto ist eine »fixe Idee«; die »winkenden und turnenden Schutzleute« an den Kreuzungen bieten »amtliche Geschaftlhuberei«; der »Rummel« nährt den »Drang des Neudeutschen«, sich so zu fühlen, wie er Amerika imaginiert. »In einer Stadt zu wohnen, die eine ›Ssitti‹ hat und einen ›Brodweh‹, det hebt Ihnen.« Der, dem die ganze Richtung nicht passte, hieß Kurt Tucholsky. Seine Wahrnehmung kam der Wirklichkeit nah. Denn das Berlin der späten zwanziger und frühen dreißiger Jahre wollte mehr und mehr Autos auf seinen Straßen sehen, wünschte seinem Zentrum ein Fließen, ja Strömen wie auf dem Grid von New York oder dem Loop von Chicago. Journalisten schrieben den Verkehr herbei. Allein, was Tucholsky nicht erkannte, waren die ökonomischen Interessen der Auto- und Straßenbauer; was er nicht erkannte, waren die realen Prozesse hinter dem »kindlichen Getobe« der Berliner. Die amtliche Statistik der Hauptstadt des Deutschen Reiches zählte Mitte 1925 genau 18 878, Mitte 1927 genau 30 058, Mitte 1929 genau 42 844, Mitte 1931 genau 54 834 Personenkraftwagen. Das war zwar keine kolossale, doch eine evidente Expansion. Die Erfahrung des Zauberlehrlings – »Die ich rief, die Geister, / Werd’ ich nun nicht los.« – würde die städtische Gesellschaft erst ein halbes Jahrhundert später machen. Ein Privileg der Oberschicht Trotz der berühmten, auf Tempo bedachten Aufnahmen vom Oval des Potsdamer und Oktogon des Leipziger Platzes, im Vergleich zu heute war Berlin um 1930 eine so gut wie autofreie Stadt. Manchen drückte dennoch die Frage: Wohin mit dem Wagen, wenn niemand am Steuer sitzt? Nach dem fließenden wurde auch der ruhende Verkehr zum Problem. Die Autos standen damals sei es in Ställen, Schuppen oder Höfen, sei es in Flach- oder

Hochgaragen. Man darf diese Bauten – ein neuer Typus wie zuvor das Büro – nicht mit den nüchternen Parkhäusern der sechziger und siebziger Jahre vergleichen. Es ging nicht bloß darum, sein Auto von der Straße zu bringen. Jede bessere Garage war vielmehr ein Ort sozialer Aktivität und sozialer Distinktion. Hier trafen sich die Chauffeure an der Zapfsäule vor der Tankstelle oder in den Werkstätten der Monteure, Lackierer, Polsterer. Hier kauften die »Herrenfahrer« – ein Wort für Renn- und Sportfahrer, das an das Wort »Herrenreiter« denken lässt und auf jeden Fall einen Status markiert – ihre Jacke und Mütze aus Leder, vielleicht auch nur eine Hupe oder einen Wimpel. Wenig später fanden sich die Männer wieder; der Dachgarten oder der Tennisplatz hoch über den Autos lud zum Verweilen und Entspannen. Muss nach solchen Details noch betont werden, dass die Garage ein Privileg der Oberschicht war? In Berlin lag 1930 der Preis für die getrennte Aufstellung des eigenen Kraftwagens, also für die Einzelstatt der Sammelbox, mit weit über vierzig Reichsmark pro Monat so hoch wie der Preis für eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit Küche. Eine Passion für Garagen als innovativen Architekturen hatten die in Gemeinschaft tätigen Hans Luckhardt, Wassili Luckhardt und Alfons Anker. Im Auftrag der Wender Aktiengesellschaft für Automobilhandel entwarfen sie 1924 eine Großgarage, für die sie in der »Bauwelt« auf gleich fünf Seiten werben durften. Die ungemein gestreckte Anlage, versehen mit Stellplätzen für eintausend Autos, versehen aber auch mit Werkstätten, Geschäften, Hotel und Büros, wäre weit im Westen von Berlin errichtet worden; sie hätte ein Stück nördlich des belebten Kaiserdamms, an der Ecke von Sophie-Charlotten-Straße und Knobelsdorffstraße gestanden. Im Treffpunkt des Ausstellungs- und des Garagengebäudes, das heißt am Graben der Ringbahn, wäre ein Turm in die Höhe geschossen, der dem Turm der Epiphanienkirche auf der andern Seite des Grabens ein starkes Kontra geboten hätte. Profanes gegen Sakrales, der Kritik wäre das Zeichenhafte im Gegenüber beider Bauten keinesfalls entgangen. Mehr noch, sie hätte vielleicht gefragt, welcher Turm welchem Turm auf den Leib rücken würde. Nach Meinung der Architekten herrschte kein Zweifel. Sie sahen den Triumph des Autos kommen. »Arbeitgeber und Arbeitnehmer«, so glaubten sie zu wissen, alle würden bald selber mit dem Auto fahren. KANT-GARAGEN-PALAST BERLIN 1929–1930

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Mühsame Fortschritte An die höchste Stelle des Grundstücks gerückt, wäre der Turm – in Wirklichkeit ein Versorgungsgebäude – auf solche Weise in Erscheinung getreten, dass ihn von Straße wie Schiene jeder hätte sehen müssen. Mit so prominenter Position kann der Kant-Garagen-Palast nicht dienen. Zwar steht er an der Kantstraße als einer der drei großen Achsen, die von der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche als der Mitte des Neuen Westens Richtung Westen führen; doch steht er brav in Reih und Glied, mag nicht aus der Flucht tanzen, schon gar nicht mit dem schmutzigen Äußeren, unter welchem er seit Jahren leidet. Eine größere Garage zu errichten war in den zwanziger Jahren eine schwierige Aufgabe. Mit dem neuen Typus hatten Entwerfer und Erbauer noch kaum Erfahrung. Kein Wunder, dass auch die Entstehung des Kant-Garagen-Palasts mit einer an Verwicklung reichen Geschichte verbunden war. Im April 1929 hatte der aus Posen stammende Ingenieur, Grund- und Hausbesitzer Louis Serlin die Grundstücke Kantstraße 126 und 127 samt der dort Ende des neunzehnten Jahrhunderts im Stil der Renaissance erbauten Villa des Gärtnereibesitzers Carl Schultze erworben. Schon vor dem Kauf hatte Serlin seine Absicht erklärt, auf dem Terrain – bei Erhalt der Villa Schultze – eine moderne Garage mit gleich mehreren Stockwerken zu errichten. Nun bat er ein paar Fachleute um Vorschläge; schließlich nahm er die Architekten Bruno Lohmüller, Oskar Korschelt und Jacob Renker unter Vertrag. Doch als im Juli 1929 Arbeiter mit der Ausschachtung des Geländes begannen, lag dem Bauherrn noch immer kein Entwurf vor, dem er sein Plazet hätte geben können. Dem Büro Lohmüller Korschelt Renker, dessen Architektur aus dem Vokabular der Roten Moderne schöpfte – klinkerne Fassade, plastisches Ornament –, machte vor allem die Erschließung des Gebäudes Mühe. Die Ein- und Ausfahrt der Wagen fand keine rechte Lösung. Das gesamte Vorhaben schien zu stocken. Wohl um diese Zeit trat der Deutsche Auto-Club auf den Plan. Kaum zwei Jahre alt, dank seinem Bekenntnis zur Weimarer Republik deutlich in Stellung gebracht und in diesem Sinne von seinem Präsidenten Arthur Brandt wie von seinem Geschäftsleiter Adolf Hamburger geführt, hatte der DAC Serlins Projekt schon während seiner ersten Schritte gestützt. Nicht nur, dass der Klub die Einzel- und Sammelboxen des Autohauses pachten und seine Geschäftsräume in die Villa Schultze legen wollte; er ließ auch den Autoverkehr untersuchen und dabei prüfen, an welchen Verkehrsknoten Berlins der Bau von Garagen sich lohnen würde. Diesen Auftrag hatte Hermann Zweigenthal. Der Architekt las die Grundrisse von Garagen, stieß in Georg Müllers Buch »Grosstadt-Garagen« auf die Darstellung eines Patents der Ingenieure Richard Koch und Otto Kienzle: das Schema einer »Wendelrampe«, bei welcher dank doppelter, verschränkter 70

Richard Koch und Otto Kienzle, Schema einer Wendelrampe

Spiralen eine der beiden Rampen allein der Auffahrt, eine allein der Abfahrt dient. Durch dieses Prinzip, das bis dahin nur bei zwei größeren Garagen – 1925 in Budapest, 1929 in Rom – zur Anwendung gekommen war, wollte Zweigenthal dem Kant-Garagen-Palast aus der Not helfen. Er baute gar ein Modell, wohl weil er unter Beweis stellen wollte, wie faszinierend funktional eine Wendelrampe sein würde. Vielleicht standen sie eines Tages alle um dieses Modell: Brandt, Hamburger, Serlin, Zweigenthal. Vielleicht wusste der junge Mann die Vorteile der Anlage doppelter Spiralen so klug in Worte zu fassen, dass Serlin gar nicht umhinkonnte, den eloquenten Architekten zu engagieren. Die Arbeit war keine leichte Sache. Zum Glück gewann Zweigen­ thal mit Richard Paulick einen Partner und mit Fritz Lazarus einen Helfer, auf die Verlass war. Alle drei waren Studenten der Technischen Hochschule Berlin gewesen, hatten gemeinsam das Poelzigsche Seminar besucht und waren gemeinsam diplomiert worden. Aus dem September 1929 gibt es zahlreiche Grund- und Aufrisse, Längs- und Querschnitte des Kant-Garagen-Palasts, jede Zeichnung mit dem Schriftzug »Architekten Lohmüller Korschelt Renker in Gemeinschaft mit Zweigenthal Paulick« versehen. In Wahrheit wurde das Projekt von nun an stärker durch Zweigenthal und Paulick als durch Lohmüller, Korschelt und Renker bestimmt. Das Gebäude wurde um zwei Geschoss höher; die vordere wie die hintere Fassade wurden gläserner. Im Mai 1930 stand der Rohbau fertig. Im Juni 1930 ging die mit der Ausführung betraute Kell & Löser Aktiengesellschaft aufgrund der Wirtschafts­ krise in Konkurs. Serlin ließ das Bauwerk »mit äußerster Sparsamkeit« vollenden. Am 1. Oktober 1930 nahm der Kant-Garagen-Palast den Betrieb auf. Die ersten Chauffeure fuhren die Wagen ihrer Herren in das neue Haus.

Häuser Kantstraße 128, 127, 126, 125, Fassadenabwicklung, 1930

Ob sich Zweigenthal und Paulick an diesem Tage glücklich fühlten? Zweimal hatte Serlin ihr Konzept negiert: früh schon, indem er die Wendelrampe von hinten mittig nach hinten rechts schob; spät noch, indem er den Kern der Wendelrampe schloss. Was er dabei gewann, waren erst ein paar Stell-, dann ein paar Waschplätze. Solcher Pragmatismus hatte gute Gründe. Jeder Quadratmeter musste sich rechnen; für schönen Hohl- und Freiraum gab es keinen Platz. Nur, der Entwurf nahm Schaden. Großen Schaden. In »L’Architecture d’Aujourd’hui« würde Julius Posener 1932 notieren: »Le Kant Garage est un exemple caractéristique des difficultés que peuvent rencontrer de jeunes architectes, qui sont aux prises avec un problème important.« Fassade, Funktion, Transparenz Ja, die »jungen Architekten« hatten wirklich »kämpfen« müssen. Dass die Errichtung einer Etagengarage mit verschränkten Spiralen ein Novum war und dass der Entwurf dem Gebot des Erhalts der Villa Schultze zu folgen hatte – obwohl ihr Abriss die Nutzung des Doppelgrundstücks erheblich erleichtert hätte –, beides hatte Zweigenthal und Paulick zu schaffen gemacht. An der Ostseite teilen sich Neubau und Altbau die Brandwand. An der Westseite aber zwang die Präsenz der Villa Schultze den Neubau zu peinlicher Verrenkung der hinteren Bereiche. Wider Willen musste sein Grundriss die Gestalt eines Winkels bilden. Der Kant-Garagen-Palast, eine Konstruktion mit Stützen und De­ cken aus Stahlbeton und mit Wänden aus Mauerwerk, ist vorne etwa fünfundzwanzig Meter breit, hinten etwa achtunddreißig Meter breit und von vorne bis hinten etwa sechzig Meter tief. Da er allein dem Verkehr dient und da ihn hoch frequentierte Verkehrswege fassen – vorne Straße, hinten Schiene –, hätte mancher Architekt versucht, diese Dynamik durch eine leicht konvexe oder leicht konkave Fassade zum

Ausdruck zu bringen. Nicht so Zweigenthal und Paulick. Statt eines bildlichen wollten sie ein sachliches Verhältnis zwischen dem Inneren und dem Äußeren; statt einer Kurvatur als Metapher wollten sie das Innere durch das Äußere zum Vorschein bringen. So liegen: hinter dem gläsernen mittigen ›Risalit‹ die Fahrgassen; hinter den steinernen Partien linker wie rechter Hand die langen Reihen der Einzel- und Sammelboxen; hinter der gläsernen ›Attika‹ der Raum des damals noch nicht gebauten obersten Geschosses; hinter der gläsernen Lotrechten das Treppenhaus, durch das früher die Nutzer auch zum Eingang der Villa Schultze kamen. Alle geschlossen wirkenden Flächen sind mit Verblendern, alle geöffnet wirkenden Flächen mit Scheiben aus Drahtglas bedeckt. Die Riemchen sind von sandgrauer, die Pfosten und Riegel von aschgrauer Farbe. Was die Stirnseite des Gebäudes betrifft, so wird die Intention der Architekten auf einer Zeichnung vom 19. April 1930 offenbar. Das Blatt zeigt von links nach rechts die Fassaden der vier Häuser Kantstraße 128, 127, 126, 125. Bei aller Frechheit, mit welcher die Garage den herrschaftlichen Eingang der Villa Schultze um seine Wirkung bringt, ja aus dem Weg räumt; bei aller Kritik an den Maskeraden des Historismus zur Linken wie Rechten des Gebäudes; bei aller Trockenheit des Äußeren der Garage: ›Risalit‹, ›Attika‹ und stehende ruhende statt liegender fließender Formate machen den Versuch, die Schauseite des typischen Berliner Wohnhauses durch das für die klassische Moderne typische Verfahren des Abstrahierens und Transformierens aus dem neunzehnten in das zwanzigste Jahrhundert zu holen und für eine andere Aufgabe zu retten. Während die vordere Fassade zwischen Funktion und Kontext balanciert – vielleicht besser, als der Dynamismus eines Erich Mendelsohn dies vermocht hätte –, braucht die hintere Fassade keine RückKANT-GARAGEN-PALAST BERLIN 1929–1930

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Hermann Zweigenthal und Richard Paulick, Kant-Garagen-Palast, Grundriss Erdgeschoss, 1930

sicht auf das zu nehmen, was in und vor dem Gebäude geschieht. Konzipiert und konstruiert durch den Frankfurter Ingenieur Claus Meyn, war die hauchdünne Glashülle ein reiner Curtain wall mit zehn Achsen, die in die Breite, einundvierzig Achsen, die in die Höhe schossen. Ohne jeden Kitt standen die Scheiben in den Rahmen. Heute wie früher fällt der Blick aus der Stadtbahn, dringt durch Bäume, durch Sträucher und durch den Vorhang, stößt auf Gassen, auf Rampen und auf Autos. Vom Zug aus wirkt das Innere der Anlage, als ob es von größter Klarheit sei. Von Boxen und Rampen Wider Willen, so hieß es oben über den Kant-Garagen-Palast, musste sein Grundriss die Gestalt eines Winkels bilden. Der Plan gleicht nun einem großen L, das auf dem Kopf steht. Auf dem langen Schenkel zeichnen sich ab: vorne der Trichter mit der Ein- und Ausfahrt, die Tankstelle mit den Zapfsäulen, ein paar kleine Büroräume mit winkligen Grundrissen; hinten an der Ost- wie der Westseite die Reihen von Boxen. Auf dem kurzen Schenkel zeichnen sich ab: die Rampe aufwärts, die Rampe abwärts, der Waschplatz in der Mitte. Bis auf den Trichter sind die vier oberen Geschosse in gleicher Weise gegliedert: auf dem langen Schenkel die Boxen, auf dem kurzen Schenkel die Rampen. Der Bau hat Platz für etwa dreihundert Fahrzeuge. Die Türen der Boxen haben je vier Tafeln aus Stahl; unten wie oben laufen sie auf einer Schiene. Jedes Rund72

lauftor lässt sich seitwärts- und rückwärtsschieben. Eine gute Lösung. Würden sich die Türen nach vorne öffnen, stünden sie dem Verkehr auf den Gassen im Wege. Es gibt Grund, den Kant-Garagen-Palast unter die innovativen Architekturen aus dem Berlin der Weimarer Republik zu reihen. Wer dies tut, der sollte nicht allein von den Fassaden, sondern auch, ja vor allem von der Wendelrampe des Autohauses sprechen. Ihre beiden ›Schläuche‹ sind mal ›dünner‹, mal ›dicker‹; die Breite schwankt zwischen drei und sechseinhalb Metern. Die Autos rollen auf den nach außen steigenden ›Rennbahnen‹ über einen Belag aus Beton; sie haften auf einer Art Pflaster aus Stücken von fünf bis acht mal fünf bis acht Zentimeter. Links und rechts schützen starke Schwellen die rauen, vom Ruß längst grauen Wände aus Stein und Glas, auf dass bloß kein Fahrer aus der Kurve rutscht und eine der Seiten mit dem Auto rammt. Der Kern dieser Anlage doppelter Spiralen hat die Form eines oblongen Oktogons. Hier lag von Geschoss zu Geschoss je ein Waschplatz, dessen Einfahrt an der Rampe aufwärts und dessen Ausfahrt an der Rampe abwärts sich befand. So einfach das Prinzip, so schwierig das Verstehen des gebauten Gebildes. Die beiden ›Schläuche‹ liegen genau einer über dem andern – als ob es sich um zwar völlig getrennte, doch zu dauernder Bewegung drängende Geschosse handele –, einer nur für Autos, die von der Straße in die Box, einer nur für Autos, die von der Box auf die Straße wollen. Gleich ob die Wagen steigen oder fallen, nach zehn Metern auf der Rampe stehen sie einen

Axonometrischer Vertikalschnitt

Meter höher oder tiefer als zuvor. Die Weise der Windung – links herum nach oben, rechts herum nach unten – hat zur Folge, dass Einfahrt und Ausfahrt von Stockwerk zu Stockwerk ihre Lage tauschen. In der Tat war die Wegeführung gewöhnungsbedürftig. Mancher Chauffeur mag sich beim Rein und Raus wie auf der Achter- oder Geisterbahn gefühlt haben. Kein Wunder, dass die erste Wendelrampe auf deutschem Boden im Herbst 1930 zu einer kleinen Kontroverse in gleich drei Heften der »Bauwelt« führte. Auf die lobende Besprechung durch den Kritiker Ferdinand Eckhardt folgten ein milder Verriss durch den Fachmann Georg Müller und klärende Antworten durch die Architekten Oskar Korschelt und Jacob Renker wie durch den Bauherrn Louis Serlin. Müller monierte die mise

rable Relation von Geschossfläche und Verkehrsfläche. Seiner Meinung nach hätte sich eine so diffizile Konstruktion wie die Anlage verschränkter Spiralen erst bei hundert Boxen pro Geschoss gelohnt, was in Berlin weit unterschritten worden sei. Aber weder Korschelt und Renker noch Serlin hatten eine kluge Antwort auf diesen Einwand. Allein der Fachmann Hans Conradi, der sich zwar nicht in der »Bauwelt«, doch anderswo äußerte, fand legitime Argumente für die Wendelrampe des Kant-Garagen-Palasts. In manchen Fällen, so Conradi, könne eine Garage rentabel sein, ohne dass der Bau auf maximale Kapazität achte. In Vierteln mit »bester Kundschaft« etwa seien die Wagenhalter bereit, für die Bequemlichkeit reibungslosen Verkehrs bei der Ein- und Ausfahrt eine hohe Miete in Kauf zu nehmen. KANT-GARAGEN-PALAST BERLIN 1929–1930

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Hermann Zweigenthal und Richard Paulick, Kant-Garagen-Palast,

Teil der gläsernen Rückseite

Ansicht von der Straße, rechts Villa Schultze

Zweigenthal und Paulick konnten Müllers Kritik vermutlich verwinden. Die jungen Herren hatten bei Hans Poelzig studiert, weshalb ihr Interesse nicht allein der Effizienz der Konstruktion, nicht allein der Ratio der Funktion, sondern auch der Architektur als Architektur, um nicht zu sagen der Baukunst galt. Wirft man von hier aus den Blick auf das Geschehen um das Gebäude, so war der größte Fehler, dass Serlin – wie erwähnt – die von Zweigenthal im Verein mit dem Deutschen Auto-Club ins Spiel gebrachte, durch ein Modell anschaulich erklärte Anlage der offenen, mittigen, doppelten Spirale verworfen und das der Erschließung dienende Gebilde erst verschoben, dann verschlossen hatte. Dass im Kern der Wendelrampe auf jedem Geschoss auf dem Grundriss eines Achtecks ein Waschplatz gebaut worden war, hatte dramatische Konsequenzen. Nun konnte einerseits der durch acht Stützen gefasste, zentrale Zylinder nicht mehr von hoch oben bis tief unten mit Taglicht versorgt, anderseits die Trennung von Auffahrt und Abfahrt der Wagen nicht mehr verspürt werden. Mit dem Verlust der Erscheinung der Bewegung, das heißt mit dem Verlust der Transparenz der Funktion – an der vorderen wie der hinteren Fassade vorbildlich 74

verwirklicht –, litt auch das Behagen der Benutzer. Es war nun, als ob man nicht mehr Herr des Raumes war und sich an mancher Stelle fragen musste: Wo bin ich? Gewiss waren Zweigenthal und Paulick im Poelzigschen Seminar auch mit der Liebe des Meisters zu Treppen aller Art vertraut gemacht worden. Sie hatten die Windung und Wendung und die Wangen seiner Treppen sogar sehen und nutzen können, etwa im Kino Capitol nahe der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche und dem Romanischen Café, wo die Gruppe Junger Architekten (GJA) sich traf. Der Kant-Garagen-Palast hat drei Treppenhäuser: ein tiefes vorne rechts, ein spitzes etwa in der Mitte, ein freies hinten links. Ort dauernder kreisender Bewegung aber ist seine Wendelrampe. Für diese Treppe ohne Stufen fanden Zweigenthal und Paulick einen Vergleich, den sie ohne die Erfahrung des Poelzigschen Seminars kaum hätten finden und ziehen können. Es war der Vergleich mit der großen Treppe im Donjon von Schloss Chambord an der Loire. Entworfen vermutlich von Leonardo da Vinci und errichtet für König Franz I. von Frankreich, hat diese Treppe zwei Folgen von Stufen, eine Windung hinauf, eine Windung hinab; niemand soll niemand in die Quere kommen.

Teil der gläsernen Rückseite, rechts Fluchttreppe mit Bauschildern

Mit Methoden modernen Marketings – ›Ihr Chauffeur und Ihr Auto im Palast des Königs von Frankreich!‹ – suchten Zweigenthal und Paulick ihrer sachlichen Garage eine Aura von Luxus zu geben. Geschickt trugen sie den Vergleich mit einem Stück prominenter Architektur der Renaissance in die bürgerliche Öffentlichkeit. Ein Journalist des »Berliner Börsen-Couriers« bot ihn seinen Lesern schon Wochen bevor das Bauwerk fertig stand. Auch die Kritiker Ferdinand Eckhardt und Julius Posener, jener in der »Bauwelt«, dieser in »L’Architecture d’Aujourd’hui«, scheuten sich nicht, die Garage durch die Nennung von Chambord zu adeln. Der Vergleich griff nach den Sternen. Aber welcher Architekt hätte das in jungen Jahren nicht getan? Amerika spielen Nach dem Willen seiner Schöpfer sollte sich der Kant-Garagen-Palast unter die besten der neuen, funktionalen Architekturen in der Hauptstadt des Deutschen Reiches mischen. Sein historisches Interesse, außen der Bezug auf die typische Fassade des Berliner Mietshauses, innen der Bezug auf Schloss Chambord, war ein schönes Extra. Mehr nicht. Als Zweigenthal und Paulick aufgrund der Verwicklung des Geschehens

an der Kantstraße 126 und 127 im Juni 1930 die Chance hatten, für den rechten Teil des Doppelgrundstücks ein neues Projekt zu unterbreiten, war nur noch das aktuelle Interesse von Belang. Diesen Wandel zeigt nicht allein der Vorschlag, die Villa Schultze, deren äußere Erscheinung ganz und gar der Geschichte verbunden war, zu räumen und zu schleifen, sondern auch die Konzeption und Konstruktion dessen, was dort stehen sollte: statt der steinernen, monofunktionalen Villa die stählerne, omnifunktionale Box. Der Kontrast zwischen Gestern und Morgen hätte sich 1930 kaum schärfer zeichnen lassen. Was Zweigenthal und Paulick – die doch als Poelzigschüler auf Moderates gestimmt worden waren – plötzlich zu einer Architektur standardisierter Radikalität bewog, bedarf einer genaueren Erklärung. Es scheint, als ob ihr Entwurf für einen Neubau an der Kantstraße 126 mit dem Amerikanismus der späten zwanziger Jahre und seinem Einfluss auf die von Wagner und Reuter politisch geführte, urbanistische und architektonische Berliner Entwicklung zu tun habe. Es waren Schriften wie Erich Mendelsohns »Amerika. Bilderbuch eines Architekten« 1926 und Richard Neutras »Wie baut Amerika?« 1927, die durch ihre schwarzweißen Aufnahmen einerseits der offenen stähKANT-GARAGEN-PALAST BERLIN 1929–1930

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Hermann Zweigenthal und Richard Paulick, Kant-Garagen-Palast, Wendelrampe

lernen Skelette, anderseits der gigantischen Vertikalen in New York, Chicago und Detroit die innovativen Architekturen der USA in Berlin bekannt gemacht hatten. Während Mendelsohn auf seinen Fotos die ästhetische Attraktion der Wolkenkratzer bannen wollte, wollte Neutra seine Leser über das Material, die Konstruktion und die Produktion von Architektur in den Metropolen der USA informieren. Am Ende seiner von Sorgfalt geprägten Beschreibung der Entstehung des Hotels Palmer House in Chicago, eines in der Tat riesigen Gebäudes mit hohem Sockel und fünf breiten Türmen, kommt er zu dem Resultat, dass mit der Dominanz des neutralen stählernen Skeletts und des flexiblen räumlichen Programms die Tradition der Architektur auf dem Spiel stehe, dass aber nach »tausend Unsachlichkeiten und Unehrlichkeiten« – gemeint ist wohl die Relation von Tragwerk und Hüllwerk, von innen und außen – die Architektur zu einem neuen »lichten System« finden werde. Nicht dass Wagner um die Wende von den zwanziger zu den dreißiger Jahren in Berlin den Bau von Manhattan skyscrapers empfohlen hätte. Nein, er war Gegner selbst kleinerer Hochhäuser. Was er aber mehr als nur mochte, war das Rationelle, das Effiziente, das auf die 76

Dynamik des Kapitals Fixierte der urbanen Strukturen in den großen Städten der USA. Seine auf 1928 und 1929 datierten Planungen für den Alexanderplatz sahen diesen Ort als einen Ort der Verkehrsschneisen und Verkehrsschleusen. In der Zeitschrift »Das neue Berlin« sprach er von der »Amortisation« der Bauten binnen fünfundzwanzig Jahren und davon, dass Berlin den »Weltstadtplatz« Alexanderplatz nach dieser Spanne völlig neu planen, völlig neu bauen müsse. Daher dürften die um seine Ränder stehenden Gebäude nicht für die Ewigkeit entworfen werden. Wenig später, in einem Aufsatz aus dem Jahr 1932, würde Wagner so reserviert wie fasziniert von der Kurzatmigkeit und Schnelllebigkeit künftiger städtischer Geschichte sprechen und das Ideal des Variablen mit dem Ideal »wandernder« Gebäude auf die Spitze treiben. Von diesem Leitbild wurden auch Zweigenthal und Paulick bewegt. Statt der Villa Schultze wünschten sie einen kleinen, klaren Körper von zwölfeinhalb Metern Breite und sechzehneinhalb Metern Tiefe. Das »Eisenfachwerk« im Vier-Ständer-System mit zwölf Stützen außen und vier Stützen innen hätte jene »wechselnden« Nutzungen erlaubt, die Zweigenthal und Paulick in ihrer Beschreibung des Gebäudes erwogen:

Wendelrampe zwischen drittem und vierten Geschoss

im Erdgeschoss ein Restaurant oder eine Kantine für Chauffeure sowie ein Laden; im ersten und zweiten Obergeschoss je eine Fünf-ZimmerWohnung mit Mädchenkammer, Küche und Bad; im dritten bis fünften Obergeschoss ein Hotel mit sechs Zimmern pro Etage. Natürlich hätten im Haus Kantstraße 126 auch das Büro eines Anwalts, die Praxis eines Arztes oder der Salon eines Friseurs Raum finden können. Alles hätte sich hinter einer Fassade aus Wand und Loch, aus grauen Verblendern und grauen Dreh- oder Kippfenstern verborgen. Die Reduktion der Architektur auf die Fertigung nicht näher bestimmer Gebäude – ›Container‹ mit mal dieser, mal jener Funktion – entsprach Wagners Gebot, sich dem schnellen Leben der Stadt zu fügen. Wie gut, dass Berlin doch nicht so schnell wurde, wie Wagner dachte. Vielleicht ist es nur der Dauer im Wandel zu verdanken, dass der Kant-Garagen-Palast noch steht. Auch wenn er das Pathos seines Namens schon vor langem verlor und heute nurmehr nüchtern Kantgarage heißt. Rundlauftor zur Schließung und Öffnung der Boxen



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9  DAS WACHSENDE HAUS ODER VON DER LAUBE ZUR VILLA 1932

Schade, dass Stadtbaurat Martin Wagner sein forsches »Hoppla, wir leben und bauen doch!« nicht zur Eröffnung der Ausstellung sagte, sondern nur vor Journalisten, die am Tag vor der Feier auf das Gelände gekommen waren, um zu sehen, was es dort – unter dem Titel »Sonne, Luft und Haus für Alle« – zu sehen gab. Denn weit über seinen bloßen Anlass hinausgreifend, nährte der Satz die Hoffnung jener Teile der städtischen Gesellschaft, die das Debakel der Republik schon kommen fühlten und ihm noch wehren wollten. Tags drauf, mit Verstärkung durch Lautsprecher und vor Tausenden von Besuchern, hätten die Worte vielleicht wie eine Fanfare geklungen. Doch statt Parolen von Witz und Mut bot die Hauptstadt dem Volk lieber einen würde-, ja weihevollen Staatsakt. Wir schreiben den 14. Mai 1932. An diesem Samstag vor Pfingsten ist der Himmel blau und die Sonne warm. Auf dem Terrain der Messe am Funkturm sammeln sich am späten Morgen Menschen in Massen. Herren in Schwarz stehen auf breiten Stufen, vorne die enorme Ellipse einer Spiel- und Sportwiese, hinten die gläserne Fassade eines Restaurants. Ein Orchester sorgt mit der »Leonorenouverture« Ludwig van Beethovens und dem »Vorspiel« der »Meistersinger« Richard Wagners für hohe Stimmung. Dann tritt Gerhart Hauptmann vor die Tribüne und an das Mikrophon. Der Dichter mit den weißen Haaren nimmt die Sache faustisch, ruft »Im Anfang war die Tat!«, klagt über den »Geistes­ tümpel Europas« und freut sich, dass in Berlin die »freie Gemeinschaft denkender Köpfe, schlagender Herzen und fleißiger Hände« in schwerer Stunde ein »verlockend greifbares Werk der Kultur geschaffen« habe. Später singen alle »Deutschland, Deutschland über alles«. Schließlich strömen Scharen von Jungen und Mädchen in bunter Kleidung auf den Rasen. Zweitausend Köpfe, viertausend Beine, viertausend Hände bieten dem Publikum Tänze, die Gymnastik und Ornament in mal härterer, mal weicherer Bewegung verbinden. Hinaus in das Grüne Die zwölf Wochen dauernde Berliner Sommerschau mit dem nicht gerade attraktiven Untertitel »Ausstellung für Anbauhaus, Kleingarten und Wochenende« füllte einerseits den Komplex der Hallen um den 78

Funkturm, anderseits den Boden westlich dieser Bauten und südlich vom Haus des Rundfunks, das eben nach Hans Poelzigs Entwürfen errichtet worden war. Im Trapez der Hallen an der Ecke von Masurenallee und Königin-Elisabeth-Straße wusste man das Publikum mit den neuesten Techniken des Verführens und Verzauberns zu gewinnen. Erwin Gutkind und Adolf Rading, renommierte Architekten aus Berlin und Breslau, hatten Teile der Ausstellung gestaltet. Panoramen, Dioramen, Transparente zeigten die Schönheit der deutschen Landschaft in Nord und Süd, West und Ost. Wem das nicht genug Eindruck machte, der konnte ein Gehege mit Hirschen und Rehen, Störchen und Gänsen oder die Guten Stuben friesischer und rheinischer Landleute bewundern. Draußen aber – auf dem im Norden von einer Art Pergola, im Süden von einer Art Stadion gefassten Areal, dessen Rand einer sauberen Parabel glich – formten knapp achtzig Häuser hier von der Größe einer Laube, dort von der Größe einer Villa eine hübsche Siedlung, deren Plan noch den ästhetischen Prinzipien der Beaux arts zu folgen schien. Pappeln säumten die Wege. Gärten standen in Blüte. Ein Bimmelbähnchen drehte seine Runden. Die Sommerschau, meinte der »Berliner Börsen-Courier«, sei »volkstümlich schon deshalb, weil man in den Vordergrund das Praktische und Plastische gezogen« habe. In der Tat wollte die Ausstellung Anschauung. Vor allem wünschten ihre Macher die Anschauung dessen, was damals – wegen seiner Herkunft von den Middle und Upper classes Britanniens und der USA – noch gern »Weekend« genannt wurde und den deutschen Städter an die Wonnen von Picknick und Camping denken ließ. »Wochenende warum?«, »Wochenende wie?«, »Wochenende wo?« hießen die drei großen Fragen, auf die man in den Hallen am Funkturm eine Antwort suchte. Man gab dort dem merkantilen Interesse viel Raum, hatte also Einzelhändler und Warenhäuser ihre Stände bauen lassen und diese mit Korbstühlen, Falthockern, Wolldecken, Gaskochern, Teekannen, Saftflaschen, Klappmessern, Salzstreuern und all den schönen Siebensachen für die paar Stunden Freiluft zwischen Samstagmittag und Sonntagabend füllen lassen. Durch die Schau schien ein Lied zu tönen, von Jazz und Swing geprägt, die Melodie ironisch falsettiert:

Ausstellung »Berliner Sommerschau 1932«, Lageplan

»Wochenend und Sonnenschein / Und dann mit dir im Wald allein / Weiter brauch’ ich nichts zum Glücklichsein / Wochenend und Sonnenschein! / Kein Auto, keine Chaussée / Und niemand in unsrer Näh! / Tief im Wald nur ich und du / Der Herrgott drückt ein Auge zu / Denn er schenkt uns ja zum Glücklichsein / Wochenend und Sonnenschein!« Arbeitsgemeinschaft und Wettbewerb Sosehr auch das Lied der Comedian Harmonists zum Ohrwurm einer nach besserem Vergnügen gierenden Gesellschaft wurde, sosehr auch die Stimmung der Strophen – vielleicht – einen stillen, fernen Einfluss auf den Inhalt von »Sonne, Luft und Haus für Alle« hatte, so sehr war doch Wagner, nach dessen Idee und Konzept die Abteilung »Anbauhaus« der Sommerschau entstand, von einem hohen, ernsten Anspruch bestimmt, der auf weit mehr als nur die Lösung der Wohnungsfrage zielte. Wichtigster Vorläufer seines Vorhabens war der Wettbewerb »Das billige Eigenhaus«. Ausgelobt und durchgeführt zwischen Oktober 1930 und Januar 1931, etwas später auch dem Publikum präsentiert, sollte die von der Zeitschrift »Bauwelt« auf den Weg gebrachte Konkurrenz zu brauchbaren Entwürfen von Häusern führen, die bis 8 000 Reichsmark, bis 15 000 Reichsmark oder bis 25 000 Reichsmark kosten durften. Zwar hatte der Widerhall des New Yorker Börsenkrachs die deutsche Wirtschaft schon erreicht, aber unter den zahllosen Teilnehmern des Wettbewerbs wollte niemand von der Hoffnung Abschied nehmen, dass während der nächs­ ten Jahre allein in der Berliner Umgebung Tausende Parzellen von ihren Eigentümern mit kleinen Häusern bebaut werden würden.

Eine ähnliche Vorstellung hatte wohl auch Wagner, als er Mitte 1931 die Arbeitsgemeinschaft Wachsendes Haus ins Leben rief. Für eine Teilnahme an dieser Runde gewann der Stadtbaurat: Otto Bartning, Paul Emmerich, Alfred Gellhorn, Walter Gropius, Hugo Häring, Erich Heinicke, Ludwig Hilberseimer, Paul Mebes, Erich Mendelsohn, Leberecht Migge, Hans Poelzig, Hans Scharoun, Bruno Taut und Max Taut. Hinzu traten, dank der Anregung und Vermittlung ihres Lehrers Poelzig, Mitglieder der Gruppe Junger Architekten: Egon Eiermann, Günther Hafemann, Fritz Jaenecke, Hans Köhler, Klaus Müller-Rehm, Max Säume, Jürgen Schweitzer, Rambald von Steinbüchel-Rheinwall, Ludolf von Veltheim und nicht zuletzt Hermann Zweigenthal, der Poelzig mit seinem Charme gedrängt hatte, bei Wagner für die GJA zu werben. So kamen schließlich vierundzwanzig teils ältere bekannte, teils jüngere unbekannte Architekten unter dem Vorsitz Wagners an einen Tisch. Die Lage der Wirtschaft hatte sich binnen weniger Monate mächtig verschärft. Von all den Berlinern, die eine Parzelle besaßen und bauen wollten, hätten nun die meisten kein Eigenheim mehr bezahlen können, nicht mal für achttausend Reichsmark, wie noch die »Bauwelt« gedacht hatte. Die Arbeitsgemeinschaft schlug daher vor: Architekten, Konstrukteure und Fabrikanten sollten, Seite an Seite, für die geplante Sommerschau Typenhäuser entwickeln und Musterhäuser errichten. Die Bauten sollten eine Fläche von fünfundzwanzig Quadratmetern haben und nicht mehr als 2500 Reichsmark kosten; die Häuser sollten leicht veränderbar, rasch erweiterbar sein, je nach der familiären und finanziellen Situation ihrer Eigentümer.

DAS WACHSENDE HAUS ODER VON DER LAUBE ZUR VILLA 1932

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Mit diesem Programm machten sich die Büros an den Entwurf. Und mit diesem Thema lobte das Ausstellungs-, Messe- und FremdenverkehrsAmt der Stadt Berlin gleichzeitig einen reichsweiten Wettbewerb aus, zu dem bis Ende 1931 genau 1079 Architekten Arbeiten einreichten. Martin Wagners Programm Kein Protokoll oder sonstiges Dokument gibt darüber Auskunft, um welche Probleme welche Debatten bei den Treffen der Arbeitsgemeinschaft geführt wurden. Kein Zweifel aber, dass Wagner – zwar Sozialdemokrat aus vollem Herzen, doch ein Querkopf, erst innerhalb, dann außerhalb der SPD – die um ihn versammelten Architekten früh mit den Gedanken eines Aufsatzes vertraut machte, der wenig später die Einleitung seines Buches »Das Wachsende Haus. Ein Beitrag zur Lösung der städtischen Wohnungsfrage« bilden würde. Dem »Meister des Bauens« Hans Poelzig »in Freundschaft« gewidmet, fungierte der Band 1932 als Katalog der Abteilung »Anbauhaus« auf dem Gelände der Sommerschau. Sein Autor klärt den Leser nicht allein über die architektonischen und urbanistischen, sondern auch, ja vor allem, über die sozialen, kulturellen, ökonomischen und finanziellen Prämissen des Projekts auf. Diesem Aufsatz folgt die Darstellung von vierundzwanzig Entwürfen veränderbarer, erweiterbarer Kleinst- und Kleinhäuser: erst vierzehn Beispiele aus den Büros der schon arrivierten Architekten der Arbeitsgemeinschaft, dann neun Beispiele aus dem Kreis der Gruppe Junger Architekten sowie dem Kreis der Preisträger des Wettbewerbs, schließlich Wagners eigenes, weitgehend gläsernes Wachsendes Haus. Sein Bild schmückt den giftig grünen Umschlag des Buches; der Bau gleicht dort einer kruden Mischung aus Treibhaus, Festung und Grabmal. Die Wagnerschen Vorschläge beruhen auf drei für den Geist der Weimarer Republik typischen Ideenkomplexen, die einander ergänzen, einander durchstoßen und mit drei Schlagworten beschrieben werden können: Progressismus, Technizismus, Naturismus. Wie Wagner glauben in den zwanziger und dreißiger Jahren weite Teile der politisch und kulturell Aktiven zu wissen: dass der Fortschritt Gesetz und auf ihn Verlass sei; dass die technologische und industrielle Entwicklung immer weitergehen und sie das Irrationelle durch das Rationelle, das Ineffiziente durch das Effiziente ersetzen werde; dass die Natur eines schönen, fernen Tages den ganzen Menschen von der Mühsal städtischer Werktage in Fabrik und Büro befreien, ja erlösen werde. Wagner verknüpft in seinem Aufsatz klassische Motive des Sozialismus und des Konservatismus, die ein starres Denken heute – von hoher Warte und retrospektiv – mit Worten wie »links« und »rechts« oder »vorwärts« und »rückwärts« leicht zu fassen meint, während in der wirklichen Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts die eine mit der andern Haltung sich dauernd paart. 80

Technik als Utopie, mit Bezug auf das Wachsende Haus bedeutet diese Zukunft laut Wagner: Bildung von Typen und Normen für Standard und Luxus; Genauigkeit und Geschwindigkeit von Maschine und Montage; Senkung der Lager- und Lieferkosten durch kluge Nutzung von Raum und Zeit; kurz, planvolles Wirtschaften zwischen Bedarf und Deckung statt der chaotischen, barbarischen Phänomene des Kapitalismus. Hausbau war Entwurfskunst und wird Dienstleistung. Gleichwohl müsse man »das Wachsende Haus auch auf die Kunstform bringen«, damit es trotz seines Industriecharakters den Vergleich mit dem ästhetischen Vokabular der Architektur früherer Epochen nicht scheuen brauche. In Wahrheit aber verlieren beide – einerseits der Selbsthelfer, der sein Heim Ziegel für Ziegel mauern und Balken für Balken zimmern möchte, anderseits der Baumeister, der viele Häuser einzeln entwerfen und gestalten möchte – durch Wagners radikale Perspektive ihre Rolle an die Fabrik, an Kombinate und Kollektive, die das Geschehen in den Werkshallen und auf den Bauplätzen beherrschen und dort die Herstellung der menschlichen Behausung bestimmen. Natur als Utopie, mit Bezug auf das Wachsende Haus bedeutet diese Zukunft laut Wagner: Umwandlung des Badezimmers von einem Raum für das schnelle Waschen von Gesicht und Händen in einen Raum für die zugleich peinliche und lustvolle Körperpflege sowie für die tägliche Gymnastik in leichter Kleidung; Einrichtung des Gartens nicht allein als einer Stätte für die Zucht etwa von Kirschen und Bohnen, von Rosen und Tulpen, sondern auch als einer Stätte für den Esstisch, für den Schreibtisch, für ein ganzes Zimmer im Freien, wo an heißen Tagen Hecken als Wände dienen, um das Schlafen unter Sternen nicht zu stören; Gründung neuer Landstädte auf altem Stadtlande, wo Moosrasen und Feldblumen die Gassen zwischen den Häusern zu weichen, bunten Pfaden machen. Dieser Kult um Freiluft und Freilicht ist eine Erbschaft der »Lebensreform«. Mit »Klampfe« und »Fidel« hatten die »Wandervögel« schon die Jugend der blassen, müden Gesellschaft des Kaiserreichs zu einem Retour à la nature ermuntert. Auf seinem Weg von den unteren und mittleren zu den oberen Schichten war der Wandervogel in den zwanziger Jahren zum sportiven Charakter geworden, der in der Veranda oder auf der Terrasse seinen schlanken Körper wie der nackte blonde Fidus zur Sonne streckte. Hymnen wie »Brüder, zur Sonne, zur Freiheit« und »Aus grauer Städte Mauern« im Kopf, ruft Wagner die jungen Menschen auf, endlich die schmutzigen »Steinhöhlen« der Großstädte zu verlassen, sich »von aller Unnatur des künstlich aufgeputzten und künstlich aufgeputschten Asphaltlebens« zu befreien. Musterhäuser zum Anschauen und Betreten Wagners Attacke auf das hybride Urbane bildet einen klaren Kontrast zu seiner früheren Leidenschaft beim Umbau des Potsdamer und Leip-

Hermann Zweigenthal, Wachsendes Haus, vorne links Loggia, 1932

ziger sowie des Alexanderplatzes im Zentrum von Berlin. Der Angriff auf Aspekte der Moderne blieb freilich auf das Nachwort seines Buches beschränkt. Der Ausstellung »Sonne, Luft und Haus für Alle« – sie lag in durch und durch städtischer Umgebung: gleich unter dem Funkturm, gleich neben der Ringbahn – war diese Haltung fremd. Die Abteilung »Anbauhaus« fand sich südlich des Scheitels der Parabel und Pergola; die knapp dreißig Wachsenden Häuser gruppierten sich in perfekter barocker Symmetrie zur Linken und Rechten eines gärtnerisch geschmückten Hufeisens. In der Mitte stand die »Wochenendinsel« des Rudolf-Mosse-Verlags. Der schneeweiße, rundliche Pavillon bot alle vierzehn Tage ein neues, reiches Programm. Es gab Waren in Hülle und Fülle, nach jedem Themawechsel in eine andere Farbigkeit getaucht: erst in Grün für die »Gastfreundlichen«, dann in Gelb für die »Junggesellen«, dann in Weiß für die »Eleganten«, dann in bunt für die »Kinder«, dann in Blau für die »Hausfrauen«, schließlich in Rot für die »Glücklichen«. Dass der legere Pavillon aufgrund seines Namens und seiner Lage vom Publikum vermutlich für das Gemeinschaftsgebäude der Wachsenden Häuser gehalten wurde, war ein Irrtum mit Folgen. In der Besucherwahrnehmung rückten nämlich der Luxus und das Plaisir dieser dynamischen Architektur von Gusti Hecht und Ernst Friedmann den Kranz der Typen- und Musterhäuser in eine den

wohnungs- und siedlungspolitischen Vorstellungen Wagners noch weitere, noch fernere Richtung, als dies bei nicht wenigen Entwürfen ohnehin der Fall war. Alle Bauten – die der Arbeitsgemeinschaft, die der Gruppe Junger Architekten, die der Gewinner des Wettbewerbs – waren zwar von Handwerkern errichtet worden, doch eigentlich für die industrielle Fabrikation bestimmt. Aus Holz-, Metall- oder Betonplatten gebildet, standen sie nach höchstens drei Wochen außen wie innen fertig. Der Boden, die Wände und die Decke des von Otto Bartning konzipierten, auf einer Werft produzierten Prototypen konnten sogar binnen eines halben Tages montiert werden. Die Häuser wollten auch technisch auf der Höhe des Fortschritts sein, hatten also Gas- oder Stromheizung sowie fließend Kalt- und Warmwasser. Klappbetten, Wandschränke und Falltreppen sparten Platz. Veranda oder Terrasse hingegen sahen nach üppiger räumlicher Verschwendung aus. Breite, hohe Glaskästen an der Außenwand halfen den Bewohnern bei der eigenen Versorgung mit Obst und Gemüse. »Wachsen« sollten die Bauten in der Länge oder um die Ecke. Nur, sofern schon an eine ganze Siedlung gedacht worden war, wirkte deren Plan wie ein Schema. Alles Pittoreske, alles Romantische, der ganze Camillo Sitte hatte einer strikten Ordnung ohne Mitte und Ränder weichen müssen. Es schien, als ob Karlsruhe-Dammerstock den Maßstab gesetzt hätte.

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Hermann Zweigenthal, Wachsendes Haus, Wohnraum, hinten links Loggia

Harsche Kritik von Julius Posener Während das »Berliner Tageblatt« aus dem Rudolf-Mosse-Verlag seine Leser auf dem Gelände der Ausstellung mit einem eigenen Pavillon willkommen hieß und die Sommerschau gebührend feierte, wurde das Ereignis außerhalb der Reichshauptstadt zum Teil vehement kritisiert. Die nun Monat für Monat heftiger spürbaren, enormen Probleme der Gesellschaft – in Deutschland knapp sechs Millionen Arbeitslose, in Berlin gut hunderttausend Menschen, die ihre Wohnung verlassen und eine Laube oder Hütte in einer der Kolonien an der Peripherie der Metropole bezogen hatten – schufen bei allen medialen Kontroversen ein Freund-Feind-Klima, ja eine agonale Atmosphäre, die bei näherer Betrachtung noch heute erstaunt. Guido Harbers etwa, der die Münchner Zeitschrift »Der Baumeis­ ter« führte, widersprach der Behauptung, alle und jede Selbsthilfe schade der ohnehin leidenden Bauwirtschaft, und hielt Wagner das Beispiel eines auf dem Lande tätigen Arbeiters entgegen, der in Garching mit der Hilfe eines Maurers für sich, Frau und drei Kinder eben 82

ein Kleinhaus mit Steildach und 176 Kubikmeter Raum errichtet habe, das Ganze zu einem Preis von nur 1914 Reichsmark. Nicht die Kritik, sondern ihre Fasson hat keine Fasson. Denn im selben Beitrag unter dem Titel »Die neuen Ziele« schrieb Harbers auch, Wagner zähle zu jenen »Leuten«, die »nicht genügend beschlagen« seien und »also gar nicht mitreden können«. Allein, die »Deutsche Bauhütte« aus Hannover wusste diesen Jargon noch schärfer zu fassen. Eine »Clique« von »hemmungslosen Experiment-Architekten«, so der Autor mit Schaum vor dem Mund, habe Wagners »Befehl zum Plattdach« gehorcht und »um die letzten Spargroschen des Großstädters sich bemüht«. Eine Kritik aus Berliner Nähe und Pariser Ferne, verfasst einerseits noch mit dem Blick von innen, anderseits schon mit dem Blick von außen, druckte die junge, international orientierte Zeitschrift »L’Architecture d’Aujourd’hui«. Ihr Autor: Julius Posener. Obwohl in seinem Beitrag Engagement und Contenance einander stets die Waage halten, nimmt der in Sachen »Sonne, Luft und Haus für Alle« aufgrund seiner sozialen und kulturellen Herkunft hochkompetente

Wachsendes Haus, Wohnraum, hinten rechts Durchreiche zur Küche

Korrespondent kein Blatt vor den Mund: »Pourquoi les expositions berlinoises sont-elles toujours des occasions manquées?« Warum, so heißt es gleich in den ersten beiden Zeilen, sind die Berliner Ausstellungen immer eine verfehlte Gelegenheit? Die Sommerschau 1932 erinnert Posener an Karneval. Die Hallen stünden voller charmant gruppierter modischer Artikel, darunter sogar ein Sportflugzeug. Kein Zweifel, all die feinen, teuren Dinge für die Stunden in Muße könne die große Masse einfacher Arbeiter und mittelloser Arbeitsloser mühelos erwerben. Auch die Reliefs norddeutscher Landschaften würden jedermann entzücken. »Ah! La belle Allemagne! Si seulement on pouvait jouir de ses beautés dans cet été de misère.« Nein, an der Schönheit Deutschlands könne man in diesem Sommer des Elends keine Freude haben. Noch bei den so hübschen, so freundlichen Wachsenden Häusern frage sich der Ausstellungsbesucher, für wen und für was sie entworfen und errichtet worden seien. Wer aus den Hallen komme und vor einen dieser kleinen Bauten trete, der fühle erneut das »weekend à deux« in der Luft liegen. Erst

in den Häusern von Paul Mebes und Bruno Taut, die eine seltene Ärmlichkeit ausstrahlten, stürze man plötzlich in eine nüchterne, bisweilen traurige Wirklichkeit. Unter Verweis auf das laute »für Alle«, auf die vom Titel suggerierte soziale Ambition der Sommerschau kritisiert Posener die Differenz zwischen Intention und Realität der Ausstellung. Und wie Walter Curt Behrendt und Ernst Neufert – jener ein Redakteur, Kritiker und renommierter Spezialist in Sachen Wohnungs- und Städtebau, dieser ein Indus­t riearchitekt und mit den Problemen der Normierung bestens vertraut – moniert auch er den Habitus der Wachsenden Häuser, die in Anlage wie Einrichtung nur den verwöhnten Ansprüchen des Bürgertums gerecht würden und in vielen Fällen für den dauernden Aufenthalt gar nicht geeignet seien. Dieser Vorwurf hindert ihn aber nicht, für seinen Artikel einen Großteil der Projekte zu studieren, die Vor- und Nachteile der Gebäude zu erwägen, die Brauchbarkeit der Tragwerke und Grundrisse zu erklären, schließlich mit wenigen Stichworten winzige Gutachten zu verfassen.

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Ein Bungalow aus dem Industriekatalog »Grundriss ohne jeden Einwand, aber nicht sehr lebhaft. Im Übrigen kann dieser Plan weitgehend verändert werden. Ausgedehnte, angenehme Zimmer. Möbel vom Architekten.« Was Posener über Zweigen­ thal schreibt, ist kurz und knapp; beim ersten Lesen gleichen seine Worte der Notiz eines Jurors. Dabei mag er den Entwurf, hat einen guten Eindruck von seinem großen Wohnraum. Konstruktiv betrachtet war Zweigenthals Wachsendes Haus eine Verbindung von Ständerwerk und Wandscheiben. Im Abstand von stets drei oder viereinhalb Metern ragten Eisenrohre mit einem Durchmesser von sechs Zentimetern auf. Oben wie unten trugen sie einen Winkelkranz mit Stilen, an welche außen Platten aus Stahl, innen Tafeln aus Holz geschraubt worden waren. Die schmalen Zwischenräume hatten die Bauleute mit einer Masse gefüllt. Es war eine Schüttung von Lehm, Torf oder Kork. Welcher Dämmstoff auch immer auf künftigen Grundstücken gefunden oder auf künftige Grundstücke geliefert werden könnte, er sollte den Siedler in seinem kleinen Bau vor Kälte und Hitze schützen. Träger, Boden, Decke, Wände, Türen, Fenster: Alle Teile waren Fertigteile, konnten mit ihrer Nummer aus dem Industriekatalog bestellt werden. Wer Skrupel hat, die Architektur der Ökonomie zu opfern, dem bleibt die Suche nach dem guten Standardprodukt. Um dessen Einsatz möglich zu machen, musste Zweigenthal weitestgehend mit Raster und Modul operieren. Er wählte ein Maß von anderthalb mal anderthalb Metern: einerseits, weil diese Spanne gerade noch erlaube, zwischen Bett und Wand auf und ab zu gehen; anderseits, weil jede Metallfabrik normierte Stahlplatten von anderthalb mal drei Metern ständig auf Lager habe. Die meisten Architekten der Arbeitsgruppe ließen ihren Bau auf dem Weg vom »Kernhaus« zum »Vollhaus« in ein paar festen Schüben wachsen. Zweigenthal hingegen schrieb, er wolle »kein Typenhaus, das nur in einer Form, wenn auch in drei Stadien« zu kaufen und bauen sei. Vielmehr bot er ein in Länge und Breite allmählich wachsendes Gebäude, das erst nach seiner fünften Wandlung und in seiner sechsten Gestalt die von einem Kernhaus verlangte Qualität offeriert: auf etwas über dreißig Quadratmetern Wohnraum, Schlafraum, Küche, Bad für einen Haushalt mit Vater, Mutter, Kind. Dank der Möglichkeit langsamer Entwicklung – von den neun Quadratmetern einer ›Laube‹ zu den 144 Quadratmetern einer ›Villa‹ – hätten auch Eigentümer, die kaum großer Schritte fähig waren, nach und nach zu ihrem Wunschhaus kommen können. Allein Hans Scharoun führte den Ansatz variabler, weil modularer Architektur mit seinem System »Karo« noch weiter. Der Nutzer selber sollte einen Entwurf zu Papier bringen. Das Engagement der Klienten in allen Ehren, doch für die partizipativen Illusionen eines Scharoun hatte Zweigenthal wenig übrig. Lieber war ihm die Raffinesse der Konvention, die Posener auf die Formel 84

Hugo Häring, Wachsendes Haus, Grundriss Kernhaus, 1932

»Grundriss ohne jeden Einwand, aber nicht sehr lebhaft« brachte. Das Vollhaus steht auf einer Fläche von neun mal zwölf Metern. Zusammen mit Terrasse und Pergola bildet es auf dem Boden ein Quadrat von zwölf mal zwölf Metern, kann folglich – welche Gestalt und Richtung das Grundstück des Käufers auch hat – immer so platziert werden, dass man nach Norden kocht und wäscht, nach Süden und Westen wohnt, nach Osten schläft. Die Nutzungen verteilen sich auf drei Achsen. Auf dem ersten Streifen liegen die Küche, das Wohn- und Esszimmer, das Arbeitszimmer und die Terrasse; auf dem zweiten Streifen liegen der Flur, das Bad, zwei Kinderzimmer und das Elternzimmer; auf dem dritten Streifen liegt die Pergola. Wer bei Poelzig studiert hatte, kannte die Merkmale brauchbarer Grundrisse. Zweigenthal wusste also: dass der Städter in seiner Wohnung die Küche in Nähe des Eingangs, den Esstisch in Nähe der Küche, das Bad in Nähe der Schlafzimmer zu finden wünscht; dass er ferner die Schlafzimmer vom Wohnzimmer durch zwei Türen getrennt haben möchte; dass er schließlich, um bei Belichtung und Beheizung sparsamer wirtschaften zu können, die zeitweise Ausschaltung ganzer Räume aus dem Kreislauf der Nutzung für einen Gewinn hält. Hugo Häring, Ludwig Hilberseimer und das Schöne im Wandel Zweigenthal hatte keine Mühe, diese Ansprüche Punkt für Punkt zu erfüllen. Doch wie viel mehr sein Entwurf leistet, verrät allein die genaue Betrachtung seines Kernhauses, vor allem im Verhältnis zu den Lösungen von Hugo Häring und Ludwig Hilberseimer. Alle drei Kernhäuser haben einen Grundriss von sechs mal sechs Metern. Dass bei Häring im Osten, bei Hilberseimer im Westen dem Quadrat ein Rechteck von zwei mal sechs Metern sich fügt – die Fläche dient einer Mischung aus Wintergarten und Rumpelkammer –, bei Zweigenthal hin-

ten für eine »Offenbarung«. Niemand brauche sich scheuen, selbst eine große Stadtwohnung gegen einen dieser kleinen »Schmuckkäs­ ten« zu tauschen. Doch andern Autoren, die den Typen- und Mus­ terhäusern der Sommerschau teils längere Artikel widmeten, fiel ein Mangel an Schönheit auf. Wilhelm Lotz und Leopold Sautter, jener für »Die Form«, dieser für die »Bauwelt« tätig, sahen in manchem Kernhaus nur einen »Torso«, in manchem Vollhaus nur ein wenig harmonisches, wenig organisches Gebilde.

Ludwig Hilberseimer, Wachsendes Haus, Grundriss Kernhaus, 1932

gegen ein solcher Teil fehlt, es spielt für den Vergleich ihrer Bauten keine Rolle. Häring, auf der einen Seite, plante einen großen Einraum mit kombinierten Funktionen; Kochen und Wohnen und Schlafen kreuzen sich rund um die Uhr. Hilberseimer, auf der andern Seite, plante lauter Zimmer mit vier Wänden. Küche, Bad, Wohn- und Essraum sowie Schlafraum erscheinen wie ein gebauter Vierzeller, wodurch sich das Kernhaus kleiner und enger als nötig macht. Dort der Funktionalist Häring, hier der Rationalist Hilberseimer; dort zu schwache, hier zu starke Trennung der Nutzungen; dort ein räumliches Gefüge, das nur der Sozialisation, hier ein räumliches Gefüge, das nur der Individuation eine Chance bietet. Zweigenthal hingegen wusste die Mitte zwischen jenem und diesem zu wahren. Der Eingang und Windfang trennt das Kochen vom Waschen; die Durchreiche trennt das Essen vom Kochen; Schrankwand und Vorhang trennen das Schlafen vom Essen und Wohnen. Aber jede dieser gebauten Trennungen ist schwach und stark durch ein und dieselbe Maßnahme der Gestaltung. Wer will, mag die Nutzungen verbinden. Man öffne die Klappe; man öffne den Vorhang. Zweigenthal erlaubt den Bewohnern, einander zu treffen und einander zu meiden. Auf sechsunddreißig Quadratmetern wahrlich ein Kunststück. Bei allem Interesse an Architektur als einer Dienstleistung statt einer Entwurfskunst hatte sich Wagner in seinem Buch »Das Wachsende Haus«, wenngleich bloß am Rande, auch zu formalen Problemen geäußert. Er hatte sich etwa gefragt, wie der innere Widerspruch eines quasi dynamischen Ästhetischen – das nichts Fertiges, nichts Gültiges mehr liefern könne, sondern künftig zwischen der werdenden und der bleibenden Gestalt menschlicher Behausung je neu vermitteln müsse – zu lösen sei. Der nach eigenen Angaben mit dem Siedlungswesen gut vertraute Architekt Emil Egermann hielt die Bau

Neues Wohnen mit Behaglichkeit Zweigenthals Reihe von sieben Kleinst- und Kleinhäusern hingegen – deren letztes in drei oder vier Schritten zum Vollhaus wird und dann mit Maßen von zwölf mal zwölf mal drei Metern eine klassisch kalkulierte Proportion hat – kommt Sautters an der Renaissance geschultem Ideal durchaus nah. Ob sich der Architekt und Designer berufen fühlte, den Geschmack der Siedler zu heben, so wie damals der Deutsche Werkbund (DWB) Einfluss auf die Kultur der breiten Massen nehmen wollte? Wir wissen es nicht. Deutlich wird aber, dass ihm beim Entwurf des Interieurs alles vor Augen stand, was er 1929 und 1930 bei der Gestaltung der Wohnungen von Lothar Müthel, Hermann Vollmer und Erich Schatzki hatte lernen können. Kunstdrucke in Zeitschriften wie »Das schöne Heim« oder »InnenDekoration« zeigen einen lichten Wohnraum von etwa sechs mal fünf Metern. Unter einer der am häufigsten gedruckten Aufnahmen heißt es bei Gustav Adolf Platz und Hans Eckstein, die Wände seien von heller brauner, der Boden sei von dunkler blauer Farbe. Diagonal stehen auf der einen Seite ein Esstisch neben einer breiten Durchreiche für Speisen, auf der andern Seite ein Arbeitstisch, jener mit runder Platte, dieser mit runden Ecken. Den Fokus aber bildet ein Möbel, das mit seinen Nachbarn linker wie rechter Hand Kontakt hält und jeden Nutzer auf beiden Wegen, von innen nach außen wie von außen nach innen, um einen klitzekleinen Umweg bittet. Für solchen Ort im Raum hätten andere Gestalter dieser Jahre, namentlich die Anhänger von De Stijl oder Art déco, ein wahres Prunkstück gebaut. Zweigenthal hingegen wollte keine Plastik. Er schuf ein zartes Gestell, das mal wie ein Teewagen, mal wie ein Glasregal anmutet, auf dem Boden und an den zwei schmalen Seiten mit je zwei Stäben in der Form eines X versteift. Um die beiden Tische sieht man sechs Stühle mit schräger Rückenlehne und straffen Ledergurten. Alle Möbel haften auf dem Teppich oder den Bohlen und wirken doch leicht und schlank, weil ihre Flächen wo immer möglich auf ein paar Linien reduziert wurden. Aus mancher Perspektive scheint es gar, als ob die zugleich soliden und fragilen Objekte ihre Gegenwart leugnen wollten, nur um den Wohnund Essraum nicht kleiner zu machen. Kein Wunder, dass Posener mit

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Hermann Zweigenthal, Wachsendes Haus, Grundriss Kernhaus

Lob nicht sparte. Diese Möbel – Varianten der Tische und Stühle aus den drei erwähnten Berliner Wohnungen – seien »ohne Zweifel die interessantesten der Ausstellung«. Nach Max Reinhardt und Hans Poelzig war Martin Wagner die dritte von einer Mission erfüllte Person, die den sein Metier noch studierenden Architekten prägte. Während Zweigenthal den Reinhardt und den Poelzig vermutlich verehrte, war ihm Wagners Glaube an die Einheit des Fortschritts, der Technik und der Natur wohl fremd. Denn auf die das Humane ins Kultische treibende Bestimmung der Funktion von Bad und Garten bei Wagner mochte Zweigenthal nicht eingehen. Wagners Wünschen folgend, hat jeder Raum des fertigen Bungalows eine Tür nach draußen; als ob Berlin im warmen Süden, nicht im kalten Norden läge. Auch andere Kollegen nahmen auf das Klima keine Rücksicht und planten breite Treibhäuser mit schräger Verglasung. Sie waren keine Zier – wie der hübsche kleine Wintergarten der Villa Schminke, die Hans Scharoun gerade entworfen hatte –, sollten vielmehr dem Siedler die Zucht von allerlei nahrhaftem Gemüse erlauben. Zweigenthal hingegen war Stadtmensch. Er hatte kein Interesse, »das Haus in den Garten und den Garten in das Haus zu stellen«, um es mit Wagners Worten zu sagen. Er hatte kein Interesse, der Natur zu frönen, der Manie in Sachen Freiluft und Freilicht alle Behaglichkeit, alle Gemütlichkeit der Wohnung zu opfern. Der Mixtur des Modernen und Modischen zog er, wie früher und später, 86

das Praktische vor. Weshalb ihn der Streit um das ›fortschrittliche‹ flache und das ›rückständige‹ steile Dach nicht rührte. Er gab acht, dass der Regen in die Traufe kommt. Die Stahlpfannen auf dem Dach des eigenen Wachsenden Hauses haben daher eine leichte Neigung. Wozu mehr? Experiment ohne Chance Am Abend des 7. August 1932 schlossen die Hallen der Ausstellung »Sonne, Luft und Haus für Alle« ihre Pforten. Die vielen kleinen Bauten aber blieben noch Wochen stehen und konnten weiter besucht werden. Wagners »Hoppla, wir leben und bauen doch!« wurde währenddessen auf eine Weise wahr, die niemand wollte. Die Zahl der Siedler, die mit Sack und Pack in die Laube, in die Hütte, ja in den Schuppen auf der eigenen Parzelle am Stadtrand zogen, weil Vater und Mutter ohne Arbeit waren und folglich die Miete in Kreuzberg oder Wedding nicht mehr zahlen konnten, wuchs und wuchs. Von weit mehr als hunderttausend war im »Berliner Tageblatt« die Rede. Was der Gesetzgeber für widerrechtlich hielt, wurde von der Kommune in Not geduldet. Dass auch nur eines der Wachsenden Häuser je maschinell produziert wurde, ist kaum wahrscheinlich. Die Industrie war mit anderem beschäftigt. Adolf Hitler passte die ganze Richtung nicht. Heim und Herd mussten »bodenständig« sein, einer für regional erklärten Tradition gehorchen. Die Projekte von Gropius, Mendelsohn und aller übrigen

Wachsendes Haus, Grundriss Vollhaus

von Wagner engagierten Architekten hatte die »Deutsche Bauhütte« schon vor Hitler mit Worten wie »primitiv« und »Baracke« zu diffamieren versucht. Zweigenthal hatte für die Ausführung und Vermarktung seines Entwurfs die Allgemeine Baugesellschaft Lenz & Co gewonnen. Unter den zahlreichen Anzeigen im Anhang des »Amtlichen Katalogs« der Sommerschau findet sich auch eine halbe Seite mit einer Werbung des in Berlin registrierten Unternehmens. Die Perspektive auf die Pergola des Bungalows und die Fenster seines Eltern- und seiner beiden Kinderzimmer lässt – bei aller Freundlichkeit der Erscheinung des Gebäudes –

keinen Zweifel an der Modernität von Material und Konstruktion, von Raster und Modul. Mitte der dreißiger Jahre hätte es in Deutschland wahrlich eines mutigen Bauherren bedurft, um dieser zugleich radikalen und praktikablen Architektur eine Chance zu geben.

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10  STATION IN DER SCHWEIZ, STATION IN ÖSTERREICH 1933–1935

Mitte 1932 war es fünf Jahre her, dass Hermann Zweigenthal die Technische Hochschule Berlin mit dem Diplom verlassen hatte. Trotz der Wirtschaftskrise hatte er beruflich einiges erreichen können: den Bau des Kant-Garagen-Palasts in Berlin, die Einrichtung mehrerer Wohnungen in Berlin sowie eines größeren und eines kleineren Geschäfts in Frankfurt am Main, den zweiten Preis beim Wettbewerb um das Krematorium in Graz, den Bau eines Fertighauses im Rahmen der Ausstellung »Sonne, Luft und Haus für Alle« in Berlin. Zweigenthal hatte geheiratet; seine Frau Dorothee hatte einen Sohn geboren. Auf dem Weg zum Erfolg schien getan, was getan werden musste. Im Herbst 1932 erreicht den Architekten und Szenographen eine Nachricht, die ihn mehr als nur freut: Das Preußische Staatstheater Schauspielhaus am Gendarmenmarkt gibt ihm den Auftrag zur Schaffung der Bühnenräume des »Faust. Der Tragödie Erster Teil«. Seiner Frau schreibt Zweigenthal am 14. Oktober 1932 nach Ascona, wie er sich mit Lothar Müthel – dem Spielleiter, dem Schauspieler und vor allem: dem Freund – an die Arbeit gemacht habe. Zweigenthal geht bei Müthel ein und aus; dessen Wohnung ist sein Werk. »So lebe ich bei ihm und mit ihm.« Es sei eine »schöne Arbeit, die hoffentlich ebenso schöne Früchte tragen« werde. »Herryle!«, antwortet Dorothee wenig später. »Ich bin begeistert, beglückt, entzückt von dem Faustauftrag. Du hast Müthel doch unterschätzt, daß er Dich nicht durchdrücken wird. Das ist doch mal eine Sache! Ich hab fast geweint vor Freude, als ich es las. Und außerdem kennst Du ja meine kleine eigene Eitelkeit, der es furchtbaren Spaß macht, wenn viel von Dir die Rede ist. Vielleicht bist Du doch kein Heiratsschwindler und wirst noch ein großer Mann! Hals- und Beinbruch. Grüß Mütheln sehr. Ich habe Lust, Wein zu trinken und heiter und kokett zu sein. Das wollen wir in Berlin tun. Ade D.« Wir schreiben den 2. Dezember 1932. Abends herrscht starke Spannung nicht allein auf dem Berliner Theater, sondern auch in der Berliner Gesellschaft. Die Regierung des Deutschen Reiches gleitet aus den Händen des Kabinetts Papen in die des Kabinetts Schleicher. Noch bevor der Vorhang des Schauspielhauses am Gendarmenmarkt sich 88

Heinrich Schnitzler, 1930er

hebt und im »Faust I« die ersten Worte fallen, sieht das nervöse Publikum in den Logen an der Rampe zwei Herren sitzen: hier Franz von Papen, Mitglied des Zentrums und Reichskanzler außer Dienst; dort Adolf Grimme, Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und Preußischer Kultusminister außer Dienst. Alle wissen, dass Grimme durch Papen vor wenigen Monaten in einer Art Staatsstreich aus dem Amt gedrängt wurde. Kurt Pinthus, Kritiker des »8 Uhr-Abendblatts« und an diesem Abend schon von Berufs wegen im Parkett, spürt das Zeichenhafte im Gegenüber der beiden Herren. Berlin leidet unter der extrem agonalen politischen Lage des Landes. Die jüngste Eskalation der Situation macht die Zuschauer unruhig. Man lacht an Stellen, die Entlastung erlauben. Höhnische Heiterkeit bricht aus, als Faust über seinen Schüler Wagner stöhnt: »Daß diese Fülle der Gesichte / Der trockne Schleicher stören muß!« und als der Lustige Geselle Brander in Auerbachs Keller ruft: »Dankt Gott mit jedem Morgen, / Daß ihr nicht braucht für’s Röm’sche Reich zu sorgen! / Ich halt es wenigstens für reichlichen Gewinn, / Daß ich nicht Kaiser oder Kanzler bin. / Doch muß auch uns ein Oberhaupt nicht fehlen; / Wir wollen einen Papst erwählen.«

Lilly Schnitzler, 1930er

Attacke von weit rechts Einen Papst? Einen Alleinherrscher? Wie jeden Tag hingen auch am Tag nach der Premiere Dutzende Zeitungen am Kiosk. Vorne schrieben sie vom Papen-Schleicher-Konflikt, der zum Inhalt auch den Umgang mit der Partei Hitlers hatte; hinten schrieben sie von der Inszenierung des »Faust I«. Die Theaterkritiker der Weimarer Republik waren Kämpfer. Sie wussten Künstler mal zu protegieren, mal zu malträtieren. Diesmal kannten sie kein Pardon. Vor allem nicht mit Müthel. Ließ »Der Reichsbote« seinen Autor Hanns Martin Elster von einer »Schülerarbeit«, so die »Vossische Zeitung« ihren Autor Monty Jacobs von einem »Regielehrling« und die »Kölnische Zeitung« ihren Autor Karl Heinrich Ruppel von einem »Spektakel« sprechen. Als Intendant des Schauspielhauses am Gendarmenmarkt, so Ruppel, komme Müthel nicht mehr in Frage. Allein die »Deutsche Zeitung« mochte dem Tenor der Presse nicht folgen. Das für seine patriotische, nationale Gesinnung bekannte Blatt äußerte heftigen Widerspruch, einmal durch Richard Biedrzynski, einmal durch Alfred Mühr. Biedrzynski lobte Müthels Fähigkeit zu einer Aufführung ohne »leere Stelle«, Mühr dessen reinen »Dienst am Wort«.

Beide Autoren befassten sich auch mit der Zweigenthalschen Szenographie und sprachen in dieser Sache wie aus einem Munde. Sie hielten den Raum der Studierstube für eine »Rumpelkammer«, den des Gretchenzimmers für einen »Kellerunterstand«, den des Gartens der Marthe Schwerdtlein für einen »Schreberfleck«, den der Hexenküche für ein »orientalisches Panoptikum«, den der Walpurgisnacht für ein »Maskenfest in der Hasenheide«. Biedrzynski würdigte den »Kreuzweg« und die »Passion« des Faust und rückte den Helden auf solche Weise in die Nähe Jesu Christi. Leider nur sei Werner Krauss in der Rolle des Faust an der Entfaltung der Darstellung gehindert worden. Zweigenthal habe ihn zu einem »verlegenen Gefangenen« seiner falschen Räume gemacht und so eine »ganze Aufführung gefährdet«. Der politisch sensible Leser des Jahres 1932 musste sich freilich fragen, warum Biedrzynski und Mühr ein so explizites Interesse hatten, Müthel zu belehren, Zweigenthal zu verdammen und jenem zu raten, sich von diesem zu trennen. Der Leser musste die Tendenz der »Deutschen Zeitung« kennen und einiges über die vier erwähnten Personen wissen, um zu merken, welche Botschaft hinter den genau dosierten Kritiken lauerte. Was Biedrzynski und Mühr sagen wollten, war: Der »Deutsche« Werner Krauss wird durch den »Juden« Hermann Zweigen­ thal unterdrückt; der hoffentlich künftige Intendant des führenden Theaters im Staate Preußen, der »Deutsche« Lothar Müthel, darf den »Juden« Hermann Zweigenthal nicht noch einmal unter Vertrag nehmen. Greifen wir an dieser Stelle von Herbst 1932 auf Herbst 1933 voraus. Damals kam aus der Feder Biedrzynskis und Mührs ein Buch unter dem Titel »Die Kulturwaffen des neuen Reiches. Briefe an Führer, Volk und Jugend« auf den Markt. Es war ein Pamphlet übler Sorte, verfasst von zwei noch jungen Journalisten – Biedrzynski Jahrgang 1901, Mühr Jahrgang 1903 –, die sich Mitte der zwanziger Jahre im Feuilleton der »Deutschen Zeitung« schätzen gelernt hatten und sich nun gleich im Vorwort ihres Buches als Brüder im Geiste und Kampfe, als Stürmer und Dränger des Nationalsozialismus in Stellung brachten. In allen Sparten der Kultur, so dröhnten die juvenilen Randalierer, stünden die besten »Deutschen« unter dem Einfluss von »Juden«. Der »Zaubermeister« Max Reinhardt etwa habe sich stets vor dem »nordischen Charakter« deutscher Dichter gedrückt; statt ihrer Werke seien in seinen Häusern die »Finessen eines Gesellschaftstheaters mit Kellnermiene serviert« worden. Lothar Müthel als »nationaler Sozialist« »Was wir heute in der nationalen Bewegung erreichen wollen«, notierten Biedrzynski und Mühr, »ist die Klarstellung der Parteien. Hier germanischer Geist – dort semitischer Geist. Keine Begegnung ohne offenes Visier! Keine Vertuschung, sondern Aufhellung. Wir bereiten die Erhebung des Volksgeistes vor, deshalb sind wir so mutig gestimmt.« STATION IN DER SCHWEIZ, STATION IN ÖSTERREICH 1933–1935

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Schiebt man solche Sätze aus dem Herbst 1933 in den Herbst 1932, was dem auf Erkenntnis bedachten Historiker erlaubt sein mag, so hat man die Antwort auf die Frage, warum Biedrzynski und Mühr den Müthel belehrten, den Zweigenthal verdammten und jenem rieten, sich von diesem zu trennen. Müthel war »Deutscher«; Müthel war Kandidat der Intendanz des Preußischen Staatstheaters Schauspielhaus am Gendarmenmarkt; Müthel war: »nationaler Sozialist«. Nur dass man ihn – um es mit politischen Aktivisten vom Schlage Biedrzynski und Mühr zu sagen – noch für die ›korrekte Linie‹ gewinnen, das heißt noch ein gutes Stück biegen und brechen musste. Der vom Kritiker Ludwig Sternaux »schillernd-fahrig« genannte Schauspieler hatte zwar öffentlich bekundet, es komme darauf an, die Kräfte und Ströme des Sozialismus und des Nationalismus zu einen; doch hatte er die Leser der Zeitung »MM Der Montag Morgen« zugleich wissen lassen, er selbst stehe Otto Strasser nahe. Dieser aber hatte sich von der Partei Hitlers gelöst und vertrat seit Anfang der dreißiger Jahre eine als »Nationaler Sozialismus« deklarierte Variante des Nationalsozialismus, bei welcher statt der nationalistischen die sozialistischen Elemente ins Zentrum des politischen Interesses rückten. Müthel hatte daher keine Mühe, zum Antikommunismus und Antisemitismus der vulgären Hitlerei Abstand zu wahren. Ja, er konnte sich nicht allein seines Umgangs, sondern auch seiner Eintracht mit dem Kommunis­ ten Hans Otto rühmen; beide Akteure waren Mitglieder der Personalvertretung des Schauspielhauses am Gendarmenmarkt. Wie es heißt, waren Zweigenthal und Müthel gute Freunde. Zeichen dieser Freundschaft gibt es genug. Von Zweigenthal stammten die Möbel in Müthels neuer, großer Wohnung 1929 und die Bühnenbilder zu drei Inszenierungen – »Orpheus« 1929, »Die natürliche Tochter« 1931, »Faust I« 1932 –, an denen Müthel jeweils größten Anteil gehabt hatte. Der namhafte Schauspieler war übrigens auch Pate des ersten Sohnes von Hermann und Dorothee Zweigenthal. Bei aller politischen Naivität auf Seiten Müthels, für Zweigenthal gab es keinen Grund, den Mann im Stich zu lassen. Vielleicht hätte ein Autor wie Klaus Mann auch in Müthel sogleich den Karrierismus und Opportunismus eines Hendrik Höfgen alias Gustaf Gründgens erkannt und über Müthels Wandlung nach dem 30. Januar 1933 nicht gestaunt. Zweigenthal hingegen erschrak, als sein Freund von heute auf morgen »Führertreue« schwor. Wenig später gestand Müthel dem Publizisten Ernst Wilhelm Balk: »Ich habe geweint, als ich Adolf Hitler zum ersten Male zur Jugend Deutschlands sprechen hörte. In die sieben Ecken des Reiches habe ich am selben Abend noch telegraphiert: Ihr müßt Nationalsozialisten werden, wenn ihr Deutschland retten wollt!« Wir schreiben den 20. April 1933. Abends bietet das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt die Premiere eines Kampf- und Rührstücks 90

von Hanns Johst. In den Logen: die Größen der neuen Herrscher. Auf der Bühne: Müthel in der Rolle des Leo Schlageter. Alle feiern den »Führer«. Alle singen das Horst-Wessel-Lied. Die Besucher jubeln. Der Schauspieler tritt an die Rampe. Und beugt sich. Am 1. Mai 1933 wird er Mitglied der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP). Flucht aus Berlin Schwer war es zu begreifen, dass – nach zwölf Vorgängern in dreizehn Jahren – mit Hitler nicht wieder nur ein Reichskanzler auf Abruf an die Macht gespült worden war; leicht war es zu vermuten, dass die Präsidialkabinette Brüning, Papen und Schleicher nur um eine weitere Regierung dieser Art ergänzt worden waren. Eben noch Architekt, Designer und Szenograph mit großem Erfolg, mochte Zweigenthal nicht wahrhaben, dass Berlin ihm das Leben rauben würde, sollte er dort bleiben. In Wahrheit konnte ihn jeder Nazi als »jüdisch«, als »dekadent«, als »liberal«, als »metropolitan«, als »kosmopolitisch« anzeigen und verraten. Dann und wann lagen schon Drohbriefe im Briefkasten. Am 2. Mai 1933 wurde seine Wilmersdorfer Sieben-Zimmer-Wohnung durchsucht, er selbst auf einer Wache verhört. Alarmiert von der Plötzlichkeit und Heftigkeit der Vorgänge, begann Zweigenthal mit der Auflösung der Wohnung Hohenzollerndamm 189. Der ganze Besitz wurde auf dem Dachboden des Hauses einer Freundin verstaut. Am 6. Mai 1933 kam Zweigenthals Mutter aus Wien nach Berlin und bat ihren Sohn, so rasch wie möglich zu fliehen. Einen seiner letzten Berliner Abende verbrachte Zweigenthal in der Tempelhofer Wohnung des Schauspielers Günther Hadank, der 1929 eine Rolle in »Orpheus« und 1931 eine Rolle in »Die natürliche Tochter« gespielt hatte. Jahre später würde Zweigenthal Herrn und Frau Hadank schreiben: »Ich war damals in großer Gefahr. Die Polizei hatte mir meinen Österreichischen Paß abgenommen. Ich durfte Berlin nicht verlassen und wurde von der Polizei beobachtet. Ich konnte mir nicht leisten, mehr als eine Nacht an der selben Stelle zu schlafen, und mußte mich dabei benehmen, als ob mich das alles nichts anginge. Schließlich brachte ich es fertig, meinen Paß wiederzukriegen und zu fliehen. Obgleich ich Ihnen beiden nichts über die Ursache meiner Spannung sagen konnte, um Sie nicht auch und mich selbst noch mehr in Gefahr zu bringen, konnte Ihnen wohl nicht verborgen bleiben, daß ich mich benahm wie einer, der sich in kritischer Lage befand. Aber Sie beide haben nur mit doppelter Herzlichkeit reagiert und alles getan, um mich davon zu überzeugen, daß ich bei Ihnen nicht in Gefahr war.« Als Zweigenthal am 9. Mai 1933 nachmittags durch die Eingangstür des Wohnhauses Hohenzollerndamm 189 trat, steckten ihm Nachbarn die Nachricht, am Morgen hätten ein paar Herren von der SS nach

ihm gefragt. Nun lag Gefahr im noch so kurzen Verzug. Zweigenthal floh am 10. Mai 1933. Es war der Tag, an dem auf dem Opernplatz am Boulevard Unter den Linden zahllose Studenten im Beisein von Dozenten und Rektoren vor großer Menschenmasse Bücher in hohem Bogen auf Scheiterhaufen warfen und in »Feuersprüchen« deren Autoren verdammten. Man hörte einen jungen Mann schreien: »Gegen literarischen Verrat am Soldaten des Weltkriegs, für Erziehung des Volkes im Geist der Wehrhaftigkeit! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Erich Maria Remarque.« Und man hörte einen andern jungen Mann schreien: »Gegen dünkelhafte Verhunzung der deutschen Sprache, für Pflege des kostbarsten Gutes unseres Volkes! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Alfred Kerr.« Unter den Schweigsamen der Zuschauer am Opernplatz stand auch Friedrich Luft, den Zweigenthal im Berlin der mittleren fünfziger Jahre kennen- und schätzen lernen würde. Wegen des starken Regens wollte das Fanal nicht recht zum Fanal werden; die Feuerwehr musste brandfördernd nachhelfen. In Ascona Das erste Drittel des Jahres 1933 hatte die Zweigenthals hart getroffen. Im Januar war Hermann Zweigenthals Vater, im April Dorothee Zweigenthals Mutter gestorben. Freundschaften zerbrachen, wenn auch nicht aus denselben Gründen. Da war Lothar Müthel, der Zweigenthal verriet. Da war Egon Eiermann, der für Jahre kein Wort von sich hören lassen würde. Da war Richard Paulick, der im Mai erst nach Venedig, dann mit dem Schiff »Conte Rosso« nach Schanghai floh, wo Rudolf Hamburger ihm zu Hilfe kommen würde. Die Zweigenthals zogen in jenen Tagen an einen Ort, den sie gut kannten. Sie zogen nach Ascona, das am Ufer des Lago Maggiore im Tessin liegt. Hier war die Atmosphäre schon mediterran, ließ die Sonne Reben, ja Palmen wachsen. Hier hatte Hermann Zweigenthal schon Mitte 1932 mit dem Romancier Remarque über den Umbau von dessen Villa Monte Tabor in Porto Ronco verhandelt. Hier hatte Dorothee Zweigenthal schon den Sommer und Herbst 1932 mit ihrem kaum ein halbes Jahr alten Sohn verbracht. Der Name Ascona war damals in vieler Leute Munde. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts hatte eine Gruppe von Menschen, die wir heute ›Aussteiger der Gesellschaft‹ nennen würden, in nächster Nähe des Fischerortes eine kleinere Kolonie gegründet. In der Siedlung auf dem Monte Verità hatten Naturisten neben Pazifisten, Okkultisten neben Anarchisten gelebt, die – statt auf die Aktivität der politischen Klasse zu warten – auf eine »Lebensreform« im Hier und Jetzt des grauen Alltags gedrängt hatten. Ein paar Jahre nach dem Scheitern des sozialen und kulturellen Experiments der frühen ›Alternativen‹ war der Berg der Wahrheit 1926 von Eduard von der Heydt gekauft worden. Der Bankier Kaiser Wilhelms II. hatte dann auf dem grünen

Hügel nach dem Entwurf des Architekten Emil Fahrenkamp ein strahlend weißes Hotel mit Blick auf den See bauen lassen, das 1928 fertiggestellt worden war. Mit den ersten Gästen des Hotels war Ascona zum Treffpunkt der Reichen und Schönen und Gernegroßen mutiert. Unter die nicht mal zweitausend Einwohner mischten sich nun die Haute volée und die Jeunesse dorée, um es mit Worten jener Jahre zu sagen. Es gab Tage, wo sich in den Gassen des Borgo die Limousinen und Cabriolets der feineren Gesellschaft stauten. Diese mondäne Idylle war im Berlin der späten zwanziger und frühen dreißiger Jahre ein Ort der Sehnsucht. Magazine wie »Die Dame« und »Der Querschnitt« mochten das Thema, gaben ihm eine mal journalistische, mal essayistische Form; manchmal ging es auch nur um Klatsch und Tratsch. In »Westermanns Monatsheften« nannte der seit langem in Ascona lebende Diplomat und Publizist Werner von der Schulenburg das Dorf gar einen »Vorort von Berlin«. Freunde des Romanischen Cafés hätten hier die Wahl zwischen dem Café Jolanda, dem Café Verbano und dem Restaurant Taverna mit seinem Fest- und Ballsaal und seiner Bar. 1933 bot der Kanton Tessin manchem deutschen Künstler eine kurze oder lange Bleibe. Unter den Flüchtlingen in Ascona fanden sich die Schauspielerin Tilla Durieux und die Schriftstellerin Victoria Wolf. Man traf sich auf der Via Borgo – an der das Jolanda, das Verbano und die Taverna lagen –, tauschte die neuesten schrecklichen Nachrichten aus und konnte dennoch eine Weile so tun, als ob das Exil ein Urlaub sei. Zweigenthals Interesse galt den wenigen Beispielen neuer Asconeser Architektur, für die nicht allein Emil Fahrenkamp, sondern auch Carl Weidemeyer stand. Der aus Bremen stammende Architekt und Graphiker, der erst durch den Besuch der Siedlung auf dem Stuttgarter Weißenhof aus dem Jugend- und Heimatstil zur Moderne gefunden hatte, hatte für die Tänzerin Charlotte Bara 1928 das kleine Teatro San Materno bauen können. Im selben Jahr war die Villa Fontanelle / Casa Hahn, zwei Jahre später die Villa Rocca Vispa / Casa Mez entstanden. Zweigenthal muss beide Bauten sehr geschätzt haben. Denn in seiner Eigenschaft als Korrespondent der Zeitschrift »L’Architecture d’Aujourd’hui« – die Tätigkeit gründete auf der Bekanntschaft mit dem Redakteur Julius Posener und dauerte von Heft 10/1933 bis Heft 8/1935 – schickte er seinem Auftraggeber einen kurzen Beitrag, bei welchem er in Betracht der beiden Villen fast schwärmte. Zweigenthal würdigte, wie schön die Casa Hahn und die Casa Mez in den »großen Garten« der Landschaft sich fügen. Im Vordergrund gleich der See, im Hintergrund gleich der Berg: Die Wasserseite der Casa Hahn ziere dank ihrer langen Treppe von unten links nach oben rechts eine wie improvisierte Diagonale. Eine ähnlich elegante Architektur hatte Zweigenthal wohl vor Augen gestanden, als er Mitte 1932 begann, den Umbau der Villa Monte Tabor zu planen. Damals auf der Höhe seines Ruhmes, hatte STATION IN DER SCHWEIZ, STATION IN ÖSTERREICH 1933–1935

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Hermann Zweigenthal, Wohnung Arthur Schnitzler, Eingang, 1935 92

Remarque die Casa etwa ein Jahr zuvor gekauft. Das Haus steht in Porto Ronco und liegt dicht am Ufer des Lago Maggiore. Es hat einen hohen, breiten Sockel, darüber eine Terrasse mit zwei Geschossen, dahinter ein kantiges Gebäude, das Ganze tief in das Grün von Bäumen und Sträuchern und Efeu getaucht. In Betracht des kubischen Charakters der Villa lässt sich vorstellen, dass Zweigenthal das Äußere der Casa vom Blattwerk befreit und schneeweiß verputzt hätte, um die Architektur des Hauses von hinten nach vorne zu rücken. Aber seine Pläne, die wohl mehr das vertrackte Innere der Villa betroffen hätten, blieben Papier. Die Schweiz gab ihm keine Erlaubnis zum Arbeiten. Mitte 1934 musste der Emigrant begreifen, dass er – trotz aller Mühe – in Ascona keine Wurzeln würde schlagen können. Im Auftrag eines Freundes Als Wiener von Geburt und mit einem Reisepass der Republik Österreich in der Hand konnte sich Zweigenthal ohne Schwierigkeit in der Stadt seiner Kindheit und Jugend niederlassen; er bedurfte dort auch keiner Erlaubnis zum Arbeiten. Vermutlich zog er mit Frau und Kind zu seiner Mutter, die seit dem Tod ihres Gatten allein in der großen Wohnung im Haus Sterngasse 11 im Bezirk Innere Stadt lebte. Was für ein Glück, dass Zweigenthal in dieser wirtschaftlich gespannten Lage von seinem damals vielleicht besten Freund einen wirklich schönen Auftrag bekam. Dieser Freund hieß: Heinrich Schnitzler. Geboren 1902 in Wien, war er ab 1910 mit seiner Schwester Lili Schnitzler im Hause seiner Eltern – des Dramatikers und Novellisten Arthur Schnitzler und der Schauspielerin Olga Schnitzler – in der Sternwartestraße 71 im Bezirk Währing groß geworden. Schon in Kindertagen mit dem Theater der K.K. Haupt- und Residenzstadt vertraut gemacht, war der junge Mann bald nach der Matura Schauspieler geworden, hatte für die Spielzeit 1923/24 ein Engagement am Raimund-Theater Wien, für die Spielzeit 1924/25 ein Engagement an den Preußischen Staatstheatern Berlin bekommen. Diese rühmliche Verpflichtung war Jahr für Jahr verlängert worden; ab der Spielzeit 1926/27 hatte das Fach laut Vertrag »Jugendlicher Liebhaber« geheißen. Um diese Zeit muss Schnitzler den eben diplomierten Architekten Zweigenthal kennen- und schätzen gelernt haben; die Wiener Herkunft, das etwa gleiche Alter und das Milieu der Berliner Theater wird diesen mit jenem, jenen mit diesem verbunden haben. Zwar war Schnitzlers Engagement bei den Preußischen Staatstheatern aufgrund der katastrophalen ökonomischen Situation der Häuser im August 1932 gelöst worden, doch hatte er eine neue Stelle als Schauspieler, Regisseur und Dramaturg am Deutschen Volkstheater Wien schon im September 1932 antreten können. 1934 schließlich hatte Schnitzler die neun Jahre jüngere Violinistin Lilly Helene von Strakosch-Feldringen geheiratet, die aus der Familie eines renommierten Fabrikanten und Ökonomen stammte.

Das oben erwähnte, für Jahre von den Eltern Arthur und Olga sowie den Kindern Heinrich und Lili Schnitzler gemeinsam bewohnte Gebäude Sternwartestraße 71 ist Teil einer größeren Kolonie westlich der unter dem Namen »Gürtel« bekannten, äußeren Ringstraße. Die bei alten Wienern gern »Koteesch« genannten Cottages der schmucken Siedlung waren ab Mitte der siebziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts eines nach dem andern errichtet worden. Außen einer strengen Gestaltsatzung folgend, hatte das typische Koteesch Tiefparterre, Hochparterre, Obergeschoss, Dachgeschoss, einen Garten vorne und einen Garten hinten. An den mit Licht und Luft gut versorgten Etagen hatten die Bewohner – erst die Familien von Professoren, Offizieren, Inspekteuren, dann die Künstler aus dem Umkreis des Burgtheaters und der Hofoper, dann die Literaten und Journalisten – rasch Gefallen gefunden. Nach dem Tod Arthur Schnitzlers 1931 mag dessen Villa eine Weile wie verwaist gewirkt haben. Doch dank Heinrich Schnitzlers Rückkehr aus Berlin 1932 und dank seiner Heirat mit Lilly Helene von Strakosch-Feldringen 1934 kam wieder Leben in das Cottage: Das junge Paar zog in das Obergeschoss der Villa. Zweigenthal besorgte das Umbauen und Einrichten der neuen Heimstatt. Vor der Wohnung Schnitzler Das Hochparterre blieb, wie es lag und stand; Schnitzler wollte an die Stätten seines Vaters wohl nicht rühren. Dem Bereich vor diesen Räumen aber widerfuhr die Eigenart der Gestaltung Zweigenthals. Die Wände und die Decke sind glatt gespachtelt und weiß beschichtet. Unten teilt sich die Stirnwand in sieben Stücke: ganz links und ganz rechts die Rippen der Heizung, darüber tragende Chromrohre und eine gläserne Ablage für Hüte, Halstücher, Handschuhe und Ähnliches, daneben eine grau und matt lackierte stählerne Stehleuchte, deren Licht nach oben weist, und eine Tür, deren Rahmen eine Fläche aus klarem Glas und weißem Tüll hält; in der Mitte von links nach rechts ein schmaler Spiegel, eine runde Nische und ein Streifen aus schwarzem Leder, jene wie dieser durch die Folge von Haken auf gleicher Höhe als Garderobe kenntlich gemacht. Aufgrund der beiden Leuchten und der beiden Türen wirkt die Stirnwand symmetrisch strukturiert. Die Leuchten zu ihrer Linken wie Rechten wirken wie Säulen; für Max Eisler – der im Wien der zehner bis dreißiger Jahre zu den namhaften Autoren in Sachen Kunst-, Bau- und Stadtgeschichte gehörte und Haus Schnitzler in Heft 8/1935 der Zeitschrift »Innen-Dekoration« besprach – wirkten sie gar wie »Fa­ckeln«. Auf jeden Fall geben sie dem Eingang etwas von Herrschaft und Feier und dienen, ohne dies laut sagen zu müssen, auch der Ehrung des Dichters, während der Spiegel den Aufgang spiegelt und auf diese Weise eine Treppe in einer feudalen Residenz suggeriert. STATION IN DER SCHWEIZ, STATION IN ÖSTERREICH 1933–1935

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Im Kontrast zur Repräsentation, ja Monumentalität des Eingangs zur Wohnung Arthur Schnitzlers war der Eingang zur Wohnung seines Sohnes und seiner Schwiegertochter dermaßen bescheiden gestaltet, dass der Besucher meinen konnte, an diesem Ort wolle sich jemand verstecken, wolle lieber verschwunden als vorhanden sein. Zwei der drei hellen Wände sind hier keine Wände im eigentlichen Sinne, sondern Schränke, die vom Boden zur Decke reichen. Deren Oberflächen sind mit Leinen bespannt, sodass sie ein wenig an die Raumteiler der Teehäuser Japans erinnern. Die Türen zu den Räumen der Wohnung – eine links, zwei in der Mitte – fallen kaum auf. Allerdings wird der Besucher erfahren: So verschwiegen das Treppenhaus im Hochparterre und Obergeschoss auch ist, seine stoffliche wie farbliche Erscheinung stimmt ihn mit allem und jedem auf die Architektur des Interieurs von Heinrich und Lilly Schnitzler ein. Die Werkstoffe Stahl, Chrom, Glas, Esche, Leder, Leinen und die Werkfarben Weiß, Grau und Schwarz wird der Besucher in den Räumen der jungen Schnitzlers wiederfinden. Allein der Mooreiche – diesem jahrhundertealten, harten, in den Farben mal von Grau nach Schwarz, mal von Grau nach Blau, mal von Gelb nach Braun changierenden, exklusiven Material – wird er nur begegnen, wenn er eine der drei Türen öffnet, die ihn sei es in das Herren-, sei es in das Damen-, sei es in das Schlafzimmer führen.

Hermann Zweigenthal, Wohnung Heinrich und Lilly Schnitzler, Grundriss dreier Räume, oben nördliche Straßenseite, unten südliche Gartenseite, Zeichnung anhand der Fotos, 1935

In der Wohnung Schnitzler Schwarzweiße Aufnahmen der Wohnung und des Hauses sowie der kurze Beitrag von Eisler nähren die Vermutung, dass Zweigenthal eine Folge von drei Räumen auf dem Grundriss eines großen L schuf. Das Herrenzimmer liegt zum Garten; das Damenzimmer liegt zur Straße. Beide bilden eine Achse; beide scheinen dieselbe Größe zu haben. Kleiner ist nur das Schlafzimmer neben dem Damenzimmer. In allen Räumen ist der Boden aus Travertin, sind die Wände gespachtelt und beschichtet, ist je eine Wand keine Wand, sondern eine Tür, die sich zur Seite schieben lässt und die Wohnung zu einer Einheit von zwei oder drei Teilen macht. Dass im Herrenzimmer zwei Sessel Riemen aus Leder haben; dass im Damenzimmer kein Objekt höher als der Körper einer Dame ist und folglich niemand sich recken muss; dass – um das Thema zu schließen – das Mobiliar der Wohnung Schnitzler dem der Wohnung Müthel manches Detail verdankt: Daran wird Zweigenthals Fähigkeit deutlich, frühere Entwürfe zu entwickeln, statt um jeden Preis etwa Neues zu wagen. An den langen Wänden des Herrenzimmers stehen Bücherborde. Sie reichen vom Boden zur Decke; Stützen aus Stahl tragen die Bretter. Das Regal an der Außenwand des Gebäudes ruht auf einem Sockel mit Fächern, Türen und Bezug aus Leder. Der Schreibtisch und der Stuhl vor dem Schreibtisch greifen ältere Entwürfe für das Studio Müthels auf und bieten deren luxuriöse Variation. 94

An den langen Wänden des Damenzimmers spielt sich mehr ab. Auf der einen Seite ragt ein Kamin mit flachem, rundem Schornstein in den Raum; auf der andern Seite dient ein etwa sechs Meter breiter, schulterhoher Wandschrank differenten Funktionen. Ihn bloß einen Gegenstand der Einrichtung zu nennen, würde seiner Qualität nicht gerecht, handelt es sich doch um ein Meisterwerk der Möbelkunst, bei dem das Entwerfen und Ausführen Hand in Hand gingen. Steht der Schrank geschlossen, so zeigt er: vier Schiebetüren von mal hellerer, mal dunklerer Mooreiche. Steht der Schrank geöffnet, so zeigt er: von links nach rechts einen Wäscheschrank, einen Schminktisch, einen Schreibtisch, einen Kleider-, Schuh- und Hutschrank. Zwar bilden die glatten Flächen zum Schminken und zum Schreiben, die sanften Innenleuchten und der Spiegel – für den Blick auf das ›Portrait‹ mit dem Titel ›Dame vor Kamin‹ – die zentralen Partien des gestreckten Gebildes; doch birgt das gute Stück eine wahre Fülle von Teilen, die sich schieben, und Teilen, die sich drehen lassen. Wer weiß wie viele Käs­ ten und Fächer helfen der Dame, ihre Siebensachen zu ordnen. »Ich kann mir denken«, schrieb die auch für Funk und Film tätige Berliner Autorin Trude Herrmann über den Wandschrank Lilly Schnitzlers, »daß eine Frau, wenn sie eine richtige Frau ist, über seiner Betrachtung Zeit und Ort vergißt. Daß sie sich ganz einfach in ihn verliebt

Schlafzimmer

Damenzimmer, hinten Wandschrank



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Hermann Zweigenthal, Wohnung Heinrich und Lilly Schnitzler, Wandschrank, im Spiegel Kamin und Leuchte

und verliert, und daß sie, entrückt und entzückt und bis über die Ohren von dem Wunsche besessen, ihn zu besitzen, immer und immer wieder neue Eigenschaften und Eigenheiten in ihm entdeckt, die ihre restlose Zuneigung erwerben.« Was Trude Herrmann mit Bezug auf die Relation von Möbel und Nutzer imaginiert – nennen wir es: kultivierte Intimität –, das ist es auch, was man in Betracht der Bilder des Erkers im Herrenzimmer und des Kamins im Damenzimmer der Wohnung Schnitzler noch heute zu spüren glaubt. Beide Zonen dienen der Geselligkeit, ja Gemütlichkeit; der Erker wohl eher nach dem Mittagessen, der Kamin wohl eher nach dem Abendessen. Beide Zonen werden durch einen Teppich aus Ziegenfell vom Boden aus Travertin gelöst. Beide Zonen haben je fünf Plätze zum Sitzen um einen Tisch, der nicht da noch hier groß in Erscheinung treten will. Im Erker stehen: zwei leichte Sessel aus Eiche, mit Riemen aus schwarzem Leder; ein schweres Sofa und ein schwerer Sessel, mit Polster und Bezug aus grauem Tweed. Am Kamin stehen: zwei leichte Sessel und ein leichtes Sofa, mit Rahmen aus Esche, mit Polster und Bezug aus bedruckter Kretonne, mit Rücken aus Leder; ein schwerer Sessel, mit Polster und Bezug aus grauem Tweed. 96

Zweigenthals Gestaltung der Möbel im Erker und am Kamin folgte dem Prinzip Garnitur, das bei der deutschen Avantgarde in Verruf stand. Doch was die Anhänger Le Corbusiers und Ludwig Mies van der Rohes zur Kritik reizte, das Plumpe und Steife solcher Ensembles, wusste Zweigenthal einerseits durch Variation und Kombination, anderseits durch enorme Eleganz zu vermeiden. Das Wechseln im Gleichen – bei dem mal zwei, mal drei Möbel Eigenschaften sei es des Materials, sei es der Konstruktion teilen – setzt sich noch bei der künstlichen Beleuchtung fort. Im Erker hängt die Lampe; am Kamin steht die Lampe. Ihr Schaft wächst schräg aus dem Fuß in die Höhe. Sein Kupfer hat eine bläuliche Patina, die an den Rundstützen, der Spaltzange und dem Schürhaken der Feuerstelle ihre Wiederholung findet. Vom Biedermeier zum Neuen Wiener Wohnen Im Wien der späten zwanziger und frühen dreißiger Jahre lebten zahlreiche Gestalter, die sich mit dem Entwerfen von Wohn-, Ess- und Schlafzimmern, von Küchen und Bädern befassten. Zum einen war die Aktivität des Designers von der Profession des Architekten noch nicht so getrennt wie heute; zum andern war im Lauf der Zeit die Zahl größerer Aufträge gesunken. Viele dieser Gestalter gehören in das Zentrum

Kamin mit Sesseln, Sofa, Leuchte



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Hermann Zweigenthal, Wohnung Heinrich und Lilly Schnitzler, Herrenzimmer mit Erker zum Garten

dessen, was mit einem Begriff wie »konservative Moderne« oder »moderner Konservatismus« nicht gefasst und darum »Zweite Wiener Moderne« oder »Neues Wiener Wohnen« genannt wird. Die renommiertes­ ten Repräsentanten dieser Strömung waren sicher Oskar Strnad und Josef Frank. Indes gab es unter denen, die keinen Wert darauf legten, »traditionell« oder »avantgardistisch« zu tun, die aber großen Wert darauf legten, das Innere von Wohnungen behaglich zu machen, auch eine Reihe anderer, weniger bekannter Entwerfer: Felix Augenfeld, Josef Berger, Max Fellerer, Hugo Gorge, Jacques Groag, Karl Hofmann, Ernst Lichtblau, Otto Niedermoser, Ernst Anton Plischke, Ernst Schwadron, Walter Sobotka, Oskar Wlach, Martin Ziegler, Liane Zimbler. Arbeiten genau dieser Gestalter bot der an der Akademie der Bildenden Künste Wien lehrende Architekt Erich Boltenstern in einem Buch, das unter dem Titel »Wiener Möbel« 1934 auf den Markt kam. Das Vorwort unter dem Titel »Das Wiener Möbel gestern und heute« hatte Max Eisler verfasst. Er lobte das Biedermeier ob seiner »schlichten« und »glatten«, durch »knappe Schweifungen und Rundungen« geprägten Tische und Stühle, Schränke und Betten. Erst die innige Verbindung des Entwerfers mit dem Hersteller habe diese schönen Stücke möglich gemacht. Gestern wie heute sei eben Verlass auf die Köpfe und Hände der Wiener Tischler. Das wüssten auch die in dem Buch vereinten Gestalter, deren Möbel ihren Rückgriff auf das Biedermeier gar nicht leugnen würden. Wenig später würde Eisler das »Gedankliche« und »Anmutige« – will sagen: das Konzeptionelle und Emotionale – der Wohnung Schnitzler rühmen und sie durch solche Worte in die Nähe des Neuen Wiener Wohnens rücken, wiewohl dessen führende Vertreter alle in den achtziger oder neunziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts 98

geboren worden waren, nur Niedermoser und Plischke etwa dasselbe Alter wie Zweigenthal hatten. Was die Räume der beide künstlerisch tätigen Heinrich und Lilly Schnitzler betrifft, so würden andere Autoren eine andere Qualität betonen. Mit Bezug auf ein Foto der Bettstatt und des Wandschranks im Damenzimmer würde Theodor Lautner von einem »Abseits« sprechen, das vor dem »Zufälligen« und »Bedrängenden« der Welt schütze. Und mit Bezug auf ein Foto der Zone vor dem Kamin im Damenzimmer würde Augenfeld von »Frieden« und »Stille« als dem »sehnsuchtsvollen Ziel« aller räumlichen Gestaltung sprechen. Schon ein paar Jahre zuvor hatte Frank notiert, die Menschen hätten den »Wunsch, eine Stelle in der Welt zu wissen«, wo man »von der Weltherrschaft ausruhen« könne. Diese »ersehnte ruhige Stelle« sei das Wohnhaus. Was Eisler, Lautner und Augenfeld an der Wohnung Schnitzler so rührte, hatte wohl mit der Rede vom »Trauten Heim, Glück allein« zu tun. Doch der Rückzug liberaler bürgerlicher Kreise aus dem Publiken in das Private war auch Resultat der politischen Katastrophen, die Österreich 1938 vollends um seine Freiheit bringen würden. Zweigenthal hält sich von März 1934 bis März 1935 in Wien auf. Während dieses einen Jahres wird er Zeuge bedrohlicher Entwicklungen: Am 1. Mai 1934 tritt eine neue Verfassung in Kraft, die Österreich als einen Bundesstaat auf christlicher ständischer Grundlage definiert. Am 25. Juli 1934 versuchen Anhänger Hitlers einen Putsch; der Austrofaschist und Bundeskanzler Engelbert Dollfuß kommt dabei ums Leben. Ab Ende 1934 werden auf Druck der einflussreichen »Vaterländischen Front« die Werke Arthur Schnitzlers aus den Filialen der kommunalen Bibliothek entfernt.

11  ARCHITEKTEN UND ARCHITEKTUR IN LONDON 1935–1939

»So schlechter Stimmung ist er nicht immer. Er hat, wie Sie so richtig vermuten, neue Pläne. Einer wird schon mal werden. So leicht geben wir den Kampf nicht auf.« Diese knappen Sätze schreibt Dorothee Zweigenthal im Anhang eines Briefes, den ihr Mann am 10. März 1935 an Fritz Jaenecke richtet, der wie Hermann Zweigenthal nicht allein das Poelzigsche Seminar, sondern auch die Treffen der Gruppe Junger Architekten (GJA) besucht hat. Im selben Monat erhält Wally von Strakosch-Feldringen – die ihrer Tochter Lilly und ihrem Schwiegersohn Heinrich den Um- und Neubau der Wohnung im Hause Arthur Schnitzlers zur Hochzeit geschenkt hat – von Zweigenthal ein schönes Präsent: eine Mappe aus Pappe und Leinen und Bütten, darin auf zehn beigen Kartons zehn Fotos der neuen Wohnung, von denen manches im August 1935 in der Zeitschrift »Innen-Dekoration« gedruckt werden wird. Doch da leben die Zweigenthals schon nicht mehr in Wien. Dass sie Österreich verlassen, hat mit der katastrophalen ökonomischen Situation, mit dem Austrofaschismus und mit der durch die Berliner Erfahrung geschärften Wahrnehmung der gefährlichen Lage des Landes zu tun. Via Basel und Paris treffen die Zweigenthals am 11. Mai 1935 in London ein.

Tom Eckersley und Eric Lombers, Einband »The Modern House in England«, 1937

Leben in der Fremde: Die persönliche Lage Nach ihrer Ankunft stand die junge Familie nicht allein. Denn schon seit Mitte 1933 lebte Käthe Liepmann, eine der beiden Schwestern Dorothee Zweigenthals, in der Kapitale Britanniens. Käthe Liepmann war es wohl auch, die ihrer Schwester und ihrem Schwager bei den ersten Schritten des neuen Lebens in der Fremde half. Zöge man allein die vier Londoner Adressen der Zweigenthals in Betracht, müsste man glauben, dass der Immigration die Integration binnen kaum drei Jahren gefolgt sei. Die erste Wohnung lag im Haus 17a, Stanley Gardens, Willesden Green, London NW2; die zweite Wohnung lag im Haus 49, Compayne Gardens, South Hampstead, London NW6; die dritte Wohnung lag im Haus 58, West End Lane, South Hampstead, London NW6. Am 21. März 1938 aber zogen die Zweigenthals noch einmal um, diesmal in die linke Hälfte des Doppelhauses 20, Carlton

Hill, St. John’s Wood, London NW8. Erbaut in einem Vorort, den der Architekturhistoriker John Summerson zu ebenjener Zeit »London’s most humane suburb« nannte, ist die Bausprache des Wohnhauses – kubischer Charakter, Ziegel zwischen Gelb und Braun und Schwarz, matte, beige Gewände von Türen und Fenstern – leicht als Late Georgian oder Early Victorian, das Gebäude leicht als ein Werk der Jahre nach 1850 zu erkennen. Was das Befinden der Zweigenthals betrifft, so zeugte das Pachten eines so herrlichen Wohnhauses mit Keller-, Erd-, Ober- und Dachgeschoss einerseits, mit zwei Wohn- und Empfangsräumen, sechs Schlafzimmern, zwei Bädern und Räumen für das Personal anderseits von der Hoffnung auf eine neue Heimat, wo sich – mit der noch in Ascona lagernden häuslichen Einrichtung – vielleicht sogar auf großem Fuße würde leben lassen. ARCHITEKTEN UND ARCHITEKTUR IN LONDON 1935–1939

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NW2, NW6, NW8: Der Londoner Nordwesten war unter den bürgerlichen Immigranten aus Deutschland und Österreich besonders beliebt. Die meisten von ihnen zog es nach Hampstead, das mit den steilen Straßen um die alte Heide in den dreißiger Jahren Wohnort mancher Künstler war. Wenn die Exilanten dort keine Bleibe auf Dauer fanden, suchten sie eine Wohnung im nördlicher liegenden Golders Green oder im südlicher liegenden St. John’s Wood. Die Gegenwart der Flüchtlinge war selbst in einer Weltstadt wie London zu spüren. Am Swiss Cottage als dem Scharnier zwischen Hampstead und St. John’s Wood war die deutsche Sprache nicht selten zu hören. Im Restaurant Cosmo wurden Schnitzel, Gulasch und Bratwurst serviert. Es heißt gar, die Schaffner der leuchtend roten Omnibusse von London Transport hätten die Haltestelle Swiss Cottage dann und wann auch »Schweizer Hütte« genannt. Die urbane Idylle von Hampstead ist dem kulturell und historisch versierten Touristen ein Vergnügen. Angesichts der heutigen Verbindung, ja Verflechtung des westlichen Europas fällt es nicht leicht, die Wahrnehmung der Flüchtlinge der dreißiger Jahre zu verstehen. Allein, diese Deutschen und Österreicher kamen in ein Land, dem das »Empire« näher als der »Continent«, Indien näher als Belgien lag. Die gern kolportierte Wettermeldung »Fog in Channel. Continent cut off« brachte das Inselhafte des Inselreichs zum Ausdruck. Der in London lebende Exilant Fred Uhlman – Anwalt, Dichter, Maler aus Stuttgart – staunte über »tiefe Kluften« und »eiserne Vorhänge« zwischen den Schichten des Volkes. Der ebenfalls in London lebende Exilant Elias Canetti – Romancier und Essayist aus Wien – klagte über die »Distanz« der Menschen. »Sie kommen einem nicht nah. Sie wollen, sie dürfen einem nicht nahe kommen. Zu ihrem Schutz hüllt sich die Person in Eis.« Über die für die Vertriebenen und Geflohenen besonders wichtigen »Parties«, die ja die Chance zu Kontakt mit persönlichen und beruflichen Folgen boten, schrieb Canetti, man sei dort »von scheinbarem Wohlwollen umgeben«, während es in Wahrheit »verpönt« sei, »zu lange mit einem Menschen zu sprechen. Man war da um rascher Berührungen und um rascher Abwendungen willen.« Von der teils bitteren Erfahrung Uhlmans und Canettis sind die schriftlichen und mündlichen Zeugnisse Zweigenthals frei. Kein Wunder, er hielt sich für eine anglophile Person und hatte mit der famosen englischen Ironie – unter der mancher Flüchtling nur litt – kein Problem. In einem Brief an Jaenecke vom 26. Dezember 1935 würdigt Zweigenthal die »verbindlichen Lebensformen« seiner englischen Bekannten, bei denen seine eigene, noch aus der Wiener Kindheit und Jugend stammende Höflichkeit hohen »Kredit« habe. Im selben Brief erläutert Zweigenthal allerdings auch einen inneren Widerspruch: einerseits, dass sein Leben »unterbrochen« worden und er nicht fähig sei, in derselben Weise wie früher zu handeln, also »Tag für Tag vorwärts 100

zu schreiten«; anderseits, dass sein von »Leidenschaft« und »Ungeduld« geprägtes Gebaren in der neuen Umgebung ohne Widerhall bleibe. »Das Zeitmaß«, heißt es dann über den Alltag in der Metropole an der Themse, »ist hier so anders, wie die Menschen aus einer andern Welt scheinen. Ich bleibe oft stumm vor Staunen.« In ohnehin schwieriger Lage traf Zweigenthal der plötzliche Tod seiner Frau wie ein Schock. Nach drei Tagen heftiger Diphtherie war Dorothee Zweigenthal am 13. Juli 1936 gestorben. In einem Jahre später verfassten Lebenslauf würde Zweigenthal diesen Schlag mit dem »sorgenvollen Wanderleben«, das von Berlin nach Ascona nach Wien nach London geführt hatte, und mit dem Fremden der Fremde zu erklären versuchen. Von heute auf morgen ganz auf sich selbst gestellt, brachte er seinen Sohn im Herbst 1936 nach Athen. Dort wuchs das kaum fünf Jahre alte Kind bei der besten Freundin seiner Mutter auf. Ihr Name: Erna Vohsen, geboren 1904 als Tochter des lange in Afrika tätigen Konsuls und späteren Verlegers geographischer wie kartographischer Werke Ernst Vohsen (1853–1919) sowie der Marie Josephine Victoria Vohsen, geborene Herzfeld (1865–1930). Erna Vohsen hatte Physik studiert und war 1928 an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin mit einer Arbeit unter dem Titel »Röntgenuntersuchungen an Metallen« promoviert worden. Von 1932 bis 1934 war sie Lehrerin für Mathematik, Physik und Chemie an der Deutschen Schule Athen gewesen. Am 26. September 1937 feierten Hermann Zweigenthal und Erna Vohsen in London Hochzeit. Leben in der Fremde: Die berufliche Lage Ende der dreißiger Jahre lebten in London etwa hundert Architekten, die Deutschland oder Österreich aufgrund ihrer sozialen Provenienz wie aufgrund ihrer kulturellen Ambition hatten verlassen müssen. Allein aus Berlin waren nach 1933 einerseits die Älteren Ernst Ludwig Freud (geb. 1892), Alfred Gellhorn (geb. 1885), Walter Gropius (geb. 1883), Erwin Anton Gutkind (geb. 1886), Friedrich H. Herrmann (geb. 1898), Hans Sigmund Jaretzki (geb. 1890), Arthur Korn (geb. 1891), Erich Mendelsohn (geb. 1887) und Friedrich Abraham Ruhemann (geb. 1891), anderseits die Jüngeren Marcel Breuer (geb. 1902), Peter Caspari (geb. 1908), Carl Ludwig Philipp Franck (geb. 1904), Rudolf Fränkel (geb. 1901), Wilhelm Viggo von Moltke (geb. 1911) und Hans Werner Rosenthal (geb. 1907) in die britische Kapitale gekommen. Von den genannten Jüngeren hatte mancher an der Technischen Hochschule Berlin sei es bei Hans Poelzig, sei es bei Heinrich Tessenow studiert. Alle trafen in London auf eine Szene, die von der des Berlin der frühen dreißiger Jahre denkbar verschieden war. Der Wechsel von der Spree an die Themse bedurfte nicht allein persönlich, sondern auch beruflich einer Um- und Eingewöhnung sondergleichen. Die fachlichen Ausdrücke,

das Material, die Konstruktion, der Vorgang vom Entwurf zum Bauwerk: Alles war anders. Zu schweigen vom Vokabular der Architektur als von dem, was mit »Stil« gemeint war. Lässt man die älteren, ländlichen Arts and Crafts einerseits, den jüngeren, städtischen Art déco anderseits außer Acht, so war die Architektur im England und Schottland der dreißiger Jahre weitestgehend vom »stripped classicism«, das heißt von zugleich palladianischen wie georgianischen Traditionen bestimmt. Das Werk von Architekten wie Sir Reginald Blomfield, Sir Herbert Baker und Sir Edwin Lutyens, die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts geboren worden waren, stand in hoher Achtung. Blomfield hatte erst 1928 den Um- und Neubau des Quadrant an der Regent Street vollendet; Baker würde erst 1939 den Um- und Neubau der Bank of England an der Threadneedle Street vollenden. Beides waren seinerzeit öffentlich geschätzte, dort kommerzielle, hier imperiale Architekturen des Historismus im Herzen von London. In Bezug auf Tendenzen der Moderne hingegen waren die meis­ ten Architekten Ignoranten. Die Royal Academy of Arts (RA) wie das Royal Institute of British Architects (RIBA) wollten dem Modernismus nicht recht trauen; viele Mitglieder der RA und des RIBA hielten ihn für »kontinental«, für »bolschewistisch«, ja für »epidemisch«. Um die immigrierten Architekten zu integrieren, wurden sie gedrängt, eine Partnerschaft mit einem britischen Kollegen zu suchen. Aus einem solchen Prozess gingen die Büros von Walter Gropius und Edwin Maxwell Fry, von Erich Mendelsohn und Serge Chermayeff, von Marcel Breuer und Francis R. S. Yorke hervor. Mit Hilfe des RIBA bekam auch Zweigenthal die Erlaubnis zum Arbeiten, wenngleich diese Jahr für Jahr erneuert werden musste. Außerdem: Was nutzte ihm ein solches Papier, wo er nicht so berühmt wie die ›Heroen‹ der Moderne war und ihn folglich niemand kannte? Zweigenthal blieb 1935 und 1936 ohne Auftrag, ohne Verdienst. Allein damit befasst, ein Netzwerk zu knüpfen, das ihm, seiner Frau und seinem Kind ein Leben in London möglich machen würde, war es ein Glück, dass er – aus Zufall – Gropius traf. In dem schon erwähnten Brief an Jaenecke vom 26. Dezember 1935 schrieb Zweigenthal von seinen »verschiedenen Vorbehalten« gegen den Bauhausgründer und Bauhausleiter. Umso mehr rührte ihn nun dessen »Wärme«. Was Gropius motiviert hatte, um den jüngeren Kollegen zu werben – »Er hat mich charmiert«, staunte Zweigenthal –, macht kein Lesen zwischen den Zeilen des Briefes klar. Aus dem Faktum, dass deren Autor gleich im nächsten Satz auf das Comité pour la Réalisation des Problèmes d’Architecture Contemporaine (CIRPAC) der Congrès Internationaux d’Architecture Moderne (CIAM) zu sprechen kam, wird jedoch deutlich, dass es um einen Kontakt zu dem noch kleinen Zirkel der Modernis­ ten unter den Architekten des Königreichs ging. Zweigenthals baldige

Bekanntschaft mit der Modern Architectural Research Group (MARS) war wohl eine Folge seines Treffens mit Gropius, der bei den noch wenigen Mitgliedern der Gruppe ein enormes Prestige besaß. Im Kreis der britischen Avantgarde Die Architektur des Modernismus, soweit man sie mit dem Werk Le Corbusiers und seiner Schüler gleichsetzt, hatte das in mancher Hinsicht isolierte Britannien erst spät, will sagen erst in den frühen dreißiger Jahren erreicht. Damals hatten die jungen Amyas Douglas Connell, Colin Lucas und Basil Ward sie mit ein paar schmucken weißen Villen im Süden Englands zu verbreiten begonnen; damals hatte Berthold Lubetkin ihr durch die Gründung des konzeptionell innovativen Büros Tecton, vor allem jedoch durch den Penguin Pool – eine rasch ikonische, populäre, elliptische Architektur mit weißem Becken und weißen Rampen mitten im Zoo von London – eminente Publizität verschafft. Dennoch fühlte sich die Avantgarde vom Establishment missachtet, ja verachtet. In diesem Klima kultureller Obstruktion war die Geburt der MARS Group als der britischen Sektion der CIAM Mitte 1933 ein Fanal. Schon der Name schuf den Eindruck von Militanz und Vision; als ob die Gruppe je nach den Sternen greifen wollte und nicht stets zwischen dem Utopischen und dem Pragmatischen wie zwischen dem Sozialen und dem Ästhetischen schwankte. Ihre Aktivität galt der Modernität in Sachen Architektur und Urbanismus, galt mithin den Standards des Neuen Bauens und Neuen Wohnens, die auf dem Festland entwickelt und verwirklicht worden waren und nun auch in den Städten der Insel Einzug halten sollten. In der Rückschau würde Lubetkin von einem »flat roofs’ club« auf dem Fundament eines »gentlemen’s agreement« sprechen. Die Rede von Club und Gentlemen war nicht falsch; aber etwas mehr als das Wohnhaus mit Flachdach wollten die Herren schon. Im Vergleich zu jedem Verein oder Verband nach Art einer Innung oder Kammer hatte die MARS Group den Vorteil großer Vielfalt nicht allein an Meinungen, sondern auch an Berufen. Zu ihren Mitgliedern gehörten Architekten: zum Beispiel Amyas Douglas Connell (geb. 1901), Edwin Maxwell Fry (geb. 1899), Berthold Lubetkin (geb. 1901), Colin Lucas (geb. 1906), Godfrey Samuel (geb. 1904), R. T. Francis Skinner (geb. 1908), Basil Ward (geb. 1902) und Francis R. S. Yorke (geb. 1906). Zu ihren Mitgliedern gehörten Architekten und Designer: zum Beispiel Serge Chermayeff (geb. 1900), Wells Coates (geb. 1895), Ernö Goldfinger (geb. 1902) und Raymond McGrath (geb. 1903). Zu ihren Mitgliedern gehörten Ingenieure: zum Beispiel Ove Arup (geb. 1895). Zu ihren Mitgliedern gehörten Landschaftsarchitekten: zum Beispiel Marjorie Allen (geb. 1897) und Christopher Tunnard (geb. 1910). Zu ihren Mitgliedern gehörten Immobiliensachverständige: zum Beispiel Cyril Sweett (geb. 1903). Zu ihren Mitgliedern gehörten ArchitekturARCHITEKTEN UND ARCHITEKTUR IN LONDON 1935–1939

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historiker und Architekturkritiker: zum Beispiel John Betjeman (geb. 1906), Hubert de Cronin Hastings (geb. 1902), John Gloag (geb. 1896), James Maude Richards (geb. 1907), Philip Morton Shand (geb. 1888) und John Summerson (geb. 1904). Die Gruppe wuchs rasch, zählte Anfang 1933 genau vier, Anfang 1938 genau einundsiebzig Mitglieder. Wer Mitglied werden wollte, musste von zwei oder mehr Mitgliedern empfohlen werden, ein in solchen Zirkeln übliches Verfahren. Was aber die MARS Group besonders, ja einmalig machte, war – neben ihrem Spektrum von Meinungen und Berufen – ihre Bereitschaft zur Aufnahme zahlreicher Immigranten aus dem weitgehend repressiv regierten Europa. Dass die britischen Kollegen hofften, von den Kollegen aus Deutschland, Österreich, Ungarn und andern Staaten in Bezug auf neue Baustoffe und Bauweisen lernen zu können, steht außer Frage. Dennoch erstaunt es zu lesen, wie viele Flüchtlinge Mitglieder der Gruppe wurden und zu deren abendlichen Treffen im neuen Haus des RIBA am Portland Place kamen: zum Beispiel der Architekt und Designer Marcel Breuer (geb. 1902), der Architekt Eugen Karl Kaufmann (geb. 1892), der Architekt und Urbanist Arthur Korn (geb. 1891), der Architekt Erich Mendelsohn (geb. 1887), der Designer und Photograph László Moholy-Nagy (geb. 1895), der Architekt Peter Moro (geb. 1911) und der Ingenieur Felix James Samuely (geb. 1902). Wie die gerade Genannten fand auch Zweigenthal den Weg in die MARS Group. Mag sein, dass Gropius seinen Namen bei Coates, Fry, Shand und Yorke als den zentralen Figuren der Gruppe ins Spiel brachte. Freilich würde es nicht wundern, wenn Zweigenthal sich durch ein ähnliches Vorgehen selber um eine Mitgliedschaft bemüht hätte, wusste er doch – aus den Jahren der Gruppe Junger Architekten (GJA) –, wie wichtig solche Netzwerke für das eigene Fortkommen waren und wie wenig der Kontakt allein zu andern Deutschen oder Österreichern ihm helfen würde. Wohl aus beiden Gründen wandte er sich an de Cronin Hastings und Richards, die damals die Zeitschrift »The Architectural Review« führten, deren typographisch exquisite Hefte den Modernismus propagierten, ohne dass die Texte und Fotos als Ganze je einem Dogma, je einer Doktrin gehorcht hätten. Diesen wie jenen Redakteur konnte Zweigenthal gewinnen, einen Beitrag über die Wohnung Schnitzler zu nehmen. »The Architectural Review« brachte den Um- und Neubau auf gleich vier Seiten in Heft 478 vom September 1936. Ob die Publikation zur Kooptation oder die Kooptation zur Publikation führte, wir wissen es nicht. Jedenfalls: Zweigenthal war Ende 1936 Mitglied der MARS Group. Um diese Zeit trug sich die Gruppe mit dem Plan einer größeren Ausstellung. Unter dem Titel »New Architecture« sollte die Londoner Gesellschaft mit der Architektur des Modernismus in Britannien – ihren spä102

ten Anfängen, ihren frühen Erfolgen – bekannt gemacht werden. Wie die meisten solchen Schauen der zwanziger und dreißiger Jahre war auch »New Architecture« als eine Mischung aus Pädagogik und Propaganda gedacht. Schon der Ort der Ausstellung gab eine Botschaft; denn er lag im schicken Mayfair, gleich hinter dem Haus der Royal Academy of Arts, wo sich die Opponenten der MARS Group konzentrierten. Was in den New Burlington Galleries von Mitte bis Ende Januar 1938 gezeigt wurde, war von einfacher, deutlicher Gliederung. Es gab: erstens den Eingang, zweitens den Raum über die Ziele, drittens den über die Mittel, viertens den über das schon erreichte Gebaute, fünftens den Ausgang. Zu den gebauten Beispielen gehörten an erster Stelle Arbeiten von Mitgliedern der Gruppe, darunter nicht allein fertige Wohnhäuser, sondern auch ein Wohnzimmer nach Entwurf von Coates, ein Kinderzimmer nach Entwurf von Goldfinger und eine Pergola, deren Stein und Holz die für die Architektur des Modernismus so relevante Extension des Raumes von innen nach außen zum Thema hatten. Die Entlassung der Besucher aus diesem ›Drama‹ mit fünf ›Akten‹ kam nicht ohne Appell aus. Auf der letzten Tafel stand in großen Lettern: »We claim your loyalty / for an architecture / worthy of this age / worthy of the future.« Dass binnen kaum drei Wochen mehr als siebentausend Menschen in die New Burlington Galleries kamen, machte die Ausstellung der MARS Group zu mehr als nur einer lokalen Affäre. Da viele, wenn nicht die meisten Staaten Europas Mitte der dreißiger Jahre von Regimen geführt wurden, die sich im Kulturellen betont antimodern gaben, hatten Länder wie Schweden, Finnland und Britannien in Sachen der weiteren Entwicklung der Architektur des Modernismus plötzlich die Führung inne. Vor diesem Hintergrund betrachtet, war es kein Zufall, dass selbst Le Corbusier nach London kam, um »New Architecture« zu sehen. Deren Macher empfand er als charmante Gentlemen. In »The Architectural Review« schrieb er von ihnen als einer Gruppe junger Männer »guten Glaubens« und »guten Willens«. Er schätzte die »Eleganz« und »Eloquenz« der Schau, lobte die »lyrische Anmutung« der dort gezeigten Gebäude und fragte sich, ob »Old England« nicht immer dann, wenn seine Stunde schlage, genau wisse, wie man hehre Ideale mit harter Realität in Einklang bringe. Zweigenthal nahm an der Ausstellung nur mittelbar teil. Er wird das Projekt nach Kräften unterstützt haben. Sein Name steht auch – als letzter hinter genau siebzig andern – auf einer Liste aller Mitglieder der MARS Group im Katalog »New Architecture«. Allerdings war Zweigenthals Wahrnehmung der Ausstellung, die der Katalog eine »Exhibition of the Elements of Modern Architecture« nennt, mit Le Corbusiers Eloge auf die jungen Männer »guten Glaubens« und »guten Willens« unter keinem Aspekt vergleichbar. Dafür hatte der Immigrant zu viele

Misha Black und andere Mitglieder der MARS Group, Ausstellung »New Architecture«, zweite und vierte Abteilung, Gestaltung, 1938

interne Querelen der Gruppe aus nächster Nähe sehen und hören können, war zu vertraut mit den Krisen solcher Zirkel, die nie zur Sicherheit eigenen Bewusstseins, nie zum Bewusstsein eigener Sicherheit gelangen. Nachdem die Schau in den New Burlington Galleries, trotz ihres Erfolgs beim Londoner Publikum, ein Defizit von immerhin 1200 Pfund hinterlassen hatte, stellten sich alte Fragen neu. ›Was ist die MARS Group?‹ ›Was will die MARS Group?‹ Zusammen mit den Kollegen Kaufmann und Ward – im Rahmen des Neuen Bauens war jener eher der Funktion, dieser eher der Ästhetik verbunden – verfasste Zweigenthal im Juli 1938 ein Papier unter dem Titel »Draft Memorandum on the General Policy of MARS«. Kaufmann, Ward und Zweigenthal schrieben, die Ausstellung sei »nicht kostenlos noch schmeichelhaft« verlaufen und sie habe Identität und Aktivität der Gruppe nicht wirklich zum Ausdruck gebracht. Die MARS Group müsse sich neu finden, müsse sich – so auch die Meinung Le Corbusiers – von aller »Apathie« befreien, müsse sich »praktischen Problemen« widmen. Unklar sei, ob man sich als »Klub« fühle, ob man sich für eine »ideologisch« oder eine »professionell« orientierte Gruppe halte, ob man dem Propagieren oder dem Recherchieren der Architektur des Modernismus dienen wolle. Es scheine, als ob die MARS Group die Klärung dieser Fragen »fürchte« und lieber »hinter dieser oder jener guten Absicht ein Versteck« suche.

Akkulturation statt Assimilation Kommen wir an dieser Stelle noch einmal auf den Zweigenthal des Jahres 1936 zurück. Eben zum Mitglied einer Gruppe gewählt, die sich nicht allein zur ästhetischen, sondern auch zur sozialen Avantgarde des Königreichs zählte, wird der Immigrant in zahlreiche Gespräche verwickelt worden sein. Zweigenthal wird den britischen Kollegen erläutert haben, welche Rolle die Architektur der Moderne und das Studium der Architektur im Berlin und Wien der späten zwanziger und frühen dreißiger Jahre gespielt hatten. Er wird ihnen gesagt haben, er sei »pupil of Hans Poelzig«, und wird ihnen erzählt haben, dass er in dessen Lehre Sätze gehört hatte wie: »Ihr sollt doch plagiieren. Denkt ihr denn, ich tue es nicht?«, oder wie: »Das ›geistige Eigentum‹ ist eine dumme Erfindung. Das gibt es gar nicht.« Die habituell Radikalen unter den Mitgliedern der MARS Group werden sich ob solcher Meinung erstaunt gefragt haben, ob der Neuling einen Platz in der Gruppe verdient hatte. Sie werden kaum verstanden haben, dass die Prägung durch Poelzig – mithin die Bereitschaft zu Ansätzen und Lösungen jenseits von Prinzip und Kanon – dem Gestalter Zweigenthal das Entwerfen in schwieriger Umgebung nur leichter machen konnte. Die von den eigenen Wohnungen bloß Fußwege entfernten, wenigen modernen Wohnhäuser in Hampstead und das lokale Idiom der Londoner Moderne waren Zweigenthal bald vertraut. Bald vertraut war ihm auch der Konsens hinter dem Dissens der MARS Group. Er wusste, dass man dort die Architektur der Victorians und Edwardians nicht mochte. Betjeman hatte sie in seinem fulminanten Essay »Ghastly Good Taste. Or, a Depressing Story of the Rise and Fall of English Architecture« eben erst verdammt; die historistische »spekulative Inves­t ition« schmecke wie »Portwein vom Krämer um die Ecke«. Statt von der Architektur des neunzehnten glaubte die Gruppe eher von der des achtzehnten Jahrhunderts lernen zu können. Die Georgians, so meinte man, hätten mit den blockhaften Gebäuden unter flachen Dächern und mit dem Gleichmaß von Wand und Loch an der Straße einen Teil des ästhetischen Vokabulars des Modernismus antizipiert. Ende der dreißiger Jahre würde Goldfinger mit den Reihenhäusern 1–3, Willow Road in Hampstead – Struktur aus Beton, Wände aus Ziegel, Türen und Fenster aus Holz, alles in Farben zwischen Weiß und Gelb und Braun – auf das Schönste zeigen, auf welche Weise die Modernis­ ten Britanniens das Erbe der Georgians in den Dienst ihrer Sache zu stellen suchten. Um diese Zeit war auch den Mitgliedern der MARS Group klar: In Betracht der aus dem feuchten Klima der Insel rührenden technischen Probleme bei Material und Konstruktion hatte es keinen Sinn, flaches Dach und weißen Putz weiter zur Kondition des Modernismus zu machen. ARCHITEKTEN UND ARCHITEKTUR IN LONDON 1935–1939

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Hermann Zweigenthal, Haus Scrutton, Grundriss, 1937

Freilich fiel es der Gruppe nicht leicht, sich vom Dogma zu lösen. Wer heute prüft, welche modernistischen Architekturen seinerzeit publiziert, präferiert, propagiert wurden, der sieht rasch: Es waren die weißen glatten, nicht die rauen gelben oder roten. Grob gesagt kommt – gedruckt – auf sechs weiße glatte nur ein rauer roter oder rauer gelber Bau: so 1937 in Henry-Russell Hitchcocks Katalog der Ausstellung »Modern Architecture in England« des Museum of Modern Art (MoMA) New York; so 1937 in Francis R. S. Yorkes Buch »The Modern House in England«; so 1939 in Oliver Hills Aufsatz »The Contemporary House« in Patrick Abercrombies Buch »The Book of the Modern House«. Zweigenthals Wahrnehmung der Londoner Moderne, um dieses Thema zu schließen, hatte gewiss auch die Spezifika eines Prominenten unter den Mitgliedern der MARS Group zum Inhalt. Denn Lubetkins wieder und wieder publizierte Architektur – nicht allein der Penguin Pool im Regent’s Park von London, sondern auch die zwei Bungalows 104

im Whipsnade Park bei Dunstable, in manchem Detail auch die hohen Wohnhäuser Highpoint I und Highpoint II in Highgate – lebt von ihren Schwüngen und Schleifen. Aus dem Kreis der Gruppe versuchten nicht wenige Entwerfer, Ähnliches zu erreichen, sodass Hitchcock schreiben konnte, »Kurven« seien ein »besonders deutliches Kennzeichen« der englischen Moderne. Das Schaffen wohl eines jeden exilierten Architekten schwankt zwischen dem Einfluss der alten und dem der neuen Heimat, zwischen dem Eigenen und dem Anderen. Diese pendelnde Bewegung lässt sich im Fall Gropius am Village College in Impington, im Fall Mendelsohn am De La Warr Pavilion in Bexhill on Sea verfolgen. Auch Zweigenthal hatte mit dem Widerspruch der Verbindung des Eigenen und des Anderen zu kämpfen. Wie der Blick auf die Entwürfe und Gebäude seiner fünf Jahre in England zeigt, löst er diese Spannung nicht im Sinne einer Assimilation, sondern einer Akkulturation. Das Andere kommt aus

Ansicht von Nordosten

dem Eigenen. Das ist beim Landhaus Scrutton in Virginia Water so; das ist beim Stadthaus Jolowicz in London so. Im zweiten Fall, um es gleich zu sagen, meistert er das Balancieren zwischen Identität und Alterität auf selten hohem Niveau. Landhaus Scrutton in Virginia Water Wiewohl im Britannien der zwanziger und dreißiger Jahre der Siedlungs- und Wohnungsbau für die Mittelschicht weitgehend von Unternehmen wie den Davis Estates beherrscht wurde – in der Londoner Umgebung standen an zig neuen schmalen Straßen neue hübsche Häuser mit nutzbaren Grundrissen unter artigen Walmdächern –, ließen sich doch einige Bauherren auf das Abenteuer der Architektur des Modernismus ein, gaben Mitgliedern der MARS Group den Auftrag zum Entwerfen und Ausführen von Wohnhäusern, die einem Le Corbusier gefallen hätten. Allerdings wird an manchem Beispiel klar, mit wel

chen Protesten solche Projekte zu rechnen hatten. Allein die Planung von Goldfingers Reihenhäusern 1–3, Willow Road entfachte 1937 stürmische Entrüstung in Zeitungen und Zeitschriften; weshalb es nicht wundert, dass Goldfinger, immerhin ein Architekt mit Renommee, außer den drei kleinen Häusern an der Heide von Hampstead bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nur ein einziges weiteres Gebäude errichten konnte. Wenn man die Erfahrung Goldfingers zum Maßstab nimmt, dann hatte Zweigenthal Glück. Denn schon nach einem Jahr in London bekam er den ersten Auftrag. Dabei ging es um den Bau eines Hauses für Herrn und Frau Scrutton in Virginia Water. Dank seiner Mischung aus Dorf und See und Park, dank auch seiner Nähe zur Hauptstadt London war Virginia Water im neunzehnten Jahrhundert ein Ort so arkadischer wie romantischer Artefakte geworden. Dort ein Anwesen zu besitzen – vor allem eines unter den Bäumen und Sträuchern der Siedlung Wentworth, ARCHITEKTEN UND ARCHITEKTUR IN LONDON 1935–1939

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Hermann Zweigenthal, Haus Scrutton, Wohn- und Esszimmer

die nach dem Ersten Weltkrieg gegründet worden war – zeugte von Herrschaft und Reichtum. Die Architekten Oliver Hill und Colin Lucas, beide dem Idiom der Moderne treu, waren sicher stolz, als sie Mitte der dreißiger Jahre in dieser Umgebung je eine große Villa mit glatter weißer Haut bauen durften. Zweigenthal entwarf ein Haus, für dessen Grundriss er aus einer Fläche von 19,81 Meter Breite und 17,70 Meter Tiefe die Gestalt eines kleinen U schnitt. Der Plan steht spitz; der Bau weist mit seinen Ecken exakt nach Norden und Süden wie nach Westen und Osten. Alle drei Flügel wurden aus Ziegeln von gelber bis brauner Farbe gebaut, die Satteldächer mit Schiefer gedeckt. Vorne – also in Richtung Nordost – alternieren Stein und Glas; die linke und die rechte innere Fassade sind zum Teil, die mittige innere Fassade ist so gut wie ganz von Glas bestimmt. Rechts lenkt ein Schornstein Augen und Füße aus dem Hof auf den Eingang. Mittig fällt ein breites Fens­ ter auf, weil es vom Boden zur Traufe reicht und eine starke weiße Laibung hat. Dieses Detail war in den dreißiger Jahren unter Architekten des Modernismus in Britannien durchaus beliebt. Deutlich sieht man es an den Vorder­seiten von acht kleinen Reihenhäusern in Haywards Heath / West Sussex, deren Entwurf aus dem Büro Tecton stammt. Aber anders als Lubetkin, der sich auf das Thema Rahmung beschränkte, nutzte Zweigen­ thal die Laibung noch für zwei weitere Themata. Er machte die Sohlbank zur Sitzbank und ließ, da er die Laibung durch die Mauer steckte, den Eindruck einer Verbindung des Äußeren mit dem Inneren aufkommen. 106

Diese Verbindung – aus dem Garten vorne / in den Wohnraum mittig / in den Garten hinten – ist die womöglich wichtigste Eigenschaft des Gebäudes. Wer eintritt, fällt mit der Tür ins Haus. Anders gesagt: Die Eingangshalle ist keine Eingangshalle, sondern nur ein Windfang und Durchgang in den Wohnraum, dessen Zentralität durch das Gegenüber von großem Fenster vorne und großem Fenster hinten mächtig betont wird. Der Wohnraum »fließt«, um einen für den Modernismus typischen Terminus zu gebrauchen; einerseits in Richtung des Essraums, der sich durch eine Faltwand schließen lässt; anderseits in Richtung des Teeraums, der mit dem Wohnraum in der Spannung von Einheit und Zweiheit steht, weil zwischen beiden Räumen ein Kamin in die Höhe schießt, die Feuerstelle aber links zum Durchgang, rechts zum Durchblick verführt. Wohnraum, Essraum, Teeraum kommen ohne Türen aus. Alle drei haben einen Boden aus Holz; der Streifen Raumes vor ihnen hat einen Boden aus Stein. So werden das Miteinander und das Auseinander, das Bleiben und das Gehen noch einmal zu räumlicher Erfahrung. Dass sich Bereiche wie Arbeitszimmer / Kinder- oder Gästezimmer / Badezimmer / Elternzimmer im linken Seitenflügel, Bereiche wie Küche / Lager / Garage im rechten Seitenflügel einfach reihen und sie alle ihre Türen zum Öffnen und Schließen haben, folgt nur der Logik hie des Publiken, da des Privaten in einem Wohnhaus mit gutem Grundriss. Zweigenthal hatte sich mit diesem Problem schon vor Jahren befasst;

Wohn- und Teezimmer

sein Wachsendes Haus auf der »Berliner Sommerschau« 1932 hätte Bewohnern erlaubt, einander zu treffen und einander zu meiden. Auf sechsunddreißig Quadratmetern wahrlich ein Kunststück! Dank seiner etwa 230 Quadratmeter Gesamtfläche braucht Haus Scrutton mit Raum nicht zu sparen. Und dank seiner ländlichen Umgebung – die den Bau durch sattes Grün von seinen Nachbarn trennt – kann sich Haus Scrutton als transparente Architektur präsentieren. Aber so modern sein Grundriss durch den Raumfluss von Wohnraum / Essraum / Teeraum auch wirkt: In Wahrheit gleicht er der Ordnung einer barocken Residenz, bei der sich im Haupt- und Querflügel die Staatsund Schauräume, in den Neben- und Seitenflügeln einerseits die Gemächer des Fürsten und der Fürstin, anderseits die Küchen und Kammern der Burschen und Mädchen finden. Ob barocke Residenz oder Haus Scrutton, die Hierarchie der Funktionen und die Lage der Räume sind so gut wie gleich. Zweigenthal war allerdings Modernist genug, um die bei den ›Herrenhäusern‹ der Siedlung Wentworth nicht seltene Axialsymmetrie zu brechen: hinten links durch den Ausschnitt, mittig rechts durch den Schornstein, vorne links und vorne rechts durch die Köpfe der Flügel. Ist nicht der linke etwas breiter als der rechte? Stadthaus Jolowicz in London Knapp anderthalb Jahre nachdem Haus Scrutton im Frühling 1937 fertiggestellt worden war, bekam Zweigenthal erneut einen Auftrag zum

Entwurf eines Hauses. Sein Bauherr war Paul Jolowicz, geboren Mitte der achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts als einer der beiden Söhne von Hermann Jolowicz, der aus Posen stammte und in London ein Unternehmen der Textilbranche zu großem Erfolg geführt hatte. Paul Jolowicz hingegen fühlte sich den Künsten nahe und war für das Büro A. E. Johnson Artists’ Agents tätig. Haus Jolowicz wurde zwischen Ende Februar und Anfang September 1939 gebaut. Ein Glück, denn bei späterem Beginnen wäre das Vorhaben wegen des näher und näher rückenden Weltkriegs vermutlich zum Erliegen gekommen. Dass der Bau eine gute Adresse hat – 48, Maresfield Gardens, South Hampstead, London NW3 –, steht außer Frage. Allerdings haben die Grundstücke an der nicht eben breiten, steigenden, ruhigen Wohnstraße nördlich der belebten Finchley Road einige Nachteile. Diese rühren aus der Verbindung zweier Merkmale, einerseits der klaren West-OstRichtung, anderseits der großen Tiefe der Parzellen. Wohnräume sinnvoll zu verteilen und Tageslicht sinnvoll zu verwenden fällt auf diesem Boden nicht leicht. Will man den privaten Charakter der Stunden am Kamin oder im Garten nicht stören, so bleibt für den Wohnraum nur die Lage nach Osten. Nur das Morgenlicht steht voll zur Verfügung. Im Süden und Norden liegen ja die nächsten Häuser; im Westen liegt ja die Straße. Maresfield Gardens, Netherhall Gardens, Nutley Terrace und wie auch immer die Straßen hier heißen, zu ihrer Linken wie Rechten stehen Häuser vor allem der Victorians und Edwardians, die Betjeman ARCHITEKTEN UND ARCHITEKTUR IN LONDON 1935–1939

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in seinem schon erwähnten Buch ob ihres »schrecklich guten Geschmacks« verwarf. Eine Ausnahme bilden vier größere Wohnhäuser, die der Immigrant Hans Sigmund Jaretzki 1937 und 1938 für Grundstücke an den Maresfield wie den Netherhall Gardens im seinerzeit beliebten Stil der Georgians entwarf. Ein Stück weiter nordwestlich, unter der Adresse 1–6, Frognal Close, steht das Ensemble dreier Doppelhäuser von Ernst Ludwig Freud; ein Stück weiter nordöstlich, unter der Adresse 1–3, Willow Road, steht die Sequenz dreier Reihenhäuser von Ernö Goldfinger. Zweigenthal indes wahrte Abstand nicht allein zu den Wohnhäusern des späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts sowie zu den aristokratisch orientierten Architekturen Jaretzkis – diese wie jene hielt er gewiss für prätentiös –, sondern auch zu dem, was Freud und Goldfinger bauen ließen. Denn gleich den Immigranten Freud und Goldfinger war auch Zweigenthal bemüht, das Eigene im Anderen zu bewahren und nicht wie Jaretzki das modische Lokale zu kopieren. Mit welchem Engagement sich Zweigenthal an seinen neuen Auftrag machte, davon zeugt die Tatsache, dass für Haus Jolowicz nicht weniger als drei Entwürfe vorliegen. Ohne die genauen Umstände ihrer Entstehung zu kennen, lassen sie sich einerseits als verschieden, anderseits als gemeinsam studieren. Nach einer Weile wirken sie als Reihe von einem größeren zu einem mittleren zu einem kleineren baulichen Vorhaben. Doch welches Format das Projekt auch hat, ob groß oder mittel oder klein, wesentliche Eigenschaften bleiben: Bei allen Entwürfen liegt das Arbeitszimmer vorne links, das Wohnzimmer hinten links, das Esszimmer hinten rechts. Bei allen Entwürfen bildet der Kamin an der Grenze zwischen Wohnzimmer und Esszimmer die Mitte des Hauses. Bei allen Entwürfen gibt es eine scharfe Trennung der Räume in solche, die von den Herrschaften, und solche, die von den Dienstmädchen genutzt werden. Im Ganzen sehen wir den Architekten bei Versuchen der Vermittlung: zwischen dem, was er in Berlin und Wien gelernt hatte, und dem, was er durch die Londoner Kollegen zu Gesicht und Gehör bekam. Es scheint, als ob ihn der Status des Immigranten zu intensiver Autokritik geführt habe. Und so ist Zweigenthals Version der Moderne nicht moderat, sondern reflexiv. Welche Ideen, Konzepte und Probleme sie reflektiert, mag die Beschreibung der Entstehung von Haus Jolowicz deutlich machen. Entwurf eins Entwurf eins wird durch seine lange Schräge bestimmt. Mit nur einer Unterbrechung führt diese Diagonale von West nach Ost, von vorne nach hinten, von außen nach innen, von innen nach außen. Als lose Kante eines Vordachs oder Holzwerks – einer Loggia oder Pergola? – 108

Hermann Zweigenthal, Haus Jolowicz, Entwurf eins, Grundriss Erdgeschoss, 1938

lenkt sie auf den schmalen Eingang des Hauses. Als feste Mauer trennt sie Windfang und Treppenhaus von Küche, Anrichte und Esszimmer. Als bloße Strecke teilt sie Wohnzimmer und Esszimmer und führt zwischen beiden genau auf den Kamin. Als feste Mauer sorgt sie für den großen Schwung der äußeren Umfassung des Wohnhauses und für den Schluss des gebauten ›Trajektes‹ in einem vermutlich zum Teil hölzernen, zum Teil gläsernen Gefüge, das einer Mischung von Terrasse und

Haus Jolowicz, Entwurf eins, Grundriss Obergeschoss

Pavillon gleicht. Bei Entwurf eins bilden sich im Obergeschoss drei Raumgruppen: eine um das Schlafzimmer der Dame und das Schlafzimmer des Herren, eine um das Schlafzimmer des Sohnes, eine um die Schlafkammern der Dienstmädchen. Von Raumgruppe zu schreiben meint, dass jeweils ein Vorraum und ein Bad zum Gemach gehört. Die Dienstmädchen erreichen ihre Schlafkammern vom Zwischenabsatz der Treppe; diese Räume liegen vier Stufen tiefer als die der Eltern und die des Sohnes. Zur Nutzung der Familie gibt es, neben dem Schlafzimmer des Herren, auch eine Kleider- und Wäschekammer. Die Anlage des oberen Geschosses legt Wert auf Privatheit. Der Vater, die Mutter, der Sohn und die beiden Mädchen haben jeder und jede ein Reich für sich. Trotz allem Einfluss durch den Lehrer Hans Poelzig und das Neue Bauen in Berlin war Zweigenthal das bauliche Geschehen in Wien nicht entgangen; österreichische Architekturen der Moderne waren stets Teil seiner Wahrnehmung gewesen. Im Gespräch mit Julius Posener über die Wohnung Lothar Müthel hatte Zweigen­ thal Gedanken geäußert, die auf Adolf Loos Bezug nehmen. Und die Wohnung Heinrich Schnitzler hatte er im Geist des Neuen Wiener Wohnens gestaltet. Sicher hatte er sich auch mit dem Traktat »Architektur als Symbol. Elemente deutschen neuen Bauens« aus dem Jahr 1931 und mit dem Konzept der Werkbundsiedlung

im Bezirk Hietzing von Wien aus dem Jahr 1932 vertraut gemacht. Der Traktat wie das Konzept waren Meilensteine im Schaffen von Josef Frank, der damals auf der Höhe seines Ruhmes stand. Unter den Hermann Herrey Papers der Cornell University, Ithaca / New York, liegt auch ein Exemplar von Heft 8/1931 der Zeitschrift »Der Baumeister«. Darin wird dem Leser auf drei Seiten Zweigenthals Einrichtung des Schuhhauses Jacoby in Frankfurt am Main präsentiert. Der Zufall will, dass ebendieses Heft auch einen Aufsatz aus der Feder von Frank enthält. Schon sein Titel ist Programm: »Das Haus als Weg und Platz«. Der Autor war seit langem ein Gegner rein funktionaler, rein rationaler Architekturen; er war ein Meister, der das Wohnen für mehr als nur die Summe von Kochen plus Essen plus Schlafen plus Arbeiten plus Vergnügen hielt. Folglich plädiert er für Häuser mit stumpfen Ecken, krummen Wänden, kleinen Nischen, flachen Schwellen und mit Treppen fast nur um der Aussicht willen. Ohne ihre Namen zu nennen, denkt er dabei einerseits an Leon Battista Albertis »domus minima civitas«, anderseits an Camillo Sittes kunstvollen Städtebau, der das Axiale und Zirkuläre mied. Die Erschließung eines wohnlichen Gebäudes, so Frank, müsse an Wechseln reiche Wege bieten, ohne dass ihr Nutzer die Führung der Augen und Füße je spüre. Ein gutes Haus gleiche »jenen schönen alten Städten«, wo auch der Fremde das Rathaus und den Marktplatz ohne Mühe finde. Mittelpunkt des Wohnhauses aber, sein Rathaus und sein Marktplatz, sei das Wohnzimmer. Und dessen Mitte sei, wenn möglich: der Kamin. Wer nun den Grundriss von Entwurf eins studiert, der wird schon bei geringer Anstrengung der eigenen Vorstellung merken: Zweigen­ thal folgte dem Frankschen Ideal. Vorne weitgehend geschlossen, hinten weitgehend geöffnet, offeriert Haus Jolowicz in seiner ersten Fassung eine spezifische Enfilade. Man tritt durch eine schmale Tür in den Windfang; schaut in der Eingangshalle nach links und durch das zwei Geschoss hohe Fenster auf die von drei Seiten gerahmte Terrasse; biegt hinter der Treppe nach rechts in das Esszimmer; schaut dort nach vorn auf die Ecke mit der Tür in den Garten; dreht nach links in Richtung des Kamins; schaut hinter dem Vorsprung der Mauer nach rechts in das Wohnzimmer; hält vor der schwingenden, zum Teil gläsernen Fassade; schaut vom Halbrund der Rückwand in den Garten. Die Eingangshalle, um noch einmal an diesen Ort zu kehren, hat etwas von Unterstadt und Oberstadt. Das hohe Fenster und die Treppe verbinden die Geschosse. Denn nicht weniger für Gesellschaft geschaffen als die von der Küche getrennten unteren sind die oberen Partien der Eingangshalle. Was auf dem zweiten Geschoss privat ist, die Zimmer von Vater und Mutter und Sohn, ist ja durch Doppeltüren vor aller Neugier geschützt. ARCHITEKTEN UND ARCHITEKTUR IN LONDON 1935–1939

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Bleibt zu prüfen, ob Zweigenthal außer dem Œuvre Franks auch die Ideen und Konzepte anderer Kollegen in Erwägung zog. Im Sinne der These, dass sich in der Arbeit immigrierter Architekten deren jeweils alte und jeweils neue Heimat widerspiegeln, wäre das besonders Englische bei Zweigenthal zu suchen. In der Tat bedarf die vom Esszimmer aus betrachtet erst stark nach rechts, dann stark nach links schwingende Rückseite von Entwurf eins – will man sie nicht nur als geniale Invention deuten – einer näheren Erklärung. Mit der Beliebtheit von Lubetkins Penguin Pool im Zoo von London 1934 war unter den Architekten des Modernismus in Britannien ein Interesse am Konvexen, Konkaven, jedenfalls Kurvigen entstanden. Es gibt zahlreiche Zeugnisse dieser plötzlichen Leidenschaft. Für das Dynamische der Architektur von Entwurf eins sind drei exquisite Solitäre von Belang: erstens Hills Haus Newton im Wentworth Estate, Virginia Water / Surrey, 1935; zweitens Lubetkins Bungalows im Whipsnade Park, Dunstable / Bedfordshire, 1936; drittens McGraths Haus auf dem Saint Ann’s Hill, Chertsey / Surrey, 1937. Alle drei wurden nicht allein in »The Architectural Review«, sondern auch in Yorkes Buch »The Modern House in England« publiziert. Es ist also keine Frage, ob Zweigenthal diese schneeweißen Wohnhäuser kannte. Die Maison de plaisance von Hill beschränkt ihre Kurven auf die äußere Erscheinung und das Treppenhaus des Gebäudes, während es in Räumen wie dem Ess- und dem Wohnzimmer lauter rechte Winkel gibt. Die Pavillons von Lubetkin bieten Kurven auch dort, wo sich die Bewohner aufhalten, das heißt vor der freien Betonschale am Eingang und um den freien Wandschirm als dem Scharnier zwischen Eingangshalle, Ess- und Wohnzimmer. Die Rotunde von McGrath schließlich macht die Kurve zum Prinzip, dem sich der Nutzer an so gut wie jeder Stelle des Hauses zu beugen hat. Zweigenthal hingegen legte mit Entwurf eins eine Lösung vor, die einerseits den Solitärcharakter der Bauten Hills, Lubetkins und McGraths aus den offenen, ländlichen Gebieten von Surrey und Bedfordshire auf ein mit Beschränkungen behaftetes Terrain nahe dem Zentrum von London holt, die anderseits das Thema Kurve auf eine Weise ins Spiel bringt, dass der Nutzer die Rundung genau da erfährt, wo nach dem Frankschen Ideal der Weg zum Platz wird. Ist es nicht so, dass in Zweigenthals Ess- und Wohnzimmer der Nutzer die Rundung genießt, ohne dass die Rundung den Nutzer beherrscht? Entwurf zwei Entwurf zwei besticht durch seine vordere Fassade. Ihre Gestaltung, vor allem ihr Umgang mit Vor und Rück und mit Wand und Loch, sucht den Dialog mit der Art, wie sich zwei Villen von Adolf Loos – Haus Tzara in Paris 1926 und Haus Moller in Wien 1928 – an der Straße präsentieren. Aufriss und Ansicht der vorderen Fassade von Entwurf 110

zwei zeigen etwa in der Mitte einen durch und durch symmetrischen Bauteil. Von unten nach oben: erst vier Falttüren vor der Garage, dann zwei hochragende Rundstützen am Rande des Balkons vor dem Arbeitszimmer des Hausherrn, dann ein Wandstück mit zwei Fenstern, hinter denen die Schlafkammern der Dienstmädchen liegen. Was wir auf der Zeichnung sehen, wäre gebaut nicht allein eine ostentative, ja monumentale Geste, sondern auch ein Stück »Komplexität und Kontradiktion«, um es mit Robert Venturi zu sagen. Da nur der Mittelteil der Westseite des Wohnhauses spiegelbildlich ist, während die Partien zu seiner Linken und Rechten ihre eigene Gestaltung aufweisen, tritt die Symmetrie ebendieses Mittelteils umso klarer vor Augen. Seine Botschaft lautet: Die Maids spielen die größte Rolle; sie thronen über dem Ganzen. Dass es für die deutliche Erscheinung der Schlafkammern der Dienstmädchen auch eine andere Erklärung gibt, steht außer Frage. Schlafzimmer zur Straße sind nicht so geschützt wie welche zum Garten; weshalb die Gemächer von Herrn und Frau Jolowicz hinten statt vorne liegen. Nur, aus dem Paradox zwischen ›minderer‹ Funktion und ›höherer‹ Ästhetik an ein und derselben Stelle resultiert Friktion. Einen ähnlich spannenden Widerspruch hatte auch Frank zu schaffen gewusst. Bei Haus Beer in Wien 1930 wirkt der Eingang für die Dienstboten ungleich stärker als der für die Herrschaften. In Bezug auf das Entree wagte Zweigenthal mit Entwurf zwei eine Lösung, die dem Ideal »An Englishman’s home is his castle« und folglich der Architektur als Refugium näherkommen will. Anders als Loos bei Haus Tzara und Haus Moller, anders auch als Frank bei Haus Beer, lässt Zweigent­hal die Stirnseite des Wohnhauses Jolowicz frei von jedem Eingang. Mehr noch, keine der beiden Türen – nicht die für die Herrschaften an der Nordseite noch die für die Dienstmädchen an der Südseite – macht auch nur den Versuch sich zu zeigen, etwa durch einen Windfang quer zur Wand. Die Eingangshalle indes, wenngleich kleiner als auf jenem frühen Grundriss, bei dem das Haus vom Weg zum Platz führt, bleibt dem Konzept vom Ankommen der Besucher als Geschehen in Gesellschaft so weit wie möglich treu. Man geht ein paar Schritt nach links; steigt fünf breite Stufen hinauf; steht vor den Türen in das Wohnzimmer linker und das Esszimmer rechter Hand. Der zweite Eintritt wird durch die Stufen und die Symmetrie der räumlichen Anlage betont, obwohl Zweigenthal in diesem Fall den aus dem Parterre der Wohnung Schnitzler bekannten Charakter des Würde-, ja Weihevollen meidet. Hinter den Türen öffnet sich ein Raum, der als vereintes Ess- und Wohnzimmer oder als getrennte Esszimmer und Wohnzimmer benutzt werden kann. Bleibt die Schiebetür geschlossen, hat das Wohnzimmer auf dem Boden und an der Decke die Gestalt eines Fächers. Die flache Krümmung drückt mit ihren Scheiben und Sprossen in den Garten. Der Plan kopiert eine Figur, die Lubetkin für den Hörsaal des

Hermann Zweigenthal, Haus Jolowicz, Entwurf zwei, Aufriss Straßenseite, 1938

Finsbury Health Centre London 1938 verwandt hatte, die Zweigenthal aber auch aus dem Wettbewerb Theater Charkow 1931 vertraut war. In der Tat führt bei Entwurf zwei die Gestaltung des Wohnhauses jeden Gast, den das Ehepaar Jolowicz vom Eingang zum Kamin bittet, in eine quasi theatralische Situation: aus dem ›Foyer‹ durch das ›Parkett‹ auf die ›Szene‹. War das nicht schon die Bewegung, die das Erdgeschoss des Schuhhauses Jacoby bestimmt hatte? Möglich macht den Auftritt der Gäste auch die Tatsache, dass Zweigenthal bei Entwurf zwei – wie Loos und Frank – mit versetzten Geschossen operiert. Die zwei hinteren liegen höher als die drei vorderen Etagen. Das Wohn- und das Esszimmer werden vom ersten, das Arbeitszimmer vom zweiten, die Schlafzimmer der Herrschaften vom dritten, die Schlafkammern der Dienstmädchen vom vierten Absatz erreicht. Entwurf drei Entwurf drei führte endlich zum Ziel. Die früheren Entwürfe, wenn einer von beiden gebaut worden wäre, hätten zweifellos für Aufsehen gesorgt. Doch Haus Jolowicz – weniger auffällig als die Gebäude, die durch Entwurf eins oder Entwurf zwei entstanden wären, mit 10,89 Meter Breite und 13,93 Meter Tiefe nicht mal größer als seine Nachbarn – wirkt dank seiner Architektur wie ein Juwel. Die Wohnhäuser der näheren Umgebung, errichtet im späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert, tragen ein mattes Rot; Haus Jolowicz aber trägt ein mattes Gelb, das in Richtung Grau und Schwarz changiert. Diese Farbe rührt von den Läufern und Bindern seiner Ziegel. London

stock brick stammt aus der Grafschaft Kent, wird im Süden Englands häufig verwandt und war der Baustoff von Georgian townhouses schlechthin. Mit dieser Art massiver steinerner Fassade an allen vier Seiten und mit den weißlichen Partien unter wie neben den Fenstern nahe dem Eingang nimmt Haus Jolowicz Elemente der Architektur des achtzehnten Jahrhunderts auf, die von den Modernisten Britanniens – wie oben erklärt – gern in den Dienst ihrer Sache gestellt wurde. Aber noch die Rezeption des Interesses der Modernisten an der Architektur der Georgians wusste Zweigenthal mit Eigenem zu verknüpfen. Die Ziegel sind mal heller, mal dunkler, das gesamte Gemäuer fleckiger als bei Godfrey Samuels und Valentine Hardings Haus Walton, das nur ein Stück weiter nördlich, unter der Adresse 13, Arkwright Road, steht und 1938 fertig wurde. Am Knick von Wand und Dach kragen eine Reihe von Steinen vor, um die Haut vor Schlieren zu schützen. Eine Reihe von Grenadieren – Zweigenthal lernte den Ausdruck »soldier course« kennen – unterstreichen das Gitter des Balkons. Aus diesem Streifen Metall wie aus dem Streifen Metall vor dem Fenster oben rechts sind je drei Reihen großer Löcher gestanzt. All diese Einzelheiten sind Eigenheiten, die einem dogmatischen Modernismus, wie er Mitte der dreißiger Jahre in Teilen der MARS Group favorisiert wurde, klar widersprechen. Denn der Wechsel der Farbe der Ziegel und die Lochung der Gitter geben der Stirnseite von Haus Jolowicz etwas diskret Ornamentales; solche Details zehren von dem Äußern mancher Wiener Bauten Otto Wagners und Josef Hoffmanns, deren Wände so wirken, als ob sie in ein loses Schmucknetz gehüllt seien. ARCHITEKTEN UND ARCHITEKTUR IN LONDON 1935–1939

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Frei vor Augen treten allein die vordere westliche und hintere östliche Fassade, da die seitliche nördliche und seitliche südliche Fassade bis fast an die Grenzen des Grundstücks reichen und weitgehend geschlossen sind. Die Seite zur Straße wirkt offen; die zum Garten wirkt offener. In Bezug auf Material und Konstruktion wie in Bezug auf diese oder jene Formen haben das Vorne und das Hinten manches gemein. Im Ganzen aber sind die Aufrisse und Ansichten von enormer Differenz. Die vordere Fassade hat vier oder sechs Teile; je nachdem, ob man Eingangstür und Treppenhaus in der Mitte als Teile sieht oder nicht. Die Teile unten links und oben rechts rücken nach vorne, die unten rechts und oben links nach hinten. Die Teile unten links und oben links sind eher gläsern, die unten rechts und oben rechts eher steinern. Die Teile unten rechts und oben links haben dort mit dem Fenster-, hier mit dem Balkonband eine deutliche weißliche Waagrechte. Alles in allem werden die Partien der Fassade nach einem je spezifischen Kriterium mal horizontal, mal vertikal, mal diagonal geteilt. Die Belebung der Gliederung dient der Bewegung der Wahrnehmung. Der Eingang des Hauses liegt so geschützt wie versteckt, wird aber von links durch die Schräge des Balkons, von rechts durch den Streifen des Fensters, von vorn durch die stählerne Rundstütze betont. Die hintere Fassade ist mit einer Breite von 8,43 Meter exakt 2,46 Meter schmaler als ihr Pendant an der Straße. Doch was an der Seite zum Garten am meisten auffällt, ist ihre stringente Symmetrie. Unten reihen sich: Tür / Fenster / Fenster / Tür; oben reihen sich: Fenster / Tür / Fenster / Schornstein / Fenster / Tür / Fenster. Ferner stehen die Türen unten und oben links sowie unten und oben rechts jeweils genau eine über der andern. Dass der Schornstein genau in der Mitte der Kante des Daches aus dem Haus ragt, ist nicht allein Verstärkung der Symmetrie, sondern auch Verdichtung der Vorstellung, die in den beiden früheren Entwürfen von Haus Jolowicz klarer zum Tragen kam: dass nämlich der Kamin die Mitte des Ganzen sei. Vor der französisch stehenden Fensterung der Rückseite liegt eine mit Platten aus braunem York stone belegte Terrasse. Den Rand des kleinen Plateaus markiert eine lange Sitzbank. Übrigens haben Plateau und Sitzbank ebenjenen Schwung, der aus der Verbindung von Esszimmer und Wohnzimmer in Entwurf eins kommt. Für das 3,04 Meter hohe Erdgeschoss wie für das 2,43 Meter hohe Obergeschoss des in einen vorderen breiteren und hinteren schmaleren Rechtkant geteilten Wohnhauses entwarf Zweigenthal einen Grundriss, der die von der Familie Jolowicz genutzten bedienten Räume in die Gestalt eines großen Winkels mit langem und kurzem Schenkel und die von den Dienstmädchen genutzten dienenden Räume in die Gestalt eines Vierecks bringt, dabei jene von diesen, diese 112

Hermann Zweigenthal, Haus Jolowicz, Entwurf drei, Grundriss Erdgeschoss, 1939

von jenen konsequent separiert. Bediente Räume sind im Erdgeschoss das Arbeitszimmer an der Straßenseite sowie das Wohnzimmer und das Esszimmer an der Gartenseite, die durch das Öffnen der zum Teil schiebbaren, zum Teil faltbaren Holztüren mit dunklem Furnier verbunden werden können; dienende Räume sind im Erdgeschoss die Küche und das wohl auch zum Anrichten der Mahlzeiten genutzte Wohnzimmer der Dienstmädchen. Bediente Räume sind im Obergeschoss die drei Schlafzimmer des Vaters, der Mutter und des Sohnes; dienende Räume sind im Obergeschoss die Schlafkammern der Dienstmädchen. Paul Jolowicz, erwachsen geworden noch in der Ära der Edwardians, muss ein Mann gewesen sein, der Wert auf soziale Distinktion legte und die Unterscheidung der Lebensweisen auch in der Ordnung seines nicht eben großen Hauses zum Ausdruck gebracht wissen wollte. Jedenfalls schuf Zweigenthal ihm und seiner Familie im Obergeschoss regel-

Haus Jolowicz, Entwurf drei, Grundriss Obergeschoss

rechte »privy chambers«. Um diese Räume von denen der Dienstmädchen zu trennen, gibt es, mit Zutritt durch eine Tür auf dem Absatz der Treppe, einen kleinen, um nicht zu sagen engen Vorraum, von wo dennoch gleich fünf Türen weiterführen: in das Schlafzimmer des Sohnes, in das Badezimmer des Sohnes, in das Schlafzimmer des Vaters, in das Schlafzimmer der Mutter, in das Badezimmer der Eltern. Durch drei flache runde Scheiben aus Drahtglas fällt Licht von der Decke in die beiden Badezimmer und den Vorraum. Man mag den Grundriss von Haus Jolowicz für das Resultat der Idiosynkrasie eines Bauherrn halten, der stets nach dem rechten Abstand, also stets nach dem Raum der Nähe und dem der Ferne unter Menschen suchte. Diese womöglich spezifisch englische Balance des Privaten und des Publiken – die einen Elias Canetti behaupten ließ, auf der Insel hüllten sich die Leute in »Eis« – unter der Kondition des Modernismus zu wahren: Das ist das eigentliche Thema von Haus Jolowicz.

Ausstellung als Aufgabe Um sich dem letzten Stück des Themas Architekten und Architektur im London der Jahre zwischen 1935 und 1939 zu nähern, ist ein kurzer Rückblick nötig. Zweigenthal hatte schon früh Interesse an Ausstellungen, erst als Besucher, dann als Anreger, dann als Teilnehmer, dann als Gestalter. 1928 hatte er der »Ausstellung Österreichischer Kunst« zur Entstehung verholfen; 1931 hatte er mehrere eigene Arbeiten in der Ausstellung »Poelzig und seine Schule« gezeigt; jene wie diese Schau hatte ihren Ort in der Preußischen Akademie der Künste gehabt. 1932 hatte er – wie manche seiner Freunde aus der Gruppe Junger Architekten (GJA) – mit einem der zahlreichen Wachsenden Häuser die Ausstellung »Sonne, Luft und Haus für Alle« wesentlich bereichert. Als Zweigenthal nach London kam, kam er in eine Metropole, die seit der Great Exhibition und dem Crystal Palace 1851 gleich mehrere größere Ausstellungsgebäude errichtet hatte: den Alexandra Palace 1873, ARCHITEKTEN UND ARCHITEKTUR IN LONDON 1935–1939

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Hermann Zweigenthal, Haus Jolowicz, Straßenseite

das Olympia 1886, die Empire Hall des Olympia 1929, den Earls Court 1937. Das Medium Ausstellung hatte in der Spanne zwischen den Kriegen enorme Bedeutung, nicht allein unter wirtschaftlichen, sondern auch unter künstlerischen Gesichtspunkten. Die »Ideal Home Exhibition«, die »Building Trades Exhibition« und die »British Industries Fair« fanden alle Jahre wieder statt. Die Aufgabe der Gestaltung von Hallen und Ständen zog mit Misha Black, Joseph Emberton, Ernö Goldfinger, Oliver Hill, Raymond McGrath, László Moholy-Nagy, Basil Spence, Thomas S. Tait und Rodney Thomas die besten Entwerfer an. Dass sich nun auch Zweigenthal diesem Thema zu widmen begann, folgte aus seinem Kontakt zum Royal Institute of British Architects (RIBA), wo er sich, wie alle immigrierten Architekten, die Erlaubnis zum Arbeiten beschaffen musste. Im Herbst 1935 machte er dort die Bekanntschaft von Ronald A. Duncan. Geboren 1889 und also weit älter als Zweigenthal, hatte Duncan an der Architectural Association (AA) School of Architecture gelehrt, hatte sich um 1930 vom Historismus entfernt – zwei Häuser in Hampstead und Edgware demonstrierten wenig später seine Wendung zu einem moderaten Modernismus – und hatte 1933 ein Buch unter dem Titel »The Architecture of a New 114

Era. Revolution in the World of Appearance« publiziert, in welchem er das Wohnhaus in Hampstead zwischen Peter Behrens und Le Corbusier in Stellung zu bringen wagte. Als Zweigenthal mit Duncan ins Gespräch kam, war dieser auch im Büro- und Fabrikbau tätig und eben mit dem Entwurf einer zentralen Garage für die Londoner Polizei beschäftigt. Zugleich fungierte der agile Architekt als Honorarsekretär eines Komitees, das die auf Wanderschaft gehenden jährlichen Ausstellungen des RIBA betreute. Die erste dieser Ausstellungen hatte das RIBA im Herbst 1934 in seinem neuen Haus am Portland Place gezeigt. Wie dessen Architektur durch die feine Mischung von Klassizismus und Art déco auf Äquidis­ tanz zu reinem Historismus und reinem Modernismus ging, so waren auch die dort präsentierten Ausstellungen lange darauf bedacht, ihre Botschaft nur nicht in diese oder jene Richtung zu schärfen, sondern artig in der Mitte stehen zu bleiben. Dass Zweigenthal der Einladung zur Mitarbeit an der Ausstellung »Modern Schools« dennoch ohne Zögern folgte, ja dass er Duncan dankbar war, auf diese Weise mit dem einflussreichen RIBA näher in Kontakt zu kommen, steht außer Frage. Die Schau bot gut 250 Fotos und einige Modelle neuer Schulen in

Haus Jolowicz, Gartenseite

Britannien, Frankreich, den Niederlanden, der Schweiz, den USA und Palästina. Wiewohl nur vom 12. bis 19. Oktober 1937 zu sehen, zogen die »Modern Schools« mehr als zweitausend Besucher an. »Road Architecture«: Ausstellung im Entstehen Am 26. Oktober 1937, eine Woche nachdem die Fotos und Modelle der neuen Schulen auf Wanderschaft gegangen waren, schrieb Zweigenthal an Duncan, er wolle auf seinen alten Vorschlag einer Ausstellung zum Thema Straßenverkehr zurückkommen. Es handele sich um eine »Sache von äußerster Bedeutung«. Man müsse bloß einen Blick in gleich welche Tageszeitung werfen, um zu spüren, wie groß das Interesse der Öffentlichkeit an diesem Problem sei. »Ich möchte«, so Zweigenthal, »lediglich das Aufsehen erwähnen, das der Minister für Transportwesen vor einigen Monaten im Unterhaus erregte, als er seine Absicht kundgab, das Parken von Autos in der Londoner Innenstadt zu verbieten.« Schon bald nahm das RIBA die Offerte Zweigenthals an. Nach dem Urteil zweier Briefe – einer vom 9. November 1938, einer vom 7. März 1939 – war der Architekt, Designer und Immigrant nicht weniger als

der Urheber der Idee, des Konzepts und weiter Teile des Inhalts der später »Road Architecture. The Need for a Plan« genannten Schau. Sir Ian MacAlister, Generalsekretär des RIBA, dankte Zweigenthal mit den Worten: »Mir ist klar, wie schwierig es ist, das Thema durch eine Ausstellung zu vermitteln. Ich kann daher gar nicht sagen, wie froh wir sind, Ihre Erfahrung nutzen zu dürfen.« Und Derek Lawley Bridgwater, Vorsitzender der Arbeitsgruppe »Road Architecture Exhibition«, hatte keine Scheu, frank und frei zu äußern, das RIBA habe diese Ausstellung allein aufgrund des enormen Engagements von Zweigenthal projektiert: »In der Tat war die Schau Ihr Ding.« Von den siebzehn, in der Mehrzahl jüngeren Mitgliedern der Arbeitsgruppe hatten die meisten den Beruf des Architekten, darunter übrigens Ward, den Zweigenthal durch die MARS Group kannte. Nicht allein, weil hier die Vorstellung von einer Ausstellung als einer bloßen Folge schöner Fotos und Modelle verlassen, sondern auch, weil hier die Präsentation von Architekturen mit einem klaren Inhalt, ja einer klaren Botschaft verbunden wurde – im »Journal of the Royal Institute of British Architects« ist von der Schau als einer »mutigen Äußerung« die Rede –, hielt das RIBA die »Road Architecture Exhibition« vom März 1939 ARCHITEKTEN UND ARCHITEKTUR IN LONDON 1935–1939

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Godfrey Samuel und Valentine Harding, Haus Walton, London Hampstead, 1938

für einen Sprung nach vorn, ja für die wichtigste Ausstellung, die das Institut je gezeigt habe. In Bezug auf deren Inhalt und Botschaft wurde diese Wahrnehmung wahrscheinlich von allen Seiten geteilt. In Bezug auf deren Gestaltung aber hatte Zweigenthal seine Vorschläge nicht durchsetzen können. Jedenfalls boten die Gallery und die Henry Florence Memorial Hall im neuen Quartier des RIBA das Thema Straßenverkehr in einem Design, das dem Anspruch eines Zweigenthal kaum genügt haben dürfte. »Road Architecture«: Starke Botschaft Die »zwingende Gliederung« der Ausstellung, die nach Meinung des »Journal of the Royal Institute of British Architects« dem Besucher keine »Abschweifung« erlaubte, führte ihre Sache durch vier Sektionen von der wirklichen zur möglichen Entwicklung des Verkehrs auf Straßen im In- und Ausland und von dort in die Geschichte des Verkehrs seit den Tagen der Römer. Mit 3 084 896 Kraftwagen und Krafträdern, mit 179 600 Meilen Straße, mit fünfhundert Fahrzeugen neu auf den Straßen pro Tag und mit siebzig Fahrzeugen auf jeder Meile pro Stunde hatte Britannien um die Wende von 1938 auf 1939 die weltweit größte Verkehrsdichte. Mit Verkehrsknoten und Verkehrsknäueln an vielen Ecken und Enden seiner großen Städte und mit etwa 6500 Toten auf seinen Straßen pro Jahr hatte Britannien aber auch ein Problem, das sich in andern Ländern noch nicht in solcher Schärfe stellte. »Road Architecture. The Need for a Plan« wollte diesem »Chaos« – das dem Besucher durch eine Bild-Text-Montage schon auf der breiten Treppe zum ersten Obergeschoss des Hauses in die Augen sprang – durch Planung widerstehen. Nationale Kommissionen sollten dafür sorgen, dass in Stadt und Land die Ströme der Kraftfahrer, Radfahrer und Fußgänger getrennt würden. Wie in andern Fällen der ersten Phase einer zugleich technologischen und ökonomischen Innovation des neunzehn116

ten und zwanzigsten Jahrhunderts sehen wir auch hier die Teilnehmer der Entwicklung mit einem deutlichen Bewusstsein für die dunklen Seiten des Vorgangs. So erwähnten die Verfasser der Ausstellung, dass der Bau von Autobahnen wie von Straßen zum raschen Durch- oder Umfahren alter Städte Quadratmeile um Quadratmeile Raum frisst. So spürten sie, dass der Expansionismus der Kommunikation durch Verkehr die Gefahr birgt, früher oder später alle regional spezifische durch eine national uniforme Architektur zu vernichten. Dennoch hielten sie – dem Geist der Zeit treu – Verkehr für einen großen Gewinn; mit der Rede vom »Blutkreislauf« der Nation wurden die Ströme auf den Straßen gar zu einem Faktum der Natur erklärt. Das Wort »Architecture« schon im Namen der Schau war mit Bedacht gewählt worden. Denn das Bauen von Straßen ist primär Sache von Ingenieuren, nicht von Architekten. Das RIBA aber musste, um nicht seine Leute vor den Kopf zu stoßen, auch beim Thema Verkehr tunlich die Rolle des Architekten stärken. Harry Stuart Goodhart-Rendel, damals Präsident des Instituts, definierte den Architekten im Katalog der Ausstellung daher nicht als Fachmann für die sozialen und ästhetischen Qualitäten von Raum und Bau; vielmehr sei es die »Fertigkeit zum Erdenken von Kommunikation und Zirkulation«, die den Architekten zum Architekten mache. Wie um dies unter Beweis zu stellen, wurden in der Ausstellung jüngste Bauten für den Verkehr gezeigt, die als exemplarisch modernistisch gelten konnten: von Robert Maillart die Brücke über die Thur bei Felsegg / Schweiz 1932; von Eskil Sundahl eine Omnibusgarage in Stockholm / Schweden 1933; von Pauli Ernesti Blomstedt das Hotel Pohjanhovi in Rovaniemi / Finnland 1936. Eine veritable Attraktion waren die Modelle. Eines kontrastierte auf ein und demselben Areal eine Dorfstraße mit einer neuen Landstraße und einer neuen Autobahn; eines illustrierte das Kleeblatt Slussen, den damals neuen, wohl größten Stockholmer Verteiler; eines propagierte das Parkhaus mit doppelter Spirale und war – keine Frage – von Zweigenthal ins Spiel gebracht worden. Am meisten erstaunt haben muss jedoch das Modell einer von Grund auf neuen Stadt um ein Dorf in der Grafschaft Berkshire. Entstanden an der Londoner School of Planning and Research for National Development – die erst 1934 gegründet worden war und von der Architectural Association (AA) getragen wurde –, machte dieses Schau- und Prunkstück das britische Publikum vermutlich zum ersten Mal mit dem Urbanismus der Charta von Athen vertraut. Um den Inhalt und die Botschaft der Ausstellung auch für Laien klipp und klar in Bilder und Worte zu fassen, hatte das RIBA den Auftrag zu einem Dokumentar- und Propagandafilm erteilt. Produzent war die Realist Film Unit; Regisseur war Sidney Cole. Beide hatten damals, auch aufgrund ihrer vage sozialistischen Orientierung, einen guten Namen. Der Streifen »Roads across Britain« war kaum länger als eine Viertelstunde und wurde

schen Bürgerkriegs ziehen. »Air Raid Precaution« war so sehr in aller Munde, dass Zeitungen und Zeitschriften nur von »ARP« zu schreiben brauchten, weil jeder Leser Bescheid wusste. Journalisten und Politiker aller Couleur waren sich einig: Nur der rasche Neubau von Straßen würde es möglich machen, im Falle deutscher Bomben auf London oder Glasgow, auf Liverpool oder Manchester Millionen Menschen von heute auf morgen zu evakuieren.

Ernö Goldfinger, Stand der Imperial Chemical Industries (ICI), »British Industries Fair«, London 1938, Entwurfszeichnung, 1937

im Haus des RIBA gleich viermal am Tag gezeigt. Größten Wert legten Produzent und Regisseur auf das Lernen von den USA. Dieses Land, gemeint waren vor allem die Staaten New York und New Jersey, habe dank seiner Highways und Parkways das »weltweit beste Straßen­system«. Und dann: »So etwas könnte auch in Britannien erreicht werden.« Was »Road Architecture. The Need for a Plan« zu einer sehr eigenen Ausstellung machte – für die es in der Geschichte der Architektur Britanniens keine Parallele gibt –, war nicht, dass das Planen und Bauen von Straßen zur Sache von Architekten erklärt wurde, war nicht, dass bei der Konzeption von Mobilität der Verkehr auf Schienen völlig außer Acht blieb, war nicht, dass Amerika als Vorbild galt, sondern: dass man offen davon sprach, die Straße habe militärischen Intentionen zu dienen. Indes traf die Schau mit dieser Haltung die Stimmung des Volkes. Populäre Magazine wie »The London Illustrated News« hatten seit dem Frühjahr 1939 zahllose Beiträge über Luftkrieg und Luftschutz gebracht. Immer wieder war betont worden, das Land müsse dringend die Lehren aus der Bombardierung Barcelonas während des Spani

»Road Architecture«: Versäumte Gestaltung Da Zweigenthal erstens schon in Berlin zum Thema Straße und Auto recherchiert hatte, da er zweitens Urheber des Vorhabens »Road Architecture. The Need for a Plan« war, da er drittens in der Metropole an der Themse persönlich und beruflich Fuß fassen wollte, ist es kein Wunder, dass er sich auch Gedanken zur Gestaltung der Ausstellung machte. In dem schon erwähnten Dankschreiben Bridgwaters an Zweigenthal vom 7. März 1939 heißt es: dieser habe die Arbeitsgruppe in Augenblicken »geführt«, wo die Mitglieder angesichts des »enormen Projekts« nicht ein noch aus gewusst hätten; dieser habe den Teilnehmern mit »Hirnströmen« bei der Gestaltung der Tafeln und der Wege zwischen den Tafeln geholfen. Bei Erhalt des Briefes, eine Woche nach Eröffnung der Ausstellung, wird sich Zweigenthal über solche Achtung gefreut haben. Er wird sich aber auch daran erinnert haben, dass er Ende 1938, Anfang 1939 Größeres als nur ein paar eloquente Diagramme im Kopf gehabt hatte. Auf jeden Fall nährt eine Reihe von Zeichnungen die Vermutung, dass Zweigenthal seinerzeit Versuche unternahm, die Arbeitsgruppe für den Gedanken zu gewinnen, dass man die Gestaltung der »Road Architecture Exhibition« – als der Schau eines so renommierten Institutes wie des RIBA – an jenem Anspruch messen müsse, den Hill, Goldfinger, Black und andere bei ihren Designs für Hallen und Stände während der letzten Jahre erfüllt hatten. Hill hatte für den Hauptraum links vom Eingang des Britischen Pavillons auf der Weltausstellung Paris 1937 zwei längliche Wandscheiben auf dem Grundriss je eines sanften S entworfen; Goldfinger hatte für den Stand der Imperial Chemical Industries (ICI) auf der »British Indus­ tries Fair« London 1938 Wände mit Schwüngen und Schleifen entworfen. Von großem Einfluss war die Ausstellung »New Architecture« der MARS Group London 1938. Unter Leitung von Black hatten Mitglieder der Gruppe einzelne Abschnitte gestaltet und dabei zu einer Haltung narrativer Modernität gefunden. Das Design hatte Typo-, Pikto- und Photographik, die Wandmalerei und die Bildhauerei hatten Klassizismus und Surrealismus, das Reale und das Magische in einer für die dreißiger Jahre typischen Manier zu verbinden gewusst. Der Schaukasten war Bühnenraum geworden; leichte Holzplatten und leichte Stahlrohre hatten die Staffelung und Steigerung von Inhalten und Botschaften erlaubt; vom Eingang zum Ausgang war die Route exakt fixiert worden. ARCHITEKTEN UND ARCHITEKTUR IN LONDON 1935–1939

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Hermann Zweigenthal, Ausstellung »Road Architecture«, Gestaltung, Vorschlag zwei, Grundriss, 1938

Die hier genannten Gestalter hatten ihre Räume in Hallen bauen können, deren Architektur Neutralität wahrt, weil sie gleich welcher Ausstellung eine Hülle geben will. Das neue Quartier des RIBA jedoch ist Architektur durch und durch. Böden und Wände und Decken haben etwas zu sagen; auf Stein und Holz und Glas rühmen Relief und Ornament die Profession des Architekten und Ingenieurs. Das offene, mittige, marmorne Treppenhaus führt in das erste Obergeschoss und vorbei an vier dicken schwarzen Säulen mit klassischer Kannelur erst in die 20,11 mal 6,40 Meter messende Gallery auf der nach Westen weisenden Stirnseite, dann in die 20,11 mal 17,06 Meter messende Henry Florence Memorial Hall auf der nach Osten weisenden Rückseite des Gebäudes. Die Tiefen von Gallery, Trep118

penhaus und Henry Florence Memorial Hall haben eine wohl kalkulierte Proportion von drei zu fünf zu acht. Der konsequente Symmetrismus der räumlichen Anlage regt zu ruhigem Verweilen an. Bleibt man dort nicht lieber stehen, als dass man dort gehen möchte? Genau dieses Gefühl war das Problem. Wie sollte ein Gestalter in Räumen, die eher für ein Bankett oder ein anderes Ereignis in feinerer Gesellschaft taugen, eine Ausstellung gestalten, die von dauernder Bewegung handelt? Zweigenthal war Autofreund. Und Zweigenthals Wahrnehmung von Verkehr glich der Darstellung von Verkehr auf jenen nächtlichen, städtischen Aufnahmen, die MoholyNagy in seinen Bauhausbüchern – »Malerei Fotografie Film« 1927

Ausstellung »Road Architecture«, Gestaltung, Vorschlag drei, Grundriss, 1938

und »Von Material zu Architektur« 1929 – publiziert hatte. Verkehr ist demnach: rasante Linie, fluide Energie, permanente Mobilität vor dem Hintergrund regloser Gebäude. Diese oder eine ähnliche Auffassung für das Design der »Road Architecture Exhibition« im Haus des RIBA zu nutzen, konnte nur heißen, sich von den Interieurs der Gallery wie der Henry Florence Memorial Hall zu distanzieren und die 471,78 Quadratmeter großen Räume mit eigenen Ideen, eigenen Konzepten, eigenen Objekten zu okkupieren. Aus der Hand von Zweigenthal gibt es fünf Zeichnungen mit drei Vorschlägen, die dem Vorhaben »Road Architecture. The Need for a Plan« eine spannende Einrichtung verschaffen wollten. Vorschlag eins

operiert mit fünf freistehenden, leicht schwingenden Wandscheiben: eine in der Gallery, eine im Treppenhaus, drei in der Henry Florence Memorial Hall. Mit sanfter Biegung deckt die hinterste Wandscheibe die gesamte Rückseite der Halle. Das durch die hohen Fenster an den beiden Seiten im Norden und Süden der Halle strömende Tageslicht wird zum Teil durch schmale Tafeln im Winkel von etwa hundertzwanzig Grad zu den Außenwänden gedämpft. Vorschlag zwei operiert ebenfalls mit Wandscheiben. Manche haben nun scharfe Ecken; alle nehmen nun, wenngleich maßvoll, Rücksicht auf die stringente Symmetrie des vorderen, mittleren und hinteren räumlichen Gefüges. Vorschlag drei operiert mit dem Widerspruch zwischen Gestaltung und ARCHITEKTEN UND ARCHITEKTUR IN LONDON 1935–1939

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Gebäude auf solche Weise, dass sich die Gestaltung dem Gebäude, die Dynamik der Symmetrie opfert. Voll und ganz. Denn sämtliche Wandscheiben in der Henry Florence Memorial Hall stehen nun in Reih und Glied: auf der einen Seite vier, auf der andern Seite vier. Vor jedem der zehn Fenster steht ein Modell, in der Mitte der Halle Zweigenthals Garage mit doppelter Spirale. Wahrscheinlich war Vorschlag drei – sagen wir ruhig: das Angebot der Anpassung an die Konvention der Architektur im Haus des RIBA – ein letzter Versuch, zu einem Auftrag zu kommen. In Betracht der dem Thema Straße und Auto so adäquaten Qualitäten von Vorschlag eins und Vorschlag zwei ist Vorschlag drei keine gute Lösung. Indes, auch diese Zeichnung blieb Zeichnung. Nach einem wohl Wochen währenden Entwerfen und Verwerfen wurde die Gestaltung der Ausstellung schließlich in die Hände James Gardners gelegt. Von Beruf Juwelier, war der junge Gardner Ende der dreißiger Jahre für die Londoner Agentur Carlton Studios mit Werbung befasst; seine Vorstellung von Gestaltung hatte mit den Ideen und Konzepten Zweigenthals wenig gemein. Das Design der »Road Architecture Exhibition« entbehrte jedweder Inspiration. Es wirkt auf den wenigen, in kleineren Zeitschriften gedruckten Aufnahmen noch heute so medioker wie provinziell. In der Führung des RIBA gab es offenbar niemanden, der etwas von moderner Ausstellung und moderner Gestaltung verstand. Die Arbeit eines Hill, eines Goldfinger, eines Black – und eines Zweigenthal – hatte hier keinen Platz. »Road Architecture«: Feurige Ansprache Um die Ansprache zur Eröffnung der Ausstellung hatte das RIBA erst Viscount Nuffield, den Automobilfabrikanten und Chef der Morris Motor Company in Oxford, dann den Science-Fiction-Autor H. G. Wells gebeten. Mit dem Namen jener wie dieser Persönlichkeit wird noch einmal deutlich, welch hohen Rang das Ereignis der Eröffnung in den Augen des RIBA hatte. Nachdem klar war, dass nicht Nuffield noch Wells zur Verfügung stehen würden, wandten sich Präsident Goodhart-Rendel und Generalsekretär MacAlister an Herbert S. Morrison, Mitglied der Labour Party, Mitglied des Unterhauses, von 1929 bis 1931 Minister für Verkehrswesen, seit 1934 Leader des London County Council (LCC) und damit ›Oberbürgermeister‹ der Kapitale Britanniens. Mit diesem Manne hatte das RIBA den vielleicht besten Redner gewählt. Im »Journal of the Royal Institute of British Architects« heißt es, er habe die Ausstellung am 1. März 1939 mit beinahe »explosiver Vitalität« eröffnet. In der Tat hielt Morrison ein Plädoyer für die Versöhnung zwischen der Profession des Architekten und der des Ingenieurs, zwischen der Bedeutung der Geschichte und dem Bedürfnis 120

der Gegenwart in Bezug auf die räumliche Entwicklung von Stadt und Land. Er machte sich für die Planung des Verkehrs stark, wobei das Interesse der Gemeinschaft und Gesellschaft in jeder Hinsicht Vorrang vor dem Interesse einzelner Personen haben sollte. Dann bat Morrison die Gäste um Entschuldigung. Er müsse sofort gehen. Im Unterhaus habe eben eine wichtige Debatte begonnen. Ihr Thema: Luftkrieg und Luftschutz.

Einband Ausstellungskatalog »Road Architecture. The Need for a Plan«, London 1939

12  SZENOGRAPHIE UND ARCHITEKTUR FÜR DAS Q THEATRE BRENTFORD 1938–1946 Als Hermann Zweigenthal im Frühling 1935 mit Frau und Kind nach London kam, konnte die Metropole an der Themse für sich in Anspruch nehmen, nicht allein Hauptstadt des British Empire, sondern auch Hauptstadt des Theaters der Alten und Neuen Welt zu sein. Im West End standen die Bühnenkünste in höchster Blüte. Auf dem Terrain zwischen Oxford Street und New Oxford Street im Norden, Drury Lane und Kingsway im Osten, Strand und Alwych im Süden, Haymarket und Regent Street im Westen luden damals wohl fünfzig Theater – kleine mit etwa fünfhundert, große mit etwa zweitausend Sitzplätzen – Abend für Abend in das Parkett und die Logen. Man bot Varieté und Operette, Komödie und Tragödie, Klassisches und Moder­ nes, mehr Leichtes als Schweres und alles en suite, wo möglich hundert, zweihundert, ja dreihundert Mal. Was die theatrale Architektur betraf, so war das West End immer dem Zeitgeist gefolgt. W. G. R. Sprague hatte 1899 mit dem Wyndham’s Theatre, 1903 mit dem New Theatre, 1906 mit dem Hicks Theatre und 1913 mit dem Ambassadors Theatre den Stuck, das Gold und den Luxus eines Louis Seize von Paris nach London geholt. Von Paris nach London geholt hatten Bauherren und Baumeister auch den Art déco. 1930 feierten gleich vier größere Theater diesen frischen Stil: von Ernest Schaufelberg das Adelphi Theatre; von Edward A. Stone mit Marc Henri und Gaston Laverdet das Prince Edward Theatre sowie das Whitehall Theatre; von Edmund Walter Wimperis, William Begg Simpson und Leonard Rome Guthrie mit Serge Chermayeff das Cambridge Theatre. Obwohl die britische Ökonomie noch unter der globalen Depression litt, wurde von Robert Cromie – Architekt wer weiß wie vieler Kinos – ein paar Jahre später das Prince of Wales Theatre gebaut. Am 27. Oktober 1937 strömte die Londoner Gesellschaft in den Neubau mit Rundturm an der Ecke von Coventry Street und Oxendon Street. Die Damen und Herren goutierten das Art-déco-Design. Über die Bühne rauschte eine Revue mit dem Titel »Les Folies de Paris et Londres«. Doch nach dem letzten Vorhang war der Abend nicht vorbei. Noch lange wurden in der Bar des Hauses Slowfox, Quickstep, vielleicht gar die neue Béguine getanzt.

Cecil Walter Bacon, Plakat »To the Theatres by London Transport«, 1934

SZENOGRAPHIE UND ARCHITEKTUR FÜR DAS Q THEATRE BRENTFORD 1938–1946

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Q Theatre, Brentford, 1958

Mitte der dreißiger Jahre zählten die Londoner Theater etwa 142 000 Sitzplätze. Wenn auch viele Bühnen im West End standen, so hatten doch die übrigen Bezirke ihre je eigenen Theater. Eine dieser Bühnen war das Q Theatre weit im Westen von London, wo Chiswick auf Brentford, Brentford auf Chiswick stößt und wo eine Brücke über die Themse zu den Kew Gardens führt. Schon der Name Q Theatre war gut gewählt, verwies doch das »Q« – wenn man es in den Mund nahm – nicht allein auf die nahen Kew Gardens, sondern auch auf den »cue« des Schauspielers, mithin auf sein Stichwort zum Auftritt. Gegründet worden war das Q Theatre 1924 von Jack und Beatrice de Leon; beide hatten ihren Beruf an den Nagel gehängt, um sich ganz der Intendanz und dem Management ihres kleinen Hauses zu widmen. Wie zuvor das Everyman Thea­ tre in Hampstead folgte auch das Q Theatre dem Konzept ›Neue Stücke, neue Schreiber, neue Spieler‹, brachte also alle ein bis zwei Wochen eine neue Premiere und suchte die Produktion bei Erfolg an eines der Theater im West End zu verkaufen. Beide, Jack und Beatrice de Leon, hatten die Begabung, Begabung zu erspüren. In den dreißiger Jahren entdeckten sie einerseits Autoren wie Terence Rattigan und William Douglas-Home – deren erste Stücke sie boten –, anderseits Aktricen wie Peggy Ashcroft, Margaret Lockwood und Vivien Leigh. Und ob man es für wahr hält oder nicht: 1939 wurde der kaum achtzehn Jahre alte Dirk Bogarde, 1945 der kaum zwanzig Jahre alte Peter Brook engagiert. Bei aller Vitalität und allem Experiment, den deutschen Immigranten blieb die Szene fremd; fremd wegen der Sprache, die sie auf der Schule nicht wirklich gelernt hatten; fremd wegen des radikal privaten Charakters der britischen Theater, die wie Unternehmen geführt wurden und dem ›Gespielt wird, was verkauft wird‹ näher als den Wünschen deutscher Bildungsbürger standen. Schauspieler wie Ernst Deutsch, Fritz Kortner und Oskar Homolka, zu schweigen von einem Regisseur wie Leopold Jessner: Keiner von ihnen, die nach 1933 eine Weile in Britannien lebten, konnte auf den Bühnen des Inselreichs Fuß fassen. Auch der aus Österreich stammende Lyriker und Essayist, Dramaturg und Regisseur 122

Programm »They Walk Alone«, 1938

Berthold Viertel tat sich schwer, konnte jedoch Kontakt zum Q Theatre knüpfen und wurde von Jack und Beatrice de Leon mit einer Inszenierung des Stücks »They Walk Alone« von Max Catto betraut. »They Walk Alone« Mit seinem vierten Schauspiel bot der kaum dreißig Jahre alte Catto einen echten Thriller. Melo- und Psychodramen, bei denen auch Morde nicht fehlen durften, wurden damals gern auf die Bühne gebracht; Patrick Hamiltons Stücke »Party für eine Leiche« aus dem Jahr 1929 und »Gaslicht« aus dem Jahr 1939 waren Kassenschlager. Cattos Stück handelt von der Magd Emmy Baudine, die seit einer Weile auf dem Hof von Herrn und Frau Tallent in der Grafschaft Lincolnshire arbeitet. Erst schweigsam und freundlich, dann merkwürdig verwandelt durch Orgelspiel in der Dorfkirche, wird Emmy Baudine zum Werwolf, dem

John Henry Rouson, Darsteller der Inszenierung »They Walk Alone«,

Vorstellung ein kleineres, nur wenige Minuten dauerndes Orgelstück geschrieben, das die Hörer durch sein klares C-Dur zu bannen, durch seinen irren Fünfvierteltakt zu quälen wusste. Vier weitere Bruchstü­ cke hatte Britten für jene Momente komponiert, die dem Fund einer Leiche vorausgehen. Während man sich von Brittens Musik für »They Walk Alone« noch heute einen guten Eindruck machen kann, haben sich von Zweigen­ thals Bühnenbild für Cattos Thriller keine bildlichen Zeugnisse erhalten. Viertel hatte Zweigenthal in Kenntnis der Inszenierung des »Faust. Der Tragödie erster Teil« engagiert. Freilich war beiden Männern klar, dass sie eine Arbeit für das Preußische Staatstheater Schauspielhaus am Gendarmenmarkt 1932 und eine Arbeit für das Q Theatre 1938 nicht auf eine Stufe stellen durften. Viel zu groß war die Differenz der ästhetischen Ambition in Berlin und Brentford. Was im West End und auch sonst im Lande gewollt wurde, war nicht die Sprengung der Wände links und rechts und hinten, sondern der Bühnenraum im Guckkasten, anders gesagt: die Raffinesse der Konvention. Genau dieser Haltung muss Zweigenthal gefolgt sein. Die drei Akte von »They Walk Alone« spielen alle im Wohnzimmer des Bauernhofs von Herrn und Frau Tallent und alle bei Dämmerlicht oder Dunkelheit. Vielleicht schlug Zweigenthal, der Stimmung des Melo- und Psychodramas treu, ein Interieur im Stil der Neogotik vor; »gothic« meint ja auch so viel wie »düster« und »schaurig«. Entworfen wurden nur die Kulissen links und rechts und hinten; die Einrichtung wurde geliehen: Möbel von der Old Times Furnishing Company, Geschirr und Besteck von der Lawley’s Company, Scheinwerfer von der Strand Electric and Engineering Company. Für deren rechten Gebrauch aber war Zweigenthal zuständig. Später würde Viertel schreiben, »Connaisseurs« hätten seine »Meisterung von Raum und Licht bewundert«.

Zeichnung in der Zeitschrift »The Bystander«, 1939

schöne junge Männer bei Vollmond zum Opfer fallen. Beatrix Lehmann – Viertels englische Geliebte – spielte die homizide Nymphomanin mit Bravour. Wenn man den Kritikern von Londoner Zeitungen wie »The Evening News« oder »Evening Standard« oder »The Times« vertraut, dann gab es im Q Theatre am Abend des 21. November 1938 »Unterhaltung erster Klasse«, ja »Panik von solcher Art, wie sie die Leute bei hellem Tag aus dem Wald rennen lässt«. Dass die Produktion des Q Theatre ab dem 19. Januar 1939 im weit älteren, größeren Shaftesbury Theatre an der Shaftesbury Avenue im Herzen des West End zu sehen war und dort bis Mitte des Jahres genau 156 Mal gezeigt wurde, war nicht allein dem Autor, dem Regisseur und den Akteuren zu verdanken. Zum Erfolg des Ganzen trug auch der junge Komponist Benjamin Britten bei. Dieser hatte für die Einleitung der

»Julius Caesar«: Regie Nicht dass in jenen Jahren beim Publikum des Q Theatre nur die Schock-, Rühr- und Lachstücke des Boulevards eine Chance gehabt hätten. Vielmehr hatten Jack und Beatrice de Leon schon 1932 und 1933 etwa zehn der Tragödien und Komödien William Shakespeares auf die Bretter ihres Hauses gebracht. 1938 hatten sie eine Partnerschaft mit dem dank seiner knapp siebenhundert Sitzplätze weit größeren Embassy Theatre an der Eton Avenue nahe dem Swiss Cottage in Hampstead etabliert. Und Mitte 1939 hatte Zweigenthal mit Unterstützung Jack de Leons dem Direktor der Londoner Shakespeare Repertory Company – Tyrone Guthrie war schon damals ein Theaterproduzent von Rang – das Konzept einer räumlichen und bildlichen Gestaltung für eine Inszenierung des »Macbeth« offeriert, leider ohne dass die avancierte Idee weiter verfolgt worden wäre.

SZENOGRAPHIE UND ARCHITEKTUR FÜR DAS Q THEATRE BRENTFORD 1938–1946

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Im Frühherbst 1939 aber gelang Zweigenthal ein Coup. Er gewann Jack und Beatrice de Leon sowie den Regisseur Henry Cass in Sachen einer Inszenierung des »Julius Caesar« für Räume und Bilder solcher Art, wie man sie damals zwar in Berlin, doch nicht in London kannte. Angesichts der Erfahrung der Beschränkung, die Zweigenthal bei seiner ersten Arbeit für das Q Theatre hatte machen müssen, wurde seine zweite Arbeit für denselben Auftraggeber mehr als ein Sprung nach vorn. In Wahrheit wurden seine Bühnenräume und Bühnenbilder für »Julius Caesar« ein Durchbruch, der auf die Szenographie des britischen Theaters Einfluss hätte nehmen können, wenn nur die Geschichte Europas anders verlaufen wäre. Ende der dreißiger Jahre, erst recht nach den ersten Schlachten des Zweiten Weltkriegs, mussten Leser ein Drama wie »Julius Caesar« – diese Aktion von Verschwörern und Verrätern und von einem Volk, das der Benevolenz der Diktatoren mal traut und mal nicht traut – wie ein im Hier und Jetzt mögliches Geschehen empfinden. Lag es nicht auf der Zunge, den Caesar, den Antonius, den Brutus sei es mit Adolf Hitler in Berlin, sei es mit Francisco Franco in Madrid, sei es mit Benito Mussolini in Rom, sei es mit Miklós Horthy in Budapest, sei es mit Josef Stalin in Moskau zu vergleichen und Widerstand zu erwägen? »Durch eigne Schuld nur sind wir Schwächlinge«, sagt der Verschwörer Cassius, um seinen Schwager Brutus für den Mord an Caesar zu gewinnen. Und wenig später mit Pathos zu Freund Casca: »Den Cassius soll von Knechtschaft Cassius lösen. / Darin, ihr Götter, macht ihr Schwache stark, / Darin, ihr Götter, bändigt ihr Tyrannen: / Noch felsenfeste Burg, noch ehrne Mauern, / Noch dumpfe Keller, noch der Ketten Last / Sind Hindernisse für des Geistes Stärke. / Das Leben, dieser Erdenschranken satt, / Hat stets die Macht, sich selber zu entlassen! / Und weiß ich dies, so wiß auch alle Welt: Den Teil der Tyrannei, der auf mir liegt, / Werf ich nach Willkür ab.« Das Konzept seiner Regie borgte Cass zum Teil von Henry Kiell Ayliff, zum Teil von Orson Welles. Ayliff hatte 1925 am Londoner Kingsway Theatre die Helden aus dem »Hamlet«, 1928 am Royal Court Theatre die Helden aus dem »Macbeth« und aus »Der Widerspenstigen Zähmung« in Kleidung jener Jahre auf die Bühne treten lassen. Welles hatte – für eine Inszenierung des »Julius Caesar« mit der MercuryTheatre-Truppe in New York 1937 – die dramatis personae aus der römischen Antike in das Europa des zwanzigsten Jahrhunderts geholt und die Figuren in Kostüme gesteckt, die den braunen und schwarzen Uniformen in Hitlers Deutschland und Mussolinis Italien glichen. Welles’ Arbeit fand enorme Resonanz, nicht allein in New York, sondern auch in London; der Broadway und das West End standen längst in regem Austausch. Im Programmheft des Q Theatre machte nun Cass durch die Zeile »In Modern Dress« unter dem Titel »Julius Caesar« deut124

lich, dass seine Inszenierung – die am 29. November 1939 im Embassy Theatre Premiere feierte – ebenfalls die Gefahren, ja die Gewalten der Gegenwart auf die Bühne bringen wollte. Ein Zeitungsjunge ruft »Caesar tot! Extranummer«. Zu dessen Trauerfeier kleiden sich die Massen der Römer in graue Regenmäntel; wenig später lassen sie sich von Antonius in Rage reden. Ihren Streit vor der Schlacht tragen Antonius und Oktavius auf der einen, Brutus und Cassius auf der andern Seite über Telefon aus. Gewehre knattern; Flugzeuge brummen. Nach den letzten Worten des Oktavius – »Nun ruft das Heer zur Ruh; laßt fort uns eilen / Und dieses frohen Tags Trophäen teilen« –, die Ende des Jahres 1939 nur wie Hohn klingen, fällt im Embassy Theatre der Vorhang. Walter Hudd in der Rolle des Caesar, Eric Portman in der Rolle des Antonius, David Markham in der Rolle des Oktavius, Godfrey Kenton in der Rolle des Brutus, Clifford Evans in der Rolle des Cassius und Vivienne Bennett in der Rolle der Portia treten an die Rampe und danken für den starken Beifall. Im »Evening Standard« wird Dudley Barker schreiben: »Lob dem Theater, das London ein ungemein mächtiges, ungemein modernes Stück über den Krieg gab.« »Julius Caesar«: Szenographie Bei dem, was den Abend im Embassy Theatre so mächtig, so modern machte, spielte auch die Zweigenthalsche Szenographie ihren Part. Vor einer zig Meter langen, weißen Rundleinwand, die oben wie unten, links wie rechts durch Schienen gestrafft wurde, standen an den Rändern des Portals der Bühne je ein etwa zwei Meter hohes, vorne rundes Podest. Zwischen diesen Plateaus stand eine große, freie Treppe, die um sich selber kreiste und so mit ihrer höchsten Stufe sei es auf das linke, sei es auf das rechte Podest führte. Die Treppe selbst drehte wie ein Fächer nach rechts, hatte also innen eine starke, außen eine schwache Steigung. Das Gestell war Einheit und Vielheit. Den Schauspielern bot es Auftritte noch und noch. Denn durch die Treppe konnten einzelne Figuren gut in den Vorder- oder Hintergrund geschoben, Aufgang und Abgang mit Aufstieg und Absturz verknüpft werden. Kurz, die Architektur der Szene und die Architektur des Dramas konnten einander entsprechen. Ohne die Bedeutung des Bühnenraums von Zweigenthal schmälern zu wollen, kommt der Historiker der Szenographie doch nicht umhin, an dieser Stelle etwas über jenen Typus des Bühnenraums zu schreiben, der unter dem Namen »Jessnertreppe« im Berlin der frühen zwanziger Jahre zu Berühmheit gekommen war. Am Preußischen Staatstheater Schauspielhaus am Gendarmenmarkt hatten 1919 der Intendant und Regisseur Leopold Jessner und der Szenograph Emil Pirchan für eine Inszenierung von Friedrich Schillers »Wilhelm Tell« das lokale Kolorit auf ein Minimum reduziert. Sie hatten auf die Bühne fast

Hermann Zweigenthal, Bühne »Julius Caesar«, in der Mitte Scheibe und Treppe, links und rechts je ein Podest, hinten Rundleinwand, zwei Konzeptskizzen, 1939

nur eine breite Treppe gerückt, die oben und hinten auf eine knappe, flächige Andeutung der Schweizer Alpen führte. Durch diese »Terrassierung des Terrains«, um es mit Pirchans Worten zu sagen, hatten sie die Absicht verfolgt, das Schauspiel in Raum und Zeit von aller historisch korrekten Referenz zu befreien und auf diese Weise die »Natur des Dramas« zu erklären. Gleich Kühnes würden sie im Lauf der nächs­ ten Saisons mit Werken weiterer klassischer Autoren versuchen, bis sie 1924 die anfangs kahle, kühle Stufenbühne bei der Inszenierung von Karl Theodor Bluths »Die Empörung des Lucius« in ein reiches Geflecht von Stufen und Rampen und Böden verwandeln würden. Keine Frage, dass Zweigenthals Bühnenraum für den »Julius Caesar« des Q Theatre im Embassy Theatre unter dem Einfluss der vielen Jessnertreppen stand. Allerdings wusste Zweigenthal dieses Element zum einen durch die Rechtsdrehung der Stufenfolge als solcher, zum andern durch die Links- und Rechtsdrehung der Stufenfolge als ganzer in heftige Bewegung zu versetzen, was bei Jessner und Pirchan nie der Fall gewesen war. Ferner trat bei Zweigenthal zum Raum das Bild, zum Glück ohne dass jener dieses oder dieses jenen um die Wirkung brachte. Die Londoner Aufführung – vor der Pause die Szenen in Rom, nach der Pause die Szenen bei Philippi – gab Zweigenthal die Möglichkeit, die beim »Faust« in Berlin gemachte Erfahrung der Realisierung von Projektionen in einer Weise zu nutzen, von der er 1932 nur hätte träumen können. Schon das Paradox der teils urbanen, teils ruralen Motive – erst Hauptstadt und Bauwerk, dann Landschaft und Schlachtfeld – musste einen Zeichner wie Zweigenthal reizen. Von den wohl fünfzig Dias liegt etwa ein Dutzend noch vor. Die Platten mit der Stadt sind von eher feuriger Poelzigscher, die mit dem Land von eher trockener Neherscher Farbigkeit. Wahrscheinlich hatte Zweigenthal die von Karl Heinz Martin besorgte Inszenierung des »Julius Caesar« an der Volksbühne Berlin 1930 gesehen, da in dieser Produktion einer seiner Freunde, Walter Franck,

die Rolle des Brutus gespielt hatte. Die Bühnenbilder hatte Caspar Neher mit Nina Tokumbet entworfen; die Zeichnungen waren auf den Horizont projiziert worden. Herbert Ihering hatte sich damals in Betracht der gigantischen Panoramen nicht gescheut, von »Alpdruck«, von »Chaos«, ja von »Weltenende« zu schreiben. Auf das heutige Publikum aber würden die Zeichnungen Nehers und Tokumbets eher idyllisch und elegisch wirken, was schon aus der deutlich zentrierenden Ordnung des räumlichen und baulichen Gefüges rührt. Zweigenthal hingegen durchwühlte und durchkreuzte die Stadt der Städte. Seiner Darstellung Roms eignet noch immer die Erregung, ja Bedrohung durch die Geschichte um Caesar, Brutus, Antonius und die Massen des Volkes. Man sieht die prächtige, ewige, heilige Stadt am Tiber als ein zugleich antikes und modernes, zugleich gedrängtes und getürmtes Gebilde. Der Weg führt vom Kapitol, dessen Darstellung einem Scherenschnitt ähnelt, über eine breite Treppe nach unten, wo mal steinerne, mal hölzerne, mal eiserne, mal gläserne Gebäude eines dem andern in die Quere zu kommen suchen. Hier ein paar Bögen wie von Marcello Piacentini, dort ein paar Schwünge wie von Erich Mendelsohn. Steht da nicht eine Hängebrücke? Steht da nicht eine Bahnhofshalle? Steht da nicht ein Gasometer? Die so bizarre wie fragile Collage von Elementen der Architektur wird, um das Gewirr und Gewühl noch zu steigern, in Wetterwechsel sondergleichen getaucht: in Tage und Nächte, in Sonnen und Monde, in Blitze und Donner und Regen. Auch geht es um: Feuer. Die Massen des Volkes stecken Häuser in Brand. Aufgrund ihres Erfolgs konnte die Inszenierung des Q Theatre bald aus dem kleineren Embassy Theatre in das mit etwa 1300 Sitzplätzen weit größere, in Formen der französischen Renaissance nur so schwelgende His Majesty’s Theatre am Haymarket nahe dem Trafalgar Square ziehen. In beiden Häusern stand der damals eben zwanzig Jahre alte Shaun Sutton – später einer der wichtigsten Produzenten und Direktoren der British Broadcasting Corporation (BBC) – Abend für Abend am Pult des Inspizienten. Für ihn, der die technischen Probleme der Vor-

SZENOGRAPHIE UND ARCHITEKTUR FÜR DAS Q THEATRE BRENTFORD 1938–1946

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Hermann Zweigenthal, Bühne »Julius Caesar«, zwei Dias zum Zweck der Projektion

stellung zu lösen hatte, war »Julius Caesar. In Modern Dress« die »am meisten an- und aufregende Produktion« seiner ersten Berufsjahre. Mit der Stufenbühne à la Jessner und Pirchan, mit der Projektion à la Neher und Tokumbet, auch mit der Dialektik von Historizität und Aktualität – wie bei Erwin Piscators Inszenierung von Friedrich Schillers »Die Räuber« und Leopold Jessners Inszenierung von William Shakespeares »Hamlet« 1926 – hatte Zweigenthal das Theater der Weimarer Republik importiert, hatte es von Berlin nach London geholt, wo es bis dahin so gut wie unbekannt geblieben war. Kein Wunder, dass Shaun Sutton, Jahre später in einem Gespräch mit dem Schauspieler und Schriftsteller Kenneth Barrow, all das »sehr neu« nennen würde. Das Q Theatre als Ort der kleinen Leute Die Verbindung von Hermann Zweigenthal auf der einen, Jack und Beatrice de Leon auf der andern Seite blieb nicht auf die Arbeit für »They Walk Alone« und für »Julius Caesar« beschränkt. Doch um die weitere Geschichte der drei Partner zu verstehen, müssen wir den Ort des Geschehens besuchen. Als Zweigenthal, vermutlich in Begleitung von Berthold Viertel, das 126

Q Theatre zum ersten Mal sah, musste er sich wie ein Diplomat gerieren. Alte Freunde wie Lothar Müthel oder Heinrich Schnitzler, gewohnt an den Luxus der städtischen oder staatlichen Theater des Deutschen Reiches, hätten das Q Theatre eine Klitsche genannt; dem werbenden Zweigenthal aber durfte kein Wort der Enttäuschung entgleiten. In der Tat lag der Bau nicht so, dass man – wie bei den Musentempeln des Kaiserreichs – den Stolz der Erbauer und Betreiber sofort gespürt hätte. Dafür war die Gegend nicht fein genug. Wohnhäuser und Kleingärten in Reih und Glied, moderne Fabriken an der Great West Road, Großmärkte, Bahngleise und das Ufer der Themse bestimmten die nähere Umgebung. Gleich vor dem Bau trafen sich die Kew Bridge Road, die Chiswick High Road und die Auffahrt der Kew Bridge; gleich neben dem Bau stand das Star & Garter Hotel; gleich gegenüber dem Bau führten ein Wartehaus und ein Treppenlauf zu einem Bahnsteig der Kew Bridge Station. Der Bau selbst, errichtet wohl in den achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts, war mal Biergarten, mal Hallenbad, mal Tanzcafé gewesen, bevor er 1924 in die Obhut von Jack und Beatrice de Leon

gekommen war, die daraus ein Theater mit knapp fünfhundert Sitzplätzen und einer Bühne von kaum sechseinhalb Metern Breite gemacht hatten. Zwischen 1933 und 1935 war das Gebäude erweitert worden; die Pläne stammten von Charles Reading, Schauspieler und Gestalter in einer Person. Der simple Vorbau hatte das Q Theatre endlich an die Straße gerückt. Zwar hatte er nur ein Geschoss, doch war die Stirnseite um etliches höher. Auf weißer glatter Fläche prangten dort acht schwarze Lettern mit dem Namen des Hauses. Wir wüssten heute nicht, welche Räume die Gäste hinter den Doppeltüren des Eingangs fanden, hätte nicht Dirk Bogarde in seinen Memoiren unter dem Titel »A Postillion Struck by Lightning« den Anfang seiner Karriere am Q Theatre beschrieben. Der schöne Blonde hatte dort im Herbst 1939 als Junge für alles zu arbeiten begonnen, hatte dort sein Geld als Kellner, als Maler, als Souffleur verdient, bevor Jack und Beatrice de Leon ihn auf die Bühne ihres Hauses baten. Bogarde schildert das Foyer und den Klubraum: Mit acht Tischen, zwei oder drei Sesseln, einem langen Sofa, einem kleinen Ofen und einer Bar für Drinks und Snacks war das Ganze nicht eben groß. Künstliches Sei-

tenlicht fiel durch Glasscheiben mit den Köpfen William Shakespeares, Richard Sheridans, George Bernard Shaws und Noël Cowards. Hinter dem Herd stand die »dicke frohe Violet«, bot den Schauspielern wie den Mitgliedern des Klubs Tag für Tag Schinken oder Nieren oder Kotelett vom Grill, dazu Rührei oder Kartoffeln mal mit Bohnen, mal mit Erbsen, mal mit Möhren. Ein Glas Bier durfte nicht fehlen. Auch wer Bogardes Bericht Nostalgie attestiert, kommt nicht da­ rum herum: Einen Klubraum wie im Q Theatre hätte es an deutschen Theatern nicht geben können. Das resultiert aus ihrem in aller Regel städtischen oder staatlichen Charakter sowie aus dem Verhalten ihrer Besucher, die mehr auf Bildung als auf Unterhaltung bedacht waren. Britische Theater hingegen, vor allem die kleinen Häuser, waren häufig als Klub organisiert. Diese rechtliche Verfassung erlaubte einerseits das Umgehen der Zensur durch das Büro des Lord Chamberlain of the Household, anderseits das Ausschenken von Alkoholika ohne Lizenz. Diese ›Löcher‹ im Gesetz des Königreichs wussten auch Jack und Beatrice de Leon zu nutzen. Der Alltag des Q Theatre war von sozialer Kommunikation, nicht von kultureller Repräsentation geprägt.

SZENOGRAPHIE UND ARCHITEKTUR FÜR DAS Q THEATRE BRENTFORD 1938–1946

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Hermann Zweigenthal, Q Theatre, Entwurf eines Neubaus, Aufriss, 1946

Was Zweigenthal bald sehr geschätzt haben muss. Denn anders lässt sich sein Engagement für eine dem Status und dem Programm des Q Theatre adäquate Architektur kaum begreifen. Jahre nach seinem Entwurf eines Theaters für Max Reinhardt fand Zweigenthal noch einmal die Möglichkeit, sein Thema ›Theater als Ereignis zwischen Gesellschaft und Gemeinschaft‹ zu behandeln. Ende 1938 oder Anfang 1939 bekam er von Jack und Beatrice de Leon den Auftrag für einen Um- und Neubau des Q Theatre. Bis Anfang 1940 entstanden zwei schon recht genaue Entwürfe, einer ohne Erhalt des Bauwerks, einer mit Erhalt des Bauwerks für ein Kino, das dem Publikum von Chiswick und Brentford – wie später das Fernsehen – Nachrichten aus aller Welt in täglich neuen, kurzen Streifen bieten sollte. Indes, der Fortgang des Zweiten Weltkriegs zog einen Strich durch alle Pläne; jede größere bauliche Maßnahme wurde unmöglich. Will man die Entwicklung der Entwürfe für das Q Theatre weiter verfolgen, so kommt man nicht umhin, in die nächsten zehn, ja zwölf Jahre zu schauen. Zweigenthal wird Mitte 1940 in die USA auswandern. Er wird sich dort an einen völlig neuen Entwurf für das Q Theatre wagen. Er wird in Briefen an Jack de Leon vom 18. Februar und 12. März 1946 den Versuch unternehmen, seinem alten Auftraggeber die Qualität des Projekts näherzubringen. Er wird dabei das ihm vertraute Q Theatre ein so indigenes wie authentisches »community theatre« nennen, das die Chance habe, sich zum Ort einer »Kristallisation des Sozialen« zu machen. Zweigenthal wird seinen jüngsten Entwurf im Juni 1946 in der amerikanischen Zeitschrift »The Architectural Forum« und im Mai 1949 in der französischen Zeitschrift »L’Architecture d’Aujourd’hui« publizieren. Das Projekt wird 1950 im Rahmen der »International Theatre Architecture Exhibition« des noch jungen International Theatre Institute (ITI) erst in der Maison de la Pensée Française an der Rue de l’Elysée in Paris, dann in der Maison de France am Kurfürstendamm in Berlin gezeigt werden. Aber gebaut wird nicht werden. Das durch die Übertragung der Krönung Königin Elisabeths II. im Jahr 1953 auf einen Schlag ungemein beliebte Fernsehen wird Theater wie das Q Theatre vernichten. 128

1956 werden Jack und Beatrice de Leon den Vorhang ihrer kleinen Bühne zum letzten Mal schließen lassen. 1958 wird das Haus gegenüber der Kew Bridge Station durch Abriss zerstört werden. Modernes Klubtheater, moderner Theaterklub Zur Architektur des Modernismus gehört manches Projekt, bei dem man nicht weiß, ob man bedauern oder begrüßen soll, dass es nur den Weg von der Skizze zum Modell, doch nicht den vom Modell zum Antrag bei der örtlichen Behörde fand. Und Zweigenthals Q Theatre? Dass es nicht gebaut wurde: Man muss es bedauern. Denn es wahrt eine Balance zwischen dem Utopischen und dem Pragmatischen, wie sie nur solchen Bauten eignet, die das Neue versuchen, ohne das Alte zu verwerfen. Diese theatrale Architektur weiß sich auf dem Terrain zwischen dem Bahnhof und der Bahnschlucht im Norden, der Siedlung immer gleicher, kleiner, dunkler Häuser mit schmalen Gärten im Süden gut in Stellung zu bringen. In Bezug auf seine Konstruktion ist das Q Thea­ tre ein bauliches Gefüge mit Böden, Decken, Schalen und Stützen aus Beton; das Dach der Bühne und des Saales hängt an dem Kreuz zweier Rahmen, die mit bloßem Auge zu sehen sind. In Bezug auf seine Funktionen ist das Q Theatre eine Mischung aus Theater und Klub in ein und demselben Bau. Das Theater zeigt sich oben durch die beiden runden Flügel des eisernen Vorhangs der Bühne. Es zeigt sich vorne durch zwei waagrechte Wandstreifen aus Bruch- und Haustein. Solches Material in die Hand zu nehmen war – trotz des Pavillon Suisse der Cité Internationale Universitaire de Paris (CIUP) von Le Corbusier und Pierre Jeanneret 1932, trotz des Pavillons der Möbelfirma Gane auf der »Royal Agricultural Show« Bris­ tol von Marcel Breuer 1936 – für radikale Modernisten noch immer ein Tabu. Die Wandstreifen des Theaters sind aus Flint. Dieser Stein taucht innerhalb kreidiger, kalkiger Gesteine des englischen Südostens auf. Er ähnelt einer Knolle. Er hat innen Farben von chthonischem Charakter, außen Farben von Weiß bis Grau. Er ist innen von glasiger oder wächser-

Isometrie

Längsschnitt SZENOGRAPHIE UND ARCHITEKTUR FÜR DAS Q THEATRE BRENTFORD 1938–1946

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ner Erscheinung, außen von matter, rauer Oberfläche. Er wurde, behauen oder nicht behauen, im späten Mittelalter zur Gestaltung von Gebäuden mit Bedeutung verwendet, wozu vor allem Kirchen zählten. Durch Flint lässt sich ein Stück Wand bauen, das auch in nächster Nähe staubiger, schmutziger Industrie gut altert. Und durch Flint lässt sich eine in Farbe und Oberfläche sehr reiche, mit bestimmter Historie und bestimmten Regionen konnotierte Architektur produzieren. Der Klub zeigt sich oben durch den großen Bildschirm, der – den leuchtenden, laufenden Buchstaben auf und vor den Theatern im West End verwandt – das Programm des Hauses den Passanten annonciert. Er zeigt sich vorne durch eine gläserne Fassade und eine flache, lange Rampe, die von links nach rechts und vom Eingang zum Obergeschoss dreht und steigt. Auf dem Dach dieses Bauteils lädt sommers eine Terrasse zum Verweilen; der Blick führt auf die Themse, die Kew Bridge und die Kew Gardens hinter dem andern Ufer des trägen Flusses. Die Außengestalt des Klubs ist – wahres Entdecken, schönes Erstaunen – in hohem Maße eine Rezeption der Architektur des Kant-GaragenPalasts Berlin 1930. Dessen gläserne Rückseite, dessen doppelte Spirale für die Ein- und Ausfahrt der Wagen, dessen ursprünglich geplanter Dachgarten kehren im Entwurf für das Q Theatre wieder. Schon durch die Nachbarschaft ihrer eher geschlossen wirkenden linken und ihrer eher geöffnet wirkenden rechten Partie macht die schwungvolle Stirnseite des Gebäudes die divergenten Funktionen der Teile des Ganzen klar. Noch die drei Türen, die alle ein wenig gesucht werden wollen, möchten dem Besucher bedeuten, was ihn wo erwartet: Der Eingang links führt auf die Kasse des Theaters und auf eine Reihe von drei kleinen Läden, der Eingang mittig auf eine Rampe zu den Räumen des Klubs im Obergeschoss, der Eingang rechts in ein Restaurant. Bleiben wir noch einen Moment bei jener Art von ›Nebenräumen‹, die hier – weil es sich um ein »community theatre« handelt – von fast gleichem Gewicht wie der Saal, die Außen- und die Innenbühne sind. Im Q Theatre legen sich diese ›Nebenräume‹ in einem Bogen um die Rückwand des Saales und sammeln sich auf einer breiten Zunge zur Rechten des Bogens. Auf der unteren Ebene finden sich neben der Kasse, den Läden und dem Restaurant, die schon erwähnt wurden, ein Raum für Billard und Kartenspiele, eine Fläche zum Tanzen und eine Bar; auf der oberen Ebene finden sich Räume für die Gesellschaft nur von Herren oder nur von Damen, ein Raum für Kleinkunst literarischer oder musikalischer Art, eine Bibliothek und: noch eine Bar. So gut wie alle diese Nutzungen erfolgen innerhalb eines größeren, offenen, räumlichen Gefüges, bei dem nur ein paar leichte, womöglich hölzerne Paravents die Funktionen separieren. Und so gut wie alle diese Nutzungen waren in den Theatern des West End der zwan130

ziger und dreißiger Jahre keine Seltenheit. Das neue Saville Theatre von 1931 und das neue Prince of Wales Theatre von 1937 etwa prahlten: jenes mit einem großen Salon und mit mehreren Vitrinen für die Auslagen von Geschäften; dieses mit einem vierzehn Meter langen Tresen, der – durch seine Front aus mattem Glas – elektrisches Licht auf die spiegelglatte Fläche warf, wo sich die Paare zum Slowfox oder Quickstep trafen. Der Saal, die Bühnen, das Zyklorama Die Grundrisse der unteren wie der oberen Ebene des Q Theatre verraten auf den ersten Blick, dass Zweigenthal kaum Interesse an bloßer Repräsentation hatte. Wer nicht schon eine Weile vor Beginn der Vorstellung über die lange, nach links drehende Rampe in den Klub gelangt ist und sich dort bei Drinks und Snacks unterhalten hat, wer vielmehr erst kommt, wenn schon das Klingelzeichen in den Saal ruft, dem bleiben als Ein- und Aufgang nur die schmalen Treppenhäuser am linken wie rechten Rand zweier Flure, die ›Foyer unten‹ und ›Foyer oben‹ genannt werden könnten, wenn sie den Damen die Chance böten, mit sich, ihrem Schmuck und ihrer Robe zu spielen. Auf der oberen Ebene des Gebäudes führen sieben Türen von der Rückwand des Saales auf flachen Treppen in die Tiefe des Raumes und bis vor das Zyklorama. Es gibt weit über tausend Sitze; jeder lässt sich nach links wie rechts drehen. Das Auditorium wird durch zwei runde Wände gefasst, die auf dem Grundriss als zwei Bögen von Kreisen mit differentem Perimeter vor Augen treten. Hat der Entwurf des Q Theatre schon in der räumlichen Gestaltung der Relation kultureller Funktionen auf der einen, sozialer Funktionen auf der andern Seite manche Qualitäten, die ihn hoch aus der theatralen Architektur der dreißiger und vierziger Jahre heben, so hat er dank seiner Konzeption der Vorbühne und der Hauptbühne, die bei Zweigenthal »Außenbühne« und »Innenbühne« heißen, selten innovative Potentiale. Während noch im neuen Städtischen Theater Malmö von Sigurd Lewerentz, Erik Lallerstedt und David Helldén die Vorbühne – unter dem Einfluss der Reinhardtschen Reformen und des Großen Schauspielhauses Berlin von Hans Poelzig – die Gestalt einer Schürze oder Zunge hat, die von der mittigen Hauptbühne weit in das Auditorium reicht, so führt die Außenbühne im Q Theatre längs der seitlichen Wandungen links und rechts der Innenbühne in großem Bogen bis an die Rückwand des Saales. Die Außenbühne hat auf ihren beiden Seiten je vier Podien, die sich stufen lassen. Auftritte von Schauspielern erfolgen sei es von der Innenbühne, sei es von Treppen aus dem Raum unter der Außenbühne. Die erwähnten seitlichen Wandungen dienen einer dem Breitwandfilm ähnlichen, beinahe gigantischen Projektion.

Hermann Zweigenthal, Q Theatre, Vision des Theaters als Ereignis zwischen Gesellschaft und Gemeinschaft SZENOGRAPHIE UND ARCHITEKTUR FÜR DAS Q THEATRE BRENTFORD 1938–1946

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Um das Zentrum des Q Theatre, um die Innenbühne mit dem Zyklo­ rama zu begreifen, müssen wir uns kurz mit ein paar technischen Aspekten modernen Theaters befassen. In dem Bemühen, die Darstellung offener Landschaften und hoher Himmel von der oft nur schäbigen Malerei auf Soffitten, Kulissen und Prospekte zu befreien, hatte der spanische Designer und Techniker Mariano Fortuny y Madrazo Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts erst textile, dann steinerne Viertelkugeln auf die Hinterbühne einiger größerer Theater bauen lassen. Die glatte, weiße Innenseite dieser Kuppeln wurde auf solche Weise mit elektrischem Licht versorgt, dass der Eindruck tiefer, ferner, leerer Räume entstand, wo Himmel und Erde sich treffen. Für das Deutsche Opernhaus Charlottenburg war 1912 auf Basis der Erfindung Fortunys eine Viertelkugel aus Rabitz gebaut worden, die wegen ihres leichteren Gewichtes von hinten nach vorne bewegt werden konnte. Aufgrund seines Bühnenbildes für eine Produktion der Oper »Der Mantel« von Giacomo Puccini 1924 muss Zweigenthal dieses Zyklorama gekannt haben. Die Möglichkeit der Darstellung erst nur sphärischer Momente, dann auch – wie bei den Projektionen Nehers und Zweigenthals – monumentaler Architekturen oder städtischer und ländlicher Orte auf der hellen Fläche eines Zykloramas hat freilich ihren Preis. Wenn das die Bilder tragende Element die Bühne im Viertel-, ja im Halbkreis hinten wie an den Seiten schließt, dann kann es dem Auftritt der Spieler im Wege stehen. Auch das Ambiente der Bourgeoisie in den Dramen von Henrik Ibsen bis Gerhart Hauptmann und alle Bühnenräume, die primär mit Körpern wie Kuben, Quadern und Zylindern, also mit genuiner Architektur operieren, können in Schwierigkeit geraten. Die Innenbühne des Q Theatre aber ist auf die hier benannten Probleme gefasst. Ihr stählerner Unterbau ist als Dreh- und Hubbühne entworfen. Jeder ihrer beiden Böden hat einen Durchmesser von etwa zwölf Metern und ist schon kraft seiner Spielfläche von etwa 113 Quadratmetern, die manches Kommunaltheater der fünfziger oder sechziger Jahre nicht erreicht, für den Aufbau authentischer Interieurs des neunzehnten oder zwanzigsten Jahrhunderts groß genug. Jeder ihrer beiden Böden hat sechs Sektoren, die sich auf gleich welche Höhe schieben lassen. So können in, an, auf den hohlen ›Tortenstü­ cken‹ drei, fünf, sieben oder mehr Räume – auch solche mit unterer und oberer Etage – gebaut und durch Drehung der Scheiben nach vorne gerückt werden. Das Zyklorama deckelt das Ganze wie eine hohe ›Tortenglocke‹. Die schwere Hülle lässt sich drehen. Ihre nicht eben kleine Öffnung dient als Portal. Im Brandfall haben zwei Schalen die Aufgabe des eisernen Vorhangs; sie gleiten auf schrägen Schienen von der linken wie rechten Seite der Hülle nach vorn und trennen die Innen- von der Außenbühne. 132

Hermann Zweigenthal, Q Theatre, Zyklorama mit Bühnenräumen zu Robert Vansittarts Schauspiel »On the Run«

Q Theatre, Vision des Theaters mit Parkett und Bühne

Totales Theater Die theatrale Architektur der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, wo sie von Tradition und Konvention sich emanzipieren wollte, wollte die »Einheit von Spielraum und Schauraum«, um es mit einem Schlagwort aus dem Umkreis von Walter Gropius und Erwin Piscator zu sagen. Die Lösung der Trennung von Szene und Parkett, ja die Sprengung von Portal und Rampe sollte den Weg zu einem quasi totalen Theater bereiten, bei dem jeder von Spiel, Bild und Raum erfasst, schließlich der Zuschauer in die Rolle des Schauspielers, der Schauspieler in die Rolle des Zuschauers gedrängt werden würde. Ob das Theater für Max Reinhardt oder das Q Theatre, auch Zweigenthals Entwürfe sind Teil dieser heftigen Entwicklung. Das Interesse des Architekten galt vor allem den konzeptionellen Innovationen Marcel Breuers, einerseits dem Entwurf für das mit viertausend Sitzplätzen sehr große Ukrainische Staatstheater Charkow 1930, anderseits dem Um- und Anbau eines Bauwerks für das mit

hundertzwanzig Sitzplätzen sehr kleine Theatre Studio London 1937. Über jene wie diese Arbeit ließ sich Zweigenthal aus erster Hand informieren. Mag ihn an dem von Michel Saint-Denis geführten Theatre Studio die Lösung technischer Probleme auf engstem Raum bewegt haben, so waren der flache Keil und hohe Block des Ukrainischen Staatstheaters – das Zweigenthal nach eigenem Bekunden sehr mochte – unter mehr als nur einem Aspekt von Belang. In Gestalt und Akustik der Salle Pleyel in Paris verwandt, sollte das Ukrainische Staatstheater nach Breuers Willen die Handlung der Massen möglich machen. Dass sich die typisch sowjetischen Ideale der dreißiger nicht mit dem typisch britischen Theater der vierziger Jahre vertragen würden, war Zweigenthal zweifellos klar. Dennoch lohnte sich das Studium des Breuerschen Projekts: wegen dem Konnex von Szene und Parkett durch die vielen langen Gassen von ganz hinten nach ganz vorne; wegen den Klapp- und Drehstühlen, die

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den Blick nach scharf links und scharf rechts erlauben; wegen dem Konzept, auf Dekor weitgehend zu verzichten; wegen dem System der Seitenbühnen in Pasternostern, die einen raschen Wechsel von Bühnenräumen gestatten. Lange nach dem Entwurf des Q Theatre wird Zweigenthal, unter dem Titel »La scène ouverte« in Heft 23/1949 der Zeitschrift »L’Architecture d’Aujourd’hui«, seine Utopie von Theater erläutern. Er wird erklären, die im Schnürboden versteckte, hypertrophe Maschinerie habe die Beziehung von Schauspieler und Zuschauer beschädigt. Um den Kontakt von Szene und Parkett wieder zu beleben, müsse die Bühne befreit werden. Zweigenthals Plädoyer für die nackten Bretter wird jenem Plädoyer gleichen, das Peter Brook Jahre später halten wird. In seinem Buch »Der leere Raum« wird der englische Regisseur behaupten, das Theater bedürfe nur des Schauspielers und des Zuschauers: Einer müsse durch den Raum gehen; einer müsse ihn sehen; mehr brauche man nicht, um Theater zu haben. Der Profession des Architekten treu, wird Zweigenthal in seinem Beitrag für »L’Architecture d’Aujourd’hui« natürlich auf der räumlichen Gestaltung der Beziehung von Schauspieler und Zuschauer beharren. Anders als die früheren Reformer des Theaters – die in Deutschland von Hans Poelzig über Walter Gropius bis Marcel Breuer reichen – wird Zweigenthal nicht vorschlagen, die Schauspieler mit den Zuschauern zu umgeben. Er wird vielmehr vorschlagen, die Zuschauer mit den Schauspielern zu umgeben. Und er wird vorschlagen, den Ort der Handlung primär durch Projektion auf das Zyklorama vor Augen zu führen, auf dass die nun freie Bühne – endlich – allein der Aktion der Akteure diene. Vor den Reformern die Zweiheit, nach den Reformern die Einheit von Spielraum und Schauraum. Zweigenthal stand in den vierziger Jahren nicht auf jener noch auf dieser Seite. Er war Utopiker und Pragmatiker mit ein und demselben Engagement. Das Q Theatre favorisiert durch sein Programm von Außenbühne, Innenbühne und Zyklorama eine Art theatraler Dialektik, die das Alte und Neue zwanglos versöhnt. Dass es nie aus dem Stadium des Projekts kam, nie seine innovativen Potentiale zur Geltung bringen konnte, ist der Entwicklung des Mediums Theater im Verhältnis zu den andern Medien geschuldet. Das Q Theatre kam zu spät. Ein Unglück, was sonst. »Feindliche Ausländer« vor dem Aufbruch in die USA Als die Zweigenthals im März 1938 in die linke Hälfte des Doppelhauses 20, Carlton Hill, St. John’s Wood, London NW8 und damit in eine zum Wohnen wirklich gute Gegend zogen, war dies auch ein Zeichen ihrer Hoffnung, auf Dauer in der Kapitale Britanniens bleiben zu können. Diese Hoffnung aber wurde rasch getrübt. Gleich nach dem 134

»Anschluss« Österreichs gab der Architekt und Szenograph seinen Reisepass in der Botschaft seines Heimatlandes ab, da er kein Bürger des Deutschen Reiches werden wollte. Im Sommer 1938 rückte die Krise der Tschechoslowakei den Krieg näher und näher. An größere Aufträge war wegen der Lähmung des englischen Baumarktes kaum noch zu denken. Im September 1938 stellte Zweigenthal daher den Antrag auf ein Visum in die USA. Im Jahr zuvor waren Gropius und Breuer nach Cambridge / Massachusetts, László Moholy-Nagy nach Chicago / Illinois gelockt worden. Die Politik des »New Deal« schien die Möglichkeit der Anstellung auch von Ausländern geschaffen zu haben. Warum nicht wagen, in Amerika Fuß zu fassen? Vorläufig konnte Zweigenthal froh sein, mit der Bühne für »They Walk Alone«, mit dem Entwurf des Q Theatre, mit der Ausstellung »Road Architecture. The Need for a Plan«, mit dem Entwurf des Hauses Jolowicz und mit der Bühne für »Julius Caesar« genügend beschäftigt zu sein. Als Freund geselliger Gesellschaften lud Zweigenthal auch in jenen Tagen gern ein. Von Mitte bis Ende 1939 kam eine Reihe von Künstlern – aus Prag der Maler Oskar Kokoschka, aus Wien die Bildhauerin Anna Mahler, aus Ägina der Schriftsteller Nikos Kazantzakis, aus London der Regisseur André van Gyseghem – mehrfach zu trauten abendlichen Runden in das Haus 20, Carlton Hill. Keine Frage, dass die Gäste auch über den Krieg sprachen. Doch bald nachdem er gekommen war, war die anfangs große Furcht vor deutschen Bomben auf das Herz und Hirn des British Empire Gefühlen gewichen, die viele Bürger von einem »phoney war«, das heißt von einem »Scheinkrieg« sprechen ließen. Nicht ein Alarm rief in den Keller; nicht eine Lebensmittelkarte wurde verteilt; Theater und Kinos standen nach drei Wochen Pause wieder offen. Für die etwa 62 200 Deutschen und etwa 12 000 Österreicher aber, die ohne British Passport im Lande lebten und wohl nur bei der Polizei registriert waren, wurde die Lage von heute auf morgen prekär. Ab September 1939 wurden in England, Schottland und Wales rund hundertzwanzig Tribunale exekutiert, bei denen alle Männer und Frauen unter den Immigranten von Richtern nach politischen Kriterien klassifiziert wurden. Hatten sie Sympathien für Adolf Hitler, kamen sie in Gruppe A; war man ihrer Treue zur Krone nicht sicher, kamen sie in Gruppe B; war man ihrer Treue zur Krone sicher, kamen sie in Gruppe C. Die Behörden hatten den »enemy aliens« – ohne Achtung ihrer Herkunft und Stellung hießen sie amtlich »feindliche Ausländer« – die Vorlage schriftlicher Zeugnisse empfohlen. Für Zweigenthals »Integrität« und »Loyalität« bürgte der Architekt Ronald A. Duncan. Wenn Zweigenthal die Möglichkeit bekäme, so Duncan in einem Schreiben vom 28. September 1939, würde er »der Sache dieses Landes mit voller Kraft dienen«.

Deutsche und Österreicher der Gruppe C, die den weitaus größten Teil der enemy aliens bildeten, blieben von Internierung vorerst verschont. Freilich begann schon im Januar 1940 eine aggressive mediale Propaganda zur Schaffung eines ausländerfeindlichen Klimas. Massenblätter wie »Daily Mail« und »Daily Sketch« oder wie »Sunday Dispatch« und »Sunday Express«, deren Journalisten das »Dritte Reich« bis dahin für manches gelobt hatten, schrieben nun üble Geschichten, streuten nun üble Gerüchte. Jeder Flüchtling ein Spion, jeder Immigrant ein Saboteur, diese Logik griff umso mehr, als nach den deutschen Bomben auf Rotterdam im Mai 1940 die Zeitungen des Boulevards von einer »Fünften Kolonne« sprachen, die das Ihre zur Niederlage der Niederländer getan habe. Nachdem im Juni 1940 auch Frankreich in deutsche Hände gelangt war, drängten britische Militärs auf die baldige Verhaftung aller Männer und Frauen deutscher, österreichischer und italienischer Herkunft. Premierminister Winston Churchill gab die Losung: »Collar the lot!« Die infame Parole »Allesamt einsacken!« kam einem Freibrief gleich. Denn von nun an wurden die feindlichen Ausländer verhaftet, wo und wann immer Polizei und Militär sie fassen konnten. Man suchte die enemy aliens auf Straßen und Plätzen, in Büros und Läden; man klingelte die feindlichen Ausländer zu später Abend- oder früher Morgenstunde aus dem Schlaf. In seiner im Herbst 1940 publizierten Streit-, ja Kampfschrift »The Internment of Aliens« konnte der junge Londoner Soziologe François Lafitte von zahllosen Beispielen schreienden Unrechts berichten. Am 13. Juli 1940 etwa sei eine Gruppe Polizis­ ten, Mitglieder der Abteilung Verbrechensbekämpfung, gegen 13h30 in die Städtische Bücherei von Hampstead gedrungen und habe dort alle Deutschen und Österreicher verhaftet. Dann habe man, so Lafitte, die Flüchtlinge zu ihren Wohnungen begleitet, wo man sie genötigt habe, sofort ihre Koffer zu packen und von ihren Lieben Abschied zu nehmen. »Ich sage mir von einem Tag zum andern: / ›Dies ist der letzte, der es mir erlaubt, / noch einmal ungestört im Park zu wandern‹, / und habe doch nie recht daran geglaubt, / daß die Minute einmal wahr sein könnte, / da mich das bißchen Sicherheit verließ, / der schwache Schutz, den mir die Welt noch gönnte, / bevor sie mich ins Ungewisse wies. / Als hätte ich mich frevelhaft vergangen, / bin, ohne Schuld, ich peinlich im Verdacht, / vielleicht im nächsten Augenblick gefangen / und um den Schein an Freiheit noch gebracht, / der Freiheit, derentwegen ich entsagte / und mich der heimatlichen Hut entschlug, / die Flucht in das mir Unbekannte wagte, / der Fremde Unzulänglichkeit ertrug, / um hier nun, in der Freiheit Mutterlande, / in dem ich mich in Freundesland gemeint, / zu meiner und der ganzen Menschheit Schande / mißtrauisch gleichgesetzt zu sein dem Feind. / Wie bitter

fühlt die Hoffnung sich betrogen! / Die Seele, leicht verletzbar, faßt es nicht, / daß man ihr plötzlich das Vertraun entzogen, / den Gottesfrieden ungekündigt bricht. / In Acht getan von jedem Menschenbunde, / von denen auch, die meine Sehnsucht liebt, / frag’ ich mich von Sekunde zu Sekunde: / ›Ist dies die letzte, die mir Atem gibt?‹« Diese Zeilen sind die Zeilen eines Gedichts unter dem Titel »Wie lange noch?«. Sein Autor ist der ostdeutsche Schriftsteller Max Herrmann-Neiße, der 1933 von Berlin nach London geflohen war und dort eine Wohnung in der Nähe des Hyde Park genommen hatte. Das Gedicht entstand 1940. Es spiegelt Gedanken und Gefühle wider, die wohl jedem Deutschen und Österreicher – erst recht einem so anglophilen Mann wie Zweigenthal – im London der Wochen nach Ende des »phoney war« vertraut waren. Der Architekt und Szenograph wird seine Lage Mitte Mai 1940 kaum anders empfunden haben als HerrmannNeiße. Allein aus dem Umstand, dass Zweigenthal zu dieser Zeit im Auftrag staatlicher Instanzen mit Luftschutzbau befasst war, rührte – wie er später schreiben würde – die »Gunst« der Wahl zwischen Internierung und Exilierung. Unter großer Mühe und in der knappen Frist von Mitte Juni bis Mitte Juli 1940 gelang es Zweigenthal, sich selbst, seiner Frau und seinen beiden Kindern Visa für die Dominikanische Republik und für Schanghai sowie Transvisa für Kanada zu beschaffen. Ein Platz auf einem Schiff war damals nur auf dem Schwarzmarkt zu kaufen. Für vier Personen musste Zweigenthal ein Agio von hundertsechzig Pfund zahlen. Um dem Leser eine Idee von der Höhe des Aufgelds zu machen, sei am Rande erwähnt, dass die Pacht des Hauses in St. John’s Wood pro Jahr nur fünfundzwanzig Pfund mehr betrug. Als der Möbelwagen mit dem Hab und Gut der Zweigenthals noch vor der Tür stand, wurde sein Inhalt von der Polizei kontrolliert. Manche Kiste, mancher Karton musste bleiben, weil die Herren glaubten, die Boxen könnten Objekte enthalten, die einem Spion dienen könnten. Zweigenthal verließ Britannien auf einem Frachter, der am 18. Juli 1940 aus dem Hafen von Liverpool lief. Frau und Kinder folgten zwei Wochen später. Ein großer Teil der Einrichtung des Zweigenthalschen Büros und so gut wie alle Zeichnungen seines architektonischen und szenographischen Œuvres folgten auf dem Frachter »Ville de Gand«. Das Schiff wurde am 18. August 1940 von einem deutschen Torpedo getroffen und sank.

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13  EIN STAATENLOSER IN NEW YORK UND CAMBRIDGE 1940–1945

Erna Herrey mit den Söhnen Julian und Antony, Anfang 1940er

Wie unstet der Alltag Hermann Zweigenthals und seiner Familie im Jahr 1938 war, mag folgender Widerspruch zeigen: Im März 1938 zog er mit Frau und Kind in das Haus 20, Carlton Hill, St. John’s Wood, London NW8. Damals hatte er noch Hoffnung auf langes Bleiben in der Kapitale Britanniens. Das Haus war groß; er wollte die fünf Jahre zuvor eilends in die Schweiz transportierten Mobilien nach London holen. Im September 1938 aber stellte der Architekt, Designer und Szenograph – einerseits aufgrund der Krise um die Tschechoslowakei, anderseits aufgrund des Beispiels von Walter Gropius und Marcel Breuer, die ihrem Gastland den Rücken gekehrt hatten – einen Antrag auf ein Visum in die USA. Noch plante er nur eine Reise von mehreren Monaten; doch dachte er, ohne es schon laut zu sagen, sicher auch an die Möglichkeit eines dauernden Aufenthalts in Amerika. Hermann Zweigenthal, Hermann Herrey-Zweigenthal, Hermann Herrey: Das Prekäre der Existenz dieses Mannes kommt auch im Wandel seiner Namen zum Ausdruck. Bis zum Tod seiner Frau Dorothee hatte er überall Hermann Zweigenthal geheißen. Gegen Ende der drei136

ßiger Jahre fing er an, sich im Publiken Hermann Herrey-Zweigenthal, im Privaten Hermann Herrey zu nennen. »Herry« hatte ihn seine Mutter in Wien genannt. Und »Hermann Herrey« war, allein wegen des gleichen Anlauts beider Teile des Namens, ein schöner Künstlername, der sich deutsch wie englisch leicht sprechen ließ. Weshalb er in den Programmheften des Q Theatre stand und er in den USA der eigentliche Name des Immigranten werden würde. Zwei Briefe aus Amerika Trotz des nahenden Weltkriegs hatte Herrey Mitte 1939 gut zu tun. An der Straße Maresfield Gardens sah er den Neubau von Haus Jolowicz aus dem Boden wachsen; für das Q Theatre schuf er die reichen Bühnenbilder zu »Julius Caesar«. In diese entwurfliche und künstlerische Aktivität platzten binnen kaum einer Woche zwei Briefe aus den USA. Der erste, datiert 8. Juli 1939, stammt von Heinrich Schnitzler; der zweite, datiert 13. Juli 1939, stammt von Olga Schnitzler. Sohn und Mutter hatten Wien bald nach dem »Anschluss« Österreichs verlassen und lebten nun beide in New York.

Heinrich lässt den Freund aus frühen Tagen wissen, dass er und seine Frau »sehr gern« in den USA weilen und dass sie »dieses Land zu lieben beginnen«. Man dürfe nicht zurückdenken, meint Heinrich, klagt jedoch schon mit den nächsten Worten, dass ihm und seiner Frau Lilly die Wiener Wohnung, die Möbel und die Bücher »sehr schmerzlich fehlen«. Kontakte zum Theater, so Heinrich, seien bisher trotz seines guten Namens und Rufes ohne »praktisches Resultat« geblieben. Die Zukunft sei wenig gewiss. »Aber man gewöhnt sich auch an diesen Zustand. Wenn es erst einmal Arbeit geben sollte, werden wir auch wieder glücklich sein können.«

Olga ist, was ihren Eindruck von New York betrifft, längst nicht so optimistisch wie Heinrich, obwohl auch sie keine Mühe scheut, den Herreys das Potential Amerikas deutlich zu machen: »Meine lieben Freunde, wenn ich Euch so lange nicht geschrieben habe, so ist das ein Zeichen, daß es mir schwer war, mich zurecht zu finden. Ich war am Anfang so voller Protest gegen diese neue Welt, ich hatte so sehr das Gefühl, nicht hierher zu gehören, daß mir die Worte wegblieben. Es ist gar nicht so schnell zu sagen, wie anders hier alles ist. Mißverständnis ist noch das Günstigste, denn da ist noch etwas von Verständnis. Aber im Ganzen befindet man sich ungefähr auf dem Mars.« Was den Alltag so schwierig mache, sei nicht allein die sommerliche Schwüle New Yorks, sondern auch das geschäftige geschäftliche Treiben unter den Wolkenkratzern, wo jeder und jede nur auf das Geld schaue. Auch an der Art der Finanzierung von Kultur übt Olga Kritik: »Die großen Stiftungen hier sind kaum etwas anderes als ein Loskauf vom Neid des Pöbels. Ich möchte schon einmal den Menschen treffen, dem ein Buch in Fleisch und Blut sitzt.« Dennoch lebe in den USA »eine Menschheit, die – am Anfang und nicht am Ende einer Entwicklung

stehend wie Europa – noch allerhand in sich aufnehmen kann. Man muß also nicht verzagen. Jeder, der das Land kennt, wird Ihnen berichten, wie stürmisch sich New York in den letzten zehn Jahren aufwärts entwickelt hat.« Vielleicht könne ja die »Sturzflut« von »Kulturträgern«, die nach Amerika geströmt sei, zum Guten genutzt werden. »Es handelt sich darum, diese Kräfte in irgendeiner Form in die Adern dieses Volkes münden zu lassen.« Zwischen den Städten War das ein Aufruf? Herrey dachte nicht im Traum daran, Amerika Kultur zu lehren, als er nach zwölf Tagen Reise am 30. Juli 1940 in Montreal eintraf. In der kanadischen Metropole war er Gast von John Bland, dem Dozent an der School of Architecture der McGill University und Freund aus den Tagen der Londoner Ausstellung »Road Architecture. The Need for a Plan«. In Montreal hielt Herrey ein paar Vorträge über Architektur und Szenographie; vor allem jedoch wartete er dort auf die Erlaubnis zur Einreise in die USA. Das Visum wurde schließlich gewährt; am 26. Oktober 1940 kamen Herrey und seine Frau Erna mit den beiden Kindern Antony und Julian in New York an. Ohne dass sie es hätten ahnen können, lagen drei harte Jahre des Umbruchs, des Aufbruchs, des Abbruchs vor ihnen. Was der Essayist E. B. White am Ende des Jahrzehnts in seinem Büchlein »Here is New York« von den New Yorkern schreiben würde – dass sie in Manhattan als dem »größten humanen Konzentrat auf Erden« zu überleben, dass sie Chaos und Panik mit Energie und Disziplin zu überwinden wüssten –, all das mussten die Immigranten binnen kurzem lernen, wenn sie nicht untergehen wollten. Nach seiner Ankunft in den USA ließ Herrey eine Weile offen, ob er sich in New York oder in Cambridge niederlassen würde. Für beide Orte gab es Gründe. In New York traf die Familie auf entfernte Verwandte, auf einige Bekannte und, so schien es, auf eine Metropole voller Möglichkeiten. In Cambridge lehrten an der Graduate School of Design (GSD) der Harvard University mit Walter Gropius, Martin Wagner und Marcel Breuer drei Männer, die Herrey zum Teil im Kontext der Berliner Ausstellung »Sonne, Luft und Haus für Alle«, zum Teil im Kontext der Londoner MARS Group kennengelernt hatte und von denen er nun im Stillen hoffte, sie würden eine wenn auch nur kleine Stelle für ihn finden. Nach eigenem Bekunden kam Herrey während des ersten Vierteljahres in Amerika mit so vielen Menschen wie nie zuvor in seinem Leben in Kontakt. Doch für Jahre würde alle Mühe um eine Erlaubnis zum Arbeiten sei es als Architekt, sei es als Szenograph ohne Erfolg bleiben. Im Geiste noch schwankend zwischen der Perspektive New York und der Perspektive Cambridge, erhält Herrey einen Brief von Wagner. Verfasst am 10. Januar 1941 – vier Tage nach der Vier-Freiheiten-Rede

EIN STAATENLOSER IN NEW YORK UND CAMBRIDGE 1940–1945

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Franklin D. Roosevelts, in welcher der Präsident die Notwendigkeit der Verteidigung der USA gegen die Aggression der Achsenmächte Deutschland und Italien betont –, wählt Wagner durch seine mit dem Namen Zweigenthal spielende, launige Anrede »My dear Branchvalleys« eingangs einen Ton, der die Härte des Schreibens indes nur ein paar Zeilen lang versteckt zu halten vermag. An der GSD seien vier von neun Professoren deutscher Herkunft; Dekan Joseph Hudnut »könnte ebenso gut Selbstmord begehen, wenn er versuchen wollte, durch weitere Engagements die Minorität in eine Majorität von Deutschen zu verwandeln!«. Die Drohung der Internierung in Britannien noch im Kopf, liest Herrey, was Wagner über die Zukunft der Immigranten mutmaßt: »daß die Amerikaner uns alle vorerst durch ein Konzentrations­ lager schicken, in dem die Schafe von den Böcken getrennt werden. Daß Amerika in zwei oder drei Monaten mit Deutschland im Kriege sein wird, scheint mir gewiß zu sein.« Wiewohl selber noch ohne Halt in der Neuen Welt, kämpft Herrey gegen Wagners dunkle Stimmung und gibt dem »lieben Doktor« wenig später zur Antwort: »Ich habe den Aberglauben, daß in allem Geschehen Actio und Reactio aufeinander folgen und schließlich einem Zustand der Balance zustreben. Wir haben doch trotz allem gute Chancen, diesen Prozeß zu überstehen, und selbst wenn es uns schüttelt, man kann sich doch nicht für seinen Tod schonen.« Leben in Riverdale und Flushing Während der ersten Wochen ihrer New Yorker Jahre wohnten die Herreys unter der Adresse 133 East 69th Street bei Elsa Herzfeld Naumburg, die sich den Verwandten verbunden fühlte und daher auch das Affidavit unterschrieben hatte. Ohne die Erklärung eines Bürgers der USA, dass die Herreys nicht von staatlicher noch von städtischer Hilfe leben, sondern ihren Unterhalt allein bestreiten würden, wäre ihnen kein Visum erteilt worden. Später zogen Vater, Mutter, Sohn und Sohn in eine Wohnung unter der Adresse 5400 Fieldston Road. Die eben erst fertige, größere Anlage mit drei Flügeln im Stil der Tudors liegt in Riverdale, im Westteil von Bronx, hoch im Norden New Yorks. Kurz nachdem Erna Herrey auf eine Vertretungsprofessur im Fach Physik an das Queens College der City University of New York (CUNY) berufen worden war – und die Herreys zum ersten Mal in Amerika über ein zwar geringes, doch sicheres Einkommen verfügten –, zog die Familie am 1. Oktober 1942 in eine Wohnung unter der Adresse 148 11B 29th Avenue. Das Haus steht in einer Reihe damals neuer, hübscher Bauten mit Erd-, Obergeschoss und Flachdach. Die bräunlichen Fassaden mit weißen Türen und Fenstern ähneln georgianischen Architekturen. Dank der Nähe zum Untergrundbahnhof Main Street hatten die Herreys zwar keine Mühe, in New York auch ohne Automobil 138

von hier nach da, von da nach hier zu fahren; doch die Main Street war nur die Main Street von Flushing, das im Nordteil von Queens, weit im Osten New Yorks liegt. Herrey hätte gern in der Midtown Manhattans gewohnt. Ja, er hätte dort wohnen müssen, um mit jenen Leuten in Kontakt zu kommen, mit denen er in Kontakt kommen wollte. Aber eine Wohnung im Herzen New Yorks konnten sich die deutschen Immigranten nicht leisten. Der Literat und Philosoph, Skeptiker und Humanist Ludwig Marcuse, von Berlin über Sanary-sur-Mer nach Los Angeles emigriert, schreibt in seinen Memoiren unter dem Titel »Mein zwanzigstes Jahrhundert«, der Aus- und Einwanderer wider Willen führe stets ein Leben zwischen erster und zweiter Heimat. Akkulturation und Assimilation sind demnach dauernde Vorgänge zwischen Identität und Alterität. Dass sich, wie Marcuse erklärt, der sensible Immigrant in manches sehr, in manches kaum, in manches nicht füge, gilt für künstlerisch schaffende Personen in besonders hohem Maße. Nehmen wir das Beispiel Herrey: Einerseits bestand er darauf, dass seine Söhne in der Wohnung nur deutsch sprachen – für die Freunde der Kinder die Sprache des Feindes –, während etwa in der Wohnung des Flüchtlings Erich Schatzki, den er aus den Jahren in Berlin kannte, nur das Englische willkommen war. Anderseits wurde er aufgrund seines Umgangs mit einigen an der Harvard University tätigen Gelehrten – dem Astronomen Harlow Shapley, dem Politologen und Soziologen John Merriman Gaus, dem Pädagogen und Philosophen Robert Ulich – bald zu einem amerikanischen Citizen, dessen kommunales politisches Interesse in ein Verlangen nach Teilhabe an städtischen Belangen mündete. In seinem Vortrag »Über die Zukunft unserer großen Städte«, den er am 10. November 1943 in Boston hielt, wagte Herrey in genau dieser Richtung eine klare Kritik. Vor den Mitgliedern der renommierten American Academy of Arts and Sciences führte der Redner aus: »Wir sind heute nicht weniger als früher fähig, unsere öffentlichen Sachen und Sorgen richtig einzuschätzen und auszudrücken. Aber Feiern, Sitten und Bräuche wichen monströsen Festivals und Paraden, nach denen die Massen gierig greifen, weil sie nach Gemeinschaftsaufgaben hungern. Sie wünschen den Schauer zu fühlen, wollen Teil eines großen Ganzen werden, das sie alle ergreift. Es geht hier um Menschen mit dem Drang, jene mit lautem ›Heil!‹ herbei zu rufen, von denen sie die Vertretung ihrer eigenen Gedanken und Gefühle erhoffen, weil sie selbst keine öffentliche Gelegenheit dazu haben. Sie werfen Tonnen Papier aus dem Fenster und winken aus gefährlichen Höhen hinab. Doch wer ist denn da unten? Der Rundfunk und die Zeitung melden es einem. Aber kann man sicher sagen, ob es Franklin D. Roosevelt oder Greta Garbo in Gestalt und Kleidung von Charles Lindbergh ist?«

So ironisch-distanziert äußerten sich damals auch Max Horkheimer und Theodor W. Adorno. Hätte Herrey seine Kritik etwas komplexer formuliert, seine Sätze könnten aus dem Kapitel »Kulturindustrie« in dem Buch »Dialektik der Aufklärung« stammen, dessen Manuskript die beiden Autoren etwa ein halbes Jahr nach Herreys Auftritt in Boston zum Abschluss bringen würden. Was Horkheimer und Adorno mit Kulturindustrie meinten, war: Theater, Cinema, Radio, Magazin unter dem Primat des Profits. Wie viel Dünkel mit solcher Haltung gegen die Boulevards von Manhattan auch verbunden gewesen sein mag, betrachtet vor dem Hintergrund bürgerlicher Bildung auf dem Gymnasium – die einem Herrey und vielen Exilanten deutscher Sprache »in Fleisch und Blut saß«, um den Ausdruck Olga Schnitzlers zu wiederholen –, war solcher Hochmut gegen alles nur Kommerzielle und Konformistische ein Stück renitenter kultureller Distinktion. Arbeit suchen Es versteht sich, dass Herrey gleich nach seiner Ankunft in New York begann, heftig nach Arbeit zu suchen. ›Zwar ist meine Vorstellung, mich dem Broadway mit meinen Bühnenbildern für Berliner und Londoner Theater zu zeigen, durch den Verlust sämtlicher Zeichnungen beim plötzlichen Untergang des Frachters Ville de Gand am Krieg gescheitert; doch kann meine Ausstellung Road Architecture in den USA erweitert und verbessert wiederholt werden.‹ So etwa muss Herrey Ende 1940 gedacht haben, um sich Mut zu machen. Anfang 1941 bot er Idee und Konzept dieser Schau einerseits in Cambridge der Harvard University, anderseits in New York der Regional Plan Association, dem Museum of Modern Art (MoMA) und dem Museum of Science and Industry an. Der dortige Direktor wollte »Road Architecture«, auf achtzig Tafeln beschränkt, gar auf Wanderschaft nach Buffalo, Chicago, Philadelphia, Pittsburgh und Baltimore schicken. Herrey aber reflektierte primär auf das MoMA. In dessen Umkreis fanden der Architekt Philip L. Goodwin, der Herausgeber der Zeitschrift »The Architectural Forum« Howard Myers, der Architekt und Publizist Walter B. Sanders und der spanische Architekt und Immigrant José Luis Sert Interesse am Thema des Projekts. Herrey selbst präsentierte dem Museum Mitte 1941 eine bewegte Gestaltung, wie er sie schon in London gern verwirklicht hätte. Sein Entwurf bot mit den mal schwachen, mal starken Kurven heller weißer Wände wechselnde Panoramen und Perspektiven, ahmte mit Rundblicken und Durchblicken nach, was für die Fahrt im Auto typisch ist. Ein Jahr später war das Vorhaben hinfällig. Dafür gab es drei Gründe: die Kosten, die »World’s Fair«, den Krieg. Das MoMA ließ Herrey wissen, er müsse für die Ausstellung fünfzehn- bis zwanzigtausend Dollar beschaffen. Dieses freundliche ›Ach, bringen sie bald

einen Finanz- und Budgetplan‹ war für Herrey – der in Berlin und London auf staatliche und quasi staatliche Ressourcen hatte vertrauen können – eine drückende Belastung. Als Neuling in New York hatte er keine Chance, einen Sponsor zu finden. Auch fehlte ihm die eigene Wahrnehmung dessen, was zum Thema Verkehr auf der World’s Fair gezeigt worden war, hatten doch im Flushing Meadows Corona Park die Pavillons mit der »Democracity« des Designers Henry Dreyfuss, dem »Futurama« des Designers Norman Bel Geddes und der »Road of Tomorrow« des Designers Walter Dorwin Teague an genau jenem Tag zum letzten Mal ihre Eingänge geöffnet, als die Herreys nach New York kamen. Bis zu diesem 26. Oktober 1940 waren Millionen von Menschen durch die gigantische Attraktion namens World’s Fair geschleust worden. Mit den vom Automobil dominierten Visionen von Stadt, die Unternehmen wie General Motors, Ford und Chrysler dort üppig in Szene gesetzt hatten, hätte eine Ausstellung wie »Road Architecture« aufgrund ihres restringierten visuellen Materials keinen Moment konkurrieren können. Dass ihr schließlich der Krieg in die Quere schießen würde, konnte anfangs niemand ahnen. Der Geschäftsführer einer der an der Planung des Projekts beteiligten Einrichtungen, Richard W. Lloyd vom Franklin Institute in Philadelphia, stellte in einem Schreiben vom 12. März 1942 fest, seit dem Eintritt der USA in den Krieg sei das Publikum nur noch an Themen interessiert, die mit dieser neuen Lage zu tun hätten. In der Tat lud das MoMA Mitte 1942 – während jener Wochen, die Herreys »Road Architecture« hätte füllen sollen – zu einer Schau mit dem Titel »Road to Victory. A Procession of Photographs of the Nation at War«. Für eine Karriere in Amerika war Herrey in mancher Hinsicht ideal disponiert. Denn dieses Land bietet dem »pioneer«, dem »explorer«, dem »adventurer« und dem »selfmade man« seit je eine Chance. Man muss dort nicht für alles und jedes gleich eine Ausbildung nachweisen, gleich ein Zeugnis haben. Aufgrund seines Status als staatenloser Österreicher und seiner Ankunft erst nach Ausbruch des Krieges war es für Herrey aber äußerst schwierig, in den USA Fuß zu fassen. Da einige Berühmte in New York, Cambridge, Chicago, San Francisco oder Los Angeles eine gute Stelle fanden, schließt man leicht, auch die vielen andern müssten Erfolg gehabt haben. So jedoch war die Wahrheit nicht. Während Gropius von Hudnut mit dem Telegramm »Willkommen in Amerika, wo Glück und Erfolg auf Sie warten« begrüßt und sofort von Party zu Party gereicht worden war, hatten selbst die klügsten Köpfe unter den aus Wien immigrierten Architekten des Modernismus enorme Probleme, für ihr Ein- und Auskommen zu sorgen. Josef Frank etwa, den die Angst vor einem Angriff Deutschlands auf Schweden Ende 1941 von Stockholm nach New York geführt hatte,

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lebte mit seiner Frau im nördlichen Manhattan, genau gesagt in Inwood, in einem winzigen Apartment. 1942 und 1943 hielt er Vorträge an der New School for Social Research; von 1944 bis 1946 war er beruflich mit kaum mehr als dem Entwurf von Lampen sowie von Mustern für Stoffe beschäftigt. Wer als Architekt oder Designer nicht den Stempel Bauhaus trug, dem blieben die Universitäten der »Ivy League« versperrt. In Kenntnis dessen bewarb sich Herrey lieber an andern Orten: 1941 am Rensselaer Polytechnic Institute in Troy, am Stevens Institute of Technology in Hoboken und an der University of New Mexico in Albuquerque; 1943 am Brooklyn College in New York und an der Carolina Art Association in Charleston; 1944 an der McGill University in Montreal und an der University of Oklahoma in Norman. Nach dem Lesen einer kaum ins Auge fallenden Anzeige in der »New York Herald Tribune« vom 21. Oktober 1943 wandte sich der Arbeitslose an die Switlik Parachute Company in Trenton, der Hauptstadt des Bundesstaates New Jersey. Gegründet und geleitet von Stanley Switlik, einem Immigranten aus dem noch österreichisch-ungarischen Galizien, hatte das Unternehmen Mitte der vierziger Jahre etwa achthundert Beschäftigte. Hinzu kamen, bei den Lieferanten von Einzelteilen, weitere 3200 Beschäftigte. Merkwürdig, dass Herreys Einstellung als Designer und Techniker überhaupt erwogen wurde, war doch die Switlik Parachute Company – in deren Hallen Jahr für Jahr Tausende von Fallschirmen produziert wurden – von großem Belang für den »war effort« der USA, was eine Tätigkeit von Ausländern, vor allem wenn sie aus einem Feindstaat kamen, so gut wie ausschloss. Gleichwohl wünschte die Betriebsführung Herreys Einsatz im neuen Airline Passenger Comfort Department. Peter Rodyanko, der dieser Abteilung vorstand, schrieb Herrey voller Freude, man richte schon sein Büro ein und würde gern wissen, welche Farbe der Vorhang am Fenster haben solle. Herrey sah sich gern willkommen geheißen, wollte indes niemand außer dem Chef untergeben sein und zog einen Vertrag als freier Auftragnehmer vor. Dieser Kontrakt nahm ihn als Beratenden Ingenieur mit Büros in New York und Cambridge in die Pflicht; für ein Honorar von viertausend Dollar sollten zwischen Mitte Dezember 1943 und Ende Oktober 1944 zehn Prototypen von Flugzeugsitzen gebaut werden. Zwar hatte Herrey in Berlin und Wien schon die Einrichtung von Wohn- und Schlafzimmern entworfen, doch musste er in Trenton stärker auf die Qualität von Material, Konstruktion und Funktion der Objekte achten. In einem Papier unter dem Titel »Production of Chairs for Aircraft« schrieb Herrey von der Festigkeit, der Leichtigkeit, der Sicherheit, der Nutzbarkeit als den vier wichtigen Merkmalen neuer Sitze. Selbst auf langen Flügen müssten sie großen Komfort bieten. Und alle Prototypen müssten, als Ganze oder in Teilen, zum Gebrauchsmuster, ja zum Patent taugen. 140

Auf dem Campus Herreys Hoffnung auf eine Position an der Graduate School of Design (GSD) der Harvard University gründete auf nicht mehr als einer Einladung zu ein paar Vorträgen über Architektur und Szenographie. Noch in London weilend, hatte er – dank Gropius – am 4. Juni 1940 ein Telegramm von Hudnut erhalten: »Ihr Termin Vortrag Harvard bestätigt«. Herrey sprach am 22. und 24. April 1941 jeweils um 16h30 in der Hunt Hall. Längst war ihm klar, dass er nicht an der GSD noch an einer andern Schule der Harvard University je eine Stelle in Lehre oder Forschung haben würde. Dennoch: Er mochte Cambridge nicht lassen. Schon das Ensemble der Gebäude der Universität, dieser harmonische Hybrid von ›Stadt‹ und ›Schloss‹ und ›Park‹ mit den grünen Campi als Wohn- und Lernraum der »freshmen« und »sophomores«, der »juniors« und »seniors«, muss ihm gefallen haben. Das Sever Quadrangle – im Norden die Robinson Hall, im Süden die Emerson Hall, im Westen die Sever Hall, im Osten die Quincy Street mit dem Fogg Art Museum und dem Faculty Club – wurde für den Exilanten Herrey bald eine Art kultureller und politischer Heimat. Die im frühen zwanzigsten Jahrhundert gebaute Robinson Hall, deren Fassade mit Spolien der Antike und deren Bronzepforten mit den Portraits von Architekten der Renaissance Italiens geschmückt worden war, war die erste Stätte der GSD; was dort keinen Platz mehr gehabt hatte, hatte in die Hunt Hall schräg hinter der Robinson Hall ziehen müssen. Es war Hudnut, der Mitte der dreißiger Jahre aus der Faculty of Architecture die Graduate School of Design (GSD) der Harvard University gemacht hatte. Seine Reform der Struktur dieser akademischen Institution hatte zum Kern die Wende vom Historismus zum Modernismus gehabt. Und diese Wende hatte sich dem bloßen Auge nach dem Aufräumen, ja Entrümpeln der weiten, zwei Geschoss hohen Eingangshalle der Robinson Hall deutlich gezeigt. Hudnut hatte nämlich die Abgüsse von Skulpturen und von Elementen der Architektur, mit deren Präsenz das Ideal der Antike zum Schönen schlechthin erklärt worden war, aus der Halle entfernen und durch Schaukästen und Trennwände ersetzen lassen, die nun der wechselnden Ausstellung von Objekten und der wechselnden Darstellung von Problemen der Moderne dienten. Hudnut hatte ferner dafür gesorgt, dass in der Bibliothek statt der Bücher architekturhistorischen Inhalts solche über Material und Konstruktion und über neuere Gebäude ins Regal gestellt worden waren. Schließlich hatte Hudnut mit der Berufung von Gropius und Breuer an die Abteilung Architektur und von Wagner an die Abteilung Stadt- und Regionalplanung dem Prozess der Reform neue Wege gebahnt. Doch nach dem Eintritt der USA in den Krieg verließen zahllose Studenten und Dozenten die Harvard University. Die kleine GSD wurde kleiner; die Säle und Büros der Robinson Hall wie der Hunt Hall leerten sich;

Hermann Herrey, Ausstellung »Road Architecture«, Museum of Modern Art (MoMA) New York, Entwurfszeichnung, 1941

nur noch vierzig oder fünfzig junge Männer gingen dort ein und aus. Die Abteilung Stadt- und Regionalplanung, ohnehin für weniger bedeutend erachtet als ihre beiden Nachbarn unterm selben Dach, zählte bald nur noch: die Studenten Martin Meyerson und William Wilson Wurster sowie die Dozenten John Merriman Gaus, Christopher Tunnard und Martin Wagner. Den Vorsitz über die zwei Lernenden und drei Lehrenden hatte von Mitte 1942 bis Mitte 1944: Gaus, der auf Bitten Hudnuts für zwei Jahre von der University of Wisconsin in Madison an die Harvard University in Cambridge gekommen war. Anders als Gropius und Wagner, die bei jeder Planung gleich an eine differenten Funktionen adäquate, letzten Endes fixe Ordnung von Raum und Bau der Stadt dachten, sah der Politologe, Soziologe und Administrator Gaus jede Planung als eine permanente Aktivität, als »das Erleichtern des Entscheidens« durch das rationale Analysieren der natürlichen, ökonomischen, sozialen, kulturellen und politischen Konditionen einer je distinkten Region. Dass die Harvard University und daher auch die GSD primär aus privaten Ressourcen schöpfte, hatte im Krieg zur Folge, dass mit dem Fehlen der Studenten auch die Einnahmen sanken. Um dieser schäd-

lichen Entwicklung zu trotzen, nahm die GSD im Jahr 1942 erstmals junge Frauen auf. Wohl aus dem gleichen Grunde wurde damals an der Graduate School of Arts and Sciences die Möglichkeit geschaffen, den Titel eines Doktors der Philosophie durch eine Arbeit mit einem Thema aus dem technischen oder sozialen Umkreis von Architektur zu erwerben. Mag sein, dass durch solche Maßnahmen der Hochschulen Herreys Antrag auf eine Promotion – verfasst im ersten Halbjahr 1942 – beschleunigt bewilligt wurde. Schreiben wollte der Immigrant über jenes Thema, das ihn schon beim Entwurf eines Theaters für Max Reinhardt bewegt hatte: die Verbindung von Gebäude und Gemeinschaft. »Planning for Community Activities / Community Centers« lautet der Eintrag neben der Zeile »The title of my thesis« auf einem Formular der Graduate School of Arts and Sciences. Aufgrund seines Diploms an der Technischen Hochschule Berlin und seiner beruflichen Tätigkeit in Berlin, Wien und London erließ man Herrey den Besuch mancher Kurse, die jeder jüngere Doktorand auf jeden Fall besucht hätte, um seinem Antrag auf Promotion eine Chance zu geben. Herrey hielt sich nun ganze Wochen in der Robinson

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Hall und der Hunt Hall auf. Er nutzte die exzellente Bibliothek der GSD und stand in regem Kontakt mit Gaus und Gropius, die von Hudnut zu Prüfern bestellt worden waren. Mit Gaus verstand sich Herrey gut, wohl weil er dessen Konzept von Planung als substantiell politischer Aktivität im Dienste des amerikanischen Citizen und dessen Konzept vom Planer nicht als visionären Generalisten, sondern als Manager und Designer des genuin Urbanen mehr und mehr zu schätzen wusste. Mit Gropius verstand sich Herrey aber nicht gut. Schon der erste Brief des Bauhausmeisters an den Doktoranden atmet den Ton einer Autorität, die Herrey gestört haben dürfte: »Ich bin vom Dekan bestimmt worden«, schrieb Gropius am 8. Juli 1942, »Ihre Forschung zu führen. Sie werden mir also von Zeit zu Zeit Bericht geben müssen.« In einem Brief vom 13. Dezember 1943 warf Gropius dem Doktoranden vor, er gehe »schlampig« mit den Regularien der Universität um und nehme den Ratschlag von Professoren wie Martin Wagner und Kenneth John Conant nicht an. Herrey selbst beschlich das dumpfe Gefühl, er müsse in seiner Dissertation die urbanistischen Konzepte der Congrès Internationaux d’Architecture Moderne (CIAM) zur Basis seiner eigenen Vorstellung des »Planning for Community Activities« machen. In der Tat: Eben noch hatte Gropius von Sert – in Bezug auf dessen von der GSD unterstütztes Buch »Can Our Cities Survive?« – das genaue Befolgen der Linie der CIAM verlangt. Mit John Bland: Planung als Beruf Während der langen Wochen in Cambridge wurde Herrey zudem bewusst, dass er für eine gute Stelle an einer Hochschule der Ostküste oder anderswo den Doktortitel nicht brauchte. Dies und sein Interesse am Wesen der Planung und am Beruf des Planers führten dazu, dass er sich Anfang 1944 um eine Professur an der School of Architecture der McGill University in Montreal bewarb. Hier hatte der Immigrant die ersten drei Monate außerhalb Europas verbracht; hier lehrte John Bland, mit dem ihn während der vierziger Jahre eine enge Freundschaft verband. Geboren 1911 in Lachine / Quebec, war Bland schon mit siebzehn Jahren Student der Architektur an der School of Architecture der McGill University in Montreal. Nach dem Abschluss als Bachelor 1933 führte er das Studium der Architektur, nun ergänzt um das Thema Urbanismus, an der Architectural Association (AA) School of Architecture in London fort und schloss dort 1937 mit dem Diplom ab. Bland hatte dann eine Stelle im Planungsbüro des London County Council (LCC). Mit Harold J. A. Spence-Sales, einem Kommilitonen aus den Tagen an der AA School, unterhielt er zur selben Zeit ein Architekturbüro, das in Wettbewerbsverfahren einige Erfolge aufweisen konnte. Wirklich gebaut wurden eine Schule in Merstham / Surrey, ein Wohnhaus in Tadworth / Surrey und ein Lager in Newhaven / East Sussex. Aus dem Büro 142

von Bland und Spence-Sales ging 1938 auch ein Plan für den Um- und Neubau der South Bank von London hervor; das von der Abendzeitung »The Star« propagierte Projekt wurde 1939 in der Ausstellung »Road Architecture« des Royal Institute of British Architects in London gezeigt. Nach einer Reise durch Frankreich, Deutschland und Österreich kehrte Bland 1939 nach Montreal zurück, um dort an der School of Architecture der McGill University zu lehren. Von 1941 an war er Direktor dieser Schule, deren Curriculum unter seiner Leitung bald von Grund auf modernisiert wurde. Bland begann, bei den Studenten Interesse für die Spezifika kanadischer Architektur des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts zu wecken, obwohl man bis dahin geglaubt hatte, es gebe keine für kanadische Regionen typischen Gebäude. Vor allem stärkte der Direktor die Seminare einerseits für Material und Konstruktion, anderseits für Urbanismus, auch weil er annahm, dass nach Ende des Krieges Wohnungsbau und Stadtplanung zu den Schwerpunkten der Entwicklung Kanadas zählen würden. »Housing and Community Planning« hieß denn auch eine Vortragsreihe, die im Wintersemester 1943/44 die Studenten auf kommende, größere Aufgaben ihres Landes aufmerksam machen sollte. Nur mit Bland konnte Herrey frank und frei über seinen Wunsch reden, von New York und Cambridge nach Montreal zu gehen. »Ich mag dich«, schrieb Herrey dem Freund am 26. Mai 1944, »und für den Erfolg einer Kooperation gibt es keine bessere Garantie als dies. Wir haben dasselbe Herangehen an das Leben und an Fragen von Arbeit und Beruf. Und ich habe solches Vertrauen in deine Geistes- und Sinnesart, dass Sachen, die in andern Fällen höchstens Hoffnung sind, dank meiner Beziehung zu dir Gewissheit haben«. Ein oder zwei Wochen später indes erfuhr Herrey, dass seine Berufung an die School of Architecture der McGill University am Einspruch potenter Sponsoren, die an der Schule keinen Mann mit Herkunft aus einem Feindstaat sehen wollten, gescheitert war. Trotz dieses Rückschlags mochten Bland und Herrey ihr Projekt der Gründung eines »Institute for Planning« an der McGill University nicht fallen lassen. Seit den frühen dreißiger Jahren, vor allem seit der Politik des New Deal, hatten die noch neue Aktivität des Planens und die noch neue Profession des Planers an Bedeutung gewonnen. Im Lauf der Kontroverse um die Substanz von Planung hatte sich herausgestellt: erstens, dass Planung nicht mehr, wie noch im amerikanischen City Beautiful Movement, nur auf die Gestalt des Stadtraums zielen durfte; zweitens, dass Planung nicht allein das Terrain der Stadt selbst, sondern auch die nähere Region in Betracht ziehen musste; drittens, dass Planung die natürlichen, ökonomischen, sozialen, kulturellen und politischen Konditionen der jeweiligen Stadt und Region studieren und, in dauerndem Bemühen, perspektivisch integrieren musste; viertens,

dass Planung an den Hochschulen in diesem Sinne als ein Fach zwischen den Fächern gelehrt werden musste. Anregung und Zuspitzung erfuhr Blands und Herreys Konzept eines Institute for Planning durch ein Gutachten, das Gaus im Auftrag von Hudnut verfasst hatte, das Mitte 1943 unter dem Titel »The Graduate School of Design and the Education of Planners« in nicht geringer Auflage gedruckt worden war und das Herrey in einem Brief an Gaus vom 12. Januar 1945 die »maßgebliche Stellungnahme« zu diesem Thema nennen würde. Der Autor der Expertise hatte in Bezug auf die damals unter seiner Leitung stehende Abteilung Stadt- und Regionalplanung der GSD für ein durch und durch reformiertes Curriculum plädiert. In der ers­ten Phase sollte der Student als Person und Bürger für ein Interesse an der planenden Politik seiner Kommune und Region motiviert werden; in der zweiten Phase sollte er durch Studien und Praktika jene Eigenschaften entfalten und Fertigkeiten erwerben, die ihn zum Planer machen würden. Die GSD könne Planung nicht allein lehren, sondern möge dies vor allem im Verbund mit der Graduate School of Public Administration, aber auch der Graduate School of Business Administration und der Graduate School of Law an der Harvard University in Angriff nehmen. Bland und Herrey – jener durch seine Tätigkeit im Planungsbüro des London County Council (LCC), dieser durch seine Erfahrung in Wien, Berlin und London – wussten nur zu gut, dass das Planen von Städten mit den die Fachwelt teils erstaunenden, teils erschreckenden, genialen Utopien eines Le Corbusier wenig gemein hatte. Sie wuss­ ten, dass der Planer im Alltag zugleich Wohnungs-, Geschäfts-, Büro-, Fabrik- und Straßenbauer, Volks- und Betriebswirt, Immobilien- und Investitionsfachmann, Sozial- und Kommunalpolitiker und schließlich Generalmanager sein musste. Sie wussten, dass diese Qualitäten nie in einer Person allein zu finden waren. Das Institute for Planning, dessen Gründung Bland und Herrey für den Herbst 1945 wünschten – weil die Regierung Kanadas erst nach dem Krieg die Kraft haben würde, sich um den Umbau von Stadt und Land zu kümmern –, sollte daher Studenten gewinnen, die nach einem Abschluss als Bachelor in Fächern wie Ökonomie, Soziologie, Politologie oder Architektur für den Beruf des Planers qualifiziert werden wollten. Am Institute for Planning als einer Graduate School sollten sie in kleinen Gruppen ihr Können, das bei jedem aus einem andern Fach stammen würde, auf Probleme und Projekte der Planung richten. Während ihrer Kurse sollten sie gleich mit der Praxis in Kontakt gebracht und auch in kanadischen Planungsbüros unterwiesen werden. Schließlich sollte alles, was die Gruppen recherchiert und diskutiert haben würden und was für Planung als solche von Belang sein könnte, auch publiziert werden. Herrey hielt sich Mitte Dezember 1944 und Mitte Februar 1945 zu zahlreichen Gesprächen mit Bland und Frank Cyril James, dem

John Bland, 1943

Harlow Shapley, 1940er

Präsidenten der McGill University, in Kanada auf. Als die Zeitschrift »The Journal of Land and Public Utility Economics« in Heft 4/1945 vom Herbst des Jahres einen kleinen Beitrag von Bland druckte, der das Wesentliche des Programms für das Institute for Planning beschreibt, lag das Projekt schon im Sterben: Statt Herreys wurde 1946 Blands alter Partner Harold J. A. Spence-Sales an die School of Architecture der McGill University in Montreal berufen. Mit Harlow Shapley: »Mein verehrter Protektor« Ordnung in ein Leben zu bringen, wo in Wahrheit nur Irrung und Wirrung war, ist die Not eines jeden Biographen. Das gilt für den Alltag Herreys zwischen New York und Cambridge und für den Alltag Herreys zwi-

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schen 1940 und 1945 in hohem Maße. Wenn es für diesen Immigranten am Himmel der Fremde einen Leitstern gab, dann war es: Harlow Shapley. Geboren 1885 in der winzigen dörflichen Gemeinschaft von Nashville im Bundesstaat Missouri als Sohn eines Farmers und Lehrers, studierte der junge Mann, nach ein paar Jahren als Journalist, von 1907 bis 1913 Astronomie erst an der University of Missouri in Columbia, dann an der Princeton University in Princeton. Von 1914 bis 1921 war er Forscher am Mount Wilson Observatory auf den San Gabriel Mountains bei Pasadena, von 1921 bis 1952 Direktor des Harvard College Observatory in Cambridge. Shapley, der sich schon früh mit der Milchstraße und den zahllosen übrigen Galaxien des Universums befasst hatte, zählte unter seinesgleichen zu den wenigen besonders renommierten Astronomen. Zugleich war er immer wieder auf dem Terrain zwischen Wissenschaftspolitik und Politikwissenschaft aktiv. Nach 1933 – vor allem von 1938 bis 1940 im Rahmen des »Asylum Fellowship Plan« der Harvard University – konnte er vielen Wissenschaftlern, die aus Europa nach Amerika geflüchtet waren, zu einer Stelle in einem der Bundesstaaten der USA verhelfen. Was für ein Glück, dass Herrey kaum drei Wochen nach seiner Ankunft in New York von Elsa Herzfeld Naumburg den Namen Shapley hörte. Durch dessen Engagement kam Herrey noch im November 1940 mit Alvin S. Johnson, dem Direktor der New School for Social Research, in Kontakt. Der Idee der Urania treu, diente diese New Yorker Schule der Weiterbildung nicht allein von Wissenschaftlern, sondern auch von Laien. Seit 1930 mit eigenem Gebäude in Manhattan präsent, hatte die Schule zwischen 1933 und 1945 eine Abteilung »University in Exile«. Hier lehrten im Lauf der Zeit fast zweihundert namhafte Wissenschaftler und Künstler, unter ihnen der Komponist Hanns Eisler, der Dramatiker Carl Zuckmayer, der Regisseur Erwin Piscator, der Dramaturg und Kritiker Kurt Pinthus, der Schauspieler Herbert Berghof, der Architekt und Publizist Paul Zucker. Was Herrey bewog, nicht an die New School for Social Research zu gehen, war gerade die Tatsache, dass er dort mit vielen Deutschen und Österreichern bekannt gemacht worden wäre, wo er doch lieber etwas Neues wagen, lieber die Taube auf dem Dach als den Spatz in der Hand sehen wollte. Auch nachdem seine Hoffnung auf eine Stelle an der Graduate School of Design (GSD) der Harvard University in Cambridge – einerseits durch das Schweigen von Hudnut, anderseits durch das Reden von Gropius und Wagner – Anfang 1941 zerstört worden war, blieb Herrey mit Shapley im beruflichen wie persönlichen Gespräch. Er traf ihn zum Mittag- oder Abendessen im Faculty Club an der Quincy Street, schrieb ihm lange Briefe wie jene vom 3. März 1943 und vom 10. Juni 1944. Viele Zeilen klagen: Er finde, trotz guten Willens, als Staatenloser in Amerika keine feste Arbeit und könne nicht verhindern, allmählich zu »verbittern«. Er frage sich mehr und mehr, ob sich das Kämpfen irgend lohne. Drei Jahre 144

hätten ihn die Leute mehr oder minder freundlich gegrüßt; aber niemand habe je daran gedacht, ihm eine echte Chance zu geben. Dass er nun schon so lange ohne Erfolg in den USA weile, »lösche« seine früheren Erfolge in Berlin und London und lasse ihn wie einen »Versager« erscheinen. Shapley kannte solche Geschichten von andern Flüchtlingen und tat, was er tun konnte. Er sorgte dafür, dass Herrey im November 1943 einen Vortrag vor der American Academy of Arts and Sciences in Boston und im November 1944 einen Vortrag vor der American Philosophical Society in Philadelphia halten konnte. Sicher, jener wie dieser Auftritt halfen Herrey, seine Arbeit als Planer zu offerieren; ein Vertrag, gleich welcher Art, folgte daraus aber nicht. Shapley indes blieb seinem Schützling stets treu. Als, im Kontext des Versuchs der Gründung des Institute for Planning an der McGill University, von Cambridge nach Montreal das Gerücht kroch, Herrey überschätze seine Fähigkeiten und habe im Kopf nur »jugendliche Vorstellungen«, war es Shapley, der die Attacke so energisch wie elegant parierte. Er hielt die Kritik an Herrey für die Kritik von »Provinziellen« an einem »Kosmopoliten«. In einem Brief an Frank Cyril James vom 17. Januar 1945 heißt es, die Kritik gründe auf den »ziemlich langweiligen Visionen von Architekten«. Herrey war ein Mann, der in Bezug auf Arbeit und Beruf Autonomie für den höchsten Wert hielt. Er wollte ohne Vorbild, ohne Beispiel sein, wollte alles nur aus sich selber schöpfen. Wenn wahr ist, dass Herrey eine solche Idee von Genie im Kopf hatte, dann zählt umso mehr, dass er – gar in einem Schreiben an Gaus – noch Anfang 1945 von Shapley als »meinem verehrten Protektor« sprach. Was den weit Jüngeren mit dem weit Älteren, den weit Älteren mit dem weit Jüngeren verband, klärt ein Brief, den Herrey an Shapley schickte, als die Sorgen nicht mehr so drückten wie während der Jahre des Krieges. Ein paar Tage vor Weihnachten 1950 ließ er den Freund wissen: »Ich bin, von Natur her, ein Optimist aus Leidenschaft, fast so sehr wie Sie, obwohl nicht mit ganz so guten Gründen. Fragen Sie Frau Shapley, was ein Steh-aufMännchen ist, wie wir es als Kinder in Österreich geschenkt bekamen. Es ist eine kleine Puppe, in der Größe und Gestalt eines Eis, mit der Karikatur des Körpers und Gesichts eines kleinen Mannes, der lächelt. Er hat ein Gewicht in seinem runden Hintern, das ihn wieder und wieder auf die Füße kommen lässt. So oft man ihn auch auf den Kopf schlägt, er wird immer lächelnd in die Höhe kommen und stehen. Sehen Sie sich die Zeichnung an! Das ist es, womit meine Frau mich vergleicht. Hört sich wie ein Kompliment an, obwohl die Anspielung auf das Gewicht im Hintern vielleicht keinen guten Einfluss auf die Würde hat.«

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Das Publikum dürfe nicht länger nur »diskreter Konsument« sein; es müsse vielmehr »bewußte Versammlung«, ja »Gesellschaft« werden, um in das Geschehen eingreifen zu können. Mit solchen Worten stand Hermann Herrey nicht allein. Was er in einem Brief an Julius Posener vom 5. September 1933 äußerte, galt dem Theater für Max Reinhardt, das er zum Diplom an der Technischen Hochschule Berlin sechs Jahre zuvor projektiert hatte und das er nun, von Posener unterstützt, in der Zeitschrift »L’Architecture d’Aujourd’hui« publiziert wissen wollte. Was dann in Heft 7/1933 von diesem Entwurf gezeigt wurde, entbehrte allerdings der deutlichen Erklärung des Schreibens an Posener. Ohne diesen Brief wüssten wir nicht, dass Herrey schon als Diplomand Interesse an der Relation von Gemeinschaft und Gesellschaft gehabt hatte. Das Thema verließ ihn nie; es kehrte schon in Wien und London wieder: 1934 mit der Recherche zu festlichen, höfischen und städtischen Umzügen des siebzehnten bis neunzehnten Jahrhunderts in der Österreichischen Nationalbibliothek; 1937 mit der Ausstellung »Modern Schools« des Royal Institute of British Architects (RIBA); 1939 mit den Bühnenbildern für die Inszenierung des von Verführung zu Gemeinschaft handelnden »Julius Caesar«; im selben Jahr auch mit dem Beginn der Arbeit an einem Entwurf für ein neues Q Theatre als »community theatre«. Nachdem Herreys Hoffnung auf eine Stelle an der Graduate School of Design der Harvard University enttäuscht worden war, griff er das Thema Gemeinschaft und Gesellschaft wieder auf, aber nicht im Kontext von Drama und Szene oder andern ästhetischen Performanzen, sondern als Problem der Planung des Lebens sei es in Manhattan als der Mitte von New York, sei es in neuen, kleineren oder größeren Kommunen der USA. Um das Projekt zu finanzieren, wandte sich Herrey im Oktober 1942 an die John Simon Guggenheim Memorial Foundation in New York, im Mai 1943 an die American Philosophical Society in Philadelphia. Der zweite Antrag hatte Erfolg; Herrey bekam ein Stipendium von neunhundert Dollar. Die Dissertation unter dem Titel »Planning for Community Activities / Community Centers« würde aber nie verfasst werden. Was wir – zum

Glück – haben, sind die zwei erwähnten Anträge, sind zwei Vorträge vor jeweils hochgelehrter Gesellschaft, sind drei oder vier Aufsätze mit jeweils hochinformativer Illustration. Immerhin genug, um sich eine Vorstellung von dem zu verschaffen, was der Architekt und Promovend für eine konkrete urbane Utopie gehalten haben mag. Herrey bestimmt das Community center als einen Ort sozialer Emanzipation und politischer Partizipation. Er möchte, dass die dort konzentrierte Aktivität aus der Perspektive des Interesses der Community klassifiziert und evaluiert wird. Herreys Wertung ist klar. Höher als passives steht aktives Engagement; höher als »kollektive und produktive Aktionen« stehen »soziale und politische Funktionen«. Wiewohl im Community center dem Theater eine »Schlüsselrolle« gewährt wird, kommt es nach Meinung Herreys bei der Planung nicht primär auf ein zu bauendes Gemeinschaftsgebäude an; vielmehr sei in neuen Städten die Anlage des öffentlichen Raumes und des Straßen- und Wegenetzes für die Entstehung von Gemeinschaft entscheidend. Herreys Konzept – der Autor spricht es in seinem ersten Antrag selber aus – ist eine Antwort auf die zwanghafte städtische Gemeinschaft einerseits im System Hitler, anderseits im System Stalin. Und es ist das genaue Gegenteil von dem, was Ayn Rand in ihrem 1943 publizierten, schon bald populären Roman »Der ewige Quell« durch die Figur des Architekten Howard Roark propagieren lässt: das Recht des Starken gegen das des Schwachen, das Recht des Ich gegen das des Wir. Lewis Mumford statt Sigfried Giedion Während John Merriman Gaus, Walter Gropius und Martin Wagner in ihren Schreiben an das Research Committee der American Philosophical Society den breiten Ansatz von Herreys Forschung und die Vermutung betonten, nach Ende des Weltkriegs werde das Thema der städtischen Gemeinschaft eine große Rolle spielen, ging Robert Ulich in seiner Unterstützung für den Promovenden deutlich weiter. Der an der Graduate School of Education der Harvard University lehrende Professor – 1934 mit seiner Frau, der Philanthropin Elsa Brändström,

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von Dresden nach Cambridge gelangt und dort mit der Geschichte der Erziehung befasst – ließ das Research Committee wissen, Herrey ziele auf eine demokratische Alternative zur Stadt des Hier und Jetzt. »Es hat keinen Sinn, über Demokratie zu sprechen und sie dann nicht auch sichtbar und fassbar mitten in die städtische Gemeinschaft hinein zu bauen«, schrieb Ulich, »ist es doch die städtische Gemeinschaft, wo Demokratie ihren Anfang nimmt und wo Jung und Alt lernen müssen, größere Aufgaben in ihrem Lande zu lösen.« Neben Herrey selbst war es Ulich, der in seinem Schreiben eine voluminöse Publikation nannte, die – grundlegend und anregend mit so gut wie jedem Wort und Satz – den größten Einfluss auf die Arbeit an der Dissertation »Planning for Community Activities / Community Centers« hatte. Die Rede ist von Lewis Mumfords »The Culture of Cities«. Herrey hatte das Buch wohl schon in London kennengelernt, war es doch schon im September 1938, kurz nach dem Erscheinen im Buchhandel, in der Zeitschrift »The Architectural Review« in höchsten Tönen gelobt worden. Auch bei den Studenten der Graduate School of Design der Harvard University war das Werk beliebt. Wäre der Text nicht so lang, man würde ihn einen Essay nennen. Mumford denkt ungemein anschaulich, schreibt ungemein verständlich. Er schlägt einen Bogen von Europa nach Amerika, was dem Immigranten Herrey sicher gefiel. Den attischen Poleis, den Städten der Hanse und den New England Towns singt Mumford ein Lob, weil in ihnen die Städter selber das Sagen gehabt hätten. Die Städte des Barock aber mag er nicht, weil sie von kleineren oder größeren Despoten regiert worden seien und weil sie jüngst den Schöpfern der Städte politischer Diktatoren als Vorbild gedient hätten. Die Städte des neunzehnten Jahrhunderts wiederum seien der Industrie und dem Kapital geopfert worden, hätten wachsend, nein wuchernd ihre Kerne und Ränder zerstört. Dass Mumford auch in ökologischen Kategorien denkt, dass er – durch ein Netzwerk neuer, kleiner, grüner Städte unter Einschluss des Automobils – die permanente Expansion der Metropolen Amerikas an ihr Ende führen will, dass er auf Planungen für Regionen und auf Dezentralisierung statt Zentralisierung hofft, all das braucht an dieser Stelle nicht weiter erklärt zu werden. Denn für Herreys Interesse an Community centers war viel mehr von Belang, was Mumford, vom schottischen Urbanisten Patrick Geddes und vom russischen Anarchisten Peter Kropotkin inspiriert, in »The Culture of Cities« über den politischen Charakter künftiger Kommunen schreibt. Jede Planung von Städten, so der Autor, müsse mit der Bestimmung und Verortung ihrer öffentlichen Einrichtungen anfangen. »Politisches Leben muss im Alltag ein ebenso dauerndes Geschehen wie der Besuch der Hausfrau beim Krämer oder Fleischer werden; es muss häufiger als der Besuch des Mannes beim Barbier werden.« 146

Mit seinem Beharren auf Assoziation statt Repräsentation all derer, die in Städten leben, bringt Mumford auch zum Ausdruck, dass er wenig von Le Corbusier hält. Dessen Ville Contemporaine und Plan Voisin, jene von 1922, dieser von 1925, waren vom Ideal der Ratio geprägt; sie strahlten im Glanz der Perfektion, Präzision, Effizienz. Die Menschen aber waren dort nur Rädchen und Schräubchen der laufenden urbanen Maschine; für Community centers war dort kein Platz. Gut, die Utopien des Schweizer Meisterbauers und Meisterplaners waren nicht mehr ganz jung. Aber sie waren nicht allein in Europa, sondern auch in den USA studiert worden, waren dank Le Corbusiers Besuch in New York 1935 und dank der Darstellung seiner Vorschläge einer Sanierung Manhattans in »The New York Times Magazine« sogar einem Publikum außerhalb des Kreises von Architekten und Urbanisten bekannt gemacht worden. Durch die Arbeit Sigfried Giedions und José Luis Serts, zweier agiler Agenten der Congrès Internationaux d’Architecture Moderne (CIAM), waren die Ville Contemporaine und der Plan Voisin zu Beginn der vierziger Jahre auch auf dem Campus in Cambridge ein Thema. Nicht dass Giedion und Sert den solchen Utopien inhärenten Gigantismus propagierten; doch die Beschränkung kommender städtischer Gebilde auf die vier Nutzungen Wohnen, Arbeit, Freizeit, Verkehr führte beide – Giedion in seinem Buch »Raum, Zeit, Architektur« 1941, Sert in seinem Buch »Can Our Cities Survive?« 1942 – zu beinahe völliger Missachtung der kulturellen und politischen Dimension der Sache. Das alte »Stadtluft macht frei«, an dem Mumford hing, schien für sie nicht der Rede wert. Vor allem Giedion zeigte mit seiner Schwärmerei für das noch neue Rockefeller Center, dass er vom Thema Community center oder Civic center kein rechtes Verständnis hatte. Der mit seinen vierzehn Bauten in drei Blöcken zwischen 6th und 5th Avenue vis-à-vis der Sankt-Patrick-Kathedrale in New York situierte Komplex, eine glamouröse Architektur im Stil des Art déco, musste auf jedem Quadratmeter Geschossfläche Tag für Tag Gewinn machen. Ob im RCA Building, in der Radio City Music Hall oder im Rainbow Room, Kultur war dort stets mit Kommerz verknüpft. Herreys Idee von Community center war anders. Sie hätte sich auch nicht mit den Gedanken vertragen, die Giedion drei Jahre nach Erscheinen von »Raum, Zeit, Architektur« an der New School for Social Research in New York während des Symposiums »New Architecture and City Planning« vortrug, zu welchem Paul Zucker namhafte Praktiker geladen hatte. Giedion klagte, die Moderne habe keine Monumente hervorgebracht, die der Antike oder Renaissance ebenbürtig seien. Architekten müssten endlich wieder solche Monumente schaffen, müssten durch sie der sozialen Fragmentierung und Isolierung wehren, müssten durch sie das »Gefühlsleben der Massen« bilden. Die Herrschenden, so der Referent, müssten den

Beherrschten »Spektakel« bieten. Diese müssten die »kollektive Emotion« schüren. Dabei müssten Bauten und Massen zu wahrer Einheit kommen. Als ob nicht in Europa – wir schreiben das Jahr 1944 – die Ästhetisierung des Politischen und die Politisierung des Ästhetischen längst durchschaut worden war. Vom Meeting house zum Community center Wenn Herrey in seinen Anträgen von »community« spricht, dann meint er eine Gruppe von Menschen mit einem Leben zwischen den Polen hier von enger Gemeinde, da von weiter Gesellschaft. Entgegen der Vermutung ist der Begriff »community« nämlich nicht deckungsgleich mit dem Begriff »Gemeinschaft«; vielmehr muss betont werden, dass der deutsche und der amerikanische Diskurs ihre je eigenen Inhalte haben. Im deutschen Diskurs stehen Gemeinschaft und Gesellschaft – jene als das Personale, Affektive, Organische, Nahe und Warme auf der einen, diese als das Anonyme, Kognitive, Mechanische, Ferne und Kalte auf der andern Seite – in strikter Opposition. Im amerikanischen Diskurs ist der Gegensatz weniger bedeutend. Zwar nimmt man auch dort an, dass Gemeinschaft primär, Gesellschaft sekundär sei; doch nimmt man dort nicht an, dass jene positiv, diese negativ sei. Beide, so heißt es dort, würden sich bilden, um aus ihrer Mitte den Typus des politisch aktiven Citizen zu schaffen. Demokratie wachse von unten nach oben. Sie bedürfe nicht allein der Beziehung von Angesicht zu Angesicht, sondern auch eines räumlichen und baulichen Gefüges. Anders gesagt: Sie bedarf der je bestimmten, ja begrenzten örtlichen Nachbarschaft. Herrey kannte die deutschen wie die amerikanischen, die historischen wie die aktuellen Positionen zum Thema Gemeinschaft respek­ tive Community. Da er Ferdinand Tönnies und John Dewey, prominente Kontrahenten in der Sache, beide in seinem Papier »Program of Research« von Mai 1943 erwähnt, war ihm die enorme Differenz zwischen einem schon älteren Werk wie »Gemeinschaft und Gesellschaft« von Tönnies und einem noch jüngeren Werk wie »Die Öffentlichkeit und ihre Probleme« von Dewey wohl vertraut. Wohl vertraut war Herrey auch mit den Wurzeln des Typs Community center im Osten der USA. Seit den dreißiger Jahren des siebzehnten Jahrhunderts hatten die Siedler der britischen Kolonie Massachusetts Bay in die Mitte eines jeden ihrer neuen Dörfer einen Bau gestellt, den sie »meeting house« genannt hatten. Als eine Mischung aus Rathaus und Kirche hatte dieses einfache Versammlungsgebäude der Regierung der Kommune durch die in der Gemeinde tätigen Landwirte, Viehzüchter und Handwerker gedient. Später hatte das Meeting house in ganz New England – nach Norden Richtung Vermont, New Hampshire und Maine, nach Süden Richtung Connecticut und Rhode Island – Verbreitung gefunden. Um 1800 waren für Thomas Jefferson,

den dritten Präsidenten der USA, einerseits die New England Town des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts, anderseits die griechische Polis der Antike wertvolle Vorbilder lokaler, direkter Demokratie gewesen; er selbst hatte sich die Entwicklung der USA als die Entstehung eines losen Verbunds solcher Miniaturrepubliken vorgestellt. Der von Jefferson geprägte amerikanische Republikanismus hatte jedoch aufgrund der akzelerierten Urbanisierung in den Staaten des Nordens und Ostens der USA an Schlag- und Schubkraft verloren. Im neunzehnten Jahrhundert hatte das Leben in den Kommunen – mit dem Wandel der Arbeit durch die Fabrik, mit dem Wachstum der Städte durch die Immigranten – eine solche politische Komplexität erreicht, dass für deren Verstehen und Verändern die Besprechung der Bewohner in simplen Meeting houses an der nächsten oder übernächs­ten Straße nicht mehr gereicht hätte. Gleichwohl war der Traum von quasi autonomen Urbaniten weitergeträumt worden. Walt Whitmans Vorstellung von städtischer Eigenheit und städtischem Eigensinn, beschrieben um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts im »Gesang vom Beil«, ist noch heute Utopie: »Wo die Stadt steht, die das stärkste Geschlecht von Rednern und Dichtern hat, / Wo es kein Denkmal für Helden gibt, außer in den Worten und Taten des Alltags, / Wo der Bürger allezeit das Haupt und das Ideal ist, / Dort steht die große Stadt.« Mit der »Progressive Era« – jener von den neunziger Jahren des neunzehnten bis zu den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts dauernden Phase zum Teil erbittert erkämpfter, praktischer Sozialreformen in den USA – war auch das Thema Community wieder auf die Tagesordnung gesetzt worden. An der University of Chicago war mit der Abteilung Soziologie die weltweit erste Stätte der Lehre und Forschung dieser Art gegründet worden. Die wegen ihres Programms sozialer Ökologie und wegen ihrer Methode der Verbindung von Empirie und Theorie zu Recht »Chicagoer Schule der Soziologie« genannte Gruppe von Wissenschaftlern um Robert Ezra Park hatte 1925 mit der Aufsatzsammlung »The City« ein Dokument, nein Manifest von großem Einfluss publiziert. Park und seine Kollegen – unter ihnen der aus Deutschland immigrierte Louis Wirth, mit dem Herrey eine Weile in Kontakt stand – halten den Zustand der Metropolen für chronisch kritisch; die Massen würden dort Tag für Tag agitiert und alarmiert; der Eskapismus der Jugendlichen giere dort nur nach Abenteuer und Unterhaltung. Daher sei es schwierig, Interesse und Engagement für die Community zu wecken, deren mal diziplinierender, mal emanzipierender, also doppelter Charakter durchaus betont, ja gewünscht wird. »Unser Problem«, so schließt Park seinen Aufsatz »Community Organization and the Romantic Temper«, »besteht darin, Menschen den Mut zu geben, den lieben Gott in ihrem Dorf zu suchen und die Sozial­probleme in ihrer Nachbarschaft zu sehen.«

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Der ganze Diskurs um Community, den die Progressive Era entfacht hatte, war nicht ohne praktische Konsequenz geblieben. Entstanden war nämlich schon um 1900 eine Bewegung für die Einrichtung von Community centers; aber nicht. um dort in elitärer Architektur – etwa von der Art des Ernst-Ludwig-Hauses in Darmstadt oder des Festspielhauses in Dresden – Gemeinschaftsgefühle und Gemeinschaftsgedanken zu feiern, sondern um dort die sozialen und kulturellen und politischen Kompetenzen der Städter zu stärken. Die National Community Center Association hatte später den Vorschlag unterbreitet, in allen Städten die Bauten der Schulen für diesen Zweck zu nutzen. Und sie hatte mit ihrem Kampf einen solchen Erfolg gehabt, dass bis 1930 die Zahl der Community centers in den USA auf etwa fünfhundert gestiegen war. In Mary Parker Follett, die aufgrund ihrer Beiträge zur Theorie der Administration und Organisation mit der Problematik der Community vertraut war, hatte sich der National Community Center Association eine Ideologin und Propagandistin der guten Sache an die Seite gestellt. In ihrem Buch »The New State« aus dem Jahr 1918 hatte Follett das Prinzip Partei und das Prinzip Lobby einer scharfen Kritik unterzogen und das Community center zur Geburtsstätte einer neuen Citizenship erklärt. Zu den hoch motivierten Pionieren der guten Sache hatte auch Clarence Arthur Perry gehört, der mit Schriften wie »Wider Use of the School Plant«, wie »Community Center Activities«, wie »First Steps in Community Center Development« das Thema seit den zehner Jahren wieder und wieder an die Öffentlichkeit gebracht hatte. Perry hatte seit 1911 in Forest Hills Gardens im Bezirk Queens von New York gewohnt, hatte aus dem Alltag dieser kleineren Gartenstadt das Planungsprinzip »Nachbarschaftseinheit« geschöpft – über das im Fortgang dieses Textes noch zu schreiben sein wird –, hatte sein Konzept erstmals 1923 in einem Vortrag publik gemacht und es 1929 genauer beschrieben. Seine Monographie »The Neighborhood Unit« ist Teil des Regional Plan of New York and Its Environs, des räumlich und sachlich wohl umfangreichs­ ten Planungsversuchs einer existenten Metropole im zwanzigsten Jahrhundert. Die Mitte einer jeden Nachbarschaftseinheit mit etwa fünftausend Bewohnern, so Perry, soll das Community center bilden. Dieses soll aus der Grund- und Hauptschule hervorgehen, soll eine Zweigstelle der städtischen Bücherei, einen Saal mit Bühne und technischer Ausstattung für das Laienspiel, Räume für Gruppen von Müttern mit Kindern und Räume für Gruppen von Jugendlichen haben. Als Vorbild für ein solches Zentrum dienen Perry der Central Square und seine Bauten in der Mitte des Hampstead Garden Suburb in London, das von Richard Barry Parker und Raymond Unwin geplant und nach 1905 gebaut worden war. Perry hat also auch Architektur im Kopf, wünscht sich für 148

jedes Community center eine attraktive Perspektive, wo nicht gar symbolische Position im Raum der Stadt, sollen doch auf dem Platz vor dem Community center an jedem 4. Juli die Flagge gehisst und die Gründung wie die Freiheit der USA gebührend gefeiert werden. Auftritt in Boston und Philadelphia Die knappe Darstellung der Geschichte des Begriffs Community und der Entwicklung vom Meeting house zum Community center ist kein Exkurs, der sich in einer Anmerkung verstecken lässt. Vielmehr fällt es – in Kenntnis der Anträge, die Herrey stellte, um seine Dissertation über das Planen für die Aktivität von Communities zu finanzieren – nicht mehr schwer, ebendiesen Exkurs als die Substanz eines Kapitels zu betrachten, das der Promovend selber schreiben wollte. Weiteres kann zwei Vorträgen entnommen werden, die Herrey am 10. November 1943 vor der American Academy of Arts and Sciences in Boston und am 18. November 1944 vor der American Philosophical Society in Philadelphia hielt. Dieser und jener Vortrag sind eng verwandt; im Abstand eines Jahres führte der zweite den ersten fort. Beide kamen auf Anregung und durch Vermittlung Harlow Shapleys zustande, der 1943 Präsident besagter Academy und 1944 einer der Vizepräsidenten besagter Society war. Beide fußen auf den Ideen und Konzepten der Chicagoer Schule der Soziologe, deren subtile urbane Studien einerseits die Dependenz spatialer und sozialer Qualitäten, anderseits die Funktion von städtischer Gemeinschaft betonen. Beide zehren von Mumfords Buch »The Culture of Cities«, diesem langen, großen Essay zur Geschichte des Städtischen seit dem frühen Mittelalter und zur künftigen Entwicklung von Stadt und Land, der auch vom breiteren Publikum rezipiert worden war. Beide nehmen Bezug vor allem auf dessen drittes und viertes und siebtes Kapitel »The Insensate Industrial Town« und »Rise and Fall of Megalopolis« und »Social Basis of the New Urban Order«, allerdings ohne diesen Hintergrund zu erwähnen. Beide widmen sich den negativen Konsequenzen des Berufsverkehrs und plädieren für einen Städtebau der Entmischung und Entdichtung, wie er seit gut zehn Jahren Programm der Moderne war. Beide machen die Vorgänge und Lösungen am Beispiel von New York, genau gesagt am Beispiel von Manhattan deutlich. Beide wünschen das genuin Urbane nicht als Ansammlung von Gebäuden, sondern als flexible soziotopische Entität, als Ort der Entstehung und Entwicklung offener Gemeinschaft. Beide stehen in der Tradition des amerikanischen Republikanismus – präziser formuliert: eines aus der ländlichen Umgebung des siebzehnten in die städtische Umgebung des zwanzigsten Jahrhunderts geholten Jeffersonian Republicanism –, der die politischen Institutionen der USA durch die Stärkung ihrer partizipatorischen und emanzipatorischen

Elemente einschließlich direkter Aktion davor bewahren will, bei den Bürgern Vertrauen zu verlieren. Beide fordern schließlich, gegen das Atomisieren und Standardisieren von Individuen im Sog der Metropolen, den aktiven Citizen, ohne dessen Teilnahme am städtischen Geschehen die Existenz der Kommune als solche gefährdet sei. Beide sind einerseits in suchender, klärender Bewegung begriffen, anderseits mit jedem Wort: Lehre und Aufruf zum Handeln. Der Vortrag »About the Future of Our Big Cities« Am Beginn seines Vortrags in Boston warf Herrey zwei Dias von Gemälden Jan Vermeers auf die Leinwand. Das erste heißt »Straße in Delft« und stammt aus dem Jahr 1657/58; das zweite heißt »Ansicht von Delft« und stammt aus dem Jahr 1660/61. Der Redner kannte beide Bilder aus jener Zeit, die er als Jugendlicher in den Niederlanden verbracht hatte; die »Straße in Delft« hängt im Rijksmuseum Amsterdam, die »Ansicht von Delft« im Mauritshuis Den Haag. Auf dem ersten Bild sieht man rechts den Giebel eines Hauses mit hohen Fenstern und Läden, links den schmalen Durchgang in einen Hof; auf dem zweiten Bild sieht man unter dem weiten Himmel am andern Ufer der Schie das Panorama der kleinen Stadt, aus deren Häusern ein paar Türme ragen. Herrey sprach mit Bezug auf das stille Delft der Mitte des Goldenen Jahrhunderts der Niederlande von einem »lebendigen Organismus«, von einer »Gemeinschaft mit der Eigenheit einer echten Person«. Diesen Bildern ließ er im nächsten Moment ein Bild der Delanoy Avenue im Nordosten des Stadtteiles Bronx von New York folgen. Zweifellos ein Unterschied. Doch das Elend der Delanoy Avenue sei in Wirklichkeit keine Seltenheit; was man dort finde, könne man auch in Leipzig, in Mailand und in vielen andern Orten finden. Durch seine drei Dias griff der Redner – offenbar mit gewisser Sympathie – die Figur einer antitechnischen, antiurbanen, ja antimodernen Kritik auf, wonach im neunzehnten Jahrhundert die Kommunen durch Mechanisierung und Zivilisierung ihres Alltags ihren je eigenen Charakter Stück für Stück verloren hätten und wonach im zwanzigsten Jahrhundert sie vollkommen anonym geworden seien. Doch schon mit den nächsten Sätzen klagte Herrey über solchen Konservatismus. Die totalitären Reaktionen auf den Niedergang jedweder wirklichen Gemeinschaft im Lauf der zwanziger und dreißiger Jahre hätten leider zu einem kulturellen Pessimismus geführt, der Europa nur lähme. Eine Alternative zur Urbanisierung, um nicht zu sagen einen Rückweg aus der Misere New York in die Idylle Delft, suchte der Redner nicht. Solche Phantasien waren nie seine Perspektive, obwohl er die Tücken des Fortschritts der Großstadt kannte. Wieder und wieder würden unserm Leben »Geburtstagsgeschenke« gemacht, die den Standard heben; doch es sei, als ob diese Geschenke, indem sie eine Lücke schließen, zehn neue öffnen.

American Academy of Arts and Sciences, »Communication«, Ein­ ladung zu Vorträgen von Martin Wagner und Hermann Herrey, 1943

Dann bot Herrey seinen Hörern eine Reihe von Karten, die er gezeichnet hatte, um sich ein Bild vom Alltag des Wohnens, der Arbeit, des Verkehrs, der Gesundheit und des Verbrechens in New York zu verschaffen. Nach Meinung amtlicher Stadtplaner müssten achtzehn Prozent des Areals der Insel Manhattan als Slum gelten, das einer völlig neuen Struktur, einer völlig neuen Physis bedürfe. Die an Daten und Fakten reiche Darstellung der miserablen sozialen Kondition Tausender Einwohner von New York hatte der Redner aber nicht um Mitleids willen verfasst. Sie sollte vielmehr auf drei Thesen führen: dass erstens die Stadt ein Marktplatz sei, der dem Umschlag von Gütern und dem Austausch von Menschen diene; dass zweitens allein die Kreativität und Produktivität dieses Verkehrs der Grund sei, Riesenstädte wie New York oder London am Leben zu erhalten; dass drittens die Problematik der Metropolen nicht aus dieser oder jener einzelnen Schwierigkeit rühre – dem Mangel an Wohnraum und Freiraum, der Spekulation mit Immobilien, dem Massentransport auf Straßen und Schienen –, sondern aus etwas anderm: »Die städtische Gemeinschaft«, so Herrey, »ist nicht bloß eine Häufung von Menschen, vielmehr ein Organismus. Dieser weiß sich jedoch nicht mehr so deutlich wie früher zu erklären und zu be-

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haupten. Er hat in unserm Leben nicht mehr dieselbe Prominenz wie eine ständische Körperschaft und tritt im Stadtraum nicht mehr so auffallend in Erscheinung. Gleichwohl ist er da; wir leben darin. Genau dieser inzwischen amorphe Charakter des Organismus und die Tatsache, dass seine Funktionen inzwischen Gefahr laufen, nicht mehr erfüllt zu werden, ist das Problem.« Der Redner sah die Zukunft der Städter in einer komplexen, wo nicht totalen technologischen und ökonomischen Heteronomie, die an Max Webers Wendung vom »stählernen Gehäuse der Hörigkeit« erinnert. »Wenn mehr als die Hälfte der Menschen eines Ortes wie Manhattan weniger als zwei Jahre in derselben Wohnung bleiben«, so Herrey, »dann kann keine lebende Nachbarschaft entstehen und ihre Eigenheit bewahren. Wie können Menschen sich niederlassen, Wurzeln schlagen und mehr als nur flüchtige Freundschaften schließen? Wie können sie Einsatz wagen und an Gemeinschaft teilnehmen?« Zur Antwort auf diese Fragen schlug der Redner einen wahrlich großen Bogen. Er hatte keine Scheu, in den noch jungen USA auf das schon alte Europa zu verweisen. Die griechische Antike im Kopf, kam er auf Perikles’ berühmte Grabrede zu sprechen, in der es heiße, in Athen werde ein Mann, der sich von den städtischen Geschäften fernhalte, nicht als ruhiger, sondern als nutzloser Bürger betrachtet. Der Vortrag »The Significance of the Community Problem for Modern Planning« Am Beginn seines Vortrags in Philadelphia bat Herrey seine Hörer »demütig um Vergebung«. Er könne eine »Invasion« des Territoriums von Philosophen und Soziologen nicht vermeiden, da nach Meinung aller Stimmen der »Niedergang der Gemeinschaft« zum wohl größten Problem von Stadt und Land werde, wenn erst der Weltkrieg ein Ende habe und man den Auf- und Neubau zum Beispiel von Aachen ins Auge fassen könne. Gemeinschaft allerdings bestimmte der Redner, anders als im Jahr zuvor, weit stärker als Gemeinschaft in dauernder Bewegung, als Vorgang in Mitten und an Rändern, als Wechsel von Einschluss und Ausschluss, als manchmal spontane, manchmal regierte, immer fluide Assoziation an sich freier und gleicher Menschen. Dieses im bes­ ten Sinne humane Soziotop sei unsere wahre Heimat. Das Haus, die Straße, die Landschaft oder der Staat seien nur sein »Gefäß«. Es werde geformt und geprüft, bestätigt oder verändert durch die permanenten kollektiven Aktionen der in diesen Gehäusen lebenden Gemeinschaft. »Wenn ich über Boden laufe, der noch nie berührt wurde«, so Herrey, »dann lässt mein Fuß eine Spur im Gras. Wenn viele Leute in diese Spur treten, dann hört das Gras an dieser Stelle zu wachsen auf. Ein Pfad macht sich breit. Später wird aus dem Fußweg eine Fahrbahn, noch später vielleicht eine Straße mit Reihen von Häusern an beiden 150

Seiten. In England etwa folgt das Straßensystem den alten Römerstraßen, die von Jahrhundert zu Jahrhundert verändert und verbessert wurden. Wenn eine Generation scheidet, dann bleibt ein Rückstand. Es bleiben Spuren, durch deren Eindruck das verwandelt wurde, was vorhanden war. Zur selben Zeit aber schafft jede Generation auch ein neues Rahmenwerk und nimmt großen Einfluss auf die gemeinschaftsbildenden Prozesse der nächsten Generation. So werden die physischen Relikte einer Gemeinschaft zu mächtigen Faktoren, die über die Zukunft entscheiden.« Wie die Tätigkeit der Gemeinschaft am Eingang aller räumlichen und baulichen Entwicklung stehe, stehe sie auch an deren Ausgang. Denn das Höchste und Letzte aller Planung müsse der Wiedergewinn freiwilliger Verantwortung für die städtischen Belange sein. Wir steckten jedoch tief in einer Zeit, wo einerseits der Lebensstandard nicht allein der Ober-, sondern auch der Unterschichten weiter und weiter steige, wo anderseits die meisten Menschen sich kaum mehr in der Lage fühlten, aus frei gewählten Gründen und mit frei gewählten Zielen in eine bindende, dauernde, größere Gemeinschaft gleich welcher Art zu treten. Herrey fasste solche Tücken des Fortschritts der Großstadt 1944 weit schärfer als 1943. Wer zu klären suche, ob vielleicht materieller Gewinn, materieller Aufstieg, materielles Wohlbehagen auf der einen Seite, spiritueller Verlust, spiritueller Abstieg, spirituelles Unbehagen auf der andern Seite »vom Ursprung an verknüpft« seien, setze sich sofort dem Verdacht aus, die allmählich bessere Versorgung der Bewohner von Stadt und Land zu verschmähen. Dabei sei nicht zu leugnen, dass – allein um einer rationellen, das heißt effizienten Befriedigung von Bedürfnissen willen – ein riesiger »furchtbarer Apparat« der Herstellung und Verteilung von Waren, der Verwaltung und Zurichtung von Menschen mit einem riesigen »Labyrinth intrikater Dependenzen« errichtet worden sei. Aufgrund dessen kämen die Leute nirgendwo und nirgendwann mehr zur Ruhe; außer Atem strömten sie in den Städten mal nach hier, mal nach dort, nur um dem Arbeitsmarkt zu gehorchen, der indes von ökonomischen Konditionen regiert werde, über welche sie keinerlei Kontrolle hätten. Einfach überleben wollen, einfach weiterleben müssen, das schon fülle den Alltag völlig aus. Nicht mehr fähig, ihr Leben selber in die Hand zu nehmen, würden sich die breiten Massen erschöpft an den Staat wenden, der nun die Rolle des sorgenden Treuhänders spiele, bald alles und jedes an sich reißend. Politische Partizipation beschränke sich auf das Wählen einer Partei. Man lese Zeitung, höre Rundfunk und sei im Übrigen: politisch apathisch. Herreys Vortrag in Philadelphia fand nicht den Anklang, auf den der Redner gehofft hatte. Vielleicht wollte mancher Hörer sich mitten im Krieg nicht von draußen sagen lassen, wie es um die Städte der USA bestellt war. Herreys These vom Konnex materiellen Wohlbeha-

gens einerseits, spirituellen Unbehagens anderseits und Herreys These von der Entstehung politischer Apathie aufgrund einer doppelten Bewegung der Massen hin auf Privatismus und Etatismus sind keine ideologische Idiosynkrasie, haben sie doch manches mit Max Horkheimers und Theodor W. Adornos etwa gleichzeitig in den USA entstandener Konzeption einer »Dialektik der Aufklärung« gemein. Auf jeden Fall ist das Bewusstsein der Bedeutung von Gemeinschaft und Gesellschaft bei Herrey höher entwickelt als bei Gropius, Giedion und Wagner. Gropius meidet jede klare Meinung, weil er niemand vor den Kopf stoßen möchte. Auch Giedion bietet auf den letzten Seiten seines Buches »Raum, Zeit, Architektur« ein Musterstück der Vermeidung deutlicher Aussagen. Wo es um die faits sociaux geht, spricht er lieber – man möchte sagen: nach der Art eines Pennälers – vom »Einfluß des Gefühls«. Und Wagner? Der bezieht sich noch 1951 in seinem Buch »Wirtschaftlicher Städtebau« ohne Skrupel auf die alte deutsche Opposition von hie guter, weil »sinnhafter« Gemeinschaft, da böser, weil »zweckhafter« Gesellschaft. Und zeigte damit nur, wie wenig er von den USA gelernt hatte. Manhattan vor dem Manhattan Plan Herreys Rede vor Mitgliedern der American Academy of Arts and Sciences in Boston – Präsident Shapley nannte das Papier seines Freundes in einem Brief vom 24. November 1943 »über und über wissenschaftlich« – wurde von einer zehn Tage dauernden, kleineren Ausstellung begleitet, die Herreys Projekt eines neuen Systems der Straßen Manhattans zum Thema hatte. Zwar ist keines der Schemata, keines der Modelle der Ausstellung noch existent; doch kommen Inhalt und Absicht des Ganzen auch in einem achtzehn Seiten langen Typoskript, das der Autor wohl Ende 1943 oder Anfang 1944 verfasst und um ein paar Karten ergänzt hatte, deutlich genug zum Ausdruck. Eingangs äußert Herrey, Städte seien wie Menschen, hätten ein Gesicht, würden mal reden, mal schweigen. New York aber sei »unter allen Städten am wenigsten trügerisch« und daher »eine der schönsten Städte der Welt«. Dieser Eindruck rühre aus der Lesbarkeit des städtischen Gefüges Manhattans; hier böten nämlich Grund- und Aufriss eine solche Klarheit, dass man die Oberfläche der Metropole »fast für bare Münze nehmen« könne. Ursache der Herreyschen Wahrnehmung ist letztlich der Commissioners’ Plan von 1811. Dieser hatte ganz Manhattan, erst mit Ausnahme des Broadway, dann mit Ausnahme des Central Park, durch ein Raster meist breiter, langer Nord-Süd- und meist schmaler, kurzer West-OstAchsen bedeckt. Sichtbar radikal, scheinbar neutral: Das Gitter hatte Planung auf Basis sozialer oder politischer Visionen ausgeschlossen und zu Investition und Spekulation eingeladen. Die Bestimmung der Entwicklung Manhattans durch die Belange der Anleger hatte zwei Folgen

gehabt. Sie hatte einerseits zu einem Maß an Nutzungsmischung und Nutzungsdichte geführt, das selbst in einer Stadt wie London keinen Vergleich gehabt hatte; sie hatte anderseits zu einem Auf und Ab der Mitte New Yorks geführt, ohne dass je mittels konsistenter politischer Strategien interveniert, je die vielen Teile und das eine Ganze der Stadt ins Lot gebracht worden wären. Nach dem Commissioners’ Plan hatte kein großer Plan mehr fruchten können. Auch der Regional Plan of New York and Its Environs, wie gesagt das räumlich und sachlich wohl größte Planwerk des zwanzigsten Jahrhunderts, hatte kaum Erfolg gehabt. Öffentlich geworden in zehn Büchern zwischen 1927 und 1931, hatte sich der Plan vor allem um Wirtschaft und Verkehr und um die Interessen der Geschäftsleute bemüht, die den Plan bei Planern unter Führung von Thomas Adams bestellt hatten. Weshalb die Entwicklung Manhattans zum A und O der Entwicklung der Region New York / New Jersey / Connecticut erklärt worden war und für das Terrain zwischen Hudson und East River die schönsten Bilder von Wolkenkratzern und Autobahnen im Dienste des großen Geschäfts gemalt worden waren. Mit dem Antritt von Bürgermeister Fiorello La Guardia Anfang 1934 war ein Mann zum Herrn aller Planung New Yorks gemacht worden, der das Werk eines Georges Eugène Haussmann in den Schatten stellen sollte. Dieser Mann hieß: Robert Moses. Offiziell nur Park Commissioner, mithin zuständig für Grünflächen, hatte er sich im Lauf der Zeit in der eben erst von Bestechung befreiten städtischen Verwaltung durch Kontakte und Kontrakte eine starke Stellung sichern können. Moses war kein Planer; er war ein Macher. Ja, er war ein Machtmensch ohne Rücksicht auf wen auch immer. Von Mitte der zwanziger bis Anfang der vierziger Jahre hatte er den Henry Hudson Parkway in Manhattan, den Grand Central Parkway in Queens, die Triborough Bridge über Randall’s Island, die Strandbäder Orchard Beach in Bronx, Jacob Riis Beach in Queens, Jones Beach auf Long Island, den Central Park Zoo und den Bryant Park in Manhattan, die »World’s Fair« in Queens bauen lassen. Bauen lassen hatte er auch Hunderte von Spiel- und Sportplätzen. Ohne zu übertreiben darf man ihn den größten Bauherrn öffentlicher Bauten für die breite Masse der Städter nennen. Aber die bloße Lage all der Spiel- und Sportplätze hatte schon früh den Beweis erbracht, dass Moses stets an die weißen Mittelschichten, nie an die schwarzen Unterschichten gedacht hatte. Kritiker hatten ihn deshalb einen Rassisten genannt. Auch Herrey hatte sich nicht gescheut, ihn einen »Reaktionär« zu schimpfen. Manhattan war, in Bezug auf die Zahl der dort Lebenden und Tätigen, seit den zehner Jahren von einer heftigen doppelten Bewegung geprägt worden. Nachdem sich die Familien der weißen Mittelschichten ein Automobil hatten leisten können, hatte im Norden und Osten der USA einerseits die Wanderung der Bewohner von den Mitten an die Ränder der Städte die historischen Zentren geleert, anderseits das Auf-

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Hermann Herrey, Manhattan Interior Highway and Parking Belt, Studie, 1943

kommen der Dienstleistung mit immer mehr Büro- und Geschäftsbauten die historischen Zentren gefüllt. Der Widerspruch, dass die Zahl der Einwohner Manhattans zwischen 1910 und 1940 von über 2,3 Millionen auf unter 1,9 Millionen gesunken war, dass die Zahl der Pendler im selben Zeitraum aber ungemein gestiegen war – so strömten 1940 an jedem Werktag etwa 3,3 Millionen Menschen von außen in das Gebiet südlich der 61st Street von Manhattan –, dieser Widerspruch erklärt sich allein aus dem Komplex ökonomischer und technologischer Konditionen, der eine Dezentralisierung und Rezentralisierung größerer städtischer Gefüge zur Folge hatte. Die Städter selber nahmen das Schieben und Stauen von Menschen und Wagen wie ein Viel-zu-viel und Viel-zu-voll wahr. In seiner Erzählung »Tod, der stolze Bruder« schrieb Thomas Wolfe, die Straßen zwischen Hudson und East River würden »beschwärmt«, »bedrückt«, »bestürzt«. Und in seinem Essay »Here is New York« schrieb E. B. White, die »normale Frustration« werde dort »multipliziert« und »amplifiziert«; »Spannung« und »Eile« könnten einen Fahrer beim Durchqueren Manhattans »an den Rand des Wahnsinns treiben«. Der schon ältere Architekt und Immigrant Eliel Saarinen wiederum, dessen Jugend in Finnland noch kein Automobil gekannt hatte, sah den Verkehr wachsen und wachsen. Und wuchern. In seinem Buch »The City. Its Growth, its Decay, its Future« heißt es: »Schon jetzt gibt es jede Art von Verkehrswegen unter der Erde, etwa Tunnel für Züge und Autos, Untergrundbahnen, Unteruntergrundbahnen, Unterunteruntergrundbahnen. Schon jetzt gibt es jede Art von Hochstrecken, Superhochstrecken, Supersuperhochstrecken für Autos und Züge. Und deren Last müssen alle Straßen und Schienen bis zu ihrer jeweils maximalen Kapazität tragen. Sicher muss es künftig ein Vielfaches dieser Verkehrswege geben, und zwar unter- wie oberirdisch. Der Erdboden muss durch mehr und mehr Röhren durchlöchert werden, bis er wie Baumstämme aussieht, in denen Würmer fressen. Die Krake von Kanälen und Linien über der Erde wird ihre Arme über Städte und Wasser von hier nach dort reichen, sodass immer größere ländliche Gebiete 152

diesem unentwegten Umhertreiben überlassen werden müssen. – Und man wundert sich, ob nicht König Salomon, jener alte Mann und Meis­ terbauer, eine Ahnung von dieser Lage hatte, als er seinen Spruch tat: ›Wo es keine Vision gibt, kommen die Menschen um.‹« Ein von Grund auf neues Manhattan Saarinen hielt den Verkehr für das größte Problem der Planung von Städten und teilte diese Meinung mit den meisten Architekten und Urba­nis­­­ ten der USA. Dass er zugleich nach einer »Vision« rief, wird 1943 – als sein Buch »The City« auf den Markt kam – niemanden überrascht haben. Auch Herreys Manhattan Plan war eine Vision, wiewohl sie mit der suggestiven Inszenierung der Zukunft des Automobils, die man ein paar Jahre zuvor auf der »World’s Fair« hatte sehen können, nichts zu schaffen haben wollte. Herreys Projekt war vielmehr von der Hoffnung beseelt, durch die Lösung des Problems Verkehr auch andern urbanen Problemen – an erster Stelle dem der sozialen und politischen Aktivität der New York citizens – endlich einen Schub in Richtung ihrer Lösung zu geben. Zu Beginn der Arbeit an seinem Manhattan Plan, das heißt Anfang 1943, machte sich Herrey, auch vor dem Hintergrund täglicher eigener Wahrnehmung, an die Beschreibung der Mängel des Straßensystems von Manhattan. Er unterscheidet drei Verkehrsströme: erstens den Verkehr nach Manhattan hinein und von Manhattan hinaus, zweitens den Verkehr vom einen zum andern der großen Teile Manhattans, drittens den Verkehr innerhalb der kleinen Nachbarschaften Manhattans. Das Raster von Straßen mit seinen zwei- bis dreitausend Kreuzungen mache diesen wie jenen Verkehr völlig gleich, meide jede Hierarchie der Funktionen und sei daher nicht effizient. Unterstützt wurden diese Annahmen durch wissenschaftliche Untersuchungen Erna Herreys. In eigenen Studien, später in der Zeitschrift »American Journal of Physics« publiziert, hatte die Physikerin und Professorin den Verkehr nicht mehr als die Bewegung einzelner Fahrzeuge betrachtet, sondern als die Ordnung eines Stroms oder Schwarms. Jedes Automobil brauche um sich herum einen Leer- oder Freiraum, damit es

sich ohne Störung durch andere Objekte bewegen könne. Verkehr sei demnach ein System von »Einflussräumen«. Dieser Abstand vom einen zum andern Wagen kontrahiere bei der Beschleunigung, expandiere bei der Entschleunigung des einzelnen Fahrzeuges. Die Gesamtverkehrssicherheit fordere, dass die Einflussräume nicht zu klein würden; die Gesamtverkehrsschnelligkeit fordere, dass die Einflussräume nicht zu groß würden. Das Aufnahmevermögen einer Straße werde erreicht, wenn die Einflussräume einer den andern gerade berührten. Der Komplexität des Herreyschen Manhattan Plan wird man nur gerecht, wenn man – vor der Wertung des Ganzen – die zahlreichen einzelnen Vorschläge in Bezug erst auf die Flächennutzung, dann auf die Straßen- und Verkehrsordnung, dann auf den Straßengürtel als die wichtigste Maßnahme des Projekts erläutert. In Bezug auf die Flächennutzung schlägt Herrey vor: 1. Jeweils etwa fünfzehn Blöcke in Nord-Süd-Richtung werden zu einem »Superblock« gemischter Nutzungen verschmolzen. Nach seinem Um- und Neubau bildet jeder Superblock eine größere Nachbarschaft. 2. Der Central Park wird nach Norden bis an den Harlem River, nach Süden bis an die Spitze der Insel erweitert. Dieser Streifen Stadtraum folgt dem Konzept und der Figur einer Park City. Sie nimmt die Kultur-, Kommerz- und Finanzviertel südlich des Central Park auf und bietet in Soho Platz für eine große, neue Handelsmesse mit Mustersammlung. 3. In nächster Nähe des breiten, hohen Straßengürtels auf dem Boden zwischen den 10th und 9th Avenues im Westen und den 3rd und 2nd Avenues im Osten werden Fabriken errichtet. Der Straßengürtel führt durch reines Industrieareal. 4. Zwei größere, längliche Gebiete zum Wohnen werden direkt am Hudson und am East River gebaut. In Bezug auf die Straßen- und Verkehrsordnung schlägt Herrey vor: 5. Manhattan wird in zehn etwa gleich große Abschnitte gegliedert. Jeder nimmt die Breite der Insel ein und wird von zwei Ringstraßen umschlossen, eine Richtung Westen, eine Richtung Osten. Die Lage der Ringstraßen deckt sich weitgehend mit den wichtigen West-Ost-Straßen, die ohnehin vorhanden sind. 6. Innerhalb der Superblöcke werden die allermeisten West-Ost-Straßen entfernt, da die Aufgabe des Querens der Insel allein von den Ringstraßen um die Abschnitte bewältigt wird. 7. Innerhalb der Superblöcke gibt es nur Sackgassen. Sie zeichnen sich durch ihre freie Führung aus und enden vor den einzelnen Gebäuden. 8. Zwischen den Superblöcken werden alle Avenues zu Einbahnstraßen, sei es nach Norden, sei es nach Süden. Im Abstand von je 402

Hermann Herrey, System der Straßenverkehrsführung in Manhattan, Studie, 1943

Metern sorgt eine Brücke dafür, dass die Bewohner mühelos zu Fuß vom einen zum andern Superblock gelangen. In Bezug auf den Straßengürtel schlägt Herrey vor: 9. Zwischen den 10th und 9th Avenues, zwischen den 3rd und 2nd Avenues sowie auf querenden Partien einerseits der Uptown, anderseits der Downtown wird ein 24,4 Meter hoher Straßengürtel aus Beton gebaut. Er hat vier Geschoss über Niveau und zwei Geschoss unter Niveau. 10. Über Niveau wird eine Bahn für schweren Güterverkehr, eine für öffentlichen Verkehr mit Bussen und für leichten Güterverkehr, eine für privaten Nahverkehr, eine für privaten Fern- und Schnellverkehr reserviert. Jede Bahn hat sechs Spuren. Unter Niveau werden zwei Geschoss mit Parkraum für 3600 Wagen auf je 1,6 Kilometern Strecke geschaffen. 11. Der Straßengürtel wird durch Rampen mit den Ringstraßen der zehn Abschnitte verbunden. Verbunden wird er auch mit den wichtigsten Straßen und Brücken von und nach Manhattan. 12. Falls der Autoverkehr stärker wächst, kann der Straßengürtel um zwei auf sechs Geschoss erhöht werden.

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Auf den ersten Blick wirkt der Herreysche Manhattan Plan wie ein Projekt, dem es primär um Verkehr geht. In Wahrheit aber soll das Ende von Congestion nur den Anfang von Community bilden. Die Umschließung eines jeden Superblocks – einerseits durch die Ringstraßen an seinen schmalen Nord- wie Südseiten, anderseits durch die Avenues an seinen breiten West- wie Ostseiten – soll das Entstehen von Nachbarschaft erleichtern. Der Bostoner Architekt Constantin A. Pertzoff, der Herrey bei der Entwicklung des Vorhabens unterstützt hatte, schrieb in einem Papier über den Manhattan Plan: »Aus gutem Grunde nehmen wir an, dass künftig die Vorstellung von Gemeinschaft mit der Demokratie so eng verbunden sein wird wie früher die Vorstellung von Masse mit der Diktatur.« Vorläufer und Vorbilder Hatte Herrey schon für seine Dissertation »Planning for Community Activities / Community Centers« die Schriften von Perry studiert, so konnte er für seinen Manhattan Plan auf dessen Planungsprinzip Nachbarschaftseinheit zurückgreifen. Bei Perry werden die Größe der Fläche und die Menge der Menschen einer Nachbarschaftseinheit von der Grund- und Hauptschule als dem Herz der Siedlung diktiert. Die Schule erfasst die Jungen und Mädchen im Umkreis einer Viertelmeile und damit die Familien von zusammen drei- bis zehntausend Personen. Während die Nachbarschaftseinheit außen von Straßen gesäumt wird, die dem Durchgangsverkehr dienen, wird sie innen von Straßen bestimmt, die – ohne je einem Raster zu folgen – auf einzelne, für die Gemeinschaft der Bewohner wichtige Gebäude führen. Das Desiderat sozialer Kohäsion lässt Perry auch den Versuch unternehmen, das Planungsprinzip Nachbarschaftseinheit auf die fällige Sanierung größerer Partien Manhattans zu übertragen. Dabei werden vier oder fünf der alten Blöcke zu einem neuen Block geformt, der an seinen Rändern stärker, in seiner Mitte schwächer bebaut wird, sodass dort Raum für grüne Höfe und für ein Community center ist. Wiewohl Herrey keine Kopie der Ideen und Konzepte von wem auch immer wollte, wollte er seine Arbeit auf dem Terrain des Urbanismus doch mit dem historischen wie dem aktuellen Diskurs um die Planung amerikanischer Städte in Kontakt bringen. Daher sein Interesse an Clarence Arthur Perry; daher sein Interesse an Clarence Samuel Stein und Henry Wright. Diese hatten mit Radburn, einer Siedlung bei Fair Lawn im Bergen County des Bundesstaates New Jersey, Ende der zwanziger Jahre ein Beispiel gesetzt, das Herrey wohl auch aus eigener Anschauung kannte, liegt doch diese Ortschaft keine dreißig Kilometer von Manhattan entfernt. Radburn hatte Schluss mit dem Prinzip Ras­ ter und mit dem Konnex von Blockrand und Wohnhaus gemacht. Um jeden der Superblöcke führt eine Ringstraße; in jedem der Superblöcke 154

stehen Cluster von Bauten. Jeder Cluster ähnelt einer Traube oder Kette von Einzel-, Doppel- und Reihenhäusern zu beiden Seiten einer Sackgasse; zwischen den Clustern wächst Grün. Unter den zahlreichen Beiträgen, die sich während der ersten Hälfte der vierziger Jahre mit der Planung der Weltstadt New York befass­ ten, nahm das Buch »New York Plans for the Future« den ersten Rang ein, weil es ökonomische Realitäten und politische Utopien jener Tage auf solche Weise verband, dass ein Ganzes daraus wurde. Verfasst von Cleveland Rodgers – dem Publizisten und Mitglied der freilich wenig einflussreichen New York City Planning Commission –, rezipierte das Buch den New Deal Präsident Franklin D. Roosevelts und propagierte die Wiedergeburt New Yorks als einer von aktiven Citizens bestimmten »City of Neighborhoods«. Wie wichtig dem Autor diese Botschaft war, zeigt sich noch daran, dass er die bloße Rede von der City of Neighborhoods durch ein großes C und ein großes N zum festen Begriff machen wollte. Das Programm von Rodgers war das Programm von Herrey. Jener muss diesen, dieser muss jenen nicht einmal gekannt haben. Allein die Konkordanz des Ideals beweist, dass Herrey – ein Fremder in New York – voll auf der Höhe von Ort und Zeit war. Ein Plan aus der Zeit, aber ohne Chance Aus dem Abstand von fünfundsiebzig Jahren wirkt der Herreysche Manhattan Plan wie ein gigantisches Projekt, um nicht zu sagen wie ein maßloses Vorhaben. Was bei heutiger Betrachtung besonders irri­ tiert, sind vier Aspekte: erstens die Bereitschaft, vom New York, wie es liegt und steht – hatte nicht Herrey die Metropole zwischen Hudson und East River »eine der schönsten Städte der Welt« genannt? –, so große Teile einfach fallen zu lassen; zweitens die Bereitschaft, das private Eigentum an Boden und Häusern in so hohem Maße zu berühren; drittens die Bereitschaft, dem Verkehr mit dem Auto so viele Schneisen zu schlagen, so viel Raum und Bau zu gönnen; viertens die Bereitschaft, die gesamte städtische Entwicklung der nächsten fünfzig Jahre auf den einen großen Plan zu gründen. Aber, so muss nun der Historiker widersprechen: Es kommt nicht darauf an, den Herreyschen Manhattan Plan mit dem späteren Bewusstsein des Versagens von Urbanismus und Architektur im zwanzigsten Jahrhundert zu betrachten – diese Kritik wäre gratis –, sondern ihn aus der im Technologischen und Ökonomischen durch das Stichwort Modernität, im Sozialen und Politischen durch das Stichwort New Deal geprägten Wahrnehmung des New York der späten dreißiger und frühen vierziger Jahre zu verstehen. Gehen wir also zunächst auf die ersten drei der vier erwähnten Aspekte ein, um danach den vierten Aspekt – den Streit um Ganzheit oder Stückwerk – etwas näher zu schildern.

Clarence Arthur Perry, oben Straßenführung

Clarence Arthur Perry, Prinzipien der Planung von

in einer Großstadt, unten Straßenführung

Nachbarschaftseinheiten, 1929

in einer Nachbarschaft, 1929

Im New York City Master Plan of Land Use, einer Art Flächennutzungsplan, den die New York City Planning Commission unter Leitung von Rexford Guy Tugwell Ende 1940 unterbreitet hatte, wurde behauptet, beinahe sämtliche Gebäude Manhattans müssten im Lauf der Zeit durch neue ersetzt werden, die meisten schon binnen der nächsten zwanzig Jahre, weil die Menschen sie aufgrund von Mängeln nicht länger nutzen wollten. Zur gleichen Zeit war unter Planern und Architekten – bei Gropius, Mumford, Perry, Rodgers, Saarinen, Sert, Wagner und wem immer sonst – die Kritik des alles tolerierenden Kapitalismus, das heißt primär die Kritik der Spekulation mit Immobilien, ein Ceterum censeo. Wenn die von La Guardia und Moses geführte Kommune Boden und Häuser noch und noch gekauft, getauscht, ja enteignet hätte, hätte der Herreysche Manhattan Plan – vielleicht – eine Chance gehabt. Doch ohne die Abkehr von der für die USA typischen Präferenz privater vor staatlichen Instanzen war er zum Scheitern verdammt, auch wenn er in Teilen der Fachwelt begrüßt wurde. Was den Verkehr betrifft, so dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass seit den zwanziger Jahren wohl jeder Umbau einer Großstadt vom Auto her gedacht worden war. Le Corbusiers zwar klein gedruckte, doch hoch­ berühmte Anmerkung aus dem Buch »Städtebau« – »Das Automobil hat die Großstadt getötet. Das Automobil muß die Großstadt retten« – war

im Lande Henry Fords und seiner schwarzen Tin Lizzie längst Common sense. Ja, den individuell motorisierten Verkehr für die große Lösung zu halten schien dort reine Vernunft. Die Vision für die Lower East Side von Manhattan im Regional Plan of New York and Its Environs, jenes Bild der Chrystie Street und der Forsyth Street als einer langen Achse von Autobahnen und Wolkenkratzern, war ob ihrer dramatischen Sugges­ tion in allen Köpfen. Nur wer den Abriss der Hochbahn längs der 2nd, 3rd, 6th, 8th und 9th Avenues von Manhattan verfolgt und gespürt hatte, wie etwa die 6th Avenue nach dem Verschwinden der Gerüste für die Eisenbahn zu neuer Blüte kam, konnte schon um 1940 ahnen, dass Highways in der Stadt, anders als Parkways auf dem Land, wie Gräben und Mauern zwischen Menschen wirken würden. Nachbarschaft jedenfalls würde unter ihnen nur leiden. Streit um Ganzheit oder Stückwerk »Manhattan hat genug Pläne bei der Hand, um den Broadway von Anfang bis Ende zu tapezieren. Diese Woche kam einer hinzu. Autor des Plans ist der Architekt und Ingenieur Hermann Herrey.« – Mit diesen Worten beginnt der Artikel »New New York?« im Magazin »Time« vom 14. Februar 1944. Wer immer den Beitrag lanciert hatte, Herrey wird dem Autor auf Knien gedankt haben. Immerhin befasst sich der Artikel

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Josef Frank, Plan für vier Blöcke der Lower East Side, 1942

auf gleich zwei Seiten einzig mit dem Herreyschen Manhattan Plan, der auf diese Weise auch Politikern bekannt wurde. Einer von ihnen war: Moses. Durchaus möglich, dass die freundliche Würdigung der Vorschläge Herreys der letzte Anlass für ein Pamphlet war, mit dem der Park Commissioner in »The New York Times Magazine« vom 25. Juni 1944 eine Reihe prominenter Planer und Pläne attackierte. Unter andern fallen die Namen Gropius, Mumford, Saarinen, Tugwell. Wie um den Mann zu strafen, fällt der Name Herrey nicht, obwohl Moses dem Herreyschen Manhattan Plan eine nicht gerade geringe Beachtung schenkt. Den Artikel im Magazin »Time« nennt der Park Commissioner einen »Revolverartikel«. Und es versteht sich, dass er nach diesem Urteil Herreys Projekt verwirft, weil es das »Zwerchfell«, also den Raster Manhattans, »in Stücke reißt«. Da Moses, der sich für einen »patriotischen Konservativen« hält, von den Urbanisten als »Lamas in Tempeln« und von den Immigranten unter ihnen als »Beiunskis« spricht – die immer nur auf das verweisen würden, was »bei uns« in Europa erreicht worden sei –, ist es schwierig, hinter seiner wüsten, ausländerfeindlichen Attacke jene Wahrheit zu finden, die er als Praktiker erkannt hatte: dass nämlich hehre Utopien, große Theorien und kühne Strategien in existenten Metropolen wie New York an der sozialen und politischen Komplexität sowie an den Konflikten der Akteure zerschellen. »Der Mann, der seine Stadt liebt«, 156

so der Park Commissioner, »wird ihre Fehler und Mängel sehen, wird seine Stadt aber nie noch im selben Moment als ein Monstrum abtun.« Die Kontroverse um das Wünschbare und das Machbare bei der Planung von Städten in den USA war nicht neu. Sie hatte vielleicht schon mit dem berühmten »Make no little plans« des Chicagoer Architekten Daniel H. Burnham begonnen. In jedem Fall hatte Mitte 1932 das Hin und Her der Meinung zwischen Mumford auf der einen, Adams als dem Direktor der Experten des Regional Plan of New York and its Environs auf der andern Seite die Leser der Zeitschrift »The New Republic« in Anhänger eher von Strategen und Anhänger eher von Taktikern gespalten. In längeren Aufsätzen wie »City Planning. Battle of the Approach« und »So You’re Going to Plan a City« hatte dann das Magazin »Fortune« Ende 1943 und Anfang 1944 die Trommel für Ganzheit statt Stückwerk gerührt. Mit der Ausstellung über die für die ersten Jahre nach dem Weltkrieg gedachten baulichen Vorhaben der Stadt New York, von der New York City Planning Commission im Mai und Juni 1944 an der Park Avenue präsentiert, erreichte die Diskussion eine Intensität, die noch heute erstaunt. Gestaltet durch das Büro Skidmore, Owings & Merrill, bot die Schau neben manchen kleineren Modellen ein größeres Relief aller fünf Bezirke New Yorks, auf das man von einer weiten, runden Rampe blickte. Grüne Bäume für neue Spielplätze, schwarze Tafeln für neue Grund-

Percival und Paul Goodman, Manhattan Plan, 1944

Ludwig Hilberseimer, Manhattan Plan, 1944

schulen, rote Kreuze für neue Krankenhäuser, diese Zeichen ließen die Planung auf dem Riss der Stadt vor Augen treten. Das Programm bestand aus einer Vielzahl einzelner Gebäude, deren primär soziale Funktionen die Versorgung verbessern sollten. »The Architectural Forum« sprach von »public plaudits« und »planners’ protests« und brachte mit der literarisch inspirierten Formel den Unterschied der Wahrnehmung dort von Laien, hier von Profis schon im Titel der Kritik auf den Punkt. Autoren anderer Zeitschriften wurden schärfer. In »Pencil Points« etwa schrieb Talbot F. Hamlin, Direktor der Avery Architectural and Fine Arts Library der Columbia University New York, die Ausstellung zeige nur »mehr vom Immergleichen«. Es gebe »nicht die Spur einer Bestimmung von Nachbarschaft«. Und es fehle »jede Mühe, eine Stadt zu bauen, die dem einzelnen Bewohner hilft, ein Leben mit mehr Demokratie zu führen«. Scheitern an Robert Moses In einem Brief vom 10. Juni 1944 ließ Herrey seinen Freund Shapley wissen, die University of Oklahoma habe ihm eine Professur offeriert; doch wolle er lieber nicht nach Norman ziehen, da in New York sein Manhattan Plan auf reges Interesse stoße. In der Tat hatten »The Architecural Forum« und »Pencil Points« eben über seine Ideen und Konzepte für kommende städtische Gemeinschaft und, in diesem Kontext, auch über seine Planungen für Manhattan berichtet. Herrey aber hoffte

auf weitere Artikel, ja auf größere Debatten, die das in der Schau an der Park Avenue zum Ausdruck kommende, für die New York City Planning Commission typische »Kurieren lokaler Symptome« zum Thema haben sollten. Gestützt auf die Verrisse der Ausstellung des von Moses geführten Gremiums und auf die Vermutung, der Park Commissioner habe sich die Fachwelt »zum Feind gemacht«, glaubte er die »defensive Position« seines Gegners nutzen zu können, um die städtische Verwaltung für seinen Manhattan Plan zu gewinnen. Gut möglich, dass Herrey meinte, nun müssten außer den eigenen Vorschlägen auch die Masterpläne sei es von Josef Frank, sei es von Percival und Paul Goodman, sei es von Ludwig Hilberseimer zur Diskussion gestellt werden. Alle drei Entwürfe waren, wie der Herreysche Manhattan Plan, zwischen 1942 und 1944 entstanden; aber keiner hatte jene Publizität erlangt, die Herrey mit dem oben erwähnten Artikel im Magazin »Time« vergönnt war. Die Arbeit von Frank, öffentlich geworden Anfang 1943 im Rahmen einer Ausstellung der New School for Social Research, bezog sich auf vier Blöcke zwischen den 2nd und 1st Avenues und den 16th und 12th Streets, also auf Partien der Lower East Side Manhattans. Die Slums sollten durch Türme mit je vierundzwanzig Geschossen ersetzt, sechs dieser Häuser an den Rändern, zwei dieser Häuser in der Mitte des Terrains gebaut, der Rest der Fläche mit Rasen, Büschen

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und Bäumen begrünt werden. Während Frank seine Lösung wohl als Exempel für Sanierung im Sinne von Perry verstand, gingen die Brüder Goodman weit über die Planung einer Reihe von Superblöcken und Nachbarschaften hinaus. Die wichtigste Eigenschaft ihres Projekts war einerseits die Schaffung eines von Norden nach Süden reichenden, nicht allein kommerziellen, sondern auch industriellen Nutzungen dienenden, mittleren Geländes, anderseits die Öffnung der Ufer von Hudson und East River, die dem Wohnen und Baden Raum bieten sollten. Hilberseimer schließlich schlug, wie Herrey, einen Straßengürtel vor, der den Verkehr nach seinen Zielen innerhalb oder außerhalb Manhattans trennen sollte. Uptown und Midtown und Downtown sollten auf dem Streifen zwischen dem Westteilstück und dem Ostteilstück der Autobahnen von aller »steinernen Wüstenei« befreit werden. Wachsen sollte hier eine Mischung aus Stadt und Park mit alten und neuen Bauten, die in frischem Grünraum wie in freier Natur stehen würden. Auf dem bis an die Ufer der beiden Flüsse führenden Areal außerhalb des Straßengürtels sollten vornehmlich Wohnungen errichtet werden. »Manhattan hat genug Pläne bei der Hand, um den Broadway von Anfang bis Ende zu tapezieren.« – Wenn die schon zitierte Einleitung des Artikels aus dem Magazin »Time« nicht bloß die forsche Rede eines Journalisten war, dann zeugt sie von gleich zwei historischen Fakten: von dem Engagement der Urbanisten und Architekten Amerikas für den Herzschlag New Yorks wie von der Fruchtlosigkeit ihrer Mühe. Keiner dieser Pläne wurde von der Kommune je auch nur in Erwägung gezogen. Dafür sorgte allein: Moses. Den brachialen Autokraten konnte damals niemand aus der Bahn werfen. Erst recht kein Neuling wie Herrey. Organischer Urbanismus: Einheit und Vielfalt neuer Städte Neben die Arbeit an der Dissertation, neben die Vorträge in Boston und Philadelphia und neben den Manhattan Plan traten im Schaffen Herreys drei Aufsätze, die den Versuch unternehmen, Elemente eines organischen Urbanismus zu konzipieren. Alle diese Werke entstanden gleichzeitig und nachzeitig zwischen 1942 und 1944. Etwas schematisch lässt sich behaupten, dass aus der Arbeit an der Dissertation die Vorträge, aus den Vorträgen der Manhattan Plan, aus dem Manhattan Plan die Aufsätze und mit ihnen die Elemente eines organischen Urbanismus resultierten. Allein ob ihres distinkten Charakters – dessen Züge beim Vergleichen mit Projekten aus andern Büros noch klarer werden – verdienen die Herreyschen Ideen und Konzepte für die Bildung neuer Städte eine genaue Betrachtung. Zwei der Aufsätze wurden im April 1944 publiziert, einer unter dem Titel »An Organic Theory of City Planning« in »The Architectural Forum«, einer unter dem Titel »Comprehensive Planning for the City. 158

Market and Dwelling Place« in »Pencil Points«. Der dritte Aufsatz würde gut drei Jahre später unter dem Titel »Réflexions sur une théorie organique de l’urbanisme« in »L’Architecture d’Aujourd’hui« erscheinen. Dieser Text erweitert die früheren Gedanken; er ist wohl auch eine Folge der Ausstellung »Urbanisme aux Etats-Unis«, die der am Illinois Institute of Technology (IIT) Chicago lehrende Hilberseimer ein Jahr nach dem Weltkrieg in Paris besorgen würde; unter den Plänen, die dort im Centre Culturel Américain gezeigt werden würden, würde auch Herreys »Cité Cellulaire« ihren Platz haben. Ein Plan, schreibt Herrey, dürfe »stimulieren«, vielleicht sogar »dirigieren«. Er dürfe den Alltag der Städter aber auf keinen Fall in diese oder jene Richtung »zwingen«. Ohne Namen zu nennen, moniert der Autor die ältere City Beautiful von Daniel H. Burnham ob ihrer dominant ästhetischen, die jüngere Broadacre City von Frank Lloyd Wright ob ihrer dominant funktionalen Orientierung und greift selbst, man möchte sagen Punkt für Punkt, jene Vorschläge und Vorgaben auf, die Mumford auf den letzten Seiten des letzten Kapitels »Social Basis of the New Urban Order« seines Buches »The Culture of Cities« gemacht hatte. Im Zentrum der Planung, so Herrey, müsse die Idee offener Gemeinschaft stehen. Deren Entwicklung könne nur in der Nachbarschaft gelingen. Diese müsse – was für ein Unterschied zur »Raumzeit« bei Giedion – auf dem Grund der Wahrnehmung des Fußgängers gestaltet werden. Der Stadtteil brauche Kontinuum und Fokus. Die öffentlichen Einrichtungen, besonders die Gebäude der Versammlung, müssten eine prominente Position haben. Der Bewohner müsse sie ohne Auto in zehn Minuten erreichen können. Gleich mit dem Titel und den ersten Worten des Beitrags in »The Architectural Forum« wird dem Leser gesagt, unter welchem Begriff der Urbanismus zu stehen habe. Die städtische Gemeinschaft sei kein »Haufen Menschen«, sondern ein »Organismus«. Sicher, der Autor betrat mit dieser Meinung kein Neuland, war doch die Rede von der Stadt als einem Organismus schon in den zwanziger Jahren geläufig geworden. Im Diskurs der Planer tauchte sie mal in anatomischer, mal in ökologischer, mal in biologischer Wendung auf. Anatomisch gedacht war Le Corbusiers Vergleich der Mitte mit einem Herz, des Parks mit einer Lunge, der Straßen und Autos mit Adern und Venen. Ökologisch gedacht war Mumfords Vergleich der reziproken Relation von Individuen, Gruppen und Massen im Stadtraum mit dem Balance suchenden Haushalt der Kräfte des Lebens. Biologisch gedacht war Perrys Vergleich der Nachbarschaft mit einer Zelle und ihrem Wachstum durch Spaltung und Dopplung. Direkt Bezug nimmt Herrey in den erwähnten Aufsätzen allein auf Bilder aus der Anatomie; in seinem Denken und Planen haben aber auch die ökologische und die biologische Implikation ihren Platz. Dann und wann scheint es gar, als ob der Autor die späten Schriften des von

Hermann Herrey, Relation von Gruppen und Räumen in der Stadt, 1944

1924 bis 1937 an der Harvard University tätigen, britischen Gelehrten Alfred North Whitehead gekannt habe. Whiteheads Philosophie des Organischen hatte mit der stets selektiven, ja arbiträren Rezeption des Organischen unter Planern nichts gemein. Sein Interesse galt dem Organischen als dem Prinzip des Einen und des Vielen, des Ganzen und der Teile, der Dauer und des Wandels auf gleich welchem Gebiet. Die im Folgenden zu interpretierenden Illustrationen der Herreyschen Aufsätze machen jedenfalls klar, dass der Autor das Organische als eine Symbiose von Funktionen versteht, bei der die Struktur mit dem Prozess und der Prozess mit der Struktur der Stadt immer wieder in Konflikt gerät, sodass der Plan des Planers maximal flexibel sein muss. Organischer Urbanismus: Menschen, Gruppen, Räume Mit ihren Figuren und Linien zeigt die erste dieser Illustrationen die Bildung kleinerer oder größerer Gruppen in kleineren oder größeren Räumen. Dass sich die runden Flächen an vielen Stellen

überlappen, deutet auf den immer wieder neuen Vorgang von Einschluss oder Ausschluss. Die Möglichkeit von Nachbarschaft an die Bedingung der Einheit des Raumes durch dessen klare Grenzen zu knüpfen würde ja leugnen, dass soziale Konnexion auch aufgrund von Geschlecht oder Alter, von Herkunft oder Beruf, von kultureller Ambition oder politischem Interesse entsteht. Diese Eigenschaft städtischer Gesellschaft hatten schon die Forscher der Chicagoer Schule der Soziologie – etwa Louis Wirth in seinem einflussreichen Aufsatz »Urbanität als Lebensform« 1938 – behauptet und beschrieben. Um dem Widerspruch der zum Teil räumlichen, zum Teil nicht räumlichen Verfassung von Nachbarschaft gerecht zu werden, plant Herrey einerseits die engere Verbindung von Nachbarschaft zu Nachbarschaft durch Übergänge auf Straßen und Wegen, anderseits mehrere räumliche Gefüge unter freiem Himmel, die den Gruppen der Städter für diese oder jene Nutzung bereitstehen.

GEMEINSCHAFT IN DER KLEINEN UND DER GROSSEN STADT 1942–1944

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Bei der zweiten dieser Illustrationen handelt es sich um ein Gemälde, das im Kunsthistorischen Museum Wien hängt, wo Herrey als Jugendlicher häufiger Besucher gewesen war. Das Bild trägt den Titel »Kampf zwischen Fasching und Fasten« und stammt von Pieter Brueghel dem Älteren. Die Opposition mit einem kleinen Foto des Broadway zeigt: Herrey will die Augen des Lesers auf den Kontrast von Autoverkehr und Menschenverkehr lenken. Keine Frage, dass seine weitere Ausführung über das Gemälde eine Zuschreibung von Bedeutung ist. Was wie die panoramatische und enzyklopädische Präsentation prallen Lebens wirkt, ist kein Dokument städtischen Getriebes im Alltag des sechzehnten Jahrhunderts; das Wimmeln und Wuseln der Männer, Frauen und Kinder dient allein der Lehre von Lust und Zucht; das Ganze ist, im Thematischen wie Ästhetischen, durch und durch fiktional. Herrey aber eignet sich das Bild auf seine Weise an. Er macht es zum Ausdruck seiner Sehnsucht nach der Stadt als einem Drama und einer Szene, ja als einem Ort theatralischer Aktivitäten. Hatte nicht auch Mumford gegen Ende seines Buches »The Culture of Cities« notiert, die Stadt sei wie ein Theater, auf dessen Bühne die Sache der Städter ihre adäquate kulturelle und politische Formulierung finden müsse? Durch kleine Pläne mit dunkler Schraffur von Teilen der öffentlichen Räume in Verona, Venedig, Den Haag, London und Wien kommen wir zur dritten dieser Illustrationen. Für ihre Wertung spielt Herreys Wiener Herkunft eine große Rolle. Vom Platz zwischen dem Naturwissenschaftlichen und dem Kunsthistorischen Museum über den Burgring zum Heldenplatz, dann durch die Hofburg auf den Michaelerplatz, dann durch den Kohlmarkt auf den Graben und weiter auf den Stephansplatz vor dem Stephansdom: Ein so faszinierend narratives, spatiales Kontinuum – das dem Planer von Kindheit an vertraut war – konnte gar nicht ohne Wirkung auf ihn sein und musste ihn den Versuch unternehmen lassen, die räumliche Eigenschaft alter Städte in Europa für neue Städte in Amerika zu gewinnen. Sosehr dieses Interesse an der Perzeption von »Leer« und »Voll«, von »Negativ« und »Positiv«, von »Raum« und »Bau« in der Stadt auch ein Nachhall des ästhetischen Arrangements der Stadt bei Camillo Sitte und Albert Erich Brinckmann sein mag, so sehr mag es auch ein Vorschein dessen sein, was erst Kevin Lynch nach dem Studium der Bewegung von Bewohnern großer Städte der USA wieder fordern wird: den vorstellbaren, ablesbaren, einprägsamen öffentlichen Raum. Bei der vierten und letzten dieser Illustrationen – jede gibt Auskunft über die Maximen und Motive der Herreyschen Planungen – wird auf die Bedeutung der New England Town verwiesen. Kleine Fotos der Mitte von Portsmouth / New Hampshire und von Marblehead / Massachusetts führen Herreys Ideen und Konzepte auf den Typus der Städte der frühen Siedler zurück. 160

Organischer Urbanismus: Der Stadtteil der fünftausend Die Illustration mit der größten Information ist fraglos das »Schema für eine Siedlung von fünftausend Personen«. Herrey nimmt hier, stärker als bei seinem Manhattan Plan, auf das Radburn von Stein und Wright Bezug. Getrennt worden waren dort Durchgangsverkehr und Binnenverkehr; getrennt worden waren dort die äußeren Ringstraßen, die inneren Sackgassen, die inneren, von Busch und Baum gesäumten Fußwege. Aufgrund dieser Ordnung – einer wo nötig durch kleine Tunnel oder Brücken besorgten Verknüpfung von drei Systemen mit je eigener Funktion – war Stein und Wright Ende der zwanziger Jahre eine Art Versöhnung der Gartenstadt mit der Autostadt, der Autostadt mit der Gartenstadt gelungen, ohne dass die beiden Planer den Utopien Le Corbusiers einen Tribut gezollt hätten. Wenngleich Radburns pittoreske Architektur nicht nach Herreys Geschmack war, wusste er Radburns avancierten Urbanismus zu schätzen. Diese Leistung führt er fort, achtet jedoch weit mehr als Stein einerseits auf die Beziehung von Raum und Bau, anderseits auf die Bedeutung von öffentlichem Raum als öffentlichem Raum. Schon der Titel »Schema für eine Siedlung von fünftausend Personen« ist ein Stück Programm; denn niemand anders als Plato hatte die wünschenswerte Größe einer Polis mit der Zahl von fünftausend Personen definiert, weil die Stimme eines Redners eine solche Menge Menschen auf dem Markt eben noch in ihren Bann schlagen könne. In der Tat bietet Herreys Projekt viel Raum für die soziale, die kulturelle, die politische Aktivität. Man schaue nur auf die Legende des Plans: unter den Nummern 12, 13, 14, 15 in der Siedlungseinheit B unten ein Klub, ein Restaurant, ein Auditorium, ein Theater; unter der Nummer 16 in der Siedlungseinheit D links eine Bibliothek; unter der Nummer 26 in der Siedlungseinheit D unten ein Platz der offenen Versammlung; unter der Nummer 27 in der Siedlungseinheit C mittig ein Platz für das Konzert unter freiem Himmel; unter der Nummer 31 in der Siedlungseinheit D mittig ein Amphitheater; unter der Nummer 35 in der Siedlungseinheit D oben ein Hof der offenen Debatte. Das »Schema« mit den Teilen A bis F reserviert seine äußeren Partien für Einzel-, Doppel- und Reihenhäuser sowie für grüne Pfade und Plätze zwischen den Bauten; es reserviert seine inneren Partien ausschließlich für Nutzungen in Gemeinschaft und Gesellschaft. Dabei lenkt die ins Detail gehende Herreysche Darstellung der städtischen Einheiten die Vorstellung des Betrachters dermaßen auf die Analogie mit der Anatomie, dass man keine Mühe hat, in der feinen Zeichnung auch das Bild eines Herzens in der Mitte und je einer Lunge links und rechts zu sehen. Bestärkt wird diese Möglichkeit der Bedeutung dadurch, dass oben links eine Skizze von Teilen des Skelettes und der Organe des Menschen in den Plan gerückt ist; Herz und Lungen werden auf der Skizze sogar betont.

Hermann Herrey, Schema für eine Siedlung von fünftausend Personen, 1944

Dass Herrey, zur Erklärung seiner Variante des Urbanismus, den Bezug auf Körper der Natur nicht allein systemisch, sondern auch ikonisch meint, ja dass er für seine so illustrative Illustration die Analogie mit der Anatomie sucht, ist im Sinne der bei Whitehead konstatierten Komplexität des Organischen ein Rückschritt. Doch der Vergleich mit Herz und Lunge ist nur dem Bemühen geschuldet, die eigenen Ideen und Konzepte aus dem Reich der Abstraktion in das der Konkretion zu führen, sie für jedermann verständlich zu machen. Bei der weiteren Darstellung des Typs der Siedlungseinheit B oder C oder D als multipler Serie flexibler Module – bis zu der Größe einer Stadt von hunderttausend Menschen auf dem Grundriss einer breiten 8 – wird nämlich klar, dass Herreys Interesse nicht primär der bildlichen Verwandtschaft des Inneren von

Städten mit dem Inneren von Menschen gilt. Wachstum etwa begreift er nicht, wie noch Perry, als bloße Spaltung und Dopplung immer gleicher Zellen. Vielmehr ist Herrey auf Diversität statt Konformität bedacht, damit der organische kein mechanischer Urbanismus werde. Kurz, die Stadt lebt, wenn sie den größten Kontrast zu integrieren vermag. Walter Gropius, Martin Wagner und das Weston-Wayland-Projekt Anfang März 1942 luden die Graduate School of Public Administration und die Graduate School of Design der Harvard University gemeinsam zu einer Konferenz mit dem Thema »The Problem of the Cities and Towns«. Unter Leitung des renommierten Ökonomen und Keynesia-

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Hermann Herrey, Schema für eine Siedlung von fünftausend Personen sowie ihre abstrakte und konkrete Verbindung mit ähnlichen Siedlungen

ners Alvin H. Hansen diskutierten knapp vierzig Experten – unter ihnen Gaus, Gropius, Stein, Wagner und eine Reihe von Fachleuten staatlicher Behörden der USA – über das Planungs-, Wirtschafts-, Wohnungs- und Verkehrswesen für neue Städte. Gropius und Wagner schrieben für den Tagungsbericht einen Beitrag, den der Herausgeber durch das fett gedruckte Etikett »Epilog« besonders zu ehren wünschte. Wiewohl der Aufsatz »The New City Pattern for the People and by the People« den Eindruck macht, als hätten die Autoren Partizipation und Emanzipation fördern wollen, geht es in Wahrheit stets nur um das »for the People«, nie um das »by the People«. Anders als Gaus fordern Gropius und Wagner den so visionären wie autoritären Generalisten, der natürlich Architekt ist und am besten weiß, wo und wie die Menschen leben wollen. Gleichwohl nähern sich die Autoren mit ihrem Text nicht allein der Kommunalpolitik des New Deal, sondern auch den wenigen, aus den zehner bis dreißiger Jahren stammenden, für den Osten wie den Norden der USA typischen Exempeln moderner Kommunen. Ohne Forest Hills Gardens, ohne Radburn, ohne die unter Federführung von Tugwell geplanten Gemeinden Greenbelt, Greendale und Greenhills hätten Gropius und Wagner nie ihren Begriff der »Stadtschaft« zur Diskussion gestellt. Ein Vorgang, der zu denken gibt. Denn noch fehlte der Studie »Can Our Cities Survive?« das ›Imprimatur‹ von Sert – Gropius hatte den Autor gedrängt, allein die Lehre der Congrès Internationaux 162

d’Architecture Moderne (CIAM) zu propagieren –, da wandte sich plötzlich der Protektor des spanischen Migranten den Ideen und Konzepten amerikanischer Planer von Perry bis Tugwell zu. Gleich nach der Tagung von Anfang März 1942 machte sich eine kleine Gruppe von Studenten der Graduate School of Design unter Leitung mehr von Wagner als von Gropius an das Konzipieren und Komponieren einer Stadtschaft, wie sie die beiden Professoren erst in internen Papieren, dann in der Broschüre mit dem Resümee der Konferenz »The Problem of the Cities and Towns« erläutert hatten. Für ein Gelände westlich von Boston, gelegen auf halbem Wege zwischen Weston und Wayland, wurden gleich vier solcher Stadtschaften mit Größen zwischen fünf­ tausend und achttausend Einwohnern, mit Community center samt lokaler Regierung entworfen. Die Verkehrsarten sind nach der Weise von Radburn getrennt; zur Erschließung von Gebäuden dient also die Straßenseite allein denen, die mit dem Auto, die Gartenseite allein denen, die zu Fuß kommen. Das Weston-Wayland-Projekt wurde 1942 in Serts Buch »Can Our Cities Survive?« und 1943 in »The Architectural Forum« publiziert. Um genau diese Zeit, von Mitte 1942 bis Ende 1943, ging Herrey an der Graduate School of Design Tag für Tag ein und aus, weil er dort – auch im Kontakt mit Gaus, Gropius, Wagner – an seiner Dissertation, an seinem Manhattan Plan und an seinem Vortrag in Boston zu arbei-

Stadt von hunderttausend Personen

ten hatte. Außer Frage steht, dass ihm die Zeichnungen der Studenten bekannt waren. In mancher Hinsicht wirken Herreys wenig später formulierte Elemente eines organischen Urbanismus sogar wie eine Reaktion auf das, was in der Gruppe um Wagner erbracht worden war. Seinem Namen zum Trotz sucht nämlich das »Schema für eine Siedlung von fünftausend Personen« alles zu überwinden, was Gefahr läuft, in räumlicher und baulicher Wirklichkeit bloß Schema, bloß Siedlung zu werden. Während dem Weston-Wayland-Projekt aufgrund der mit kleineren Wohnhäusern bebauten Gebiete wie aufgrund der langen Straßen – bei aller Vielfalt der Mitte jeder Stadtschaft – etwas

Uniformes eignet, sieht man dem »Schema« die Arbeit am Pluriformen auf den ersten Blick an. Herrey war schließlich ein Mann der großen Städte. Sein Maßstab waren nicht die Siedlungen der zwanziger Jahre; sein Maßstab waren: Wien, Berlin, London, New York. Utopie oder Levittown Während seiner Zeit als Vorsitzender der Abteilung Stadt- und Regionalplanung der Graduate School of Design, das heißt von Frühjahr 1942 bis Frühjahr 1944, hatte Gaus mit Herrey zahllose Gespräche über Fragen der Planung von Stadt und Land geführt. Beide blieben einander verbun-

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Studenten von Walter Gropius und Martin Wagner, Stadtschaft zwischen Weston und Wayland, 1942

den. Schon kurz nach seiner Rückkehr auf seine alte Stelle als Professor für Politikwissenschaft an der University of Wisconsin in Madison bekam Gaus Post von Herrey, der ihm die beiden jüngsten Hefte von »The Architectural Forum« und »Pencil Points« mit den Beiträgen über organischen Urbanismus geschickt hatte. Gaus zeigte sich »entzückt« und schrieb Herrey am 26. Mai 1944: »Ihre Ideen sind durchaus nicht ›verrückt‹, sondern voller Menschenverstand. Und Ihre Zentralthese kann in unsern Städten, 164

welchen Umfang auch immer sie haben, verifiziert werden. Ein Faktor, den ich an Madison sehr attraktiv finde, ist die Möglichkeit, als Citizen am Leben der Stadt zu partizipieren. Und so lange dies nicht gang und gäbe ist, werden wir keine wirklich entfaltete Persönlichkeit sein.« Knapp zwei Wochen später gab Herrey zur Antwort, er teile diese Meinung »mit dem Ausdruck tiefer Melancholie«. Und dann: »Hier in New York, in der Mitte der Menge, leben wir in einer sozialen Wüste.«

Dabei hatte Herrey damals noch Hoffnung. Waren nicht Worte wie »neighborhood« und »community«, wie »plan« und »planning« seit langem im Munde all derer, die mit dem Umbau und Neubau der Städte befasst waren? War nicht die Chance der Metropole New York, trotz Moses binnen zwanzig Jahren eine »City of Neighborhoods« zu werden, mit Händen zu greifen? War nicht die Chiffre »194X« – die auch den Umschlag des Heftes von »The Architectural Forum« mit Herreys großem Aufsatz schmückt – eine populäre Formel, die alle Versprechen kommender staatlicher Für- und Vorsorge auf den Punkt brachte? Indes, die Zeichen eines politischen Umschwungs waren kaum noch zu leugnen. Das National Resources Planning Board (NRPB), wichtigstes zentrales Instrument der Planung von Stadt und Land im New Deal, war ab 1943 durch den Kongress Stück für Stück seiner Macht beraubt worden. Eine Serie von Anzeigen, die das Nachrichtenmagazin »Time« unter dem Titel »The Gateway to the Building Market« in den Jahren 1943 und 1944 im Fachblatt »The Architectural Forum« und an andern Orten platziert hatte, verglich Planung in Architektur und Urbanismus mit dem Krakeln, Kritzeln und Männchenmalen kleiner Kinder. Und mit dem Buch »Der Weg zur Knechtschaft« des Ökonomen Friedrich August von Hayek kam 1944 eine Schrift auf den Markt, die jede Planung in Acht und Bann schrieb, weil sie die Freiheit der Wirtschaft stranguliere und im System der Hitler und Stalin ende. Von diesem Traktat vertrieb der Verlag Reader’s Digest eine gekürzte Version; binnen kurzem wurden 600 000 Exemplare in den USA verkauft. An keinem andern Beispiel ist das Ende der Planung nach Art der Ära Roosevelt so deutlich zu sehen wie an: Levittown. Bis zum Zweiten Weltkrieg hatte das Unternehmen Levitt and Sons in den Counties östlich der Stadt New York einige kleinere Siedlungen für jenen Teil der bürgerlichen Mittelschichten gebaut, die sich das Pendeln nach und von Manhattan erlauben konnten. Nun aber, im Jahr 1947, schlug die Stunde des dicken Geschäfts. Levitt and Sons hatte ein Verfahren zur seriellen Produktion kleiner Häuser für kleine Familien erfunden. An sich eine für die Moderne des zwanzigsten Jahrhunderts typische Entwicklung – die Vision industrieller Fabrikation von Architektur hatte schon die Wachsenden Häuser auf der Ausstellung »Sonne, Luft und Haus für Alle« im Berlin des Jahres 1932 definiert –, wurde dieser Traum vom raschen Besserwohnen plötzlich auf eine Weise wahr, die Wagner und alle, die damals mit ihm für die gute Sache gekämpft hatten, nur enttäuschen konnte, ja erschrecken musste. Levittown wurde, um es im Jargon von Journalisten zu sagen, aus dem Boden gestampft. Es liegt im Nassau County auf Long Island. Es ist der Archetypus von Suburbia in den USA, wird also dem

Klischee von Männern in kurzen Hosen hinter Rasenmähern und Gartenschläuchen sowie von Schildern mit Hundeköpfen und der Drohung ›Hier wache ich!‹ gerecht. Anfangs zahlte man für eines der Fertighäuser kaum siebentausend Dollar. So standen binnen ein paar Jahren über siebzehntausend solcher Bauten in Reih und Glied. Aus der historischen New England Town hatten die Erbauer zwar den Cape-Cod-Stil, doch nicht das Meeting house in ihr Programm genommen. Neighborhood? Community? Wo in der Schlafstadt hatten sie einen Ort? Vielleicht war es die Geburt von Levittown, die Reginald R. Isaacs Mitte 1948 den Anlass gab, das Prinzip der Nachbarschaftseinheiten von Grund auf zu kritisieren. Da er bei Gropius in Cambridge Architek­ tur, bei Wirth in Chicago Soziologie studiert hatte und nun die Planung des Michael-Reese-Krankenhauses und seiner näheren Umgebung in Chicago führte, war er für solche Kritik hoch qualifiziert. In mehreren längeren Artikeln monierte Isaacs den Rekurs vieler Planer auf die New England Town. Die Sozialpraktiken der frühen Siedler seien durch die Entwicklung von der ländlichen zur städtischen Gesellschaft obsolet geworden. Das Automobil habe die Bewohner in Bewegung gebracht; ihnen stehe in den Städten eine neue Freiheit offen. Es gebe keine Zeichen, dass Nachbarschaftseinheiten die Bildung sozial, kulturell und politisch aktiver Citizens fördern; es gebe aber klare Zeichen, dass Nachbarschaftseinheiten der Segregation dienen. In Dokumenten von Wohnungsbauern – gleich ob in Gestalt des privaten Investors oder in der der staatlichen Federal Housing Administration (FHA) – werde deutlich, dass man homogene Entitäten wünsche, folglich für den Ausschluss von Minderheiten gleich welcher Art sorge. Weniges andere markiere den Mechanismus der Inklusion und Exklusion so stark wie die Ringstraße um die Nachbarschaft. Geschlossene Gesellschaften? Das war es nicht, was Herrey mit dem Community center, dem Manhattan Plan, dem organischen Urbanismus wollte. Denken wir nur an die Hoffnung, die Ulich mit der Arbeit Herreys verknüpft hatte. War es nicht die Hoffnung auf eine demokratische Alternative zur Stadt des Hier und Jetzt? Was den Herreyschen Ideen und Konzepten widerfuhr, ist eine für das zwanzigste Jahrhundert so typische wie tragische Geschichte: die Perversion der Utopie, wenn sie aus dem Reich des Möglichen in das des Wirklichen tritt.

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15  POLITIK FÜR DAS LAND UND DIE WELT 1944–1950

So wie Hermann Herrey im Gespräch mit John Merriman Gaus und bei der Arbeit an seiner Dissertation »Planning for Community Activities / Community Centers« die Position des Architekten und Ingenieurs bald zugunsten der Stellung des Planers geräumt hatte – so wie er in Cambridge und New York seine Profession neu bestimmt hatte –, war es nur eine Frage der Zeit, bis er sein Interesse an Community von der Ebene des Lokalen auf die des Regionalen lenken würde. Ein unter diesem Aspekt enorm einfluss- und erfolgreiches Projekt war ein Projekt der Ära des New Deal, war ein öffentliches Unternehmen, war eine Entwicklungsgesellschaft größten Umfangs, war die: Tennessee Valley Authority (TVA). Herrey hatte von der TVA, bei der Mitte der vierziger Jahre trotz des Weltkriegs noch über siebzehntausend Menschen in Lohn und Brot standen, zum ersten Mal wohl 1938 durch Lewis Mumfords Buch »The Culture of Cities« gehört. Wiewohl Mumford auch von den zahlreichen Staudämmen und Kraftwerken am gut tausend Kilometer langen, mählich Richtung Westen wandernden Tennessee schrieb, er die Bauwerke und Wahrzeichen der TVA gar an die Seite der monumentalen Architekturen des alten Ägypten rückte, galt seine Passion andern Tendenzen der Region, nämlich einerseits ihrer neuen Balance von Natur und Kultur, anderseits ihrer neuen sozialen Ordnung, für deren Gründung und Wachstum freilich »Mut, Kraft und Imagination zum Tragen kommen« müssten. Mumfords Verweis auf die Pyramiden der Pharaonen war Teil seiner Besprechung einer Ausstellung, die das Museum of Modern Art (MoMA) New York von Ende April bis Anfang Juni 1941 zeigte. Die Schau trug den Titel »TVA Architecture and Design« und bot etwa 250 sachliche, kunstvolle, schwarzweiße Aufnahmen, die den Bauwerken des immigrierten ungarischen Architekten Roland A. Wank etwas Feierliches, ja Heldenhaftes gaben. In Betracht seiner persönlichen Neigung zu Ingenieurarchitektur – man denke an den Kant-Garagen-Palast – und in Betracht seines im Jahr 1941 guten Kontakts zum MoMA liegt es nahe zu vermuten, dass Herrey die Ausstellung besuchte. Im Lauf der Arbeit an der Dissertation aber trat das Interesse an den ästheti166

schen Artefakten hinter dem Interesse am sozialen Programm der TVA zurück. Was Herrey nun wollte, war eine Antwort auf die Frage: Was heißt Planung in der Demokratie? Mit John Bland am Tennessee Am 24. Juni 1944 brachen Herrey und sein Freund John Bland zu einer vierzehn Tage langen Reise auf. Sie fuhren von New York nach Knoxville / Tennessee, das gut 1100 Kilometer weiter südlich und westlich der Metropole liegt. Im Old Customs House und im New Sprankle Building, wo die Planer der TVA ihre Büros hatten, trafen die beiden auf einige leitende Figuren der Agentur, die den Rechercheuren mit Rat und Tat zur Seite standen. Später würde Herrey schreiben, er und Bland hätten »das Gebiet der TVA kreuz und quer bereist«. In der Nähe von Knoxville sahen sie den Staudamm, das Kraftwerk, die Siedlung und das Besuchergebäude von Norris. Der Staudamm und das Kraftwerk waren die ersten unter den großen Bauten der TVA. Die Siedlung war in aller Eile für die Arbeiter errichtet worden; mit ihren hübschen kleinen Häusern, vernakulären Architekturen durch und durch, mit ihren dichten grünen Räumen und mit ihrem kooperativ organisierten Laden hatte sie auf das Ideal der Gartenstadt reagiert. Das Besuchergebäude war darauf bedacht, seine Gäste, die damals in hellen Scharen kamen, für die Arbeit der TVA zu begeistern. Über den Türen prangten die Lettern »Built for the People of the United States«. Und der Blick führte durch breite Fenster auf eine Land­schaft, wo Natur und Kultur in größter Eintracht zu leben schienen. Herrey und Bland sprachen in Knoxville mit diesem und jenem; nur den Mann, den sie am meisten zu sprechen wünschten, trafen sie nicht: David E. Lilienthal. Der Vorsitzende der TVA hätte ihnen sicher mehr sagen können als das, was in seinem gerade gedruckten Buch zu lesen stand. Staatliche Instanzen der USA hatten diese Schrift – wohl weil sie bei allem Reichtum an Daten und Fakten das Propagandistische, ja Missionarische nicht scheut – für dermaßen bedeutend gehalten, dass sie gleichzeitig auf Englisch unter dem Titel »TVA. Democracy on the March« und auf Deutsch unter dem Titel »Die Tennessee-StromtalVerwaltung. Ein Beispiel lebendiger Demokratie« verlegt worden war.

Roland A. Wank, Staudamm und Kraftwerk des Norris River, Tennessee, 1936

Mit Lilienthals Buch lag ein Werk vor, das nach zahllosen Beiträgen in Zeitungen und Zeitschriften das Thema zum ersten Mal allein aus Sicht der klügsten Köpfe des Unternehmens präsentierte. Die Aufgabe der TVA lautete: Entwicklung der Land- und Forstwirtschaft, einerseits durch Versorgung mit Elektrizität, anderseits durch Einführung von Mineralien, beides in einer riesigen Region, deren Täler überschwemmt, deren Äcker und Wälder übernutzt, deren Farmer mit dem Schwarzen Freitag in Armut gestürzt worden waren. Indes wollten die Planer der TVA nicht bei der ökonomischen Modernisierung des Bundesstaats Tennessee stehen bleiben, sondern dem Land auch in Sachen Ökologie und Demokratie neue Wege weisen. So fällt zum einen auf, wie oft bei Lilienthal von »Einheitlichkeit«, von »Ganzheitlichkeit«, von »Nachhaltigkeit« die Rede ist; an einer Stelle heißt es gar, der Farmer müsse spüren, »daß er selbst auf seiner Farm einen Teil des Kreislaufs der Natur bildet«. So fällt zum andern auf, wie klar bei Lilienthal der Anspruch auf eine Praxis ist, die von den traditionellen

Oppositionen – hie Markt, da Plan, hie Kapitalismus, da Sozialismus – sich befreit und auf den frühen amerikanischen Republikanismus sich beruft. Die Reform soll von unten nach oben statt von oben nach unten in Gang kommen. »Democracy on the March« meint »Democracy at the Grassroots«. Eine DVA für das Rhein-Main-Donau-Gebiet Weit über ein Jahr nach ihrer Rückkehr von der sommerlichen Forschungsreise durch die Täler des Tennessee, wo Herrey und Bland vor allem das Verhalten der Bewohner in Bezug auf die soziale Ambition der TVA studiert hatten, publizierte Herrey in der Zeitschrift »The American Scholar« einen Aufsatz, bei dem schon der Titel »TVA’s of the Future« deutlich macht, dass es nicht darum ging, die am Tennessee tätige Agentur noch einmal als Flaggschiff des New Deal zu feiern. Vielmehr schlägt der Autor vor, die Struktur der TVA als Modell für den Aufbau Europas zu nehmen. Dort hätten die Antagonismen und POLITIK FÜR DAS LAND UND DIE WELT 1944–1950

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Loyalitäten von Staaten und Völkern immer wieder zu Kriegen geführt; dort müsse das Prinzip »Nation« endlich durch das Prinzip »Region« überwunden werden; dort könnten Unternehmen vom Typ TVA – aufgrund ihrer relativen politischen Autonomie wie aufgrund ihrer Arbeit an der Wirtschaft als einem Netzwerk ohne Grenzen – dem noch jungen, schwachen Frieden vielleicht besser dienen als andere Instanzen. Für das Rhein-Main-Donau-Gebiet war eine solche Entwicklungsgesellschaft schon von Julian Huxley, dem Zoologen und Publizisten und späteren Generaldirektor der United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO), im Rahmen eines langen, argumentativen Beitrags der Zeitschrift »The Architectural Review« zur Diskussion gestellt worden. Auch Lilienthal hatte in seinem Buch das Potential einer »Danube Valley Authority« erwähnt. Herrey griff die seit dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts existente Idee einer Wasserstraße von Rotterdam nach Konstanza, von den Niederlanden nach Rumänien, von der Nordsee an das Schwarzmeer gern auf. Dass eine DVA – völlig anders als die TVA – mit sehr differenten sozialen und kulturellen Systemen, ja mit einer Vielfalt von Sprachen zu tun haben würde, schien für Huxley, Lilienthal und Herrey kein Grund, die Utopie von einem Europa der Regionen und von Handel und Wandel als Bürgen des Friedens von der Agenda zu streichen. Über Schifffahrt auf Rhein und Main und Donau zu schreiben hieß auch, eine Meinung über Deutschland zu äußern. Schon aufgrund seiner Herkunft konnte Herrey das heikle Thema – wir schreiben das Jahr 1945 – kaum meiden. Zwar hätten sich die über siebzig Millionen Deutschen, so der Autor, gegen die »akzeptierte Ordnung der Zivilisation« gewandt, doch würden die Stellung des Landes und seine früheren Leistungen von den Verbrechen nicht tangiert. Herrey erwähnt in diesem Kontext die demokratische Konstitution deutscher Städte im Mittelalter und die kommunale Autonomie deutscher Städte im zwanzigsten Jahrhundert. Nun aber müsse Deutschland eine Weile durch die United Nations Organization (UNO) regiert, sein Aufbau in fremde Hände gelegt werden. Die Herreyschen Gedanken standen in deutlichem Widerspruch zu all jenen Vorschlägen betreffend die künftige Entwicklung Deutschlands, welche mal stärker, mal schwächer von einem Gefühl der Rache bestimmt worden waren. Extremes Exempel dieser Haltung war das »Program to Prevent Germany from Starting a World War III« des Finanzministers der USA Henry Morgenthau. Wiewohl dieses Memorandum durch die Regierungen der USA und Britanniens bald zu den Akten gelegt worden war, stritt Morgenthau weiter für seinen Plan, aus der starken deutschen Industrienation zwei schwache deutsche Agrarländer zu machen. Sein Buch »Germany is Our Problem« muss man 168

Hermann Herrey, Rhein-Main-Donau-Gebiet für eine Danube Valley Authority (DVA), Zeichnung in der Zeitschrift »The American Scholar«, 1945

im Kontext der Zeit und also mit Nachsicht lesen. Dass Morgenthaus Vorwürfe – er schreibt, die Deutschen hätten den »Willen zum Dritten Weltkrieg«, die »Sehnsucht nach Krieg« sei bei ihnen so stark wie die »Sehnsucht nach Freiheit« bei den Amerikanern – einen Herrey und die meisten Immigranten deutscher Sprache erschrocken, ja verbittert haben müssen, steht außer Frage. Noch Jahre später, in einem langen Brief an Paul Löbe, den Präsidenten des Deutschen Reichstags a. D., würde Herrey auf seine »TVA’s of the Future« zu sprechen kommen. Jede Kritik an Morgenthaus Plan sei als »Nazipropaganda« beschimpft worden; er selbst habe sich von den Herausgebern der Zeitschrift »The American Scholar« drängen lassen, Morgenthaus Namen nicht zu erwähnen. Die Reise und der Aufsatz in Sachen TVA, jene vom Juni 1944, dieser vom Oktober 1945, standen in Herreys Leben am Beginn eines Abschnitts, der in hohem Maße von politischem Engagement bestimmt wurde. Bei diesem persönlichen Einsatz hatte die TVA die Funktion konkreter Utopie; sie spielte die Rolle eines Garanten der Entwicklung von Gesellschaft nicht allein in den USA, sondern auch in Europa, Asien und Afrika. Und das umso mehr, als die historische Zäsur, welche durch den 8. Mai wie den 6. August 1945 markiert worden war, das Thema Wirtschaft und Wohlstand, anders gesagt das Thema sozialer Modernität, in die Mitte politischer Kontroversen um den Gewinn und Erhalt des Friedens gerückt hatte. Das Dröhnen des Kalten Krieges Am 7. August 1945 wählte »The New York Times« dicke Lettern: »First Atomic Bomb Dropped on Japan«. Unter diesen Worten konnte man lesen, Harry S. Truman, seit vier Monaten Präsident der USA, habe den Gegner vor neuen Bomben gewarnt. Seine Drohung mit einem »Trümmerregen aus der Luft, wie ihn die Erde noch nie erlebt habe«, war eine

klare Botschaft. Doch in derselben Zeitung wurde sie noch am selben Tage in einer Weise kommentiert, die den Strategen der Militärs keine Freude gemacht haben wird. Schon mit dem Titel »The Atomic Weap­ on. End of War against Japan Hastened But Destruction Sows Seed of Hate« hatte Hanson W. Baldwin, der die Schauplätze des Weltkriegs aus nächster Nähe kannte, alles gesagt, was es an diesem Tag in der Sache zu sagen gab. Die USA, so Baldwin, würden »den Sturm noch spüren«, den sie entfacht hätten. Die atomaren Energien, eine »göttergleiche Macht«, könnten uns in eine »schöne neue Welt« verführen oder in »Höhlenmenschen« verwandeln. Mit dem Abwurf der Atombomben auf Hiroschima und Nagasaki nahm die Stimmung eine rasche Wendung. Die grauen Pilze über den beiden Städten waren noch nicht verraucht, da wurde der politischen Klasse in Amerika bewusst, was sich getan hatte. Das Bangen und Hoffen aller Friedensfreunde und Friedensforscher ist für uns Heutige schwer vorstellbar. Kaum war der Zweite Weltkrieg vorbei, musste die Gefahr eines neuen großen Krieges bedacht und bekämpft werden. Angesichts der Tatsache, dass nie wieder eine Atombombe auf eine Stadt fiel, ist es leicht, über das Sorgen und Drängen etwa eines Emery Reves den Kopf zu schütteln. In seinem Buch »Die Anatomie des Friedens«, für das Albert Einstein wie Thomas Mann heftig warben und von dem allein 1945 siebzigtausend Stück verkauft wurden, sah der aus Ungarn stammende Journalist einen Wettkampf zwischen den USA und der UdSSR voraus, der zu einem Dritten Weltkrieg führen müsse. Keine Allianz und keine Balance souveräner Staaten könne den Frieden wahren. Diplomatie werde scheitern wie der Versuch, »ein Karzinom mit Aspirin zu heilen«. Nur eine auf globaler Ebene aktive Regierung mit legislativer, judikativer und exekutiver Macht über alle Staaten der Erde könne den Frieden sichern. Während der nächsten Jahre schien es in der Tat, als ob Reves die Entwicklung der Beziehung zwischen West und Ost richtig gedeutet habe. 1946 klagte Winston Churchill, auf der Linie von Stettin nach Triest sei ein »Eiserner Vorhang« gefallen, womit der frühere britische Premier einer ganzen Epoche ihre Metapher gab. 1947 schufen die USA mit der Truman-Doktrin und der Politik der »Eindämmung« ein Konzept, um den Einfluss der UdSSR auf Europa und Asien – wo nötig auch durch militärische Intervention – in Grenzen zu halten. 1948 schufen die USA mit dem Marshallplan ein Programm, das der Marktwirtschaft des westlichen im Vergleich zur Planwirtschaft des östlichen Europa raschen Fortschritt brachte. Im Innern der USA entstand zur selben Zeit eine bald hysterische Atmosphäre. Das Treiben des House Un-American Activities Committee (HUAC) zog weite Kreise. Allerorten sahen Schnüffler »subversive Elemente« bei »feindlichen Umtrieben«. Journalisten machten sich zum

Sprachrohr staatlicher Instanzen, schrieben von einem »Roten Schrecken«, der durch das Land ziehe. Der Gebrauch von Worten wie »Bürgerrechte« oder »Friedensliebe«, wie »liberal« oder »progressiv« war für manche Ohren ein Omen, galten diese Worte doch als Äquivalent für »Kommunismus«. Auch die Sympathie für bestimmte Personen des politischen und kulturellen Lebens der USA, etwa den Sänger Paul Robeson, behielt man lieber für sich. In einer Stadt wie New York, so heißt es, war Verrat selbst unter Freunden kein Tabu. Die Mühe des Engagements Als der National Council of the Arts, Sciences and Professions (NCASP) unter seinem Präsidenten Harlow Shapley in den ersten Wochen des Jahres 1949 an die Einberufung und Vorbereitung einer großen »Cultural and Scientific Conference for World Peace« ging, konnten deren Aktivisten höchstens ahnen, dass bald nach der für Ende März in New York geplanten Konferenz die Konkurrenz zwischen West und Ost eine heftige Verschärfung erfahren würde. Die Gründung der North Atlantic Treaty Organization (NATO) im April, die Gründung der Bundes­republik Deutschland (BRD) im Mai, die Zündung der ersten Atombombe der UdSSR im August, die Gründung der Volksrepublik China unter Führung Mao Tse-tungs und die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) im Oktober 1949 würden – für vierzig Jahre – zwei starre politische Blöcke schaffen und zwischen beiden politischen Lagern tiefe Gräben reißen. Wiewohl kein Mitglied in dem Ausschuss, der das Programm der Konferenz beriet und beschloss, hatte Herrey Einfluss auf den Inhalt der Tagung. Denn mit Thomas H. Creighton, dem Herausgeber der Zeitschrift »Progressive Architecture«, mit Paul Grotz, dem aus Deutschland immigrierten Architekten und Leitenden Gestalter der Zeitschrift »The Architectural Forum«, mit Douglas P. Haskell, einem der Herausgeber der Zeitschrift »Architectural Record«, und mit Henry Wright, dem Herausgeber und Geschäftsführer der Zeitschrift »The Architectural Forum«, war er Teil einer kleinen Gruppe von Leuten, die Interesse da­ ran hatte, dass auf der Konferenz neben Künstlern und Wissenschaftlern auch Urbanisten und Architekten zu Wort kommen würden, um Antwort auf die Frage zu geben, welchen Beitrag zum Frieden sie von Berufs wegen würden leisten können. Im Namen der Gruppe schrieb Herrey einen Brief an Shapley. Er bat ihn um eine Podiumsdebatte im Rahmen der Tagung: »Wir sind ängstlich besorgt, dass dieses Gespräch so geführt wird, dass es nicht bloß ein nettes Gespräch bleibt, sondern dass ihm wenn möglich konkrete Aktionen folgen.« Ferner hieß es in dem Schreiben vom 5. Februar 1949, Shapley möge rund zweihundert Architekten und Planern eine von der Gruppe verfasste Einladung mit der Bitte um Unterstützung der Sache schicken. POLITIK FÜR DAS LAND UND DIE WELT 1944–1950

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Dass die Sache brisant war, zeigte sich sechs Wochen später, nachdem zahlreichen Ausländern die Einreise zur Teilnahme an der Konferenz verweigert worden war. Zu leiden hatten unter dieser Restriktion nicht etwa Kommunisten, sondern Liberale und Progressive. Nun begannen auch die Zeitungen, das kommende Ereignis in Verruf zu bringen. Die Parteilichkeit der Journalisten konsternierte Herrey auf solche Weise, dass er Shapley am 23. März 1949 schrieb, er sei »tief verstört über den Wandel der öffentlichen Meinung«. Unter dem Einfluss mancher Gruppen werde die Tagung immer öfter als ein »von Kommunisten dominiertes Unterfangen« beschimpft. Man müsse dieser »Propaganda«, welche auch durch die Schikanen der Behörden genährt worden sei, äußerst bestimmt widersprechen; sonst würden alle noch so ernsthaften, noch so sinnvollen Vorschläge der Konferenz von ebendieser Propaganda um den Kredit gebracht werden. »Daher möchte ich den Appell an Sie richten, sich am Vorabend der Konferenz mit stärksten Worten an die Öffentlichkeit zu wenden und glasklar zu sagen: dass Sie, die Teilnehmer und die Förderer der Konferenz, das System des Kommunismus nicht gutheißen, sondern für jene Prinzipien stehen, die in der amerikanischen Verfassung und ihrem Katalog von Grundrechten fixiert wurden; dass die Konferenz in dieser Hinsicht niemandem eine Ausnahme gestattet; dass der Zweck der Konferenz allein darin liegt, durch die Diskussion zwischen Amerikanern und Westländern auf der einen, sowjetischen Kommunisten auf der andern Seite zu helfen, eine Basis für den Frieden zu finden. Schließlich müssen wir mit den Sowjets auf ein und derselben Erde leben oder sie wie uns in einem furchtbaren Weltkriege zerstören, selbst wenn wir dabei siegen würden. Viele Menschen fragen schon: Warum sagt Shapley dies nicht klipp und klar, um alle Zweifel aus dem Wege zu räumen? Und mehr als das! Die große Publizität und die lärmenden Schmähungen der Konferenz könnten Ihnen doch die Chance geben, eine im Gedächtnis bleibende Erklärung zu verfassen, wie dringend es ist, um des Friedens willen zu handeln. Ich weiß, dass Sie fähig sind, dies so zu formulieren, dass es vielen Menschen zu Herzen geht.« »Lärmende Schmähungen«, wie Herrey sie zu spüren glaubte, hätten die Planung der Sache auch ohne die Schikanen der Behörden getroffen. Schon die Wahl der Tagungsorte musste die Gegner alarmieren, waren doch diese Stätten – das Waldorf-Astoria-Hotel, die Carnegie Hall, der Madison Square Garden – ein Zeichen der Bedeutung des nahenden Geschehens. Und als »The New York Times« am Tag vor der Konferenz die Liste mit den Namen ihrer Unterstützer druckte, wurde auch dem letzten ihrer Feinde klar, dass sich ein halbes Tausend Männer und Frauen des öffentlichen Lebens der USA trotz der Stimmung im Lande mit der Idee dieser im Kern pazifistischen Demonstration solidarisiert hatte. Heute – wo die Medien den Intellektuellen durch den 170

»Promi« ersetzt haben – wäre es kaum möglich, ein so breites Spektrum so bekannter Personen für ein und dieselbe Botschaft zu gewinnen; weshalb es lohnt, sich die Vielfalt durch eine Reihe von Namen vor Augen zu führen. Zu den in »The New York Times« Genannten gehörten: die Schriftsteller Lillian Hellman und Norman Mailer; die Historiker Frederick L. Schuman und Charles Trinkaus; die Pädagogen Theodore Brameld und Sidonie Gruenberg; die Maler Ad Reinhardt und Ben Shahn; die Photographen Berenice Abbott und Paul Strand; die Designer Muriel Draper und Eliot Noyes; die Komponisten Leonard Bernstein und Aaron Copland; die Musiker Oscar Pettiford und Isaac Stern; die Schauspieler Marlon Brando und Charles Chaplin; die Mathematiker Oswald Veblen und Norbert Wiener; die Chemiker Michael Heidelberger und Linus Carl Pauling. Erwähnt seien an dieser Stelle auch die aus Deutschland stammenden, in den USA lebenden Förderer: Rudolf Carnap, Albert Einstein, Lion Feuchtwanger, Stefan Heym, Erika Mann, Thomas Mann und Erwin Panofsky. Ein Bankett mit Eklat Am Morgen des 25. März 1949 strömen etwa tausend Menschen vor den Eingang des Waldorf-Astoria-Hotels an der Park Avenue. Es sind Patrioten, Veteranen, Katholiken, Immigranten aus der Slowakei und der Ukraine. Sie wollen eine Kette um den ganzen Block bilden. Sie halten Plakate mit Parolen hoch. Sie rufen »Nieder mit den Roten!«, »Nieder mit den Rosaroten!«, »Nieder mit den russischen Stinktieren!«. Manche fragen nach dem Schicksal des Ministers Jan Masaryk aus Prag und des Kardinals József Mindszenty aus Budapest. Manche fallen am Rande der Straße auf die Knie und beten. Manche stürzen mit Gewalt in die Halle des Hotels, wo die Cultural and Scientific Conference for World Peace mit einem feierlichen Abendessen ihren Auftakt nehmen wird. Für das Bankett schafft der drei Geschoss hohe, große Ballsaal – von dessen Wänden lange Folgen runder Balkons in den Raum treten und ihm etwas von Parkett und Logen geben – ein nobles Ambiente im Stil des Art déco. Es kommen etwa zweitausend Personen. An den Tischen sitzen, unter vielen andern Gästen, Delegationen aus Europa, Afrika, Asien, Amerika. Doch nicht auf diese Gruppen richtet sich das Interesse der Journalisten und Photographen. Deren Neugier gilt so gut wie allein zwei Männern aus Russland: einerseits dem Romancier und Sekretär des Schriftstellerverbandes der UdSSR Alexander Fadejew, anderseits dem Komponisten Dimitri Schostakowitsch, von denen die Presse zu wissen meint, sie seien auf Befehl Josef Stalins nach New York gereist. Auf die diplomatisch balancierten Worte von Shapley als dem Tagungsleiter folgen während des Banketts Reden mit scharfer Kritik an der Militärpolitik der USA. Nur einer negiert diesen Konsens. Es ist

Conference for World Peace, Bankett im Waldorf-Astoria-Hotel New York, vorne Präsidium, hinten Wandbild von William Gropper, 25. März 1949

Norman Cousins, Herausgeber der Zeitschrift »The Saturday Review of Literature«. Unter lautem Buhen und Pfeifen spricht Cousins, ein veritabler Rhetoriker, über die Gefahr von Frieden ohne Freiheit. Er rühmt die Ideale der Demokratie Amerikas. Er schimpft die Kommunistische Partei der USA einen servilen Agenten der UdSSR, ohne diese oder jene auch nur beim Namen zu nennen. Er hält ein Plädoyer für die UNO als globale Regierung, der sich alle Staaten unterwerfen müssten. Wenig später kommt es zum Eklat. Polizei dringt in den Ballsaal und nimmt drei kanadische Delegierte in Haft. Planen und Bauen für den Frieden Am nächsten Morgen fängt die Tagung mit ihrer eigentlichen Arbeit an. Der Hauptsaal der Carnegie Hall an der 57th Street – wo 1893 Antonín Dvorˇáks Neunte Symphonie »Aus der Neuen Welt« zum ers­ ten Mal zu hören war – kann die knapp dreitausend Besucher des Plenums kaum fassen; sie sitzen oder stehen dicht an dicht im Raum,

lauschen Shapleys zentralem Referat und einigen weiteren Vorträgen. Nach dem Mittag folgen neun Podiumsdebatten, die sich, von differenten Disziplinen der Künste und Wissenschaften her, dem Thema Frieden widmen. Eine dieser Debatten gilt der Aktivität von Urbanisten und Architekten. Auf dem Podium sitzen: Serge Chermayeff, Architekt, Designer und Direktor des Institute of Design (ID) in Chicago; Hermann Herrey; Harlow Shapley; Henry T. Shotwell, Architekt und Mitglied des American Institute of Architects (AIA). Einer aber fehlt: John Desmond Bernal, Kristallograph und Professor für Physik am Birkbeck College der University of London; ihm wurde die Einreise verweigert. Auf der Basis mehrerer kürzerer Referate sprechen die Herren vorrangig einerseits über Wohnungsnot und Wohnungsbau, anderseits über die Möglichkeit, das Modell TVA auf indische und chinesische Regionen zu übertragen. Laut Chermayeff müssen in den USA zehn Millionen Wohnungen gebaut werden. Shotwell glaubt den Grund POLITIK FÜR DAS LAND UND DIE WELT 1944–1950

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für diesen Mangel zu kennen. Fast die Hälfte des Haushalts der Regierung in Washington werde für das Militär reserviert; für den Wohnungsbau stelle man dort nicht einmal so viel Geld wie für die Berliner Luftbrücke bereit. Zuletzt rücken Herrey und Shapley in das Zentrum der Podiumsdebatte »Planen und Bauen«. Sie präsentieren ein Papier unter dem Titel »World Security through International Resources Development«. Darin klagen sie über Hunger, Armut, Krankheit und Bildungsmangel als die größten »Widersacher des Friedens« und schlagen die Entwicklung von Regionen nach dem Beispiel TVA vor. Um ihrer Idee eine Chance zu geben, nehmen sie Bezug auf Harry S. Trumans »Inaugural Address« als Präsident der USA. Schwerpunkt dieser Antrittsrede vom 20. Januar 1949 waren vier außenpolitische Themen. »Point Four« annoncierte ein »New Bold Program«, das die Wirtschaft von Staaten in Afrika und Asien fördern sollte, damit die Völker dieser Länder besser mit Nahrung, Kleidung und Wohnung versorgt würden. Herrey und Shapley wissen »Punkt vier« zu schätzen; nur reiche das »Neue kühne Programm« nicht aus. Von »oberster Bedeutung« sei, dass das gesamte Vorhaben ein Projekt der UNO werde, wobei die USA eine Aufgabe als Vorreiter hätten. Das Programm dürfe allein dem Frieden dienen; in jedem andern Fall müsse man von einem »Abenteuer«, ja von »Imperialismus« sprechen, der fremde Ressourcen in den Dienst des amerikanischen »Kampfes gegen die Sowjetsphäre« stelle. Kaum dass die Debatte auf dem Podium zu einem Schluss findet und die Herren das Publikum im Saal um seine Meinung bitten, meldet sich ein Architekt, Kurator und Publizist zu Wort. Er ist Assis­ tenzdirektor der Abteilung Architektur des Museum of Modern Art (MoMA) New York. Sein Name: Peter Blake. Der junge Mann zählt achtzehn prominente sowjetische Architekten auf, die in der UdSSR wegen »Amerikanismus« verfolgt würden und die zu unterstützen Aufgabe der Konferenz sei. Chermayeff hingegen, in seiner Funktion als Moderator der Diskussion, wehrt ab: »Obwohl ich mit Herrn Blake die Unterdrückung der Freiheit von Künstlern in Russland mit Bedauern betrachte, würde dieses Treffen doch in die Irre geführt, wenn es in die Falle aller Treffen dieser Art während der letzten Jahre tappen würde, das heißt die Differenzen der Versammelten mit Absicht zur Spaltung genutzt würden.« Eine Weile später schenkt Herrey der Podiumsdebatte »Planen und Bauen« ein Schlusswort: »Wir alle – nicht allein wir hier im Raum, sondern auch die in der ganzen Welt, gleich ob in der UdSSR oder in den USA, gleich ob in England oder in Deutschland – haben uns einer ungeheuren Fahrlässigkeit schuldig gemacht. Wir haben den jüngsten Weltkrieg herbeigeführt, aus dem wir eben herausgelangt sind. Wir 172

sind nun an dem Punkt, wo wir genau dieses Schauspiel wiederholen, weil wir das Wesentliche der Lage von heute verantwortungslos vernachlässigen. Obwohl ich unter normalen Umständen wenig mit Politik zu tun habe, habe ich bei diesem Stand der Dinge das Gefühl: Wir können uns nur zusammensetzen und zusammenraufen, und zwar mit jedem, der uns die Hand reicht, um die Welt durch internationale Kooperationen vor ihrer baldigen Zerstörung zu bewahren.« Ein lauer Aufruf in der Kritik Tags drauf treffen sich die politischen Aktivisten erneut im Ballsaal des Waldorf-Astoria-Hotels. Nach dem Bankett, dem ersten Plenum und den neun Podiumsdebatten soll das zweite Plenum zwei Resolutionen, eine unter dem Titel »On the Road to Peace«, eine unter dem Titel »On Cultural Freedom«, auf den Weg an die Öffentlichkeit bringen. Der erste Aufruf bekommt aber nur lauen Beifall. Viele Teilnehmer der Konferenz sind enttäuscht; sie halten Sätze wie »Die Menschheit will keinen neuen Weltkrieg« oder »Frieden ist nötig und möglich« für banal. Auch Herrey spart nicht mit Kritik. Folgt man seinem Brief an die Herausgeber der Zeitung »The New York Times« vom 29. März 1949 und einem Bericht in der Zeitschrift »New Republic« vom 18. April 1949, dann drückte er seinen Ärger vor dem Plenum deutlich aus. Er hoffe auf Taten, meint Herrey. Er halte nichts von »Platituden«. Die Ideologien der Intellektuellen der dreißiger Jahre – gemeint ist wohl der Versuch einer Allianz von Demokraten und Kommunisten im Kampf gegen den Faschismus – hätten versagt, würden heute nur Unheil stiften. Die »Massen« der armen Länder hätten kein Interesse an »Überbauten«, sondern an »praktischen Programmen«, die nach Trumans Antrittsrede durchaus möglich seien. Auf Herrey reagieren der amerikanische Journalist Albert E. Kahn und der amerikanische Romancier Howard Fast, die beide in Treue zu Stalin stehen. Kein Wunder, dass sie Herreys Einwurf und alle weiteren Einwände gegen die Resolution »On the Road to Peace« so eloquent wie energisch parieren, wollen sie doch das alte Bündnis linker Kräfte retten und in eine neue Richtung allein gegen die junge Weltmacht USA führen. Später wird die »New Republic« schreiben, die »Peitscher der Partei« hätten die »Rebellion« erstickt. Nur einer habe trotz allem mit Nein gestimmt. Abends indes scheinen wieder alle guter Dinge und frohen Mutes. Zum öffentlichen Abschluss der Tagung eilen über achtzehntausend Menschen in den durch seine sportlichen Vergnügen so bekannten wie beliebten Madison Square Garden an der 8th Avenue. Die Redner, unter ihnen auch Alexander Fadejew, sitzen auf einem großen Podium in der Mitte der Arena, wo sonst die Boxer ihre Haken schlagen. Von Flutlicht verfolgt, greift Dimitri Schostakowitsch in die Tasten eines Flügels.

Einband »Speaking of Peace. An Edited Report of the Cultural and Scientific Conference for World Peace«, 1949

Er spielt den zweiten Satz seiner Fünften Symphonie, ein Allegretto mit humorvollen Themen. Der Dank stürzt auf den scheuen Komponisten; Hände klatschen, Füße trampeln; der Jubel hat kein Ende. Vision der Entspannungspolitik Von schöner Musik aber ließen sich die beiden großen politischen Magazine der Liberalen und Progressiven nicht täuschen. In Bezug auf das Treiben der Intellektuellen im Kontext der Cultural and Scientific Conference for World Peace kamen wenig später die Kommentare von Freda Kirchwey in »The Nation« und von Joseph P. Lash in der »New Republic« zu fast identischen Resultaten. Lash sprach von »passionierten, fraktionierten Loyalitäten«. Kirchwey schrieb: »Als die Scheinwerfer im Madison Square Garden erloschen, hatten auf beiden Seiten die gewaltsamen Parteigänger gewonnen.« Gewaltsame Parteigänger? In der Tat wurde während der drei Tage dauernden Konferenz mit seltener Heftigkeit gestritten, drinnen wie draußen. So kamen etwa fünfhundert Personen zum Protest der von Sidney Hook

geführten Gruppe Americans for Intellectual Freedom in die Räume der Organisation Freedom House im Wendell Willkie Memorial Building an der 40th Street. Die dortigen, zum Teil flammenden Vorträge gegen die Konferenz im Waldorf-Astoria-Hotel wurden in den nahen Bryant Park gleich hinter der New York Public Library über­ tragen. Es heißt, es hätten sich dichte Trauben von Menschen vor den Lautsprechern gebildet. Nach vier Jahren Kalten Krieges auch im Innern der USA war die Radikalisierung der Intellektuellen New Yorks kaum noch zu übersehen. Um die Zeit der Konferenz hatte dieser Extremismus seinen Zenit erreicht. Wo der »Osten« nur über »Frieden«, der »Westen« nur über »Freiheit« reden wollte, wo in manchen Kreisen jeder für jeden nur »Stalinist« oder »Antistalinist«, nur »Agent« oder »Lakai« oder »Handlanger« oder »Kettenhund« sei es des »Kommunismus«, sei es des »Imperialismus« war, da wurden wägende, mittlere Meinungen, die wie Herrey und Shapley auf Praxis statt auf Prinzip bauten, mit Macht an den Rand gedrängt. Dieser Vorgang POLITIK FÜR DAS LAND UND DIE WELT 1944–1950

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erstaunt im Fall der Konferenz umso mehr, waren doch ihre Teilnehmer mehrheitlich genuin Liberale und Progressive, die – anders als die strammen Stalinisten und Antistalinisten jener Jahre – ein Ohr für Zwischentöne hatten. Zu welchen Ideen und Konzepten die Majorität im Waldorf-AstoriaHotel, in der Carnegie Hall, im Madison Square Garden neigte, ließ sich, so der Kommentator Lash, am besten am Beifall messen. Laut beklatscht wurde demnach die Delegation Jugoslawiens, das sich unter Führung Josip Broz Titos eben von der UdSSR gelöst hatte. Laut beklatscht wurde demnach Frederick L. Schuman, der eine Art Äquidistanz zur äußeren Politik einerseits der USA, anderseits der UdSSR zum Ausdruck brachte. Laut beklatscht wurden demnach Redner, die sich für den Erhalt des New Deal starkmachten, die vor einer Pax Americana wie vor einer Pax Sovietica warnten und statt der Truman-Doktrin und der Politik der »Eindämmung« ein Angebot zur Entspannung und Entwicklung zwischen West und Ost, Reich und Arm wünschten. Etwa zehn Jahre nach der Konferenz kam mit der »Konvergenztheorie« eine politische Position auf, die fähig war, das Schwarz-WeißDenken der frühen Jahre des Kalten Krieges auch außerhalb des liberalen und progressiven Amerika in Frage zu stellen. Es hieß nun, die USA und die UdSSR würden »einander immer ähnlicher«, weil die technologische und industrielle Evolution beide Mächte zu pragmatischen, daher quasi identischen Politiken greifen ließe, wobei sich die USA in Richtung sozialer Gleichheit, die UdSSR in Richtung poli­ tischer Freiheit wandeln würden. Obwohl die Konvergenz der Sys­ teme von Wissenschaftlern wie Zbigniew K. Brzezinski und Samuel P. Huntington verworfen wurde, war den Kritikern doch klar, dass die neue Lehre in Washington wie in Moskau Lockerungsübungen möglich machte, ja dass sie die Hoffnung auf ein Schwächerwerden der Rivalität zwischen den USA und der UdSSR nährte. Wieder zehn Jahre später sorgten in der Bundesrepublik Deutschland Willy Brandt und Egon Bahr durch ihre Politik der »kleinen Schritte«, der »Vertrauen bildenden Maßnahmen« und der »friedlichen Konkurrenz der Systeme« für Bewegung im Verhältnis zwischen den Blöcken. Dass manche Idee, manches Konzept, selbst manche Vokabel der Entspannungs- und Entwicklungspolitik der späten sechziger schon in den späten vierziger Jahren die Runde gemacht hatte, ist eine seltsame Entdeckung. Die Agenda und Vision der Cultural and Scientific Conference for World Peace, so scheint es, kam zur falschen Zeit und am falschen Ort: zur falschen Zeit, weil die UdSSR noch von Stalin regiert wurde; am falschen Ort, weil die USA aufgrund ihrer inneren Verfasstheit für das Steuern eines solchen Kurses am weni­gs­ ten geeignet waren. 174

Expertenkonferenz Entwicklungspolitik Springt man von den späten sechziger in die späten vierziger Jahre zurück und stellt dann die Frage, wie das liberale und progressive Milieu der USA auf die Verschärfung des Kalten Krieges ab Mitte 1949 reagierte, so fällt auf, dass zwar der Vorschlag, den Emery Reves für das Ende aller Kriege gemacht hatte – sein Plädoyer für eine globale Regierung –, weiter verfolgt wurde, dass aber der Weg zu solcher Art Herrschaft anders bestimmt wurde als gleich nach den Atombomben auf Hiroschima und Nagasaki. Eine Lösung wurde nun nicht mehr von den USA und der UdSSR erhofft, sondern in jenen Staaten Asiens, Afrikas und Amerikas gesucht, die erstens in keinem der beiden politischen Lager standen und zweitens, wie das Indien des Premierministers Jawaharlal Nehru, das Zeug zu einer starken Stimme in der UNO hatten. Diese noch junge Organisation sollte den Keim einer globalen Regierung bilden. Schon wuchs am Ufer des East River die schlanke Scheibe des Secretariat Building aus dem Boden. »Mit vollem Schwung«, schrieb damals E. B. White in seinem Essay »Here is New York«, schaffe die Metropole Platz für eine neue »Stadt in der Stadt«, um dort der einen großen Regierung ein »schützendes Gehäuse« zu bieten. New York sei nicht die Hauptstadt einer bestimmten Nation; es sei vielmehr »auf dem Weg zur Welthauptstadt«. Wir wissen nicht, ob auch Herrey und Shapley sich vorstellten, aus der Mitte der UNO müsse mit den Jahren ein Staatenbund, wo nicht ein Bundesstaat entstehen. Wir wissen nur, dass ihr Engagement nach den Querelen um die Konferenz im Waldorf-Astoria-Hotel nicht mehr auf verbale Proteste, sondern auf reale Projekte gerichtet war. Das von Herrey und Shapley für die Podiumsdebatte »Planen und Bauen« im Rahmen besagter Konferenz formulierte Papier unter dem Titel »World Security through International Resources Development« wurde in den Wochen nach der Tagung von den Autoren erheblich erweitert. Dabei wurde manches weit besser, weil klarer, ja schärfer gefasst: so die Kritik am »Point Four« und am »New Bold Program« Präsident Trumans, so die Balance privaten Kapitals und publiker Kontrolle, so die Finanzierung mit sechzig bis hundert Milliarden Dollar über eine Spanne von zwanzig Jahren, so die Argumente für ein Arrangement mit der UdSSR, so die Rolle der UNO als Träger des Ganzen. Im August 1949 lag diese Konzeption einer Entwicklungspolitik nie gekannter Qualität in Form einer gedruckten Broschüre vor. Das Dokument diente als Fundament einer Konferenz von Experten, die sich unter Schirmherrschaft der Foundation for World Government und des Post War World Council vom 7. bis 9. Oktober 1949 im Haus der American Philosophical Society in Philadelphia / Pennsylvania trafen. Um sich ein Bild vom Rang der etwa dreißig Politiker, Ökonomen und Ingenieure zu machen, die den von Herrey und Shapley

Hermann Herrey und Harlow Shapley, »World Security through International Resources Development«, Seiten 1 und 2, 1949

präsentierten Plan diskutieren und – an höchster Stelle – propagieren sollten, lohnt der Blick auf die Vita einiger Teilnehmer: Hobson Dewey Anderson (geb. 1897) war auf dem Feld der Wirtschaftswissenschaft und Handelspolitik aktiv, während der späten dreißiger Jahre in Verwaltungsbehörden des Bundesstaates Kalifornien. Er war Gründer und Leiter des Public Affairs Institute in Washington, das seit 1945 bestand und eine Reihe von Studien zu Fragen der Wirtschaft publizierte. Stringfellow Barr (geb. 1897) war Humanist, Publizist und Republikaner in der Tradition eines Thomas Jefferson. Von 1937 bis 1946 war er Präsident des St. John’s College in Annapolis / Maryland, wo er mit dem »Great Books Program« einen völlig neuen Lehrplan schuf, der auf der Kultur des klassischen Europa basierte. Seit Gründung der Foundation for World Government 1948 führte er deren Vorstand. Hubert H. Humphrey (geb. 1911) war Mitglied der Demokratischen Partei und hatte großes Interesse an der Stärkung von Bürgerrechten.

Von 1945 bis 1949 war er Bürgermeister der Stadt Minneapolis / Minnesota, seit Beginn dieses Jahres Senator des Bundesstaates Minnesota. Robert M. Hutchins (geb. 1899) war Bildungsforscher und Kanzler der University of Chicago, deren Lehr- und Lernbetrieb er in vieler Hinsicht reformierte. Er zählte 1945 zu den Gründern des Committee to Frame a World Constitution und 1949 zu den Mitgliedern des Vorstandes der Foundation for World Government. Harold R. Isaacs (geb. 1910) war Journalist. Von 1930 bis 1935 lebte er in China. 1938 erschien sein Buch »The Tragedy of the Chinese Revolution«. Seither galt er als einer der besten Kenner der jüngeren Entwicklung des Landes. Während des Zweiten Weltkriegs war er Korrespondent des Magazins »Newsweek« in Asien. 1947 kam sein Buch »No Peace for Asia« auf den Markt. Wayne L. Morse (geb. 1900) war Mitglied der Republikanischen Partei und seit 1945 Senator der Bundesstaates Oregon. Sein Einsatz galt immer wieder auch den Bürgerrechten. POLITIK FÜR DAS LAND UND DIE WELT 1944–1950

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Harry W. Schacter (geb. 1901) war Generalmanager des Warenhauses Kaufman-Straus in Louisville / Kentucky und 1945 Gründer des Committee for Kentucky, das sich im Sinne des New Deal für die sozialen und kulturellen Belange der Bewohner dieses armen Bundesstaates der USA engagierte. 1949 erschien sein Buch »Kentucky on the March«, ein Bericht über die Tätigkeit des Komitees. Norman M. Thomas (geb. 1884) war Geistlicher der Presbyterianer, Vorsitzender der kleinen Sozialistischen Partei und Gründer des Post War World Council. Er war zugleich ein äußerst aktiver Publizist. James P. Warburg (geb. 1896) war Bankier und hatte in dieser Eigenschaft Präsident Roosevelt beraten. Er gehörte zu den Kritikern der Strategie des Kalten Krieges, vor allem aufgrund des Mangels an Diplomatie unter Präsident Truman. Gilbert F. White (geb. 1911) war beruflich als Geograph, persönlich als Quäker und Pazifist aktiv. Von 1934 bis 1942 diente er der Regierung Präsident Roosevelts, unter anderm als Sekretär des National Resources Planning Board (NRPB). 1946 wurde er Präsident des Haverford College in Haverford / Pennsylvania. Den Vorsitz der Konferenz hatte Barr, der auch nach der Tagung mit Herrey in Kontakt stand. Sie trafen sich dann und wann in Herreys Wohnung, unterhielten sich Stunde um Stunde über die politische Lage der USA und der Welt. Wie die Debatten in Philadelphia trugen auch die Gespräche in New York zum Inhalt einer Broschüre bei, mit welcher Barr im November 1950 an die Öffentlichkeit trat. Das Heft von kaum dreißig Seiten stieß auf größten Beifall. Mehrere Auflagen wurden gedruckt; über 250 000 Exemplare musste die University of Chicago Press liefern. Schon der Titel »Let’s Join the Human Race« hatte Schlagkraft; als ob die Amerikaner noch nicht Teil der Menschheit seien, sondern den Anschluss noch finden müss­ ten. Dabei ging es in dem Essay nur um die äußere, Entwicklung und Entspannung lähmende Politik der USA. Die Annahme, dass niemand außer der UdSSR zwischen den Menschen und dem Frieden auf Erden stehe und dass die Lage der Ärmsten besser durch Kapital als durch Regierung zu lindern sei, müsse als falsche Annahme verworfen werden. Vor allem dürften die USA nicht länger »Santa Claus spielen« und »kleinere Geschenke« allein solchen Staaten machen, die »wie nette Jungen artig Danke sagen«, sich also den strategischen Interessen Amerikas unterwerfen. Für Afrikaner und Asiaten sei nicht der Kommunismus das Problem; bekämpft werden müssten auf den fernen Kontinenten vielmehr Hunger, Armut, Krankheit und Bildungsmangel. Nötig seien ein »Punkt vier« und ein »Neues kühnes Programm« nicht von Millionen, sondern von Milliarden Dollar. Scheitern eines Buches Wie Barr fühlten sich auch Herrey und Shapley nach der Konferenz hoch motiviert, das Anliegen der Entwicklungspolitik weiter zu verfolgen. In 176

Einband »Let’s Join the Human Race«, 1950

einem Brief an Barr, datiert auf den 24. Januar 1950, warben beide noch einmal für ihre Idee der Gründung einer International Resources Development Agency (IRDA). Vielleicht wussten sie, dass die Foundation for World Government um die Wende 1949/1950 alles Erdenkliche unternommen hatte, die Führung der Stiftung in die Hände von David E. Lilienthal zu legen, weil dieser Mann, so die Hoffnung des Vorstands, aus der Organisation eine Art TVA hoch drei machen würde. Im selben Brief baten Herrey und Shapley die Foundation for World Government um fünftausend Dollar, damit Herrey ein Buch schreiben könne, das die auf der Konferenz geprüften Konzepte praktischer Entwicklungs- und Entspannungspolitik erläutern sollte. Das Geld wurde wenig später in vollem Umfang gewährt, Herreys und Shapleys Interesse an der Sache aber auch durch Analysen und Reportagen in »The Nation« und »New Republic« immer wieder genährt. So etwa empfahl Shapley seinem Freund Herrey in einem Brief vom 19. Februar 1950, das Editorial »The UN is Still the Way to Peace« in der jüngsten Nummer der »New Republic« zu lesen. Kein Wunder, wurde doch in dem Beitrag der Herausgeber für das Ende der Truman-Doktrin, für Multilate­ ralismus statt Unilateralismus und für die Stärkung der UNO durch die Regierung der USA plädiert, weil im Secretariat Building am East River die alten politischen Ideale Amerikas zu neuer Blüte kämen. Warum Herreys und Shapleys Enthusiasmus so rasch verflog, ist schwer zu sagen. Schon am 1. April 1950 schrieb Shapley an Herrey, in Washington würden der »Point Four« und das »New Bold Program«

auf immer größere Ablehnung stoßen. Für das Verfechten einer Politik der Sicherheit durch Entwicklung und Entspannung habe man wohl das »falsche Jahr«, vielleicht gar das »falsche Jahrzehnt« gewählt. In der Tat war, nach Ausbruch des Krieges zwischen dem Norden und Süden Koreas im Juni 1950, an eine Umsetzung der mit dem »Punkt vier« und dem »Neuen kühnen Programm« gemachten Versprechen nicht mehr zu denken. Herrey und Shapley hätten ihr Thema nur noch mit Mühe an den Mann und auf den Markt bringen können. Zur selben Zeit verlor die Foundation for World Government, verstrickt in einen zähen Rechtsstreit um ihren Status als gemeinnützig, mehr und mehr ihres Geldes an den Fiskus, musste also ihre Stipendien reduzieren. Herreys und Shapleys Projekt kam ins Stocken; zwei oder drei Jahre später schlug das Buch fehl. Enttäuschtes Engagement »Als ich gegen Ende des Ersten Weltkriegs mit jenem expansiven Optimismus begann, auf den ein junger Mann von Begabung und Bestimmung in der Ära des Fortschritts allen Anspruch zu haben schien, schien es auch, als ob die Trümmer der alten, falschen Führung des politischen Geschäfts eben geräumt worden seien. Ich konnte damals nicht ahnen, dass dies nur der Anfang einer Krise war, die lange zuvor unter der Oberfläche geschwelt hatte. Ich konnte damals nicht ahnen, dass alles, was meine Generation schaffen wollte und schaffen würde, Stück für Stück durch immer neue Wellen von Kriegen, Katastrophen und Revolutionen zerstört werden würde. Ich hätte damals nicht glauben können, dass sogar der Kern des Schöpferischen im Lauf der nächs­ ten dreißig Jahre in Frage gestellt werden würde.« Diese Sätze stammen aus einem Text, mit dem sich Herrey im Herbst 1950 um ein Stipendium der John Simon Guggenheim Memorial Foundation bewarb. Sie stehen – fast – am Ende einer Phase politischen Engagements, dessen Motive sie mehr verschleiern als verraten. Herrey hatte in Wien den Ersten Weltkrieg, in Berlin die Inflation und die Agonie der Republik, in London den Zweiten Weltkrieg, in New York und Cambridge das Exil erlebt. Er wusste, was Frieden und was kein Frieden ist. Gleichwohl sind seine Gedanken, auf jeden Fall unter Männern mit dem Beruf Architekt und Designer, selten gesagte Gedanken. Wer etwa auf die lange Liste derer schaut, die dem in »The New York Times« publizierten Aufruf zur Cultural and Scientific Conference for World Peace gefolgt waren, der wird dort keinen Marcel Breuer, keinen Josef Frank, keinen Walter Gropius, keinen Martin Wagner finden. Die Profession der Architektur und des Designs war unter den Förderern der Konferenz im WaldorfAstoria-Hotel kaum in Erscheinung getreten. Nur Serge Chermayeff, Henry S. Churchill, Thomas H. Creighton, Muriel Draper, Paul Grotz,

Talbot F. Hamlin, Hermann Herrey, Eliot Noyes und Frank Lloyd Wright hatten sich bereit erklärt, der Sache des Friedens auf solche Weise zu dienen. Noch Jahre nach der etwas späteren Konferenz im Haus der American Philosophical Society würde Herrey an Paul Löbe schreiben, er halte die für diese Tagung mit Shapley verfasste Broschüre »A Draft Proposal for World Security through International Resources Development« für eine seiner »wichtigsten Arbeiten«. Sieht man von Herreys eigener Erfahrung der Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts ab, so war seine Freundschaft mit Shapley wohl das stärkste Movens seiner politischen Aktivität. Seit Ende der dreißiger Jahre – seit dem »Asylum Fellowship Plan« der Harvard University, einer Hilfe für Wissenschaftler, die das Europa der Regime verlassen hatten und in die USA gekommen waren – trat Shapley nicht allein in der Rolle des renommierten Astronomen, sondern auch in der des radikalen Demokraten an die Öffentlichkeit. Als Mann der Bonhomie und Contenance wusste Shapley, dass durch stille Diplomatie oft mehr als durch lauten Protest erreicht wird. Sein Einfluss auf die Charta der United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO) war dem Establishment suspekt. Sein Einsatz für Freiheit und Frieden trug ihm sogar heftige rechtliche Verfolgung ein: 1946 durch den Abgeordneten John E. Rankin und das House Un-American Activities Committee (HUAC), 1950 durch den Senator Joseph R. McCarthy, der ihn vor dem Subcommittee on the Investigation of Loyalty of State Department Employees als »Rosaroten« diffamierte. Wie die meisten Exilanten deutscher Herkunft hatte auch Herrey seit dem plötzlichen Ableben des geschätzten, ja verehrten Franklin D. Roosevelt am 12. April 1945 große Sorge um die weitere Entwicklung der USA. An der Wende von den vierziger zu den fünfziger Jahren waren das Ende des New Deal, der Anfang des McCarthyismus und – dies vor allem – die Gefahr des Krieges aufgrund der Rivalität zwischen den USA und der UdSSR enorm präsent. Unter dem Druck von Politikern und Journalisten begann mancher zu fürchten und zu schweigen. Oder nach Freunden zu suchen, denen er trauen konnte. Heinrich Schnitzler etwa, seit einer Weile Professor für Theaterwissenschaft an der University of California in Los Angeles (UCLA), schrieb an Herrey, den er im Tumult des Exils beinahe verloren hatte. In einem Brief vom 5. Januar 1951 heißt es: »Ich habe hier kaum Menschen, mit denen ich über solche Themen sprechen kann. Und zu ›solchen Themen‹ gehört auch die fürchterliche Lage, in der sich nicht nur dieses Land, sondern die ganze Menschheit befindet. Jedenfalls wird es einem zuweilen schwer, sich in die Zeiten zurückzuversetzen, da man auf die amerikanische Staatsbürgerschaft mit Recht stolz sein konnte. Die Richtung, in der sich dieses Land in den letzten Jahren bewegt hat, war nur allzu deutlich. Und das Resultat steht uns jetzt erschreckend klar vor Augen.« POLITIK FÜR DAS LAND UND DIE WELT 1944–1950

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16  PLANEN UND BAUEN AUF LONG ISLAND 1946–1953

In den zehnten Neudruck und die dritte Fassung seines einflussreichen Buches »Raum, Zeit, Architektur« nahm Sigfried Giedion 1954 einen langen Passus unter dem Titel »Walter Gropius in Amerika« auf. Darin gönnt er dem deutschen Architekten die Rolle dessen, der die Architektur der USA – nach den konstruktiven und ästhetischen Höhepunkten der Louis H. Sullivan und Frank Lloyd Wright – vor dem Scheitern in Historismus und Beaux arts bewahrt, ja sie endlich aus dem »merkantilen Klassizismus« des neunzehnten in den Modernismus des zwanzigsten Jahrhunderts geführt habe. Dabei scheut sich der Schweizer Architekturhistoriker nicht, einen großen Vergleich zu wählen. Er meint, auch andere Kulturen hätten einmal der Hilfe von außen bedurft, etwa das Frankreich der späten Gotik durch das Italien der frühen Renaissance. Dass Gropius den Helden nicht spielte und Giedion mit jenem Passus einen Mythos schuf, haben Forscher längst erkannt. Dass sich auf denselben Seiten des Buches aber auch Sätze finden, die Teilen der Wahrheit der kulturellen Konnexion zwischen Europa und Amerika sehr nahe kommen, wird wegen der Gropius-Legende leicht überlesen. Giedion schreibt, wen es in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts in die USA gezogen habe, der sei dort binnen kurzem ein echter Amerikaner geworden. Die Immigranten der dreißiger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts jedoch seien in den USA, auch mit Pass, ein Leben lang Fremde geblieben, weil der Kontinent zwischen Atlantik und Pazifik mit der Zeit einen durch und durch eigenen Charakter gebildet und auf diese Weise ein Stück seiner früheren Offenheit verloren habe. Vor allem in Bezug auf die Perspektiven immigrierter Architekten weiß Giedion zu klagen: In Amerika komme für einen großen Auftrag nur eine große Firma mit Hunderten von Kollegen in Frage. Kleine Büros – »wie wir sie gewohnt sind«, fügt der Autor kritisch hinzu – hätten dort »einen schweren Stand«. Neue Existenz als Architekt Auch Hermann Herrey hatte – nach mühsamen Anfängen erst in Berlin, dann in Ascona, dann in Wien, dann in London – in den USA zum fünften Mal wie die Figur auf dem Spielbrett auf ›Los!‹ gehen müssen. 178

Nach langem Warten war er am 6. Januar 1943 als Architekt mit Erlaubnis zum Arbeiten im Staat New York registriert worden. Aber noch bevor ihm das Papier mit der Lizenz geschickt worden war, hatte Herrey den Neurologen Paul A. Hoefer, Freund seiner Frau aus alten Tagen in Berlin, durch ein längeres, höfliches Bitt- und Dankschreiben wissen lassen, er könne mit dem amtlichen Dokument »zur Zeit praktisch gar nichts machen«. Nach den beiden Vorträgen über Theater, gehalten an der Graduate School of Design (GSD) der Harvard University in Cambridge, hatten volle zwei Jahre ins Land gehen müssen, bis Herrey in seiner Funktion als Architekt wieder öffentlich hatte erscheinen können. Mit der Autorität des Vorsitzenden der Abteilung Architektur der GSD hatte Gropius Anfang 1943 ›seinen‹ Absolventen Wilhelm Viggo von Moltke und ›seinen‹ Doktoranden Hermann Herrey ersucht, bei einer Medienkampagne zu helfen, die das »Packaged Building« der jungen, kleinen General Panel Corporation in möglichst weiten Kreisen bekannt machen sollte. Moltkes Beitrag steht in Heft 4/1943 der Zeitschrift »Architectural Record«, Herreys Beitrag in Heft 4/1943 der Zeitschrift »The New Pencil Points«. Was die beiden Texte differenziert, ist ihr Engagement. Herrey sucht den Leser schon durch den einer Fanfare ähnlichen Titel für das neue System von Wohnhäusern aus Holzplatten zu gewinnen. Mit der Reihenfolge der Namen – es heißt: »Konrad Wachsmann and Walter Gropius« – würdigt er Wachsmann als den eigentlichen Schöpfer des Entwurfs und kommt dann auf die spezifischen Qualitäten dieser industriell fabrizierten Architektur zu sprechen: Böden und Decken und Wände würden aus nur zehn Typen von Platten montiert; Türen und Fenster seien Teil dieser Platten; als Scharnier zwischen den Kanten von je zwei bis vier Platten diene ein raffiniertes metallisches Objekt; zum Aufbau brauche man nur einen Hammer, zum Abbau nur eine Zange. Ob der in Text und Bild auf Anschauung bedachte Artikel dem Autor irgend nutzte? Ob er zu irgendeinem Kontakt führte? Wohl kaum. Herrey fand erst nach Ende des Krieges die Möglichkeit, ein Büro unter seinem Namen zu gründen. 1946 bezog er Räume in der obersten Etage des Hochhauses unter der Adresse 119 East 57th Street nahe der Ecke

Hermann Herrey, Plakat und Faltblatt »The Familiy House«, 1946

zur Park Avenue als der vornehmsten Wohnstraße Manhattans. Auf demselben Stockwerk hatte der aus Österreich stammende Architekt und Immigrant Felix Augenfeld sein Büro; er musste seinen Unterhalt mit kleineren Aufträgen zur Einrichtung von Wohnungen bestreiten. Herrey und Augenfeld waren mehr als nur freundliche Bekannte; einer schätzte des andern Schaffen. Erst im Rückblick wird klar, dass in manchen der Augenfeldschen Interieurs zu viel Biedermeier steckt. Von größerer Bedeutung als die Bekanntschaft mit Augenfeld war für die Entwicklung von Herrey als Architekt sein Verhältnis zu Marcel Breuer. Herrey hatte Breuer wohl in London kennengelernt; beide Männer waren Mitglied der Modern Architectural Research Group (MARS) gewesen. In Cambridge trafen sie sich wieder. Und auch in New York, wo Breuer zur selben Zeit wie Herrey ein Büro zu öffnen wagte, trafen sie sich dann und wann zum Mittagessen im Restaurant »Del Pezzo« an der West 47th Street. Manchmal drehte sich ihr Gespräch um Gropius, von dessen Einfluss sich Breuer mit dem Umzug von Cambridge nach New York vollends befreit hatte. Was die Architektur betraf, so galt Herreys Interesse der Präsenz des Materials, der Präsenz der Konstruktion, der Relation von Material

und Konstruktion. Sein Interesse galt, um es mit einem Begriff zu sagen: der Transparenz. Diese Qualität sah Herrey, wie aus ein paar kurzen Briefen an Breuer deutlich, in dessen jüngeren Projekten vorbildlich verwirklicht. Den konsequenten Gebrauch von dunklen, steinernen, tragenden Mauern ohne Fenster auf der einen Seite, hellen, hölzernen, nicht tragenden Wänden mit Fenstern auf der andern Seite konnte Herrey gar nicht genug rühmen. Breuers Wintersporthotel in Obergurgl / Österreich 1937 und Breuers Haus Weizenblatt in Asheville / North Carolina 1941 machten – so Herrey – beide den Eindruck, als »hingen« ihre Partien aus Holz zwischen ihren Partien aus Stein. Später würde er mit Haus Mautner seine Nähe und Ferne zu Breuer unter Beweis stellen, würde er die Qualität der Transparenz durch eine Art »Less is more« in beispielloser Klarheit vor Augen führen. Während es scheint, als ob Herrey im Gespräch mit Breuer die Funktion der Architektur und die des Architekten keinen Moment aus dem Zentrum der Rede fallen ließ, gab es auch Orte, wo diese Haltung mehr Schaden als Nutzen gebracht hätte. Als mit der Rückkehr Tausender Soldaten in die USA die Frage, wo die Veteranen und ihre Familien wohnen würden, eine rasche Antwort nötig machte, nahm sich auch PLANEN UND BAUEN AUF LONG ISLAND 1946–1953

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Herrey dieses Themas an. Von Ende September 1946 bis Ende Januar 1947 hielt er am Queens College fünfzehn Vorträge; die Reihe trug den Titel »The Family House. Its Plan and Structure, its Furniture and Equipment«. Dass hier ein Begriff wie »modern« und einer wie »design« fehlten, war Programm. Herrey mag im Hörsaal den Plan libre eines Le Corbusier, den Raumplan eines Adolf Loos, die offenen, fließenden Grundrisse aus dem Europa des zwanzigsten Jahrhunderts erwähnt, ja ein paar Häuser seines Freundes Breuer gezeigt haben. Dennoch trat er nicht als Advokat der Moderne vor das Mikrophon. Vielmehr mochte er die Rolle des Anwalts der Nutzer, klärte also die Vor- und Nachteile einzelner Lösungen beim Hausbau. Dieser sei eine Sache guter Planung. Und gute Planung, so wusste Herrey von John Merriman Gaus, sei »das Erleichtern des Entscheidens« durch rationales Analysieren. Projekt einer Siedlung in Hempstead Folgt man einem Bericht, durch den »The New York Times« am 30. September 1946 bei ihren Lesern für die Reihe »The Family House« warb, so wollte der Redner den Veteranen unter seinen Hörern raten, Kooperativen zu bilden, um selber Herr ihrer Sache zu werden. Mit einer solchen Gruppe, der American Veterans Care Organization (AVCO) Apartments Incorporated in Westbury / New York, hatte Herrey zu tun, als er 1947 und 1948 nahe der Mitte von Hempstead, das ein Stück östlich von New York im Nassau County auf Long Island liegt, eine Anlage mit Wohnungen plante. Das schmale, lange Grundstück mit seinen 8034 Quadratmetern zog von West nach Ost; von Norden stieß eine Straße namens Villa Court auf das plane Terrain, wo etwa dreißig alte Bäume standen, die Herrey wenn möglich stehen lassen wollte. Der Entwurf sah zwei Zeilen mit je drei Bauten von je zwei Geschoss vor. Alle achtundsechzig Wohnungen wären, der frischen Luft wegen, von Norden nach Süden gesteckt worden. Fünfzig Wohnungen hätten vier bis fünf Zimmer, achtzehn Wohnungen drei bis vier Zimmer gehabt. Wohnungen im unteren Geschoss hätten eine Veranda, Wohnungen im oberen Geschoss einen Balkon gehabt. Im Nordwesten der Anlage, das heißt rechts vom Eingang, wäre ein Gemeinschaftsgebäude errichtet worden, dessen Saal etwa hundertvierzig Menschen einen Sitzplatz hätte bieten können. Von großem Belang für das Projekt waren Bestimmung und Begründung von Material und Konstruktion. In der Fabrik produzierte Elemente, will sagen Rahmen aus Stahl und Tafeln aus Beton, hätten Böden und Decken und Wände bilden sollen. Für die Verkleidung der Gebäude hatte Herrey stählerne Profile mit einer Länge von jeweils gut zwölf Metern gewählt. Leicht vorstellbar, dass Passanten in Betracht der neuen Häuser von Baracken oder Kasernen gesprochen hätten. Doch zur Modernität von Architektur gehört, dass sie die Attraktivi180

tät des Industriellen entdeckt. Auf jeden Fall hätte Herrey den wohl in Grau und Blau, in Braun und Schwarz schimmernden Fassaden zu einiger Eleganz verholfen. In einem Dokument unter dem Titel »Villa Court Garden Apartments. Description«, datiert auf den 20. Januar 1948, schreibt der Architekt, er habe einfache Grund- und Aufrisse entworfen und mit solcher Gestalt die Absicht verfolgt, Baustoffe und Bauweisen »von großer Simplizität« zu verwenden, also auf amerikanische Industrieprodukte zu vertrauen, die man leicht erwerben, leicht erhalten und im Notfall leicht ersetzen könne. Wenn die Siedlung in Hempstead nicht allein genehmigt, sondern auch ausgeführt worden wäre, dann hätten wir es heute mit einem schönen Beispiel von Kritik durch Praxis zu tun, gab doch Herreys Konzept eine Antwort auf das »Packaged Building« der General Panel Corporation. Die Fertighäuser nach dem Wachsmann-Gropius-System wurden seit 1947 in einer nagelneuen Fabrik in Burbank / Kalifornien produziert, hatten jedoch – aus der Perspektive der Betriebswirtschaft – einen schweren Mangel: ihren zugleich ästhetischen und konstruktiven Rigorismus. Da diese Bauten bei aller Modularität und Flexibilität ganz und gar aus einem Guss waren und folglich den Gebrauch anderer billiger Industrieprodukte ausschlossen, konnten sie im Wettbewerb nicht bestehen. Schon 1952 gab das Unternehmen auf. Lokales Idiom Leider schlug das gesamte Vorhaben der Villa Court Garden Apartments fehl, weil es den jungen Männern der American Veterans Care Organization (AVCO) nicht gelang, das Projekt zu finanzieren. Doch zu Beginn des Jahres 1949 fand Herrey mit Robert und Lola Mautner sowie mit Alma Morgenthau gleich zwei Auftraggeber, die bei sonst völlig differenter Mentalität eine große Gewähr boten, dass die von ihnen geplanten Wohnhäuser – jenes eher geöffnet, dieses eher geschlossen, jenes in Massapequa, dieses in Lattingtown, beide im Nassau County auf Long Island – auch wirklich gebaut werden würden. Schließlich sollten die Gehäuse von den Bauherren selber bewohnt werden, was jedoch die Mühe der Rücksicht auf die Fülle der Wünsche des Ehepaars Mautner und der Frau Morgenthau nötig machen würde. Herrey war stets darauf bedacht, seine Entwürfe zu verorten. Er prüfte das lokale Idiom, suchte nach dem, was wir altmodisch »genius loci«, neumodisch »spirit of the place« nennen. Diese Haltung hatte schon 1937 das Landhaus Scrutton in Virginia Water und 1939 das Stadthaus Jolowicz in London bestimmt. Aber wie anders war die Lage in Massapequa und Lattingtown. Dort ging es nicht bloß um andere Geschmäcker; dort ging es um einen andern Kontinent und eine andere Dekade. Herrey musste im amerikanischen architektonischen

Hermann Herrey, Haus Mautner, Grundriss, 1950

Diskurs – der zwischen dem modernistischen Pol auf der einen, dem vernakulären Pol auf der andern Seite schwankte – eine für ihn spezifische Position finden. Klar war nur: dass es keine Position à la Gropius werden würde. Dessen Haus in Lincoln / Massachusetts, von vielen besucht, von vielen gelobt, wurde von Giedion auch ob seiner Fassaden aus lackierten Schalund Stülpbrettern gewürdigt, weil sich der Meister auf diese Weise dem amerikanischen Regionalismus genähert habe. Herrey wird jedoch gleich bemerkt haben, dass die Bretter senkrecht stehen statt waagrecht hängen, dass sie also den Regen von der Seite unter die Holzhaut dringen lassen. Sieht nicht Haus Gropius schon auf ein Dutzend Meter Abstand und erst recht auf den Fotos so aus, als wolle es mit den vernakulären Architekturen in nächster Nähe gar nichts zu schaffen haben, sondern lieber wie ein weißer, glatter, scharfer Rechtkant aus Dessau wirken? Einmal um Haus Mautner streichen Der für die Radio Corporation of America (RCA) tätige Ingenieur Robert Mautner, das Mannequin Lola Mautner und ihre beiden Kinder folgten

dem Drang nach Suburbia, kehrten also der Hektik New Yorks den Rü­ cken und ließen sich gleich östlich der Metropole in Massapequa von Herrey ein Haus bauen. Entworfen und errichtet im Zeitraum von Frühjahr 1949 bis Frühjahr 1950, steht es auf sprödem Boden am Wasser des South Oyster Bay, die zwischen dem Süden von Long Island und dem Norden von Jones Beach Island strömt. Wiewohl der Neubau sommers und winters die Heimstatt der Familie war, macht er den Eindruck, als ob er den Mautners nur bei schönstem Wetter gedient habe. Zu diesem Charakter von Bungalow und Pavillon gehört jene der klassischen Moderne eigene Bereitschaft zu »Ehrlichkeit« und »Sichtbarkeit« in Bezug auf Material, Konstruktion, Funktion und Form; der Architekt will dem Betrachter des Gebäudes schon durch dessen Äußeres dessen Inneres erklären. In dieser Beziehung ist Haus Mautner von radikaler Perfektion. Es lohnt sich, seine vier Seiten – ihr ›Schweigen‹ im Norden und Osten, ihr ›Reden‹ im Westen und Süden – zu sehen und zu deuten. Einmal langsam um das Gebäude gestrichen und man weiß: Die auf der Fläche etwa eines Quadrats von 19,81 mal 22,17 Metern stehende Anlage bietet eine in kleinen Teilen aus Stein, in großen Teilen aus Holz und Glas PLANEN UND BAUEN AUF LONG ISLAND 1946–1953

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Hermann Herrey, Haus Mautner, Ansicht von Nordwesten

konstruierte, wohl ponderierte, also nicht ganz symmetrische Architektur von drei Flügeln und einem Anbau. Der längere, breitere Westflügel unter dem Schrägdach dient dem Wohnen; der kürzere, schmalere Ostflügel unter dem Flachdach dient dem Schlafen; der Nordflügel dient dem Fassen des Hofes mit Blick auf das Meer und weiteren Nutzungen, die sich aber außen nicht mit derselben Klarheit zeigen wie die Nutzungen des West- und des Ostflügels. Zeichen maritimer Architektur am Kopf des einen wie des andern dieser beiden Flügel – im Westen das Bild des Strandkorbes, im Osten das Bild des Bullauges – weisen wie Etiketten dort auf das Wohnen, hier auf das Schlafen am Wasser. An der Westseite des Westflügels kommt die erwähnte Bereitschaft zu »Ehrlichkeit« und »Sichtbarkeit« zu ihrem schönsten Ausdruck. Links und rechts des Eingangs sollen Stein und Holz und Glas durch ihre mal harten, mal weichen, mal rauen, mal glatten, mal dunklen, mal hellen Oberflächen sowie durch ihre scharfe Trennung das gesamte Gebilde lesbar machen. Beherrscht wird die Westwand von zwei Elementen: dem Kamin und dem Schrägdach. Gleich rechts des Eingangs zieht eine Mauer von Norden nach Süden, ragt an der Stelle mit dem Schornstein weit vor und hoch 182

auf, führt außerhalb des Gebäudes auf einen Streifen Sandes, knickt nach Osten und gibt auf diese Weise der Terrasse ihre Fassung. Das dank seiner ästhetischen und konstruktiven Autonomie einer Ruine oder einem Stück Land Art verwandte Gemäuer verbindet Innenraum und Außenraum. Dass zu dieser Verbindung auch der ›Strandkorb‹ – will sagen das Vordach des Schrägdachs mit seinen dünnen, schrägen Stützen – einen Beitrag leistet, steht außer Frage. Die 4,16 Meter hohe Kante des Vordachs bricht die lange Steigung des Schrägdachs, das einerseits auf dem Anbau des Hauses, anderseits auf zwei oder drei Paaren von Stützen ruht, von denen außen allein die feschen Rohre unter dem Vordach zu sehen sind. Als Ganzes scheint das Schrägdach zu schweben, da das Klarglas zwischen Wand und Dach nur wie ein Hohl- und Luftraum wirkt. Aufgrund der starken Präsenz jener Partie, wo der Schornstein ragt und das Schrägdach durch den Winkel seiner Unterseite zum Flugdach wird, braucht der Eingang – will die Haustür nicht der Wahrnehmung entgehen – einen klaren Akzent. Herrey markiert die Stelle auf seine Weise. Er lässt einen Balken aus der Wand fahren und ihn auf einem Baumstamm ruhen, der zwar der mächtigen Erscheinung des Kamins

Ansicht von Südwesten

Ansicht von Südosten

ein Kontra bietet, doch den naturnahen Elementen der Architektur sich fügt. Balken und Baumstamm sind, konstruktiv betrachtet, ohne Belang. Umso mehr fungieren sie als Zeichen mit der Botschaft ›Komm her, hier geht’s rein‹. Kein Gropius, kein Breuer hätte eine solche Idiosynkrasie gewagt. Allein den beiden Gipsen der Karyatiden des Erechtheion, mit denen Berthold Lubetkin das Vordach des Apartmentgebäudes Highpoint II in London schmückte, eignet etwas ähnlich Fremdes. Drei Flügel, zwei Flügel Wer Haus Mautner betritt, betritt mit dem ersten Schritt auf den rauen Platten des Bodens einen kleinen Windfang, von dessen Podest drei Stufen nach rechts in den Vorraum des Wohnraums leiten. Hier schon zielt der Blick durch Scheiben, die vom Boden zur Decke reichen, über ein paar flache Möbel auf den Hof und den Strand. Solche für die Avantgarde der Architektur um die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts typische Bewegung erst von außen nach innen, dann von innen nach außen ließ Kritiker immer wieder schreiben, die Bewohner transparenter Architektur stünden wie auf der Bühne und müssten dauernd ein quasi öffentliches

Leben führen. Bei einem Architekten wie Herrey aber, dem die Differenz zwischen dem Publiken und dem Privaten wie zwischen dem Privaten und dem Intimen schon beim Entwurf von Haus Jolowicz viel wert war, trifft dieser Vorwurf nicht. Denn alle größeren gläsernen Partien von Haus Mautner weisen in Außenräume, deren privater Charakter dank der Umschließung durch die Flügel des Hauses vor Neugier geschützt bleibt. Auch die Innenräume wissen zu trennen. Wiewohl sie den Eindruck eines spatialen Kontinuums machen, scheiden sie – in langsamer Bewegung von der Spitze des Flügels im Westen zu der Spitze des Flügels im Osten – Tagraum und Nachtraum. Anders, als die Wahrnehmung des Äußeren suggeriert, offeriert das Innere eine Anlage eher von zwei als von drei Flügeln. Diese Gliederung des Gebäudes in eine übereck führende Tag- und eine übereck führende Nachtseite samt der Stufung vom Publiken zum Privaten, vom Privaten zum Intimen wird durch ein Detail forciert, das beim näheren Anschauen des Grundrisses vor Augen tritt: der kleine Vorsprung einer Holzwand, welche die Küche vom Gästezimmer trennt und zugleich die Mittelachse zwischen dem linken und dem rechten Flügel des Ganzen bildet. PLANEN UND BAUEN AUF LONG ISLAND 1946–1953

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Hermann Herrey, Haus Mautner, Küche als Möbel, links geschlossen, rechts geöffnet, Tischplatte zum Aus- und Einziehen

Eine Küche als Machine à cuire Bisher hatte Herrey bei jedem Entwurf einer Wohnung oder eines Hauses, sei es mittels einer Durchreiche, sei es mittels einer Anrichte, für die Separierung der Zone des Kochens auf der einen, der des Essens auf der andern Seite gesorgt. Diesem Konzept war schon die Berliner Wohnung Lothar Müthels gefolgt, obwohl der Mann dort allein gelebt hatte. Auch das Berliner Wachsende Haus, das enorm rational, enorm effizient hatte sein sollen, hatte selbst in seiner Fassung von kaum mehr als dreißig Quadratmetern die zwei Bereiche geschieden. Man muss sich ferner vor Augen halten, dass noch in James Fords und Katherine Morrow Fords Buch »The Modern House in America« aus dem Jahr 1940 so gut wie jedes Wohnhaus mit einem oder zwei Geschoss ein Zimmer für die Maid oder Bonne im Programm hat; oft liegt das Zimmer des Mädchens gleich neben der Küche, etwa im Fall von Haus Gropius. Bei Haus Mautner aber musste sich Herrey zum ersten Mal einem Faktum stellen, das Giedion in seinem 1948 publizierten Buch »Die Herrschaft der Mechanisierung« auf den Punkt gebracht hatte. Die technologische und ökonomische Entwicklung der USA während der dreißiger und vierziger Jahre hatte den Haushalt in mancher Hinsicht von der Hände Arbeit befreit, hatte die Rolle der Maid oder Bonne beschränkt, hatte durch den jungen Typus der Wohnküche mit Essnische zwei Zonen gemischt, die im alten bürgerlichen Hause um sozialer Dis­ tinktion willen sorgsam getrennt worden waren. Für die Wirkung der neuen Haushaltsweise auf das Programm des Hauses – genau gesagt: 184

dass der Küche kein Kubikmeter geraubt, sie vielmehr in eine prominente Position gerückt werden würde – ist Rudolf M. Schindlers Haus Armon in Los Angeles / Kalifornien, geplant und gebaut zwischen 1946 und 1949, das beste Beispiel. Die Küche liegt und steht dort wie ein Raum im Raum aus Holz und Glas. Gewiss, im Vergleich zur Komplexität der Geometrie von Haus Armon wirken die Flügel von Haus Mautner wie ein simples Objekt. Was aber jener wie dieser Bau teilen, ist die Konzeption der Küche als des klandestinen Zentrums der räumlichen Anlage. Herrey musste diesen Ort, aus Mangel an Fläche, als Wohnküche mit Essnische zwischen den Trakten planen. Dennoch wollte er das Kochen und das Essen, zur Abwehr von Lärm und Dunst, räumlich separieren. Was tun? Auf einer Folge kleiner Bilder, die zu schaffen dem Zeichner wahre Freude machte, sehen wir die Küche von Haus Mautner mal so, mal so genutzt. Dieser »Hybrid«, um es mit einem Wort von heute zu sagen, ist eines und vieles, nicht allein Möbel aus Schichtholz mit dem Markennamen »Formica«, sondern auch Machine à cuire mit lauter elektrischen Instrumenten, nicht allein Imbissbude, sondern auch Marktstand, dessen Läden sich öffnen und schließen lassen. Im Kontrast zu Marcel Breuer Im Sinne der Ökonomie des Kreativen – wohl auch des berühmten Gedankens von Ludwig Mies van der Rohe, man könne »nicht jeden Montagmorgen eine neue Art Architektur erfinden« – liegt es mehr als nur nah, dass Herrey für den Entwurf von Haus Mautner nach Beispie-

Marcel Breuer, Haus Robinson, Ostflügel, Südseite, 1948

Ostflügel, Ostseite und Nordseite

len und Vorbildern suchte. Dafür kommt an erster Stelle eines seiner eigenen Gebäude in Betracht: Haus Scrutton. Wie Haus Mautner ist es eine Anlage mit drei Flügeln; wie Haus Mautner ist es 19,81 Meter breit; wie Haus Mautner ist es im Bereich des Eingangs durch eine Spannung von Haustür und Schornstein geprägt, die einer dem andern die Schau stehlen wollen. Anders aber ist es in Bezug auf den Grad der Symmetrie und die Verteilung der Nutzungen auf die drei Flügel. Zu schweigen von der Gestalt der Dächer, die bei Haus Scrutton jede große Geste meiden. Kehren wir noch einmal in das Jahr 1946 zurück. Um diese Zeit nahmen Herrey und Breuer ihre Arbeit als Architekten in New York auf. Beide standen in Kontakt. Doch anders als Herrey – dem Poelzigschüler fehlte das Gütesiegel »Bauhaus« – hatte Breuer raschen und großen Erfolg. Im Februar 1949 präsentierten die amerikanischen Zeitschriften »Architectural Record« und »House & Garden« dessen jüngs­ tes Werk, das Wohnhaus Robinson in Williamstown / Massachusetts, durch Text und Bild dort auf zehn, hier auf acht vollen Seiten. Im April 1949 lud das Museum of Modern Art (MoMA) New York sein Publikum zur Vernissage einer Ausstellung über Breuers architektonisches Œuvre. Zu der von dem jungen Kurator Peter Blake betreuten Ausstellung gehörte auch der Musterbau eines Wohnhauses, das im Garten des Museums stand. Diese konzentrierte Publizität brachte Breuer zahlreiche Aufträge; in der Karriere des Architekten markiert das Jahr 1949 einen Durchbruch. Unter Breuers Bauten ist Haus Robinson – von dem Colin Rowe Jahre später schreiben wird, es sei ein »Entwurf beachtlicher Raffinesse« – sicher das beste Beispiel seiner Zwei-Zentren- oder Zwei-Zellen-Häuser, die auf dem Grundriss etwa eines großen H stehen, einen Flügel als Wohntrakt, einen Flügel als Schlaftrakt und das meist schmale Stück zwischen diesem und jenem Teil als Diele nutzen. Dieser Typus hat nur ein Geschoss, das lang und breit auf dem Boden lagert; dieser Typus schafft eine Spannung zwischen dem Bereich des Wohnens und

dem Bereich des Schlafens, die aus der Mitte an die Ränder des Hauses gerückt scheinen; dieser Typus ist für Familien mit höherem Einkommen und ein oder zwei Kindern so funktional, dass er von Breuer und andern wieder und wieder variiert und transformiert wurde. Angesichts der Bekanntschaft zwischen Herrey und Breuer wird Herrey der Aufstieg Breuers zum hoch geschätzten Baumeister voller Anmut in der Landschaft stehender Wohnhäuser kaum entgangen sein. Das etwas frühere Haus Robinson und das etwas spätere Haus Mautner in Teilen zu vergleichen ist eine Option, die zwanglos aus dem Blick auf die beiden Entwerfer und die beiden Entwürfe rührt. Was sich zu vergleichen lohnt, ist – um es genauer zu bestimmen – die südliche und die östliche Fassade des Ostflügels von Haus Robinson einerseits, die westliche und die südliche Fassade des Westflügels von Haus Mautner anderseits. Was die Gebäude gemeinsam und was sie nicht gemeinsam haben, geben diese vier Stellen mit einer Klarheit preis, die fast aus dem Lehrbuch stammen könnte. Während das Grundstück von Haus Robinson in Richtung Osten fällt, steigt das Schrägdach auf dem Ostflügel des Gebäudes in ebendieser Richtung und weist mit seinem Flug- und Vordach, das weit in den Raum ragt und im Profil abrupt die Gestalt der Spitze eines Pfeiles zeigt, auf die nahen, im Herbst so bunten Wälder der Berkshire Mountains. Die Südseite des Ostflügels bietet drei Partien: links unten hellen braunen Feldstein, links oben dunkles braunes Holz; mittig glattes Glas und dünne weiße Sprossen in fast symmetrischer Ordnung; rechts oben die weiße Fläche eines Dreiecks mit dem Profil des Flug- und Vordachs. Der breite Streifen Daches an der Ostseite des Ostflügels schützt die Terrasse des Wohnhauses, hat jedoch etwa in der Mitte einen großen Ausschnitt, um dem Aufwind die Möglichkeit zum Entweichen zu geben. Wenngleich Haus Robinson und Haus Mautner Wert auf die Transparenz der Funktion legen – wobei Haus Robinson mit den Partien der Südseite des Ostflügels links die Küche und das Zimmer der Maid, mittig das Speisezimmer, rechts den Raum im Freien markiert –, wird



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Haus Mautner diesem Gebot mit einem Aufwand gerecht, der um einiges geringer als bei Haus Robinson ist. Die westliche Fassade von Haus Mautner konzentriert sich primär auf ihren unteren steinernen und oberen hölzernen Bauteil. Anders als die Lineatur auf der südlichen Fassade von Haus Robinson scheinen die Senkrechten des Baumstamms und des Schornsteins vor der westlichen Fassade von Haus Mautner die herrschende Waagrechte nicht zu schwächen, sondern zu stärken. Und anders als die weiße Farbe auf dem Schrägdach von Haus Robinson machen die länglichen Schalbretter an dem Schrägdach von Haus Mautner – wie auch die Streifen Glases zwischen dem Stein unten und dem Holz oben – die Bewegung des gesamten Gebäudes von links nach rechts nur heftiger. Der Aufschwung in Richtung des Meeres: Das ist die eine, große Geste, die den Baumstamm und den Schornstein mit Macht aus dem Weg räumt. Kein Wunder, dass Herrey an der Südseite des Flugdaches keinen Ausschnitt für den Aufwind plante und dass er keine Freude an jenem Ding zwischen Zugstab und Winkelstütze hatte, mit dem Robert Mautner das schwebende, fliehende Gebilde wider die Logik der Statik glaubte zähmen zu müssen. Alma Morgenthau, eine schwierige Bauherrin Nur Wochen nach Erhalt des Auftrags zum Entwurf und Neubau von Haus Mautner gelang Herrey der Abschluss eines Vertrags, der ihn vor die womöglich heikelste Aufgabe seines beruflichen Lebens stellte. Denn was hier zu leisten war, lag fern der Autonomie des Architekten. Vielmehr wurde die Arbeit in hohem Maße von andern Kräften bestimmt: einerseits durch das Gebaren der Bauherrin, anderseits durch die Tatsache, dass es nicht um einen Neubau, sondern um den Umbau eines Altbaus ging. Bauherrin war Alma Morgenthau, Tochter des Henry Morgenthau, der aus dem Süden Deutschlands in die USA immigriert war und in New York als Grundstücksmakler Erfolg gehabt hatte. Geboren 1887, war Alma Morgenthau im Kreise ihrer Eltern, ihrer beiden Schwestern Helen und Ruth und ihres Bruders Henry, des späteren Ministers für Finanzen der USA, erwachsen geworden. Eine Weile hatte sie bei der Sängerin und Lehrerin Lilli Lehmann am Mozarteum Salzburg Unterricht genommen. Dann hatte sie die Musik der Avantgarde in das Zentrum ihres künstlerischen Interesses gerückt; 1923 hatte sie bei der Gründung der League of Composers, 1929 bei der Gründung der Cos Cob Press, wo Partituren neuer Stücke verlegt wurden, eine nicht eben kleine Rolle gespielt. Zu Beginn der vierziger Jahre hatte Alma Morgenthaus zweiter Gatte, der aus Deutschland stammende Architekt und Urbanist Paul Lester Wiener, mit José Luis Sert und Paul Schulz das Planungsbüro Town Planning Associates (TPA) gegründet. Ende 1947 oder Anfang 1948 hatte Sert ein Grundstück und Bauwerk 186

in Lattingtown gekauft, von dem Alma Morgenthau wenig später die Hälfte erwarb, weil sie dort wohnen und einen Ort schaffen wollte, wo die Musik ihrer Freunde, unter ihnen Aaron Copland, in kleineren Konzerten zu Gehör kommen sollte. Herrey hatte Alma Morgenthau wohl durch seinen Freund César Saerchinger – einen Reporter des Columbia Broadcasting System (CBS), der auch für das Unternehmen Columbia Records tätig war – kennenund schätzen gelernt. Ende Mai 1949, als sich Herrey des Auftrags zum Entwurf des Hauses Morgenthau schon sicher sein konnte, waren er und seine Frau Gäste bei einem jener von neuerer Kammermusik bestimmten Konzerte, zu denen Alma Morgenthau dann und wann in ihre Wohnung an der Park Avenue lud. »Mir scheint«, schrieb Herrey der Dame am 2. Juni 1949, »dass die Soiree letzten Dienstag besonders gelungen war. In jedem Fall haben wir uns über den Abend beide sehr gefreut und bewundern die Leichtigkeit, mit der Sie die Besucher durch ein Ereignis von so hohem künstlerischen Niveau zu geleiten vermochten. Stunden in so bescheidener, ja beiläufiger Stimmung von Freundschaft habe ich lange nicht erlebt. Sie können sich vorstellen, welchen Reiz mir die Gelegenheit gewährt, zur Atmosphäre kommender ähnlicher Geschehen einen Beitrag durch eben das zu leisten, was Sie von meiner Arbeit an Ihrem Haus in Lattingtown erwarten.« Man spürt beim Lesen dieser Zeilen noch heute, dass sich ihr Autor voller Verve an den Entwurf machte. Die Aussicht, durch die Einheit von Alltag und Musik in ein und demselben Bauwerk auch der Einheit des Geselligen und des Künstlerischen – wie beim Theater für Max Reinhardt – einen guten, vielleicht schönen Raum zu schaffen, diese Perspektive muss die Intelligenz und Phantasie des Architekten mobilisiert haben. Doch bald muss es zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer zu wachsenden Spannungen gekommen sein.

C. P. H. Gilbert, Landsitz Guthrie, Verwaltungsgebäude, Aufriss West- und Hauptflügel, links von senkrechter Linie Bestand Haus Morgenthau, 1900

Hermann Herrey, Haus Morgenthau, schmale Westseite und breite Südseite, 1950

Wohl nach langem Zögern schreibt Herrey der Alma Morgenthau am 25. Januar 1950 eine Art Brandbrief, für den er einen psychologisch und diplomatisch klugen Einstieg wählt, indem er die Adressatin wie ein Dramatiker in die Rollen der gefürchteten Herrin und der bewunderten Freundin teilt, allein zur Freundin spricht und dieser sein Leid über die Herrin klagt. Der erste, zweite und dritte Absatz des Briefes stecken voller Komplimente an die Freundin, die »Nachsicht« mit den »vielen Schwächen« des Architekten übe, aber noch dessen »kleinstes Talent« zum »Strahlen« bringe. Erst im vierten Absatz rückt die Kritik an der Herrin, an ihrer so peniblen wie perfekten Kontrolle von allem und jedem, in das Zentrum des Briefes: »Als sie vor einigen Monaten gar den Versuch machte, fast alles in Frage zu stellen und zu ändern, was mit ihrer Hilfe längst bestimmt und geplant, ja selbst gebaut worden war, kam ich an den Punkt, wo ich die ganze Sache schmeißen wollte. Doch nachdem ich dies gesagt hatte, spürte sie, dass ich erstmals in echter Sorge war, was ich sonst selten bin. Und da sie eine wirklich nette Person ist, war sie so verdammt freundlich, dass ich ihrem Charme erlag und schwieg.«

Herreys rhetorisch versierter Appell hatte keinen Erfolg. War es schon vor dem Brandbrief passiert, dass die Arbeit ganzer Wochen am Widerstand der Alma Morgenthau gescheitert war, so musste Herrey, nach dem Wohn- und dem Esszimmer, nun auch die drei Bäder des Hauses wieder und wieder neu planen. Ende Sommer 1950 stand der kleine Landsitz fertig. Das Honorar von zwölf Prozent der Kosten – 4162 Dollar und 92 Cent – war freilich mühsam verdient. Meudon im Verfall So schwierig wie die Herrin des Auftrags waren das Grundstück und das Bauwerk, auf die Herrey mit seinem Entwurf Rücksicht nehmen musste. Lattingtowns neuere Geschichte hatte Mitte des siebzehnten Jahrhunderts mit einer Siedlung von Bauern begonnen, die auch Ende des neunzehnten Jahrhunderts noch keine Schienen und noch keinen Bahnhof hatte, wie es für jede Art Prosperität notwendig gewesen wäre. Indes hatte dort wegen genau dieser Ruhe und der Nähe New Yorks der renommierte Anwalt William D. Guthrie – ein echter »robber baPLANEN UND BAUEN AUF LONG ISLAND 1946–1953

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Hermann Herrey, Haus Morgenthau, Nordseite und Westseite

ron«, also einer jener Kreuz- und Raubritter des Kapitals, die es seit den achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts zu Reichtum ohnegleichen gebracht hatten – auf einen Schlag gut hundertzwanzig Hektar Boden und wenig später auch die vielen Bauten auf diesem Boden gekauft, um nach deren Abriss ein riesiges ländliches Anwesen zu errichten. Gleichsam in der Mitte dieses seines Reiches stand Guthries Landsitz, den C. P. H. Gilbert, ein Virtuose der Architektur des Historismus, auf Wunsch des Bauherrn ganz im Stil des französischen Schlosses Meudon geplant hatte. Von der Höhe des Hauses glitt der Blick durch einen Park auf den Streifen der Küste und die Wogen des Meeres nördlich von Long Island. Verstreut in weitem Bogen hinter dem ›Schloss‹ standen Wohnhäuser für Knechte und Mägde, Molkerei, Käserei, Gärtnerei und Ställe. Doch schon bald nach Guthries Tod 1935 verlor Meudon die Züge des Herrischen und Herrlichen; die prächtige Anlage verkam und verfiel, bis Guthries Witwe das Anwesen Ende der vierziger Jahre Stück für Stück zum Verkauf bot. 188

Was Herrey bei seinem ersten Besuch zu Gesicht bekam, war jener Bau am Frost Creek Drive südlich des ›Schlosses‹, den Sert gekauft und zur Hälfte an Alma Morgenthau verkauft hatte: ein stattliches Gefüge mit zwei Geschoss hohem West- und Hauptflügel für die Verwaltung des Besitzes, schmalerem Nord- und breiterem Südflügel für Reit-, Last- und Nutztiere. In einer Beschreibung des Gebäudes, die einem Artikel in »House & Garden« dienen sollte, würde Herrey lange nach Abschluss der Arbeit auf seine anfangs gemischten Gefühle in Betracht des Bestands zu sprechen kommen: »Ich sah mich Teilen einer zwar schon verfallenden, doch selbst in diesem Zustand noch anmaßenden, weil halb wie ein Palast erscheinenden Architektur konfrontiert. Ich weiß mich an den Eindruck eines hohen Schornsteins über einer Reihe von Schnitten steiler Dächer mit vielen Fenstern, an Bögen und Säulen und grüne Läden, an losen Gipsputz zwischen herrlich alten Bäumen in einem wunderbaren Park zu erinnern. Ein guter Teil der Teile, die ich nutzen sollte, schien von zu großer Dimension, vor allem in Bezug auf seine Höhe. Mehr noch, das Bauwerk machte den Eindruck, als ob es nicht standfest sei.«

Nordseite, links Musikschuppen, rechts Wohnhaus

Ein Keil, ein Keil und ein Riegel Betrachtet vor dem Hintergrund des opulenten und rigorosen Historismus von Meudon, ist Herreys Mangel an Respekt vor dem Werk der Guthrie und Gilbert kein Wunder. Jeder Architekt der klassischen Moderne hätte ähnlich gedacht. Indes, das Problem war nicht der Historismus – Zeichen obsoleter Architektur hätten mit Pickel und Hammer leicht entfernt werden können –; das Problem war die Substanz des zur Verfügung stehenden Gebäudes, war die Struktur des West- und des Nordflügels, die Alma Morgenthau erworben hatte. Sie waren keine rechte Einheit und keine rechte Zweiheit und konnten dies auch durch Umbau nicht werden. Umbau sei völlig anders als Neubau, würde Herrey in der schon erwähnten Beschreibung des Gebäudes klagen. »Viele Wege des Entwurfs, die in andern Fällen wie von Natur aus da sind, sind in diesem Falle blockiert.« Jeder Umbau stehe »im Schatten einer Reihe von Kompromissen«, die »von der Lage des Hauses bis zu den letzten Details bei Türen und Fenstern« reichten.

Haus Morgenthau hat zwei Körper: hier zwei starke Keile, die einer auf dem andern liegen, mit einem Pultdach gedeckt sind, von Norden nach Süden weisen und dem Wohnen dienen; dort ein schwacher Riegel, der lang auf dem Boden liegt, mit einem Satteldach gedeckt ist, von Westen nach Osten weist und dem Spielen und Hören von Musik dient. Beim Wohnhaus ließ Herrey die vier Außenmauern stehen, unten den Putz streichen, oben das Dach räumen und den Stein in Nut-undSpund-Latten aus Rotholz kleiden. Zusammengenommen erscheinen Erdgeschoss und Obergeschoss, vor allem an der Ecke mit Blick auf die West- und Südfront, wie ein Haus auf dem Sprung nach vorn. Wir sehen hier eine energische Architektur, die der Schweizer Martin Steinmann sicher eine »forme forte« nennen würde. Durch das weiße Trapez und das braune Parallelogramm schneiden drei gleiche Streifen Fenster, je mit einem breiten mittleren und vier schmalen äußeren Feldern. Die oberen Streifen greifen den linken wie rechten Rand des unteren Streifens auf. Doch die Vermutung, es handele sich um die Andeutung von Geschossen, wird bei näherer Betrachtung nur für zwei der drei Streifen PLANEN UND BAUEN AUF LONG ISLAND 1946–1953

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Hermann Herrey, Haus Morgenthau, Grundriss Erdgeschoss

bestätigt. Denn der dritte, höchste Streifen liegt für diese Art Transparenz des inneren räumlichen Gefüges nicht hoch genug. Und lädt den irritierten Interpreten durch ebendieses Merkmal ein, auf die west­ liche Fassade nicht wie auf Architektur, sondern wie auf Graphik zu schauen. Unten wie oben ein reiches Interieur Eintritt gewährt Haus Morgenthau an drei Stellen. Während eine Treppe den Eingang zur Küche im Norden betont, hält sich der eigentliche Eingang versteckt, als ob man ihn nicht gleich finden solle. Er liegt im Süden, an der Ecke zwischen dem flachen Riegel und einem Stück der Außen- und Hintermauer des früheren Westflügels, das nun die gestreckte Veranda schützt. Nach Schritten durch einen schmalen, ja engen Flur folgt scharf links eine breite Tür, deren weiche Teile sich wie der Vorhang einer Bühne nach links und rechts schieben lassen. Von der Schwelle oder Rampe fährt der Blick gut fünfzehn Meter in die Tiefe eines Raums, der – trotz Fluktuation und Perforation – die Separation der Kompartimente in Kaminzimmer, Musikzimmer und Speisezimmer mit Küche allein durch den Wechsel von Glas zu Stein zu Glas an der südlichen Fassade deutlich spüren lässt. Das Musikzimmer – um es für einen Moment aus dem Raumfluss zu heben – wird auf der einen Seite durch den Kamin, auf der andern 190

Seite durch eine Treppe gefasst, deren zierliche Geländer aus dünnen Brettern heller Eiche und dünnen Rohren matten Aluminiums geformt sind und deren Unterseite oben mit leichtem Schwung in die Decke führt. Im selben Kompartiment findet sich auch ein Medienkabinett, wie es Herrey zum ersten Mal wohl auf der Ausstellung »New Architecture« der Modern Architectural Research Group (MARS) in London 1938 sah, für die der Architekt und Designer Wells Coates ein technisch raffiniertes Interieur gebaut hatte. Solche Schränke, in denen Radio und Grammophon zum Verschwinden gebracht werden konnten, waren zehn Jahre später in den USA sehr beliebt und hatten auch in Wohnräumen Augenfelds stets ihren Platz. Hinter dem Musikzimmer spielt das Thema Schrank erneut eine Rolle. Hier geht es um den Schrank für Geschirr und Besteck, der vom Boden zur Decke reicht und mit seinen zum Speisezimmer wie zur Küche öffenbaren Türen und Läden jenem Möbeltypus entspricht, den in Deutschland Architektur- und Designpublizisten wie Wilhelm Lotz und Walter Müller-Wulckow schon um 1930 zur besseren Gestaltung von Wohnungen empfahlen. Was die Zone des Kochens und die des Essens betrifft, so bleibt Herrey dem Konzept der Trennung treu. Und für diese Trennung, die gleichwohl die sachliche Verbindung der Bereiche nicht behindern soll, hat er mit dem Wandschrank das beste Mittel zur Hand.

Wohnraum mit Kamin

Wohnraum mit Treppe

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Hermann Herrey, Haus Morgenthau, Grundriss Obergeschoss

Querschnitt

Während von den beiden Geschossen des Wohnhauses das untere dem Ideal der Transparenz der Funktion folgt – einfach gesagt: was innen ist, stellt sich außen dar –, folgt das obere einem ganz andern Ideal. Dieser Keil, dessen krasse Gestalt den Laien fragen lässt, ob dort vielleicht Böden und Decken so schräg wie das Parallelogramm auf der westlichen Fassade sind, hält sich an einen Vorschlag, den einst Adolf Loos in seinem Aufsatz »Heimatkunst« machte: Das Haus möge außen schweigen und »seinen ganzen Reichtum« erst innen offenbaren. In der Tat bietet das Obergeschoss, dank seiner beiden kleinen Hallen und der vier Zimmer und drei Bäder um diese herum, ein räumliches Gefüge von frappierender Komplexität. Nicht nur, dass sich 192

die Hallen im Niveau unterscheiden – gut neunzig Zentimeter oder etwa fünf Stufen liegen zwischen den Räumen –, die Hallen selbst sind Vorraum und Hauptraum zugleich. Dass sie nicht allein der Erschließung, sondern auch dem Aufenthalt dienen, wird unten durch eine Ecke mit Schreibtisch, oben durch ein breites Fenster mit Blick auf den Garten betont. Aufgrund seiner differenten Niveaus changiert das Geschoss zwischen Maisonette und Antichambre, obwohl beide Worte den Eindruck nicht in seiner Fülle fassen. Den schönsten Ausdruck dieser Fülle nimmt wahr, wer an der Schwelle zur Halle vor den oberen Partien steht und das Auge rückwärts wendet. Rasch fällt der Blick bis auf die Ecke mit der Tür zur Küche und dem Wandschrank

Halle im Obergeschoss

des Musikzimmers. Die Möglichkeit der Wahrnehmung waagrechter und senkrechter räumlicher Ausdehnung und Durchdringung zu erweitern – einfach gesagt: spüren zu können, dass Räume sich kreuzen und sich schneiden, dass sie mal nach vorne kommen, mal nach hinten weichen –, diese Chance hielt György Kepes, Autor des 1944 publizierten Buches »Sprache des Sehens« und seit 1945 Dozent am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, für eine der spezifischen Qualitäten der Architektur des Modernismus. Bei manchen neuen Häusern müssen dafür Kubikmeter um Kubikmeter aus dem Boden gestampft werden. Nicht so bei Haus Morgenthau, das dieser Sache mit knappsten Mitteln gerecht wird.

Das Alte und das Neue Wie erwähnt, war eines der hinter ›Schloss‹ Meudon liegenden Gebäude von Sert gekauft und so geteilt worden, dass Alma Morgenthau den Winkel im Norden, er selbst den Winkel im Süden in Anspruch nehmen konnte. Wir haben es, nach diesem Vorgang, mit der seltenen Geschichte zu tun, dass zwei Architekten auf ein und demselben Grundstück mit ein und demselben Bauwerk fast ein und denselben Auftrag hatten: durch Umbau und Neubau jeweils die Hälfte der baulichen Anlage in ein Stück Architektur zu transformieren, das dem Wohnen auch mit Gästen dient. Sert schuf einen Komplex aus neuem Kopfbau und altem Rumpfbau. Der Kopfbau PLANEN UND BAUEN AUF LONG ISLAND 1946–1953

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steht quer, der Rumpfbau längs. Der Kopfbau trägt ein Flachdach, der Rumpfbau ein Satteldach. Der Kopfbau wirkt fragil, der Rumpfbau kompakt. Der Kopfbau birgt Eingang, Windfang, Aufgang und zwei Schlafzimmer mit Bad, der Rumpfbau eine einzige Koch-, Essund Wohnhalle von elf Metern Breite und sechzehn Metern Tiefe. Mit ihren flachen Möbeln samt riesigem Mobile von Alexander Calder macht sie den Eindruck von Foyer und Lobby. Kurz, der Raum ist zu groß, um wohnlich zu sein. Bei aller Parteinahme sei es für die Arbeit von Sert, sei es für die von Herrey: Keinem der beiden gelang durch den Eingriff die Schaffung einer neuen Einheit. Nach Abschluss ihrer architektonischen Interventionen sah man da wie hier je zwei Körper, die nicht geeint sein wollten. Ob das existente Objekt der Bildung physischer Harmonie in jedem Fall – also auch unter andern Händen als denen von Sert und Herrey – widerstanden hätte, bleibt eine Frage ohne Antwort. Es gibt Hunderte moderner Wohnhäuser; doch nur wenige wurden aus einem Stück Architektur des Historismus geschält. Einem Auftraggeber mit Affinität zum Modernismus ein von Grund auf neues Wohnhaus zu bauen, ist eine schöne Sache. Keine schöne Sache ist, sich mit einer Substanz und einer Struktur zu quälen, die als Architektur keinen Wert hat. Walter Gropius und Marcel Breuer, Rudolf M. Schindler und Richard Neutra hätten sich mit dem Gebäude in Lattingtown nie befasst. Sert rückte ihm durch Abreißen und Entkernen mächtig zu Leibe. Herrey aber verfuhr mit dem brüchigen Gemäuer auf selten ökonomische und ökologische Art, weil er in dem Altbau trotz aller Kritik etwas »Sanftes« und »Mildes« und eine »Atmosphäre« entdeckt hatte, die er zu retten wünschte. So folgte der Modernist – wider den Zeitgeist – der Losung »Rechne mit dem Bestand«. Und integrierte das Existente mit solchem Geschick, dass man meint, nur er könne den Ort des Kamins und den Ort der Treppe bestimmt haben, während beide in Wahrheit schon vorher dort standen. Locust Valley Music Festival Wie erwähnt, hatten Herrey und seine Frau Ende Mai 1949 ein kleines Abendkonzert in Alma Morgenthaus Apartment an der Park Avenue besucht. Und wie erwähnt, hatte Herrey in einem Brief erklärt, wie glücklich er sich schätze, in Lattingtown nicht allein ein Wohnhaus, sondern auch einen Saal für Musik bauen zu dürfen. Gut ein Jahr später stand dieser »Musikschuppen« fertig. Der Teil hinter dem Wohnhaus – ein längliches Gebäude, das früher der Unterbringung von Pferden und Kutschen gedient hatte – diente nun der Kunst. Für Sonntag, den 8. Oktober 1950, lud die Herrin des Hauses zum ersten »Locust Valley Music Festival«. Es war ein milder, ja warmer Herbsttag; der Wetterbericht im Kasten gleich rechts vom Titel »The 194

New York Times« würde am nächsten Morgen sagen, die Temperatur habe sechsundsechzig Grad Fahrenheit, also etwa zwanzig Grad Celsius erreicht. Alma Morgenthau, mehr Lady als Wirtin, grüßte ihre Gäs­ te, unter ihnen die Komponisten Aaron Copland und Howard Swanson sowie die Dirigenten Clara Burling Roesch und Dimitri Mitropoulos. Hundertfünfzig Personen fanden im Musikschuppen Platz; hundert saßen oder standen auf der Terrasse; vom Garten strichen gelbe, rote und braune Blätter über den Boden. Am Nachmittag erklangen Werke Luigi Boccherinis, Giuseppe Verdis und Alban Bergs, am Abend ein Werk Arcangelo Corellis sowie Cop­lands »Quiet City« und Swansons »Night Music«, zwei kleinere, mit nächtlichen Stimmungen spielende Stücke für Bläser und Streicher. Mittel- und Höhepunkt der »fête« war nach Meinung des Kritikers Olin Downes die Aufführung von Bergs Streichquartett Opus 3, das zu den letzten Jugendwerken des Komponisten gehört und dem, vielleicht aus diesem Grund, etwas Explosives, am Schluss gar Ekstatisches eignet. In »The New York Times« konnte Downes das zwar noch junge, doch schon erfolgreiche New Music Quartet gar nicht genug loben. Die vier Herren unter Führung von Broadus Erle hätten Bergs Musik – sie sei »wie auf die Folter gespannt« – mit solchem »Feuereifer« gespielt, dass man ihnen zum Dank Orchideen hätte reichen müssen. Das Locust Valley Music Festival hatte für Herrey sicher eine größere Bedeutung als die von zwei ihn rührenden Konzerten unter freiem Himmel. Möglich, dass er beim Hören des Quartetts plötzlich an seine Kindheit und Jugend dachte. War nicht auch Berg ein Wiener? Hatte nicht auch Berg die K.K. Staats-Realschule im I. Bezirk besucht? Aber, mehr als solche Nostalgie muss den Architekten des Wohnhauses und des Musikschuppens bewegt haben, dass sich in Lattingtown – wenngleich nur für Stunden – ein Ideal verwirklicht hatte, dem er schon mit dem Theater für Max Reinhardt und mit dem Q Theatre einen Ort hatte bauen wollen: der zwanglosen Entstehung von Gemeinschaft und Gesellschaft durch Kunst. Den Rückzug denken Herrey zählte zu den vielen, die während der Jahre des New Deal und des Weltkriegs geglaubt hatten, der oft wiederholten Formel »194X« – das heißt: der Rede von etwas Anderem, Besserem in Architektur und Urbanismus – würden nach dem Sieg der Alliierten auch Taten folgen. Diese Hoffnung hatte ihn auch 1946 bei der Gründung des Büros an der 57th Street gestützt. Aber schon zwei Jahre später, kurz nach dem Scheitern des Projekts der Villa Court Garden Apartments, schrieb Herrey an John Bland: »Das Leben eines Architekten in New York kennt keine Muße. Selten komme ich vor zehn oder elf Uhr abends nach Hause. Das Hasten und Hetzen und das Drängen des Geschäfts sind drü­

ckend, zur Zeit wegen des heißen, feuchten Sommers sogar schlimmer als üblich.« Im selben Brief, datiert auf den 10. September 1948, ließ Herrey den kanadischen Freund wissen, dann und wann würden ihm junge Architekten ihr Leid klagen. Sie würden ihm sagen, was sie sonst hinter der »Prahlerei mit Projekten und Kontakten« gut versteckt halten würden: Da in New York Mangel an Erfolg als Mangel an Talent gelte, dürfe sich das Fehlen von Erfolg auf keinen Fall herumsprechen. Man laufe sonst Gefahr, dass das Büro den Bedarf der Familie mit ein oder zwei Kindern nicht mehr trage. Und dann, ja dann müsse man wieder mit der Stelle eines bloßen Zeichners vorliebnehmen. Möglich, dass Herreys Stimmung im Lauf der Jahre 1949 und 1950 heller wurde, bildet doch dieser Zeitraum – dank des Entwurfs der Häuser Mautner und Morgenthau und dank der Möglichkeit, den einen wie den andern Entwurf auch zu bauen – den Zenit seines Schaffens als Architekt in New York. Aber schon Anfang 1951 tauchen in der Korrespondenz wieder Sätze auf, die auf weitere Enttäuschung schließen lassen. Dem Architekten William Emerson, von 1919 bis 1939 Dekan der School of Architecture des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, schrieb Herrey am 7. Februar 1951: »Der kulturelle Verfall meines Berufsstandes stimmt mich bitter. Jetzt, wo ich älter und meine Söhne Männer werden, wüsste ich gern, was für einen Sinn es hat, weiter eine Lebensweise zu führen, die ganz gut auch ohne jede Spur enden könnte. Heute kann sich kein Architekt schmeicheln, die Welt wäre spürbar ärmer ohne jenen kleinen Anteil unter den neuen Bauten, die etwas mehr Anstand als die Masse haben.« Hoffnung schöpfte Herrey wenig später aus seinem Kontakt zu Präsident Walter S. Mack und Direktor Richard Weininger von der Nedick’s Company, einem Unternehmen von Fast-Food-Restaurants, das nach langsamen Anfängen im New York der zwanziger Jahre mit seinen Imbissstuben nun auch in andere Großstädte der Ostküste zog. Ein Nedick’s Store bot Bratwurst, Rührei, Kuchen, Kaffee, Tee und vor allem eine bei den Kunden beliebte Orangeade. Herrey sollte Elemente für eine neue Architektur und ein neues Design der etwa neunzig FastFood-Restaurants entwerfen; der Umbau des Nedick’s Store an der Ecke von Northern Boulevard und Main Street nicht weit von der Wohnung der Herreys in Flushing sollte das erste Beispiel für den Wandel der Imbisskette werden. Doch am 14. Juni 1952 klagte Herrey in einem Schreiben an den aus Österreich stammenden Weininger, trotz des »Enthusiasmus« auf Seiten der Führung des Unternehmens habe das Planungsbüro kein Interesse an der Sache. Diese Herren dächten vielmehr, »es sei besser, den alten Stiefel weiter zu machen«. So schlug dieses Projekt Anfang 1953 fehl. Und im selben Jahr auch das Projekt neuer Lampenschirme für die Rudolph K. Waldman Company in Hartford / Connecticut. Der Chef des Unternehmens, Öster

Hermann Herrey, Lampenschirm, Patentschrift, 1958

reicher von Geburt, mochte Herreys Prototypen nicht zur Produktion geben. Die »negative Reaktion«, schrieb er dem Autor des Designs am 22. März 1953, wolle aber nicht sagen, der Schirm sei nicht »hübsch«. Wenn keiner der konservativen Ingenieure das Design wünsche, zeige dies nur, dass der Schirm alles andere als gewöhnlich sei. »Aber wir machen unser Geschäft, um unseren Unterhalt zu verdienen und nicht um die Menschheit zu erziehen; obwohl dies eine weit bessere Aufgabe wäre.« Herreys berufliche Erfahrungen in der Metropole New York glichen in mancher Hinsicht denen des Kollegen Augenfeld. Zwar stand dieser Architekt von 1945 bis 1950 als Designer bei der American Chair Company in Sheboygan / Wisconsin unter Vertrag; doch fand auch er, seine Aufträge zur Einrichtung kleinerer Wohnungen seien »von ruhmloser Art«. Die vier Strandhäuser auf Fire Island und das Stadthaus Buttinger in Manhattan würden erst während der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre entstehen. Am 3. Januar 1954 aber schrieb Augenfeld an Ernst Ludwig Freud in London: »Es ist mir längst klar, daß ich nie hätte in New York bleiben sollen, dieser beschwerlichsten Stadt der Welt.« Er müsse nun das Problem des »Rückzugs« in Angriff nehmen. »Ich kann es aber nicht lösen.« KINDHEIT UND JUGEND IN WIEN 1904–1920

195

17  THEATER IM GARTEN VON HAUS PERTZOFF 1955

Während der Jahre in Berlin und London war es Hermann Herrey immer wieder gelungen, beiden Hälften seiner doppelten Begabung – der als Architekt, der als Szenograph – die Möglichkeit der Entfaltung zu verschaffen. Kein Wunder also, dass er auch nach Ankunft in New York die Hoffnung hatte, in der Metropole zwischen Hudson und East River bald auf jenem, bald auf diesem Feld Arbeit zu finden. Zwar waren alle Skizzen seiner Bühnenräume für Berliner und Londoner Theater durch den Beschuss des Frachters »Ville de Gand« im Atlantik versunken; doch hatte Herrey einige ihm persönlich und beruflich bekannte Personen um eine Empfehlung gebeten. Schreiben des Londoner Agenten Eric Glass und des Londoner Direktors Jack de Leon sollten ihm helfen, am Broadway Fuß zu fassen. Glass etwa wandte sich mit seinen Zeilen einerseits an die Agentin Frieda Fishbein, anderseits an den aus Österreich stammenden Schauspieler Herbert Berghof, der nach dem »Anschluss« hatte fliehen müssen und nun an Erwin Piscators Studio Theatre der New School for Social Research tätig war. Noch im Spätherbst 1940, das heißt noch während der ersten, ruhelosen Wochen in New York, kam es auch zu einem Wiedersehen mit Heinrich und Lilly Schnitzler, von denen Herrey nach dem Umbau ihrer Wiener Wohnung hatte Abschied nehmen müssen. Nun stand der Flüchtling Schnitzler am Hudson Theatre unter Vertrag, hatte dort die künstlerische Leitung einer Produktion des Schauspiels »Fledgling« von Eleanor Carroll Chilton und lud die Herreys zu einer Vorschau seiner Inszenierung dieses Psychodramas um Theismus und Atheismus, um Krankheit, Mord und Selbstmord in einer bürgerlichen Familie. Er habe, so ließ Schnitzler seine Freunde wissen, schon zwei Einlasskarten besorgt; auch seine Frau Lilly und seine Mutter Olga würden kommen. Dass die Herreys am Abend des 23. November 1940 beim Durchlauf des Stücks im Parkett des kleinen Hauses an der 44th Street saßen, ist so gut wie sicher. So gut wie sicher ist auch, dass Herrey am 4. März 1941 einem Vortrag lauschte, den Schnitzler anlässlich des Jahrestreffens der Theatre Library Association im Museum of Modern Art (MoMA) hielt. Doch sosehr sich Herrey und Schnitzler bei dieser Party über die neue Kreuzung ihrer Lebenswege gefreut haben mögen, 196

so sehr war ihre gemeinsame Zeit in New York nur ein Moment ihrer beider Vitae. Herrey blieb an der Ostküste, pendelnd zwischen New York und Cambridge; Schnitzler ging 1942 an die Westküste, lehrte Schauspiel und Regie am University theatre der University of California (UC), erst in Berkeley, dann in Los Angeles, bis er 1957 mit Frau und zwei Söhnen nach Wien zurückkehren würde. Tradition und Engagement Trotz riesiger Entfernung blieben die Freunde in Kontakt. Nicht dass man von regem Austausch sprechen könnte, liegen doch aus den vierziger und fünfziger Jahren nur ein Dutzend Briefe von Herrey an Schnitzler, nur ein Dutzend Briefe von Schnitzler an Herrey vor. Sie handeln von den Familien, von Arbeit, von Sorgen. Aus Schnitzlers steter Klage spürt man, wie fremd ihm das Theater der USA blieb. Dass es ein Theater ohne fixe Finanzen, ohne fixe Ensembles, ohne fixe Repertoires war; dass die Häuser, auf deren Bühnen gespielt wurde, keine öffentlichen Einrichtungen waren; dass das Prinzip städtischer oder staatlicher Theater so gut wie nicht bekannt war; dass das Ganze primär eine Sache des Geschäfts war: Diese von der Tradition des mittleren Europa so differente Realität Amerikas war für Immigranten wie Herrey und Schnitzler mehr als nur der Gewöhnung bedürftig. Keine Frage, dass sie über den Glamour des Broadway die Nase rümpften. Allein die »little« oder »community theatres« und die »university theatres« entsprachen dem künstlerischen Anspruch, wie er den beiden Männern aus Wien und Berlin vertraut war. Die meisten der Little oder Community theatres und die meisten der University theatres waren im Lauf der ersten beiden Jahrzehnte des zwanzigsten Jahrhunderts in größeren Gemeinden sei es der Ostküste, sei es der Westküste gegründet worden. Ihre Bühnen und Säle waren klein, gebaut für ein Publikum von je ein- bis zweihundert Personen. Ihr Programm war literarisch, mit Dramen von Eugene O’Neill und Tennessee Williams auch der Gegenwart verpflichtet. Ihr Personal war nicht allein von gelernten Schauspielern, sondern auch von Laien bestimmt. Alles in allem agierten die Little oder Community theatres und

die University theatres fern des großen Geschäfts, hatten vielmehr den Ehrgeiz von Aufklärern und Erziehern und strebten nach der Bildung eines Theaters der Nation, mit dem das Schauspiel in Amerika dem Schauspiel in Europa endlich ebenbürtig werden sollte. Aus den Briefen Herreys und Schnitzlers strahlt ihr Engagement für ein solches Theater der Nation, freilich ohne dass der Begriff in den Typoskripten auch nur einmal erwähnt würde. Während Herrey – aus Gründen, die der Leser noch hören wird – der Eintritt in das Milieu des Theaters lange verwehrt blieb, hatte Schnitzler immer eine feste Stelle. Doch nicht mal die privilegierte Situation am University theatre der University of California (UC) konnte seine Hoffnung stärken. »Man muß sich mit dem Gedanken abfinden«, heißt es in seinem Brief an Herrey vom 2. Dezember 1944, »daß es in diesem Lande kein Theater in unserm Sinne gibt.« Der »Enthusiasmus« der Studenten in Berkeley freue ihn. »Aber man arbeitet hier ganz unter Ausschluß der Öffentlichkeit, und die Arbeit ist schwieriger als mit richtigen Schauspielern.« Der Fall Lothar Müthel Wer heute die Briefe von Herrey an Schnitzler, von Schnitzler an Herrey zur Hand nimmt, der muss nicht staunen, wenn ihn beim Lesen mancher Zeile das Gefühl beschleicht, irgendjemand hätte beiden Immigranten raten sollen, sich für eine Weile von ihrem Theaterideal und also von dem zu lösen, was sie auf den Bühnen von Wien, Berlin und London an wahrer, schöner, guter, im besten Sinne bürgerlicher Bildung hatten sehen können. Abstand zu nehmen hätte Herrey und Schnitzler helfen können; wussten sie doch genau, in welch hohem Maße das Theater Europas den politischen Diktaturen der dreißiger und vierziger Jahre gedient hatte. Anfang 1946 wurden sie – durch ein Schreiben des aus Österreich stammenden Henry C. Alter, Leutnant der US Army und nach dem Krieg erst in Berlin, dann in Wien stationiert – mit der jüngeren Geschichte Lothar Müthels konfrontiert. In den späten zwanziger und frühen dreißiger Jahren ein guter, ja sehr guter Freund der beiden Freunde, hatte sich Müthel 1933 offen zum »Führer« bekannt, war 1939 zum Direktor des Burgtheaters Wien berufen worden und hatte dort 1943 William Shakespeares »Der Kaufmann von Venedig« in extrem antisemitischer Interpretation auf die Bühne gebracht. Diese Produktion hatte Richard Biedrzynski – jener Kritiker, der anlässlich der Premiere des »Faust I« in Berlin 1932 Müthel vor Zweigenthal gewarnt hatte – gar nicht genug loben können. Unter Leitung Müthels habe Werner Krauss den Shylock wie einen »dummen August«, wie einen »schrillen Kobold«, wie einen »bösen Popanz«, wie eine »lauernde«, »mauschelnde«, »dukatenklimpernde« Figur gespielt. 1945 war Müthel als Intendant entlassen worden, hatte aber noch im selben Jahr

am selben Haus wieder Regie geführt. Es schien, als ob er mit seiner zum Weihnachtsfest offerierten Inszenierung von Gotthold Ephraim Lessings »Nathan der Weise« seinen Shylock habe tilgen wollen. Nicht Herrey noch Schnitzler wussten, was genau Müthel in Wien getan hatte. Aber sie wussten, dass er aufgrund seiner politischen Loyalität im Nationalsozialismus eine singuläre, ja phantastische Karriere gemacht hatte. Was sie nun, in Reaktion auf Leutnant Alters Bericht, einer dem andern schrieben, war von Enttäuschung, Erregung, Empörung befeuert. Daher schwankten Herrey und Schnitzler, bei der allmählichen Verfertigung ihrer Meinung über Müthels Vita, mal in diese, mal in jene Richtung. Allein: Am Ende waren ihre Briefe von Rachlust frei. Herrey nutzte den Anlass, um seinen Standpunkt in Sachen »Vergangenheitsbewältigung« zu klären. Er könne nicht sagen, wie sich Müthel 1933 bei der drohenden Entlassung des Schauspielers Aribert Wäscher und bei der Ermordung des Schauspielers Hans Otto verhalten habe. Und er könne nicht fassen, dass Müthel nach dem plötzlichen Ableben seiner Frau Dorothee 1936 kein Wort des Beileids geschickt habe. »Unser Kind war sein Patenkind gewesen, und ich dachte in jenem Augenblick wirklich, der Tod würde politische Entzweiungen für einmal durchbrechen.« Die »Nichtigkeit« von Leuten wie Lothar Müthel, Gustaf Gründgens, Wilhelm Furtwängler, Albert Speer habe ihm und Schnitzler und vielen andern die »beste Kraft« geraubt. Dennoch: »Das Leben geht fort, und es scheint mir wichtiger, die Zukunft menschenwürdig zu machen als über die Vergangenheit volle Gerechtigkeit walten zu lassen, selbst wenn dabei die Schuldigen besser wegkommen als sie es verdienen.« Ein rigides Examen Nach Jahren der Abstinenz vom Theater wagte Herrey Mitte 1954 einen neuen Versuch, als Bühnenbildner ins Geschäft zu kommen. Wenn man sich vor Augen hält, wie leicht er einst in Berlin zum Theater gekommen war – indem er mit einer Mappe voller Skizzen von Intendant zu Intendant gegangen war, bis er schließlich durch das Deutsche Opernhaus Charlottenburg für die Szenographie einer Produktion von Giacomo Puccinis »Der Mantel« verpflichtet worden war –, dann war sein Entree im Theater der USA ein hoch konzentrierter, hoch kontrollierter Akt, bei dem die United Scenic Artists die größte Rolle spielten. Deren starke Stellung hatte Herrey schon Anfang 1941 gespürt, nachdem der von London nach New York immigrierte Berthold Viertel ihn gebeten hatte, auch für seine zweite Inszenierung des Schauspiels »They Walk Alone« von Max Catto das Bühnenbild zu entwerfen, der Vertrag mit dem Shubert Theatre jedoch am Widerstand der Gewerkschaft gescheitert war: Ohne Mitgliedschaft bei den United Scenic Artists durfte kein Szenograph an einem Theater aktiv werden. THEATER IM GARTEN VON HAUS PERTZOFF 1955

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Dass die Gewerkschaft wie eine Bruderschaft handelte, zeigt ihr Verfahren der Mitgliederaufnahme. Von der Prüfung, die am 17. April und vom 3. bis 6. Juni 1954 auf der Bühne und in den Sälen der Metropolitan Opera New York stattfand, liegt ein langer, schöner Bericht vor, den die Zeitschrift »Theatre Arts« wenige Monate nach dem Ereignis druckte. Erst musste der Prüfling fünfhundert Dollar Gebühr zahlen, dann den Prüfern Rede und Antwort stehen, dann für eine Szene, die aus einem Stück klassischen oder modernen Theaters gewählt worden war, Bühnenbild und Beleuchtung entwerfen, dann seine Fähigkeit im Vergrößern kleinerer Zeichnungen und im Malen sei es von Marmor oder Silber, sei es von Holz oder Glas auf Leinwand beweisen. Zu den Teilnehmern des »rigiden Examens« – so ein Sprecher der United Scenic Artists – gehörten unter andern zwei längst arrivierte Künstler, die künftig auch als Bühnenbildner tätig sein wollten: René Robert Bouché, der die Zeitschrift »Vogue«, und Saul Steinberg, der die Zeitschrift »The New Yorker« wieder und wieder mit reizenden Zeichnungen versorgt hatte. Muss man eigens sagen, dass Herrey die Prüfung bestand? Vielleicht, wenn man bedenkt, dass die Gewerkschaft am Ende des peinlichen Verfahrens nur fünfundzwanzig der einhundert Bewerber als Mitglieder willkommen hieß. Von echt Poelzigschem Charakter Sowenig Herrey eine Organisation wie die United Scenic Artists mochte, so deutlich war der Schritt, den er durch die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft vollzog. Gut dreißig Jahre nach seinem ersten Bühnenbild, dem für Puccinis »Der Mantel« in Berlin, und knapp fünfzehn Jahre nach seinem letzten Bühnenbild, dem für Shakespeares »Julius Caesar« in London, hatte Herrey – endlich – wieder mit der theatralen Profession zu tun. Dass er schon ein Jahr später, im Juni 1955, zum ersten Mal nicht allein als Szenograph, sondern auch als Regisseur in Erscheinung treten würde, war womöglich der Enttäuschung geschuldet, die er zuvor mit einem Auftraggeber wie der Nedick’s Company beim Umbau von Fast-Food-Restaurants oder mit einem Auftraggeber wie der Rudolph K. Waldman Company beim Entwurf von Lampenschirmen gehabt hatte. Womöglich war Herreys Bewegung Richtung Theater, gleich mit der zweifachen Aufgabe von Szenograph und Regisseur, aber auch eine Bewegung eminent Poelzigschen Charakters. Denn von Hans Poelzig hatte in den zwanziger und dreißiger Jahren mancher Kenner der Sache gehofft, er werde bei Gelegenheit die Gelegenheit beim Schopfe fassen und: Opernregie führen. Der Berliner Kritiker Oskar Fischel etwa, mit Themata des Theaters auch in wissenschaftlichem Sinne vertraut, hatte schon 1923 bemerkt, Poelzig habe eine »Sendung«, und hatte ergänzt, dieser Künstler habe ein »solches Talent«, dass man ihm über 198

»Design for Keeping Scenic Standards High«, Aufsatz in der Zeitschrift »Theatre Arts«, illustriert mit einem der Bühnenbilder zu »Julius Caesar«, 1954

kurz oder lang eine »doppelte Ration«, also eine Funktion nicht allein als Architekt, sondern auch als Regisseur geben müsse. Ob auch Herrey eine Person war, die wie Poelzig eine doppelte Ration brauchte? In den USA der fünfziger Jahre die Arbeit als Architekt noch um die als Szenograph und die Arbeit als Szenograph noch um die als Regisseur zu erweitern, glich einem Abenteuer. Keine Frage, der Mann wollte an den Broadway. Doch dessen Bühnen blieben ihm versperrt. So war er froh, die eigene Begabung als Regisseur an einem andern Ort unter Beweis stellen zu können. Gründung der Stiftung Opus Wiewohl Herrey die Lage des amerikanischen Theaters nicht weniger beklagte als Schnitzler, war er nach Jahren des Lebens in den USA doch bereit, für einen Moment vom Ideal des Kommunaltheaters zu lassen und sich der Kondition theatraler Produktion in Amerika zu stellen. Das heißt: Um seinem Ziel – einer Aufführung von Frank Wedekinds »König Nicolo oder So ist das Leben« – näher zu kommen, musste er

sich ohne die Hilfe öffentlicher Einrichtungen auf den Weg machen, musste selber erst Geldgeber, dann Schauspieler, dann Spielorte finden. Zentrale Figuren in Bezug auf das Geld wie auf den Ort für das Herreysche Vorhaben waren Constantin A. Pertzoff und Olga Pertzoff. Constantin A. Pertzoff stammte aus Russland, war ein paar Jahre nach der Revolution als junger Mann via Wladiwostok und San Francisco nach Cambridge immigriert, hatte dort in den zwanziger Jahren Architektur an der Harvard University und in den dreißiger Jahren Urbanismus am Massachusetts Institute of Technology (MIT) studiert, hatte dann eine Art Grand Tour durch eine Reihe von Ländern Europas gemacht und hatte Ende der dreißiger, Anfang der vierziger Jahre sich und seiner jungen Frau Olga – die aus dem Kreis der Peabodys und damit aus einer der ersten, reichsten Familien Bostons kam – ein nicht eben kleines Haus im nahen, grünen Lincoln gebaut. Constantin A. Pertzoff war reges Mitglied der russisch-orthodoxen Gemeinde von Boston. Manche Züge seines Wesens, so heißt es, habe er mit Ilja Iljitsch Oblomow, dem trägen Helden des Romans von Iwan A. Gontscharow, geteilt. Herrey hatte die Pertzoffs 1942 bei einer Party im Haus von Walter Gropius kennen und schätzten gelernt. Etwa ein Jahr später hatte er den russischen Kollegen für die Unterstützung der Arbeit an seinem großen Manhattan Plan gewonnen. Um diese Zeit war Herrey auch zum ersten Mal persönlicher Gast bei den Pertzoffs, deren Haus – wie die Häuser der an der Harvard University dozierenden Professoren Walter F. Bogner, Marcel Breuer und George Holmes Perkins – frei in Wald und Flur des kleinen Lincoln steht und ganz und gar die Sprache des Modernismus spricht. Klingt nicht schon der alte Name der Gegend – »Canaan Pastures« – wie ein Programm? Das Grundstück ist breit und tief; die Wiese gleich hinter dem Haus fällt in Richtung eines stehenden Gewässers; links und rechts liegen Gärten; bei klarem Wetter zeigt sich, in weiter Ferne am Horizont von New Hampshire, die Spitze des Mount Monadnock. Der Bau selber hat zwei Teile: einen Riegel mit Flachdach, einen Keil mit Pultdach, beide mit Erd- und Obergeschoss, beide mit weißen Läufern bedeckt, der Riegel für die Herrschaften, der Keil für die Dienstboten bestimmt. Da der Bau einem Raster unterworfen ist, bei dem immer wieder vier, acht, zwölf, sechzehn Stücke zu sehen sind, bleibt die Architektur allseits in guter Fasson. Die Pertzoffs wünschten für ihren Alltag einen Akkord von Natur und Kultur, waren stolz, dass Brennholz und Äpfel aus ihren Gärten den Verkauf lohnten, dass ihr Haus dank der Fülle seines Wohn- und Essraums von Zeit zu Zeit durch kleinere und größere Konzerte zum Ort geselliger Gesellschaften wurde. Mit Olga Pertzoff als Präsidentin, mit dem Komponisten und Dirigenten Francis Judd Cooke als Vizepräsidenten, mit Hermann Herrey als Manager, mit Antony Herrey als Sekretär und mit einigen andern Personen, unter ihnen der Journalist Saville Davis von der Tageszeitung

»The Christian Science Monitor«, fand Ende 1954 in Haus Pertzoff die Gründung der Opus Society for the Presentation of Works of Art statt. Ziel und Zweck des Vereins war die Aufführung neuerer Theater- und Musikstücke, denen geschäftlicher Erfolg, vom Broadway zu schweigen, versagt bleiben würde. Die Gründer von Opus dachten an Dramen von hohem ästhetischen wie sozialen Anspruch, etwa an Jean Cocteaus »Die menschliche Stimme« oder an William Faulkners »Requiem für eine Nonne«, die noch auf keine Bühne der USA gebracht worden waren. Das erste Projekt von Opus aber, will sagen der Einstand des Vereins, war eine Produktion mit eigenen Leuten, durch eigene Mittel, in eigener Sache: Frank Wedekinds Schauspiel »König Nicolo oder So ist das Leben«, unter der Regie und Szenographie von Herrey, mit der Musik von Cooke, gespielt auf der Wiese hinter Haus Pertzoff an den Abenden vom 22. bis 25. Juni 1955. Nicolos Geschichte Da wir es mit einem Stück zu tun haben, das heute niemand mehr kennt – in den wenigen, älteren Ausgaben Wedekindscher Werke taucht der Text nicht auf –, muss sein Inhalt stärker als in andern Fällen erklärt werden. Auch die Intention und Konzeption von Herreys Arbeit versteht nur, wer sich nicht scheut, das ferne, fremde Drama von Anfang bis Ende zu lesen. In Perugia, der Hauptstadt des Königreichs Umbrien, kommt es zu einer Revolte. Der Führer des Aufstands, Pietro Folchi, stürzt König Nicolo vom Thron. Zwar rufen einige der Kämpfenden nach der Republik; aber Pietro macht sich selbst zum König und seinen Sohn Filipo zum Befehlshaber des Heeres. Nicolo wird wegen seiner früheren Buhlerei und Schwelgerei verbannt, bei Strafe des Todes im Fall der Rückkehr. Mit seiner Tochter Alma zieht er durch die Lande; um nicht erkannt zu werden, trägt er Bettlerkleidung. Nach einer Weile findet Nicolo Arbeit, erst bei einem Gutsherrn, dann bei einem Schneider in Perugia. Meister Pandolfo lobt den neuen Lehrling. Doch als dieser einmal den König verflucht, womit er sich selbst meint, wüten die neidischen Gesellen. Nicolo wird vor Gericht gebracht, wegen des Crimen laesae majestatis mit zwei Jahren Haft und folgender Verbannung bestraft. Im Kerker flicht er Weidenkörbe. Hier besucht ihn Alma, muntert ihn auf, sodass er wieder unter Menschen möchte. Nach zwei Jahren stehen Vater und Tochter wieder dort, wo sie zu Anfang standen: Ziellos ziehen sie durch die Lande. Schließlich machen sich Nicolo und Alma auf den Weg zur Elendenkirchweih, der jährlichen Versammlung bettelnder, fahrender, gaukelnder, tanzender, singender, spielender Artisten. Wie jedes Jahr findet das große Treffen auch diesmal in schwarzer Nacht unter freiem Himmel nahe dem Galgen statt. Vorn links am Fuß einer alten Eiche liegt ein Felsbrock, um den Männer, Frauen und Kinder in bunten Trachten lungern. THEATER IM GARTEN VON HAUS PERTZOFF 1955

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Einer nach dem andern treten Spieler auf und sprechen vor, bitten Theaterbesitzer um ein Engagement. Nicolo hält eine stolze Rede, ruft »Ich bin der Herrscher!«, wird aber nicht für einen Tragöden, sondern für einen Komiker gehalten und von einem der Theaterbesitzer engagiert. Alma soll in dessen Ensemble künftig die Rolle des Hanswurst geben. In ihrem neuen Beruf haben Vater und Tochter rasch Erfolg. Bald schon treten sie in Perugia auf. Mitten auf dem Markt steht eine Bühne. König Pietro und Prinz Filipo sitzen auf Sesseln vor den übrigen Zuschauern. Höhe- und Wendepunkt der Vorstellung ist ein läuternder Dialog zwischen einem Bajazzo und einem König, um nicht zu sagen zwischen Alma und Nicolo. Der Bajazzo spielt des Königs Gewissen, ruft des Königs Lust an Kindermorden und Scheiterhaufen in Erinnerung. Mit der Pritsche in der Hand und dem Fuß auf dem Nacken des Königs spricht der Bajazzo: »Der Torheit schauert Angst durch Mark und Bein, / Vor des Geschickes grellem Widerschein! / So will ich dich erlösen! – Doch erst schwöre, / Daß stets dein Herz dem Guten nur gehöre.« Diese royale Katharsis, dieser Wandel eines Mannes vom bösen zum guten Herrscher, rührt König Pietro in solchem Maße, dass er den Schauspieler Nicolo als Hofnarren engagiert, wobei der Auftrag die Sache genau bestimmt: »Rechtlos und machtlos sollst du sein gegenüber dem letzten Bürger meines Staates! Aber deine hohe Denkungsart soll zwischen mir und dem Volke stehen, zwischen mir und den Räten der Krone, sie soll sich ungestraft zwischen mich und mein Kind drängen dürfen. So wie dein Geist dort auf der Bühne aufrecht zwischen dem Herrscher und seinen düstren Begierden stand, so soll er in meinem Innern gebieten!« Indes, Alter und Krankheit machen das Beraten, nein »Gebieten« schwer. Und als Nicolo vor Pietro sich weigert, seiner Tochter Alma die Heirat mit dessen Sohn Filipo aus dem Kopf zu schlagen, wird der weise Alte zum dritten Mal verbannt. Unter diesem Eindruck entbirgt er seine wahre Identität. Doch man glaubt ihm nicht. Alma will eine Nonne als Zeugin holen. Zu spät. Nicolo stirbt. Zirkus und Epos Verfasst 1901, zum ersten Mal auf die Bühne gebracht 1902, nimmt das Drama »König Nicolo oder So ist das Leben« unter Wedekinds Schauspielen eine Sonderstellung ein. Es hat eine biographische Implikation; es war die Reaktion des Autors auf seine Verurteilung wegen Beleidigung Kaiser Wilhelms II. Der aus diesem Faktum rührende Bekenntnischarakter des Stücks hatte einen Kritiker wie Alfred Kerr zweifeln lassen. In einem 1905 publizierten Essay hatte Kerr gemeint, Wedekind habe das Werk »in einem müderen Augenblick« geschrieben. Es sei wohl sein liebstes: »weil er darin klagt«. Es sei wohl nicht sein größtes: »weil er darin klagt«. Und dann: »Er gibt fast nur die Schmerzensseite. Sonst stand er wie ein Gott über den Dingen und sah auf die Wirrsal. Jetzt steckt er tiefer drin.« 200

Dass eine Inszenierung des »König Nicolo oder So ist das Leben« mit naturalistisch oder psychologistisch trainierten Akteuren nur scheitern kann; dass wir es nicht mit einem historisch korrekten Panorama aus dem Italien des Quattro- oder Cinquecento zu tun haben; dass dem Ganzen vielmehr etwas Circensisches eignet: Dieses Wissen war längst Teil der Rezeption des Wedekindschen Dramas geworden, als der Intendant und Regisseur Leopold Jessner das Schauspiel 1924 am Schiller-Theater, dem Charlottenburger Haus der Berliner Preußischen Staatstheater, üppig in Szene gesetzt hatte. Die Sache eine Moritat, die Bühne ein Karussell mit Holzpferden und Ringelspiel, Jessner hatte – so Alfred Klaar in der »Vossischen Zeitung« – einen »Wechsel bunter Bilder« gezeigt. Den Pietro Folchi hatte Walter Franck gespielt, der in den späten zwanziger und frühen dreißiger Jahren als ein Schauspieler mit Begabung für die Darstellung der oft extremen Figuren Wedekinds gegolten hatte. Wir wissen nicht, ob Herrey als Student eine Vorstellung des »König Nicolo oder So ist das Leben« sah. Wir wissen aber, dass er ein Freund Francks war und dass diese Freundschaft auch durch das Exil keinen Schaden nahm. Wir wissen vor allem, dass er dem Dramatiker und Prosaisten, dem Liederschreiber und Bänkelsänger Wedekind – diesem protestierenden, rebellierenden Individuum – näher stand als manch anderm Autor des zwanzigsten Jahrhunderts. Mit zwei verwandten Papieren – eines unter dem Titel »About Frank Wedekind and his Play ›King Nicolo or Such is Life‹«, eines unter dem Titel »Opus Society for the Presentation of Works of Art« – wandte sich Herrey Ende 1954 oder Anfang 1955 an alle Bekannten in Boston und Cambridge, in Concord und Lincoln, die ein Interesse an seinem Projekt haben konnten. In beiden Texten äußert er sich einerseits zum antinaturalistischen und antipsychologistischen Gestus des Dramas, anderseits zu Wedekinds Passion für die Aktion in der Manege. Allein unter diesen Aspekten betrachtet, bieten die Papiere keine neue Deutung. Neu aber scheint, was Herrey aus diesen wesentlichen Eigenschaften Wedekindscher Literatur für die Darstellung der Geschichte um Nicolo und Alma folgert. Gestützt auf Wedekinds Kommentar »Was ich mir dabei dachte«, wonach in dem Schauspiel um seiner »Schlichtheit« willen der Dialog als Dialog gar keine Rolle spiele, notiert Herrey, die Worte Nicolos, Almas, Pietros und aller übrigen Figuren dürften nicht als »Konversation« und nicht als »Deklamation«, müssten vielmehr als »Folge von Stellungnahmen, die an das Publikum gerichtet sind«, verstanden werden. Mit solchen Sätzen weisen die Herreyschen Papiere in die Richtung eines epischen Theaters, für das es – lange bevor Bertolt Brecht und Erwin Piscator den Begriff »Episches Theater« für sich in Anspruch nahmen – Vorläufer und Beispiele gab. Vorzeigen statt Nachahmen, Betrachten statt Erleben: Diese Haltung steckt hinter jedem »Beiseite gesprochen« in den Stücken William Shakespeares, Jean-Baptiste

Molières und Carlo Goldonis. Auch Ferrucio Busonis Schrift »Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst«, die Herrey seit den Tagen seines Bühnenbildes für dessen Oper »Die Brautwahl« sicher bekannt war, fordert von der Oper Distanz, Zitat, Kritik. Wo die Musik die Handlung und Stimmung auf der Bühne nur wiederhole, bleibe sie ohne Belang. Der Künstler, wo er rühren soll, dürfe nicht selber gerührt sein. Exil, Macht, Geist Im ersten der erwähnten Papiere spricht Herrey vom »ruhelosen Kampf des Menschen um die Würde seines Daseins« in einer Welt voll von »groben Reizen«, voll von »Spott und Hohn«, voll von »grausamen Verfahren vor Gerichten«. Verbannt und verjagt, so müssten Nicolo und Alma über Stadt und Land ziehen. Da sie sich außerstande sähen, ihre Würde durch Mittel zu wahren, die selber ohne Würde seien, könnten sie nur unter Außenseitern ihren Platz finden. Hinter diesen, ins Allgemein-Menschliche führenden Gedanken verbergen sich zwei Themen, die sich von Anfang bis Ende durch das Drama schlängeln und die wohl auch einer der Gründe sind, warum Herrey – anders als Kerr und weitere Kritiker – das Schauspiel zu den »stärksten« Stücken Wedekindscher Literatur zählt. Es handelt sich einerseits um das Thema »Exil«, anderseits um das Thema »Macht und Geist«. »Wir gingen ins Exil wie entthronte Könige.« – Man muss gar nicht auf diesen Satz des Exilanten Berthold Viertel stoßen; auch ohne die Kenntnis seiner Worte liegt es nahe zu meinen, dass eine Figur wie Nicolo, der gleich dreimal verbannt wird und um des Überlebens willen immer wieder Neues lernen muss, einen Exilanten wie Herrey in den Bann schlug. Nicolo geht den Weg vom König zum Künstler zum König. Der Umschlag von der ersten zu der zweiten Rolle vollzieht sich mit Nicolos Monolog auf der Elendenkirchweih sowie mit Nicolos und Almas Dialog auf dem Marktplatz von Perugia. Mit Nicolos Berufung zum Hofnarren Pietros entlädt sich die Spannung von Macht und Geist. Diese Spannung ist ein altes Thema. Dass sie auch ein sehr deutsches Thema ist, dafür steht die Frage »Dichterfürst oder Fürstenknecht?« in Bezug auf Johann Wolfgang von Goethe; dafür stehen die Namen der Brüder Thomas und Heinrich Mann; dafür steht Frank Wedekind, der aber die Rolle des Mächtigen auf der einen, die des Geistigen auf der andern Seite nicht wie üblich in zwei, sondern in eine Person fasst. Doch als diese eine Person – Nicolo – zum Schluss des Ganzen beide Rollen einen und spielen will, da stirbt er. Letzten Endes, so lautet die Botschaft des Dramas, bleiben Macht und Geist getrennt. Auch Herrey hatte, vor allem zu Zeiten seines Engagements für die Cultural and Scientific Conference for World Peace 1949, die bittere Erfahrung machen müssen, dass die Sphären des Politischen und des

Ästhetischen einander beinahe ausschlossen. Als er wenig später mit dem Astronomen Harlow Shapley und dem Präsidenten der Foundation for World Government Stringfellow Barr den Versuch fundierter Politikberatung im Dienste des Friedens wagte, wurde rasch klar, dass die drei rührigen Berater in Washington auf taube Ohren stoßen würden, ja dass sie Gefahr laufen würden, von einem der wütenden Ausschüsse nach dem Geschmack des Joseph R. McCarthy verdammt zu werden. Die Bühne von Lincoln: Ihre Gestalt Ein Schauspiel wie »König Nicolo oder So ist das Leben« erlaubt dem Regisseur, eine mal ins Komische, mal ins Tragische gleitende Geschichte auf die Bühne zu bringen. Es erlaubt ihm ferner, sich selbst und sein Publikum auf das Terrain von »Exil« wie von »Macht und Geist« zu führen, da beide Themen – nach der Art einer Allegorie – im König und Künstler Nicolo zur Person werden, ähnlich wie das Thema Tod in der Person des Schnitters. Freilich spielten für Herreys Interesse an diesem Stück nicht allein Sympathien mit Figuren wie dem verkannten Nicolo, sondern auch, vielleicht gar vor allem, theaterpraktische Motive eine Rolle. Wedekind wünscht für die Inszenierung des Dramas eine Reliefbühne, wie er sie aus dem Münchner Künstlertheater kannte. Es soll auf einer breiten, nicht auf einer tiefen Bühne und mit wenigen Podes­ ten, wenigen Prospekten und geringer Ausstattung agiert werden; die Szene soll rasch wechseln können; am Anfang und am Ende soll nur ein Thron auf der Bühne stehen. Herrey griff Wedekinds Hinweise gern auf. Denn wie sich noch zeigen wird, standen sie ganz im Einklang mit dem, was er im Lauf der Jahre an Ideen und Konzepten kreiert hatte. Die auf der Wiese hinter Haus Pertzoff gebaute Anlage muss Besucher, die gern einen Abend im Theater verbrachten, erst recht Besucher, die mit den Häusern am Broadway vertraut waren, das Staunen gelehrt haben. Nichts hatte hier den Charakter einer bloßen Liebhaberaufführung unter freiem Himmel. Die Bühne war groß. Sie bestand aus der Hauptbühne sowie der Vorbühne. Diese bog im Viertelkreis nach links und im Viertelkreis nach rechts und wurde durch zwei gut vier Meter hohe Rahmen begrenzt, die mit dunkelblauem Samt bespannt waren. Durch das Rechteck der Hauptbühne und den Halbkreis der Vorbühne entstand der Eindruck, als würden die etwa dreihundert Sitzplätze auf dem in Richtung der Bühne leicht fallenden Gelände von drei Seiten umarmt, als würden die Spielenden und die Schauenden, durch die Rampe kaum getrennt, in ein und denselben Raum treten, der hinter der Hauptbühne von einem etwa einundzwanzig Meter breiten und etwa elf Meter hohen Metallgerüst gefasst wurde, das vorne mit weißem Nessel bespannt war. Dem Horizont eines normalen THEATER IM GARTEN VON HAUS PERTZOFF 1955

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Hermann Herrey, Bühne »König Nicolo«, Grundriss, 1955

Theaters verwandt, diente diese Fläche als Bildschirm, auf den Projektoren, versteckt hinter den zwei Rahmen mit dem dunkelblauen Samt, die Herreyschen Bühnenbilder warfen. Erstens die Trennung von eher breit und flach gebauten, vorderen Spielräumen einerseits, eher breit und hoch gemalten, hinteren Bildflächen anderseits; zweitens die Verwendung eines jeden der wenigen Objekte auf der Bühne – etwa des Throns – als eines Requisits; drittens die Nutzung technisch raffinierter Projektion zur übrigen räumlichen Gestaltung des Geschehens; viertens die Ausbeutung der klassischen Malerei des dreizehnten bis neunzehnten Jahrhunderts für die Prospekte auf dem Horizont; fünftens die Durchdringung von Raum und Bild, das heißt nicht deren Synthese, nicht deren Antithese, sondern deren Symbiose: Dank dieser Eigenschaften des Theaters auf der Wiese von Haus Pertzoff fand Herreys theatrale Konzeption an diesem Ort nach vielen Jahren zu ihrem großen Abschluss. Die Bühne von Lincoln: Ihre Herkunft Wiewohl man bei nur neun Bühnenbildern – sechs von 1924 bis 1932, zwei von 1938 bis 1939, eins 1955 – auf den ersten Blick Mühe hat, eine Entwicklung zu erkennen, fällt bei näherer Betrachtung doch eine distinkte Linie auf. Schon die erste Arbeit, die Szene für Puccinis Oper »Der Mantel« 1924, hatte den flachen Raum und das hohe Bild mit Sorgfalt getrennt. Hinter dem gestreckten Gebilde zur Darstellung des Ufers und des Schiffes hatte sich auf dem gekrümmten Horizont das Panorama von Paris mit den Türmen der Kathedrale entrollt. Sieben Jahre später hatte sich die Trennung von Raum und Bild verschärft. 202

Die Szene für Goethes Tragödie »Die natürliche Tochter« 1931 hatte dem Publikum einen Kasten offeriert, dessen weiße Wände links und hinten und rechts von unten bis oben wie von zarter Hand schwarz bemalt worden waren, um die Orte der Handlung zu schildern, während der Boden des Kastens allein den Spielern gedient hatte, auf seinen Brettern jeder Schauplatz nur durch ein paar Gegenstände weiter bestimmt worden war. Diese radikale ästhetische Logik hatte mit der Szene für Shakespeares Drama »Julius Caesar« 1939 die größte Raffinesse erreicht, indem dort beide, Spielräume vorne und Bild­ flächen hinten, den Eindruck des immer wieder anders Gestuften und Getreppten gemacht hatten. Wie schon im Kapitel »Sechs Bühnenbilder« erläutert, hatte Herreys Auffassung von Bühnenbild und Bühnenraum zu Beginn der dreißiger Jahre eine Entwicklung genommen, die ihn wohl an die Seite Caspar Nehers geführt hätte, wenn er in Berlin hätte bleiben können. Mit seinem Projekt »Julius Caesar« aber hatte Herrey die Neherschen Konzepte zugleich liquidiert und transformiert. Er hatte nämlich die bildenden und die bauenden Künste bei der Arbeit auf solche Weise verknüpft, wie es kein Szenograph, sondern nur ein Szenograph und Architekt hatte leisten können. Ohne die Verbindung dieser differenten Kompetenzen hätte auch der Entwurf des Q Theatre aus der ersten Hälfte der vierziger Jahre nicht seine enorme Qualität erlangt. Obgleich das Haus nicht gebaut worden war, den für das Q Theatre konzipierten spezifischen Konnex von Haupt- oder Innenbühne und Vor- oder Außenbühne konnte Herrey auf der Wiese von Haus Pertzoff für ein paar Tage auf die Probe stellen. Während Neher seine in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre verfassten Aufsätze »Das Bühnenbild« und »Der Mensch auf der Scene« – die sich als Kritik und Programm des Bühnenbauens lesen lassen – nie an die Öffentlichkeit gebracht hatte, sondern erst Gottfried von Einem und Siegfried Melchinger diese Texte 1966 in ihr Buch »Caspar Neher. Bühne und bildende Kunst im XX. Jahrhundert« nehmen würden, war Herreys langer, großer Essay »La scène ouverte« in Heft 23/1949 der Zeitschrift »L’Architecture d’Aujourd’hui« gedruckt worden. Da­ rin heißt es: »Der Typus der offenen Bühne des modernen Theaters hilft Schauspielern und Zuschauern, das Gefühl ihrer Gemeinschaft zu stärken. Der Schnürboden ist verschwunden. Die alte hypertrophe Maschinerie ist einer neuen technischen Ausstattung gewichen, die der Projektion dient, den Raum in Licht taucht und die wenigen, kleineren, bleibenden Teile des Dekors auf der sonst freien Bühne belebt. Das Konzept der offenen Bühne wird zu seiner letzten logischen Konsequenz geführt. Die Bühne umgibt das Publikum im Halbkreis, umhüllt es mit der Projektion von Bildern und führt es in das Herz der Handlung.«

Bühne »König Nicolo«, erstes und neuntes Bild, »Thronsaal«, Zeichnung zum Zweck der Projektion

Sehnsuchtsbilder aus dem fernen Süden Die Forderung der »offenen Bühne«, in Lincoln wurde sie erfüllt, wenngleich nur als temporäre Architektur, die noch im Sommer 1955 verschwand. Was bleibt, sind mehrere Vorlagen, die der Herstellung großer Dias für die Projektoren dienten. Was bleibt, sind Kartons, wie man sie in Läden für Malerbedarf kauft, jede Tafel mit grobem Leinen bespannt und mit Maßen von etwa fünfzig mal vierzig Zentimetern. Was bleibt, sind Bilder des Thronsaals, der Straße am Waldsaum, des Platzes um den Galgen und des Platzes in der Mitte Perugias. Herrey imaginiert eine mal herrliche, mal liebliche Erscheinung von Stadt und Land, lockt mit zarten Tönen in ein so harmonisches wie idyllisches Italien der frühen bis hohen Renaissance. Manche seiner Kartons zehren von den Fresken Giotto di Bondones in Assisi und

Padua sowie von den Altären Fra Angelicos in Firenze und Perugia, indem sie die Suche der Künstler des Tre- und Quattrocento nach der rechten perspektivischen Präsentation von Raum und Bau zu wiederholen scheinen. Aus jedem Detail dieser Tafeln spricht auch die alte deutsche, durch und durch romantische Sehnsucht nach Italien, die der Wiener Hugo von Hofmannsthal Ende des neunzehnten Jahrhunderts in seinem »Reiselied« wie keiner zum Ausdruck brachte: »Wasser stürzt, uns zu verschlingen, / Rollt der Fels, uns zu erschlagen, / Kommen schon auf starken Schwingen / Vögel her, uns fortzutragen. // Aber unten liegt ein Land, / Früchte spiegelnd ohne Ende / In den alterslosen Seen. // Marmorstirn und Brunnenrand / Steigt aus blumigem Gelände, / Und die leichten Winde wehn.« THEATER IM GARTEN VON HAUS PERTZOFF 1955

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Hermann Herrey, Bühne »König Nicolo«, zweites Bild, »Straße am Waldsaum«

Anders als dieses Gedicht einer Nord-Süd-Fahrt und anders als die ihm nahen, warmen Bilder von Stadt und Land im fiktiven Königreich Umbrien sind jene Kartons, die sich der nächtlichen Elendenkirchweih auf dem Platz um den Galgen widmen. Diese Tafeln stehen in der Tradition negativer Visionen, wie sie im nördlichen Europa um die Wende vom fünfzehnten zum sechzehnten Jahrhundert nicht selten waren. Zwei solcher Bilder kannte Herrey noch aus Wiener Tagen. Und er kannte sie gut: Das »Weltgericht« von Hieronymus Bosch hängt in der Gemäldegalerie der Akademie der Bildenden Künste, die »Marter der zehntausend Christen« von Albrecht Dürer im Kunsthistorischen Museum. Das Foltern und Morden ist überall; Gott ist nirgendwo; es scheint, als ob die Erlösungsmöglichkeit und Erlösungsfähigkeit des Menschen verloren gegangen sei. Eine Botschaft auch des zwanzigs­ ten Jahrhunderts? 204

Ein Aufbruch und ein Abschied Herreys Inszenierung des »König Nicolo oder So ist das Leben« wurde an den vier längsten Tagen des Jahres 1955 gezeigt. Wegen der für die Projektion auf den großen Wandschirm hinter der Bühne nötigen Dunkelheit konnte die Vorstellung auf der Wiese von Haus Pertzoff immer erst um 20h45 beginnen. Zwar hatte Herrey mit Clarence Derwent für die Titelrolle einen versierten, wenngleich schon über siebzig Jahre alten Schauspieler gewonnen, aber kein Mann mit dem Einfühlungsvermögen eines Franck war zum Ensemble gestoßen. Viele Rollen wurden mit Laien besetzt, die es schwierig fanden, Wedekinds Figuren mit Leben zu füllen. Die Kritiker von »The Billboard« und »Variety«, zwei der führenden Zeitschriften für Theater in den USA, hielten das Stück für »weitschweifig« und »langweilig«, lobten jedoch die von Polkas, Walzern, Märschen, ja an manchen, ernsten Stellen gar von Arnold Schönberg inspirierte

Achtes Bild, »Platz in der Mitte Perugias«

Musik des Komponisten und Dirigenten Cooke, der damals am New England Conservatory (NEC) Boston lehrte und etwa zwanzig, meist junge Instrumentalisten des Konservatoriums für das Spiel während der Aufführung engagiert hatte. Ebenso würdigten die Kritiker die Räume und Bilder der Bühne. In »The Billboard« hieß es gar, sie hätten die Eigenschaften eines »Hollywoodspektakels« gehabt. Etwa fünf Wochen nach dem Ereignis macht sich Herrey auf eine Reise nach Britannien, Deutschland, der Schweiz, Frankreich und Österreich. Journalisten sagt er, er wolle dort nach guten Texten suchen, deren Rechte die Opus Society for the Presentation of Works of Art kaufen könnte. Indes, dieser Aufbruch ist wohl auch der Versuch zu prüfen, ob ein Abschied von den USA sich lohnen würde. In einem wenig später in deutscher Sprache verfassten Lebenslauf wird Herrey schreiben: »Es ist mir bisher nicht gelungen, in Amerika wirklich Wurzel zu schlagen.«

Hermann Herrey, Inszenierung »König Nicolo«, letzte Szene, in der Mitte Clarence Derwent als König Nicolo THEATER IM GARTEN VON HAUS PERTZOFF 1955

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18  PLANEN UND BAUEN FÜR BERLIN 1956–1958

Geboren 1924 in Bitterfeld, hatte er gleich nach dem Krieg an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle/Saale studiert. Dort war er zu einem namhaften Vertreter der von Melancholie und Realismus bestimmten, für ihre feinen grauen Töne bekannten Malerei der »Halleschen Schule« geworden. Um den politisch wie kulturell widrigen Umständen an der Hochschule zu entkommen, war er 1953 nach Berlin West geflohen, von wo er sich 1962 auf den Weg nach New York machte. Er hauste am Broadway, fand in der Metropole zwischen Hudson und East River aber keinen Anschluss und nahm sich 1971 das Leben. Die Rede ist von Jochen Seidel. Dessen Gemälde »Berlin am Zoo«, Öl auf Pappe, 143 Zentimeter breit, 89 Zentimeter hoch, 1955 datiert, zeigt den Breitscheidplatz. Und es zeigt ihn so, als ob der junge Künstler vom Dach des Turms der alten Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche Richtung Westen bis zum fernen Funkturm schaue.

Jochen Seidel, Berlin am Zoo, Gemälde, 1955 206

Wie gut Seidel das Terrain rund um die ruinierte Architektur des Gotteshauses kannte, folgt schon daraus, dass er zur Zeit der Entstehung des Gemäldes mit seinem Freund Hermann Bachmann ein Atelier in nächster Nähe des Breitscheidplatzes teilte. Doch auch das Gemälde selbst vermittelt Vertrautheit mit den Strömen des Ortes. Jene längere Linie, die auf halber Höhe der Pappe von ganz links nach ganz rechts führt, ist nicht allein unter formalen Aspekten – etwa der Balance des Waagrechten und Senkrechten oder der des Dunklen und Hellen –, sondern auch für die Darstellung der urbanen Energie des Ortes von Belang. Zusammen mit jener kürzeren Linie, die am rechten Rand der Pappe von unten nach oben führt, bildet die längere Linie einen Winkel, dessen Spitze genau in Richtung der Türen des Bahnhofs Zoologischer Garten weist. Dieser Bahnhof war Ein- und Ausgang von Berlin West. Die Gegend südlich seiner Halle, früher das Zentrum des Neuen Westens

von Berlin, wuchs mit der Teilung der Stadt während der fünfziger Jahre in die Rolle der Mitte von Berlin West, mit der Kaiser-WilhelmGedächtnis­-Kirche, der Tauentzienstraße und dem Kurfürstendamm als touristischen Attraktoren. Diese Räume waren nicht mehr Werner Heldts »Berlin am Meer«, wo die Häuser in den Wogen einer Landschaft stehen, nicht mehr das Berlin der Trümmer, doch noch das Berlin der Leere, der gähnenden Brachflächen und ragenden Brandwände, welche die Stadt als Ganze in manchen ihrer Teile bis weit in die neunziger Jahre prägen würden. Dem Seidelschen Gemälde eignet etwas enorm Dynamisches. Es bringt seine Stücke zum Tanzen. Der Raum schwankt. Und springt nach vorn. Unten noch braune Hütten, oben schon weiße Mauern, die nach neuen Bauten an ihrer Seite schreien. Rückkehr in eine Halbstadt Als Hermann Herrey im Oktober 1955 nach Berlin kam, traf er am Bahnhof Zoologischer Garten in einer Großstadt ein, deren Hälften – eine Berlin West, eine Berlin Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) genannt – in den Sphären des Sozialen und des Kulturellen, vor allem aber des Politischen nicht bloß konkurrierten, sondern jenen harten »Kalten Krieg« führten, der uns heute in vielen seiner Einzelheiten so brutal wie bizarr erscheint. Dabei lagen beide Berlins, das im Westen wie das im Osten, um die Mitte der fünfziger Jahre noch fast am Boden. Man stelle sich vor, Herrey hätte gleich nach seiner Ankunft Koffer und Tasche im Schließfach verstaut, wäre mit der Untergrundbahn von Station Zoologischer Garten bis Station Nollendorfplatz gefahren und hätte sich von dort zu Fuß auf den Weg erst Richtung Ahornstraße, dann Richtung Königin-Augusta-Straße, die nun Reichpietschufer hieß, dann Richtung Genthiner Straße gemacht. Von jener Gegend des Alten Westens, die Herrey seit Mitte der zwanziger Jahre bestens vertraut war, weil dort die Liepmanns und Vohsens gewohnt hatten und weil dort auch er seine erste Wohnung mit Dorothee gehabt hatte, von ebendiesem Stadtraum war nur weniges geblieben. Die meisten Villen des späten neunzehnten und die meisten Büros des frühen zwanzigsten Jahrhunderts, hatten sie auch den Bomben und Feuern des Krieges getrotzt, hatten sie auch ein paar Jahre noch die alten Straßen und Plätze wie hohle, dunkle Stümpfe gesäumt, waren doch später gesprengt und geräumt worden, sodass nun zwischen den asphaltierten Korridoren große, kahle, plane Terrains auf das Weitere warteten. Herr und Hund streunten dort über Sand und Gras. Ohne die Hilfe markanter Ruinen, etwa der Zwölf-Apostel-Kirche oder des Walter-de-Gruyter-Hauses an der Genthiner Straße, hätte sich mancher Rückkehrer vermutlich verlaufen. Schon um die Zeit, als Herrey erstmals nach über zwanzig Jahren Exil wieder deutschen Boden betrat, hatte eine Reihe engagierter Ro

manciers und Essayisten die Gesellschaft der noch jungen Bundesrepublik Deutschland (BRD) – Berlin West war ihr stets nah und fern – als ökonomisch florierend, sozial stagnierend, kulturell changierend beschrieben. »Es war eine untergründige, eine hintergründige, eine begründet grundlose Zeit«, heißt es in Wolfgang Koeppens auf Bonn konzentrierten Roman »Das Treibhaus« aus dem Jahr 1953. Vier Jahre später, mit der Wahl zum Dritten Deutschen Bundestag 1957, die dem Bundeskanzler Konrad Adenauer dank solcher Formeln wie »Wir sind wieder wer!« und »Keine Experimente!« eine absolute Mehrheit der Stimmen brachte, war jene Stabilität erreicht, die der Kulturkritik in den Feuilletons der größeren, besseren Zeitungen Sorge machte und manchen Autor über eine Gesellschaft »nivellierter Mittelständler«, ja über eine Gesellschaft »neuen Biedermeiers« klagen ließ. Hand in Hand mit dem Konsumismus und Konformismus ging ein Schwärmen für die USA. »Ich will die Weite, ich will die Ferne, ich will das junge Land, den Wind will ich«, sagt der enttäuschte bayrische Schriftsteller Philipp über seine Sehnsucht nach den USA in Wolfgang Koeppens auf München konzentrierten Roman »Tauben im Gras« aus dem Jahr 1951. Zum Stillen solcher Sehnsucht in den Mühen des Alltags, der stark vom Eifer des Aufbaus geprägt war, dienten den Familien der Mittelschichten der »porch swing«, den man »Hollywoodschaukel«, und das »aloha shirt«, das man »Hawaiihemd« nannte. Lucky Strike und Coca-Cola waren unter Jugendlichen Zeichen; keine ihrer Parties kam ohne den Jazz Louis Armstrongs und Benny Goodmans, ohne den Rock ’n’ Roll Bill Haleys aus. Bei denen, die eher auf Bildung setzten, zählten die Namen moderner Autoren wie William Faulkner, Ernest Hemingway, Tennessee Williams. Und es zählte »Die Neue Zeitung«, die den Untertitel »Die amerikanische Zeitung in Deutschland« trug und deutschen Redakteuren wie Journalisten das wohl höchste Vorbild einer liberalen Presse gab. Konsumismus und Konformismus auf der einen, Schwärmen für die USA auf der andern Seite: In Berlin West fanden beide Elemente des Sozialen einen Ort, der sie, man möchte fast meinen, bitter nötig hatte. Denn dieser Ort litt. Er war keine politische, keine ökonomische, keine kulturelle Kapitale mehr. Bis auf die Schering AG im Bezirk Wedding zogen die Konzerne einer nach dem andern ihre Zentralen aus der lädierten Kommune ab. Keine der hier verlegten Zeitungen, keines der hier bespielten Theater hatte noch groß Einfluss über die Halbstadt hinaus. Diesen Verlust suchte Berlin West mit der lauten öffentlichen Rede über seine Rolle als »Frontstadt« oder »Bollwerk«, als »Insel« oder »Fenster« des »Freien Westens« zu kompensieren. Mit Grund und Recht war hier Amerikanismus ein Charakteristikum, wurden hier die »Schutzmacht« und der »gute Onkel« USA, anders als in den Städten von Flensburg bis Freiburg, stets gebührend gefeiert. PLANEN UND BAUEN FÜR BERLIN 1956–1958

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Uli Huber, Rund um den Zoo, Neubauten im Berlin West der 1950er, Konzertsaal der Hochschule für Musik von Paul Baumgarten über Nr. 3, Zen­ trum am Zoo von Paul Schwebes und Hans Schoszberger über Nr. 7, Zeichnung in der Zeitschrift »Bauwelt«, 1957

Dank seines US Passport bei vielen Leuten per se ein Mann von Ansehen und Vertrauen, weilte Herrey von Mitte August bis Mitte Dezember 1955 in einer Reihe von Städten deutscher Sprache, unter ihnen Berlin West, Frankfurt am Main, Heidelberg, Köln, Konstanz, München, Wien und Zürich. Vor Ende des Jahres kehrte er nach New York zurück und reiste im März 1956 nach St. Gallen / Schweiz, wo er wegen einer Inszenierung von William Shakespeares »Der Widerspenstigen Zähmung« bis Mai 1956 blieb. Dann ging er auf Tour, etwa durch österreichische und niederländische Städte, und machte sich im September 1956 wieder auf den Weg nach Berlin West, diesmal wohl mit dem Wunsch einer Rückkehr auf Zeit, wo nicht auf Dauer. Glückliches Aufleben Welchen Eindruck Herrey von der Halbstadt westlich der alten Mitte hatte? Das wissen wir nicht. Ob er jene Autoren verstanden hätte, die in den Feuilletons der Zeitungen eine Gesellschaft »nivellierter Mittelständler«, eine Gesellschaft »neuen Biedermeiers« beklagten? Auch das wissen wir nicht. Der Verlust des Status einer veritablen Metropole kann ihm – der die reiche Kultur des Berlin der späten zwanziger und frühen dreißiger Jahre nicht allein aus der Perspektive des Konsumenten, sondern auch aus der des Produzenten gekannt hatte – kaum verborgen geblieben sein. Dennoch, Berlin war der Ort, den er 1922 zum Leben gewählt, der ihm persönlich manche Freundschaft, beruflich manchen Erfolg ge208

bracht und der ihm, wie man so sagt, glänzende Aussichten versprochen hatte. Warum also keinen neuen Anlauf in der alten Heimat nehmen? Herrey wusste, dass ein Antrag auf den Status als »Verfolgter im Sinne des § 1 des Bundesgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (BEG)« zustimmend beschieden werden würde. Seine weiteren Ansprüche beim Entschädigungsamt Berlin vertrat Dr. Arthur Brandt, schon in der Weimarer Republik ein namhafter Berliner Rechtsanwalt, der in die USA emigriert und nach Berlin West remigriert war, wo er bald eine von eigener Erfahrung geprägte Leidenschaft für das Thema Entschädigung entfaltete. Herrey hatte Brandt wohl schon in den späten zwanziger Jahren schätzen gelernt, war doch der Advokat auch Präsident des Deutschen Auto-Clubs (DAC) gewesen, für den Herrey als junger Architekt eine Untersuchung über den Autoverkehr Berlins gemacht und dabei geprüft hatte, an welchen Verkehrsknoten der Hauptstadt der Bau von Garagen sich lohnen würde. Im Frühjahr 1957 wurden Herrey von Seiten des Amtes eine »Soforthilfe für Rückwanderer« in Höhe von sechstausend Deutsche Mark und, aufgrund seines »Schadens« im Beruf 1933, zwei zinslose Darlehen von zusammen 27 000 Deutsche Mark gewährt. Sie sollten einem Wagnis dienen: der Gründung eines Büros zugleich für Architektur und Szeno­ graphie. Das Amt sah folglich Summen für das Gehalt des Architekten und Szenographen, für das eines Assistenten und einer Sekretärin, für die Miete, die Möbel, die Apparate, ja selbst für ein Automobil der

Als Herrey Anfang Juli 1957 aus seinem Zimmer an der Eichenallee 41 in eine Wohnung an der Klopstockstraße 2 zog, war dieser Schritt mehr als ein Schritt. Es war ein Sprung. Sicher, das Zimmer an der Eichenallee und die Wohnung an der Klopstockstraße hatten etwas gemein. Sie lagen beide nicht in den für Berlin typischen Quartieren mit Vorderhaus, Hinterhaus und Seitenflügel; die Bauten waren vielmehr in sattes Grün getaucht. Aber was für ein Unterschied im Übrigen! Herrey zog nicht in irgendeinen Neubau, sondern in die sogenannte »Giraffe« nördlich der Straße des 17. Juni. Von Klaus Müller-Rehm – um 1930 Mitglied der Gruppe Junger Architekten (GJA) – mit Gerhard Siegmann entworfen, hat das Punkthochhaus siebzehn Geschoss und 165 Wohnungen mit je einem Zimmer, Küche und Bad, gedacht für solche Männer, die damals »Junggesellen«, und für solche Frauen, die damals »Fräulein« genannt wurden. Herreys Wohnung lag im neunten

Hermann Herrey, 1958

Marke Volkswagen zum Preis von fünftausend Deutsche Mark vor. Keine Frage, der Kredit hatte ein enormes Volumen, war jedoch mit der Bedingung verbunden, dass die Tilgung der Schulden in Raten schon knapp drei Jahre später, nämlich Anfang Januar 1960, beginnen sollte. Mehrfach durch wochenlange Reisen unterbrochen, wohnte Herrey von September 1956 bis Juni 1957 in einem Zimmer der Pension Stiller, Eichenallee 41. Die nicht eben breite Straße liegt im alten Wes­t­­ end, einer der Kolonien teils hübscher Villen, die während des letzten Drittels des neunzehnten Jahrhunderts an den Rändern Berlins gebaut worden waren. Alles steht hier im Raster, alles zwischen und hinter Bäumen. Wie um die Städter Natur zu lehren, säumen Eschen die Eschenallee, Linden die Lindenallee, Rüstern die Rüsternallee, Ulmen die Ulmenallee. Die Eichenallee führt in gerader Linie über den kreisrunden Branitzer Platz als der mächtig grünen Mitte des Ganzen. Hier herrscht noch heute eine Ruhe, die erstaunt, ja ergreift, wenn man vom Theodor-Heuss-Platz kommt – der in den fünfziger Jahren noch Reichskanzlerplatz hieß – und schon die ersten Bäume nördlich seiner Mittelinsel das Rauschen des Verkehrs zu schlucken scheinen.

Eingang zur »Interbau« Berlin, im Hintergrund das Wohnhochhaus »Giraffe« von Klaus Müller-Rehm und Gerhard Siegmann, 1957 PLANEN UND BAUEN FÜR BERLIN 1956–1958

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Obergeschoss, wies mit einer Wand genau nach Süden, mit einer Wand genau nach Osten, maß zweiundvierzig Quadratmeter und bot dem Nutzer einen schmalen Balkon mit Fernblick auf die Ruine der KaiserWilhelm-Gedächtnis-Kirche. Dort zu wohnen war ein Glück. Für einen Architekten wie Herrey war es: ein Bekenntnis zur Moderne. Das Punkthochhaus war nämlich Teil des neuen Hansaviertels gleich östlich des weiten Bogens der S-Bahn-Trasse zwischen den Bahnhöfen Tiergarten und Bellevue, war Teil der »Interbau«, die am 6. Juli 1957 ihre Eröffnung als fröhliches Ereignis feierte. Prominente Architekten – unter ihnen Alvar Aalto, Walter Gropius, Arne Jacobsen, Oscar Niemeyer, Pierre Vago – hatten die Wohnscheiben und Wohntürme entworfen. Nachdem Berlin West schon allein aufgrund des Mangels an privatem Kapital bis Mitte der fünfziger Jahre kaum hatte bauen, in dieser Hinsicht mit den Leistungen westdeutscher Großstädte kaum hatte Schritt halten können, war nun dank des Engagements von Stadt und Staat endlich ein Zeichen gesetzt worden. Ja, die wohlkomponierte Siedlung mit ihren rund 1200 Wohnungen für rund 3500 Bewohner war ein Fanal. Berlin West demonstrierte den Europäern nicht allein seine Rückkehr zur Architektur des Modernismus, sondern auch zum Geist der Zeit. Wie populär die Interbau war, zeigt die Tatsache, dass die Freiluftschau im Lauf des langen, heißen Sommers 1957 von über einer Million Menschen besucht wurde, viele davon aus den östlichen Bezirken Berlins. Journalisten schrieben Reportagen, die das Hansaviertel in höchs­ ten Tönen lobten. Joachim Besser zum Beispiel, renommierter Autor der Tageszeitung »Die Welt«, gab seiner fast hymnischen Eloge den Titel »Himmel, Bäume und Licht sind hier zu Gast« und fragte seine Leser, ob man sich nicht »freuen« dürfe, »in einem Jahrhundert zu leben, in dem solche Dinge möglich sind«. Besser war vor allem in die Bauten Aaltos und Vagos »verliebt«, hatte aber auch über die »Giraffe«, zu deren Füßen der Eingang zur Interbau lag, nur Gutes zu sagen: »Vergessen wir nicht das Punkthaus der Berliner Müller-Rehm und Siegmann, dessen Geschosse teilweise bezogen sind. Schon sitzen die Bewohner unter lustigen Schirmen auf ihren Balkonen. Während wir unten in brütender Hitze schmoren, weht ihnen oben kühler Wind um die Stirn. Sie schweben über der Erde wie Götter, die dem Irdischen entrückt sind. Die ich sprach, sind glücklich in ihren praktischen Wohnungen.« Herrey nutzte seine Wohnung auch als Büro. Ein Jahr nach seinem Umzug aus dem Westend in das Hansaviertel – im Juli 1958 – kam Erna Herrey aus New York. Gestützt auf ein Stipendium der National Science Founda­ tion (NSF) der USA, hatte sie eine Professur an der Technischen Universität Berlin, war dort mit einer vergleichenden Untersuchung der Ausbildung von Physikern in den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundes­ republik Deutschland befasst. Auch die beiden Söhne kamen. Es scheint, als ob für die Herreys das Jahr 1958 ein Jahr glücklichen Auflebens war. 210

Der Wille zur Hauptstadt und Weltstadt Wenngleich nur dank hoher Summen Geldes aus öffentlichen Quellen, hatte Berlin West seine ökonomische Situation seit Beginn der fünfziger Jahre Stück für Stück bessern können. So kam es, wie erwähnt, ab Mitte der fünfziger Jahre in der Halbstadt zu regem Buddeln, Baggern, Bauen. An der Nord-, der West- und der Südseite des Platzes um die Kaiser-WilhelmGedächtnis-Kirche sowie in nächster Nähe, das heißt am unteren Kurfürstendamm und an der Hardenbergstraße, vor allem an deren Ende, das heißt am großen, neuen Rondell des Ernst-Reuter-Platzes, wuchsen Büro- und Geschäftshäuser mit strengen Rastern aus dem Boden, alle von sehr berlinischen Architekten, die besten von Paul Schwebes und Hans Schoszberger entworfen. Nach der Euphorie um die Sozialutopie Interbau brach die Stimmung des Schaffens und Strebens nicht ein. Vielmehr sollten nun der Aufbau, der Umbau und – am meisten erwünscht – der Neubau erst recht in Fahrt kommen. Es sollte nicht mehr um diesen oder jenen Stadtteil, es sollte um das ganze Berlin gehen. Wohl aus diesem Grund erfolgte im März 1957, also noch vor Eröffnung der Interbau, die Auslobung eines Internationalen Städtebaulichen Wettbewerbs Hauptstadt Berlin. In der aus diesem Anlass edierten Broschüre mit den Vorgaben des Wettbewerbs wurde – mit jener Art »großer Schnauze«, die für das politische Berlin West lange fast typisch war – die Schaffung nicht allein einer »Hauptstadt«, sondern auch einer »Weltstadt« verlangt, obwohl jeder wusste, dass sich eine Weltstadt nicht am Reißbrett bilden ließ. Das Terrain der Planung hatte eine Größe von rund tausend Hektar, reichte vom Oranienburger Tor im Norden zum Mehringplatz im Süden, vom Charlottenburger Tor im Westen zum Alexanderplatz im Osten. Rückgrat des Stadtraums waren die Friedrichstraße als NordSüd-Achse und die Straße des 17. Juni / Unter den Linden als WestOst-Achse. Im historischen Zentrum Berlins, für das die Auslober des Wettbewerbs den Erhalt von knapp neunzig geschichtlich wichtigen, einzelnen Gebäuden forderten, sollte es keinen Platz für das Wohnen, keinen Platz für die industrielle Produktion, wenig Platz für die Gewerbe der Dienstleistung, aber viel Platz für die hohe politische und die hohe kulturelle Sphäre geben. Viel, um nicht zu sagen sehr viel Platz sollte auch der individuell motorisierte Verkehr haben. Vier »Tangenten« sollten sich um die Kernstadt, ein sechs Spuren breiter Ring in Höhe des existenten S-Bahn-Rings um die weiteren inneren Bezirke legen. Vier »Zubringer«, einer davon die existente Avus am Funkturm, sollten zu den Autobahnen Richtung Hamburg, Stettin, Dresden und München führen. Nach der Auslobung des Wettbewerbs griffen Berliner und andere Zeitungen das Thema auf, primär wegen seiner politischen Implikate. Je nach Tendenz der Blätter wurde die Unterstützung von Berlin

West oder die Gefahr der Trennung dieser von jener, jener von dieser Halbstadt betont. In der Wochenzeitung »Die Zeit« meinte Eka von Merveldt, bisher hätten die Planer beider Seiten im Stillen alles getan, um der Einheit des Stadtraums nicht zu schaden; nun aber müsse man sich fragen, ob nicht der Wettbewerb die »Spaltung zunächst krasser sichtbar machen« werde. Und in der Tageszeitung »Die Welt« meinte Anna Teut, der Westen habe den Osten, der Senat den Magistrat »unnötig vor den Kopf gestoßen« und dem Wettbewerb »einen gefährlich illusorischen Charakter verliehen«. Die herrschaftliche Geste, auf dem Hoheitsgebiet eines andern Staates zu planen, ohne dass auch nur ein Fachmann aus diesem andern Staat – der im Wes­ ten vehement negierten Deutschen Demokratischen Republik – als Preisrichter in das Preisgericht berufen worden wäre, war Ausdruck des »Alleinvertretungsanspruchs« der Bundesrepublik Deutschland. Doch sosehr das Verfahren um den Wettbewerb ein Zeichen von Propaganda, nicht von Diplomatie war, hatten die Querelen auf die Qualität der etwa hundertfünfzig Beiträge des Wettbewerbs letzten Endes keinen Einfluss. Woher die zugleich faszinierende und irritierende Radikalität der Konzeptionen vieler Planer rührt, liegt auf der Hand. Sie rührt aus der Mission der Avantgarde des Urbanismus, aus dem Wunsch der Auslober des Wettbewerbs nach dem Entwurf nicht allein einer Hauptstadt, sondern auch einer Weltstadt, aus dem Ideal der Gliederung und Lockerung des räumlichen und baulichen Gefüges, aus der Präferenz für den Verkehr mit dem Auto, schließlich aus dem Blick auf die vier großen Luftbilder, publiziert in der Broschüre mit den Vorgaben des Wettbewerbs. Zwar wird durch die Fotos – eines mit der Ansicht vom Mehringplatz Richtung Norden, eines mit der Ansicht vom Leipziger Platz Richtung Osten – bei genauerem Betrachten klar, dass nach Räumung der Trümmer noch alle Korridore existierten; doch manche Karrees waren nur mehr plane Terrains, viele nur mehr mit ein paar Hinterhäusern, nicht mehr mit den Vorderhäusern längs der Straßenschläuche präsent. Was lag da näher, als den Grund- und Aufriss der Großstadt des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts zu verneinen und auf diese oder jene Weise den ästhetischen Kriterien zu folgen, die Le Corbusier dreißig Jahre zuvor in den Abschnitten »Das Stadtbild« und »Nach Menschenmaß« und »Der Stolz« seines Buches »Städtebau« propagiert, also zugleich gefordert und gefeiert hatte? Nachdem das Preisgericht des Wettbewerbs sein Ergebnis im Juni 1958 bekannt gemacht hatte, wurden sämtliche Arbeiten in den Messehallen am Funkturm zur Schau gestellt. Drei der mit Preisen bedachten Entwürfe stachen, ob ihrer konzeptionellen Qualitäten, aus der Masse hervor. Es war erstens die Akropolis oder Hochstadt mit ihrem 1500 Meter langen wie breiten Plateau von Bauten für die höchsten

politischen Funktionen: das Projekt von Marion Tournon-Branly, Pierre Devinoy, Jean Faugeron und Bernard de La Tour d’Auvergne. Es war zweitens die Verkehrsstadt mit ihrer Trennung einerseits der Straßen für Autos unten, anderseits der Stege für Menschen oben: das Projekt von Alison und Peter Smithson. Es war drittens die Stadtlandschaft mit ihren Bauten im Grünen: das Projekt von Hans Scharoun. Community oder Architektur Und Herrey? Den hatte die Auslobung des Wettbewerbs Hauptstadt Berlin offenbar begeistert. Nach Durchsicht der Broschüre mit den Vorgaben des Wettbewerbs – Ist und Soll kommen dort durch etwa vierzig Karten und zig Fotos in jeder Hinsicht gut zum Ausdruck – hatte er dem beim Berliner Senator für Bau- und Wohnungswesen tätigen Regierungsdirektor Friedrich Fürlinger in einem Schreiben vom 7. Mai 1957 sogar eigens für die »wahrhaft riesengroße«, für die »sorgfältige, weitsichtige, großzügige Vorarbeit« gedankt. Mag sein, dass die Graphiken und Legenden der Broschüre dem remigrierten Architekten die mühsame Entstehung und Darstellung des eigenen Manhattan Plan wieder zum Bewusstsein gebracht hatten. Aber hätten ihm, nach den Jahren in den USA, vor allem nach der Arbeit mit den Planern John Merriman Gaus und John Bland, Idee und Konzept dieses deutschen Wettbewerbs nicht fremd sein müssen? In den USA hatte Herrey gelernt und in Texten über »organischen Urbanismus« auch selbst erklärt, dass es bei der Entstehung und Entwicklung von Stadt primär nicht um rasches Bauen, sondern um die mähliche Herstellung von Gemeinschaft unter freien und gleichen Bürgern, um die Produktion von »community« geht. In Berlin aber ging es, wie schon bei den Wettbewerben der zwanziger Jahre, im Wesentlichen um das Unterbringen von Geschossflächen, um das Verteilen von Gebäuden auf planiertem Areal. Für dieses Problem war Herrey nicht blind noch taub. In dessen Nachlass an der Cornell University, Ithaca / New York liegt ein Text mit dem Titel »Was ist denn eigentlich Städtebau?«. Dabei handelt es sich um das Exposé eines Lichtbildvortrags; Herrey sprach vermutlich auf Einladung sei es von Wolfgang Sand an der Technischen Universität (TU) Berlin, sei es von Klaus Müller-Rehm oder Karl Otto an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste (HfBK) Berlin; Sand, MüllerRehm und Otto waren Mitglieder der Gruppe Junger Architekten (GJA) gewesen und mit Herrey gut bekannt. Der Inhalt des Vortrags lässt darauf schließen, dass er 1957 oder 1958 im Kontext des Wettbewerbs Hauptstadt Berlin verfasst wurde. Herrey schreibt, es gebe zwischen dem amerikanischen und dem europäischen Ansatz zur Planung von Städten eine »breite Kluft«. Amerikaner würden Städte auf Basis ökonomischer und sozialer Fakten PLANEN UND BAUEN FÜR BERLIN 1956–1958

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Hermann Herrey, Internationaler Städtebaulicher Wett­ bewerb Hauptstadt Berlin, Plan für Friedrichstadt und Spreeinsel, oben links Humboldt-Universität, Neue Wache und Zeughaus, unten links Französischer Dom, Schauspielhaus, Deutscher Dom am Gendarmenmarkt, 1958

weitestgehend ohne Architekten planen; Europäer würden Städte mit Blick auf die Qualitäten von Architektur und Infrastruktur planen; zwischen diesen Polen schwanke die Haltung der jungen Planer in Britannien und den Niederlanden, die man gleichwohl zu den »Besten« der Zeit rechnen müsse. Was die Antwort auf die immer wieder neue Frage nach dem Wesen der Stadt betrifft, so greift Herrey auf Gedanken der Vorträge zurück, die er Ende 1943 in Boston und Ende 1944 in Philadelphia hielt. Häuser, Straßen und Plätze seien nur das »Gefäß« des genuin Urbanen. »Die Stadt, das sind die Menschen.« Deren »Meinungs- und Willensbildung« erfolge in »spontanen Prozessen«, für die der bedingungslos zugängliche, öffentliche Raum von großem Belang sei. Ob im Guten oder Schlechten, das physische Resultat der Planung wirke wie ein Gesetz der Natur; es könne oft erst Generationen später außer Kraft gesetzt werden. Verkehr und öffentlicher Raum Gemessen an den Gedanken des Vortrags »Was ist denn eigentlich Städtebau?« ist Herreys Beitrag zum Wettbewerb Hauptstadt Berlin eine teils amerikanische, teils europäische Sache. Selber seit Juni 1957 Mitglied des Bundes Deutscher Architekten (BDA), gewann er die weit jüngeren Berliner Kollegen Fritz Böger, Klaus Franke und Horst Haseloff – alle drei mit Diplom der HfBK – für eine Vor-, Zu- und Mitarbeit. Wiewohl Herreys Projekt nicht die konzeptionellen Qualitäten der Akropolis à la Tournon-Branly, der Verkehrsstadt à la Smithson, der Stadtlandschaft à la Scharoun erreicht, ist es doch von klaren Ideen geprägt. 212

Zwei Themen, die den Urbanisten und Architekten schon früh und vor allem in den USA interessiert hatten, müssen ihn auch bei dieser Arbeit bewegt haben: Verkehr und öffentlicher Raum. Herrey ging davon aus, dass in etwa fünfzig Jahren – also um 2008 – der Verkehr in Berlin etwa fünfmal so dicht sein würde wie von den Auslobern des Wettbewerbs erwartet. Daher schlug er vor, die vier ohnehin geplanten Tangenten mit je zwei Etagen zu versehen, sie mit je einer Tiefstraße für Lastkraftwagen (LKW) und Omnibusse und je einer Hochstraße für Personenkraftwagen (PKW) zu bauen. Dass Herrey dafür eintrat, viele Straßen nur als Einbahnstraßen zu nutzen; dass er dafür eintrat, auf der Spreeinsel und in der Friedrichstadt als Teilen der Mitte Berlins weitere, von den Auslobern des Wettbewerbs gar nicht geplante Auf- und Abfahrten zu schaffen, die den Fahrer mit Schwung bis vor die Türen der großen, neuen Bürohäuser geführt hätten: Beides macht deutlich, dass sich der Autor auf Ideen und Konzepte stützte, die er während der vierziger Jahre für seinen Manhattan Plan entwickelt hatte. Indes, das Wachstum des individuell motorisierten Verkehrs in Europa war nie so heftig und würde nie so heftig werden wie in Amerika. Zwar mochten viele Deutsche die Straßenkreuzer von Cadillac und Chevrolet, hielten das Automobil an sich für ein Zeichen von Freiheit. Aber ließ sich aus solchen Träumen schlüssig folgern, Berlin werde vom Strom und Stau der Wagen erdrückt werden, falls es nicht bald Kilometer um Kilometer neuer Straßen baue? Das den Raum der drei barocken Berliner Vorstädte westlich der Spreeinsel prägende Achsenkreuz Friedrichstraße / Unter den Linden

Plan für den Spreebogen, links Kongresshalle, rechts Gebäude des Deutschen Reichstags

bleibt in Herreys Entwurf ein starkes Gerüst, was wohl auch die Auslober des Wettbewerbs wünschten. Herrey folgend, sollte die Friedrichstraße zu ihrer linken wie rechten Seite von einer »Promenade« gefasst, auf ihrer ganzen Länge von 3300 Metern auf eine Breite von zweihundert Metern gebracht werden, sodass zwischen den Spuren Richtung Norden zum Oranienburger Tor und Richtung Süden zum Mehringplatz ein Mittelstreifen hätte gebaut werden können, der als »Bazarstraße« mit ein oder zwei Geschoss hohen Läden genutzt werden sollte. Beide Enden der Friedrichstraße sollten durch vierzig Geschoss hohe Wolkenkratzer machtvoll markiert werden. Herrey müssen Bilder der Champs-Elysées, der Fifth Avenue, der Lijnbaan vor Augen geschwebt haben, als er die damals mit einem Querschnitt von fünfzehn bis siebzehn Metern recht schmale Friedrichstraße zu einem Symbol, ja zu einem Triumph neuen Lebens machen wollte. Die Frage, ob dieser Hybrid seine Pendants in Paris, in New York, in Rotterdam in den Schatten gestellt hätte, wollen wir lieber ohne Antwort lassen. Anders als die Nord-Süd-Achse Friedrichstraße sollte die WestOst-Achse Unter den Linden, mit 1500 Metern nicht einmal halb so lang, ihren Charakter weitgehend bewahren. Herrey schlug aber vor, den Boulevard in gerader Linie über die Schlossbrücke und durch das Areal der barocken Residenz der Hohenzollern, die schon vor Jahren gesprengt worden war, bis an die Ecke des Berliner Rathauses zu führen; was dem Sitz der städtischen Regierung wie des städtischen Parlaments eine prominente Position beschert und statt der monarchischen die kommunale Präsenz im Herzen Berlins überraschend deutlich betont hätte. Identisches sahen Architekten vor, deren Pläne, wie im

Fall Marion Tournon-Branly, von der Jury mit einem Ankauf bedacht oder, wie im Fall Richard Döcker, in die Gruppe der engsten Wahl geholt wurden. Die Stelle des Domes, eines Pracht- und Prunkstücks unter den historistischen Architekturen Berlins, hätte – wenn Herreys Projekt realisiert worden wäre – eine jener erwähnten Auf- und Abfahrten besetzt. Diese Straße hätte sich wie eine Brücke über die Fortführung des Boulevards gespannt. Auf diese Brücke hätte sich ein krummer Riegel gelegt, der bei einer Nutzung als Pavillon mit Restaurant seinen Gästen eine schöne Aussicht nach Westen bis auf die Rosse über den Pfeilern des Brandenburger Tores, nach Osten bis auf den Uhrturm des Rathauses gegönnt hätte. Wie wohl die meisten Teilnehmer des Wettbewerbs löste Herrey den Raster und die Blöcke, die Figur und die Masse der Friedrichstadt auf, kehrte die Relation von Textur und Objekt in solcher Weise um, wie es für Architekten des Modernismus in jenen Jahren üblich war. Dieser Vorschlag machte es dem Autor möglich, ein Kontinuum öffentlicher Räume zu schaffen. Auf einer Zeichnung Herreys erscheinen die politisch, kulturell und ästhetisch wichtigen Gebäude, errichtet in der Spanne zwischen dem ersten Drittel des achtzehnten und dem ersten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts, als plastische Juwele in neuen Frei- und Grünräumen, die je an zwei oder drei Seiten von glatten Riegeln und glatten Scheiben gefasst werden. Die Räume um die Bauakademie, um die Friedrichswerdersche Kirche, zwischen Oper und Alter Bibliothek, vor dem Ensemble von Deutschem Dom, Schauspielhaus, Französischem Dom, diese Räume öffnen sich, gehen einer in den andern über. Was gleich östlich des PLANEN UND BAUEN FÜR BERLIN 1956–1958

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Gendarmenmarktes und gleich südlich der Friedrichswerderschen Kirche liegt, ähnelt gar einem Stadtpark, wo Wasser aus dem Kanal der Spree einen kleinen See bildet. Neben der Spreeinsel, der Friedrichstadt und dem Achsenkreuz Friedrichstraße / Unter den Linden war der Spreebogen mit dem von Feuern des Krieges geschwärzten, seit Jahren verwaisten Gebäude des Deutschen Reichstags und mit dem weiten Platz der Republik eines der Gebiete des Wettbewerbs, um dessen Entwicklung sich viele Planer besonders kümmerten. Herreys Entwurf sieht auf dem Terrain der Biegung des Flusses ein Bauwerk mit großer Auffahrt vor; das sich nach Süden wie eine Muschel öffnende Gebäude sollte wahrscheinlich den Sitzungen des Deutschen Bundestages dienen. Der Koloss des Deutschen Reichstags aber hätte als Archiv des deutschen Parlamentarismus eine zwar neue, doch seiner Geschichte gemäße Aufgabe bekommen. Wiewohl der schon erwähnte, kritische Artikel von Anna Teut in der Tageszeitung »Die Welt« für die Teilnehmer des Wettbewerbs keine Rolle hatte spielen können – das Blatt druckte diesen Text erst Wochen nach Abgabe der Arbeiten –, fällt doch auf, dass auch Herrey, um es mit der Autorin zu sagen, die »junge Demokratie« nicht durch ein Gehäuse mit den »Emblemen der Großväter« repräsentiert sehen wollte. Ende einer falschen Hoffnung Wir schreiben den 21. Juni 1958. Drei Tage nachdem das Preisgericht des Wettbewerbs das Ergebnis des Verfahrens bekannt machte – Herreys Projekt hat den zweiten Rundgang erreicht –, bietet »Die Welt« ihren Lesern einen Beitrag des aus Dresden stammenden Architekten und Publizisten Hugo Zehder. Doch was für ein Wandel der Stimmung! Keine Spur mehr von jener Freude, die ein Jahr zuvor das vielleicht Schönste am Ereignis Interbau war. Statt Jubel nur Skrupel. Und schon im Titel der Seufzer: »Pläne, Pläne. Wann wird das alles je gebaut?« Es wird nicht gebaut werden. Juroren wie der Hamburgische Oberbaudirektor Werner Hebebrand und der Hannoversche Stadtbaurat Rudolf Hillebrecht, die den arg propagandistischen Charakter des Wettbewerbs in ihrer Korrespondenz zur Sprache brachten, mögen diese Wendung der Sache geahnt haben. Auf jeden Fall gilt dies für den Zeichner Wolfgang Hicks. Für Eka von Merveldts Beitrag »Wie soll die Hauptstadt aussehen?« in der Wochenzeitung »Die Zeit« vom 4. April 1957 schuf er eine prophetische Karikatur. Man sieht ein Stück Stadtplan, vier Herren mit langen Nasen an der Seite im Westen, vier Herren mit langen Nasen an der Seite im Osten. Und zwischen ihnen, mitten durch die Straßen: eine Mauer. Wie sie 1961 gebaut werden würde. 214

Von der liberalen Synagoge zum Haus der Jüdischen Gemeinde Obwohl Herrey bei der Gründung seines Büros in Berlin West die Absicht gehabt hatte, sich gleichermaßen der Architektur wie der Szenographie zu widmen, blieb seine Tätigkeit als Architekt wesentlich auf die Teilnahme am Wettbewerb Hauptstadt Berlin, am Wettbewerb Haus der Jüdischen Gemeinde Berlin und am Wettbewerb Theater der Stadt Trier beschränkt. Beide Berliner Aufgaben musste er in rascher Folge in Angriff nehmen; die erste und größere hielt ihn ab April 1957, die zweite und kleinere ab Oktober 1957 und jene wie diese bis Januar 1958 fest. Der Wettbewerb Haus der Jüdischen Gemeinde lässt sich nur auf den Begriff bringen, wenn man eingangs auf das Bauwerk eingeht, das zuvor an genau derselben Stelle der Fasanenstraße, zwischen der Kantstraße und dem Kurfürstendamm, zwischen dem Viadukt der Stadtbahn und der Villa Ilse stand: die liberale Synagoge Charlottenburg. Geweiht 1912, hatte der Bau nach dem Entwurf Ehrenfried Hessels seinen Stil teils von byzantinischen, teils von aquitanischen, auf jeden Fall vor- und frühromanischen Architekturen geborgt. Im Stadtraum nicht allein kraft ihrer Masse, sondern auch kraft ihrer sieben Giebel und drei Kuppeln präsent, war die mit zweitausend Sitzplätzen wirklich große Synagoge im Zweiten Weltkrieg bis auf das äußere Gemäuer zerstört worden. Es hätte stehen bleiben können, wenn nur die Jüdische Gemeinde und der Senat von Berlin West als die Regierung der Kommune seinen Erhalt gewollt hätten. Aber, sie wollten nicht. Für die Sprengung der leeren, schwarzen Hülle wurden drei Gründe genannt: erstens die Planung eines Tunnels, für dessen Bau die Straße vor der Synagoge breiter gemacht werden sollte; zweitens die Größe des Hauses, die dem Leben der längst viel kleineren Jüdischen Gemeinde nicht gerecht werden konnte; drittens der Historismus der Architektur, den damals so gut wie niemand mochte. Einzig Alfred Gellhorn, Berliner Architekt der Sachlichkeit und Teilnehmer des Wettbewerbs, sparte nicht mit Kritik. Dass ausschließlich besonders wertvolle, weil plastische Partien der Stirnseite des Gebäudes vor dem Abriss bewahrt wurden – der Baldachin unter dem Rundbogen des Eingangs und die Strebepfeiler mit ihren geschossweisen Doppelsäulen vom linken wie rechten Rand des mittleren Risalits –, war für Gellhorn Anlass zum Klagen. In einem »Nachwort« seiner Verfassererklärung heißt es, das Gebot des Gebrauchs der Spolien möglichst vor dem Neubau sei »kein Ausgleich« dafür, dass einer so »markanten« Ruine wie der liberalen Synagoge Charlottenburg der Schutz als Denkmal »versagt« worden sei.

Hermann Herrey, Haus der Jüdischen Gemeinde Berlin, Grundriss Erdgeschoss, 1958

Auslober, Teilnehmer, Preisrichter Den Engeren Wettbewerb Haus der Jüdischen Gemeinde lobte der Senator für Bau- und Wohnungswesen Rolf Schwedler am 5. Oktober 1957 aus. Zur Teilnahme lud er zehn Büros. Aus Berlin waren es die Büros von Alfred Gellhorn; Hermann Herrey; Walter Kuhnert; Rainer G. Rümmler / Günter Haase / Dietrich Wolf; Hans Schaefers; Eugene Stolzer; Heinz Völker / Rudolf Grosse. Aus Bochum war es das Büro von Dieter Knoblauch / Heinz Heise. Aus Frankfurt am Main war es das Büro von Hermann Zvi Guttmann. Aus Tel Aviv war es das Büro von Werner Joseph Wittkower / Erich W. Baumann. Wie der Lebenslauf eines jeden der Teilnehmer, spiegelt auch der eines jeden der Preisrichter deutsche Geschichte im zwanzigsten Jahrhundert wider. Für wie bedeutend der Auslober das Verfahren hielt, kommt darin zum Ausdruck, dass unter andern Hans Scharoun zum

Juror bestimmt worden war und der namhafte Architekt sicher zum Präsidenten der Jury gewählt worden wäre, hätte er nicht auf die Tätigkeit als Preisrichter verzichtet, wohl weil er nicht mit Senatsbau­ direktor Hans Stephan in ein und derselben Jury sitzen wollte. In der Tat hatten Scharoun und Stephan ein äußerst gespanntes Verhältnis, da Stephan seit den späten dreißiger Jahren zum engsten Kreis der von Albert Speer geführten Generalbauinspektion (GBI) Adolf Hitlers gehört hatte. Aufgrund der Absenz Scharouns war klar, dass Stephan den Vorsitz der Jury übernehmen würde. Zwei weitere Personen, die zu den Preisrichtern zählten, seien noch erwähnt: Heinrich Julius Reifenberg und Heinz Galinski. Reifenberg war erst nach Palästina, dann nach Britannien geflohen und hatte in London den Umbau der Synagoge am Belsize Square besorgt. Galinski hatte in den späten dreißiger Jahren PLANEN UND BAUEN FÜR BERLIN 1956–1958

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Hermann Herrey, Haus der Jüdischen Gemeinde Berlin, Grundriss erstes Obergeschoss

eine Weile halb versteckt in Berlin gelebt, war nach Auschwitz verschleppt worden und hatte seit den späten vierziger Jahren den Vorsitz der Jüdischen Gemeinde Berlin inne. Rundling und Riegel Was man selbst bei flüchtigem Anschauen sieht: Dem Beitrag Herreys eignet jene Qualität des Schwebenden und Schwingenden, Luftigen und Lockeren, die oft als Merkmal besserer Beispiele der Architektur der fünfziger Jahre genannt und gegen den Vorwurf, diese Bauten würden bloß einem »Nierentisch auf Rastergrund« gleichen, in Stellung gebracht wird. Die Vorprüfer des Wettbewerbs notierten, mit einem Raum von 14 950 Kubikmetern liege Herreys Projekt rund 1650 Kubikmeter über dem Durchschnitt aller zehn Arbeiten. In Grundriss wie Aufriss zeigt sich gleichwohl kein massiges Volumen; vielmehr zeigen sich ein Rundling und ein Riegel, ein Haupt- und ein Nebenteil, die jeder ihren Eingang haben und doch durch eine lichte, sockelhafte Wandelhalle zu einem großen Ganzen werden. Was die Verteilung der Gebäude und der Nutzungen betrifft, so verfährt Herrey im Grunde nicht anders, als Hessel bei der liberalen Synagoge verfuhr. Primäre Funktionen liegen an der Südseite des Grundstücks im Rundling, sekundäre Funktionen 216

an der Nordseite des Grundstücks im Riegel. Fast scheint es, als ob die Lage von Rundling und Riegel ein Okroi ihrer Nachbarn, ein Diktat der Villa und der Stadtbahn sei. Herreys Interesse an einem quasi theatralen Entree, das sich schon an der Gestaltung des Schuhhauses Jacoby betrachten lässt, hatte Einfluss auch auf seinen Vorschlag für das in hohem Maße öffentliche Haus der Jüdischen Gemeinde. Wer hier von der Straße kommt, wird im Vorhof, drei Stufen tiefer als das Niveau des Bürgersteiges, unter einem Baldachin und einem Vordach an eine breite Schwelle mit fünf Stufen geführt, die weit links und weit rechts von Doppelsäulen flankiert werden. Beide, der alte Baldachin und die alten Doppelsäulen, sind freistehende Skulpturen aus Muschelkalk und noch durch ihre symmetrische Position eine prononcierte historische Reminiszenz an die alte liberale Synagoge. Erst hinter der Schwelle fängt das durch und durch Neue, durch und durch Leichte an: die Wandelhalle und, in Fortsetzung der Achse erst des Baldachins, dann des Vordaches, eine Treppe mit drei Läufen, will sagen einem Antritt und zwei Armen nach links wie rechts und hinauf in den Saal. Da dieser Raum etwa siebenhundert Sitzplätze bieten und er neben der kulturellen Aktivität als Ball- wie als Betsaal dienen sollte – weshalb

Ansicht von Westen

Ansicht von Süden

auf der Bühne auch Platz für einen Schrank oder Schrein mit den Thorarollen zu planen war –, blieb allein die Möglichkeit, das Innere ohne spezifisch sakrale oder spezifisch profane Anmutung, das Äußere hingegen so zu gestalten, dass dieses Bauwerk sofort als Mitte des Ganzen zu erkennen gewesen wäre. In Herreys Entwurf hat der Saal die Figur eines Ovals, das durch Stauchung eher breit als tief wirkt. Bei seiner Hülle handelt es sich um ein Tragwerk aus Stahl und schräge Wände aus Glas. Was aber auf keiner Zeichnung, sondern nur durch das kleine Modell ins Auge springt: Herreys Projekt sieht für das Dach des Saales ein ungemein bewegtes Gebilde vor. Zusammengenommen ähneln dessen Unter- wie Oberseite, da sie aufgrund der Glashaut von außen mit demselben Blick erfasst werden können, einem hyperbolischen Paraboloid, das heißt einer Fläche mit Doppelkrümmung, einer hängend, einer wölbend, einer konvex, einer konkav. Falls dieser Saal gebaut worden wäre, Journalisten hätten sicher Worte wie »elegant« oder »filigran« oder »transparent« benutzt, um ihren Eindruck zu schildern. Dass der Auslober des Wettbewerbs im Programm des Hauses neben einem großen noch einen kleinen Saal wünschte, wundert nicht, wenn man bedenkt, dass die Jüdische Gemeinde auch zu Vorträgen und Empfängen einladen, ja zu »Cocktailparties« bitten wollte. Herrey

schlug vor, den kleinen Saal und die Bibliothek als gleichfalls sehr öffentliche Teile des Hauses in das Eingangsgeschoss des Riegels zu legen, wo sie jeder schon von draußen hätte sehen können. Im ersten Obergeschoss finden sich, außer der Wohnung und den beiden Büros des Verwalters, das Empfangs-, das Sprech-, das Schreib- und das Lesezimmer des Klubs. Im zweiten Obergeschoss setzen sich dessen Räume mit der Bar und andern Zimmern fort, die sämtlich der Entspannung, der Vergnügung, der Gesellschaft in Gesellschaft dienen, wofür Herrey selbst – wie sein Q Theatre zeigt – stets ein Faible hatte. Im dritten Obergeschoss strömt Frisch- und Freiluft; es ist eine nach drei Seiten bis an die Brüstung offene Terrasse, die bei schönem Wetter auch als Teil des Restaurants genutzt werden kann, dessen Küche und Speisezimmer ein Geschoss tiefer liegen. Im vierten Ober­ geschoss erfolgt die Unterweisung von Kindern und Jugendlichen im Glauben; dort ist Raum für eine Schule mit vier Klassen und weit über hundert Schülern. Wenn die Betonsteine mit Platten aus porösem römischen Travertin bedeckt, die Fensterscheiben mit dünnen Metallrahmen gefasst worden wären – was zu vermuten wir uns erlauben –, so hätte man diese Details später als typisch für die Sprache des Bauens PLANEN UND BAUEN FÜR BERLIN 1956–1958

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Hermann Herrey, Haus der Jüdischen Gemeinde Berlin, Ansicht des Riegels von Süden und Norden

jener Jahre erkannt. Ohne dass sie Antwort auf die Frage nach dem Material gibt, bietet Herreys Zeichnung mit dem Aufriss des Riegels von der Seite des Hofes unter dem Aspekt der Relation von Wand und Loch eine schöne Lösung. Denn frei von dem, was in den fünfziger Jahren als »Rasteritis« geschmäht wurde, expliziert die Fassade – dank ihres Wechsels breiter und schmaler Achsen sowie ihrer Bindung des ersten an das zweite, des zweiten an das erste Obergeschoss – von Etage zu Etage die Differenz der Funktion. Zur formalen Kohärenz der Bauten gehört auch, dass der Wechsel der Achsen nicht allein für den Riegel, sondern auch für die Hülle des Saales im Rundling gilt. Lohnt es sich, weiter nach Spuren kontemporärer Architekturen in Herreys Entwurf für das Haus der Jüdischen Gemeinde zu suchen? Bestimmt. Der Eindruck vom Dach des großen Saales als einem hyperbolischen Paraboloid führt bald auf Matthew Nowickis J. S. Dorton Arena in Raleigh / North Carolina und auf Erich Schellings Schwarzwaldhalle in Karlsruhe, die beide von 1952 bis 1953 errichtet und beide ein Jahr später in Frei Ottos Buch »Das hängende Dach. Gestalt und Struktur« unter dem Aspekt ihrer Konstruktion besprochen wurden. Doch auch in nächster Nähe des Grundstücks an der Berliner Fasanenstraße, wo das Haus der Jüdischen Gemeinde gebaut werden sollte, gibt es Architekturen, mit denen Herreys Projekt ein Verhältnis teils deutlicher, teils heimlicher Verwandtschaft hat: etwa das Haus des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) von Paul Schwebes und Friedrich Demmer oder der – nicht nur wegen der Gegenrichtung der Krümmung von Halle und Foyer aus der Umgebung springende – Konzertsaal der Hochschule für Musik (HfM) von Paul Baumgarten, die beide 1954 fertiggestellt wurden und beide an der Fasanenstraße stehen; ferner das »Bikinihaus« von Paul Schwebes und Hans Schoszberger aus dem Jahr 1957, das an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche steht und mit seinem gestreckten Luftgeschoss, einem Novum in Berlin, Passanten zum Staunen brachte. 218

Ein folgenloser Ankauf Das Preisgericht des Wettbewerbs tagte am 5. Februar 1958. Was im Lauf der Sitzung mit Herreys Entwurf geschah, scheint typisch für viele solcher Jurys zu sein. Architektur, die man aus welchen Gründen auch immer nicht realisiert sehen möchte, deren spezifische Qualitäten man indes nicht ohne Verlust an Autorität außer Acht lassen kann, wird gern mit einem Ankauf bedacht. Es hieß, die Konstruktion einerseits des krummen Daches auf dem Rundling, anderseits der luftigen Terrasse im dritten Obergschoss des Riegels würde zu hohen Kosten führen. Auch die Reinigung der gläsernen Umhüllung des großen Saales würde aufgrund der schrägen Stellung der Scheiben teuer werden. Kurz, das Preisgericht monierte, Herreys Projekt sei zu »aufwendig«. Aufwendig? Herreys Entwurf war in der Tat voller Aufwand und Anspruch. In einem Brief an den Senator für Bau- und Wohnungswesen vom 1. November 1957 hatte er zahlreiche Rückfragen zur genauen Aufgabe des Wettbewerbs formuliert. Eine davon hatte zum Vergleich das große Kulturzentrum der Young Men’s Hebrew Association (YMHA) mit der Theresa L. Kaufmann Concert Hall an der Ecke von 92nd Street und Lexington Avenue in New York erwähnt. Doch dieser Vergleich mit einem für Manhattan typischen Gebäude aus dem Jahr 1930 und mit einem Saal, der über neunhundert Sitzplätze hat, macht klar, dass Herrey im falschen, das heißt viel zu großen Maßstab gedacht hatte. Zwischen der einen Jüdischen Gemeinde Berlin und den vielen Jüdischen Gemeinden New Yorks lagen Welten. Zu einer Zeit, wo die Frage »Was suchst du im Land der Mörder?« noch immer gestellt wurde, wollten die wenigen Jüdischen Gemeinden deutscher Städte im Raum der Stadt offenbar nicht auffallend in Erscheinung treten. Dieser Hintergrund der Entscheidung des Preisgerichts war Herrey vermutlich nicht bewusst. Den ersten Preis im Wettbewerb Haus der Jüdischen Gemeinde Berlin bekamen die Architekten Dieter Knoblauch und Heinz Heise. Was nach deren Plänen gebaut wurde, das ist – man scheue sich nicht, es zu sagen – Architektur von frappierender Banalität.

19  REGIE UND SZENE KLASSISCHER STÜCKE 1956–1958

»Ich entschied vor zwei Jahren, meinen Beruf für eine Weile zu wechseln. Ich wurde in der Tat einer der wenigen prominenten Regisseure Deutschlands und werde vielleicht Intendant eines der führenden Theater Deutschlands. Sicher, ich hatte, anders als du, in Amerika keinen Erfolg. Aber, ich schiebe das einfach weg und springe von einer Inszenierung zur nächsten! Mich überschwemmen Rollenbücher und mich umgeben Schauspieler. Ich stehe immer in Verhandlung mit Theatern; was oft dramatischer ist als ein Drama auf der Szene je sein könnte.« Diese Zeilen schrieb Hermann Herrey an Hans Liepmann. Was er den Schwager aus erster Ehe und Arzt in New York in einem Brief unter dem Datum des 7. Februar 1959 wissen ließ, das zeugt von einem strotzenden Bewusstsein betreffend die eigene Fähigkeit nicht allein als Regisseur und Szenograph, sondern auch als Intendant. In Kenntnis der späteren, traurigen Geschichte – der vom Scheitern Herreys in Berlin West – mag man erstaunen, ja erschrecken und die Frage stellen, woher dieses Vertrauen rührte. Die Antwort fällt nicht schwer: Es rührte aus der Kette kleinerer wie größerer Erfolge, die Herrey bis Ende 1958 an Theatern erst in St. Gallen, dann in Berlin, dann in Konstanz, dann in Berlin, dann in Wuppertal hatte feiern können, die noch Mitte 1959 um einen Erfolg in Hamburg ergänzt und erst Ende 1959 in Berlin jäh unterbrochen werden würde. Stillstand auf und vor der Bühne: Das Darmstädter Gespräch Als Herrey erstmals nach über zwanzig Jahren Exil wieder deutschen Boden betrat, als er von Mitte August bis Mitte Dezember 1955 in einer Reihe von Städten deutscher Sprache weilte, um nach Stücken für die Opus Society for the Presentation of Works of Art zu suchen und um zu prüfen, ob eine Rückkehr nach Deutschland sich lohne, da lag am Theater vieles im Argen. Der Diskurs um dessen Wohl und Weh hatte in den Tagen vom 23. bis 25. April 1955 mit dem fünften »Darmstädter Gespräch« unter dem Titel »Theater« seinen Zenit erreicht. Zehn Jahre nach Ende des Weltkriegs hatte sich in der neuen, lichten Otto-Berndt

Halle der Technischen Hochschule Darmstadt die Prominenz zum Resümee versammelt: die Intendanten Helmut Henrichs von den Städtischen Bühnen Wuppertal-Solingen, Oscar Fritz Schuh vom Theater am Kurfürstendamm Berlin, Hans Schweikart von den Münchner Kammerspielen und Gustav Rudolf Sellner vom Landestheater Darmstadt; die Regisseure Gerhard F. Hering aus Stuttgart und Heinz Dietrich Kenter aus Essen; die Dramaturgen Hans-Joachim Bunge aus Berlin, Kurt Hirschfeld aus Zürich und Egon Vietta aus Darmstadt; die Kritiker Herbert Ihering aus Berlin, Johannes Jacobi aus Hamburg und Walther Karsch aus Berlin; die Autoren Friedrich Dürrenmatt aus Neuchâtel, Hans Henny Jahnn aus Hamburg und Reinhold Schneider aus Freiburg im Breisgau. Keiner der Kontrahenten mochte leugnen, dass es während der letzten Saisons hier und da eine exzellente Inszenierung mit besten Spielleitern, besten Schauspielern, besten Botschaften gegeben hatte. Doch alle trauerten um das Glück der Jahre von Mitte 1945 bis Mitte 1948, als sich in deutschen Städten der Spieltrieb wie ein Urtrieb Bahn gebrochen hatte, als den Deutschen das Leben auf und vor der Bühne so wichtig wie Brot und Milch geworden war, als Freie Gruppen nur so aus dem Boden geschossen waren, bis die Währungsreform mit der harten Deutschen Mark ihnen den Garaus gemacht hatte. Der Impuls der »Stunde Null« sei nun verbraucht; das Theater stagniere. Anders als in der Phase vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland sei nun das Theatrale nicht mehr »elementar«. Es hause nicht mehr in Ruinen, nicht mehr in Ballsälen, Turnhallen und Bierkellern ohne Heizung. Schön und gut, ein Theatergebäude nach dem andern sei eröffnet worden; aller Tage Abend brande Applaus auf die Bühne. Aber, man sei längst abonniert, etabliert, saturiert. Wer von heute – wo die Organisation der Kultur mehr und mehr privatisiert wird – auf das Darmstädter Gespräch 1955 blickt, den stimmt der Angriff auf die Subvention des Theaters besonders bedenklich. Niemand führte diese Attacke so vehement wie Egon Vietta. In seiner Kampfschrift »Katastrophe oder Wende des deutschen Theaters«, die den Teilnehmern des Gespräches druckfrisch vorlag, plädierte der REGIE UND SZENE KLASSISCHER STÜCKE 1956–1958

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Hermann Herrey, Termin- und Notizbuch, Doppelseite 30.11.–5.12.1955

an Martin Heidegger geschulte Essayist für den Bruch mit dem ganzen System des Kommunaltheaters. Vielmehr müsse das Theater seinen aus der Antike stammenden kultischen Charakter beleben; die Bühne müsse sich wieder zum »Ort der Offenbarung« machen. Dieser Vorschlag trug Vietta den Vorwurf ein, Ideen und Konzepten des Faschismus nahe zu stehen. Nicht dass solche Kritik schon in Darmstadt geübt worden wäre; doch manchem Künstler in der Otto-Berndt-Halle schwante, dass mit dem Strom öffentlichen Geldes das Bewusstsein schwinde, dass man das Publikum jeden Abend neu gewinnen, ja neu erobern müsse. Nach Meinung des Journalisten Friedrich Luft gehörten Theodor W. Adorno, Vertreter des Direktors des Instituts für Sozialforschung (IfS) der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main, und Friedrich Sieburg, Publizist im Umkreis der »Frankfurter Allgemeinen« und einer der Herausgeber der Halbmonatsschrift »Die Gegenwart«, zu den wichtigsten Beiträgern des Darmstädter Gespräches. Der Kulturkritik, ob von ›links‹ oder ›rechts‹, ob von Adorno oder Sieburg, fielen dieselben Mängel auf. Man war sich »einig«, dass hinter der »Versorgung« und »Betreuung« der Massen mit Kultur, sei es durch städtische, sei es durch staatliche Instanzen, eine »Vermischung von wirtschaftlicher und künstlerischer Sorge« stecke, welche die Sphäre des Kulturellen nivelliere. So werde bloß mechanisch konsumiert. Was bei Adorno die »Verwandlung in Coca-Cola« war, war bei Sieburg der »Automat«, aus dem neben Billigbüchern auch »Reisen an die Riviera« kämen. Adorno meinte: »Es wird alles geschluckt.« Sieburg meinte: »Es gibt in Deutsch220

land viel zu viel Theater.« Nur wo es darum ging, wer die Sache richten könne, gab es freundlich formulierte Differenzen. Adorno sah den Staat, Sieburg den Markt in der Pflicht. Auch wenn keiner der beiden Herren ein Wort zur Lage der deutschen dramatischen Literatur seit 1945 sagte, so hätten sie, wenn in der Sache befragt, die Klage der versammelten Intendanten, Regisseure und Dramaturgen sicher geteilt. Denn nach Carl Zuckmayers »Des Teufels General« 1946 und Wolfgang Borcherts »Draußen vor der Tür« 1947 war bis Mitte der fünfziger Jahre in deutscher Sprache kein Stück von größerer Bedeutung verfasst worden. Jüngere Autoren, meinte Kurt Hirschfeld, kümmerten sich gern um »Existenz« und »Transzendenz«, ungern um die Gesellschaft der Gegenwart. Wenn es um neue Texte ging, lebte das Theater der Bundesrepublik Deutschland von französischen und amerikanischen Importen, darunter John Patricks eher seichtes Stück »Das kleine Teehaus« und Herman Wouks eher zweifelhaftes Stück »Die Meuterei auf der Caine«, die beide seit Ende 1954 stadtauf, stadtab Premiere feiern konnten. Erst mit Friedrich Dürrenmatts »Der Besuch der alten Dame« 1956 und Max Frischs »Biedermann und die Brandstifter« 1958 würden zwei Schweizer Stücke auf den Spielplan kommen, die dem Publikum dank ihrer komplexen Themata zu denken geben würden. Aus der Stimmung »lustvoller Bitternis«, von der Luft im Nachtrag der Vorträge und Gespräche in der Otto-Berndt-Halle schreiben würde, brachen die Redner nur selten aus. Anlass zu gewisser Heftigkeit bot ein Schreiben Bertolt Brechts, das der am Berliner Ensemble

tätige Hans-Joachim Bunge verlas. Darin heißt es zum Schluss, die Welt könne auf dem Theater nur geschildert werden, wenn sie als eine von Menschen gemachte und von Menschen zu ändernde geschildert werde. Es versteht sich, dass dieser typisch Brechtschen Botschaft unter den Fahnen des Kalten Krieges gleich widersprochen wurde. Der aufgrund seiner Engagements in Hamburg und Zürich bekannte Schauspieler Will Quadflieg wehrte den Vorschlag ab: »Wenn wir den politischen Menschen bekommen, dann geraten wir in Verhetzungen und Vermassungen, und wir können niemals mehr künstlerisch rein fühlen und denken.« Walther Karsch, einer der Herausgeber des unter den Berliner Zeitungen führenden Blatts »Der Tagesspiegel«, schloss sich dieser Mahnung zur Darstellung des »Allgemein-Menschlichen« an. Gegen den Schluss des Brechtschen Briefes wusste er nur zu wüten: »Ick kenn det seit zehn Jahren, et hängt ma zum Halse raus!« Stillstand auf und vor der Bühne: Die Rebellion des Friedrich Luft Jemand, der das Darmstädter Gespräch genau verfolgt hatte, freilich ohne dort selber um ein Wort zu bitten, war der oben erwähnte Luft. Ihn einen Journalisten zu nennen wird seinem Einfluss nicht gerecht. Luft war während der fünfziger, sechziger und siebziger Jahre einer der prominentesten, weil profiliertesten Kritiker deutscher Sprache. In der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre war er, unter manchem Aspekt, gar ein Rebell. Man schrieb den 30. Januar 1955. In der letzten Nummer des Blatts »Die Neue Zeitung« – es war für sein intellektuell faszinierendes Feuilleton berühmt – glänzte Luft mit einem längeren, Satz für Satz hämmernden Artikel, dessen Mut und Kraft noch heute zu spüren sind. »Wann endlich betritt die Zeit die Szene? Betrachtung zum Zustand des Theaters« war keine Betrachtung, es war eine Abrechnung. Neue Werke von Dichtern, von Malern und von denen, die ernste Musik schaffen, stünden weit mehr im Hier und Jetzt, zögen daher auch weit mehr Streit nach sich als das, was auf deutschen Bühnen gespielt werde. Das Theater sei nämlich »aus der Mitte der Zeit gerutscht«, stehe »neben der Zeit«, habe »keine Zeit für die Zeit«. In Parkett und Loge herrsche »satte Ruhe«. Niemand wolle »irgendwelche Faxen«, niemand »sich die Augen öffnen lassen«. Wohl im Herbst 1955 publizierte Luft einen Aufsatz, der dem Leser schon mit dem Titel »Theater in Deutschland oder Das überfüllte Vakuum« deutlich machte, was der Autor zu sagen wünschte. Verfasst für den »Jahresring 55/56«, ein Jahrbuch des Kulturkreises im Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), war es dieser panoramatische Text, in welchem Luft von der oben erwähnten »lustvollen Bitternis« all derer schrieb, die wenige Monate zuvor in der Otto-Berndt-Halle durch Rede und Gegenrede ihre Sorge um das Theater zum Ausdruck gebracht hatten.

Am 10. Mai 1958 nahm Luft den Kampf noch einmal auf. In der Tageszeitung »Die Welt« erschien sein Essay »Der Skandal der Skandallosigkeit«. Was einst Alfred Polgar von einer Premiere in Leipzig habe schildern können, das für Skandale typische Phänomen »begeisterter Erbitterung« auf der einen und »erbitterter Begeisterung« auf der andern Seite, die explosive Mixtur von Pfeifen und Klatschen: Sie existiere nicht mehr. Wenn heute, aus Anlass einer Premiere etwa des Absurden Theaters, ein paar Buhs und Bravos zu hören seien, dann »kabeln es schon die Unken des Parketts wie einen Triumph in die Welt hinaus: Hurra, wir haben einen Skandal gehabt!« In Wahrheit hätten die Bühnen »den Skandal verlernt«. Sie wüssten gar nicht mehr, dass die JeanBaptiste Molière, Gotthold Ephraim Lessing, Henrik Ibsen, Carl Sternheim ihre Stoffe meist aus ihrer Zeit geschöpft hätten, dass ihr Theater Gegenwartstheater gewesen sei. Heute aber offeriere die Bühne nur »Mehltau von gestern« oder, um es mit Brecht zu formulieren, nur »Einschüchterung durch Klassizität«. Kein Intendant, kein Regisseur müsse fürchten, dass abends die Stühle seines Hauses zu Bruch gingen. »Ist ja auch kein Grund dazu da. Die Bühnen sind artig, und wir sind es auch.« Von Konstanz aus In Bezug auf seinen Beruf von andern Gedanken als denen der Teilnehmer des Darmstädter Gespräches und als denen des schneidigen Kritikers Luft geleitet, traf Herrey knapp vier Monate nach der drei Tage währenden Konferenz – genau gesagt: am 12. August 1955 – im Westen Deutschlands ein. Beladen mit der Erfahrung britischen Theaters in London sowie amerikanischen Theaters in New York und Cambridge, führte sein Eindruck von dem, was sich im ersten Drittel der Spielzeit 1955/56 auf deutschen Bühnen tat, wohl kaum zu einer Stimmung »lustvoller Bitternis«. Die Klage der Adorno, Sieburg, Vietta über das Theater als eine sei es städtische, sei es staatliche Einrichtung mit garantierter Subvention und daher »satter Ruhe« hätte Herrey wohl mit Sätzen wie ›Ihre Sorgen möcht’ ich haben‹ kommentiert. Auch sein Freund Heinrich Schnitzler, der im Oktober und November 1955 Gast des Schiller-Theaters Berlin West war und dort Regie führte, wird in der Sache ähnlich gedacht haben. Da Herrey nach Jahren der Absenz nicht damit rechnen konnte, dass man ihn noch als den jungen Bühnenbildner der legendären Inszenierung des »Faust« am Preußischen Staatstheater Schauspielhaus am Gendarmenmarkt Berlin 1932 in Erinnerung haben würde, war er eifrig bemüht, sich bei Intendanten, Regisseuren und Journalisten erneut ins Gespräch zu bringen. Mehrere Zeitungen – erst der »Südkurier« in Konstanz, dann »Der Tag« und »Der Kurier« in Berlin West, dann die »Abendzeitung« in München – publizierten zwischen Oktober und Dezember 1955 teils kürzere, teils längere Artikel. Die freundlichen Beiträge machen REGIE UND SZENE KLASSISCHER STÜCKE 1956–1958

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Hermann Herrey, Bühne »Der Widerspenstigen Zähmung«, drei Ansichten der Aufbauten unter Verwendung einer Drehbühne, 1956

Herreys Arbeit groß; der aus Österreich stammende Florian Kienzl macht sie, gewiss mit dem Wunsch zu helfen, größer, als sie war. Hier und da muss der Leser dieser Texte den Ton des zugleich Beschwörenden und Erleichterten gespürt haben. Gespürt haben muss er auch, dass die Autoren das Amerikanische am Herreyschen Habitus betonen, wohl weil in den fünfziger Jahren alles, was an Kultur aus den USA kam, als Vorbild galt. Bei seinem Versuch, sich am Theater zu etablieren, fand Herrey die erste bedeutende Unterstützung nicht in der Kapitale, sondern an einem Ort, der von Berlin weit, ja sehr weit entfernt liegt: in Konstanz. Hier hatte 1954 seine Frau Erna Herrey einerseits ihre Freundin Christl Gebauer, mit der sie Mitte der dreißiger Jahre in Athen an einem Pensionat unterrichtet hatte, anderseits ihre Freundin Barbara Weyl besucht. Von Kindheit an waren Erna Herrey, geborene Vohsen, und Barbara Weyl, geborene Thilo, einander verbunden gewesen. Die Familie Vohsen und die Familie des in der Mark Brandenburg tätigen Schäfereidirektors Hans Ludwig Thilo hatten beide in kleinen bürgerlichen Villen an der Genthiner Straße ganz im Süden des Bezirks Tiergarten gewohnt. Barbara Thilo war Malerin geworden und hatte 1935 den Verleger Johannes Weyl geheiratet; ihre Schwester Heide Thilo war ebenfalls Malerin geworden und hatte 1940 den später ob seiner Kritiken so geschätzten Friedrich Luft geheiratet. 222

Weyl hatte von 1926 bis 1944 dem Ullstein Verlag Berlin als Redakteur gedient; zuletzt hatte er das Zeitschriftenzentralbüro des schon früh »arisierten« Hauses geführt, wo auch die inhaltlich vom Oberkommando der Wehrmacht (OKW) bestimmte, für Propaganda in besetzten Gebieten gedachte Illustrierte »Signal« betreut worden war. Im Ullstein Verlag hatte Weyl den Kollegen Ludwig Emanuel Reindl kennengelernt, der von 1935 bis 1943 Redakteur des mit Themen aus Mode und Kultur befassten Magazins »Die Dame« gewesen und nach deren Ende in das Zeitschriftenzentralbüro bestellt worden war. 1945 hatte Weyl nicht mehr nach Berlin zurückkehren wollen, hatte vielmehr in Kons­tanz unter französischer Lizenz eine neue Zeitung – den »Südkurier« – zu verlegen begonnen und noch im selben Jahr Reindl für die Leitung des Feuilletons gewonnen. Herrey hielt sich im Herbst 1955 mehrfach in Konstanz auf. Er fand dort eine urbane Idylle, lief durch die Straßen und Gassen einer kleinen, alten Stadt am See, die von den Feuerstürmen des Weltkriegs, anders als das nicht weit entfernte Freiburg im Breisgau, so gut wie verschont worden war, weil sie dicht an der Grenze zur politisch neutralen Schweiz liegt. Das in nächster Nähe des romanischen Münsters stehende Gebäude des Theaters, einst Jesuitengymnasium, war seit 1607 ohne Unterbrechung für Schauspiel genutzt worden. Seit 1952 von Hans Erich Kreibig

geführt, bot das Haus mit seinen 490 Plätzen zu Preisen zwischen 0,80 und 4,80 Deutsche Mark Abend für Abend solides Kommunaltheater, wie es Herrey nicht in Britannien noch in Amerika hatte sehen können. Weyl, Reindl und Kreibig stammten nicht aus der Umgebung des Bodensees. Auf die Kultur in Konstanz, das damals knapp fünfzigtausend Einwohner hatte, nahmen sie kraft ihrer beruflichen Stellung dennoch großen Einfluss. Keine Frage, dass Herrey mit diesen Herren in Kontakt kam. Einer von den dreien war es wohl, der ihn an das Stadttheater St. Gallen empfahl. Die Schweizer Stadt liegt ja mit dem Auto keine Stunde von Konstanz entfernt. Und sie stand mit der deutschen Stadt in einem nicht nur touristischen Austausch. »Der Widerspenstigen Zähmung« Am 18. April 1956 feierte man im Stadttheater St. Gallen, einer nicht eben attraktiven Architektur des mittleren neunzehnten Jahrhunderts mit 840 Plätzen, die Premiere einer Inszenierung der Komödie »Der Widerspens­ tigen Zähmung« von William Shakespeare in der deutschen Fassung von Wolf Heinrich Baudissin. Die Zähmung Katharinas durch Petruchio einerseits, die Werbung der Edelleute Lucentio, Hortensio und Gremio um Katharinas Schwester Bianka anderseits: Dieses Lustspiel hielt Herrey für ein »Echo« Shakespeares auf die in England sonst wenig rezipierte Come­dia

dell’arte. Folglich brachte seine Regie die Handlung als hoch ­artifi­ziellen, dramatischen, turbulenten Vorgang auf die Bühne. Sein Konzept eines mobilen Theaters, das sich in der dauernden Bewegung sämtlicher Akteure äußerte, stützte sich auf den ersten Dialog zwischen dem zu Groteske neigenden Petruchio und der zu Ironie neigenden Katharina vom Beginn des zweiten Aktes. Bei diesem Hin und Her der Worte erklärt Petruchio, es habe ihn »bewegt«, um die Hand Katharinas zu bitten; worauf sie zur Antwort gibt: »Bewegt? Ei seht! So bleibt nur in Bewegung / Und macht, daß Ihr Euch baldigst heim bewegt: / Ihr scheint beweglich.« Shakespeares Globe Theatre London hatte dank seiner Vorder-, Hinter- und Oberbühne simultane Aktionen möglich gemacht. Es gab auf dem Gerüst, wie Herrey in Heft 19/1956 der »Blätter des Stadttheaters St. Gallen« schreibt, »mehrere Schauplätze, auf denen Schauspieler Schlag auf Schlag, hier, dort, unten, oben auftreten konnten, ohne die Suggestion des Spieles abreißen zu lassen.« Der spätere Guckkasten habe »dieses Nebeneinander in ein Nacheinander verfälscht«. Wer sich heute als Regisseur dem Theater der Elisabethaner nähern wolle, der müsse die Drehbühne zu Hilfe nehmen, weil nur sie – wie früher die drei Bühnen des Globe Theatre – den vor allem bei Stücken leichter Unterhaltung notwendig schleunigen Ortswechsel erlaube. REGIE UND SZENE KLASSISCHER STÜCKE 1956–1958

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Zum Glück fand Herrey in Karl Gotthilf Kachler, dem Intendanten des Stadttheaters St. Gallen, einen Mann mit starkem Interesse an der theatralen Maschinerie seines Hauses, sodass die Verwendung der Drehbühne, deren Durchmesser 9,30 Meter betrug, wohl kaum besonders genehmigt werden musste. Da Frank Wedekinds »König Nicolo oder So ist das Leben« und William Shakespeares »Der Widerspenstigen Zähmung« in Bezug auf den Ort ihrer beider Handlung etwas gemein haben – die Stadt der Renaissance Italiens –, konnte Herrey auf Teile seiner Arbeit in Lincoln Rekurs nehmen und sie in St. Gallen einer Revision unterziehen. Trotz dieser Chance zu einer Ökonomie des Kreativen, die aus der Wiederholung des Themas theatergemäßer Gestaltung städtischer Bauten und Räume einer distinkten Epoche rührte, waren die Lösungen der an sich verwandten Aufgaben sehr verschieden. Während Herrey in Lincoln das Mittel der Projektion genutzt hatte, nutzte er in St. Gallen das Mittel der Architektur; während die Bühne in Lincoln flach und breit gewirkt hatte, wirkte sie in St. Gallen tief und hoch. Hinten gefasst durch einen festen, runden, vom linken zum rechten Rand der Bühne fallenden Horizont mit einer in Rot und Gold gemalten Darstellung eines antiken römischen Gemäuers, standen auf der Holzscheibe der Drehbühne drei Elemente von Architektur: eine breite Treppe mit Steigung nach links, ein doppelter Baldachin mit größerem unteren und kleinerem oberen Geschoss, ein Rundturm mit äußerem wie innerem Zylinder, der innere aus dem äußeren ragend. Kritiker erkannten die 224

Einheit von Bühnenspiel und Spielbühne bei der Zähmung Katharinas durch Petruchio. »Die Ostschweiz« sprach von einem »Karussell«. Und das »St. Galler Tagblatt« schrieb: »Der Thespiskarren rollte hier wirklich.« »Herrenhaus«: Verfall einer Kolonialfamilie Dass Herrey, obwohl er Ende 1955 in Konstanz mit Wohlwollen empfangen worden war, erst Anfang 1958 am dortigen Kommunaltheater Regie führte, folgte unter anderm aus dem Wechsel der Intendanz von Hans Erich Kreibig zu Theo Stachels. Bei der Wahl des Stücks, mit dessen Inszenierung Herrey betraut wurde – »Herrenhaus« von Thomas Wolfe –, spielte sicher eine Rolle, dass der Regisseur und Szenograph immerhin fünfzehn Jahre seines Lebens in den USA verbracht hatte. Es würde aber nicht wundern, wenn in dieser Sache auch Reindl seinen Einfluss zur Geltung bringen konnte. Der Mann war in Konstanz eine Größe, war Redakteur des Feuilletons der Zeitung »Südkurier« sowie Ehrenmitglied des städtischen Theaters. Und er hatte als Redakteur des Magazins »Die Dame« den jungen Wolfe anlässlich der Olympischen Sommerspiele Berlin 1936 kennen- und schätzen gelernt, ja ihn um einen Essay ersucht, den das Journal unter dem Titel »Brooklyn, Europa und ich« 1939 auch gedruckt hatte. Das Wolfesche »Herrenhaus« ist ein Drama epischen Charakters. Es konfrontiert den Zuschauer mit der Geschichte des Verfalls einer gut situierten Kolonialfamilie und ihrer großen weißen Villa mit dem Wahl-

spruch »Nil separabit« auf der Höhe eines Hügels in Georgia zur Zeit des von 1861 bis 1865 geführten Amerikanischen Bürgerkriegs zwischen den Vereinigten Staaten (US) im Norden und den Konföderierten Staaten (CS) im Süden. Es ist vor allem die Geschichte des Verfalls der auf Sklaverei gründenden Epoche. Das Ende der alten Gesellschaft der Neuen Welt, also das Ende weißer Herrschaft und schwarzer Knechtschaft, prägt die persönlichen Beziehungen der zentralen Figuren des Stücks. General William Ramsay, Mutter Mary Ramsay, Sohn Eugene Ramsay, Sohn Ralph Ramsay, Major Robert Patton, Tochter Margaret Patton, Pächter Porter und Diener Todd: Ihrer aller Leben erfährt durch die Gewalt des Krieges einen Umbruch. Thematisch und strukturell rezipiert der Autor berühmte Vorbilder: William Shakespeares »Hamlet« und Anton Tschechows »Der Kirschgarten«. Eugene Ramsay ist Hamlet, Robert Patton ist Polonius, Mr. Porter ist Jermolaj Alexejewitsch Lopachin, Todd ist Firs. Nach einem Vorspiel über den Bau der Villa und die bei der Arbeit deutlichen, heftigen Spannungen zwischen Weißen und Schwarzen im Jahr 1735 beginnt die eigentliche Handlung mit einem Fest, das über hundert junge Männer bei den Ramsays an einem Abend des Frühlings 1861 feiern, bevor sie tags drauf in den Krieg um die Sezession des Südens stürmen. Während Vater William um den Sieg bangt, macht sich Sohn Eugene über das Gebaren der Kadetten lustig. Wiewohl er für den Triumphalismus derer, die den Gegner im Norden »zu Staub lachen« wollen, nur Hohn und Spott hat, bleibt er seiner Familie treu, rückt mit Vater William und Bruder Ralph am nächsten Morgen ins Feld. Als zwei der drei Männer, Vater William und Sohn Eugene, nach vier Jahren Krieges im Frühling 1865 nach Hause kommen, müssen beide nicht allein mit der Niederlage des Südens und, als deren Folge, mit dem Verbot der Sklavenhaltung leben, sondern auch mit dem Verfall der Villa ihrer einst stolzen Familie. Mit der politischen Naivität des braven Robert Patton, des Vaters seiner Geliebten Margaret, rechnet Eugene in einer grandiosen Szene ab. Während er über den Betrug der Jugend und die Hölle des Krieges klagt, tritt Mr. Porter hinzu. Vom Pächter zum Kaufmann mutiert, durch Handel mit Holz zu Geld gelangt und gierig auf den Besitz der Villa, drängt er Vater William zum Verkauf des gesamten Anwesens. Dieser unterzeichnet das Vertragspapier; Stunden später stirbt er. Wütend verlässt Sohn Eugene den Ort. Ein paar Jahre drauf tönt lautes Hämmern aus der Villa. Zimmerleute demolieren das alte Bauwerk, weil der neue Eigentümer es will. Eugene kehrt als Vagabund zurück, hilft beim Abbruch, sucht Mr. Porter zu töten, tritt auf die Veranda und reißt, dem Simson der Bibel verwandt, die längst morsche Säule mit dem »Nil separabit« aus ihrem modrigen Fundament. Die heillose Geschichte endet mit dem Einsturz der Villa, die alle und alles unter sich begräbt. Zum Schluss ruft eine ferne Stimme: »Zu Staub, meine Herren. Zu Staub.«

Werner Rebhuhn, Einband »Herrenhaus«, 1953

Herreys Regie der Inszenierung des Wolfeschen »Herrenhauses« am Konstanzer Theater litt unter Zeitdruck, weil Intendant Stachels als Termin für den Probenbeginn den 6. März, als Termin für die Premiere den 26. März 1958 fixiert hatte. Dass eine Produktion nach drei Wochen Arbeit stehen musste, war an kleineren Theatern der fünfziger Jahre keine Seltenheit. Indes verlangt die Tragödie um die Ramsays, Pattons und Porters eine äußerst sorgsame Licht- und Tonregie. Herrey hatte Stachels schon in einem Brief vom 5. Januar 1958 wissen lassen, dass – »um den Stimmungsreichtum des Stücks zu voller Wirkung zu bringen« – man auf den Reiz von Licht und Ton viel Wert legen müsse. In der Tat eignet dem Drama manches von Film und Funk. Allein der Wechsel von Abend / Morgen / Abend / Morgen im Verlauf der drei Akte bedarf schöner Gestaltung durch den Regisseur und kluger Einrichtung durch den Techniker. Zu Beginn des ersten Aktes etwa liegt das Interieur der Villa im Dunkel, deren Veranda im fahlen Mondschein. Später flammen Lichter auf. Schatten von Burschen und Mädchen, die Walzer tanzen, huschen vorbei. Noch später sind Märsche, Dixie und immer wieder Signale von Trompeten zu hören. Geräusch folgt auf Geräusch: das Pfeifen von Winden, das Rauschen von Kiefern, das Tropfen von Wasser, das Prasseln von Regen, das Quietschen von Türen, das Knarren von Rädern, das Wiehern von Pferden, das Klappern von Hufen, das Schlagen von Trommeln, das Läuten von Glocken, das Summen von Sklaven. REGIE UND SZENE KLASSISCHER STÜCKE 1956–1958

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Hermann Herrey, Inszenierung »Herrenhaus«, links Claudia Losch

Links Arthur Pipa als Eugene Ramsay,

als Mary Ramsay, rechts Walter Bäuerle als William Ramsay, 1958

rechts Helga Bauer als Margaret Patton

»Herrenhaus«: Eugene Ramsay wider den Krieg In seiner vom »Südkurier« publizierten Kritik schreibt Reindl, eigentlich würden kleinere Theater mit einer Produktion des Wolfeschen »Herrenhauses« bühnentechnisch überfordert, weshalb sich auch bei der Premiere in Konstanz dieses oder jenes »Mißgeschick« ereignet habe. Im großen Ganzen lobt Reindl die Inszenierung. Als Texte aber sind andere Kritiken über Herreys Arbeit in Konstanz weit interessanter, weil informativer. Diese Texte stammen von Autoren, deren Namen wir leider nur als Kürzel kennen; sie stehen in örtlichen Zeitungen wie »Gränzbote« und »Schwarzwälder Bote«; sie handeln von einem Abstecher des Konstanzer Theaters nach Tuttlingen, von einer Aufführung in der dortigen Festhalle am Abend des 9. April 1958. Herrey, so heißt es bei den anonym bleibenden Autoren, habe Arthur Pipa – den Gast von den Württembergischen Staatstheatern Stuttgart in der Rolle des Eugene Ramsay – »nur sehr locker geführt«, habe ihn »allzu stürmisch über die Bühne springen«, dabei mal »dämonisch«, mal »hysterisch« werden lassen, hätte »sein Temperament etwas zügeln« sollen. Dennoch machte Pipa, neben Walter Bäuerle in der Rolle des William Ramsay, auf das Tuttlinger Publikum den wohl größten Eindruck. Auf manchen der Fotos scheint es, als habe Pipa

für jeden Ausbruch des Gefühls die Mimik, die Gestik und die Posen James Deans studiert, so ähnlich wirkt er als Träumer, Zweifler und rebellischer Romantiker jenem »Rebel Without a Cause«, der nach seinem Tod 1955 auch von deutschen Jugendlichen für Jahre auf eine Weise verehrt wurde, die sonst nur Heiligen und Heroen ziemt. Dass nach Ende der Vorstellung in der bis auf die letzten Plätze besetzten Festhalle Tuttlingen »langes Schweigen« herrschte, bevor die Spannung im Beifall sich löste, notieren die Autoren des »Gränzboten« wie des »Schwarzwälder Boten«. Für diese »Ergriffenheit« nennen beide auch den Grund: die »erschreckende Aktualität« des Bühnenvorgangs. Worin genau diese Aktualität bestand, davon sprechen die Texte mit keiner Zeile. Aber es liegt auf der Hand, dass deutsche Menschen der fünfziger Jahre in Betracht der repressiven politischen und sozialen Ordnung rund um die Villa Ramsay an ihre je eigene Erfahrung des Faschismus und des Weltkriegs dachten, dass gerade jüngere Zuschauer in der Figur des Eugene Ramsay ein Vorbild sahen. Allein diese Art der alle historischen Differenzen negierenden Rezeption des Dramas erklärt, warum im »Schwarzwälder Boten« beklagt wird, dass in der Aufführung jene große, scharfe Szene fehlte, in welcher Eugene Ramsay und Major Robert Patton über den Sinn des Bürgerkriegs streiten.

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Mittig Arthur Pipa als Eugene Ramsay

»Es ist praktisch Mord«, sagt der Rebell über das, was Männer einer dem andern im Kriege antun. Und fügt hinzu: »Wir werden der Tradition einen Tritt in den Hintern geben. Wir werden die Dinge so schildern, wie sie sind. Wir werden frei sein.« Es ist nicht wahrscheinlich, dass die Streichung solcher Sätze – das heißt solcher Attacken auf die Barbarei der Militärs – aufgrund eines Wunsches von Herrey geschah, war er doch selbst in den USA der späten vierziger und frühen fünfziger Jahre in Sachen Freiheit und Frieden in Erscheinung getreten. Nein, die Streichung muss vielmehr mit zwei heimischen Vorgängen verbunden werden: erstens mit dem Skandal um die Inszenierung von Wolfgang Borcherts »Draußen vor der Tür« am Stadttheater Konstanz im November 1956; zweitens mit der Entscheidung des Deutschen Bundestages für die Aufrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen im März 1958. Zum ersten Vorgang: Die Produktion des Borchertschen Schauspiels war nach ihrer Premiere von Reindl im »Südkurier« als ein Stück »bitterer Besinnung« und »Scham für die Zeit« mit Lob, von einem lokalen Redakteur in derselben Nummer der Zeitung jedoch mit Tadel bedacht worden, weil Regisseur Walter Czaschke in die »Versuchung« geraten sei, die Bühne für »Propaganda« gegen die neue, kaum ein Jahr alte bundesdeutsche »Wehrmacht« zu nutzen. Ein paar Tage später hatte

sich ein älterer Offizier in gleicher Sache bei Oberbürgermeister Franz Knapp beschwert, was den Kommunalpolitiker dazu gebracht hatte, Intendant Kreibig zu bitten, das Schauspiel vom Spielplan zu nehmen. Auf diesen Druck hatte Kreibig mit der Offerte reagiert, dem Konstanzer Theater zu kündigen, was den »Südkurier« zu einer klaren Stellungnahme für den Verbleib des Intendanten bewogen hatte. Zum zweiten Vorgang: Im Frühjahr 1958 hatte die vom Pazifismus geprägte Kampagne »Kampf dem Atomtod!« ihren Zenit erreicht. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) und die Freie Demokratische Partei (FDP) hatten ein Plebiszit über die von der Regierung Adenauer geplante weitere, schärfere Bewaffnung der Bundeswehr gefordert. In den späten Abendstunden des 25. März 1958 aber hatte der Deutsche Bundestag, mit den Stimmen der Christlich Demokratischen Union (CDU) und der Christlich Sozialen Union (CSU), den Beschluss zur Aufrüstung der Bundeswehr gefasst. Stachels, seit Ende 1957 Intendant des Stadttheaters Konstanz, wird versucht haben, beim »Herrenhaus« einem politischen Konflikt wie bei »Draußen vor der Tür« aus dem Wege zu gehen, gerade in seiner ersten Spielzeit als Hausherr und gerade in Rücksicht darauf, dass am Tag der Premiere des von Herrey inszenierten Wolfeschen Dramas sämtliche REGIE UND SZENE KLASSISCHER STÜCKE 1956–1958

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Hermann Herrey, Bühne »Hedda Gabler«, 1958

Zeitungen ausführlich über die Militärdebatte des Deutschen Bundestages berichteten. Wer am Morgen im Konstanzer »Südkurier« gleich auf der ersten Seite den Titel »Bundestag entschied für Atomwaffen« hatte lesen können, sollte der am Abend im Konstanzer Theater aus dem Munde Arthur Pipas in der Rolle Eugene Ramsays hören, die Jugend werde »von falschen, alten Männern durch schöne Reden über Treue und Heimat« getäuscht und zum Krieg verführt? Sollte die Kultur solchen Eigensinn, solchen Widerspruch wagen? Fehlte Stachels der Mut? Und was wollte Herrey? »Hedda Gabler« »Möge ihn St. Gallen bald wieder willkommen heißen.« Mit diesem Satz hatte der Kritiker des »St. Galler Tagblatts« seinen Beitrag über Herreys Inszenierung des Lustspiels »Der Widerspenstigen Zähmung« auf den Punkt gebracht. Auch in Konstanz hätte man sich wohl gefreut, wenn der Mann mit dem US Passport dort noch einmal Regie geführt hätte. Es waren jedoch die Intendanten zweier anderer Kommunaltheater, die um den amerikanischen Regisseur wirklich warben: Erich Schumacher von den Städtischen Bühnen Essen und Grischa Barfuß von den Wuppertaler Bühnen. Beide traten ihren Posten mit Beginn der Saison 1958/59 an; beide waren deshalb während des ersten Halbjahrs 1958, auch konkurrierend, um die Bildung eines Stamms von Künstlern an ihren Häusern im Rhein-Ruhr-Gebiet bemüht. Von zwei offenbar längeren Telefongesprächen, die Barfuß und Herrey am Abend des 23. Juni 1958 führten, liegt ein Gedächtnisprotokoll vor, das den Inhalt der Unterhaltung genau beschreibt. Barfuß bot Herrey demnach an, bei einer Produktion sei es von Georg Kaisers »Oktobertag«, sei es von Henrik Ibsens »Hedda Gabler« die Regie zu 228

führen und die Szene zu bauen. Herrey sagte ohne Zögern zu, das norwegische Drama auf die Bühne zu bringen. Barfuß legte Wert auf die Atmosphäre des Fin de Siècle und auf das Interieur des Art nouveau, während Herrey deutlich machte, diese Atmosphäre müsse »aus der Sicht des Jahres 1958 interpretiert« werden. Schon bis zu dieser Stelle, der Formulierung über die Spannung von Historizität und Aktualität einer bürgerlichen Tragödie des neunzehnten Jahrhunderts, gibt das Gedächtnisprotokoll des Telefongespräches wertvolle Hinweise auf Herreys Tätigkeit am Theater. Die weiteren Passagen des Dokuments bezeugen nicht allein, dass beiden Männern die Festigung ihrer bis dahin eher flüchtigen Kontakte wichtig war, sondern auch, dass einer des andern Ideen und Konzepte gut verstand, ja dass beide in allem Grundsätzlichen ein und dieselbe Meinung hatten. Barfuß fügte hinzu, er sehe die Arbeit an Ibsens Schauspiel nur als einen Beginn, dem später noch manche Inszenierung unter Herreys Regie folgen solle. Dieser war daher zum Schluss bereit, sich schon vor der ersten Premiere stärker an die Wuppertaler Bühnen zu binden und auf diese Bindung bei einem Engagement etwa in Essen Rücksicht zu nehmen. »Hedda Gabler«, dieser Eklat um eine Femme fatale, ist unter Ibsens Dramen vielleicht jenes, das den Stücken des von Herrey besonders geschätzten Frank Wedekind am nächsten steht. Sieht man vom Dienstmädchen Berta ab, so haben wir es mit einem Kammerspiel von sechs Figuren zu tun. Jörgen Tesman und Hedda Gabler sowie Ejlert Lövborg und Thea Elvsted bilden je ein Paar; hinzu kommen Tante Juliane Tesman und Anwalt Brack. Die junge Ehe zwischen dem dreiunddreißig Jahre alten Jörgen Tesman und der neunundzwanzig Jahre alten Hedda Gabler ist eine moralische Mesalliance. Er fixiert auf seine Tante, sie fixiert auf ihren Vater, fehlt beiden das Zeug zur Liebe als der

Hermann Herrey, Inszenierung »Hedda Gabler«, links Ingeborg Engelmann als Hedda Gabler, rechts Anke Tegtmeyer als Thea Elvsted

»Tugend der Persönlichkeit in Bezug auf die Persönlichkeit«, um einen Ausdruck des Philosophen Nicolai Hartmann zu wählen. Die Person löst sich vielmehr in Ehe, Beruf und andern Rollen auf; Egoismus und Altruismus sind nur Masken. Hedda Gabler verschmäht die Rolle des Weibchens in Salon und Boudoir, sucht das Majestuöse und Luxuriöse, fällt von Egomanie in Nihilismus, entfacht unter ihrer Brust – aus Langeweile, aus Lebenshunger – destruktive Energien. Nicht fähig, ihrer selbst Herrin zu werden, spielt sie die Herrin der andern. Vor allem möchte sie über Ejlert Lövborg herrschen, den genialen Konkurrenten ihres pedantischen Gatten in Bezug auf eine Karriere als Historiker. Daher spinnt sie eine Intrige, an deren Ende aber nicht allein der Selbstmord Ejlert Lövborgs, sondern auch der ihre steht. Herreys Inszenierung an den Wuppertaler Bühnen konnte am 5. November 1958 Premiere feiern. In Heft 5 der »Programmblätter für die Spielzeit 1958/59«, das aus diesem Anlass gedruckt worden war, finden sich gleich zwei Texte Alfred Kerrs: vorne Teile seiner »Gedenk­ rede« auf den norwegischen Dramatiker aus dem Jahr 1898, hinten einige Notizen »Zur Hedda Gabler« aus dem Jahr 1915. In den Notizen ordnet Kerr die Figuren: Hedda Gabler und Ejlert Lövborg nennt er »Traummenschen«, »Raubtiere«, »Ungestillte«; Jörgen Tesman und Thea Elvsted nennt er »Nutzmenschen«, »Haustiere«, »Befriedigte«. Interessanter als diese Opposition ist freilich, was Kerr in der »Gedenk­ rede« über die hermetische Struktur der Stücke Ibsens zu sagen weiß. Alle Prozesse seien »doppelt und dreifach verknüpft«; alle Figuren lebten in einer Art »Inzucht«, also ohne Bezug nach außen.

Es ist keine Frage, ob Herrey auf die Publikation der Kerrschen Texte in den »Programmblättern« Einfluss hatte. Aber es bleibt die Frage, was er meinte, als er Barfuß gegenüber am Telefon äußerte, die Atmosphäre der Tragödie müsse »aus der Sicht des Jahres 1958 interpretiert« werden. Den Schlüssel zur Antwort scheint der Titel zu liefern, den der Kritiker Herbert Leisegang seinem Beitrag im »General-Anzeiger der Stadt Wuppertal« gab: »In der Hölle Sartres«. Dieser Titel verweist auf den Satz »Die Hölle, das sind die andern«, den Joseph Garcin, Journalist und Deserteur, kurz vor Ende des auf deutschen Bühnen seit 1949 immer wieder gezeigten Schauspieles »Geschlossene Gesellschaft« von Jean-Paul Sartre spricht. Leisegang sah das Werk Ibsens, den man schon »verstaubt« genannt habe, durch das Werk Sartres zu neuem Leben erweckt. Dank des französischen Philosophen müssten wir uns wieder vor Augen führen, »was wir bereits zu den Akten gelegt wähnten«. In der Tat haben die Ibsenschen etwas mit den Sartreschen Figuren gemein. Sie können nicht voneinander lassen, nicht voreinander fliehen. Die Inzucht geschlossener Gesellschaften gebiert da wie hier dasselbe Gefühl. Auch Hedda Gabler könnte fluchen: »Die Hölle, das sind die andern.« Dass diese Hölle in einem eleganten Ambiente spielt, ist eine für Ibsen typische Finesse. Der Autor macht im Stücktext genaue Vorgaben über das Interieur der Villa. Zwar scheint es, als wünsche er eine Folge von Räumen, die den Übergang vom älteren Makart- zum jüngeren Jugendstil vollzogen haben; doch schreibt er zugleich dunkle Farben, viele Möbel, viel Nippes, ja sogar ein Portrait des Vaters der Hedda Gabler in Generalsuniform vor; was eher auf ein schweres, schwüles Ambiente schließen lässt. Herrey schuf ein räumliches Gefüge mit drei Zimmern, vorne in voller Breite der Bühne einen Salon, hinten mittig und hinten links zwei kleine Zimmer, jedes zu den beiden andern sich öffnend. Der Szenograph gehorchte den Ibsenschen Angaben, erlaubte sich allerdings, Teile von links nach rechts oder von rechts nach links zu schieben. So räumte er die Räume auf, ließ etwa in der Mitte den Tisch mit der Decke fort, damit zwischen den Körpern der Spieler mal Nähe, mal Ferne sein konnte und Platz zum Schleichen wie zum Schreiten war. Für die Essener Ausgabe der Tageszeitung »Die Welt« schrieb der junge Helmuth de Haas eine Kritik von nur sechsundvierzig Zeilen. Aber was für Zeilen! Die Sprache Ibsens sei »gestrafft, gerafft, entstaubt, entschwelgt« worden. »Ingeborg Engelmann hatte ihre große Rolle, spielte und spielte, schlanke Statur, scharfes Profil, schmales Gesicht mit hellen und dunklen Augen. Im Gestus locker, im Schreiten giftig und müde und gierig nach einer Tat, die das Leben in Flammen setzt.« Die letzten drei Zeilen lauten: »Applaus vor allem für die Engelmann und Hermann Herrey, den Regisseur aus den USA.«

REGIE UND SZENE KLASSISCHER STÜCKE 1956–1958

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20  REGIE UND SZENE ABSURDER STÜCKE 1957–1959

Außer für Inszenierungen erst am Stadttheater St. Gallen, dann am Stadttheater Konstanz, dann an den Wuppertaler Bühnen hatte sich Hermann Herrey auch für eine Produktion in Hamburg in die Pflicht nehmen lassen. In den von Ida Ehre geführten Hamburger Kammerspielen – wo 1947 »Draußen vor der Tür« und 1949 »Geschlossene Gesellschaft« ihr Publikum bestürzt hatten – fand am 7. September 1959 die Premiere von Liam O’Briens »Der bemerkenswerte Mr. Pennypacker« statt. Die Komödie handelt von einem Unternehmer mit gleich zwei Villen, zwei Fabriken und zwei Familien, eine mit acht Kindern in Wilmington / Delaware, eine mit neun Kindern in Philadelphia / Pennsylvania. Das Ganze spielt 1890, folglich zu Beginn der »Progressive Era« der USA. Das Drama um diesen Fortschrittsmenschen, diesen Bigamisten, diesen Mann voller Kraft und Saft kann nur einen herzensguten Schluss finden. Freilich musste sich, wie Johannes Jacobi im »Darmstädter Tagblatt« notierte, Karl John in der Titelrolle des Horace Pennypacker »die Zunge aus dem Halse parlieren«, damit zwei Ehefrauen sowie siebzehn Söhne und Töchter trotz aller Turbulenzen glücklich werden. Nach Berlin, nach Berlin Seit dem Weltkrieg, erst recht seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland mit ihren Bundesländern und deren kultureller Hoheit sah das räumliche Gefüge des Theaters nicht mehr wie früher aus. Es gab nun, wie beim Darmstädter Gespräch 1955 konstatiert, so etwas wie »Theaterlandschaften«. Hamburg, das Rhein-Ruhr-Gebiet, das Rhein-Main-Gebiet, Stuttgart, München: Sie alle waren – wie Berlin West – künstlerisch autarke Provinzen von je eigener Qualität, waren also ohne Primus, ja selbst ohne Primus inter Pares. Um bekannt zu werden, musste man nicht in den Westteil der alten Hauptstadt ziehen; man konnte in Bochum oder Darmstadt bleiben. Herrey hätte sich von Düsseldorf oder Wuppertal auf den Weg Richtung Osten machen können. Aber der Regisseur und Szenograph wollte keinen Umweg, sondern von Anfang an das Berliner Theater einnehmen. 230

Was in den späten vierziger Jahren die »Stunde Null« und die »Schöne Not« der darstellenden Künste genannt worden war, diese Zeit lag auch hier weit zurück. Seit an jedem Sonntag wieder Braten mit Soße auf den Tisch kam, stießen auch hier existentielle Provokationen beim Publikum kaum noch auf jene Passion, die sie gleich nach dem Weltkrieg hatten wecken können. Starke konzeptionelle Oppositionen – man denke an das Berlin der Weimarer Republik mit Jürgen Fehling auf der einen, Erwin Piscator auf der andern Seite des theatralen Spektrums –: Sie existierten nicht mehr. Berlin West hatte es nicht einmal vermocht, Gustaf Gründgens, Fritz Kortner, Karl Heinz Stroux zu halten. Noch gab es Graphiker, die abends im Parkett saßen und Skizzen schufen, die zwei Tage später in Blättern wie »Der Abend« oder »Der Kurier« die Rezension illustrierten; noch gab es Autoren, die gleich nach dem letzten Vorhang in das Büro der Redaktion fuhren und zwanzig Zeilen schrieben, die am nächsten Morgen in Blättern wie »Der Tag« oder »Die Welt« auf der ersten Seite standen. Aber ein Interesse wie bei der Premiere von Jean Cocteaus »Orpheus« – zwanzig Kritiker waren in der Nacht vom 5. auf den 6. Januar 1929 in den Saal mit der »Versuchsbühne« des Theaters am Schiffbauerdamm geeilt –: Das war seit Mitte der fünfziger Jahre nur noch selten zu spüren. Äußerlich betrachtet gab es keinen Grund zu klagen. Wer die »Deutschen Bühnen-Jahrbücher« zur Hand nimmt, etwa den Band 1960, findet dort Daten über Daten zur Lage in Berlin West. In der Halbstadt boten damals drei kommunal und sieben privat geführte Theater Abend für Abend Programm. Die drei kommunalen Betriebe mit zusammen 3074 Plätzen waren, gereiht nach Größe: die Städtische Oper im Theater des Westens an der Kantstraße, das SchillerTheater an der Bismarckstraße, das Schloßpark-Theater im WrangelSchlößchen an der Schloßstraße. Die sieben privaten Betriebe mit zusammen 3529 Plätzen waren, wieder gereiht nach Größe: die Freie Volksbühne im Theater am Kurfürstendamm, das Hebbel-Theater an der Stresemannstraße, das Renaissance-Theater an der Ecke von Hardenbergstraße und Knesebeckstraße, die Komödie am Kurfürsten-

Eingang Theater Tribüne, Berlin West, 1955

damm, das Berliner Theater an der Nürnberger Straße, die Tribüne an der Otto-Suhr-Allee, die Vaganten-Bühne im Keller des Delphi-Hauses an der Kantstraße. Der Drei-Häuser-Komplex mit dem Schiller-Theater, dem Schloß­ park-Theater und, ab 1959, der Schiller-Theater-Werkstatt hatte unter Generalintendant Boleslaw Barlog im Westen die Führung inne, sollte nach dem Willen des Senats von Berlin gar so etwas wie ein Deutsches Nationaltheater sein. Die Freie Volksbühne, das Hebbel-Theater, zu schweigen von den kleineren privaten Theatern, sie alle waren für Barlogs Bühnen, die dann und wann als »Gemischtwarenladen« mit »buntem Spielplan« kritisiert wurden, keine wirkliche Konkurrenz. Diese kam aus dem politisch und kulturell fernen Osten, aus Berlin Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik. Häuser wie Walter Felsensteins Komische Oper an der Behrenstraße oder Helene Weigels Berliner Ensemble im Theater am Schiffbauerdamm übten damals, besonders für Besucher aus andern Ländern, eine weit größere Anziehung als ihre Pendants im Westen aus. Was die Kritiker betrifft, so fällt bei der Lektüre von Artikeln der Jahre zwischen 1958 und 1960 auf, wie stark die Wahrnehmung des Theaters in Berlin West differiert; ob das Geschehen von innen oder

von außen betrachtet wird, macht einen Unterschied. Von innen klagt Friedrich Luft: »Wenn Berlin seine Theater nicht mehr ernst nimmt, wenn der Milchmann wie der Intellektuelle sich nicht mehr am nächs­ ten Morgen über eine Premiere die Zunge zerreißt und man sich nicht mehr interessiert in die Haare kriegt, ist Berlin dann noch Berlin?« Von innen fragt Gerhard Wandel: »Hat Berlin noch kulturellen Einfluß?« Und von innen fragt Georg Zivier: »Ist Berlin noch die Erste Theaterstadt?« Diese Sorge, bei Wandel und Zivier schon im Titel der Texte deutlich, ist Johannes Jacobi aus Hamburg, Günther Rühle aus Frankfurt am Main und Gert H. Theunissen aus Köln eher fremd. Anlässlich der »Berliner Festwochen« 1958 sehen sie von außen auf die Halbstadt. Und würdigen deren Publikum. Jacobi schreibt in der Wochenzeitung »Die Zeit«, die Menschen in Berlin hätten einen »Instinkt für künstlerische Leistung«; dort zähle allein, was »gut gespielt« werde. Theunissen geht in der Wochenzeitung »Rheinischer Merkur« noch einen Schritt weiter. Die Berliner seien »theaterbesessen«, in Jubel wie Protest stets persönlich engagiert. Die »Solidarität« sei »elektrisierend«. Lob wie keiner spendet schließlich Kenneth Tynan, der 1954 im Alter von siebenundzwanzig Jahren Kritiker der renommierten Sonntagszeitung »The Observer« wurde und dank vieler Reisen mit dem Theater REGIE UND SZENE ABSURDER STÜCKE 1957–1959

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Europas gut vertraut war. Tynan schaut auf Berlin wie auf »Deutschland im Kleinen«, sieht die Stadt noch als Ganzes, während Zeitungs- und Rundfunkleute aus dem West- wie dem Ostteil längst in den Gräben des Kalten Krieges liegen und schreibend wie redend ihren Beitrag zur Spaltung des Landes leisten. Tynans Wertschätzung, ja Hochachtung für Berlin geht so weit, dass er von der malträtierten Metropole als der »Theaterkapitale« Europas schwärmt. Zwar kritisiert er in zwei Texten der Jahre 1956 und 1959 das gelegentlich »Hysterische«, »Dämonische«, »Teutonische«, diese Plage des Kreischens und Wisperns auf der Bühne, diese mit Beifall quittierten Tiraden, die der remigrierte Berthold Viertel »Reichskanzleistil« nannte und der remigrierte Bertolt Brecht zu bannen suchte; doch alles in allem biete Berlin eine »Kost«, die man nur mit »offener Anstiftung zu Völlerei« vergleichen könne. Anders als die Briten hätten die Deutschen die Meinung, mit Kultur dürfe man keinen Profit machen wollen; große Bilder müssten in eigenen Museen, große Stücke in eigenen Theatern zur Geltung kommen. Aus diesem Grunde gleiche Theater in Berlin einem »riesigen Gemälde«, in London aber bloß einer »mickrigen Vignette«. Da die Hyper-Kritik eines Luft, eines Wandel, eines Zivier, hier die Hypo-Kritik eines Tynan: Für Herrey war klar, dass er nach Berlin West wollte. An diesem Ort würde er zwischen 1957 und 1960 fünfmal inszenieren: »Die Stühle« von Eugène Ionesco 1957, »Die Zofen« von Jean Genet und »Jacques oder Der Gehorsam« von Eugène Ionesco 1958, »Landschaft mit Figuren« von Wolfgang Hildesheimer 1959 und »Macbeth« von William Shakespeare 1960. Bis auf die letzte Produktion waren sämtliche Arbeiten Abende im Rahmen der Berliner Festwochen, die alle Jahre von Ende September bis Anfang Oktober begangen wurden. In den »Almanachs« des von Gerhart von Westerman geführten Festivals hieß es Jahr für Jahr, diese Tage dienten der »Repräsentation des Kulturwillens Berlins«. War es also eine Ehre, dass Herrey für vier seiner Inszenierungen jeweils einen Auftrag vom Leiter der Berliner Festwochen hatte und dass ihm für diese Produktionen das Theater Tribüne bereitgestellt wurde? Immerhin war das Theater im Ottilie-von-Hansemann-Haus an der Otto-Suhr-Allee nahe dem Ernst-Reuter-Platz – trotz seines kleinen Saales mit nur dreihundert Sitzplätzen und seiner kleinen Bühne von nur neun mal sechs Metern – damals noch eine geschätzte Einrichtung. Beseelt von den Visionen des Expressionismus und den Idealen des Sozialismus, hatten der Dramaturg Rudolf Leonhard, der Regisseur Karl Heinz Martin und der Schauspieler Fritz Kortner die Tribüne im Herbst 1919 mit jungen Werken der Stürmer und Dränger Walter Hasenclever und Ernst Toller eröffnet, hatten aber schon wenige Monate später einer mit dem andern heftig im Streit gelegen, hatten dann ihr ›Kind‹ in die Obhut von Eugen Robert gegeben, der das Theater schließ232

lich zu einem Ort leichter Unterhaltung gemacht hatte. Nach dem Weltkrieg, dessen Feuer das Ottilie-von-Hansemann-Haus so gut wie verschont hatten, hatte erst Victor de Kowa die Tribüne geführt, bis im Herbst 1950 Frank Lothar zum Direktor des Theaters bestimmt worden war und dieser die Tribüne dank einer Mixtur aus Entertainment und Avantgarde am Leben hatte halten können. Vom Absurden Theater: Der Aufstieg »Die Stühle«, »Die Zofen«, »Jacques oder Der Gehorsam« und »Landschaft mit Figuren« sind Exempel des erst »abstrakt«, dann »absurd« genannten Theaters der fünfziger Jahre. Was lange zuvor Thomas Mann mit dem Duell der Leo Naphta und Lodovico Settembrini auf dem verschneiten Zauberberg zum Ausdruck gebracht hatte – dass die Erklärungsgebilde und Erlösungsgespinste politischer Theorien gleich welcher Couleur die Lage des Menschen nicht bessern, nicht einmal fassen können –, diese Einsicht schien nach dem Ausgang des Weltkriegs unter Intellektuellen geläufig geworden, ja in breite Teile der Gesellschaft gedrungen zu sein. Die Erde sei wüst, der Himmel leer, der Mensch ohne Grund, ohne Ziel, ohne Gott. Das Absurde der Existenz führe zu einer Stimmung, die von Angst um das Ich wie um die Welt beherrscht werde. Dieser Botschaft Samuel Becketts, der 1953 mit seinem »Warten auf Godot« und 1957 mit seinem »Endspiel« der Dekade wichtige geistige Stichworte lieferte, wurde von Ionesco, Genet und andern Autoren sekundiert. Den »Pseudodramen« Ionescos etwa eignet ein Verzicht auf alles Diskursive und Narrative, die im Nu vom Realen ins Irreale, vom Bewussten ins Unbewusste rutschen. Ihre Allegorien und Paradoxien gleichen einem Denken in Bildern statt in Worten. Ihre Clownerien und Chaplinaden steuern die Sprache bis an jenen Ort, wo sie nur noch Plaudern, Plappern, Plärren, ja nur noch Musik ist. In keinem andern Land des westlichen Europa fand das Absurde Theater ein solches Echo wie in der Bundesrepublik Deutschland. Die enorme Resonanz vor allem auf die Stücke Ionescos kann nur historisch erklärt werden. Die bürgerlichen Mittelschichten deutscher Städte hatten von Ende der zwanziger bis Anfang der dreißiger Jahre den Druck militanter Utopien, von Anfang der dreißiger bis Mitte der fünfziger Jahre die Regime Adolf Hitlers und Josef Stalins erlebt und waren nun in weiten Teilen genau so gestimmt, wie es der aus Österreich stammende Publizist Karl Bednarik 1957 formulierte: »Der Mensch sucht sein Glück nicht mehr auf den Schlachtfeldern der Utopie, sondern auf den Kriegspfaden des Konsums.« Ebendiese Aversion politischer wie sozialer Ideen und Konzepte wurde von Ionesco trefflich bedient. Hinzu kam, dass sich der französische Dramatiker in den Kulturkämpfen des Kalten Krieges, das heißt im Ost-West-Streit um »Realismus« oder

»Formalismus« als ästhetischer Kategorie und Dominante, ganz auf die Seite der Formalisten stellte, dessen Exponenten in der Tat abstrahierende Kunst für per se »fortschrittlich«, figurierende Kunst für per se »rückständig« hielten. Geschockt durch das Absurde Theater wurden allein Bildungsbürger, die noch an das Wahreschönegute glaubten, für die folglich Worte wie »Humanität« und »Humanismus« noch Kredit hatten. Während die erste Inszenierung eines der Pseudodramen Ionescos auf einer deutschen Bühne – das Schauspielhaus Bochum bot im März 1956 das Stück »Amédée oder Wie wird man ihn los« – das Publikum nicht aus der Reserve lockte, gelang ein gutes Jahr später ein echter Coup. Im Mai 1957 führte Gustav Rudolf Sellners Produktion der Stücke »Die Unterrichtsstunde« und »Opfer der Pflicht« am Landestheater Darmstadt zu Protest und Tumult. Der Skandal war da. Mit ihm der Jubel der Kritik, mit ihm der Durchbruch des Autors. Aber, dessen Debut in Bochum lag noch keine zwei Jahre zurück, da stöhnte Siegfried Melchinger, Chef des Feuilletons der »Stuttgarter Zeitung«, in Beiträgen vom März und April 1958, alle Dramaturgen wollten nun partout Ionesco spielen. Man müsse schon von einer epidemischen »Ionescose« sprechen. Die Statistik gab Melchinger recht. Daten des Deutschen Bühnenvereins folgend, stieg die Zahl der Premieren von Werken Ionescos zwischen der Spielzeit 1955/56 und der Spielzeit 1960/61 von einer auf zwei auf zweiundzwanzig auf sechsundzwanzig auf einunddreißig auf dreiundvierzig. »Die Stühle«: Farce und Tragödie aus dem Geist der Zeit Vielleicht war das Schauspiel mit dem Titel »Die Stühle« und dem Untertitel »Eine tragische Farce« nicht das erfolgreichste Stück des Absurden Theaters. Eine komplexe Parabel ist das Drama auf jeden Fall. Der Alte und die Alte, er fünfundneunzig, sie vierundneunzig Jahre alt, leben allein in einem runden Turm auf einer kleinen Insel. Es ist Abend. Sie unterhalten sich über dies und das, erzählen einander Geschichten aus ihrem dunklen Leben. Er war Hauswart und möchte vor seinem Tode Bilanz ziehen, der Mit- und Nachwelt eine Botschaft geben. Zu diesem Zweck wurden ein Berufsredner und viele Gäste in die Wohnung bestellt. Sie kommen im Boot, läuten die Glocke, werden freundlich begrüßt und im Gespräch hofiert: erst eine Dame, dann ein Oberst, dann ein Photograveur und seine Gattin, dann drei oder vier Journalisten, dann weitere Personen, unter ihnen Kinder. Es läutet und läutet; mehr und mehr Gäste kommen; sie drängen sich im Raum. Für Augenblicke droht den Alten ein Chaos. Schließlich kommt der Kaiser, den der Alte mit Phrasen wie »Euer Diener, Euer Sklave, Euer Hund« oder »Mein Herz, mein ganzes Sein lege ich zu seinen Füßen« untertänig empfängt. Alle warten nun auf den Redner. Die Alten scheinen im

Duett zu singen. »Er wird kommen. Er kommt. Er ist da. Da ist er.« Sie tremolieren, jubilieren, delirieren. Plötzlich tritt der Redner ein. Der Alte faltet die Hände wie zum Gebet. Bis zu diesem Moment war alles Pantomime. Was der Zuschauer sah, waren allein die beiden Alten, die durch Türen links wie rechts ein und aus gingen und – dies vor allem – Stühle über Stühle in das Zimmer trugen. Die größer und größer werdende illustre Gesellschaft war bloß Phantasie. Den Redner aber, diesen Typus des Malers oder Dichters aus dem neunzehnten Jahrhundert, spielt ein Körper aus Fleisch und Blut, mit Hand und Fuß. Während der Mann auf eine Brüs­ tung steigt und Autogramme gibt, rühmen die Alten die Herrschaft des Kaisers. Der Alte richtet Worte des Abschieds an die Menge der Gäste, die er »Reste der Humanität« nennt und die der Redner durch seine Botschaft zur Wahrheit des Lebens führen soll. Dann stürzen sich die Alten aus dem Fenster, er durch eines, sie durch eines. Der Redner aber ist taub und stumm. Er wendet sich an die leeren Stühle, will etwas sagen, kann es nicht, schreibt die Worte »Engelbrot« und »Lebewohl, Gott« auf eine Tafel. Kleine Pause. Stimmen tönen. Sie lachen, hüsteln, murmeln. Man hört ein »Sch-sch-t«. Ende. Angesichts der seinerzeit immer wieder betonten avantgardistischen Ästhetik ist es merkwürdig zu entdecken, dass Ionescos Farce dank ihrer Einheit von Ort und Zeit und Handlung jenem Ideal des klassischen Theaters entspricht, das Nicolas Boileau im letzten Drittel des siebzehnten Jahrhunderts verfocht. Im Grunde sind »Die Stühle« ein Dreiakter, der erste mit den Dialogen des greisen Paares, der zweite mit dem Auftritt der Gäste von der Dame bis zum Kaiser, der dritte mit der Ankunft des Redners und seiner Botschaft. Der Autor rezipiert und kombiniert griechische Antike und August Strindberg, den Mythos um Philemon und Baucis und das Drama um Edgar und Alice, das Ganze verknüpft mit dem Tür-auf-Tür-zu aus den Vaudevilles der Eugène Labiche und Georges Feydeau. Musikalisch ist Ionesco auch. Wie er den Vorgang aus dem Schweigen holt und in das Schweigen führt, wie er mit den Lauten der Sprache oder mit dem Geräusch der Klingel umgeht, wie er das Geschehen mal verlangsamt, mal beschleunigt, all das zeigt einen Meister am Werk. Die beiden Alten memorieren und fabulieren; ihr ganzes Sprechen ist der Versuch einer »recherche du temps perdu« à la Marcel Proust und einer »talking cure« à la Sigmund Freud. Der Alte sagt, er stehe vor einem hohen Gitter, suche die Pforte in den Garten, sehe das Leuchten von Paris. Er weint wie ein Kind, ruft nach der Mama und legt sich auf den Schoß seiner Frau, als ob er in den Leib seiner Mutter krieche. Er meint: »Ich muß alles sagen« und klagt: »Die Zeit fliegt dahin wie ein Zug, und die Schienen finden wir dann in unsrer Haut«. Dieses Bild verweist auf die Gegenwart der Geschichte, auf das Versagen in der REGIE UND SZENE ABSURDER STÜCKE 1957–1959

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Hermann Herrey, Bühne »Die Stühle«, 1957

Geschichte, auf das Verdrängen nach der Geschichte. Wir hören, der Sohn der Alten habe seinen Eltern ein Massenmorden von Kindern zum Vorwurf gemacht, der Alte hätte die Schmerzen der Menschen lindern, ja die Menschheit vor dem Kriege retten können. Scheinbar im Kontrast zu dieser Haltung – für das in den fünfziger Jahren typische, zu Larmoyanz neigende Andeuten der jüngeren Geschichte trifft der Begriff »Vergangenheitsbewältigung« kaum zu – steht die Devotion des Alten vor dem Kaiser, den er als einen »wahrhaften Steuermann« und also wie einen Führer lobt. »Die Stühle« sind beides: eine Farce und tragisch. Ihr Schluss ist doppelbödig. Religiös interpretiert, erscheint der Redner wie ein Messias, der eine Transzendenz ohne Transzendenz annonciert. Politisch interpretiert, erscheint er wie eine Person, die der Illusion der Alten, sie könnten ihrem Leben durch das Fest und den Tod und die Rede des Redners im letzten Moment einen Sinn geben, mit Kreide auf der Tafel einen Strich durch die Rechnung macht. 234

In seinem Buch »Nach 1945. Latenz als Ursprung der Gegenwart« definiert der Romanist und Publizist Hans Ulrich Gumbrecht drei mentale Komplexe, die für die westdeutsche Gesellschaft der ersten zehn Jahre nach dem Weltkrieg bestimmend gewesen seien: erstens die Klaustrophobie als Gefühl von Dominiertheit und Isoliertheit, von Einschluss in der Welt und Ausschluss von der Welt; zweitens die »mauvaise foi« als Entlastung des Gewissens durch Unaufrichtigkeit oder Unwahrhaftigkeit im Sinne der Philosophie Jean-Paul Sartres; drittens die Destruktion der Utopien als Entgleisung der Geschichte und Verlust an Heimat. Dass »Die Stühle« an ebendiese mentalen Komplexe rühren, zeigt nicht allein der Stücktext, sondern auch die Inzenierung Herreys. Auf jeden Fall ist Gumbrechts Rückblick auf die Stimmung jener Jahre von hohem heuristischen Wert, wenn es darum geht, die Reaktion des Publikums auf den Abend in der Berliner Tribüne zu deuten.

Hermann Herrey, Inszenierung »Die Stühle«, links Maria Krasna als die Alte, rechts Hugo Schrader als der Alte

»Die Stühle«: Eine Inszenierung mit großem Erfolg Nachdem Ionescos Farce 1952 zum ersten Mal gespielt worden war, freilich ohne Erfolg, war vier Jahre später der Durchbruch zum Interesse der französischen Öffentlichkeit erreicht worden. Für Jacques Mauclairs Inszenierung im Pariser Studio des Champs-Elysées 1956 hatte Jacques Noël den Bühnenraum entworfen. Der Zuschauer sah auf die Rücken einer Menge immer gleicher Stühle, sah vorne das Parkett, hinten die Szene eines Theaters. Wiewohl dem Stück der Aspekt des Theaters im Theater durchaus eignet – vor dem Auftritt des Kaisers mimen die Alten den Verkauf von Programmheften, Schokoladen, Bonbons und Eis am Stil –, scheint es, als ob diese Interpretation des Dramas das Komplexe der Parabel stranguliert habe. Der Autor selbst schlägt vor, links und rechts je eine runde Wand mit drei Türen und einem Fenster, hinten aber eine breite Nische mit einer »Ehrenpforte« und zwei Türen an ihren Seiten zu bauen; was im Ganzen den Eindruck eines sublimen Pantheons suggeriert, wiewohl es gleich in den ersten Worten des Alten heißt, die Alte möge das Fenster schließen, weil es nach faulem Wasser rieche und Schnaken in das Zimmer flögen. Herrey folgte dem Vorschlag stringenter, klassischer Symmetrie, schuf einen Kasten mit sieben Türen, vorne links und vorne rechts je ein Fenster. Die Elemente seiner Szene – Türen, Fenster, Brüstung, Tafel – waren distinkt. Distinkt waren vor allem die vielen Stühle, von denen Ionesco lange zuvor gesagt hatte, sie müssten als Symbol der Absenz schlechthin das Zentrum des gesamten Gesche-

hens bilden. Bei Herrey war jeder der Stühle eine ›Person‹. Deutlich hervor ragte ein weißer Stuhl, dessen zarter, hoher Rücken wie eine leichte, hübsche Graphik wirkte. Sie zeigte die Umrisse zweier gleicher Gesichter, die einander anschauen. Was sollte mit diesem Detail gesagt werden? Dass der Alte und die Alte einer den andern für einen Spiegel halten? Dass er in ihr, sie in ihm stets nur sich selber sieht? Dass folglich beider Augen nicht auf ein neues Drittes stoßen können, wodurch sie endlich fähig würden, erlöst zu werden? Der Abend des 22. September 1957 bot den Zuschauern der Tribüne gleich drei Stücke, die erstmals auf deutscher Bühne zu sehen waren: vor der Pause »Das Diplom« von Luigi Pirandello unter der Regie von Hans Stiebner und »Wir sind wie wir waren« von Arthur Adamov unter der Regie von Walter Tappe; nach der Pause »Die Stühle« von Eugène Ionesco unter der Regie von Hermann Herrey mit Hugo Schrader in der Rolle des Alten, Maria Krasna in der Rolle der Alten, Helmut Hildebrand in der Rolle des Redners. Während Pirandello und Adamov von den Kritikern achtlos beiseitegeschoben werden, stürzen sie sich auf Ionesco, dessen Farce Florian Kienzl in der Zeitung »Der Tag« die »pièce de résistance«, also die schwere Speise des Abends nennt. Andere Artikel bewundern das »Phantastische« und »Provokante«, das »Turbulente« und »Ekstatische« der äußerst dichten Inzenierung. Mehrfach werden Schrader und Krasna ob ihrer »artistischen Brillanz« gelobt. In der Tat stellt das Stück seinen Akteuren eine seltene, schwierige Aufgabe: Sie müssen als greises Duo in verbalen, gestischen und mimischen Kaskaden eine Menge von Gästen auf REGIE UND SZENE ABSURDER STÜCKE 1957–1959

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solche Art präsentieren, dass man glaubt, ihre Körper mit Händen greifen zu können. Ebendieses Kunststück, so heißt es, hätten Schrader und Krasna mit Bravour vollbracht. Wie sie Stuhl um Stuhl auf die Bühne geschleppt hätten, das habe etwas »erregend Menschliches« spüren lassen, notiert etwa Manfred Moschner in den »Bremer Nachrichten«. Besonders positiv äußert sich der Romancier, Essayist und Lyriker Iven George Heilbut. »Der Kurier« gab seiner Rezension den Titel »Die Stühle wurden zur Mitte des Abends«, wohl weil die Redaktion des Feuilletons die Meinung ihres Autors teilte, Ionescos Intention sei durch Herreys Inszenierung perfekt realisiert worden. Dass Heilbut schreibt, die Leistung des Regisseurs wie der Akteure zeige sich »allem, was man am Berliner Theater in diesen Zeiten zu sehen bekommt, weit voran«, dass er den starken Applaus nach Schluss der Premiere für einen »Zuruf«, ja für einen »Aufschrei« der Sympathie des Publikums hält, das hat – vielleicht – auch mit dem Status des Autors als eines Exilanten zu tun, der 1950 aus den USA nach Deutschland zurückgekehrt war, für das Thema der »recherche du temps perdu« und der »talking cure« ein spezifisches Interesse hatte und aus diesem Grund Herreys Deutung des Dramas näher stand als das Gros der Rezensenten. Besonders positiv äußert sich auch Walther Karsch. »Der Tagesspiegel« publizierte den Beitrag eines seiner Herausgeber unter dem Titel »Moralist Ionesco«, wodurch sich der Autor deutlich von jenen Journalisten distanzierte, die in Bezug auf »Die Stühle« immer wieder von einer Botschaft ohne Botschaft sprachen. Wollten sie den Sinn der »tragisch unterbauten Dialoge« des Alten und der Alten nicht hören? Stehen »Der Kurier« mit Heilbut und »Der Tagesspiegel« mit Karsch für positive, so die »Frankfurter Allgemeine« mit Sabina Lietzmann und die »Frankfurter Rundschau« mit Ethel Schwirten für negative Kritik. Lietzmann und Schwirten stört das Pathos. Die knapp neunzig Minuten dauernde Aufführung der Tribüne dehne sich »so lang, so breit, so quälend«, heißt es bei Schwirten. – Und hätte es auch bei Melchinger heißen können. Genau ein halbes Jahr nach dem Ereignis der Berliner Festwochen 1957, das heißt im März 1958, druckte die »Stuttgarter Zeitung« seinen Artikel »Über den Umgang mit Ionesco«, für welchen er den schon erwähnten Terminus »Ionescose« prägte. Zwar am Rande, doch mit Worten, die kaum schärfer sein können, geht der Autor auf Herreys Inszenierung ein, die er nur mit »Beklemmung« ertragen habe. »Der Tiefsinn kroch aus allen Poren, eschatologisches Grausen erstickte selbst den Ansatz zum Gelächter. Wer zu sagen wagte, dieses Stück sei doch ein Spaß, wurde mit Blicken durchbohrt. Er kam nicht mehr zu Wort, als er rufen wollte, Ionesco habe doch selbst gesagt, seine Stücke würden falsch gespielt, wenn nicht gelacht werde.« 236

»Die Stühle«: Mit dem Blick von James Joyce und Jean-Paul Sartre Was nun? Lachen? Weinen? Beides? Liest man »Die Stühle« als ein Drama, das zwischen Farce und Tragödie changiert, so schlägt sich Melchinger eher auf die Seite der Farce, Herrey eher auf die Seite der Tragödie. Für diese Position steht ein Essay, in welchem der Regisseur und Szenograph das Stück selber deutet. Wohl im August oder September 1957 verfasst, wurde der Text um vieles, auch Wesentliches gekürzt und als solcher in der Programmzeitschrift der Tribüne gedruckt. Keine Frage, Herreys so fundierte wie plausible Interpretation – anders gesagt: was er auf der Bühne zeigen wollte – war den Kritikern in Teilen bekannt, als sie sich am Morgen nach der Premiere ans Schreiben machten. Was der Essay sofort verrät: Sein Autor weigert sich, die persönliche Meinung dem zu fügen, was im Denken über Ionesco à la mode war. Herrey argumentiert wider die Konvention der Rezeption. An keiner Stelle seines Textes taucht der gängige Terminus des Abstrakten oder Absurden Theaters auf. Der Autor führt Ionescos Schaffen nicht auf Alfred Jarry zurück, der wegen seines »König Ubu« gern als Ahnherr des Absurden Theaters ins Spiel gebracht wurde. Wo eloquente Journa­listen wieder und wieder vom Abstrusen, Banalen, Burlesken, Diffusen, Frivolen, Grotesken, Makabren, Monströsen, Obskuren, Panischen, Skurrilen sprachen; wo sie wie Luft vom »absoluten Nihilismus« raunten und mit Sätzen wie »Die Welt ist leer« jede soziale oder politische Konkretion ins harmlose Allgemein-Menschliche drängten; wo sie wie Albert Schulze Vellinghausen »Formkraft« statt »Heilkraft« wünschten und sich von dem lösten, was bei Aristoteles »Katharsis«, bei Gotthold Ephraim Lessing »Mitleid und Furcht« heißt: Da bleibt Herrey dem tradierten Theater treu und sucht es doch – durch den Rekurs auf den »stream of consciousness« eines James Joyce und auf die »mauvaise foi« eines Jean-Paul Sartre – für diese eine Inszenierung ganz in die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts zu rücken. Mit Bezug auf die Prinzipien der Psychologie von William James hatte Joyce den Inneren Monolog, der dem Leser durch Werke wie »Leutnant Gustl« oder »Fräulein Else« von Arthur Schnitzler bekannt war, aus der Ordnung der Rede des Ich mit dem Ich befreit, die literarische Introspektion radikalisiert. Vor allem im »Ulysses« als dem Opus magnum dieses Autors wird vom Mittel des Stream of consciousness weidlich Gebrauch gemacht. Dieser Strom ist in Wahrheit nicht der Strom des Bewussten, sondern der des Unbewussten. Es ist die Rede im Kopf, bevor der psychische Apparat diese Rede zensiert, den Ausdruck der Wahrnehmung und Empfindung entstellt, die Brocken von Worten und die Fetzen von Sätzen in Fasson bringt und an eine Person richtet. Während für Luft die Sprache der beiden Alten nur »dünne,

dumme Klischees« enthält, entbirgt sie für Herrey die Psyche des greisen Paares. Ionesco habe den Stream of consciousness in die dramatische Literatur geholt. Anders als der Name Joyce taucht der Name Sartre in Herreys Essay nicht auf. Dennoch steht die damals neue französische Philosophie hinter manchem der Herreyschen Gedanken. Sartre war es mit seiner kleinen, 1947 in deutscher Sprache publizierten Schrift »Ist der Existentialismus ein Humanismus?« geglückt, Teile seines Hauptwerks »Das Sein und das Nichts« zu popularisieren, sodass Begriffe wie »Existenz« und »Essenz«, wie »Dasein« und »Sosein«, wie »An-sich-Sein« und »Fürsich-Sein« das Denken der fünfziger Jahre prägten und im Feuilleton gern verwandt wurden. Gleich ob auf dem Terrain des Persönlichen, des Sozialen, des Politischen, der Mensch sei – so das paradoxe Diktum Sartres – »zur Freiheit verdammt«, könne nicht umhin zu wählen, nicht umhin zu handeln. Jede Entschuldigung, jede Rechtfertigung der Passivität durch äußere Umstände sei »mauvaise foi«, also schlechter Wille, täuschendes Gewissen. Dass der Mensch, wie vom Absurden Theater demonstriert, ohne Grund, ohne Ziel, ohne Gott sei, deuteten Kritiker wie Luft als ein rien ne va plus. Doch den dieser Meinung impliziten Quietismus – Warum handeln, wenn es keinen Sinn gibt? – mochte Herrey nicht dulden. In seinem Essay über »Die Stühle« heißt es: »Dieses Stück ist das Bekenntnis einer Generation, die der Welt, wie sie ist, nicht ins Auge blicken will und sich mit dem Bewußtsein des Versagens nicht abfinden kann, weil es Zugreifen oder Verzichten erzwingt. Vor der Wahrheit flüchtet man lieber, wenn es nicht anders geht, sogar in den Tod.« Fakten, vor denen die Menschen sich blind stellen, sind laut Herrey: der Konflikt um Arm und Reich, die Akzeptanz von Diktatur, die Perfektion von Atombomben, die kümmerliche Rolle der Vereinten Nationen. All das waren Themen, die ihn Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre im Gespräch sei es mit Harlow Shapley, sei es mit Stringfellow Barr bewegt hatten, die bei der Cultural and Scientific Conference for World Peace und in der Broschüre »A Draft Proposal for World Security through International Resources Development« eine große Rolle gespielt hatten und die nun – wenngleich in quasi diplomatischen Formulierungen – wieder zur Sprache kamen. Herrey war ein Zoon politikon, nicht allein in Cambridge und in New York, sondern auch: in Berlin West. »Die Stühle«: Abwehr einer Botschaft Hinter den Herreyschen Gedanken ein Zoon politikon zu entdecken, ist in Betracht seines Lebens, das in hohem Maße von den Katastrophen und Kataklysmen des zwanzigsten Jahrhunderts bestimmt wurde, keine wirkliche Entdeckung. Ein Blick auf die Vitae von Regisseuren wie Berthold Viertel (geb. 1885), Ludwig Berger (geb. 1892), Fritz

Kortner (geb. 1892), Erwin Piscator (geb. 1893), Kurt Horwitz (geb. 1897) und Ernst Josef Aufricht (geb. 1898) zeigt, dass ihre Emigration in die Schweiz, die Niederlande, Britannien oder die USA und ihre Remigration in deutsche Städte wie Berlin West oder München Einfluss auf ihr Verständnis von Theater hatte. Sie alle hatten nämlich auf gesellschaftliche Veränderungen großen Umfangs gehofft und waren teils verblüfft, teils enttäuscht, dass so wenig geschah. Wiewohl jünger als die hier genannten Kollegen, scheint Herrey deren Haltung geteilt zu haben. Davon zeugt das Protokoll einer Podiumsdebatte, die am 4. Oktober 1957 in der Tribüne stattfand. Die noch junge Dramaturgische Gesellschaft hatte aus Anlass ihrer Jahrestagung eine für ihre Mitglieder gedachte Aufführung des Stücks »Die Stühle« erwirkt. Nach der Vorstellung wurde gestritten. Zu Wort kamen: der Henrik-Ibsen-Übersetzer Hans Egon Gerlach; der Schriftsteller und Regisseur Hermann Gressieker; der aus Wien stammende Publizist Karl Maria Grimme; Hermann Herrey; der Kritiker Walther Karsch; der Direktor der Tribüne Frank Lothar; der Chefdramaturg des Landestheaters Hannover Gerhard Reuter; der Schauspieler Hugo Schrader; der Vorsitzende der Dramaturgischen Gesellschaft Friedrich Schultze; der Eugène-Ionesco-Verleger Hans Rudolf Stauffacher; der Schriftsteller Günther Weisenborn. Zu Beginn erklärt Lothar, bei jeder Aufführung würden rund sechzig Personen kopfschüttelnd und türschlagend den Saal verlassen; jeder Fünfte wolle das Ende des Abends nicht sehen. Dennoch könne man kaum von einem Skandal sprechen. »Die Leute gehen halt nur raus.« Die meisten, so Lothar, würden gehen, wenn der Kaiser komme. Sie würden sich auf diese Art gegen die theatralische Exhibition der Träume und Wünsche des Alten und der Alten wehren. In diesem Moment greift Herrey ein. Er hält seine Inszenierung für eine »Milderung« der Intention des Autors, weil man auf der kleinen Bühne des Hauses die Türen nicht so häufig öffnen und schließen, das Licht nicht so krass leuchten lassen könne. Er weiß, dass es schwierig ist, die bei Joyce und Ionesco gängige, schamlose Enthüllung psychischer Prozesse zu ertragen. Er nimmt aber, was die Botschaft des Ganzen betrifft, kein Blatt vor den Mund: »Ich fürchte, ich muß sie herausfordern.« Ionescos Tragödie formuliere eine »tiefe Moral« und eine »heftige Anklage« gegen die Alten. Im Folgenden versuchen einzelne Zuhörer, Herreys Bezug auf die von den Greisen repräsentierte »Generation« zu neutralisieren, die historisch konkreten Figuren im abstrakten Humanen zu entsorgen. Der Regisseur und Szenograph aber bleibt standhaft: »Das habe ich anders gemeint.« Wir, wir hätten wie die Alten die »Flucht aus der Verantwortung« gewählt, hätten sie gar zu unser aller Lebensweise gemacht. Genau diese Mentalität habe zu den Katastrophen von 1914, von 1933, von 1939 geführt. REGIE UND SZENE ABSURDER STÜCKE 1957–1959

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Gerlach, Gressieker und Grimme weisen Herreys Interpretation schroff zurück. Ihrer Meinung, das Stück sei nicht durch Psychologen noch durch Moralisten zu deuten, zollt der Saal starken Beifall. Nur Karsch ist bereit, dem aggressiven Ignorieren zu widersprechen, das heißt den »Appell« des Autors zu hören und Herrey zu unterstützen. Keine Woche später erhält dieser einen Brief von einem Mann namens Heinrich Bleich. Der Besucher der Podiumsdebatte – Soldat der Wehrmacht? Flakhelfer der letzten Tage des Krieges? Jugendlicher der »skeptischen Generation«, von der um diese Zeit der Soziologe Helmut Schelsky spricht? – lässt Herrey wissen, das Schicksal der beiden Alten habe ihn berührt. Er habe sich als »einer ihresgleichen« gefühlt. Er spüre einen »Hunger nach Wahrheit«, eine »Hoffnung auf Lösung«. Er liebe das Theater »wie der Wanderer die Oase«, wolle dort »frisches, gutes Wasser« trinken. Und dann, nicht ohne Pathos: »Wir wollen gesund werden an Leib und Seele, wenn das noch möglich ist.« »Die Zofen«: Ein kriminelles Komplott Ziemlich genau ein Jahr drauf – wieder bei den Berliner Festwochen, wieder an der Tribüne – inszenierte Herrey erneut Dramen des Absurden Theaters. Diesmal gleich zwei: Jean Genets »Die Zofen« handelt vom erfolglosen Ausbrechen aus sozialer Konformität, Eugène Ionescos »Jacques oder Der Gehorsam« vom erfolgreichen Einführen in soziale Konformität. Mehr aber haben die beiden Stücke nicht gemein. Die Texte sind von sehr differentem Niveau. Das Werk aus der Feder des Poète maudit Genet hat zweifellos die größere thematische Komplexität. Im Hause einer Herrin sind zwei Schwestern als Zofen tätig: Claire, die zwar physisch jüngere, doch psychisch stärkere; Solange, die zwar physisch ältere, doch psychisch schwächere. Sooft die Herrin abends außer Haus weilt, spielen die Schwestern dasselbe Spiel: ›Dame und Zofe‹, diesmal mit Claire in der Rolle der Herrin und Solange in der Rolle der Claire. Als Herrin macht sich Claire an Kleider und Schuhe, Parfum und Puder der Dame, ahmt in deren Boudoir à la Louis Quinze deren Gestik und Mimik nach; als Claire macht sich Solange daran, der Dame beim Wählen der Garderobe und der Toilette für den abendlichen Ausgang zu helfen. Was immer Claire in der Rolle der Herrin und Solange in der Rolle der Claire auch tun, das Spiel der Schwestern, das sie eine »Zeremonie« nennen, zeugt nicht allein von Liebe, sondern auch von Hass für die Herrin und steckt in jedem Moment voll nervöser Erotik. Während Claire den Geliebten der gnädigen Frau durch einen Brief an die Polizei als Dieb in Verruf gebracht, ja durch ihr Schreiben dafür gesorgt hat, dass der Mann in Haft sitzt, hat Solange die gnädige Frau schon einmal töten und ihr Haus in Brand stecken wollen. Plötzlich schrillt ein Wecker; abrupt brechen die Zofen das Ritual vor dem Finale ab, weil der Wecker ihnen sagt, dass die Herrin binnen Kurzem nach Hause kommen wird. 238

Wenig später klingelt das Telefon; am Apparat sagt der Geliebte der gnädigen Frau, er sei aus dem Gefängnis entlassen worden und lade seine Geliebte zum Rendezvous im Restaurant Bilboquet. Diese Nachricht lässt die Schwestern zittern, weil sie fürchten, dass ihr kriminelles Komplott erkannt werden wird. Vor Schreck lassen sie den Hörer neben der Gabel liegen. Claire wirft Solange ihre Feigheit vor dem Mord vor; Solange wirft Claire ihren Verrat des Geliebten der gnädigen Frau vor. Klagend und kreischend streiten die Zofen. Dann planen sie, dieses eine Mal das Ende ihres Spieles wirklich werden zu lassen, zehn Tabletten Gardenal in eine Tasse starken Tees zu schütten und die Herrin durch das Schlafmittel zu vergiften. Nun tritt die Herrin selber ein. Sie trauert um den Geliebten im Gefängnis, fühlt sich mal stark, mal schwach. Solange tröstet sie. Dann spricht die Herrin von den Schwestern als ihren Töchtern, die sie zu Erben ihres Hauses machen wolle. In diesem Moment bringt Claire die Tasse Tee mit dem Gift. Plötzlich entdeckt die Herrin, dass der Hörer nicht auf der Gabel liegt. In der Not geben die Zofen den Anruf und seinen Inhalt preis. Die Herrin bestellt sofort ein Taxi zum Restaurant Bilboquet. Während Solange auf die Straße läuft, um einen Wagen zu rufen, sucht Claire der Herrin den Tee schmackhaft zu machen. Diese aber rührt die Tasse nicht an, sondern macht sich auf den Weg zum Rencontre mit dem Geliebten. Die Schwestern ahnen: »Wir sind verdammt.« Einen Moment denken sie an Flucht. Solange träumt, in einer großen Rede, teils von dem Balkon auf die Straße hinab, das Erwürgen und Bestatten der Herrin und ihre eigene Hinrichtung. Es ist aber Claire, die den Abend an sein Ende treibt. Sie zwingt Solange das alte Spiel mit den alten Rollen auf. Und macht Ernst, indem sie sich, auf dem Bett der Herrin liegend, die Tasse reichen lässt und den Tee mit dem Gift trinkt. Claire stirbt. Solange steht da, wie in Fesseln auf dem Weg ins Zuchthaus. »Die Zofen«: Ritual statt Revolte Ob in Hochmut oder Demut, ob in Falschheit oder Echtheit, ob in Spiel oder Ernst, ob in Schmerz oder Lust: Ständig irren Claire und Solange zwischen den Polen des je Eigenen und je Andern umher, sodass Claire für Solange, Solange für Claire zum bloßen Spiegel wird. Das Reden und Handeln der beiden aggressiven Domestiken sind nicht etwa der Superlativ jener Psychologik, die wir aus den Dramen Henrik Ibsens und August Strindbergs kennen, auch wenn Claire manchen Zug mit Hedda Gabler teilt. Eher hat Lothar recht, der in seinem Aufsatz »Die Unbequemen«, gedruckt im Almanach der Berliner Festwochen 1958 und in der Programmzeitschrift der Tribüne, Genet mit Heinrich von Kleist verknüpft. Ob Lothar dabei an extreme Figuren wie die aktive Penthesilea oder das passive Käthchen von Heilbronn dachte?

Hermann Herrey, Bühne »Die Zofen«, 1958

Sicher scheint, dass Lothar und Herrey mit Sartres Buch »Saint Genet, Komödiant und Märtyrer« vertraut waren. Die noch heute ungemein luzide Studie aus dem Jahr 1952 – erst dreißig Jahre später würde der gigantische Essay in deutscher Sprache auf den Markt kommen – wird von Lothar zitiert und dem Leser der Programmzeitschrift durch weitere kleinere Ausschnitte bekannt gemacht. In seiner Apologie Genets schreibt Sartre von dessen Stück »Die Zofen« als einem »Kreisel aus Sein und Schein«. Was den engagierten Philosophen an der infernalen Maschinerie im Dreieck zwischen Claire, Solange und der Herrin vor allem interessiert, ist die deutlich erotisch grundierte Dialektik von Herrschaft und Knechtschaft. Trotz aller Gewalt, die soziale Konformität bleibt, was und wie sie war. Denn die Revolte wird Ritual, wird »Schwarze Messe«, wird invertierte Religion, die zum Ersticken des Begehrens führt. Das Scheitern, so Sartre, sei Teil des Rituals. Das Spiel werde so gespielt, dass der Wecker immer schon schrille, bevor der Tee zum Mord gereicht werden könne. In dem Moment aber, wo der Schritt vom Imaginierten

zum Realisierten getan werde, werde auch der Schritt von der Aggression nach außen zur Aggression nach innen getan. Zum Schluss ist eben nicht die Herrin, sondern sind die Zofen tot. Nachdem in der Tribüne am Abend des 1. Oktober 1958 der Vorhang sich langsam nach links und rechts bewegt hatte, sah man – wie von Genet gewünscht – auf ein Boudoir im Louis-Quinze-Stil. Rechts ein Bett mit Himmel, hinten drei hohe Türen und Fenster vor schmalem Balkon, links ein Schminktisch, ein Spiegel und zwei flache Tische mit Vasen voller Chrysanthemen und Astern. »Und diese Handschuhe! Ewig diese Handschuhe«, stöhnte Claire, die im Dessous am Schminktisch stand. Bei diesen ersten Worten des Abends war die Halbzeit der Berliner Festwochen längst erreicht. Sie »plätscherten« dahin, fand Melchinger; sie »segelten« dahin, fand Luft. Theunissen klagte über den Mangel an »Wagnis« und meinte, Berlin West solle auf dem Terrain der Kultur bitte nicht so viel »Amt« walten lassen. Mit den drei Kritikern und dem Regisseur Sellner, der wie diese im Parkett saß, hofften wohl auch andere REGIE UND SZENE ABSURDER STÜCKE 1957–1959

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Hermann Herrey, Inszenierung »Die Zofen«, hin-

Mittig Dorothea Wieck als Herrin,

ten Gisela Trowe als Claire, vorne Claudia Losch

rechts Claudia Losch als Solange

als Solange, beim Spiel ›Dame und Zofe‹

Zuschauer der Tribüne, endlich möge ein Skandal die Langeweile brechen. Leider, wird mancher beim Hinausgehen gedacht haben, blieb es bei leisem Protest und lautem Applaus. Zwei Tage nach der Premiere bot die »B.Z.« ihren Lesern nicht allein eine Rezension aus der Feder ihres Autors Ernst Mandowski, sondern auch einen Beitrag über den sozialen Status Genets. Es hieß, der Mann nehme »keine Rücksicht auf Sitte und Anstand«. Er sei »Straßenräuber« und in Frankreich schon dreizehn Mal von der Justiz belangt worden. Aber der Versuch der Presse, doch noch Aufruhr vor der Bühne zu stiften, schlug fehl. Anders als wenig später Ionesco – nach einem Gastspiel der Städtischen Bühnen Frankfurt am Main mit dessen Komödie »Die kahle Sängerin« würden Klatscher und Pfeifer im Hebbel-Theater zwanzig Minuten Radau machen –, wurde Genet auch bei den nächsten Vorstellungen wie eine französische Frivolität goutiert. »Die Zofen«: Dorothea Wieck, Gisela Trowe, Claudia Losch Sämtliche Kritiker würdigen Herreys Regie ob ihrer Intensität, Subtilität, Brutalität. »Er läßt in einer Art magischen Realismus spielen, die den Ton des Stückes genau trifft«, schwärmt etwa Hans Schwab-Felisch in der »Frankfurter Allgemeinen«. In andern Blättern ist vom Grauen und Grusel des Vorgangs, vom Dämonischen und Hysterischen der Dialoge die Rede. In Bezug auf die Mimik, die Gestik, die Körper der drei Frauen aber schwanken die Rezensenten zwischen Aversion und Attraktion. Während Karena Niehoff in der »Abendzeitung« meint, Claire und Solange seien »Küchenschaben«, seien »Schlangen, die sich 240

selber fressen«, wagen Rudolf Brendemühl in der »Nacht-Depesche« und Friedrich Luft in der »Süddeutschen Zeitung« an das Erotische, ja Sexuelle hinter dem Fetischismus und Masochismus der Zofen zu rühren. Brendemühl hält die beiden für lesbisch. Luft sagt frank und frei: »Man sieht’s mit einer Art Wollust. Schon vor der Pause hatte man heiße Hände.« Mit dem Engagement von Dorothea Wieck (geb. 1908) für die Rolle der Herrin, von Gisela Trowe (geb. 1922) für die Rolle der Claire und von Claudia Losch (geb. 1930) für die Rolle der Solange war es der Tribüne gelungen, drei Actricen zu verpflichten, die im Berlin der späten fünfziger Jahre die wohl beste mögliche Besetzung für Genets Drama bildeten. Die Wieck und die Trowe hatten sich durch Filme bekannt gemacht, die Wieck schon 1931 als Fräulein von Bernburg in »Mädchen in Uniform«, die Trowe – rote Haare, raue Stimme – im Lauf der vierziger und fünfziger Jahre in Werken der Deutschen Film AG (DEFA). Die Losch aber war: jung und neu. Nach dem Besuch der Schauspielschule der Bühnen der Stadt Bonn und Engagements erst am Rheinischen Landestheater Neuss von Mitte 1951 bis Mitte 1956, dann am Stadttheater Konstanz von Mitte 1956 bis Mitte 1958 war sie für eine Weile »frei«, um es im Jargon zu sagen. Herrey hatte die Losch in Konstanz kennen- und schätzen gelernt; sie hatte dort in seiner Inszenierung des Stücks »Herrenhaus« von Thomas Wolfe die Rolle der Mary Ramsay gespielt. »Sie nach Berlin gebracht zu haben ist ein Verdienst«, schreibt Dora Fehling im »Telegraf«. Und »Der Tag« lässt Florian Kienzl behaupten, die Begabung der Losch reiche an das »Format« einer Medea.

Links Dorothea Wieck als Herrin, mittig Gisela Trowe als Claire, rechts Claudia Losch als Solange

Herreys Regie musste erstens die drei ihre Rollen dauernd tauschenden, verwandten Figuren so verschieden wie möglich machen, um dem Publikum das Verstehen zu erleichtern; Herreys Regie musste zweitens die drei Actricen zu der Anstrengung bewegen, weit länger als eine volle Stunde in extrem artifizieller Manier zu spielen. Urteilt man nach den Worten der Kritik, das heißt auf der Basis von mehr als zwanzig Texten, so gelang beides vollauf. Über die Wieck in der Rolle der Herrin notiert HvL in der Düsseldorfer Wochenzeitung »Der Fortschritt«, sie stelle diese Figur »mit der tragischen Allüre einer Birgit Nilsson als Bayreuther Isolde« auf die Bühne. Die Trowe in der Rolle der Claire wird »eklig« und »gierig« genannt; sie liege wie ein Tiger auf der Lauer. Die Losch in der Rolle der Solange wird »drahtig« und »störrisch« genannt; sie finde aber bei ihrer Rede vom Balkon zu wahrer »Ekstase«. »Jacques oder Der Gehorsam«: Unterm Joch der Normalität Fehling und Kienzl schreiben, mit dem Abend in der Tribüne – also mit der Inszenierung erst von »Die Zofen«, dann von »Jacques oder Der Gehorsam« – habe dieses kleine Theater das »Salz« in die bis dahin wenig spannenden Berliner Festwochen 1958 gestreut. Wie erwähnt, die Texte sind von sehr differentem Niveau. Dass der Genet nicht durch den Ionesco seiner Kraft beraubt wurde, liegt allein daran, dass Herrey für beide einen je spezifischen Stil gewählt hatte. Wie im Theater der griechischen Antike kam erst die Tragödie, dann die Komödie auf die Bühne des Hauses. Es trifft sich, dass Genet selbst sein Stück eine »Tragödie«, Ionesco selbst sein Stück eine »Komödie« nennt.

Schwester, Mutter, Vater, Großmutter und Großvater Jacques suchen Bruder Jacques in die Normalität der Familie zu zwingen. Die Mutter plagt ihn durch eine Mischung aus Zärtlichkeit und Grausamkeit. Sie bekennt, dass sie ihm schon früh nicht allein die »erste Haue« gab, sondern auch die Zähne aus dem Munde und die Nägel von den Zehen riss. Lange bleibt Jacques Rebell; bis ihm seine Schwester sagt, er sei wie jeder Mensch »chronometrisch« fassbar, der Zeit unterworfen. Diese Meinung führt zu einem Umschwung. Wütend schreit Jacques den Kernsatz der Familie in den Raum: »Ich liebe Bratkartoffeln mit Speck!« Nach dem Willen der Eltern soll auf das Joch der Nahrung gleich das Joch der Paarung folgen. Jacques soll heiraten. Vater und Mutter Robert treten mit Tochter Roberta auf. Sie trägt ein Brautkleid, dessen Schleier ein Gesicht mit zwei Nasen verhüllt. Jacques aber will eine Frau mit drei Nasen. Flugs lässt man Roberta II mit drei Nasen kommen. Doch auch diese Frau genügt Jacques’ Anspruch nicht. »Nein, ich mag nicht. Sie ist nicht hässlich genug!« Die Mutter schluchzt; der Vater schimpft. Doch Jacques bleibt stur. Alle sind empört. Die zwei Familien ziehen sich hinter die Türen zurück, zeigen bloß dann und wann ihre Köpfe. Unterdessen wird Jacques betört und bezirzt. Roberta II fragt ihn: »Hören Sie, ich habe Pferde, Hengste, Stuten, nichts als das. Lieben Sie sie?« Beide träumen vom Galopp eines wiehernden Pferdes mit flammender Mähne und brennenden Flügeln. Die Mischung aus Centaurus und Pegasus erregt bei Jacques sexuelle Phantasien. Roberta II verführt ihn mit der Rede von Brüsten, von Becken, von feuchten »Schlünden«. Nach dem Akt stolpern beide in einen Wortrausch, bei dem sich alles um die Silbe »Katz« dreht, die in französischer Sprache erotisch konnotiert wird. REGIE UND SZENE ABSURDER STÜCKE 1957–1959

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Hermann Herrey, Bühne »Jacques oder Der Gehorsam«, 1958

Das Stück endet mit der Rückkehr der zwei Familien von ihren Pos­ ten an den Türen. Sie tanzen »in schlaffer Runde« um das junge Paar Jacques und Roberta II. Alle gehen in die Hocke. Kauernd miauen und fauchen, stöhnen und seufzen sie. Dann wird es dunkel; dann wird es hell. Nur Roberta II ist noch da. Sie spielt mit ihren schlangengleichen zweimal neun Fingern. »Jacques oder Der Gehorsam«: Das Ambiente der Konvention Herreys Inszenierung der Komödie Ionescos machte schon im ersten Moment klar: Keines der Worte, keinen der Sätze dieses Stücks darf man sich als Teil eines Dialogs von Figuren vorstellen, die aus dem wahren Leben stammen; vieles scheint die Comedia dell’arte in Richtung mal des Lächerlichen, mal des Schauerlichen überbieten zu wol242

len. So hatte bei der Premiere die Kritik ihre Freude: Mandowski am »Bluff«, Karsch am »Jux«, Luft am »Ballett mit Worten«. Dem Vorschlag des Autors folgend, ließ Herrey den Gesichtern der Familien Jacques und Robert – bis auf den Trotzkopf – durch schlichte, weiße Masken über Augen, Nasen und Backen alles Persönliche nehmen, ließ die in armer, schwarzer Kleidung steckenden Kleinbürger hier wie Puppen zappeln, da wie Automaten über die Bühne streifen. Für Jacques’ Zähmung entwarf Herrey eine Szene, die den Wunsch Ionescos nach einem verrauchten, verstaubten, verschmutzten Wohnund Schlafzimmer einerseits respektierte, anderseits transformierte. Denn Herreys Lösung bot kein Interieur mit Wänden links und rechts und hinten, sondern eine Bühne, die der Opposition wie der Koalition der zwei Familien eine räumliche Entsprechung gab. Auf die linke wie auf die rechte Hälfte der Szene wurde je eine runde Scheibe montiert, die

Hermann Herrey, Inszenierung »Jacques oder Der Gehorsam«, links Hugo Schrader als Jacques, rechts Claudia Losch als Roberta

sich von Hand drehen ließ. Auf den Perimetern der beiden gleich großen Scheiben stand je eine Tafel von 2,5 Meter Breite und 2,2 Meter Höhe. Stark aus der Mitte gerückt hatten beide Tafeln einen Ausschnitt, hinter dem die zwei Familien auf der Lauer lagen, während der Querkopf vor ihren Augen verführt wurde. Für diese Bühne würde Fehling im »Telegraf« einen schönen Vergleich finden: den mit zwei »Wetterhäuschen«, aus deren Öffnung Männchen und Frauchen nach vorne schießen. Herreys Karton mit der Zeichnung der Vorder- und der Rückseiten der Tafeln gibt durch vier einzelne, kleinere Zeichnungen – »A« und »B« sowie »C« und »D« bilden je ein Paar – einen guten Eindruck dessen, was in der Werkstatt gemalt wurde: je zwei Perspektiven eines ›männlichen‹, für Jacques bestimmten und eines ›weiblichen‹, für Roberta bestimmten Schlafzimmers. Jacques’ Zimmer enthält: ein Bett aus Eisen;

neben dem Bett einen Stuhl; auf dem Stuhl eine Lampe; einen Tisch; auf dem Tisch eine Lampe und einen Bilderrahmen mit Ständer; an der Wand einen Besen. Robertas Zimmer enthält: ein Bett aus Eisen; auf dem Bett drei Kissen, davon das in der Mitte in der Gestalt eines Herzens; neben dem Bett einen Nachttisch; auf dem Nachttisch eine Lampe; eine Kommode; auf der Kommode Flaschen und Vasen; über der Kommode einen Spiegel; auf dem Boden zwei Pantoffeln; an der Wand einen Fernsprecher mit Kurbel. Die Farben auf dem Karton reichen von Gelb nach Braun, von Grau nach Schwarz. An manchen Stellen der vier einzelnen Zeichnungen wirkt das Grau durch den Glanz von Blei stärker als sonst. Jeder Gegenstand hebt sich vom Hintergrund deutlich ab. Die Lineatur mit ihren vielen Waagrechten und Senkrechten gleicht einem Gitter aus EisenREGIE UND SZENE ABSURDER STÜCKE 1957–1959

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Hermann Herrey, Inszenierung »Jacques oder Der Gehorsam«, letzte Szene

stangen. Die Nähe zum Schaffen des in den fünfziger Jahren äußerst produktiven, populären französischen Malers Bernard Buffet – dem übrigens das Institut Français in der Maison de France am Kurfürstendamm um die Zeit der Premiere von »Jacques oder Der Gehorsam« eine eigene Ausstellung widmete – ist auf den ersten Blick zu spüren. Das ästhetische Zitat passt zum Thema, haben doch Buffets herbe, dumpfe Interieurs, seine verhärmten, verdorrten Gesichter, seine splitternackten, spindeldürren Männer und Frauen, seine ganze peinture de tristesse et de misère viel mit jenen Ängsten und Lüsten zu tun, auf die Ionesco mit seinem Stück Bezug nimmt. Der Schluss der Komödie – das heißt der Tanz der zwei Familien und Robertas Spiel mit ihren zweimal neun Fingern –: Dieses peinliche, um nicht zu sagen schamlose Finale wurde von Herrey einfach negiert. Weil er die Botschaft des Autors nicht mochte? Weil die Schauspieler nicht kauern und stöhnen wollten? Weil man keinen Skandal wollte? Jedenfalls fand der Regisseur einen Schluss, der Ionescos Vulgarität sublimierte. Alle stellen sich zum Foto auf. Jacques kehrt wie ein gehorsamer Gefangener in den Schoß der Familie zurück. So lässt sich Hochzeit feiern. 244

»Landschaft mit Figuren«: In Adrians Atelier Im Herbst 1959 war Herrey zum vierten und letzten Mal in Sachen des Absurden Theaters aktiv. Diesmal ging es nicht um französische Dramatiker, sondern um den deutschen Wolfgang Hildesheimer, der Ende der fünfziger Jahre zwar noch nicht den Ruhm sagen wir eines Heinrich Böll oder Günter Grass erreicht hatte, doch – durch sein Hörspiel »Prinzessin Turandot« und sein Schauspiel »Der Drachenthron«, das erstmals 1955 unter der Regie von Gustaf Gründgens am Düsseldorfer Schauspielhaus gezeigt worden war – schon zu den bekannten Autoren der Bundesrepublik Deutschland gehörte. Die Leitung der Berliner Festwochen hatte sein Stück »Landschaft mit Figuren« zur Uraufführung angenommen; Westerman hatte wohl gehofft, die Premiere in der Tribüne werde nicht allein das Festival, sondern auch das Theater von Berlin West durch einen Schuss Experiment zum Leuchten bringen. Was Hildesheimer schlicht »Ein Spiel in zwei Teilen« nennt, hat seinen Ort in einem Atelier mit großem schrägen Fenster. An der Staffelei hantiert Adrian mit Pinsel und Farbe. Der Maler wartet auf drei Gäste, die sich von ihm portraitieren lassen wollen. Zur Modell-

sitzung kommen der Reihe nach: Frau Sartorius, vierzig Jahre alt, eine Lebedame; Colin, dreißig Jahre alt, ein Gigolo; Herr von Ruhr, sechzig Jahre alt, ein Unternehmer. Alle drei sind einander eng verbunden. In ihren Dialogen äußert sich das Psychodrama einer längst ruinierten Familie der Haute volée. Unterdessen bemüht sich der Künstler, jede Person durch Kleidungsstücke und Gegenstände für das Bildnis zu inszenieren: Frau Sartorius durch einen Wandschirm und Zimmerpflanzen, Colin durch einen Cutaway und Trophäen, Herrn von Ruhr durch Stiefel und ein Holzpferd. Schließlich schafft Bettina mit der Peitsche Ordnung. Adrians Gattin befiehlt jeden in die rechte Pose. Nach einem Zeitsprung über viele Jahre – die Frau Sartorius, Colin und Herrn von Ruhr, nicht aber den Maler und seine Gattin weit älter gemacht haben – ist das Portrait der Dreiergruppe endlich fertig. Es besteht aus lauter Flächen in einem stumpfen Lila. Jetzt tritt ein Sammler ein, den das Bildnis mit dem Titel »Landschaft mit Figuren« interessiert. Unter den Klängen einer Spieluhr beleben sich die drei gemalten Personen. Herr von Ruhr und Frau Sartorius streiten über ihre Ehe; Colin reibt sich am Vater-Sohn-Konflikt. Der Sammler kauft das Portrait für viel Geld. Als ob sie Teil des Kunstwerks seien, werden dann der Reihe nach Colin, Frau Sartorius und Herr von Ruhr in Kisten verpackt, die Särgen gleichen. Der Glaser, der während des ganzen Vorgangs Fensterscheibe um Fensterscheibe des Ateliers ersetzt hat, tritt ab. Die Scheiben fallen aus den Rahmen. Adrian und Bettina können sich vor Lachen kaum halten. Für den Almanach der Berliner Festwochen 1959 schrieb Hildesheimer eigens einen kleinen Aufsatz. »Empirische Betrachtungen zu meinem Theater« ist nicht allein Essay, sondern auch Programm. »Wenn ich die Zeitung lese«, meint der Autor, »dann grinst mich das Absurde an.« Neben diese Stellungnahme, für das intellektuelle Klima der fünfziger Jahre so typisch wie modisch, tritt die radikale Negation all dessen, was bis dahin ein gutes Stück zu einem guten Stück machte. Bloß keine Fabel, bloß keine These, bloß keine Katharsis, bloß keine Didaxe. Und dann: »Es geht mir nicht um eine Sache, sondern um das Spiel, eben um Theater.« Weshalb sich Hildesheimer, wie zur selben Zeit sein Vorbild Ionesco, in der vordergründig ästhetischen, hintergründig politischen Kontroverse um »Realismus« oder »Formalismus« ganz auf die Seite der Formalisten schlägt. »Landschaft mit Figuren«: Ein Debakel An prominenter Stelle gedruckt, war der Aufsatz »Empirische Betrachtungen« wohl allen bekannt, die am Abend des 29. September 1959 in der Tribüne Platz nahmen. Mancher Kritiker wird sich gefragt haben, warum ein Dramatiker, der keiner sein möchte, sich an das Schreiben

von Stücken macht. Er wird sich – längst vor dem lauen Beifall – gedacht haben, dass diese Premiere von Seiten der Presse nur zu frontaler Attacke taugt. In der Tat, wer ein Vergnügen an Verrissen hatte, kam während der nächsten Tage auf seine Kosten. Heinz Ritter: »Wo nix ist, kann nix werden.« Willy H. Thiem: »Hier wird Wind gemacht, nichts als Wind.« Andere beklagen den »Blödsinn«, den »Firlefanz«, die »Langeweile«. Rühle meint, es bleibe ein »Rätsel«, warum sich Herrey solche »Mühe« mit einem solchen Text gemacht habe. Schließlich bringt Mandowski die Sache schon durch den Titel seiner Kritik auf den Punkt: »Wie kann man nur!« Hildesheimer aber wollte nicht sehen noch hören. Zwei Wochen nach dem Debakel der Tribüne schrieb er dem Hausherrn Lothar: »Daß es so kommen würde, das haben wir beide nicht ahnen können. Ich bin immer noch fest davon überzeugt, daß die Kritiker sich geirrt haben und daß alles an der Inszenierung liegt.« Wiewohl sich der Schreiber seiner Meinung sicher war – unter das Wort »fest« setzte er gleich zwei Striche –, bat er wenig später die aus Österreich stammende Autorin Ingeborg Bachmann um Rat. Sie war es, die den Freund bald eines Besseren belehrte: »Man begibt sich ohne Frage in das Stück, aber nach einer Weile ergeht es einem wie beim Segeln. Das Boot ist gut und das Wasser ist gut, aber der Wind fehlt und ich frage mich warum.« In den Dialogen, so die Bachmann, reibe sich das »absurd Konventionelle« am »absurd Konventionellen«. Doch es gebe kein Warum, kein Wozu. »Verzeih mir drum, wenn ich meine, daß Deinem Stück etwas fehlt, das vor dem Stück liegt.« Hildesheimer und Herrey, jeder war im Lauf seiner Arbeit für die Bühne bis zur Premiere der »Landschaft mit Figuren« von Erfolg verwöhnt worden. Nun mussten sich beide aus einer herben Niederlage winden. Nachdem Luft am 1. Oktober 1959 in der Tageszeitung »Die Welt« unter dem Titel »Nur abstrakt ist noch nicht modern« einerseits das Drama, anderseits die Inszenierung einer scharfen Kritik unterzogen hatte – die Regie habe die schlimme Sache »schlimmer« gemacht –, schrieb Herrey dem renommierten Journalisten einen langen Brief. Sicher, unter Regisseuren gilt der Satz ›Kritik kassiert man‹. Aber, auch Männer wie Barlog, Kortner, Piscator hatten sich einmal klagend an Luft gewandt. Herrey fühlte sich nach dessen Verriss gekränkt, ja »bedroht«. Er gelte seit dem Erfolg mit Stücken von Ionesco und Genet als »Avantgarde-Spezialist«, sei daher zur Inszenierung des schwachen Stückes von Hildesheimer gedrängt worden, habe sich gegen die Regie »gewehrt«, sie erst »nach großem Zögern« übernommen. Sein berufliches Interesse gelte andern Autoren als den Heroen des Absurden Theaters; sein »eigentliches Gebiet« seien die Werke William Shakespeares, August Strindbergs, Anton Tschechows, George Bernard Shaws. REGIE UND SZENE ABSURDER STÜCKE 1957–1959

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Hermann Herrey, Inszenierung »Landschaft mit Figuren«, links Trude Hesterberg als Frau Sartorius, rechts Hans-Rüdiger Renn als Colin, 1959

»Ulysses« auf der Bühne Gegen Ende seines Schreibens erwähnt Herrey zwei amerikanische »Nicht-Avantgarde-Stücke«, die er Westerman als dem Intendanten der Berliner Festwochen Anfang des Jahres 1959 zur Aufführung empfohlen hatte und die er gern selber für das Festival auf die Bühne gebracht hätte. Es handelt sich um Erskine Caldwells und Jack Kirklands »Die Tabakstraße« sowie um Morton Wishengrads »Seiltanz«. Beides sind Dramen mit Charakteren aus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, beides Dramen mit Menschen von ganz unten, beides Dramen, die – auch – aufgrund ihrer psycho- und soziokritischen Aspekte am Broadway über Jahre gespielt worden waren, das erste ab 1933, das zweite ab 1957. Herreys Vorschlag, das Stück »Die Tabakstraße« in das Programm der Berliner Festwochen zu nehmen, hatte man mit der Begründung verworfen, das Werk sei »zu realistisch«. Doch was heißt das? Es kann erstens heißen: dass die Intendanz des Festivals, die ja den »Kulturwillen« der Halbstadt stärken sollte, die »Schutzmacht« USA und den Alltag ihrer Bürger nicht durch die aggressiven sexuellen Elemente des Dramas verhöhnt sehen wollte. Es kann zweitens heißen: dass die der kulturellen Sphäre oktroyierte Kontroverse um »Realismus« und »Formalismus« – in welcher »Realismus« mit angeblich rückständig ostdeutscher und »Formalismus« mit angeblich fortschrittlich westdeut246

scher Kunst assoziiert wurde – auch auf das Urteil über neue Stücke ihren Einfluss hatte. Dass sich Caldwell so rasch unter dem Rubrum Realist und Hildesheimer so rasch unter dem Rubrum Formalist subsumieren ließ, machte die Wahl leicht. Es war klar, welcher Autor im kulturellen Klima des Berlin West jener Jahre favorisiert werden würde. Kluge Köpfe wie Oscar Fritz Schuh, von 1953 bis 1958 Künstlerischer Leiter des Theaters am Kurfürstendamm, mochten der Unterscheidung von Realismus und Formalismus nicht folgen. »Tatsache ist, daß beide Begriffe wesentlich zur Kunst gehören.« So hatte sich Schuh schon 1953 in seinem Aufsatz »Rückblick und Ausblick« für die Zeitschrift »Der Monat« geäußert. Auch Herrey hätte sich wohl quer zu den Lagern gestellt. Davon zeugt sein Interesse an einer dramatischen Fassung des von ihm besonders geschätzten »Ulysses«, ist doch dieser Roman von Joyce ein Werk, das sich dem Leser nur als Einheit von Realismus und Formalismus erschließt. Die fünfzehnte Episode der in Dublin spielenden Geschichte, das heißt der Besuch von Leopold Bloom und Stephen Dedalus in Bella Cohens Bordell, war von Marjorie Barkentin unter dem Titel »Ulysses in Nighttown« dramatisiert worden und seit Mitte 1958 in New York auf der Bühne zu sehen. Aber nicht diesen einen Ausschnitt, sondern alle achtzehn Episoden des Romans wollte Herrey in dramatische Literatur transformieren und im Rahmen der Berliner Festwochen 1960 inszenieren. Westerman, den

Links Hugo Schrader als Herr von Ruhr, rechts Paul Edwin Roth als Adrian

er für diesen Vorschlag in einem Brief vom 15. Oktober 1959 auch durch den Verweis auf die eigene Erfahrung mit projizierten Bühnenbildern zu begeistern versuchte, mochte sich in der Sache nicht ernsthaft engagieren. Für eine Produktion des »Ulysses« mit seiner Unzahl von Charakteren hätte man sich an eines der größeren Berliner Theater wenden müssen; im Grunde hätte nur das Schiller-Theater die rechte Bühne bieten können. Ob aber ein Barlog einen Herrey in seinem Hause hätte wirken lassen, diese Frage bleibt ohne Antwort. Vom Absurden Theater: Der Abstieg Aufgrund der Freundschaft zwischen Joyce und Beckett führt das Werk des älteren der beiden irischen Autoren zu den Quellen des Absurden Theaters. Herrey wird gespürt haben, dass die Kontingenz der Existenz in einem Roman wie »Ulysses« – Avantgarde par excellence – stärker als in den vergleichsweise liebenswerten Dramen Ionescos zum Ausdruck kommt. Gleichviel, mit den Premieren von dessen Stück »Die Nashörner« erst in Düsseldorf, dann in Paris, dann in London erreichten Idee und Konzept des Absurden Theaters im Lauf der Spielzeit 1959/60 ihren Zenit. 1961 schließlich erschien Martin Esslins Studie »Das Theater des Absurden«, die der Strömung eine große Zukunft versprach, weil sie das »geistige Empfinden« der Zeit treffe.

Es kam jedoch anders. In der Sonntagszeitung »The Observer« hatte Tynan schon 1958 erklärt, Ionesco habe eine fatale »Mission«, die mit der dauerenden Rede von der Welt ohne Sinn die Gesellschaft um die Möglichkeit der Entwicklung bringe. In gleich fünf Heften des Berliner »Volksbühnen-Spiegels« wurde zwischen September 1959 und Juli 1960 das Schaffen Ionescos kontrovers diskutiert. Und als Ende 1961 Henning Rischbieter in der jungen Zeitschrift »Theater heute« einen Essay über die Perspektiven dramatischer Literatur deutscher Sprache publizierte, musste der Leser unter dem Abschnitt »Ist auch die Stunde der Absurden vorbei?« eine scharfe Kritik an den Stücken des Proselyten und Epigonen Hildesheimer zur Kenntnis nehmen. Auch von Ionesco hat nur weniges überlebt. Nicht dazu gehört das Stück: »Jacques oder Der Gehorsam«. Dazu gehört das Stück: »Die Stühle«. Gespielt aber wird es heute nicht als Konzentrat jenes »absoluten Nihilismus«, von dem Luft, noch als Konzentrat jenes peinlichen »Gewissens« und »Versagens«, von dem Herrey sprach. Nein, man nimmt es leicht. Gespielt wird es – so 2010 unter der Regie von Luc Bondy im Pariser Théâtre des Amandiers – als Komödie einer Demenz, deren Ende im Tode der Alte und die Alte glücklich lachend herbeiführen.

REGIE UND SZENE ABSURDER STÜCKE 1957–1959

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21  EIN THEATER FÜR TRIER 1959–1960

Mit Worten wie »sensationell« und »ohne Beispiel in der ganzen Welt« beschreibt Siegfried Melchinger, Leitender Redakteur des Feuilletons der »Stuttgarter Zeitung«, den Aufbau und Neubau von Häusern für Oper, Drama und Ballett in der Bundesrepublik Deutschland. Publiziert in Heft 4/1960 der noch jungen Zeitschrift »Theater heute«, war Melchingers Resümee ein Resümee auf etwa halber Strecke. Denn die theatrale Architektur westdeutscher Groß- und Kleinstädte entstand zwischen 1948 und 1970; ihren Anfang nahm sie mit dem Aufbau des Staatstheaters Braunschweig; ihr Ende fand sie mit dem Neubau des Düsseldorfer Schauspielhauses. Melchingers Behauptung, im Westen Deutschlands seien binnen zehn Jahren über hundert Theatergebäude errichtet worden, lässt sich kaum prüfen. Von den bis 1960 fertigen Auf- und Neubauten im Dienst der darstellenden Künste seien hier zwanzig genannt, denen für die Dekade Typisches eignet. Garniert mit den Reden von Bürgermeistern, die noch gern vom »Wahren, Schönen, Guten« sprachen, wurden feierlich eröffnet: 1948 der Aufbau des Staatstheaters Braunschweig von Daniel Thulesius; 1950 der Aufbau des Theaters am Goetheplatz Bremen von Hans Storm und Werner Commichau sowie der Aufbau der Städtischen Bühnen Essen von Johannes Dorsch und Wilhelm Seidensticker sowie der Aufbau der Oper Hannover von Werner Kallmorgen; 1951 der Neubau des Schiller-Theaters Berlin von Heinz Völker und Rudolf Grosse sowie der Neubau des Residenztheaters München von Karl Hocheder und Adolf Linnebach; 1952 der Neubau des Stadttheaters Bad Godesberg von Ernst Huhn sowie der Neubau der Vereinigten Städtischen Bühnen Krefeld und Mönchengladbach in Krefeld von Eugen Bertrand; 1953 der Neubau des Schauspielhauses Bochum von Gerhard Graubner sowie der Aufbau des Stadttheaters Kiel von Werner Kallmorgen; 1954 der Neubau des Stadttheaters Remscheid von Ernst Huhn; 1955 der Neubau der Hamburgischen Staatsoper von Gerhard Weber; 1956 der Neubau der Städtischen Bühnen Münster von Harald Deilmann, Max von Hausen, Ortwin Rave, Werner Ruhnau; 1957 der Neubau der Oper Köln von Wilhelm Riphahn sowie der Neubau des Nationalthea248

ters Mannheim von Gerhard Weber; 1958 der Neubau des Theaters der Stadt Lünen von Gerhard Graubner; 1959 der Neubau der Städtischen Bühnen Gelsenkirchen von Max von Hausen, Ortwin Rave, Werner Ruhnau sowie der Neubau des Staatstheaters Kassel von Paul Bode und Ernst Brundig sowie der Neubau der Vereinigten Städtischen Bühnen Krefeld und Mönchengladbach in Mönchengladbach von Paul Stohrer; 1960 der Aufbau des Thalia-Theaters Hamburg von Werner Kallmorgen. Aus der Perspektive des Architekturhistorikers sind die fünfziger Jahre der Bundesrepublik Deutschland nicht allein durch den Bau von Kirchen, sondern auch durch den von Theatern und Kinos geprägt, wohl weil es in allen drei Sparten um die Spannung von Gesellschaft und Gemeinschaft geht, die nach der Diktatur neu bestimmt werden musste. Theater hatte Konjunktur. Politiker und Intendanten einer jeden Großstadt wagten sich an die Sache. Man wollte erst ein Großes, dann ein Kleines Haus, das Große für Oper und Drama, das Kleine für Drama und Ballett. Man hatte aber kein Interesse an der Avantgarde theatraler Architektur. Bedeutend beschwiegen wurden vor allem die mit kulturellen, ja politischen Utopien verknüpften Versuche der Weimarer Republik, etwa das Große Schauspielhaus der Hans Poelzig und Max Reinhardt oder das Totaltheater der Walter Gropius und Erwin Piscator. In Sachen Altbau wünschte man vielmehr die Rekonstruktion historistischer Architekturen, in Sachen Neubau vielmehr die Typologik à la Graubner. Eigentlich, eigentlich wollte man nicht mehr als den vertrauten Guckkasten. Dieser Konsens auf dem Terrain zwischen kommunaler Politik und kommunalem Theater wurde allein durch Wettbewerbsteilnehmer gebrochen, die von einem Theatergebäude mehr als nur die Raffinesse der Konvention verlangten, ohne dass sie darum Piscators Vision vom Theater als »Laboratorium für den neuen, den nächsten Menschen« hätten folgen wollen. An erster Stelle müssen Hans Scharoun mit seinem Beitrag zum Wettbewerb um das Staatstheater Kassel aus dem Jahr 1952 und Ludwig Mies van der Rohe mit seinem Beitrag zum Wettbewerb um das Nationaltheater Mannheim aus dem Jahr 1953 erwähnt werden. Dass ihre prämierten Projekte nach Idee und Konzept

Ernst Kirchhoff, Einraumtheater, 1948

heftig kontrastierten – Scharoun: skulptural, pluriform; Mies: struktural, uniform –, zeugte von der Energie der Moderne auch in deutschen Landen, wo ein mediokrer Klassizismus sie zuvor an der Entfaltung gehindert hatte. Dass Scharoun wie Mies der Erfolg letzten Endes versagt, also jener wie dieser Entwurf Modell blieb, war eine Blamage für Kassel wie für Mannheim. Bei aller Achtung vor der kulturellen Ambition der westdeutschen Gesellschaft, auch ihr stellte die Niederlage der Scharoun und Mies ein schlechtes Zeugnis aus. In dem eingangs zitierten Resümee heißt es, im Ausland schaue jeder Theaterdirektor, jeder Theaterkritiker »voller Neid« auf die Bühnen deutscher Städte zwischen Flensburg und Konstanz. Keine Frage, dass die Häuser damals aus dem Vollen schöpfen konnten. Die Ausgaben für die teils städtischen, teils staatlichen Theater – einerseits für deren Betrieb, anderseits für deren Auf- und Neubau – betrugen in der Spielzeit 1949/50 etwa 102,9 Millionen Deutsche Mark, in der Spielzeit 1959/60 etwa 265,8 Millionen Deutsche Mark. Vielleicht aus genau diesem Grunde fragte Melchinger, »warum dieses Land so viele neue Theater gebaut« und »warum es sie so prachtvoll gebaut« habe. Es kämen bei der Antwort »gemischte Gefühle«, das heißt mehr »Unbehagen« als »Bewunderung« auf. Variabilität statt Repräsentation Um Melchingers Gefühle zu verstehen, genügt ein Rückblick auf die Jahre vor dem Aufschwung theatraler Architektur. Gleich nach dem Weltkrieg hatte die Schauspielkunst von Professionellen wie von Laien einen sozialen Status erreicht, den sie vorher nie gehabt hatte. Anfang 1946 staunte Friedrich Luft, im »Prolog« seiner ersten Sendung unter dem Titel »Stimme der Kritik«, in Berlin werde an fast zweihundert Orten gespielt.

»Nudelbretter«, das heißt enge Bühnen, gab es in Ballsälen, Turnhallen und Bierkellern, oft ohne Heizung. Doch nur in einer Stadt blieb der Impetus des poveren Theaters der ersten Stunde am Leben. Seit Beginn der fünfziger Jahre von Gustav Rudolf Sellner geführt, nutzte das Landestheater Darmstadt seine Unterbringung in der Orangerie für ein Programm, das die kargen Räume zum Vehikel eines Theaters der Konzentration auf das Essentielle oder, um es mit einem Ausdruck jener Jahre zu sagen, auf den »Menschen schlechthin« machte. Ob im Drama antiker oder absurder Autoren, betont wurden bei Sellner – der keinen Neubau wollte, schon gar keine technisch avancierte Maschinerie unter oder über den Spielern – stets das Leere der Bühne und das Zeichenhafte des Vorgangs. Drei Jahre nach dem Weltkrieg, als die meisten der kleinen Freien Gruppen an der Währungsreform scheiterten, präsentierten Architekten und Szenographen wieder neue Ideen und neue Konzepte für Theatergebäude. Alle diese Projekte boten Lösungen für die seit je heikle Stelle des Übergangs vom Ensemble zum Publikum, von der Szene zum Parkett. Es ging um den Rahmen, den Vorhang, die Rampe der Bühne sei es als Spalt und also starke Grenze, sei es als Naht und also schwache Grenze. Es ging um alles, was gleich hinter und gleich vor dieser Linie sich ereignet. Es ging, letzten Endes, um das Theatergebäude als Zwei- oder Einraum. Der Hamburger Architekt Ernst Kirchhoff wandte sich 1948 mit seiner Schrift »Theaterbau der Zukunft« an Leser, die noch ganz unter dem Eindruck des Weltkriegs und Nachkriegs standen. Sätzen wie »Was vor uns liegt, wissen wir nicht; wir können nicht einmal sagen, daß wir den tiefsten Punkt der Auflösung und Zerstörung erreicht haben« eignet das Pathos jener Architekten und Urbanisten, die ein Jahr zuvor, im ers­ten Heft der Zeitschrift »Baukunst und Werkform«, den Text »Ein Aufruf. EIN THEATER FÜR TRIER 1959–1960

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Leo Einzig, Einraumtheater, 1949

Grundsätzliche Forderungen« an die Öffentlichkeit gebracht hatten. Wo jene Männer – unter ihnen Egon Eiermann, Alfons Leitl, Otto Ernst Schweizer, Hans Schwippert – gemeint hatten, man sei »auf den Grund der Dinge verwiesen« und müsse in Sachen räumlicher wie baulicher Gestaltung das »Einfache« und »Gültige« suchen, da nannte auch Kirchhoff die freilich bloß vagen Adjektive des Armen, Schlichten, Klaren, Schönen. Der Autor sah seine Zeit auf einer Schwelle zwischen Gestern und Morgen stehen. Er wollte die Wirkung des Schauspiels stärken und hielt daher den barocken Guckkasten für obsolet. Was ihm – deutlich geprägt von der ästhetischen Reduktion jüngeren Theaters – vor Augen schwebte, war ein Saal mit einem eher in die Breite als in die Tiefe führenden Podium an einer der schmalen Seiten des Raumes. Beide Teile, der für die Darsteller und der für die Zuschauer, sollen unter ein und derselben Decke liegen, getrennt allein durch eine flache Rampe und einen dünnen Vorhang, der sich an einer Schnur, weit unter der Decke gespannt, nach links wie rechts ziehen lassen soll, sodass der Blick auf die Einheit der Decke stets frei, der Einraum stets Einraum bleibt. Es soll keinen Schnürboden geben; stattdessen soll auf das Halbrund des Horizonts projiziert werden, was den Ort der Schau erklärt. Die Bühne selber soll eher einer leeren Fläche gleichen; statt einer üppigen Ausstattung sollen wenige Objekte den Akteuren beim Spielen helfen. »Welche Bedeutung«, so fragte Kirchhoff, »könnte allein ein einziger Stuhl in diesem Raume erlangen?« Neben Kirchhoffs Versuch trat 1949 ein Entwurf des Lehnitzer Architekten und Szenographen Leo Einzig. Der Grundriss vereint, durch und durch achsialsymmetrisch, halbe und volle Kreise. In der Mitte des Ganzen erscheint der größte Kreis, ein Rundling für Parkett und Szene. Diesen Einraum deckt eine »wahre Himmelskuppel«, um es mit dem Euphemismus des Architekten zu sagen. Die am Rande liegende Drehbühne flankieren drei nach schräg links, drei nach schräg rechts 250

führende, halbhohe Wandscheiben, die an beiden Enden der Reihen des Parketts weit in den Saal reichen. Die sechs trennenden Gebilde lassen sich verschieben oder versenken, sich zu Teilen des Bühnenbildes machen, sich für Gassen vor dem Auftritt nutzen. Einzig sieht zwar keine Ober-, doch eine Untermaschinerie vor, in deren drei Räumen sich ganze Drehscheiben samt ihren Aufbauten verstauen lassen. Auf die Idealprojekte der als Einraum gedachten Theatergebäude von Kirchhoff und Einzig folgten 1950 zwei einander verwandte, technische Konzepte, deren Autor nicht mehr das Ganze des Hauses, sondern allein die Portalzone – den Raum zwischen der Szene auf der einen, dem Parkett auf der andern Seite – in das Zentrum des Interesses gerückt hatte. Werner Harting, nach dem Weltkrieg erst Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Weimar, dann Architekt in Berlin, publizierte in Heft 6/1950 der Zeitschrift »Die Neue Stadt« einen sorgsam illustrierten Text, worin er von der »einmaligen Gelegenheit« schwärmte, Deutschland auf das Niveau eines Landes mit wirklich neuen Theatergebäuden zu heben. Was er selber bis dahin geplant hatte und nun der Fachwelt darbot, war indes pragmatisch, nicht idealisch gestimmt. Beim Wettbewerb um das Schiller-Theater Berlin hatte er den Vorschlag eines beweglichen Bühnenrahmens unterbreitet. Von größerer Bedeutung aber hätte eine von ihm erdachte andere Vorrichtung werden können, bei welcher zwei fast viertelrunde Eisenwände auf Schienen im Bogen nach hinten wie nach vorne gleiten. Hinten sollen die beiden Schalen als Horizont, vorne als Brandschutz dienen, zugleich die Öffnung der Bühne je nach Spiel kleiner oder größer machen. Das Q Theatre zu Gast in Berlin Wiewohl die Entwürfe und Vorschläge der Kirchhoff, Einzig und Harting ob ihrer technologischen Potentiale aus dem Beginn des Auf- und Neubaus von Theatern im Westen Deutschlands ragen, weisen sie im genuin

Einband »Internationale Ausstellung Moderner Theater Architektur«, Berlin 1950

Architektonischen manchen Mangel auf. Schon der penetrante Symmetrismus bei Kirchhoff und Einzig ist alles, nur nicht modern. Im Vergleich zu den drei oben erklärten Arbeiten aus den späten vierziger Jahren bietet Hermann Herreys Q Theatre aus den frühen vierziger Jahren nicht allein technologische Potentiale, sondern auch singuläre ästhetische Qualitäten. Ferner ist die Architektur dieses Bauwerks konkret, also auf einen bestimmten Bauherrn und einen bestimmten Bauort bezogen. Da das Projekt Q Theatre im Juni 1946 in der amerikanischen Zeitschrift »The Architectural Forum« und im Mai 1949 in der französischen Zeitschrift »L’Architecture d’Aujourd’hui« so exzellent wie detailliert publiziert worden war, hatte es – sagen wir: vielleicht – sogar Einfluss auf die Ideen und Konzepte der Kirchhoff, Einzig und Harting gehabt. Diese Vermutung gilt am wenigsten für Kirchhoff, dessen Bühne in der Tradition der reliefartigen Bühne des Münchner Künstlertheaters steht, die auch Herrey vertraut war, würde er diesen Typus doch Jahre später, Frank Wedekind treu, als Vorbild seiner theatralen Konstruktion für die Inszenierung des »König Nicolo« im Garten des Hauses Pertzoff in Lincoln / Massachusetts nutzen. Anders als bei Kirchhoff liegt der Fall bei Einzig und Harting. Einzigs Vorbühne mit ihren links wie rechts je drei halbhohen Wandscheiben ähnelt der Außenbühne des Q Theatre. Und Hartings zwei fast viertelrunde Eisenwände stehen den beiden Schalen um das Zyklorama des Q Theatre so nah, dass es schwerfällt zu schreiben, der Berliner Architekt habe die Herreyschen Artikel in »The Architectural Forum« und »L’Architecture d’Aujourd’hui« nicht gekannt. Immerhin hatte die Technische Universität Berlin beide Zeitschriften abonniert. Anlässlich der Bühnentechnischen Tagung der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehörigen (GDBA) und des Deutschen Normenausschusses (DNA), zu der sich die Fachwelt im Sommer 1950 in Berlin

West versammelt hatte, wurde in der Maison de France, dem neuen französischen Kulturzentrum am Kurfürstendamm, die »Internationale Ausstellung moderner Theater-Architektur« des International Theatre Institute (ITI) Paris eröffnet. Groß war die Schau nicht; sie bestand wohl aus etwa hundert Tafeln, einigen Modellen, einigen Graphiken. Unter den aus vielen Ländern stammenden Theatergebäuden befanden sich auch Projekte von Frank Lloyd Wright, Norman Bel Geddes und Le Corbusier; nicht zu vergessen das damals neue, auf der Linie des totalen Theaters à la Gropius und Piscator stehende Vorhaben eines Theaters mit runder drehbarer Szene und rundem drehbaren Parkett der beiden Schweizer André Perrottet von Laban und Erwin Stoecklin. Im Ganzen aber waren die Exponate eher an der Historie orientiert. Schon der Titel des Beiheftes der Ausstellung hatte eine Botschaft: Er zeigt ein Foto des Comédie genannten, kleineren Saales des Théâtre des Champs-Elysées von Auguste Perret. Dessen Portal gleicht einem Bilderrahmen, der Szene und Parkett deutlich scheidet und auf diese Weise von Konvention, nicht von Modernität zeugt. Aus welchen Gründen auch immer, die für eine längere Wanderschaft geplante Ausstellung kehrte im Herbst 1950 nach Berlin West zurück, unter anderm ergänzt um eine Tafel, auf der das Q Theatre gezeigt wurde. Der Berliner Architekt Fritz Bornemann, von 1936 bis 1939 sporadisch Assistent seines Vaters Walter Bornemann bei der Ausstattung an Theatern der Reichshauptstadt, schrieb für die »Bühnentechnische Rundschau«, das damals einzige westdeutsche Magazin für Belange des Theaters, eine an Kenntnis und Meinung reiche Rezension, die Herreys Projekt am Ende in Text und Bild würdigt. Indes vermochte die Verbreitung des Entwurfes seine Sache nicht zu fördern. Für das Q Theatre – das sich aufgrund seiner Funktionalität und Variabilität der Vielfalt eines Kulturzentrums öffnet – gab es in der westdeutschen Gesellschaft der fünfziger Jahre nicht die geringste Möglichkeit, gebaut zu werden. Denn aller Augen waren längst auf den Guckkasten gerichtet. Repräsentation statt Variabilität Was die kommunalen Politiker damals von einem Theatergebäude wünschten, waren Zeichen für das, was sie gern »Aufbau aus dem Nichts« und »festliche Gemeinschaft« nannten. Dieser Konsens findet sich blumig bestimmt in der kleinen Festschrift, die anlässlich der Eröffnung des Krefelder Gebäudes der Vereinigten Städtischen Bühnen Krefeld und Mönchengladbach 1952 erschien. Intendant Erich Schumacher äußert in dem Heft voller Stolz, die Deutschen hätten sich nach dem Weltkrieg – im Rücken: »Inferno«, vor Augen: »Apokalyptisches« – zu »künstlerischen Begegnungen« mit hohem Anspruch an die »Dichter« bekannt. Im Theater würden sie »Trost« suchen und auf einen »Blick in eine harmonische Welt« hoffen. EIN THEATER FÜR TRIER 1959–1960

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Nicht dass solche Meinung, bei der stets die Opfer-, nie die Täterrolle deutscher Menschen betont wurde, keinen Widerspruch erfahren hätte. Der Kritiker Johannes Jacobi und der Intendant Gustav Rudolf Sellner warnten im selben Jahr 1952 mit fast denselben Worten vor dem Vergessen der Geschichte und vor einer »Bewegung des Theaters in Richtung auf eine Prosperity«, die den Schwerpunkt einer jeden Premiere von der Szene in das Parkett und das Foyer rücke. Aber je weiter der Aufschwung der Wirtschaft trug, desto heller strahlten Abend für Abend die Theater als Gebäude sich selbst genießender, geschlossener Gesellschaften. Unter diesem Aspekt bietet schon die Stirn des Schauspielhauses Bochum aus dem Jahr 1953 ein Lehrstück. Einerseits operiert die Fassade mit moderner Transparenz, weil man von draußen durch Scheiben, die von ganz unten nach ganz oben reichen, in das Foyer schauen kann; anderseits stehen vor der Fassade zehn runde, schlanke, weiße Stützen, die nur sich selber tragen, doch dem in roten Klinker gehüllten Gebäude die Würde eines Musentempels geben. Innen dominieren drei Farben: Weiß an den Wänden, Rot auf dem Boden, Gold an Metallstücken. Ist es nicht, als hätten das WeißRot-Gold, der Pomp und Plüsch des Kaiserreichs eine Rückkehr gewagt? Es lohnt sich, hier an das im vorigen Kapitel erwähnte fünfte »Darmstädter Gespräch« unter dem Titel »Theater« zu erinnern. Bevor sich die Herren zu Rede und Gegenrede trafen, hatten sie sich am Morgen des 23. April 1955 im Ausstellungsgebäude der Mathildenhöhe versammelt. Dort wurde eine »Theaterbau« genannte, größere Schau über Geschichte und Gegenwart theatraler Architektur eröffnet. Zur Einführung sprach der Hamburger Architekt Kallmorgen. Hatte er noch fünf Jahre zuvor gemeint, die Feuer des Weltkriegs hätten ein »Großreinemachen« bei den alten, von höfischer Vorstellung geprägten Theatergebäuden deutscher Städte möglich gemacht, hatte er damals noch auf ein Theater der »Vollendung« durch »Einfachheit« gehofft, so war er nun, vor der Schar der Politiker und Intendanten, der Publizisten und Regisseure, ganz anders gestimmt. Er hieß die Ausstellung, besonders die Abteilung über das zwanzigste Jahrhundert, eine »mahnende Kulisse«. Und dann: »Wir kranken an unserm historischen Erbe. Wir wissen zu viel, und deshalb wollen wir zu viel, und deshalb können wir so wenig.« Kallmorgen sprach aus Erfahrung; er hatte den Aufbau der Oper Hannover und den des Stadttheaters Kiel geleitet. Sein Thema und Problem war: »das Schillernde in der Bedeutung des Begriffes Kommunaltheater«. Den Widerspruch zwischen dem eher bewegenden »kulturellen Wollen« auf der einen und dem eher beharrenden »repräsentativen Verlangen« auf der andern Seite könne der Architekt nicht auflösen. Aufgrund der Weiternutzung der fürstlichen Gehäuse sei es schon der demokratisch verfassten Weimarer Republik nicht gelungen, eine eigene Vorstellung von Repräsentation zu entfalten. Auch der Bundesrepu252

blik Deutschland fehle eine solche Vorstellung. Dass ein Theatergebäude nicht außen noch innen wie ein Tempel oder eine Fabrik oder ein Bunker erscheinen dürfe, wisse man zwar; doch man wisse nicht, wie eine »neue Festlichkeit« zu gestalten sei. Zwei Jahre nach Kallmorgens Fragen zur theatralen Architektur der Gegenwart wurde das Nationaltheater Mannheim eröffnet, Webers Bau in Zeitungen und Zeitschriften gefeiert. Nur der Schweizer Dramaturg, Regisseur und Publizist Hans Curjel sprach von einer »modisch gestriegelten Variante« der Miesschen Kiste. »Baukunst und Werkform« druckte in Heft 8/1957 auf ganzer Seite ein Foto des Foyers im Großen der beiden Häuser. Man sieht Damen Stufe um Stufe zu den Türen der Logen steigen, alle in weiter weißer Robe, als ob sie im Ballkleid zum Hofball gingen. »Ein Theater ist heute ein Ort, an dem ein Fest stattfindet«, heißt es gleich neben dem Foto. Hatte etwa das »repräsentative Verlangen« das »kulturelle Wollen« verdrängt? Wettbewerbe, Wettbewerbe Wieder zwei Jahre später, zwischen Anfang 1959 und Anfang 1960, erreichte das Interesse westdeutscher Kommunen an neuen Theatergebäuden seinen Zenit: Entscheidungen für solche Bauten wurden im April 1959 in Würzburg, im August 1959 in Essen, im Januar 1960 in Bonn und Ingolstadt, im Februar 1960 in Trier, im März 1960 in Düsseldorf getroffen; Eröffnungen von solchen Bauten wurden im September 1959 in Kassel und Mönchengladbach, im Dezember 1959 in Gelsenkirchen gefeiert. Auch Herrey war um genau diese Zeit stark mit theatraler Architektur befasst: erst mit einem Entwurf für Bonn, dann mit einem für Düsseldorf, dann mit einem für Trier. Der Anstoß kam wohl von dem Architekten Alfons Leitl. Geboren 1909 in Berlin, hatte er nach dem Abitur eine Lehre im Verlag der »Bauwelt« absolviert und um 1930, in seiner Funktion als Redakteur und Journalist, Kontakt zu einer Reihe von Studenten des Poelzigschen Seminars an der Technischen Hochschule Berlin geknüpft. Für Heft 19/1932 der »Bauwelt« hatte er einen kleinen Beitrag über die Wachsenden Häuser der Ausstellung »Sonne, Luft und Haus für Alle« verfasst. Von Mitte 1947 bis Ende 1958 hatte er sich auf dem Posten des Herausgebers der Zeitschrift »Baukunst und Werkform«, von Ende 1949 bis Mitte 1951 auch auf dem des Stadtbaurats von Trier bewährt. Es ist also gut möglich, dass einer den andern längst kannte, als Leitl sich im Mai 1959 an Herrey wandte und den durch seine Praxis als Architekt wie als Regisseur besonders versierten Kollegen um Unterstützung bei der Teilnahme am Wettbewerb um das Theater der Stadt Bonn bat. In den Tagen vor dem 15. Oktober 1959, dem Datum der Abgabe der Arbeiten, hielt sich Herrey in Rheydt auf, wo er Leitl im Büro mit Rat zur Seite stand.

Wochen später, von Ende November bis Anfang Dezember 1959, half Herrey dem jungen Architekten Heinz Gaiser – der an der Technischen Hochschule Karlsruhe auch bei Eiermann studiert hatte – und seinem Sohn Antony Herrey in Rastatt bei der Arbeit an einem Entwurf des Düsseldorfer Schauspielhauses. Zum Wettbewerb reichten Gaiser und Herrey junior am 8. Dezember 1959 ein Projekt ein, das gleich den übrigen Projekten der offenen Konkurrenz zuerst seine Haltung zum Bauplatz des Bauwerks hatte finden müssen, ja diese Haltung deutlich zeigen musste. Denn das damals neue, fünfundzwanzig Geschoss hohe Dreischeibenhaus der Phoenix-Rheinrohr AG von Helmut Hentrich und Hubert Petschnigg gleich westlich des Baugrunds hatte im Raum der Stadt eine Präsenz – um nicht zu sagen: eine Aura –, die an diesem Ort jedes weitere Gebäude zu verbieten schien. Damit ihr Bau mit jeweils Großem und Kleinem Haus neben den schlanken, stolzen Scheiben des Industriemagnaten nicht erdrückt werden würde, operierten Architekten wie Ernst Friedrich Brockmann aus Hannover, Bernhard Pfau aus Düsseldorf und Rudolf Schwarz aus Köln mit einer in der deutschen Baukunst der anderthalb Jahrzehnte nach 1945 raren Plastizität. Brockmann und Schwarz setzten auf die Stufung und Stafflung, Pfau auf die rundende Bewegung der Masse. Der Vorschlag von Gaiser und Herrey junior aber sah einen Bau vor, der einerseits mit seinem lagernden Teil für Foyer und Parkett, anderseits mit seinem ragenden Teil für die Maschinerie ganz der Typologik theatraler Architektur gehorcht hätte. Zwar anders als das später nach Pfaus Entwurf gebaute Theater, dessen strahlend weiße Hülle sich nach Süden, also in Richtung der Stadtmitte öffnet, doch ähnlich wie Brockmann, Schwarz und wohl die meisten Teilnehmer des Wettbewerbs schlugen Gaiser und Herrey junior für den Bau eine Lage vor, bei der sich das Theater nach Norden, also in Richtung des Hofgartens öffnet. Dieser Wendung hätten die leichte Schräge des Bühnenturmes und die Transparenz der Fassade an den drei Seiten von Entree und Foyer gedient. Gedient hätten ihr vor allem die drei Arme einer Rampe, die das Theater und den Hofgarten mit generöser Geste verbunden hätten. Sich mit dem Entwerfen von gleich zwei Theatergebäuden zu befassen – eines für Bonn als Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland, eines für Düsseldorf als Hauptstadt des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen –, war für Herrey unter manchem Aspekt nur wie ein Vor- und Warmlauf für eine weit größere Aufgabe, bei deren Lösung er ganz der eigenen, multiplen Kompetenz als Architekt, Regisseur und Szenograph vertrauen würde: Wohl auf Anregung Leitls hatte Herrey von Seiten der Stadt Trier mit Schreiben vom 13. Juni 1959 eine Einladung zur Teilnahme am offenen Wettbewerb um das Trierer Kommunalthea

ter erhalten. Außer ihm waren die Architekten Gerhard Graubner, wegen des Schauspielhauses Bochum, und Wilhelm Riphahn, wegen der Oper Köln, um einen Entwurf ersucht worden. Trierer Themen: Brauchbarkeit In Herreys Termin- und Notizbuch für das Jahr 1959 findet sich unter den Daten des 8. wie des 15. August eine Reihe bibliographischer Hinweise auf Zeitschriftenbeiträge über neue Häuser für Oper, Drama, Ballett und Konzert. Mit zwei Ausnahmen handelt es sich um die damals unter deutschen Architekten allgemein bekannten Beispiele. Die erwähnten Ausnahmen sind Heikki und Kaija Siréns Konzerthaus in Lahti / Finnland aus dem Jahr 1954 sowie Ernst Gisels Parktheater in Grenchen / Schweiz aus dem Jahr 1955. Texte und Fotos zu beiden Werken – nennen wir sie: Architektur ohne Prätention – brachte »Baukunst und Werkform« in Heft 6/1958 mit dem Thema »Kleine kulturelle Bauten«. In der Tat sind das Konzerthaus, errichtet für eine Stadt mit rund fünfzigtausend Einwohnern, und das Parktheater, errichtet für eine Stadt mit rund vierzehntausend Einwohnern, eher kleinere Gebäude. Was beide gemein haben, sind nicht allein die je sechshundert Sitzplätze im Saal, sondern auch die weiteren Nutzungen als Hotel und Res­ taurant. Durch den Gebrauch seines Foyers mal für einen Ball, mal für ein Bankett sowie durch den Gebrauch seines Ratsaals für die Belange der Gemeinde kommt das Parktheater einem wirklichen Gesellschaftsund Gemeinschafts-Gebäude gleich; was Herrey – man denke an seinen Plan einer Doktorarbeit unter dem Titel »Planning for Community Activities / Community Centers« – sicher gefiel. Aber solche Mischungen entsprachen nicht dem Charakter der Theater in westdeutschen Groß- und Kleinstädten; solche Mixturen wären dort vielmehr als ordinär kritisiert worden. Im Konzerthaus Lahti gibt es Kegelbahnen; im Theater der Stadt Trier sollte es Ehrenlogen geben. Erklärt das nicht genug? Trierer Themen: Lesbarkeit Für die frei im Raum der Stadt stehenden, größeren Theatergebäude hatte sich in Frankreich während des vierten Viertels des achtzehnten Jahrhunderts eine spezifische Typologik gebildet, bei welcher die drei Funktionen von Entree und Foyer, von Parkett und Logen, von Szene und Maschinerie mit drei Körpern korrelieren. Der Konvention, die Masse des Ganzen durch die Stufung der Teile zu gliedern, blieb auch der Auf- und Neubau von Theatern während der fünfziger Jahre treu. So verdankt das Haus der Städtischen Bühnen Münster seine Attraktivität und Popularität nicht allein den leichten Formen und lichten Farben – die hier und da an eine luxuriöse Gelateria denken lassen –, EIN THEATER FÜR TRIER 1959–1960

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sondern auch dem Faktum, dass bei diesem Bau die drei genannten Bereiche selbst für den hektischen Passanten auf den ersten Blick zu erkennen sind. Das Beispiel Münster lehrt die Vorzüge des Entwerfens lesbarer Gebäude. Aber sosehr die Vorzüge auch einleuchten, die Avantgarde der Architekten hatte an dieser Position kein Interesse. Im Bewusstsein, dass ein Theatergebäude freien Künsten einen Ort schaffen muss, suchten die Heroen der Moderne die tradierten Schemata zu brechen. Meis­ tern ihres Faches – Hans Scharoun 1952, Ludwig Mies van der Rohe 1953, Jørn Utzon 1957, Alvar Aalto 1959 – ging es um eine theatrale Architektur, bei welcher der Entwurf durch Funktion und Ästhetik, nicht durch Typologik und Historie bestimmt wird. Dem Vorhaben, das Gebäude des Theaters von alter Dreiheit zu neuer Vielheit oder neuer Einheit zu führen, stand vor allem der Bühnenturm mit dem Schnürboden im Weg. Mancher fand diese hohen Blöcke hässlich. Hans Curjel meinte, sie würden außen »gestalt- und inhaltslos« wirken. Anders als der Kirchturm, der von Glauben, und anders als der Schornstein, der von Arbeit zeuge, könne der Bühnenturm keine Bedeutung stiften. Er tauge nicht zum Symbol; er diene bloß einer Maschinerie, die niemand sehen wolle. Auf die Pluriformität des Projekts für das Staatstheater Kassel von Scharoun, dem es gelang, das Erscheinen von Bühnenturm und Schnürboden zu verhindern, folgte die Uniformität des Projekts für das Nationaltheater Mannheim von Mies. Die Halle auf dem Grundriss eines Doppelquadrats von hundertsechzig mal achtzig Metern wäre durch Fassaden aus Glas und Gitterträger aus Stahl deutlich bestimmt worden. Die Einheit des Ganzen wäre jedoch gestört worden, weil die Sequenz der sieben Binder unterbrochen worden wäre. Denn aus dem Zickzack der Stäbe hätte ein plumper Kasten für die Maschinerie geragt. Unter dem Aspekt der einen, großen Gestalt war das Mannheimer Gehäuse ohne Zweifel: ein Fehlschlag. Sieht man von Utzons Entwurf der Oper Sydney ab – einer so expressiven wie ikonischen Architektur, die mal das Bild sich öffnender Knospen, mal das Bild sich blähender Segel wachruft –, dann wagte erst Aaltos Entwurf der Oper Essen einen neuen Schritt auf dem Weg zur einen, großen Gestalt. Die Jury des Wettbewerbs hob den Rang dieser Arbeit hervor, indem sie außer dem ersten Preis für den Finnen keinen zweiten und dritten Preis vergab, sondern nur fünf Ankäufe bestimmte. Aaltos Modell wurde als Monolith empfunden, der sämtliche Bereiche der theatralen Aktivität in ein und demselben Körper fasst, aus dem nicht Entree und Foyer, nicht Parkett und Logen, nicht Szene und Maschinerie sich lösen, um laut ›Hier bin ich!‹ zu rufen. Wend Fischer, damals Redakteur der Zeitschrift »Werk und Zeit«, sah in dem Modell der Oper einen schrägen »Baumstumpf«, bei dem alles »unter einem Dach« liege. 254

So trat Aalto einerseits neben Scharoun, weil er mit dem »Baumstumpf« ein Stück Landschaft offerierte, anderseits neben Mies, weil er in Bezug auf die Außengestalt des Hauses an Einheit, nicht an Vielheit interessiert war. Lag diese Haltung etwa in der Luft? Ernst von Rudloff, dessen Projekt von der Jury mit einem Ankauf bedacht wurde, schrieb in seinem Bericht, er wolle seine »Idee« einer »Überdeckung« des Ganzen zur Diskussion stellen, weil diese Lösung dem Theater entspreche. In der Tat stecken bei Rudloffs Entwurf alle Räume unter einem Zelt, unter einer von Frei Otto inspirierten Membran, die von einem Bogen und von Seilen in Form gebracht wird. Trierer Themen: Örtlichkeit In seinem 1962 publizierten Buch »Die Wiedergeburt der deutschen Städte« widmet der aus Westfalen stammende Publizist Wilhelm Westecker auch der alten Augusta Treverorum und dem neuen Trier ein eigenes Kapitel, das er mit eigenen Eindrücken bereichert. So meint er: »Ist das nicht verwirrend? Eine Stadt, sprunghaft wie eine Diva, mal weltlich, mal geistlich. Wenn nicht die steinernen Gestalten der Geschichte noch mit Würde agierten, würde man denken, man habe zu viel Wehlener getrunken. Aber man sieht sie alle stolz einherschreiten und ihren geschichtlichen Text suggestiv vortragen.« Mit diesen und ein paar andern Sätzen notiert Westecker den für Trier charakteristischen Prozess von Wachstum im Lauf der Antike, von Schrumpfung im Lauf des Mittelalters, von Wachstum seit der Renaissance. Aus diesem Auf-Ab-Auf rühre der scharfe Kontrast zwischen den Häusern der Wohnstadt im Westen und den Solitären der Parkstadt im Osten. Die schmale Nord-Süd-Allee zwischen der Aula Palatina und den Kaiserthermen trennt die Teile der Kernstadt. Sie trennt – um es mit Colin Rowe und Fred Koetter architekturtheoretisch zu formulieren – den vollen Raum vom leeren Raum, den Raum der Textur vom Raum des Objekts. Dem Konflikt zweier Raumkörper entspricht der mancher Baukörper. Im Trierer Norden kollidieren die Porta Nigra und die SanktSimeon-Kirche; nicht anders als im Trierer Osten die Aula Palatina des Kaisers und die Residenz des Kurfürsten und Erzbischofs. Im zweiten Fall wird der Konflikt durch die Formen und Farben der beiden Bauten, durch das ganze ästhetische Vokabular des einen wie des andern Stücks Architektur offen zur Schau gestellt. Wer durch die mit Figuren geschmückte, barocke Anlage des Parks vor dem Südflügel der Residenz streift, der hat die stupende Friktion von Antike und Rokoko gleich links vom Risalit der Residenz stets vor Augen. Dass die Stadt Trier für das Gebäude ihres Theaters ein Grundstück gleich westlich der Nord-Süd-Allee, also eines am Rande des Parks wählte, zeugt von der Bedeutung, welche die lokale Politik dem Haus

Plan der Stadt Trier, Ausschnitt, 1955

der Bühnenkünste zu geben bereit war. Der Reigen der Bauten um den Park – Aula Palatina, Südflügel der Residenz, Rheinisches Landesmuseum, Kaiserthermen, Bibliothek –, er sollte durch das Theatergebäude zu einem Abschluss kommen und dieser Vorgang das Ganze zu einem Kulturforum machen. Da das Haus der Bühnenkünste in nächster Nähe der Kaiserthermen stehen sollte, musste sich jeder Teilnehmer am Wettbewerb um das Theater der Stadt Trier die Frage stellen, wie auf die Monumentalarchitektur zu reagieren sei. »Roma quanta fuit ipsa ruina docet« oder »Wie groß Rom war, lehren seine Ruinen«. Mit diesem Spruch aus den Tagen der Renaissance im Kopf, musste sich jeder Entwerfer beim Entwerfen für eher rezessive oder eher dominante Architektur entschei

den. Beim Projekt der Bibliothek, die im Sommer 1960 fertiggestellt werden würde, hatte Leitl nur dem Pavillon des Lesesaals eine starke Geste in Richtung des Parks erlaubt. Herrey ging einen andern Weg. Und sah sich wohl im Recht, nachdem er die alte Augusta Treverorum und das neue Trier am 30. Oktober 1959 besucht hatte. Skizze und Modell Anhand der Begriffe Brauchbarkeit, Lesbarkeit, Örtlichkeit möchten die vorigen Abschnitte erklären, welche Spezifika – außer den von der städ­ tischen Verwaltung verfassten Vorgaben – für Herreys Projekt des Trierer Kommunaltheaters eine Rolle spielten oder gespielt haben könnten. Wiewohl das Herreysche Entwerfen, gleich dem aller guten Architekten, EIN THEATER FÜR TRIER 1959–1960

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Hermann Herrey, Theater der Stadt Trier, Entwurfszeichnung, 1959

letzten Endes idiosynkratisch genannt werden muss: Bei diesem Projekt haben wir die glückliche Möglichkeit, den Vorgang des Entwurfs zu eruieren, liegt doch unter den Hermann Herrey Papers der Cornell University, Ithaca / New York, eine Zeichnung auf transparentem Papier, die – mit einer großen Figur in der Mitte und vier kleinen Figuren an den Rändern – alle Züge einer frühen, wo nicht ersten Skizze trägt. Die große Figur ähnelt dem Bild dreier dicker Scheiben, die durch Schweifung und Schwingung wie durch Stauchung und Stutzung in eine Plastik aus Stein oder Holz gebracht wurden. Offenkundig stellt diese Plastik den Körper und die Kontur des Theatergebäudes dar. Wenn man jedoch versucht, den drei Scheiben eine Nutzung zu geben – mithin die Räume für Entree und Foyer, für Parkett und Logen, für Szene und Maschinerie zu orten –, gerät man bald ins Stocken. Die Scheibe vorne unten dient wohl dem Entree und Foyer. Die beiden andern Scheiben aber, eine hinten unten, eine hinten oben, lassen sich auch nach langem Blick auf die Zeichnung nicht mit dem Raum für Parkett und Logen noch mit dem für Szene und Maschinerie eindeutig verbinden. Nachdem Herrey den Körper und die Kontur des Theatergebäudes in solcher Weise fixiert hatte, dass sie den Eindruck einer Plastik machten, stand er vor einer schwierigen, weil doppelten Aufgabe. Denn nun musste er einerseits die Kohärenz und Dynamik eines Kunstwerks 256

erhalten, anderseits die Brauchbarkeit und Lesbarkeit eines Bauwerks erreichen. Was er im Fortgang des Entwurfs zu schaffen hatte, war der Einklang von skulpturaler und theatraler Identität, von Sinn und Zweck der avisierten Architektur. Was sollte Herrey bei dieser Arbeit tun? Nach der alten Dreiheit, der neuen Vielheit, der neuen Einheit streben? Nach der einen, großen Gestalt streben, wie sie mit Aaltos »Baumstumpf« für die Oper Essen – knapp sieben Wochen nach Auslobung des Wettbewerbs um das Theater der Stadt Trier – durch die Entscheidung der Essener Juroren zur Diskussion gestellt worden war? Dass die Schritte zur Antwort auf die Frage, wie der Einklang von Kunstwerk und Bauwerk gelang, auf der Skizze zu sehen sind, darf wohl eine Fügung genannt werden. Drei der vier kleinen Figuren an den Rändern der Zeichnung, zwei links oben, eine rechts unten, sind Bilder von Bäumen. Der erste Baum gibt durch sein Laub, das heißt durch drei nach oben kleiner werdende Ellipsen, das Thema vor: Negation der gewohnten Gliederung des Theatergebäudes, Negation der alten Dreiheit von Entree und Foyer, Parkett und Logen, Szene und Maschinerie. Der zweite Baum löst die drei Ellipsen in drei Formen auf, deren Grenzen hin- und herrunden. Der dritte Baum zeigt sich nach Art einer Aufsicht. Der Stamm ist kaum zu sehen, das Laub in drei Formen gefasst, von denen die Form in der Mittellage genau jene beiden teils konvexen, teils konkaven Linien imitiert, welche die große Figur – die Plastik, das Theatergebäude – so eigentümlich machen.

Modell von Südwesten und Südosten, 1960

Die Wandlung dieser großen Figur, ihr Weg vom Kunstwerk zum Bauwerk, deutet sich nicht allein dank der drei kleinen Figuren, sondern auch dank der großen Figur selbst an. Denn die wenig festen, runden Striche zwischen den bewegten Umrissen der Scheibe vorne unten und der Scheibe hinten oben zeugen von Herreys Mühe, in der Masse der Plastik einen Raum für die Versammlung der Zuschauer zu finden. Am rechten Platz erscheint dieser Raum erst mit dem Modell. Um ihn als dritte Scheibe zwischen die beiden andern Scheiben schieben zu können, musste Herrey die Scheibe oben von der Scheibe unten trennen, die Scheibe oben ein gutes Stück heben. Dieses Procedere wurde gleich doppelt belohnt; es bot eine Lösung für den Raum von Parkett und Logen wie für den von Szene und Maschinerie. Beide – Saal und Turm – wurden mit einem Schlage präsent. Zu präsent? Wie schon die Skizze lässt auch das Modell eine Schau- und eine Kehrseite erkennen. Die Schauseite wendet sich zum großen Teil nach Süden, in Richtung der Kaiserthermen, zum kleinen Teil nach Osten, in Richtung des Parks. Von Süden wie von Osten wird der Turm durch die Schwünge von zwei der drei Scheiben quasi kaschiert. Wie wichtig dem Architekten diese Scheiben waren – die untere für Entree und Foyer, die mittlere für Parkett und Logen, die obere, man glaubt es kaum, für das Theaterrestaurant –, verrät ein Detail des Modells. Den weiten Freiraum vor dem Theatergebäude ziert, außer einem Brunnen, auch eine Gruppe von Bäumen. Im Modell zeigt sich das Laub eines jeden dieser Bäume durch drei dünne, flache Formen, die auf einem Spieß stecken und ähnliche Umrisse wie die Scheiben des Bauwerks haben. An der Südostecke wird dieser Verweis auf Natur als Ursprung von Architektur noch forciert. Denn hier stehen bei jedem Baum der Stamm und das Laub im selben Verhältnis von Tragen und Lasten wie bei dem Theatergebäude die schlanke, hohe Stütze und der Stutzen der Scheibe, denen etwas rein Zeichenhaftes eignet.

Hommage à Hans Poelzig Herreys Projekt für das Theater der Stadt Trier gibt dem Architektur­ interpreten zum letzten Mal die Chance, auf das Œuvre von Poelzig als dem Lehrer von Herrey zu schauen. Was sich lohnt, ist vor allem der Blick mal auf das Ganze, mal auf Einzelheiten des Stadthauses Dresden 1917, des Großen Schauspielhauses Berlin 1919, des Festspielhauses Salzburg 1920 bis 1922. Erster Rekurs: In seiner noch immer lesenswerten Monographie über Poelzigs Schaffen zeigt Theodor Heuss Fotos einer Skizze und eines Modells des Dresdener Stadthauses. Ob Herrey die beiden Bilder dieses freistehenden Verwaltungsgebäudes kannte? Wir wissen es nicht. Aber Skizze und Modell da von Poelzig, hier von Herrey eint das aparte Jonglieren mit Formen der Natur und des Barock. Nur dass bei Herrey dem Barock die Symmetrie geraubt wird – typisch modern: der Stütze auf der Rechten fehlt das Pendant auf der Linken –; nur dass bei Herrey der Stil abstrahiert und transformiert wird, bis er nur mehr wie ein fernes Echo der Historie wirkt. Zweiter Rekurs: Unter den vier kleinen Figuren an den Rändern der Skizze zum Projekt des Trierer Kommunaltheaters stellt die Figur unten links einen Brunnen dar. Im Modell kehrt dieses Schmuckstück auf dem Vorplatz des Bauwerks wieder. Das Wasser sollte über den Rand eines oben fünfzehn Meter breiten Trichters strömen und nach der Art eines Schirmes oder einer Glocke einen natürlichen, transparenten Rundraum bilden. »Das Publikum«, schreibt Herrey in seinem Bericht an die Jury, »kann sich an warmen Sommertagen darunter ergehen, ohne naß zu werden.« Für wasserfreien Ein- und Austritt wäre gesorgt worden. Die gesamte Anlage erinnert an das runde Foyer im Großen Schauspielhaus Berlin: Der Trichter entspricht der Säule in der Mitte; die Wasserglocke entspricht der Decke und den Wänden. In beiden Fällen schießt und fällt die Hülle des Raumes aus der Öffnung des Schaftes; in beiden Fällen wird der Raum durch das mittige Gebilde und seine enorme Energie produziert. EIN THEATER FÜR TRIER 1959–1960

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Hans Poelzig, Stadthaus Dresden, Entwurfszeichnung, 1917

Hans Poelzig und Marlene Moeschke, Großes Schauspielhaus Berlin, Rundes Foyer, 1919

Dritter Rekurs: Herrey schlug vor, auf dem Flachdach der unteren Partien des Theatergebäudes vorne wie hinten eine Terrasse zu errichten, wo sich die Leute bei Kaffee und Kuchen über die Ruine der nahen Kaiserthermen und die Romantik des nahen Parks hätten freuen können. Von der hinteren Terrasse sollte gar eine breite Treppe mit zwei Armen über die schmale Nord-Süd-Allee auf den grünen Rasen führen. Zwischen den Armen sollten Hunderte von Sitzplätzen geschaffen werden, sodass im Park auf einer Bühne unter freiem Himmel während des Sommers leichte Stücke hätten gespielt werden können. In den Pausen hätte sich das Publikum selber zur Schau stellen können. War es nicht genau das, was Poelzig durch die Vielzahl der Terrassen und Treppen mit seinem ersten, großen Entwurf des Salzburger Festspielhauses im Park von Hellbrunn hatte möglich machen wollen? »Ein Theater zu bauen, einmal richtig und ganz neu«, war laut Heuss eine Sehnsucht Poelzigs. Dass es seit dem Diplom an der Technischen Hochschule Berlin auch eine Sehnsucht Herreys war, steht außer Frage. Beide sahen im Theater die Utopie der Vermittlung von Gesellschaft und Gemeinschaft. Doch ist in selber Sache die Differenz zwischen dem Älteren und dem Jüngeren ebenso evident. Was bei Poelzig dem Feierlichen, ja Weihevollen gedient hätte – Julius Posener moniert das Pathos der Schauburg Bad Berka als »proto-nazi« –, hätte bei Herrey für schöne Stunden gesorgt. In Bad Berka meint man Massen von Menschen beim Schwur auf wen oder was auch immer zu hören; in Trier geht es neben Bildung um: Vergnügen.

Fragen waren für die Arbeit durchaus von Belang. Herreys Antwort liegt uns vor. Anders als Leitl im Fall der Bibliothek, ging er das Wagnis ein, sein Projekt an den machtvollen Gebäuden der näheren Umgebung zu messen. Würde man das Modell des Projekts in ein Modell dieser näheren Umgebung setzen, würde man gleich merken, dass sich das neue Bauwerk bemüht, den alten Bestand zu achten. Denn so eigenartig die Schwünge der Scheiben auch wirken, sie nehmen deutlich Bezug auf drei Phänomene: auf die Apsis der Kaiserthermen, auf die Fassade des Südflügels der Residenz und auf die des Westflügels des Rheinischen Landesmuseums. Zugleich fordert, ästhetisch betrachtet, die Kollision hier der Schwünge, da der Ecken, hier der Scheiben, da des Kastens, hier der Schauseite, da der Kehrseite des Herreyschen Theatergebäudes den Vergleich mit der Kollision hier des Südflügels der Residenz, da der Aula Palatina heraus. Sind etwa die alte und die neue Collage verwandt, ohne dass sie es wissen? Bei aller Achtung, die ein neues Bauwerk einem alten Bestand zu geben hat, gilt doch seit je: Nur wenn das Neue selber groß ist, wird es dem großen Alten gerecht. Wo, wenn nicht an diesem Ort und bei dieser Nutzung, hätte Trier für ein Stück generöser Architektur die Erlaubnis erteilen sollen? Das Herreysche Theatergebäude wäre ein Solitär geworden. Unter andern Solitären am Park. Journalisten hätten diesen Bau, wie die schönsten Bauten des italienischen Barock, wohl mit Worten wie »capriccioso« oder »stravagante« gelobt.

Unter Solitären In seinem Bericht an die Jury notiert der Architekt, Trier habe dank seiner Bauten stets einen »Zug der großen Welt« gehabt. Daher dürfe das neue Haus der Bühnenkünste nicht »gefällig«, nicht »gewöhnlich« erscheinen. Sollte der Entwurf sich fügen? Sollte der Entwurf sich wehren? Diese

Im Foyer, im Saal Wer dieses Haus von der »Weberbach« genannten Straße im Südwesten der Anlage betritt, der gelangt erst in die kleine Eingangshalle, dann in die nicht minder kleine Kassenhalle. Beide haben einen Grundriss, der durch seine Schräge die Wendung der Augen und Füße nach rechts

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Hermann Herrey, Theater der Stadt Trier, Lageplan, 1960

EIN THEATER FÜR TRIER 1959–1960

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Hermann Herrey, Theater der Stadt Trier, Grundriss Untergeschoss 260

Grundriss Erdgeschoss

EIN THEATER FÜR TRIER 1959–1960

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schon vorgibt. So erreicht der abendliche Gast die Garderobe, die ihn zu seiner Rechten – mit langen, sanften Schwüngen erst nach außen, dann nach innen – vor das Ende des nicht eben breiten Raumes führt, wo eine zwei Geschoss hohe Glaswand einen Blick in den Park gewährt. Der Flügel mit der Garderobe im Süden und der mit der Glaswand im Osten fassen die zwei Stufen höher situierte, symmetrische Struktur des Raums vor der Saalwand, die dank ihrer starken Rundung jeden vor eine der drei Eingangstüren sei es nach links, sei es nach rechts zu lenken weiß. Einen Beitrag der Architekten Paul Bode und Ernst Brundig über das zu Beginn der Spielzeit 1959/60 fertiggestellte Staatstheater Kassel illustriert unter anderm ein hübsches Foto aus dem Vorraum der Toiletten. In Reih und Glied stehen dort kleine, fragile Objekte: Tische, Hocker, Spiegel, Lampen, damit sich die Damen, wie es heißt, der »Schönheitspflege« widmen können. In der Tat wollten viele der neueren west­ deutschen Theater ihren Gästen die Chance zu einem Auftritt geben, wollten Paare und Gruppen bewusst langsam aus der Garderobe durch das Foyer in den Saal führen. Das Große Haus von Gelsenkirchen bot 1050, das Große Haus von Kassel 950, das Haus von Mönchengladbach 786 Plätze. Im Text der Auslobung des Wettbewerbs um das Theater der Stadt Trier aber ist von einem Haus mit nur sechshundert Plätzen die Rede. Dem Wandeln und Schreiten – der mählichen, festlichen Einstimmung, auf die auch Aalto viel Wert gelegt hatte – waren folglich Grenzen gesetzt. Gleichwohl fand Herrey für das Foyer im ersten Obergeschoss eine schöne Lösung. Dieser Bereich hat dieselbe Fläche und denselben Umriss wie die beiden Flügel auf dem Niveau des Entrees. Oben trifft man seinesgleichen, am liebsten auf dem Streifen zwischen Buffet und Glaswand. Der Blick führt aus dem Foyer in den Park, aus dem Park in das Foyer. Es war diese Transparenz, welche im Lauf der fünfziger Jahre – von Bochum über Münster nach Gelsenkirchen – die vorderen Partien der Theatergebäude mehr und mehr bestimmt hatte. Architekten, Politiker, Journalisten, sie alle hielten das Abend für Abend leuchtende, bewegende Bild der Spannung von Mensch und Raum für ein Bild offenen städtischen Bewusstseins. Auch Herrey mochte dieses Bild. Aber anders als in Bochum, Münster, Gelsenkirchen erscheint in Trier sein Träger – die Glaswand – nicht an der Haupt- und Stirnseite des Gebäudes. Es ist, als ob Herrey an ostentativ transparenter Architektur kein Interesse gehabt habe. Die Herreyschen Grundrisse des Trierer Kommunaltheaters erlauben die Vermutung, dass der Blick aus dem Park in das Foyer bis auf einen Ausschnitt der Saalwand führt. Der Saal selbst hat im Parkett genau 460, auf dem Rang genau 140 Sitze, acht davon in der Mittelund Ehrenloge. Die Bühne wölbt sich weit in den Raum. Aufgrund der Rundung ihrer Seitenstücke vorne links und vorne rechts schließt sich 262

der Boden des Saales zum Kreis als der Gestalt größter Sammlung. Die Wandung des Saales und ihre mutmaßlich hölzernen Paneele aber lenken das Auge, wie bei andern neueren Theatergebäuden, von den Seiten der Vorbühne auf die Mitte der Hauptbühne; wodurch die Barriere zwischen Parkett und Szene – die Rampe, der Rahmen, die oft diskutierte Portalzone – mehr wie eine Naht als wie ein Spalt zwischen Publikum und Ensemble wirkt. Nachdem zu Beginn der Saison 1959/60 das Schiller-Theater Berlin in Nebenräumen seines Hauses eine kleine Bühne mit einem kleinen Saal für 194 Besucher eröffnet hatte, nachdem die bewusst »Werkstatt« genannte Spielstätte – auch dank Walter Francks Interpretation des altersschwachen Dichters Krapp in Samuel Becketts Monolog »Das letzte Band« – sich rasch einen Platz unter den Theatern von Berlin West erobert hatte, gab es Grund zu hoffen, westdeutsche Theater würden diesem Beispiel folgen und das Interesse an Avantgarde und Experiment fördern. Herreys Trierer Projekt sieht daher vor, den Ballettsaal und den Probensaal im Untergeschoss so zu bauen, dass beide Räume vereint und abends als quasi intimes Theater mit 171 Plätzen genutzt werden können. Auf der Bühne Bei dem Entwurf des Theaters für Max Reinhardt und bei dem des Q Theatre für Jack und Beatrice de Leon hatte der Architekt nicht allein Idee und Konzept, sondern auch das Programm der Räume – welche Fläche für welche Nutzung – selber definieren können. Der Plan des Theaters der Stadt Trier aber war der Plan eines typisch deutschen Kommunaltheaters mit den Sparten Oper, Drama, Ballett, mit Verwaltung, Werkstätten, Magazin. Der Auslober des Wettbewerbs wollte keine technischen Extras; er wollte technische Standards. Herrey schlug daher vor: erstens eine Vorbühne mit zwei Podien und zwei festen Seitenstücken vorne links und vorne rechts; zweitens eine Hauptbühne mit vier Podien; drittens eine Seitenbühne und eine Hinterbühne, von wo die Rundscheibe der Drehbühne auf die Hauptbühne, ja bis auf die Vorbühne gefahren werden kann. Für einen vom Theatralen inspirierten Kreativen sind solche Standards jedoch nicht genug. In seinem Bericht an die Jury notiert der Architekt, er habe sich »bemüht«, Szene und Maschinerie unter dem Dach des Turms so zu konstruieren, dass ihre »Variabilität« eine Reihe neuer Orte des Spielens möglich machen würde. Zwei dieser technischen Offerten lohnen eine nähere Erklärung: einerseits die Vorbühne, anderseits die Arena. Die Podien der Vorbühne bilden ein Segment; die Seitenstücke der Vorbühne gleichen einer minimierten Variante der weiten Arme der Außenbühne des Q Theatre. Durch schmale Türen in der Wandung

Hermann Herrey, Theater der Stadt Trier, Grundriss Obergeschoss

EIN THEATER FÜR TRIER 1959–1960

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Hermann Herrey, Theater der Stadt Trier, Aufriss

des Saales, vier links und vier rechts, können die Spieler erst auf die Seitenstücke, dann auf die Podien der Vorbühne treten. Die Hauptbühne kann weit vorn durch einen Horizont geschlossen werden. Das Drama drängt mit Macht in den Saal. Noch größer werden kann die Nähe zwischen denen, die spielen, und denen, die schauen, wenn die Bühne in der Mitte des Saales steht. Lassen wir außer Acht, dass unweit des Grundstücks, wo die Stadt Trier ihrem Theater ein eigenes Gebäude errichten wollte, die Ruine eines riesigen, offenen Theaters liegt, das zu Zeiten der Augusta Treverorum auf Bänken beidseits seiner ovalen Arena etwa achtzehntausend Menschen hatte fassen können. Lassen wir aber nicht außer Acht, dass – wohl zum ersten Mal nach dem Bau des Großen Schauspielhauses Berlin – gegen Ende der fünfziger Jahre mit der flexiblen technischen Ausstattung der neuen Kleinen Häuser erst des Nationaltheaters Mannheim, dann der Städtischen Bühnen Gelsenkirchen die Möglichkeit geschaffen worden war, das innerste Innere eines Theatergebäudes in Bewegung zu versetzen. Verschwinden können demnach Parkett und Szene; entstehen kann demnach eine Arena mit einer Bühne in Gestalt eines Rechtecks und mit Sitzen an dessen langen Seiten. Freilich hatte sich schon in Mannheim gezeigt, wie schwierig es für die Akteure war, im selben Moment mit demselben Elan nach links wie nach rechts zu agieren. Piscators fulminante Inszenierung von Friedrich Schillers Sturm-und-Drang-Stück »Die Räuber« hatte der Intendant aus diesem Grunde bald nach der Premiere vom Spielplan streichen müssen. Nach der Arena in Mannheim und der in Gelsenkirchen war auch in Berlin West versucht worden, die Konvention theatraler Architektur zu brechen. Mitte 1960 würde die Akademie der Künste ihren Neubau im Hansaviertel in Besitz nehmen. Für diesen Komplex hatte der Architekt Werner Düttmann ein »Studio« konzipert, das sich von dem fla264

chen Hauptbau schon durch die starke Faltung seines Daches deutlich absetzt. Ohne Mühe kann das Studio in eine Arena transformiert werden. Die Szene liegt dann zwischen dem größeren vorderen und dem kleineren hinteren Parkett. Aufgrund der Höhe ihrer zwei Rampen und der Breite ihrer zwei Rahmen ist die kastengleiche Bühne aber nicht in der Lage, Spielende und Schauende einander näher als im normalen Theater zu bringen. Um das Konstrukt der Herreyschen Arena zu verstehen, bedarf es eines Umwegs. In Graubners Schauspielhaus Bochum fällt der eiserne Vorhang weit vorne – in Höhe der Rampe –, weil es dem Bühnenbildner möglich gemacht werden soll, mit der räumlichen Gestaltung eines jeden Dramas von der Haupt- auf die Vorbühne zu drängen. In Herreys Theater der Stadt Trier aber fällt der eiserne Vorhang weit hinten – in Höhe des Portals –, weil sonst die Arena nicht feuersicher gebaut werden kann. Das Publikum sitzt einerseits auf der Vorbühne: teils auf den Podien, teils auf den Seitenstücken. Das Publikum sitzt anderseits im Parkett: auf den Plätzen von der sechsten Reihe an. Die Besucher umschließen eine Fläche in der Gestalt einer Mandel: den Ort des Spiels, den die Akteure durch die schmalen Türen in der Wandung des Saales betreten. Dass der Umriss der Bühne dem einer Mandel gleicht und die Reihen der Stühle diesem Umriss folgen, gibt der Arena den Charakter der antiken, der trierischen Arena. Das unterscheidet sie vom bloßen Gegenüber in Mannheim, Gelsenkirchen und Berlin West. Wer gewann, wer verlor Von heute aus betrachtet, macht die Besetzung des Preisgerichts nicht den Eindruck, als habe der Auslober des Wettbewerbs große Ziele erreichen wollen. Unter den acht Fachpreisrichtern ragten allein der Karlsruher Otto Ernst Schweizer und der Düsseldorfer Hans Schwippert hervor; vier der Fachpreisrichter waren Trierer. Unter den sieben Sach-

Längsschnitt

Querschnitt

preisrichtern fanden sich zwar der Oberbürgermeister und der Bürgermeister der Stadt Trier, doch kein Intendant, kein Dramaturg, kein Regisseur, kein Szenograph, die aus dem Alltag des Betriebs ihr Urteil hätten fällen können. Mit Adolf Zotzmann, noch bis Ende der Spielzeit 1959/60 Technischer Direktor der Städtischen Bühnen Gelsenkirchen, später in derselben Funktion bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen, hatte man aber einen der führenden Theatertechniker jener Jahre als Gutachter gewonnen. Die Jury tagte am 24. und 25. Februar 1960. Sie wählte Schweizer zu ihrem Vorsitzenden und – vermutlich – Schwippert zu dessen Stellvertreter. Die beiden waren Freunde. Im Werk des einen wie des andern

spielten Kubus, Quader und Raster eine große Rolle. In den Wettbewerb um das Nationaltheater Mannheim während der ersten Hälfte des Jahres 1953 war jener als Teilnehmer, dieser als Gutachter involviert gewesen. Damals hatte Schwippert, in einer hochengagierten Rede vor einem Gremium der badischen Kommune, Ludwig Mies van der Rohe als den »größten lebenden Baumeister deutscher Zunge« gewürdigt. Und erst ein gutes halbes Jahr vor der Sitzung der Trierer Jury hatte er für den Wettbewerb um die Oper Essen ein Gebäude entworfen, welches wohl der Klarheit und Feinheit einer Miesschen Kiste ähnlich sein sollte, welchem aber der Miessche Sensualismus der Opposition marmorner Tafeln unten, stählerner Gitter oben völlig fehlte. EIN THEATER FÜR TRIER 1959–1960

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Zu prüfen hatte die Jury genau sechsundfünfzig Entwürfe, darunter Arbeiten einerseits der schon älteren Architekten Wilhelm Riphahn (geb. 1889) aus Köln, Gerhard Graubner (geb. 1899) aus Hannover, Gustav Hassenpflug (geb. 1907) aus München, Raimund von Doblhoff (geb. 1914) aus Augsburg, anderseits der noch jüngeren Architekten Gottfried Böhm (geb. 1920) aus Köln, Max Bächer (geb. 1925) aus Stuttgart, Hans Joachim Budeit (geb. 1927) aus Dortmund, Eckhard Schulze-Fielitz (geb. 1929) aus Essen, Roland Ostertag (geb. 1931) aus Stuttgart. Nach dem ersten und dem zweiten Rundgang bildeten sechzehn Projekte die engere Wahl; dann schieden weitere acht Entwürfe aus; es kam zur engsten Wahl. Wiewohl es in den damals geltenden »Grundsätzen und Richtlinien für Wettbewerbe« (GRW) in Paragraph 42 Absatz 3 heißt: »Ein Erster Preis sollte immer erteilt werden«, vergab die Jury zwei zweite Preise, je einen dritten, vierten und fünften Preis sowie drei Ankäufe. Die Träger der beiden zweiten Preise, Budeit und Hassenpflug, sowie die Träger des dritten und des vierten Preises standen sämtlich unter dem Einfluss des noch neuen Mannheimer Theatergebäudes. Denn in allen vier Fällen haben wir es – außen – mit einem Quader im Bereich von Foyer und Parkett, mit einem Kubus im Bereich von Szene und Maschinerie, mit einem Raster im Bereich von Büros, mit einer Architektur im Schatten des großen Mies zu tun. Der Wettbewerb um die Oper Essen aber – einige bei diesem Verfahren prämierte Arbeiten hatten die Gestaltung von Theatern auf neue Pfade geführt – war von der Trierer Jury quasi negiert worden. Das Essener Ereignis scheint nicht Schweizer noch Schwippert irgend berührt zu haben. Was sich auch daran zeigt, dass sie die Projekte von Doblhoff und von Schulze-Fielitz nicht einmal in die engere Wahl genommen hatten, zu schweigen von einer Ehrung durch Ankauf, die bei so radikaler wie exzellenter Architektur dann und wann erwogen wird. Doblhoffs Entwurf muss manches Mitglied der Jury geschockt haben. Eine wie von Jean Prouvé konzipierte, industriell fabrizierte, hundertvierzig Meter lange, fünfundfünfzig Meter breite Halle mit einer Hülle aus mattem Aluminium sollte den Bühnenkünsten dienen, dabei auf Variabilität, nicht auf Repräsentation achten. Das in Nord-SüdRichtung gestreckte Gebäude sollte durch sechs in West-Ost-Richtung querende Partien gegliedert werden. Vier dieser querenden Partien mit Maßen von je fünfundvierzig mal fünfundzwanzig Metern sollten Spiel- und Schau-Raum sein, sich leicht aneinanderfügen, sich leicht voneinander trennen und sich mittels Schiebewänden auf voller Länge zum Park öffnen lassen. Schulze-Fielitz’ Arbeit war auf ihre Weise ein Bruch, weil sie das Paradigma der Historie mit dem der Geometrie getauscht hatte. Sie war zugleich eine logische Konsequenz seines mit einem Ankauf bedach266

ten Beitrages zum Wettbewerb um die Oper Essen. Wie für das Opernschlug der Architekt auch für das Theatergebäude eine kristalline – der alten Typologik dennoch treue – Megastruktur aus Polyedern vor. Raum und Bau sollten allein aus platonischen Körpern kreiert werden. Tetra-, Hexa-, Okta-, Dodeka- und Ikosaeder und ihre immer gleichen Seiten mit je drei spitzen Ecken hätten das Bauwerk geprägt. Für den Architekten war das Ganze ein Schritt auf dem Weg zu einem System, das er wenig später »Raumstadt« nennen würde. Warum die Preisrichter die Modelle von Doblhoff und SchulzeFielitz beide schon nach dem ersten oder zweiten Rundgang, womöglich kopfschüttelnd, beiseitegeschoben hatten, die Antwort auf diese Frage bedarf keiner Mühe des Denkens. Wie denn hätten ein Oberbürgermeis­ ter, ein Bürgermeister und andere im Preisgericht tätige lokale Politiker – alles Männer, die im Theater eine schöne Ehrenloge gebaut wissen wollten – für Entwürfe von so nüchterner Anmutung, von so technischem Charakter votieren können? Hatte nicht auch Kallmorgen fünf Jahre zuvor in Darmstadt betont, ein Theatergebäude dürfe nicht wie ein Tempel noch wie eine Fabrik noch wie ein Bunker wirken? Herreys Projekt hatte in der Jury kaum mehr Erfolg als die Entwürfe der Doblhoff und Schulze-Fielitz gehabt. Es hatte die engere Wahl erreicht; den Sprung in die engste Wahl hatte es nicht geschafft. Anders als bei Doblhoff und Schulze-Fielitz wissen wir jedoch, zu welcher Meinung über Herreys Arbeit die Jury gelangt war. Im Protokoll ihrer beiden Treffen würdigt Zotzmann die theatertechnischen und theaterpraktischen Lösungen des Herreyschen Projekts. In den Zeilen vor dem Lob des Fachmanns aber heißt es, die »Einzelformen« der Architektur seien »so gewichtig geraten«, dass sie »nachteilig« auf den Stadtraum wirken würden. Diese Kritik war wohl von Schweizer und Schwippert als den Köpfen der Jury ins Spiel gebracht worden. Die von beiden präferierte Architektur, der schon die Diagnose »Rasteritis« gestellt worden war, hatte sie für Herreys delikate Rezeption einerseits von Natur und Barock und Poelzig, anderseits von Gebäuden der näheren Umgebung des Grundstückes blind gemacht. Es müsste nicht wundern, wenn sich plötzlich, in welchem Nachlass auch immer, ein Schriftstück fände, in dem zu lesen stünde: das Doppel der Schwünge und die schlanke Stütze am Herreyschen Theater der Stadt Trier habe Schweizer und Schwippert an Kinos mit Namen wie »Delphi« oder »Luxor« oder »Roxy«, ja an jene schweren Schränke denken lassen, die in den fünfziger Jahren von Bauhäuslern und Werkbündlern und allen Kämpfern für die »Gute Form« als »Gelsenkirchener Barock« beschimpft wurden. Um es kurz zu fassen: Herreys Entwurf kam zu der falschen Zeit, an den falschen Ort, vor die falschen Leute. Dabei eignet seiner Arbeit genau jene Balance zwischen dem Exzentrischen und dem Pragmatischen, die eine Bedingung der Möglichkeit großer Architektur ist.

Kritische Bilanzen Wie so oft bei kulturellen und politischen Entwicklungen in kleineren oder größeren westdeutschen Kommunen war auch in Trier die Lokalpresse nicht an Kritik interessiert. Zwar informierte die Tageszeitung »Trierischer Volksbote« ihre Leser wieder und wieder über die Planung des Theatergebäudes am Weberbach, zeigte Aufnahmen zahlreicher Modelle, darunter auch die Projekte von Herrey und Schulze-Fielitz; doch die Entscheidung der Preisrichter zu kommentieren hatte in Trier kein Journalist die Courage. Nur außen konnte Kritik sich regen. Nach dem Besuch der Ausstellung sämtlicher Entwürfe im Simeonstift an der Porta Nigra schrieb der in Trier lebende, später für »Die Welt« tätige Kunst- und Theaterkritiker Eo Plunien im März 1960 einen Artikel für die »Saarbrücker Zeitung«, worin er seinem Missmut über das Ergebnis des Wettbewerbs freien Lauf ließ. Plunien sah bei der Mehrzahl der Pläne einen Mangel an »Differenzierung« und »Modulation«. Seiner Meinung nach gab es viel zu viele simple Boxen in der Folge des Mannheimer Theatergebäudes. Unter Verweis auf einen Satz aus dem Bericht von SchulzeFielitz schrieb der Autor, Theater dürfe nicht »Zwecken«, sondern müsse »Werten« dienen. Herreys Arbeit nannte Plunien »überragend«. In seinem Beitrag für die Frankfurter »Abendpost« hieß es gar, Herreys Projekt sei das »beste«. Leider sei es den Trierern »als zu kühn erschienen«. Auch Jürgen Joedicke – Architekt, Publizist und Dozent an der Technischen Hochschule Stuttgart – übte Kritik, wenngleich nur mit leisen Worten. Heft 29 der einflussreichen Schriftenreihe »Architektur Wettbewerbe«, das im April oder Mai 1960 auf den Markt kam, legte keinen Wert auf die Darstellung der Entwürfe für das Trierer Kommunaltheater. Man konzentrierte sich vielmehr auf die weit wichtigeren Wettbewerbe einerseits um die Oper Essen, anderseits um das Düsseldorfer Schauspielhaus. Wohl mit Bezug auf die Resultate der Konkurrenzen in Würzburg, Bonn, Ingolstadt und Trier schrieb Joedicke in der Einleitung des Heftes, die »Besinnung auf das Mögliche« sei verständlich; aber ohne »stimulierende Experimente« würden Ideen und Konzepte bald »stagnieren«. »Schadet ja nichts, aber was soll das?« So forsch, so frech lautet der Titel eines kurzen Beitrags, mit dem schließlich »Baukunst und Werkform« im Juni 1960 seine umfangreiche Wiedergabe aller in Trier mit Preis oder Ankauf bedachten Arbeiten einführte. Hartmut G. Rebitzki, der diesen Text im Namen der Redaktion verfasst hatte, negierte die Qualität der acht prämierten Projekte, monierte die »Verlegenheit des Preisgerichtes« und fragte: »Warum überhaupt ein Wettbewerb, wenn der 5. Preisträger in Verbindung mit dem Verkäufer des 3. Ankaufes zur Ausführung herangezogen werden?«

Schlusslauf und Nachtrag Der »Preisträger« war: Gerhard Graubner aus Hannover; der »Verkäufer« war: Hans Schneider aus Trier. Graubners Entwurf – im Technischen und Praktischen zwar hochprofessionell, doch nicht ambitioniert – meidet die rechten Winkel der Miesschen Kisten, wirkt sogar »schnittig«, um es mit einem Begriff aus dem Vokabular des populären Designs jener Jahre zu sagen. Im September 1960 legte der Architekt seine Pläne zur Ausführung des Gebäudes vor. Im Oktober 1960 aber stand im Feuilleton der »Frankfurter Allgemeinen« ein Artikel, wonach durch den Neubau die westlichen Partien des Fundaments der Kaiserthermen zerstört werden würden. Diese Entdeckung führte zur Aufgabe des Vorhabens, das Theater der Stadt Trier dort zu bauen, wo seine Architektur den größten Eindruck hätte machen können. Im Lauf der nächsten Jahre entstand es auf einem andern, längst nicht so attraktiven Grundstück. Die Arbeit für Trier war Herreys viertes und letztes Projekt theatraler Architektur. Das erste, aus den zwanziger Jahren in Berlin, war die auf festliche Gesellschaft bedachte, moderne Version des barocken Theaters mit Parkett- und Logenplätzen vor einem Guckkasten. Das zweite, aus den vierziger Jahren in Brentford, war das örtlicher Gemeinschaft dienende, englische Community theatre mit Klub und Bar. Das dritte, aus den fünfziger Jahren in Lincoln, war das im Einraum unter der Wölbung des Abendhimmels gefasste Open air theatre mit großer Haupt- und Vorbühne. Das vierte, aus den fünfziger Jahren in Trier, war das westdeutsche städtische Theater mit Drei-Sparten-Betrieb für Oper, Drama und Ballett. Nach sechs Jahren Berlin wieder zurück in New York, wird Herrey am 18. Dezember 1960 jenem Mann, der ihm die Einladung zum Wettbewerb um das Theater der Stadt Trier verschafft hatte, einen langen Brief schicken. Er wird ihm für Engagement und Diskretion danken und ihm schreiben: »Tut mir ja leid, daß ich in Trier nicht den Ersten Preis bekommen habe. Ich weiß, das hätte Sie am meisten gefreut.« Durch Pluniens Enttäuschung und Rebitzkis Empörung bestärkt, wird er dem Zweifel an seinem Entwurf keinen Raum lassen. Und wie um sich vor dem Gefühl beruflicher Niederlage zu retten, wird er Leitl sagen: »Man kann nur mit dem eigenen Kopf denken und nach dem eigenen Herz leben. Denn man will doch mit sich selbst in Frieden leben. Ich weiß, daß Sie darüber nicht anders denken.«

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22  AN DER FREIEN VOLKSBÜHNE BERLIN 1959–1960

Es war eine schöne Nachricht, die mitten in die ersten Proben seiner Inszenierung von Liam O’Briens Komödie »Der bemerkenswerte Mr. Pennypacker« an den Hamburger Kammerspielen platzte. Wenn sie den Regisseur nicht per Telefon oder Telegramm erreichte, dann vielleicht durch eine Meldung im Feuilleton der »Frankfurter Allgemeinen« vom 17. August 1959. Dort hieß es, der Theaterpreis 1958/59 des Verbands der Deutschen Kritiker sei Hermann Herrey verliehen worden. Wochen später, am 14. Oktober 1959, traf man sich zu einer Feier in den Räumen des Deutschen Bühnen-Klubs im Haus an der Ecke von Kurfürstendamm und Waitzstraße in Berlin West. Von Seiten des Verbands waren präsent der Kunstkritiker Will Grohmann als Erster Vorsitzender, der Filmkritiker Felix Henseleit als Mitglied der Jury, der Theaterkritiker Walther Karsch als Schriftführer und Mitglied der Jury, der Theaterkritiker Florian Kienzl als Schatzmeister und Mitglied der Jury, der Musikkritiker Erwin Kroll als Zweiter Vorsitzender, der Theater- und Ballettkritiker Georg Zivier. Diese Herren hatten die Urkunde gezeichnet, welche sie nun in Herreys Hände legten. Er habe durch die Inszenierung von Dramen Eugène Ionescos und Jean Genets »wertvolle Beiträge für die Berliner Festwochen 1957 und 1958 geliefert«; jedes der drei »avantgardistischen Stücke« sei mit dem »ihm zukommenden stilistischen Ausdruck« auf die Bühne gebracht worden. Dass durch den Preis auch eine kulturelle Intention verfolgt wurde, bedarf keines weitern Wortes; dennoch erstaunt, wie klar die Absicht des Verbands in der Urkunde formuliert wurde. Man hoffe, dass sich dem Regisseur bald die Chance biete, »seine Begabung auch an Werken klassischen Formats zu erweisen«. Herrey selbst wird bei dieser Wendung gleich an William Shakespeare gedacht haben, vor allem an dessen: »Macbeth«. Für dieses archaische, dämonische, satanische, in hohem Maße auch politische Drama, für dieses Schauspiel voller Ehrgeiz, Machtlust, Blutrausch, Wahnsinn, für dieses Stück mit dem wunderbaren »Fair is foul and foul is fair«, durch das die Hexen das Schöne an die Seite des Wüsten, das Wüste an die Seite des Schönen rücken – für ebendieses Werk hatte Herrey schon in jungen Jahren Leidenschaft empfunden. Wohl 1925 268

hatte er Erich Engel, Regisseur an dem von Max Reinhardt geführten Deutschen Theater Berlin, Idee und Konzept von Räumen und Bildern für eine Produktion des »Macbeth« unterbreitet. Zwar hatte die Inszenierung nicht realisiert werden können; doch nachdem das Vorhaben gescheitert war, hatte Engel ein Schreiben verfasst, in welchem er den Studenten der Technischen Hochschule Berlin einen »Bühnenmaler von ganz wesentlichen Qualitäten« nannte, hinter dessen Entwurf ein »Talent« stehe, »das bei der künftigen Gestaltung der Klassiker Wichtiges zu sagen« haben würde. Herrey war stets ein Mann von Ehrgeiz. Es scheint gar, als habe er sein Wünschen und Wollen intensiv reflektiert, es durch fiktive Figuren gleichsam zur Rede gestellt. Standen Eugène de Rastignac und Julien Sorel für die eher helle, stand Macbeth für die eher dunkle Seite der Sehnsucht von Menschen, in den Sphären des Persönlichen und Beruflichen weiter und weiter nach oben zu steigen. Das »Wesen« der Tragödie um den Feldherrn aus Schottland würde Herrey in einem Aufsatz, der dreißig Jahre nach dem Kontakt mit Engel verfasst werden würde, nicht in dem Herrschafts- noch in dem Ehedrama, sondern im »Aufbäumen eines Menschen gegen den Widerstand der Tatsachen« sehen. Das »Verhängnis« nehme seinen Lauf. »Schließlich das Schwindeln, darauf das Stürzen«. Von der spontanen Resonanz des Publikums Die Herreysche Äußerung über das »Schwindeln« und »Stürzen« des Macbeth als Teil der Substanz dieser Figur stammt aus dem Essay »Shakespeare-Interpretation auf der Bühne«, den die Deutsche Shakespeare-Gesellschaft in ihr »Shakespeare Jahrbuch« aufnahm. Anders als frühere Ausgaben – die mehr der Anglistik als dem Theater verbunden gewesen waren, folglich den Bühnen der Weimarer Republik so gut wie keinen Raum gewährt hatten –, bot der Band 93/1957 zum ersten Mal Texte einer Reihe von Intendanten, Regisseuren, Szenographen und Journalisten. In Betracht der radikalen, ja destruktiven Kritik führender Mitglieder der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft an einem Autor und Dramaturgen wie Hans Rothe, der seit den zwanziger Jahren

Urkunde »Theaterpreis«, 1959

nach neuen Wegen zu den Stücken der Elisabethaner suchte und keine Scheu vor dem Experiment der Revision hatte, nimmt es wunder, dass Herreys Aufsatz im »Shakespeare Jahrbuch« gedruckt wurde. Der Autor sieht den Regisseur einen Krieg an zwei Fronten führen und zwischen Skylla und Charybdis, zwischen Felsen und Strudeln auf dem Meer treiben. Skylla wolle Authentizität, Objektivität, Rekonstruktion; der Regisseur dürfe auf keinen Fall eine eigene Auffassung haben. Charybdis wolle Aktualität, Subjektivität, Transformation; der Regisseur müsse auf jeden Fall eine eigene Auffassung haben. Bei dieser Reprise der Querelle des Anciens et des Modernes gönnt Herrey der Charybdis das letzte Wort: »Die Gegenwart allein hat Gültigkeit.

Tradition muß weichen. Die Aufführung wirkt als Ganzes. Ihr Recht zu sein, wie sie ist, muß sie durch die Wirkung beweisen. Darum muß der Regisseur eine Vision haben, eine zentrale Idee, der sich alles andere unterordnet und die keinen Vergleich aufkommen läßt. Nur so kann das Werk das Publikum überzeugen, daß es nicht totes klassisches Inventar, sondern lebendes Theater ist.« Bis zu diesem Schluss im Streit der Alten und der Neuen wahrt Herrey Äquidistanz zu dieser wie jener Position. Doch je weiter seine Sätze laufen, desto mehr nehmen sie Abstand von dem, was seit Anfang der fünfziger Jahre nicht allein der Zürcher Literaturwissenschaftler Emil Staiger, sondern auch die Unterzeichner des »Düsseldorfer Manifestes« AN DER FREIEN VOLKSBÜHNE BERLIN 1959–1960

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um den Intendanten Gustaf Gründgens propagierten: Jede Werkdeutung müsse Werktreue halten. Zweiten Ranges seien das je Historische und je Aktuelle, ersten Ranges das je Immanente. Was gern die »Originalität« der Interpretation genannt werde, stelle sich dem wirklichen »Begreifen«, als einer Folge der »Begegnung« und »Berührung« mit dem »rein Dichterischen«, nur in den Weg. Auf das Postulat der Immanenz – ›Man lese und spiele, was im Buche steht‹ – reagiert Herrey mit dem Vorschlag, die Perspektive zu wechseln. Sein Blick wendet sich von den Produzenten auf die Rezipienten dramatischer Literatur. Für diesen Schritt von denen, die Stücke schreiben, zu denen, die Stücke lesen und sehen, greift Herrey zu einem »Gleichnis«. Durch eine Landschaft zu wandern, so der Autor, mache mit vielen Räumen vertraut. Die Physis der Topoi bleibe stets gleich. Wir aber – die wandern – stünden heute vor diesem, morgen vor jenem Ort, heute ferner, morgen näher, heute unten, morgen oben. So würden Berge mal Riesen, mal Zwerge, hätten mal diese, mal jene Kontur. »Und wenn unser Weg eine wesentliche Wendung macht, dann steht er plötzlich neu vor uns, fremd vielleicht.« In Herreys »Gleichnis« nimmt die Landschaft den Platz der Kultur, nehmen die Berge den Platz der Werke, nimmt der Wanderer den Platz des Betrachters ein. Durch dessen Bewegung wandelten sich die Berge und wandelten sich die Werke. Dieser Prozess sei im Fall der dramatischen Literatur Shakespeares von solcher Art, dass wir nicht mehr von einem »fait accompli« sprechen könnten. Zwar bleibe der Wortlaut der Tragödien und Komödien, wenn man die Autorität der Folio von 1623 akzeptiere; doch ändere sich seine Wirkung mit der Zeit so stark, »daß sie einer Änderung des Textes gleich kommt. Wie geht das zu? Ein Text bleibt lebendig, so lange er die spontane Resonanz eines Publikums erwecken kann. Aber da sich der Standort des Publikums ändert, wandelt sich auch diese Resonanz.« Dass ein Drama, anders als ein Roman, eine »Anweisung zur Aufführung« im Hier und Jetzt ist, dass also jede Epoche, jede Dekade den Lear und den Richard, die Ophelia und die Katharina neu erfährt und erkennt, von diesem Phänomen hatte Herrey längst ein eigenes Bewusstsein, vielleicht schon durch Leopold Jessners grandiose Inszenierung des »Hamlet« von 1926, bei welcher der König und sein Hofstaat auf der Bühne so idiotisch wie die Hohenzollern in Berlin und Potsdam agiert hatten. Mit seiner Meinung stand Herrey auch nicht allein, nicht einmal im »Shakespeare Jahrbuch«. Denn im selben Band 93/1957 argumentierte der Baseler Kritiker Hans Rudolf Linder gegen das Prinzip »Authentizität«, der Stuttgarter Kritiker Siegfried Melchinger für das Prinzip »Aktualität«. Und im selben Jahr 1957 war von Bertolt Brecht der so tautologische wie dialektische Satz »Ich denke, wir können den Shakespeare ändern, wenn wir ihn ändern können« an die Öffentlichkeit gelangt. 270

Was Herreys Essay vom theatralen Programm der Jessner und Brecht unterscheidet, sprengt den Fall Shakespeare. Es ist das heuristische Potential seiner Analogie zwischen Landschaft / Berg / Wanderer auf der einen Seite und Kultur / Werk / Betrachter auf der andern Seite. Die implizite Distanz zu den Methoden konventioneller Interpretation – ›Was will uns der Dichter sagen?‹ – muss der Autor so heftig gespürt haben, dass er seine avancierte Position in den folgenden Passagen zwar nicht räumt, doch schwächt. Gleich als ob direkte Kommunikation zwischen denen, die schreiben, und denen, die lesen und sehen, selbst nach Generationen noch möglich sei, notiert Herrey nun: »Der Text ist die Spur des dichterischen Erlebnisses. Wenn wir ihn lesen oder sehen, fahren wir an dieser Spur entlang.« Besagtes Erlebnis könne wiederholt werden; wie die Nadel des Grammophons mit dem Gleiten durch die Rillen der Platte die Musik zum Tönen bringe, so könne auch erweckt werden, was den Dichter beim Schaffen bewegt habe. Der Berg, der nie gleich ist, die Spur, die stets gleich ist: Beide Bilder stehen für das Werk, mit dem man sich befasst. Doch bei der Art, wie Herrey den Umgang des Wandernden mit dem Berg und des Hörenden mit der Spur erklärt, haben wir es im ersten Fall mit etwas Fluidem, im zweiten Fall mit etwas Statischem zu tun. Diese Paradoxie ist wohl der Tatsache geschuldet, dass der Autor mit seinem Essay künstlerisches und wissenschaftliches Neuland betritt. Er wagt sich auf eine Terra incognita, die erst durch Umberto Ecos Buch »Das offene Kunstwerk« 1962 bekannt werden wird. Und erst durch die rezeptionshistorischen und rezeptionsästhetischen Theoreme, die der Romanist Hans Robert Jauß den Hörern seiner Vorlesung »Literaturgeschichte als Provoka­ tion der Literaturwissenschaft« 1967 präsentieren wird, wird sich jene »Konstanzer Schule« bilden, die das, was Herrey thematisiert – die Geschichte des Verstehens und ihre Folgen für das Hier und Jetzt –, in das Zentrum von Interesse und Engagement rückt. Die Sechste Tagung der Dramaturgischen Gesellschaft schloss am 23. Oktober 1958 im Saal der Otto-Falckenberg-Schule München. An diesem Abend konnten die Teilnehmer der Versammlung gleich mehrere Vorträge zu Shakespeare hören, etwa von Richard Flatter und Walter Josten, die sich als Übersetzer der Dramen Shakespeares einen Namen gemacht hatten. Was sie sagten, mied jede historische Konkretion, schwebte im Allgemein-Menschlichen, raunte und rauschte in jener Sprache, die Theodor W. Adorno später als »Jargon der Eigentlichkeit« kritisieren würde. Dass Friedrich Schultze, Vorsitzender der Dramaturgischen Gesellschaft, auch Herrey um einen Vortrag ersucht hatte, rührte wohl aus dem Respekt vor dessen Essay im »Shakespeare Jahrbuch«. Der Redner nutzte die Gunst der Stunde, wusste er doch, dass er vor einem mit theaterpraktischen Problemen vertrauten Publikum sprach. In manchen Teilen referierte er seinen Essay; in an-

dern Teilen distanzierte er sich von den Übersetzern August Wilhelm Schlegel und Dorothea Tieck, die Shakespeares oft raue Sprache »salonfähig« und »fein« gemacht hätten. Von Belang war jedoch vor allem, dass Herrey die Konvention der Inszenierung Shakespeares auf deutschen Bühnen explizit monierte. Hamlet werde noch immer als Jüngling im Weltschmerz, Richard III. noch immer als Teufel im Machtrausch gespielt; die Inszenierung der Tragödien und Komödien Shakespeares werde noch immer nach den Mustern des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts konzipiert. Was fehle, sei das »Idiom« heutigen Empfindens. Eine solche Meinung in den Raum zu stellen, war ein Wagnis. Schließlich war den Hörern bekannt, dass Herrey schon mehrfach Regie geführt hatte. Man würde ihn daher nach seinem Vortrag fragen, wie er selbst Shakespeare auf die Bühne bringen wolle. Und er selbst würde von nun an alles tun, um genau das zu tun. Wenn möglich nicht mit irgendeinem der Dramen, sondern mit: »Macbeth«. Verpflichtung der Besucher: Siegfried Nestriepke und Walther G. Oschilewski Herreys Interesse an ebendiesem, wie gesagt archaischen, dämonischen, satanischen Stück war eng verknüpft mit seinem Interesse an der Freien Volksbühne Berlin (FVB). Hier wollte er nicht allein als Regisseur, sondern auch als Direktor engagiert werden. Keine Frage, dass sich dieser Wunsch aus der Verfassung und Entfaltung der Person Herreys erklärt. Aber ohne das Geschehen an der Freien Volksbühne und um die Freie Volksbühne im Berlin West der fünfziger Jahre zu beschreiben, lässt sich kaum begreifen, warum Herrey sein Ziel mit solcher Heftigkeit verfolgte, dass seine Mühe nur mit dem größten Sieg oder der größten Niederlage enden konnte. Gegründet 1947, zunächst getrennt für den Amerikanischen, den Britischen und den Französischen Sektor Berlins, stand der Verein Freie Volksbühne in der Tradition des Bildungswesens der Arbeiterbewegung, das vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs mit dem Neubau der Volksbühne / Theater am Bülowplatz ein starkes Zeichen gesetzt hatte, mit dem Ausgang der Weimarer Republik jedoch zerstört worden war. Die Aktivisten des Vereins Freie Volksbühne, unter ihnen Siegfried Nestriepke als Vorsitzender und Walther G. Oschilewski als Mitglied des Vorstands, waren zugleich Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Oschilewski hatte – so würde Willy Brandt zu dessen achtzigstem Geburtstag schreiben – schon Mitte der zwanziger Jahre den »Weg vom Schriftsetzer zum Schriftsteller« gefunden. In Sachen Bildung weitestgehend Autodidakt, war der rührige Publizist und Journalist Ende der vierziger Jahre zum Leitenden Redakteur der Tageszeitung »Telegraf« berufen worden. In seiner Person war das Ideal der

Emanzipation auf so beispielhafte Weise Wirklichkeit geworden, dass seiner Bestimmung der Aufgabe des Vereins Freie Volksbühne noch heute etwas enorm Authentisches eignet. In Oschilewskis Buch »Zehn Jahre Theater am Kurfürstendamm« heißt es, man wolle die »Beziehung breiter Schichten des Volkes mit dem Theater enger gestalten«. Daher hätten die Mitglieder die »Verpflichtung«, immer wieder ins Theater zu gehen. Jeder Besuch diene der »Sammlung«, der »Stärkung«, ja der »Lebenshilfe«. In einem der zahlreichen Aufsätze Nestriepkes steht gar zu lesen, der »Zwang« zur Bildung sorge für eine »gewisse innere Erleuchtung«. Die Organisation wuchs rasch, wurde erst zwei-, dann dreimal so groß wie zur Zeit ihrer Gründung. Genau gesagt hatte sie 38 000 Mitglieder in der Spielzeit 1949/50 und 114 000 Mitglieder in der Spielzeit 1959/60. Knapp vierundvierzig Prozent waren Angestellte; gut vierzehn Prozent waren Arbeiter. Sie alle hatten das Recht – und die Pflicht –, zehnmal pro Spielzeit für je 3,30 Deutsche Mark ein Schauspiel oder für je 4,30 Deutsche Mark eine Oper zu sehen. Die Offerte enthielt nicht allein das Programm des Theaters am Kurfürstendamm, das künstlerisch und kaufmännisch vom Verein Freie Volksbühne betrieben wurde, sondern auch Teile des Programms der Städtischen Oper im Theater des Westens, des Schiller-, des Schloßpark-, des Hebbel-, des Renaissance-Theaters, der Komödie und der Tribüne. Da einerseits der Verein Freie Volksbühne die einzige Besuchergemeinschaft in Berlin West war, anderseits nicht das Schiller- noch das Schloßpark-Theater Abonnements und Abonnenten hatten, waren in diesen beiden Häusern Ende der fünfziger Jahre Abend für Abend mehr als die Hälfte der Plätze für Mitglieder des Vereins Freie Volksbühne reserviert. Diesen Zustand hielten Kritiker wie Walther Karsch und Friedrich Luft für eine Verzerrung des Wettbewerbs unter den Berliner Theatern. Nestriepke genieße sein »Monopol« und spiele den »Vormund«; er lasse seine Leute nicht frei wählen; sie müssten sehen, wohin sie geschickt würden. So aber könnten das Gute und das Schlechte kaum noch sortiert werden. In der Mitte der Arbeit des Vereins Freie Volksbühne stand das eben erwähnte Theater am Kurfürstendamm. Mit 736 Plätzen war es nach dem Schiller-Theater mit 1065 Plätzen und vor dem HebbelTheater mit 672 Plätzen das zweitgrößte Theatergebäude von Berlin West. In den frühen zwanziger Jahren von Oskar Kaufmann entworfen, in den späten zwanziger Jahren von Max Reinhardt betrieben, war das Haus im Zweiten Weltkrieg zum Teil zerstört worden. Der Verein Freie Volksbühne hatte den bescheiden wirkenden Bau 1949 übernommen und brachte dort in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre pro Saison sechs bis neun Stücke auf die Bühne. Gespielt wurde en suite, jede Inszenierung fünfzig bis sechzig Mal. Es gab einen Künstlerischen und einen Kaufmännischen Leiter. Ein Ensemble wie an westAN DER FREIEN VOLKSBÜHNE BERLIN 1959–1960

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deutschen Kommunaltheatern gab es nicht. Die Schauspieler wurden stets nur für eine spezifische Produktion verpflichtet, ihre Tätigkeit pro Vorstellung entgolten. Die Einnahmen bestanden: einerseits zu rund siebzig Prozent aus dem Verkauf von Karten zum Preis von je 3,30 Deutsche Mark an Mitglieder des Vereins Freie Volksbühne sowie aus dem Zuschuss, den die Kommune Berlin West für jede dieser Karten zahlte; anderseits zu rund dreißig Prozent aus dem freien Verkauf von Karten. Während der Städtischen Oper im Theater des Westens, dem Schiller- und dem Schloßpark-Theater die Subvention à fonds perdu gewährt wurde, also ohne dass diese Häuser einen wirtschaftlichen Erfolg haben mussten, wurde die Höhe der Hilfe für das Theater am Kurfürstendamm an dessen Erlös beim Verkauf von Karten geknüpft. Nestriepke hatte daher recht, wenn er später – im Zuge des Streits um die plötzliche Entlassung des Künstlerischen Direktors Rudolf Noelte – schreiben würde, das Haus des Vereins Freie Volksbühne müsse, anders als die direkt subventionierten Theater, »mit eiserner Sparsamkeit wirtschaften«. Aufschwung und Abschwung: Oscar Fritz Schuh und Leonard Steckel Vier Jahre größter Schwierigkeiten hinter sich lassend, hatte das Theater am Kurfürstendamm mit dem Antritt Oscar Fritz Schuhs als dessen Künstlerischer Leiter binnen kurzem eine zuvor nicht bekannte Bedeutung gewonnen. In den vierziger Jahren wegen seiner psychologischen Inszenierungen der Opern Wolfgang Amadeus Mozarts gerühmt, hatte der Regisseur im Herbst 1953, genau zu Beginn seiner Arbeit in Berlin West, in der Zeitschrift »Der Monat« einen Essay publiziert, der damals von keinem Leser anders als wie eine programmatische Explikation hätte studiert werden können. Schon der Titel »Rückblick und Ausblick«, erst recht Zwischentitel wie »Mut zum Experiment«, hatten eine Richtung weisen wollen. Was die Herren des »Düsseldorfer Manifestes« im Jahr zuvor »werktreu« genannt hatten, war von Schuh als Konvention gerügt worden. Mit seiner Kritik einer sei es bloß naturalis­ tischen, sei es bloß komödiantischen Weise des Spielens auf der Bühne, mit seinem Konzept eines »geistigen Theaters« – weg vom Abbild, hin zum Denkbild, ja zur Parabel humaner Existenz – hatte sich Schuh dem Epischen Theater genähert, ohne dass er die politische Perspektive eines Bertolt Brecht irgend geteilt hätte. Durch die Inszenierung der zwischen Tragödie und Komödie changierenden Stücke »Der Hauptmann und sein Held« von Claus Hubalek und »Generationen« von Gert Weymann hatte das Theater am Kurfürstendamm, einmal 1954, einmal 1955, Beiträge zur »Vergangenheitsbewältigung«, zur Antwort auf die Frage nach den Spuren des Faschismus in der westdeutschen Gesellschaft geleistet. 1957 war es 272

Theater am Kurfürstendamm, hinter dem Durchgang und dem Vorhof der Eingang des Hauses, rechts das Haus der Komödie, 1953

mit großer Mannschaft nach London gereist. Im Sadlers’ Wells Theatre hatte die Truppe an sechs Tagen Dramen Gotthold Ephraim Lessings, Heinrich von Kleists, Georg Büchners und August Strindbergs gezeigt. Der Jubel hatte keine Grenzen gekannt. Das sommerliche Gastspiel, so hatte Hilde Spiel in der »Süddeutschen Zeitung« notiert, habe »triumphal geendet«. Dennoch hatte Schuh, ein Künstler auch von intellektuellem Format, Berlin schon im nächsten Jahr den Rücken gekehrt und war Generalintendant der Bühnen der Stadt Köln geworden. Zu seinem Nachfolger hatte der Vorstand des Vereins Freie Volksbühne den Regisseur Leonard Steckel gewählt, den es Jahre zuvor aus dem Zürcher Exil in das ihm seit Kindertagen heimatliche Berlin geführt hatte. Doch der Mann hatte die Künstlerische Direktion des Theaters am Kurfürstendamm nur für die Spielzeit 1958/59 innegehabt. Gleich seine erste Inszenierung, »Der Sturm« von Shakespeare, hatte keinen guten Eindruck hinterlassen. Später würde man von Steckels Künstlerischer Leitung als einem »Interregnum« schreiben. Und er selbst würde sagen, er habe damals erkannt, dass die Profession des Intendanten nicht die seine sei. Eine Bewerbung, ohne Erfolg Angesichts der Bedeutung des Vereins Freie Volksbühne und des Theaters am Kurfürstendamm für das kulturelle Leben im Berlin West der fünfziger Jahre, angesichts auch der entfernten Verwandtschaft jener wie dieser Einrichtung mit dem britischen Community theatre und der amerikanischen Opus Society versteht sich Herreys Interesse an der Künstlerischen Direktion dieser Bühne. So führt er dort in den Tagen vom 20. bis 22. Januar 1959 eine Reihe längerer Gespräche, die er in seinem Termin- und Notizbuch als »Vorsprechen« bezeichnet. Bei diesen Treffen geht es wohl nicht allein um sein Projekt

Theater am Kurfürstendamm, Logen, Parkett und Portal der Bühne, 1950er

einer Inszenierung des Dramas »Richard II.« von Shakespeare – mit Charles Regnier oder Adolf Wohlbrück in der Rolle des schwachen Königs –, sondern auch um die Künstlerische Leitung des Hauses als Ganzen. Am 7. Februar 1959, eine Woche bevor Steckel dem Vorstand des Vereins Freie Volksbühne seinen Rücktritt von der Künstlerischen Direktion zum Ende der Spielzeit 1958/59 erklärt, schreibt Herrey seinem Schwager Hans Liepmann, er werde »vielleicht Intendant eines der führenden Theater Deutschlands« werden. Was lässt den Schreiber des Briefes hoffen? Ein Wort Steckels? Wir wissen es nicht. Auch nicht, ob im Lauf dieser Tage außer dem Schauspieler Karl John – der zu Proben für eine Inszenierung des Stücks »Biedermann und die Brandstifter« von Max Frisch jeden Morgen im Theater am Kurfürstendamm weilt – weitere Personen aus dem Haus der Freien Volksbühne Herreys Namen an rechter Stelle nennen und so Herreys Hoffnung nähren. Er selbst macht sich derweil auf die Suche nach einflussreichen Unterstützern. Am 22. Februar 1959 schreibt er Luft, dem er auch persönlich verbunden ist, sind doch Frau Herrey und Frau Luft seit ihrer Kindheit eine der andern Freundin. Herrey bittet Luft, diese Nähe »für einen Augenblick zu vergessen«. Er sei durch Steckels Rücktritt in eine neue Lage versetzt worden, da er nun als einer seiner möglichen Nachfolger gehandelt werde. Herrey fährt fort: »Ich mache kein Hehl daraus, daß mich eine solche Aufgabe locken könnte. Denn ich würde die Öffentlichkeit sofort mit einem sehr produktiven Programm konfrontieren,

mit dem ich schon seit Jahren auf just solch eine Gelegenheit warte.« Und Herrey schließt: »Tag für Tag kommen Leute zu mir und fragen mich, ob ich nicht etwas tun kann, um aus der Erstarrung zu helfen. Ihnen geht es sicher nicht anders. Lassen Sie uns doch sehen, ob so etwas möglich ist.« Dass sich Herrey an Luft wendet, liegt nahe. Der Mann ist so prominent wie populär; Herrey kennt ihn gut. Aber Luft ist in der Sache kein verlässlicher Verbündeter. Zwar schätzt er diese oder jene Produktion des Theaters am Kurfürstendamm, vor allem die der Ära Schuh; doch ist er kein Freund des Vereins Freie Volksbühne. Mehr noch, die Mitglieder des Vorstandes sind seine Lieblingsfeinde. Geprägt vom bürgerlichen Ressentiment gegen alles, was auf dem Terrain der Kultur für Massen »organisiert« wird, nutzt Luft seit langem jede Chance, in der Tageszeitung »Die Welt« die Nestriepkes und Oschilewskis als »Funktionäre« zu diskreditieren, so als ob sie von Kultur keine Ahnung hätten, nur der Partei sich beugen würden. Im Lauf der nächsten vier Wochen sucht Herrey seine Kandidatur zu fördern. Er trifft Karsch, Kienzl und Luft. Am 7. März 1959 stellt er seine Pläne im Haus des Vereins der Freien Volksbühne an der Ruhrstraße vor. Es hören ihn sechs führende Vertreter des Vereins: Siegfried Nestriepke (geb. 1885), Vorsitzender; Hans Knudsen (geb. 1886), dessen Stellvertreter, in den vierziger Jahren Mitglied der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), Professor für Theaterwissenschaft an der Freien Universität (FU) Berlin; Karl Hans AN DER FREIEN VOLKSBÜHNE BERLIN 1959–1960

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Bergmann (geb. 1910), Geschäftsführer, in jungen Jahren Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), Häftling in den Konzentrationslagern Dachau und Sachsenhausen, Emigrant in der Schweiz; Hermann Ludwig (geb. 1903), Kaufmännischer Leiter des Theaters am Kurfürstendamm, zuvor Intendant der Landesbühne Niedersachsen Nord in Wilhelmshaven; Albert Horlitz (geb. 1882), Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), früher Bürgermeister des Bezirks Charlottenburg von Berlin; Friedrich Kruspi (geb. 1898), Mitglied der Freien Demokratischen Partei (FDP). Herreys Sorge um die öffentliche Meinung hat ein direktes Resultat. Am 18. März 1959 erscheint in der »Berliner Morgenpost« ein Artikel des Musik- und Theaterkritikers Hellmut Kotschenreuther. »Kann er Steckels Nachfolger sein?« lautet der Titel. Der Vorspann des Beitrags beginnt: »Als wir uns kürzlich mit Dr. Siegfried Nestriepke über Probleme der Volksbühne unterhielten, stand unter anderem auch die Frage zur Debatte, wer als Nachfolger für Leonard Steckel in Frage käme. Dabei fiel der Name des Regisseurs Hermann Herrey. Inzwischen gilt er – wie wir erfahren – als einer der aussichtsreichsten Kandidaten.« In dieser Richtung fährt Kotschenreuther fort. Er würdigt Herreys doppelte Begabung als Regisseur und Szenograph, würdigt seine »Universalität«, dank derer man sich um das Berliner Theater keine Sorge machen müsse. Der Artikel ist eine einzige Empfehlung, die Künstlerische Direktion des Theaters am Kurfürstendamm in Herreys Hände zu legen. Kotschenreuthers Engagement findet elf Tage später, in der »Welt am Sonntag« vom 29. März 1959, ein zwar leises, doch klares Echo. »Nachfolger gesucht!« lautet der Titel, »Herrey auf Steckels Thron?« der Zwischentitel des Beitrags von H. W. Corten. Im Vergleich zu Ulrich Erfurth, dem Leitenden Regisseur des Deutschen Schauspielhauses Hamburg und Konkurrenten um den Posten in Berlin West, habe Herrey die größeren Aussichten. Der 18. März 1959 ist nicht nur der Tag, an dem in der »Berliner Morgenpost« Kotschenreuthers Lob auf Herrey erscheint; es ist auch der Tag, an dem die Gesellschafterversammlung der FVB-TheaterBetriebs-GmbH, formal Träger des Theaters am Kurfürstendamm, erstmals über die Nachfolge Steckels berät. Favorit ist Hans Schalla, seit fast zehn Jahren Generalintendant des Schauspielhauses Bochum. Obwohl für diesen schon ein Vertrag vorliegt, wollen die Herren auch mit Erfurth und Herrey weiter im Gespräch bleiben. Am 21. März 1959 tagt der Geschäftsführende Vorstand des Vereins Freie Volksbühne. Nach dem Rückzug Erfurths läuft dort das Hin und Her der Meinungsbildung auf den Wunsch hinaus, Schalla für das Theater am Kurfürstendamm zu gewinnen. Indes treten neben Schalla und Herrey zwei neue Kandidaten: zum einen der durch seine 274

in Hollywood gedrehten Filme bekannte Regisseur William Dieterle, zum andern der junge, bisher an Theatern in Berlin, Hamburg, Frankfurt am Main und München tätige Regisseur Rudolf Noelte. Nestriepke nimmt deutlich Stellung gegen Noelte, Bergmann deutlich Stellung für Herrey. Bergmann betont, Herrey habe auf ihn »einen guten Eindruck gemacht«. Für diesen Aspiranten komme der Posten einem »Aufstieg« gleich; er werde daher nicht so schnell wieder gehen, sondern sich mehr als die Konkurrenten engagieren. Was Bergmann zu seinem Einsatz für Herrey bewegt, bleibt unklar. Dessen künstlerische Eigenschaften? Dass beide ein gutes Stück jünger sind als die Herren des Vorstands? Dass beide die Erfahrung der Vertreibung kennen? Am 15. April 1959 wählt die Gesellschafterversammlung der FVBTheater-Betriebs-GmbH auf Drängen Knudsens den achtunddreißig Jahre alten Noelte zum Künstlerischen Direktor des Theaters am Kurfürstendamm. Einer aber fehlt bei der Sitzung: Nestriepke. Zwei Tage später schreibt Ludwig an Herrey. Er bittet ihn, die Entscheidung zu verstehen, und fährt fort: »Ich danke Ihnen, verehrter Herr Herrey, sehr herzlich für die Gespräche, für die Sie sich in so liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellt und für das große Interesse, das Sie unserem Theater gegenüber gezeigt haben.« Drama um Rudolf Noelte Wiewohl Noelte aufgrund eines so impulsiven wie explosiven Temperaments längst im Ruf eines »Schwierigen« steht, ist die Hoffnung groß, dieser Mann werde das Theater am Kurfürstendamm zu neuem Ruhm führen. Noelte feiert dort zwei Premieren. Im Herbst 1959 zeigt er die Einakter »Der grüne Kakadu« von Arthur Schnitzler, »Der Kammersänger« von Frank Wedekind, »Abendstunde im Spätherbst« von Friedrich Dürrenmatt, das Ganze unter dem Titel »Illusionen«. Im Winter 1960 folgt das Stück »Die Kassette« von Carl Sternheim. Doch drei Tage nach der Premiere, am Abend des 19. Januar 1960, wird Noelte entlassen. Zu groß ist die Spannung zwischen dem Künstlerischen und dem Kaufmännischen Leiter des Hauses. Was folgt, sind lange, lange Wochen scharfen Streitens zwischen der Presse auf der einen, dem Verein Freie Volksbühne auf der andern Seite. Beide Perspektiven müssen präsentiert und kommentiert werden, weil man nur auf diese Weise versteht, warum Herreys zweiter Versuch eines »Aufstiegs« zur Künstlerischen Direktion des Theaters am Kurfürs­ tendamm – der ihn Anfang Mai 1960 vom Rande zur Mitte der Handlung führt – so heftig fehlschlägt, dass er Berlin wenig später verlässt. Betreffend die plötzliche Entlassung des Regisseurs finden am 20. und 22. Januar 1960 zwei Pressekonferenzen statt. Schon die Orte dieser Treffen geben eine Botschaft. Nestriepke lädt in das Restaurant »Ber-

liner Kindl-Bräu« an der Ecke von Kurfürstendamm und Joachimsthaler Straße, wo sonst der Tourist seine »Molle« trinkt. Noelte lädt in die Räume des Deutschen Bühnen-Klubs an der Ecke von Kurfürstendamm und Waitzstraße, wo Künstler und Künstlerfreunde das Gespräch pflegen. Beide Pressekonferenzen haben »sensationellen Andrang«. Die Berliner Zeitungen, der Sender Freies Berlin (SFB) und der Rundfunk im Amerikanischen Sektor (RIAS) sind »in starker Besetzung« vertreten. Alle wittern den Skandal. Nestriepke wirft Noelte vor: er habe den Etat für die künstlerische Arbeit schon bis Ende 1959 um gut 56 000 Deutsche Mark überschritten und habe es an Kollegialität erst mit Hermann Ludwig, dann mit Walter Paproth als den Kaufmännischen Leitern des Hauses mangeln lassen. Beide seien auch durch eine »Fülle von Injurien« verletzt worden. Noelte wirft Nestriepke vor: er habe ihn nicht vor der Überwachung, ja der »Tyrannei« der Ludwig und Paproth geschützt. Nach dem langen »Referat« des Regisseurs klatschen die Journalisten »wie bei einer Premiere«. Fast blind für das strukturelle Problem des Theaters am Kurfürstendamm – das heißt: die Selbstständigkeit nicht allein des Künstlerischen, sondern auch des Kaufmännischen Direktors –, schlägt sich die Lokalpresse, schlagen sich vor allem die Kritiker auf die Seite Noeltes, machen ihn zum Star, nennen die Führung des Vereins Freie Volksbühne »engstirnig« und »dickköpfig«, stilisieren den Streit zu einem Kampf, bei dem sich ein »Individuum« gegen »Organisierte«, ein »Genie« gegen »Apparatschiks« wehre. Während Karsch von einem »Kesseltreiben« gegen Noelte schreibt, findet ein solches in Wahrheit gegen Nestriepke statt. Im Brustton erklärt Luft, man habe Noelte »nach wenigen Monaten in einer Form davongejagt, die es in der deutschen Theatergeschichte nur in den Nazizeiten gab. Sonst nicht.« Entfernt von Lufts Invektive, ja entfernt von jeder Polarisierung und Skandalisierung des Vorgangs steht allein Johannes Jacobi, Kritiker der Wochenzeitung »Die Zeit«. Der Autor äußert sich, nachdem in Berlin West die erste Empörung verklungen ist. Sein Text erscheint am 29. Januar 1960. Titel: »Der Fall Noelte«. Untertitel: »Ein großer Regisseur braucht kein großer Intendant zu sein«. Womit alles gesagt ist. Wie sich vor einer Weile schon an Gründgens’ Deutschem Schauspielhaus Hamburg gezeigt habe, sei Noelte eine Person »ohne Manieren«. An den Vorstand des Vereins Freie Volksbühne richtet Jacobi den Satz: »Wer den Bock zum Gärtner macht, darf sich nicht wundern, wenn im Garten keine Blumen wachsen.« Dass hinter dem, was in der Sache gesagt wird, auch ein Konflikt zwischen Alt und Jung steckt, macht schon die Spanne von sechsunddreißig Lebensjahren klar, welche zwischen Nestriepke und Noelte liegt. Klarer noch wird dieser Aspekt durch einen Kommentar, den der Kritiker Willy H. Thiem in der Frankfurter »Abendpost« vom 8. Februar 1960 publiziert. Thiem und Noelte teilen das Jahr ihrer Geburt: 1921.

Und so sieht Thiem in Noelte den Protagonisten einer Generation, die endlich auch mit der Funktion der Intendanz betraut werden wolle. Die Entlassung Noeltes sei ein »Vergehen« an der »Integrität einer schöpferischen Persönlichkeit«. Mögliche Nachfolger in der Künstlerischen Leitung des Theaters am Kurfürstendamm sollten daher »schweigen«, den Vorstand des Vereins Freie Volksbühne wortlos zum Rücktritt zwingen. »Laßt das Telefon klingeln! Laßt die Bürokratie – einmal – schwarz werden! Statuiert, Freunde, ein Exempel!« Favorit Hans Schalla Während die Zeitungen ihre Kampagne führen, während Thiem allen Intendanten, Dramaturgen und Regisseuren, die es wagen, mit dem Vorstand des Vereins Freie Volksbühne in Kontakt zu treten, sein ›Verrat, Verrat!‹ ins Gesicht schleudert, sucht Nestriepke – den Aufruf zum Boykott im Ohr – die Personalprobleme zu lösen. Wie vor einem Jahr heißt sein Favorit: Schalla. Nestriepke besucht ihn am 29. Januar 1960 in Bochum, nicht allein, weil er die dort avisierte Inszenierung des Stücks »Nekrassow« von Jean-Paul Sartre in das Theater am Kurfürstendamm holen, sondern auch, weil er den renommierten Intendanten längerfristig an seine plötzlich so schwache Bühne binden will. Dass die Herren zudem über die Künstlerische Direktion des Hauses als Ganzen reden, ist ein offenes Geheimnis. Genau eine Woche nach dem Treffen in Bochum, am 5. Februar 1960, reist Schalla nach Berlin West, wo das Gespräch in der Runde des Geschäftsführenden Vorstands des Vereins Freie Volksbühne vertieft werden soll. Zum Erstaunen Nestriepkes bleibt Schalla der Sitzung fern; ein Telegramm entschuldigt ihn. Am 10. Februar 1960, in der Abendsendung »Die Zeit im Funk«, erklärt der Bochumer Intendant den Hörern: »Zu der Besprechung mit der Volksbühne ist es nicht mehr gekommen, da ich am Morgen schon, in Berlin ankommend, die gesamte Berliner Presse so gegen jeden kommenden Regisseur gerichtet fand, daß ich es als höchst bedenklich empfunden hätte, eine Inszenierung zu übernehmen.« Selbst die Berliner Schauspieler, meint Schalla, hätten sich bloß ungern für eine Produktion engagieren lassen, da die Journalisten jeden Künstler, der sich bereit erklärt hätte, die Lage des Theaters am Kurfürstendamm auch nur für Wochen zu retten, in Verruf gebracht hätten. Er habe Nestriepke »schweren Herzens im Stich lassen« müssen, da er gespürt habe, dass er in Berlin schon vor Beginn der Proben mit beträchtlichen Hindernissen hätte rechnen müssen. Trotz dieser Kritik an der öffentlichen Meinung in Berlin West lässt Nestriepke im Bemühen um den Bochumer Regisseur nicht nach, bis Anfang April 1960 klar wird, dass die Stadt Bochum den Mann zum Bleiben zwingen würde, falls dies nötig werden würde. So verhandelt Nestriepke auch mit andern Kandidaten. Unter ihnen: Ida Ehre, AN DER FREIEN VOLKSBÜHNE BERLIN 1959–1960

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Direktorin der Hamburger Kammerspiele; Ulrich Erfurth, Leitender Regisseur des Deutschen Schauspielhauses Hamburg; Frank Lothar, Direktor der Tribüne Berlin; Hannes Razum, Intendant des Schloß­ theaters Celle. Unter ihnen vor allem: Erwin Piscator. Freilich findet das Gespräch mit ihm nur statt, weil Willy Brandt, Regierender Bürgermeister von Berlin West, den Vorstand des Vereins Freie Volksbühne mit der Macht seines Amtes darum ersucht. Nestriepke selber sagt, leider habe sich Piscator »von seinen alten Vorstellungen nicht ganz gelöst«. Ein anderer unter den Mitgliedern des Vorstandes fügt an, leider habe sich Piscator »von snobistischen Kreisen« finanzieren lassen. Und Herrey? Dessen Name taucht auf den Listen der engsten Wahl nur bis Ende Februar 1960 auf. »Macbeth«: Vom Vertrag zum Probenbeginn Ob man die Dokumente aus dem Frühjahr 1959 oder die aus dem Frühjahr 1960 studiert, auf die Krise um das Theater am Kurfürstendamm schauen die Luft und Thiem mit ganz andern Augen als die Nestriepke und Schalla. In mancher Hinsicht steht Herrey jener wie dieser Partei gleich nah und fern. Doch ist der Regisseur und Szenograph bei seiner zweiten Kandidatur für die Künstlerische Leitung des Hauses vor allem: Einzelkämpfer und Außenseiter. In einer Lage, deren Ungunst zum Himmel schreit, geht er, wohl im Lauf der letzten Tage des Januar 1960, ein persönliches Wagnis sondergleichen ein. Warum springt er in den Strudel? Warum schwimmt er gegen den Strom? Weil er endlich aus der Rückkehr nach Berlin eine Heimkehr nach Berlin machen will? Weil er endlich an genau jenem Ort triumphieren will, wo seine Karriere begann? Wie im Frühjahr 1959 nimmt Herrey auch im Frühjahr 1960 zunächst Kontakt mit einer Reihe von Journalisten auf. Er trifft Karsch, Kienzl und Kotschenreuther, nicht aber Luft. Der Kandidat – der noch gar keiner ist – verfasst ein Papier unter dem wenig spezifischen Titel »Bemerkungen eines unbefangenen Außenstehenden«. Der Text handelt von der Krise um das Theater am Kurfürstendamm, ohne dass der strukturelle Konflikt zwischen der Künstlerischen und der Kaufmännischen Direktion des Hauses auch nur erwähnt wird. Nein, Herrey schreibt Herrey; Herrey macht Herrey Mut. Durch den jüngsten Tumult, so der Autor, sei dem Vertrauen in den Verein Freie Volksbühne ein solcher »Stoß« versetzt worden, dass die Zukunft der Organisation auf dem Spiel stehe. Der Vorstand dürfe jetzt keine Meinungen äußern, sondern müsse Tatsachen schaffen. Er müsse das Heft in die Hand nehmen, dürfe sich auf keinen Fall von Journalisten dekretieren lassen, was zu tun sei. Vielmehr müsse auf der Bühne des Theaters am Kurfürstendamm so bald wie möglich eine neue Inszenierung in Produktion gehen. Mit dieser Arbeit – deren Erfolg gewährleistet wer276

den müsse, »selbst wenn es Opfer kostet« – dürfe nur ein in Berlin West bekannter, auch von den Kritikern geschätzter Regisseur betraut werden. Herrey erreicht, was Herrey möchte. Er verhandelt mit der FVBTheater-Betriebs-GmbH über eine Inszenierung des »Macbeth« im Theater am Kurfürstendamm. Folgt man einem Beitrag Nestriepkes in Heft 6/1960 der »Blätter der Freien Volksbühne Berlin«, so äußern die Künstlerische wie die Kaufmännische Leitung des Hauses mehrfach starke »Bedenken« in Bezug auf das Projekt. Aber Herrey vertritt seine Meinung, er könne die Tragödie auch bei schmalem Budget in »pa­ckender Darstellung« auf die Bühne bringen, mit solcher »Verve«, ja mit solcher »Besessenheit«, dass die Herren ihn schließlich als Regisseur und Szenograph engagieren. Der Vertrag wird am 1. März 1960 unter­ zeichnet. Anders als im März 1959 Kotschenreuther in der »Berliner Morgenpost« und Corten in der »Welt am Sonntag« berichten die Zeitungen im März 1960 rein sachlich. Allein »Der Kurier« lässt Ilse Urbach schreiben, es sei zu »begrüßen«, dass Herrey im Theater am Kurfürstendamm »wirken« werde. Dass der Vorstand des Vereins Freie Volksbühne mit dem Regisseur auch über die Künstlerische Direktion des Hauses als Ganzen spreche, nennen mehrere andere Zeitungen ein »Gerücht«, das Herrey »nicht bestätigt« habe. Sechs Tage vor Beginn der Proben, am 25. März 1960, schreibt Herrey einen Brief an Nestriepke, mit welchem er den Schritt zu einer offenen Bewerbung um die Position des Intendanten wagt. Im Lauf der beiden letzten Tage hätten ihm Kritiker bedeutet, schon in der nächsten Woche werde der Nachfolger Noeltes gewählt; die Anrufer hätten ihn aus diesem Grunde ermuntert, sich endlich aus der Reserve zu begeben, sich endlich als Kandidat zu bekennen. Herrey fährt fort, er sei aus New York zurückgekehrt, weil er sich die Künstlerische Leitung eines Theaters gewünscht habe. Unter den vielen reize ihn keines so sehr wie das Theater am Kurfürstendamm, weil er dieses Haus – wohl im Sinne von Jean Vilars Théâtre National Populaire (TNP) in Paris, von Giorgio Strehlers Piccolo Teatro in Mailand, von Vittorio Gassmans Teatro Popolare Italiano in Rom – »zu einem echten Volkstheater machen« könne. Freilich fühle er sich gegenüber andern Kandidaten »im Nachteil«, weil er 1933 zum Abbruch seiner Karriere an Berliner Theatern, ja zur Flucht verdammt worden sei. Während seines jahrelangen Exils hätten an deutschen Bühnen andere Regisseure und Szenographen ihre Tätigkeit fortsetzen und einen Ruf erwerben können. Aufgrund seiner Erfahrung mit Theater nicht allein in Deutschland, sondern auch in Britannien, Amerika und der Schweiz sowie aufgrund seiner Produktion des »Macbeth« habe er jedoch geglaubt, der Vorstand des Vereins Freie Volksbühne müsse »mit beiden Händen« nach ihm »greifen«. Nun werde in der

Paul Gehring, »Macbeth. Theater am Kurfürstendamm«, Zeichnung in der Zeitung »Der Abend«, 9. Mai 1960

nächsten Woche gewählt; der »Macbeth« werde zu spät kommen, um Eindruck zu machen. »Geben Sie mir vor der Wahl noch eine Gelegenheit, vor dem Vorstand mein Programm in einer halben Stunde darzulegen. Dieses Programm ist so fruchtbar, daß die Volksbühne es sich eigentlich nicht leisten kann, nicht in Betracht zu ziehen, was ich zu sagen habe.« Obwohl Herreys Schreiben von Leidenschaft getragen wird, nimmt sich Nestriepke mit seiner Reaktion fast drei Wochen Zeit. Erst als ihm Anfang April 1960 klar wird, dass nicht Schalla noch Erfurth die Künstlerische Direktion des Theaters am Kurfürstendamm übernehmen werden, macht sich der Vorsitzende des Vereins Freie Volksbühne an die Antwort. Am 13. April 1960 schreibt er dem Aspiranten, man habe mit einer Reihe von Theaterschaffenden verhandelt. Doch nun sei die Lage so, dass man »alles offen lassen« wolle, bis der »Macbeth« seine Premiere erlebt haben werde. »Macbeth«: Zwei Berliner Vorläufer In der Geschichte des Schauspielens waren dem Drama um den Feldherrn aus Schottland nie dieselben Erfolge beschieden wie den Tragödien um Hamlet oder Lear, von den Komödien um Malvolio und Petruchio zu schweigen. Gleichwohl erstaunt, dass »Macbeth« in Berlin bis Mitte 1960 nur zweimal auf die Bühne gebracht wurde. Die erste Premiere gab das Hebbel-Theater an der Stresemannstraße im Herbst 1945. Die Regie führte Karl Heinz Martin, die Rolle des Macbeth spielte Walter Franck, die der Lady Macbeth Hilde Körber. In der später »legendär« genannten Aufführung standen Macbeth für Adolf Hitler, Schottland für Deutschland; es ging um einen Diktator und eine Diktatur, denen allein von außen ein Ende gesetzt werden konnte. Anders als im Original sprach hier Macduff den letzten Satz, nachdem er Macbeth im Zweikampf besiegt hatte. Und dieser Satz hieß: »Die Welt ist frei!«

Die zweite Premiere gab die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz im Herbst 1959. Die Regie führte Ernst Kahler; die Rolle des Macbeth spielte Wilfried Ortmann, die der Lady Macbeth Susanne Wisten. In der »Berliner Zeitung« hieß es damals, das Stück erschüttere alle, die durch die »faschistische Hölle« hätten gehen müssen. An der Volksbühne aber sehe man einen Macbeth voller »äußerlichem Pathos«, dem man die »Kraft zur Untat« nicht glaube. Trotz der Kritik hatte die Inszenierung Erfolg. Sie stand noch auf dem Spielplan, als Herreys »Macbeth« im Theater am Kurfürstendamm lief. Von der Chance eines Vergleichs zwischen Volksbühne und Freier Volksbühne machten die Kritiker jedoch keinen Gebrauch. Die beiden Teile Berlins waren zu dieser Zeit – das heißt: auch ohne Mauer – schon so weit in West und Ost getrennt, dass jene für diese, diese für jene Hälfte keine Augen und Ohren mehr hatte. »Macbeth«: Vom Probenbeginn zur Premiere In den Wochen von Mitte Februar bis Ende März 1960 führt Herrey zahllose Gespräche mit zahllosen Darstellern, weil das Theater am Kurfürstendamm kein eigenes Ensemble hat, folglich jeder Part einzeln besetzt werden muss. Am Telefon macht nun der Regisseur und Szenograph jene Erfahrung, von der Schalla im Rundfunk sprach. Mancher Künstler mag sich in der Krise, die nach dem Weggang Noeltes ausbrach, nicht engagieren lassen. Für die Rolle des Macbeth stehen auf einer Liste Herreys drei große Namen: an erster Stelle Ernst Schröder, an zweiter Charles Regnier, an dritter Walter Richter. Schröder ist nicht mehr frei; er wird für seinen Macbeth unter der Regie von Heinrich Koch bei den 14. Ruhrfestspielen Recklinghausen in hohen Tönen gelobt werden. Regnier und Richter sagen ab, später auch Bernhard Minetti. So wird schließlich Stefan Schnabel – anfangs nur für den Part des Banquo gedacht – mit der Rolle des Macbeth betraut. Allein für die Lady Macbeth gewinnt Herrey mit Claudia Losch eine Schauspielerin, deren AN DER FREIEN VOLKSBÜHNE BERLIN 1959–1960

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Hermann Herrey, Bühne »Macbeth«, Burg, Außenund Innenseite, zwei Zeichnungen zum Zweck der Projektion, 1960

Talent er durch seine Inszenierung der Stücke »Die Zofen« und »Jacques oder Der Gehorsam« gut kennt. Hieß es nicht damals in Kienzls Kritik, die Losch habe das Zeug zu einer Medea? Als Herrey am Morgen des 31. März 1960 zur ersten Probe in das Theater am Kurfürstendamm fährt, hat Paproth, von 1945 bis 1957 Stellvertreter des Intendanten der Städtischen Oper Berlin, die Kaufmännische Leitung des Hauses inne. Doch da dort seit Noeltes Weggang eine Künstlerische Leitung fehlt, führt Paproth den Betrieb wie ein Interimsintendant. In einer Aktennotiz von ebendiesem 31. März 1960 wird deutlich, dass er Herrey wenig vertraut. Denn Paproth spricht, mit Bezug auf die Produktion des »Macbeth«, nicht allein von »Skepsis«, sondern auch davon, dass er »Schlimmstes« fürchte. In einem Schreiben an Nestriepke, datiert auf den 12. April 1960, wirft er Herrey einen Mangel an Disposition vor und stöhnt, er wolle nicht länger die »Rolle des Mahners« spielen. Dennoch folgt Stellungnahme auf Stellungnahme. Paproth scheint dem Projekt »Macbeth« nicht ernsthaft helfen zu wollen. Liegt ihm etwa mehr daran, immer wieder neue Gründe für seine Meinung über Herrey zu finden? Als ob der inneren Spannungen des Theaters am Kurfürstendamm nicht genug seien, publiziert die »Berliner Morgenpost« am 21. April 1960 einen Kommentar unter dem Titel »Wagnis mit ›Macbeth‹«. Der Autor – das Kürzel H. W. steht für den Namen Hermann Wanderscheck – 278

stellt die Frage, warum Herrey sein »Debüt« am Haus der Freien Volksbühne mit einem der schwierigsten Shakespeareschen Schauspiele wage. Dann greift Wanderscheck Schnabel als einen »liebenswürdigen Chargendarsteller« an, der in London und New York nur Nebenrollen gespielt habe und in Deutschland kaum bekannt sei. Diese Kritik vor der Kritik, diese Glosse vor der Premiere nimmt Nestriepke tags drauf zum Anlass eines zwar sachlichen, doch deutlichen Schreibens an Heinz Köster, den Chef der »Berliner Morgenpost«. Obwohl die künstlerische Verantwortung für die Regie allein bei Herrey liege, müsse betont werden, dass Wanderschecks Artikel nicht ohne Konsequenz für die Arbeit auf der Bühne bleibe. Der Regisseur werde »entmutigt«, seine Truppe »mißtrauisch« oder »unlustig«, vielleicht sogar »aufsässig«. In jedem Fall trete eine »Störung« ein, die einem Kritiker nicht konzediert werden dürfe. Um den Kommentar der »Berliner Morgenpost« und die Reaktion Nestriepkes zu verstehen, muss man die Lebenswege von Schnabel und Wanderscheck kennen. Geboren 1912 in Berlin, war Schnabel einer der beiden Söhne des Pianisten Artur Schnabel. Um 1930 Schüler der Schauspielschule von Ilka Grüning und Lucie Höflich, wurde der junge Mann nach der Emigration seiner Familie 1933 noch im selben Jahr am Old Vic Theatre London engagiert. Zur weiteren Ausbildung spielte er dort kleinste und kleine

Rollen, vor allem in Dramen Shakespeares. 1937 zog Schnabel nach New York. Er schloss sich der Mercury-Theatre-Truppe an und wurde Mitglied des Ensembles der legendären Inszenierung des »Julius Caesar« durch Orson Welles. 1941 wurde Schnabel Bürger der USA. Er trat in den Dienst des Office of Strategic Services (OSS) des US Department of War und lieh dessen Rundfunk seine Sprache und Stimme bei der Propaganda gegen den Nationalsozialismus. Nach dem Weltkrieg stand Schnabel wieder auf den Bühnen New Yorks. 1958 kam er in die Bundesrepublik Deutschland. 1959 spielte er im Theater an der Brienner Straße / Haus des Sports München die Rolle des Vorsitzenden Richters Elia in »Prozeß Jesu« von Diego Fabbri, 1960 für den Verein Münchner Uraufführungsbühne / Theater im Schweizerhaus die Rolle des Pädagogen Janusz Korczak in »Korczak und die Kinder« von Erwin Sylvanus. Geboren 1907 in Berlin, wurde Wanderscheck nach dem Studium in Berlin, München, Genf und London 1934 mit einer Arbeit über die staatliche britische Propaganda gegen die Politik des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg promoviert. 1938 publizierte er ein Buch unter dem Titel »Deutsche Dramatik der Gegenwart«, worin er sich als glühender Verfechter der Kultur des »Dritten Reiches« präsentierte. Ab 1939 Referent der Abteilung Deutsche Presse des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP), schrieb Wanderscheck unter anderm Broschüren, in welchen er die Angriffe englischer Zei

tungen auf den Nationalsozialismus zu parieren versuchte. In einem dieser Pamphlete heißt es: »Damals wie heute sind Juden und Emigranten die besten Helfer der englischen Propaganda.« Da Wanderscheck schon in den dreißiger und vierziger Jahren als Verfasser zahlreicher Beiträge über Probleme des Theaters in Erscheinung getreten war, konnte er ab 1950 bei der von ihm gegründeten und geleiteten »Mykenae-Theater-Korrespondenz« auf alte Verbindungen zurück­ greifen. Auch war er ein reger freier Kritiker und Journalist. Nur, die führenden Zeitungen mochten seine Texte nicht drucken. Zwar wird nach Wanderschecks Attacke, die einem alten Ressentiment zu folgen scheint, kein Schauspieler »aufsässig«; doch lässt der Druck auf die Proben nicht nach. Bei vielen von denen, die in den Räumen des Deutschen Bühnen-Klubs ein und aus gehen und dort das Gespräch unter ihresgleichen suchen, wird die Produktion des »Macbeth« wie eine Bewerbung um die Künstlerische Direktion des Theaters am Kurfürstendamm betrachtet. »Hermann Herrey geht aufs Ganze«, schreibt Ernst Mandowski in der »B.Z.« vom 19. April 1960. »Rettung durch Shakespeare?« lautet der Titel über einem Foto mit Schnabel und Losch, das »Der Abend« vom 6. Mai 1960 druckt. Am nächsten Tag – dem der Premiere des »Macbeth« – gibt Noelte den Berliner Kritikern eine Klageschrift von über zweihundert Druckseiten, die nur ein Ziel hat: den Beweis, dass er zu Unrecht von seinem Posten entfernt wurde. AN DER FREIEN VOLKSBÜHNE BERLIN 1959–1960

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Hermann Herrey, Inszenierung

»Macbeth«, Bankettszene, links Claudia Losch als Lady Macbeth, vorne Stefan Schnabel als Macbeth

Zwei Treppen, zwei Bögen, eine Mauer Dass Herrey »aufs Ganze« geht, diese Meinung trifft dessen Arbeit gleich doppelt: erstens, weil er mit einer Art ›Jetzt oder nie‹ an sein Werk geht; zweitens, weil er nicht allein die Regie führt, sondern auch für die Räume und Bilder der Bühne, für die Kostüme der Figuren, ja für die deutsche Fassung des Textes sorgt. Ob Herrey die blutige Geschichte aus dem Schottland des hohen Mittelalters – wie 1945 das Hebbel-Theater, wie 1959 die Volksbühne – als Herrschaftsdrama, ob er sie als Ehedrama, ob er sie als etwas Drittes deutet, wir wissen es nicht. Die Intention der Inszenierung bleibt im Dunkel, weil es von der Absicht kein Zeugnis gibt. Beschreiben lässt sich allerdings, mit welchen Räumen und Bildern Herrey die Handlung versieht. Aufgrund ihrer Breite von fünfzehn und ihrer Tiefe von dreizehneinhalb Metern ist die Bühne des Theaters am Kurfürstendamm, anders als die des Schiller-Theaters mit Maßen von fünfundzwanzigeinhalb mal fünfundzwanzig Metern, für die Szenen der meisten Stücke Shakespeares viel zu klein. Dennoch bauen die Schreiner unter Leitung der Theatermaler Walter Bornemann und Reinhard Krumm nach Herreys Entwurf ein größeres räumliches Gebilde mit zwei Treppen, zwei Bögen und einer Mauer, die auf einem drehbaren Untersatz in diese oder jene Position gerückt werden können. Neben die Mittel der Architektur treten die der Projektion. Auf dem Horizont erscheinen die Heide, die Burg, der Wald und dieser oder jener Ort, wobei Herrey auch mit Zitaten operiert, etwa einem Ausschnitt des Gemäldes »Die Alexanderschlacht« von Albrecht Altdorfer. 280

Die Schaffung einer wandelbaren Gesamtgestalt mit unterer und oberer Ebene spart Kosten bei der Szenographie, was der Interimsintendanz des Theaters am Kurfürstendamm nur recht ist. Die variable Architektur dient dem »Spiel der fließenden Bewegung«, von dem Herrey in seinem Aufsatz »Shakespeare auf der Bühne« spricht; sie greift mit den zwei Treppen auf seine Arbeit für die Inszenierung des »Julius Caesar« in London zurück. Die stärkste Legitimation für das Konzept, die Handlung zu großen Teilen vor und auf einer Freitreppe und in einem Halbdunkel spielen zu lassen, bietet der »Macbeth« aber selbst. Denn nachdem König Duncan das Thronrecht seinem Sohn Malcolm, dem Prinzen von Cumberland, vermacht hat, hören wir den Feldherrn im Stillen sagen: »Ha! Prinz von Cumberland! – Das ist ein Stein, / Der muß, sonst fall ich, übersprungen sein, / Weil er mich hemmt. Verbirg dich, Sternenlicht! / Schau meine schwarzen, tiefen Wünsche nicht! / Sieh, Auge, nicht die Hand! Doch laß geschehen, / Was, wenn’s geschah, das Auge scheut zu sehen.« Christoph Martin Wieland schreibt: »Stufe«. Dorothea Tieck schreibt: »Stein«. Hans Rothe schreibt: »Schwelle«. Shakespeare schreibt: »step«. Mit Bezug auf ebendiese Zeilen und im Licht der Erfahrung von Geschichte im zwanzigsten Jahrhundert wird 1961 der polnische Publizist Jan Kott in seinem Buch »Shakespeare heute« vom »Großen Mechanismus« sprechen. Er wird sagen, für den Elisabethaner sei die Historie eine »große Treppe«, auf der in langer Reihe die Potentaten stünden.

Links Hans Jürgen Poritz als Malcolm, mittig Max Eckard als Macduff, rechts Hans Krull als Rosse, im Hintergrund eine Projektion

Mit jedem Schritt, das heißt mit jedem Mord, kämen sie dem Thron näher. »Von der letzten Stufe ist es nur ein Schritt in den Abgrund. Die Herrscher wechseln. Aber die Treppe ist immer die selbe.« Orkan der Kritik Herreys Inszenierung des »Macbeth« hat Premiere am Samstag, den 7. Mai 1960. Bei seinem ersten Auftritt in der Rolle des Feldherrn wird Schnabel mit Beifall begrüßt. Das Händeklatschen gilt dem Sohn des emigrierten Pianisten; es gilt dem Rückkehrer, nicht dem Schauspieler. Der Abend dauert gut drei Stunden. Der Beifall ist lau und kurz. Herrey tritt nicht an die Rampe. Während der nächsten Woche zieht ein Sturm über den Verein Freie Volksbühne, über Nestriepke, über Oschilewski und – vor allem – über Herrey. Das Unisono und Fortissimo der Kritik erstaunt noch heute. Wirken Titel wie Ernst Mandowskis »Das war Pech!« in der »B. Z.« oder Rudolf Brendemühls »Das ging ins Auge!« in der »NachtDepesche« noch harmlos, so ist in andern Zeitungen von »Durchfall« oder »Tiefstand«, von »Peinlichkeit« oder »Scheußlichkeit«, von »Blamage« oder »Debakel« die Rede. Den schärfsten Verriss schreibt Herbert Pfeiffer für die »Berliner Morgenpost«. Seit Mitte der zwanziger Jahre als Kritiker tätig und einst voll des Lobes für die Zweigenthalschen Bühnenbilder des »Faust«, gibt er seinem Beitrag den Titel »Halbmast weht über der Walstatt«, weil sich das Theater am Kurfürstendamm

mit seiner jüngsten Premiere selbst ums Leben gebracht habe. Vor einer Weile sei Herrey, wegen der Regie von Stücken Ionescos und Genets, »leichtfertig« mit dem Preis des Verbands der Deutschen Kritiker bedacht worden. Doch der »Ehrgeiz« dieses Mannes habe stets nach der Regie Shakespearescher Schauspiele verlangt. Nun habe sich sein »Unkönnen« erwiesen. Zum Schluss fordert Pfeiffer die Absetzung der Aufführung und den Rücktritt der Spitze des Vereins Freie Volksbühne. »Dieser Vorstand, bei dem ja alles möglich ist, läßt sonst den Herrey noch den ›Lear‹ inszenieren.« Außer Max Eckard in der Rolle des Macduff wird kein Akteur von Kritik verschont. In den »Nürnberger Nachrichten«, von Kotschenreuther mit einem Rückblick auf das Unglück versorgt, heißt es noch diplomatisch: »Schnabel und Losch mögen gute Schauspieler sein, aber der eine ist kein Macbeth und die andere keine Lady Macbeth.« Im »Telegraf« hat Dora Fehlings Rezension den Titel »Zu gut, um bös zu sein«. Und in »Der Abend« spricht Heinz Ritter von Schnabel als einem »Buhmann«, der sich »schleichend, brüllend, stampfend, röhrend« über die Bretter bewegt habe und doch nie gefährlich geworden sei. Auch andere Autoren lassen ihrer Lust am Verriss freien Lauf, nennen Schnabels Macbeth einen »Rübezahl« oder einen »Bösewicht« wie aus dem »Bilderbuch«. Was Kritiker sonst selten tun, diesmal tun sie es alle: Sie reden von den Räumen und Bildern hinter dem Rahmen der Bühne. Auf das »Spandauer Volksblatt« und »Die Welt« macht Herreys theatrale Architektur AN DER FREIEN VOLKSBÜHNE BERLIN 1959–1960

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solchen Eindruck, dass schon die Titel der Texte dieser beiden Blätter auf das hölzerne Gebilde Bezug nehmen. Sämtliche Autoren erinnern an jene Inszenierungen Leopold Jessners, bei denen eine Treppe die Bühne beherrscht habe. Aber so nahe der Vergleich mit der »Jessnertreppe« liegt, er schöpft allein aus dem Berliner Theater der Weimarer Republik. Er wird Herreys räumlicher Erfahrung in Jugend und Beruf nicht gerecht, weiß er doch nichts von den Stufen vor der Kirche Sankt Maria am Gestade in Wien, nichts von den Stufen der Bauten Hans Poelzigs in Breslau, Berlin und Salzburg, nichts von den Arrangements auf den Bühnen in London und New York. Mehr noch, der Vergleich verdeckt den eigentlichen Mangel der Szenographie des »Macbeth«: dass die Treppen dem Radius der Akteure mehr schaden denn nutzen. Auf den Fotos wirkt das Bankett aus Anlass der Krönung des Feldherrn, als ob es an Spiel- und Freiraum fehle. »Der Tag« lässt Wilhelm Mogge spotten: »Ganz Schottland und ganz England waren voll von Treppe. Und treppauf, treppab mußte alles traben, was in diesem Stück mordete oder gemordet wurde.« Walther Karsch und Friedrich Luft im Kontrast Unter den Theaterkritikern im Berlin West der späten fünfziger und frühen sechziger Jahre ragten zwei heraus: Karsch (geb. 1906) und Luft (geb. 1911). In mancher Hinsicht war einer des andern Gegenspieler. Karsch hatte 1945 mit Edwin Redslob und Erik Reger die Zeitung »Der Tagesspiegel« auf den Markt gebracht. Was er in Sachen deutscher Bühnen zum Satz und Druck gab, war von jedem Ausbruch des Gefühls frei, wollte überzeugen, nicht überreden. Luft hatte 1946 – durch seine Sendung »Stimme der Kritik«, die der Rundfunk im Amerikanischen Sektor (RIAS) Sonntag für Sonntag bot – aus dem Nichts ein enormes Renommee erlangt. Mündlich stärker im Urteilen, schwächer im Begründen, also immer voller Meinung, war er seit 1955 Kritiker der Zeitung »Die Welt«. An Bertolt Brecht schieden sich die Geister. Karsch war kontra, Luft war pro. Dennoch stand Karsch eher in der Tradition eines Herbert Ihering, Luft eher in der eines Alfred Kerr. Im Orkan der Kritik an Herreys »Macbeth« äußert sich Karsch als Letzter. Offenkundig wird bei der Lektüre des Artikels, dass sein Autor die Verrisse der Kollegen nicht um einen weiteren ergänzen, dass er die im August 1959 von einer Jury gefällte Entscheidung, Herrey mit dem Theaterpreis 1958/59 des Verbands der Deutschen Kritiker zu ehren, nicht nach neun Monaten in Frage stellen möchte. Zwar klagt auch Karsch, der Regisseur und Szenograph habe sich mit der aus gutem Grunde alles Romantische negierenden Übersetzung übernommen, sich mit den Darstellern keinen Gefallen getan und die Bühne durch die Treppen verstellt; doch sucht er Herrey trotz allem unter die Arme zu greifen. Schon sein erster Satz – »Das hätte nicht kommen dürfen« – macht diesen Vorsatz klar. Es folgt ein langer, die Premiere vom 7. Mai 282

1960 analysierender Beitrag. Und zum Schluss ein Satz, der besser gleich nach dem ersten stünde: »Es gibt genug klassische Stücke, an denen Herrey seine Eignung für große Dramatik hätte beweisen können.« Im Fall des »Macbeth« ist der Abstand zwischen Karsch und Luft der zwischen Verstehen und Verachten. »Thalias rasender Reporter« kann nicht anders; er muss sich schon am Morgen nach der Premiere im Rundfunk äußern. Was in der Sache er sagt, sagt er am Schluss des Vortrags. Keine Frage, es ist ein Verriss. Aber die »Stimme der Kritik« schont die Künstler; nicht Herrey noch Schnabel werden beim Namen genannt. Das Ganze sei ein Fehlschlag. »Man wird sehr traurig. Und so für heute Adieu. Wir hören uns wieder, in einer Woche, wie immer, gleiche Zeit, gleiche Welle, gleiche Stelle. Auf Wiederhören!« Traurig gestimmt ist Luft allein in der Sendung vom 8. Mai 1960. Mit den nächsten Tagen wird er wütend. Dreimal noch – am 22. Mai, am 29. Mai, am 12. Juni 1960 – kommt er auf das Werk der Nestriepke und Herrey zu sprechen; dreimal noch muss er treten. Aber Wochen nach dem Unglück im Theater am Kurfürstendamm ist solche Kritik gratis. Ihr fehlt das intellektuelle Risiko, das zuvor Pfeiffer in der »Berliner Morgenpost« wagte. In seinem Kampf gegen die Führung des Vereins Freie Volksbühne hängt sich Luft an das Furioso der Journalisten. Er schwätzt sich in Rage. Ja, er hat keine Scheu, Worte zu wählen, die zuletzt von Agitatoren der völkischen Bewegung in den späten Jahren der Weimarer Republik benutzt wurden. Dazu gehört die Rede von einer »Schändung«, von einer »Sünde«. Dazu gehört der Aufruf zum Aufstand: »Schafft endlich diesen ›Macbeth‹ fort! Reinigt den Spielplan von diesem Schandfleck! Treibt es mit der Geduld der Bürger und den Massen unserer Volksbühnenmitglieder nicht zu arg!« Am 23. Mai 1960 beschließen der Geschäftsführende Vorstand und der Gesamtvorstand des Vereins Freie Volksbühne, die Künstlerische und die Kaufmännische Direktion des Theaters am Kurfürstendamm in eine Hand zu legen. Die Herren berufen Günter Skopnik, den Stellvertreter des Intendanten der Städtischen Bühnen Frankfurt am Main, zum Nachfolger Rudolf Noeltes. Für Herreys »Macbeth« wird – auf Druck der Berliner Kritiker – schon seit einer Weile Ersatz gesucht. Die Inszenierung kommt auf sechsundvierzig Vorstellungen; die letzte läuft am 18. Juni 1960. Rückkehr ohne Heimkehr In Herreys Termin- und Notizbuch für das Jahr 1957 finden sich unter den Daten des 15. wie des 16. Februar Hinweise auf Gespräche mit Frank Lothar, Direktor der Tribüne. Man beschloss, die avisierte Inszenierung von Ionescos Schauspiel »Die Stühle« vorerst fallen zu lassen, wohl weil die Führung des Vereins Freie Volksbühne nicht bereit war, das Projekt durch den Kauf von Eintrittskarten zu unterstützen. Herrey

Walther Karsch, 1955

Friedrich Luft, 1958

schlug Lothar vor, statt des Absurden Theaters französischer Provenienz ein Stück August Strindbergs in das Programm zu nehmen; dafür kämen »Wetterleuchten« oder »Die Brandstätte« oder »Ostern« in Frage. Ein Jahr später begann er, den Kammerspielen »Wetterleuchten« und »Die Brandstätte« – die er für den ersten und zweiten Akt ein und des­ selben Dramas hielt – eine neue Fassung unter dem Titel »Abend und Morgen, die selbe Stadt« zu geben. Noch ein Jahr später stand er in Kontakt mit Herbert Greuèl, Lektor des Münchner Verlags Kurt Desch, der Interesse an den Bühnenrechten des Textes hatte. Und noch ein Jahr später, in einem Brief an Grischa Barfuß, Generalintendant der Wuppertaler Bühnen, ließ er den Adressaten wissen: »Ich plane jetzt eine Inszenierung dieses Stücks, das ich so sehr liebe.« Dass Herrey im Brief an Barfuß, datiert auf den 3. März 1960, von dem Ertrag der Arbeit an zwei Werken Strindbergs als von einem Stück schrieb, das er liebe, fordert zu genauer Lektüre dieses Textes auf. In »Wetterleuchten« streiten zwei Brüder – der Pensionär, der Konsul – über Glück und Unglück der Ehe des Pensionärs mit der jungen Frau Gerda, die seit fünf Jahren getrennt von ihm lebt und die nun, ohne dass sie es weiß, mit ihrem zweiten Mann in das Haus mit der Wohnung ihres ersten Mannes zieht. Hinter allem, was zwischen den Geschwistern gesagt wird, lauert die Frage, wer von den beiden der Vater der Tochter Anna Charlotte ist. In »Die Brandstätte« streiten zwei Brüder – der Färber Rudolf Walström, der Fremdling Arvid Walström – über die Historie der Familie. Eben ist das Haus der Eltern durch Feuer zerstört worden, da kommt Arvid Walström nach dreißig Jahren in Amerika wieder in die Heimat. Er sucht nach seiner Kindheit und Ju-

gend in Schweden, spricht mit einer Reihe alter Nachbarn. So stellt sich heraus, dass der Reichtum der Walströms durch Handel mit Schmuggelware entstand und dass alle Nachbarn an diesem Verbrechen beteiligt waren. Für Herreys Deutung der Kammerspiele »Wetterleuchten« und »Die Brandstätte« als des ersten und zweiten Aktes ein und desselben Dramas gibt es Gründe. Beide Stücke sind retrospektiv, analytisch, symbolistisch. In beiden Stücken geht es um Vergangenheitsbewältigung, sei sie personal, sei sie politisch, und folglich um den Kampf gegen das Vergessen, Verschweigen, Verdrängen. Das Abwehren der Geschichte des Eigenen kommt nicht allein in den Worten des Rudolf Walström, sondern auch in denen der Nachbarn zum Ausdruck; mit jedem neuen Gespräch kommt zugleich die Fragilität von Struktur und Prozess im Curriculum Vitae des Arvid Walström klarer zum Vorschein. Eine Frau fragt ihn: »Wenn nichts hält, daß man es fassen kann, woran soll man sich denn halten?« Er sagt: »Betrübnis gibt Geduld, Geduld gibt Erfahrung, Erfahrung gibt Hoffnung, und die Hoffnung läßt nicht zu Schanden werden.« Dann steigt der Fremdling Arvid Walström – mit dem so enttäuschenden wie befreienden Wissen, dass seine Rückkehr keine Heimkehr war – auf die Ruine seines Elternhauses. Und dann? »Und dann wieder hinaus in die weite Welt, Wanderer!«



Abschied von Berlin Lange vor Herreys Rückkehr nach Berlin hatte der Deutsche Bundestag im Frühjahr 1952 ein »Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für die im Ausland lebenden AngeAN DER FREIEN VOLKSBÜHNE BERLIN 1959–1960

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hörigen des öffentlichen Dienstes« beschlossen. Bei der Beratung des Gesetzes hatte Adolf Arndt, Mitglied der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), im Plenum gesagt: »Wir rufen jeden Verfolgten zur Rückkehr, wir freuen uns über jeden Verfolgten, der die Heimkehr wagen will, und werden ihn mit offenen Armen aufnehmen.« Die Wahrheit sah anders aus. In Memoiren von Remigranten kann man lesen, dass sie sich nur selten willkommen geheißen fühlten. Auch an Herrey hatte sich niemand mit der Bitte um Rückkehr gewandt. Keines der Mitglieder der früheren Gruppe Junger Architekten (GJA) und keines der Mitglieder des früheren Preußischen Staatstheaters Schauspielhaus am Gendarmenmarkt hatte ihn gefragt, ob er nicht wieder nach Berlin kommen wolle. Der Architekt und Designer, Regisseur und Szenograph nahm sich – nach fünfzehn Jahren in den USA und mit einem US Passport in der Hand – als Amerikaner wahr. Dennoch hatte er bei seiner Ankunft im Westen Deutschlands und im Westen Berlins 1955 den Wunsch gehabt, wieder Teil jenes sozialen und kulturellen Raums zu werden, der ihm einst Erfolg beschert hatte. In einem am Abend des 23. Juni 1958 telefonisch geführten Gespräch mit Barfuß hatte Herrey den wesentlich jüngeren Intendanten von seinen Bühnenbildern für »Der sprechende Affe«, für »Die Brautwahl«, für »Orpheus« erzählt. Und er hatte nicht versäumt zu sagen, dass er von keinem Geringeren als Alfred Kerr ob seiner Bühnenbilder für »Faust. Der Tragödie Erster Teil« gelobt worden war. Der Regisseur Gerhard F. Hering habe diese Rezension durch seinen vor ein paar Jahren publizierten Band »Die Welt im Drama« sogar wieder greifbar gemacht. Ein Hinweis, der rührt. Dass es nicht möglich war, solche Brücken von den späten fünfziger zu den frühen dreißiger Jahren zu schlagen, konnten Rückrufer wie Arndt und Rückkehrer wie Herrey nicht wissen noch ahnen. Sie mussten es unter Schmerzen lernen. Wie vertraglich vereinbart, hätte Herrey Anfang 1960 beginnen müssen, die zwei vom Entschädigungsamt Berlin gewährten zinslosen Darlehen von zusammen 27 000 Deutsche Mark zu bedienen. In einem Schreiben vom 13. Februar 1960 bat er seinen Anwalt Arthur Brandt, sich um eine Stundung der Schulden zu kümmern, da seine künstlerische Karriere trotz manchen Erfolgs noch nicht zu einer Lage geführt habe, wo eine Tilgung in Raten keine Mühe mehr mache. Doch in einem Schreiben vom 26. April 1960 ließ das Entschädigungsamt den Anwalt wissen, ein Aufschub der Zahlung komme nicht in Frage. Nun nahm Herrey seine Sache selbst in die Hand. In einem Schreiben vom 7. Juni 1960 – genau einen Monat nach der Premiere des »Macbeth« – machte er dem Entschädigungsamt klar, dass er sich zur Zeit außerstande sehe, das Darlehen zu bedienen. Herrey moniert, 284

er sei 1933 aus seiner »Generation« verstoßen worden, wiewohl er zu deren »erfolgreichsten« und »aussichtsreichsten« Männern gehört habe. Seine Kollegen würden nun in jene Stellungen gelangen, die ihren Leistungen entsprächen; Jüngere würden folgen, wobei Herrey sicher auch an Noelte oder Skopnik dachte. Dann heißt es: »Ich aber bin ein Außenseiter, der sich mit dem begnügen muß, was von anderen übrig gelassen wird. Es scheint, daß ich trotz der größten Anstrengungen in die geschlossenen Reihen nicht mehr eindringen kann.« Vom 6. Juli bis 26. August 1960 war Herrey auf Reisen durch die Schweiz und Italien. Wieder zurück in Berlin West, wurde Eile das Gebot der Tage. Herreys US Passport lief ab. Wegen dem McCarran Internal Security Act, einem Gesetz im Zeichen des Kalten Krieges, hätte er seine amerikanische Staatsbürgerschaft verloren, hätte er sich geweigert, für einen Zeitraum von etwa einem Jahr in den USA zu weilen. Am Abend des 9. September 1960 – mit Flug von Hamburg nach New York – verließ Herrey die Stadt Berlin West. Traurig? Wütend? Beleidigt? Verbittert? Verwundet? Geschlagen? Mit dem Gefühl, ein zweites Mal aus Deutschland verjagt zu werden? Man stelle sich vor: Im Frühjahr 1959 war die erste Bewerbung um die Künstlerische Leitung des Theaters am Kurfürstendamm, im Herbst 1959 die Inszenierung des Stücks »Landschaft mit Figuren« an der Tribüne, im Frühjahr 1960 erst der Beitrag zum Wettbewerb um das Theater der Stadt Trier, dann die Inszenierung des »Macbeth« und mit ihr die zweite Bewerbung um die Künstlerische Leitung des Theaters am Kurfürstendamm gescheitert. Mit Lothar lag Herrey seit Mitte 1960 in einem Rechtsstreit über das Versprechen eines Engagements als Regisseur. Weitere Gespräche einerseits über die Inszenierung des Romans »Ulysses« von James Joyce bei den Berliner Festwochen, anderseits über die Inszenierung seines Stücks »Abend und Morgen, die selbe Stadt« erübrigten sich. In Herreys Adressbuch der späten fünfziger Jahre erscheint auch der Name Ernst Josef Aufricht. Herrey kannte den früheren Theaterdirektor aus den Tagen der Produktion des »Orpheus« von Jean Cocteau auf der Versuchsbühne des Theaters am Schiffbauerdamm 1929. Aufricht war Emigrant und Remigrant. Er lebte in Berlin West. In seinen Memoiren – sie heißen: »Erzähle, damit du dein Recht erweist« – finden sich die Sätze: »Eine Gemeinschaft hatte mich verstoßen. Ich ging durch fremde Länder. Als ich zurückkam, kam ich nicht nach Haus.«

23  BAUEN IN BROOKLINE, PLANEN FÜR BOSTON 1961–1964

Schon kurz nachdem Hermann Herrey eher widerwillig in die USA zurückgekehrt war, fanden er und seine Frau eine neue Wohnung in New York. Vier Jahre würde das Paar in Manhattan unter der Adresse 400 East 55th Street leben. Nach den Jahren äußerster Anspannung als Architekt wie als Regisseur und Szenograph in Berlin West und andern deutschen Städten fühlte sich Herrey »ziemlich erschöpft«. Er brauchte eine Weile, um sich von dem zu lösen, was ihm zuletzt widerfahren war. Ende 1960 schrieb er Alfons Leitl, er habe »noch immer nicht genug Zeit gehabt«, sich »richtig zu erholen«. Wenn man allein den Daten seiner Termin- und Notizbücher für 1960 und 1961 vertraut, dann bleibt nur der Schluss: Von September 1960 bis April 1961 führte Herrey das Leben eines Gentleman of leisure. Der Mann folgte seiner Neugier auf alles Künstlerische; er traf diesen und jenen, manchen bei einem Dinner, manchen bei einer Party. Indes gibt es auf den Seiten der beiden kleinen Hefte keinen Eintrag, der auf eine Aktivität sei es als Architekt, sei es als Regisseur oder Szenograph verweist. Was auffällt, sind gleich drei Treffen mit Maria Ley-Piscator. Wollte sie aus erster Hand hören, was auf deutschen Bühnen geschah? Für Herrey blieb Berlin noch lange ein Magnet. Unterbrochen von zwei Reisen erst durch Frankreich und Spanien, dann durch die Schweiz, hielt er sich zwischen dem 9. Juni und dem 14. September 1961 in der Hauptstadt des Kalten Krieges auf, die währenddessen durch die Mauer vollends geteilt wurde. Wie um zu prüfen, ob er in Berlin West auch nach der desaströsen Inszenierung des »Macbeth« noch eine Chance haben würde, als Regisseur engagiert zu werden, suchte er den Kontakt zu denen, die sein Schaffen immer wieder mit Lob bedacht hatten. Am Spätnachmittag des 12. Juni 1961 – im Café Bristol gegenüber dem Theater am Kurfürstendamm als der Stätte seiner wohl größten Niederlage – traf er den Kritiker Walther Karsch zu einem Gespräch; später wandte er sich auch an dessen Kollegen Dora Fehling, Florian Kienzl und Ilse Urbach sowie an Peter Schiff, der in »Landschaft mit Figuren« den Sammler gespielt hatte, an Leonard Steckel, der als Künstlerischer Leiter des

Theaters am Kurfürstendamm das Seine für ihn getan hatte, und an Aribert Wäscher, der in »Faust. Der Tragödie Erster Teil« eine der Hexen gespielt hatte. Nur Walter Franck, im »Faust« der Valentin, war nicht zu sprechen. Erst Monate später erfuhr Herrey, dass der namhafte Schauspieler während des Urlaubs in Bayern verstorben war. Der Witwe schrieb er im Mai 1962, er habe sie und ihren Gatten letzten Sommer treffen wollen, um ihnen zu sagen, dass er sich aus Deutschland zurückziehen wolle: »Es war als Abschied auf Jahre gemeint.« Die Herrey Development Corporation und der Wohnungsbau in den USA Spürte Herrey, dass er nie wieder Regie führen würde; dass er – in New York erneut vor die Wahl zwischen Theater und Architektur als den Polen seiner doppelten Begabung gestellt – die Profession des Architekten würde wählen müssen, um nicht aus dem Berufsleben zu fallen? In dieser Lage kam es einer Rettung gleich, dass Herreys Sohn Antony, seit 1958 erst in Deutschland, dann in Frankreich als Architekt und Ingenieur unter Vertrag, Anfang April 1961 nach Cambridge zurückkehrte, wo er noch im selben Jahr mit zwei juristisch versierten Freunden die Herrey Development Corporation ins Leben rief. Herrey riet seinem Sohn, die Entwicklung der Grundstücke stets persönlich zu begleiten, die Kontrolle der Projekte nie aus der Hand zu geben. So nahm Herrey junior Herrey senior in die Pflicht. Ende 1962 – zwölf Jahre nach Fertigstellung von Haus Mautner in Massapequa und Haus Morgenthau in Lattingtown – konnte der Architekt mit dem Entwerfen eines weiteren Gebäudes beginnen, das allein dem Wohnen dienen sollte. Nur dass es größer, weit größer als die beiden Häuser auf Long Island werden würde. Ab Mitte der fünfziger Jahre waren in den USA so viele Wohnungen wie nie zuvor errichtet worden. In Heft 5/1960 der Zeitschrift »The Architectural Forum« heißt es zu diesem Thema: Die Zahl der Paare im Alter einerseits zwischen zwanzig und fünfundzwanzig, anderseits zwischen fünfundfünfzig und fünfundsechzig steige und steige; diese beiden Gruppen von Bürgern hätten weit mehr Geld als früher; viele BAUEN IN BROOKLINE, PLANEN FÜR BOSTON 1961–1964

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von ihnen würden gern eine neue Wohnung mieten. Folglich sei in den Vereinigten Staaten binnen der nächsten zehn Jahre mit dem Bau von rund drei Millionen Wohnungen zu rechnen. Schon mit dem Titel »Apartments. A Boom in the Upper Brackets« hatte die Zeitschrift ihren Lesern zu verstehen gegeben, von dem Auf- und Bauschwung hätten bisher vor allem Personen mit höherem Einkommen profitiert. Aber auch auf diesem Teilmarkt stand jede Entwicklungsgesellschaft vor diversen Problemen. Denn nicht allein die Grundstücks-, sondern auch die Baukosten waren seit dem Ausgang der vierziger Jahre erheblich gestiegen. Bauherren beklagten das Verhalten der Bankiers; sie würden höhere Kredite verweigern, weshalb viel zu oft bei der architektonischen Qualität der Gebäude wie bei der Ausstattung der Wohnungen gespart werden müsse. Hinzu kam, dass die Beamten der Federal Housing Administration (FHA) sich ähnlich zierten wie die Bankiers. Da die staatliche FHA häufig als Kreditgarant auftrat, wollte sie Kosten senken und daher Einfluss auf die Gestaltung der Gebäude nehmen. Aufgrund dessen herrschten Standard und Typus statt architektonischer Innovation. In Bezug auf die ästhetischen Qualitäten von Wohnhäusern lagen die USA weit zurück. »The Architectural Forum« sprach gar von einer »Schande«. Auch der jungen Herrey Development Corporation fiel die Finanzierung ihres ersten Projekts nicht leicht. Immerhin ging es um eine Anlage mit siebzig Ein-, Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnungen auf neun Geschossen, die als langer Riegel an der Ecke von Babcock Street und Devotion Street in der Coolidge Corner neigborhood von Brookline bei Boston errichtet werden sollten. Doch es gelang Herrey junior und Herrey senior, ihren Kreditgeber wie ihren Kreditbürgen – eine Bank in Boston und die FHA – für den Gedanken zu gewinnen, dass die spezifischen Qualitäten der Architektur des baulichen Vorhabens zu dessen Erfolg wesentlich beitragen würden. Mitte April 1963 nahm Herrey senior eine kleine Wohnung in Cambridge, weil er die Umsetzung des Entwurfes selber leiten wollte. Im Sommer 1964 stand »The Peabody Apartment House« fertig; die ersten Mieter zogen ein. Ein Park vor dem Haus Der Bau steht auf planem Terrain von gut siebenundvierzig Meter Breite und gut sechzig Meter Tiefe. Er verbirgt seine Masse teils hinter, teils unter einem Grünraum, der – durch seine Lage und Dichte – zwei praktische Probleme löst. Erstens verdeckt er den Sprung des Maßstabs von den alten, zwei oder drei Geschoss hohen Häusern zu dem neuen, neun Geschoss hohen Haus, das sich unter die Bauten der Coolidge Corner neighborhood zu stellen wagte. Zweitens verdeckt er eine Garage, die als sichtbares Gehäuse dem Ort wohl seine stille Anmut geraubt hätte. 286

In zahlreichen Großstädten der USA gab es damals die Vorschrift, dass für jede Wohnung eines Hauses auf dessen Grundstück ein Parkplatz zu schaffen sei. So kam es, dass viele neue Wohntürme und Wohnscheiben in der Mitte oder an den Rändern asphaltierter Flächen mit Autos in Reih und Glied standen. Es war dieser Anblick, der Herrey für The Peabody nach einer andern Lösung hatte suchen lassen. Er rückte einerseits den Bauteil über Niveau null von vorne nach hinten, von Osten nach Westen, anderseits den Bauteil unter Niveau null von hinten nach vorne, von Westen nach Osten. Das Tiefgeschoss wurde folglich größer und größer. Es birgt nicht allein den Heizkeller und die Waschküche, sondern auch den bis an die Babcock Street reichenden Unterstand der Fahrzeuge. Dessen Flachdach, eine Decke aus Beton mit einer Fläche von etwa 1300 Quadratmetern, trägt den Grünraum, der zwischen Ziergarten und Landschaftspark changiert. Dominante Figur ist ein großes U, ähnlich einer Auf- und Abfahrt vor einem Hotel erster Klasse, ähnlich einem Baldachin, ähnlich einer Passage. Gleich an der linken Kante des Grundstücks tritt man unter ein leichtes, dünnes Stabwerk, das oben mit hellem, dickem Tuch bespannt ist. Der Gang führt nach rechts vor den Windfang des Hauses und von dort bis an eine Laube. Hier enden Baldachin und Passage. Ein schmaler Weg führt die Figur des großen U bis an die rechte Kante des Grundstücks. Zwischen und neben den Armen des U wachsen Ahorn und Linde, Azalee und Rhododendron. Das zentrale Element aber ist eine stählerne Schale auf drei stählernen Stützen, die beim ersten Sehen den

Hermann Herrey, »The Peabody«, Vorpark, 1964

»The Peabody«, Wohnhaus

Eindruck macht, als müsse sie die olympische Flamme hüten. In Wahrheit haben die runde, blanke Schale und was sie umgibt mehr mit der Fontana dei Cavalli Marini im Park der Villa Borghese zu tun, die der Schweizer Conrad Ferdinand Meyer in seinem Gedicht »Der römische Brunnen« auf das Schönste zu feiern wusste. Auch nahe der Ecke von Babcock Street und Devotion Street steigt es und fällt es, strömt es und ruht es. Das Wasser schießt empor, schwappt aus der Schale in das erste, das zweite, das dritte Bassin. Es wird in der Garage gesammelt und nach oben geleitet, um jenes Plätschern und Glucksen auf Dauer zu stellen, das auf allen Bänken des grünen Raumes zu hören ist. Fünf der zehn Bänke sind vor Blicken von der Straße geschützt: eine durch den Efeu der Laube, vier durch drei Trockenmauern, die Gabionen gleichen. Etwas Romantisches eignet vor allem jenem Mauermantel, der an sakrale Ruinen erinnert. Außer dem Romantischen fällt das Theatrale auf. Diese Eigenschaft war schon ein Kennzeichen der Gestaltung des Schuhhauses Jacoby in Frankfurt am Main, das 1930 eröffnet worden war. Freilich darf man das Theatrale nicht für das Majestätische noch für das Monumentale halten. Der Park vor The Peabody treibt vielmehr ein Spiel mit dem Symmetrischen und dem Asymmetrischen. Die Ordnung der Figur des großen U wird zwischen den Armen sowie links und rechts der Arme negiert. Die Schale steht nicht in der Mitte. Das erste Bassin hat eine rundliche, das zweite eine eckige, das dritte eine zackige Form. Sorgfalt und Zufall gehen Hand in Hand.

Gegen Universalismus, gegen Monumentalismus, gegen Funktionalismus, für Sentimentalität: Mit dieser Provokation in Sachen Architektur und Design stellte sich Josef Frank, halb Österreicher, halb Schwede, um 1960 gegen den Strom der Zeit. »Was ich vorschlage, sind nicht neue Regeln und Formen, sondern eine prinzipiell andere Einstellung zur Kunst. Ich nenne es bis auf weiteres Akzidentismus und will damit sagen, daß wir unsere Umgebung so gestalten sollen, als wäre sie durch Zufall entstanden.« The Peabody außen und innen Ist der Park asymmetrisch, so das Haus symmetrisch. Man muss sogar sagen: The Peabody ist auffallend symmetrisch. Vor die Lineatur seiner Konstruktion – das heißt: vor das Tragwerk der Böden, Decken, Wände und Stützen aus weißem Beton wie vor das Füllwerk der Wände aus grauem Ziegel – treten an der vorderen wie der hinteren Langseite ganz links, ganz rechts und genau in der Mitte vier Serien von Balkonen. Deren symmetrische Position wird durch den großen Balkon der großen Wohnung im Geschoss gleich unter dem Flachdach auf solche Weise betont, dass man nicht umhinkann, an die Risalite alter Herrenhäuser zu denken. Die Balkone bestehen aus Beton und Drahtglas, der Beton sehr rau, das Drahtglas sehr fein. Dank ihrer je zwei Flügelstücke – unten Teil des Daches, oben Teil der Brüstung – wirken die Balkone so eigentümlich wie eigenwillig. Sie sind es, die einen das Äußere des Gebäudes nicht vergessen lassen. BAUEN IN BROOKLINE, PLANEN FÜR BOSTON 1961–1964

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Da Herrey selber drei Jahre im Hansaviertel von Berlin West gewohnt hatte, er mit den frei im Stadt- und Grünraum stehenden Wohntürmen und Wohnscheiben der »Interbau« 1957 also gut vertraut war, liegt es nahe zu fragen, ob The Peabody nicht auch als eine Rezeption der Architektur des Hansaviertels zu deuten sei. Irgendwie sieht das Gebäude an der Babcock Street in Brookline so aus wie die Gebäude an der Klopstockstraße, der Bartningallee und der Altonaer Straße in Berlin West. Aber die Verwandtschaft ist nicht mehr als: irgendwie. Zwar spielen in Brookline wie in Berlin West das Thema Schichtung und Reihung sowie das Thema Öffnung und Schließung eine Rolle; doch sind Lage und Größe, Risse und Schnitte der Gebäude zu verschieden, als dass ein genaues Vergleichen die Mühe lohnt. Was Herreys Wohnbau mit seinem Ort und seiner Zeit gemein hat, ist der Gebrauch von Beton. Dass man diesen Baustoff auf der Fassade und an den Balkonen deutlich sieht, war damals eine Neuheit. Im nahen Boston hatten die besten Architekten – unter ihnen I. M. Pei, Paul Rudolph, José Luis Sert, Hugh Stubbins und das von Walter Gropius geführte Büro The Architects’ Collaborative (TAC) – schon Mitte der fünfziger Jahre die Monotonie der spiegelglatten Stahl-GlasKisten nach der Art Ludwig Mies van der Rohes kritisiert. Die Passion der Jüngeren galt vielmehr dem einerseits strukturalen, anderseits skulpturalen Potential des »béton brut«. Neue, graue, harte Bauten mit starkem Skelett und starkem Raster gab es in Boston bald viele. Die Hauptstadt von Massachusetts war Mitte der sechziger Jahre die Hauptstadt des Brutalismus. Auch die enorm plastischen Fassaden der Gebäude des von Herrey besonders geschätzten Marcel Breuer standen unter dem Einfluss der neuen Strömung. The Peabody wird durch zwei Aufzüge in der Mitte und je eine Fluchttreppe an den schmalen Seiten des Hauses erschlossen. Durch jedes reguläre Geschoss läuft ein langer, nicht eben heller Flur, an dem sich ostwärts vier Wohnungen mit Morgensonne, westwärts vier Wohnungen mit Abendsonne reihen; sechs Wohnungen haben zwei, eine Wohnung hat drei, eine Wohnung hat ein Zimmer. Da es sich nicht um gesteckte Wohnungen handelt, gibt es keine Querlüftung; hinzu kommt, dass Küche und Bad beide nur mittelbar belüftet werden. Sieht man von diesem Nachteil ab, so bieten die Räume manchen Vorteil. Vor allem die großen Zimmer an den Ecken eines jeden Stockwerks haben Eigenschaften, die sie im Jahr ihrer Fertigstellung bei jüngeren wie älteren Paaren durchaus begehrt machten. Nehmen wir eine dieser schöneren Wohnungen als Beispiel. Sagen wir, dass ihre längere Außenwand nach Westen, ihre kürzere Außenwand nach Norden weist. Im Bereich des Eingangs – Herrey nennt diesen schmalen Gang ein »Foyer« – dient ein Wandschrank mit Falttür als Garderobe. Linker Hand öffnet sich die Tür zum Bad, rechter Hand 288

Hermann Herrey, »The Peabody«, Grundriss Zwei-Zimmer-Wohnung an der Nordwestecke

die Tür zur Küche, hinten die Tür zum Schlafraum. Die Mitte des Ganzen aber ist der weite Wohn- und Essraum, belebt durch den graziösen Schwung der Wand, die das Kochen vom Essen, das Essen vom Kochen trennt. Gleich wo der Nutzer in diesem Einraum steht oder sitzt, er hat dauernd Bezug nach draußen: sei es Richtung Norden durch den gut drei Meter breiten Kasten des Erker- und Blumenfensters, sei es Richtung Westen durch die vom Boden zur Decke reichende, gläserne Schiebetür auf den gut dreieinhalb Meter breiten Balkon, dessen Vorderbrüstung, da aus Glas, den Blick bis in die Stadt- und Landschaft von Brookline erlaubt. Für ein großes Faltblatt, mit welchem die Herrey Development Corporation um Mieter warb, zeichnete ihr Architekt zwei Ansichten des Wohn- und Essraums, wovon eine den Wohn-, eine den Essraum zeigt. Beide sind mit Tischen, Stühlen, Sesseln und einer Leuchte möbliert, die der Zeichner teils 1929 für die Wohnung Lothar Müthels in Berlin, teils 1934 für die Wohnung Heinrich Schnitzlers in Wien entworfen hatte. Die Stücke bilden keine Garnitur; sie meiden den Eindruck von Raumkunst, die der ältere offenbar so wenig wie der jüngere Gestalter mochte. Nur, dass Herrey zwei seiner frühen Werke zitiert, das muss jeden rühren, der weiß, was aus der Wohnung Müthel und der Wohnung Schnitzler wurde. Abriss und Aufbau im Zentrum von Boston Um die Zeit der Fertigstellung von The Peabody – der Name des Hauses verweist auf eine der alten Kolonialfamilien im Staat Massachusetts – war das nahe Zentrum von Boston ein Stadtkern im Umbruch. Dieser Vorgang, der viele Städte der USA erfasst hatte, hieß »urban renewal«.

Wohnraum

Essraum

Das Für und Wider dieses Vorgangs, der in Boston schon um 1950 begonnen hatte und dort erst um 1975 beendet werden würde, machten engagierte Journalisten gern zu ihrer Sache. So auch im Juni 1964, als »The Architectural Forum« und »Fortune«, beides Zeitschriften von Bedeutung, ihre neuen Hefte mit exzellenten Texten und Fotos zum Planen und Bauen in der Metropole am Charles River füllten. Niemand kannte die dortigen Akteure und die dortigen Agenda so gut wie der Kritiker Walter McQuade, der nicht allein in »The Architectural Forum«, sondern auch in »Fortune« deutlich zu Wort kam. Was er und andere Autoren der zwei Hefte über die Entwicklung des räumlichen und baulichen Gefüges von Boston zwischen 1950 und 1959 zu sagen hatten, glich einer Abrechnung mit allem, was während dieser Jahre vom Stadtrat unter Bürgermeister John B. Hynes initiiert und realisiert worden war. Die Hauptstadt von Massachusetts hatte 1950 etwas über 800 000 Einwohner und 1960 etwas unter 700 000 Einwohner gezählt. Genau gesagt, hatte die Kommune im Lauf eines Jahrzehnts dreizehn Prozent ihrer Einwohner verloren. Längst war diese Schrumpfung als das Resultat einer Politik erkannt worden, welche den Eigentümern von Böden und Bauten – durch eine im Vergleich zu allen andern Städten der USA äußerst hohe Steuer auf ihren Besitz – jedes Interesse geraubt hatte, in großem Umfang zu investieren. Nicht dass diese Schröpfung das Zentrum von Boston gelähmt hätte. Nein, etwa ein Drittel des Stadtkerns war so gut wie total planiert worden. Der Kahlschlag hatte ein Ausmaß erreicht, wie man es sonst nur, als Folge der Bombennächte und Feuerstürme des Weltkriegs, aus dem Berlin, dem Hamburg, dem Dresden der mittleren fünfziger Jahre kennt. Der Bau des »Central Artery« genannten John F. Fitzgerald Expressway mit seinen acht breiten Spuren hatte das West End vom North End, das North End vom West End getrennt. Und der Bau der »Charles River Park« genannten Siedlung mit ihren immer gleichen Türmen und Scheiben hatte neuntausend ärmere

Bewohner mit Herkunft aus dem Osten und Süden Europas verdrängt. Während Politiker, Journalisten und Planer das West End durch ihre Rede von einem »faulen Slum« in Verruf gebracht hatten, hatte der junge Soziologe Herbert J. Gans, der dort eine Weile selber gelebt hatte, durch seine Forschung den Nachweis erbracht, dass man beim Blick auf solche Viertel nicht von deren physischen auf deren soziale Defizite schließen dürfe, dass vielmehr die Menschen im West End eine wirklich lebende, freilich mehr dörfliche als städtische Gemeinschaft bildeten. Wie gesagt, die Verfasser der Beiträge in »The Architectural Forum« und in »Fortune« – Herrey junior und Herrey senior waren diese Texte sicher bekannt – hatten für das Planen und Bauen im Boston der Jahre von 1950 bis 1959 wenig übrig. Sie konstatierten eine mal aggressive, mal depressive, kollektive Stimmung, von welcher sich die Bostonians mit Beginn des Jahres 1960 befreit hätten. Sie meinten, die Hauptstadt von Massachusetts habe seit diesem Umschwung politische Energien von einer Art geweckt, die manchen schon an die gloriose »Tea Party« als den Beginn der Amerikanischen Revolution habe denken lassen. Und sie gaben dem Leser eine Antwort auf die Frage, wem die Bostonians für das »Neue Boston« zu danken hätten: John F. Collins und Edward J. Logue. Der kaum vierzig Jahre alte Collins war Anfang 1960 überraschend zum Bürgermeister gewählt worden. Noch frei vom Druck der kommunalen politischen Maschinerie, hatte er bald eine mutige Entscheidung getroffen und die Steuer auf den Besitz von Böden und Bauten gesenkt. Auch hatte Collins erkannt, dass die Boston Redevelopment Authority (BRA) und das Urban renewal, nachdem das West End durch den Charles River Park zerstört worden war, dringend neuer Ideen und neuer Konzepte bedurften. Mit Logue hatte er Anfang 1961 einen Mann von Weitsicht und Schwerkraft an die Spitze der BRA gestellt. Unter den 480 Kollegen des damals wohl größten kommunalen Planungsbüros der USA hatte sich dank Logue binnen kurzem das Bewusstsein verbreitet, dass man ein Viertel wie North End, erst recht solche Viertel



BAUEN IN BROOKLINE, PLANEN FÜR BOSTON 1961–1964

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Bostons Zentrum, nach dem Abriss, mittig Scollay Square, oben rechts West End mit vier Wohnhochhäusern von Victor Gruen, unten rechts City Artery, 1964

wie Beacon Hill und Bay Back nicht ohne Rücksicht auf das Bedürfnis der Bewohner erneuern durfte. Allein, für den zentralen Scollay Square – ein langes Rechteck mit vollen Kinos, lauten Kneipen, greller Werbung, starkem Verkehr und einem Hauch von Times Square – hatte Logue eine distinkte Vision gefordert. Die noch gar nicht so alten Pläne für einen Kahlschlag der Gegend und für die Schaffung eines Ortes einerseits städtischer, anderseits staatlicher Regierung waren ihm zu wenig bedeutend erschienen. Seiner Meinung nach hätte es vom ers­ ten Moment an darum gehen müssen, den Government Center Redevelopment Plan zum Generator der Zukunft von Boston als Ganzem zu machen. Rathaus und Bankhaus Logue war kaum im Amt, da gab er dem bereits arrivierten Architekten I. M. Pei – der als Student erst des Massachusetts Institute of Technology (MIT), dann der Harvard University die Räume und Bauten des alten Boston schätzen gelernt hatte – den Auftrag zu einem neuen Plan für das politische Zentrum zwischen West End und North End. Peis Plan bezog sich auf ein Terrain von fast sechsundzwanzig Hektar. In der Mitte des Freiraums, von welchem es später heißen würde, er sei aufgrund seiner Neigung und seines Pflasters mit der 290

Piazza del Campo in Siena verwandt, sah Peis Plan das Rathaus vor. Für diesen Bau fand in der ersten Hälfte des Jahres 1962 eine der folgenreichsten Architekturkonkurrenzen der USA statt. Der Wettbewerb schloss mit dem ersten Preis für drei Männer, die bis zu dem Tag ihres größten Erfolgs nur in der Fachwelt einen Ruf gehabt hatten: Gerhard M. Kallmann, Noel M. McKinnell, Edward F. Knowles. Ihr Entwurf bot eine durch und durch aus Beton konstruierte, komponierte Monumentalarchitektur, die unter dem Aspekt des Raumes wie unter dem der Nutzung ein Pendant zum New State House auf dem nahen Beacon Hill bilden sollte. Unter dem Titel »Chandigarh on Scollay Square« in Heft 7/1962 der Zeitschrift »Progressive Architecture« meinte ein anonymer Autor, dem Vorschlag eigne auf den ersten Blick etwas »Abschreckendes« und »Bedrohliches«. Doch zeuge die Arbeit bei näherem Betrachten von »stärkstem persönlichen Ausdruck«. Ferner habe die Jury betont, das Rathaus könne den »Grundstein« einer Brücke zwischen dem Gestern und dem Morgen der Stadt Boston legen. Wiewohl das Büro Pei die Planung des Government Center schon Ende 1961 zum Abschluss gebracht hatte, bekam die Öffentlichkeit das Modell und die Pausen mit der neuen Ordnung des Zentrums erst am 2. April 1963 zu sehen. Das Areal hatte nunmehr fünfzehn Parzellen;

I. M. Pei, Bostons Government Center, Blick von Südosten nach Nordwesten, mittig Rathaus und Bankhaus, Modell, 1964

zehn sollten in privater, fünf in publiker Regie entwickelt werden. Vielleicht war Grundstück Nummer 8 das kleinste; sicher war es: das beste. Liegt es doch auf halbem Wege zwischen dem Rathaus und dem Old State House; liegt es doch an der Grenze zwischen dem Government Center und dem Central Business District; liegt es doch in nächster Nähe der Faneuil Hall und weiterer Markthallen. Die Gegend ist – heute – extrem touristisch frequentiert. Bei allem Beifall für das Große und Ganze, nicht nur Journalisten wie Anthony J. Yudis von der Tageszeitung »The Boston Globe« waren verblüfft, als Logue noch während des Pressetermins bekannt machte, er habe für das Grundstück Nummer 8 schon einen Developer gefunden. Dort würden die heimische Entwicklungsgesellschaft Cabot, Cabot & Forbes und der New Yorker Architekt Edward L. Barnes für die New England Merchants National Bank einen vierzig Geschoss hohen Wolkenkratzer bauen. Mit Recht war sogleich von einem »Vertrag unter Freunden« die Rede. Die Kritik an solcher »Geschäftemacherei« wurde lauter. Der Protest fand die Unterstützung weiter Teile des politischen Establishments. Am 22. Juli 1963 wies der Stadtrat von Boston Peis Plan zurück; für die so begehrte Parzelle zwischen Rathaus und Old State House wurde ein offener Wettbewerb versprochen.

Ein Coup mit Pier Luigi Nervi Bis zu dessen Auslobung vergingen allerdings Monate. Erst im Mai 1964 standen die sieben Juroren der Konkurrenz fest, unter ihnen Pietro Belluschi, Dekan der School of Architecture and Planning des Massachusetts Institute of Technology (MIT), Philip W. Bourne, Prä­ sident der Boston Society of Architects, und Benjamin C. Thompson, Vorsitzender der Abteilung Architektur der Graduate School of Design (GSD) der Harvard University. Wohl Anfang Juni 1964 entschied Antony Herrey, sich mit einer Gruppe von Partnern – die noch zu suchen sein würden – dem Wettbewerb um den Wolkenkratzer auf dem Grundstück Nummer 8 zu stellen. Die große leere Fläche in der Mitte Bostons war für den couragierten Developer eine Attraktion. Hätte er ihr widerstehen sollen? Nachdem für den Rathaus-Neubau eine spezifische, um nicht zu sagen singuläre Architektur gewählt worden war, durfte der HochhausNeubau für die New England Merchants National Bank keine ästhetische Banalität, zum Beispiel kein Stahl-Glas-Turm in der Tradition eines Ludwig Mies van der Rohe werden. So kam Herrey junior auf die Idee, den auch in Amerika renommierten Architekten und Ingenieur Pier Luigi Nervi für den Entwurf zu engagieren. Eben erst hatte das American Institute of Architects (AIA) ihm die Goldene Medaille verliehen; eben erst BAUEN IN BROOKLINE, PLANEN FÜR BOSTON 1961–1964

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hatte das Museum of Modern Art (MoMA) New York die Ausstellung »Twentieth Century Engineering« eröffnet, worin das Œuvre Nervis nicht allein durch den Palazzetto dello Sport in Rom und den Palazzo del Lavoro in Turin, sondern auch durch fünf weitere Gebäude vertreten war. Am 5. August 1964 wandte sich Antony Herrey – Kopf des noch zu formierenden Unternehmens State Street Redevelopers – mit einem Schreiben an Nervi. Zehn Tage drauf trafen sich beide in Cortina d’Ampezzo, einem Ort der Sommer- und Winterfrische im hohen Norden Italiens. Nervi, so würde sich Herrey junior Jahre später äußern, habe die Einladung zum Entwerfen eines Wolkenkratzers, der aus dem Zentrum Bostons ragen sollte, mit »ansteckender Begeisterung« entgegengenommen. Auf solche Weise gestärkt, konnte Antony Herrey das Unternehmen Kelly & Gruzen, eines der zwanzig größten Büros von Architekten und Ingenieuren in den USA, für die Umsetzung und Ausführung des Entwurfes gewinnen. Nun begann das eigentliche »joint venture«, zu dem unter der geschäftlichen Leitung Herrey juniors auch Herrey senior das Seine beitrug. Er war es, der im Juli und August 1964 die Verträglichkeit und Ausführbarkeit eines Wolkenkratzers auf dem Grundstück Nummer 8 geprüft und den Vorschlag unterbreitet hatte, erstens den Bau auf einen Block in der Mitte und vier Stützen an den Rändern zu stellen, zweitens das Erdgeschoss und die drei folgenden Geschosse des Gebäudes für eine nach allen Seiten offene Anlage teils mit Läden, teils mit Cafés und Restaurants zu nutzen. Er war es, der vom 2. bis 16. Oktober 1964 in Rom weilte, um dort, mit Jordan L. Gruzen und Rolland D. Thompson vom Büro Kelly & Gruzen, unter der künstlerischen Leitung Nervis dessen Architektur zu detaillieren. Doch die voller Ehrgeiz steckenden jüngeren Kollegen ließen Herrey nicht zu Werke gehen. Mag sein, dass er sich auch selber im Wege stand. War er nicht ein Mann, der in Bezug auf seinen Beruf Autonomie für den höchsten Wert hielt und der – man denke an seine Tätigkeit als Beratender Ingenieur der Switlik Parachute Company in Trenton / New Jersey – die große Gruppe eher scheute? So gab es für Herrey bei den State Street Redevelopers, deren Projekt bis Mitte Dezember 1964 zwischen Rom und New York und Boston zirkulierte, keinen rechten Platz. Wiewohl laut Vertrag »koordinierender Architekt«, hatte er sachlich so gut wie keinen Einfluss. Aus der Traum Am 30. Januar 1965 tagte die Jury, die in den USA »blue ribbon panel« heißt. Die Herren mussten über drei Entwürfe befinden: einen von Edward L. Barnes, einen von Marcel Breuer, einen von Pier Luigi Nervi. Die Wahl fiel auf die Arbeit von Barnes, der mit der Entwicklungsgesellschaft Cabot, Cabot & Forbes eine Partnerschaft gebildet hatte. Durch das Votum der Jury wurde der Status quo ante erreicht. 292

Hermann Herrey, Projekt Büro- und Geschäftshochhaus

»10 State Street«, Boston, Ansicht des Stadtraums von Süden, vorne rechts das Old State House, ganz hinten mittig das neue Rathaus, 1964

Philip M. Herrera, Redakteur der Zeitschrift »The Architectural Forum«, hatte genau dieses Ende schon bei der Auslobung des Wettbewerbs kommen sehen. In seinem Portrait des Developers Gerald Blakeley – durch dessen Geschick und Geschäft Cabot, Cabot & Forbes Erfolg über Erfolg feiern konnte – hatte der Autor notiert: Man könne »gut und gern wetten«, dass Blakeley das Verfahren »gewinnen« werde.

24  EINE VISION FÜR MANHATTAN 1965–1968

»New York ist eine Stadt, die immer auf den Beinen ist. Sie wandelt unter dem Zeichen der neuen Zeit. Sie ist eine Katastrophe, aber eine schöne und würdevolle Katastrophe. Ihr Schicksal war das einer viel zu frühen Reife, die selbst Menschen guten Glaubens und guten Mutes erschöpft hat. Doch nichts verliert sich dort. New York schüttelt, reckt und streckt sich nur, wenn es um seine Schwierigkeiten geht. Es trieft vom Schweiß harter Arbeit. Doch in genau dem Moment, wo es seine Stirn trocknet, schaut es auf sein Werk und denkt sogleich: ›Tja, wir haben bei der Sache wohl kein Geschick gehabt. Lasst uns einen neuen Anfang wagen!‹ New York steckt so voller Mut und Kraft, dass man dort alles wieder in die Hände nehmen, alles wieder in Angriff nehmen kann, um es zu noch größerer Meisterschaft zu führen! Die Menschen dort schlafen nie ein. Ihre Stadt ist in Wahrheit kaum zwanzig Jahre alt; was auf jeden Fall für jenes New York gilt, das ich vor Augen habe und das an der Schwelle zur neuen Zeit steht.« Diese Worte schrieb Le Corbusier in seinem Buch »Quand les cathédrales étaient blanches«, das der eloquente Propagandist des Modernismus Ende der dreißiger Jahre publizierte. Was ihn und so viele an New York faszinierte – die kalkulierte Dialektik von Destruktion und Konstruktion an den Avenues und Streets von Manhattan –, das löste Anfang der sechziger Jahre längst nicht mehr denselben Jubel aus. Nun waren Stimmung und Meinung häufig geteilt. Während auf Seiten von Politikern und Developern das je Neuere und Größere als das je Bessere gerühmt wurde, wurde auf Seiten von Publizisten und Journalisten gefragt, zu wessen Nutzen immer höhere Bürotürme und immer längere Autobahnen gebaut würden. Wie sehr trotz scharfer Kritik – sei es der Älteren: Lewis Mumford und Jane Jacobs, sei es der Jüngeren: Barry Gottehrer und Richard J. Whalen – für die meisten Macher das Gestern und das Heute im New York der sechziger Jahre nur eine Bürde auf dem Weg zum Morgen waren, notierte der Lyriker James Merrill zu genau jener Zeit in seinem Gedicht »An Urban Convalescence«. Nach einer Woche im Bett fühlt sich der Autor stark genug, um auf die Straße zu gehen. Er sieht, wie ein Kran ein Haus zerstört, und hört, wie ein Mann den Kran verflucht.

Merrill weiß nicht mehr, was für ein Haus dort stand, ob es steinerne Girlanden über den Stürzen der Fenster hatte. In New York, schreibt der Autor, stehe jedes Haus zum Abbruch bereit, bevor man die Chance gehabt habe, es kennen- und schätzen zu lernen. Selbst wenn der Neubau einen Beitrag zu architektonischer Qualität leiste, werde die »Krankheit« New Yorks dazu führen, dass auch dieses Bauwerk später – »in seiner vollen Blüte« – erst verdammt, dann in Schutt und Staub gelegt werde. Metropolen wie New York können gar nicht anders als im Modus der Krise existieren. Aber die von Merrill in schöne Zeilen gefasste Simultaneität von Projekt und Protest in Sachen der räumlichen wie baulichen Entwicklung Manhattans war in den sechziger Jahren etwas Neues, das auch Hermann Herrey – ein Bewohner Manhattans – gespürt haben muss. Zwar hatte er eine Weile eine kleine Wohnung in Cambridge gehabt, wo er zuletzt im Auftrag der Gruppe State Street Redevelopers nach Ideen und Konzepten für einen vierzig Geschoss hohen Turm am Rathaus von Boston geforscht hatte; doch seit dem Scheitern dieses »lächerlichen Wolkenkratzers«, so Herrey in einem Brief an Florian Kienzl vom 13./14. Dezember 1964, war der Architekt und Urbanist wieder ganz auf das Leben in Manhattan konzentriert. »Ich bin nicht mehr so jung«, heißt es in dem Brief an Kienzl. »Die Jahre, die mir noch bleiben, müssen den Arbeiten gewidmet werden, die nur ich so machen kann, wie ich es richtig und nötig finde.« Am 1. September 1964 hatten die Herreys ein Apartment im »Sutton Manor« unter der Adresse 411 East 53rd Street bezogen. Das Hochhaus steht im Block zwischen 1st Avenue und Sutton Place. In nächster Nähe ostwärts liegt der East River und in seiner Mitte Welfare Island, die heute Roosevelt Island heißt. Autos krochen auf breiten Bahnen längs der Küste; Müll und Schaum und tote Fische trieben auf dem schwarzen Wasser um die langen, leeren Landebrücken; die Ränder Manhattans waren ein Ort, den man mied. Herrey aber sah diese Gegend mit den Augen des Visionärs. Und machte sich an die Arbeit, seinen alten Manhattan Plan zu revidieren und aus den vierziger in die sechziger Jahre zu holen. EINE VISION FÜR MANHATTAN 1965–1968

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Wer Herreys zweiten Manhattan Plan verstehen will, der muss ihn – vor einer genauen Beschreibung – im Zeitraum der fünfziger und sechziger Jahre situieren: einerseits in Bezug auf das existente, anderseits in Bezug auf das virtuelle Manhattan. Bei dieser Situierung dürfen die sozialen und politischen Energien, die das gebaute wie das geplante Manhattan erst möglich gemacht haben, nicht außer Acht bleiben. Kurz, ohne historische Exkursion lässt sich Herreys zweiter Manhattan Plan nicht mehr zum Sprechen bringen. New York, existent Während der frühen Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg hatte New York einen in jeder Hinsicht großen Aufschwung erlebt. Bedingt durch die Präsenz der jungen United Nations Organization (UNO), von welcher viele liberale Politiker anfangs die Bildung einer globalen Regierung erhofft hatten, war die Metropole zwischen Hudson und East River von Bewohnern wie Besuchern gar als Welthauptstadt empfunden worden. Beim Zensus 1950 waren in The Bronx, Manhattan, Queens, Brooklyn und Staten Island genau 7 891 957, beim Zensus 1960 genau 7 781 984 Einwohner gezählt worden; 1970 würden die fünf Boroughs genau 7 895 563 Einwohner haben. Was Abnahme und Zunahme der Einwohner freilich nicht verraten, ist die Migration von dem Zentrum an die Peripherie und von der Peripherie in das Zentrum. Dass zwischen 1950 und 1965 etwa 800 000 Weiße ausgezogen, etwa 800 000 Schwarze und Puertorikaner eingezogen waren; dass die Ausziehenden so gut wie alle den Mittelschichten, die Einziehenden so gut wie alle den Unterschichten entstammten: Diese »white flight« genannte Wanderung, die zahlreiche Großstädte der USA ergriffen hatte, hatte New York, trotz seiner dauernden Erfahrung mit ethnischer Differenz, bald vor enorme Probleme gestellt. Denn auf die Bewegung aus den Mitten an die Ränder New Yorks, oft auch in hübsche Fertigstädte wie Levittown im Nassau County auf Long Island, war erst Segregation, dann Ghettoisierung gefolgt. Mehr und mehr Besitzer von Gebäuden, die seit je dem Wohnen gedient hatten, waren zu der Entscheidung gekommen, dass eine die Substanz reparierende Investition keinen Gewinn bringen würde; die Kosten solcher baulichen Maßnahmen hätten die Mieter nicht durch ihre Mieten decken können. Aufgrund dessen waren in New York bis Mitte der sechziger Jahre über zehntausend Wohnhäuser verlassen, ihre Türen und Fenster auf Geheiß der städtischen Verwaltung vermauert worden. Manche Viertel – allen voran South Bronx, East Harlem, Central Brooklyn – hatten es nicht vermocht, dem Verfall ganzer Straßen zu wehren. Die Lage war durch den Bau einer Reihe von Autobahnen noch verschärft worden. Den gut zehn Kilometer langen Cross Bronx Expressway etwa hatte Robert Moses ohne Rücksicht wie eine scharfe 294

Schneise durch dichte Nachbarschaften schlagen lassen. Im nördlichen Borough von New York hatte der Planer über sechzigtausend Menschen um ihre Wohnung gebracht. Zwar hatte die Regierung der USA durch die Federal Housing Acts von 1949 und 1954 versprochen, »jeder Familie so bald wie möglich eine gute Wohnung in guter Umgebung« zu verschaffen; doch die mit beiden Gesetzen verknüpfte Erwartung eines großen Urban renewal hatte die primär soziale Intention des Programms rasch konterkariert. Urban renewal hatte totale Sanierung bedeutet; totale Sanierung hatte geheißen: Häuser und Böden in Blöcken, die von der städtischen Verwaltung zu Slums erklärt worden waren, hatten ihre Besitzer an ebendiese städtische Verwaltung verkaufen müssen. Die städtische Verwaltung hatte dann exmittieren lassen – unter den Exmittierten: sechzig Prozent Schwarze und Puertorikaner –, dann die Häuser und Böden planiert, dann das Terrain weit unter seinem Marktwert an Developer verkauft. Die aber hatten sich um die eigentliche Absicht der Federal Housing Acts wenig geschert. Sie hatten das Urban renewal häufig zum »human removal« genutzt und Slums zugunsten von Leuten saniert, die nie in Slums gewohnt hatten. Für die Migration aus dem Zentrum an die Peripherie, für den Verfall ganzer Straßen und für das Versagen bei der Versorgung mit Wohnungen gilt, dass jede dieser an sich schon gefährlichen Entwicklungen durch die beiden je andern verstärkt worden war. Hinzu war eine vierte Entwicklung getreten: die vom sekundären zum tertiären Sektor der Wirtschaft. In New York, vor allem in Manhattan, hatte das Büro die Fabrik, der Schreibtisch die Werkbank weitestgehend verdrängt. Zwischen Anfang der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre waren aus dem harten Boden Manhattans etwa fünfunddreißig Gebäude geschossen, die vornehmlich der Verwaltung dienten, unter ihnen an der Park Avenue die signifikanten Architekturen des Lever Building von Skidmore, Owings & Merrill 1952, des Seagram Build­ ing von Ludwig Mies van der Rohe 1958 und des Pan Am Building von Walter Gropius und Pietro Belluschi 1963. Da immer mehr große Unternehmen der USA ihre größte Niederlassung nach New York verlegt hatten, waren Jahr für Jahr immer mehr Bürohäuser gebaut worden: mit einer Fläche von gut 725 000 Quadratmetern 1967, gut 819 000 Quadratmetern 1968, gut 946 000 Quadratmetern 1969, gut 1 326 000 Quadratmetern 1970. Die letzte Zahl enthält freilich schon die Fläche des World Trade Center von Minoru Yamasaki. Unter dem Protest vieler Bürger war der Bau der beiden gleichen Türme – Riesen unter den Wolkenkratzern, gelegentlich auch »Gargantua und Pantagruel« genannt – im Jahr 1966 begonnen worden, würde aber erst im Jahr 1973 beendet werden.

New York, virtuell So reichlich in New York bis Mitte der sechziger Jahre gebaut worden war, so reichlich war dort auch geplant worden. Vor allem Manhattan hatte seit je wachsen und wachsen wollen, sei es in die Höhe, sei es in die Breite. Die Ufer seiner Flüsse waren schon vor 1700 erstmals weiter in das Wasser gerückt; auch später war an manchen Stellen der Insel manches Stück Land gewonnen worden. In den neunziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts hatte Herman Arnold Ruge – Mann deutscher Herkunft und renommierter Ingenieur mit Erfahrung besonders im Wasserbau sowie im Schienen-, Brücken- und Tunnelbau – den kühnen Vorschlag unterbreitet, Manhattan über Governor’s Island bis Bedloe’s Island / Liberty Island zu erweitern. Das Neuland im Süden der Insel hätte auf Schotten und auf Kammern mit Schotter geruht; binnen drei oder vier Jahren hätte Manhattan, unter Einschluss der Fläche von Governor’s Island, um 211,24 Hektar größer werden können. Obwohl Ruges Projekt noch im Jahrbuch 1907 der Municipal Engineers of the City of New York mit allen Details präsentiert und diskutiert worden war, hatte es keine Chance gehabt, je realisiert zu werden; nicht weil man die Schotten und die Kammern mit Schotter nicht hätte bauen können, sondern weil die Schiffe – vom großen Frachter zur kleinen Fähre – in Bedrängnis geraten wären. Immerhin war New York, sieht man von den USA und Kanada ab, damals nur auf dem Wasser zu erreichen gewesen. Im Lauf der Zeit hatten sich weit über hundert Piers wie Zacken von Kämmen um Manhattan gelegt; Tag für Tag hatten die langen Stege dem Verkehr von Menschen und Gütern zwischen den Flüssen und der Insel, zwischen der Insel und den Flüssen gedient. Niemand hätte gewagt, zugunsten von Neuland an einen Abriss der Piers zu denken. Um 1960 aber waren im Verkehrswesen Entwicklungen eingetreten, welche die vielen Stege an Hudson und East River binnen eines Jahrzehnts so gut wie überflüssig machen würden. Während die städtische Verwaltung von New York das Projekt einer Landebrücke für Luxusliner wie die »Queen Elizabeth« oder die »France« ins Auge gefasst hatte, hatten mehr und mehr Passagiere New York mit den neuen Langstreckenflugzeugen erreicht. Und während das Löschen einer Ladung an einem der Piers Tage gebraucht hatte, würde dieser Vorgang, dank der neuen Container, im Port Newark Elizabeth Marine Terminal nur Stunden dauern. Mitte der sechziger Jahre hatte man am Hudson noch neunundsiebzig, am East River noch fünfunddreißig Stege zählen können. Aber im Westen hatte schon die Hälfte, im Osten schon ein Drittel der Piers seine Aufgabe verloren. Die zweihundert, ja dreihundert Meter messenden, teils steinernen, teils stählernen Gebilde hatten zu verfallen begonnen.

Womöglich hätte New York seine Stellung als immer wache Metropole verloren, wenn nicht Politiker, Investoren und Developer rasch erkannt hätten, dass aus der technologischen Innovation einerseits der Luftfahrt, anderseits der Schifffahrt die Möglichkeit der Ausdehnung Manhattans folgen würde. Zu denen, die sich davon einen Begriff gemacht hatten, hatten im Planen und Bauen auch zuvor einflussreiche Kreise gehört: so das New York City Department of Marine and Aviation, so die New York City Planning Commission, so die Port of New York Authority, so die Downtown Lower Manhattan Association, so der State of New York. Allen voran die Brüder Rockefeller – der jüngere David als Präsident der Chase Manhattan Bank und Kopf der Downtown Lower Manhattan Association, der ältere Nelson als Gouverneur des Bundesstaates New York – hatten mehrfach enorme Projekte an die Öffentlichkeit gebracht. Es waren jedoch nicht die Zirkel der Rockefellers, wo die Ausdehnung Manhattans zum ersten Mal seit Ruge in Erwägung gezogen worden war. Einen solchen Vorschlag hatte vielmehr das New York City Department of Marine and Aviation unterbreitet. Gestützt auf die Arbeit des Ingenieurbüros Ebasco Services Inc. und des Architekturbüros Eggers & Higgins – die unter dem Titel »The Port of New York. Comprehensive Economic Study. Manhattan North River Development Plan. 1962 to 2000« im November 1962 publik gemacht worden war –, hätten weite Teile des linken Hudsonufers eine deutliche Aufwertung erfahren. Das Projekt hätte den Streifen Landes von Battery Park im Süden bis 72nd Street im Norden umfasst. Auf neun Abschnitten hätten städtische Nutzungen aller Arten Raum gefunden, darunter auch Landebrücken für die Luxusliner aus Britannien und Frankreich. Westlich des Gebiets von Battery Park bis Chambers Street hätten große Mengen Wasser verdrängt, große Mengen Erde gestampft werden müssen. Auf dem Neuland wären unter anderm Hochhäuser mit zwanzig, dreißig, vierzig Geschoss gebaut worden, eines für ein Hotel, acht für Büros, achtzehn für Wohnungen. Genau ein Jahr nach dem wenig kohärenten Plan des New York City Department of Marine and Aviation, im November 1963, war es die Downtown Lower Manhattan Association gewesen, die mit einem größeren Vorhaben Aufsehen erregt hatte. Verfasst im Auftrag der von David Rockefeller geführten Gesellschaft, hatte die Studie aus dem Büro der Architekten Skidmore, Owings & Merrill sich mit dem Viertel um das Rathaus und dem um die Börse befasst. Primär jedoch hatte sie eine Lösung für den Missstand gesucht, dass Lower Manhattan damals etwa vierhunderttausend Arbeitende, etwa viertausend Wohnende und also eine äußerst mangelhafte Nutzungsmischung gehabt hatte, die über kurz oder lang die Urbanität der südlichsten Partien Manhattans bedroht hätte. Um diesen Missstand zu mildern, wären in Höhe EINE VISION FÜR MANHATTAN 1965–1968

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Downtown Lower Manhattan Association und Skidmore, Owings & Merrill, Lower Manhattan Plan, Fotomontage, 1963

der Brooklyn Bridge und auf einem Streifen neuen Landes am Ufer des Hudson Tausende Wohnungen gebaut worden. Auf dem Neuland hätte man im Grünen wohnen können; vier Paare gleicher Türme und vier gleiche Scheiben hätten dem Terrain eine lose Ordnung beschert. Bei aller Eintracht der Brüder Rockefeller, David und Nelson waren dann und wann auch als Konkurrenten in Erscheinung getreten. Planungen für Manhattan waren viel zu sehr mit Prestige verbunden, als dass der jüngere David den älteren Nelson nicht zum Übertrumpfen gereizt hätte. Ebendas war im Mai 1966 passiert, nachdem der Gouverneur des Bundesstaates New York durch das Projekt einer »Battery Park City« auf Neuland am linken Hudsonufer das Interesse von Politikern und Journalisten geweckt hatte. Mit Unterstützung des von ihm besonders geschätzten Architekten Wallace K. Harrison war Nelson Rockefeller bei seinem Entwurf einem Schema gefolgt, bei welchem beidseits einer langen Zentralachse je acht Scheiben und je zwei Türme in Reih und Glied gebaut worden wären. Zwar hatte der monotone, ja penetrante Symmetrismus der riesigen Anlage, für welche siebzehn Piers 296

hätten weichen müssen, keinen Kenner überzeugen können; doch würde man schon 1967 mit der Gewinnung des Geländes beginnen. In weiten Teilen von anderer, besserer Gestaltung würde die Battery Park City während der achtziger Jahren vollendet werden. Ob im November 1962 das New York City Department of Marine and Aviation, ob im November 1963 die Downtown Lower Manhattan Association, ob im Mai 1966 Gouverneur Rockefeller, all diese Akteure hatten mit all ihren Projekten je spezifische Interessen verfolgt. Der erste Plan, der Lower Manhattan als Ganzes zum Thema gemacht, also diverse urbane Probleme aggregiert und integriert hatte, hatte einen schlichten Namen gehabt: Lower Manhattan Plan. Auftraggeber war die New York City Planning Commission gewesen; Auftragnehmer waren die Architektur- und Planungsbüros Wallace, McHarg, Roberts & Todd aus Philadelphia und Whittlesey, Conklin & Rossant aus New York sowie das Verkehrsplanungsbüro Alan M. Voorhees & Associates aus Washington, D. C., gewesen. Nachdem der Lower Manhattan Plan im Juni 1966 öffentlich geworden war, hatte er von vielen Seiten Zu-

Nelson Rockefeller und Wallace K. Harrison, Lower Manhattan Plan, links Battery Park City, Modell, 1966

stimmung erfahren. Die Zeitschriften »The Architectural Forum« und »Progressive Architecture« hatten ihn ausführlich beschrieben und bewertet; auch Ada Louise Huxtable hatte in »The New York Times« mit Lob nicht gespart. Anders als die erwähnten früheren Projekte basieren die Ideen und Konzepte des Lower Manhattan Plan nicht auf dem Urbanismus der klassischen Moderne. Vielmehr haben wir es mit Strategien des Weiterbauens zu tun, die einerseits Struktur und Prozess, anderseits Textur und Objekt in Einklang zu bringen suchen. Das wohl stärkste Merkmal dieses Plans ist die Ausdehnung Manhattans nicht hier und da, sondern allseits. Eine Folge von Landzungen und Flussbuchten soll sich wie die Glieder einer Kette um den Süden der Insel legen. Jede dieser sechs klar gefassten Siedlungen – 60,7 Hektar auf Altland und 141,6 Hektar auf Neuland, drei Stücke am Hudson und drei Stücke am East River – soll zehn- bis fünfzehntausend Menschen, teils in hohen versetzten, teils in flachen gestuften Bauten, eine schöne Wohnung bieten. Mehrfach schreiben die Autoren der Studie von »Fenstern zum Wasser« und von

»Korridoren«. Die räumliche Gliederung von Lower Manhattan soll künftig nicht allein durch die Bewegung von Norden nach Süden, sondern auch durch die von Westen nach Osten bestimmt werden. Ohne es auch nur mit einem Wort zu sagen, fordern die Planer in Sachen Verkehr den Abschied von der für die USA so typischen Priorität des Automobils. Der Lower Manhattan Expressway, für den Männer wie Robert Moses und David Rockefeller Mitte der sechziger Jahre noch immer kämpfen, taucht im Lower Manhattan Plan nicht auf. Statt dieser Querung der Insel – nach amtlichen Schätzungen würde die fast fünfzig Meter breite Schneise knapp zweitausend Haushalte und gut achthundert Betriebe um ihre Heimstatt bringen – sollen drei Straßen je eine der neuen Siedlungen am Hudson mit je einer der neuen Siedlungen am East River verbinden. Auf diesen West-Ost-Straßen sollen sich nur Fußgänger bewegen. Gleiches soll für den Broadway gelten. Die Autobahnen an den beiden Flüssen sollen in Tunnel verlegt werden, sodass der Fußweg vom Hudson über die Insel zum East River in der Tat von Ufer zu Ufer führt. EINE VISION FÜR MANHATTAN 1965–1968

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New York City Planning Commission und Wallace, McHarg, Roberts & Todd und Whittlesey, Conklin & Rossant, Lower Manhattan Plan, Zeichnung, 1966

Barry Gottehrer, Richard J. Whalen und John V. Lindsay Was die Geschichte New Yorks im zwanzigsten Jahrhundert betrifft, so waren die Jahre 1964 und 1965 wohl ein Tiefpunkt. Zum Ende der Ära von Robert F. Wagner als Bürgermeister hatte die Kommune größere Probleme, schärfere Konflikte als zum Beginn dieser zwölf Jahre. Der tagelange, gewaltsame Protest von Schwarzen auf den Straßen von Harlem im Sommer 1964 war ein Fanal. Publizisten und Journalisten wurden seither nicht müde, für das »Monster« New York eine von Grund auf andere Politik zu verlangen. Zwei dieser Stimmen – Barry Gottehrer mit seinem Buch »New York. City in Crisis« und Richard J. 298

Whalen mit seinem Buch »A City Destroying Itself. An Angry View of New York« – klangen wie unisono. Beide Autoren waren 1935 in New York geboren, beide dort erzogen und gebildet worden. Beide waren junge Bürger, denen das Wohl und Weh ihrer Stadt am Herzen lag. Beide waren Kläger und Kämpfer gegen die Dominanz der res privata vor der res publica im Raum der Stadt. Alles Planen und Bauen, heißt es bei Whalen, werde in New York seit langem mit dem Begriff des »Fortschritts« verknüpft. Dieser »Mythos« werde von den Akteuren und Agenten der Politik und des Tourismus die »pulsierende Vitalität der Metropole« genannt, während es

in Wahrheit oft nur um ein »Schnäppchen« für Männer mit Einfluss in Midtown oder Downtown Manhattan gehe. Doch mehr als die »ökonomische« Ordnung werfe das »spirituelle« Chaos einen Schatten auf New Yorks Gemeinwesen. Wo Menschen Tag für Tag belästigt und beleidigt und ihrer eigenen Umgebung entfremdet würden, da sei die Stadt auf dem Weg, sich selbst zu zerstören. In Betracht der Kritik, die Gottehrer und Whalen an der Kommunalpolitik unter Wagner führten, musste niemand staunen, dass beide Publizisten seit Mitte 1965 die Kandidatur John V. Lindsays für das Amt des Bürgermeisters von New York unterstützten. Lindsay war Mitglied der Republikanischen Partei und vertrat dort eine liberale Position. Manche hielten den Mann für einen John F. Kennedy. Manche fanden

Feliks Topolski, Einband »A City Destroying Itself«, 1965

ihn »glamorous« und »inspiring«. Manche spürten, dass er dann und wann »style over substance« stellte. Aus Idealismus mehr denn aus Opportunismus schloss sich der Kandidat einigen der Ideen, einigen der Konzepte Gottehrers und Whalens an. Der Wahlkampf machte ihm klar, dass die Formung der Physis New Yorks – was auch immer gebaut werden würde – die soziale Kohäsion der Metropole stärken oder schwächen würde. Planung à la Robert Moses würde auf jeden Fall scheitern. Vom ersten zum zweiten Manhattan Plan Was hier nur skizziert wurde – das existente, das virtuelle, das politische New York der ersten Hälfte der sechziger Jahre –, bildet einen Teil des Hintergrunds für Herreys Arbeit an seinem zweiten Manhattan Plan. Seit dem ersten waren zwanzig Jahre vergangen, in deren Verlauf mal Architektur, mal Politik, mal Theater im Zentrum der beruflichen Tätigkeiten Herreys gestanden hatten. Nicht dass er währenddessen die Entwicklung Manhattans aus den Augen verloren hätte. Doch je länger er, nach den Jahren in Berlin West, wieder auf der Insel wohnte, desto mehr muss sich dieser Ort wieder in den Vordergrund der Wahrnehmung geschoben haben. Schließlich war es Paul Grotz, Leitender Redakteur der Zeitschrift »The Architectural Forum«, der Herrey bat, seine lange gereiften Entwürfe und Vorschläge publik zu machen. Im November 1968 – vier Wochen nach Herreys Tod – würde »The Architectural Forum« seinen Lesern den zweiten Manhattan Plan ausführlich erläutern. Dessen Beschreibung wird leichter, wenn man vorab seine prinzipalen Elemente nennt. Es sind: 1. die Ausdehnung Manhattans durch Gewinnung von Gelände, das die Ufer des Hudson und des East River auf voller Länge weiter in das Wasser schiebt; 2. die Bebauung der breiten Streifen neuen Landes mit fünfundvierzig Gruppen riesiger, gestufter Gebäude, wobei jede Gruppe nach der Art einer Unité d’habitation fungiert; 3. die Verlegung des Durchgangsverkehrs auf Straßen und Schienen in einen Tunnel mit mehreren Geschossen, der als Teil des Neulands an den Ufern der beiden Flüsse gebaut wird; 4. die Benutzung des Rasters von Avenues und Streets für eine Ordnung des Binnenverkehrs durch Straßenschleifen; 5. die Gestaltung des Rathausviertels und des Modeviertels, um ihre Nutzung zu steigern, sowie die Errichtung einer Art Wissensbörse nördlich des Central Park; 6. die Einrichtung einer dauerhaften Mustermesse und eines Güterhafens auf Governor’s Island, um die Stellung New Yorks als Welthauptstadt des Handels zu stärken. EINE VISION FÜR MANHATTAN 1965–1968

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Hermann Herrey, Manhattan Plan, weiße Streifen mit den Gebieten der Gewinnung von Gelände in Hudson und East River, Fotomontage, 1968

Communities an neuen Ufern Die Möglichkeit, das Areal Manhattans zu erweitern, ist die wichtigste Bedingung für alle folgenden Maßnahmen des Herreyschen Manhattan Plan. An Ufern abseits der Insel und mit Hilfe diverser Techniken, die bei der Bildung von Brücken- und Landeköpfen üblich sind, werden zunächst sehr lange, sehr breite und an Fächern reiche Kästen aus Beton gebaut, diese dann über die Flüsse geschleppt, in die rechte Lage gerückt, gut zwölf Meter versenkt, auf eine Membran aus Asphalt und Glas gestellt, an die beiden nächsten gedockt und schließlich trockengelegt. Durch die so konzipierte Expansion wird Manhattan um mehr als ein Viertel seiner Fläche, genau gesagt um 15,54 Quadratkilometer Boden größer. Eine Darstellung in »The Architectural Forum« zeigt das Ganze aus der Luft, oben den Harlem River, unten die Governor’s Island. Auf der Montage sind beide Inseln von einem mal breiten, mal schmalen weißen Streifen umrahmt. Diesen Streifen, der die Gewinnung von Gelände rund um die Ufer der beiden Inseln markiert, nennt Herrey ein »völlig weißes Blatt«. Auf dem neuen Lande können neue Bauten mit neuer Nutzung geplant werden. Der Herreysche Manhattan Plan sieht dort die Schaffung von fünfundvierzig Communities vor. Fünfundzwanzig liegen am Hud300

son, sieben am East River, zwei auf Randall’s Island, drei auf Ward’s Island, vier auf Welfare Island und vier auf Governor’s Island. Jede Community besteht aus vier oder fünf gestreckten Gebäuden, die von drei oder vier erst auf zehn, dann auf zwanzig, dann auf dreißig Geschoss springen und vorne wie hinten mit starker Faltung von sich reden machen. Vor den Gebäuden liegen Stichstraßen, die erst auf Ringstraßen, dann auf Schnellstraßen führen, die vom einen zum andern Ufer Manhattans reichen. Fußgänger nehmen Fußwege, die sich von Haus zu Haus und zwischen den Häusern schlängeln. Jede Community bietet außer Wohnungen für gut elftausend Personen auch Horte, Schulen, Läden, Büros, Praxen, Cafés, Kinos, Kirchen und mehr. 325 000 Menschen könnten aus den entfernten Vororten und 175 000 Menschen aus den schlechtesten Wohnungen Manhattans in die Communities ziehen. Soziale Diversität könnte soziale Vitalität garantieren. Mehr noch, jeder Community sollen die Rechte einer Gemeinde gewährt werden. Warum sollte sie nicht ihre eigene Kommunalpolitik betreiben? Die gesamte räumliche und bauliche Anlage ist von zugleich städtischer und ländlicher Anmutung. Das heißt kurz gesagt: so urban die Nutzung, so rural die Gestalt. Jede Community macht außen den

Manhattan Plan, unten Kästen aus Beton als Tunnel mit mehreren Geschossen, oben gestufte Gebäude der Communities, Zeichnung

Eindruck einer Landschaft mit Berg und Tal, Hang und Schlucht. Sieht man von den eher schmalen Straßen ab, soll für die Häuser in der Tat nur ein Zehntel des weiteren Gebietes versiegelt werden. Herrey selbst betont die Opposition des hier schon gebauten, da noch geplanten Manhattan. Das gebaute folgt einem Raster und stärkt die Textur, das geplante folgt freien Formen und stärkt das Objekt. Dass Herrey den Bestand Manhattans bis auf wenige Eingriffe – über die noch zu schreiben sein wird – in Ruhe lässt, dass er den neuen Teilen an den Ufern der beiden Flüsse jede Herrschaft über das Leben auf der alten Insel verwehrt, diese Haltung resultiert wohl aus der bitteren Erfahrung des Urban renewal in Boston und New York sowie aus der fulminanten Kritik an der destruktiven Aktivität von Planern, wie sie 1961 in Jane Jacobs’ Buch »Tod und Leben großer amerikanischer Städte« und 1964 in Martin Andersons Buch »The Federal Bulldozer« zum Ausdruck kam. Die Stadt in der Stadt Ob im November 1962 der Plan des New York City Department of Ma­ rine and Aviation, ob im November 1963 der Plan der Downtown Lower Manhattan Association, ob im Mai 1966 der Plan des Gouverneurs

Nelson Rockefeller: Auftraggeber und Auftragnehmer hatten sich in allen drei Fällen nur mit einer mal kleineren, mal größeren Ausdehnung Manhattans beschäftigt, ohne dass sie das Ganze der Insel ins Auge gefasst hätten. Erst der Plan der New York City Planning Commission von Juni 1966 hatte einen neuen Schritt gewagt, da er sich nicht allein um die Zukunft der Uferstreifen, sondern auch um die der Straßenzüge und Häuserblöcke Lower Manhattans gesorgt hatte. Dem Herreyschen Manhattan Plan aber eignet etwas so Titanisches, dass es nicht leicht fällt, Referenzprojekte zu finden. Trotz ihrer Verwandtschaft – die aus dem Vorhaben rührt, Manhattan zu erweitern – kommt von den hier genannten andern Projekten nur das vierte und letzte ernsthaft für einen Vergleich in Frage, da es mit der Bildung von sechs Landzungen und Flussbuchten die Ausdehnung Manhattans viel weiter zu treiben sucht und es auch in Sachen des Umgangs mit den Autobahnen am Hudson wie am East River den Herreyschen Ideen näher steht als die vorigen drei Projekte. Das Verfahren, den Herreyschen Manhattan Plan neben andere Lösungen ähnlicher Aufgaben zu stellen, lohnt sich besonders, wenn man den Vergleich auf das Konzept der Stadt in der Stadt beschränkt. Schauen wir einen Moment auf Welfare Island, die seit den siebziger EINE VISION FÜR MANHATTAN 1965–1968

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Victor Gruen, Welfare Island Plan, Lageplan, 1961

Jahren Roosevelt Island heißt. Die zwar äußerst schmale, doch etwa 3,2 Kilometer lange Insel liegt im East River zwischen Midtown Manhattan im Westen und Queens im Osten. Für dieses seit den vierziger Jahren nicht mehr genügend genutzte Stück Land plant Herrey vier seiner fünfundvierzig Communities, also sechzehn bis zwanzig seiner mehrfach geknickten Gebäude sowie Ringstraßen, Stichstraßen und Fußwege, alles für gut 44 000 Einwohner. Für dasselbe Areal hatte der Urbanist und Architekt Victor Gruen schon 1961 ein ambitioniertes Projekt lanciert. Auf einem 6,7 Meter hohen Sockel – der erstens von Norden nach Süden hätte reichen sollen, der zweitens in seinem Erd- wie in seinem Obergeschoss eine soziale und kulturelle Infrastruktur hätte bieten sollen, der drittens die Nutzer mittels Laufbändern, Rolltreppen und Fahrstühlen von hier nach da, von da nach hier hätte bringen sollen –, auf einer solchen Struktur aus Beton wären acht je fünfzig Geschoss hohe Wohnscheiben und drei zwischen acht und dreißig Geschoss hohe Wohnschlangen für siebzigtausend Bewohner errichtet worden. Das Ganze hätte, vor allem wegen der langen, autofreien »main street« im Sockel, wohl wie eine »indoor city« gewirkt, um es mit einem Begriff zu sagen, den es in den sechziger Jahren noch nicht gab. Kritiker hatten indes die Erscheinung der Wohnschlangen mit einer »Chinesischen Mauer« verglichen; ihrer Meinung nach wäre der Blick von Manhattan nach Queens, von Queens nach Manhattan mächtig gestört worden. Was nun den Gruenschen Welfare Island Plan mit dem Herreyschen Manhattan Plan verbindet, ist der Gedanke, dass Manhattan unter einem argen Mangel an Wohnraum für die Mittel- wie für die Unter­ schichten der Amerikaner leidet und dass wirklich große Bauten auf der Insel im East River helfen können, diesem Mangel zu wehren, ohne die Substanz von Manhattan weiter in Gefahr zu bringen, wie es bei einem Eingriff nach Art des Urban renewal der Fall wäre. Dass Gruen den Boden weitgehend versiegelt und den Alltag ganz nach innen holt, dass Herrey den Boden weitgehend entsiegelt und den Alltag auch nach außen holt: Dieser Unterschied zwischen einer eher geschlossenen Stadt in der Stadt bei Gruen und einer eher geöffneten Stadt in der Stadt bei Herrey führt auf die Frage, in welcher Weise der Herreysche Manhattan Plan – als Praxis, als Projekt – an den Theorien der Avantgarde des Urbanismus jener Jahre teilhat. 302

Welfare Island Plan, Fotomontage

Lernen von Italien Der aus Japan stammende Architekt Fumihiko Maki, von 1956 bis 1965 erst an der Washington University in St. Louis / Missouri, dann an der Harvard University in Cambridge tätig, hatte 1964 seine mehrere Jahre dauernden Studien über das Verhältnis von Stadt und Raum und Bau in einer kleinen, rasch einflussreichen Schrift unter dem Titel »Investigations in Collective Form« resümiert. Maki klagt, vom Erechtheion zum Seagram Building hätten Architekten immer nur einzelne Gebäude entworfen. Die neuen Städte des zwanzigsten Jahrhunderts seien monoton statt elastisch und flexibel, weil eine »Sprache des Raumes« fehle, die in der Lage sei, etwas von heutiger Bedeutung zu vermitteln. Aus diesem Grunde habe er die »kollektiven Formen« städtischer Gefüge untersucht; er sei bei dieser Arbeit zu dem Ergebnis gekommen, die teils historischen, teils aktuellen Formen nach den Kriterien der »komponierten Form«, der »Megaform« und der »Gruppenform« zu scheiden. Die komponierte Form ist harmonisch; Ensemble und Solitär gehorchen den Gesetzen der klassischen Ästhetik; dem Ganzen darf keines seiner Teile geraubt werden. Die Megaform ist modular; die nicht selten riesigen Gebäude trennen, in Bezug auf Bauweise und Baunutzung, die nicht dauerhaften von den dauerhaften Teilen; das Gebäude lässt sich vergrößern oder verkleinern. Die Gruppenform ist additiv; dieser Begriff ist eine Schöpfung Makis. Manche der Bilder von Städten und Dörfern, mit welchen die Schrift »Investigations in Collective Form« die Existenz der Gruppenform zu beweisen und zu erläutern sucht, zeigen Orte rund um das Mittelmeer. Vor allem die anonyme, terrassierte Architektur Italiens – diese alten, schönen, an Hänge gedrückten oder auf Hügel gestellten menschlichen Siedlungen – weiß Maki zu schätzen, sieht er doch dank solcher Orte die Möglichkeit geschaffen, über Räume und Zeiten hinweg im wahrsten Sinne Großes zu bauen, das attraktiv und suggestiv, weil homogen und dynamisch ist.

Hermann Herrey, Manhattan Plan, Landschaft und Bauwerk zweier Communities am East River

Manhattan Plan, Straßen- und Wegesystem zweier Communities

Homogen und dynamisch wiederum ist es, weil es einem Regularium der Generation und Variation folgt, das zu einer Vielfalt immer gleicher Formen und Gruppen von Formen führt: Was sich treu bleibt, wird doch anders. Wie erwähnt, macht im Herreyschen Manhattan Plan jede der fünfundvierzig Communities den Eindruck von Berg und Tal, Hang und Schlucht. Deutlich wird das Landschaftliche, wenn man einen Blick auf die Darstellung des Vorhabens in »The Architectural Forum« wirft. Die beiden Zeichnungen zweier Communities am East River suggerieren eine Mischung aus Natur und Kultur, wie sie Herrey im Lauf der sechziger Jahre während seiner Reisen durch Frankreich, Spanien, Italien und

Griechenland betrachtet, ja bewundert haben mag und wie sie später mit dem zwischen Volks- und Kunstlied changierenden Song »Paese mio, che stai sulla collina, disteso come un vecchio addormentato« zu hoher Bekanntheit gelangen würde. Herrey nutzt allein die Mittel der Stufung, der Faltung, der Strömung, um die Bauten und Straßen sowie die Räume zwischen den Bauten und Straßen zu formen. Die Beschränkung der Gestaltung des Äußeren der Siedlungen auf nicht mehr als drei Mittel erlaubt ihnen zu wachsen und zu schrumpfen, erlaubt ihnen also genau jenen »Metabolismus«, der mit den Namen Kiyonori Kikutake, Kisho Kurokawa und Fumihiko Maki verknüpft ist. EINE VISION FÜR MANHATTAN 1965–1968

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Hermann Herrey, Manhattan Plan, links Schema der alten Verkehrsführung, rechts Schema der neuen Verkehrsführung

Im Tunnel, auf Schleifen Wie die Ausdehnung Manhattans und wie die Errichtung der Commu­ nities hängt auch die Ordnung des Verkehrs auf Straßen und Schienen – als das dritte und vierte der sechs Elemente des Herreyschen Manhattan Plan – vom Bau jener Kästen aus Beton ab, die auf dem Boden der Flüsse ruhen. Was sich als Gürtel um die ganze Insel legt, ist ein breiter, tiefer Tunnel. Außen liegen drei Geschosse für Nah- und Fernzüge; innen liegen erst vier Geschosse für den fließenden, dann vier Geschosse für den ruhenden Verkehr, sei es mit Personen-, sei es mit Lastkraftwagen; zwischen den Schotten liegen Röhren, Kabel, Versorgungsleitungen. Auch in das Netz der Straßen von Downtown, Midtown und Uptown Manhattan greift Herrey ein. Seine Interventionen nehmen jedoch Rücksicht auf das Manhattan, wie es liegt und steht. Ohne an den Raster von Avenues und Streets als solchen zu rühren, wird der Verkehr anders organisiert. Die Darstellung der Organisation in »The Architectural Forum« – mehrere Zeichnungen, die den Künstler spüren lassen – erklärt zunächst, wie die alte Ordnung aufgrund ihrer gleichsam zentripetalen Kraft den Verkehr dauernd zum Stocken und wie die neue Ordnung aufgrund ihrer gleichsam zentrifugalen Kraft den Verkehr dauernd zum Fließen bringt. Dass der Raster von Avenues und Streets den Durchgangs- nicht vom Binnenverkehr, den Binnen- nicht 304

vom Durchgangsverkehr trennt; dass er vielmehr aufgrund Hunderter Kreuzungen zu einem ständigen Anhalten und Abfahren aller Wagen führt: Dieses Problem löst der Herreysche Manhattan Plan durch die Schaffung einer Vielzahl von Schleifen mit Verkehr in jeweils nur einer Richtung, sodass jeder Fahrer in erst größeren, dann kleineren Drehungen, also in stets kreisender Bewegung an sein Ziel kommt. Gleich unter den vier Zeichnungen, welche die alte und die neue Ordnung kontrastieren, bietet »The Architectural Forum« dem Leser eine weitere Darstellung. Diese befasst sich aber nicht, wie die eben erwähnten Zeichnungen, mit dem Binnen-, sondern mit dem Durchgangsverkehr. Punktierte Linien zeigen den kurzen Weg bei Nutzung des Tunnels, karierte Linien den langen Weg bei Nutzung der Avenues und Streets. Ferner sieht man, dass die breiten unter den vielen Streets mit je einer ihrer Parallelen lauter Schleifen bilden. Diese »loops« – etwa die 40th und die 42nd, die 57th und die 59th, die 77th und die 79th, die 94th und die 96th Streets – dienen als Mittler zwischen dem unterirdischen Fernverkehr an den Rändern und dem oberirdischen Nahverkehr in den Mitten der Insel. Den größten Eingriff erfährt die 5th Avenue. Ein Tunnel unter ihrem Asphalt soll sie oben in einen Boulevard verwandeln, auf dem sich allein Fußgänger ergehen. Wo es sich um den Verkehr in den neuen Communities an Hudson und East River, wo es sich also um das System der Ringstraßen, Stich-

Schema der Führung des Durchgangsverkehrs

straßen und Fußwege handelt, da greift der zweite Herreysche Manhattan Plan auf den ersten Herreyschen Manhattan Plan und mit ihm auf Ideen und Konzepte der Clarence Arthur Perry, Clarence Samuel Stein und Henry Wright zurück. Wo es sich aber um den Verkehr auf den Avenues und Streets des alten Manhattan handelt, da ist die Entwicklung vom ersten zum zweiten Plan klar und leicht zu erkennen. Nach dem ersten Plan wäre zwischen den 10th und 9th Avenues, zwischen den 3rd und 2nd Avenues sowie auf querenden Partien einerseits der Uptown, anderseits der Downtown ein Straßengürtel mit vier Geschossen und 24,4 Metern Höhe gebaut worden. Doch schon in den späten fünfziger, erst recht seit den frühen sechziger Jahren hätte ein solcher Exzess von Automobilismus in den Städten der USA weniger und weniger Zustimmung gefunden. Die Erfahrung des Cross Bronx Expressway in New York oder der Central Artery in Boston hatte Urbanisten und Architekten eine Lehre erteilt. So stark war diese Lehre, dass 1960 Victor Gruen in seinem Aufsatz »City Garages. Boost to Retail Sales or to Traffic Jams?« den Plan zum Bau von fünfzehn Parkhäusern für zehntausend Kraftwagen in Midtown Manhattan einen »Schritt auf dem Weg zum Selbstmord durch das Auto« genannt hatte. So stark war diese Lehre, dass 1961 Percival Goodman und Paul Goodman in ihrem Aufsatz »Banning Cars from Manhattan« den Vorschlag einerseits des Verbots von Privatautos auf

der Insel, anderseits der Schließung von etwa der Hälfte der Avenues und neun Zehntel der Streets unterbreitet hatten. So stark war diese Lehre, dass 1963 Serge Chermayeff und Christopher Alexander in ihrem Buch »Gemeinschaft und Privatbereich im neuen Bauen. Auf dem Wege zu einer humanen Architektur« das Auto gar als »Feind Nummer 1« der Stadt verdammt hatten. Eine Kritik wie die von Gruen hätte auch Herrey unterstützen können, ein Projekt wie das von Goodman und Goodman wohl nicht. War ihm etwa bewusst, dass die Verwandlung Manhattans in ein Fußgängerparadies dem durch und durch urbanen Charakter der Metropole New York eher schaden als nutzen würde? Projekte und Proteste Anfang des Jahres 1967 bot das Museum of Modern Art (MoMA) New York eine Ausstellung, die unter dem Titel »The New City. Architecture and Urban Renewal« den Besucher mit vier Projekten vertraut machte. Sämtliche Entwürfe stammten von Studenten renommierter Universitäten; sämtliche Entwürfe suchten nach Lösungen für den Um- und Neubau weiter Teile Harlems. Das Vorwort des Katalogs hatte Sidney J. Frigand verfasst, lange Jahre Stellvertreter des Geschäftsführers der New York City Planning Commission. Hinter dem simplen Titel des Vorworts – »A Perspective on Planning« – verbirgt sich ein Aufsatz, in EINE VISION FÜR MANHATTAN 1965–1968

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welchem jedes Wort von Erfahrung gesättigt ist. Der Autor schildert, wie stark in New York die Interessen differieren, ja konfligieren, wenn es um die künftige Entwicklung des städtischen Gefüges geht. Ohne auch nur einen Namen zu nennen, deutet er auf eine paradoxe Simultaneität: die zwischen dem urbanistischen Maximalismus auf der einen, dem urbanistischen Minimalismus auf der andern Seite. Frigand notiert, New Yorks »Größe und Grandeur« hätten im Lauf der Zeit schon bei manchem Planer zu einer »Halluzination« geführt. Leider sagt der Autor dem Leser nicht, welche Halluzination welches Projekt zum Leben erweckt habe. Doch muss man die von allem Technischen beseelten sechziger Jahre lange durchstreifen, um jene Vorhaben zu entdecken, die er meint? Nein, ihre Bilder treten rasch vor Augen. Es ist – zum Beispiel 1964 – Yona Friedmans schon ein halbes Jahrzehnt zuvor für Paris und Tunis konzipiertes, auf sämtlichen Zeichnungen schwerelos wirkendes Stab-, Fach- und Raumwerk einer »ville spatiale«, die an genau jener Stelle über dem Hudson schwebt, wo später die Battery Park City gebaut wird. Es sind – zum Beispiel 1965 – Richard Buckminster Fullers riesigen Kühltürmen gleichende, hundert Geschoss hohe Wolkenkratzer, die auf Stützen zehn Geschoss über dem Boden von Harlem stehen und 250 000 Menschen eine Wohnung geben, deren Eingang sie auf einer endlosen Spirale im Inneren der Gebäude erreichen. Es ist – zum Beispiel 1968 – Moshe Safdies wie neun Segel von drei Masten und zig Seilen hängende Siedlung »Habitat II«, deren drei Gebäude mit je fünfzig Geschoss ein Stück südlich der Brooklyn Bridge aus dem Wasser des East River ragen. Es sind – zum Beispiel um 1970 – Paul Rudolphs Vorschläge für die Gestaltung der näheren Umgebung des auf acht Spuren mal als Tief-, mal als Hochstraße vom Holland Tunnel zur Chrystie Street und von diesem Rondell weiter zur Williamsburg Bridge und zur Manhattan Bridge geführten Lower Manhattan Expressway. Auf voller Länge zwischen Hudson und East River, von dem Rondell bis zu den beiden Brücken sogar steigend und steigend, laufen links und rechts und über dem rauschenden Expressway Bänder einer modularen, terrassierten Architektur, die den britischen Architekturhistoriker Reyner Banham später in solchem Maße faszinieren werden, dass er eine Zeichnung Rudolphs mit den Bauten über und neben dem Expressway für den Umschlag seines Buches »Megastructure. Urban Futures of the Recent Past« nutzen wird. Ob »ville spatiale« oder »Habitat II«, die erwähnten Projekte hatten Freunde und Feinde. Frigand notiert: »Wenn irgendwer irgendwo irgendwas zu Fall bringen will, dann in New York.« Nach Jahren mit wer weiß wie vielen Anhörungen und Besprechungen im Rathaus folgert der Autor, dass nicht allein Bürger, sondern auch »Protestierer von Berufs wegen« in den Kampf zögen, wenn sie einen Ort bedroht sähen. 306

Das soziale und politische Engagement der Bürger gründete auf eigener Wahrnehmung. Zu Hilfe kam ihnen jedoch ein Buch, das die fachliche Debatte in den USA der sechziger Jahre wie kein anderes berührte, ja beherrschte. Die Rede ist von Jane Jacobs; die Rede ist von »Tod und Leben großer amerikanischer Städte«. Getragen einerseits durch die Erfahrung der Häuslichkeit und Nachbarschaft im West Greenwich Village von Manhattan, anderseits durch die Aktivität als Redakteurin der Zeitschrift »The Architectural Forum«, verwirft die Autorin den durch Architektur dominierten Urbanismus von Daniel H. Burnham über Ebenezer Howard zu Le Corbusier. Utopien wie die City Beautiful, wie die Garden City, wie die Ville Radieuse sind für Jacobs ein absolutes Anathema. »Klein Hänschen fröhlich im Grase spielen zu lassen«, diese Sehnsucht nach dem Hochhaus auf der Wiese habe die Planer blind und taub gemacht. Sie hätten kein Gespür mehr für die Qualität des städtischen Gefüges von Häusern, Blöcken, Straßen, Plätzen, vor allem kein Gespür mehr für deren Nutzung im Alltag. Die Deutungs­hoheit von Politikern und Investoren, von Urbanisten und Architekten in Sachen Stadt schade der existenten Vitalität. Die Städte der Planer seien nur eines: uniform und ordinär. Ein Plan aus der Zeit, aber ohne Chance Friedman, Fuller, Safdie, Rudolph standen für eine Politik der großen Sprünge, die am liebsten alles verändern will; Jacobs und ihr Gefolge standen für eine Politik der kleinen Schritte, die am liebsten alles bewahren will. Keine Frage, solche ›Lager‹ zu bilden simplifiziert die Realität New Yorks. Denn es scheint, als ob sich die Ideen und Konzepte beider Seiten im Herreyschen Manhattan Plan träfen. Auf jeden Fall spricht die Balance eher größerer äußerer und eher kleinerer innerer Eingriffe für Herreys Sorgfalt beim Umgang mit dem Neuen und dem Alten. Noch klarer wird der Rang seiner Arbeit, wenn man sie mit der Monomanie und dem Gigantismus Fullers und Rudolphs vergleicht, die beide kein Hehl daraus machten, dass sie ganzen Blöcken und Straßen der Insel ihre und nur ihre Architektur oktroyieren wollten. Herrey aber wusste – schon zu Zeiten seiner Aufsätze über organischen Urbanismus in »The Architectural Forum« und »Pencil Points« 1944 sowie in »L’Architecture d’Aujourd’hui« 1947 –, dass das genuin Urbane leidet, wenn nicht der Stadtmensch, sondern die Baukunst den Stadtraum bestimmt. Zum Kern des Herreyschen Manhattan Plan gehört die Schaffung von Neuland, die ohne faustische Energie, ohne den Geist von Colony und Frontier kein Mensch in Angriff nehmen würde. Herrey selbst rückte sein Projekt in die Nähe solcher staatlicher Investitionen, wie sie in den frühen dreißiger Jahren für die Tennessee Valley Authority (TVA) oder in den späten fünfziger Jahren für die National Aeronautics

and Space Administration (NASA) durch die Regierung der USA bewilligt worden waren. Wer aber in Bezug auf die städtische Entwicklung Manhattans wirklich Großes leisten wollte, der durfte Mitte der sechziger Jahren nicht auf Hilfe nach Art des Rooseveltschen New Deal hoffen, musste sich vielmehr sei es mit der Familie Rockefeller, sei es mit dem Board of Estimate, sei es mit dem Department of Marine and Aviation, sei es mit der Port of New York Authority, sei es mit der Downtown Lower Manhattan Association verbünden. Kurz, er musste eine zähe Lobby haben. Ob sich auch nur einer unter den mächtigen Vertretern von Kapital und Politik in New York gefunden hätte, der sich vom Herreyschen Manhattan Plan hätte begeistern lassen, ist fraglich; ging es doch primär nicht um profitable Wohnungs-, Geschäfts- und Bürobauten, sondern um die Vision von fünfundvierzig Communities, die den Status je eigener Kommunen erhalten sollten. Jeder der Zick-Zack-Bauten, die man auf den Herreyschen Zeichnungen nur als mal graue, mal schwarze Zick-Zack-Bänder sieht, jedes dieser gestuften Gebilde hatte das Potential zu einem Typus, dem die Zeitschrift »Progressive Architecture« in Heft 7/1968 den Namen »omnibuilding« gab. Nicht für die historischen noch für die aktuellen Varianten des Typus fand dieser Name Eingang in den architekturhistorischen Diskurs. Doch was die Herausgeber der Zeitschrift im Vorwort des Heftes über Omnibuildings zu sagen hatten, das hätte – vielleicht – auch über Herreys Communities gesagt werden können. Ein Omnibuilding, heißt es in »Progressive Architecture«, sei ein »Container mit enormem Volumen und multipler Funktion«. Die sich dort Tag für Tag äußernde »humane Energie« habe eine solche »Dichte«, dass sie sich »materiell« wie »spirituell« immer wieder neu schaffe. Ein Omnibuilding verlange eine Gesellschaft mit höherem Bewusstsein für das Spiel von Konsens und Dissens, mit höherem Bewusstsein von Freiheit. Ein Omnibuilding könne schließlich zu einem Mittel für den »Umbau der Gesellschaft« werden.

das Werk des Architekten, Szenographen und Lehrers zu desssen hundertstem Geburtstag im Jahr 1969 mit einem Band ihrer Schriftenreihe feiern wollte. Am 20. August 1968 sandte Posener ein Schreiben an alle Poelzigschüler; er bat um Unterstützung seiner Arbeit. Auch Herrey bekam diesen Brief, ergänzt um eine Notiz vom 23. August 1968, in der Posener seine Hoffnung auf einen Beitrag Herreys zum Ausdruck brachte. »Sie haben dem Meister sehr nahe gestanden. Und ich stehe nicht an, Ihnen zu sagen, was Sie wissen, daß ohne 1933 Ihre Arbeiten zuerst genannt werden würden, wenn von Poelzigs Nachfolge die Rede ist.« Eine Antwort folgte nicht. Hermann Herrey starb am 7. Oktober 1968. Der Witwe kondolierte Posener drei Tage später: »Der Mann ist immer auf die Zukunft ausgerichtet gewesen, obwohl ich die Bitterkeit darüber kenne, daß seine Vergangenheit nicht so war, wie es ihm nach seinem Genie zugekommen wäre. Er hat trotzdem das, was vor ihm lag, erheblich ernster genommen. Daß auch das Torso geblieben ist, empfinden wir alle besonders schmerzlich.«

Magnum Opus »Vielen Dank für die Weihnachtskarte. Es war gut, daß wir uns 67 gesehen haben. Ich war drauf und dran zu sagen: 68 wieder! Wenn aber Ihr Manhattan Plan wirklich den Widerhall findet, von dem Sie schreiben, dann sollte man Ihnen wünschen, daß Sie sich ein paar Jahre lang vor Arbeit nicht von der Stelle rühren können; denn dies ist das magnum opus Ihres Lebens.« Einen Brief mit diesen Zeilen schickte Julius Posener an Herrey. Es war Ende Januar 1968. Wenig später begann der nach Berlin West remigrierte Architekturhistoriker mit der Arbeit an einem Buch über Hans Poelzig. Den Auftrag hatte die Akademie der Künste erteilt, die

EINE VISION FÜR MANHATTAN 1965–1968

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WERKVERZEICHNIS Das Werkverzeichnis umfasst allein die in diesem Buch genannten, realisierten und nicht realisierten Arbeiten Hermann Zweigenthals / Hermann Herreys aus dem Bereich der Architektur, des Urbanismus, des Interior Designs und des Theaters. Die Jahreszahlen beziehen sich auf den Abschluss des jeweils genannten Werks. Das Werkverzeichnis ist strikt chronologisch. Zugleich ist es vorläufig. Ein genaues Werkverzeichnis bedarf weiterer Recherche im verstreuten Nachlass Zweigen­ thals / Herreys. Alle publizierten und nicht publizierten Schriften Zweigenthals / Herreys erscheinen in der Bibliographie.

1929 | Wohnung Lothar Müthel Berlin

1924 | »Der Mantel« von Giacomo Puccini Deutsches Opernhaus Charlottenburg, Berlin Szenographie

1931 | Krematorium Graz Wettbewerb nicht realisiert

1925 | »Der sprechende Affe« von René Fauchois Komödie, Berlin Szenographie

1931 | »Die natürliche Tochter« von Johann Wolfgang von Goethe Preußisches Staatstheater Schauspielhaus am Gendarmenmarkt, Berlin Szenographie

1926 | »Die Brautwahl« von Ferruccio Busoni Städtische Oper Berlin, Berlin Szenographie 1927 | Amphitheatrales Logentheater Berlin Diplomarbeit nicht realisiert 1929 | »Orpheus« von Jean Cocteau Theater am Schiffbauerdamm, Berlin Szenographie

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1930 | Wohnung Erich Schatzki Berlin 1930 | Wohnung Hermann Vollmer Berlin 1930 | Kant-Garagen-Palast Berlin mit Richard Paulick 1930 | Schuhhaus Jacoby Frankfurt am Main

1932 | Wachsendes Haus Berlin Musterhaus im Rahmen der Ausstellung »Sonne, Luft und Haus für Alle« 1932 | »Faust. Der Tragödie Erster Teil« von Johann Wolfgang von Goethe Preußisches Staatstheater Schauspielhaus am Gendarmenmarkt, Berlin Szenographie 1935 | Eingang Wohnung Arthur Schnitzer Wien

1935 | Wohnung Heinrich und Lilly Schnitzler Wien 1937 | Haus Scrutton Virginia Water, Surrey 1938 | »They Walk Alone« von Max Catto Q Theatre, Brentford, London Szenographie 1939 | »Road Architecture. The Need for a Plan« I Royal Institute of British Architects (RIBA), London Ausstellungsgestaltung nicht realisiert 1939 | Haus Paul Jolowicz London 1939 | »Julius Caesar« von William Shakespeare Q Theatre, Brentford, London Szenographie 1942 | »Road Architecture. The Need for a Plan« II Museum of Modern Art (MoMA), New York City Ausstellungsgestaltung nicht realisiert 1943 | Manhattan Plan I New York City Studie zum Um- und Neubau Manhattans nicht realisiert

1944 | Flugzeugsitze Switlik Parachute Company, Trenton / New Jersey Studie in Teilen realisiert 1946 | Q Theatre Brentford, London nicht realisiert 1948 | Villa Court Garden Apartments Hempstead / New York nicht realisiert 1950 | Haus Robert und Lola Mautner Massapequa / New York 1950 | Haus Alma Morgenthau Lattingtown / New York

1957 | »Die Stühle« von Eugène Ionesco Tribüne, Berlin West Inszenierung und Szenographie

1959 | »Landschaft mit Figuren« von Wolfgang Hildesheimer Tribüne, Berlin West Inszenierung und Szenographie

1958 | Haus der Jüdischen Gemeinde Berlin Berlin West Wettbewerb nicht realisiert

1960 | Theater der Stadt Trier Trier Wettbewerb nicht realisiert

1958 | Hauptstadt Berlin Wettbewerb nicht realisiert

1960 | »Macbeth« von William Shakespeare Theater am Kurfürstendamm, Haus der Freien Volksbühne Berlin (FVB), Berlin West Inszenierung und Szenographie

1958 | »Herrenhaus« von Thomas Wolfe Stadttheater Konstanz, Konstanz Inszenierung und Szenographie

1964 | Mietwohnhaus »The Peabody« Brookline / Massachusetts

1953 | Nedick‘s Store Queens, New York City Umbau eines Fast-Food-Restaurants nicht realisiert

1958 | »Die Zofen« von Jean Genet Tribüne, Berlin West Inszenierung und Szenographie

1953 | Lampenschirme Rudolph K. Waldman Company, Hartford / Connecticut nicht realisiert

1958 | »Jacques oder Der Gehorsam« von Eugène Ionesco Tribüne, Berlin West Inszenierung und Szenographie

1955 | »König Nicolo oder So ist das Leben« von Frank Wedekind Garten Haus Pertzoff, Lincoln / Massachusetts Inszenierung und Szenographie

1958 | »Hedda Gabler« von Henrik Ibsen Wuppertaler Bühnen, Wuppertal Inszenierung und Szenographie

1956 | »Der Widerspenstigen Zähmung« von William Shakespeare Stadttheater St. Gallen, St. Gallen Inszenierung und Szenographie

1964 | Büro- und Geschäftshochhaus »10 State Street« Boston / Massachusetts Studie zur Nutzung des Grundstücks nicht realisiert 1968 | Manhattan Plan II New York City Studie zur Erweiterung sowie zum Um- und Neubau Manhattans nicht realisiert

1959 | »Der bemerkenswerte Mr. Pennypacker« von Liam O’Brien Hamburger Kammerspiele, Hamburg Inszenierung und Szenographie

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REGISTER Verzeichnet wurden Personen, Institutionen sowie die im Buch behandelten Werke Hermann Zweigenthals / Hermann Herreys. A Aalto, Alvar 210, 254, 256, 262 Abbott, Berenice 170 Abelles, Ferdinand 8 Abelles, Henriette 8 Abelles, Therese Henriette 8 Adamov, Arthur 235 Adelphi Theatre, London 121 Adenauer, Konrad 207, 227 Adorno, Theodor W. 139, 151, 220, 221, 240 Akademie der Bildenden Künste, Wien 12, 17, 62, 98, 204 Akademie der Künste, Berlin 29, 30, 42, 113, 264, 307 Alan M. Voorhees & Associates, Washington, D. C. 296 Alberti, Leon Battista 109 Albertina, Wien 21 Alexander, Christopher 305 Allen, Marjorie 101 Altdorfer, Albrecht 49, 280 Alter, Henry C. 197 American Academy of Arts and Sciences, Boston 138, 144, 148, 149, 151 American Institute of Architects 171, 291 American Philosophical Society, Philadelphia 144, 145, 148, 174, 177 American Veterans Care Organization Apartments Incorporated, Westbury / New York 180 Anderson, Hobson Dewey 175 Anderson, Martin 301 Anker, Alfons 69 Appia, Adolphe 50 Aravantinos, Panos 41 Architectural Association School of Architecture, London 114, 116, 142 Aristoteles 236 Armstrong, Louis 207 Arndt, Adolf 284 310

Arup, Ove 101 Ashcroft, Peggy 122 Asplund, Erik Gunnar 20 Aufricht, Ernst Josef 36, 41, 42, 43, 237, 284 Augenfeld, Felix 98, 179, 190, 195 Ayliff, Henry Kiell 124 B Bächer, Max 266 Bachmann, Hermann 206, 245 Bahn, Roma 42, 43 Bahr, Egon 174 Baker, Josephine 63 Baker, Sir Herbert 101 Baldwin, Hanson W. 169 Balk, Ernst Wilhelm 90 Baluschek, Hans 37 Bara, Charlotte 91 Barfuß, Grischa 228, 229, 283, 284 Barkentin, Marjorie 246 Barlog, Boleslaw 231, 245, 247 Barr, Stringfellow 175, 201, 237 Barrow, Kenneth 126 Bartning, Otto 79, 81 Baudissin, Wolf Heinrich 223 Bauer, Helga 226 Bäuerle, Walter 226 Bauhaus Dessau 24, 32, 58, 63, 66, 101, 118, 140, 142, 185, 266 Bauhaus Weimar 63 Baumann, Erich W. 215 Baumgarten, Paul 218 Bayer, Herbert 31 Beckett, Samuel 232, 247, 262 Bednarik, Karl 232 Beethoven, Ludwig van 78 Behrendt, Walter Curt 83 Behrens, Peter 114 Bel Geddes, Norman 139, 251 Belluschi, Pietro 291, 294 Benjamin, Walter 42 Berend-Corinth, Charlotte 24 Berg, Alban 194 Berger, Josef 98 Berger, Ludwig 237 Berghof, Herbert 144, 196 Bergmann, Karl Hans 274 Berliner Ensemble 220, 231

Berling, Max 28, 30, 34 Bernal, John Desmond 171 Bernstein, Leonard 170 Bertrand, Eugen 248 Besser, Joachim 210 Betjeman, John 102, 103, 107 Bie, Oscar 40 Biedrzynski, Richard 89, 90, 197 Black, Misha 103, 114, 117, 120 Blake, Peter 172, 185 Blakeley, Gerald 292 Bland, John 137, 142, 143, 166, 167, 194, 211 Bleichröder, Julius 26 Blomstedt, Pauli Ernesti 116 Blunck, Erich 24, 31 Bluth, Karl Theodor 125 Boccherini, Luigi 194 Bode, Paul 248, 262 Boese, Carl 58 Bogarde, Dirk 122, 127 Böger, Fritz 212 Böhm, Gottfried 266 Böhm, Viktor 62 Boileau, Nicolas 233 Böll, Heinrich 244 Bollert, Gerhart 58 Boltenstern, Erich 98 Bondone, Giotto di 203 Bondy, Luc 247 Borchert, Wolfgang 220, 227 Bornemann, Fritz 251 Bornemann, Walter 251, 280 Bosch, Hieronymus 204 Boston Redevelopment Authority 289 Bouché, Robert 198 Bourne, Philip W. 291 Brameld, Theodore 170 Brando, Marlon 170 Brändström, Elsa 145 Brandt, Arthur 70, 208, 284 Brandt, Hans 28 Brandt, Willy 174, 271, 276 Brecht, Bertolt 41, 200, 220, 221, 232, 270, 272, 282 Bredius, Abraham 16 Brendemühl, Rudolf 240, 281 Brentano, Clemens 16

Breuer, Marcel 7, 24, 31, 100–102, 128, 133, 134, 136, 137, 140, 177, 179, 180, 183–185, 194, 199, 288, 292 Bridgwater, Derek Lawley 115, 117 Brinckmann, Albert Erich 160 British Broadcasting Corporation 125 Britten, Benjamin 123 Brockmann, Ernst Friedrich 253 Bronnen, Arnolt 29 Brook, Peter 122, 134 Brooklyn College, New York 140 Brown, Ford Madox 63 Bruegel, Pieter d. Ä. 49, 160 Brundig, Ernst 248, 262 Brzezinski, Zbigniew K. 174 Büchner, Georg 272 Budeit, Hans Joachim 266 Buffet, Bernard 244, 262 Bund Deutscher Architekten 20, 31, 212 Bundesrealschule, Wien 9, 16 Bunge, Hans-Joachim 219, 221 Buonarroti, Michelangelo 18 Burgtheater, Wien 93, 197 Burling Roesch, Clara 194 Burnham, Daniel H. 156, 158, 306 Büro- und Geschäftshochhaus »10 State Street«, Boston 291–293 Busoni, Ferruccio 40, 41, 201 C Cabot, Cabot & Forbes, Boston 292 Calder, Alexander 194 Caldwell, Erskine 246 Cambridge Theatre, London 121 Canetti, Elias 28, 100, 113 Carnap, Rudolf 170 Carolina Art Association, Charleston 140 Caspari, Peter 100 Cass, Henry 124 Catto, Max 122, 123, 197 Chaplin, Charles 170 Chaskel, Adolf 62 Chermayeff, Serge 101, 121, 171, 172, 177, 305 Chilton, Eleanor Carroll 196 Christlich Demokratische Union 227 Churchill, Henry S. 177 Churchill, Winston 135, 169 Cizek, Franz 12, 17 Coates, Wells 101, 102, 190

Cocteau, Jean 41–43, 199, 230, 284 Cole, Sidney 116 Collins, John F. 289 Comité pour la Réalisation des Problèmes d‘Architecture Contemporaine 101 Commichau, Werner 248 Conant, Kenneth John 142 Congrès Internationaux d‘Architecture Moderne 101, 142, 146, 162 Connell, Amyas Douglas 101 Conradi, Hans 73 Cooke, Francis Judd 199 Copland, Aaron 170, 186, 194 Corelli, Arcangelo 194 Cornell University, Ithaca 109, 211, 256 Corten, H. W. 274, 276 Cousins, Norman 170, 172 Coward, Noël 127 Craig, Edward Gordon 7, 50 Creighton, Thomas H. 169, 177 Cromie, Robert 121 Cronin Hastings, Hubert de 102 Curjel, Hans 252, 254 Czaschke, Walter 227 D Da Vinci, Leonardo 74 Dammert, Hansjörg 42 Danube Valley Authority 168 Davis, Saville 199 Deilmann, Harald 248 Demmer, Friedrich 218 Derwent, Clarence 204, 205 Deutsch, Ernst 122, 166 Deutsche Shakespeare-Gesellschaft, Weimar 268 Deutscher Auto-Club 70, 74, 208 Deutscher Bühnen-Klub, Berlin 268, 275, 279 Deutscher Normenausschuss 251 Deutscher Werkbund 31, 34, 56, 58, 60, 61, 63, 85, 266 Deutsches Opernhaus Charlottenburg, Berlin 20, 36, 37, 39, 51, 57, 132, 197 Deutsches Schauspielhaus, Hamburg 275, 274, 275, 276 Deutsches Theater, Berlin 21, 35, 52, 58, 268 Devinoy, Pierre 211 Dewey, John 147, 175 Diebold, Bernhard 42, 43, 50 Dieckmann, Erich 61

Dieterle, William 274 Doblhoff, Raimund von 266 Döcker, Richard 213 Dollfuß, Engelbert 98 Donath, Ludwig 44 Dorsch, Johannes 248 Downes, Olin 194 Dramatisches Theater, Berlin 35 Dramaturgische Gesellschaft, Berlin 237, 270 Draper, Muriel 170, 177 Dreyfuss, Henry 139 Duncan, Ronald A. 114, 134 Dürer, Albrecht 49, 204 Durieux, Tilla 51, 91 Dürrenmatt, Friedrich 219, 220, 274 Düttmann, Werner 264 Dvorˇák, Antonín 171 E Ebasco Services Inc., New York 295 Eckard, Max 281 Eckhardt, Ferdinand 73, 75 Eckstein, Hans 85 Eco, Umberto 270 Egermann, Emil 85 Eggers & Higgins, New York 295 Ehre, Ida 230, 275 Eichendorff, Joseph von 13–16 Eidgenössische Technische Hochschule, Zürich 56 Eiermann, Egon 7, 18, 20–22, 24, 28, 31–34, 36, 37, 61, 62, 79, 91, 250, 253 Einem, Gottfried von 202 Einstein, Albert 169, 174 Einzig, Leo 250, 251 Eisler, Hanns 144 Eisler, Max 93,98 Elisabeth II. 128 Elster, Hanns Martin 89 Embassy Theatre, London 123–125 Emberton, Joseph 114 Emerson, William 195 Emmerich, Paul 24, 79 Engel, Erich 268 Engel, Fritz 38, 44 Erfurth, Ulrich 274, 276, 277 Erle, Broadus 194 Esslin, Martin 247

311

F Fabbri, Diego 279 Fadejew, Alexander 170, 172 Fahrenkamp, Emil 32, 91 Faktor, Emil 42 Falk, Norbert 42 Fast, Howard 172 Fauchois, René 38 Faugeron, Jean 211 Faulkner, William 199, 207 Federal Housing Administration 165, 286 Fehling, Dora 240, 241, 243, 281, 285 Fehling, Jürgen 46, 230 Fellerer, Max 98 Felsenstein, Walter 231 Ferstel, Heinrich von 18 Festhalle, Tuttlingen 226 Festspielhaus, Salzburg 35, 53–57, 257, 258 Feuchtwanger, Lion 170 Feydeau, Georges 233 Fischel, Oskar 198 Fischer, Wend 254 Fishbein, Frieda 196 Flatter, Richard 270 Flinck, Govert 16 Ford, James 184 Ford, Katherine Morrow 184 Fortuny y Madrazo, Mariano 132 Foundation for World Government 174, 175, 176, 177, 201 Fra Angelico 203 Franck, Carl Ludwig Philipp 100 Franck, Walter 46–48, 125, 200, 204, 262, 277, 285 Franco, Francisco 124 Frank, Josef 12, 62, 98, 109, 139, 156, 157, 177, 287 Franke, Klaus 212 Fränkel, Rudolf 100 Franklin Institute, Philadelphia 139 Franz I. von Frankreich 74 Freie Demokratische Partei 227, 274 Freie Universität Berlin 273 Freie Voksbühne, Berlin 7, 38, 48, 53, 57, 125, 230, 231, 247, 268–284 Freud, Ernst Ludwig 100, 108, 195 Freud, Sigmund 10, 233 Friedman, Yona 306 Friedmann, Ernst 81 Friedrich-Wilhelms-Universität, Berlin 100 312

Frigand, Sidney J. 305, 306 Frisch, Max 220, 273 Fry, Edwin Maxwell 101, 102 Fuller, Richard Buckminster 306 Fürlinger, Friedrich 211 Furtwängler, Wilhelm 197 FVB-Theater-Betriebs-GmbH, Berlin 274 G Gaiser, Heinz 253 Galinski, Heinz 215 Gans, Herbert J. 289 Garbo, Greta 138 Gardner, James 120 Gassman, Vittorio 276 Gaus, John Merriman 138, 141, 145, 166, 180, 211 Gebauer, Christl 222 Geddes, Patrick 146 Gellhorn, Alfred 79, 100, 214, 215 Gemäldegalerie der Akademie der Bildenden Künste, Wien 204 Genet, Jean 232, 238–241, 245, 268, 281 Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehörigen 251 Georg, Manfred 50 Gerlach, Hans Egon 237, 238 Gilbert, C. P. H. 186, 188 Gisel, Ernst 253 Glaser, Curt 31 Glass, Eric 196 Gliese, Rochus 20, 21 Gloag, John 102 Globe Theatre, London 223 Goethe, Johann Wolfgang von 43–46, 50, 201, 202 Gold, Käthe 47 Goldfinger, Ernö 101–103, 105, 108, 114, 117, 120 Goldoni, Carlo 38, 201 Gontscharow, Iwan A. 199 Gontscharowa, Natalija Sergejewna 21 Goodhart-Rendel, Harry Stuart 116, 120 Goodman, Benny 207 Goodman, Paul 157, 158, 305 Goodman, Percival 305 Goodwin, Philip L. 139 Gorge, Hugo 98 Gottehrer, Barry 293, 298, 299 Graduate School of Design, Cambridge / Massachusetts 137, 140, 143–146, 161–163, 178, 291

Graetz, Paul 39 Grass, Günter 244 Graubner, Gerhard 248, 253, 264, 266, 267 Gregor, Joseph 21 Gressieker, Hermann 237, 238 Greuèl, Herbert 283 Grillparzer, Franz 16 Grimme, Adolf 88 Grimme, Karl Maria 237, 238 Groag, Jacques 98 Grohmann, Will 268 Gropius, Walter 31–33, 54, 57, 79, 86, 100–102, 104, 133, 134, 136, 137, 139–142, 144, 145, 151, 155, 156, 161, 162, 164, 165, 177–181, 183, 184, 194, 199, 210, 248, 251, 288, 294 Gropper, William 171 Grosse, Rudolf 215, 248 Großes Schauspielhaus, Berlin 35, 51, 52, 57, 130, 248, 257, 258, 264 Grotz, Paul 169, 177, 299 Gruen, Victor 290, 302, 305 Gruenberg, Sidonie 170 Gründgens, Gustaf 42, 47–49, 90, 197, 230, 244, 270, 275 Grüning, Ilka 278 Gruppe Junger Architekten, Berlin 28, 29, 74, 79–81, 99, 102, 113, 209, 211, 284 Gumbrecht, Hans Ulrich 234 Günther, Johannes 59 Guthrie, Leonard Rome 121 Guthrie, Tyrone 123 Guthrie, William D. 187 Gutkind, Erwin Anton 78, 100 Guttmann, Hermann Zvi 215 Gyseghem, André van 134 H Haas, Helmuth de 229 Haas, Willy 42 Haase, Günter 215 Hadank, Günther 42, 43, 90 Haerdtl, Oswald 6 Hafemann, Günther 28, 32, 79 Halewicz, Julius 41 Haley, Bill 207 Hamburger Kammerspiele 230, 268, 276 Hamburger, Adolf 70 Hamburger, Rudolf 28, 91 Hamilton, Patrick 122

Hamlin, Talbot F. 157, 177 Hammerschlag, Gertrude 13 Hansen, Alvin H. 162 Harbers, Guido 82 Harding, Valentine 111, 116 Häring, Hugo 79, 84, 85 Harlan, Veit 46–48 Harrison, Wallace K. 296, 297 Harting, Werner 250, 251 Hartmann, Nicolai 229 Harvard University, Cambridge / Massachusetts 137–141, 143–146, 159, 177, 178, 199, 290, 291, 302 Haseloff, Horst 212 Hasenclever, Walter 232 Haskell, Douglas P. 169 Hassenpflug, Gustav 266 Hauff, Wilhelm 16 Hauptmann, Gerhart 53, 78, 132 Haus Morgenthau, Lattingtown, Nassau County, Long Island / New York 186–193, 285 Haus der Jüdischen Gemeinde, Berlin 7, 214–218 Haus des Rundfunks, Berlin 30, 78 Haus Jolowicz, London 7, 105, 107–115, 136, 180, 183 Haus Mautner, Massapequa, Nassau County, Long Island / New York 179, 181–186 Haus Pertzoff, Lincoln / Massachusetts 196–205 Haus Scrutton, Virginia Water / Surrey 104, 105–107, 180 Hausen, Max von 248 Haussmann, Georges Eugène 151 Hayek, Friedrich August von 165 Hebbel-Theater, Berlin 26, 38, 53, 57, 230, 231, 240, 271, 277, 280 Hebebrand, Werner 214 Hecht, Gusti 81 Heckroth, Hein 48 Hegemann, Werner 31 Heidegger, Martin 220 Heidelberger, Michael 170 Heilborn, Ernst 38 Heilbut, Iven George 236 Heinicke, Erich 79 Heise, Heinz 215, 218 Heldt, Werner 37, 207 Helldén, David 130 Hellman, Lillian 170 Hemingway, Ernest 207

Henri, Marc 121 Henrichs, Helmut 219 Henry Florence Memorial Hall, London 116, 118, 119, 120 Henseleit, Felix 268 Hentrich, Helmut 18, 20, 24, 28, 253 Hering, Gerhard F. 219, 284 Herrera, Philip M. 292 Herrey Development Corporation, Boston 285, 286, 288 Herrey, Antony 7, 136, 137, 199, 253, 291, 292 Herrey, Julian 136, 137 Herrmann, Friedrich H. 100 Herrmann, Trude 94, 96 Herzfeld Naumburg, Elsa 138, 144 Hesse, Carl 62 Hesse, Franziska 62 Hessel, Ehrenfried 214, 216 Hesterberg, Trude 246 Heuss, Theodor 257, 258 Heym, Stefan 170 Hilberseimer, Ludwig 79, 84, 85, 157, 158 Hildebrand, Helmut 235 Hildesheimer, Wolfgang 232, 244, 245, 246, 247 Hill, Oliver 104, 106, 114 Hillebrecht, Rudolf 214 Hirschfeld, Kurt 219, 220 His Majesty´s Theatre, London 125 Hitler, Adolf 34, 86, 87, 89, 90, 98, 124, 134, 145, 165, 215, 232, 277 Hitzig, Friedrich 17 Hochdorf, Max 42 Hocheder, Karl 248 Hoefer, Paul A. 178 Hoffmann, E. T. A. 40 Hoffmann, Franz 19 Hoffmann, Josef 12, 19, 111 Höflich, Lucie 278 Hofmann, Karl 98 Hofmannsthal, Hugo von 203 Hofstede de Groot, Cornelius 16 Holzmeister, Clemens 57 Homolka, Oskar 122 Hook, Sidney 173 Horkheimer, Max 139, 151 Horlitz, Albert 274 Horthy, Miklós 124 Horwitz, Kurt 237

House Un-American Activities Committee 169, 177 Howard, Ebenezer 306 Hubalek, Claus 272 Huber, Ludwig Ferdinand 45 Hudnut, Joseph 138, 139, 140, 141, 142, 143, 144 Hudson Theatre, New York 196 Hugo, Jean 42 Huhn, Ernst 248 Humphrey, Hubert H. 175 Hunt, William Holman 63 Huntington, Samuel P. 174 Hutchins, Robert M. 175 Huxley, Julian 168 Huxtable, Ada Louise 297 Hynes, John B. 289 I Ibsen, Henrik 35, 53, 132, 221, 228, 229, 237, 238 Ihering, Herbert 42, 125, 219, 282 Illinois Institute of Technology, Chicago 158 Institute for Planning, McGill University, Montreal 142, 143, 144 Inszenierung und Szenographie »Die Zofen« von Jean Genet, Berlin 232, 238–241, 278 Inszenierung und Szenographie »Landschaft mit Figuren« von Wolfgang Hildesheimer, Berlin 232, 244–246, 284, 285 Inszenierung und Szenographie »Hedda Gabler« von Henrik Ibsen, Wuppertal 228, 229, 238 Inszenierung und Szenographie »Jacques oder Der Gehorsam« von Eugène Ionesco, Berlin 232, 238, 241–244, 247, 278 Inszenierung und Szenographie »Die Stühle« von Eugène Ionesco, Berlin 14, 221, 232, 233-238, 247, 282 Inszenierung und Szenographie »Der bemerkenswerte Mr. Pennypacker« von Liam O’Brien, Hamburg 230, 268 Inszenierung und Szenographie »Macbeth« von William Shakespeare, Berlin 123, 232, 268, 271, 276–282, 284, 285 Inszenierung und Szenographie »König Nicolo oder So ist das Leben« von Frank Wedekind, Lincoln / Massachusetts 198–205, 224, 251 Inszenierung und Szenographie »Herrenhaus« von Thomas Wolfe, Konstanz 224–227 International Theatre Institute, Paris 128, 251 Ionesco, Eugène 14, 232, 233, 235, 236, 237, 238, 240, 241, 242, 244, 245, 247, 268, 281, 282 Isaacs, Reginald R. 165, 175

313

J Jacobi, Johannes 219, 230, 232, 252, 275 Jacobs, Jane 293, 301, 306 Jacobs, Monty 42, 48, 89 Jacobsen, Arne 210 Jaenecke, Fritz 28, 29, 32, 34, 79, 99, 100, 101 Jahnn, Hans Henny 219 James, Frank Cyril 143, 144 James, William 236 Jaretzki, Hans Sigmund 100, 108 Jarry, Alfred 236 Jauß, Hans Robert 270 Jeanneret, Pierre 128 Jefferson, Thomas 6, 147, 148, 175 Jessner, Leopold 6, 29, 35, 44, 50, 58, 122, 124, 125, 126, 200, 270, 282 John Simon Guggenheim Memorial Foundation, New York 145, 177 John V. Lindsay 298, 299 John, Karl 230, 273 Johnson, Alvin S. 144 Johst, Hanns 90 Jolowicz, Hermann 107 Jolowicz, Paul 107, 112 Jordan L. Gruzen 292 Jørn Utzon 254 Josten, Walter 270 Joyce, James 236, 237, 246, 247, 284 K K.K. Staats-Realschule, Wien 9, 11, 12, 16, 194 Kachler, Karl Gotthilf 224 Kahler, Ernst 277 Kahn, Albert E. 172 Kaiser, Georg 35, 228 Kallmann, Gerhard M. 290 Kallmorgen, Werner 248, 252, 266 Kammerspiele des Deutschen Theaters, Berlin 35, 52, 283 Kant-Garagen-Palast, Berlin 7, 69–77, 88, 130, 166 Karsch, Walther 219, 221, 236–238, 242, 268, 271, 273, 275, 276, 282, 283, 285 Kastner, Rudolf 40 Katann, Oskar 21 Kaufmann, Eugen Karl 102 Kaufmann, Oskar 38, 43, 52, 53, 67, 271 Kazantzakis, Nikos 134 Keller, Gottfried 16 Kelly & Gruzen, New York 292 314

Kennedy, John F. 299 Kenter, Heinz Dietrich 219 Kepes, György 193 Kerr, Alfred 42, 43, 49, 91, 200, 201, 229, 282, 284 Kersten, Kurt 42 Kienzl, Florian 222, 235, 240, 241, 268, 273, 276, 278, 285, 293 Kienzle, Otto 70 Kiesler, Friedrich 21, 35, 54 Kikutake, Kiyonori 303 Kirchhoff, Ernst 249, 250, 251 Kirchwey, Freda 173 Kirkland, Jack 246 Klaar, Alfred 200 Kleist, Heinrich von 238, 272 Klien, Erika Giovanna 13 Klimt, Gustav 14 Knina, Gustav 35 Knoblauch, Dieter 215, 218 Knopf, Julius 42, 43 Knowles, Edward F. 290 Knudsen, Hans 273, 274 Koch, Heinrich 277 Koch, Richard 70 Koeppen, Wolfgang 207 Koetter, Fred 254 Köhler, Hans 28, 32, 34, 79 Kokoschka, Oskar 134 Kolliner, Else 40 Komische Oper, Berlin 231 Kommunistische Partei Deutschlands 274 Komödie, Berlin 36, 38, 39, 51–53, 230, 271, 272 Konzerthaus, Wien 21, 35 Köppen, Franz 44, 47 Koppenhöfer, Maria 42, 46 Körber, Hilde 277 Korn, Arthur 19, 100, 102 Korschelt, Oskar 70, 73 Kortner, Fritz 29, 122, 230, 232, 237, 245 Köster, Heinz 278 Kotschenreuther, Hellmut 274, 276, 281 Kott, Jan 280 Kowa, Victor de 232 Krajewsky, Max 59, 60 Kramer, Ferdinand 61 Krasna, Maria 235, 236 Kraus, Karl 10, 11

Krauss, Werner 46–48, 89, 197 Kreibig, Erich 223, 224, 227 Krencker, Daniel 19, Kroll, Erwin 268 Kropotkin, Peter 146 Krüger, Wilhelm 44 Krull, Hans 281 Krumm, Reinhard 280 Krünes, Erik 42 Kruspi, Friedrich 274 Kuhnert, Walter 215 Kunstgewerbeschule des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie, Wien 6, 17, 19, 62 Kunstgewerbeschule, Aachen 31 Kunsthistorisches Museum, Wien 16, 160, 204 Kurokawa, Kisho 303 L La Guardia, Fiorello 151, 155 La Tour d’Auvergne, Bernard de 211 Laban, André Perrottet von 251 Labiche, Eugène 233 Lachmann-Mosse, Felicia 51 Lafitte, François 135 Lallerstedt, Erik 130 Landestheater Darmstadt 219, 233, 249 Lang, Fritz 58 Lash, Joseph P. 173 Lautner, Theodor 98 Laverdet, Gaston 121 Lazarus, Fritz 25, 28, 34, 70 Le Corbusier 32, 96, 101–103, 105, 114, 128, 143, 146, 155, 158, 160, 180, 211, 251, 293, 306 Legal, Ernst 46 Lehmann, Beatrix 123 Lehmann, Lilli 186 Leigh, Vivien 122 Leisegang, Herbert 229 Leitl, Alfons 250, 252, 253, 255, 258, 267, 285 Leon, Beatrice de 122–124, 126–128, 262 Leon, Jack de 123, 128, 196 Leonhard, Rudolf 232 Lessing, Gotthold Ephraim 197, 221, 236, 272 Levitt and Sons, New York 165 Levittown, Long Island / New York 163, 165, 294 Lewerentz, Sigurd 130 Ley-Piscator, Maria 285 Lichtblau, Ernst 98

Liebknecht, Kurt 18, 20 Liepmann, Agathe 26, 27 Liepmann, Dorothee 7, 26, 27 Liepmann, Hans 27, 219, 273 Liepmann, Hugo 26, 27 Liepmann, Käthe 99 Lietzmann, Sabina 236 Lilienthal, David E. 166, 176 Lindbergh, Charles 138 Linder, Hans Rudolf 270 Linnebach, Adolf 248 Linow, Hans 29 List, Eva 59 Littmann, Max 52 Lloyd, Richard W. 139 Löbe, Paul 168, 177 Lockwood, Margaret 122 Logue, Edward J. 289, 290, 291 Lohmüller, Bruno 70 Loos, Adolf 62, 63, 109, 110, 190, 192 Loos, Theodor 44, 45 Losch, Claudia 226, 240, 241, 243, 277, 278, 279, 280, 281 Lothar, Frank 232, 237, 276, 282 Lotz, Wilhelm 85, 190 Löw, Fritzi 16 Lubetkin, Berthold 101, 104, 106, 110, 183 Lucae, Richard 17 Lucas, Colin 101, 106 Luckhardt, Hans 19, 69 Luckhardt, Wassili 19, 69 Ludwig, Hermann 274, 275 Lueger, Karl 10 Luft, Friedrich 220–222, 231, 232, 236, 237, 239, 240, 242, 245, 247, 249, 252, 254, 271, 273, 275, 276, 282, 283, 300 Lustig, Hanns G. 42 Lutyens, Sir Edwin 101 Lynch, Kevin 160 M MacAlister, Sir Ian 115, 120 Mach, Ernst 10 Mack, Walter S. 195 Mahler, Anna 134 Mahnke, Adolf 41 Mailer, Norman 170 Maillart, Robert 116 Maison de France, Berlin 128, 244, 251

Maison de la Pensée Française, Paris 128 Maki, Fumihiko 302 Mallina, Erich 12, 17 Mandowski, Ernst 240, 242, 245, 279, 281 Manhattan Plan 6, 7, 151–158, 160, 162, 165, 199, 211, 212, 293–307 Mann, Erika 170 Mann, Heinrich 201 Mann, Klaus 90 Mann, Thomas 27, 169, 170 Mannheim, Karl 34 Marcuse, Ludwig 138 Martin, Karl Heinz 125, 232, 277 Masaryk, Jan 170 Massachusetts Institute of Technology, Cambridge / Massachusetts 193, 195, 199, 290, 291 Matthaei, Joachim 18, 23, 24 Mauclair, Jacques 235 Maurer, Heinrich 37 Mauritshuis, Den Haag 16, 149 Mautner, Lola 180, 181 Mautner, Robert 181, 186 McCarthy, Joseph R. 177, 201 McGrath, Raymond 101, 110, 114 McKinnell, Noel M. 290 McQuade, Walter 289 Mebes, Paul 24, 79, 83 Meid, Hans 38, 58 Melchinger, Siegfried 202, 233, 236, 239, 248, 249, 270 Mendelsohn, Erich 19, 20, 32, 52, 57, 61, 64, 71, 75, 76, 79, 86, 100–102, 104, 125 Merrill, James 293 Merveldt, Eka von 211, 214 Metropolitan Opera, New York 36, 198 Meyer, Conrad Ferdinand 287 Meyer, Friedrich 16 Meyerson, Martin 141 Meyn, Claus 72 Mies van der Rohe, Ludwig 28, 43, 96, 184, 248, 254, 265, 288, 291, 294 Mietwohnhaus »The Peabody«, Brookline / Massachusetts 286–288 Migge, Leberecht 79 Mindszenty, József 170 Minetti, Bernhard 277 Mitropoulos, Dimitri 194 Modern Architectural Research Group 101, 179, 190

Moeschke, Marlene 258 Mogge, Wilhelm 282 Moholy-Nagy, László 31, 102, 114, 118, 134 Molière, Jean-Baptiste 201, 221 Moltke, Wilhelm Viggo von 100, 178 Morgenthau, Alma 180, 186–189, 193, 194 Morgenthau, Helen 186 Morgenthau, Henry 168, 186 Morgenthau, Ruth 186 Mörike, Eduard 16 Moro, Peter 102 Morrison, Herbert S. 120 Morse, Wayne L. 175 Moschner, Manfred 236 Moser, Koloman 62 Moses, Robert 151, 157, 294, 297, 299 Mosse, Rudolf 19, 51, 52, 64, 61, 81, 82 Mozart, Wolfgang Amadeus 35, 40, 272 Muche, Georg 24 Mühr, Alfred 89, 90 Müller, Georg 70, 73 Müller, Traugott 36 Müller, William 52 Müller-Rehm, Klaus 18, 24, 28, 32, 34, 79, 209, 210, 211 Müller-Wulckow, Walter 57, 58, 190 Mumford, Lewis 146 Munch, Edvard 35 Münchner Kammerspiele 219 Münzer, Elise 42 Murnau, Friedrich Wilhelm 58 Museum of Modern Art, New York 104, 139, 141, 166, 172, 185, 196, 292, 305 Museum of Science and Industry, New York 139 Mussolini, Benito 124 Müthel, Amalie Wilhelmine 58 Müthel, Lothar 6, 31, 42–48, 58–63, 85, 88–91, 94, 109, 126, 184, 197, 288 Muthesius, Hermann 19, 61 Myers, Howard 139 N Nagel, Otto 37 National Council of the Arts, Sciences and Professions 169 National Resources Planning Board 165, 176 National Science Foundation 210 Nedick’s Company, New York 195, 198 Nedick’s Store, Flushing, New York 195 315

Neher, Caspar 46, 48, 50, 125, 126, 132, 202 Nehru, Jawaharlal 174 Nervi, Pier Luigi 291, 292 Nestriepke, Siegfried 271–278, 281, 282 Neubauer, Friedrich 62 Neues Schauspielhaus, Berlin 57 Neues Theater, Berlin 35 Neufert, Ernst 83 Neutra, Richard 75, 76, 194 Neuwirth, Gertrude 13 New Burlington Galleries, London 102, 103 New School for Social Research, New York 140, 144, 146, 157, 196 New York City Planning Commission 154–157, 295, 296, 298, 301, 305 Niedermoser, Otto 98 Niehoff, Karena 240 Nielsen, Asta 58 Niemeyer, Oscar 210 Noelte, Rudolf 272, 274–279, 284 North Atlantic Treaty Organization 169 Nowicki, Matthew 218 Noyes, Eliot 170, 177 Nuffield, Viscount 120 Nürnberg, Rolf 42 O O’Brien, Liam 232, 268 O’Neill, Eugene 196 Opus Society for the Presentation of Works of Art 199, 200, 205, 219 Ortmann, Wilfried 277 Osborn, Max 48 Oschilewski, Walther G. 271, 273, 281 Österreichische Nationalbibliothek, Wien 145 Ostertag, Roland 266 Otto, Hans 90, 197 Otto, Karl 28, 211 P Pabst, Erich 53 Panofsky, Erwin 170 Papen, Franz von 88 Paproth, Walter 275, 278 Park, Robert Ezra 147 Parker, Barry 148 Patrick, John 220 Paul, Bruno 22 Paulick, Richard 7, 18, 24, 25, 28, 29, 34, 70–72, 74–76, 91 316

Pauling, Linus Carl 170 Pauly, Georg 37 Pehnt, Wolfgang 7 Pei, Ieoh Ming 288, 290, 291 Perret, Auguste 251 Perry, Clarence Arthur 148, 154, 155, 305 Pertzoff, Constantin A. 154, 199 Pertzoff, Olga, 199 Petschnigg, Hubert 253 Pettiford, Oscar 170 Pfau, Bernhard 253 Pfeiffer, Herbert 281, 282 Piacentini, Marcello 125 Pinthus, Kurt 39, 42, 88, 144 Pipa, Arthur 226–228 Pirandello, Luigi 235 Pirchan, Emil 36, 50, 124–126 Piscator, Erwin 6, 35, 36, 50, 126, 133, 144, 196, 200, 230, 237, 245, 248, 251, 264, 276 Platz, Gustav Adolf 85 Plischke, Ernst Anton 6, 62, 98 Poelzig, Hans 6, 7, 17, 18, 22–25, 28–36, 51–56, 61, 70, 74, 75, 78–80, 84, 86, 99, 100, 103, 109, 113, 125, 130, 134, 185, 198, 248, 252, 257, 258, 266, 282, 307 Pogány, Móric 56 Polgar, Alfred 221 Poritz, Jürgen 281 Porten, Henny 58 Posener, Gertrud 18 Posener, Julius 18–20, 23, 28, 31–34, 53, 56, 62, 63, 71, 75, 82–85, 91, 109, 145, 258, 307 Posener, Moritz 20 Prampolini, Enrico 21 Preußisches Staatstheater Schauspielhaus am Gendarmenmarkt, Berlin 29, 43, 46, 58, 88, 90, 123, 124, 284 Prince Edward Theatre, London 121 Prince of Wales Theatre, London 121, 130 Proust, Marcel 233 Prouvé, Jean 266 Puccini, Giacomo 20, 21, 36, 37, 38, 40, 132, 197, 198, 202 Püringer, August 37 Q Q Theatre, Brentford, London 6, 121–136, 145, 194, 202, 217, 250, 251, 262 Quadflieg, Will 221 Queens College, City University of New York 138, 180

R Rading, Adolf 78 Raimund-Theater, Wien 93 Rand, Ayn 145 Rankin, John E. 177 Raschdorff, Julius Carl 17 Rave, Ortwin 248 Razum, Hannes 276 Reading, Charles 127 Rebitzki, Hartmut G. 267 Redslob, Edwin 44, 282 Reger, Erik 282 Regional Plan Association, New York 139 Regnier, Charles 273, 277 Reifenberg, Heinrich Julius 215 Reindl, Ludwig Emanuel 222, 223, 224, 226, 227 Reinhardt, Ad 170 Reinhardt, Max 6, 21, 35, 36, 38, 39, 50–53, 55–58, 86, 89, 128, 130, 133, 141, 145, 186, 194, 248, 262, 268, 271 Reinking, Wilhelm 48 Remarque, Erich Maria 91, 93 Renaissance-Theater, Berlin 230, 271 Renker, Jacob 70, 73 Renn, Hans-Rüdiger 246 Rensselaer Polytechnic Institute, Troy / New York 140 Reuter, Ernst 69 Reuter, Gerhard 237 Reve, Ludwig 42 Reves, Emery 169, 174 Richards, James Maude 102 Richter, Hermann 52 Richter, Walter 277 Rijksmuseum, Amsterdam 149 Rijn, Rembrandt van 16, 17, 49 Riphahn, Wilhelm 248, 253, 266 Rischbieter, Henning 247 Ritter, Heinz 245, 281 Rittweger, Otto 66 Robert, Eugen 232 Robeson, Paul 169 Rockefeller, David 295–297, 301 Rockefeller, Nelson 295–297, 301 Rodgers, Cleveland 154, 155 Rodyanko, Peter 140 Rolland, Romain 51 Roller, Alfred 12

Romanisches Café, Berlin 28, 31, 74, 91 Roosevelt, Franklin D. 138, 154 Rosenthal, Hans Werner 100 Rossini, Gioacchino 40 Roth, Josef 38 Roth, Paul Edwin 247 Rothe, Hans 268, 280 Rouson, John Henry 123 Rowe, Colin 185, 254 Royal Academy of Arts, London 101, 102 Royal Institute of British Architects, London 101, 114–116, 120, 142, 145 Rudloff, Ernst von 254 Rudolph K. Waldman Company, Hartford / Connecticut 195, 198 Rudolph, Paul 288, 306, Ruge, Herman Arnold 295 Ruhemann, Friedrich Abraham 100 Rühle, Günther 231, 245 Ruhlmann, Emile Jacques 20, 42 Ruhnau, Werner 248 Ruisdael, Jacob van 16 Rümmler, Rainer G. 215 Ruppel, Karl Heinrich 89 Rüster, Emil 22, 24 S Saarinen, Eliel 152, 155, 156 Saerchinger, César 186 Saint-Denis, Michel 133 Salle Pleyel, Paris 133 Salvisberg, Otto Rudolf 32 Samuel, Godfrey 101, 111, 116 Samuely, Felix James 102 Sand, Wolfgang 28, 211 Sander, August 22 Sanders, Walter B. 139 Sartre, Jean-Paul 229 Säume, Max 28, 32, 79 Sautter, Leopold 85 Schacter, Harry W. 176 Schaefers, Hans 215 Schanda, Maria 44, 46 Scharoun, Hans 79, 84, 86, 211, 212, 215, 248, 249, 254 Schattmann, Alfred 41 Schatzki, Erich 61, 63, 85, 138 Schaubühne, Berlin 57 Schaufelberg, Ernest 121

Schauspielhaus Bochum 233, 248, 252, 253, 264, 274 Schelling, Erich 218 Schenck von Trapp, Lothar 48 Schiff, Peter 285 Schiller, Friedrich 16, 46, 124, 126, 264 Schiller-Theater, Berlin 52, 53, 57, 200, 221, 230, 231, 247, 248, 250, 262, 271, 272, 280 Schindler, Rudolf M. 184, 194 Schlegel, August Wilhelm 271 Schlemmer, Oskar 35 Schloßpark-Theater, Berlin 230, 231, 271, 272 Schmitthenner, Paul 33 Schnabel, Artur 278 Schnabel, Stefan 277–282 Schneck, Adolf G. 61 Schneider, Hans 267 Schneider, Reinhold 219 Schnitzler, Arthur 10, 92–94, 98, 99, 236, 274 Schnitzler, Heinrich 6, 88, 93, 94, 109, 126, 136, 177, 196–198, 221, 288 Schnitzler, Lilly 89, 94, 98, 196 Schnitzler, Olga 93, 136, 139 Schönberg, Arnold 10, 42, 204 School of Architecture, McGill University, Montreal 137, 142, 143 School of Planning and Research for National Development, London 116 Schostakowitsch, Dimitri 170 Schoszberger, Hans 208, 210, 218 Schrader, Hugo 235–237, 243, 247 Schreiber, Adele 27 Schroll, Anton 14, 16 Schuh, Oscar Fritz 219, 246, 272 Schuhhaus Jacoby, Frankfurt am Main 31, 63, 64, 66–68, 109, 111, 216, 287 Schultze, Carl 70 Schultze, Friedrich 237 Schulz, Paul 186 Schulze Vellinghausen, Albert 236 Schulze-Fielitz, Eckhard 266 Schum, Alexander 40 Schumacher, Erich 228, 251 Schuman, Frederick L. 170, 174 Schuster, Franz 61 Schwab-Felisch, Hans 240 Schwadron, Ernst 98 Schwarz, Rudolf 31, 253 Schwebes Paul 208, 210, 218

Schweikart, Hans 219 Schweitzer, Jürgen 28, 32, 34, 79 Schweizer, Otto Ernst 250, 264 Schwennicke, Carl-Heinz 18, 25, 28, 34 Schwippert, Hans 250, 264, 265, 266 Schwirten, Ethel 236 Schwitters, Kurt 35 Seeßelberg, Friedrich 20, 23, 24 Seidel, Jochen 206 Seidensticker, Wilhelm 248 Sellner, Gustav Rudolf 219, 233, 249, 252 Serlin, Louis 70, 71, 73, 74 Sert, José Luis 139, 142, 146, 155, 162, 186, 188, 193, 194, 288 Servaes, Franz 42 Shaftesbury Theatre, London 123 Shahn, Ben 170 Shakespeare, William 29, 35, 40, 123, 126, 127, 197, 198, 200, 202, 208, 223–225, 232, 245, 268–273, 278–281 Shand, Philip Morton 102 Shapley, Harlow 6, 138, 143, 144, 148, 151, 157, 169–172, 174–177, 201, 237 Shaw, George Bernard 127, 245 Sheridan, Richard 127 Shotwell, Henry T. 171 Sieburg, Friedrich 220, 221 Siegmann, Gerhard 209, 210 Sievert, Ludwig 41 Simmel, Georg 27 Simmel, Gertrud 27 Simpson, William Begg 121 Singer, Kurt 40 Sirén, Heikki 253 Sirén, Kaija 253 Sitte, Camillo 81, 109, 160 Skidmore, Owings & Merrill, New York 156, 294, 295, 296 Skinner, R. T. Francis 101 Skopnik, Günter 282, 284 Smithson, Alison 211, 212 Smithson, Peter 211, 212 Sobotka, Walter 98 Sommer, Camilla 28 Sozialdemokratische Partei Deutschlands 27, 88, 227, 271, 274, 284 Speer, Albert 18, 19, 24, 197, 215 Spence, Basil 114 Spence-Sales, Harold J. A. 142, 143 317

Spiel, Hilde 272 Spitteler, Carl 28 Spitzweg, Carl 49 Staatliche Hochschule für Bildende Künste, Berlin 211 Staatliche Kunstbibliothek, Berlin 20, 31 Staatsoper Unter den Linden, Berlin 35, 39, 41, 47 Stachels, Theo 224, 225, 227, 228 Städtische Bühnen Essen 228, 248 Städtische Oper, Berlin 39, 41, 51, 230, 271, 272, 278 Städtisches Theater Malmö, Schweden 130 Stadttheater Konstanz 225–228, 230, 240 Stadttheater St. Gallen 219, 223, 224, 228, 230 Staiger, Emil 269 Stalin, Josef 124, 145, 165, 170, 172–174, 232 State Street Redevelopers 292, 293 Stauffacher, Hans Rudolf 237 Steckel, Leonard 272–274, 285 Steen, Jan 16 Stein, Clarence Samuel 154, 305 Stein, Peter 57 Steinberg, Saul 198 Steinbüchel-Rheinwall, Rambald von 28, 32, 34, 79 Steinmann, Martin 189 Stendhal 14 Stephan, Hans 215 Stern, Ernst 36, 58 Stern, Isaac 170 Sternaux, Ludwig 90 Sternheim, Carl 221, 274 Stevens Institute of Technology, Hoboken / New Jersey 140 Stiebner, Hans 235 Stoecklin, Erwin 251 Stohrer, Paul 248 Stolzer, Eugene 215 Stone, Edward A. 121 Storm, Hans 248 Strakosch-Feldringen, Helene von 93 Strakosch-Feldringen, Wally von 99 Strand, Paul 170 Strasser, Otto 90 Strehler, Giorgio 276 Strindberg, August 53, 233, 238, 245, 272, 283 Strnad, Oskar 12, 19, 62, 98 Stroux, Karl Heinz 230 Stubbins, Hugh 288 318

Sullivan, Louis H. 178 Summerson, John 99, 100 Sundahl, Eskil 116 Sutton, Shaun 125, 126 Swanson, Howard 194 Sweett, Cyril 101 Switlik Parachute Company, Trenton / New Jersey 140, 292 Switlik, Stanley 140 Sylvanus, Erwin 279 Szenographie »Die Brautwahl« von Ferruccio Busoni, Berlin 39–41, 50, 201, 284 Szenographie »They Walk Alone« von Max Catto, Brentford, London 122, 123, 126, 134, 197 Szenographie »Orpheus« von Jean Cocteau, Berlin 41–43, 50, 90, 230, 284 Szenographie »Der sprechende Affe« von René Fauchois, Berlin 38, 39, 50, 53, 284 Szenographie »Die natürliche Tochter« von Johann Wolfgang von Goethe, Berlin 43–46, 50, 90, 202 Szenographie »Faust I« von Johann Wolfgang von Goethe, Berlin 46–49 Szenographie »Der Mantel« von Giacomo Puccini, Berlin 20, 36–38, 40, 50, 132, 197, 198, 202 Szenographie »Julius Caesar« von William Shakespeare, Brentford, London 123–126, 134, 136, 145, 198, 202, 279, 280 T Tait, Thomas S. 114 Taut, Bruno 18, 79, 83 Taut, Max 19, 79 Teague, Walter Dorwin 139 Teatro alla Scala, Mailand 56 Teatro Fenice, Venedig 56 Teatro San Carlo, Neapel 56 Technische Hochschule Berlin 6, 17–22, 24–31, 36, 48, 51, 53, 61, 70, 88, 100, 141, 145, 251, 252, 258, 268 Technische Hochschule Darmstadt 219 Technische Hochschule Karlsruhe 24, 253 Technische Hochschule Stuttgart 267 Technische Hochschule Wien 17 Technische Universität Berlin 6, 25, 210, 211 Tegtmeyer, Anke 229 Tennessee Valley Authority 166, 306 Tessenow, Heinrich 17, 28, 33, 100 The Architects´ Collaborative, Boston 288 Theater am Kurfürstendamm, Berlin 219, 230, 271–278, 281, 282, 285

Theater am Schiffbauerdamm, Berlin 28, 36, 41, 42, 230, 231, 284 Theater der Stadt Trier 214, 253–267, 284 Theater in der Josefstadt, Wien 38, 52 Théâtre des Arts, Paris 42 Theatre Studio, London 133 Theresa L. Kaufmann Concert Hall, New York 218 Theunissen, Gert H. 231, 239 Thiem, Willy H. 244, 275, 276 Thilo, Hans Ludwig 222 Thomas, Norman M. 176 Thomas, Rodney 114 Thompson, Benjamin C. 291 Thompson, Rolland D. 292 Thonet, Michael 62, 63, 66 Thulesius, Daniel 248 Tieck, Dorothea 271, 280 Tietjen, Heinz 39, 47 Tito, Josip Broz 174 Titzenthaler, Waldemar 58 Tokumbet, Nina 48, 125, 126 Toller, Ernst 232 Tönnies, Ferdinand 147 Tournon-Branly, Marion 211, 212, 213 Tribüne, Berlin 231, 232, 234, 235, 236, 237, 238, 239, 240, 241, 244, 245, 271, 276, 282, 284 Trinkaus, Charles 170 Trowe, Gisela 240, 241 Truman, Harry S. 168, 172 Trutz, Wolf 42 Tschechow, Anton 225, 245 Tse-tung, Mao 169 Tucholsky, Kurt 69 Tugwell, Rexford Guy 155, 156, 162 Tunnard, Christopher 101, 141 Tynan, Kenneth 231, 232, 247 Tzara, Tristan 63, 110 U Ukrainisches Staatstheater, Charkow 133 Ulich, Robert 138, 145, 146, 165 United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization 168, 177 United Nations Organization 168, 294 United Scenic Artists 197, 198 Universal Film Aktiengesellschaft, Babelsberg 20 Universität Wien 8 University of California, Los Angeles 177, 196, 197 University of New Mexico, Albuquerque 140

University of Oklahoma, Oklahoma 140, 157 University theatre, University of California, Berkeley und Los Angeles 196, 197 Unwin, Raymond 148 Urbach, Ilse 276, 285 Urban, Erich 40, 41 V Vaganten-Bühne, Berlin 231 Vago, Pierre 210 Van de Velde, Henry 61 Veblen, Oswald 170 Veltheim, Ludolf von 28, 32, 79 Venturi, Robert 110 Verband der Deutschen Kritiker 268, 281, 282 Verdi, Giuseppe 194 Vereinigte Staatsschulen für Freie und Angewandte Kunst, Berlin 22, 29 Vermeer, Jan 16, 149 Verwaltungsgebäude der IG Farben, Frankfurt am Main 30 Viertel, Berthold 122, 123, 126, 197, 201, 237 Vietta, Egon 219, 220, 221 Vilar, Jean 276 Villa Court Garden Apartments, Hempstead / New York 180, 194 Vohsen, Erna 100 Vohsen, Ernst 100 Vohsen, Victoria 100 Völker, Heinz 215, 248 Volksbühne, Berlin 38, 48, 53, 57, 125 Vollmer, Hermann 61, 63, 85 Von der Heydt, Eduard 91 Von der Schulenburg, Werner 91 W Wachsendes Haus, Berlin 32, 33, 62, 78–87, 107, 113, 165, 184, 252 Wachsmann, Konrad 51, 178, 180 Waerndorfer, Fritz 62 Wagner, Martin 32, 69, 75–82, 85–87, 137, 138, 140–142, 144, 145, 149, 151, 155, 161–165, 177 Wagner, Otto 10, 111 Wagner, Robert F. 298 Wallace, McHarg, Roberts & Todd, Philadelphia 296, 298 Walser, Karl 35 Walsh, Raoul 38 Walter, Bruno 39

Wandel, Gerhard 231 Wanderscheck, Hermann 278, 279 Wank, Roland A. 166, 167 Ward, Basil 101, 103, 115 Warth, Otto 18 Wäscher, Aribert 46, 47, 48, 197, 285 Weber, Gerhard 248, 252 Weber, Max 150 Wedekind, Frank 198–201, 204, 224, 228, 251, 274 Wegener, Paul 58 Weidemeyer, Carl 91 Weigel, Helene 231 Weill, Kurt 41 Weininger, Richard 195 Weisenborn, Günther 237 Weitzmann, Siegfried 19 Welles, Orson 124, 279 Wells, H. G. 120 Weltmann, Lutz 42 Werner, Bruno E. 31, 42 Westecker, Wilhelm 254 Westerman, Gerhart von 232, 244, 246 Westheim, Paul 55 Weston-Wayland-Projekt 161–163 Wettbewerb Hauptstadt Berlin 210–214 Wettbewerb Theater Bonn 252, 253 Wettbewerb Theater Charkow 111, 133 Wettbewerb Theater Düsseldorf 253 Weyl, Barbara 222 Weyl, Johannes 222, 223 Weymann, Gert 272 Whalen, Richard J. 293, 298, 299 White, E. B. 137, 152, 174 White, Gilbert F. 176 Whitehall Theatre, London 121 Whitehead, Alfred North 159, 161 Whitman, Walt 147 Whittlesey, Conklin & Rossant, New York 296, 298 Wieck, Dorothea 240, 241 Wieland, Christoph Martin 280 Wiener Werkstätte 12, 16, 62, 63 Wiener, Norbert 170 Wiener, Paul Lester 186 Wilhelm II. 18, 91, 200 Williams, Tennessee 196, 207 Wimperis, Edmund Walter 121 Wirth, Louis 147,159, 165

Wishengrad, Morton 246 Wisten, Susanne 277 Wittkower, Werner Joseph 215 Wlach, Oskar 98 Wohlbrück, Adolf 273 Wohnung Lothar Müthel, Berlin 59–63, 85, 94, 109, 184, 288 Wohnung Erich Schatzki, Berlin 61–63, 85 Wohnung Lilly und Heinrich Schnitzler, Wien 93–98, 102, 110, 288 Wohnung Hermann Vollmer, Berlin 61–63, 85 Wolf, Dietrich 215 Wolf, Victoria 91 Wolfe, Thomas 12, 152, 224, 225, 240 World Security through International Resources Development, Philadelphia 6, 172, 174, 175, 177, 237 Wouk, Herman 220 Wright, Frank Lloyd 158, 177, 178, 251 Wright, Henry 154, 169, 305 Wunderwald, Gustav 37 Wuppertaler Bühnen 228–230, 283 Wurster, William Wilson 141 Y Yamasaki, Minoru 294 Yorke, Francis R. S. 101, 102, 104, 110 Young Men´s Hebrew Association, New York 218 Yudis, Anthony J. 291 Z Zehder, Hugo 214 Ziegler, Martin 98 Zille, Heinrich 29, 37 Zimbler, Liane 98 Zivier, Georg 231, 232, 268 Zotzmann, Adolf 265, 266 Zschimmer, Wolf-Werner 28 Zucker, Paul 39, 144, 146 Zuckmayer, Carl 144, 220 Zweig, Fritz 40 Zweigenthal, Arnold 8 Zweigenthal, Dorothee 90, 91, 99, 100, 136, 197, 207 Zweigenthal, Helene 8 Zweigenthal, Hermann (gest. 1903) 8 Zweigenthal, Maximilian 8 Zweigenthal, Moriz 8, 11 Zweigenthal, Stefan 8, 56 Zweigenthal, Therese 9, 17 319

BIBLIOGRAPHIE Alle Seitenzahlen beziehen sich ausschließlich auf die für den Inhalt dieses Buches wichtigen Textstellen. Ob es sich dabei um den Anfang eines Textes handelt oder nicht, spielt im folgenden Verzeichnis der Primär- und Sekundärliteratur sowie der Archivalien keine Rolle.

Zft31 = Bau-Wettbewerbe Zft32 = Die Bauzeitung Zft33 = Die Bauzeitung. Deutsche Bauzeitschrift Zft34 = Berliner Leben

Absch. = Abschnitt Absch.e = Abschnitte Art.

= Artikel

Zft35 = The Billboard. The Amusement Industry’s Leading Newsweekly Zft36 = Blätter der Freien Volksbühne Berlin Zft37 = Die Bühne. Wochenschrift für Theater, Film, Mode, Kunst, Gesellschaft, Sport

Eintr. = Eintrag

Zft38 = Bühnentechnische Rundschau

Eintr.e = Einträge

Zft39 = The Builder

Kap.

= Kapitel

Zft40 = Bulletin of the American Academy of Arts and Sciences Zft41 = The Bystander. An Illustrated Magazine Zft42 = The Canadian Architect Zft43 = Casabella Zft44 = The China Quarterly. An International Journal for the Study of China Zft45 = Commentary

Archive Av1

= Akademie der Künste, Berlin, Archiv

Av2

= Akademie der Künste, Berlin, Archiv Theater der Freien Volksbühne Berlin

Av3

= Akademie der Künste, Berlin, Dokumentationsfonds zum deutschsprachigen Theater

Av4

= Akademie der Künste, Berlin, Helmut-Hentrich-Archiv

Av5

= Akademie der Künste, Berlin, Herbert-Ihering-Archiv

Av6

= Akademie der Künste, Berlin, Friedrich-Luft-Archiv

Av7

Av37 = Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe, Südwestdeutsches Archiv für Architektur und Ingenieurbau (saai), Werkarchiv Egon Eiermann

Zft46 = Country Life Zft47 = Daidalos Zft48 = Daidalos. Berlin Architectural Journal

Av38 = Kulturvolk, Freie Volksbühne Berlin e. V., Berlin

Zft49 = Die Dame

Av39 = Landesarchiv, Berlin

Zft50 = Deutsche Bauhütte

Av40 = Lise-Meitner-Realgymnasium Schottenbastei, Wien

Zft51 = Deutsche Bauzeitschrift

Av41 = Pfarre Maria Treu, Piaristenkirche, Wien

Zft52 = Deutsche Bauzeitung

= Akademie der Künste, Berlin, Karl-Otto-Archiv

Av42 = Royal Institute of British Architects (RIBA) Trust, London, British Architectural Library, Archives Collection, Godfrey Samuel Papers

Zft53 = Die Deutsche Bühne. Amtliches Blatt des Deutschen Bühnen-Vereins

Av8

= Akademie der Künste, Berlin, Julius-Posener-Archiv

Av43 = Michael Schnitzler, Wien

Zft54 = Die Deutsche Bühne. Monatsschrift des Deutschen Bühnenvereins

Av9

= Akademie der Künste, Berlin, Konrad-Wachsmann-Archiv

Av44 = Stadtarchiv, Konstanz, Bestand Stadttheater

Zft55 = Die deutsche Elite

Av10 = American Philosophical Society, Philadelphia / Pennsylvania

Av45 = Stadtarchiv, Wuppertal

Zft56 = Dissent. A Quarterly of Socialist Opinion

Av11 = Bauhaus-Archiv, Museum für Gestaltung, Berlin, Nachlass Walter Gropius

Av46 = Syracuse University, Syracuse / New York, University Library, Department of Special Collections, Marcel Breuer Papers

Zft57 = Domus

Av12 = Berlinische Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Photographie und Architektur, Berlin, Akten des Städtebaulichen Ideenwettbewerbs Hauptstadt Berlin, Reihe 51 Av13 = Berlinische Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Photographie und Architektur, Berlin, Akten des Wettbewerbs Jüdisches Gemeindehaus Berlin, Reihe 52 Av14 = Berlinische Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Photographie und Architektur, Berlin, Nachlass Klaus Müller-Rehm Av15 = Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin, Berlin, Bauaktenarchiv, Akten der Städtischen Baupolizei Bezirk Charlottenburg, Haus Bayernallee 15/16

Av47 = Technische Universität (TU), Berlin Av48 = Universität, Wien Av49 = Universität für Angewandte Kunst, Wien Av50 = University of Virginia, Charlottesville / Virginia, University Library, Albert and Shirley Small Special Collections Library

Zft58 = 2 G. Revista Internacional de Arquitectura Zft59 = The Era. Official Organ of Entertainment Zft60 = Die Form Zft61 = Fortune Zft62 = Glasforum Zft63 = Harper‘s Bazaar

Av51 = Werkbund Archiv, Museum der Dinge, Berlin

Zft64 = The Harvard Educational Review

Av52 = Wiener Stadt- und Landesarchiv, Wien

Zft65 = Harvard Library Bulletin Zft66 = Harvard University Gazette

Zeitschriften

Zft67 = Hochschule der Künste Berlin Information

Zft1

Av16 = Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin, Berlin, Bauaktenarchiv, Akten der Städtischen Baupolizei Bezirk Charlottenburg, Häuser Kantstraße 126 und 127

= Aktuell. Informationen aus und über Berlin. Für Berlinerinnen und Berliner, die während des Nationalsozialismus Berlin verlassen mussten

Zft68 = Hochwart. Monatsschrift für geistigen Austausch und schöpferischen Aufbau, für sachliche Verständigung und seelische Vertiefung

Zft2

= Alte und Moderne Kunst

Zft69 = House & Garden

Av17 = Bezirksamt Mitte von Berlin, Berlin, Standesamt

Zft3

= American Architect and Architecture

Zft70 = Innen-Dekoration

Av18 = Bibliothèque Historique de la Ville de Paris, Paris, Fonds Jean Cocteau

Zft4

= American Journal of Physics. A Journal Devoted to the Instructional and Cultural Aspects of Physical Science

Zft71 = Interiors

Av19 = Bundesarchiv, Berlin

Zft5

= The American Journal of Sociology

Av20 = Bundesarchiv, Berlin, ehemals Berlin Document Center

Zft6

= The American Political Science Review

Zft73 = Journal of American Culture. Studies of a Civilization

Av21 = Chiswick Library, London, Local Studies Collection

Zft7

Av22 = Cornell University, Ithaca / New York, University Library, Division of Rare and Manuscript Collections, Hermann Herrey Papers

= The American Scholar. A Quarterly for the Independent Thinker

Zft8

= Anales del Instituto de Investigaciones Estéticas

Zft9

= Arch +

Av23 = De La Salle Schule, Strebersdorf, Wien Av24 = Deutsches Literaturarchiv, Marbach am Neckar, Nachlass Kurt Pinthus

Zft10 = The Architect and Building News Zft11 = The Architects‘ Journal

Av25 = Deutsches Literaturarchiv, Marbach am Neckar, Nachlass Berthold Viertel

Zft12 = The Architectural Association Journal

Av26 = Deutschlandradio, Berlin, Abteilung Dokumentation und Archive

Zft14 = The Architectural Forum

Av27 = Freie Universität (FU), Berlin, Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften, Institut für Theaterwissenschaft, Archiv und Theaterhistorische Sammlung, Nachlass Lothar Müthel Av28 = Freie Universität (FU), Berlin, Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften, Institut für Theaterwissenschaft, Theaterwissenschaftliche Sammlung Walter Unruh Av29 = Freud Museum, London Av30 = Harvard University, Cambridge / Massachusetts, Graduate School of Design, Frances Loeb Library, Josep Lluis Sert Archive Av31 = Harvard University, Cambridge / Massachusetts, University Archives, Harlow Shapley Papers Av32 = Antony Herrey, Cambridge / Massachusetts Av33 = Julian Herrey, Berlin Av34 = Israelitische Kultusgemeinde, Wien Av35 = Andreas Jaenecke, Malmö Av36 = Jüdisches Museum, Berlin

320

Zft13 = Architectural Design Zft15 = Architectural Record Zft16 = The Architectural Review Zft17 = L‘Architecture d‘Aujourd‘hui Zft18 = Der Architekt Zft19 = ARQ La Revue d‘Architecture Zft20 = Automobilia. Offizielles Organ des Deutschen Auto-Clubs e. V. Zft21 = Bauen und Wohnen Zft22 = Die Baugilde

Zft72 = The Japan Architect Zft74 = Journal of the American Institute of Architects Zft75 = Journal of the American Institute of Planners Zft76 = Journal of the American Planning Association Zft77 = The Journal of Educational Sociology Zft78 = The Journal of Land and Public Utility Economics Zft79 = Journal of the Royal Institute of British Architects Zft80 = The Journal of the Royal Institute of British Architects Zft81 = Journal of the Society of Architectural Historians Zft82 = Das Kriminal-Magazin Zft83 = Die Kunst Zft84 = Kunst und Künstler. Illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe Zft85 = Das Kunstblatt Zft86 = Kunstchronik und Kunstmarkt Zft87 = Land Economics. A Quarterly Journal of Planning, Housing and Public Utilities Zft88 = Leader Zft89 = The Listener

Zft23 = Bau-Hefte

Zft90 = Die literarische Welt. Unabhängiges Organ für das deutsche Schrifttum

Zft24 = Der Bauhelfer

Zft91 = Magnum. Die Zeitschrift für das moderne Leben

Zft25 = Baukunst und Werkform

Zft92 = Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken

Zft26 = Die Bau- und Werkkunst

Zft93 = Moderne Bauformen

Zft27 = Baumarkt

Zft94 = Der Monat. Eine internationale Zeitschrift

Zft28 = Baumeister

Zft95 = Monumente. Magazin für Denkmalkultur in Deutschland

Zft29 = Der Baumeister

Zft96 = The Motor. The National Motor Journal

Zft30 = Bauwelt

Zft97 = Das Münster. Zeitschrift für christliche Kunst und Kunstwissenschaft

Zft98 = Museumsjournal. Berichte aus den Museen, Schlössern und Sammlungen in Berlin und Potsdam Zft99 = The Musical Times Zft100 = Mykenae Theater-Korrespondenz Zft101 = The Nation. America‘s Leading Liberal Weekly since 1865 Zft102 = Neophilologus Zft103 = Neue Bauwelt Zft104 = Das neue Berlin Zft105 = Das neue Frankfurt Zft106 = Die neue Stadt (= vormals Das neue Frankfurt) Zft107 = Die Neue Stadt. Monatsschrift für Architektur und Städtebau Zft108 = Die Neue Stadt. Zeitschrift für Architektur und Städtebau Zft109 = The New Pencil Points Zft110 = New Republic Zft111 = The New Republic. A Journal of Opinion Zft112 = The New Yorker Zft113 = Opernjournal. Deutsche Oper Berlin Zft114 = Ottagono Zft115 = Partisan Review Zft116 = Peace and Change. A Journal of Peace Research Zft117 = Pencil Points Zft118 = Planning Perspectives Zft119 = Politics Zft120 = Progressive Architecture Zft121 = Ramparts Zft122 = Rassegna Zft123 = RIBA Journal Zft124 = The Saturday Review of Literature Zft125 = Die Scene. Blätter für Bühnenkunst Zft126 = Das schöne Heim Zft127 = Das Schönste. Die Monatsillustrierte für alle Freunde der schönen Künste

Zng14 = Berliner Montags-Echo

Zng82 = Saarbrücker Zeitung

Zng15 = Berliner Montagspost

Zng83 = St. Galler Tagblatt

Zng16 = Berliner Morgenpost

Zng84 = Schwäbische Donauzeitung

Zng17 = Berliner Tageblatt

Zng85 = Schwarzwälder Bote. Tuttlinger Kreiszeitung

Zng18 = BVZ Berliner Volks-Zeitung

Zng86 = Sonntagsblatt. Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Wirtschaft

Zng19 = Berliner Zeitung Zng20 = B.Z. Zng21 = B.Z. am Mittag Zng22 = Bild-Zeitung Zng23 = The Boston Globe Zng24 = Boston Herald Zng25 = Bremer Nachrichten. Weser-Zeitung Zng26 = Christ und Welt. Deutsche Wochenzeitung

Zng87 = Spandauer Volksblatt Zng88 = Der Spiegel Zng89 = Stuttgarter Zeitung Zng90 = Süddeutsche Zeitung Zng91 = Südkurier. Unabhängige Heimatzeitung für Oberbaden und das Bodenseegebiet Zng92 = Sunday Times

Zng27 = The Christian Science Monitor

Zng93 = Tägliche Rundschau. Unabhängige Zeitung für nationale Politik

Zng28 = The Concord Journal

Zng94 = Der Tag

Zng29 = Daily Herald

Zng95 = Der Tag. Unabhängige Zeitung für Deutschland

Zng30 = Darmstädter Tagblatt. Hessische Neueste Nachrichten

Zng96 = Der Tagesspiegel

Zng31 = Deutsche Allgemeine Zeitung

Zng97 = Telegraf. Unabhängige Zeitung für das freie Berlin

Zng32 = Deutsche Zeitung

Zng98 = Tempo. Berliner Abend-Zeitung

Zng33 = Deutsche Zeitung und Wirtschaftszeitung

Zng99 = Time. The Weekly Newsmagazine

Zng34 = Dresdner Neueste Nachrichten

Zng100 = The Times

Zng35 = Düsseldorfer Nachrichten

Zng101 = Trierischer Volksfreund

Zng36 = The Evening News

Zng102 = Vorwärts

Zng37 = Evening Standard

Zng103 = Vossische Zeitung

Zng38 = Der Fortschritt. Unabhängige Wochenzeitung

Zng104 = Die Welt. Unabhängige Tageszeitung für Deutschland

Zng39 = Frankfurter Allgemeine

Zng105 = Die Welt am Abend

Zng40 = Frankfurter Nachrichten und Intelligenz-Blatt

Zng106 = Die Welt am Montag

Zng41 = Frankfurter Neue Presse Zng42 = Frankfurter Rundschau

Zng107 = Welt am Sonntag. Aktuelle Sonntagszeitung für Deutschland

Zng43 = Frankfurter Zeitung

Zng108 = Die Weltstadt

Zng44 = General-Anzeiger der Stadt Wuppertal

Zng109 = Weser-Kurier. Bremer Tageszeitung

Zng45 = Germania. Zeitung für das deutsche Volk

Zng110 = Die Zeit. Wochenzeitung für Politik, Wirtschaft, Handel und Kultur

Zft128 = Das Schönste. Die Monatsschrift für alle Freunde der schönen Künste

Zng46 = Gränzbote. Unabhängige Heimatzeitung für Tuttlingen und Umgebung

Zft129 = Shakespeare Quarterly

Zng47 = The Guardian

Zft130 = The Sociological Review

Zng48 = Hamburger Abendblatt

Zft131 = Die Technische Hochschule. Akademische Zeitschrift der Technischen Hochschule Charlottenburg

Zng49 = Hamburger Echo

Zft132 = TU intern. Die Hochschulzeitung der Technischen Universität Berlin

Zng51 = Hannoversche Presse

Zft133 = Das Theater. Illustrierte Halbmonatsschrift für Theater und Gesellschaft

Zng111 = Die Zeit. Wochenzeitung für Politik, Wirtschaft, Wissen und Kultur Zng112 = Das 12 Uhr Blatt

Zng50 = Hamburger Fremdenblatt Zng52 = The Independent Zng53 = Kölnische Rundschau

Vorwort Sekundärliteratur

Zft134 = Theater heute

Zng54 = Kölnische Zeitung

Zft135 = Theatre Arts

Zng55 = Der Kurier. Die Berliner Abendzeitung

Zft136 = Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums

Zng56 = Life

Pehnt, Wolfgang: Wille zum Ausdruck. Zu Leben und Werk Hans Poelzigs, in: Ders., Schirren, Matthias (Hg.): Hans Poelzig. 1869 bis 1936. Architekt Lehrer Künstler, Ausstellungskatalog, München 2007, S.49

Zft137 = Die Umschau. Illustrierte Wochenschrift über die Fortschritte in Wissenschaft und Technik Zft138 = Variety Zft139 = Volksbühnen-Spiegel Zft140 = Wasmuths Monatshefte für Baukunst Zft141 = Wasmuths Monatshefte Baukunst und Städtebau Zft142 = Die Weltbühne. Wochenschrift für Politik, Kunst, Wirtschaft

Zng57 = Magdeburgische Zeitung Zng58 = Mannheimer Morgen. Unabhängige Zeitung Badens und der Pfalz

Warhaftig, Myra: Deutsche jüdische Architekten vor und nach 1933. Das Lexikon. 500 Biographien, Berlin 2005, Art. Hermann Zweigenthal, S.489

Zng59 = Der Mittag. Die große unabhängige Tageszeitung für Deutschland

Vorwort Archivalien

Zng60 = MM Der Montag Morgen

Herrey, Hermann: An Heinrich Schnitzler, 24.7.1948, Av22

Zng61 = Münchner Merkur

Liepmann, Dorothee: An Hermann Zweigenthal, 4.1.1924, Av32

Zng62 = Nachtausgabe. Die illustrierte Abendzeitung

Zft143 = Die Weltkunst

Zng63 = Nacht-Depesche. Die illustrierte Abendzeitung

Zft144 = Werk

Zng64 = Neue Berliner Zeitung. Das 12 Uhr Blatt

Zft145 = Werk und Zeit

Zng65 = Neue Freie Presse

Zft146 = Westermanns Monatshefte

Zng66 = Neue Preußische Zeitung

Todesanzeige Henriette Abelles, in: Zng65, 31.1.1906, S.21. Auch unter: Österreichische Nationalbibliothek, Austrian Newspapers Online, anno.onb.ac.at

Zft147 = Wiener Tagebuch

Zng67 = Die Neue Zeitung. Die amerikanische Zeitung in Deutschland

Goldhammer, Leo: Die Juden Wiens. Eine statistische Studie, Wien und Leipzig 1927, S.7f, S.9, S.38

Zft149 = Zentralblatt der Bauverwaltung

Zng68 = Neues Deutschland. Organ des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands

Zft150 = Zodiac. Internationale Zeitschrift für moderne Architektur

Tietze, Hans: Die Juden Wiens. Geschichte Wirtschaft Kultur, Wien und Leipzig 1933, S.229ff

Zng69 = Neues Wiener Tagblatt

Todesanzeige Hermann Zweigenthal, in: Zng65, 5.11.1903, S.19. Auch unter: Österreichische Nationalbibliothek, Austrian Newspapers Online, anno.onb.ac.at

Zft148 = Zeitschrift für Textilwirtschaft. Deutsche Konfektion

Zeitungen

Zng70 = The New York Times Zng71 = The New York Times Magazine

Zng1 = Der Abend. Spätausgabe des »Vorwärts«

Zng72 = Nürnberger Nachrichten

Zng2 = Der Abend. Eine Zeitung für Berlin

Zng73 = The Observer

Zng3 = Abendpost (= Abendpost Frankfurt am Main)

Zng74 = Die Ostschweiz

Zng4 = Abendzeitung (= Abendzeitung München) Zng5 = 8 Uhr-Abendblatt. National-Zeitung

Zng75 = Pfälzische Volkszeitung. Unabhängige Pfälzer Heimatzeitung

Zng6 = Die Andere Zeitung

Zng76 = Pinneberger Tageblatt. Holsteiner Nachrichten

Zng7 = Der Angriff. Das deutsche Abendblatt in Berlin

Zng77 = Prager Tagblatt

Zng8 = Berlin am Morgen

Zng78 = Die Presse. Unabhängige Zeitung für Österreich

Zng9 = Berliner Börsen-Courier

Zng79 = Der Reichsbote. Tageszeitung für das evangelische Deutschland

Zng10 = Berliner Börsen-Zeitung Zng11 = Berliner Fremden-Zeitung. Wochenschrift für Groß-Berlin Zng12 = Berliner illustrierte Nachtausgabe Zng13 = Berliner Lokal-Anzeiger

Zng80 = Rheinische Post. Zeitung für christliche Kultur und Politik Zng81 = Rheinischer Merkur. Wochenzeitung für Politik, Kultur und Wirtschaft

1.1 Primärliteratur

1.2 Sekundärliteratur Brandstätter, Christian (u.a.A.): Stadtchronik Wien. 2000 Jahre in Daten, Dokumenten und Bildern, Wien und München 1986 Csendes, Peter, Opll, Ferdinand (Hg.): Wien. Geschichte einer Stadt, Bd.3 Von 1790 bis zur Gegenwart, Wien (u.a.O.) 2006, Absch.e Dem Volke, was des Volkes ist, S.214ff, S.246f, Labor der Moderne, S.249ff, Homo Judaicus Viennensis, S.273ff, S.311ff, Die letzten Tage der Menschheit und ein Attentat, S.317ff, Eine Stadt stirbt, S.327ff, S.359 Frank, Alison: Hunger, Anger and Internal Enemies in WW I Vienna. Review of Maureen Healy‘s »Vienna and the Fall of the Habsburg Empire. Total War and Everyday Life in World War I«, in: H-Net Reviews in the Humanities & Social Sciences, Juli 2005, h-net.msu.edu/reviews

321

Hamann, Brigitte: Hitlers Wien. Lehrjahre eines Diktators, München 1996, Absch. Dr. Karl Lueger, S.393ff, Kap.10 Juden in Wien, S.467ff, S.619ff, S.624ff

Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts, Mit einem Kommentar von Peter Höfle, Suhrkamp Basis Bibliothek 82, Frankfurt am Main 2007

Healy, Maureen: Vienna and the Fall of the Habsburg Empire. Total War and Everyday Life in World War I, Cambridge 2004, Introduction, S.1ff, Kap.1 Food and the politics of sacrifice, S.31ff, Kap.5 Mobilizing Austria‘s children for total war, S.211ff, Conclusion, S.300ff

Fliedl, Gottfried: Kunst und Lehre am Beginn der Moderne. Die Wiener Kunstgewerbeschule 1867–1918, Salzburg und Wien 1986, Vita Erich Mallina, S.308, Vita Franz Cizek, S.394

Rozenblit, Marsha L.: Die Juden Wiens 1867–1914. Assimilation und Identität, Wien (u.a.O.) 1988

Ladnar, Ulrike: Frieda Löw-Lazar (Fritzi Löw). Modeentwürfe, Buchillustrationen und Exlibris, in: Deutsche Exlibris-Gesellschaft e. V. (Hg.): DEG Jahrbuch 2007. Exlibriskunst und Graphik, Frankfurt am Main 2007, S.71ff

Schnee, Heinrich: Karl Lueger. Leben und Wirken eines großen Sozial- und Kommunalpolitikers. Umrisse einer politischen Biographie, Berlin 1960, S.67ff

Laven, Rolf: Franz Cizek und die Wiener Jugendkunst, Schriften der Akademie der Bildenden Künste Wien Bd.2, Wien 2006, S.81ff, S.121ff, S.161ff

Waissenberger, Robert (Hg.): Wien. 1890–1920, Wien und Heidelberg 1984

Mautner Markhof, Marietta: Franz Cizek und die »moderne Kunst«. Ornamentale Formenlehre an der Kunstgewerbeschule in Wien, in: Franz Cizek. Pionier der Kunsterziehung (1865–1946), Ausstellungskatalog, Wien 1985, S.15ff

Wingfield, Nancy M.: Review of Maureen Healy‘s »Vienna and the Fall of the Habsburg Empire. Total War and Everyday Life in World War I«, in: H-Net Reviews in the Humanities & Social Sciences, April 2005, h-net.msu.edu/reviews

1.3 Archivalien

Oberchristl, Monika (Hg.): Postkarten der Wiener Werkstätte, Mit einem Werkverzeichnis des Bestandes der Grafischen Sammlung der Oberösterreichischen Landesmuseen, Ausstellungskatalog, Weitra 2007, S.12, S.24, S.169

Bundesrealschule im I. Bezirk. Klassenkatalog V 1919 1920, S.44, Av40

Ottillinger, Eva B., Sarnitz, August: Ernst Plischke. Das Neue Bauen und die Neue Welt. Das Gesamtwerk, München (u.a.O.) 2003, S.18ff, S.268, S.371

Chronik des Pensionates St. Josef in Wien-Strebersdorf. Zweiter Band 1907–1918, Av23

Platzer, Monika, Storch, Ursula (Hg.): Kinetismus. Wien entdeckt die Avantgarde, Ausstellungskatalog, Ostfildern 2006

Geburts- und Taufbuch 1911 Pfarre Maria Treu Piaristenkirche, Av41

Plischke, Ernst A.: Ein Leben mit Architektur, Wien 1989, S.33ff, S.45ff

Hauptkatalog 1913–1924, Av23 Geburts-Zeugnis Hermann Zweigenthal, Mit einem Vermerk über die Taufe des Jungen nach katholischem Ritus am 1.4.1911, Matrikelamt der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, 1.9.1910, Av33 Israelitische Kultusgemeinde Wien. Austrittsbuch für die Jahre 1902–1912, Av34 Israelitische Kultusgemeinde Wien. Trauungsbuch IX. Bezirk, Av34 Israelitische Kultusgemeinde Wien. Trauungsbuch XIV. Bezirk, Av34 Katalog über den Schulbesuch und Fortgang der Schüler an der 5–klassigen allgemeinen Volksschule für Knaben in Wien Bezirk Strebersdorf. 1. u. 2. Klasse. Schuljahr 1910/11, Av23 Katalog über den Schulbesuch und Fortgang der Schüler an der 5–klassigen allgemeinen Volksschule für Knaben in Wien XXI. Bezirk. 1. Klasse. Schuljahr 1911/12, Av23 Katalog über den Schulbesuch und Fortgang der Schüler an der 5–klassigen allgemeinen Privat-Volksschule für Knaben in Wien 21. Bezirk. Schuljahr 1912/13, Av23 K.K. Staats-Realschule im I. Bezirk. Haupt-Katalog 1A 1915 1916, S.42, Av40 K.K. Staats-Realschule im I. Bezirk. Haupt-Katalog 2A 1916 1917, S.40, Av40 K.K. Staats-Realschule im I. Bezirk. Haupt-Katalog 3A 1917 1918, S.34, Av40 K.K. Staats-Realschule im I. Bezirk. Haupt-Katalog 4A 1918 1919, S.31, Av40 Klavier-, Orgel- und Gesangschulen Franz Brixel. Zeugnis Harry Zweigenthal, 22.6.1910, Av33 Meldzettel für Jahresparteien Moriz Zweigenthal, 1.8.1901, Av52 Meldzettel für Haupt= (Jahres= und Monats=) Wohnparteien Moriz Zweigenthal, 14.5.1912, Av52 Meldzettel für Haupt= (Jahres= und Monats=) Wohnparteien Moriz Zweigenthal, 10.11.1914, Av52 Meldezettel für Haupt= (Jahres= und Monats=) Wohnparteien Moriz Zweigenthal, 20.3.1923, Av52 Nationale Moriz Zweigenthal. Universität Wien Juridische Fakultät, in: Katalog Juristen. Winter-Semester 1884/85 S-Z, S.118, Av48 Nationale Moriz Zweigenthal. Universität Wien Juridische Fakultät, in: Katalog Juristen. Sommer-Semester 1888 Q-Z, S.349, Av48 Todfallsaufnahme Maximilian Zweigenthal, 4.11.1941, Av52 Todfallsaufnahme Moriz Zweigenthal, 26.1.1933, Av52

2.1 Primärliteratur Eichendorff, Joseph Freiherr von: Aus dem Leben eines Taugenichts, Mit Zeichnungen von Emil Preetorius, München 1914 Eichendorff, Joseph von: Zwei Novellen. Aus dem Leben eines Taugenichts. Die Glücksritter, Mit achtzehn Lithographien von Fritzi Löw, Wien (o.J.) 1923 Rochowanski, Leopold Wolfgang: Der Formwille der Zeit in der Angewandten Kunst, Mit 93 Abbildungen von Arbeiten der Wiener Kunstgewerbeschule, Abteilung des Regierungsrates Professor Franz Cizek, Wien 1922

Ernst Anton Plischke. Architekt und Lehrer, Salzburg 2003, S.16ff, S.182 Rochowanski, Leopold Wolfgang: Die Wiener Jugendkunst. Franz Cizek und seine Pflegestätte, Wien 1946 Der 100 Jahre Almanach des Verlages Anton Schroll & Co. 1884–1984, Wien 1984, S.14ff, S.74, S.229ff Vogelsberger, Vera: Sequenzen aus Kunsterziehung und Geisteswissenschaften, in: Hochschule für Angewandte Kunst in Wien (Hg.): Kunst. Anspruch und Gegenstand. Von der Kunstgewerbeschule zur Hochschule für Angewandte Kunst in Wien 1918–1991, Salzburg und Wien 1991, S.278ff, S.313 Wagner, Manfred: Kunstgewerbe und Design oder Die Flucht vor der Definition, in: Hochschule für Angewandte Kunst in Wien (Hg.): Kunst. Anspruch und Gegenstand. Von der Kunstgewerbeschule zur Hochschule für Angewandte Kunst in Wien 1918–1991, Salzburg und Wien 1991, S.41ff, S.94

2.3 Archivalien Bundesrealschule im I. Bezirk. Reifeprüfungs-Protokoll 1921/22, S.37, Av40 Herrey, Hermann: Account of Advanced Study and Research, Typoskript, (o.J.) etwa 1950, (o.S.) S.1, Av22 —: Hermann Herrey Lebenslauf, Von 1904 bis etwa 1950, In deutscher Sprache, Typoskript, (o.D.) 1956, S.1, Av22 Herrey-Zweigenthal, Hermann: (o.T.) Hermann Herrey Lebenslauf, Von 1904 bis etwa 1940, In englischer Sprache, Typoskript, (o.D.) etwa 1942, S.1, Av33 Katalog der Kunstgewerbe-Schule des Österr. Museums für Kunst u. Industrie. Allgemeine Abteilung – Ornamentale Formenlehre. Professor Franz Cizek. Schuljahr 1920/21, Av49

Heuss, Theodor: Hans Poelzig. Bauten und Entwürfe. Das Lebensbild eines deutschen Baumeisters, Berlin 1939, S.57f Jaenecke, Fritz: Mein Freund Eiermann, in: Zft25, H.12/1961 (= Dezember 1961), S.687f Lehner, Fritz: Wiener Theaterausstellungen, in: Zft125, H.10/1924 (= Oktober 1924), S.153f Liebknecht, Kurt: Mein bewegtes Leben, Berlin 1986, S.25ff, S.193ff Matthaei, Joachim: Hans Poelzig. Erinnerungen an den Lehrer, in: Zft23, H.2/1951 (= Februar 1951), S.71ff. Auch in: Posener, Julius (Hg.): Hans Poelzig. Gesammelte Schriften und Werke, Schriftenreihe der Akademie der Künste Bd.6, Berlin 1970, S.253ff Müller-Rehm, Klaus: Dem Architekten Hans Poelzig zum Gedächtnis, in: Zft24, H.1/1946 (= Juli 1946), S.7f —: Paralipomena, in: Günther, Sonja, Worbs, Dietrich (Hg.): Architektur-Experimente in Berlin und anderswo. Für Julius Posener, Berlin 1989, S.12ff Posener, Julius: Zur Reform des Hochschulstudiums. Offener Brief an Herrn Geheimrat Seesselberg, in: Zft22, H.1/1931 (= 10.1.1931), S.24ff. Auch in: Ders.: Aufsätze und Vorträge 1931–1980, Braunschweig und Wiesbaden 1981, S.16ff —: Vorwort, in: Ders. (Hg.): Hans Poelzig. Gesammelte Schriften und Werke, Schriftenreihe der Akademie der Künste Bd.6, Berlin 1970, S.5ff, S.10f —: Zwei Lehrer. Heinrich Tessenow und Hans Poelzig, in: Rürup, Reinhard (Hg.): Wissenschaft und Gesellschaft. Beiträge zur Geschichte der Technischen Universität Berlin 1879–1979, Erster Band, Berlin (u.a.O.) 1979, S.363ff. Auch in: Ders.: Aufsätze und Vorträge 1931–1980, Braunschweig und Wiesbaden 1981, S.381ff —: Fast so alt wie das Jahrhundert, Berlin 1990, S.141ff, S.167ff —: Von einem Zeitgenossen, in: Zft30, H.38/1994 (= 7.10.1994), S.2118 —: Heimliche Erinnerungen. In Deutschland 1904–1933, München 2004, S.191ff, S.201ff, S.263ff, S.295ff Sander, August: Antlitz der Zeit. Sechzig Aufnahmen deutscher Menschen des 20. Jahrhunderts, Mit einer Einleitung von Alfred Döblin, München 1983, Tafel 49 Schwennicke, Carl-Heinz: Poelzig als Lehrer, in: Zft24, H.9/1949 (= Mai 1949), S.225ff Schwennicke, Karl-Heinrich: Aus einem Brief an Julius Posener: in: Posener, Julius (Hg.): Hans Poelzig. Gesammelte Schriften und Werke, Schriftenreihe der Akademie der Künste Bd.6, Berlin 1970, S.258 Seeßelberg, Friedrich: Die Krisis der Architektenschulung. Denkschrift zur gegenwärtigen Umbildung im Lehrwesen der Technischen Hochschulen, Berlin (o.J.) 1927 Seesselberg, Friedrich: Die Krisis der Architektenschulung, in: Zft22, H.5/1927 (= 12.3.1927), S.249ff —: Die Totalität des baulichen Gestaltens. Gedanken zur Reform des Gestaltungsunterrichts an den Preußischen Technischen Hochschulen, in: Zft22, H.24/1930 (= 25.12.1930), S.2208ff Speer, Albert: Erinnerungen, Frankfurt am Main und Berlin 1969, S.26ff

3.2 Sekundärliteratur

Katalog der Kunstgewerbe-Schule des Österr. Museums für Kunst u. Industrie. Werkstätte für Textilarbeiten. Professor Rothansl Rosalia. Schuljahr 1920/21, Av49

—: Geheimrat Dr.h.c. Friedrich Seesselberg emeritiert, in: Zft131, H.3/4/1927 (= April/Mai 1927), S.40f

Kunstgewerbeschule des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie. Bericht über das Schuljahr 1918/19, (o.O.) Wien (o.J.) 1919, Av49 Kunstgewerbeschule des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie. Bericht über das Schuljahr 1920/21, (o.O.) Wien (o.J.) 1921, Av49 Kunstgewerbeschule des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie. Lehrzielangaben, (o.O.) Wien (o.J.) 1936, Av49 Nationale Hermann Zweigenthal. Kunstgewerbe-Schule des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie, 1.10.1920, Av49 Nationale Therese Zweigenthal. Kunstgewerbe-Schule des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie, 11.10.1920, Av49

3.1 Primärliteratur Anonym: Arbeiten aus dem Winterhalbjahr der Technischen Hochschule, in: Zft104, H.5/1929 (= Mai 1929), S.105. Auch in: Wagner, Martin, Behne, Adolf (Hg.): Das neue Berlin. Großstadtprobleme, Reprint, Basel (u.a.O.) 1988, S.105 Anonym (= Julius Posener, Richard Rothschild und weitere Absolventen der Technischen Hochschule Berlin): Neuzeitliches Architekturstudium. Gegenwärtiger Zustand, Vorschläge zur Neugestaltung, in: Zft30, H.28/1929 (= 11.7.1929), S.642ff

Franz Cizek. Pionier der Kunsterziehung (1865–1946), Ausstellungskatalog, Wien 1985, S.38f

Eiermann, Egon: Hans Poelzig unserem Lehrer, in: Zft30, H.27/1936 (= 2.7.1936), (o.S.) S.643f —: Architekten – und ihr erster Auftrag, in: Zft25, H.1/1959 (= Januar 1959), S.3f

322

Hentrich, Helmut: Bauzeit. Aufzeichnungen aus dem Leben eines Architekten, Düsseldorf 1995, S.71ff

Katalog der Kunstgewerbe-Schule des Österr. Museums für Kunst u. Industrie. Allgemeines Aktzeichnen. Professor Erich Mallina. Schuljahr 1920/21, Av49

Bogner, Dieter: Wien 1920–1930. »Es war als würde Utopia Realität werden«, in: Zft2, H.190/191/1983 (= Oktober 1983), S.35ff

2.2 Sekundärliteratur

Grüning, Michael: Der Wachsmann-Report. Auskünfte eines Architekten, Berlin 1985, S.161ff

Anonym: Friedrich Seesselberg emeritiert, in: Zft22, H.6/1927 (= 25.3.1927), S.328, S.330

Biraghi, Marco: Hans Poelzig. Architektur. 1869–1936, Berlin 1993, Kap. Der Weg des Architekten, S.122f, S.126, S.143 Erich Blunck. 516 Zeichnungen und Aufnahmen eigener Entwürfe, architekturmuseum.ub.tu-berlin.de Bogner, Dieter, Lesák, Barbara: Die Internationale Ausstellung neuer Theatertechnik 1924, in: Traum und Wirklichkeit. Wien 1870–1930, Ausstellungskatalog, Wien 1985, S.666ff Bollé, Michael (Hg.): Der Campus. Ein Architekturführer durch das Gelände der Hochschule der Künste und der Technischen Universität Berlin, Berlin 1994, S.43ff, S.79ff Brachmann, Christoph, Suckale, Robert (Hg.): Die Technische Universität Berlin und ihre Bauten. Ein Rundgang durch zwei Jahrhunderte Architektur- und Hochschulgeschichte, Berlin 1999, S.55ff, S.222f Buddensieg, Tilmann: Ein Berlin-Besuch des jungen Bruno Taut. Ein Brief an seinen Bruder Max Taut vom 2.3.1902, in: Schlösser Gärten Berlin. Festschrift für Martin Sperlich zum 60. Geburtstag 1979, Tübingen 1980, S.161, S.173 Claus, Sylvia: Julius Jakob Posener, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hg.): Neue Deutsche Biographie, Bd.20 Pagenstecher - Püterich, Berlin 2001, S.650f —: Schüler und Schule. Hans Poelzigs Lehre, in: Pehnt, Wolfgang, Schirren, Matthias (Hg.): Hans Poelzig. 1869 bis 1936. Architekt Lehrer Künstler, Ausstellungskatalog, München 2007, Absch.e Protagonisten der Moderne, S.175ff, Der Unterricht, S.177ff Durth, Werner: Deutsche Architekten. Biographische Verflechtungen 1900–1970, Braunschweig und Wiesbaden 1986, Absch. Berlin, S.56ff, S.397f

Engstfeld, Hans-Joachim: Lehre, Lehrer und Wirkungen. Die Poelzigund Tessenow-»Schule«, in: Schwarz, Karl (Hg.): 1799–1999. Von der Bauakademie zur Technischen Universität Berlin. Geschichte und Zukunft, Ausstellungskatalog, Berlin 2000, S.224ff Fries, Hans Hermann: Friedrich Seeßelberg, in: BiographischBibliographisches Kirchenlexikon, Bd.XXVII, Nordhausen 2007, Sp.1339ff Hildebrand, Sonja: Egon Eiermann. Die Berliner Zeit. Das architektonische Gesamtwerk bis 1945, Braunschweig und Wiesbaden 1999, Kap.3 Studienjahre an der TH Berlin-Charlottenburg 1923–1928, S.18ff, S.244ff Kapfinger, Otto, Boeckl, Matthias: Vom Interieur zum Städtebau. Architektur am Stubenring 1918–1990, in: Hochschule für Angewandte Kunst in Wien (Hg.): Kunst. Anspruch und Gegenstand. Von der Kunstgewerbeschule zur Hochschule für Angewandte Kunst in Wien 1918–1991, Salzburg und Wien 1991, S.97ff, S.174ff Kleihues, Josef Paul (u.a.Hg.): Bauen in Berlin. 1900–2000, Ausstellungskatalog, Berlin 2000, Daten zum Bauen ab 1919, S.88ff Kögel, Eduard: Zwei Poelzigschüler in der Emigration. Rudolf Hamburger und Richard Paulick zwischen Shanghai und Ost-Berlin (1930–1945), Ing. Diss., Weimar 2006, S.37f, S.42ff Müller, Manfred: Das Leben eines Architekten. Porträt Richard Paulick, Halle / Saale 1975, S.25f, S.29ff Posener, Julius: Hans Poelzig zum 100. Geburtstag, in: Zft30, H.17/1969 (= 28.4.1969), S.569ff Radicke, Dieter: Zur Einführung. Die Abteilung Architektur in den zwanziger Jahren. Die Studienreform findet nicht statt, in: Schwarz, Karl (Hg.): 100 Jahre Technische Universität Berlin 1879–1979, Ausstellungskatalog, Berlin 1979, S.388ff Emil Rüster. 494 Zeichnungen und Aufnahmen eigener Entwürfe, architekturmuseum.ub.tu-berlin.de Schmitz, Hermann: Neuere Bauten von Hermann Muthesius (= Art. über Haus Tuteur und andere Wohnhäuser), in: Zft149, H.18/1927 (= 4.5.1927), S.205ff, Tafel I Schwingenstein, Christoph: Daniel Krencker, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hg.): Neue Deutsche Biographie, Bd.13 Krell - Laven, Berlin 1982, S.8f Friedrich Seeßelberg. 130 Zeichnungen und Aufnahmen eigener Entwürfe, architekturmuseum.ub.tu-berlin.de Die Technische Hochschule zu Berlin. 1799–1924. Festschrift, Berlin 1925, S.114, S.128 Thöner, Wolfgang: Zwischen Tradition und Moderne. Richard Paulick, das Bauhaus und die Architektur der zwanziger Jahre, in: Ders., Müller, Peter (Hg.): Bauhaus-Tradition und DDR-Moderne. Der Architekt Richard Paulick, Ausstellungskatalog, München und Berlin 2006, S.29ff, S.42f

3.3 Archivalien Eiermann, Egon: Vorlesung, (o.J.) 1963, Abschrift eines Tonbands, S.2f, Av37 —, Zweigenthal, Hermann: Bauaufnahme des Portals der Salvatorkapelle in Wien 1924, Mappe mit Drucken von Zeichnungen, Baden-Baden 1969, Av37 Herrey, Hermann: Hermann Herrey Lebenslauf, Von 1904 bis etwa 1950, In deutscher Sprache, Typoskript, (o.D.) 1956, S.1, Av22 Herrey-Zweigenthal, Hermann: (o.T.) Hermann Herrey Lebenslauf, Von 1904 bis etwa 1940, In englischer Sprache, Typoskript, (o.D.) etwa 1942, S.1, Av33

4.1 Primärliteratur Anonym: Hans Poelzig und seine Schule. Akademie am Pariser Platz, in: Zng98, 9.3.1931, (o.S.) S.10 —: Die Poelzig-Ausstellung, in: Zng54, 10.3.1931, Abendausgabe (o.S.) S.2

Architekturzentrum Wien (Hg.): Architektur in Österreich im 20. und 21. Jahrhundert, Ausstellungskatalog, Basel (u.a.O.) 2006, S.84, S.382

—: Einäscherungshalle in Graz, in: Deines, Emil (Hg.): Zft31, H.67/1931 (= Oktober 1931), S.17ff

Aspetsberger, Friedbert (Hg.): Arnolt Bronnen. Werke, Bd.2, Klagenfurt (o.J.) 1989, Anhang Ostpolzug, S.304ff

Biedrzynski, Richard: Poelzig und seine Schule. Die große Architekturausstellung in der Akademie der Künste, in: Zng32, 7.3.1931, Abendausgabe, (o.S.) S.3

Campbell, Joan: Der Deutsche Werkbund. 1907–1934, Stuttgart 1981, S.275

—: Poelzig und seine Schule in der Akademie der Künste, in: Zng32, 9.3.1931, Abendausgabe, (o.S.) S.2 Brattskoven, O.: Poelzig und seine Schule. Ausstellung in der Akademie der Künste in Berlin, in: Zft22, H.6/1931 (= 25.3.1931), S.484 Canetti, Elias: Die Fackel im Ohr. Lebensgeschichte 1921–1931, München und Wien 1980, S.298f, S.331ff Dargel, F.A.: Vision und Sachlichkeit. Hans Poelzig in der Preußischen Akademie, in: Zng12, 7.3.1931, Zweite Ausgabe, (o.S.) S 6 Donath, Adolph: Das Werk Poelzigs, in: Zng17, 7.3.1931, Abendausgabe, S.2f Durzak, Manfred: Die Welt ist nicht mehr so darzustellen wie in früheren Romanen. Gespräch mit Elias Canetti, in: Ders.: Gespräche über den Roman. Formbestimmungen und Analysen, Frankfurt am Main 1976, S.90ff Eckhardt, Ferdinand: Poelzig und seine Schule. Ausstellung in der Akademie der Künste, in: Zft143, H.11/1931 (= 15.3.1931), S.11 Escher, Karl: Poelzigs Bauten. Ausstellung in der Akademie der Künste, in: Zng16, 8.3.1931, (o.S.) S.13 Eiermann, Egon: Architekten – und ihr erster Auftrag, in: Zft25, H.1/1959 (= Januar 1959), S.3f Ganske, Willy: Poelzig und seine Schule. Ausstellung in der Akademie, in: Zng13, 7.3.1931, Abendausgabe, (o.S.) S.2 Glaser, Curt: Poelzig und seine Schule. In der Akademie der Künste, in: Zng9, 8.3.1931, S.10. Auch in: Posener, Julius (Hg.): Hans Poelzig. Gesammelte Schriften und Werke, Schriftenreihe der Akademie der Künste Bd.6, Berlin 1970, S.251f Hegemann, Werner: Poelzig-Schüler. Zu der Ausstellung der Arbeiten Hans Poelzigs und seiner Schüler, welche die Preußische Akademie der Künste in Berlin am 7. März eröffnet, in: Zft141, H.3/1931 (= März 1931), S.100ff Liebermann, Max: Hans Poelzig. Ausstellung in der Akademie (= Ansprache zur Eröffnung der Ausstellung »Poelzig und seine Schule« in der Preußischen Akademie der Künste zu Berlin), in: Zng17, 7.3.1931, Abendausgabe, S.2 Liebknecht, Kurt: Mein bewegtes Leben, Berlin 1986, S.39ff Mayer, Anton: Poelzig und seine Schule. Ausstellung in der Akademie, in: Zng5, 7.3.1931, (o.S.) S.11 Osborn, Max: Hans Poelzig und die Seinen, in: Zng103, 8.3.1931, (o.S.) Vierte Beilage Paulsen, Friedrich: Poelzig-Ausstellung in der Akademie, in: Zft30, H.12/1931 (= 19.3.1931), S.416 —: Architekten aus Poelzigs Schule, in: Zft30, H.26/1935 (= 27.6.1935), S.1f nach S.604

Klaus Müller-Rehm im Gespräch, Typoskript, 1979, S.3ff, S.19f, Av51, Dokument D 2168 Müller-Rehm, Klaus: Lenchen Piepkorn. Erinnerungen aus acht Jahrzehnten, Unveröffentlichtes Manuskript, (o.O.) Berlin 1990, S.112ff, Av14

Posener, Julius: Die Deutsche Abteilung in der Ausstellung der Société des artistes décoratifs français, in: Zft22, H.11/1930 (= 10.6.1930), S.968ff

Poelzig, Hans: Der Architekt. Vortrag, gehalten auf dem 28. Ordentlichen Bundestag des BDA in Berlin, Mit Widmung, (o.O.) Berlin (o.J.) 1931, Av33

—: Die jungen Architekten, in: Zng103, 5.8.1932, S.9f

Polizeiliche Anmeldung Hermann Zweigenthal, 8.12.1922, Av33

—: Die Krise in der Architektur um 1930, in: Bauhaus-Archiv Museum für Gestaltung (Hg.): 100 Jahre Walter Gropius. Schließung des Bauhauses 1933, Symposium, Berlin 1983, S.7ff

Studierende, Bd.VII 1914–1922/23, Egon Eiermann, Matrikel 31478, Doppelseite 537, Karl Heinz Schwennicke, Matrikel 28871, Doppelseite 363, Hermann Zweigenthal, Matrikel 31563, Doppelseite 543, Av47 Studierende, Bd.VIII 1923–1928, Helmut Hentrich, Matrikel 35989, Doppelseite 255, Fritz Jaenecke, Matrikel 33391, Doppelseite 82, Fritz Lazarus, Matrikel 33032, Doppelseite 58, Kurt Liebknecht, Matrikel 34452, Doppelseite 153, Klaus Müller (= Klaus MüllerRehm), Matrikel 35071, Doppelseite 194, Richard Paulick, Matrikel 35074, Doppelseite 194, Julius Posener, Matrikel 32578, Doppelseite 28, Albert Speer, Matrikel 35956, Doppelseite 253, Av47 Technische Hochschule zu Berlin. Programm für das Studienjahr 1922–1923, S.10ff, S.51ff, S.105ff, S.114ff, Av47 Technische Hochschule zu Berlin. Programm für das Studienjahr 1923–1924, S.10ff, S.30ff, S.61ff, Av47 Technische Hochschule zu Berlin. Programm für das Studienjahr 1924–1925, S.11ff, S.32ff, S.58ff, Av47

4.2 Sekundärliteratur

—: Aussichten des Baumarktes 1931, in: Zft22, H.7/1931 (= 10.4.1931), S.557f

Poelzig, Hans: Zur Einführung, in: Preußische Akademie der Künste zu Berlin (Hg.): Poelzig und seine Schule, Ausstellungskatalog, Berlin 1931, S.1ff. Gekürzt auch in: Posener, Julius (Hg.): Hans Poelzig. Gesammelte Schriften und Werke, Schriftenreihe der Akademie der Künste Bd.6, Berlin 1970, S.250

Immatrikulationsbescheinigung Technische Hochschule Berlin, Hermann Zweigenthal, 25.11.1922, Av33

Westecker, Wilhelm: Hans Poelzig und seine Schule. Ausstellung in der Akademie, in: Zng10, 9.3.1931, Abendausgabe, S.3

—: L‘Exposition Soleil, Air, Maison pour Tous. Berlin, Eté 1932, in: Zft17, H.6/1932 (= August/September 1932), S.25

—: Fast so alt wie das Jahrhundert, Berlin 1990, S.187ff, S.200ff, S.213 —: Von einem Zeitgenossen, in: Zft30, H.38/1994 (= 7.10.1994), S.2118 —: Egon Eiermann (= Vortrag aus Anlass eines Symposiums an der Universität Stuttgart am 19.10.1994), in: Ders.: Was Architektur sein kann. Neuere Aufsätze, Basel (u.a.O.) 1995, S.199ff —: Heimliche Erinnerungen. In Deutschland 1904–1933, München 2004, S.315ff, S.357ff, S.383ff, S.395ff Preußische Akademie der Künste zu Berlin (Hg.): Poelzig und seine Schule, Ausstellungskatalog, Berlin 1931 Sch., P.F.: Poelzig und seine Schule. Akademie-Ausstellung, in: Zng102, 7.3.1931, Abendausgabe, (o.S.) S.3

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Schweitzer, Jürgen: Lieber Julius Posener, in: Günther, Sonja, Worbs, Dietrich (Hg.): Architektur-Experimente in Berlin und anderswo. Für Julius Posener, Berlin 1989, S.28f, S.254

Technische Hochschule zu Berlin. Programm für das Studienjahr 1926–1927, S.13ff, S.40ff, S.74ff, Av47

Schwennicke, Carl-Heinz: Poelzig als Lehrer, in: Zft24, H.9/1949 (= Mai 1949), S.227

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Müller-Rehm, Klaus: Lenchen Piepkorn. Erinnerungen aus acht Jahrzehnten, Unveröffentlichtes Manuskript, (o.O.) Berlin 1990, S.139ff, Av14

—: Die ersten Premieren. Goethe »Die natürliche Tochter«. Im Staatstheater, in: Zng17, 31.8.1931, Abendausgabe, (o.S.) S.2f

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5.1 Primärliteratur Anonym: (o.T.) Szenenfoto »Der Mantel« mit dem Bühnenbild von Hermann Zweigenthal, in: Zng103, 6.4.1924, Beilage Zeitbilder, (o.S.) S.5 —: Berliner Bühnenbilder, in: Zft55, H.4/1924 (= September 1924), S.234f —: Berliner Bühnenbilder, in: Zft55, H.6/1925 (= Juli 1925), S.358 —: Berliner Notizbuch (= Zwei Szenenfotos »Die Brautwahl« mit den Bühnenbildern von Hermann Zweigenthal), in: Zft133, H.3/1926 (= Februar 1926), S.66f —: Theater- und Kunstnachrichten, in: Zng65, 8.2.1926, S.7. Auch unter: Österreichische Nationalbibliothek, Austrian Newpapers Online, anno.onb.ac.at —: »Orpheus«. Versuchsbühne des Theaters am Schiffbauerdamm, in: Zng106, 7.1.1929, o.S. —: Das Goethe-Jahr beginnt. »Die natürliche Tochter« im Staatstheater, in: Zng103, 30.8.1931, Beilage Zeitbilder, S.3 —: Wie lange noch? Das »autoritäre« Regime am Berliner Staatlichen Schauspielhaus im Spiegel der »Faust«-Aufführung, in: Zft133, H.12/1932 (= Dezember 1932), S.198f Aufricht, Ernst Josef: Erzähle, damit du dein Recht erweist, Berlin 1966, S.79ff Bab, Julius: »Die natürliche Tochter«. Staatliches Schauspielhaus, in: Zng18, 1.9.1931, (o.S.), S.7 —: Der ungestrichene »Faust«. Staatliches Schauspielhaus, in: Zng18, 3.12.1932, o.S. Bachmann, Heinrich: Goethes »Faust 1. Teil«. Staatstheater. Neueinstudiert, in: Zng45, 4.12.1932, (o.S.) S.2 Benjamin, Walter: Neoklassizismus in Frankreich. Zur Berliner Uraufführung von Cocteaus »Orpheus«, in: Zft90, H.3/1929 (= 18.1.1929), S.7. Auch in: Tiedemann, Rolf, Schweppenhäuser, Hermann (Hg.): Walter Benjamin. Gesammelte Schriften, Bd.II.2, Frankfurt am Main 1977, S.625ff, Bd.II.3, Frankfurt am Main 1977, S.1433ff Bie, Oscar: Die Brautwahl. Städtische Oper, in: Zng9, 8.1.1926, (o.S.) S.2 —: Theater in Berlin, in: Zng34, 6.12.1932, (o.S.) S.2f Biedrzynski, Richard: Legals Burgfrieden. Goethe. »Die natürliche Tochter«. Spielzeitbeginn im Staatstheater, in: Zng32, 31.8.1931, Abendausgabe, (o.S.) S.2 —: Das Stilbild im »Faust«, in: Zng32, 11.12.1932, Morgenausgabe, (o.S.) S.11 Br., R. (= Rudolf Brendemühl): Zwischen Puppenspiel und Oper. »Faust« im Staatstheater, in: Zng102, 3.12.1932, o.S. Cocteau, Jean: Orphée, in: Décaudin, Michel (Hg.): Jean Cocteau. Théâtre complet, Paris 2003, S.386ff —: Orpheus. Tragödie in einem Akt und einem Intervall, Aus dem Französischen von Ferdinand Hardekopf, in: Schmidt, Reinhard (Hg.): Jean Cocteau. Werkausgabe in zwölf Bänden, Bd.4 Theater 1, Frankfurt am Main 1988, S.55ff Degner, Ernst: »Die natürliche Tochter«. Staatliches Schauspielhaus, in: Zng102, 31.8.1931, o.S. Diebold, Bernhard: »Orpheus« von Cocteau. Nacht-Premiere der Tragödie in einem Akt von Jean Cocteau im Theater am Schiffbauerdamm, in: Zng43, 9.1.1929, S.1f —: Die Tochter der Natur, in: Zng43, 5.9.1931, S.1f —: Von der Kuh bis zum Goethe. Berliner Theater-Repertoire, in: Zng43, 14.12.1932, S.1f Eloesser, Arthur: Die natürliche Tochter. Staatstheater, in: Zng103, 1.9.1931, o.S. Elster, Hanns Martin: Berliner Bühnen. Goethes »Faust« im Staatstheater, in: Zng79, 6.12.1932, (o.S.) S.2

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Krebs, Carl: Zwei Einakter. Deutsches Opernhaus, in: Zng94, 27.3.1924, (o.S.) S.2

Kühn, Edmund: Städtische Oper. Ferruccio Busoni »Die Brautwahl«, in: Zng45, 10.1.1926, Morgenausgabe, (o.S.) S.12 Lehner, Fritz: Wiener Theaterausstellungen, in: Zft125, H.10/1924 (= Oktober 1924), S.153f Lustig, Hanns G.: Cocteau und der Teufel. »Orpheus« im Studio des Theaters am Schiffbauerdamm, in: Zng98, 7.1.1929, (o.S.) S.10 M., L.: Goethejahr-Beginn. Die »Natürliche Tochter« im Staatstheater, in: Zng60, 31.8.1931, S.2 Marschalk, Max: »Der Mantel«. Erstaufführung im Deutschen Opernhause, in: Zng103, 27.3.1924, o.S. —: Die Brautwahl. Erstaufführung in der Städtischen Oper, in: Zng103, 9.1.1926, o.S. Maurer, Heinrich: »Der Mantel« von Puccini. Deutsches Opernhaus, in: Zng102, 28.3.1924, o.S. Mersus (= Wolfgang Duncker): Goethes Brüning-Stück. »Die natürliche Tochter« im Staatstheater, in: Zng8, 1.9.1931, S.5 Mühr, Alfred: »Faust« im Staatstheater, in: Zng32, 3.12.1932, Morgenausgabe, (o.S.) S.2 —: Dienst am »Faust«. Neueinstudierung im Staatstheater, in: Zng32, 3.12.1932, Abendausgabe, (o.S.) S.2 Münzer, Elise: »Orpheus« von Jean Cocteau. Theater am Schiffbauerdamm, in: Zng16, 8.1.1929, (o.S.) S.3 Musil, Robert: Das neue Theater Reinhardts in Wien, in: Zng31, 8.4.1924, o.S. Auch in: Ders.: Theater, Kritisches und Theoretisches, Reinbek bei Hamburg 1965, S.166f Nürnberg, Rolf: Orpheus. Studio-Aufführung im Theater am Schiffbauerdamm, in: Zng64, 7.1.1929, (o.S.) S.4 Osborn, Max: »Faust«, erster Teil. Die Aufführung im Schauspielhaus, in: Zng16, 4.12.1932, Elfte Beilage Pfeiffer, Herbert: (o.T.) Rezension der Inszenierung des »Faust« durch Lothar Müthel am Preußischen Staatstheater Berlin, in: Zng11, 3.12.1932, o.S. Unter dem Titel »Faust, 1. Teil. Staatstheater am Gendarmenmarkt« auch in: Zng108, 5.12.1932, o.S. Gekürzt auch in: Rühle, Günther: Theater für die Republik. 1917–1933. Im Spiegel der Kritik, Frankfurt am Main 1967, S.1132ff Pinthus, Kurt: »Der sprechende Affe« in der Komödie. René Fauchois‘ Affen-Komödie, in: Zng5, 11.4.1925, o.S. —: Jean Cocteaus Zaubertheater. Nachtvorstellung im Theater am Schiffbauerdamm, in: Zng5, 7.1.1929, o.S. —: »Faust« – neu und lang. Mit Werner Krauss und Gründgens im Staatstheater, in: Zng5, 3.12.1932, (o.S.) S.7f Pisling, Siegmund: »Die Brautwahl«. Busoni in der Städtischen Oper, in: Zng5, 8.1.1926, o.S. A. Prgr. (= August Püringer): Puccinis »Mantel«. Erstaufführung im Deutschen Opernhause, in: Zng32, 27.3.1924, o.S. Reve, Ludwig: Tragödie oder Travestie? Cocteaus »Orpheus« am Schiffbauerdamm, in: Zng15, 7.1.1929, o.S. Riedel, Richard: »Faust«. I. Teil. Staatliches Schauspielhaus, in: Zng94, 4.12.1932, o.S. Roth, Josef: Reinhardt am Kurfürstendamm, in: Zng77, 5.11.1924, S.7. Auch in: Nürnberger, Helmuth (Hg.): Joseph Roth. Heimweh nach Prag. Feuilletons, Glossen, Reportagen für das »Prager Tagblatt«, Göttingen 2012, S.259f, S.533f. Auch unter: Österreichische Nationalbibliothek, Austrian Newspapers Online, anno.onb.ac.at Ruppel, Karl Heinrich: Faust und die Berliner Staatstheaterkrise, in: Zng54, 3.12.1932, (o.S.) S.2

—: Berliner Staatstheater. Faust. Der Tragödie erster Teil, in: Zng54, 7.12.1932, (o.S.) S.2 S., L.: Puccinis »Der Mantel«. Erstaufführung im Deutschen Opernhaus, in: Zng17, 27.3.1924, o.S. S., M.: Die Brautwahl. Stadtoper, in: Zng93, 8.1.1926, Abendausgabe, (o.S.) S.2 Schattmann, Alfred: Busonis »Brautwahl« in der Städtischen Oper. Eine fragliche Wiedererweckung aus verdientem Todesschlaf, in: Zng62, 8.1.1926, (o.S.) S.6 Scheffler, Karl: Poelzigs Dekorationen zum Don Juan, in: Zft84, Bd.XXI, H.7/1922/1923 (= April 1923), S.220ff. Gekürzt auch in: Der dramatische Raum. Hans Poelzig. Malerei Theater Film, Ausstellungskatalog, Krefeld 1986, S.82 Schwarz, Max: Puccini. »Der Mantel«. Zum ersten Male im Deutschen Opernhaus, in: Zng16, 28.3.1924, o.S. Servaes, Franz: Traum eines Nervenbündels. »Orpheus« von Jean Cocteau. Theater am Schiffbauerdamm, in: Zng13, 7.1.1929, (o.S.) S.2 —: Zeitloses Zeitdrama. Goethes »Natürliche Tochter« im Staatstheater, in: Zng13, 31.8.1931, o.S. Singer, Kurt: Busoni‘s »Brautwahl«. Erstaufführung in der Städtischen Oper, in: Zng102, 8.1.1926, o.S. Steinhagen, Otto: Erstaufführung im Deutschen Opernhause. »Der Mantel« von Puccini, in: Zng10, 27.3.1924, o.S. Steinthal, Walter: Fünf Stunden »Faust« im Staatstheater. Krauss in der Titelrolle, in: Zng112, 3.12.1932, (o.S.) S.8 Sternaux, Ludwig: Der »Faust« des Staatstheaters. Der Tragödie erster Teil, in: Zng13, 3.12.1932, Abendausgabe, (o.S.) S.2 E.U. (= Erich Urban): »Der Mantel«. Puccini im Deutschen Opernhaus, in: Zng21, 27.3.1924, o.S. Urban, Erich: Busonis »Brautwahl«. Berliner Erstaufführung in der Städtischen Oper, in: Zng21, 8.1.1926, o.S. Weidner, Albert: Berliner Theater-Woche, in: Zng106, 5.12.1932, (o.S.) S.6 Weiskopf, Franz Carl: Goethes »Faust« im Staatstheater, in: Zng8, 4.12.1932, S.13 Weltmann, Lutz: Jean Cocteau »Orpheus«. Uraufführung der Versuchsbühne im Theater am Schiffbauerdamm, in: Zng18, 8.1.1929, Morgenausgabe, S.2 Werner, Bruno E.: »Orpheus« von Jean Cocteau. Theater am Schiffbauerdamm, in: Zng31, 7.1.1929, o.S. Wiegler, Paul: Goethe. »Die natürliche Tochter«. Im Staatlichen Schauspielhaus, in: Zng21, 31.8.1931, o.S. —: Faust, der Tragödie erster Teil. Krauss – Gründgens – die Gold im Staatstheater, in: Zng21, 3.12.1932, o.S. Gekürzt auch in: Rühle, Günther: Theater für die Republik. 1917–1933. Im Spiegel der Kritik, Frankfurt am Main 1967, S.1131f Wr., R.: »Die Brautwahl«. Oper von Ferruccio Busoni. Erstaufführung in der Städtischen Oper, in: Zng66, 8.1.1926, o.S. Zweigenthal, Hermann: Dr. Georg Pauly. Oberspielleiter der Städtischen Oper Berlin. Nach dem Leben gezeichnet, in: Köhrer, Erich (Hg.): Jahrbuch der Städtischen Oper Berlin 1925/26, Berlin (o.J.) 1926, S.13

5.2 Sekundärliteratur Anonym: Der Architekt Oskar Kaufmann, Mit einem Vorwort von Oscar Bie, Berlin 1928 —: In Memoriam. Nina Tokumbet, in: Zft38, H.1/1950 (= Februar 1950), S.5f Badenhausen, Rolf: Jean Cocteau en Allemagne, in: Cahiers Jean Cocteau, H. 5 Jean Cocteau et son théâtre, Paris 1975, S.108ff Baranowsky, Alexander, Mahnke, Adolf: Neuzeitliche BühnenMalerei. 39 Tafeln mit insgesamt 70 Szenerie-Darstellungen in farbigem Offsetdruck und in Autotypie nebst erläuterndem Text, Leipzig (o.J.) 1926 Behr, Adalbert, Hoffmann, Alfred: Das Schauspielhaus in Berlin, Berlin 1985, Absch. Umgestaltungen des Schauspielhauses im 19. und 20. Jahrhundert, S.113ff Bellmann, Günther: Schauspielhausgeschichten. 250 Jahre Theater und Musik auf dem Berliner Gendarmenmarkt, Berlin 1993, S.170ff Berlinische Galerie (u.a.Hg.): Gustav Wunderwald. Gemälde Handzeichnungen Bühnenbilder. Eine Ausstellung zum 100. Geburtstag des Künstlers, Berlin 1982 Boeser, Knut, Vatková, Renata (Hg.): Max Reinhardt in Berlin, Berlin 1984 Böß, Gustav: Die Berliner Städtische Oper, in: Zft133, H.19/1925 (= Oktober 1925), S.434f Bogner, Dieter, Lesák, Barbara: Die Internationale Ausstellung neuer Theatertechnik 1924, in: Traum und Wirklichkeit. Wien 1870–1930, Ausstellungskatalog, Wien 1985, S.664ff Bollert, Werner: 50 Jahre Deutsche Oper Berlin. 7. November 1912 – 7. November 1962, Berlin (o.J.) 1962, S.20ff, S.40 Bolz, Hans-Stefan: Werkverzeichnis, in: Pehnt, Wolfgang, Schirren, Matthias (Hg.): Hans Poelzig. 1869–1936, Architekt Lehrer Künstler, Ausstellungskatalog, München 2007, Eintr.e WV 96 »König Lear«, S.230, WV 97 »Don Giovanni«, S.230, WV 100 »Gilles und Jeanne«, S.231 Chelmis, Constantin: Der Bühnenbildner Panos Aravantinos und seine Tätigkeit an der Staatsoper Berlin (1919–1930), Phil. Diss., Berlin 1975

Deutsche Staatsoper Berlin (Hg.): Die Brautwahl. Musikalischphantastische Komödie. Musik und Libretto von Ferruccio Busoni nach einer Erzählung aus E.T.A. Hoffmanns »Serapionsbrüdern«, Berlin 1992

Mildenberger, Marianne: Film und Projektion auf der Bühne, Emsdetten 1961, Einleitung, S.VIIff, Prämisse, S.1f, S.67, S.218, Kap. Nina Tokumbet, S.295ff, Kap. Caspar Neher, S.301ff, Kap. Ergebnisse, S.306f, Abb. 28 bis Abb. 29, Abb. 222 bis Abb. 258

Diebold, Bernhard: Anarchie im Drama. Kritik und Darstellung der modernen Dramatik, Frankfurt am Main 1925, Kap. Zum Bühnenbild, S.443ff

Müller, Gerhard (u.a.A.): Apollos Tempel in Berlin. Vom Nationaltheater zum Konzerthaus am Gendarmenmarkt. Eine Berliner Theaterchronik 1776–2008, München (u.a.O.) 2008, S.212f

—: Das Reich ohne Mitte, Roman, Zürich und New York 1938, S.689

Müller, Traugott R.: Traugott Müller 1895–1944. Bühnenbildner des großen Raumes. Berlin 1923–1944, Essen 2002

Der dramatische Raum. Hans Poelzig. Malerei Theater Film, Ausstellungskatalog, Krefeld 1986 Eckert, Nora: Das Bühnenbild im 20. Jahrhundert, Berlin 1998 Fiedler, Leonhard M.: Realer und virtueller Raum. Hans Poelzig und das Theater, in: Kinematograph, Schriftenreihe des Deutschen Filmmuseums Frankfurt am Main, Nr. 12/1997, Hans Poelzig, Bauten für den Film, S.95ff Franken, Franz Hermann: Hans Meid. Leben und Werk, Stuttgart 1987, S.276ff Freydank, Ruth: Theater in Berlin. Von den Anfängen bis 1945, Berlin 1988, S.353ff Frommhold, Erhard: Otto Nagel. Zeit Leben Werk, Berlin 1974 Fuhrich-Leisler, Edda: Max Reinhardt und Wien, in: Traum und Wirklichkeit. Wien 1870–1930, Ausstellungskatalog, Wien 1985, S.660ff Funke, Christoph, Jansen, Wolfgang: Theater am Schiffbauerdamm. Die Geschichte einer Berliner Bühne, Berlin 1992, S.89f, S.94 Georg, Manfred: R.C. Neher oder Die Erfüllung des Bühnenbildes, in: Zft125, H.3/1931 (= März 1931), S.76ff Gradenwitz, Peter: Arnold Schönberg und seine Meisterschüler. Berlin 1925–1933, Wien 1998, Kap. Die verlorene Handschrift, Hansjörg Dammert, S.305ff Gregor, Joseph: Der Schauspielführer, Bd.III, Stuttgart 1955, Art. Jean Cocteau, Orpheus, Trauerspiel in einem Akt und einem Zwischenspiel, S.65f Hambrock-Abicht, Heike: Formwille und Farbenrausch. Hans Poelzigs Bühnendekoration zur Mozartoper Don Giovanni, in:Kinematograph, Schriftenreihe des Deutschen Filmmuseums Frankfurt am Main, Nr. 12/1997, Hans Poelzig, Bauten für den Film, S.102ff Hansen, Antje: Oskar Kaufmann. Ein Theaterarchitekt zwischen Tradition und Moderne, Berlin 2001, S.191, S.320ff Höper, Susanne: Max Reinhardt. Theater. Bauten und Projekte. Ein Beitrag zur Architektur- und Theatergeschichte im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, Phil. Diss., Göttingen 1994, S.142ff, S.213f Hoffmann-Allenspach, Tobias: Bernhard Diebold, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Bd.1 A-G, Zürich 2005, S.465f. Auch unter: tls.theaterwissenschaft.ch/wiki/Bernhard_Diebold Huesmann, Heinrich: Welttheater Reinhardt. Bauten Spielstätten Inszenierungen, München 1983, S.59f Iden, Peter: Ein Trauerspiel gegen die Zeit. Goethes Antwort auf die Revolution. »Die natürliche Tochter«, ein Drama der Entsagung, dem unsere Theater sich verweigern, in: Zng42, 30.9.1989, Beilage Zeit und Bild, S.ZB3 Jammerthal, Peter: Ein zuchtvolles Theater. Bühnenästhetik des »Dritten Reiches«. Das Berliner Staatstheater von der »Machtergreifung« bis zur Ära Gründgens, Phil. Diss., Berlin 2007, S.14ff. Auch unter: diss.fu-berlin.de/diss/receive/ fudiss_thesis_000000002953 Jannasch, Adolf: Hans Meid, Berlin und Wien 1943 Jauslin, Christian: Caspar Neher, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Bd.2 H-Q, Zürich 2005, S.1312f. Auch unter: tls.theaterwissenschaft.ch/wiki/Caspar_Neher Kirchhoff, Herbert: (o.T.) Erinnerung an die Jahre von 1932 bis 1938 als Assistent von Caspar Neher, in: Einem, Gottfried von, Melchinger, Siegfried (Hg.): Caspar Neher. Bühne und bildende Kunst im XX. Jahrhundert, Velber bei Hannover 1966, S.112ff Köhrer, Erich: Die Oper der Stadt Berlin, in: Zft133, H.19/1925 (= Oktober 1925), S.436ff — (Hg.): Jahrbuch der Städtischen Oper Berlin 1925/26, Berlin (o.J.) 1926 Koneffke, Silke: Theater Raum. Visionen und Projekte von Theaterleuten und Architekten zum andern Aufführungsort. 1900– 1980, Berlin 1999, Absch.e Tendenzen der Theaterszene, S.77ff, Friedrich Kiesler, Die Raumbühne oder Theater in der Achterbahn, S.146ff, S.182 Kümmerlen, Robert: Zur Ästhetik bühnenräumlicher Prinzipien oder Der Raum auf dem Theater, Stuttgart 1929 Lesák, Barbara: Die Kulisse explodiert. Friedrich Kieslers Theaterexperimente und Architekturprojekte. 1923–1925, Wien 1988 Lieber, Gérard: Orphée. Notice, in: Décaudin, Michel (Hg.): Jean Cocteau. Théâtre complet, Paris 2003, S.1663ff Mahnke, Adolf: Neuzeitliche Bühnen-Malerei. Kurzer Abriß über Bau, Malerei und Beleuchtung kleiner und mittlerer Bühnen. Zugleich erläuternder Text zu dem gleichnamigen Vorlagenwerk für Maler zur Ausführung von Theater-Dekorationen von Prof. Alexander Baranowsky und Adolf Mahnke, Leipzig (o.J.) 1926 Melchinger, Siegfried: Der Bühnenbauer Caspar Neher und die Theatergeschichte des XX. Jahrhunderts, in: Einem, Gottfried von, Melchinger, Siegfried (Hg.): Caspar Neher. Bühne und bildende Kunst im XX. Jahrhundert, Velber bei Hannover 1966, S.20ff Metzger, Karl-Heinz, Dunker, Ulrich: Der Kurfürstendamm. Leben und Mythos des Boulevards in 100 Jahren deutscher Geschichte, Berlin 1986, S.136ff

Nehers Inszenierungen, Verzeichnis der Bühnenbilder, in: Einem, Gottfried von, Melchinger, Siegfried (Hg.): Caspar Neher. Bühne und bildende Kunst im XX. Jahrhundert, Velber bei Hannover 1966, S.180ff Niessen, Carl: Max Reinhardt und seine Bühnenbildner, Ausstellungskatalog, Köln 1958 Oschilewski, Walther G.: Zeitungen in Berlin. Im Spiegel der Jahrhunderte, Berlin 1975 Phleps, Thomas: Zwölftöniges Theater. »Wiener Schüler« und Anverwandte in NS-Deutschland, in: Heister, Hanns-Werner (Hg.): »Entartete Musik« 1938. Weimar und die Ambivalenz. Ein Projekt der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar zum Kulturstadtjahr 1999, Teil 1, Saarbrücken 2001, S.180, S.182, S.207 Pirchan, Emil: Bühnenmalerei. Das Malen von Theaterdekorationen, Ravensburg 1950, S.118ff Reinking, Wilhelm: Gedanken über eine zukünftige Form des Bühnenbildes, die ich im Anschluß an ein von mir gehaltenes Referat über das »Russisch-Romantische Theater« im Seminar für Theaterkritik von Professor Arthur Kutscher im Auditorium Maximum der Universität in München im Februar 1924 vorgetragen habe, in: Ders.: Spiel und Form. Werkstattbericht eines Bühnenbildners zum Gestaltwandel der Szene in den zwanziger und dreißiger Jahren, Hamburg 1979, S.43ff —: Spiel und Form. Werkstattbericht eines Bühnenbildners zum Gestaltwandel der Szene in den zwanziger und dreißiger Jahren, Hamburg 1979, Absch. Das Theater am Schiffbauerdamm 1930, S.121ff Rischbieter, Henning (Hg.): Theater-Lexikon, Zürich und Schwäbisch Hall 1983 Rühle, Günther: Theater für die Republik. 1917–1933. Im Spiegel der Kritik, Frankfurt am Main 1967 —: Biographische Anmerkungen (= Art. über die beruflichen Lebensläufe zahlreicher Kritiker), in: Ders.: Theater für die Republik. 1917–1933. Im Spiegel der Kritik, Frankfurt am Main 1967, S.1161ff Die Scene. Blätter für Bühnenkunst, H.1/1928 (= Januar 1928), Sondernummer Bühnenbau und Bühnenbild Schilling, Karsten: Das zerstörte Erbe. Berliner Zeitungen der Weimarer Republik im Portrait, Phil. Diss., Berlin 2011 Schirmer, Lothar, Praller, Dirk: Bühnen-Bilder. Hainer Hill und die Kunst der Projektion, Karlsruhe 2005, S.13ff Schmied, Wieland: Werner Heldt, Mit einem Werkkatalog von Eberhard Seel, Köln 1976 Schuberth, Ottmar: Das Bühnenbild. Geschichte Gestalt Technik, München 1955, Absch.e Max Reinhardt, S.97f, Deutschland, S.107ff, Projektion, S.171f Sievert, Ludwig: Biographische Notiz. Wer ist der ideale Bühnenbildner?, in: Wagner, Ludwig: Der Szeniker Ludwig Sievert. Studie zur Entwicklungsgeschichte des Bühnenbildes im letzten Jahrzehnt, Berlin 1926, S.159ff Staatliche Kunsthalle Berlin (Hg.): Hans Baluschek. 1870–1935, Ausstellungskatalog, Berlin 1991 Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main (Hg.): Bühne und Bild des »Frankfurter Expressionismus«. Die Städtischen Bühnen 1917–1933, Ausstellungskatalog, Frankfurt am Main 1985 Steegmuller, Francis: Cocteau. A Biography, Boston 1986, S.353f, S.363f, S.370f Stern, Ernst: Bühnenbildner bei Max Reinhardt, Berlin 1983 Stuckenschmidt, Hans Heinz: Busoni in Berlin, in: Zft113, H.6/1966 (= Februar 1966), (o.S.) S.1ff —: Ferruccio Busoni. Zeittafel eines Europäers, Zürich und Freiburg im Breisgau 1967, S.87ff —: Zum Hören geboren. Ein Leben mit der Musik unserer Zeit, München und Zürich 1979, Notiz zu Hansjörg Dammert, S.94f, S.122 Tietjen, Heinz: Verteidigung. Eine Bilanz des Staatlichen Schauspielhauses, Mit einer Replik von M.J. (= Monty Jacobs), in: Zng103, 17.12.1932, Morgenausgabe, (o.S.) S.4 Verschwundene Äste mit Gazeschleiern. Berliner Bühnenbildner äußern sich in der »Nachtausgabe« zu der Frage: »Wie entsteht ein Bühnenbild«, in: Zng12, 2.1.1929, (o.S.) S.9 Volkmer, Waldemar: Ein neues Verfahren zur Herstellung von Projektionsplatten für Bühnenbildprojektion, in: Zft38, H.2/1950 (= April 1950), S.7 Wagner, Ludwig: Der Szeniker Ludwig Sievert. Studie zur Entwicklungsgeschichte des Bühnenbildes im letzten Jahrzehnt, Berlin 1926 Welzbacher, Christian: »Keine Konzessionen an den schlechten Geschmack«. Wie sich die Kulturnation inszeniert. »Goethe lebt...!« Ein wiederentdeckter staatlicher Jubiläumsfilm aus dem GoetheGedenkjahr 1932, in: Zng90, 28.8.2007, S.14 Wolter, Christoph: Jean Cocteau et l‘Allemagne. Mythes et réalité de la réception de son théâtre, Paris 2007, Absch. Orphée, S.117ff, S.474

325

Worbs, Dietrich: »Komödie« und »Theater am Kurfürstendamm«. Das Erbe von Oskar Kaufmann und Max Reinhardt, München und Berlin 2007, S.24ff, S.89 Zucker, Paul: Theater und Lichtspielhäuser, Berlin 1926

5.3 Archivalien Dammert, Hansjörg: An Jean Cocteau, 7.1.1929, Av18 Deutsches Opernhaus Charlottenburg (Hg.): Giacomo Puccini »Der Mantel«, Programmheft, Berlin 1924, Av22 Herrey, Hermann: Hermann Herrey Lebenslauf, Von 1904 bis etwa 1950, In deutscher Sprache, Typoskript, (o.D.) 1956, S.1, S.2, S.3a, S.4, Av22 Preußische Staatstheater Schauspielhaus am Gendarmenmarkt (Hg.): Johann Wolfgang von Goethe »Die natürliche Tochter«, Programmheft, Berlin 1931, Av22 Theater am Schiffbauerdamm (Hg.): Jean Cocteau »Orpheus«, Programmzettel, Berlin 1929, Av5 Zweigenthal, Dorothee: An Hermann Zweigenthal, (o.D.) Ende Oktober 1932, Av32 Zweigenthal, Hermann: Bühnenbild »Die natürliche Tochter«, Vier Grundrisse, Av27 —: An Dorothee Zweigenthal, 14.10.1932, Av32

6.1 Primärliteratur Anonym: Gedeckte Tennisplätze am Kurfürstendamm. Ein neuartiges Bauprojekt, in: Zng17, 20.10.1926, Morgenausgabe, o.S. —: 300 neue Wohnungen am Kurfürstendamm. Um einem dringenden Bedürfnis abzuhelfen. Auch ein Kino und ein Theater für 2000 Personen, in: Zng5, 24.11.1926, o.S. —: 300 neue Wohnungen im Westen. Theater und Kino für je 2000 Personen, eine Arkadenstraße für 80 Läden, Sporthalle mit gedeckten Tennisplätzen, in: Zng17, 25.11.1926, Morgenausgabe, Ausgabe für Berlin, Berliner Stadtblatt, o.S. Gekürzt auch in: Schaubühne am Lehniner Platz (Hg.): Der Mendelsohn-Bau am Lehniner Platz. Erich Mendelsohn und Berlin, Berlin 1981, S.48 —: Emil Heinicke Akt.-Ges. Verwertung der Vorratsaktien, in: Zng17, 26.11.1926, Handelszeitung, o.S. Gropius, Walter: vom modernen theaterbau, unter berücksichtigung des piscator-theaterneubaues in berlin, in: Zft38, H.6/1927 (= Dezember 1927), S.6f Handbuch der Deutschen Aktien-Gesellschaften. Ein Hand- und Nachschlagebuch für Bankiers, Industrielle, Kapitalisten, Behörden etc., 31. Auflage 1926, Berlin und Leipzig 1926, Bd.1, S.151f Handbuch der Deutschen Aktien-Gesellschaften. Ein Hand- und Nachschlagebuch für Bankiers, Industrielle, Kapitalisten, Behörden etc., 35. Auflage 1930, Berlin und Leipzig 1930, Bd.1, S.306 Kästner, Erich: Das Theater der Zukunft, in: Zng77, 27.11.1927, S.5 Kaufmann, Oskar: Der moderne Theaterbau, in: Zft53, H.18/1909 (= November 1909), S.302ff. Auch in: Hansen, Antje: Oskar Kaufmann. Ein Theaterarchitekt zwischen Tradition und Moderne, Berlin 2001, S.158ff Mitteldeutsche Ausstellungsgesellschaft m.b.H. (Hg.): Deutsche Theater-Ausstellung Magdeburg 1927. Amtlicher Katalog, Magdeburg 1927 —: Die Deutsche Theater-Ausstellung Magdeburg 1927. Eine Schilderung ihrer Entstehung und ihres Verlaufes, Magdeburg 1928 Müller-Wulckow, Walter: Bauten der Gemeinschaft. Deutsche Baukunst der Gegenwart, Königstein im Taunus und Leipzig 1929. Als Reprint auch in: Ders.: Architektur 1900–1929 in Deutschland, Königstein im Taunus 1999 Platz, Gustav Adolf: Poelzigs Entwürfe zum Salzburger Festspielhaus. Eine Würdigung, in: Zft140, H.1/1925 (= Januar 1925), S.27ff. Gekürzt auch in: Der dramatische Raum. Hans Poelzig. Malerei Theater Film, Ausstellungskatalog, Krefeld 1986, S.63f Pogány, Móric: Träume eines Baumeisters, Mit einem Geleitwort von Professor Max Reinhardt, Leipzig (u.a.O.) 1926 Posener, Julius: Projet d‘un amphithéâtre en loges. Architecte H. Zweigenthal, in: Zft17, H.7/1933 (= September/Oktober 1933), S.27 Scheffler, Karl: Das Große Schauspielhaus, in: Zft84, Bd.XVIII, H.5/1919/1920 (= Februar 1920), S.231ff. Auch in: Posener, Julius (Hg.): Hans Poelzig. Gesammelte Schriften und Werke, Schriftenreihe der Akademie der Künste Bd.6, Berlin 1970, S.136ff

Fiedler, Leonhard M.: Realer und virtueller Raum. Hans Poelzig und das Theater, in: Kinematograph, Schriftenreihe des Deutschen Filmmuseums Frankfurt am Main, Nr. 12/1997, Hans Poelzig, Bauten für den Film, S.88ff Fuhrich-Leisler, Edda: Max Reinhardt und Wien, in: Traum und Wirklichkeit. Wien 1870–1930, Ausstellungskatalog, Wien 1985, S.660ff Grüning, Michael: Der Wachsmann-Report. Auskünfte eines Architekten, Berlin 1985, S.36ff Güttler, Peter: Opernhäuser und Theater, in: Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hg.): Berlin und seine Bauten, Teil V, Bauwerke für Kunst, Erziehung und Wissenschaft, Bd.A, Bauten für die Kunst, Berlin und München 1983, S.65ff —: Liste der Opernhäuser und Theater, in: Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hg.): Berlin und seine Bauten, Teil V, Bauwerke für Kunst, Erziehung und Wissenschaft, Bd.A, Bauten für die Kunst, Berlin und München 1983, S.107ff Hambrock, Heike: Kollektive Festlichkeit. Theater und Festbau der Zukunft, in: Pehnt, Wolfgang, Schirren, Matthias (Hg.): Hans Poelzig. 1869 bis 1936. Architekt Lehrer Künstler, Ausstellungskatalog, München 2007, S.126ff Hambrock-Abicht, Heike: Formwille und Farbenrausch. Hans Poelzigs Bühnendekoration zur Mozartoper Don Giovanni, in:Kinematograph, Schriftenreihe des Deutschen Filmmuseums Frankfurt am Main, Nr. 12/1997, Hans Poelzig, Bauten für den Film, S.104f Hansen, Antje: Oskar Kaufmann. Ein Theaterarchitekt zwischen Tradition und Moderne, Berlin 2001 Höper, Susanne: Max Reinhardt. Theater. Bauten und Projekte. Ein Beitrag zur Architektur- und Theatergeschichte im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, Phil. Diss., Göttingen 1994, S.108ff, S.206ff Huesmann, Heinrich: Welttheater Reinhardt. Bauten Spielstätten Inszenierungen, München 1983, S.43ff, S.63f, S.90ff, S.138f Kallmorgen, Werner: Theater heute. Was heißt und zu welchem Ende baut man Kommunaltheater?, Darmstadt 1955, Absch.e Die amphitheatralische Sitzanordnung, S.96, Die Ranganordnung, S.96 Koneffke, Silke: Theater Raum. Visionen und Projekte von Theaterleuten und Architekten zum andern Aufführungsort. 1900–1980, Berlin 1999, Absch.e Max Reinhardt, Der Zirkus oder die Dritte Bühne, S.57ff, S.75, Das Totaltheater-Projekt, Theaterbau als große Raum-Maschine, S.108ff, S.181 Erich Mendelsohn. 1887–1953. Ideen, Bauten, Projekte, Ausstellungskatalog, Berlin 1987, S.77ff Nerdinger, Winfried: Der Architekt Walter Gropius. Zeichnungen, Pläne und Fotos aus dem Busch-Reisinger Museum der Harvard University Art Museums, Cambridge / Mass. und dem BauhausArchiv Berlin, Ausstellungskatalog, Berlin 1996, Absch. Projekt Totaltheater für Erwin Piscator 1927, S.94ff, S.242 Posener, Julius: Vorwort, in: Ders. (Hg.): Hans Poelzig. Gesammelte Schriften und Werke, Schriftenreihe der Akademie der Künste Bd.6, Berlin 1970, S.7, S.9, S.12 —: Berlin auf dem Wege zu einer neuen Architektur. Das Zeitalter Wilhelms II., München 1979, Kap. Theaterbau, S.402ff, S.444ff, S.447ff Schaubühne am Lehniner Platz (Hg.): Der Mendelsohn-Bau am Lehniner Platz. Erich Mendelsohn und Berlin, Berlin 1981, S.26, S.40ff, S.48 Schuberth, Ottmar: Das Bühnenbild. Geschichte Gestalt Technik, München 1955, Absch. Max Littmann, S.98f Stephan, Regina (Hg.): Erich Mendelsohn. Architekt 1887–1953. Gebaute Welten. Arbeiten für Europa, Palästina und Amerika, Ostfildern-Ruit 1998, S.134ff, S.322f —: Erich Mendelsohns Bauten heute. Architekturführer zu seinen Bauten in Deutschland, Polen, Russland, Norwegen, Großbritannien, Israel und in den Vereinigten Staaten von Amerika, Darmstadt und Berlin 2004, S.10f Zielske, Harald: Deutsche Theaterbauten bis zum Zweiten Weltkrieg. Typologisch-historische Dokumentation einer Baugattung, Schriften der Gesellschaft für Theatergeschichte Bd.65, Berlin 1971, Absch. Der deutsche Theaterbau zwischen den beiden Weltkriegen, S.64ff, S.290ff

6.3 Archivalien Liepmann, Dorothee: An Hermann Zweigenthal, 18.1.1927 (von der Autorin falsch datiert 18.1.1926), Av32 Zweigenthal, Hermann: An Julius Posener, 5.9.1933, Av22

Westheim, Paul: Festspielhaus in Salzburg. Ein Vorprojekt von Hans Poelzig, in: Zft140, H.9/10/1920/1921 (= März/April 1921), S.245ff —, Poelzig, Hans: Festspielhaus in Salzburg. Ein Vorprojekt und eine Ansprache von Hans Poelzig, in: Zft85, H.3/1921 (= März 1921), S.77ff. Die Ansprache von Hans Poelzig auch in: Posener, Julius (Hg.): Hans Poelzig. Gesammelte Schriften und Werke, Schriftenreihe der Akademie der Künste Bd.6, Berlin 1970, S.142ff

6.2 Sekundärliteratur

7.1 Primärliteratur Anonym: Eine Schauspielerwohnung, in: Zft49, H.1/1929 (= Oktober 1929), S.32 —: (o.T.) Wohnung Lothar Müthel, in: Zft26, H.8/1930 (= Mai 1930), S.186 —: Schuhhaus Jacoby A.-G. Kaiserstraße, in: Zng40, 4.10.1930, (o.S.) S.4

Architekturwerkstatt Helge Pitz Winfried Brenne: Dokumentation der fünfzigjährigen Geschichte des Universum Kinos 1928–1978. Architekt Erich Mendelsohn, Unveröffentlichtes Gutachten im Auftrag des Senators für Bau- und Wohnungswesen Berlin, Berlin 1980

—: Umbau Läden Albersheim und Jacoby, in: Zft105, H.2/1931 (= Februar 1931), S.21, S.37

Der dramatische Raum. Hans Poelzig. Malerei Theater Film, Ausstellungskatalog, Krefeld 1986

—: Drei verschieden eingerichtete Schuhverkaufsräume, in: Zft148, H.17/1931 (= 24.4.1931), Einlage Die Bauberatung. Für Geschäftshaus und Laden, S.24

326

—: Geschäftshaus-Umbau in Frankfurt am Main. Architekt Hermann Zweigenthal, Berlin, in: Zft141, H.3/1931 (= März 1931), S.97ff

—: Geschäftshausumbau Schuhhaus Jacoby Frankfurt a. Main. Arch. Dipl.Ing. Hermann Zweigenthal Berlin, in: Zft29, H.8/1931 (= August 1931), S.330ff, Tafel 90 Eckhardt, Ferdinand: Wohnung eines Schauspielers in BerlinWestend, in: Zft93, H.1/1931 (= Januar 1931), S.38f —: Schuhhaus Jacoby in Frankfurt a.M., in: Zft22, H.7/1931 (= 10.4.1931), S.545ff —: Ein modernes Schuhhaus in Frankfurt a.M., in: Zft148, H.17/1931 (= 24.4.1931), Einlage Die Bauberatung. Für Geschäftshaus und Laden, (o.S.) S.23 Günther, Johannes: Der Schauspieler Lothar Müthel, Berlin 1934, S.53f Handbuch der Deutschen Aktien-Gesellschaften. Ein Hand- und Nachschlagebuch für Bankiers, Industrielle, Kapitalisten, Behörden etc., 35. Auflage 1930, Bd.3, Berlin und Leipzig 1930, Eintr. Emil Jacoby Akt.-Ges. gegr. 1872 Berlin, S.4287 Hoffmann, Herbert: Kleine Räume und ihre Möblierung (= Enthaltend ein Foto der Wohnung Hermann Vollmer), in: Zft93, H.7/1934 (= Juli 1934), S.357 Neubau Jacoby. Am Umbau beteiligte Firmen (= Sieben Anzeigen), in: Zng43, 5.10.1930, Stadtblatt, S.11 ny: Ein neues Schuhgeschäft, in: Zng43, 4.10.1930, Stadtblatt, S.2 Posener, Julius: Stuhl oder Sitzmaschine? Neues Wohnen. Eine Stimme aus der jungen Generation unserer Architekten, in: Zng103, 9.6.1932, Abendausgabe, o.S. Auch in: Ders.: Aufsätze und Vorträge 1931–1980, Braunschweig und Wiesbaden 1981, S.35ff. Auch in: z.B. Stühle. Ein Streifzug durch die Kulturgeschichte des Sitzens, Ausstellungskatalog, Gießen 1982, S.42f —: Innenarchitektur, in: Zng103, 4.9.1932, (o.S.) S.31. Auch in: Ders.: Aufsätze und Vorträge 1931–1980, Braunschweig und Wiesbaden 1981, S.39f —: Wohnräume von Hermann Zweigenthal, in: Zft70, H.3/1933 (= März 1933), S.103ff Schuhmacher, Adolf: Ladenbau. Anordnung, Einbau und Ausgestaltung kleiner und großer Läden in alten und neuen Häusern, Die Baubücher Bd.15, Stuttgart 1934, S.7, S.38, S.42, S.124 Weiß, Fanny: Die neuzeitliche Wohnung und der Perserteppich (= Enthaltend ein Foto der Wohnung Hermann Vollmer), in: Zft70, H.10/1933 (= Oktober 1933), S.357

7.2 Sekundärliteratur Anonym: Ladenmöbel, in: Zft60, H.16/1929 (= August 1929), S.434ff —: Schaufenster und Geschäftshäuser. Notizen zu den Bildern, in: Zft60, H.10/1931 (= Oktober 1931), S.371ff —: Der Architekt als Zauberer. Zu Arbeiten des Architekten Ernst Plischke (= Art. über die Wohnung Viktor Böhm), in: Zft37, H.395/1935 (= März 1935), S.22ff. Auch unter: Österreichische Nationalbibliothek, Austrian Newspapers Online, anno.onb.ac.at Bauhaus-Archiv Museum für Gestaltung (Hg.): Bauhaus in Berlin. Bauten und Projekte, Berlin 1995, S.67, Eintr. Otto Rittweger, S.169 Berger, Josef: Die Stil-Richtungen. Versuch einer Sichtung, in: Zft70, H.5/1929 (= Mai 1929), S.210, S.214 Bernau, Nikolaus: Der Mozart unter den Stühlen. Sechs Bugholzteile ergeben eine Revolution. Der Thonet Nr. 14 gilt als unerreichter Klassiker unter den Sitzmöbeln. Vor 150 Jahren erlebte er seine Premiere, in: Zng19, 17./18.1.2009, Magazin, S.7 Boltenstern, Erich (Hg.): Die Wohnung für jedermann. Vorschläge für die Durchbildung und Verwendung einfacher Möbel für die heutige Wohnung. Entwürfe aus der Fachklasse für Architektur an der Kunstgewerbeschule in Wien unter Leitung von Prof. Dr. Oskar Strnad, Stuttgart 1933 Davis, Meredith: Chronology (= Curriculum Vitae Ruth Vollmer), in: Rottner, Nadja, Weibel, Peter (Hg.): Ruth Vollmer 1961–1978. Thinking the Line, Ausstellungskatalog, Ostfildern-Ruit 2006, S.116 Eckstein, Hans: Die schöne Wohnung. Wohnräume der Gegenwart in 225 Abbildungen, München 1934 Eisler, Max: Ernst Plischke Wien (= Art. über die Wohnung Viktor Böhm), in: Zft93, H.5/1932 (= Mai 1932), S.219f, S.222ff, S.229ff Frank, Josef: Die moderne Einrichtung des Wohnhauses, in: Gräff, Werner (Hg.): Innenräume. Räume und Inneneinrichtungsgegenstände aus der Werkbundausstellung »Die Wohnung«, insbesondere aus den Bauten der städtischen Weißenhofsiedlung in Stuttgart, Stuttgart 1928, S.126f. Auch in: Bojankin, Tano (u.a.Hg.): Josef Frank. Schriften in zwei Bänden, Bd.1 Veröffentlichte Schriften von 1910 bis 1930, Wien 2012, S.340, S.342 —: Raum und Einrichtung, in: Spalt, Johannes, Czech, Hermann (Hg.): Josef Frank 1885–1967, Ausstellungskatalog, Wien 1981, S.95ff, S.252. Auch in: Bojankin, Tano (u.a.Hg.): Josef Frank. Schriften in zwei Bänden, Bd.2 Veröffentlichte Schriften von 1931 bis 1965, Wien 2012, S.288ff Gräff, Werner (Hg.): Innenräume. Räume und Inneneinrichtungsgegenstände aus der Werkbundausstellung »Die Wohnung«, insbesondere aus den Bauten der städtischen Weißenhofsiedlung in Stuttgart, Stuttgart 1928 Händler, Ernst-Wilhelm: Wie verbessert man die Welt? Die Neupräsentation von »Wien 1900« im MAK, dem Österreichischen Museum für angewandte Kunst, ist großartig. Sie kennt den wahren Geist der Möbel, und philosophisch wertvoll ist sie obendrein, in: Zng39, 22.1.2014, S.29 Hochschule für Angewandte Kunst Wien (Hg.): Franz Schuster 1892–1972, Ausstellungskatalog, Wien 1976 —: Der Architekt Oskar Strnad. Zum hundertsten Geburtstage am 26. Oktober 1979, Bericht 20, Wien 1979

Institut für Innenarchitektur und Möbeldesign, Votteler, Arno (Hg.): Adolf G. Schneck 1883–1971. Leben, Lehre, Möbel, Architektur. Versuch der Dokumentation des Werkes zum hundertsten Geburtstag des Innenarchitekten, Ausstellungskatalog, Stuttgart 1983, S.30, S.40ff Jaeggi, Annemarie (Hg.): Egon Eiermann 1904–1970. Die Kontinuität der Moderne, Ausstellungskatalog, Ostfildern-Ruit 2004, S.118ff Katzke, Thomas: Wien – Berlin. Hermann Zweigenthal in der Zeit von 1904 bis 1933, in: Zft30, H.17/2004 (= 30.4.2004), S.16f Kaufhold, Enno: Berliner Interieurs. 1910–1930. Photographien von Waldemar Titzenthaler, Berlin 1999, Wohnungen Ernst Stern, S.47, Hans Meid, S.80f, Henny Porten, S.86ff, Fritz Lang, S.98ff, Asta Nielsen, S.107ff, Gerhart Bollert, S.116ff Kermer, Wolfgang: Willi Baumeister. Typographie und Reklamegestaltung, Ausstellungskatalog, Stuttgart 1989, S.31, Eintr. 51 Plakat »Wie wohnen?«, S.76f Koch, Alexander (Hg.): Einzelmöbel und neuzeitliche Raumkunst, Darmstadt 1930 Lethen, Helmut: Von der Kälte des Materials in den Zwanziger Jahren, in: Zft47, H.56/1995 (= Juni 1995), S.50ff Lichtenstein, Claude (Hg.): Ferdinand Kramer. Der Charme des Systematischen, Ausstellungskatalog, Gießen 1991, S.154ff Long, Christopher: Josef Frank. Life and Work, Chicago und London 2002, S.90ff, S.276ff Loos, Adolf: Die Herrenmode, in: Ders.: Ins Leere gesprochen. 1897–1900, Wien 1997, S.55ff —: Von einem armen, reichen Manne, in: Ders.: Ins Leere gesprochen. 1897–1900, Wien 1997, S.198ff. Auch in: Sarnitz, August: Adolf Loos. 1870–1933. Architekt, Kulturkritiker, Dandy, Köln 2003, S.18ff —: Architektur, in: Ders.: Trotzdem. 1900–1930, Wien 1997, S.90ff —: Ornament und Verbrechen, in: Ders.: Trotzdem. 1900–1930, Wien 1997, S.78ff. Auch in: Sarnitz, August: Adolf Loos. 1870–1933. Architekt, Kulturkritiker, Dandy, Köln 2003, S.84ff Lotz, Wilhelm: Wie richte ich meine Wohnung ein? Modern, Gut, Mit welchen Kosten?, Berlin 1930

—: Berichtigung, Grundriss Einfahrt Kant-Garagen-Palast, in: Zft60, H.9/1932 (= September 1932), S.296

Hilberseimer, Ludwig: Groszstadtarchitektur, Die Baubücher Bd.3, Stuttgart 1927, S.83f

Conradi, Hans: Großgaragen, Handbuch der Architektur, IV. Teil, 2. Halbband, Heft 6b, Leipzig 1931, S.37f

—: Würdigung des Projektes Mies van der Rohe, in: Zft104, H.2/1929 (= Februar 1929), S.39ff. Auch in: Wagner, Martin, Behne, Adolf (Hg.): Das neue Berlin. Großstadtprobleme, Reprint, Basel (u.a.O.) 1988, S.39ff

—: Moderne europäische Großgaragen, in: Zft29, H.4/1931 (= April 1931), S.170ff, Tafel 38 Eckhardt, Ferdinand: Die erste Berliner Hochgarage, in: Zft30, H.42/1930 (= 16.10.1930), S.1350f Eiselen, Fritz: Garagenhochhaus Kantstraße in Charlottenburg. Entwurf und Konstruktion Ing. Louis Serlin, Fassaden Arch. Zweigenthal und Paulick, Berlin, in: Zft52, H.37/38/1931 (= 6.5.1931), S.226ff Gescheit, Hermann, Wittmann, Karl Otto (Hg.): Neuzeitlicher Verkehrsbau, Potsdam 1931, S.184ff Johannes, Heinz: Neues Bauen in Berlin. Ein Führer mit 168 Bildern, Berlin 1931, S.28 Korschelt, Oskar, Renker, Jacob: Die Berliner Hochgarage, in: Zft30, H.52/1930 (= 25.12.1930), S.1701f

Müller, Georg: Grosstadt-Garagen, Berlin 1925, (o.S.) S.II, S.19f, S.58f, S.81f

Kleinmanns, Joachim: Parkhäuser. Architekturgeschichte einer ungeliebten Notwendigkeit, Marburg 2011, Absch. Doppelhelix, S.60ff, S.191

—: Die Berliner Hochgarage, in: Zft30, H.44/1930 (= 30.10.1930), S.1413f —: Garagen in ihrer Bedeutung für Kraftverkehr und Städtebau. Privater und gewerblicher Garagenbau in Planung und Gestaltung, Berlin 1937, S.106, S.119, S.122f, S.204f, S.247, S.262 Posener, Julius: Garage »Kant« à Berlin. Architectes Zweigenthal et Paulick, Lohmüller, Korschelt, Renker, in: Zft17, H.5/1932 (= Juni/Juli 1932), S.42ff

8.2 Sekundärliteratur Anonym: The Walled City, in: Zft16, H.779/1962 (= Januar 1962), S.1

Mehlstäubler, Arthur: Egon Eiermann. Die Möbel, in: Badisches Landesmuseum Karlsruhe (Hg.): Egon Eiermann. Die Möbel, Ausstellungskatalog, Karlsruhe 2000, S.30ff, S.62f

—: Abriss verhindert? Die Kant-Garagen in Berlin werden neu untersucht, in: Zft95, H.6/2013 (= November 2013), S.70f

—, Sarnitz, August: Ernst Plischke. Das Neue Bauen und die Neue Welt. Das Gesamtwerk, München (u.a.O.) 2003, S.89ff, S.293, S.298, S.374ff Platz, Gustav Adolf: Wohnräume der Gegenwart, Berlin 1933 R., H.: Eine kleine Stadtwohnung (= Art. über die Wohnung Ernst Anton Plischke), in: Zft70, H.9/1936 (= September 1936), S.296ff. Gekürzt auch in: Interieurs. Wiener Künstlerwohnungen 1830–1930, Ausstellungskatalog, Wien 1990, S.153f Sarnitz, August: Adolf Loos. 1870–1933. Architekt, Kulturkritiker, Dandy, Köln 2003 Schomann, Heinz: Das Frankfurter Bahnhofsviertel und die Kaiserstraße. Ein Beitrag zu Städtebau und Baukunst des Historismus, Stuttgart 1988, S.39, S.43, S.52, S.309 Sucher, C. Bernd (Hg.): Henschel Theaterlexikon, Leipzig 2010, Art. Lothar Müthel, S.614f Vegesack, Alexander von (Hg.): Erich Dieckmann. Praktiker der Avantgarde, Ausstellungskatalog, Weil am Rhein 1990 Welzig, Maria: Josef Frank. 1885–1967. Das architektonische Werk, Wien (u.a.O.) 1998, S.40ff, S.144f, S.252

7.3 Archivalien Böttcher, Hans: Grundriss Erdgeschoss und Obergeschosse Haus Bayernallee 15/16, 18.4.1928, Av15, Bd.1 —: Grundriss Dachgeschoss Haus Bayernallee 15/16, 18.4.1928, Av15, Bd.1 Herrey, Hermann: Schätzung von Einkünften. Arbeiten in 1930 1931 1932, Manuskript, Ein Blatt, (o.J.) etwa 1955, Av22 Geburtsurkunde Lothar Max Lütcke, 18.2.1896, Av17

8.1 Primärliteratur Anonym: Garagen-Hochhaus in der Kantstraße. Mit Hotelzimmern, Restaurant und Tennis-Dachgarten, in: Zng18, 18.10.1929, Morgenausgabe, (o.S.) S.7

Katzke, Thomas: Entwurf eines neuen Nutzungskonzeptes für die »Kantgaragen« unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes und Erweiterung der Gebäudesubstanz durch einen Neubau, Teilband 1 Historischer Abriß und Bewertung des Bestandes, Unveröffentlichte Diplomarbeit, Technische Fachhochschule (TFH) Berlin 1998 —: Wien – Berlin. Hermann Zweigenthal in der Zeit von 1904 bis 1933, in: Zft30, H.17/2004 (= 30.4.2004), S.14ff

—: Last Exit. Die Kant-Garage in Charlottenburg ist ein Meisterwerk der Moderne. Ein Plädoyer gegen den Abriss, in: Zng19, 9.8.2013, S.1

Ottillinger, Eva B.: Adolf Loos. Wohnkonzepte und Möbelentwürfe, Salzburg und Wien 1994

sah (= Sandra Hofmeister): Vergessene Meilensteine. Stadtrundgänge zum Erbe und zum Schicksal vergessener jüdischer Architekten in Berlin, in: Zft57, Deutsche Ausgabe, H.4/2013 (= November/Dezember 2013), S.42

Lachmann, Ismar: Die Größen der Berliner Advokatur, in: Zft82, H.9/1929 (= Dezember 1929), Absch. über Arthur Brandt, S.26f. Auch unter: illustrierte-presse.de/die-zeitschriften/werkansicht/ dlf/71899/1/cache.off

—: Möbel und Wohnraum, in: Zft60, H.2/1931 (= Februar 1931), S.41ff

Müller-Wulckow, Walter: Die deutsche Wohnung der Gegenwart, Königstein im Taunus und Leipzig 1932. Als Reprint auch in: Ders.: Architektur 1900–1929 in Deutschland, Königstein im Taunus 1999

Hochstetter, Dorothee: Motorisierung und »Volksgemeinschaft«. Das Nationalsozialistische Kraftfahrkorps (NSKK) 1931–1945, München 2005, Absch. Vielfalt statt Zentralismus, Motorformationen im Mitte-Links-Spektrum, S.55ff

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8.3 Archivalien Deutscher Auto-Club e. V.: An das Polizeipräsidium Berlin, 25.2.1930, Av16, Bd.16 —: An Oskar Korschelt, 26.2.1930, Av16, Bd.16 Herrey-Zweigenthal, Hermann: (o.T.) Hermann Herrey Lebenslauf, Von 1904 bis etwa 1940, In englischer Sprache, Typoskript, (o.D.) etwa 1942, S.2, Av33 —: (o.T.) Queens College New York Fragebogen zu professioneller Qualifikation, 27.4.1942, S.1, Av33 Kant-Garagen-Palast Garagen-Palast Betriebs-Gesellschaft m.b.H.: An die Städtische Baupolizei Berlin Bezirk Charlottenburg, 29.12.1930, Av16, Bd.13 Lohmüller Korschelt Renker Architekten: An die Städtische Baupolizei Berlin Bezirk Charlottenburg, Antrag zur Errichtung eines Garagengebäudes, 26.2.1929, Av16, Bd.3 Lohmüller Korschelt Renker Architekten, Zweigenthal Paulick Architekten: Garagengebäude, Ansicht / Grundriss / Schnitt, 8.11.1929, Av16, Bd.4 —: Abfolge Fassaden Häuser Kantstraße 128, 127, 126, 125, 19.4.1930, Av16, Bd.10 Paulick, Richard: Aufrisse / Grundrisse / Querschnitte Wohn- und Geschäftshaus Kantstraße 126, 18.6.1930, Av16, Bd.13 —: An die Städtische Baupolizei Berlin Bezirk Charlottenburg, 22.6.1930, Av16, Bd.13 —: Baubeschreibung Wohn- und Geschäftshaus für verschiedenartige und wechselnde Zwecke Kantstraße 126, 24.6.1930, Av16, Bd.13 Städtische Baupolizei Berlin Bezirk Charlottenburg: Großer Bauschein Nr. 22. Baupolizeiliche Genehmigung zum Bau einer mehrgeschossigen Groß-Garagenanlage und Umbau des vorhandenen Wohnhauses, 14.1.1930, Av16, Bd.5 —: Rohbauabnahmeverhandlung, Gebäude Kantstraße 126 und 127, 16.5.1930, Av16, Bd.13 —: Gebrauchsabnahmeverhandlung, Gebäude Kantstraße 126 und 127, 29.9.1930, Av16, Bd.13

9.1 Primärliteratur Anonym: Der Bauwelt-Wettbewerb, in: Zft30, H.9/1931 (= 26.2.1931), S.251f —: »Das wachsende Haus«, in: Zft30, H.43/1931 (= 22.10.1931), S.1376 —: Das wachsende Haus auf der Berliner Sommerschau 1932, in: Zft30, H.49/1931 (= 3.12.1931), S.1554 —: Entscheidung des Wettbewerbs »Wachsendes Haus«, in: Zft30, H.1/1932 (= 7.1.1932), S.3ff

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Scarpa, Ludovica: Martin Wagner und Berlin. Architektur und Städtebau in der Weimarer Republik, Braunschweig und Wiesbaden 1986, S.140ff, S.163, S.206f —: Abschreibungsmythos Alexanderplatz. Martin Wagner als Regisseur der Weltstadt Berlin, in: Boberg, Jochen (u.a.Hg.): Die Metropole. Industriekultur in Berlin im 20. Jahrhundert, München 1986, S.130ff, S.386 Thiele, Klaus-Jakob: Versuche zum Wohnen, in: Zft30, H.35/1964 (= 31.8.1964), Absch. Das wachsende Haus 1932, S.947f

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—: Bauen und Wohnen erleichtern und verbilligen! Ein Nachwort zur Berliner Sommerschau, in: Zft32, H.23/1932 (= 15.8.1932), S.271ff

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10.1 Primärliteratur Anonym: A Refitted House in Vienna. Dipl.Ing. H. HerreyZweigenthal Architect, in: Zft16, H.478/1936 (= September 1936), S.123ff Augenfeld, Felix: Der Wohnraum, jenseits von Mode. Gedanken über Raumgestaltung, in: Zft37, H.395/1935 (= März 1935), S.34ff, S.60. Auch unter: Österreichische Nationalbibliothek, Austrian Newspapers Online, anno.onb.ac.at Balk, Ernst Wilhelm: Mein Führer, Die Reihe der deutschen Führer H. 1, Berlin (o.J.) 1933, S.13 Biedrzynski, Richard: Das Stilbild im »Faust«, in: Zng32, 11.12.1932, Morgenausgabe, (o.S.) S.11 Bie, Richard (= Richard Biedrzynski), Mühr, Alfred: Die Kulturwaffen des neuen Reiches. Briefe an Führer, Volk und Jugend, Jena 1933, S.3ff, S.38, S.57, S.60f Boltenstern, Erich: Wiener Möbel in Lichtbildern und maßstäblichen Rissen, Stuttgart 1935 Eisler, Max: Das Wiener Möbel von heute, in: Zft93, H.6/1935 (= Juni 1935), S.314f —: Neue Wohnung in einer alten Villa, in: Zft70, H.8/1935 (= August 1935), S.248ff —: Das Wiener Möbel gestern und heute, in: Boltenstern, Erich: Wiener Möbel in Lichtbildern und maßstäblichen Rissen, Stuttgart 1935, S.VIIf Elster, Hanns Martin: Berliner Bühnen. Goethes »Faust« im Staatstheater, in: Zng79, 6.12.1932, (o.S.) S.2 Dialog Walter Franck Lothar Müthel, Mitglieder der Berliner Staatstheater, in: Firner, Walter (Hg.): Wir und das Theater. Ein Schauspielerbildbuch, München 1932, S.48ff

Frank, Josef: Architektur als Symbol. Elemente deutschen neuen Bauens, Wien 1931, S.156. Auch in: Bojankin, Tano (u.a.Hg.): Josef Frank. Schriften in zwei Bänden, Bd.2 Veröffentlichte Schriften von 1931 bis 1965, Wien 2012, S.152 Gibberd, Frederick: Interior Equipment of the House (= Enthaltend ein Foto des Kleiderschranks in der Wohnung Schnitzler), in: Zft16, H.481/1936 (= Dezember 1936), S.323 Günther, Johannes: Der Schauspieler Lothar Müthel, Berlin 1934 Hardenberg, Kuno Graf von: Von Kaminen und dergleichen, in: Zft70, H.8/1935 (= August 1935), S.252ff Herrmann, Trude: Ein Wunschtraum ist erfüllt, in: Zft70, H.8/1935 (= August 1935), S.256f Jacobs, Monty: »Faust« im Staats-Theater, in: Zng103, 3.12.1932, Morgenausgabe, o.S. —: »Faust« ohne Faust. Staatstheater, in: Zng103, 3.12.1932, Abendausgabe, o.S. Lautner, Theodor: Stilles Licht, in: Zft70, H.8/1935 (= August 1935), S.255 Mühr, Alfred: Kulturbankrott des Bürgertums. Wolfgang Goetz, Erwin Piscator, Heinrich George, Dresden und Berlin 1928 —: »Faust« im Staatstheater, in: Zng32, 3.12.1932, Morgenausgabe, (o.S.) S.2 —: Dienst am »Faust«. Neueinstudierung im Staatstheater, in: Zng32, 3.12.1932, Abendausgabe, (o.S.) S.2

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Zweigenthal, Dorothee: An Hermann Zweigenthal, (o.D.) Ende Oktober 1932, Av32

Jammerthal, Peter: Ein zuchtvolles Theater. Bühnenästhetik des »Dritten Reiches«. Das Berliner Staatstheater von der »Machtergreifung« bis zur Ära Gründgens, Phil. Diss., Berlin 2007, S.52ff. Auch unter: diss.fu-berlin.de/diss/receive/ fudiss_thesis_000000002953

11.1 Primärliteratur

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Potter, Paulus (= Kurt Pinthus): Darüber spricht Berlin. Zeit im Zitat, in: Zng5, 3.12.1932, (o.S.) S.3

Müller, Manfred: Das Leben eines Architekten. Porträt Richard Paulick, Halle / Saale 1975, S.70ff

Rdm., W.: »Schlageter«. Schauspiel von Hanns Johst im Staatlichen Schauspielhaus, in: Zng16, 21.4.1933, (o.S.) S.3

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Sternaux, Ludwig: Der »Faust« des Staatstheaters. Der Tragödie erster Teil, in: Zng13, 3.12.1932, Abendausgabe, (o.S.) S.2 Weidner, Albert: Berliner Theater-Woche, in: Zng106, 5.12.1932, (o.S.) S.6 Zweigenthal, Hermann: Hôtel particulier H. Hagmann à Zurich. Architecte Werner Moser, in: Zft17, H.1/1934 (= Februar 1934), S.53ff —: Maison double »Im Eierbrecht« à Zurich, in: Zft17, H.1/1934 (= Februar 1934), S.56f —: Deux villas à Ascona. Architecte Carl Weidemeyer, in: Zft17, H.1/1935 (= Januar 1935), S.75

10.2 Sekundärliteratur Adamski, Heike: Diener, Schulmeister und Visionäre. Studien zur Berliner Theaterkritik der Weimarer Republik, Phil. Diss., Frankfurt am Main (u.a.O.) 2004, S.190ff, S.262ff Architekturzentrum Wien (Hg.): Architektenlexikon Wien 1770– 1945, architektenlexikon.at Badenhausen, Rolf: Alfred Mühr, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hg.): Neue Deutsche Biographie, Bd.18 Moller - Nausea, Berlin 1997, S.295 Birkner-Gossen, Nicoletta, Birkner-Gossen, Othmar: Zur Baugeschichte von Monte Verità, in: Agentur für geistige Gastarbeit, Szeemann, Harald (Hg.): Monte Verità. Berg der Wahrheit. Lokale Anthropologie als Beitrag zur Wiederentdeckung einer neuzeitlichen sakralen Topographie, Ausstellungskatalog, Mailand 1978, S.123ff

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Kneubühler, Theo: Die Künstler und Schriftsteller und das Tessin. Von 1900 bis zur Gegenwart, in: Agentur für geistige Gastarbeit, Szeemann, Harald (Hg.): Monte Verità. Berg der Wahrheit. Lokale Anthropologie als Beitrag zur Wiederentdeckung einer neuzeitlichen sakralen Topographie, Ausstellungskatalog, Mailand 1978, S.172f

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Klee, Ernst: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt am Main 2007, Art. Alfred Mühr, S.419, Lothar Müthel, S.425

Der Schauspieler und der Nationalsozialismus. Ein Gespräch mit Lothar Müthel, in: Zng60, 6.6.1932, S.4

Ruppel, Karl Heinrich: Faust und die Berliner Staatstheaterkrise, in: Zng54, 3.12.1932, (o.S.) S.2

Zweigenthal, Hermann: An Dorothee Zweigenthal, 14.10.1932, Av32

Ott-Wodni, Marlene: Josef Frank 1885–1967. Raumgestaltung und Möbeldesign, Wien (u.a.O.) 2015, Absch. Die jüngere Generation, S.86ff, S.368f Rathkolb, Oliver: Führertreu und gottbegnadet. Künstlereliten im Dritten Reich, Wien 1991, S.60, S.88, S.138, S.158f, S.276, S.280, S.282 Erich-Maria-Remarque-Archiv / Forschungsstelle Krieg und Literatur (Hg.): Erich Maria Remarque. Der Nachlaß in der Fales Library New York University. Ein Verzeichnis, Bd.1, Bd.2 Register, Osnabrück 1991 Rietzschel, Thomas: Das Versprechen des Südens. Wie der Monte Verità Hoffnungen weckte und das Jahrhundert verführte. Eine Zeitreise nach Ascona, in: Zng39, 30.4.1999, Beilage Bilder und Zeiten, S.1f Rudolph, Katharina: Ein Picasso im Fahrstuhl. Ein Wuppertaler Baron kauft 1926 den »Monte Verità« im Tessin, der zuvor ein Paradies der Lebensreformer war. Die zwei Leben des Eduard von der Heydt, in: Zng39, 10.8.2015, S.12 Rühle, Günther: Biographische Anmerkungen, in: Ders.: Theater für die Republik. 1917–1933. Im Spiegel der Kritik, Frankfurt am Main 1967, Eintr. Alfred Mühr, S.1172f Schnitzler, Heinrich (u.a.Hg.): Arthur Schnitzler. Sein Leben, sein Werk, seine Zeit, Frankfurt am Main 1981, S.90ff Schulenburg, Werner von der: Ascona, der äußerste Vorort Berlins, in: Zft146, H.894/1930/1931 (= Februar 1931), S.568ff Sternberg, Wilhelm von: »Als wäre alles das letzte Mal«. Erich Maria Remarque. Eine Biographie, Köln 2000, S.227f, S.234f, Abb. S.3 nach S.320 Trapp, Frithjof (u.a.Hg.): Handbuch des deutschsprachigen Exiltheaters, Bd.2 Biographisches Lexikon der Theaterkünstler, Teil 2 L-Z, München 1999, Art. Heinrich Schnitzler, S.840f

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Weihsmann, Helmut: In Wien erbaut. Lexikon der Wiener Architekten des 20. Jahrhunderts, Wien 2005, Art. Felix Augenfeld, S.22f

Canetti, Elias: Party im Blitz. Die englischen Jahre, Aus dem Nachlaß herausgegeben von Kristian Wachinger, München und Wien 2003, S.27, Absch.e Untugend und Tugend englischer Parties, S.68ff, Trostlosigkeit auf Parties, S.123ff

Wulf, Joseph: Kultur im Dritten Reich, Bd.4 Theater und Film im Dritten Reich Eine Dokumentation, Frankfurt am Main und Berlin 1989, Absch. Hanns Johst »Schlageter«, S.189f

Carrington, Noël: A National Plan for Roads. The Exhibition at the Royal Institute of British Architects, in: Zft46, 11.3.1939, S.255ff

Brunnbauer, Heidi: Im Cottage von Währing / Döbling. Interessante Häuser – Interessante Menschen, Gösing / Wagram 2003, S.18ff, S.39f, S.74ff, S.85ff

10.3 Archivalien

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Flotzinger, Rudolf (Hg.): Österreichisches Musiklexikon, Bd.5 Schwechat - Zyklus, Wien 2006, Art. Lilly Helene von StrakoschFeldringen, S.2323

Hadank, Günther: An Hermann Herrey, (o.D.) Juni 1950, Av22

Boeckl, Matthias: Wiener Moderne versus International Style. Bemerkungen zur Architekturemigration aus Österreich in die Vereinigten Staaten, in: Nicolai, Bernd (Hg.): Architektur und Exil. Kulturtransfer und architektonische Emigration 1930 bis 1950, Trier 2003, S.101ff Brandstätter, Christian (u.a.A.): Stadtchronik Wien. 2000 Jahre in Daten, Dokumenten und Bildern, Wien und München 1986, S.424ff

Galliciotti, Paolo, Schütze, Karl-Robert: Catalogo dell‘opera architettonica, in: Maurer, Bruno, Tedeschi, Letizia (Hg.): Carl Weidemeyer 1882–1976, Artista e architetto tra Worpswede e Ascona, Ausstellungskatalog, Genf und Mailand 2001, Eintr.e Casa Fontanelle / Casa Hahn, S.255ff, Casa Rocca Vispa / Casa Mez, S.261ff

Personalakte Richard Biedrzynski, Av19, R/103/176 Herrey, Hermann: An Günther Hadank, 27.6.1950, Av22 —: Hermann Herrey Lebenslauf, Von 1904 bis etwa 1950, In deutscher Sprache, Typoskript, (o.D.) 1956, S.4ff, Av22 —: Schätzung von Einkünften. Arbeiten in 1930 1931 1932, Manuskript, Ein Blatt, (o.J.) etwa 1955, Av22

Edwards, A. Trystan: The R.I.B.A. Road Architecture Exhibition, in: Zft39, 10.3.1939, S.468

Goldfinger, Ernö: Une Exposition d‘Architecture à Londres, in: Zft17, H.7/1938 (= Juli 1938), S.83f Herrey, Hermann: The Griswold (= Foto der Vorderseite und Grundriss von Haus Scrutton), in: Stone, Robert B. (Hg.): Homes by Leading American Architects. America Builds 2, New York 1954, S.88f

—: Darstellung und Berechnung der direkt durch erzwungene Auswanderung entstandenen Kosten, (o.J.) etwa 1960, S.1, Av33

—: The Sunnydale (= Foto der Hinterseite von Haus Scrutton), in: Stone, Robert B. (Hg.): Homes by Leading American Architects. America Builds 2, New York 1954, S.88f

Glasmacher, André: Eingebrannt ins Gedächtnis. Erwin Goldberg sah vor 75 Jahren bei der Bücherverbrennung der Nazis zu. Der 95–Jährige ist einer der letzten lebenden Augenzeugen, in: Zng96, 10.5.2008, S.8

—: Erklärung über die für meine Familie und mich selbst entstandenen Auswanderungskosten (= Teil eines Antrags beim Entschädigungsamt Berlin mit der Registriernummer 266829), Typoskript, (o.D.) etwa 1960, S.1f, Av22

Le Corbusier: The MARS Group Exhibition of the Elements of Modern Architecture, in: Zft16, H.496/1938 (= März 1938), S.109f. Auch in: Murray, Irena, Osley, Julian (Hg.): Le Corbusier and Britain. An Anthology, Abingdon und New York 2009, S.109ff

Hanisch, Ruth: Die unsichtbare Raumkunst des Felix Augenfeld, in: Boeckl, Matthias (Hg.): Visionäre und Vertriebene. Österreichische Spuren in der modernen amerikanischen Architektur, Ausstellungskatalog, Berlin 1995, S.226ff, S.327f

—: Erklärung zu meinem Antrag »Schaden am Vermögen« (= Teil eines Antrags beim Entschädigungsamt Berlin mit der Registriernummer 266829), Typoskript, 28.7.1961, Av22

Morrison, Herbert S.: Road Architecture – The Need for a Plan. The Opening of the R.I.B.A. Spring Exhibition, in: Zft79, H.10/1939 (= 20.3.1939), S.505ff

Reichsfachschaft Film: Fragebogen, Lothar Müthel, 20.6.1934, Av20, Reichskulturkammer, Müthel, Lothar

New Architecture. An Exhibition of the Elements of Modern Architecture Organised by the MARS (Modern Architectural Research) Group, Ausstellungskatalog, London 1938

Heimberg, Anke: Nachwort, in: Wolff, Victoria: Die Welt ist blau. Ein Sommer-Roman aus Ascona, Grambin und Berlin 2008, S.176ff Interieurs. Wiener Künstlerwohnungen 1830–1930, Ausstellungskatalog, Wien 1990, S.163f

Der Reichsorganisationsleiter der NSDAP: Parteistatistische Erhebung 1939, Fragebogen Lothar Müthel, Av20, Muethel, Lothar, 18.2.1896

329

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Pross, Steffen: »In London treffen wir uns wieder«. Vier Spaziergänge durch ein vergessenes Kapitel deutscher Kulturgeschichte nach 1933, Frankfurt am Main 2000, Vorwort, S.7ff, Absch.e Walter Gropius, S.115ff, Fred Uhlmann, S.131ff, Elias und Veza Canetti und ihr Kreis, S.135ff

Driller, Joachim: Marcel Breuer. Das architektonische Frühwerk bis 1950. Phil. Diss., Freiburg im Breisgau 1990, Kat. 17 Haus an der Donau, S.191, Kat. 17 Haus an der Donau, S.417

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Rotha, Paul: Films of Purpose. »Roads across Britain«, in: Zft16, H.508/1939 (= März 1939), S.133f

Duncan, Ronald A.: The Architecture of a New Era. Revolution in the World of Appearance, London 1933, Absch.e In Explanation, S.Vff, Harmony, S.108ff

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Dunnett, James, Stamp, Gavin (Hg.): Ernö Goldfinger, London 1983, S.60, S.69

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11.2 Sekundärliteratur Allan, John: Berthold Lubetkin. Architecture and the Tradition of Progress, London 1992, Absch.e Testament, S.180ff, S.197, Lubetkin and the MARS Group, S.315ff, S.367 Anonym: Two Bungalows at Whipsnade. Designed by Lubetkin and Tecton, in: Zft11, 18.2.1937, S.299ff, S.325 —: House in Surrey. Raymond McGrath Architect, Christopher Tunnard Landscape Architect, in: Zft16, H.491/1937 (= Oktober 1937), S.117ff —: House at Edgware. Architects Percy Tubbs Son and Duncan, in: Zft12, H.613/1938 (= März 1938), S.432ff —: Current Architecture. Houses. Samuel and Harding, in: Zft16, H.515/1939 (= Oktober 1939), S.149f —: Erna Herrey Dies at 76. Queens College Teacher, in: Zng70, 8.10.1980, Late City Edition, S.D23 Architectural Association School of Planning and Research for National Development. The Minutes of a Conference. To discuss the future organisation of the Architectural Association School of Planning and Research for National Development and the best means whereby it may extend its usefulness and obtain wider support. At the Royal Institute of British Architects, Tuesday, 21st December 1937, in: Zft12, H.611/1938 (= Januar 1938), S.307ff The Architectural Review, H.457/1934 (= Dezember 1934), RIBA Building

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11.3 Archivalien Bridgwater, Derek Lawley: An Hermann Zweigenthal, 7.3.1939, Av22 Grundrisse Keller / Erdgeschoss / Obergeschoss / Dachgeschoss sowie Beiblatt mit Daten zu Räumen und Miete des Hauses 20, Carlton Hill, Saint John‘s Wood, London NW 8, (o.J.) 1938, Av22 Herrey, Hermann: Hermann Herrey Lebenslauf, Von 1904 bis etwa 1950, In deutscher Sprache, Typoskript, (o.D.) 1956, S.6f, Av22 —: Darstellung und Berechnung der direkt durch erzwungene Auswanderung entstandenen Kosten, (o.J.) etwa 1960, S.1, Av33 —: Erklärung über die für meine Familie und mich selbst entstandenen Auswanderungskosten (= Teil eines Antrags beim Entschädigungsamt Berlin mit der Registriernummer 266829), Typoskript, (o.D.) etwa 1960, S.2f, Av22 Herrey-Zweigenthal, Hermann: (o.T.) Hermann Herrey Lebenslauf, Von 1904 bis etwa 1940, In englischer Sprache, Typoskript, (o.D.) etwa 1942, S.3f, Av33 —: (o.T.) Queens College New York Fragebogen zu professioneller Qualifikation, 27.4.1942, S.2, Av33 —: An Serge Chermayeff, 1.11.1943, Av22 —: An Luther Pfahler Eisenhart, Geschäftsführer der American Philosophical Society, 22.5.1945, Av10 Jolowicz, Paul: An Hermann Herrey, 1.2.1951, Av22 Kaufmann, Eugen Karl, Ward, Basil, Zweigenthal, Hermann: Draft Memorandum on the General Policy of MARS, Typoskript, Juli 1938, Av42 MacAlister, Ian: An Hermann Zweigenthal, 9.11.1938, Av22 Marfell, G.E.: An Hermann Zweigenthal, 18.11.1938, Av22 MARS Membership March 1937 (= Liste der Mitglieder), Typoskript, März 1937, Av42

Osburn, John A.: Ronald Aver Duncan (= Nachruf), in: Zft80, H.9/1960 (= Juli 1960), S.336

RIBA Fifth Annual Exhibition, February 1939, Typoskript, Februar 1939, Av22

Powers, Alan: Oliver Hill. Architect and Lover of Life. 1887–1968, Ausstellungskatalog, London 1989, S.3, S.27ff, S.42ff, S.71ff

The »Road« Exhibition. Organisation of Work, as Arranged at Present, Typoskript, (o.D.) 1937, Av22

—: Basil Spence in the Thirties, in: Zft123, H.4/1993 (= April 1993), S.32ff

—: 2 Willow Road Hampstead, London 2004

Todesanzeige Dorothee Zweigenthal geb. Liepmann, London, 13.7.1936, Av35

Cantacuzino, Sherban: Wells Coates. A Monograph, London 1978, S.47ff, S.113

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Wells Coates. Architect and Designer 1895–1958, Ausstellungskatalog, Oxford 1979, S.54f

330

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Zweigenthal, Hermann: An Emil Lind, 16.5.1935, Av28 —: An Fritz Jaenecke, 26.12.1935, Av35 —: An Ronald Aver Duncan, 26.10.1937, Av22 —: Termin- und Notizbuch 1937, Av33

—: An Fritz Jaenecke, (o.D.) 9.8.1936, Av35

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12.1 Primärliteratur

Bühnentechnische Tagung 1950 (= Tagungsprogramm mit Hinweis auf die Ausstellung »Theaterarchitektur« in der Maison de France Berlin), in: Zft38, H.3/1950 (= Juni 1950), S.8f

—, Zweigenthal, Dorothee: An Fritz Jaenecke, 10.3.1935, Av35 Zweigenthal, Therese: An Fritz Jaenecke, 21.7.1936, Av35

Anonym: Entertainments. »Q« Theatre. »They Walk Alone«, in: Zng100, 22.11.1938, S.12 —: Embassy Theatre. »Julius Caesar« in Modern Dress, in: Zng100, 30.11.1939, S.6 Barker, Dudley: Julius Caesar, 1939 Version, in: Zng37, 30.11.1939, Final Night Edition, S.10 Bogarde, Dirk: A Postillion Struck by Lightning, London 1977, S.214ff, S.224f —: Beatrice de Leon (= Nachruf), in: Zng52, 19.2.1991, S.27 —: Foreword, in: Barrow, Kenneth: On Q. Jack and Beatie de Leon and the Q Theatre, Richmond und Hounslow 1992, S.XIVff Brown, Ivor: The Week‘s Theatres. Shaftesbury. »They Walk Alone«. By Max Catto, in: Zng73, 22.1.1939, S.13 »The Era« Staff: Talking Shop. A New Designer (= Hinweis auf Hermann Zweigenthal), in: Zft59, 19.1.1939, S.3 F., S.: Planes and Guns in »Caesar«. And the Dictators, in: Zng29, 30.11.1939, S.3 Farjeon, Herbert: The Theatre. »They Walk Alone«, Mit vier Zeichnungen der Darsteller von John Henry Rouson, in: Zft41, 1.2.1939, S.151 Herrey, Hermann: Community Theater. Proposed English playhouse has ingenious staging facilities designed for conventional and projected scenery, in: Zft14, H.6/1946 (= Juni 1946), Titel, S.97ff —: La scène ouverte, in: Zft17, H.23/1949 (= Mai 1949), S.32ff —: Théâtre communautaire en Angleterre, in: Zft17, H.23/1949 (= Mai 1949), S.37ff Herrmann-Neiße, Max: Wie lange noch?, in: Free German League of Culture (u.a.Hg.): Die Vertriebenen. Dichtung der Emigration. 37 Poems by Refugee Authors from Austria, Czechoslovakia and Germany, London 1941, S.26. Auch in: Völker, Klaus (Hg.): Max Herrmann-Neiße. Gesammelte Werke. Um uns die Fremde. Gedichte 2, Frankfurt am Main 1986, S.668 J.G.B.: Beatrix Lehmann as Werewolf in A New Thriller, in: Zng36, 22.11.1938, Home Edition, S.5 Lafitte, François: The Internment of Aliens, Harmondsworth und New York 1940 M., D.: (o.T.) »They Walk Alone«, in: Zng37, 22.11.1938, Final Night Edition, S.9 Sinden, Donald: A Touch of the Memoirs, London (u.a.O.) 1982, S.149 Viertel, Berthold: Exil, in: Ders.: Dichtungen und Dokumente. Gedichte Prosa Autobiographische Fragmente, München 1956, (o.S.) S.322

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331

12.3 Archivalien Breuer, Marcel: An Hermann Herrey-Zweigenthal, 15.11.1940, Av46 —: An Hermann Herrey-Zweigenthal, 29.1.1941, Av46 A. Carroll-Marx & Co.: An den Amerikanischen Generalkonsul (= Schreiben zur Empfehlung von Hermann Herrey-Zweigenthal), 3.1.1940, Av22 Duncan, Ronald A.: To whom it may concern (= Schreiben zur Empfehlung von Hermann Zweigenthal), 28.9.1939, Av22 —: To whom it may concern (= Schreiben zur Empfehlung von Hermann Herrey-Zweigenthal), 23.7.1940, Av22 Harris & Gillow Surveyors & Valuers: Report and Valuation upon the Property known as »Q« Theatre, London 16.1.1928, Av21 Hedderwick & Storey: An den Amerikanischen Generalkonsul (= Schreiben zur Empfehlung von Hermann Zweigenthal), 27.9.1938, Av22 Herrey, Hermann: An Jack de Leon, 18.2.1946, Av21 und Av22 —: An Jack de Leon, 12.3.1946, Av21 und Av22 —: An Nikos Kazantzakis, 3.7.1953, Av22 —: Hermann Herrey Lebenslauf, Von 1904 bis etwa 1950, In deutscher Sprache, Typoskript, (o.D.) 1956, S.7f, Av22 —: Darstellung und Berechnung der direkt durch erzwungene Aus­ wanderung entstandenen Kosten, Typoskript, (o.D.) etwa 1960, S.1, Av33 —: Erklärung über die für meine Familie und mich selbst entstandenen Auswanderungskosten (= Teil eines Antrags beim Entschädigungsamt Berlin mit der Registriernummer 266829), Typoskript, (o.D.) etwa 1960, S.1ff, Av22 Herrey-Zweigenthal, Hermann: An Fräulein Wigmore, Angestellte des Eyre Estate London, (o.D.) September oder Oktober 1940, Av22 —: An Marcel Breuer, (o.D.) 1941, Av22 —: (o.T.) Hermann Herrey Lebenslauf, Von 1904 bis etwa 1940, In englischer Sprache, Typoskript, (o.D.) etwa 1942, S.4, Av33 His Majesty‘s Theatre (Hg.): William Shakespeare »Julius Caesar«. In Modern Dress, Programmheft, London 1939, Av33 S. Japhet & Co. Ltd.: An den Amerikanischen Generalkonsul (= Schreiben zur Empfehlung von Hermann Zweigenthal), 27.9.1938, Av22 Leon, Jack de: An Tyrone Guthrie, 2.6.1939, Av22 —: An Hermann Herrey, 19.1.1946, Av22 MacAlister, Ian: An den Deputy Chief Censor, Travellers‘ Censorship Office, 6.7.1940, Av22 The Magazine Programme, H.1240/1938 (= 21.11.1938), Q Theatre, Max Catto »They Walk Alone«, Programmheft, Av33 Schnitzler, Heinrich: An Hermann Herrey, 19.7.1946, Av22 Shaftesbury Theatre (Hg.): Max Catto »They Walk Alone«, Programmheft, London 1939, Av33 Viertel, Berthold: Dear Sir (= Schreiben zur Empfehlung von Hermann Herrey-Zweigenthal), (o.D.) 1940 oder 1941, Av22 Zweigenthal, Hermann: An Emil Lind, 16.5.1935, Av28 —: An Berthold Viertel, 28.9.1935, Av25 —: Termin- und Notizbuch 1937, Av33 —: Exact Programme of Requirements. Rooms and Equipment (= Liste der Arbeitsschritte in Bezug auf den Umbau des Q Theatre), Typoskript, (o.J.) 1939, Av21

13.1 Primärliteratur

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13.3 Archivalien Bland, John: An Hermann Herrey-Zweigenthal, 11.10.1940, Av22 Chermayeff, Serge: An Hermann Herrey-Zweigenthal, 10.11.1943, Av22 Conant, Kenneth John: An Hermann Herrey-Zweigenthal, 2.10.1942, Av22 Cousins, A.M.: An Hermann Herrey-Zweigenthal, 25.10.1943, Av22 —: An Hermann Herrey-Zweigenthal, 18.11.1943, Av22 —: An Hermann Herrey-Zweigenthal, 26.11.1943, Av22

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Goodwin, Philip L.: An Walter B. Sanders, 8.12.1941, Av22 Gropius, Walter: An Hermann Herrey-Zweigenthal, 20.8.1940, Av22 —: An Hermann Herrey-Zweigenthal, 25.3.1941, Av22 —: An Hermann Herrey-Zweigenthal, 3.4.1941, Av22 —: An Hermann Herrey-Zweigenthal, 1.10.1941, Av11 —: An Hermann Herrey-Zweigenthal, 31.10.1941, Av11

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Calendar Notes. Lectures on Stage Design, in: Zft66, H.30/1941 (= 12.4.1941), S.145

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McDougall, Anne: John Bland and the McGill School of Architecture, in: Zft42, H.3/1988 (= März 1988), S.33ff

Herrey, Hermann: An Walter Gropius, 3.1.1946, Av11

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332

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—: An Hermann Herrey-Zweigenthal, 8.7.1942, Av22 —: An Hermann Herrey, 9.1.1946, Av22

—: An Günther Hadank, 27.6.1950, Av22 —: An Klaus Brandt, 16.9.1950, Av22 —: An Harlow Shapley, 20.12.1950, Av31 —: Hermann Herrey Lebenslauf, Von 1904 bis etwa 1950, In deutscher Sprache, Typoskript, (o.D.) 1956, S.7ff, Av22 —: Erklärung über die für meine Familie und mich bezahlten Auswanderungskosten (= Teil eines Antrags beim Entschädigungsamt Berlin mit der Registriernummer 266829), Typoskript, (o.D.) etwa 1960, S.2f, S.5f, Av22 —: Erklärung zu meinem Antrag »Schaden am Vermögen« (= Teil eines Antrags beim Entschädigungsamt Berlin mit der Registriernummer 266829), Typoskript, 28.7.1961, S.2, Av22 —: An den National Council of Architectural Registration Boards, Oklahoma City / Oklahoma, 15.12.1961, Av22 Herrey-Zweigenthal, Hermann: An Walter Gropius, 11.8.1940, Av22 —: An Charles McKim Norton, Geschäftsführer der Regional Plan Association, New York / New York, 14.12.1940, Av22 —: An Martin Wagner, (o.D.) Januar oder Februar 1941, Av22 —: An Walter Gropius, 14.2.1941, Av11 —: An John Bland, 28.2.1941, Av22 —: An Walter Gropius, 16.4.1941, Av22 —: An Walter Gropius, 21.6.1941, Av22

—: An Walter Gropius, 7.9.1941, Av22

Wagner, Martin: An Hermann Herrey-Zweigenthal, 10.1.1941, Av22

—: An Walter Gropius, 27.9.1941, Av11

Wheeler, Monroe: An Hermann Herrey-Zweigenthal, 9.5.1941, Av22

—: An Walter Gropius, 26.10.1941, Av22

Winslow, Ralph E.: An Walter Gropius, 30.9.1941, Av11

—: Memorandum Exhibition Project on Settlements and Road Communications, Typoskript, (o.D.) Ende 1941, Av22 —: An Walter Gropius, 14.2.1942, Av11

14.1 Primärliteratur

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Adams, Thomas: In Defense of the Regional Plan, in: Zft111, H.918/1932 (= 6.7.1932), S.207ff

—: An Robert P. Shaw, Direktor des New York Museum of Science and Industry, New York / New York, 15.3.1942, Av22 —: An Richard W. Lloyd, Geschäftsführer des Franklin Institute, Philadelphia / Pennsylvania, 20.3.1942, Av22 —: An Martin Wagner, 12.7.1942, Av22 —: Harvard University. The Graduate School of Arts and Sciences. Degree of Doctor of Philosophy, Formular, (o.D.) September oder Oktober 1942, Av22

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—: Termin- und Notizbuch 1942, Av33

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—: An Harlow Shapley, 3.3.1943, Av22

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17.1 Primärliteratur Anonym: Stiff Tests Start for Stage Design. Union Conducts 3–Day Exams for 72 Would-Be Members. Expected to Know 26 Plays, in: Zng70, 5.6.1954, Late City Edition, S.34 —: Arts Project for Lincoln, in: Zng27, 11.12.1954, S.14 —: Opus, Inc., for the Arts, in: Zng27, 6.4.1955, S.6 —: A Great Experiment in Drama Production. This Week in Lincoln, in: Zng28, 23.6.1955, S.8 Budzinski, Klaus: Kassenerfolge satzungswidrig. Die amerikanische Stiftung »Opus« fördert Frank Wedekind. Suche nach europäischen Dramen, in: Zng4, 22.12.1955, Nachtausgabe, S.5 Dewar: King Nicolo. Lincoln / Massachusetts, in: Zft35, H.28/1955 (= 9.7.1955), S.13 Eisenberg, Lawrence: Design for Keeping Scenic Standards High, in: Zft135, H.9/1954 (= September 1954), S.78f, S.96 Guyl: Shows Out of Town. King Nicolo, in: Zft138, 29.6.1955, S.58

16.3 Archivalien Augenfeld, Felix: An Ernst Ludwig Freud, 3.1.1954, Av29 J. Barbagallo Building & Construction Inc.: An Hermann Herrey, 10.10.1949, Av22 Breuer, Marcel: An Hermann Herrey-Zweigenthal, 19.2.1945, Av22 Herrey, Hermann: The Family House, Typoskript, 30.9.1946, Av22 —: Termin- und Notizbuch 1946, Av33 —: Application for Building Permit. Village of Hempstead, Nassau County, New York (= Antrag zur Genehmigung des Baus der Villa Court Garden Apartments), Formular, 3.12.1947, Av22 —: Termin- und Notizbuch 1947, Av33 —: Villa Court Garden Apartments. Description, Typoskript, 20.1.1948, Av22 —: An Heinrich Schnitzler, 24.7.1948, Av22 —: An John Bland, 10.9.1948, Av22 —: Termin- und Notizbuch 1948, Av33 —: Specification. House for Mr. and Mrs. Robert Mautner, Typoskript, April 1949, Av22 —: An Alma Morgenthau, 16.5.1949, Av22 —: An Alma Morgenthau, 2.6.1949, Av22 —: An Alma Morgenthau, 22.6.1949, Av22 —: An J. Barbagallo Building & Construction Inc., 7.10.1949, Av22 —: An Heinrich Schnitzler, 1949, Av22 —: Termin- und Notizbuch 1949, Av33 —: An Alma Morgenthau, 25.1.1950, Av22 —: An J. Barbagallo Building & Construction Inc., 23.2.1950, Av22 —: An J. Barbagallo Building & Construction Inc., 24.2.1950, Av22

Herrey, Hermann: La scène ouverte, in: Zft17, H.23/1949 (= Mai 1949), S.32ff Hughes, Elinor: Opus, Lincoln. »King Nicolo«, in: Zng24, 23.6.1955, S.37 Melvin, Edwin F.: »King Nicolo« Outdoors in Lincoln. Derwent in Title Role of Drama by Wedekind, in: Zng27, 23.6.1955, S.7 Pertzoff, Constantin A.: A »Permanent Investment« Core Surrounded by a »Temporary Investment« Shell (= Art. über Haus Pertzoff), in: Zft117, H.9/1944 (= September 1944), S.69ff Piscator, Erwin: Das amerikanische Theater. Einige Anmerkungen zu Bühnenautoren, zum Kassenerfolg und zum Ideal, in: Hoffmann, Ludwig (Hg.): Erwin Piscator Schriften, Bd.2 Aufsätze Reden Gespräche, Berlin 1968, S.141ff, S.370. Auch in: Ders.: Erwin Piscator. Theater Film Politik. Ausgewählte Schriften, Berlin 1980, S.183ff, S.469 R.R.W.: Opus Production of King Nicolo. A Great Success, in: Zng28, 30.6.1955, S.1, S.10 Viertel, Berthold: Exil, in: Ders.: Dichtungen und Dokumente. Gedichte Prosa Autobiographische Fragmente, München 1956, (o.S.) S.322 Wedekind, Frank: König Nicolo oder So ist das Leben. Schauspiel in drei Aufzügen und neun Bildern mit einem Prolog, in: Austermühl, Elke (Hg.): Frank Wedekind Werke. Kritische Studienausgabe, Bd.4, Darmstadt 1994, Text S.229ff, Kommentar S.563ff —: »Was ich mir dabei dachte«. Kurzer Kommentar zu den Werken Frank Wedekinds von ihm selbst, in: Frank Wedekind. Gesammelte Werke, Bd.9, München 1924, Absch. 8 König Nicolo, S.430 —: Zirkusgedanken, in: Hahn, Manfred (Hg.): Frank Wedekind. Werke in drei Bänden, Bd.3 Prosa, Berlin und Weimar 1969, S.153ff, S.655

—: An J. Barbagallo Building & Construction Inc., 5.4.1950, Av22

—: Im Zirkus, in: Hahn, Manfred (Hg.): Frank Wedekind. Werke in drei Bänden, Bd.3 Prosa, Berlin und Weimar 1969, S.163ff, S.655

—: Preliminary Overall Account. House for Mrs. Alma Morgenthau (= Aufstellung der Baukosten und des Architektenhonorars), Typoskript, 21.9.1950, Av22

—: An Beate Heine, 10.3.1902, in: Hahn, Manfred (Hg.): Frank Wedekind. Werke in drei Bänden, Bd.3 Prosa, Berlin und Weimar 1969, S.550ff

—: An Otto Panzner, 16.12.1950, Av22 —: Termin- und Notizbuch 1950, Av33

17.2 Sekundärliteratur

—: An William Emerson, Kurze Fassung, 7.2.1951, Av22

Biedrzynski, Richard: Schauspieler Regisseure Intendanten, Heidelberg (o.J.) 1944, Kap. Lothar Müthel, S.29ff, S.Vf

—: An William Emerson, Lange Fassung, 7.2.1951, Av22 —: An Will Mehlhorn, Redakteur der Zeitschrift »House & Garden«, 5.3.1952, Av22 —: (o.T.) Bericht über Entwurf und Planung von Haus Morgenthau, Anhang des Briefes an Will Mehlhorn, Typoskript, 5.3.1952, Av22 —: An Rudolph K. Waldman, 28.4.1952, Av22 —: An Heinrich Schnitzler, 6.5.1952, Av22

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—: An Rudolph K. Waldman, 5.6.1952, Av22

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—: An Richard Weininger, Direktor der Nedick‘s Company, 14.6.1952, Av22

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Falk, Sawyer: Nationwide Theatre USA, in: Hartnoll, Phyllis (Hg.): The Oxford Companion to the Theatre, London (u.a.O.) 1951, S.561ff

—: Specification Concerning the Remodelling of the Existing Nedick‘s Store in Northern Boulevard and Main Street Flushing, Typoskript, Januar 1953, Av22 —: An Rudolph K. Waldman, 7.2.1953, Av22 —: An Rudolph K. Waldman, 22.6.1953, Av22 —: An den National Council of Architectural Registration Boards, Oklahoma City / Oklahoma, 15.12.1961, Av22 Herrey-Zweigenthal, Hermann: An Paul A. Hoefer, 26.11.1942, Av22 —: An Konrad Wachsmann, 8.1.1945, Av9 —: An Marcel Breuer, 9.2.1945, Av22 —: An Marcel Breuer, 7.3.1945, Av22 United States Patent Office: (o.T.) Patent Nummer 2841696 von Hermann Herrey betreffend die Gestaltung und Herstellung eines Lampenschirms, Urkunde mit textlicher und bildlicher Erklärung, 1.7.1958, Av32 Waldman, Rudolph K.: An Hermann Herrey, 21.3.1952, Av22 —: An Hermann Herrey, 16.8.1952, Av22 —: An Hermann Herrey, 22.10.1952, Av22 —: An Hermann Herrey, 18.1.1953, Av22 —: An Hermann Herrey, 22.3.1953, Av22

Fischel, Oskar: Hans Poelzigs theatralische Sendung, in: Zft86, H.23/1923 (= 9.3.1923), S.443ff. Gekürzt auch in: Posener, Julius (Hg.): Hans Poelzig, Gesammelte Schriften und Werke, Schriftenreihe der Akademie der Künste Bd.6, Berlin 1970, S.158ff. Gekürzt auch in: Der dramatische Raum. Hans Poelzig. Malerei Theater Film, Ausstellungskatalog, Krefeld 1986, S.78ff Ford, James, Ford, Katherine Morrow: Design of Modern Interiors, New York 1942, Absch. Haus Pertzoff, S.22f, S.125 —: Classic Modern Homes of the Thirties. 64 Designs by Neutra, Gropius, Breuer, Stone and Others, New York 1989, Absch.e Haus Bogner, S.22f, Haus Gropius, S.41ff, Haus Breuer, S.46ff, Haus Ford, S.49ff Ford, Katherine Morrow, Creighton, Thomas H.: The American House Today. 85 Notable Examples, New York 1954, (o.S.) S.40f Frey, Eberhard: Ethisches Theater. Berthold Viertels Theatertätigkeit im Exil, in: Elfe, Wolfgang (u.a.Hg.): Deutsches Exildrama und Exiltheater, Akten des Exilliteratur-Symposiums der University of South Carolina 1976, Bern (u.a.O.) 1977, S.78f Freydank, Ruth: Theater in Berlin. Von den Anfängen bis 1945, Berlin 1988, Kap. Das gleichgeschaltete Theater, S.431ff Gorelik, Mordecai: Der amerikanische Bühnenbildner. Vortrag auf der Tagung München 1949, in: Zft38, H.1/1950 (= Februar 1950), S.7

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17.3 Archivalien Alter, Henry C.: An Heinrich Schnitzler, 28.1.1946, Av22 Freedley, George: An Hermann Herrey-Zweigenthal, 24.2.1941, Av22 Glass, Eric: An Herbert Berghof (= Schreiben zur Empfehlung von Hermann Herrey-Zweigenthal), Juli 1940, Av22

—: An Hermann Herrey, 16.5.1953, Av22

337

—: An Frieda Fishbein (= Schreiben zur Empfehlung von Hermann Herrey-Zweigenthal), Juli 1940, Av22 —: An Leo Shubert (= Schreiben zur Empfehlung von Hermann Herrey-Zweigenthal), Juli 1940, Av22 Herrey, Hermann: An Heinrich Schnitzler, 1.3.1946, Av22 —: An Heinrich Schnitzler, 3.8.1946, Av22 —: An Heinrich Schnitzler, 8.8.1946, Av22 —: An Heinrich Schnitzler, 24.7.1948, Av22 —: About Frank Wedekind and his Play »King Nicolo or Such is Life«, Typoskript, (o.D.) Ende 1954 oder Anfang 1955, Av22 —: Opus Society for the Presentation of Works of Art, Typoskript, (o.D.) Ende 1954 oder Anfang 1955, Av22 —: Termin- und Notizbuch 1955, Av33 —: Hermann Herrey Lebenslauf, Von 1904 bis etwa 1950, In deutscher Sprache, Typoskript, (o.D.) 1956, S.8f, Av22 —: An Dagmar Franck, Ehefrau des Schauspielers Walter Franck, 8.5.1962, Av22 Herrey-Zweigenthal, Hermann: An Walter Gropius, 14.5.1944, Av22 Opus Society for the Presentation of Works of Art (Hg.): Frank Wedekind »King Nicolo«, Prospekt und Plakat als Faltblatt, Lincoln / Massachusetts 1955, Av33 —: Frank Wedekind »King Nicolo«, Programmzettel, Lincoln / Massachusetts 1955, Av33 Pertzoff, Constantin A.: An Erna Herrey (= Lebenslauf des Verfassers), (o.D.) 1944, Av22 Schnitzler, Heinrich: An Hermann Zweigenthal, 8.7.1939, Av33 —: An Hermann Herrey-Zweigenthal, 21.11.1940, Av33 —: An Hermann Herrey-Zweigenthal, 23.10.1943, Av22 —: An Hermann Herrey-Zweigenthal, 2.12.1944, Av22 —: An Hermann Herrey, 12.2.1946, Av22 —: An Hermann Herrey, 6.8.1946, Av22 —: An Hermann Herrey, 10.8.1946, Av22 —: An Hermann Herrey und Erna Herrey, 1.11.1946, Av22 —: An Hermann Herrey, 31.7.1948, Av22

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Gausmann, Dagmar: Der Ernst-Reuter-Platz in Berlin. Die Geschichte eines öffentlichen Raumes der fünfziger Jahre, Münster 1992

Besser, Joachim: Himmel, Bäume und Licht sind hier zu Gast. Moderne Häuser, wie sie sein sollen. Erster Rundgang durch die »Interbau«-Ausstellung, in: Zng104, 10.7.1957, Berliner Ausgabe, S.6 Bundesminister für Wohnungsbau Bonn, Senator für Bau- und Wohnungswesen Berlin (Hg.): Berlin. Planungsgrundlagen für den städtebaulichen Ideenwettbewerb »Hauptstadt Berlin«. Denkschrift, Berlin 1957 —: Berlin. Ergebnis des Internationalen städtebaulichen Ideenwettbewerbs Hauptstadt Berlin. Dokumentation, Stuttgart 1960 Internationale Bauausstellung Berlin GmbH (Hg.): Interbau Berlin 1957. Amtlicher Katalog, Berlin 1957 Klie, Barbara: Endstation Hochhaus. Die neue Gründerzeit von Berlin, in: Zng90, 1./2.6.1957, Beilage SZ am Wochenende, (o.S.) S.3 Koch, Thilo: Berlins größter Ausstellungserfolg. Interbau. Die Zuschauer lobten. Was aber sagen die Mieter?, in: Zng110, 3.10.1957, S.21 Merveldt, Eka von: Berlin baut für die Zukunft. Stadtteil von morgen. Das Hansaviertel. »Beamtensilo« und »Reuters Knie«. Der sechsbahnige Schnellstraßenring, in: Zng110, 13.12.1956, S.19f —: Wie soll die Hauptstadt aussehen? Der Wettbewerb »Hauptstadt Berlin«. Ost- und Westberliner Pläne mit und ohne Sektorengrenze, in: Zng110, 4.4.1957, S.25f Schulz, Eberhard: Turmbau und Zellenstaat. Richtungen der modernen Architektur (= Art. über die »Interbau« Berlin 1957), in: Zft92, H.117/1957 (= November 1957), S.1058ff Schwab-Felisch, Hans: Berlin-Lützowplatz, in: Zng39, 25.10.1958, Beilage Bilder und Zeiten, (o.S.) S.1f Der Senator für Bau- und Wohnungswesen, Bund Deutscher Architekten (Hg.): Wiederaufbau Hansaviertel Berlin. Interbau Berlin 57, Darmstadt (o.J.) 1957, Beschreibung des Punkthochhauses von Klaus Müller-Rehm und Gerhard Siegmann, S.24ff Teut, Anna: Hauptstadt-Wettbewerb Berlin. Vorarbeiten beendet. Unglücklicher Termin, trübe Aussichten, in: Zng104, 12.3.1958, Berliner Ausgabe, S.5 —: Sieht so die moderne Weltstadt aus? Berlins City-Wettbwerb genauer betrachtet. Solide Pläne, jedoch keine Revolution, in: Zng104, 27.6.1958, Berliner Ausgabe, S.6

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18.3 Archivalien Anmeldung bei der polizeilichen Meldebehörde. Ausfertigung für den Meldepflichtigen Hermann Herrey, Formular, 12.12.1957, Av22 Bund Deutscher Architekten (BDA): An Hermann Herrey, 23.4.1957, Av22 Entschädigungsamt Berlin: Bescheid Nummer 94223. Darlehnsantrag vom 12. Juni 1956, 28.1.1957, Av22 —: Bescheid Nummer 94224. Darlehnsantrag vom 12. Juni 1956, 28.1.1957, Av22 —: Bescheinigung für Hermann Herrey als Verfolgten im Sinne des § 1 des Bundesgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (BEG), 30.3.1957, Av22 —: Bescheid. Entschädigungsantrag vom 28. März 1957. Soforthilfe für Rückwanderer, 9.5.1957, Av22 Fürlinger, Friedrich: An Hermann Herrey, 1.7.1957, Av22 —: An Hermann Herrey, 18.4.1958, Av22 Gellhorn, Alfred, Sonntag, Hans Joachim: (o.T.) Verfassererklärung Wettbewerb Jüdisches Gemeindehaus Berlin, (o.D.) Mitte Januar 1958, Av13 Herrey, Erna M.J.: An The Passport Office U.S. Department of State, 5.5.1961, Av22 Herrey, Hermann: Termin- und Notizbuch 1955, Av33 —: An Arthur Brandt, 4.4.1956, Av22 —: An das Entschädigungsamt Berlin, 9.6.1956 (vom Autor falsch datiert 9.6.1955), Av22 —: An das Entschädigungsamt Berlin, 15.10.1956, Av22 —: An den Polizeipräsidenten von Berlin, 5.11.1956, Av22 —: Termin- und Notizbuch 1956, Av33 —: An Friedrich Fürlinger, Regierungsdirektor in der Abteilung Landes- und Stadtplanung bei dem Senator für Bau- und Wohnungswesen Berlin, 7.5.1957, Av22 —: An den Senator für Bau- und Wohnungswesen Berlin (= Rückfragen zum Wettbewerb Jüdisches Gemeindehaus Berlin), 1.11.1957, Av13

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Blubacher, Thomas: Karl Gotthilf Kachler, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Bd.2 H-Q, Zürich 2005, S.951. Auch unter: tls.theaterwissenschaft.ch/wiki/Karl_Gotthilf_Kachler Bosch, Manfred: Zeit der schönen Not. Die Anfangsjahre des Südverlag in Konstanz 1945 bis 1952, Konstanz 2009, Absch.e Von Berlin an den Bodensee, S.19ff, Der Verleger Johannes Weyl, S.39ff, Ludwig Emanuel Reindl, S.61ff, Eintr.e Ludwig Emanuel Reindl, S.386, Johannes Weyl, S.392f, Ludwig Emanuel Reindl, S.405f, Barbara Weyl, S.407, Johannes Weyl, S.407 Brauneck, Manfred: Die Welt als Bühne. Geschichte des europäischen Theaters, Bd.5, Stuttgart und Weimar 2007, Absch.e Politik, Gesellschaft und Theater 1945 bis 1949, S.191ff, Theater der fünfziger Jahre, S.208ff Bühnenschriften-Vertriebs-GmbH der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehörigen (Hg.): Deutsches Bühnen-Jahrbuch. Theatergeschichtliches Jahr- und Adreßbuch. Theater Film Rundfunk, 67. Jahrgang 1959, Spielzeit 1958/1959, Berlin 1958, Eintr.e Stadttheater Konstanz, S.300f, Wuppertaler Bühnen, S.386ff, Stadttheater St. Gallen und Kurtheater Baden, S.433f Daiber, Hans: Deutsches Theater seit 1945. Bundesrepublik Deutschland, Deutsche Demokratische Republik, Österreich, Schweiz, Stuttgart 1976, Kap. Komfort als Weltanschauung, S.164ff, Nachwort, S.403ff

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Eckert, Nora: Das Bühnenbild im 20. Jahrhundert, Berlin 1998, Absch.e Nach 1945, Stunde Null oder Kontinuität?, S.119ff, Deutsche Bühne West, S.135ff

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Leisegang, Herbert: In der Hölle Sartres. Zur Aufführung von Henrik Ibsens »Hedda Gabler« im Wuppertaler Schauspielhaus, in: Zng44, 7.11.1958, (o.S.) S.4

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Vietta, Egon: Katastrophe oder Wende des deutschen Theaters, Düsseldorf 1955

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Zibell, Walter: Der stille Skandal. Beispiel und Folgerungen eines Publikumsprotestes, in: Zft54, H.6/1958 (= Juni 1958), S.106f

19.1 Primärliteratur Anonym: Hermann Herrey in Deutschland, in: Zng91, 29./30.10.1955, S.2 Barfuß, Grischa: Glanz und Elend des deutschen Theaters. Marginalien eines Bühnenleiters, in: Zft54, H.10/1959 (= Oktober 1959), S.181f Benz-Burger, Lydia: Shakespeare auf den Schweizer Bühnen. 1955/56 und 1956/57, in: Heuer, Hermann, Clemen, Wolfgang (Hg.): Shakespeare Jahrbuch, Bd.94/1958, Heidelberg 1958, S.251f Budzinski, Klaus: Kassenerfolge satzungswidrig. Die amerikanische Stiftung »Opus« fördert Frank Wedekind. Suche nach europäischen Dramen, in: Zng4, 22.12.1955, Nachtausgabe, S.5

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19.2 Sekundärliteratur Anonym (= Redakteur der Konstanzer Redaktion des »Südkurier«): »Draußen vor der Tür«. Bemerkungen zur Inszenierung Walter Czaschkes im Stadttheater, in: Zng91, 16.11.1956, S.5 Blair Brysac, Shareen: Mildred Harnack und die Rote Kapelle. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Frau und einer Widerstandsbewegung, Bern 2003, Notiz zu Ludwig Emanuel Reindl im Berlin der dreißiger Jahre, S.190, S.219

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Schwab-Felisch, Hans: Die kulturelle Entwicklung, in: Sethe, Paul (u.a.A.): Das Fundament unserer Zukunft. Bilanz der Ära Adenauer. Politisch, wirtschaftlich, kulturell, Düsseldorf und Wien 1964, Absch.e Theater überall, S.170ff, Borchert, Wilder, Zuckmayer, Sartre, S.178ff, Aufbau der Bühnen, S.212ff, Die Gesellschaft verdaut alles, S.214ff, Kortner, Gründgens, Brecht, S.216f

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Wannemacher, Klaus: »Der Amnesie des Publikums begegnen«. Nachkriegstheater als Inkubator des »Aufarbeitungs«-Diskurses, in: Glienke, Stephan Alexander (u.a.Hg.): Erfolgsgeschichte Bundesrepublik? Die Nachkriegsgesellschaft im langen Schatten des Nationalsozialismus, Göttingen 2008, S.263ff Wezel, Wolfdietrich: Das subventionierte öffentliche Theater. Seine Struktur und seine Problematik, Phil. Diss., München 1964, Absch.e V Die wirtschaftliche Entwicklung des subventionierten öffentlichen Theaters, S.130ff, VI Ein Blick auf die ausländische Theatersituation, S.137ff Zuschauer, Intendanten, Subventionen. Eine Diskussion um Hellmut Jaesrichs Aufsatz »Zwei Plätze im Parkett«, in: Zft94, H.80/1955 (= Mai 1955), S.168ff

—: »Der bemerkenswerte Mr. Pennypacker«. Deutsche Erstaufführung eines amerikanischen Lustspieles, in: Zng75, 10.9.1959, S.6 —: Uraufführungs-Stenogramm September 1959, in: Zft54, H.10/1959 (= Oktober 1959), S.190ff Aufführungen und Besucherzahlen. Die Aufführungen der Spielzeit 1957/58, in: Zft36, H.2/1958 (= Oktober 1958), Absch. Studiogruppe, S.37 B., U.: Experimentierfreudiges Theater, in: Zng63, 24.9.1957, Zweite Ausgabe, S.2 Dr. B.: Der Mann mit den zwei Familien. »Der bemerkenswerte Mr. Pennypacker« in den Kammerspielen, in: Zng49, 8.9.1959, S.6 Bachmann, Ingeborg: An Wolfgang Hildesheimer, 3.11.1959, in: Hildesheimer, Silvia, Pleyer, Dietmar (Hg.): Wolfgang Hildesheimer. Briefe, Frankfurt am Main 1999, S.93

19.3 Archivalien

—: An Wolfgang Hildesheimer, Mitte November 1959, in: Hildesheimer, Silvia, Pleyer, Dietmar (Hg.): Wolfgang Hildesheimer. Briefe, Frankfurt am Main 1999, S.94ff

Barfuß, Grischa, Marohn, Franz: An Hermann Herrey, 24.6.1958, Av22

Barthel, Manfred: Schreck und Spaß. Tribüne mit modernen Einaktern, in: Zng2, 24.9.1957, (o.S.) S.3

Genossenschaft Deutscher Bühnenangehörigen: An Hermann Herrey, 17.8.1959, Av22

—: Endlich gibt‘s mal Zunder! Tribüne. Zwei moderne Stücke, in: Zng2, 2.10.1958, (o.S.) S.4

Herrenhaus. Schauspiel in drei Akten und einem Vorspiel. Von Thomas Wolfe. Einzig berechtigte Übertragung von Peter Sandberg, Verlag Felix Bloch Erben, Berlin-Charlottenburg, Rollenbuch des Inspizienten der Inszenierung des Stadttheaters Konstanz, März 1958, Av44, Textbücher, Nummer 532

Bednarik, Karl: An der Konsumfront. Zwischenbilanz des modernen Lebens, Stuttgart 1957, S.27

Herrey, Hermann: Termin- und Notizbuch 1955, Av33 —: Bemerkungen zur Inszenierung »Der Widerspenstigen Zähmung«, in: Blätter des Stadttheaters St. Gallen, Saison 1955/56, H.19/1956 (= April 1956), S.3ff. Auch in: Kurtheater Baden, Saison 1956, 31. Spielzeit des Stadttheaters St. Gallen in Baden, H.4/1956 (= Sommer 1956), S.1ff, Av33

Brecht und Ionesco. Pole des modernen Welttheaters (= Deutsche Fassung der Kontroverse zwischen Kenneth Tynan und Eugène Ionesco in der Sonntagszeitung »The Observer« Mitte 1958 sowie Stellungnahmen von Albert Schulze Vellinghausen, Siegfried Melchinger und Joachim Kaiser), in: Zft134, H.2/1960 (= Oktober 1960), S.23ff Brendemühl, Rudolf: Aufstand der Zofen. Zwei Einakter mit Schockwirkung, in: Zng63, 2.10.1958, Zweite Ausgabe, S.2

—: Termin- und Notizbuch 1956, Av33

r.b. (= Rudolf Brendemühl): Vieles blieb verworren. »Landschaft mit Figuren« in der »tribüne«, in: Zng63, 30.9.1959, Zweite Ausgabe, S.2

—: An Theo Stachels, Intendant des Stadttheaters Konstanz, 15.11.1957, Av44

cht: Dieb und Dichter. Festwochen-Dramatiker mit 13 Vorstrafen. Jean Genet, in: Zng20, 3.10.1958, S.10

—: Termin- und Notizbuch 1957, Av33

Dramaturgisches Kollegium: Liam O‘Brien. Der bemerkenswerte Mr. Pennypacker. Komödie in drei Akten (= Auszüge mehrerer Theaterkritiken zur Aufführung in den Hamburger Kammerspielen unter der Regie von Hermann Herrey), in: Zft139, H.3/1960 (= März 1960), S.20

—: An Theo Stachels, 5.1.1958, Av44 —: An Ludwig Emanuel Reindl, 19.2.1958, Av44 —: Anruf von Dr. Grischa Barfuß (= Gedächtnisprotokoll eines Telefongespräches), Typoskript, 23.6.1958, Av22 —: An Grischa Barfuß, Generalintendant der Wuppertaler Bühnen, 28.6.1958, Av22 —: An Erich Schumacher, Generalintendant der Städtischen Bühnen Essen, 23.8.1958, Av22 —: Termin- und Notizbuch 1958, Av33 —: An Karl Ferber, Intendant des Stadttheaters St. Gallen, 14.1.1959, Av22 —: An Hans Liepmann, 7.2.1959, Av22 Stachels, Theo: An Hermann Herrey, 28.11.1957, Av44 —: An Hermann Herrey, 8.1.1958, Av44 —: An Hermann Herrey, 25.2.1958, Av44 —: An Hermann Herrey, 26.2.1958, Av44 Stadttheater Konstanz (Hg.): Thomas Wolfe »Herrenhaus«, Programmheft, Konstanz 1958, Av33 Witt, Claus Peter: An Hermann Herrey, 14.4.1958, Av44 Wuppertaler Bühnen (Hg.): Wuppertaler Bühnen. Programmblätter für die Spielzeit 1958/59, H.5/1958 (= November 1958), Henrik Ibsen Hedda Gabler, Av45

20.1 Primärliteratur Anonym: Lebhafte Auseinandersetzungen auf der IV. Berliner Dramaturgen-Tagung 26.-30.9.1956, in: Zft54, H.1/1956 (= Oktober 1956), S.4f —: Drei Einakter in der Tribüne, Mit Fotos von Heinz Köster, in: Zng55, 23.9.1957, Berliner Ausgabe, S.3

Fabian, Hans: Die bühnenreichste Stadt Deutschlands. Theater und Volksbühne in Berlin, in: Zft139, H.11/1957 (= November 1957), S.3ff ng (= Dora Fehling): Diskussion um die »Stühle«, in: Zng97, 6.10.1957, S.41 Fehling, Dora: Theater als Abenteuer. Zwei Einakter in der Tribüne, in: Zng97, 3.10.1958, S.18 —: Abstrakte Gegend. Tribüne. »Landschaft mit Figuren«, in: Zng97, 1.10.1959, S.7 —: Theatralische Bilanz. Die Berliner Festwochen, in: Zft139, H.11/1959 (= November 1959), S.12f fgö: »Der bemerkenswerte Mr. Pennypacker«. Deutsche Erstaufführung in den Hamburger Kammerspielen, in: Zng6, 3. Septemberwoche 1959, S.13 Genet, Jean: Die Zofen. Tragödie, in: Ders.: Alle Dramen, Hamburg und Gifkendorf 1980, S.39ff Gerlach, Hans Egon, Gressieker, Hermann, Grimme, Karl Maria, Herrey, Hermann, Karsch, Walther, Lothar, Frank, Reuter, Gerhard, Schrader, Hugo, Schultze, Friedrich, Stauffacher, Hans Rudolf, Weisenborn, Günter: Ionescos »Die Stühle«. Öffentliche Diskussion im Anschluß an eine von der Dramaturgischen Gesellschaft gemeinsam mit der Tribüne veranstaltete Sonderaufführung, in: Dramaturgische Gesellschaft e. V. (Hg.): Jahresband 1957. Mit dem Protokoll der V. Dramaturgentagung Berlin vom 2. bis 6. Oktober 1957, Unveröffentlichtes Typoskript, (o.O.) Berlin (o.J.) 1958, S.272ff Happ, Alfred: Theater-Skandal bei Sellner. Das Publikum protestierte gegen Ionescos »Opfer der Pflicht«, in: Zng104, 7.5.1957, Berliner Ausgabe, S.6 Hartung, Hugo: Berliner Festwochen-Theater, in: Zng33, 11.10.1958, S.20

Almanach und Offizielles Programm, S.42ff. Auch in: Lucas, Christiaan (u.a.Hg.): Wolfgang Hildesheimer. Gesammelte Werke in sieben Bänden, Bd.VI Theaterstücke, Frankfurt am Main 1991, S.820ff, S.867 —: Über das absurde Theater, in: Lucas, Christiaan (u.a.Hg.): Wolfgang Hildesheimer. Gesammelte Werke in sieben Bänden, Bd.VII Vermischte Schriften, Frankfurt am Main 1991, S.13ff, S.757f —: An Hanna Hildesheimer, 9.4.1959, in: Jehle, Volker (Hg.): Wolfgang Hildesheimer. »Die sichtbare Wirklichkeit bedeutet mir nichts«. Die Briefe an die Eltern 1937–1962, Bd.II Die Briefe 1953–1962, Berlin 2016, S.1146ff —: An Hanna Hildesheimer, 24.4.1959, in: Jehle, Volker (Hg.): Wolfgang Hildesheimer. »Die sichtbare Wirklichkeit bedeutet mir nichts«. Die Briefe an die Eltern 1937–1962, Bd.II Die Briefe 1953–1962, Berlin 2016, S.1148ff —: An Hanna Hildesheimer, 7.10.1959, in: Hildesheimer, Silvia, Pleyer, Dietmar (Hg.): Wolfgang Hildesheimer. Briefe, Frankfurt am Main 1999, S.91ff. Auch in: Jehle, Volker (Hg.): Wolfgang Hildesheimer. »Die sichtbare Wirklichkeit bedeutet mir nichts«. Die Briefe an die Eltern 1937–1962, Bd.II Die Briefe 1953–1962, Berlin 2016, S.1161ff —: An Hanna Hildesheimer, 18.10.1959, in: Jehle, Volker (Hg.): Wolfgang Hildesheimer. »Die sichtbare Wirklichkeit bedeutet mir nichts«. Die Briefe an die Eltern 1937–1962, Bd.II Die Briefe 1953–1962, Berlin 2016, S.1164ff —: An Ingeborg Bachmann, Ende November 1959, in: Hildesheimer, Silvia, Pleyer, Dietmar (Hg.): Wolfgang Hildesheimer. Briefe, Frankfurt am Main 1999, S.96f HvL: Neuheiten im festlichen Berlin. Fesselnde Aufführungen der »tribüne«. Henzes »König Hirsch« in der Städtischen Oper, in: Zng38, 9.10.1958, S.5 Ionesco, Eugène: Die Stühle. Eine tragische Farce, in: Bondy, François, Kuhn, Irène (Hg.): Eugène Ionesco Werke. Erster Band Theater I, München 1985, S.89ff —: Jakob oder der Gehorsam. Naturalistische Komödie, in: Bondy, François, Kuhn, Irène (Hg.): Eugène Ionesco Werke. Erster Band Theater I, München 1985, S.407ff —: Wir müssen unsere Träume und Ängste überwachen. Eugène Ionesco nimmt Stellung, in: Zng104, 11.7.1958, Berliner Ausgabe, S.7 Jacobi, Johannes: Theaterskandal um das Absurde. Schock und Protest bei einer Darmstädter Ionesco-Premiere, in: Zng110, 9.5.1957, S.6 —: Die Avantgarde von 1957. Zwischen Beckett und Ionesco, in: Zng110, 26.12.1957, S.5f —: Provokation und Langeweile der Theaterbesucher. Faszinierender Pirandello in Düsseldorf. Ionescos Entlarvung in Darmstadt, in: Zng110, 24.4.1958, S.6f —: Im Theater. Hauptstadt Berlin. Ionescos Einakter – Die Troerinnen – Dreigroschenoper – Schau heimwärts, Engel, in: Zng110, 17.10.1958, S.7 —: Auch Amerika ist romantisch. »Der bemerkenswerte Mr. Pennypacker« in Hamburg, in: Zng30, 12./13.9.1959, S.13 —: Ist das noch Geist unserer Zeit? Notizen von den Berliner Festwochen, in: Zng110, 9.10.1959, S.8 Karsch, Walther: Moralist Ionesco. Deutsche Erstaufführungen in der Tribüne, in: Zng96, 25.9.1957, S.4. Gekürzt auch in: Ders.: Wort und Spiel. Aus der Chronik eines Theaterkritikers 1945–1962, Berlin 1962, S.449f —: Bratkartoffeln mit Speck und vergiftetem Tee. Einakter von Ionesco und Genet in der Tribüne, in: Zng96, 3.10.1958, S.4. Geteilt in zwei Texte auch in: Ders.: Wort und Spiel. Aus der Chronik eines Theaterkritikers 1945–1962, Berlin 1962, S.424f, S.447f —: Zäher Spaß mit Wolfgang Hildesheimer. »Landschaft mit Figuren«. Festwochen-Uraufführung in der Tribüne, in: Zng96, 1.10.1959, S.4. Auch in: Rodewald, Dierk (Hg.): Über Wolfgang Hildesheimer, Frankfurt am Main 1971, S.100ff —: Berliner Theater seit 1945, in: Zft38, H.6/1960 (= Dezember 1960), S.18ff —: Von der Metropole zur Theaterlandschaft. Versuch eines kritischen Rückblicks auf Berlins Bühnen seit 1945, in: Zng96, 26.9.1965, Beilage 20 Jahre Tagesspiegel, S.11f Kasper, Klaus: Provokation und Illusion. Drei Einakter in der Tribüne, in: Zng97, 25.9.1957, S.7 Kersten, Hans Ullrich: Landschaft mit Figuren. Uraufführung eines surrealistischen Spiels von Wolfgang Hildesheimer, in: Zng61, 1.10.1959, S.12

—: Das Publikum flüchtete in Scharen. Wieder Mißfallen an Ionesco. Die Berliner streikten, in: Zng49, 24.9.1957, S.5

Heilbut, Iven George: Die Stühle wurden zur Mitte des Abends. Hermann Herrey an der Spitze der Erstaufführungen der »Tribüne«, in: Zng55, 24.9.1957, Berliner Ausgabe, S.8

—: (o.T.) Stücke von Arthur Adamov, Eugène Ionesco, Luigi Pirandello in der Tribüne, Mit drei Fotos von Heinz Köster, in: Zng3, 25.9.1957, (o.S.) S.6

Henseleit, Felix: Ein Walzer und leere Stühle. Große Theaterereignisse in Berlin. Anouilh und Ionesco, in: Zng41, 28./29.9.1957, S.6

Fl.K. (= Florian Kienzl): Immer mehr Stühle. Morgen in der Tribüne, in: Zng95, 21.9.1957, S.5

Herrey, Hermann: Wie ich Ionescos »Stühle« sehe, in: Zft139, H.5/1958 (= Mai 1958), S.4f

Kienzl, Florian: Ein Panorama ersehnten Lebens. »Die Stühle« von Ionesco in der Tribüne, in: Zng95, 25.9.1957, S.5

—: (o.T.) Stellungnahme im Rahmen der 4. Arbeitssitzung Übersetzung Bearbeitung Urheberrecht, in: Dramaturgische Gesellschaft e. V. (Hg.): Jahresband 1958. I. Teil. Protokoll der VI. Dramaturgentagung München vom 21. bis 26. Oktober 1958, Unveröffentlichtes Typoskript, (o.O.) Berlin (o.J.) 1959, S.143

—: Theater-Parade an der Spree. Berliner Festspiele mit 18 Premieren, in: Zng78, 4.10.1957, S.6

—: Die drei unfestlichen Berliner Akte, in: Zng61, 2.10.1957, S.9 —: Üppiger Dramen-Import. Herbstpremieren in Berlin. Englische und französische Autoren beherrschen den Spielplan, in: Zft128, H.11/1957 (= November 1957), S.8f —: Pikantes in der Tribüne, in: Zng97, 2.10.1958, S.9 —: Hugo Schrader und Claudia Losch, Mit einem Foto von Heinz Köster, in: Zng3, 2.10.1958, (o.S.) S.10 —: »Die Zofen«, Zeichnung von Helmut Richter, in: Zng55, 2.10.1958, Berliner Ausgabe, S.6

Hildesheimer, Wolfgang: Landschaft mit Figuren. Ein Spiel in zwei Teilen, in: Lucas, Christiaan (u.a.Hg.): Wolfgang Hildesheimer. Gesammelte Werke in sieben Bänden, Bd.VI Theaterstücke, Frankfurt am Main 1991, S.169ff, S.856f

—: Gisela Trowe und Claudia Losch, Mit einem Foto von Heinz Köster, in: Zng3, 3.10.1958, (o.S.) S.6

—: Empirische Betrachtungen zu meinem Theater, in: Berliner Festwochen 1959. Vom 20. September bis zum 6. Oktober.

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Kesting, Marianne: Panorama des absurden Theaters, in: Zng90, 13./14.5.1961, Beilage SZ am Wochenende, (o.S.) S.3f

F.Kl. (= Florian Kienzl): Genet und Ionesco in der Tribüne. Avantgardistische Einakter, in: Zng95, 2.10.1958, S.1 Kienzl, Florian: Großer Abend in der Tribüne. Tragödie und Satyrspiel. »Zofen« und »Jacques«, in: Zng95, 3.10.1958, S.5 f.k. (= Florian Kienzl): Ionesco-Schlacht in Berlin, in: Zng89, 7.10.1958, S.15 Kienzl, Florian: Rollen suchen einen Autor. »Landschaft mit Figuren« in der Tribüne uraufgeführt, in: Zng95, 1.10.1959, S.5

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—: Gibt es noch Vernunft in der Welt? Eugène Ionesco und Berthold Brecht als Gegenpole, in: Zft139, H.2/1960 (= Februar 1960), S.1f

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Koch, Marianne: Theater im Verfall?, in: Zng20, 25.9.1957, S.5

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G.W. (= Gerhard Wandel): Die Galerie pfiff, in: Zng14, 6.10.1958, (o.S.) S.4

Kotschenreuther, Hellmut: Engagiertes Theater und schleichende Zensur. Von der vierten Dramaturgen-Tagung in Berlin, in: Zng90, 3.10.1956, Fernausgabe, S.8 Lennig, Walter: Laßt euch provozieren! Marginalien zu den Berliner Festspielwochen, in: Zng86, 19.10.1958, S.7 Lietzmann, Sabina: Tradition und Avantgarde. Anouilh- und IonescoPremieren in Berlin, in: Zng39, 30.9.1957, S.10 —: Zwischen Central Park und Dschungel. Berliner FestwochenErfolge, in: Zng39, 7.10.1959, S.11 Lothar, Frank: Die Unbequemen (= Art. über »Die Zofen« und »Jacques oder Der Gehorsam«), in: Berliner Festwochen 1958. Vom 21. September bis zum 7. Oktober. Almanach. Offizielles Programm, S.61f. Auch in: Tribüne (= Programmzeitschrift des Theaters Tribüne in Berlin), H.24/1958 (= September 1958), (o.S.) S.6ff Luft, Friedrich: Prolog, im Februar 1946 gesprochen, in: Ders.: Berliner Theater 1945–1961. Sechzehn kritische Jahre, Velber bei Hannover 1961, S.9f. Auch in: Ders.: Stimme der Kritik, Berliner Theater seit 1945, Velber bei Hannover 1965, S.10f —: Hier wird besser gespielt als andernorts. Denn hier gibt es noch Schauspieler wie sonst kaum und ein Publikum, das straft und streichelt. Berliner Bühnen im Rückspiegel kritischer Betrachtung, in: Zng104, 25.7.1956, Berliner Ausgabe, S.5 F.L. (= Friedrich Luft): Ionesco. Die Stühle. »Tribüne«. Deutsche Erstaufführung, in: Zng104, 23.9.1957, Berliner Ausgabe, S.1 Luft, Friedrich: Jokus mit der Verzweiflung. Ionescos »Die Stühle« und zwei weitere Einakter in der Tribüne, in: Zng104, 24.9.1957, Berliner Ausgabe, S.5. Unter dem Titel »Eugène Ionesco. ›Die Stühle‹. Tribüne« gekürzt auch in: Ders.: Berliner Theater 1945–1961. Sechzehn kritische Jahre, Velber bei Hannover 1961, S.278ff —: Von Schiller bis Ionesco. Die ersten Berliner Festwochen-Abende, in: Zng90, 25.9.1957, Fernausgabe, S.3 —: Streit um Ionesco, in: Zft94, H.120/1958 (= September 1958), S.78, S.80f F.L. (= Friedrich Luft): Genet und Ionesco. Gestern abend in Berlin. Zwei Einakter in der Tribüne, in: Zng104, 2.10.1958, Berliner Ausgabe, S.1 Luft, Friedrich: Endlich knisterte die Szene. Eugène Ionesco und Jean Genet im Hebbel-Theater deutsch erstaufgeführt, in: Zng104, 3.10.1958, Berliner Ausgabe, S.7. Unter dem Titel »Eugène Ionesco ›Jacques oder der Egoist‹ und Jean Genet ›Die Zofen‹. Tribüne« auch in: Ders.: Berliner Theater 1945–1961. Sechzehn kritische Jahre, Velber bei Hannover 1961, S.280ff —: Frischer Wind aus Frankreich. Genet und Ionesco bei den Berliner Festwochen, in: Zng90, 3.10.1958, Fernausgabe, S.7 —: Große Aufführungen, aber keine Provokation. Bilanz des Deutschen Theaters I. Berlin, die Stadt des Ensembles. Mangel an Spitzenspielern, in: Zng104, 22.7.1959, Berliner Ausgabe, S.7

Ritter, Heinz: Als der Vorhang wieder hochging, in: Telegraf VerlagsGmbH (Hg.): 10 Jahre Telegraf. Vom Werden und Wirken einer Berliner Zeitung 1946–1956, (o.O.) Berlin-Grunewald (o.J.) 1956, S.190ff rit (= Heinz Ritter): Werden »Die Stühle« abgeräumt?, in: Zng2, 5.10.1957, (o.S.) S.5 Ritter, Heinz: Am Skandal vorbei. Tribüne. Ohne Pfiff! Hildesheimer oder Ionesco und die schlimmen Folgen, in: Zng2, 30.9.1959, (o.S.) S.3 —: Was treiben die deutschen Dramatiker?, in: Zft94, H.156/1961 (= September 1961), S.63ff Rotzoll, Christa: Unheimliche Einakter in Berlin. Deutsche Premieren von Ionesco, Adamov und Pirandello in der »Tribüne«, in: Zng58, 27.9.1957, S.20 Rühle, Günther: Spannungsfeld zwischen Berlin und »Provinz«. Erfahrungen und Gedanken während der diesjährigen Berliner Festwochen, in: Zng41, 11.10.1958, S.20

—: Die »Tribüne« zieht um!, in: Zng20, 5.4.1960, S.10 sm (= Siegfried Melchinger): Über den Umgang mit Ionesco. Matinee im Schauspielhaus, in: Zng89, 24.3.1958, S.2 Melchinger, Siegfried: Ionesco und die Ionescose. Uraufführung in Darmstadt. »Mörder ohne Bezahlung«. Deutsche Erstaufführung in München, in: Zng89, 16.4.1958, S.2

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Zivier, Georg: Berlin ist eine Kultur-Metropole geblieben, in: Zng89, 8.5.1957, S.3 —: Start. Provozierende Dichtung. Der erste Tag der Festwochen, in: Zng16, 24.9.1957, S.9 —: Hand am Puls der Zeit. Zwei Experimentier-Premieren in der »Tribüne«, in: Zng16, 3.10.1958, S.17

—: Ist Berlin noch die Erste Theaterstadt? Anmerkungen zur vergangenen Spielzeit, in: Zng16, 10.7.1960, S.22

—: Das absurde Theater, in: Happ, Alfred, Rühle, Günther (Hg.): Elemente des modernen Theaters, Frankfurt am Main 1961, S.7ff Schumacher, Ernst: Der Einzige und sein Theater. Ionescos »Stühle« und »Erziehung eines Autors« in den Münchner Kammerspielen, in: Ders.: Theater der Zeit, Zeit des Theaters. Thalia in den Fünfzigern, München 1960, S.256ff Schwab-Felisch, Hans: Blauer Himmel – düstere Stücke. Genet und Ionesco bei den Berliner Festwochen, in: Zng39, 6.10.1958, S.10 Schwirten, Ethel: Schiller, Anouilh und Ionesco. Die ersten Premieren der Festwochen in Berlin, in: Zng42, 26.9.1957, S.8

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Treiber, Rudolf: Antiquierte »Avantgarde« der zeitgenössischen Dramatik. Eine Polemik wider den Ionescoismus, in: Zft139, H.9/1959 (= September 1959), S.1ff —: Und noch einmal für und wider Eugène Ionesco. Der Debatte anderer Teil, in: Zft139, H.1/1960 (= Januar 1960), S.1ff Tynan, Kenneth: Berlin at Play, in: Ders.: Tynan on Theatre, Harmondsworth 1964, S.232ff —: Berlin Postscript, in: Ders.: Tynan on Theatre, Harmondsworth 1964, S.235ff —: Summing-Up : 1959, in: Ders.: Tynan on Theatre, Harmondsworth 1964, S.243ff —: An Audience of Critics, in: Ders.: Right and Left. Plays, Films, People, Places and Events, London 1967, S.149ff

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Moschner, Manfred: Die nihilistischen Mülltonnen. Berliner Festwochen mit Aufführungen von Beckett, Ionesco, Lorca, Molière und Blacher/Egk, in: Zng25, 3.10.1957, S.10

Nolte, Jost: Kriegserklärung an Eugène Ionesco. Muß man die Mitglieder der Volksbühne vor den Avantgardisten bewahren?, in: Zng104, 18./19.11.1959, Berliner Ausgabe, S.6

Westecker, Wilhelm: Des Menschen Zorn ist des Menschen Not. Klassische und moderne Dramen während der Berliner Festwochen, in: Zng26, 16.10.1958, S.14

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Weber, Gerhard Werner: Gelobt, geschmäht, aber immer diskutiert. Wir sprachen mit Eugène Ionesco, in: Zng104, 26.10.1957, Berliner Ausgabe, S.39

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Wanderscheck, Hermann: Grausige Gespenstersonate. Ionescos »Stühle«, in: Zng48, 25.9.1957, S.11

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—: An Boleslaw Barlog, 2.9.1958, Av22 —: An Boleslaw Barlog, 10.9.1958, Av22 —: An Ida Ehre, Direktorin der Hamburger Kammerspiele, 25.4.1959, Av22

—: An Frank Lothar, 5.9.1959, Av22 —: An Gerhart von Westerman, Intendant der Berliner Festwochen, 15.10.1959, Av22 —: An Hans Rudolf Stauffacher, 27.10.1959, Av22 —: Auch Amerika träumt von der guten, alten Zeit, in: Hamburger Kammerspiele (Hg.): Liam O‘Brien »Der bemerkenswerte Mr. Pennypacker«, Programmheft, Hamburg 1959, S.3f, Av33 —: Termin- und Notizbuch 1959, Av33 —: Zur Interpretation von Kirklands »Der Tabakweg«, Typoskript, (o.D.) 1959 oder 1960, Av2 —: Jack Kirkland »Tabakweg«. Besetzungsvorschlag, Typoskript, (o.D.) 1959 oder 1960, Av2 Hildesheimer, Wolfgang: Empirische Betrachtungen zu meinem Theater, in: Tribüne (= Programmzeitschrift des Theaters Tribüne in Berlin), H.27/1959 (= September 1959), (o.S.) S.2ff, Av3 —: An Frank Lothar, 13.10.1959, Av22 Karsch, Walther: An Hermann Herrey, 28.12.1959, Av22 Lothar, Frank: An Hermann Herrey, 14.7.1958, Av22 —: An Hermann Herrey, 6.9.1958, Av22 —: An Hermann Herrey, 12.9.1958, Av22

Wendt, Ernst: Eugène Ionesco, Friedrichs Dramatiker des Welttheaters Bd.15, Velber bei Hannover 1967, Absch.e Jakob oder der Gehorsam, S.52ff, Die Stühle, S.63ff, S.149f

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—: An Hermann Herrey, 11.10.1958, Av22

Werkstatistik 1955/56. IV. Schauspiel-Werke. Auf westdeutschen und West-Berliner Bühnen, in: Zft54, H.2/1956 (= November 1956), Eintr. Eugène Ionesco, S.33 Werkstatistik 1956/57. IV. Schauspiel-Werke. Auf den Bühnen der Bundesrepublik und Westberlins, der DDR, Österreichs und der Schweiz, in: Zft54, H.15/1957 (= Dezember 1957), Eintr. Eugène Ionesco, S.289 Werkstatistik 1957/58. II. Schauspiel-Werke. Mit fünfzig und mehr Aufführungen auf den deutschsprachigen Bühnen, in: Zft54, H.11/1958 (= November 1958), Eintr. Die Stühle, S.206 Werkstatistik 1957/58. IV. Schauspiel-Werke. Auf den Bühnen der Bundesrepublik und Westberlins, der DDR, Österreichs und der Schweiz, in: Zft54, H.12/1958 (= Dezember 1958), Eintr. Eugène Ionesco, S.227

—: An Hermann Herrey, 26.6.1959, Av22 Rückschau auf die Spielzeit 1957/58, in: Tribüne (= Programm­zeitschrift des Theaters Tribüne in Berlin), H.24/1958 (= September 1958), (o.S.) S.10f, Av33 Tovote, Hans-Georg: Antwort auf die Klage, Schriftsatz in der Sache Hermann Herrey gegen Frank Lothar, Schreiben an das Arbeitsgericht Berlin, 23.9.1960, Av22 Tribüne Berlin (Hg.): Luigi Pirandello »Das Diplom«, Arthur Adamov »Wir sind wie wir waren«, Eugène Ionesco »Die Stühle«, Programmzettel, Berlin 1957, Av33 —: Jean Genet »Die Zofen« und Eugène Ionesco »Jacques oder Der Gehorsam«, Programmfaltblatt, Berlin 1958, Av33 —: Wolfgang Hildesheimer »Landschaft mit Figuren«, Programmzettel, Berlin 1959, Av3 Wanderscheck, Hermann: Wir haben keine zornigen Dramatiker, in: Tribüne (= Programmzeitschrift des Theaters Tribüne in Berlin), H.27/1959 (= September 1959), (o.S.) S.4ff, Av3

Werkstatistik 1958/59. II. Schauspiel-Werke. Mit fünfzig und mehr Aufführungen auf den deutschsprachigen Bühnen, in: Zft54, H.11/1959 (= November 1959), Eintr. Die Stühle, S.206

Westerman, Gerhart von: An Hermann Herrey, 20.10.1959, Av22

Werkstatistik 1958/59. IV. Schauspiel-Werke. Auf den Bühnen der Bundesrepublik und Westberlins, der DDR, Österreichs und der Schweiz, in: Zft54, H.12/1959 (= Dezember 1959), Eintr. Eugène Ionesco, S.227

21.1 Primärliteratur

Werkstatistik 1959/60. IV. Schauspiel-Werke. Auf den deutschsprachigen Bühnen, in: Zft54, H.12/1960 (= Dezember 1960), Eintr. Eugène Ionesco, S.227

Anonym: Theaterbauten in aller Welt, in: Zng55, 3.8.1950, S.3 —: Das Parktheater in Grenchen, Schweiz, in: Zft25, H.6/1958 (= Juni 1958), S.315ff —: Konzert-Haus in Lahti, Finnland, in: Zft25, H.6/1958 (= Juni 1958), S.318ff

Werkstatistik 1960/61. IV. Schauspiel-Werke. Auf den deutschsprachigen Bühnen, in: Zft54, H.12/1961 (= Dezember 1961), Eintr. Eugène Ionesco, S.227

—: Weberbach mit zwei großen Baustellen. Der Neubau des Verwaltungsgebäudes der Stadtwerke. Baubeginn des Stadttheaters möglich, in: Zng101, 17.2.1960, o.S.

Reding, Josef: Chronisten des Ruhrgebiets. Albert Schulze Vellinghausen, Helmuth de Haas, Friedhelm Baukloh, in: Ders.: Der Mensch im Revier. Essays, Köln 1988, Absch. Albert Schulze Vellinghausen, S.122ff

Zehder, Hugo: Katerstimmung der IV. Republik. Zu den Arbeiten Bernard Buffets in der Maison de France, in: Zng104, 2.10.1958, Berliner Ausgabe, S.5

—: Ergebnis des Wettbewerbes für das neue Theater. Kein 1. Preis verliehen. Zwei Entwürfe mit zweiten Preisen bedacht. Architekten aus München und Dortmund mit den höchsten Noten bewertet, in: Zng101, 27./28.2.1960, o.S.

Reichhardt, Hans J. (u.a.Hg.): 25 Jahre Theater in Berlin. Theaterpremieren 1945–1970, Berlin 1972, Eintr.e »Die Stühle«, S.305, »Die Zofen« und »Jacques oder Der Gehorsam«, S.305, »Landschaft mit Figuren«, S.306

20.3 Archivalien

—: Ausstellung der Pläne und Modelle für das Trierer Theater. Wie soll das neue Stadttheater von Trier aussehen?, in: Zng101, 3.3.1960, o.S.

Allgayer, Wilhelm: An Hermann Herrey, 11.6.1959, Av22 —: An Hermann Herrey, 19.6.1959, Av22 Berliner Festwochen: An Hermann Herrey, 10.9.1959, Av22

342

—: Stadtrat trifft Entscheidung über Theaterbau. Plenum soll den Entwurf unter den Preisträgern auswählen, der verwirklicht werden soll, in: Zng101, 3.3.1960, o.S.

—: Elf Modelle deutscher Architekten zum Theater-Wettbewerb, in: Zng101, 3.3.1960, o.S. —: Ein Theater von Großstadtformat. Entwurf des von der Stadt zum Wettbewerb eingeladenen Kölner Architekten Prof. Dr. Riphahn, in: Zng101, 5./6.3.1960, o.S. —: Vier Entwürfe Trierer Architekten zum Neubau des Stadttheaters, in: Zng101, 5./6.3.1960, o.S. —: Der Bauplatz für das neue Stadttheater. Die Umgebung des Geländes, auf dem der stattliche Neubau errichtet werden soll, in: Zng101, 18.3.1960, o.S.

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Biografisches Fritz Bornemann, in: Schindler, Susanne (Hg.): Inszenierte Moderne. Zur Architektur von Fritz Bornemann, Berlin 2003, S.175

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Bourrée, Manfred, Richters, Christian: Das Ruhrgebiet. Architektur nach 1945, Essen 1996, Absch. Schauspielhaus Bochum, S.54f

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Bühnentechnische Tagung 1950 (= Tagungsprogramm mit Hinweis auf die Ausstellung »Theaterarchitektur« in der Maison de France Berlin), in: Zft38, H.3/1950 (= Juni 1950), S.8f

—: Die Kaiserthermen sind anspruchsvolle Nachbarn. Das neue Theater in Trier, in: Zng3, 4.8.1960, (o.S.) S.6

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Wettbewerbe, in: Zft30, H.12/1960 (= 21.3.1960), S.340 Wettbewerbe, in: Zft51, H.5/1960 (= Mai 1960), S.518 Wettbewerbsausschreiben Stadttheater Trier, in: Zft33, H.10/1959 (= Oktober 1959), S.421 Wettbewerbsentscheidung zum Neubau des Stadttheaters in Trier, in: Zft51, H.9/1960 (= September 1960), S.1162, S.1164, S.1166 Z. (= Hans-Josef Zechlin): Das Einraumtheater. Ein Vorschlag von Architekt Leo Einzig, Berlin, in: Zft103, H.41/1951 (= 8.10.1951), S.672 Zenz, Emil: Wie es zum Neubau des Trierer Stadttheaters kam, in: Stadtverwaltung Trier (Hg.): Theater der Stadt Trier. Festschrift zur Eröffnung des neuen Hauses am 27. September 1964, Trier 1964, (o.S.) S.15ff

21.2 Sekundärliteratur Anonym: Der Wiederaufbau des Bochumer Stadttheaters. Architekt Gerhard Graubner, Hannover, in: Zft28, H.7/1954 (= Juli 1954), S.417ff, S.449, Tafeln 55 bis 60 —: Ringsum Bühne (= Art. über Raimund von Doblhoffs Theater mit Drehparkett), in: Zng88, H.10/1959 (= 4.3.1959), S.68 —: Theater Gelsenkirchen. Vorgeschichte, Daten, in: Zft52, H.12/1960 (= Dezember 1960), S.664 Architektur Wettbewerbe. Schriftenreihe für richtungweisendes Bauen, H. 25 Theater und Konzerthäuser, Stuttgart (o.J.) 1958 Architektur Wettbewerbe. Schriftenreihe für richtungweisendes Bauen, H. 29 Die Internationalen Theaterwettbewerbe Düsseldorf und Essen, Stuttgart (o.J.) 1960 Bigler-Marschall, Ingrid: Hans Curjel, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Zürich 2005, Bd.1 A-G, S.423. Auch unter: tls.theaterwissenschaft.ch/wiki/Hans_Curjel

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Rühle, Günther: Theater in Deutschland. 1945–1966. Seine Ereignisse – seine Menschen, Frankfurt am Main 2014, Absch. Piscator eröffnet ein Haus, S.661ff, S.1293

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Schubert, Hannelore: Theater-Neubauten in Gelsenkirchen, in: Zft52, H.12/1960 (= Dezember 1960), S.665ff

Brendemühl, Rudolf: Das ging ins Auge! Verpatzter »Macbeth« am Kurfürstendamm, in: Zng63, 10.5.1960, Zweite Ausgabe, S.5

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Brinkmann, Karl: Bühnenbericht 1960, in: Heuer, Hermann (Hg.): Shakespeare Jahrbuch, Bd.97/1961, Heidelberg 1961, S.211ff

Sellner, Gustav Rudolf, Wien, Werner: Theatralische Landschaft, Bremen 1962

Corten, H.W.: Nachfolger gesucht! Volksbühne, Hochschule für Musik, Philharmoniker und Radiosymphoniker warten noch immer auf neue Kräfte, in: Zng107, 29.3.1959, Berliner Ausgabe, S.21

Stadt Gelsenkirchen Städtisches Museum (Hg.): Gelsenkirchener Barock, Ausstellungskatalog, Heidelberg 1991 Stempl, Markus: »Nicht auf dem Boden, sondern in der Luft«. Drei exemplarische Raumstadt-Projekte, in: Ley, Sabrina van der, Richter, Markus (Hg.): Megastructure Reloaded. Visionäre Stadtentwürfe der Sechziger Jahre. Reflektiert von zeitgenössischen Künstlern, Ausstellungskatalog, Ostfildern 2008, Absch. Eckhard SchulzeFielitz, S.169f, S.173f, S.180ff

DPA (= Deutsche Presse-Agentur): Berliner Kritikerpreise, in: Zng39, 17.8.1959, S.10 dpa (= Deutsche Presse-Agentur): Beifall für Noelte, in: Zng16, 26.1.1960, S.7 —: Hermann Herrey inszeniert im Theater am Kurfürstendamm, in: Zng96, 3.3.1960, S.4

Storck, Gerhard: Probleme des modernen Bauens – Und die Theaterarchitektur des 20. Jahrhunderts in Deutschland, Phil. Diss., Bonn 1971, Kap.VI Die Theaterbauten nach 1945, S.249ff, S.645ff, Kap.IX Katalog der untersuchten Theaterneubauten nach 1945, S.665ff

—: Auch das ist wichtig. Hermann Herrey, in: Zng16, 4.3.1960, S.12

Teut, Anna: Des Bürgers Stolz in Glanz und Pomp. Das deutsche Wunder nahm sich auch des Theaterbaus liebevoll an, in: Zng104, 24.12.1969, Beilage Theater in Deutschland Eine Dokumentation, S.9

Fabian, Hans: Entscheidung für den Geist. Rudolf Noelte geht ans Volksbühnen-Theater am Kurfürstendamm, in: Zft139, H.5/1959 (= Mai 1959), S.15

Westecker, Wilhelm: Die Wiedergeburt der deutschen Städte, Düsseldorf und Wien 1962, Absch. Amphitheater der Weltgeschichte, Trier gestern römische Weltstadt, heute deutsche Weinstadt, S.25ff

—: Zwei Millionen Besucher. Zehn Jahre Theater der Schulen in Berlin, in: Zft139, H.9/1959 (= September 1959), S.14f

Wezel, Wolfdietrich: Das subventionierte öffentliche Theater. Seine Struktur und seine Problematik, Phil. Diss., München 1964, S.133f, S.135 Wimmer, Franz: Freies Theater in Bewegung. Konzeption des »Drehparkett-Theaters« 1958–1960, in: Nerdinger, Winfried (Hg.): Raimund von Doblhoff 1914–1993. Architekt zwischen Rekonstruktion und Innovation, Berlin 2009, S.99ff Zahn, Eberhard: Trier, Mit Aufnahmen von Michael Jeiter, München und Berlin 1976

21.3 Archivalien Herrey, Hermann: Termin- und Notizbuch 1956, Av33 —: Termin- und Notizbuch 1959, Av33 —: An das Städtische Hochbauamt Düsseldorf, 3.6.1959, Av22 —: An die Stadtverwaltung Trier, 20.6.1959, Av22 —: An die Stadtverwaltung Trier Hochbauamt, 13.9.1959, Av22 —: Stadttheater in Trier. Entwurf 070707. Erläuterungsbericht, Typoskript, (o.D.) Januar 1960, Av22 —: An die Stadtverwaltung Trier Hochbauamt, 3.3.1960, Av22

—: »Macbeth« nur bis Mitte Juni, in: Zng97, 24.5.1960, S.10 e: Mit dem Berliner Volksbühnentheater in London, in: Zft139, H.7/8/1957 (= Juli/August 1957), S.26f

Fambach, Dagmar (u.a.A.): Kritische Nachlese. Zum Ausgang der Spielzeit, in: Zft36, H.6/1959 (= Juni 1959), Stellungnahme Hermann Herrey, S.170f Fehling, Dora: Zu gut, um bös zu sein. »Macbeth« im Kurfürstendamm-Theater, in: Zng97, 10.5.1960, S.11 G., R.: Shakespeare auf der Treppe. »Macbeth« im Theater am Kurfürstendamm, in: Zng87, 10.5.1960, S.4 Herrey, Hermann: Shakespeare-Interpretation auf der Bühne, in: Heuer, Hermann (Hg.): Shakespeare Jahrbuch, Bd.93/1957, Heidelberg 1957, S.114ff

—: Es gibt nur den Fall Freie Volksbühne. Der Weg zu einer gründlichen Reform muß freigelegt werden, in: Zng16, 23.1.1960, S.7 —: Wohin geht die Berliner »Freie Volksbühne«? Herreys »Macbeth«-Inszenierung als Opfer der Auseinandersetzungen, in: Zng59, 20.5.1960, (o.S.) S.4 H.Ko. (= Hellmut Kotschenreuther): Komödie um die Volksbühne. Verteidigung Rudolf Noeltes in Berlin, in: Zng72, 21./22.5.1960, S.19 DK (= Der Kurier): Herrey bei der Volksbühne, in: Zng55, 2.3.1960, Berliner Ausgabe, S.4 ft (= Friedrich Luft): Theatersorgen – Sorgen um das Theater. Die Organisation der Volksbühne sollte gründlich revidiert werden, in: Zng104, 14.6.1957, Berliner Ausgabe, S.7 Luft, Friedrich: Privattheater mit Ambitionen haben keine Chancen mehr. Warum verläßt Professor Schuh Berlin?, in: Zng104, 28.10.1957, Berliner Ausgabe, S.5 F.L. (= Friedrich Luft): Leonard Steckel zurückgetreten, in: Zng104, 21.2.1959, Berliner Ausgabe, S.5 Luft, Friedrich: Theater unter Ausschluß der Öffentlichkeit? Man sollte sich Sorgen machen. Die Interessiertesten verlieren das Interesse, in: Zng104, 12.11.1959, Berliner Ausgabe, S.6 F.L. (= Friedrich Luft): Davongejagt (= Kommentar zur Entlassung Rudolf Noeltes), in: Zng104, 21.1.1960, Berliner Ausgabe, S.5 Luft, Friedrich: Der fristlos entlassene Intendant. Rudolf Noelte und die Berliner Volksbühne, in: Zng90, 22.1.1960, Fernausgabe, S.9 —: Zwischen Schwank und Trauerspiel. Theater in Berlin, in: Zng90, 17.2.1960, Fernausgabe, S.13 —: »Macbeth« auf dem Treppenabsatz. Vergeudeter Shakespeare im Theater am Kurfürstendamm, in: Zng104, 9.5.1960, Berliner Ausgabe, S.5 F.L. (= Friedrich Luft): Fünf Monate hat es gedauert. Endlich Volksbühnenintendant gefunden. Günter Skopnik aus Frankfurt, in: Zng104, 28.5.1960, Berliner Ausgabe, S.5 Mando (= Ernst Mandowski): Kleines Mando-Mosaik, in: Zng20, 19.4.1960, S.11 —: Das war Pech! Macbeth störte nur, in: Zng20, 9.5.1960, S.10 Mogge, Wilhelm: Am künstlerischen Nullpunkt. Shakespeares »Macbeth« im Theater am Kurfürstendamm, in: Zng95, 10.5.1960, S.5 Nestriepke, Siegfried: Neues Beginnen. Die Geschichte der Freien Volksbühne Berlin 1946 bis 1955, Berlin-Grunewald 1956 S.N. (= Siegfried Nestriepke): Abstecher nach London, in: Zft36, H.1/1957 (= August 1957), S.13ff —: Zum Direktionswechsel des Theaters am Kurfürstendamm, in: Zft139, H.1/1958 (= Januar 1958), S.10f Nestriepke, Siegfried: Friedrich Luft und der »Individualbesucher« (= Antwort auf Friedrich Lufts Art. »Theater unter Ausschluß der Öffentlichkeit?«), in: Zft36, H.3/1959 (= Dezember 1959), S.66ff S.N. (= Siegfried Nestriepke): Der »Fall Noelte«, in: Zft36, H.4/1960 (= Februar 1960), S.105ff —: Noch einmal. Der »Fall Noelte«, in: Zft36, H.5/1960 (= April 1960), S.130ff

Hull: Die Tragödie hinter den Kulissen. Zu dem Skandal bei der Freien Volksbühne, in: Zng16, 22.1.1960, S.9

O. (= Walther G. Oschilewski): Die Rechnung geht nicht auf. Um den Rücktritt Leonard Steckels, in: Zft139, H.3/1959 (= März 1959), S.14

Ihering, Herbert: Selbstmord der Freien Volksbühne, in: Zng6, Dritte Mai-Ausgabe 1960, S.13

Oschilewski, Walther G.: Die Volksbühne im eigenen Haus. Zehn Jahre Theater am Kurfürstendamm, in: Zft139, H.10/1959 (= Oktober 1959), S.15f

—: Abschied von der Spielzeit, in: Zng6, Vierte Juni-Ausgabe 1960, S.13 Jacobi, Johannes: Der Fall Rudolf Noelte. Ein großer Regisseur braucht kein großer Intendant zu sein, in: Zng110, 29.1.1960, S.6

Niederschrift über die Sitzung des Preisgerichtes zur Beurteilung des Bauwettbewerbs »Stadttheater Trier«, Typoskript, Februar 1960, Av22

Karsch, Walther: Ein Nachthemd, acht Flaschen Walportzheimer und ein trauriger Trick. Rudolf Noelte zu seiner »fristlosen Entlassung« durch die Freie Volksbühne, in: Zng96, 23.1.1960, S.4

Stadtverwaltung Trier: An Hermann Herrey, 13.6.1959, Av22

—: Wohin rollst du, Volksbühne? Hermann Herreys »Macbeth«Inszenierung im Theater am Kurfürstendamm, in: Zng96, 11.5.1960, S.4

—: An Hermann Herrey, 10.11.1959, Av22

Kotschenreuther, Hellmut: Kann er Steckels Nachfolger sein? Gilt als aussichtsreicher Kandidat. Hermann Herrey, in: Zng16, 18.3.1959, S.11

—: Noch immer »Fall Noelte«, in: Zft36, H.6/1960 (= Juni 1960), S.174

W.K. (= Walther Karsch): Zum Thema Volksbühne, in: Zng96, 21.1.1960, S.1

Stadtverwaltung Trier Hochbauamt: An Hermann Herrey, 10.8.1959, Av22

H.K. (= Heinz Köster): Hausverbot für Noelte. Volksbühne teilte mit, in: Zng16, 21.1.1960, S.8

—: Shakespeare auf der Bühne. Vortrag anläßlich der VI. Dramaturgentagung am 23. Oktober 1958 in München, in: Dramaturgische Gesellschaft e. V. (Hg.): Jahresband 1958. II. Teil, Unveröffentlichtes Typoskript, (o.O.) Berlin (o.J.) 1959, S.37ff

—: An Herrn und Frau Leitl, 18.12.1960, Av22

—: Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für den Neubau eines Stadttheaters in Trier, Typoskript, (o.D.) Juli 1959, Av22

Kaul, Walter: »Macbeth« mit Mummenschanz. Klassiker-Debacle im Theater am Kurfürstendamm, in: Zng55, 9.5.1960, Berliner Ausgabe, S.6

W.K. (= Walther Karsch): Volksbühnen-Interregnum beendet. Skopnik wird Intendant des Theaters am Kurfürstendamm, in: Zng96, 28.5.1960, S.4

—: »Macbeth« macht dem »Mädchen vom Lande« Platz, in: Zft36, H.6/1960 (= Juni 1960), S.175f, Fotos nach S.176

—: Rudolf Noelte und die FVB Berlin. Aber es wird weitergehen, in: Zft139, H.2/1960 (= Februar 1960), S.14f W.G.O. (= Walther G. Oschilewski): Appell zum Boykott. Willy H. Thiem will »ein Exempel statuieren«, in: Zft139, H.3/1960 (= März 1960), S.16 O. (= Walther G. Oschilewski): Der Fall Noelte – zweiter Akt, in: Zft139, H.4/1960 (= April 1960), S.15 w.g.o. (= Walther G. Oschilewski): Der neue Mann, in: Zng97, 28.5.1960, S.10 Oschilewski, Walther G.: Zehn Jahre Theater am Kurfürstendamm. Das Haus der Freien Volksbühne Berlin 1949/1959, Berlin-Grunewald 1960 —: Freie Volksbühne Berlin, Berlin Gestalt und Geist Bd.6, Berlin 1965, Absch. Neues Beginnen, S.40ff

—: An Hermann Herrey, 4.3.1960, Av22

Karsch, Walther, Vorstand der Freien Volksbühne Berlin: Herr Karsch und die FVB. Im Streit der Meinungen, in: Zft36, H.5/1957 (= Mai/Juni 1957), S.137ff

Otte, Paul Alfred: Die Funktionäre wursteln weiter. Treibt das Kurfürstendamm-Theater dem Ruin entgegen?, in: Zng22, 2.3.1960, Berliner Ausgabe, S.4

22.1 Primärliteratur

W.K. (= Walter Kaul): Zahlen gegen Illusionen – Kassette stimmt. Volksbühnen-Apparat siegte, in: Zng55, 21.1.1960, Berliner Ausgabe, S.4

—: Macbeth – Marke Eigenbau. Im Theater am Kurfürstendamm, in: Zng22, 9.5.1960, Berliner Ausgabe, S.4

DA (= Der Abend): Hermann Herrey, in: Zng2, 2.3.1960, (o.S.) S.3

344

P., F.: Rudolf Noelte fristlos entlassen. Die Stellungnahme der Freien Volksbühne, in: Zng96, 21.1.1960, S.4

Pfeiffer, Herbert: Halbmast weht über der Walstatt. Hermann Herreys katastrophale »Macbeth«-Inszenierung im Theater am Kurfürstendamm, in: Zng16, 10.5.1960, S.9 R., F.: Lorbeer für Johnson, Noelte, Baumgarten. Festliche Verleihung der Berliner Kunstpreise im Schöneberger Rathaus, in: Zng96, 19.3.1960, S.4 —: Nicht sehr zu beneiden. Dr. Skopnik Nachfolger Noeltes, in: Zng16, 28.5.1960, S.9 Reinking, Wilhelm: Spiel und Form. Werkstattbericht eines Bühnenbildners zum Gestaltwandel der Szene in den zwanziger und dreißiger Jahren, Hamburg 1979, Absch. Das Theater am Kurfürstendamm, S.235ff Ritter, Heinz: Rudolf Noelte, in: Zft36, H.1/1959 (= August 1959), S.11f —: Der »Fall Noelte«. Tragik des kleinen Einmaleins, in: Zng2, 21.1.1960, (o.S.) S.3 —: Noelte hatte keine Chance! Das Nachthemd und der »Walporzheimer«. Die Schlüsselfigur ist Dr. Nestriepke, in: Zng2, 23.1.1960, (o.S.) S.5 —: Macbeth. Theater am Kurfürstendamm, in: Zng2, 9.5.1960, (o.S.) S.5

Brandt, Willy: Er bewahrte Unabhängigkeit. Walther G. Oschilewski zum 80. Geburtstag am 22. Juli, in: Zng102, 19.7.1984, S.22 Braun, Hanns: Der Prozeß Jesu auf dem Theater. EröffnungsPremiere des neuen Theaters an der Brienner Straße, in: Zng90, 20.2.1959, Fernausgabe, S.7 —: Korczak und die Kinder. Das Zeitstück von Erwin Sylvanus im Theater der Zeit, in: Zng90, 6./7.2.1960, Fernausgabe, S.6 Brecht, Bertolt: Die Dialektik auf dem Theater, in: Hecht, Werner (u.a.Hg.): Bertolt Brecht Werke. Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe, Bd.23 Schriften 3, Berlin (u.a.O.) 1993, S.395, S.603f Bühnenschriften-Vertriebs-GmbH der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehörigen (Hg.): Deutsches Bühnen-Jahrbuch. Theatergeschichtliches Jahr- und Adreßbuch. Theater Film Rundfunk, 68. Jahrgang 1960, Spielzeit 1959/1960, Berlin 1959, Eintr.e Freie Volksbühne e. V. Berlin, S.129, Deutscher Bühnen-Klub Berlin, S.144, Schiller-Theater, S.160, Theater am Kurfürstendamm, S.166 —: Deutsches Bühnen-Jahrbuch. Theatergeschichtliches Jahr- und Adreßbuch. Theater Film Rundfunk Fernsehen, 69. Jahrgang 1961, Spielzeit 1960/1961, Berlin 1960, Eintr. Freie Volksbühne e. V. Berlin, S.134

—: Die Theorie der Rezeption. Rückschau auf ihre unerkannte Vorgeschichte. Abschiedsvorlesung von Hans Robert Jauß am 11. Februar 1987 anläßlich seiner Emeritierung, Konstanzer Universitätsreden 166, Konstanz 1987 Karsch, Walther: Sinnbild der Verstrickung. »Macbeth« im HebbelTheater, in: Zng96, 4.10.1945, S.3. Unter dem Titel »W. Shakespeare. Macbeth« auch in: Ders.: Was war – was blieb. Berliner Theater 1945/46, Berlin 1947, S.15f. Gekürzt auch in: Ders.: Wort und Spiel. Aus der Chronik eines Theaterkritikers 1945–1962, Berlin 1962, S.73f —: Berlin in Recklinghausen. Ruhrfestspiele im Zeichen der deutschen Hauptstadt. Heinrich Kochs »Macbeth«-Inszenierung, in: Zng96, 16.6.1960, S.4. Gekürzt auch in: Ders.: Wort und Spiel. Aus der Chronik eines Theaterkritikers 1945–1962, Berlin 1962, S.74ff Keisch, Henryk: »Macbeth« an der Volksbühne Berlin, in: Zng68, 10.9.1959, (o.S.) S.4 Kessler, Sinah: Vittorio Gassmans Kampf um das italienische Theater und seine Inszenierung von Manzonis »Adelchi«, in: Zft134, H.3/1960 (= November 1960), S.34f Kiaulehn, Walther: Diego Fabbris Schau-Prozeß. Theater-Auftakt in der Brienner Straße, in: Zng61, 20.2.1959, S.5

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Habel, Walter (Hg.): Wer ist wer? Das deutsche Who‘s Who, XIV. Ausgabe von Degeners Wer ist‘s?, Bd.1 Bundesrepublik Deutschland und Westberlin, Berlin-Grunewald 1963, Eintr.e Rudolf Brendemühl, S.165, Dora Fehling, S.332, Felix Henseleit, S.569, Johannes Jacobi, S.662, Walther Karsch, S.712, Hermann Ludwig, S.934, Friedrich Luft, S.942, Siegfried Melchinger, S.993f, Siegfried Nestriepke, S.1083, Walther G. Oschilewski, S.1125f, Herbert Pfeiffer, S.1157, Hermann Wanderscheck, S.1656, Georg Zivier, S.1769

J.M. (= Johanna Muschelknautz): Rudolf Noelte, der einsame Meister bürgerlicher Endspiele, in: Rischbieter, Henning (Hg.): Durch den Eisernen Vorhang. Theater im geteilten Deutschland 1945 bis 1990, Ausstellungskatalog, Berlin 1999, S.163ff Oschilewski, Walther G.: Grand old man der Volksbühne. Weggefährte Siegfried Nestriepke, in: Ders.: Lebensspuren. Begegnungen Freundschaften Erinnerungen, Berlin-Grunewald 1964, S.42ff

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Patocka, Ralph-Günther: Oscar Fritz Schuh, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hg.): Neue Deutsche Biographie, Bd.23 Schinzel - Schwarz, Berlin 2007, S.672ff

Hensel, Georg: Die Treppe als dramaturgisches Moment, in: Zft48, H.9/1983 (= September 1983), S.34ff

Pollatschek, Walther: Unbefriedigender »Macbeth«. Zur Neuinszenierung der Shakespeare-Tragödie in der Volksbühne, in: Zng19, 8.9.1959, (o.S.) S.3

Thiem, Willy H.: Auf dem Rücken der Pferde. Zur Problematik der Noelte-Nachfolge, in: Zng3, 8.2.1960, (o.S.) S.6 Vorstand der Freien Volksbühne Berlin: Der Vorstand antwortet Herrn Luft. Im Streit der Meinungen, in: Zft36, H.5/1959 (= April 1959), S.140ff

H.W. (= Hermann Wanderscheck): Wagnis mit »Macbeth«, in: Zng16, 21.4.1960, S.11 Wanderscheck, Hermann: Der neue »Macbeth« war eine Zumutung. Shakespeare-Premiere am Kurfürstendamm, in: Zng3, 12.5.1960, (o.S.) S.6 Zivier, Georg: Muß es eigentlich ein Regisseur sein? Noch einmal zur Frage des Volksbühnen-Intendanten, in: Zng16, 21.3.1959, S.8

22.2 Sekundärliteratur Anonym: Acht zu fünf für Ostberlin (= Art. über die Lage der Freien Volksbühne Berlin), in: Zng88, H.19/1955 (= 4.5.1955), S.38 —: Walter Bornemann 70 Jahre alt, in: Zng55, 18.5.1956, S.4 —: Premieren von heute. Theater der Zeit. Korczak und die Kinder, in: Zng90, 4.2.1960, Fernausgabe, S.11 —: Zum Tode von Walther Karsch, in: Zng96, 17.10.1975, S.2 Arndt, Adolf: (o.T.) Rede im Verlauf der 194. Sitzung des Deutschen Bundestages am 20.2.1952, gehalten anlässlich der dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für die im Ausland lebenden Angehörigen des öffentlichen Dienstes, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestages. 1. Wahlperiode 1949. Stenographische Berichte, Bd.10, Bonn 1952, S.8354ff Aufricht, Ernst Josef: Erzähle, damit du dein Recht erweist, Berlin 1966, S.135 Aufrichtig, Hans: Wandertheater mit dreitausend Plätzen. Experiment in Italien. Vittorio Gassman will die Kunst zum Volke tragen, in: Zng104, 18.3.1960, Berliner Ausgabe, S.7 Aybar, Bianka: Karl Hans Bergmann, in: Mielke, Siegfried (Hg.): Gewerkschafter in den Konzentrationslagern Oranienburg und Sachsenhausen. Biographisches Handbuch, Bd.3, Berlin 2005, S.246ff Beck, Anna, Gojan, Simone: Leonard Steckel, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Bd.3 R-Z, Zürich 2005, S.1737f. Auch unter: tls.theaterwissenschaft.ch/wiki/Leonard_Steckel Berger, Karl Heinz (u.a.Hg.): Schauspielführer. In drei Bänden, Bd.II Deutsche Dramatik, Berlin 1963, Absch.e Claus Hubalek, S.566ff, Der Hauptmann und sein Held, S.568ff, Gert Weymann, S.573f, Generationen, S.575f

Hering, Gerhard F. (Hg.): Alfred Kerr. Die Welt im Drama, Köln und Berlin 1954, S.574ff Hocke, Gustav René: Theaterpremiere im Zirkuszelt. Vittorio Gassman eröffnet seine Wanderbühne, in: Zng90, 7.3.1960, Fernausgabe, S.9 K.Hö. (= Kirsten Hölterhoff): Brända Tomten, Die Brandstätte, in: Jens, Walter (Hg.): Kindlers Neues Literaturlexikon, Bd.16 St-Va, München 1991, S.82ff Hoffmann-Allenspach, Tobias: Hans Rudolf Linder, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Bd.2 H-Q, Zürich 2005, S.1113f. Auch unter: tls.theaterwissenschaft.ch/wiki/Hans_Rudolf_Linder

Posener, Julius: Fast so alt wie das Jahrhundert, Berlin 1990, Kap. Wieder in Berlin, S.295ff Preuß, Joachim Werner: Theater im ost-west-politischen Umfeld. Nahtstelle Berlin 1945–1961, München 2004, S.107, S.679 Reichhardt, Hans J. (u.a.Hg.): 25 Jahre Theater in Berlin. Theaterpremieren 1945–1970, Berlin 1972, Eintr. »Macbeth« Premiere 5.9.1959, S.213, Absch. Freie Volksbühne, S.221ff, Eintr.e »Macbeth« Premiere 7.5.1960, S.231, »Macbeth« Premiere 2.10.1945, S.264

Huggett, Richard: The Curse of Macbeth. And other Theatrical Superstitions. An Investigation, Chippenham 1981, S.209

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Jaesrich, Hellmut: Zwei Plätze im Parkett. Über Fug und Unfug der Subventionen, in: Zft94, H.78/1955 (= März 1955), S.552f

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P.J. / H.R. (= Peter Jammerthal, Henning Rischbieter): Gustaf Gründgens, Theater-Repräsentant der Adenauerzeit 1946–1963, in: Rischbieter, Henning (Hg.): Durch den Eisernen Vorhang. Theater im geteilten Deutschland 1945 bis 1990, Ausstellungskatalog, Berlin 1999, Absch.e »Werktreue« statt »Originalitätssucht«, S.27f, »Schmutzwasser von nebenan« aus dem »Krug der Kunst« fernhalten, Das »Düseldorfer Manifest«, S.28f

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Jauß, Hans Robert: Literaturgeschichte als Provokation der Literaturwissenschaft, Konstanzer Universitätsreden 3, Konstanz 1967

345

—: Theater in Deutschland. 1945–1966. Seine Ereignisse – seine Menschen, Frankfurt am Main 2014, Absch.e Ein Haus am Kurfürstendamm, S.302f, Volksbühne West: Karchow, S.347ff, Wer will an den Kurfürstendamm?, S.452f, Licht am Kurfürstendamm, S.478f, Das »Geistige Theater«, S.588ff, Schuhs beste Jahre, S.611ff, Ein festes Haus bebt, S.779f, Ein Retter kommt und fällt, S.780ff, Noeltes Pyrrhussieg, S.784f, S.1248, S.1254, S.1267, S.1272, S.1285, S.1288, S.1307f K.G. Saur Verlag (Hg.): Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker, Bd.13 Bordalejo - Braun, München und Leipzig 1996, Eintr. Walter Bornemann, S.80 Schön, Gerhard: »Macbeth« als Heroendrama. Heinrich Kochs Inszenierung eröffnet die Ruhrfestspiele, in: Zng90, 8.6.1960, Fernausgabe, S.13

Aktennotiz zur Sitzung des Geschäftsführenden Vorstandes der Freien Volksbühne Berlin am 22. Februar 1960, Typoskript, (o.D.) Februar 1960, Av38

Niederschrift über die Sitzung des Geschäftsführenden Vorstandes der Freien Volksbühne Berlin am 19. März 1960, Typoskript, (o.D.) März 1960, Av38

Aktennotiz zur Sitzung des Geschäftsführenden Vorstandes der Freien Volksbühne Berlin am 3. März 1960, Typoskript, (o.D.) März 1960, Av38

Niederschrift über die Sitzung des Geschäftsführenden Vorstandes der Freien Volksbühne Berlin am 30. März 1960, Typoskript, (o.D.) März oder April 1960, Av38

Aktennotiz zur Sitzung des Geschäftsführenden Vorstandes der Freien Volksbühne Berlin am 19. März 1960, Typoskript, (o.D.) März 1960, Av38

Niederschrift über die Sitzung des Geschäftsführenden Vorstandes der Freien Volksbühne Berlin am 8. April 1960, Typoskript, (o.D.) April 1960, Av38

Anonym (= Walter Paproth), Aktennotiz, Typoskript, (o.D.) 31.3.1960, Av2

Niederschrift über die Sitzung des Geschäftsführenden Vorstandes der Freien Volksbühne Berlin am 4. Mai 1960, Typoskript, (o.D.) Mai 1960, Av38

Barfuß, Grischa: An Hermann Herrey, 28.8.1959, Av22 —: An Hermann Herrey, 31.3.1960, Av22

Schorlies, Walter-Jürgen: Der Schauspieler, Regisseur, szenische Bühnenbauer und Theaterleiter Karl Heinz Martin. Versuch einer Biographie, Phil. Diss., Köln 1971, S.313ff, Anmerkungen, S.158f

Dramaturgische Gesellschaft e. V. Berlin (Hg.): Sechste Dramaturgentagung 1958 München, Tagungsprogramm, Faltblatt, München 1958, Av22

Schuberth, Ottmar: Das Bühnenbild. Geschichte Gestalt Technik, München 1955, Abb. Hermann Zweigenthal Bühnenbild »Macbeth« 1925, S.220

Engel, Erich: Schreiben zur Empfehlung von Hermann Zweigenthal, (o.D.) 1925 oder 1926, Av22

Schuder, Werner (Hg.): Kürschners Deutscher Literatur-Kalender 1958, Berlin 1958, Eintr.e Richard Flatter, S.174, Walter Josten, S.332 Schuh, Oscar Fritz: So war es – war es so? Notizen und Erinnerungen eines Theatermannes, Berlin (u.a.O.) 1980, S.132ff Schulze-Reimpell, Werner (Hg.): »Schlagt ihn tot den Hund«. Fragen und Antworten zur Kritik in der Erlebnisgesellschaft, Hamburg 2000, Absch.e Verband der Deutschen Kritiker e. V., S.91, Liste der Preisträger des Kritikerpreises 1951–1999, S.92ff ASV (= Albert Schulze Vellinghausen): Ruhrfestspiel vor dem Staatsoberhaupt. Shakespeares »Macbeth« in Recklinghausen, in: Zng39, 7.6.1960, S.16 Siedler, Wolf Jobst: Wir waren noch einmal davongekommen. Erinnerungen, München 2004, S.100f Später, Jörg: Sprache des Schweigens. Eine Tagung untersucht die schwierige Rückkehr der Juden, in: Zng90, 28.11.2006, S.16

Freie Volksbühne e. V. 1. Gesamtvorstand 2. Geschäftsführer 3. Die Vorsitzenden der Bezirksgruppen, in: Freie Volksbühne e. V. (Hg.): Tageszeit-Kalender 1960, S.2, Av38 Fromm, Friedrich Karl: Klage, Schriftsatz in der Sache Hermann Herrey gegen Frank Lothar, Schreiben an das Arbeitsgericht Berlin, 4.7.1960, Av22 Greuèl, Herbert: An Hermann Herrey, 16.4.1959, Av22 Herrey, Hermann: Termin- und Notizbuch 1957, Av33 —: An Grischa Barfuß, Generalintendant der Wuppertaler Bühnen, 14.6.1958, Av22

Theater (= Vorschau auf das Programm der Theater in Berlin, Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik), in: Zng19, 29.4.1960, Absch. Volksbühne, S.10 Theater (= Vorschau auf das Programm der Theater in Berlin, Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik), in: Zng19, 13.5.1960, Absch. Volksbühne, S.10 Vallance, Tom: Stefan Schnabel (= Nachruf), in: Zng52, 25.3.1999, Beilage Thursday Review, S.6 Verzeichnis der Inszenierungen Oscar Fritz Schuhs, in: Schuh, Oscar Fritz, Willnauer, Franz: Bühne als geistiger Raum, Bremen 1963, Absch. Spielzeit 1953/54 bis Absch. Spielzeit 1957/58, S.143ff Wanderscheck, Hermann: Weltkrieg und Propaganda, Berlin 1936 —: Deutsche Dramatik der Gegenwart. Eine Einführung mit ausgewählten Textproben, Berlin 1938

—: An Herbert Greuèl, Lektor im Verlag Kurt Desch, 11.4.1959, Av22 —: »Abend und Morgen, die selbe Stadt«. Schauspiel von August Strindberg, bearbeitet von Hermann Herrey, Typoskript, (o.J.) 1959, Av22 —: August Strindberg »Abend und Morgen, die selbe Stadt«. Besetzungsvorschlag, Typoskript, (o.D.) 1959 oder 1960, Av2

—: Notizen für eine Aussprache mit Dr. Nestriepke in der Angelegenheit »Macbeth« / Herrey, Typoskript, 19.4.1960, Av2 —: An Hermann Herrey, 19.4.1960, Av22 —: An Hermann Herrey, 5.5.1960, Av22 Schalla, Hans: Telegramm an Siegfried Nestriepke, Abschrift von Hand, (o.D.) 5.2.1960, Av38 —: Interview über die Verhandlungen mit Siegfried Nestriepke betreffend eine Inszenierung an der Freien Volksbühne Berlin, Rundfunk im Amerikanischen Sektor (RIAS), Berlin, Aktuelle Abendsendung Die Zeit im Funk, 10.2.1960, Tonband, Av26

Steckel, Leonard: An Hermann Herrey, 30.12.1958, Av22

—: An Arthur Brandt, 13.2.1960, Av22

Strassegg, Julius: An Hermann Herrey, 9.4.1959, Av22

—: An Grischa Barfuß, 3.3.1960, Av22 —: An Siegfried Nestriepke, 25.3.1960, Av22 —: An Walter Paproth, 26.3.1960, Av22 —: An Walter Paproth, 3.5.1960, Av22 —: An Walter Paproth, 16.5.1960, Av2 —: An Walter Paproth, Mit einer Liste von Telefongesprächen Hermann Herreys in Sachen der Besetzung seiner Inszenierung des »Macbeth«, geführt zwischen dem 17.2. und dem 19.4.1960, 27.5.1960, Av2 —: An das Entschädigungsamt Berlin, Kurze Fassung, 7.6.1960, Av22

—: An Hermann Herrey, 16.8.1958, Av22 —: An Hermann Herrey, 10.10.1958, Av22 —: An Hermann Herrey, 23.5.1959, Av22 Theater am Kurfürstendamm Haus der Freien Volksbühne (Hg.): William Shakespeare »Macbeth«, Programmheft, Berlin 1960, Av3 Tovote, Hans-Georg: Antwort auf die Klage, Schriftsatz in der Sache Hermann Herrey gegen Frank Lothar, Schreiben an das Arbeitsgericht Berlin, 23.9.1960, Av22 Trautmann, Lothar: An Hermann Herrey, 23.3.1960, Av22 Verband der Deutschen Kritiker e. V.: An Hermann Herrey, 23.9.1959, Av22 Der Verband der Deutschen Kritiker e. V. verleiht den Theaterpreis für 1958/59 Hermann Herrey, Urkunde, Av22

—: An das Entschädigungsamt Berlin, Lange Fassung, 7.6.1960, Av22 —: An Karl Otto, 1.5.1961, Av7

Weinke, Wilfried: Rückkehr in eine fremde Heimat. Remigration nach Deutschland nach 1945, in: Zft136, H.189/2009 (= Januar 2009), S.170ff

Karsch, Walther: An Hermann Herrey, 28.12.1959, Av22

Weinzierl, Ulrich: Luft ist mein Name, Friedrich Luft. Rasender Gentlemanreporter und Berliner Rundfunklegende. Vor zwanzig Jahren starb der große Theaterkritiker, in: Zng104, 24.12.2010, S.25

Luft, Friedrich: Stimme der Kritik. Sendung 8.5.1960, Typoskript, S.6, Av6

Wohlfahrt, Thomas: Die Kunst dem Volke? Zur Entwicklung der Volksbühnenbewegung in Berlin seit 1945, in: Pforte, Dietger (Hg.): Freie Volksbühne Berlin 1890–1990. Beiträge zur Geschichte der Volksbühnenbewegung in Berlin, Berlin 1990, S.177ff, S.193f

—: Stimme der Kritik. Sendung 29.5.1960, Typoskript, S.1, Av6

Worbs, Dietrich: »Komödie« und »Theater am Kurfürstendamm«. Das Erbe von Oskar Kaufmann und Max Reinhardt, München und Berlin 2007, Absch. Die Freie Volksbühne im »Theater am Kurfürstendamm« 1949–1963, S.53ff

—: An Heinz Köster, Chefredakteur der »Berliner Morgenpost«, 22.4.1960, Av22

22.3 Archivalien

Niederschrift über die Sitzung der Gesellschafterversammlung der Freien Volksbühne Berlin Theaterbetriebs GmbH am 18. März 1959, Typoskript, (o.D.) März 1959, Av38

346

—: An Hermann Herrey, 11.4.1960, Av22

—: William Shakespeare »Macbeth«. Besetzungsvorschlag, Typoskript, (o.D.) Januar oder Februar 1960, Av2

—: Termin- und Notizbuch 1960, Av33

Aktennotiz zur Sitzung des Geschäftsführenden Vorstandes der Freien Volksbühne Berlin am 17. Februar 1960, Typoskript, (o.D.) Februar 1960, Av38

Paproth, Walter: An Hermann Herrey, 19.3.1960, Av22

Schultze, Friedrich: An Hermann Herrey, 16.7.1958, Av22

—: Höllenmaschinen aus England. Hinter den Kulissen der Londoner Lügenhetze, Berlin 1940, S.19

Aktennotiz zur Sitzung des Geschäftsführenden Vorstandes der Freien Volksbühne Berlin am 25. März 1959, Typoskript, (o.D.) März 1959, Av38

Notizen über die Gesellschafterversammlung der Freien Volksbühne Berlin Theaterbetriebs GmbH am 15. April 1959, Typoskript, (o.D.) April 1959, Av38

—: Bemerkungen eines unbefangenen Außenstehenden (= Papier zur Lage des Theaters am Kurfürstendamm nach der Entlassung seines Künstlerischen Leiters Rudolf Noelte), Typoskript, (o.D.) Ende Januar oder Anfang Februar 1960, Av22

—: Die englische Lügenpropaganda im Weltkrieg und heute, Berlin 1940

Aktennotiz zur Sitzung des Geschäftsführenden Vorstandes der Freien Volksbühne Berlin am 21. März 1959, Typoskript, (o.D.) März 1959, Av38

Noelte, Rudolf: An Leonard Steckel, 18.5.1959, Av22

—: An Siegfried Nestriepke, 12.4.1960, Av2

—: An Hans Liepmann, 7.2.1959, Av22

—: An Karl John und Dolores John, 23.4.1959, Av22

Theater (= Vorschau auf das Programm der Theater in Berlin, Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik), in: Zng19, 22.4.1960, Absch. Volksbühne, S.10

Niederschrift über die Sitzung des Geschäftsführenden Vorstandes der Freien Volksbühne Berlin am 15. Juni 1960, Typoskript, (o.D.) Juni 1960, Av38

—: An Erich Schumacher, Generalintendant der Städtischen Bühnen Essen, 23.8.1958, Av22

Stöber, Rudolf: Walther Georg Oschileski, in: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hg.): Neue Deutsche Biographie, Bd.19 Nauwach - Pagel, Berlin 1999, S.606f

SZ (= Süddeutsche Zeitung): Münchner Premieren von heute. »Prozeß Jesu« im neuen Theater, in: Zng90, 18.2.1959, Fernausgabe, S.11

Niederschrift über die Sitzung des Geschäftsführenden Vorstandes der Freien Volksbühne Berlin am 23. Mai 1960, Typoskript, (o.D.) Mai 1960, Av38

—: An Hermann Herrey, 1.4.1960, Av22

—: An Friedrich Luft, 22.2.1959, Av22

Sucher, C. Bernd (Hg.): Henschel Theaterlexikon, Leipzig 2010, Art. Jan Kott, S.471f

Niederschrift über die Sitzung des Geschäftsführenden Vorstandes der Freien Volksbühne Berlin am 18. Mai 1960, Typoskript, (o.D.) Mai 1960, Av38

—: Anruf von Dr. Grischa Barfuß (= Gedächtnisprotokoll eines Telefongespräches), Typoskript, 23.6.1958, Av22

Staiger, Emil: Die Kunst der Interpretation, in: Zft102, Jg. 35/1950 (= 1951), S.1ff

Strindberg, August: Kammerspiele, München 1919

Niederschrift über die Sitzung des Geschäftsführenden Vorstandes der Freien Volksbühne Berlin am 16. Mai 1960, Typoskript, (o.D.) Mai 1960, Av38

John, Dolores: An Hermann Herrey, 27.4.1959, Av22 Ludwig, Hermann: An Hermann Herrey, 17.4.1959, Av22

—: Stimme der Kritik. Sendung 22.5.1960, Typoskript, S.1ff, Av6 —: Stimme der Kritik. Sendung 12.6.1960, Typoskript, S.2f, Av6 Nestriepke, Siegfried: An Hermann Herrey, 13.4.1960, Av22

Niederschrift über die Sitzung des Geschäftsführenden Vorstandes der Freien Volksbühne Berlin am 18. Februar 1959, Typoskript, (o.D.) Februar 1959, Av38

23.1 Primärliteratur Anonym: Urban Design, Award Citation (= Art. über Victor Gruens Projekt Charles River Park Boston), in: Zft120, H.1/1959 (= Januar 1959), S.112f —: Brookline‘s Lost Opportunity. Three top urban renewal designs finish behind a dark horse, in: Zft14, H.6/1959 (= Juni 1959), S.9, S.11 —: Apartments. A Boom in the Upper Brackets, in: Zft14, H.5/1960 (= Mai 1960), S.102f, S.209f, S.216 —: Boston Apartments (= Art. über Victor Gruens Projekt Charles River Park Boston), in: Zft14, H.2/1961 (= Februar 1961), S.49 —: AIA Convention. Mumford raps monolithic urbanism. Zevi says terraced apartments could supplant houses, in: Zft14, H.6/1961 (= Juni 1961), S.7 —: Winning Design for Boston‘s City Hall, in: Zft14, H.6/1962 (= Juni 1962), S.5, S.7 —: Boston City Hall. Chandigarh on Scollay Square, in: Zft120, H.7/1962 (= Juli 1962), S.65 —: New Future for Boston‘s Waterfront, in: Zft14, H.3/1962 (= September 1962), S.9

Niederschrift über die Sitzung des Geschäftsführenden Vorstandes der Freien Volksbühne Berlin am 15. April 1959, Typoskript, (o.D.) April 1959, Av38

—: Renewal Proposed for Boston Waterfront Area, in: Zft120, H.9/1962 (= September 1962), S.66

Niederschrift über die Sitzung des Geschäftsführenden Vorstandes der Freien Volksbühne Berlin am 25. Januar1960, Typoskript, (o.D.) Januar 1960, Av38

—: The New Boston City Hall, in: Zft120, H.4/1963 (= April 1963), S.132ff

—: The Apartment Boom, in: Zft14, H.4/1963 (= April 1963), S.82ff

—: Boston Displays its Government Center, in: Zft14, H.5/1963 (= Mai 1963), S.9

—: Apartments. What next?, in: Zft14, H.3/1964 (= März 1964), S.70f, S.75 —: Boston to be Renewed by 1975, in: Zft120, H.1/1965 (= Januar 1965), S.42f —: More for Boston Center (= Art. über den Wettbewerb für ein Hochhaus zwischen Old State House und Boston City Hall), in: Zft120, H.3/1965 (= März 1965), S.51 —: Missed Chance in Boston (= Art. über das Prudential Center), in: Zft120, H.6/1965 (= Juni 1965), S.52 —: New Tower for Boston‘s Pru Center (= Art. über das Prudential Center), in: Zft120, H.10/1967 (= Oktober 1967), S.54

Suner, Bruno: Ieoh Ming Pei, Basel (u.a.O.) 1989, S.69, S.71 Wall, Alex: Victor Gruen. From Urban Shop to New City, Barcelona 2005, Absch. Charles River Park Boston / Massachusetts, S.162f Yudis, Anthony J.: Center Vetoed, Mayor Plans 2nd Try, in: Zng23, 23.7.1963, Morning Edition, S.1

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23.3 Archivalien

—: Life on the Waterfront (= Art. über Davis, Brody & Associates‘ Projekt Waterside auf dem East River), in: Zft14, H.1/1967 (= Januar/Februar 1967), S.118f

Entschädigungsamt Berlin: Vergleich zwischen Hermann Herrey und dem Land Berlin, Gewährung einer Rente, 16.5.1962, Av22

—: Landfill Compact (= Art. über Nelson Rockefellers Plan für die Battery Park City), in: Zft14, H.5/1968 (= Juni 1968), S.29f

Herrey, Antony: An Pier Luigi Nervi, 5.8.1964, Av32

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348

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BILDNACHWEIS Akademie der Künste, Berlin, Friedrich-Luft-Archiv, Rundfunk im Amerikanischen Sektor (RIAS), Berlin / Foto: A. H. Schnell: S.283 rechts —: Julius-Posener-Archiv / Foto: Unbekannt: S.34 —: Archiv Theater der Freien Volksbühne / Foto: Unbekannt: S.281 Albertina, Wien: S.156 The American Scholar. A Quarterly for the Independent Thinker, H.4/1944/1945, S.493: S.168 The Architects‘ Journal, 20.1.1938, S.122 mittig links: S.103 oben —: S.126 mittig links: S.103 unten The Architectural Forum, H.1/1943, S.82 oben: S.164 —: H.4/1944, S.140 oben: S.163 —: H.6/1946, S.98: S.128 —: H.6/1961, S.9 mittig: S.302 links —: S.9 unten: S.302 rechts —: H.6/1964, S.93 / Foto: Aerial Photos of New England: S.290 —: H.11/1968, S.52: S.303 —: S.53: S.304, S.305 Architectural Record, H.4/1952, S.168 oben: S.186 —: S.170 oben: S.192 oben —: S.170 mittig: S.190 —: S.171 unten: S.192 unten —: S.172 unten / Foto: Ben Schnall: S.191 oben —: S.173 oben rechts / Foto: Ben Schnall: S.193 —: S.173 unten / Foto: Ben Schnall: S.191 unten The Architectural Review, H.515/1939, S.149 / Foto: Unbekannt: S.116 L‘Architecture d‘Aujourd‘hui, H.12/1947, S.110: S.162 —: S.112: S.161

Deutsche Bauzeitung, H.37/38/1931, S.226: S.72 Die deutsche Elite, H.6/1925, S.358: S.38 —: H.3/1926, S.142: S.30 Deutsches Theatermuseum, München, Archiv Heinz Köster / Foto: Heinz Köster: S.272 Die Form, H.8/1932, S.253 / Foto: Unbekannt: S. 77 oben Freie Universität (FU), Berlin, Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften, Institut für Theaterwissenschaft, Archiv und Theaterhistorische Sammlung, Nachlass Lothar Müthel / Foto: Gregor Harlip: S.58 —: Foto: Josef Schmidt: S.44, S.45 Ulrich Gatz und Rudolf Stegers, Berlin: S.94, S.202 Percival Goodman, Paul Goodman: Communitas. Means of Livelihood and Ways of Life, New York und Oxford 1990, S.258: S.157 oben Harvard University Archives, Cambridge/Massachusetts, Harlow Shapley Papers / Foto: Unbekannt: S.143 unten Antony Herrey, Cambridge/Massachusetts: S.17, S.108, S.109, S.111, S.112, S.113, S.195, S.292 —: Foto: Lois M. Bowen: S.291 —: Foto: Friedrich Kranzfelder: S.9 rechts —: Foto: Margot Meyer: S.27 —: Foto: Kurt Saurin-Sorani: S.209 oben —: Foto: Unbekannt: S.11, S.22, S.26, S.29, S.136, S.137 —: Foto: Ruth Wilhelmi: S.2

Preußische Akademie der Künste zu Berlin (Hg.): Poelzig und seine Schule, Ausstellungskatalog, Berlin 1931, (o.S.) vor S.1: S.31 Rockefeller Archive Center, Sleepy Hollow / New York, Downtown Lower Manhattan Association Inc. Records: S.296 Royal Institute of British Architects (RIBA) Trust, London, British Architectural Library, Archives Collection, Ernö Goldfinger Papers: S.117 Michael Schnitzler, Wien / Foto: Franz Mayer: S.92, S.95, S.96, S.97, S.98 —: Foto: Unbekannt: S.88, S.89 Das schöne Heim, H.11/1932, S.346 oben / Foto: Arthur Köster: S.81 —: S.347 unten / Foto: Arthur Köster: S.82 Ottmar Schuberth: Das Bühnenbild. Geschichte Gestalt Technik, München 1955, nach S.240: S.203 Skyscraper Museum, New York: S.298 Smithsonian Institution, Washington D.C., Archives of American Art, Marcel Breuer Papers 1920-1986 / Foto: Robert Damora: S.185 Stadtarchiv, Konstanz, Bestand Stadttheater / Foto: Heinz Finke: S.226, S.227 Stadtarchiv, Magdeburg, Stiftung Kunst und Kultur der Stadtsparkasse Magdeburg, Postkartensammlung Annemarie und Johannes Lück: S.52 Stadtarchiv, Trier: S.255

Bauwelt, H.24/1957, S.594: S.208

Julian Herrey, Berlin: S.13, S.15, S.25, S.37, S.41, S.122 rechts, S.126, S.127, S.132, S.204, S.220, S.234, S.239, S.242, S.278, S.279, S.288, S.289 —: Foto: Lion Arber-French: S.286, S.287 —: Reprofoto: Dietmar Katz: S.131, S.133

Stadtmuseum Berlin, Landesmuseum für Kultur und Geschichte Berlins: S.206 —: Theatersammlung: S.277 —: Foto: Harry Croner: S.235, S.240, S.241, S.280

Berlinische Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Photo­graphie und Architektur, Berlin, Nachlass Klaus Müller-Rehm: S.79

Theodor Heuss: Hans Poelzig. Bauten und Entwürfe. Das Lebensbild eines deutschen Baumeisters, Berlin 1939, S.100: S.258 links

Robert B. Stone (Hg.): Homes by Leading American Architects. America Builds 2, New York 1954, S.85: S.181 —: S.89: S.104

Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin, Fachbereich Bauaufsicht, Bauaktenarchiv / Akten der Städtischen Baupolizei Bezirk Charlottenburg, Häuser Kantstraße 126 und 127, Bd.10, Bl.98: S.71

Ludwig Hilberseimer: The New City. Principles of Planning, Chicago 1944, S.159: S.157 unten

Der Tagesspiegel, Archiv, Berlin / Foto: Unbekannt: S.283 links

Der Baumeister, H.8/1931, hinten Tafel 90: S.68

Bildarchiv Foto Marburg: S.46 links Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz (bpk), Berlin / Foto: Unbekannt: S.43, S.46 rechts —: Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie: S.24 Bundesarchiv, Koblenz / Foto: Aktuelle-Bilder-Centrale Georg Pahl: S.74 rechts, S.76 The Bystander. An Illustrated Magazine, 1.2.1939, S.151: S.123 Chiswick Library, London, Local Studies Collection / Foto: John G. Gillham: S.122 links Columbia University, New York, Avery Architectural and Fine Arts Library, Department of Drawings and Archives, Wallace K. Harrison Architectural Drawings and Papers / Foto: Louis Checkman: S.297 Hans Conradi: Großgaragen, Handbuch der Architektur, IV. Teil, 2. Halbband, Heft 6b, Leipzig 1931, S.38: S.73 Cornell University, Ithaca / New York, University Library, Division of Rare and Manuscript Collections, Hermann Herrey Papers: S.47, S.48, S.49, S.50, S.55, S.57, S.118, S.119, S.120, S.125, S.129, S.141, S.149, S.152, S.153, S.159, S.175, S.179, S.205 oben, S.212, S.213, S.215, S.216, S.217, S.218, S.228, S.256, S.259, S.260, S.261, S.263, S.264, S.265, S.269, S.300, S.301 —: Foto: Harry Croner: S.246, S.247 —: Foto: Heinz Köster: S.243 —: Foto: Edward P. Leigh: S.105, S.106, S.107 —: Foto: Leonard Lee Lester: S.205 unten —: Foto: Eva List: S.60, S.61, S.62 —: Foto: Pius Rast: S.222, S.223, S.224 —: Foto: Kurt Saurin-Sorani: S.229 —: Foto: Ben Schnall: S.182, S.183 oben, S.184, S.187, S.188, S.189 —: Foto: Unbekannt: S.74 links, S.75, S.77 unten, S.114, S.115, S.244, S.257 —: Foto: Paul Wolff: S.63, S.64, S.65, S.66, S.67 Emil Deines (Hg.): Bau-Wettbewerbe, H.67/1931, S.22 oben: S.32 —: S.23 unten: S.33

Innen-Dekoration, H.9/1932, S.323 / Foto: Unbekannt: S.83 Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt am Main: S.68 unten Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe, Südwestdeutsches Archiv für Architektur und Ingenieurbau (saai), Werkarchiv Egon Eiermann: S.21 Ernst Kirchhoff: Theaterbau der Zukunft, Hamburg 1948. S.56: S.249 Landesarchiv, Berlin / Foto: Bert Sass: S.231 —: Foto: Horst Siegmann: S.209 unten De La Salle Schule, Strebersdorf, Wien: S.10 McGill University, Montreal, John Bland Canadian Architecture Collection / Foto: Roger Bedard: S.143 oben Georg Müller: Grosstadt-Garagen, Berlin 1925, S.19: S.70 Neue Bauwelt, H.39/1949, S.151: S.250 Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB), Wien / Foto: Österreichische Lichtbildstelle: S.9 links Walther G. Oschilewski: Zehn Jahre Theater am Kurfürstendamm. Das Haus der Freien Volksbühne Berlin 1949/1959, Berlin-Grunewald 1960, Einband / Foto: Unbekannt: S.273

Technische Universität (TU), Berlin, Architekturmuseum: S.54 —: Foto: Ben Schnall: S.183 unten —: Universitätsbibliothek / Hermann Rückwardt: Die Königliche Technische Hochschule Berlin-Charlottenburg, Berlin 1885, Tafel IX: S.18 Tennessee Valley Authority (TVA), Knoxville/Tennessee / Foto: Unbekannt: S.167 Das Theater. Illustrierte Halbmonatsschrift für Theater und Gesellschaft, H.3/1926, S.67 / Foto: Unbekannt: S.39 Theatre Arts, H.9/1954, S.78: S.198 Transport for London (TfL), London Transport Museum: S.121 Ullstein Bild, Berlin / Foto: Max Krajewsky: S.59 —: Foto: Unbekannt: S.51 Universität der Künste (UdK), Berlin, Archiv: S.23 Martin Wagner: Das wachsende Haus. Ein Beitrag zur Lösung der städtischen Wohnungsfrage, Berlin und Leipzig 1932, S.70: S. 84 —: S.73: S. 85 —: S.141: S. 86 —: S.142: S. 87 Werkbund Archiv, Museum der Dinge, Nachlass Hermann Muthesius / Foto: Unbekannt: S.19

Clarence Arthur Perry: The Neighborhood Unit. A Scheme of Arrangement for the Family-Life Community, in: Committee on the Regional Plan of New York and Its Environs (Hg.): Neighborhood and Community Planning, Regional Survey, Bd.VII, New York 1929, S.88: S.155 Picture Alliance, Frankfurt am Main, Associated Press Images / Foto: Unbekannt: S.171 Julius Posener (Hg.): Hans Poelzig. Gesammelte Schriften und Werke, Schriftenreihe der Akademie der Künste Bd.6, Berlin 1970, S.131: S.258 rechts

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ÜBER DEN AUTOR Rudolf Stegers, geboren 1952, studierte Germanistik und Romanistik in Münster und Berlin. Von 1978 bis 1988 war er Redakteur erst bei der Zeitschrift »Werk und Zeit« des Deutschen Werkbunds, dann bei der Zeitschrift »Ästhetik und Kommunikation«. Seither ist er freiberuflich als Kritiker, Redakteur und Lektor vor allem im Bereich der Architekturpublizistik tätig. In den 1990er Jahren veröffentlichte er zahlreiche Aufsätze über die städtebauliche und architektonische Entwicklung Berlins. Er ist Autor einer 2000 in der Reihe »Bauwelt Fundamente« publizierten Monographie über den Kirchenbauer Rudolf Schwarz, »Räume der Wandlung, Wände und Wege«. Zusammen mit Romana Schneider war er 2002 Kurator der Ausstellung »Glück Stadt Raum. In Europa 1945 bis 2000« der Akademie der Künste Berlin und einer der Autoren des gleich­ namigen Katalogs. 2008 erschien von ihm bei Birkhäuser unter dem Titel »Entwurfsatlas Sakralbau« ein Handbuch. 2010 erschien die international orientierte »Bibliographie Sakrale Gebäude. Kirchen, Synagogen, Moscheen, Häuser der Stille, Friedhofsbauten. 1970 –2009«.

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