Über das Bewusstsein (1728): Zweisprachige Ausgabe 9783787322992, 9783787305933

1728 in London anonym publiziert, behandelt die erste Monographie zu diesem Thema die Grundkonstitution des Bewußtseins,

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German Pages 146 [197] Year 1983

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Über das Bewusstsein (1728): Zweisprachige Ausgabe
 9783787322992, 9783787305933

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Philosophische Bibliothek

Pseudo-Mayne Über das Bewußtsein Englisch – Deutsch

Meiner

PSEU DO -M AY NE

Über das Bewußtsein (1728)

Übersetzt und mit einer Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Reinhard Brandt

Englisch–Deutsch

F E L I X M E I N E R V ER L AG H A M BU RG

PH I LOSOPH ISCH E BI BL IOT H EK BA N D 358

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bi­­­blio­g raphi­­sche Daten sind im Internet ­abrufbar über ‹http://portal.dnb.de›. ISBN 978-3-7873-0593-3 ISBN eBook: 978-3-7873-2299-2

www.meiner.de © Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 1983. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§  53 und 54 UrhG ausdrücklich gestatten. Gesamtherstellung: BoD, Norderstedt. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruck­papier, hergestellt aus 100 % chlor­frei gebleich­tem Zellstoff. Printed in Germany.

INHALT

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung. Von Reinhard Brandt . . . . . . . . . . A. A Dissertation concerning Sense . . . . . . . . B. A Dissertation concerning the Imagination C. An Essay on Consciousness . . . . . . . . . . . D. Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VII

. XI . XX . XXV . XXVII . XLIII

PSEUDO-MAYNE über das Bewußtsein An Essay on Consciousness . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein Essay über Bewuß tsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2 3

Anmerkungen des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . 107 .

Anhang I. Peter Browne : Das Selbstbewuß tsein . . . . 123 .

Anhang II. David Hum e : Die Unmöglichkeit eines experimentellen Freiheitsbeweises . . . . . . . . . . . . . . . 131 Namenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 .

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Englisches Begriffsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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136

VORBEMERKUNG

Der Essay on Consciousness, 1728 als dritter Teil des ano­ nymen Werkes Tw o Dissertations concerning Sense, and the Imagination. With an Essay on Consciousness (London 1728: J. Tonson) 231 S. in 8° publiziert, ist vermutlich die erste Monographie zum Bewußtsein. Es ist kein Locke oder Kant, der hier seine Gedanken entwickelt, aber doch ein philosophisch gebildeter Autor, der nicht ohne Geschick und Tiefsinn einem Phänomen nachspürt, das heute wieder zu einem der zentralen philosophischen Themen geworden ist. Der Essay läßt sich daher durchaus mit einem systema­ tischen Interesse lesen und diskutieren. In der Einleitung der vorliegenden Ausgabe werden Hin­ weise für die Interpretation der Schrift gegeben ; die Über­ setzung ist als eine Hilfe beim Gebrauch des Textes für Se­ minarzwecke gedacht, im übrigen wird vorausgesetzt, daß der Leser dieser Edition Englisch versteht, Zitate werden entsprechend weder in der Einleitung noch in den Anmer­ kungen ins Deutsche übersetzt. Das Register bezieht sich nur auf den englischen Text. Die Anmerkungen bringen ei­ nige Sacherläuterungen, die für das Verständnis der Schrift notwendig oder nützlich sind. Als Anhang wird eine Erör­ terung des Bewußtseins von Peter Browne aus der Schrift The Procedure, Ex ten t, and Lim it of Human Understan­ ding (London 1728) gebracht. Peter Browne spielt eine Rolle für das anonyme Werk selber, weil sich in der Dubli­ ner Universitätsbibliothek ein Exemplar der Two Disserta­ tions . . in einem Einband der 'Zeit mit der Aufschrift "BP OF CORK 'S DISSER" findet (der Bischof von Corke ist Peter Browne ) ; aus diesem Grund wird auf ihn auch in der Einleitung eingegangen. Zum andern ist die Bewußtseins­ theorie Brownes geeignet, spezifische Merkmale des Essay on Consciousness sichtbar zu machen. Ein zweiter Anhang bringt Ausführungen Humes zur Frage der Beweisbarkeit der Freiheit; wie der Anonymus erörtert Hume die Mög.

VIII

Vorbemerkung

lichkeit eines experimentellen Beweises der Freiheit, er leugnet das Gelingen, während der Essay on Consciousness es bejaht. Die einzige mir bekannte Bezugnahme auf den Essay on Consciousness in der englischen Literatur bezieht sich auf den einschlägigen Abschnitt über die Beweisb ar­ keit der Freiheit; sie findet sich in den Anmerkungen von Edmund Law zu dem bekannten Werk von William King, An Essay on the Origin of Evil, Transla ted from the La tin, with No tes . . . 2 Vols . (London 1731, 2 1732) Il, 253 (s . Anmerkung des Herausgebers , Nr. 78, zu 208) . Vielleicht gibt diese Schrift ein historisches Bindeglied zwischen dem Essay on Consciousness und Humes Ausführungen zum Freiheitsproblem. Wiederkehrende Literaturangaben werden, wo dies ohne Mißverständnisse möglich ist, durch folgende Ab kürzungen bezeichne t : Two Dissertations Anonym , Two Dissertations concer­ ning Sense, and the Imagination. With an Essay on Consciousness (London 1728: J. Tonson). Darin als Teil 3 ent­ halten: An Essay on Consciousness. Principles George Berkeley, A Treatise on the Principles of Human Nature (Dublin 1710), zitiert nach der Ausgabe in : The W orks of George Berkeley, Bis­ hop of Cloyne, ed. by A. A. Luce and T. E. J essop (London 1948 u. ö. ). The Procedure Peter Browne, The Procedure, Extent, and Limit of Human Understanding (London 1728). Discours de Ia Rene Descartes, Discours de Ia Metho­ Methode de pour bien conduire sa raison, et ehereher Ia verite dans !es sciences . . . (Leyden 1637) ; Meditationes Meditationes de Prima Philosophia, in qua Dei existentia et Animae immor­ talitas demonstratur (Paris 1641), zi­ tiert nach der Ausgabe AT «Oeuvres de

Vorbemerkung

Leviathan

Treatise

Essay

Lockes Theorie der personalen Identität

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Descartes)) , publiees par Ch. Adam et P. Tannery, Nouvelle Presentation , en Co-Edition avec Je Centre Nationa­ le de Ia Recherche Scientifique, 11 vol . (Paris 1964ff.). Thomas Hobbes, Leviathan , or the Matter, Forme , and Power of a Com­ monwealth Ecclesiasticall and Civil (London 1651), zitiert nach der Aus­ gabe von A. D. Lindsay (London-New York 1914 u. ö.). David Hume, A Treatise of Human Nature : Being an Attempt to in tro­ duce the experimental Method of Rea­ soning into Moral Subjects (London 1739-40), zitiert nach der Ausgabe von L. A. Selby-Bigge (Oxford 1896 u. ö . ) . J ohn Locke, An Essay conceming Human Understanding (London 1690), zitiert nach der Ausgabe von P. Nid­ ditch (Oxford 1975) . Udo Thiel, Lockes Theorie der perso­ nalen Identität im Kontext der zeitge­ nössischen britischen Philosophie, Dis­ sertation Bonn 1982 (maschinen­ schriftliches Exemplar) .

Gegenüber der Originalausgabe sind am englischen Text folgende Änderungen vorgenommen : 1. Der Sei tenumbruch der Originalausgabe ist im fortlau­ fenden Text durch Einfügung eines Schrägstrichs sowie durch einen Randverweis auf die folgende Seite markiert. Alle Seitenverweise ohne Zuordnung beziehen sich auf die Seiten der Originalausgabe, ebenfalls das Namen­ und Begriffsregister. 2. Gemäß Errata-Liste der Originalausgabe (gedruckt zwi­ schen Vorrede und der Dissertation conceming Sense): 145, Z . 18 : in statt it; 148, Z . 13 as weil statt all ;

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Vorbemerkung

150, Z. 17 But statt And ; 176, Z. 2 Komma nach Operation ; 205, Z. 18 Condition statt Consideration ; 206, Z. 5 Nills statt Wills . 3. 217, Z. 7 wurde if statt its gesetzt. 4. Im Original stehen 180, Z . 8 I think 208, Z. 14 before-hand, 209, Z. 21 my self, my in eckigen Klammern. Da die eingeklammerten Wörter der Seite 209 für die Satzkonstruktion unentbehrlich sind, wird es sich vermutlich in allen Fällen um Randzu­ sätze des Autors handeln, die der Drucker als bloße Zu­ sätze mißverstand und in eckige Klammern setzte ; der Autor verzichtete auf die Aufnahme in die Errataliste . 5. Die in den Text eingesetzten Anmerkungsziffern verwei­ sen auf die Anmerkungen des Herausgebers, die im An­ schluß an den Text zusammengefaßt folgen. Für Hilfe und Hinweise danke ich Dr. Udo Thiel (Bonn), Werner Stark, M. A. (Marburg) und Claus Vierheller (Als­ feld), der freundlicherweise auch die Register erstellte . Achim Huber (Marburg) korrigierte meine übersetzung. Reinhard Brandt

EINLEITUNG

"Mayne, Zachary, Two dissertations conceming sense and the imagination, 1728" - so lautet der Titel eines Nach­ drucks des Werks aus dem Jahr 1976 im Katalog der Libra­ ry of Congress1 • Der Autorname ist, soweit wir wissen , willkürlich gewählt, und der Titel ist unvollständig, es fehlt der Teil : "With an Essay on Consciousness ". Zunächst zum Autor der Gesamtschrift. Das Werk wird im 18. Jahrhundert als anonyme Schrift genannt und rezen­ siert. 2 Im 19. Jahrhundert erscheint Zachary Mayne als Autor, so etwa in der Ausgabe von The Works of Th omas Reid von William Hamilton (Edinburgh 8 1880) II, 928 und 948. Zu Zachary Mayne aber schreibt schon W. R. Sorley in seiner History of English Philosophy (Cambridge 1920) anläßlich einer kurzen Erwähnung der Two Dissertations: "A writer, chiefly on religion , who died in 1694. The ulti­ mate authority (so far as I can trace) for ascribing the book to him is R. Watt, Bibliotheca Britannica (1824); but the preface "To the Reader" seems to me to imply that the book was not posthumously published . Noah Porter (Ue­ berweg's History of Philosophy, E. T., Il, p. 368) suggests that it was by a son of Mayne; but the son re ferred to was not named Zachary, and the suggestion appears to be me­ rely a guess. The only copy of the book known to me is in the British Museum" (1291 )3 • "Merely a guess" wird ver­ mutlich das letzte Wort in der Zuschreibung zu Zachary Mayne bleiben ; aber die Sache ist rätselhafter, als Sorley wußte. Das Exemplar der Universitätsbibliothek von Edin­ burgh hat als handschriftlichen Autorvermerk "Charles Mayne"4 ; und der Name von Charles Mayne taucht noch an anderer Stelle auf: Im Jahre 1733 wurde eine Schrift mit dem Titel An Essay Concerning Ra tional Na tions. To which is added, The Pro of of a God (London 1733 : W. Innys and R. Manby), 204 S., in 8° anonym publiziert .

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Reinhard Brand t

Das Werk wird im Katalog der Bodleian Library in Oxford einem Charles Mayne zugeschrieben ; diese Zuweisung geht vermutlich zurück auf eine handschriftliche Notiz des zwei­ ten erhaltenen Exemplars in der Cambridger Universitäts­ bibliothek. (Nach der Form der Handschrift dürfte diese Eintragung nicht aus dem 18. Jahrhundert stammen). So­ wenig wie ein Zachary Mayne läßt sich jedoch ein Charles Mayne zu der fraglichen Zeit - also um 1730 - als Autor verifizieren. Charles Mayne wird in keinem Biographielexi­ kon aufgeführt, und der Name begegnet auch nicht in den Studentenverzeichnissen der Oxforder und Cambridger Universität. Ob die Schrift von 1733 und die Tw o Disserta­ tions von 1728 vom selben Autor stammen, bedarf noch einer näheren Klärung; es gib t gute Argumente , die für eine Identität der beiden Pseudo-Mayne sprechen. 5 In der Universitätsbibliothek in Dublin findet sich ein Exemplar der Two Dissertations, auf dessen Einbandrük­ ken das Buch dem Bischof von Corke, Peter Browne (?-1735) zugeschrieben wird. Peter Browne, Autor ver­ schiedener thematisch verwandter Schriften6 , kann die Two Disserta tions von 1728 nicht verfaß t haben. Seine Theorie steht zwar in vielen Punkten der anonymen Schrift nahe : in beiden Konzeptionen wird - unter Benut­ zung von Locke - gegen Locke polemisiert und versucht, die Grundlagen für eine neue Erkenntnistheorie zu liefern , aber spezifische Differenzen zeigen, daß es sich um zwei verschiedene Autoren handelt : Browne behauptet entschie­ den, daß es zwei Quellen menschlicher Erkenntnis gib t, sensations and consciousness ; nur die erstere ist durch ideas vermittelt, die letztere ist ein unmittelbares Wissen ; es gib t keine Möglichkeit, ein reflexives Wissen des eigenen Ver­ standes analog zum Empfingungswissen der äuß eren Wirk­ lichkeit zu gewinnen. Der Begriff der reflection wird von Browne völlig verworfen, während Pseudo-Mayne die re­ flection zwar nicht als inneren Sinn mit der sensation in Parallele setzt, sie jedoch als Verstandeshandlung in ihrer Eigenständigkeit bewahrt. Browne also will alle Vorstellun­ gen aus der Sensation ableiten, der Autor der Tw o Disserta­ tions dagegen nimmt eigenständige rationale Prinzipien an ,

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die sich nicht der Empfindung verdanken, sondern dieser selbständig gegenüberstehen , in der reflection erkannt wer­ den und die allererst wahre Erkenntnis des Sinnenmaterials ermöglichen. Browne verwirft mit Locke das Gegebensein von angeborenen Ideen, der Autor bejaht es. Entsprechend ist eine Erkenntnis rein spiritueller Gegebenheiten nicht nur durch Analogie wie bei Browne möglich, sondern bie­ tet sich den Menschen ohne Umweg über die Sinnlichkeit, über ihre Typen und Symb ole an - nach Browne vermögen wir einzig in der Brechung der Analogie das übersinnli­ che zu erkennen. Diese Hinweise mögen genügen, auszu­ schließ en, daß Peter Browne der Autor der anonymen Schrift von 1728 ist. Wir werden im folgenden vom Autor als Pseudo-Mayne sprechen ; denn die Zuschreibung ist, wie sich zeigte , nicht verifizierbar, sondern wird tatsächlich "merely a guess" sein, dessen Gründe wir nicht kennen. Andererseits ist mit dem Namen "Mayne " indiziert , daß es sich um dieselbe Schrift handelt, die in Katalogen und Schriftenverzeichnis­ sen als Werk von Zachary Mayne erscheint. De nobis ipsis silemus - der Autor handelt zwar vom Selbstbewuß tsein und vom Ich, aber nicht von sich selbst; im Gegensatz etwa zu Descartes und Hume bringt er auch keine stilisierten biographischen Elemente des Zweifels und der Selbstgewinnung in seinen Text. Durch biographi­ sche Andeutungen läßt sich also das Dunkel der Autor­ schaft nicht aufhellen außer wohl in einem geringfügigen Punkt ; der Verfasser ist kein Ire und er hat nicht in Dublin studiert, sondern in Oxford , und sein Buch ist in der Bod­ leian Library entstanden, wenn man folgenden Satz bio­ graphisch auswerten darf: "F or what avails Perception in the case? when , as Experience demonstrates, any Man , tho ' ever so ignorant, may Perceive Things as weil as the great­ est Philosopher, and yet, without applying his Mind, or Power of Intellectual Discernment to them , may remain still as ignoran t of their Natures, as if he had never percei­ ved them ; or as an illiterate Indian would be, in poring and looking over all the Pages of every Book in the Bodleian Library, from attaining any Knowledge that is contained

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in them" (61-62 ; zu der hier verhandelten Sache vgl. un­ ten S. XXII). Aber bewiesen ist damit auch nichts. Der einzi­ ge Weg, der noch übrig bleibt, scheint der philosophieso­ ziologische zu sein, zu dem ich im folgenden einige Mate­ rialien bereitstellen möchte . Der Autor teilt im Anschluß an oder wenigstens wie Descartes das menschliche Erkenntnisvermögen in drei Kräfte ein : sense , imaginationfmemory und reason oder understanding. Die Strukturierung der Erkenntnisvermö­ gen wird bei Platon im Phaidon und vor allem in der Poli­ teia entwickelt. Es gibt (mit aristotelischer Terminologie) sowohl ethische wie auch dianoetische Vermögen . Die ersteren sind die Begierde, der Mut und die praktische Vernunft , auf der epistemischen oder dianoetischen Seite korrespondiert dieser Trias die Sinnlichkeit, die dianoia und der nous. Für unser Interesse ist zweierlei entschei­ dend: Platon stellt die Vermögen nicht als nebengeordnet vor, sondern gibt eine eindeutige Hierarchie von oben und unten, von wertvoll und weniger wertvoll , von herrschen­ dem und beherrschtem oder zu beherrschendem Vermö­ gen. Und diese Herrschaftsstruktur wird in eine strikte Par­ allele zur Organisation der Polis gestellt, der Vermögens­ lehre korrespondiert eine gesellschaftliche Gliederung in oben und unten, in wertvoll und weniger wertvoll , in Herr­ schende und Beherrschte. Die Erkenntnistheorie ist ein Po­ litikum , und sie bleib t auch für die Zukunft offen für eine mögliche Politisierung. Wie die Theorien politischer Herr­ schaft , steht auch die Erkenntnistheorie vor der Frage des descensus und des ascensus, sie kann die Erkenntnis aus Prinzipien apriori entwickeln oder aus der Sinnlichkeit , und s i e kann vermitteln zwischen d e n beiden Extremen . Dies zur Vorbereitung der gesellschaftsp olitischen De­ chiffrierung der Erkenntnistheorie des Autors. Die Tw o Dissertations des anonymen Autors von 1728 verstehen sich als "Refutation of a very dangerous and pernicious Opinion, which prevails almost every where , viz. ,That Bru­ tes have the same Powers or Capacities of Understanding, with Mankind.' This Opinion is a direct and immediate Consequence of Mr. Locke 's Doctrine of Ideas, (and no

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more needs be said of it, to signify that it passes current) which places the Act of Understanding in those Percep­ tions, which are in common to Men , and Brutes" (To the Reader). Wenn man zeigen kann, daß die Vermögen, die Mensch und Tier gemeinsam haben, Sinnlichkeit und Ein­ bildungskraft, als solche nicht intellektuell sind, dann ist bewiesen, daß der menschliche Verstand sich wesentlich vom tierischen "Erkenntnisvermögen" unterscheidet. "And consequently, it is Reason and Understanding alone, which constitutes the true and real Difference between Mankind, and those Creatures of an inferiour Rank and Order, called Brutes, to denote their being destitute of Understanding" (To the Reader). Die Sinne werden - meistens, wie der Autor sagt - durch Farben affiziert , kaum durch die Form (40) - die Farbe ist das vulgäre , die Form das höhere Ele­ ment in der Tradition der klassizistischen Ästhetik. So stellt Adam Smith zwei Bilder gegenüber, deren eines durch seine Buntheit besticht, das andere dagegen ist korrekt und schön in seiner Formgebung - "the one forcing itself upon the notice of every wandering eye ; the other, attracting the attention of scarce any b ody but the most studious and ca­ reful observer"7 • Hier die Farbe als das Niedere , sie drängt sich dem unruhig wandernden Auge von jedermann auf, dort der Kontur, den nur wenige Kenner als das eigentlich Wertvolle bemerken ; ihn zu sehen bedarf es des Studiums, er ist das Element des Verstandes. Und der Verstand herrscht über die niederen, auch den Tieren zukommenden Vermögen : "In discoursing of Sense, I shall consider it no otherwise than as a subordinate and ministerial Faculty, which is employed and made use of, in the Service and Exercise of the Understanding," so beginnt die Dissertation concerning Sense. Die ratio ist zur Herrschaft berechtigt : ,.And Thereby, is not only fitly qualified to Preside over, and Govern and Direct them, but it has a Right to make its own Uses of them ; inasmuch as whatever is incapable of Governing and managing it self, (as every thing, strictly speaking, is, that has not Reason, and is not self-conscious) does, like a natural Property and Possession, come under the Sway and Direction of That which Discerns and is a

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Reinhard Brandt

competent Judge of its Virtues and Capacities, and knows how to manage them , and make a right and proper Use and Advantage of them. So that the Senses are , by the very Condition of their Nature , subordinate to Reason, and sub­ servient to its Uses" (5-6).8 Der anonyme Autor wendet sich gegen Locke, der ver­ sucht, die menschliche Erkenntnis ohne Prinzipien a priori zu begreifen. Das Gegenstück in der politischen Theorie Lockes ist eine Aszendenzkonzeption, gemäß der die poli­ tische Herrschaft vom Volk ausgeht und ihm verpflichtet bleib t. Eine Regierung, die den elementaren Lebensinteres­ sen der Untertanen zuwiderhandelt , kann als bloße Gewalt­ herrschaft beseitigt werden. Die korrespondierende Gegen­ theorie des anonymen Autors muß lauten : Die Herrschaft verdankt sich nicht den Beherrschten, sondern einem höhe­ ren Prinzip. Wie die körperlichen Organe , auch S innlichkeit und Einbildungskraft , nur Instrumente des höheren Ver­ mögens der Erkenntnis sind, so sind - dies darf man per Analogieschluß behaupten - für den Anonymus die unteren Stände Instrumente , die zur politischen Beherrschung be­ stimmt sind. Der Autor gehört im Kräftefeld der englischen Gesellschaft nach der Glorious Revolution zu einer Schicht , die das Prinzip der Revolution ablehnt und Vorstellungen vertritt, die denen gleichen, gegen die sich schon Locke und verwandte Autoren am Ende des 17. Jahrhunderts wandten. Zu dieser sehr allgemeinen Verortung stimmt die kon­ templative Tendenz der S chrift von 1728. Das Bewußtsein zeigt, so meint der Autor, die Spiritualität des menschli­ chen Geistes, es ist das Höchste im Menschen und der ei­ gentliche Gegenstand seiner Selb sterkenntnis , die zugleich zu Gott führt. Der Autor ist nicht b ewegt von den Fragen nach dem Ursprung, Umfang und der Grenze menschlicher Erkenntnis, sondern verfolgt ein rein kontemplatives Inter­ esse, das in der Sorge um das Seelenheil fundiert ist. Der gesamte Habitus der Schrift führt auf einen Theologen, der die alte Hierarchie gegen Locke und die Glorious Revolu­ tion verteidigt. - Nach den Impulsen der Aufklärung sucht man vergeblich. Die S chrift des Autors blieb entsprechend

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ohne Erfolg in einer Zeit, die sich um die konkreten Mög­ lichkeiten des Menschen in der theoretischen Erkenntnis, der Moral unq der Ästhetik kümmerte und sich in England zur Losung machte: man is b om for action. Der Autor hat im 18. J ahrhundert keine Chance gegen Locke, so wenig wie Peter Browne und die übrigen Gegner. Locke, so schrieb J ohn Clarke 1731, "has by precept and example both , taught the World, how t o reason justly and e xactly, and contributed more than all the Philosophers before him put together, to the clearing of Mens Minds, and qualifying them for the easy and expeditious attainment of solid use­ ful knowledge"9 •

Die in dem Buch Two Dissertations concerning Sense, and the Imagination. With an Essay on Consciousness vereinig­ ten drei ungefähr gleichlangen Abhandlungen zerfallen , wie der Doppeltitel andeutet, in zwei Stücke : auf der einen Sei­ te stehen die Erörterungen über sense und imagination, auf der anderen Seite der Essay über das Bewußtsein. Die beiden ersten Abhandlungen sind explizit und implizit durch Verweise aufeinander bezogen. Es gib t in ihnen kei­ nen VLrverweis auf den Essay on Consciousness, und zwar auch dort nicht, wo ausdrücklich vom Problem des Bewußt­ seins gehandelt wird (50-52); der Essay dagegen verweist ausdrücklich auf die erste Ab handlung zurück (200) , gib t sich aber im übrigen als völlig selb ständige Schrift. So wird zu Beginn der Leser mit den Topoi des Exordiums neu be­ grüßt: " And having said thus much, to bespeak the Reader's most favourable Recep tion of this Essay . . . I shall , without detaining him any longer, immediately enter upon the Exa­ mination of our Subject ..." (144). In der Vorrede der Ge­ samtschrift "An den Leser" wird dagegen auf alle drei Tei­ le Bezug genommen. Es legt sich die Vermutung nahe, daß die b eiden Dissertations ohne den Plan des dritten Stückes verfaßt wurden; mir scheint, es gibt keine Textstelle, die diese Vermutung widerlegt, aber wohl auch keine , die sie eindeutig erzwingt. Die Tw o Disserta tions sind - im Gegensatz zum Essay in ihrer Grundtendenz p olemisch ; der Autor will zeigen, daß

XVIII

Reinhard Brandt

die bloße Sinnlichkeit und Einbildungskraft keine Verstan­ desfunktionen haben. Der Gegner ist J ohn Locke , der sei­ nerseits jedoch nur ein allgemeines natürliches Vorurteil theoretisch formuliert und zur allgemeinen Auffassung der nachfolgenden Zeit gemacht hat. Sense und imagination sind die beiden unteren Erkenntnisvermögen, das zweite setzt das erste voraus, nicht umgekehrt ; sie haben beide , so ist die These des Autors, keine Verstandesfunktion. Nach der schon von Aristoteles10 entwickelten Dreigliederung der menschlichen Erkenntnisvermögen in sense, imagina­ tion und understanding bzw. reason sollte man an dritter und letzter Stelle eines erkenntnistheoretischen Unterneh­ mens eine Erörterung des höchsten Vermögens, des Ver­ standes im engeren Sinn erwarten; der Autor ersetzt jedoch diese dritte Dissertation durch den Essay über ein Begleit­ phänomen des Verstandes, das Bewußtsein. Diese gewisser­ maßen schiefe Struktur der Schrift wird ausgedrückt in der Zweiteilung der insgesamt drei Stücke im Titel " Two Dis­ sertations . . . with an Essay . . . " . Es fehlt die Angabe des gemeinsamen Themas im Titel, und dies nicht aus Zufall, sondern aus einem vom Autor selbst angezeigten Grund : " The Design of this Tract, (and, as I may here premise, of That which follows it) being to serve only as an Introduction, or to prepare and clear the Way, to a fair and impartial Enquiry into the Nature of Human Understanding" (1-2). Wir hab en es mit fragmen­ tarischen Vorarbeiten für einen Essay concerning human understanding (im weiten und engen Wortsinn) zu tun ; der Autor selbst fühlt sich nicht in der Lage, das Ganze, auf das die Thematik verweist, selbst zu trstellen. In den beiden ersten Abhandlungen wird gegen Locke und seine Anhänger gezeigt, daß die Sinnlichkeit und die Einbildungskraft keine intellektuellen Vermögen sind. Sie bilden also die pars destruens der Gesamtlehre , der Essay on consciousness ist eine Vorarbeit auf dem positiven Ge­ biet des Verstandes. In der Gesamtkonzeption der Theorie gehört der erste negative Teil zum Beweiscorpus. Unterstellt man, daß die Dreigliederung der menschlichen Vermögen in sense, ima-

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gination, reason bzw. understanding vollständig ist , so folgt aus der negativen Analyse der ersten beiden Vermögen, daß nur das dritte für die menschliche Erkenntnis in Frage kommen kann. Die positive Darlegung selb st hat dann die Aufgabe zu zeigen, daß dies auch wirklich der Fall ist und wir nicht zum Skeptizismus genötigt sind. Insofern ist der Aufbau der gleiche wie der von Lockes Essay conceming human understanding; dort wird in Buch I gezeigt , daß der Mensch nicht über angeb orene Ideen und Prinzipien verfügt, in II-IV folgt dann die Ausführung der einzig möglichen Alternative, daß nämlich die Erkenntnis aus den Sinnen stammt. Ebenso in den Two Trea tises of Govemment: In I zeigt Locke, daß die Regierungsgewalt nicht aus bibli­ schen Ursprüngen ererbt ist, in II wird dann die einzige Al­ ternative als tatsächlich gegeben dargestellt: Die rechtmäßi­ ge Regierung leitet ihre Kompetenz von den souveränen einzelnen Menschen her, die ihr unterworfen sind. In bei­ den Fällen wird zunächst die Deszendenztheorie immanent widerlegt und dann die Aszendenztheorie ausgeführt. Es liegt also die gleiche formale Struktur vor, nur sind die Sei­ ten vertauscht. Ein mögliches Vorbild des anonymen Autors mit der gleichen inhaltlichen Aussage und Struktur ist der Platoni­ sche Dialog Theätet. Der erste - längere - Teil des Dialogs dient der Darstellung und Kritik der These , daß die Er­ kenntnis Wahrnehmung ist. Platons Gegner heißt Protago­ ras ; die Theorie , die im Dialog mit seinem Namen ver­ knüpft wird , erweist sich nach Platon in vielen Punkten als unzulänglich. Der entscheidende Defekt ist, daß sich auf sensualistischer Grundlage keine Synthesis der sinnlichen Daten denken läß t : "Schlimm wäre es, mein Sohn, wenn diese mancherlei Wahrnehmungen wie im hölzernen Pferde in uns nebeneinander lägen und nicht alle in irgendeinem , du magst es nun Seele oder wie sonst immer nennen, zu­ sammenliefen, mit der wir dann vermittels jener, daß ich so sage, Werkzeuge wahrnehmen, was nur wahrnehmbar ist" (184d 1-5) . Die Organe, vermittelst deren wir wahrneh­ men, gehören zu unserm Körper. Ab er mit den Wahrneh­ mungen allein ist es nicht möglich , etwas üb er sie zu den-

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Reinhard Brandt

ken. Wenn man vom Ton und der Farb e denkt, daß sie sind, daß sie verschieden, aber jeweils eines für sich sind, so macht man Gebrauch von Begriffen, die aus der körperli­ chen Sinnlichkeit unmöglich abgeleitet werden können . Wie im Theätet, wird die sensualistische Theorie in den Two Dissertations jedoch nicht nur widerlegt, um dann der einzig möglichen - rationalistischen - Konzeption zu wei­ chen. Der menschliche Erkenntnisaufbau ist ohne Sinnlich­ keit und Einbildungskraft nicht möglich (wie umgekehrt die empiristische Theorie die Begriffe apriori nicht als Be­ griffe überhaupt ablehnt, sondern nur ihren Ursprung in der Sinnlichkeit aufweist) , mit der Widerlegung von Prota­ goras-Locke wird zugleich die Grundlage der eigenen Theo­ rie geschaffen. Insofern sind die beiden Dissertations zu­ gleich integrierende Bestandteile der eigenen Lehre und nicht nur Teile der pars destruens, auf die man nicht zu­ rückzukommen braucht, wenn einmal die immanente Wi­ derlegung vollzogen ist - bestritten wird nicht das Phäno­ men als solches, sondern die Behauptung, mit ihm sei schon eine Erkenntnisleistung gegeben. Sense und imagina­ tion haben eine Funktion in der Erkenntnis nur als Organe, nicht für sich ; für sich sind sie auf bloß animalische Funkti­ onen des Unbewußten beschränkt. Des Unbewußten­ wenn Sinn und Einbildungskraft als solche noch keine Er­ kenntnisleistung vollziehen und als solche noch nicht mit dem an Rationalität geknüpften Bewußtsein b egleitet sind , so bilden sie die Domäne des Unbewuß ten in der mensch­ lichen Psyche ; sie stehen dem Bewußtsein als dienende Ver­ mögen gegenüber. In der Eröffnung eines psychischen Be­ reichs, der nicht identisch ist mit dem Bewußtsein , unter­ scheidet sich der Autor von J ohn Locke, der das Programm der Gleichsetzung von beidem verfolgt (wenn auch nicht durchgehend realisieren kann ) , um die Möglichkeit von an­ geb orenen Ideen und Prinzipien auszuschließen.

Einleitung

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A. A Disserta tion concerning Sense Die Form des procedere besonders der ersten Abhandlung ist dem Leser Aristotelischer Schriften vertraut. Es wird zu­ nächst eine allgemeine Behauptung aufgestellt, sie wird so­ dann in verschiedene meist nur aneinander gestellten und nicht aufeinander bezogenen Beweisen als richtig demon­ striert. Die These der ersten Abhandlung ist die der wesent­ lichen Differenz von Sinnlichkeit und Verstand und der Herrschaft des Verstandes über die Sinnlichkeit. Der Autor beginnt mit diesem letzteren Punkt und wendet sich dann zunehmend dem Aufweis der Nicht-Intellektualität der Sinnlichkeit zu. Die nach dem Grundmuster unabhängiger Einzelbewei­ se verfaßte S chrift zerlegt die intendierte Gesamtkonstruk­ tion in verschiedene verstreute S tücke. Versucht man , die Erkenntnislehre aus den disjecta membra zusammenzufü­ gen, ergib t sich ungefähr folgender Gedanke : Die Sinne lie­ fern uns, angeregt durch äußere Impulse , Empfindungen wie Farben, Geräusche, Geschmacksqualitäten, Gerüche ; was wir ihnen und ihrer passiven Rezeption verdanken , sind bloße Phänomene , Erscheinungen, die im wörtlichen Sinn nichtssagend und ohne Bedeutung sind. Sehen wir, wie eine rollende Kugel eine andere in Bewegung setzt, so ist - aber hier korrigiert sich der Autor selbst: "so I thought my self, in first Writing it down : Whereas, upon conside­ ring it, I observed that the Action of S triking, which here means a violent Shock or Impulse , and implies such a force or strength of Motion as will Push or bear forwards what stands in its way , and is capable of being Moved by it, is not perceived by Sense" (12). Selbst die Rede von dem einen Ding, der Kugel , als einem Objekt bloß äußerer Sin­ ne b eruht auf einer Täuschung: Die Dingkonstitution ist eine Sache des Verstandes, nicht der Sinne. Wir glauben ein Etwas wahrzunehmen , und sind dabei Opfer einer Illu­ sion, die die Sprache über den natürlichen Schein hinaus noch künstlich verfestigt. Locke ist das prominenteste Opfer dieser Natur- und Kulturtäuschung, gemäß der die Sinne schon Verstehensleistungen vollziehen. Die Begriffe

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von Ding, Existenz, Kausalität, sie alle werden in das Emp­ findungssubstrat hineinprojiziert. Sie entstammen nicht der Sinnlichkeit, sondern sind originäre Leistungen des Ver­ standes. Die Sinnlichkeit wird als "bare Appearance or me­ re Phenomenon" (55) charakterisiert , zu der der Verstand seine Begriffe hinzufügen muß ( "superadd", 55) . Aber was gibt dem Verstand die Möglichkeit , etwas als dieses Etwas und nicht jenes zu erkennen? Die Verstehensleistung er­ scheint in der ersten Ebene der Darstellung als ein willkür­ liches "superadd" ohne fundamenturn in re ; nur so scheint die These der Nicht-Intellektualität der Sinne haltbar zu sein. Denn was kann die Sinnlichkeit mit dem zu tun ha­ ben, was ihr von einem fremden Vermögen hinzugefügt wird? Wenn der Verstand nicht willkürlich mit einem ihm heterogenen Material verfahren und also nicht sich selb st produzieren, sondern anderes erkennen will , muß das "was" der Erkenntnis schon von Verstandesformen be­ stimmt sein. "That which , in any sensible or corp oreal Being, signifies or maketh it to signify , I shall b eg leave to call in general its Form . So that, under Form , I would camprehend every thing perceivable by our S enses that serves to signify and denote to us any Virtue, Power, or Capacity of such a Being, any Property or Quality b elan­ ging to it, or the End and Use it seems designed for. And which are the only things intelligible in corporeal Obj ects, considered, I mean, nakedly in themselves ... " (32). Die sinnlichen Erscheinungen sind also bestimmt von Formen, die zwischen den beiden Polen von sense und understan­ ding vermitteln. Die sinnliche Wirklichkeit kommt dem Verstand entgegen, sie ist nicht nur das Magma nicht-intel­ ligibler Sinnlichkeit, sondern ist wie die Druckerschwärze eines Buches in Lettern geformt: " . . . all the several Pheno­ mena in Nature , so far as they appear intelligible to us, are (as I may call them) so many natural Hieroglyphicks, each of which hath a certain Meaning and Importance ; and the Discovery whereof is a sort of Interpretation ; or the under­ standing them is the Knowledge of their several Meanings and Significations" (31-32)1 1• Wir werden, wie sich schon zeigte, durch Farbe , aber nicht durch die Form affiziert :

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"The Sigh t, for instance, is most affected with Co lour, and very rarely takes notice of the Form, or Shape of a thing, because it does not affect it " (40)12• Der Autor geht der Frage nicht nach, wie denn die Form zustande­ kommt, wenn sie uns nicht affizieren kann , und er ist sich seiner Sache auch nicht sicher, wie das "most" schon an­ deutet. So heißt es im Essay on Consciousness : "The Sense of Seeing, for Instance , we say , perceives C olours, and that of Hearing . " (167) , aber die Form der Objekte ist dann doch ein Gegenstand der sinnlichen Wahrnehmung und Af­ fektion, sowohl des Tastsinns (168) wie auch der Sinnlich­ keit überhaupt (174). Das in der Sinneswahrnehmung Apprehendierte ist ver­ ständlich aufgrund einer ihm immanenten, vom Verstand zu dechiffrierenden Form. Der Verstand steht nicht dem gänzlich Fremden gegenüber, sondern darf darauf vertrau­ en, daß seine Erkenntnisbemühungen, führen sie zu einer internen Konsistenz, auch eine objektive Geltung haben. Im subjektiven Aufriß der Erkenntnisvermögen bleib t die Konstruktion gegen Locke haltbar : von unseren Sinnen ist das vermittelte Datenmaterial nicht zu entziffern , Iapides non loquuntur - für die Sinne ; der Verstand entdeckt in ihnen eine verständliche Inschrift. Die Verstandeshandlungen sind im wesentlichen die der Abstraktion, des Vergleichens und der Refle xion. Die Ab­ straktionsleistung ist das Herauspräparieren eines bestimm­ ten Etwas als eines solchen. Die Sinnlichkeit nimmt Ge­ gebenes ohne klare Distinktionen wahr, erst der Verstand kann Bestimmungen vornehmen , indem er sinnliche Gege­ benheiten unter seinen Kategorien betrachtet. "Consider as" , wie der wenigstens seit Hobbes tradierte (meist als sol­ cher nicht b emerkte) terminus technicus lautet. "There is no arriving at the Knowledge or Understanding of any thing perceived by Sense, ( or indeed of any thing eise) but by considering it as a particular Existence , which is what is here meant by A bstraction. And This is a Conside­ ration or Thought which I believe no one will offer to as­ cribe to any of the Senses. Abstraction, I say, is absolutely necessary to the framing any Notion or Conception ab out ..

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any thing whatever; it b eing impossible to know what any thing is, or to have any Understanding or Apprehension of its Nature, without regarding and considering it abstractly and separately from every thing eise" (41-42). Der Vergleich und damit die Unterscheidung sinnlicher Objekte ist wie die Ab straktionsleistung eine Tätigkeit des Verstandes. So im Fall der rechten und linken Hand­ " . . . tho' the Sight discovers to us that one Hand hath the Appearance of such a Size or Magnitude, and such a Make or Fashion, and such a Colour; and so likewise shews the same thing of the other Hand; yet the Sight does not dis­ cover to us their Rela tion, which is the Resemblance of the two Hands, in Size, Make, and Colour: because, as it is said, it serves no otherwise than as an Instrument which we em­ ploy and make use of, to shew us the Things we intend to compare together ; in like manner as a Measure is made use of, in applying it to two Magnitudes or Dimensions, which we have a mind to compare with one another; or a Ballance, when we would weigh one Body against another" (44-45). Die dritte Grundhandlung des Verstandes ist die Refle­ xion, die mit sinnlich nicht erscheinenden Größen operiert und dadurch z. B. kausale Verhältnisse entdeckt. " Seeing that Sense, as we very weil know, is incapable of Reflec­ ting, it can therefore have no Knowledge that proceeds from Reflection, or is no otherwise to b e acquired than by it. Among innumerable Instaoces of the Necessity there is of Reflecting, especially to know the Reason or Cause of a Thing, I shall pitch only upon one, that is seemingly very obvious to Sense. It is the Interception of Light cau­ sed by an Opake Body standing before it, or its b eing b et­ ween the luminous Body, and us. Now 'tis impossible to know that the Opake Body intercepts the Light, without secretly Reflecting, that if there were no such Body before it, there would be no Interception of Light. And since the Eye or Sense of Seeing does not, as we are very certain, make this Reflection, it undeniably follows that it has no Notion or Knowledge of what is meant by Interception, or the Cause of such hindrance of Light" (49-50). Zur Er­ kenntnis spezieller Kausalrelationen gehört - unter Vorga-

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be des allgemeinen Kausalbegriffs1 3 - ein experimentieren­ der Umgang mit den Gegenständen der Erfahrung, wobei der Gedanke des Nichtgegebenseins bestimmter sinnlicher Objekte konstitutiv ist. Die Negation kann nur der Ver­ stand vollziehen. Das demonstrandum der Abhandlung ist : Die Sinne ha­ ben eine nur instrumentelle Funktion, sie sind zu eigener Erkenntnis - (oder besser: Verstehens- )leistung nicht in der Lage. Die Sinne dienen und schaffen das Material her­ bei, erst der Verstand versteht und erkennt. Um diese The­ se weiter zu erhärten, sucht der Autor den Satz zu b ewei­ sen : "Sense is not Conscious " (50ff). Die Sinne nehmen voneinander nicht Notiz, sie sind zerstreut; einzig ein ein­ heitliches, identisches Bewußtsein ("one and the same Con­ sciousness " (51), kann die verschiedenen Empfindungen als solche und als die des Subjekts erkennen. " . . . for unless I consider and regard my Perception, as my own Perception, or the Thing perceived, as perceived by my self, (which to do, is the proper Act of Consciousness) 'tis plainly impos­ sible that I should consider it at all, as an Object, or have any Notion or Apprehension of it, as such " (51). Erst durch die bewußte Verstandesleistung wird das Wahrge­ nommene zu einem Objekt und damit erkennbar. Die menschliche Erkenntnis ist unzulänglich, sie ist nicht vollständig und nicht adäquat. Die Schuld hieran trifft j edoch nicht den Verstand, sondern die Sinnlichkeit; mit dieser Feststellung schließt die Dissertatio n concerning Sense : " F or the Mind is not poor and scanty in its Notions and Concep tions ; nor does it commonly want Skill to use and apply them rightly in any Instances where Sense does not fail it, or when it hath proper Matter to work upon, and to employ its Thinking Faculties about" (68) . B. A Dissertation concerning the Imagination Die Disserta tion concerning the Imagina tion zerfällt in zwei Teile (69-92 ; 92-138). Im ersten Teil wird gezeigt, daß die Einbildungskraft Vorstellungen der Sinne frei reprodu-

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ziert und zur beliebigen Verfügung hält. Die Einbildungs­ kraft ist damit ein eigenständiges Vermögen und kann klar von den Sinnen (78-80) und vom Verstand (80-88) unter­ schieden werden. Wird die Einbildungskraft nicht vom Ver­ stand, das bloß bildhaft Imaginierte nicht von der Erkennt­ nis unterschieden, so begeht man einen höchst verfängli­ chen Irrtum. Dies gilt in gleicher Weise für die theoretische wie für die praktische Vernunft : "Nor is the Imagination less harmful and prejudicial in its Effects to the Moral Ca­ pacities of the Mind, by which is meant its Natural Sense of, and Inclination to Goodness, than to its Understanding or lntellectual Endowments. For the two great Enemies of Virtue and Goodness are our sensual Appetites and Passi­ ons. These set the Imagination on work , which is never slothful or backward to execute their Orders , but fulfils their Pleasures to the utmost, doing just always , to a tittle , as they would have it. F or it heightens and magnifies every thing, and makes the Objects of Passion and Appetite ap­ pear far greater and more considerable than they really are ; and is continually presenting to the Mind the Pleasures of Sense, as most exquisitely charming and irresistible " (8889) . Der zweite Teil trägt als Überschrift die gegen Locke ge­ richtete These: "That the Percep tion of an Idea is n o t an Act of the Understanding" (92 ) . Es wird zunächst gezeigt, daß die Wahrnehmung keine Verstandeshandlung ist (94104), sodann wird der von Locke vernachlässigte Unter­ schied von "idea" und "notion", von sinnlicher Vorstel­ lung und reinem Verstandesbegriff aufgewiesen ( 104-124) , und letztlich soll untersucht werden die "ideal Perception, both in it self, and as it stands related to Sensitive Percep­ tion" (124; vgl. 93-94) . Unter "ideal perception" wird die Vorstellung der Einbildungskraft verstanden ; sie ist, so wird gegen Hobbes (131f. ) und Locke (133f. ; vgl. schon 121f. ) zu zeigen versucht, nicht identisch mit reinen Ver­ standesbegriffen . Auf die Argumente im einzelnen soll hier nicht eingegan­ gen werden. Es sei nur auf eine für das Thema "Bewußtsein" einschlägige Überlegung hingewiesen. Der Autor verwendet

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den Begriff der perception auch für die innere Wahrneh­ mung und zwar so, daß die Handlung des Verstandes (auf die als Gegenstand die innere Wahrnehmung hier beschränkt bleibt) immer eine b ewußte und eben dieses Bewußtsein mit der Wahrnehmung identisch ist {99) . Unser Urteil über das so Wahrgenommene kann trotzdem falsch sein - wir können zu falschen Meinungen über das Denken gelangen, obwohl es uns unmittelbar als solches unfehlbar b ewußt ist. Bewußtsein und Erkenntnis also sind nicht identisch. C.

An Essay on Consciousness

Historische Vorbemerkung. - "The Essay on Conscious­ ness is the first Attempt that hath b een made on the Sub­ ject" , schreib t der Autor in der Vorrede der Gesamtschrift , und am Beginn des Essay on consciousness wiederholt und begründet er seine Behauptung; er b eruft sich auf die tra­ dierten Schriften der Philosophie und auf die antiken Bü­ cherverzeichnisse. Tatsächlich scheint der Autor die erste Monographie zum Bewußtsein und S elb stbewußtsein ver­ faßt zu hab en ; es gibt jedoch zwei Schwächen in seiner Be­ gründung des Erstanspruchs: Die antiken S chriften sind auch in ihren Titeln nicht vollständig erfaßt und überliefert ; und es ist nicht eindeutig, welchen griechischen und latei­ nischen Begriff man als Äquivalent wählen soll. Es gib t in dem Gesamtkomplex von "Bewußtsein" viele Phänomene , die in der Antike und der neuzeitlichen Literatur vor dem Autor intensiv erörtert wurden, und nichts schließt aus, daß es zu bestimmten, auch zentralen, Aspekten ausführliche Darstellungen und auch Monographien gab . Ich möchte im folgenden nur auf einige dieser Komplexe hinweisen und damit zugleich ermöglichen , die etwaige Innovationslei­ stung des anonymen Autors zu markieren. Orest spricht bei Euripides von der UVIJ€UL