Bemerkungen in den "Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen" (1764) 3787309004, 9783787309009

Mit diesem in seiner Art einmaligen Dokument ist eine Fülle der von Kant in den 1760er Jahren behandelten Themen zugängl

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German Pages 294 [320] Year 2013

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort. Von Reinhard Brandt und Werner Stark
Kant-Bildnis. Federzeichnung nach Beckers Kant-Porträt von 1768
Einleitung. Von Marie Rischmüller
lmmanuel Kants Bemerkungen in den »Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen« (Januar 1764-Herbst 1765)
Anmerkungen der Herausgeberin
Literaturverzeichnis
Erläuterungen zum Kant-Bildnis. Von Werner Stark
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Bemerkungen in den "Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen" (1764)
 3787309004, 9783787309009

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Immanuel Kant Bemerkungen in den »Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen«

Meiner · BoD

KANT-FORSCHUNGEN 111

KANT-FORSCHUNGEN Herausgegeben von Reinhard Brandt und Werner Stark

Band 3

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

IMMANUEL KANT

Bemerkungen in den »Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen« Neu herausgegeben und kommentiert von Marie Rischmüller

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

F ELI X M EI N E R V E R L AG

Im Digitaldruck »on demand« hergestelltes, inhaltlich mit der ursprüng lichen Ausgabe identisches Exemplar. Wir bitten um Verständnis für unvermeidliche Abweichungen in der Ausstattung, die der Einzelfertigung geschuldet sind. Weitere Informationen unter: www.meiner.de/bod

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliogra­phi­­sche Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. isbn 978-3-7873-0900-9 ISBN eBook: 978-3-7873-2538-2

© Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 1991. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§  53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Gesamtherstellung: BoD, Norderstedt. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruck­papier, hergestellt aus 100 % chlor­frei gebleich­tem Zellstoff. Printed in Germany.  www.meiner.de

VORWORT

Kants Notizen in seinem mit weißen Blättern durchschossenen Exemplar der >>Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen« von 1764 erweckten bei ihrem ersten Herausgeber, Friedrich Wilhelm Schubert, den Eindruck, es handle sich um ergänzende Reflexionen zu eben diesen »Beobachtungen«, vielleicht, so wurde später vermutet, im Hinblick auf eine zweite Auflage. Der Titellautete in Schuberts Auswahl von 1842 und der Akademie-Ausgabe von 1942 »Bemerkungen zu den Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen«. Aber die Notizen auf den eingebundenen Blättern sind (im Gegensatz zu einigen Randbemerkungen) dezidiert keine Bemerkungen zu den »BeobachtungenGeheimes Tagebuch von einem Beobachter seiner selbst.>Anthropologiewelche den Stoff zum Tagebuch eines Beobachters seiner selbst abgiebtleichtlich zu Schwärmerei und WahnsinnIlluminatism>Terrorism«. 4 Während Montaigne dem 18. Jahrhundert als der Prototyp des >>Egotisten-Philosophen>Der Zuschauer«, in seinen Werken, >>niemals von sich selbst zu reden«. 6 Wenn Hamann die psychologische Analyse in den Romanen Richardsons und Rousseaus euphorisch mit den Worten begrüßt, daß >>nichts als die Höllenfahrt der Selbsterkenntnis ... uns den Weg zur Vergötterung« bahnt!, so repliziert Karrt, >>daß man nicht viel erfreuliches zu finden vermuthet, wenn man die schwürige Höllenfarth zur Erkenntnis seiner selbst anstellen würde«. 8 Selbst in den >>Nebengedanken« Kants, diesem einmaligen Dokument seiner Arbeits- und Denkweise, seiner zentralen Gedankenmotive und psychischen Antriebskräfte, sind direkte Selbstaussagen äußerst spärlich vertreten 9 : >>ich bin selbst aus Neigung ein Forscher ... Rousseau hat mich zurechtgebracht ... « - wir kennen diese Äußerungen, wir haben nach diesem Ich Kants gegriffen, wie nach dem festen Punkt, von dem aus Zugang zu seinem Werk zu gewinnen ist. Man kann mit Recht an einer philosophiehistorischen Praxis zweifeln, die unter historistischem und psychologistischem Einfluß dazu übergegangen ist, alles verfügbare schriftliche Material eines bedeutenden Autors dem von ihm autorisierten Werk gleichzustellen. In der harmlosen Version beinhaltet diese Praxis, daß die Erschließung der Quellen und des Entwicklungsgangs des Autors Karrt beispielsweise das Verständnis der in der >>Kritik der reinen Vernunft« vorgetragenen Ideen erleichtert. Minder harmlos beinhaltet sie, daß das Verständnis der Person und nicht die kritische Auseinandersetzung mit der vorgetragenen Theorie in den Vordergrund rückt. Dem voyeuristischen Blick erscheint dann jede Äußerung, jeder Brief, jede noch so flüchtige Notiz gleich bedeutsam für das philosophische Werk. Das sind jedoch abstrakte Erwägungen. Ebenso wie es ein Traum der Philosophie war, sich durch Verwirklichung ihrer Lehren selbst aufzuheben, so gab es den Traum von dem sich selbst erklärenden, seine Entstehung und Vorgeschichte in sich aufhebenden philosophischen Lehrbuch. In der Wirklichkeit philosophiegeschichtlicher Forschung sind wir darauf angewiesen, alles verfügbare Material zusammenzutragen und kommentierend, erläuternd und interpretierend 6 Der Zuschauer, 562. Stück, 28. Vgl. das Bacon-Motto der Kritik der reinen Vernunft: >>De nobis ipsis silemus«. 7 Hamann in seiner Antwort auf Mendelssohns Rezension von Rousseaus »Nouvelle Heloise>galanten Magisters« arbeitet, - all diesen Interpreten den Umgang mit Kants »Nebengedanken« zu erleichtern, ist das Ziel der Neuedition. Aber, so kann mit Lichtenberg angesichts der vielen, z. T. banalen Anmerkungen gefragt werden, »sind das nicht Subtilitäten, braucht man das zu wissen?« 10 Und der Verfasser der »Sudelbücher«, deren Form den Kantischen »Nebengedanken« so verwandt ist, fährt fort: »Gerade an diesen simplen Fällen müssen wir die Operationen des Verstandes kennen lernen. Wollen wir dieses erst bei dem Zusammengesetzten tun, so ist alle Mühe vergebens. Diese leichten Dinge schwer zu finden, verrät keine geringen Fortschritte in der Philosophie.- Was aber das andere anbetrifft, so antworte ich: Nein! man braucht es nicht zu wissen; aber man braucht auch kein Philosoph zu sein.« 11 Der Fülle des Materials und der von Kant angesprochenen, aber selten argumentativ ausgeführten Probleme, dem Reichtum der mittelbaren und unmittelbaren Bezüge zur zeitgenössischen Diskussion und zu anderen philosophischen Texten und der Vielfalt der Verbindungslinien zum Werk des >>kritischen« Kant, - all dem konnten die Anmerkungen in keinem Fall gerecht werden. Sie mußten beschränkt werden: Bis auf Einzelfälle ausgeschlossen wurden Hinweise auf die weitere Entwicklung von Kants Philosophie. Auf die in der bisherigen Sekundärliteratur erarbeiteten Quellenverweise und Interpretationen, insbesondere zu den rechtsphilosophischen und ästhetischen Themen, wird nur knapp verwiesen, auf eine paraphrasierende Wiedergabe aber in der Regel verzichtet. Bei allen als Zitat, Anspielung oder historisch-faktischen Hinweisen erkennbaren Notizen ist der Kommentar 10 Zitiert nach A. Schöne, Aufklärung aus dem Geist der Experimentalphysik, S. 21 (K 65). II Ebenda (L 974).

Einleitung

XV

beim Nachweis der Quellen um Objektivität bemüht; die Subjektivität der Auswahl dessen, was dechiffriert und erläutert werden konnte, versteht sich von selbst. In Anbetracht des bunten Mosaiks, das Kant uns mit seinen >>Bemerkungen« sehen läßt, erlaubt sich auch der Kommentar eine gewisse Farbigkeit. II. Zur Jahreswende 1763/64 erschien Kants Schrift »Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen« bei Kanter in Königsberg. Sie markiert zwar den Eintritt des »galanten Magisters>erhabener>Beobachtungen« beziehen, sei es als verbessernder Zusatz oder als weiterführende Überlegung. Die Tatsache ihrer Nichtberücksichtigung bei den beiden Neuauflagen allein widerspricht noch nicht der These, daß Kant ursprünglich eine Umarbeitung beabsichtigt hatte. Der Befund durch die Neutranskription jedoch widerlegt diese These: Kants Aufzeichnungen weisen eine klare Zweiteilung auf, die in den bisherigen Editionen, wie sie bei Schubert und in Band XX der Akademie-Ausgabe vorliegt, nicht wiedergegeben ist. Auf den Durchschußblättern hat Kant fortlaufend Überlegungen zu verschiedenen Themen notiert, die nur zum Teil mit den (dann auf ganz anderen Seiten verhandelten) Themen der »BeobachtungenBeobachtungenTräumen eines Geistersehers>blau Papier heften« (Hamann-Briefwechsel, Bd. II, 285). Vgl. ferner Herders Brief an Hamann von April1768 (Hamann-Briefwechsel, Bd. II, 413) und Nadler, Die Hamannausgabe. Vermächtnis. Bemühung. Vollzug. Halle 1930, 181 ff. 21 Vgl. Immanuel Kant's Sämmtliche Werke, hg. Rosenkranz/Schubert, Band XI, 1: Briefe. Erklärungen. Fragmente aus seinem Nachlasse. Leipzig 1842, 221-260. 22 Vgl. Erdmann, Reflexionen Kants, 62. 18

19

XVIII

Marie Rischmüller

nach dem Tod von Nicolovius (1836) sich die Handschrift unter der Masse seiner Papiere befand, die von »Gewürzkrämern>Herr Prediger Andersch traf zufällig dies Manuskript bei einem Krämer und überließ es mir später mit bereitwilliger Zuvorkommenheit als Eigenthum.>Kam-Kiste>I. Kants Bemerkungen zu seinen Beobachtungen, II. Nachträge zu den BeobachtungenBemerkungen zu den Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen>nach dem Original wiedergegeben>in der bereits beim opus postumum angewendeten Technik und mit erst nachträglicher Berücksichtigung der von Adickes reproduzierten StückeBeobachtungen« wird verstärkt durch die im Druck nicht ersichtliche Zweiteilung der >>Nebengedanken«. In der neuen, diplomatisch getreuen Transkription können durch die zeilenmäßige Wiedergabe der Anordnung der Worte, Satzfragmente und Sätze auf den einzelnen Blättern Kants Einschübe, Verbesserungen, Zusätze und Nachträge dokumentiert und ausgewertet werden. So weit wie möglich sich dem Original-Schriftbild annähernd, macht die Edition jetzt die Werkstatt, in der wir uns bei der Lektüre von Kants Notizen befinden, anschaulich. Demgegenüber erweckt die Lebmannsehe Edition wenn nicht den Eindruck eines abgeschlossenen Werks, so doch den einer fast ausgefeilten Aphorismen-Sammlung. Kant ist jedoch, wie Lebmann selbst bemerkt, kein Aphoristiker. 32 Angesichts des Werkstatt-Charakters, den das Manuskript besitzt, und angesichts der Vorarbeiten von Adickes und seinen Schülern zur Erleichterung des Textverständnisses, die Lebmann vorlagen und die er in seinen Erläuterungen teils mit Nennung von Adickes, bisweilen ohne wiedergibt, teils vergißt oder nicht weiter verfolgt, erstaunt die unzulängliche Kommentierung. Dem Benutzer der bisherigen Ausgabe wurde schier Unmögliches zugemutet. Auf Seite 132 sieht er sich einem >>S. Evermond« gegenüber (AA XX 132,10), der- so die Anmerkung- auch >>Everard>Gedanken von der Oper>Bemerkungen>Anmerkungen« sind zusammengefaßt Nachweise von Zitaten und Quellen, Vor- und Rückverweise innerhalb der >>Bemerkungen«, Parallelverweise auf andere Schriften Kants, Übersetzungen wie auch interpretierende Kommentare. Die >>Lesarten>Montagu>EvremondBemerkungenLesarten>Anmerkungen>Kommapunkte>[ }< eingeschlossen. 34

Vgl. AA XX, 3 zu Zeile 9 u. ö.

Einleitung

XXIII

3) Zeichen: Klammern und Verweisungszeichen (wie z. B. ':-) sind von Kant. 4) Zuscitze: Soweit anhand der Adickes-Aufzeichnungen und der Fotografien nachvollziehbar, werden ein- und nachgeschobene Reflexionen, Zusätze und über den Zeilen Stehendes in Winkelklammern < > gesetzt. 5) Sigel: Die wenigen Kamischen Sigel werden stillschweigend aufgelöst, z. B. das durch Ligatur entstandene handschriftliche >>undn>mV>undaOU>Schönen und Erhabenen« Die Bedürfnisse des Menschen der Natur sind [die Nothdurft] machen ent I Eine Ursache weswegen die Vorstellungen des Todes die I Wirkung nicht thun, die sie könnten ist weil wir von Natur I billig gar nichtdarandenken solten als geschäftige Wesen I

[3] Rückseite Die Lustigkeit ist übermüthig, lästig und zersröhrend aber die Seele m Ruhe I ist wohlwollend und gütig. I Der Witz gehört zu entbehrlichen Dingen I ein Mann der diesen bey einer Frau zur Hauptsache I macht ist eben so als wenn er Meerkatzen und Papageyen 5 1 zu kaufen seyn Vermögen aufwendete. I Eine von den Ursachen weswegen die Ausschweifung des weiblichen I Geschlechts im unverheyratheten Stande verwerflicher ist I besteht darin weil wenn die Männer in diesem Stande I ausgeschweift haben sie gleich wohl dadurch sich nicht 10 zur Untreue in Ehen vorbereiten denn ihre Lüsternheit I hat wohl zugenommen aber ihr Vermögen abgenommen I dagegen bey einer Frau das Vermögen unbeschrenkt I ist wenn nun die Lüsternheit zunimmt so wird I sie durch nichts zurük gehalten deswegen wird 15 1 von unzüchtigen Weibsbildern praesumirt sie I werden untreue Weiber seyn nicht aber von I dergleichen Männern I 1

Aller Zweck der Wissenschaft ist entweder eruditiv (Gedächtnis) I oder Speculation (Vernunft), Beydes muß darauf hinauslaufen 20 den Menschen verständiger (klüger weiser) in der der menschlichen Natur I überhaupt angemessenen Welt zu machen und also gnugsamer I 1

19 solten] solten? sollen? 3,3 Der Witz gehört] Der Witz gehört? Der Reitz geschickt? 13 Vermögen] XX 7,4: Verlangen 20 Speculation] XX 7,9: speculativ Beydes] ms: Beyde

Bemerkungen

11

Eine zärtliche Weiberliebe hat die Eigenschaft andere sittliche I Eigenschaften zu entwickeln aber die wollüstige sie I niederzudrücken. 25 1 I Die gefühlvolle Seele in Ruhe ist die größeste Vollkommenheit I in Rede in Poesie Gesellschaft kann aber nicht immer seyn, sondern ist das letzte Ziel I Auch so gar in Ehen. Junge Leute haben wohl viel Empfindung I aber wenig Geschmak der enthusiastische oder begeisterte Stil verdirbt 30 I den Geschmak. Verkehrter Geschmak durch Romane und galante Tändeleyen. I Der gesunde verzärtelte verwöhnte Geschmak. I Ein verständiger aber nicht kluger Mann nicht listig I ein kluger aber nicht weiser Mann. höhere Manieren I Das Frauenzimmer hat einen feinen Geschmak in der Wahl desjenigen was auf die Empfindungen 35 des Mannes wirken kann und der Mann einen stumpfen. Daher gefällt er am besten wenn er I am wenigstendarandenkt zu gefallen. Dagegen hat das Frauenzimmer einen [stumpf] gesunden I Geschmak an demjenigen was ihre eigenen Empfindungen angeht I 1

Eingeschossenes Blatt nach Titelblatt [4] Vorderseite Bärtige Weiber unbärtige Männer. Wacker häußlich I Die Ehre des Mannes besteht in der Schätzung seiner selbst des Weibes im Unheil anderer. I Der Mann heyrathet nach seinem Unheil das Weib nicht wieder der Eltern U rtheill Das Weib setzet der Ungerechtigkeit Thränen der Mann Zorn entgegen. I Richardson [führt bis ... ] giebt bisweilen ein U rtheil des Seneca einem Weibe in 5 1 den Mund und setzet dazu wie mein Bruder sagt. Wäre sie verheyrathet I so würde es heissen wie mein Mann mir sagt. I Männer werden süß gegen die Weiber wenn die Weiber männlich werden. I Beleidigung der Weiber in der Gewohnheit ihnen zu schmeicheln. I Die 26 Geschmak] XX 7,14: Geschmack 32 Geschmak] XX 7,21: Geschmack 34 Manieren] Manieren? Maniren? 38 Geschmak] ms: schmack (Blattecke abgerissen)

12

lmmanuel Kam

Weichlichkeit rottet mehr die Tugend aus als die Lüderlichkeit würdige einer Hausfrau. I

10 1

das Ehr-

Eitelkeit der Weiber macht daß sie nur glüklich sind im Schimmer I ausser Hause I Der Muth einer Frau besteher in dem gedultigen Ertragen der Übel um ihrer I Ehre oder um der Liebe willen. Des Mannes in dem Eifer sie trozig 15 1 zu vertreiben. I Omphale nöthigte den Herkules zu spinnen.

I

Da so viele läppische Bedürfnisse uns weichlich machen so kann uns I der bloße ungekünstelte moralische Trieb nicht genug Kräfte geben I daher etwas phantastisches dazu kommen muß 20 1

Woher der Stoiker sagt: Mein Freund ist kranck was gehts mich an I Kein Mensch ist der nicht das schweere Joch der Meinung fühlet und I keiner schafft es ab. I Das Chimärische der Freundschaft in unserem Zustande und das phantastische I im Alten. Aristoteles 25 1 Cervantes hätte besser gethan wenn er anstatt die phantastische und romanische I Leidenschaft lächerlich zu machen sie besser dirigirt hätte. I Die Romane machen edle Frauenzimmer phantastisch und gemeine albern. I edle Männer auch phantastisch, gemeine faul I Rousseaus Buch dient die Alten zu bessern

30 1

Nach der Einfalt der Natur kann ein Weib nicht viel Gutes thun I ohne durch Vermittelung des Mannes. Im Zustande der Ungleichheit I und des Reichrhums kann es unmittelbar I Moralischer Luxus. In Sentiments die ohne Wirkung seyn

I

Die innere Bekümmernis über das Unvermögen zu helfen oder über 35 die Aufopferung wenn man hilft imgleichen die eigene Feigheit welche uns 1

4,12 glüklich] XX 8,21: glücklich viel 19 der bloße] ms: die blosse

14 gedu!tigen] XX 8,23: geduldigen 18 viele] ms: 21 Stoiker] ms: Stoicker kranck] XX 9,5: krank

Bemerkungen

13

glauben macht daß andre vielleiden ob sie gleich es billig I ertragen könnten macht das Mitleiden. Übrigens ist dieses ein großes I Gegenmittel gegen den Eigennutz. Diese Triebe sind insgesamt I beym natürlichen Menschen sehr kalt. 401 Die natürlichen Erhebungen sind Erniedrigungen unter seinen Stand I z. E. sich zum Stande des Handwerkers erheben I Die verhältnismäßige Schätzung ist zwar unnöthig aber I im Stande der Ungleichheit und Ungerechtigkeit ist es gut sich mit einem gewißen I Stoltz oder wenigstens Gleichgültigkeit gegen die aufgeblasenen Großen zu 45 1 setzen um gegen Gringere gleich zu seyn I Man muß mit einer gewissen Weite I

[5] Rückseite, gegenüber Druckseite B1 Obgleich ein langer Mann darum nicht ein großer Mann ist I so stimmt die körperliche Größe doch mit dem Unheil über I die moralische I Es ist leichter einen Edelmann als einen Menschen zu erziehen. I Er sey ein Verächter des gemeinen Gesindels denn so 5 1 muß er jederzeit den Arbeitsamen und Unterdrückten nennen I damit man glaube er sey geschaffen ihn zu ernähren. I Die Gelehrten in China lassen sich die Nägel an der I linken Hand wachsen I Unter allen Ständen ist keiner unnutzlicher als der 10 1 Gelehrte so lange es in der natürlichen Einfalt ist I und keiner nöthiger als derselbe im Stande der I Unterdrükung durch Aberglauben oder Gewalt I Die Bedachtsamkeiten gehören zur kleinen und schönen Gemüthsart I Das Frauenzimmer hat eben so große Affecten als der Mann 15 1 aber sie sind dabey überlegter vornernlieh was die I Anständigkeit betrift der Mann ist unbesonnen. Die I Chinesen und Indianer haben eben so große Affecten als die I Europäer aber sie sind gelassener. Das Frauenzimmer I ist rachgierig 201 Die aufgehende Sonne ist eben so prächtig als die I untergehende aber der 39 insgesamt] XX 10,1: insgesammt 41 natürlichen] ms: natürl: I XX 10,3: natürliche 47 einer gewissen Weite] einer gewissen Weite? einem gewissen Weibe? 5,13 Unterdrükung] XX 10,20: Unterdrückung

14

Immanuel Kant

Anblik der ersteren schlägt I ins Schöne des letztrenins Tragische und Erhabene ein I Das was eine Frau in der Ehe thut läuft weit mehr auf die natürliche I Glükseeligkeit aus als was der Mann thut wenigstens in unserem 25 1 gesitteten Zustande I Weil in dem gesitteten Verhältniß so viel unnatürliche Begierden I sich hervorfinden so entspringt auch gelegentlich die Veranlassung I zur Tugend und weil so viel Üppigkeit im Genusse und im I Wissen sich hervorfindet so entspringt die Wissenschaft. Im 30 natürlichen Zustande kann man gut seyn ohne Tugend und vernünftig I ohne Wissenschaft I 1

Ob der Mensch besser im einfältigen Zustande es haben würde ist jetzt I schweer einzusehen 1. weil er sein Gefühl vor einfältige Vergnügen I verlohr. 2. weil er gemeiniglich glaubt daß die Verderben die in dem 35 gesitteten Zustande seyn auch im Stande der Einfalt sind I 1

[6] Druckseite Bl oberer Rand, über und neben der Vignette

li 207,1-11

Die Glükseeligkeit ohne Geschmack beruht auf der Einfalt und I Gnugsamkeit der Neigung die mit Geschmack auf der gefühllvollen Seele in Ruhe; daher muß man auch ohne Gesellschaft glücklich I seyn können. Die Belustigungen keine Bedürfnisse. Die Ruhe nach der Arbeit I ist angenehm 5 1 Man muß überlhaupt nicht I dem Vergnügen nachlrennen. I

unterer Rand Man muß unterscheiden er ist nach dem Geschmak anderer aber 10 1 er besitzt Geschmak in [Ansehung] dem Unheil über andre I Die Frauen wissen sehr wohl nach dem Geschmak andrer zu schäzen I und kennen daher andrer Gemüther leicht und haben guten Geschmak I ihn zu befriedigen aber an anderen Persahnen haben sie einen I schlechten Geschmack, welches gut ist Daher heyrathen sie 15 1 alle auch die Reichste I

25 Glükseeligkeit] XX 11,7: Glückseeligkeit 35 verlohr.J XX 11,16: verlohren 6,1 Glükseeligkeit] XX 12,1: Glückseeligkeit Geschmack] XX 12,1: Geschmak 2 Geschmack] XX 12,2: Geschmak 10 aber] XX 12,6: oder 11 [Ansehung]] XX 12,7: Ansehung dem Unheil] dem Urtheil? den Urtheilen? 12 andrer] XX 12,8: anderer schäzen] XX 12,8: schätzen 14 einen] ms: ein 15 Geschmack] XX 12,10: Geschmak

Bemerkungen

15

II 208,22

[7] Druckseite B2 am Rand, neben Zeile 15-18 Zartheit und Zärtlichkeit I der Empfindung I Geschmack wählt in Kleinigkeiten I

Eingeschossenes Blatt nach B2 [8] Vorderseite

II 207,11-208,4

Der logische egoism I Die gemeinen Pflichten bedürfen nicht zum Bewegungsgrunde der Hofnung eines I andern Lebens aber die größere Aufopferung und Selbstverleugnung hat wohl I eine innere Schönheit aber unser Gefühl der Lust darüber kann niemals I an sich so stark seyn daß es den Verdruß der Ungemächlichkeit über 5 1 wiege wo nicht die Vorstellung eines künftigen Zustandes von der I Dauer einer solchen moralischen Schönheit und der Glükseeligkeit die I dadurch vergrößert werden wird daß man sich noch tüchtiger finden I wird so zu bandien ihr zu Hülfe kommt I Alle Vergnügungen und Schmerzen sind entweder körperlich oder idealisch zu 10 1 den letzteren I Eine Frau wird beleidigt oder [durch Ungerechtigkeit] gedrückt I wo keine Verantwortung sondern Drohen helfen kann. Sie bedient sich I ihrer rührenden Waffen der Thränen des wehmüthigen Unwillens I und der Klagen, erduldet aber gleichwohl das Übel ehe 15 1 sie der Ungerechtigkeit nachgiebt. Sehet da den Muth der I Frau. Der Mann entrüstigt sich daß man so dreust seyn I darf ihn zu kränken er treibt Gewalt mit Gewalt I zurück [drohet] schrecket und läßt den Beleidiger die I Folgen der Ungerechtigkeit fühlen. Sehet da den Muth des Mannes 20 Es [sind] ist nicht nöthig daß der Mann über die Übel des Wahnes I sich entrüste er kann sie männlich verachten. Wohl aber wird I er über diese Übel wenn sie einem Frauenzimmer begegnen I sich als über wahre Beleidigung aufgebracht. I 1

7,3 Geschmack] XX 12,12: Geschmak 8,3 andern] XX 12,16: anderen 7 Glükseeligkeit] XX 12,21: Glückseeligkeit 9 handlen] XX 22: handeln 11letzteren] XX 12,24: Ietztern 24 sich JXX 13,10: (sinngemäß 24 Beleidigung] XX 13,11: Beleidigungen weggelassen)

16

lmmanuel Kam

Eine Frau kann sich der äussersten Waffen ihres Zorns 25 des Scheltens der Gegenvorwürfe bedienen gegen ein Weib I niemals aber gegen einen Mann ausgenommen vermittelst der I Drohungen gegen einen andern Mann I 1

Wenn die [Männer] Weiber sich zanken oder schlagen so lachen die Männer darüber I nicht aber umgekehrt 30 1 Die Zweykämpfe haben vornernlieh um des Frauenzimmers willen I einen Grund in der Natur. I In dem jetzigen Zustande kann ein Mann sich keiner andern Mittel gegen I Ungerechtigkeit bedienen als eine Frau nemlich nicht nach der Ordnung der I Natur sondern der bürgerlichen [Gesellschaft] Verfassung vermittelst 35 1 der Obrigkeit. I

Rousseau. Verfährt synthetisch und fängt vom natürlichen Menschen an I ich verfahre analytisch und fange vom gesitteten an I Das Landleben entzückt einen jeden vornernlieh das Schäferleben I und doch verzehrt den Gesitteten darin die Langeweile 40 1

[9] Rückseite, gegenüber B3

II 208,4-20

Das Herz des Menschen mag beschaffen seyn wie es I wolle so ist hier nur die Frage ob der Zustand der I Natur oder der [sittliche] gesittete mehr würkliche Sünde I und Fertigkeit dazu entwickele. Es kann das moralische Übel I so gedämpfet seyn daß sich in Handlungen lediglich ein Mangel 5 größerer Reinigkeit niemals aber in merklichem Grade I positives Laster zeigt (derjenige so nicht heilig ist ist darum I nicht lasterhaft) dagegen kann sich dieses nachgerade so I entwickeln daß es zum Abscheu wird. Der einfältige I Mensch hat wenig Versuchung lasterhaft zu werden. 10 Lediglich die Üppigkeit macht die große I Reitzungen aus und die Cultur der moralischen I Empfindungen und des Verstandes kann sie [wohl] I niemals zurükhalten, wenn der Geschmak an Üppigkeit I schon gros ist. 15 1 1

1

Frömmigkeit ist das complementi der moralischen Bonitaet I zur Heiligkeit. In der Relation eines Menschen zum I andern ist davon nicht 25 äussersten] XX 13,12: äußersten 28 andern] XX 13,14: anderen 33 andern] XX 14,1: anderen 34 nemlich] XX 14,2: nämlich 9,11 große] ms: großte 14 zurükhalten] XX 15,2: zurückhalten 16 complementz] ms: camplernenturn 18 andern] XX 15,5: anderen

17

Bemerkungen

die Frage. Wir können I natürlicherweise nicht heilig seyn und dieses haben wir I durch Erbsünde verloren wir können aber wohl moralisch 20 1 gut seyn. I Ist es nicht vor uns gnug daß [wir] ein Mensch niemals lügt I ob er gleich eine geheime Neigung hat welche wenn sie in die Umstände I gesetzt würde die sie entwickeln lügen würde? I Fragen wir wohl darnach ob der Mensch seine Handlungen der 25 Redlichkeit der Treue p. p. aus der Betrachtung einer göttlichen I Verbindlichkeit unternimmt wenn er nur jene ausübt I obgleich diese Handlungen in so fern sie nicht dadurch geschehen I vor Gott verwerflich seyn. I 1

Um zu beweisen wie der Mensch von Natur verderbt 30 sey beruft man sich auf den gesitteten Zustand I Man solte sich auf den natürlichen berufen. I 1

Handlungen der Gerechtigkeit sind diejenige deren Unterlassung einen andem I natürlicher Weise bewegen wird uns zu hassen Handlungen der Liebe deren I Unterlassung [den Grund] kein Grund der Liebe anderer gegen uns 35 1 seyn wird I

[10] Druckseite B3 am Rand, neben Zeile 13 und 14 Nützlichkeit I Blüthen

II 207,22

I

unterer Rand

II 208,20

Weil der Weiber [Grundtalente] Grundeigenschaften I darauf ausgehen den Mann zu erforschen und seinen Neigungen auch leicht ein I Blendwerk machen so sind sie gemacht zu regiren und regiren auch 5 alle in Nationen die Geschmak haben I 1

Eingeschossenes Blatt nach B4 [11] Vorderseite

II 208,20-37

Es giebt eine vollkommenste Welt (moralische) nach I der Ordnung der Natur und nach dieser fragen I wir imgleichen eine übernatürliche I 24 entwickeln] XX 15,11: entwikeln 28 in so fern] XX 15,15: in sofern 15,17: sollte 35 Grund der Liebe] (gemeint:) Grund des Hasses? 10,3 [Grundtalente]] (nicht gestrichen?)

32 solte] XX

18

lmmanuel Kant

Der Tugendhafte siehet den Rang anderer an ihnen I mit Gleichgültigkeit obgleich wenn er ihn auf sich referirt sl mit Verachtung an I Man kann entweder seine üppigen Neigungen einschränken oder I indem man sie beybehält Gegenmittel wieder ihre I Kränkung erfinden. Zu den Letzteren gehören Wissenschaften und Ver/achtung des Lebens um der Naheit des Todeswillen und Trost 10 1 des künftigen I Die Langeweile ist eine Art von Sehnsucht zu einem idealischen I Vergnügen I Die heilige Schrift wirkt mehr auf die Verbesserung I wenn übernatürliche Kräfte dazu kommen. Die gute moralische !SI Erziehung mehr wenn alles blos nach der Ordnung der Natur I geschehen soll I Ich gestehe es daß wir durch die letztere keine Heiligkeit I welche rechtfertigend ist hervorbringen können aber wir I können doch eine moralische Bonitaet coram foro humano 20 / hervorbringen und diese ist jener so gar beförderlich. I Eben so wenig wie man sagen kann die Natur habe uns I eine unmittelbare Neigung zum Erwerb (die I filtzige Habsucht) eingepflanzt so wenig kann man I sagen sie habe uns einen unmittelbaren Trieb 2 sl der Ehre gegeben. Es entwickeln sich beyde und sind I beyde [so wie] in der allgemeinen Üppigkeit nützlich I Aber daraus läßt sich nur schliessen daß eben I so wie die Natur Schwielen bey harter Arbeit I hervorbringt sich auch selbst in ihren Verlezungen 30 / Gegenmittel erschaffet I Die Verschiedenheit des Standes macht daß so wenig I man sich in die Stelle des dienstbaren Pferdes setzt um I sein elendes Futter sich vorzustellen eben so wenig I setzet man sich an die Stelle des Elendes um dieses 35 / zu fassen I

[12] Rückseite, gegenüber BS

II 208,37-209,15

Die Vorschriften zum glükseeligen Leben können zwiefach seyn I 1. Daß man zeige wie nach allen schon erworbenen Neigungen I der Ehre der Üppigkeit man seine Zwecke erhalte I und zugleich Vorstellungen die dem 11,21 so gar] XX 17,4: sogar 26 entwickeln] XX 17,8: entwikeln kleckst) 30 Verlezungen] XX 17,11: Verletzungen 12,2 Daß] daß? dass? 3 erhalte] XX 17,18: erhalten

28 Aber] (ver-

Bemerkungen

19

Kummer der I daraus entspringt vorbeugen können als von dem 5 1 künftigen Leben von der Nichtigkeit dieses Lebens p. p. I 2. Oder daß man diese Neigungen selbst zur Mäßigung I zu bringen sucht. I Der Stoicker ihr Fehler daß sie durch Tugend I blos ein Gegengewicht gegen die Schmerzen aus 10 1 Üppigkeit suchten. Antisthenes Schule suchte I die Üppigkeit selber auszurotten. I Der Stoicker Lehre vorn Zorn aus Verachtung I anderer. I Die jetzige Moralisten setzen viel als Übel voraus und 15 1 wollen lehren es zu überwinden und viel Versuchung zum Bösen I voraus und schreiben Bewegungsgründe vor sie zu überwinden I Die rousseausche Methode lehrt jenes vor kein Übel und I diese also vor keine Versuchung zu halten. I Es ist niemand mäßiger im Genus als ein Karger 20 Die karge Habsucht entspringt aus einer Begierde zu vielerley I Genus wozu keine wirkliche sondern chirnärische Neigung I in dem Kargen ist weil er von Hörensagen sie als große Güter I ansieht ob er gleich ansich mäßig ist. Dieses ist die dreiste I Kargheit. Die feige Kargheit. 25 1

1

Die Drohung der ewigen Bestrafung kann nicht der I unmittelbare Grund moralisch guter Handlungen seyn I aber wohl ein starkes Gegengewicht gegen die Reitzungen I zum Bösen damit die unmittelbare Empfindung der I Moralitaet nicht überwogen werde. 30 1 Es giebt gar keine unmittelbare Neigung zu bösen I Handlungen wohl aber eine unmittelbare zu guten I

[13] Druckseite BS oberer Rand

II 208,37

Dieses idealische GefühL:- sieht in der todten Natur Leben oder bildet I sich ein es zu sehen. Bäume trinken den benachbarten Bach. Der Zephyr !lispelt den Verliebten. Wolken weinen an einem melancholischen Tage I Felsen drohen wie Riesen. Die Einsamkeit ist doch bewohnt durch träumerische I Schatten und das Todesschweigen der Gräber 5 1

7 daß] Daß? Dass? 11 Antisthenes] ms: Anthistenes 23 große] große? grosse? ansich J XX 18,4: an sich 13,1 idealische] ms: Idealische Natur] XX 18,12: Materie

24

20

Immanuel Kam

phantastisch

Daher kommen die Bilder und I der bilderreiche I Geist. I

rechter Rand, neben Zeile 12 und 13

II 209,7

Idealisch I [daher schön] 1o 1

neben Zeile 18-24

II 209,11-15

Philosophische I Augen sind microlscopisch. Ihr I Blik sieht genau I aber wenig [und ist 15 1daher] und seine I Absicht ist Warheit. I Der sinnliche I Blik ist kühn und versorgt I die schwärmerische 20 1 Ausschweifung die rührend I obzwar nur in der Einbilldung angetroffen wird,:- I

unterer Rand

II 209,15

Schön und erhaben ist nicht einerley. Jenes schwellet das Hertz I auf und macht die Aufmerksamkeit starr und angespannt. Daher ermüdet 25 es. Dieses läßt die Seele gleichsam in einer weichlichen Empfindung schmeltzen I und [läßt] indem sie die Nerven nachläßt versetzt sie das Gefühl in sanftere I Rührung die doch wo sie zu weit geht sich in Mattigkeit Überdruß und I Ekel verwandelt 351 1

[14] Druckseite B6 am Rand, neben Zeile 2

li 209,15

kühn I

am Rand, neben Zeile 24-27

II 209,30 ff.

,:. Vornernlieh sind I die mehresten Männer I weibisch oder gemein I und also noch schlechter 5 1 zum Umgang als Weiber I

unterer Rand

II 209,33

Woher kommts das unsere Gesellschaften ohne Frauenzimmer I ziemlich schmaklos seyn da sie es doch nichtbeyden Griechen I waren nochbeyden 7 bilderreiche] bilderreiche? (verstümmelt) 14 Blik] Blik? Blick? 19 Blik] Blik? Blick? versorgt] versorgt? verstärkt? verstattet? (verstümmelt) 26 läßt] läßt? lässt? 28 Überdruß] Überdruß? Überdruss? 14,7 unsere] unsere? unsre? 8 schmaklos] schmaklos? schmacklos?

21

Bemerkungen

Römern. Damals redete man von Tugend I von Vaterland jetzt ist dieses eine leere Materie an deren 10 Stelle allenfalls falsche Devotion treten kann. Die Scherze I haben unter lauter Männern kein rechtes Leben und werden I auch ungesittet. Wir sind weichlich und weibisch und müssen unter I Weibern seyn,:. I 1

Eingeschossenes Blatt nach B6 [15] Vorderseite

II 209,15-17 [209,33]

Der wohlgeartete und wohlgesittete Mensch sind sehr zu I unterscheiden. Der erstere bedarf nicht zur Bändigung verkehrter I Triebe denn sie sind natürlich und gut die Vorstellung von oberen Wesen. I Wenn er darandenkt so sagt er vielleicht ist er wirklich I ist einem andern Leben. Man muß gut seyn und das übrige erwarten 5 Der Zweyte ist 1. nur gesittet 2 wohlgesittet. in I einem Falle hat er viel phantastische Freuden denen er eine I Vorstellung entgegensetzen muß die niemals anschauend werden I kann um sich gut zu erhalten. Der zweyte ist ein gesitteter I Mensch der wird er seiner Sittlichkeit über die Einfalt 10 1 der Natur erweitert sie bis auf den Gegenstand ausdehnt I den er nur wünscht und glaubt. I 1

Diese natürliche Sittlichkeit muß auch der Probierstein I aller Religion seyn. Denn wenn es ungewis ist ob I Leute in der andern Religion können seelig werden und ob nicht 15 1 die Qualen in dieser Welt sie können zur Glückseeligkeit I in der künftigen verhelfen so ist es gewiß daß ich sie I nicht verfolgen müßte. Dieses letzte würde aber nicht seyn I wenn nicht die natürliche Empfindung zureichend zu aller Pflichtlausübung dieses Lebens wäre. 20 1 Als die Portugiesen Celebes entdekten sahen die Einwohner I die Nichtigkeit ihrer Religion ein schikten aber so wohl nach I Malacca zum Don [Rug] Perero als zur Königin nach I Achin. bekamen zweyerley Priester p. p. I Ein jeder Feige lügt aber nicht umgekehrt. 25 Was da schwach macht bringt Lügen hervor. Die läppische I Ehrbegierde und Schaam die meisten. I 1

Die Schaam und Schamhaftigkeit sind zu unterscheiden. Jene I ist ein Verrath eines Geheimnisses durch die natürliche Bewegung I des Bluts. Diese ist ein 13 auch] auch? dadurch? (Läsion des Randes) 14 Weibern?] (Läsion des Randes) 15,2 zur] XX 19,12: zu 4-5 vielleicht ist er wirklich ist einem andern Leben] XX 19,14: vielleicht ist er in einem anderen Leben 6-7 in einem Falle] XX 19,16: in jenem Falle 7 Freuden] XX 19,16: Freunde 18 müßte] XX 19,25: müsse 27 meisten] (fehlt in) XX 20,6

22

lmmanuel Kant

Mittel ein Geheimnis zu verbergen um 30 1 der Eitelkeit willen. imgleichen in Geschlechtserregung I Es ist weit gefährlicher mit freyen und gewinnsüchtigen Leuten als I mit Unterthanen eines Monarchen im Kriege zu seyn I Nutzen den die Eitelkeit hievon hat. I Ich werde von allen sagen wovon nur selten Ausnahmen sind. Denn 35 nach der Regel der Klugheit geschieht das niemals was so selten I geschieht daß man [darauf] es als einen [F] Glüksfall ansehen kann und [nach] I das ist nach der Regel der Klugheit allgemein wo einige Fälle I des Gegentheils nach keiner Regel könnengesucht werden. Ich rede vom Geschmak I ich nehme also sei bst meine U rtheile [nach der Regel des] so daß sie nach der 40 I Regel des Geschmaks (aesthetisch) allgemein wahr sind ob sie es gleich I pünktlich [logisch] nach der Regel der abgemessenen Vernunft (logisch) nur von einigen I gilt. I 1

[16] Rückseite, gegenüber B7

II 209,17 [209,33]-210,3 [210,31]

Ein durch Fühlbarkeit erweitertes Herz bereitet sich I zur Sehnsucht und wird endlich abgenutzt vor I die Empfindungen aller Dinge des Lebens daher I seufzet es nach etwas das ausser dem Kreise I desselben ist und so wahr auch die Andacht 5 1 ansich selbst ist so phantastisch ist sie doch I in Ansehung der mehresten Menschen weil sie I selbst chimärisch seyn und daß sie ihre I Liebe ihre Aufrichtigkeit nur in Ansehnung I Gottes bezeigen und kalt sind in Ansehung 10 1 jener verstellt aber in Ansehnung der andern I kommt daher weil man leichter in Betracht I der erstem als der letztem sich täuschen kann I Weil man sich einen Begriff von höheren moralischen Eigenschaften I Aufopferung vors gemeine Beste immerwährende Andacht 15 Erfüllung der ehelichen Absichten ohne Wollust unmittelbare I Neigung zu Wissenschaften ohne Ehre, machen kann so I bildet man sich ein dieses alles sey dem Stande eines I Menschen angemessen und findet den Zustand den man I sieht verderbt. Es sind aber dergleichen Begierden 20 1 phantastisch und entwikeln sich aus eben den Quellen I wie das allgemeine Verderben. Eben diese Mängel! werden nicht mehr als tadelhaft in Ansehung der I Menschen angesehen werden wenn das übrige Verderben I gehoben ist 25 1 1

31 in] XX 20,10: eine 41 es] XX 20,7: (sinngemäß weggelassen) 43 gilt] XX 2J,8: gelten (sinngemäß) 16,6 ansieh] XX 22,6: an sich 8 daß] daß? dass? 11 andern] XX 22,9: anderen 13 letztem] XX 22,10: letzteren

23

Bemerkungen

Gantze Nationen können das Beyspiel von einem Menschen überlhaupt abgeben. Man findet niemals grosse Tugenden I wo nicht zugleich grosse Ausschweifungen damit I vereinbart seyn wie bey Engländern. Canadischen Wilden. I was ist die Ursache Die Franzosen sind anständiger 30 1 und es fehlt auch alle Erhabenheit der Tugend I Die Stelle der Menschheit in der Ordnung erschaffener I Wesen. I

II, 210, 7

[17] Druckseite B 8 am Rand, neben Zeile 7 Schön niedlich

Eingeschossenes Blatt nach B 8 [18] Vorderseite

II 210,4[-210,31]-210,14

Alle Andacht welche natürlich ist hat nur einen Nutzen wenn I sie die Folge einer guten Moralitaet ist. Unter derselben I wird auch die natürliche Andacht mit genommen welche auf I ein Buch verwandt wird. Darum sagen auch die geistliche I Lehrer mit Recht daß sie nichts taugt wofern 5 1 sie nicht durch den Geist Gottes gewirkt werde alsdann I ist sie eine Anschauung sonst ist sie zum Selbstbetruge I sehr auferlegt. I Die Ursache warum die Ehen so kaltsinnig seyn I ist diese weil beyde Theile so viel äussere 10 1 chimärische Verknüpfung haben von Anstand von I Zierlichkeit und wenn doch ein jeder Theil so stark I von der Meinung abhängt wird er gleichgültig I gegen die Meinung des anderen. Daraus entspringen I Geringschätzung endlich Haß. Damit im Verhältnis 15 die romanische Liebe sie ist nur die Eigenschaft I eines Helden. Coquette. I 1

Diejenige so aus der Tugendlehre eine Lehre der Frömmigkeit I machen machen aus dem Theil ein Gantzes denn die Frömmigkeit I ist nur eine Art von Tugend. 20 1 Es seheirret uns nunmehro das menschliche Geschlecht fast keinen Werth I zu haben wenn es nicht große Künstler und Gelehrte enthält I daher scheinen die Landleute die Bauern vor sich selbst I nichts zu seyn und nur als Mittel zum Unterhalte jener I etwas. Die Ungerechtigkeit dieses Unheils zeigt 18,2 Moralitaet] XX 23,1: Moralitat 5 daß] daß? dass? 12 wenn doch? wenn dort? 15 im Verhältnis] XX 23,10: in Verhältniß 21 menschliche] ms: Menschliche 22 große] große? grosse?

24

Immanuel Kant

schon 25 1 daß es falsch ist. Man fühlet nemlich daß wenn man seine I Neigungen erweitert hat man mag machen was man wolle I das Leben nichts sey und daß die Erweiterung dieser I Neigungen also schädlich sey I Es ist ein grosser Unterschied seine Neigungen zu überwinden oder sie 30 ausrotten nemlich [se] machen daß man sie verliere dieses ist auch I noch davon unterschieden [seine] Neigungen abhalten nemlich machen daG jemand I sie niemals bekomme. jenes istbeyAlten dieses by Jungen nöthig I 1

Es ist dazwischen ein großer Unterschied ein guter Mensch und ein gutes vernünftiges I Wesen seyn. Als dieses vollkommen seyn hat keine andre Schranken als die Endlichkeit 35 1 als jenes hat es viel Schranken. I

[19] Rückseite, gegenüber B 9

II 210,14-211,8

Es gehört eine sehr große Kunst dazu bey den Kindern das Lügen zu verhüten. Denn da sie viel zu jlüstern und viel zu schwach sind abschlägige Antworten oder I Strafen auszuhalten so haben sie so sehr starke Anreitzungen I zu lügen als die Alten niemals haben. Vornernlieh da sie 5 1 sich selbst nichts verschaffen können wie die Alten sondern alles I von der Art abhängt wie sie etwas vorstellen nach der I Neigung die sie an andern merken. Man muß sie daher I nur über das strafen was sie gar nicht läugnen können I und ihnen nicht um vorgewandter Gründewillen etwas 10 1 bewilligen. I Man muß durchaus wenn man die Moralitaet [billigen] bilden will I keine Bewegungsgründe anführen die die Handlung nicht I moralisch gut machen würden e.g. Strafen, Lohnen Daher I muß man auch die Lüge unmittelbar häßlich schildern 15 1 und wie sie es auch in der That ist sie keiner andern I Regel der Moralitdt z. E. der Pflicht gegen andere I unterordnen. I (Man hat keine Pflichten gegen sich selbst man hat aber I wohl absolute Pflichten d. i. an und vor sich selbst ist 20 eine Handlung gut. Es ist auch ungereimt daß wir I in unserer Sittlichkeit von uns selbst sollen dependiren.) I 1

In der Medicin sagt man daß der Artzt der Diener der I Natur sey: in der Moral gilt eben dasselbe. Haltet nur I das äußere Übel ab die Natur wird schon die beste Richtung 25 1 nehmen. I 26 daß] daß? dass? 34 großer] großer? grosser? 12 muß] muß? muss? Moralitaet] XX 24,21: moralitat 19,8 muß] muß? muss? Lohnen) XX 24: Lohn 15 muß] muß? muss? 17 andere] XX 24,25: andre dependiren.)] (Schlußklammer sinngem. ergänzt) 23 Artzt) XX 25,3: Arzt

14 22

Bemerkungen

25

Wenn der Artzt sagete daß die Natur an sich verderbt sey I durch welches Mittel wolte er sie bessern. Eben so der Moralist I Der Mensch nimmt nicht eher Antheil an anderer Glück oder I Unglück als bis er sich selbst zufrieden fühlt. Machet also 30 1 daß er mit Wenigem zufrieden sey so werdet ihr I gütige Menschen machen. sonst ist es umsonst. I Die allgemeine Menschenliebe hat etwas Hohes und Edles an sich I beym Menschen aber ist sie chimärisch. Wenn man darauf führet I so gewöhnt man mit Sehnsuchten und müßigen Wünschen 35 sich selbst zu täuschen. So lange man so sehr selbst von I Sachen abhängig ist, kann man nicht an anderem GlückTheil nehmen I 1

[20] Druckseite B 9 am Rand, neben Zeile 16-19

II 211,5

Weil Bedenk llichkeiten klein I sind so heißt I ein I

Eingeschossenes Blatt nach B 10 [21 J Vorderseite

II 211,10-20 [211,31]

Der einfältige Mensch hat sehr früh eine Empfindung von dem I was Recht ist aber sehr spät oder gar nicht einen Begriff I davon. Jene Empfindung muß weit eher entwikelt werden I als der Begriff. lehret man ihn frühe entwikeln nach I Regeln so wird er niemals empfinden 5 1 Es ist schweer nachdem die Neigungen ausgewikelt seyn I sich das Gute oder Übel in andern Verhältnissen vorzustellen. I Weil ich jetzo ohne einen immerwährenden Genuß von I der langen Weile verzehrt werde so stelle ich mir I dies auch von dem Schweitzer vor der seine Kühe 10 1 auf dem Gebirge weidet. [Ich J kann [mich] nicht vorstellen I wie ein Mensch der satt ist noch was mehr I begehren könne. Man [ste] kann sich kaum begreifen wie I in einem solchen niedrigen Stande ihn diese Niedrigkeit I nicht mit Schmerzen erfüllet. Anderer Seits wenn 15 1 die übrigen

27 Artzt] XX 25,6: Arzt 28 wolte] XX 25,7: wollte 29 Glück] XX 25,8: Glük 30 Unglück] XX 25,8: Unglük 32 machen.] XX 25,10: machen; 35 müßigen] müßigen? müssigen? 37 anderem] anderem? anderer? anderen? Glück] XX 25,15: Glük 21,1 einfältige Mensch] ms: Einfältige Mensch 3 muß] muß? muss? entwikelt] XX 26,3: entwickelt 4 entwikeln] XX 26,4: entwickeln Begriff, lehret] XX 26,4: Begriff. Lehret 6 ausgewikelt] XX 26,5: ausgewickelt 7 andern] XX 26,6: anderen 13 sich] XX 26,10: (sinngemäß weggelassen) kaum] kaum? kein? 14 ihn] ms: er

26

Immanuel Kant

Menschen auch mit den Übeln des Wahnes I angestekt seyn können einige sich nicht vorstellen wie I dieser Wahnbey ihnen könne erworben seyn. I Der vornehme Mann bildet sich ein daß die I Übel der Geringschätzung eines beraubten 20 Glanzes den Bürger hat drücken können und dieser begreift nicht wie er zur Gewonheit I kommen könne gewisse Ergötzlichkeiten zu seinen I Bedürfnissen zu zählen. I 1

I

Der Fürst welcher den Adel gab wolte 25 etwas ertheilen was gewissen Persahnen statt I alles andern Uberflusses dienen könnte. Haben sie I doch das Lekerbissen des Adels Laß den übrigen I Pöbel das Geld besitzen I 1

Kann wohl etwas verkehrter seyn als den Kindern 30 die kaum in diese Welt treten gleich von der andern I etwas vorzureden. I 1

(Durch Zeichen verbunden mit B 10, Zeile 18)

II 211,20

sie ermüdet auch an anderen. Man hört nicht lange altkluge I Reden. Ein Mensch der sich gar nicht vernachläßigt wird 35 1 beschwerlich. Zuviel Achtsamkeit auf sich selbst sieht peinlich I aus I

[22] Rückseite, gegenüber B 11

II 211,11 [211,31]-212,6

So wie die Frucht wenn sie reif genug ist sich vom I Baume trennt sich der Erde nähert um ihre I eigenen Saamen wurtzeln zu lassen, so trennet sich I auch der mündige Mensch von seinen Eltern verpflanzet I sich selbst und wird die Wurzel eines neuen Geschlechts 5 1

Der Mann muß von keinem andern abhängen damit I die Frau gäntzlich von ihm abhänge. I Es muß gefragt werden wie weit können die I innere moralische Gründe einen Menschen bringen. I [Es] Sie werden ihn vielleicht dahin bringen daß 10 1 er im Stande der Freyheit ohne große Ver I suchungen gut ist aber wenn anderer Ungerechtigkeit I oder der Zwang des Wahnes ihm Gewalt I thun alsdenn hat diese innere Moralitaet I nicht Macht gnug. Er muß Religion haben 15 1 und vermittelst der Belohnungen des künftigen I Lebens sich 19 daß] daß? dass? vornehme] ms: Vornehme 22 dieser] (ergänzt mit XX) Gewonheit] XX 27,1: Gewohnheit; 28 Lekerbissen] XX 27,5: Leckerbissen 34 andealtkluge] 27,8: altkluges ren] XX 27,8: andern 11 im Stande] ms: imstande 14 Moralitaet] XX 28,7: Mora22,8 muß] muß? muss? 16 Belohnungen] Belohnungen? Belohnung? lität

27

Bemerkungen

aufmuntern und die menschliche I Natur ist nicht fähig einer unmittelbaren I moralischen Reinigkeit. Wenn aber übernatürlicher I Weise in ihm Reinigkeit gewirkt wird 20 1 so haben die künftigen Belohnungen nicht mehr I die Eigenschaft der Bewegungsgründe I Das ist der Unterschied der falschen und gesunden Moral daß I jene nur Hülfsmittel gegen Übel sucht diese aber davor sorgt I daß die Ursachen dieses Übels gar nicht ua seyn 25 1 Das Ansehen wenn es Erhabenheit ankündigt ist der I Schimmer wenn es Schönheit ankündigt ist das Hübsche I oder auch das Geschmückte des Putzes wenn es gekünstelt ist I Unter allen Arten des Putzes ist auch der moralische I Das erhabene des Standes bestehet darin daß er viele Würde 30 1 befasse das Schöne heißt [ ... ] hier das geziemende I Die Ursache weswegen die vom Adel gemeinhin schlecht I bezahlen

[23] Druckseite B 11 oberer Rand

I

II 211,21

Es ist ein großer Schade vor das Genie wenn die Critik eher I ist als die Kunst. Wenn in eine Nation eher Muster hineinkommen die I sie blenden ehe sie ihre eignen Talente ausgewikelt hat. I

unterer Rand

II 211,34

Erhabene Gesinnung welche Kleinigkeit übersieht I und das Gute unter den Mängeln bemerkt. Tobak 5 I

Eingeschossenes Blatt nach B 12 [24] Vorderseite

II 212,6-22

Es ist unnatürlich daß ein Mensch sein Leben großentheils zubringe I um einem Kinde zu lehren wie es selbst dereinst leben I soll. Dergleichen Hofmeister als je an Jacques sind demnach I gekünstelt. Im einfältigen Zustande wird einem Kinde I nur wenig Dienst geleistet; so bald er ein wenig 5 1 Kräfte 19 moralischen] ms: Moralischen 25 seyn] seyn? seyen? 31 das] das? daß? 32 gemeinhin] gemeinhin? sche 24,3 ]acques] ms: ]aques demnach] demnach? dennoch?

29 moralische] ms: Morali-

28

Immanuel Kant

hat thut er selbst kleine nützliche Handlungen I des Erwachsenen wie beym Landmann oder dem Hand I werkerund lernet allmählig das übrige. I Es ist indessen geziemend daß ein Mensch sein Leben I dazu verwende um so vielen zugleich leben zu 10 llehren daß die Aufopferung seines eignen I dagegen nicht zu achten ist. Schulen sind daher I nöthig. Damit sie aber möglich werden I muß man Emile ziehen. Es wäre zu I wünschen daß Rousseau zeigete wie 15 1 daraus Schulen entspringen können. I Prediger auf dem Lande könnten dieses mit ihren I eigenen Kindern und der Nachbarn ihren anfangen I Der Geschmack [ist] hänget nicht an unseren Bedürfnissen. Der Mann I muß schon gesittet seyn wenn er eine Frau nach Geschmack 20 1 wählen soll. I Man sey nicht sehr fein, weil dadurch nur kleine Züge bemerkt I werden die großen werden nur dem einfältigen und groben Augen I offenbar. I Es ist eine Beschwerde vor dem Verstand Geschmak zu haben. 25 1 Ich muß den Rousseau so lange lesen bis mich die Schönheit I der Ausdrüke gar nicht mehr stöhrt und dann kann ich I allererst ihn mit Vernunft untersuchen I Daß große Leute nur in der Ferne schimmern I daß ein Fürst vor seinem Kammerdiener viel verliert 30 1 kommt daher weil kein Mensch groß ist I Was wieder die Lehre von der glückseeligen Ewigkeit eine große I Hindernis macht und vermuthen läßt daß sie wenig unserm I Zustande angemessen sey ist daß diejenige so es glauben dadurch I gar nicht weniger eifrig auf die Glückseeligkeit dieses 35 Lebens werden welches doch geschehen müste wenn unsre I Bestimmung es mit sich brächte es zum großen Grunde unsrer I Handlungen zu thun I 1

[25] Rückseite, gegenüber B 13

II 212,21-213,1

Wenn ich mich jetzo in eine große obzwar nicht gäntzliche I Unabhängigkeit von Menschen setzen wolte so müste ich arm I seyn können ohne es zu 9 daß] daß? dass? 11 eignen] XX 29,12: eigenen 18 Geschmack] XX 29,17: Geschmak 27 dann] dann? denn? 29 Daß] ms: das 32 glückseeligen] XX 30,10: Glukseeligen 33 unserm] XX 30,11: unserem 35 eifrig] eifrig? und frey? Glückseeligkeit] XX 30,13: Glukseeligkeit 25,2 müste] XX 31,1: müßte

29

Bemerkungen

fühlen und gring gehalten ohne I es zu achten. Wäre ich aber ein Reicher so würde ich I vornernlieh in meine Vergnügen Freyheit von Sachen und von 5 1 Menschen hineinbringen. Ich würde mir nicht mit Dingen I als Gästen Pferden Unterthanen überladen über deren I Verlust ich müste besorgt seyn. Ich würde keine I Juwelen haben weil ich sie verlieren kann p. p. Ich I würde [weder meine Kleidung] mich dem Wahne andrer 10 gemäß einrichten damit er mir nicht wirklich schade I z. E. meinen Umgang verringern aber nicht damit I er mir Bequemlichkeit mache. I 1

Wie die Freyheit im eigentlichen Verstande (die mora llische nicht die metaphysische) das oberste Principium aller 15 Tugend sey und auch aller Glückseeligkeit I 1

Es ist nöthig einzusehen wie spät sich die Kunst die I Zierlichkeit und gesittete Verfassung hervorfinden und I wie sie in einigen Weltgegenden (e. g. wo keine Haustbiere sind) I niemals finde damit man das was der Natur 20 1 fremd und zufällig ist von dem unterscheide was ihr I natürlich ist. Wenn man die Glückseeligkeit des Wilden I erwegt so ist es nicht um in die Wälder I zu kehren sondern nur um zu sehen was man I verlohren habe indem man anderseits gewinnt. 25 Damit man [mitten] in dem Genusse und Gebrauch der I geselligen Üppigkeit nicht mit unglücklichen und unnatürlichen I Neigungen daran klebe und ein gesitteter Mensch der I Natur bleibe. Jene Betrachtung dienet zum I Richtmaaße. Denn niemals schafft die Natur einen 30 1 Menschen zum Bürger und seine Neigungen seine I Bestrebungen sind blos auf den einfältigen Zustand I des Lebens abgezielt. I 1

Es scheinet bey den mehresten andern Geschöpfen ihre I Hauptbestimmung zu seyn daß sie leben und daß ihre Art lebe 35 1 Wenn ich dieses beym Menschen voraussetze so muß ich den I gemeinsten Wilden nicht verachten. I

[26] Druckseite B 14 neben Zeile 4-8

II 213,4ff.

griechisch Profil I Ein dicker Körper I großer Länge I große Perrüquen I

6 mir] mir? nur? 13 Bequemlichkeit] (gemeint:) Unbequemlichkeit 19 wie sie] XX 31,14 (ergänzt sinngemäß): sich 25 anderseits] XX 31,19: andrerseits 26,3 Länge] Länge? (verstümmelt) 4 Perrüquen] Perrüqen? (verstümmelt); (über Perrüquen noch drei Buchstaben: ken?)

30

lmmanuel Kant

Eingeschossenes Blatt nach B 14 [27] Vorderseite

II 213,1-17

Wie aus dem Luxus endlich die bürgerlichen Religionen und auch der Religionszwang I (wenigstens bey ieder neuen Veränderung) nothwendig wird I Die blosse natürliche Religion schickt sich gar nicht vor einen Staat noch eher der Scepticismus I

I

Der Zorn ist eine sehr gutartige Empfindung des schwachen 5 Menschen. Eine Neigung ihn zu unterdrücken veranlaßet den I unversöhnlichen Haß. Frauenzimmer, Geistliche. Man hasset I den nicht immer über den man zürnet. Gutartigkeit der I Menschen die da zürnen. Verstellte Sittsamkeit verbirgt den I Zorn und macht falsche Freunde. 10 1 1

Vor ein so schwach Geschöpf wie der Mensch ist die theils I nothwendige theils willkührliche Unwissenheit des Künftigen I sehr geziemend I Ich kann einen andern niemals überzeugen als durch seine I eigene Gedanken. Ich muß also voraussetzen der 15 andere habe einen guten und richtigen Verstand sonst ist I es vergeblich zu hoffen er werde durch meine Gründe I können gewonnen werden. Eben so kann ich niemanden I moralisch rühren als durch seine eigene Empfindungen I ich muß also voraussetzen der andere habe eine 20 1 gewisse Bonitaet des Hertzens sonst wird er meinen I Schilderungen des Lasters niemals Abscheu und bey I meinen Anpreisungen der Tugend niemals [Anpreisu] I Triebfedern in sich fühlen. Weil es aber unmöglich wäre I daß einige moralisch richtige Empfindungen in ihm wäre 25 1 oder er vermuthen könnte daß seine Empfindung mit I der des gantzen menschlichen Geschlechts einstimmig sey I wenn sein Böses gantz und gar böse wäre so I muß ich ihm das partiale Gute darin zugestehen I und die schlüpfrige Ähnlichkeiten der Unschuld und 30 des Verbrechens als an sich betrüglich abmahlen. I 1

1

27,1 bürgerlichen] ms: bürgerl: I XX 32,1: bürgerliche 2 bey ieder] XX 32,2: bei jeder 3 natürliche Religion] ms: Natürliche Religion 4 Scepticismus] scepticism: 6 ver anlaßet] veranlaßet? veranlasset? 11 die theils] die theils? (Tintenklecks) 21 Bonitaet] XX 33,3: bonitat 21 meinen] meinen? meiner? 22 Schilderungen] Schilderungen? Schilderung? I XX 33,4: Schilderung 28 sein] sein? seyn? 30 Ähnlichkeit] ms: Änhlichkeiten

31

Bemerkungen

[28] Rückseite, gegenüber B 15

II 213,15-34

[Es kö] Der oberste Grund zu schaffen ist weil es gut I ist. Daraus muß folgen daß weil Gott mit seiner I Macht und seiner grossen Erkentnis sich selbst gut I findet er auch alles dadurch mögliche zu actuiren gut I finde. Zweytens daß er auch an allem ein Wohlgefallen 5 habe was wozu gut ist am meisten aber I was zum größesten Gute abzielt. Das erstere ist I gut als eine Folge das zweyte als ein Grund I 1

[W ... ] Weil die Rache voraussetzt daß Menschen I die sich hassen einander nahe bleiben wiedrigenfals wenn man 10 sich entfernen kann wie man will der Grund sich zu rächen I wegfallen würde so kann dieselbe nicht in der Natur I seyn weil diese nicht voraussetzt daß Menschen neben einander eingeIsperret seyn. Allein der Zorn eine sehr nöthige und einem I Manne sehr geziemende [Leidens] Eigenschafft wenn 15 sie nemlich keine Leidenschaft (welche vom Affect unterschieden ist) I ist liegt gar sehr in der Natur I 1

1

Man kann sich die Annehmlichkeit wovon nicht vorstellen was man nicht I gekostet hat so wie der Caraibe das Saltz verabscheuet I woran er sich nicht gewöhnt hat 20 1

Agesilaus und der persische Satrape verachteten sich beyde I der erste sagte ich kenne die persische Wollust aber I dir sind die meinige unbekant er hatte unrecht I Die Güter der weichlichen Üppigkeit und des Wahnes die I letzteren kommen von der vergleichungsweisen Schätzung her 25 1 in Wissenschaften in der Ehre p.p. I Das Christentum sagt man soll sein Herz nicht an zeitliche Dinge hängen I hierunter wird nun auch verstanden man solle frühzeitig verhüten I daß keiner solche Anhänglichkeit sich erwirbt. Zu allererst aber I Neigungen zu nähren und denn übernatürliche Beyhülfe erwarten 30 1 sie zu regiren das ist Gott versuchen. I

28,1 oberste] XX 33,13: Oberste 4 gut] XX 33,15: Gut 6 habe? haben? 9 [W... ]] (nach W mehrere verkleckste Buchstaben) 12 dieselbe J überschrieben: derselbe? 15 Eigenschafft] XX 34,9: Eigenschaft 22 persische] ms: Persische 27 Christentum] ms: Xstentum 29 daß] daß? dass? keiner] keiner? keine? 30 Neigungen] Neigungen? Neigung?

32

Immanuel Kam

Druckseite B 16 [29] am Rand, neben Zeile 8-12

II 214,4ff.

Der abentheurliche I Geschmack paro I dirt. I Fratzen parodirt I Hudibras

51

possirlieh erhaben. I [ ... ] I

Eingeschossenes Blatt nach 16 [30] Vorderseite

II 213,34 [214,28]-214,13 [214,29]

Stufenfolge Freyheit, Gleichheit Ehre. (Der Wahn). Vorsicht Nunmehro verliert er sein gantzes Leben. I

I

Zwey Probiersteine des Unterschiedes des Natürlichen vom Unnatürlichen 1. Ob es I demjenigen was man nicht verändern kann angemessen sey 2. Ob es I allen Menschen könne gemein seyn oder nur wenigen mit Unterdrükung 5 1 der übrigen I Ein gewisser großer Monarch im Norden hat wie es heißt seine Nation civilisirt I wolte Gott er hätte Sitten in sie gebracht so aber war alles was er I that die politische Wohlfarth und das moralische Verderben I Ich kann niemand besser machen als durch den Rest des Guten das in ihm ist 10 ich mag niemand klüger machen als durch den Rest der Klugheit die in ihm ist I 1

Lasterhafte können um deswillenmit Leutseeligkeit betrachtet werden weil I ihnen die Laster gar sehr äußerlich durch unsre verderbte Verfassung kommen I Aus dem Gefühle der Gleichheit entspringt die Idee der Gerechtigkeit I so wohl der [leid] genöthigten als der nöthigenden. Jene ist die Schuldigkeit 15 gegen andere diese die empfundene Schuldigkeit anderer gegen mich. I

1

Damit diese ein Richtmaß im Verstande habe so können wir I uns in Gedanken in die Stelle anderer setzen und damit es nicht an Triebfedern I hiezu . 30,7 civilisirt] ms: zivilisirt (verbessert zu) civilisirt 10 durch] durch? nach? 11 mag] mag? mach? 13 äußerlich] äußerlich? äusserlich? verderbte] ms: Verderbte 16 empfundene] ms: empfindene

ermangele so werden wir durch Sympathie von dem Unglüke und Gefahr anderer wie durch unser eigenes bewegt. 20 1

der

Diese Schuldigkeit wird als so etwas erkannt dessen Ermangelung I einen andern mich würde als meinen Feind ansehen lassen und machen daß ich ihn I hassete. Niemals empört etwas mehr als Ungerechtigkeit alle andere Übel I die wir ausstehen sind nichts dagegen. Die Schuldigkeit betrift nur die I nothwendige Selbsterhaltung [und die] so ferne sie mit der Erhaltung 25 1 der Art besteht alles übrige sind Gunsten und Gewogenheiten. I Ich werde aber auch einen jeden hassen der mich in der Grube zappeln sieht I und kaltsinnig vorüber geht I Die Gütigkeiten finden sich nur durch die Ungleichheit. Denn ich verstehe I unter Gütigkeit eine Bereitwilligkeit Gutes zu erzeugen selbst in den 30 Fällen wo die allgemeine natürliche Sympathie kein gnugsamer Grund I dazu seyn würde. Nun ist es auch einfältig und natürlich eben so große Ge I mächlichkeit aufzuopfern als ich einem andern erzeige weil ein Mensch so viel gilt I als ein anderer. Wenn ich also dazu bereitwillig seyn soll muß ich I mich stärker in Ansehung der Unbequemlichkeiten als einen andern unheilen 35 ich muß es als ein großes Übel ansehen was ich einem andern erspare und I als ein kleines das ich selbst erleide. Ein Mann würde einen andern ver Iachten wenn er solche Gütigkeiten gegen ihn bewiese. I 1

1

Die erste Ungleichheit ist eines Mannes und eines Kindes und eines Mannes I und eines Weibes. Er sieht es gewisser Maassen als eine Schuldigkeit an 40 1 da er stark und diese schwach sind ihnen nicht etwas aufzuopfern. I >:·

I (Durch Zeichen verbunden mit B 16, Zeile 2)

II 213,35

Das scheinbar Edle ist der Anstand. Das scheinbar Prächtige I der Schimmer. Das scheinbar Schöne das Geschminkte I Das Schöne ist entweder einnehmend oder hübsch 45 I

[31] Rückseite, gegenüber 17

II 214,13-23

Alle unrichtige Schätzungen desjenigen was nicht zu den Zwecken der I Natur gehört zerstöhn auch die schöne Harmonie der Natur I Dadurch das 21 dessen] dessen? deßen? 25 Selbsterhaltung] ms: selbst Erhaltung 29 Gütigkeiten] 32 auch] XX 36,16: nicht 41 ihnen] ihGütigkeiten? Gültigkeiten? Güttigkeiten? nen? ihm? nicht etwas] XX 36,26: nicht (sinngemäß weggelassen) 44 Geschminkte] XX 36,28: Geschmükte 31,1 Schätzungen] XX 37,5: Schätzung

34

lmmanuel Kam

man die Künste und die Wissenschaften so sehr wichtig hält I macht man diejenigen verächtlich die sie nicht haben und bringt uns I zu Ungerechtigkeiten die wir nicht ausüben würden wenn wir sie mehr s1 als uns gleich ansähen. I Wenn etwas nicht der Dauer der Lebenszeit nicht ihren Epochen nicht dem I großen Theile der Menschen [endlich] angemessen ist endlich gar sehr I dem Zufalle unterworfen und nur schwerlich möglich ist so I gehöret es nicht zu der Glückseeligkeit und Vollkommenheit des 10 1menschlichen Geschlechts. Wie viel Jahrhunderte sind verfloßen I ehe ächte Wissenschaften waren und wie viel Nationen sind I in der Welt die sie niemals haben werden. I Man muß nicht sagen die Natur berufe uns zu Wissenschaften I weil sie uns Fähigkeiten dazu gegeben hat denn was die Lust anlangt ISI die kann blos gekünstelt seyn. Da die Verfüglichkeit der Wissenschaften I erwiesen ist so ist vielmehr zu urtheilen: wir haben eine I Fähigkeit des Verstandes [geh] die weiter geht als unsre I Bestimmung in diesem Leben es wird demnach ein ander Leben geben. I Wenn wir diese hier auszuwickeln suchen so werden wir unserm 20 1 Posten schlecht ein Gnüge thun. Eine Raupe die da empfände I daß sie ein Papillion werden soll. I Gelehrte glauben es sey alles um ihretwillen. Adliche auch I Wenn man durch das öde Frankreich gereiset ist so kann man sich I bey der Academie der Wissenschaften oder in den 2sl Gesellschaften von gutem Tone wieder trösten so wie I wenn man von allen Bettlern im Kirchenstaat sich glücklich lloos gemacht hat man in Rom sich bis zur Trunkenheit I über die Pracht der Kirchen und der Alterthümer I erfreuen kann 30 1 Aus eben dem vorigen Grunde solte man unheilen daß I diejenige die hier zu viel frühzeitig wissen wollen dorren I zur Strafe mit Blödigkeit werden gezüchtigt werden. I So wie ein früzeitig kluges Kind entweder stirbt I oder im unreifen Alter verwelkt und dumm wird. 3 SI Der Mensch mag künsteln so viel er will so kann er die I Natur nicht nöthigen andre Gesetze einzuschlagen. Er muß entweder I selbst arbeiten oder 5 Ungerechtigkeiten] ms: ungerechtigkeiteil würden] wurden? 14 muß] muß? muss? 16 Verfüglichkeit] Verfüglichkeit? Unfüglichkeit? I XX 38,5: Verfänglichkeit 20 unserm] XX 38,9: unserem 21 thun.] ms: thun.. 22 Papillion] XX 38,10: Papillon soll] XX 38,10: sollte 24 gereiset] XX 38,12: gereisst 26 von] von? wem? 34 früzeitig] XX 39,3: frühzeitig 35 im unreifen] (gemeint:) im reifen dumm] dumm? dürr? I XX 39,4: dum 38 andere] XX 39,7: andre

35

Bemerkungen

andere vor ihn. und diese Arbeit wird I andern so viel von ihrer Glückseeligkeit rauben als er I seine eigene über das Mittelmaas steigern will 40 1 Wenn die einen genießen wollen ohne zu arbeiten so werden andere arbeiten wolen I ohne zu geniessen I

Eingeschossenes Blatt nach B 20 [32] Vorderseite

li 215,29-216,8

Man kann die Wohlfarth befördern entweder indem man die Begierden sich I erweitern läßt und bestrebt ist sie zu befriedigen man kann die Recht- I schaffenheit befördern wenn man die Neigungen des Wahnes und der Üppigkeit I wachsen läßt und sich um moralische Antriebe bemüht ihnen zu wiederstehen I In beyden Aufgaben ist aber noch eine andre Auflösung nemlich s1 diese Neigungen nicht entstehen zu lassen. Zuletzt kann man auch das I Wohlverhalten befördern indem man alle unmittelbare moralische Bonitaet I beyseite setzet und lediglich die Befehle eines lohnenden und strafenden I Oberherren zum Grunde legt. I Das übel passende der Wissenschaft vor die Menschen ist vornernlieh dieses 10 1 daß der allergräßeste Theil derer die sich damit zieren wollen gar I keine Verbesserung des Verstandes sondern nur eine Verkehrtheit I desselben erwirbt nicht zu erwehnen daß sie den mehresten nur zu I Werkzeugen der Eitelkeit dienet. Der Nutze den die Wissenschaften I haben ist entweder die Üppigkeit, e. g. Mathematik oder die Verhinderung !SI der Übel die sie selbst angerichtet hat oder auch eine gewisse I Sittsamkeit als eine Nebenfolge. I Die Begriffe der bürgerlichen Gerechtigkeit und der natürlichen und die daraus I entspringende Empfindung von Schuldigkeit sind sich fast gerade entgegengesetzt I Wenn ich von einem Reichen erbete der sein Vermögen durch Erpressung von seinen 20 Bauren gewonnen hat und ich schenke dieses an die nämlichen Arme so I thue ich im bürgerlichen Verstande eine sehr grosmüthige Handlung, im I natürlichen aber nur eine gemeine Schuldigkeit. I 1

Bey der allgemeinen Üppigkeit klaget man über die göttliche Regierung I und über die Regierung der Könige. Man bedenkt nicht daß was die 2 sl

41 genießen] genießen? geniessen? wolen] XX 39,10: wollen 32,4läßt] läßt? lässt? 5 andre J XX 39,15: andere 7 Bonitaet] XX 39,18: bonitat Regierung] XX 41,2: Regirung 25 Regierung] XX 41,2: Regirung

24

36

Immanuel Kam

letztere anlangt eben dieselbe Ehrbegierde und Unmässigkeit welche I den Bürger beherrschet auf dem Thron keine andere Gestalt haben I könne als wie sie hat 2 daß solche Bürger nicht anders I können regirt werden. Der Unterthan will der Herr soll seine Neigung I der Eitelkeit überwinden um das Wohl seiner Länder zu befördern 30 und besinnet sich nicht daß diese Foderung an ihn in Ansehung der niederen I mit eben dem Rechte geschähe. Seyd allererst selbst weise I rechtschaffen und mäßig, diese Tugenden werden bald zum Throne aufsteigen I und den Fürsten auch gut machen. Sehet die schwache Fürsten welche I in solchen Zeiten Gütigkeit und Grossmuth blicken lassen können sie 35 solche wohl anders ausüben als mit größerer Ungerechtigkeit I gegen andere weil diese in nichts anders die Grosmuth I setzen als in der Austheilung eines Raubes den man andern I entwendet hat. Die Freyheit die ein Fürst ertheilt so I zu denken und zu reden als ich jetzt thue ist wohl so 40 1 viel werth als viele Vergünstigungen zu einer größeren I Üppigkeit denn durch jene Freyheit kann alles dieses I Übel noch verbessert werden. I 1

1

II 216,8-20 [216,33]

[33] Rückseite, gegenüber B 21

Die größeste Angelegenheit des Menschen ist zu wissen wie er seine I Stelle in der Schöpfung gehörig erfülle und recht verstehe I was man seyn muß um ein Mensch zu seyn. Wenn er aber I über oder unter sich Vergnügen [oder sittliche Eigenschaften kennen lernt I die aber sein] kennen lernt die ihm zwar schmeichlen [welche 5 aber] wozu er aber nicht organisirt ist [so] und welche I dem (Zuschnitt) der Einrichtung wiederstreiten welche die I Natur ihm angemessen hat wenn er sittliche Eigenschaften I kennen lernt die da schimmern so wird er [sch] die schöne I Ordnung der Natur stöhren sich selbst und andern nur das Verderben 10 zu bereiten denn er ist aus seinem Posten gewichen denn I [er weis kann sich nicht begnügen mit dem Edlen I da er I sich nicht gnügen läßt das zu seyn wozu er bestimmt ist I da er ausser dem Kreise eines Menschen herausrückt so ist I er nichts und die Lücke die er macht breitet sein 15 1 eigen Verderben auf die benachbarten Glieder aus I 1

1

Unter den Schaden welche die Sündfluth von Büchern anrichtet I womit unser Weinheil jährlich überschwemmt wird ist einer I nicht der gringsten daß die wirklich nützlichen die hin und wieder I auf dem weiten [Abgrunde 26 Unmässigkeit] XX 41,3: Unmaßigkeit 27 Thron] XX 41,4: Throne 29 Neigung] XX 41,6: Neigungen 32 geschähe.] XX 41,8: geschehe. 33 zum Thron] XX 41.10: zu Thronen 35 Grossmuth] XX 41,11: Großmuth 33,1 Die] ms: das 4 über] (sinngemäß ergänzt) 5 zwar] ms: zar 19 die](sinngemäß ergänzt)

37

Bemerkungen

der Gelehrsamkeit] Ocean der 20 Büchergelehrsamkeit schwimmen übersehen werden und [unter] das Schicksal I der Hinfälligkeit mit dem übrigen Spreu [und] theilen müssen. I Die Neigung viel zu lesen um zu sagen daß man gelesen habe I Die Gewonheit nicht lange bey einem Buche sich zu verweilen I und 251 1

Die Üppigkeit bringt die Menschen in die Städte zusammen Rousseau I will sie aufs Land bringen I Die Übel bey der sich auswikelnden Unmäßigkeit der Menschen ersetzen sich I ziemlich. Der Verlust der Freyheit und die alleinige Gewalt eines I Beherrschers ist ein großes Unglük aber es wird doch eben so 30 wohl ein ordentliches System ja es ist wirklich mehr Ordnung I obzwar weniger Glückseeligkeit als in freyen Staaten. Die I Weichlichkeit in Sitten der Müssiggang und die Eitelkeit bringen I Wissenschaften hervor. Diese geben dem Gantzen eine neue Zierde I halten von viel Bösem ab und wenn sie zu einer gewissen 35 1 Höhe gesteigert worden so verbessern sie die Übel die I sie selbst angerichtet haben. I 1

Einer der größesten Schaden der Wissenschaft ist daß sie so viel Zeit I wegnehmen daß die Jugend vernachlässigt wird in Sitten I Zweytens daß sie das Gemüth so an die Süßigkeit der Specu 40 llation gewöhnen daß die gute Handlungen unterbleiben I

Druckseite B 21 [34] oberer Rand

II 216,8

Moralische Schönheit Einfalt Erhabenheit. Die Gerechtigkeit I Rechtschaffenheit ist Einfalt. Die Leidenschaft des Erhabenen ist Enthusiasmus I Verliebt Tugendhaft. Freundschaft. Schönes Ideal. I

Eingeschossenes Blatt nach B 22 [35] Vorderseite

II 216,21-217,5

Der erste Eindruck den ein Leser der Schriften des HErrn].]. Rousseau I 21 werden] (sinngemäß ergänzt) 23 daß] daß? dass? 34 Gantzen J ms: gantzen 36 gesteigert worden] XX 43,4: gesteigert werden 40 Süßigkeit] XX 43,8: süßigkeit 34,2 Enthusiasmus] ms: Enthusiasm. 3 Ideal] ms: ideal 35,1 liest] XX 43,14: lieset HErrn] ms: HE I XX 43,14 Hn

38

Immanuel Kam

bekömmt ist daß er eine [große] ungemeine Scharfsinnigkeit des Geistes einen I edlen Schwung des Genies und eine gefühlvolle Seele in so I hohem Grade antrift als [wohl schwerlich jemals] vielleicht niemals ein Schriftsteller I von welchem Zeitalter oder von welchem Volke er auch sey vereinbart 5 1 mag besessen haben. [Das nächste Unheil welches zunächst erwächst I ist die be betrifft die Auf] Der Eindruck der hernächst folgt I ist die Befremdung über seltsame und wiedersinnische Meinungen die I demjenigen was allgemein gangbar ist so sehr entgegenstehen I daß man leichtlieh auf die Vermuthung geräth der Verfasser 10 I habe [durch seine] vermöge seiner ausserordentlichen Talente [darzeigen wollen I Bewunderung erregen wollen] nur [die] die [Gewalt eines bezaubernden I Witzes beweisen und durch eine J Zauberkraft der Beredsamkeit I beweisen und [seltsamen Mann machen machen] den [den] Sonderling I machen wollen [damit er unter] welcher durch [die] eine einnehmende 15 Neuigkeit unter allen Nebenbuhlern des Witzes hervorsteche. I Der dritte Gedanke zu welchem man nur schwerlich gelanget weil I es nur selten geschieht I 1

Man muß die Jugend lehren den gemeinen Verstand in Ehren I zu halten aus sowohl moralischen als logischen Gründen. 20 1 Ich bin selbst aus Neigung ein Forscher. Ich fühle den gantzen Durst nach Erkenntnis I und die begierige Unruhe darin weiter zu kommen oder auch die Zufriedenheitbey jedem Erwerb. I Es war eine Zeit da ich glaubte dieses allein könnte die Ehre der I Menschheit machen und ich verachtete den Pöbel der von nichts weis. Rousseau I hat mich zurecht gebracht. [Ich] Dieser verblendende Vorzug verschwindet, 25 1 ich lerne die Menschen ehren und ich würde mich weit unnützer finden wie den I gemeinen Arbeiter wenn ich nicht glaubete daß diese Betrachtung allen I übrigen einen Werth ertheilen könne, die Rechte der Menschheit herzustellen. I Es ist sehr lächerlich zu sagen ihr sollt andre Menschen lieben I sondern man muß vielmehr sagen ihr habet guten Grund euren Nächsten 30 zu lieben. Selbst gilt dieses bey Eurem Feinde. I 1

Die Tugend ist stark was also entkräftet und unter Lüsten weichlich I oder von dem Wahne abhängig macht ist der Tugend entgegen I Was uns das Leben verächtlich oder gar verhasst macht das liegt nicht in der I Natur. Was das Laster leicht und die Tugend schwer macht das liegt nicht in der Natur 35 1

18 geschieht] geschieht? geschickt? (verkleckst) 19 muß die Jugend] muß die Jugend? (verkleckst) 27 daß] daß? dass? 34 verhasst) XX 45,6: verhaßt

39

Bemerkungen

Die allgemeine Eitelkeit macht daß man nur von denjenigen sagt I sie wissen zu leben die niemals zu leben (vor sich selbst) verstehen I Es ist gar nicht zur Glückseeligkeit zuträglich die Neigungen bis zur Üppigkeit I zu erweitern, denn weil es [viel] ungemein viel Fälle giebt da die I Umstände diesen Neigungen nicht günstig sind gegen einen erwünschten Fall so machen 40 sie eine Quelle von Verdruß Gram und Sorgen davon der einfältige Mensch nichts weiss I 1

Es hilft auch nicht hiebey die grosmüthige Erduldung zu predigen. I

[36] Rückseite, gegenüber B 23 Durchschuß zu B 23

II 217,5-21

Wenn irgendeine Wissenschaft [dem Menschen vonnöthen] giebt I deren der Mensch [wirklich] bedarf so ist es [die je] die so ihn I lehret die Stelle geziemend zu erfüllen welche ihm I in der Schöpfung angewiesen ist und aus der er lernen I kann was [er] man seyn muß um ein Mensch zu seyn. Gesetzt 5 er hätte [über oder um] über oder unter sich [betrügliche] täuschende I Anlockungen kennen lernen die ihn unvermerkt I [aus] aus seiner < eigenthümlichen > Stelle gebracht haben so wird I ihn diese Unterweisung wiederum zum Stande I des Menschen zurük führen [und], und er mag sich 10 alsdenn auch noch so klein oder mangelhaft finden I so wird er [doch] doch vor seinen angewiesenen Posten I recht gut seyn weil er [weder mehr noch weniger I ist als] was er seyn soll. I 1

1

Der Fehler zu sagen [man kennt keinen] dieses ist bey uns 15 allgemein folglich überhaupt allgemein ist vor Verständige I leicht zu verhüten. Allein folgende Urtheile sind scheinbarer: I Die Natur hat uns die Gelegenheit zum Vergnügen gegeben I warum wollen wir uns ihrer nicht bedienen, wir haben die I Fähigkeit zu Wissenschaften das ist ein Ruf der Natur 20 1 sie zu suchen wir fühlen in uns eine [sittliche] Stimme I die uns spricht das ist edel und rechtschaffen dieses I ist eine Pflicht so zu thun I 1

Alles geht in einem Flusse vor uns vorbeyund der I wandelbare Geschmak und die verschiedenen Gestalten der 25 Menschen machen das gantze Spiel 1

39 Fälle] ms: Felle 41 Quelle] ms: qvelle weiss] XX 45,15: weiß 42 grosmüthige] ms: Grosmüthige 36,1 irgendeine] XX 45,17: irgend eine 11 finden] ms: finden (verbessert aus:) seyn 16 Verständige] ms: verständige 22 edel] ms: Edel 25 der] XX 46,12: des

40

Immanuel Kam

ungewis und trüglich. Wo I finde ich feste Punkte der Natur die der Mensch 1 niemals verrücken kann und ihm die Merkzeichen geben I können an welches Ufer er sich zu halten hat I Daß alle Größe nur verhältnismäßig sey und es keine 30 absolute Größe gebe ist daraus zu sehen. Ich messe am Himmel I durch Erddiameter den Enldiameter durch Meilen die Meilen I durch Füsse diese durch das Verhältnis mit meinem Körper I 1

[37] Druckseite B 23 am Rand, neben Zeile 11-12

II 217,13

Freundschaft I junger Leute I

am Rand, neben Zeile 16-18 Achtung seiner I selbst I Gleichheit

II 217,16 51

Eingeschossenes Blatt nach B 24 [38] Vorderseite

II 217,21-218,1

Es ist die Frage [welche Eigenschaften k] welcher Zustand I geziemt dem Menschen einem Bewohner des Planeten der I 200 Sonnendurchmesser von ihr herumläuft. I Eben so wenig wie ich von hier zum Planeten]upiter I steigen kann so wenig verlange ich Eigenschaften zu haben die 5 1 nur jenem Planeten eigen sind. Derjenige so weise ist I vor einem andern Ort der Schöpfung ist einNarr vor I den so er bewohnt I Ich habe gar nicht den Ehrgeitz ein Seraph seyn I zu wollen mein Stoltz ist nur dieser daß ich ein Mensch sey 10 1

Der eine Satz ist schweer auszumachen das liegt nicht in der Natur I d. i. die Natur hat dazu keine Triebe gegeben sondern sie sind I gekünstelt keine solche Gebrechen eingeartet sondern sie sind I zufällig erwachsen, der andere ist leichter das stimmt I nicht mit der Natur das ist das wiederstreitet demjenigen 15 was wirklich in der Natur liegt. Nach dem 1

28 verrücken] XX 46,14: verrüken 29 können] können? kann? 30 Daß] ms: Das es] (sinngemäß ergänzt) 33 Füsse] XX 47,3: Füße 38,5 die] die? 7 einem andern] XX 47,9: einen anderen 15 ist das] ms: ist dass

Bemerkungen

41

ersteren I verfährt öfters Rousseau und weil die menschliche I Natur jetzt eine so verödete Gestalt gewonnen hat I so werden die natürlichen Grundlagen zweifelhaft und unkentlieh I Der mäßige Bürger kann sich keinen Begriff machen was 20 I denn dem [Be] Hofmann fehlen kann der auf seine Güter verwiesen I nach Belieben leben kann, indessen grämt sich dieser zu Tode I Viele Leute haben Theologie und keine Religion ausser vielleicht I um dereinst große Lastenbaten abzubitten wenn sie von den I Schreken der Hölle bedrohet werden 25 1

Vom Werthe dieses Lebens an sich selbst oder und unmittelbar I und vom Werthe dieses Lebens nur als eines Mittels zu einem I andern Leben. I Das Leben der blos geniessenden ohne Betrachtung und Sitten scheint keinen Werth zu haben 30 1

I Bey Menschen und Thieren hat eine gewisse mittlere Größe die I meiste Stärke 351 I

Der moralische Geschmak in Ansehung der Geschlechterneigung I da jederman scheinen will darin sehr fein oder auch rein zu seyn 40 1

Die Warheit ist nicht die Hauptvollkommenheit des gesellschaftlichen I Lebens der schöne Schein treibt es hier so wie in der I Mahlerey viel weiter. Vom Geschmak im Heyrathen I

20 Begriff] XX 48,8: Begrif 24 Lasterthaten] ms: lasterthaten 25 Schreken] 48,12: Schrecken 26 oder und] XX 48,14 oder (und sinngemäß weggelassen) andern] XX 48,15: anderen 29 geniessenden] XX 48,16: genießenden 31 schmack] XX 49,1: Geschmak 33 in] in? an? I XX 49,2: an 38 Gelingen] gelingen 40 jederman] XX 48,21: jedermann

XX 28 Gems:

42

Immanuel Kant

II 218,1-18

[39] Rückseite, gegenüber B 25

Die Gewisheit in den [ ... ]sittlichen Unheilen vermittelst der Vergleichung I mit dem sittlichen Gefühl ist eben so groß als die mit der !logischen Empfindung, und ich werde durch Zergliederung einem Menschen I eben so gewis machen daß lügen häßlich sey als daß eine I ein denkender Körper ungereimt sey. Der Betrug in Ansehung 5 des sittlichen Unheils geht eben so zu als des logischen aber I dieser ist noch häufiger I 1

Bey den metaphysischen Anfangsgründen der Ästhetik ist das verschiedene I unmoralische Gefühl bey den Anfangsgründen der Sittlichen Weltweisheit das I verschiedene moralische Gefühl der Menchen nach Verschiedenheit des 10 1 Geschlechts des Alters der Erziehung und Regirung der Racen I und Climaten anzumerken I Von der Religion einer Frau- von der dreusten Mine. I Eine gewissen Furchtsamkeit Aberglauben pp stehet ihnen gut an. I Ihre Schwatzhaftigkeit Nutzen 151 Warum der Unterschied des Standesam meisten unter dem Frauenzimmer gezeigt wird. I

I

Das Frauenzimmer ist näher an der Natur I Ein Mann der zu leben weiß-was wird der vor eine Frau heyrathen I Von Rousseaus Anschlag durch die Liebe die beste Talenten zu bewegen 201 Die Frauenzimmer erziehen sich selbst ihre Männer sie konnen sich es selbst bey I messen wenn sie schlecht gerathen sind. I Derjenige der läppisch gefällig ist wird ein mürrischer Ehemann I Von der leeren Sehnsucht durch ein unproportionirtes und vor den Menschen I schlecht angemessenes Gefühl vors Erhabene. Romane. 25 1 Rousseau zog seine Liebende aufs Dorf

I

39,4 gewis] XX 49,9: gewiß 5 eine ein denkender] XX49,9 (ergänzt:) eine Empfindung denkender Körper 9 Weltweisheit] ms: Welt: I XX 50,2: Welt 14 ihnen] XX 50,6: ihr 21 Frauenzimmer] ms: Fr. 24 unproportionirtes] XX 50,18: unproportioniertes

43

Bemerkungen

Eine Heyrath eines überfeinen Mannes mit einer Coquette. I Man stelle sich zwey Ehen vor deren eine [mit ha] so zu sagen von I gutem Tone die andre häuslich sind I Der moralische Geschmack ist zur Nachahmung geneigt die moralischen Grundsätze 30 erheben sich über dieselbe. Wo Höfe sind und große Unterschiede der Menschen I ist alles dem Geschmacke ergeben in Republiken ist es anders. Daher der Geschmack I in den Gesellschaften dort feiner und hier gröber ist. Man kann sehr tugendhaft seyn und I wenig Geschmack haben. Wenn das gesellschaftliche Leben zunehmen soll muß der Geschmack I erweitert werden weil die Annehmlichkeit der Gesellschaften leicht seyn muß Grundsätze 35 1 aber schweer seyn. Unter Frauenzimmern ist dieser Geschmak am leichtesten. I Der moralische Geschmak vereinbart sich leicht mit dem Schein der Grundsatz nicht. I Schweitzer Holländer Engländer Franzosen Reichsstädte. Selbstmord in der I Schweitz I 1

Der Geschmak an der bloßen Tugend ist etwas grob wenn er muß er sie mit Thorheit untermengt kosten können I Eingeschossenes Blatt nach B 26 [40] Vorderseite

40 1

fein ist so

II 218,18-33

Was der feinere Theil der Menschen Leben nennt ist ein wunderliches Gewebe I von tändelhaften [Vergnügungen] I noch mehr Plagen -- der Eitelkeit und einen I gantzen Schwarm alberner Zerstreuungen. Der Verlust derselben es der I Verlust derselben wird der Tod gemeiniglich aber vor noch viel ärger 5 als der Tod gehalten (ein Mensch der zu leben weiß) I 1

Fein grobes Gefühl. Fein selbsttätig idealisch bisweilen chimärisch I Man hat Ursache sein Gefühl nicht sehr zu verfeinern erstlieh um dem I Schmertz nicht Pforten zu eröfnen. zweytens um nahe am Nützlichen zu seyn. 10 1 Die Gnugsamkeit und Einfalt erfodert ein gröberes Gefühl und macht glücklich I 30 Geschmack] XX 51,5: Geschmak moralischen] XX 51,5: moralische 36 Frauenzimmern] ms: Frauenzimmer 40,3 mehr] XX 52,7: mehreren 4 Verlust derselben] ms: (versehentliche Wiederholung) 9 verfeinern] verfeinern? verfeynern?

44

Immanuel Kam

Das Schöne wird geliebt das Edle geachtet I Das Häsliche [gehaßt] mit Ekel das Unedle verachtet I Der Muth einer Frau dem Manne im Elend zu folgen und dessen 15 Zärtlichkeit. Der Mann fühlt sich in seiner Frau und theilet ihr I keinen Schmertz mit ein zärtlicher ein wackerer Mann I 1

Kleine Leute sind hochmüthig und hitzig große gelassen I Der natürliche Mensch ist mäßig nicht wegen der künftigen I Gesundheit (denn er prospicirt nichts) sondern wegen 20 I gegenwärtigen Wohlbefindens I Eine Ursache daß die Damen gegen einander stolz seyn ist daß I sie einander mehr gleich seyn denn der Grund des Adelstandes ist I in den Männern. Die Ursache daß sie neben einander verlegen I und nebenbuhlerisch seyn ist daß [sie] der Männer Glück nicht 25 I so wohl vom Gefallen als von Verdiensten [dieser aber vom Gefallen I und von] herrührt dadurch sie ihr Glück selber machen diese I aber daß sie von andern glücklich gemacht werden. Darauf I gründet sich ihre wesentliche Neigung zu gefallen I Die Ursache warum die Ausschweifungen der Wollust 30 1 so hoch empfunden werden ist weil sie die Gründe der I Propagation d. i. der Erhaltung der Art betreffen I und weil dieses das eintzige ist wozu die Frauenzimmer I taugen so macht es ihre Hauptvollkommenheit aus dahingegen I die Erhaltung ihrer selbst auf dem Manne beruht 35 I Das Vermögen Nutzen zu schaffen mit der Zeugungsfähigkeit ist bey I einem Weibe eingeschränkt und an einem Manne ausgebreitet I

[41] Rückseite, gegenüber B 27

II 218,34-219,14

Die Üppigkeit macht daß man zwischen einer Frau und einer andern Frau einen großen Unterschied macht I

I

Die Begierden sättigt man nicht durch lieben sondern durch Heyrathen I es sind zugleich die reinesten I 13 Edle] ms: edle 14 Häsliche] ms: häsliche Unedle] ms: unedle 19 mäßig] m'1ßig? mässig? 20 wegen] XX 53,3 (ergänzt:) wegen des 25 Glück] XX 53,8: glük 27 Glück] XX 53,9: glük 28 glücklich] XX 53,10: glüklich 36 Nutzen] ms: nutzen 41,3lieben ]lieben? leben? loben? buhlen?

45

Bemerkungen

Das Merkmal der Geselligkeit ist sich nicht jederzeit einem andern 5 vorzuziehen. Einen andern sich jederzeit vorziehen ist schwach. Die I Idee der Gleichheit regulirt alles I 1

In der Gesellschaft und in den Tractamenten Einfalt und Gleichheit I erleichtert sie und macht sie angenehm. I Herrsche über den Wahn und sey ein Mann damit deine Frau 10 1 dich unter allen Menschen am höchsten schätze so sey selbst kein Knecht I von den Meinungen anderer. I Damit dich deine Frau ehre so sehe sie in dir nicht den Sclaven I von der Meinung anderer. Sey häuslich es herrsche in deiner I Geselligkeit nicht Aufwand sondern Geschmack Bequemlichkeit und nicht 15 Überfluß mehr eine Wahl von Gästen als von Gerichten I 1

~

Es wäre vor die Frauen besser wenn sie wirklich arbeiteten.

Ein Gut des Wahnes besteht darin daß die Meinung I nur allein gesucht die Sache selbst aber entweder I mit Gleichgültigkeit angesehen oder gar gehasset wird. 20 1 Der erste Wahn ist der der Ehre. Der zweyte I des Geitzes. Der letzte liebt nur die Meinung I daß er viel Güter des Lebens durch seyn Geld I haben könnte ohne es gleichwohl jemals im Ernste I zu wollen 25 1 Der den das nicht überzeugt was offenbar gewis ist I ist ein Dummkopf. Den das nicht antreibt was offenbar I eine Pflicht ist ist ein Bösewicht. I - Ein stumpfer Kopf und verderbtes Hertz. I Daß der Ehrtrieb aus der Begierde der Gleichheit 30 1 entspringe ist daraus zu sehen. Würde wohl ein Wilder I einen andern aufsuchen um ihm seinen Vorzug zu zeigen? I Wenn er seiner entübrigt seyn kann so wird er seiner I Freyheit genießen. Nur wenn er mit ihm zusammen I seyn muß wird er ihn zu übertreffen suchen also ist 35 1 die Ehrbegierde mittelbar I Die Ehrbegierde ist eben so sehr unmittelbar als die Geldbe-i gierde eines Geitzigen. Beyde entstehen auf einerley Art I 11 schätze] ms: Schätze 15 Geschmack] XX 54,11: Geschmak 16 mehr] mehr? mache? 23 daß] daß? dass? 37 unmittelbar] unmittelbar? I XX 55,15: mittelbar (vermutlich eine Verschreibung Kants. Sinngemäß zu lesen ist entweder: »Die Ehrbegierde ist eben so wenig unmittelbar als die GeldbegierdeDie Ehrbegierde ist eben so sehr mittelbar als die Geldbegierde 30 I

1

Paulus urtheilt daß das Gesetz nur Unwillen mache, weil es [die N ei] I verursacht daß man ungern thut was befohlen ist und so ist es auch I Deswegen sieht er das Gesetz abgeschaft durch Christum und blos die Gnade I nemlich einem Grunde Gott recht von Herzen zu lieben welches nach I der Natur nicht möglich ist und wodurch die Handlungen zur Moralitaet 35 und nicht zur theocratischen Politic gebracht werden. I 1

[70] Druckseite B 51 am Rand, neben Zeile 22-25

II 230,1

ist gemeiniglich unreinlich I wie Magliabechi I sie wird durch ein I loses Maulehen verdekt I Wie mein Bruder sagt 5 1

unterer Rand

II 230,2

Man kann den hassen der Recht hat, aber I man ist gezwungen ihn hoch zu achten. I 12 Menschen] ms: menschen 15 verbot] XX 90,8: verbat 23 hörte] XX 90,14: hört 25 einer] einer? eine? 27 alsdenn] XX 90,17: alsdann Christentum] ms: Xstenthum 33 Christentum] ms: Xstum 35 Moralitaet] XX 90,23: moralitat

70

Immanuel Kant

Eigennutz streitet wieder I die Gemeinnützigkeit. Diese I aus Neigung erwirbt Liebe 101

[71] Druckseite B 52 am Rand, neben Zeile 6-11

II 230,6

Mögen doch immer die I Männer mühsame I durchwachte Nächte I ihrer Nachforschung I widmen wenn das 5 1 Frauenzimmer nur I weiß wie es sie I regiren soll. I

Eingeschossenes Blatt nach B 52 [72] Vorderseite

II 230,2-18

I Von der Freyheit I Der Mensch hängt von vielen Dingen ab [theils zur I Befried] er mag sich befinden in welchem Zustande er I auch wolle. [Von den Nahrungsmitteln den Eindrücken der 5 Luft der Sonne] Er hängt jederzeit durch seine I Bedürfnisse an einigen durch seine Lüsternheit an I andern Dingen und indem er der Verweser der Natur I aber nicht ihr Meister ist so muß er sich< lieber> [oftmals in das IJoch der Nothwendigkeit schicken und sich zu der Ordnung 10 1 der Natur nach beugen und sich in ihre Gesetze I nach ihren Gesetzen bequemen wenn sie] nach I dem Zwange derselben bequemen weil er I nicht findet daß sie sich immer nach seinen Wünschen bequemen will. I Was aber weit härter< und unnatürlicher ist> als dieses Joch der 15 1 Nothwendigkeit das ist die [Abhängigkeit] I Unterwürfigkeit eines Menschen unter den Willen eines I andern Menschen. Es ist kein Unglück daß demjenigen I der der Freyheit gewohnt [ist] wäre< das Gut der Freyheit genossen habe> nichts erschreklicher seyn I könnte als sich [sich unter] einem Geschöpfe von seiner Art 20 überliefert zu sehen das ihn zwingen könnte (sich seines I eigenen Willens zu begeben) das zu thun was er will. [Es ist I auch kein Zweifel daß] I 1

1

[Es muß] auch [nothwendig] eine sehr I lange Gewohnheit [das scheusliche] schrecklichen Gedanken der Dienstbarkeit 25 leidlicher zu [gemacht haben wenn] machen denn jedermann muß I es in sich empfinden daß wenn es gleich viele Ungemächlichkeit I giebt, die man nicht immer mit Gefahr des Lebens abzuwerfen I Lust haben möchte dennoch

1

72,8 Dingen] ms: Dinge

19 nichts] (sinngemäß ergänzt)

22 das] ms: der

Bemerkungen

71

[kein Zweifel sey daß der I erste Versuch seine Frei] keine Bedenken statt finden würde 30 1 in der Wahl zwischen Sclaverey und Tod die Gefahr I des letztem vorzuziehen. I

[73] Rückseite, gegenüber B 53

II 230, 18-35

DieUrsache hievon ist auch sehr klar und rechtmäßig. Alle I andre [Übel der Natur folgen Gesetz] Übel der I Natur sind doch gewissen Gesetzen unterworfen die man I kennen lernet um nachher zu wählen wie fern man I ihnen nachgeben oder sich ihnen unterwerfen will. Die 5 1 Hitze der brennenden Sonne die rauhe Winde I die Wasserbewegungen verstauen dem Menschen immer I noch etwas zu ersinnen was ihn dawieder schütze oder I ihn doch selbst in der E - - - I Allein der Wille eines jeden Menschen ist [auf] die Wirkung seiner eignen 10 Triebe Neigungen [und wahren oder eingebildeten Wohlfarth] I und stimet nur mit seiner wahren oder eingebildeten I Wohlfarth zusammen. Nichts kann aber wenn ich vorhero I frey war mir einen greslicheren Prospekt von Gram I und Verzweiflung eröfnen als daß künftig hin mein Zustand 15 1 nicht in meinen sondern in eines andern Willen soll gelegt I seyn. [Ich stelle mir nur die strenge Kälte] Es ist I heute eine strenge Kälte ich kann ausgehen oder auch zu Hause bleiben nachdem es mir beliebt allein I der Wille eines andern bestimmt nicht das was 20 1 mir diesesmal das Angenehmste ist. Ich will schlafen I so wekt er mich. Ich will ruhen oder spielen I und er zwingt mich zum Arbeiten. Der Wind der I draußen tobt nöthigt mich wohl in eine Höle zu fliehen I aber hier oder anderwerts läßt er mich doch 25 1 endlich in Ruhe aber mein Herr sucht mich auf I und weil die Ursache meines Unglüks Vernunft I hat so ist er weit geschikter mich zu quälen als alle I Elementen. Setze ich auch voraus er sey gut wer I steht mir davor daß er sich nicht eines andern besinne. 30 Die Bewegungen der Materie halten doch eine gewisse I bestimmte Regel aber des Menschen Eigensinn ist regellos I 1

1

[74] Druckseite B 53 am Rand, neben Zeile 15-23

li 230,18-35 li 230,28 ff.

Diejenige machen I die stärkste Satyre I auf den Ehestand I welche die ehelichen I Ausschweifungen als 5 1Kleinigkeiten ansehen I die keinen Schimpf I oder [StrafeJ Rache I verdieneten denn I alsdenn ist [sie] der 10 I Stand an sich 73,7 Wasserbewegungen] ms: Wasserbewegung: 8 dawiederJ ms: davor (verbessert zu:) 16 meinen] ms: Meinen 24 Höle] XX 93,7: Höhle dawieder 74,11 an sich] an sich? vor sich?

72

lmmanuel Kam

selbst I von der Galanterie I von der gleichgültigsten I Art nicht unterschieden I

unterer Rand

II 230,35

Das Frauenzimmer nimmt eine Satyre auf ihr Geschlecht 15 als einen Spas auf weil sie wohl weis daß der Spott I auf die kleinen Fehler ihres Geschlechts eigentlich die Männer I selbst treffe welche sie um derentwillen nur destomehr lieben I allein eine Satyre auf den Ehestand beleidigt sie alle weil I dieses mehr ernst zu seyn scheint und sie auch einige Richtigkeit wegen 20 I dieses Vorwurfs fühlen. Wenn aber ein solcher Grundsatz I überband nähme so würde ihr Geschlecht zu der Willkühr I der Mannspersahnen erniedrigt seyn. I 1

Eingeschossenes Blatt nach B 54 [75] Vorderseite

II 230,35-231,14

I Es ist in der Unterwürfigkeit [auch so etw] nicht allein I was äußeres Gefährliches sondern [so etwas] noch eine I gewisse Häßlichkeit und ein Wiederspruch der zugleich I seine Unrechtmäßigkeit anzeigt. Ein Thier ist noch nicht 5 1 ein completes Wesen weil es sich seiner Selbst I nicht bewust ist und seinem Triebe und Neigungen mag I nun durch einen anderen wiederstanden werden oder nicht I so empfindet es wohl sein Übel aber es ist jeden I Augenblick vor ihn verschwunden und es weiß nicht 10 von seinem eigenen Dasein. Daß der Mensch aber selbst I gleichsam keiner Seele bedürfen und [durch ein] keinen eigenen I Willen haben soll und daß eine andere Seele meine Gliedmaßen I bewegen soll daß ist ungereimt und verkehrt: I Auch in unsern Verfassungen ist uns ein jeder Mensch verächtlich 15 der in einem großen Grade unterworfen ist - - - - - - I 1

1

Liverey I < Anstatt daß die Freyheit mich schiene über das Vieh zu I erheben so setzet 75,1 meine Herren] XX 95,13: mein Herr 6 Selbst] XX 93,17: selbst 8 anderen] XX 93,18: andern 10 Augenblick] XX 93,19: Augenblik ihn] ihn? ihm? I XX 93,19: ihm (Kams Kürzel läßt beide Endungen zu. »Sein Übel ist vor ihm verschwunden«. wie Lehmann liest, heißt, es ist vor seinen Augen verschwunden. »Sein Übel ist vor ihn verschwunden«, heißt, es ist für ihn verschwunden und zwar für das »sich seiner selbst nicht bewußte Wesen«, das >>nicht von seinem eignen Daseyn« weiß. In diesem Zusammenhang ist also ihn die einzig richtige Lösung.) 14 bewegen] bewegen? beugen? (verstümmelt) 18 daß] ms: das

73

Bemerkungen

sie mich noch unter dasselbe denn ich kann besser den> 201

I

gezwungen wer-

Ein solcher ist gleichsam vor sich nichts als ein Hausgeräthe I eines andern. [es] Ich könnte eben so wohl den Stiefeln des I Herrn meine Hochachtung bezeigen als seinem Laquey. Kurtz der I Mensch der da abhängt ist nicht mehr ein Mensch I er hat diesen Rang verlohren er ist nichts ausser ein 25 I Zubehör eines andern Menschen. I [Ofters sind] Unterwürfigkeit und Freyheit sind gemeiniglich I in gewissem Grade vermengt [Der Herr] und [es heißt I nicht immer der H] einer hängt vom andern ab. Aber auch der I kleine Grad der Abhängigkeit ist ein viel zu großes 30 1 Übel als daß es nicht solte natürlicher Weise erschreken. I Dieses Gefühl ist sehr natürlich aber man kann es I auch sehr schwächen. Die Macht andern Übeln zu wiederstehen kann I so klein werden daß die Sclaverey ein kleiner Übel scheinet I als die Ungemächlichkeit. Dennoch ist es gewiß 35 1 daß es in der menschlichen Natur oben anstehe I Das Vieh wird doch noch vom Menschen gezwungen I aber der Mensch vom Wan vom Menschen. I Die augenblikliche Gewalt des Angrifs ist viel I kleiner als die Knechtschaft. 40 1

[76] Rückseite, gegenüber B 55

II 231,14-29

Es können wohl Reitzungen seyn die der Mensch I auf einen Augenblik der Freyheit vorzieht I aber es muß ihm durchaus gleich darauf leid I thun I Die Gesellschaft macht daß man sich nur I vergleichungsweise schätzt. Sind andre nicht I besser als ich so bin ich gut sind alle schlechter I so bin ich vollkommen. I Die verhältnisweise Schätzung ist noch von der Ehre I unterschieden

10 I

[Wenn] Die Keuschheit kann nicht ein Mangel der I verliebten Leidenschaft 23 meine] XX 93,29: eine 28 in gewissem Grade] in gewissem Grade? in gewissen 30 kleine Grad] XX 94,5: kleinere Grad 34 Graden? 29 einer] XX 94,5: eines 35 Dennoch] Dennoch? Demnach? 36 menschlichen] kleiner] XX 94,10: kleineres ms: Menschlichen 37 vom] vom? von? 38 vom Wan vom] vom Wan vom? von Wan von? 76,9 verhältnisweise] ms: verhältnisweisse

74

Immanuel Kam

seyn denn alsdenn ist sie wirklich I ein Fehler wenn nemlich diese Leidenschaft zu klein I vor den gantzerr Zwek ist doch ist sie so ferne I gut als sie dem Alter dem Vermögen ange 15 1messen ist nur ist diese Bonitaet nicht moralisch. I Die Keuschheit [an dem Manne] zu erhalten ist entweder I eine unmittelbare Schamhaftigkeit (eine Besorgnis seine I Geschlechtseigenschaft verächtlich zu machen) oder eine mittelbare I eine Folge aus dem allgemeinen Begriff von Ehre. Diese 20 lletztere ist entweder blos eine Besorgnis sich keine Schande I zuzuziehen und die ist ein Verwahrungsmittel der Tugend I wowieder viel Anstalten können gemacht werden I oder eine zärtliche Reitzbarkeit eines innern Selbsttadels I in so ferne er mit Aufrichtigkeit verbunden ist und sich 25 1nicht zu verheelen vermag also sich im Erröthen zeiget I diese Eigenschaft ist das beste Verwahrungsmittel I Wir haben allerleyTriebe die uns als Mittel dienen sollen andern zu dienen und öfter I unmittelbar herrschen. Erstlieh uns mit andern zu vergleichen damit wir uns selbst schätzen I können daraus entspringt die Falschheit seinen Werth vergleichungsweise zu schätzen der Hochmuthund sein Glük 30 1eben so zu schätzen der Neid. Zweytens uns in die Stelle eines andern zu setzen damit wir wissen I was er empfinde [und urtheil]. Daraus entspringt das blinde Mitleid welches auch die Gerechtigkeit in I Unordnung bringt. Drittens [andere uns in die] andrer U rtheile zu erforschen weil dieses so wohl I logisch als moralisch die Warheit der unsern berichtigen kann. Daraus entspringt die Ruhmbegierde I Viertens uns allerley zu erwerben und zu erspahren zum Gerruß daraus entspringt die 35 1Habsucht welche karg ist. I Man sagt die Ehrbegierde sey die letzte Schwachheit des Weisen Ich glaube daß wofern I nicht die Weisheit von der Art ist daß das Alter voraussetzt die Weiberliebe die letzte I Schwachheit ist. I

[77] Druckseite B 56 neben Zeile 9-14

II 231,29-232,13 li 232,2ff.

Daß eine Frau Weiblichkeiten hat I ist kein Übel wohl I aber daß sie bey I einem Manne angetroffen werden I Eben so ist eher eine beissende 5 1Spötterey als ein Lobspruch I daß eine Frau Männlichkeit I an sich habe I 22 Verwahrungsmittel] ms: verwahrungsmittel 29 andern] XX 97,2: anderen 31 andem] XX 97,6: anderen 32 empfinde. Daraus] empfinde. Daraus I XX 97,6: empfinde daraus 33 andrer] andrer? anderer? 34 kann. Daraus] XX 97,9: kann daraus 77,1 Daß] ms: Das 3 daß] daß? dass?

75

Bemerkungen

II 232,8 ff.

neben Zeile 18-22 Eine Frau verenget I das Hertz eines Mannes man einen Freund wenn I er heyrathet I

10 I

und gemeiniglich verliert I

unterer Rand

II 232,12

Der Mann so eine Laffe im Ehestande ist I

Eingeschossenes Blatt nach B 56 [78] Vorderseite

li 231,29-232,13

Die Benennung der Damesund Chapeaux ob sie gleich eine modische Kleinigkeit im Umgange I der Deutschen ist zeigt doch sehr wohl das Läppische im Geschmacke an was sichbeyuns I einschleicht und uns zur Nachäffung der lächerlichsten Gebräuche einer in ihrem I eignen Charakter lebhaften und gaukelnden Nation macht. Der immerwährende Umgang I der Franzosen mit dem Frauenzimmer ist ihrem Charakter gemäs dieses aber ist nicht bey 5 den Teutschen. Unser Frauenzimmer hat auchbeyweitem nicht die lebhafte Coquetterie des französischen I Daher diese Manier des Umganges immer etwas abgeschmakt seyn muß. Sie sind hier noch immer stoltz I 1

Da das Frauenzimmer schwach ist so sind sie weit I weniger der Tugend fähig sie haben aber dasjenige I was sie entbehrlich machen kann. 10 1 Die Tugend wird immer nöthiger aber auch I immer unmöglicher in unsrer jetzigen Verfassung I Da die Tugend Stärke anzeigt so muß I sie sich vor kriegerische Staaten schicken mehr vor Rom als Carthago. 15 I

1

Einheit in der Gesellschaft, ist unter vielen I nicht möglich Wenn wir zu den Bedürfnissen die Arbeiten nicht auch seine Frau I

I eines

I

andern zählen warum

Die Männer schätzen ihren Werth nur in 20 Relation auf einander wenn sie in Gesellschaft I seyn: die Frauen nur in Relation auf die Männer I weil nun eine jede entdekte reitzende Eigenschaft I oder Anmaßung einzunehmen jeder 1

78,3 lächerlichsten] XX 98,1: lächerlichen 7 hier noch J hier noch? hier nach? kriegerische] XX 98,11: kriegerischen schicken] XX 98,12: schiken

14

76

Immanuel Kant

andrer I buhlerische Foderung antastet so medisiren der I

25

1 sie stark von einan-

Eine jede artige Frau sucht das gantze Geschlecht I einzunehmen ob sie gleich davon nicht zu profitiren I gedenkt. Dieses kommt daher weil da sie I sollen gesucht werden sie eine Allgemeinheit der 30 1 Neigung zu gefallen besitzen müssen denn wäre I diese eingeschränkt so würde sie vielleicht I auf den fallen der sie nicht will. Diese Nei-1 gung tritt in den Ehen aus ihren Schranken I

II 232,13-29

[79] Rückseite, gegenüber B 57

I

I

1. Von der Bedürfnis und den Annehmlichkeiten. Ruhe I Abwechselung lange Weile I

Von der Üppigkeit und der Gnugsamkeit. Zurüstung Vorsicht 5 1 Von der Ehrbegierde. I I Von den [fein und] Gütern des Wahnes. Kargheit I Von der Geschlechterneigung. Von der Wissenschaft Von den feinen und groben Empfindungen

10

1

I

Von der Vorsicht I Von dem Menschen der Einfalt I Vom natürlichen Menschen in Vergleichung mit dem sittlichen 15 1 Vom Werthe der menschlichen Natur I

79,1 Annemlichkeiten] XX 100,4: Annehmlichkeiten Größe? Grösse?

zum] zum? zur?

14 Größe]

77

Bemerkungen

Ein Freyer schätzt sich selber mehr als ein sclavischer I Die Abhängigkeit von der Gewalt ist nicht so schimpflich I als die vom Wahne I

20 1

Von der Üppigkeit gesitteter Menschen. I Von den Wissenschaften dem gesunden und feinen Verstande I Von dem Genuß und dem Wahn prevoiance 25 1 Von der Wohlfarth und dem Elende. I

I

Von der Grosmuth und der Schuldigkeit I Von dem Triebe des Erwerbs oder der Vertheidigung

Krieg

I

Von der Warheit und Lüge. Von der Anständigkeit und der Rechtschaffenheit 30 1 Von der Freundschaft. Von der Vollkommenheit der menschlichen Natur I Von der Geschlechterneigung

I

Tugend Religion Vom natürlichen und künstlichen Zustande Erziehung I Derjenige Officier der bey dem Anblike Ludwig XIV. I in Verlegenheit gerieth oder sich stellte darin zu gerathen 35 äusserte die Empfindung eines Sclaven. Die Verlegenheit I eines Mannes beym Frauenzimmerthut seinen edlen Eigenschaften I keinen Abbruch seine Dreistigkeit ist hier plumpe Gleichgültigkeit. I Das Frauenzimmer muß nicht in Ansehung der männlichen I Tugend verlegen seyn conscia decoris Venus. ihr edler 40 1 Anstand ist ruhig und sanft nicht dreust. I Ich verehre in einer adlichen oder fürstlichen Persohn I das schöne Mädchen. I 1

17 Freyer] ms: freyer 37 beym Frauenzimmer] beym Frauenzimmer? bey Frauenzimmern? 40 Tugend] Tugend? Jugend?

lmmanuel Kant

Redet er schon immer von Tugend so ist er verdorben I redet er beständig von Religion so ist ers im äußersten Grade 45 1

Die Geistlichen auf dem Lande könnten große Schulen I zur Kindererziehung halten I

[80] Druckseite B 57 oberer Rand

II 232,13-29 II 232,13

Die Schönheit ist gebieterisch. Das Verdienst [ ... J I ruhig und nachgebend. Die Frau erhält die Zärtlichkeit I des Mannes durch Eifersucht I

am Rand, neben Zeile 2-19

II 232,14ff.

Der Mann dem eine I mit Schwierigkeit 5 1 zurückgehaltene I Thräne entwischt. I Daher erstikt I ihn sein Schmertz I den er in seiner Brust 10 1 zusammendrükt wenn I ihn zärtliche Wehmuth I bewegt und in seinem I Bezeigen die Bemühung I hervorleuchtet ihn 15 1 standhaft zu ertragen. I Das Frauenzimmer I kann mit Anständigkeit I ihre Betrübnis in I Klagen auslassen 20 1 und erleichtert sich I ihre Empfindung. I Sie geht auch leicht I vom Schmertz zur I Freude über obgleich 25 1jener ernstlich I gewesen ist welches I auch vor ein schön I Geschlecht gut ist I Der Mann liebt 30 1 zärtlicher die I Frau beständiger I

Eingeschossenes Blatt nach B 58 [81] Vorderseite

II 232,30-233,9

Von der Ungleichheit I Wenn diese einmal angehoben hat so ist das Übel der Unter- Idrückung lange nicht so groß als daß die Gemüther I der Unterdrückten niederträchtig werden und sich selbst gringe I schätzen. Ein Bauer ist ein viel elenderer Mensch und hat 5 1 gröbere Laster als ein Wilder dem es an allem fehlt und I so auch ein gemeiner Arbeiter. I Wenn ich in die Werkstatt des Handwerkers gehe so I wünschte ich nicht daß er in meinen Gedanken lesen könnte I Ich scheue diese Vergleichung er würde die große 10 Ungleichheit einsehen in der ich mich gegen ihn befinde. I Ich nehme wahr daß ich nicht einen Tag ohne seine I Arbeitsamkeit leben könne daß seine Kinder zu nützlichen I Leuten erzogen werden. I 1

Von den Vertheidigungsleidenschaften.

15 1

79

Bemerkungen

Obzwar der Mensch vonNaturkeinen andern Menschen haßt I so fürchtet er ihn doch. Daher ist er auf seiner I Hut und die Gleichheit die er alle Augenblicke I denkt zu verlieren bringt ihn in Waffen. Der I Stand des Krieges fängt bald an. Allein 20 1 weil er auf einem edlen Grunde beruht so bringt I er wohl große Übel aber nicht Niederträchtigkeit I hervor. Er ist weniger gefährlich die menschliche I Natur zu verunehren als ein knechtischer Friede >:-1 Die Tugend welche auf der Stärke beruht 25 kann auch nur in kriegerischen Staaten lange dauren. I Die Engländer haben noch die meiste Tugend unter I allen europäischen Nationen [Sie sind] Ihr Luxus I wird durch schweere Arbeit erworben und mit Wildheit I verschwendet 30 1 1

Unser jetziger Krieg geht nur auf den Erwerb I des Geldes und auf den Luxus heraus. Der Alten ihrer I auf die Gleichheit und das Übergewicht nicht des Reichtbums I sondern der Macht hiermit kann noch Tugend bestehen I

>:·

II 233,10-26

[82] Rückseite, gegenüber B 59 Alles was entnervet tödtet die Tugend in ihren I Quellen.

Das weibliche Geschlecht ist näher an der Natur I als das männliche. Denn das jetzige Zeitalter ist I das Zeitalter der Anständigkeit der Schönheit der 5 1 Artigkeiten Das sind aber ihre eigenthümliche Neigungen I Das männliche Geschlecht ist ausgegangen und I die edle Eigenschaften dauren nicht mehr nachdem I alles in den Ausputz ausgeschlagen ist I Der Zustand der Tugend ist ein gewaltsamer 10 Zustand er kann also nur in einem gewaltsamen I Zustande des gemeinen Wesens angetroffen werden. I 1

Das üppige Leben in einem gewißen Grade vermehrt I die Menschen. Die Arbeit der Weiber hört auf sie I bekommen mehr Kinder [sieJ Es giebt Huren gnug 15 1 die Kinder säugen wollen oder arme Weiber die I die ihren vernachläßigen und die Kinder der Vornehmen I erziehen p. p. In einem noch höheren Grade macht die I Üppigkeit einen Stillstand der Vermehrung und endlich I eine Verminderung. Daraus entspringt Armuth. 20 1 aber ehe diese anhebt oder wenn sie entsteht I so geschehen die größesten Laster I 81,18 Augenblicke] XX 102,15: Augenblike 20 Krieges] XX 102,16: Kriegers 82,1 entnervet] XX 103,8: entnervt 6 Artigkeiten] XX 103,11: Artigkeit Das] ms: Daß 7 männliche] ms: Männliche 17 vernachläßigen] XX 104,9: vernachlassigen

~0

Immanuel Kam

Von der Religion im natürlichen Zustande. I Man muß die Wilden ohne Religion nicht vor solche I halten die den unsrigen mit der Religion nachzusetzen wären. 25 Denn derjenige welcher das thut was Gott will daß I er thun solle vermittelst der Triebfedern die Gott I in sein Hertz gelegt hat gehorsamt ihm ohne sein Daseyn I zu wissen. Derjenige der Gott erkennt aber nur durch I die natürliche gute Moralitaet zu solchen Handlungen gebracht 30 I wird hat Theologie, oder wenn er Gott um seiner Moralitaet I willenehret so ist dieses nur eine Moralitaet deren Gegenstand I erweitert worden. Christen können eben so wenig seelig werden I wenn ihr Glaube nicht lebendig ist als die gar keine Offenbarung haben I bey jenen aber ist etwas mehr geschehen als was natürlich zugeht. 35 1

1

Eingeschossenes Blatt nach B 60 [83] Vorderseite

II 233,26-234,5

Wenn Diogenes anstatt sein Faß zu wältzen den I Acker gebauet hätte so wäre er groß gewesen. I Man muß jetzo gar keine Bücher verbieten das ist I das eintzige Mittel [den Schaden] daß sie sich selbst I vernichten. Wir sind jetzo auf den Punkt 5 1 der Wiederkehr gekommen. Die Flüsse I wenn man sie ihre Überschwemmungen machen läßt I bilden sich selbst Ufer. Der Damm den wir ihnen I entgegensetzen dient nur ihre Zerstöhrungen unaufhörlich I zu machen. Denn die Verfasser unnützer Sachen haben 10 zu ihrer Entschuldigung die Ungerechtigkeit anderer vor sich. I 1

In den Staaten wo die Arbeitsamkeit in Dingen I der Bedürfnisse [keine Ehre] nicht geehrt und hochgehalten I wird wo die Leute die dergleichen Gewerbe treiben 15 1 sich nicht selbst schätzen da ist ein Mann ohne Ehre der I ärgste Taugenicht lüdedich falsch hinterlistig und diebisch. I Aber da wo die Einfalt der Natur herseht I kann die Ehre sehr wohl entbehrt werden. I Sehet da, die Ehre richtet viel Übel 20 l an und denn dient sie auch zum Mittel die I größesten Ausschweifungen derselben zu verhüten I Die Wissenschaften richten viel Übel an und dann I dienen sie auch zum Mittel ihr eigen Böses zu I bessern. Der Kries macht mehr Böse als 25 1 er deren wegnimmt 24 muß] muß? muss? 30 Moralitaet] XX 104,19: moralitat 31 Moralitaet] XX 104,20: moralitat 32 Moralitaet] XX 104,20: Moralitat 33 Christen] ms: Xsten 35 jenen] jenen? jenem? vom? von? 83,7läßt]läßt? lässt? 23 dann] dann? denn?

Bemerkungen

81

aber er bringt gewißer I Maaßen den Stand der Gleichheit und des I edlen Muths hervor. Auf solche Weise kann I das Verderben so wohl als die Tugend I in der menschlichen Natur nicht unaufhörlich 30 1 steigen I

II 234,6-22

[84] Rückseite, gegenüber B 61

Der so selbst nicht stoltz ist sieht mit nicht gringer Lust I das Spiel der Eitelkeit der vornehmen Damen an I Schamhaftigkeit Blödigkeit. Verlegenheit I Die Satyre bessert niemals daher wenn ich auch die I Talente dazu hätte so würde ich mich ihrer nicht bedienen. 5 Die Eitelkeit im Frauenzimmer ist entweder die des Geschlechts I oder des Standes. I 1

Der Stoltz des Geschlechts oder des Standes I Weil Adel und die darauf gegründete Ehre blos auf I der Willkühr der Fürsten beruht so ist der Stoltz 10 darauf sehr läppisch I 1

Daß der Trieb zur Ehre nur aus der Idee der I Gleichheit entspringe siebet man daraus. 1. weil so I ferne ein anderer auch stärker ist aber nur scheint I keine Vergleichung anzustellen so fürchten wir ihn wohl 15 l [aber wir] (woraus eine Hochschätzung entspringt) aber I wir hassen ihn nicht 2. daß die Neigung gegen Größere I seinen Werth zu zeigen edel gegen Gleiche aber oder I Niedrige [verächtlich] < hassenswürdig > ist und daß ein Mensch der sich selbst I nicht schätzet verachtet wird. 20 I Der höchste Gipfel des modischen Geschmaks ist die abgeschmakte Dreustigkeit I erwerben [die] das junge Frauenzimmer aber die zurückhaltende Sittsamkeit bald ablegt I und das Spiel der Coquetterie mit Lebhaftigkeit frühe zu treiben gelernt hat. Denn I [alsdenn wir] dieses ist nothwendiger Weise die einnehmendste Manier die am meisten in die I Augen fält ein vernünftiger Mann sieht in einer solchen Gesellschaft wie ein Tölpel oder Pedant aus 25 eine [sittsame] bescheidene und sittsame Frau wie eine gemeine Hauswirthin und der I feinere Auszug der Gesellschaft spielt die Role von Hofleuten. Daher scheiden die I von dem 1

30 menschlichen] ms: Menschlichen 84,6 im Frauenzimmer] XX 106,8: eines Frauenzimmers Geschmaks] XX 107,7: Geschmacks

11 zornig] ms: Zornig

21

Immanuel Kant

gemeinen Geschmak bald aus und die Vernunft und die häusliche Tugend sind alte I verrostete [Eigenschaft] Denkmäler des Geschmaks [der] aufzubehalten zum Andenken. I Allein hier findet sich wieder der Stillstand und die Rükkehr wie bey allen Übeln die man 30 1 niemals auf die höchste Spitze bringen kann ohne daß die Waage auf der andern Seite ausschlage I Denn allmählig werden die Frauen welche die weibliche Kunst lange vor der Heyrath I ausgeübt haben diese Freyheit sich mit großer Leichtigkeit in einem Stande machen wo sie es mit I Sicherheit thun können. Die Mannspersahnen gewarnt durch solche Beyspiele selbst belehrt durch I diejenige Verführung die sie selbst angestiftet haben und im Prospekte einer wilden Eitelkeit die 35 1 ihnen niemals Ruhe lassen wird lieben die Heyrathen anderer aber verschweeren ihre eignen. I Die Verachtung des schönen Geschlechts folgt auf die Vergötterung und [man] was das schrecklichste I vor dasselbe ist das männliche ist gescheit nicht mehr von ihnen betrogen zu werden. I Das größeste Hindernis daß das männliche Geschlecht nicht zu der glücklichen einfalt zurück-1 kehren kann ist das weibliche Geschlecht. 40 1

[85] Druckseite B 61 oberer Rand

II 234,6-22 li 234,5

Ich pflanze Menschen. Anständigkeit. Ein hülfleistender Instinkt I der Keuschheit.

am Rand, neben Zeile 1-4

li 234,6ff.

Die Männer I sind überaus I leicht zu betrügen 5 1die Weiber I nicht. I

unterer Rand

II 234,22

Die altmodische Eingezogenheit hat auch ihre Beschweerlichkeiten I Der Umgang wird sprachlos voll steifer Ceremonie I bäurischer und verzumpfter Sprödigkeit. Die Eitelkeit 10 1 und das Gaukelspiel des galanten Umganges dienen einigermaßen I dazu die Leidenschaft [unter] durch die veränderliche Spiele I der Zerstreuungen einzuschläfern und auf Moden Putz und leere I Eitelkeiten abzuleiten anstatt das dorten die Einsamkeit das I einbringt was die Gesellschaft verboten hatte. 15 1

29 verrostete] ms: verroste 30 Rükkehr] XX 107,18: Rückkehr 31 andern] XX 107,20: anderen 36 eignen] XX 107,27: eigenen 37 Vergötterung] XX 107,27f.: Vergöttung schrecklichste] XX 107,28: schreklichste

Bemerkungen

Eingeschossenes Blatt nach B 62 [86] Vorderseite

83

II 234,22-235,2

Das Erröthen ist eine schöne Eigenschaft des Frauenzimmers I und nicht die Unverschämtheit [macht] vertilgt I das Erröthen sondern die nicht leicht erröthet I wird leicht unverschämt und liederlich I Es haben weit mehr Männer Ursache 5 1die Grosmuth der Frauen zu rühmen die I sich der Rechtsame nicht bedienen welche I ihnen die Natur giebt die billige Foderung I an ihren Mann allenfals durch andre Männer I zu erfüllen als sich Männer beschweeren können. 10 1Es [ist] entspringt auch beysoviel entner-1 veten [Persohnen] Männern ein läppisches I oder chimärisches Ehrprojekt nach I welchem sie aus der Ehe Freundschaft I machen wollen und große Tugenden von der 15 1 Frau verlangen zu einer Selbstüber-1 windung derjenigen Regungen die sehr billig I seyn und jene nicht stillen können. I Das Frauenzimmer ist nicht so wohl tugendhaft als das es vermögend ist I die Männer dazu zu machen. So gar welches seltsam ist sind sie das größte 20 1 Mittel der Keuschheit an Männern denn ein sonst flatterhafter Mensch wird I durch nichts keuscher gemacht als durch die Liebe gegen ein Mädchen. I Das Frauenzimmer hat einen schnellen Begriff von allem was auf sentiments I läuft aber es empfindet nicht eben dasselbe. Nennet z. E. eine Heldentugend I so wird der Mann denken wenn er sie selbst ausüben solte die Frau aber 25 1 wenn man solche gegen sie oder wenn sie ihr Mann thäte. [Stellet euch einen] I Redet von einer großen Verschwiegenheit so denkt sie sich einen solchen Liebhaber I Daher einige Tugenden die auf ihr Geschlecht keine merkliche Richtung haben I von ihnen nicht geachtet wird (z. E. die Einfalt der Natur) I Diese ist vortreflich denn das Frauenzimmer ist der Wetzstein der Tugend 30 1 frangere vix cotis p. p. und es würde auch die männliche Tugend [gegen] I keinen Gegenstand der Ausübung haben wenn das Frauenzimmer selbst so I wäre denn alsdenn würde es entbehren können. I Vielleicht ist dieses eine verborgene Ursache weswegen wir jederzeit so am I Frauenzimmer hängen wir mögen wollen oder nicht 35 1

86,4liederlich] liederlich? lüderlich? 9 andre] XX 109,3: andere 13 Ehrprojekt] XX 109,6: Eheprojekt 23 Das] (verstümmelt) 25 solte] XX 109,17: solle 27 großen] großen? grossen? 29 wird] (gemeint:) werden 31 frangere]frangere? frangas?

84

Immanuel Kam

[87] Rückseite, gegenüber B 63

II 235,2-19

Die absolute Kälte ist da ein Körper mit Feuer I gesättigt ist die absolute Wärme da er alles Feuer hat I fahren lassen was möglich ist d. i. da die Attraction der expansivischen I Gewalt desselben gerade gleich ist I Ob ich einem moralisch veränderten Menschen anteactum kann I

51

imputlren

Wenn ein Körper Feuer aus andern zieht so I erwärmt er sie wenn er es fahren läßt so I erkältet er sie. I a

b

c

Es sey in a die Erwärmung so ist a in den saugenden I Zustand gesetzt durch den Verlust seines Feuer Elements. in I b muß also Kälte seyn indem dahin mehr Feuer Element I anzutreffen ist und von den Theilen daselbst angezogen wird, I weil das Feuerelement in b [gezogen wird so wird 15 1 in c ein leerer Raum werden also in c] gehäufet I wird so muß es sich ausspannen und in c I einen leeren Raum geben der warm seyn I wird, und so fortan. Von den aetherischen Wellen I in der Wärme von denen im Lichte. Dieser 20 1 Unterschied kann aber nur eine kurtze Zeit dauren. I Es sey Wasser über Feuer so ist unten ein I leerer Raum folglich wenn das Wasser alles I Feuer hat fahren lassen d. i. siedet so muß I wenn man es abnimmt unten [saugend. i. warm machen 25 und oben] herausfahren und oben saugen weil die I Bewegung einmal dem Element gegeben worden oben ist es I also heis und unten kühl. Im Sieden müssen unten I Blasen entstehen die hinauf steigen das sich befreyende I Feuerelement wird nicht so schnell durch Kupfer durchgelassen 30 wie durch Wasser und versammelt sich in Blasen in diesen I erzeugen sich Dünste und steigen in die Höhe indem sie I ein elastisch Medium ausmachen. I 1

1

Alle Körper verglasen und sind comparative leer I von Feuerelement daher indem das Licht bey andern Wärme 35 hervorbringt im Innersten so macht es hier nur Licht d. i. I nicht so sehr Austreten des Aethers als Bebungen. I 1

87,5 anteactum] anteactum? anteacta? 25 abnimmt] abnimmt? bessert zu:) Im 33 elastisch Medium] ms: Elastisch medium

28 Im] ms: Om (ver-

Bemerkungen

Eingeschossenes Blatt nach B 64 [88] Vorderseite

85

II 235,19-31

Die Größe der Strafe ist entweder practisch I zu schätzen nemlich daß sie groß gnug sey die I Handlung zu verhindern und denn ist keine größere I Strafe erlaubt aber nicht immer eine so I große Straffe als physisch nöthig ist moralisch möglich. 5 1

Oder ihre Größe wird in moralischer Proportion I geschätzt: e. g. der Mensch der einen andern um I sein Geld zu nehmen tödtet von dem wird geurtheilt I daß weil er eines andern Leben weniger als I [sein eigenes] Geld geschätzt hat, man auch seines 10 I weniger schätzen müsse als so viel Geld I in Beziehung auf das Leben eines jeden austrägt I Wenige machen sich daraus etwas ihren I Fürsten zu betrügen welches ein Merkmal ist daß sie die Ungerechtigkeit der Regirung empfinden 15 I

1

I Indoles est vel ingenua vel [servilis] abiecta haec vell tanquam mercenarii vel tanquam mancipii I Von der Methode der Moral da man [alle] die I Eigenschaften die jetzo allen Menschen von der Geburth her 20 gemein sind als natürlich (nicht von Sünde angeartet) I ansieht und daraus die Regeln zieht wie sie in dem I Zustande gut seyn können irret nicht wenn gleich I die Supposition falsch seyn könnte. Auf die I Weise kann ich sagen der Mensch der Natur der 25 1 von Gott nicht weiß ist nicht böse I 1

Weil Gott im alten Testament ein politischer Gesetzgeber war I so gab er auch politische Gründe an als Belohnungen und Bestrafungen nicht aber I moralische ausser in späteren Zeiten. 30 1

Indoles ingenua est vel amoris vel reverentiae dominatur I prior in evangelio posterior in lege. Amor non paterat I in veteri testamento locum habere ideo turn reverentia. I In novo testamento amornon potest nisi divinitus oriri I

88,4 nicht immer] (gemeint:) nicht immer ist 5 Straffe XX 111,15: Strafe Oder? Aber? 16 ingenuz] XX 112,9: ingenuae altera] XX 112,9: alter XX 112,15: böse. 34 orirz] ms: ori

6 oder] 26 böse]

86

Immanuel Kant

[89] Rückseite, gegenüber B 65

II 235,31-236,15

Von der Republik Geneve von Rousseaus seltsamer Lebensart I Die Liebe ist entweder wollustig oder moralisch I Gegen Frauenzimmer ist immer etwas von der erstem I untermengt auch gegen Alte kann sie seyn sonst werden sie nur I als Männer geschetzt. [gegen Ki] Väter verziehen die Töchter 5 1 und Mütter die Söhne I Alle Narrheiten haben das miteinander gemein I daß die Bilder die [da] sie reitzen in der Luft schweben I und keine Unterstützung oder Festigkeit haben. I Ihr heyrathet ein Frauenzimmer ohne Witz ohne Maniren 10 1 ohne Geburt und Familie [wa] welcher Verfall eures I Geschmaks. Ey das ist nicht die Regel meines Geschmaks I werdet ihr vielleicht antworten. Aber was werden die I Leute sagen bedenket es doch was [werden] wird I die Welt von euch urtheilen. Ehe ich mich auf diese 15 wichtige Schwierigkeit einlasse so frage ich euch I vorher [was sind denn jene Le] was versteht man I denn unter jenen Leuten und der Welt deren Meinung I vor mein Glük entscheidend ist. Das sind antwor tet man mir eine Menge von Persohnen deren eine jede 20 eben so bekümmert ist was die Leute sagen möchten I und ich gehöre mit unter die Zahl dieser so genannten I Leute deren Unheil so wichtig ist. Ey antworte ich I wir Leute insgesamt wollen uns einer um des I andern Meinung gar nicht mehr bekümmern weil sie uns 25 des Genusses beraubt denn wir verstehen uns nunmehr I oder ich verstehe wenigstens euch alle ich [will] bin kein I Comödiant der durch Klatschen bezahlt wird. I 1

I

1

1

Aufgeblasenheit und filtzige Habsucht sind niemals I zu heilen.

30 1

Das Frauenzimmer ist niemals freygebig dieses ist auch gantz ordentlich denn weil sie eigentlich nicht diejenige sind die erwerben sondern I die erspahren so würde es verkehrt sein [weil] wenn sie umsonst I weggeben denn das ist eine Sache von Herren. Sie sind aber nur I untergeordnete Herrn; und ob sie es gleich niemals seyn wollen 35 1 so behält die Natur doch ihre Rechte. Doch auf den Putz I verwenden sie weil dieses ihnen nicht scheint weggeschenkt zu seyn I und sie mit Recht das was dem Manne gehört gemeinschaftlich I tractiren I

89,1 Republik] ms: rep: I XX 113,1: republique Rousseaus seltsamer] ms: R. selts. 5 gescherzt] gescherzt? geschätzt? 10 Maniren] XX 113,8: Manieren 23 Leute] ms: 28 Comödiant] XX 114,4: comodiant 35 Herrn] XX 114,10: Herren 38 Leuten mit Recht] ms: mit der Recht

Bemerkungen

Eingeschossenes Blatt nach B 66 [90] Vorderseite

87

II 236,15-31

Der Irrthum ist niemals alles in einander gerechnet I nützlicher als die Warheit aber die Unwissenheit I ist es oft I Der Kinder Verstand ist derjenige der nur I dasjenige beurtheilt was ihm gegenwärtig s1 nützlich ist. Der männliche Verstand unheilt I über den künftigen Nutzen der veraltete Verstand I [ unheilt über] verachtet den gegenwärtigen Nutzen I und hat einen eingebildeten Nutzen zum Zwek der I niemals künftig seyn wird. Die Frauen 10 sind in Ansehung des Verstandes ziemlich Kinder I und was das Künftige anlangt sind sie statt I aller Vorsicht der Kargheit ergeben. I Der wackere Mann erwirbt sich mehr eigenen I Kräfte in Ansehung des Künftigen als daß 1sl er um äußere Umstände solte bekümmert I seyn und opfert seine Sorge andern auf. Im I Hauswesen entspringt daraus wunderswürdige I Einheit. I 1

Wenn man blos von Sachen abhängt so hat man 20 I wenig Vernunft vonnöthen sondern nur Verstand I Der Hochmuth um der Religion willen ist der lächerlichste I denn die Vorstellung daß andre nicht seelig werden soll mich vielmehr I mitleidig und hülfleistend als hochmüthig machen. Der Hochmuth I um des Geldeswillen ist gemein und plump weil er 2 s I sich auf das gründet was leicht von einem auf den andern kommt I er ist daher grob. Der um der Freyheit willen ist edel und stoltz I Der um der Geburt [willen und des Standes willen] willenweil I er beständig ist ist feiner und des Amtes willen ist der zuläßigste. I

[91] Rückseite, gegenüber B 67

II 236,31-237,11

Die Juden Türken und Spanier haben den Religionshochmuth I sie sind auch entweder verrätherisch wenn sie feig seyn oder I tyrannisch wenn sie mächtig seyn. Die Holländer um I des Geldes willen die Engländer um der Freyheit und Macht willen. I Die Einbildung der Nationen wegen ihres großen Monarchen s1 macht Eitelkeit und die Eitelkeit bringt auch monarchische I Verfassung hervor. Eine stoltze Nation ist I frey eine grobe und fleißige auch frey und geldgierig I Der spanische Hochmuth wird in allen Religionen I Verfolgungsgeist zeigen und so auch bey den 10 1 Türken. I

90,6 männliche] ms: Männliche 91,1 Spanier] Spanier? Spanien?

9 Zwek] XX 115,4: Zweck 5 großen] ms: Gro!\en

Immanuel Kant

Wo viel Vornehme seyn und auch viel Unter Iwürfige da ist eines theils Schmeicheley anderer Iseits Hochmuth wie bey Pohlen. I Das Frauenzimmer bekümmert sich nur um die 15 Ergötzlichkeit nicht aber die Nothwendigkeit des Lebens I Daher lassen sie den Mann vor die Bedürfnis sorgen I sie aber besorgen den Geschmak. Und in der Religion IIassen sie andere ausmachen was war ist sie I aber sind bedacht es mit guter Art modisch 20 nachzumachen. I 1

1

Ich will noch eins [sa] anmerken (dieses aber lediglich unter I uns Männern gesagt) sie können durch ihr [Gegenwart] Betragen noch I keuscher machen als sie selbst sind und [ohne] trösten sich I über den Verlust einer Neigung durch die Befriedigung der 25 Eitelkeit Hochachtung eingeflößt zu haben. I Ein Frauenzimmer [will ein] sieht einen starken Man gern [dient] I damit sie mit guter Art scheinen gezwungen zu seyn I 1

Das Frauenzimmer macht aus den Männern was es will es hat I Helden gemacht ehedem und macht jetzt Affen. Ob es verständige 30 Männer macht ist zu zweifeln diese können überhaupt nicht von I andern gebildet werden sondern müssen es durch sich selbst werden I 1

Von dem Geschmake an der Gesellschaft zum Unterschied I dessen in der Gesellschaft I

Eingeschossenes Blatt nach B 68 [92] Vorderseite

II 237,11-27

Die Fähigkeit der Lust und Unlust ist überhaupt das Gefühl. I Fühllosigkeit I Die Fähigkeit der Lust und Unlust in Dingen die nicht zu Bedürfnissen I gehören Geschmak. Dieser ist der derbe Geschmak in so I fern er [in] den Bedürfnissen nahe ist der feine ist der 5 wahre Geschmak in demjenigen was weit von den Bedürfnissen I entfernet ist. [In so ferne dieser feine] I 1

[Das Gefühl an Dingen die einen gro welcher großere Ver I standes Vollkommenheiten voraussetzt ist ideal.] I

13 eines theils J XX 115,29f.: einestheils 19 war] XX 116,4: wahr XX 117, I: unterschiede 92,9 Vollkommenheiten J XX 117,36: Vollkomenheit

33 Unterschied]

89

Bemerkungen

In so fern die Kräfte der Seele nicht blos leidend 10 sondern thätig und dichtend seyn müssen so heißt I der Geschmak geistig und idealisch (wenn das vor I nehmste Gefühl nicht durch die äußere Empfindung I sondern dasjenige was man dazu dichtet gerührt I wird) 15 1 1

Das Gefühl in Ansehung der Sittlichkeit [gehört] I bleibt entweder blos an den Bedürfnissen I d. i. Schuldigkeit oder gehet weiter im lletztern Falle ist es Sentiment I Das Schöne und Erhabene im höchsten Grade 20 1 sind sich nahe verwandt. Beyde setzen wenn I sie empfunden werden sollen die Seele in Ruhe I voraus. [Daher] Doch sind sie so unterschieden I daß wenn die Geschäftigkeit [anhebend ist] Munterkeit I und Lebhaftigkeit anhebend ist das Schöne hervor 25 lleuchtet wenn sie aufhörend und die ruhige Zufrie I denheit hervorscheint das Erhabene hervorsticht I Des Morgens früh jenes des Abends das Letztere I In den minderen Arten ist das Schöne mit dem Wechsel aus I der veränderlichen Neuigkeit verwandt. Das Erhabene 30 mit der Beständigkeit Einerleyheit und Unveränderlichkeit I Mit der Schönheit die Mannigfaltigkeit mit dem Edlen I die Einheit I 1

[93] Rückseite, gegenüber B 69

li 237,27-238,6

Nur das Entbehrliche ist schön doch läßt sich I das Edle mit dem Nützlichen noch verbinden. Doch I muß in moralischen Dingen [dasjenige] das Edle nicht I aus dem Gesichtspunkte des Nutzens betrachtet I werden. Blüthen sind schön Obst ist nützlich ,:- 5 Bey diesen feinen Empfindungen wird vorausgesetzt I daß der Mensch nicht durch Nothdurft von I Dingen abhänge sonsten [sind] ist der feine I Geschmak läppisch. 10 1 1

Das Schöne in minderem Grade ist angenehm I und hübsch wenn die [große nicht] Erhabenheit ver I schwindet niedlich. Wenn die Schönheit nach I geahmt ist so ist es geschmükt [zier] als I die goldne Hüner 15 1 [Das Erhabene im minderen]

I

26 sie] ms: die (verbessert zu:) sie aufhörend] XX 118,3: aufhört (gemeint:) aufhörend 29 aus] (fehlt in) XX 118,5 30 verist 27 hervorsticht] XX 118,4: hervorsteigt wandt. Das] XX 118,6: verwandt, das 93,16 im minderen] im minderen? in minderen?

':10

lmmanuel Kant

Die Kräfte des Menschen scheinen beym Gefühl I des Erhabenen gleichsam gedehnt zu werden beym I Schönen ziehen sie sich zusammen I Der in Ansehen der unmittelbaren Geschlechter 20 l neigungsich erweiternde Geschmak ist das I Wollüstige und ist ein Zeichen des Verderbens I in Ansehung I Es giebt moralische und unmoralische Nothwendigkeiten (Schuldigkeiten) I welche man voraussetzt ehe von den Schönheiten die Rede ist 25 [Ehe man] Die Wissenschaften im Kopfe sind manchen Menschen I eben so unnütz als der Haarpuder auf demselben. I und wie es sehr läppisch wäre Mehl auf der Haarkrause I und keines in der Suppe zu haben so ist es ungereimt I entbehrliche Künste zu wissen [ohne J und die zu verkennen 30 I welche die Wohlfarth des Lebens machen. I 1

Ehe wir an die Artigkeiten denken müssen wir vorerst I warhaft und ehrlich seyn. Es ist wunderlich daß sich der I Liebhaber um eine freie Frau bekümmert ehe er weiß ob I sie auch treu ist. Ehe wir nach Grosmuth fragen ;sl Der Frühling [ist schönJ und die Mädchen sind schön der I Herbst und die Ehefrauen sind nützlich. :·

Eingeschossenes Blatt nach B 70 [94] Vorderseite

II 238,6-22

müssen wir uns der Schuldigkeit erinnern. Halt I Verwegene- rief der Kaufmann.! Die gute Maniren bey innerer Unredlichkeit I die Artigkeit der Frau ohne Häuslichkeit sind I so wie [ein schönJ viel Bänderwerk und ein 5 1 schmutzig Hemde. I Die gemeine Meinung daß die vorige Zeiten besser I waren kömmt von dem Übel her das man fühlt und von I der Voraussetzung daß alles sonsten gut seyn würde. I

20 in Ansehn] XX 119,6: in Ansehung 21 das] XX 119,7: der 24 Schuldigkeiten] XX 119,9: Schuldigkeit 27 eben so] XX 119,11: ebenso 33 ehrlich] ms: Erhlich 34 um] ms: und um eine freie] XX 119,16: um die freie 94,2 Verwegene] XX 119,18: verwegener

91

Bemerkungen

Die Kleider sind nur Zeichen der Bequemlichkeit und 10 des Überflusses zum Leben. Sie müssen nicht so beschaffen I seyn daß sie die Aufmerksamkeit allein auf sich I ziehen. (schreyende Farben sind dem Auge zuwieder I welches zu sehr angegriffen wird) Eben so I mit Rang und Titel. Die selbst wenig 15 1 Werth haben sind verdammt zum goldnen I Rahmen I 1

In dem Ehestande ist die bloße Liebe ohne I Achtung schon gnug den Mann an die Frau I zu heften und die bloße Achtung ohne Liebe 20 I die Frau an den Mann. Daher obgleich I Verstand und Verdienste auf die Frau ausser I der Ehe wenig Wirkung thun so ist doch I die Ehe die einträchtigste da wenn gleich die I Jahre unterschieden seyn der Mann durch Verstand 25 1 Achtung einflößt Wolmar I Ich möchte lieber der glückliche Saintpreux I als der um eine Ehefrau buhlende seyn I

[95] Rückseite, gegenüber B 71

li 238,22-239,2

Die richtige Erkentnis des Weltbaues I nach Newton ist vielleicht das schönste I Produkt der vorwitzigen menschlichen Vernunft I indessen merkt Hume an daß der I Philosoph in diesem ergötzlichen Nachsinnen 5 I leichtlieh durch ein kleines braunes Magdehen I kann gestöhrt werden und daß die Regenten I durch die Kleinheit der Erde gegen das I Weltall nicht bewogen werden ihre Erobe I rungen zu verachten. Die Ursache ist weil 10 1 es zwar schön aber unnatürlich ist I sich ausser dem Kreise den uns der I Himmel ihr bestimmt an uns zu verlieren I Ebenso ist es auch mit den erhabenen Betrachtungen I über den Himmel der Seeligen. 15 1

Wenn das Licht eine ströhmende Bewegung I hätte so würde sich seine Stärke beym I Auffallen auf eine schiefe Fläche [nicht] und die I Erwärmung nicht wie das Quadrat des I Sinus der Neigung sondern wie 20 1 dessen Cuben verhalten. I Daß die Pole gar nicht ziehen ist aus I dem Experiment des Bougeurs klar der I eine Magnetnadel auf eine kupferne setzte I

95,3 menschlichen] ms: Mschl: gemäß ersetzt)

13 ihr bestimmt an] XX 121,1: hier bestimmt hat (sinn-

Immanuel Kant

Eingeschossenes Blatt nach B 72 [96] Vorderseite

li 239,2-18

Der Zuschauer sagt der Narr und der Kluge I sind darin unterschieden daß der erstere laut denkt p. p. I Dieses ist eine sehr richtige Bemerkung von der Art I unserer jetzigen Klugheit. Weil nun beyde I Geschlechter hierin proportionirlich zunehmen und das 5 1 Weibliche überhaupt das Männliche in der Kunst zu I scheinen übertrifft so müssen die Weiber darin I jetzo viel vollkommener seyn und herrschen. I Daß die Prospicientz des Todes nicht von der Natur sey I ist daraus zu sehen weil die Betrachtung des Todes gar nichts 10 wieder die Neigung ausrichtet Zurüstungen zu machen als wenn man I lange leben solte, [und daraus we] und der Mensch eben I so ernsthaft Anstalten am Ende seines Lebens macht als I wenn er gar nicht lebete. Daher mag sich wohl die Eitelkeit I und Ruhmbegierde nach dem Tode gründen weil der natürliche Mensch 15 die Schande flieht und vom Tode nichts weiß Daher sich der natürliche I Trieb noch über den Tod der ihn überrascht ausdehnt I 1

1

Es ist mit der Moral wie mit der Arzneykunst I derjenige Artzt ist der beste der mich lehrt I wie ich der Krankheiten und Arzneymittel überhoben 20 1 seyn kann. Diese Kunst ist leicht und einfältig I Die aber alles Verderben zuzulassen und hernach I zu heben ist künstlich und verwikelt I Dasodium theologorum hat darin seinen Grund weil es wieder I die Anständigkeit der Geistlichen gehalten wird die schnellen 25 und heftigen Bewegungen des Zornes zu äussern und da dieser I unterdrükt wird so artet er in geheime Bitterkeit I aus. Parallel mit Weibern und Indianer. I 1

[97] Rückseite, gegenüber B 73

li 239,18-34

Die Riesengröße ist eine Krankheit man könnte fragen ob sie I es nicht auch in Ansehung der geistigen Eigenschaften ist I wenigstens macht sie selten glüklich Cato Brutus I Riesenmäßige Entwürfe ohne Kraft und Nachdruk I ist wie die Kindere deren Köpfe zu groß sind. frühzei 5 tige Klugheit. Margarethe Maultasch. I 1

96,9 Daß] ms: Das 10 ist] danach ein unleserlicher gestrichener Buchstabe liche] ms: Natürliche 24 theologorum] ms: theolog: 28 Indianer] Indianer? Indianers? (gemeint:) Inder 97,3 Brutus] Brutus? 4 Nachdruk] XX 123,3: Nachdruck

15 natür-

93

Bemerkungen

Ich lobe mir die Mittelmäßigkeit. Guter I zufriedener Bürger. I Schweere Verhältniß zwischen Stand und Talente. I Alexander hatte große Waffen hinterlassen 10 nicht um den Indianern die Meinung zu machen wegen I der Riesengröße seines Heeres sondern sie zu I bestätigen. I 1

Der zarte Geschmak wird durch das sehr stark I hervorstehende der Lustigkeit des Gezierens der 15 Schwazhaftigkeit verwundet (schreyend) und liebet I die ruhige und sanfte Schönheit. I 1

Der grobe Geschmak (ist sehr von der Fühllosigkeit I unterschieden) bedarf starker Reitzung lebhaft ausge I kramt und zeigt von seiner Abnutzung. Alte ausge 20 l mergelte Liebhaber. I häslich und garstig. I Das idealische der Schönheit läßt sich sehr I gut erhalten in der Hofnung aber nicht in dem 25 Besitze < Lüderliche werden sehr ungläubig in Ansehung der I Keuschheit der Frauen und machen andre auch so> I 1

Ich weis es nicht ob dasjenige wahr sey was man I von der sehr erweiterten Ergebenheit der [Fra] verehlichten I Frauen in den gesittetsten Staaten sagt und lasse die darüber 30 I urtheilen die es aus Erfahrung kennen. so viel weiß ich I daß wenn alle Empfindungen über ihre Grentzen steigen das I weibliche Vermögen welches nicht so eingeschränkt ist viel I weiter gehen wird als das männliche. I Nichts kann den Verlust der weiblichen Anmuth ersetzen 35 selbst nicht der vornehmste Anstand. I 1

Ausser den Ehen ist die Ausschweifung bey aller Kunst zu verheden I dem weiblichen Geschlecht am gefährlichsten im Ehestand dem männlichen. Daher man I schon vor aller Erfahrung vermuthen kann das weibliche Geschlecht werde vor der Ehe I zurükhaltend und in der Ehe ausschweifend seyn das männliche aber umgekehrt 40 I

7 Mittelmäßigkeit] Mittelmäßigkeit? Mittelmässigkeit? 11 die Meinung zu machen) 15 Lustigkeit) XX 123,10: Lästigkeit XX 123,7f.: die Wenigen zu nehmen

94

Immanuel Kant

II 239,34-240,14 II 240,6ff.

[98] Druckseite B 74 am Rand, neben Zeile 14-21

Die Frau scheint I mehr zu verlieren I als der Mann I weil bey jener I die schönen Eigenschaften 5 1 aufhören beym Manne I aber die edlen bleiben. I Die alte Frau I scheint zu nichts I mehr zu taugen. 10 1

Eingeschossenes Blatt nach B 74 [99] Vorderseite

II 239,34-240,14

Allen Vergnügen die mit der Erfüllung der Bedürfnisse I verbunden sind heissen grob. Das Trinken Schlafen Essen I und der Beywohnung. Das letztere wird vor so I plump gehalten daß Tiresias von der juno eine üble I Begegnung auszustehen hatte weil er es dem 5 weiblichen Geschlechte vorzüglich beymaß. I 1

Der Geschmak hängt also immer an demjenigen I was eigentlich keine Nothdurft ist. Daraus folgt I daß wenn in der Mahlerey die Ähnlichkeit mit der I Natur die Foderung ist z. E. Naturalien, Portraite 10 wohl diese Natur müsse getroffen werden im I übrigen machen idealische Vergnügen das vornehmste I aus. Die Natur ist nicht zu unserm Vergnügen I gut gnug. Es kommt dazu unsre Weichlichkeit I und Zartheit der Organen ja unsre Einbildungs 15 1 kraft. Daher kann die Mahlerey gantz wohl I von der Natur abweichen wie Poesie und I theatralische Handlung I 1

Die Warheit ist mehr eine Schuldigkeit als I Schönheit. Man muß also die Schuldigkeiten verbergen 20 1 um schön zu seyn. I Die Zartheit der Nerven ist eine von den I dirigirenden Bestimmungen des Geschmaks denn dadurch I wird der Grad des Contrasres oder des Affects I die Härte der Empfindungen eingeschränkt p. p. 25 1

Die Harmonie entspringt aus der Übereinstimmung I des Manigfaltigen so in der Music wie Poesie I und Mahlerey. Das sind Ruhepunkte vor I einige Nerven I Die Einheit ist der Bequemlichkeit gemäs 30 1 so ferne sie mit Activitaet verbunden ist I welche die Mannigfaltigkeit begehrt. I 99,9 Ähnlichkeit] ms: Ähnl: 10 Foderung] XX 124,23: Ordnung 15 ja unsre? ja unsre? zu unsrer? 20 Schuldigkeiten] XX 125,4: Schuldigkeit 29 einige] einige? einiger? I XX 125,10: einiger

95

Bemerkungen

[100] Rückseite, gegenüber B 75

II 240,14-30

Von der Feinigkeit und dem Umfange dieser Empfindungen I Der Sinn der Augen liefert lange und zarte I imgleichen sehr idealische Vergnügen das Misvergnügen I ist klein ausser am Geschlecht. Der Schreken I groß. 5 1

Der Sinn des Gehörs wirkt lang daurende I Vergnügen. aber nur durch die Abwechselung ist I weniger idealisch aber sehr lebhaft die I Misvergnügen sind klein und kurtz daurende. I Der Sinn des Geruchs giebt etwas idealische 10 1 Vergnügen sie sind kurtz im Vergnügen und stark I und kurtz. Stark im Misvergnügen nemlich I Ekel erfodert Abwechselung. I Der Sinn des Geschmaks ist gar nicht I idealisch er ist groß im Vergnügen aber 15 1 kurtz und abgebrochen erfodert Abwechselung I (ohne die Nothdurft) Das Misvergnügen ist weit I empfindlicher und der Ekel. I Der Sinn des Gefühls ist in der Wollust I kurtz und erschöpfend in der Wärme 20 1 dem Kützel kurtz und empfindlich im Schmertz I kann er lange dauren und groß seyn. I Kann durch Verstand leicht überwogen werden I (ausser der Geschlechterneigung) I Der Sinn des Gesichts offenbahn das des Gehörs I

25 1

meiste Moralische, denn aber auch

Daß der Frauen Keuschheit in den Ehen schweerer zu bewahren ist wie I der Männer ihre kommt daher weil ihr Vermögen zu ertheilen I größer ist als der Männer daher die phantastische Begierden I bey ihr weiter gehen können 301

Eingeschossenes Blatt nach B 76 [101] Vorderseite

II 240,30-241,10

Von den alten Gesichtscharakteren in I Vergleichung mit den moralischen I Die schönen und edelmütigen Handlungen bestehen vornernlieh I in denje100,1 Empfindungen] XX 126,1: Empfindung 11 stark] XX 126,8: (sinngemäß wegge12 kurtz. Stark] XX 126,8: kurtz u. Stark 21 kurtz] XX 126,14: kurz 27 lassen) den Ehen] XX 127,1: der Ehe 29 die] diese? (verkleckst) 101,3 edelmütigen] ms: Edl: I XX 127,7: Edle 4 denjenigen] XX 127,7: demjenigen

96

Immanuel Kant

nigen zu dem man keine Schuldigkeit hat. I Die Schuldigkeit ist eine Art moralischer 5 1 Bedürfnis was sich näher auf sie bezieht I ist einfältig. I Alle Affecten die die Zärtlichkeit und moralische I Empfindung reitzerr müssen von den Bestimmungen I eines Menschen hergenommen seyn daher 10 1 Weil wenn man die Schönheit schon als I nothwendig voraus setzt sie eine Art I der Bedürfnis wird so ist Einfalt auch I beym Schönen und Erhabenen möglich I Weil es nach allen solchen Empfindungen vor das 15 1 Schöne die bisweilen stärker seyn als die Be Idürfnisse es eine große Kunst erfodert die I Einfalt der Natur zu gewinnen ob es gleich über Iflüßig ist weil man nur nicht davon abgehen möchte I aber doch groß so ist eine besondre Art des Erhabenen 201 Ein verzärteltes Gefühl welches nicht I stark gnug zur Einfalt ist weiblich I Die Natur in Ruhe ist die größeste I Schönheit (doch rieselnde Bäche[)] weil sie I den Menschen einwiegen) weidende Heerden Rindvieh 25 1 Daher der Abend noch rührender als der I Morgen I Die Lustigkeit ist nicht schön dauert auch nicht I Von der Übereinstimmung schöner Gesichter und schöner I Leiber mit der Seele 30 1

[102] Rückseite, gegenüber B 77

II 241,10-26

Der freye Gerruß der wollüstigen Neigung I und die unverhelte Entdeckung ihres Objects I heben alles Idealische was über die Neigung I kann verbreitet werden auf Daher ist es so I schweer in Ehen die idealische Vergnügen 5 1 zu erhalten. Ausser wenn man der Frau I Herrschaft einräumt. I Einige Persahnen gefallen mehr wenn man von ihnen I abwesend ist andere wenn man mehr gegenwärtig I ist die erstere schicken sich mehr zu den 10 1 idealischen Vergnügen der Ehe I Wenn die phantastische Liebe sich mit der I ritterlichen Tugend gut paart.

I

5 moralischer] XX 127,9: moralisches 7 einfältig] XX 127,10: Einfeltig 20 des Erha21 verzärteltes] ms: verzärltetes benen] des Erhabenen? I XX 128,4: das Erhabene 22 ist weiblich] XX 128,6 (ergänzt:) ist ist weiblich 102,2 Entdeckung] XX 128,12f.: Entdekung 4 auf Daher] XX 128,14: auf daher

Bemerkungen

97

Die Romane hören bey den Ehen auf sie I können aber noch jenseit derselben durch 15 Eifersucht verlängert werden, z. E. eine I Frau die Coquette ist von ihrem Mann und von I andern I 1

Es ist alle weibliche Schönheit über I den Geschlechtstrieb verbreitet denn 20 I setzet ihr [Erf] erfahret daß eine I Frau eine gewisse Zweydeutigkeit ihres I Geschlechts habe alle eure Verblendungen I werden aufhören ob gleich dieses zu den Annehmlichkeiten nichts thut die ihr 25 glaubt daß sie euch allein entzüken. I I

1

Eine schwangere Frau ist offenbar nützlich I aber nicht so schön. Die Jungfernschaft I ist unnütz aber angenehm I

Eingeschossenes Blatt nach B 78 [103] Vorderseite

li 241,26-242,6

Es ist sehr unartig daß wir dem I Frauenzimmer gar nicht erlauben wollen I häslich zu seyn selbst nicht wenn sie I alt sind. I Weil die Bedürfnisse gemein sind 5 1 so wird die Häuslichkeit einer Frau I vor eine gringschätzige Sache beym galanten I Manne gehalten. I Wenn aus den Vergnügen das Hauptwerk I wird so werden sie schaal.

10 1

Ich liebe die Franzosen als solche aber I nicht die deutsche wenn sie ihnen nachahmen. I Manche Frau misbraucht die Erlaubnis I die die Weiber haben unwissend zu seyn I Die Fürsten sind bey weitem nicht so verderbt Macht Böses zu thun als I der gemeine Mann I

15 1

nach Proportion ihrer

Die innere Ehre. Selbstschätzung Die äussere Ehre als ein Mittell jener sich zu versichern. Daher ein Mann von Ehre. honestas. Die I äussere Ehre als ein Mittel ist wahr als der Zwek ein Wahn. 20 Jene entweder zur Selbst Erhaltung, Gleichheit, oder zur I Erhaltung der Art gehet auf den Vorzug. Die 1

24 ob gleich] XX 129,11: obgleich 26 entzüken] XX 129,13: entzücken 27 nützlich] XX 129,14: nützlicher 103,18 innere] ms: Innere 18 Die äussere Ehre] XX 130,13: die aussere Ehre 20 Zwek] XX 130,15: Zweck

98

Immanuel Kant

Ehrbegierde (unmittelbar) I geht entweder auf die Meinung von wichtigen Vollkommenheiten (patriotism) I und heißt Ehrgeitz oder in Kleinigkeiten und heißt Eitelkeit. Das I Bewußtseyn seiner Ehre als in deren Besitz man sich glaubt und zwar 2 sl ohne sich mit anderen zu messen heißt Stoltz. Würde I Die Galanterie ist entweder des Stoltzes oder der Eitelkeit I jenen eines Petitmaitres diese eines Stutzers. I Der Stoltze der andre verachtet ist hochmüthig. [Der Eitle] I wenn er das durch Pracht bezeichnen will hoffärtig Der 30 Hochmüthige der seine Verachtung bliken läßt ist aufgeblasen. I 1

[104] Rückseite, gegenüber B 79

II 242,6-22

Die Ehre des Mannes in Ansehung einer Frau ist Muth I und der Frauen Keuschheit. Diese Punkte sind eigenthümlich. I Wenn das Seculum weichlich wird so ist jenes Ehre Süssigkeit I und der zweyten Verstand und Dreistigkeit, jenes macht das I romanische dieses das gezierte und hofmäßige oder modische sl Denn Philosophie ist nicht eine Sache der Nothdurft I sondern der Annehmlichkeit daher ist es wunderlich I daß man [aus J sie durch sorgfältige Gesetze einschränken I will I Weil der brunstige Mann sich die Frau zu seiner Beherrsche 10 1 rinn wählt so dichtet er sie sich sehr vortreflich weil man I sich doch nicht einem elenden Götzen unterwerfen wird, umgekehrt I die Frau will herrschen. Zuschauer schwartzes Meerkätzchen. I applicirt auf das verstekte Geheimniß aller zärtlichen I Neigung gegen das Geschlecht ISI Die stärkste [Vorzüge JVergnügen werden am ersten schaal. I Was das heißt häuslich seyn; aus der Gesellschaft eine I Bedürfnis machen. Lange Weile. I Die Hausfrau ist ehrwürdig. Schöner Anstand ihrer häuslichen I Sorgfalt mit Reinlichkeit und Zierde untermengt muß nicht 20 I mehr scheinen ausser Hause sich lieber zu befinden als zu Hause I Der Mann ist der so sich bewirbt die Frau ist die so wählet I das ist der Punkt 25 Bewußtseyn] XX 130,19: Bewustseyn 27 Die] ms: Der (verbessert zu:) Die Petitmaitres] ms: petitmaitres diese] ms: dieses 29 andre] XX 130,24: andere 104,16 Vorzüge] Vorzüge? Neigungen?

28

Bemerkungen

99

sich rar zu machen. Soll sie den romanischen I Phantasten den Putznarren oder den [Ha] eigennützigen und phlegmatischen fühllosen I sich wählen. 251

Saint-Evremond wolte eine Ehefrau wählen und wählte sich eine Coquette I Das macht weil er aus einem Lande war wo jede Ehefrau I eine Coquette ist aber nicht gegen ihren Mann I Der Mann der seine Belustigungen nicht zu seinem Geschäfte sondern I zur Erholung macht, der zu leben weis d. i. nicht aus dem Erwerb 30 sondern dessen Genuß seine Absicht macht der zum ruhigen Vergnügen des I Umganges und der Freundschaft auferlegt ist der ist der Mann I 1

Alle Vergnügen werden abgeschmakt wenn es nicht Erholungen sondern I Beschäftigungen seyn. Die Frau und der Mann welche zu thun haben werden einander I nicht überdrüssig werden. 35 1 Die Frau besitzt weit mehr die Geschiklichkeit jederzeit Weib zu seyn I als der Mann wird sie aber diese Geschiklichkeit nicht lieber ander I wärts verwenden als bey ihrem Manne der ihr abgeschmakt ist I

II 242,6-22 II 242,8

[105] Druckseite B 79 am Rand, neben Zeile 3-4 Der Maastab I der Glükseeligkeit I ist das Hauswesen

II 242,13 ff.

am Rand, neben Zeile 10- unterer Rand Ich gehe [aus] I einem blumigten Felde Thälern zu dürren I Feldern I

I

51

und den arcadischen

I

Der Roman hört I auf und die Geschichte 10 1 fängt an. Nunmehro I zerstreut sich allmählich I der zauberische I Dunst< durch> den der verliebte I Wahnsinn seinen Götzen gesehen 15 1 hatte. Das Ehebette I empfängt ein mensch26 Saint-Evremond] ms: Evermond I XX 132,10: S. Evermond 28 aber nicht] XX 132,12: launicht 29 seinem Geschäfte] XX 132,13: seinen Geschahen 31 macht] (sinngemäß ergänzt) 33 Erholungen] Erholungen? Erholung? 36 Geschiklichkeit] XX 132,20: Geschicklichkeit zu] ms: und (verbessert zu:) zu Weib] Weib? weis? 37 Geschiklichkeit] XX 132,21: Geschicklichkeit] anderwärts verwenden] XX 132,22: anderwerts anwenden 105,12 allmählich] XX 133,2: allmählig 14 verliebte] verliebte? Verliebten? I XX 133,2: Verliebten

100

Immanuel Kam

liches I Mädchen und die [Gö] sonst I als Göttin angebethet wurde I erstikt den andern Morgen 20 I als [eine] Ehefrau den Wieder I spruch ihres Sclaven [alsdenn I trinkt der verständige I Ehemann das heilsame I Wasser] Der durch 25 1 seine Einbildungen I vorher berauschte Liebhaber erwachet von einer schönen Träumerey und I Der Anblik der Blüthen.

Eine galante Persohn blüht immer I

II 242,22-243,4 II 242,23

[106] Druckseite B 80 oberer Rand

Die Liebe ist eine Einheit

Salomo hat niemals geliebt I Die

Eingeschossenes Blatt nach B 80 [107] Vorderseite

I

II 242,22-243,4

Die Schönheit ist darum ohne Nützlichkeit weil diese I eine Pressung einer Sache zu andern Zwecken also keine I in sich selbst vollendete Vollkommenheit anzeigt. Daher I je nützlicher die Sachen sind desto mehr Ecken I zeigen sie so zu reden als Mittel sich anderen Verbindungen 5 1 anzupassen die Kugelrundung ist an sich selbst vollkommen I Die Galanterie eine neue Art von Schönheit der I Sitten.

Politesse. I

Jenes ist eine gewisse Süßigkeit in gefälligem Betragen I diese eine gewisse gütige Behutsamkeit 10 1

jene ist affectirt, diese ruhig und gesetzt I Nicht alles Frauenzimmer ist schön im körperlichen oder geistigen Verstande I aber die Galanterie begegnet ihnen allen mit derjenigen Unter Iwerfung die der bezeigt welcher durch seine Neigung I von einem schwächern beherrscht wird 15 1 Die Empfindung vor die Schönheit der Jünglinge I gab den Ursprung der griechischen Liebe der [schandhaft] I schandbarsten Leidenschaft [die jemals gewesen ist I und der in der Natur] die jemals die Natur I [verkehrt] beflekt hat und die wohl verdiente daß [die] ihre 20 I Verbrecher der Rache und Beschimpfung der Weiber I preisgegeben würden [die] p. p. I 20 erstikt] erstikt? erschrikt? I XX 133,4: erstickt 106,2 Die] XX 133,9 (fehlt) 107,2 andern] XX 133,11: anderen 5 sich] (sinngemäß ergänzt) 9 in gefälligem! in gefälligem? in gefelligen? I XX 134,1: im gefalligen 15 schwächern] XX 134,6: schwächeren

Bemerkungen

101

Der erlaubte Schein ist eine Art von I Unwarheit die dann nicht eine Lüge ist I es ist eine Veranlassung zu idealischen Vergnügen 25 1 deren Gegenstand nicht in den Sachen ist I Der Schein in einer grossen Versammlung I als wenn alle diese klüger wären als einer I Jener der sich den Presidenten im Ehebette I dachte wolte etwas ersinnen was ihn wieder 30 1 die beneblende Zauberkraft des Scheines I stark machen könte I Der Schein verträgt sich so mit dem Schönen daß wenn man I es auch gewahr wird es doch gefält aber mit dem I Edlen nicht. Als klug fromm herzhaft redlich scheinen. 35 1

[108] Rückseite, gegenüber B 81

li 243,5-10

Das Wohlwollen ist eine ruhige Neigung andrer I Glückseeligkeit als einen Gegenstand seiner Freude und I auch als einen Bewegungsgrund seiner Handlungen anzusehen I Das Mitleiden ist ein Affect des Wohlwollens gegen I den N othleidenden nach welchem wir uns vorstellen daß 5 1 wir was in der Gewalt ist thun würden ihnen zu helfen I es ist also mehrentheils eine Chimaire weil es weder I jederzeit in unserer Gewalt noch in unserm Willen ist. I Der Bürger ist gegen andre mitleidig die von den I Fürsten unterdrückt werden. Der Edelmann gegen einen andern 10 1 Edelmann aber selbst hart gegen Bauren. I Mit der Üppigkeit excolirt sich die Phantasie der I Menschenliebe und verringert sich das Vermögen und die I Lust. Der einfältige Mensch nimmt sich keines andern I an als dem er helfen kann 15 1 Der Verstand macht keine Vermehrung des sittlichen I Gefühls der vernünftelt hat in so fern nur I abgekühltere Affecten und ist kaltsinniger mithin I weniger böse und weniger gut. Das moralische Gute I macht vielmehr verständig 2 01 Man hat lange gesucht das Gefühl der Lust I über das Lächerliche zu erklären. In der Natur I ist nichts lächerlich I 24 dann] dann? darum? 108,6 ihnen] ihnen? ihm? 8 unserm] XX 135,4: unserem 9 andre] XX 135,4: andere 10 werden. Der] XX 135,5: werden der 19 moralisch Gute] ms: Moralisch gute

Immanuel Kant

102

Man fodert an Geistlichen und Frauenzimmern den Schein I jene sollen scheinen an leichtsinnigen Vergnügen keinen Theil zu haben 25 diese gar keine Neigung zur wollüstigen Vertrau llichkeit. Dadurch macht man sie betrüglich I 1

Schein der Religion wie sie zuletzt vor die I Sache selber genommen wird. Ist alsdenn ein I Wahn. 301 Den Geistlichen muß man vor die Aufopferu.ng so vieler I Freyheiten und Vergnügen Achtung widmen (sie sind fast in so I engen Schranken als das Frauenzimmer) I Man muß mit beyden achtsam umgehen weil beyde I entweder nicht das Vermögen oder nicht die Anständigkeit 35 1 auf ihrer Seite haben sich dreiste der Beleidigung zu wiedersetzen I

Eingeschossenes Blatt nach B 82 [109] Vorderseite

II 243,10-244,4

Das Formale aller Vollkommenheit besteht in der I Mannigfaltigkeit (wozu Dauer und Stärke) und Einheit I sie kann auch allein Vergnügen geben. I Gefühlvoll.

Fühllos.

I

Der Wille ist vollkommen in so fern er nach den Gesetzen der 5 Freyheit der größte Grund des Guten überhaupt ist I das moralische Gefühl ist das Gefühl von der Voll I kommenheit des Willens. I 1

Ob Gott der Urheber aller Moralitaet sey d. i. I ob wir das Gute vom Bösen nur durch den erkanten 10 1 Willen Gottes unterscheiden können I Sulzer sagt das rührt mich mit Vergnügen was I die natürliche Wirksamkeit der Seele erleichtert I und befördert. Dieses sagt nur daß es die I natürliche Bestrebung nach Vergnügen befördere 15 1

Unius corruptio est alterius generatio. Die Natur I hat uns durch den Geruch vor Fäulnisse als dem größten I Grund der Auflösung und Ferment der Zerstöhrung I der Thiere warnen wollen I 29 alsdenn] XX 136,6: alsdann 109,2 Mannigfaltigkeit] XX 136,13: Manigfaltigkeit 9 Moralitaet] XX 137,3: Moralitat 10 er kanten] XX 137,4: erkannten 12 Sulzer] ms: Sultzer 17 als dem] als dem? als den?

Bemerkungen

103

Der Mann ist stärker in allen Vermögen als das 20 Weib er ist aber schwächer in Ansehung der I Neigung die er nicht so wohl zähmen kann und auch in Ansehung I der Reitzbarkeit seiner Zärtlichkeit und des Zutrauens I Das Weib ist schwächer in Ansehung der Kraft aber I auch kaltsinniger und daher mehr vermögend 25 1

1

Die Geschlechterneigung nimmt unter allen die I meiste idealische Verzierung an I Eine Ursache daß die Frauen bald von ihrem großen Verstande I Staat machen ist diese daß man sich ihnen in der Wahl der Materien I bequemt daher sie zuletzt glauben es gebe keine andre. 30 1 Die Frauen haben einen sehr geschwinden aber keinen gründlichen Begriff sie fassen etwas I bald so weit als es nöthig ist davon zu reden und glauben es giebt nichts Bessers I

[110] Rückseite, gegenüber B 83

II 244,4-21

Von den Mitteln die Trokenheit und Feuchtigkeit der Luft zu messen

I

Beym Weibe macht mich meine Grosmuth zum Sclaven I beym Mann meine Feigheit I Die gar große Achtung der Menschen gründet sich auf chimärischen Vorzügen die wir andern leihen 5 I

1

Derjenige Autor der da sagte daß wenn er einen gravitätischen Mann in seinem ernsthaften oder erhabenen Aufzuge betrachtet so mäßigt er seine I blinde Ehrerbietung durch die Vorstellung seiner Vertraulichkeit mit der I Frau oder der gemeinen Nothdurft. Er hätte diese Vorstellung nicht nöthig I gehabt. Indessen scheint darum die römische Kirche den Geistlichen die 10 Weiber verboten zu haben I 1

Der freye Wille (eines Bedürftigen) ist vor sich gut wenn er alles will was I zu seiner Vollkommenheit (Vergnügen) beyträgt und vors Gantze wenn er zu21 er] ms: Er (verbessert zu:) er 27 an] XX 137,17: an. 30 andre.] XX 137,20: andere 31 sie] sie? so? 110,0 Der Text von >>[110] Rückseite:-

I

Wo die Entbehrlichkeit in Ansehung der Bedürfnisse I zusammt der [Bes] Bemühung die Annehmlichkeiten 15 zu bewirken hervorleuchtet das ist gekünstelt I in Ansehung des Schönen geputzt geschmükt in Ansehung I des Erhabenen prächtig hochtrabend. I 1

Der Geschmak geht wohl nicht auf die I Bedürfnisse aber er muß sie nicht 20 1 verhindern wiebeyder Pracht. I Die Regelmäßigkeit stimmt mit der Einfalt I denn wenn [das Man] die Regel nicht die Art I der Verbindungen bestimmte so würde sie I so zufällig und unbestimmt seyn daß sie 25 1 auch den Bedürfnissen wiederspräche. z. E. I Symmetrie. Gefolge paarweise. Es dient also I in dem Zusammenverbundenen jedem seinen Zwek zu bestimmen. I >:- I

Eingeschossenes Blatt nach B 92 [120] Vorderseite

II 248,10-26

I Bonitas actionis liberae objectiva vel quod idem I est necessitas objectiva est

119,5 ein] (verstümmelt) Verbindung

8 natürliche] ms: Natürliche

24 Verbindungen] XX 149,18:

112

Immanuel Kant

vel conditionalis vel categorica I prior est bonitas actionis tanquam medii posterior I tanquam finis illa igitur mediata haec immediata 5 1 illa continet necessitatem practicam problematicam haec pp I Actio libera conditionalis bona non est ideo categorie I necessaria. e.g.liberalitas mea aliis egenis est utilis I ergo oportet esse liberalem Minime. Sed si quis I vult esse aliis utilis esto liberalis. Si autem actio 10 1 [ utilz]liberalitatis ingenuae non solum aliis sed et in I se bona sit turn est obligatio. I De sensu morali et possibilitate oppositi I Adstrinxit quidem providentia sensum morafern publicae ut I universali utilitati ut et privato commodo ita tantum [quemad 15 1 modum J ut arbitrii bonitas non judicetur tantum valere quantum I valet I Wenn ich sage diese Handlung wird mir mehr I Ehre machen als die andere so meyne ich daß ich I mich auf das allgemeine Unheil berufe daß 20 1 dasjenige Unheil gegründet sey was ich von I meiner eignen Handlung fälle. I Die Streitigkeiten in der Weltweisheit haben den Nutzen I daß sie Freyheit des Verstandes befördern und I ein Mistrauen gegen den Lehrbegrif selbst erregen 25 1 der auf den Ruinen eines andern hat erbauet I werden sollen. Im Wiederlegen ist man noch so I glüklich I In den mehresten Sprachen bedeuten Einfalt und Dummheit beynahe I einerley. Das macht weil ein Mensch der Einfalt von einem 30 Künstlichen den er vor so ehrlich wie sich selbst hält I leicht betrogen wird I 1

[121] Rückseite, gegenüber B 93

II 248,26-249,7

Man redet immer so viel von Tugend. Man muß aber I die Ungerechtigkeit aufheben ehe man tugendhaft seyn kann I Man muß die Gemächlichkeiten die Üppigkeit und alles was andere I unterdrückt in dem es mich erhebt abstellen damit ich nicht I einer von allen sey die ihr Geschlecht unterdrüken. Alle 5 1 Tugend ist unmöglich ohne diese Entschließung. I Alle Tugend gründet sich auf idealisches Gefühl. Daher I im Stande der Üppigkeit keine Tugend beym Menschen angetroffen I wird derblos körperliches Gefühl hat im Stande I der Natur aber besteht Einfalt in geraden Empfindungen 10 1 und Einfalt in Sitten wohl zusammen I 120,3 categorica J (verkleckst)

7 categorie J XX 150,5: categoria

Bemerkungen

113

Wo die Länge der Tage mehr gleich I seyn da [bedient] ist man mehr ordentlich I also in Frankreich und England mehr als in I Petersburg. Denn weil man hierbeyhellem 15 1 Tage im Sommer allenfals spät wachen I kann so thut man es auch im Winter. I Es ist lustig daß die Üppigkeit die I Stände jetzo arm macht vornernlieh I die Fürsten 20 1

Das Elend der Menschen ist nicht zu I bedauren sondern zu belachen: Democrit I Swifts Leinweber p. p.

I

Unter allen Eitelkeiten ist diejenige die gemeinste I daß man scheinen will sich glüklich zu befinden daher 25 1 man lieber [gesteht] vorgiebt daß man etwas Gutes I nicht thun will (z. E. Heyrathen dem gemeinen Wesen dienen) I als daß man es nicht thun kann weil derjenige der I das etwas entbehrt oder unterläßt blos I nach seinem Willen in so fern glüklich ist als der gnugsame 30 1 Vermögen hat seine Begierden zu befriedigen I

Eingeschossenes Blatt nach B 94 [122] Vorderseite

II 249,7-20

Wir können andre Welten in der Entfernung sehen aber I die Schweere nöthigt uns auf der Erde zu bleiben I wir können noch andre Vollkommenheiteil der Geister über I uns sehen aber unsre Natur nöthigt uns Menschen I zu bleiben. 5 1

Weil in der Gesellschaft alles Mein und Dein auf pacta I ankommt diese aber auf Worthaltung so ist War I heitsliebe das Fundament aller gesellschaftlichen I Tugend und Lüge das Hauptlaster gegen andere I nebst dem Raube dem Morde und der stuproviolatio 10 1

Wenn die Menschen die Moral der Religion subordiniren I (welches auch nur beym unterdrükten Pöbel I möglich und nöthig ist) so werden sie dadurch I feindseelig heuchlerisch afterrednerisch subordiniren I sie aber die Religion der Moral so sind sie 15 1 gütig wohlwollend und gerecht I 19 die andere] ms: dem andern 24 befördern] XX 151,1: beforderen 121,4 unterdrückt] XX 151,9: unterdrükt in dem] XX 151,9: indem 10 geraden] XX 151,15: graden 12 Länge] XX 152,1: Längen 18] 23 (scheint mit Bleistift geschrieben) 27 will (z. E.] ms: will z. B. (Anfangsklammer ergänzt) gemeinen Wesen] XX 152,12: gemeinsamen Wesen 29 das] das? des? /XX 152,13: da 30 nach] XX 152,14: mit

114

lmmanuel Kant

I

Die wahre Ehe in ihrer Vollkommenheit, die gedichtete I Ehe in ihrer Vollkommenheit. Die vollkommene Glükseeligkeit Ruhe I Der Mensch in seiner Vollkommenheit ist nicht im Stande der 20 [Einfalt auch nicht im] Gnugsamkeit auch nicht im Stande I der Üppigkeit sondern in der Rükkehr aus diesem I Stande in jenen. Wunderliche Beschaffenheit der menschlichen Natur. I Dieser vollkommenste Stand ruhet auf einer Haaresspitze I Der Stand der [Natur kann] einfältigen und ursprünglichen 25 1 Natur dauert nicht lange der Stand der wiederberge I stellten Natur ist dauerhafter aber niemals so I unschuldig. I 1

sehr gesellschaftliche Frauenzimmer werden nicht mehr roth I und wenn sie unwahr sind noch weniger als Mannespersahnen 30 Der etourdi der nicht erröthet I 1

Ein großer Beweis von der Üppigkeit ist das gantze I Staaten jetzo immer ärmer werden. Nationalschuld. Stehende I Armeen I Alle Belustigungen berauschend. i. verhindern daß man nicht die Summe der Glükseeligkeit empfindet I

35 1

gantze

II 249,20-250,4

[123] Rückseite, gegenüber B 95

Es frägt sich ob nicht durch die Seele in Ruhe I die gantze Sittlichkeit könnte hergeleitet I werden wohl zu verstehen beym natürlichen Menschen. I Die Ergötzlichkeiten und Ausschweifungen sind der I Ruhe entgegen. Die Geschlechterneigung findet 5 1 ihre Ruhe nur in der Ehe. Andre zu belei I digen beunruhigt selbst. Affecten überhaupt beunruhigen. I Es ist schlimm daß durch diese Moral kein andrer I Mensch einen Nutzen hat ':· I Die Religion bestimmt die Lebensart der 10 Juden. Denn weil sie jederzeit besorgen zu einer I andren gezwungen zu werden so verabscheuen sie I eine jede Lebensart in welcher sie nicht Freyheit I gnug haben würden es zu vermeiden. Daher I bauen sie nicht den Acker 15 1 1

Immanuel Kant

Centro I des magnetischen Sphäroids zielen sondern davon I auch abweichen. Gesetzt diese Abplattung komme von I der Centrifugalkraft der Erde her so wird [in solche] I die Größe der Abweichung vom magnetischen Centro 30 I sich zu der Abweichung von dem [der dir] Centro der Erde I verhalten wie die Schwere zur dirigirenden magnetischen Kraft I Daher kann der magnetische Horizont sehr verschiedentlich I gebogen seyn und nicht allein die Inclination sondern auch die Declin I ation sehr mannigfaltig seyn. 351

Eingeschossenes Blatt nach B 106 [139] Vorderseite

II 254,23-255,3

Der moralische Wahn besteht darin daß man die I Meinung von einer möglichen moralischen Vollkommenheit vor I eine solche wirklich hält. I Wir haben selbstnützliche und gemeinnützige Empfindungen. Jene sind älter als diese und die letztere erzeugen sich allererst in der 5 1 Geschlechterneigung. Der Mensch ist bedürftig aber auch über die I Bedürfnisse mächtig. Der im Stande der Natur ist mehrer I gemeinnutzigen [Ern J und thätigen Empfindungen fähig der in der I Üppigkeit ist hat eingebildete Bedürfnisse und ist eigennützig. I Man nimmt mehr Antheil an dem Übel vornernlieh der Unge 10 1 rechtigkeit die andre erleiden als an der Wohlfarth I Die theilnehmende Empfindung ist wahr wenn sie den gemeinnützigen I Kräften gleich ist sonst ist sie schimärisch. Sie ist allgemein I auf unbestimmte Art so fern auf einen von allen I denen ich helfen kann sie gerichtet ist oder auf bestimmte 15 1 Art einem jeden Leidenden zu helfen die letztere ist chimärisch I Die Gutherzigkeit entspringt durch die Cultur der moralischen I aber unthätigen Empfindungen und ist ein moralischer Wahn. I Von der [negat] privativen Gutherzigkeit kein Böses I zu thun und der Gerechtigkeit seine Schuldigkeit zu thun 201 Die Moral ist chimärisch die lauter Uneigennützigkeit I will diejenige auch die gegen eingebildete Bedürfnisse I theilnehmend ist. Die Moral ist grob die den Eigennutz I allein behauptet I Die officia beneplaciti können niemals mit sich bringen daß man sich 25 seiner eignen Bedürfnisse beraube aber wohl die officia I debiti denn diese sind moralische Bedürfnisse I

1

139,11 andre] XX 173,4: andere

13 sie] (sinngemäß ergänzt)

Bemerkungen

129

Die Tugend führt einen natürlichen Lohn mit sich aber nicht an I Gütern der Üppigkeit obwohl der Gnügsamkeit I Es läßt sich ein vollkommenster Mensch der Natur gedenken. I

30 1

aber nicht der Kunst

Jener hütet sich sich einige Schuldigkeiten I zu auferlegen. und auch dieser I

II 255,3-19

[140] Rückseite, gegenüber B 107 Die Süßigkeit der jetzigen Bedürfnis ist chimärisch

I

Die Freundschaft der Annehmlichkeit oder der Bedürfnis I Sie müssen gleich seyn sonst heißts nicht Freundschaft I sondern Genuß. I Freundschaft ist immer gegenseitig daher nicht zwischen 5 Vater und Kind und da die Frau niemals so sehr I des Mannes wohl begehrt als dieser das ihrige so I ist die Ehe der vollkommensten Freundschaft nur nahe I verwandt. I 1

Im Stande der Üppigkeit müssen die Ehen aufhören werden. I

10 1

Freundschaften zu

Die Freundschaft des Wahnes die in gegenseitigen I guten Wünschen ohne Wirkung besteht ist thörigt I aber schön, die der geselligen Freundlichkeit und I der einstimmigen Empfindungen ist die gewöhnlichste 15 1 aber ein solcher ist ein Gesellschafter vielleicht I offenherzig und verschwiegen aber kein Freund. I Die Erziehung des Rousseaus ist das eintzige Mittel dem I Flor der bürgerlichen Gesellschaft wieder aufzuhelfen. Denn I da die Üppigkeit immer mehr zunimmt wodurch die Noth die Unterdrükung 20 und Verachtung der Stände und die Kriege entspringen so können die Gesetze I dawieder nichts ausrichten wie in Schweden. Dadurch werden auch alle I Regirungen ordentlicher und die Kriege seltener. Es solten Censoren I gesetzt werden Aber wo werden die ersten herkommen. Schweitz das I eintzige Land. Rusland. 25 1 1

31 gedenken.] XX 174,4: gedenken 140,16 ein Gesellschafter] XX 175,3: in Gesellschaften seau 20 Unterdrükung] XX 175,7: Unterdrückung

18 Rousseaus] XX 175,5: Rous22 alle] XX 175,9: die

Immanuel Kant

130

Der Zweifel den ich [f] annehme ist nicht dogmatisch sondern I ein Zweifel des Aufschubs. Zetetici ((rrrdv) I Sucher. Ich werde die Gründe von beyden Seiten erhöhen. I Es ist wunderlich daß man davon Gefahr besorgt. Die I Speculation ist nicht eine Sache der Nothdurft. Die Kenntnisse 30 in Ansehung der Ietztern sind sicher. Die Methode des I Zweifels ist dadurch nützlich daß sie das Gemüth praeservirt I nicht nach Speculation sondern dem gesunden Verstande I und Sentiment zu handeln. Ich suche die Ehre des Fabius I Cunctator. 351 1

Die Warheit hat an sich selbst keinen Werth ob eine Meinung von der Bewohnung vieler Welten I wahr oder falsch sey das ist einerley. Man muß sie nicht mit der Warhaftigkeit I vermengen. Nur die Art wie man zur Warheit gelanget hat einen bestimmten I Werth. weil der so zum Irrthum führt es auch in praktischen Dingen thun kann I Wenn das Vergnügen aus den Wissenschaften der Bewegungsgrund seyn soll so 40 ists einerley ob es wahr oder falsch sey. Die Unwissenden und die Frühklugen haben I darin einen Vonheil vor den Verständigen und Behutsamen. Der letzte Zweck ist die Bestimmung des I Menschen zu finden I 1

[141] Druckseite B 107 unterer Rand

II 255,19

Die Meinung von der Ungleichheit macht auch die Menschen ungleich. Nur die I Lehre des HErrn Rousseau kann machen daß auch der gelehrteste Philosoph sich mit seinem Wissen I aufrichtig und ohne die Religion zu Hülfe zu nehmen nicht besser hält als der I gemeine Mann. I Eingeschossenes Blatt nach B 108 [142] Vorderseite

II 255,19-35

Was vor ein elender Zustand ist es wenn die Unterdrükung I so allgemein und gewöhnlich ist daß ein fleißiger und redlicher I Mensch nicht blos Gerechtigkeit fodern kann sondern Gnade I erflehen muß. Je mehr wir unsre Schuldigkeiteil verkennen I wenn wir noch nicht gantz verderbt seyn desto mehr 5 1 Gewogenheiten bleiben uns übrig vornernlieh versäumen I wir die Schuldigkeiten gegen einige und ertheilen Gunsten I andern. I 29 daß] ms: das 32 daß] daß? dass? 141,2 Herrn Rousseau] ms: HE. R. 3 nicht besser hält] XX 176,4: nicht vor be,ser hält 142,3 fordern] XX 176,8: fordern Gnade] Gnade?

131

Bemerkungen

Damit die Schwäche der Frauen in den thätigen Eigenschaften wodurch I ersetzet würde so hat die Natur die Männer schwach 10 in so fern gemacht daß die dem Scheine sich gar sehr I ergeben und sich leicht täuschen lassen. Der Mann ist geneigt I sich große Begriffe von einem geliebten Gegenstande zu I machen und sich selbst gleichsam ihrer unwürdig I zu fühlen. Das Weib aber dünkt sich gemeiniglich 15 1 werth der Bewerbung und macht sich keine phantastische I Vorzugsideen vom Manne. Sie glauben bald über das I Herz des Mannes gebieten zu können. Der Mann ist geneigt I seine Frau oder Geliebte höher zu schätzen als sich I selbst die Frau niemals. Wenn man blos der 20 1 Geschlechter Absicht nimmt so regiert offenbar die I Frau und ist klüger. Der Gromüthige glaubt I leichter als der Eigennützige und Schwache. I 1

Die Galanterie (der Männer) ist die Kunst verliebt I zu scheinen. Die Weiber Coquetterie ist die Kunst den Schein 25 der Eroberungsneigung zu machen. Beydes ist in Ehen lächerlich. I [Wenn der Weiber und Männer] Die Kunst tugendhaft I zu scheinen ist die Anständigkeit und besonders die keusch zu I scheinen die Sittsamkeit fein und auswählend im Geschmak I Sprödigkeit, leutseelig zu scheinen Politesse Geschliffenheit 30 [Wenn dies] Die Persahnen welche sich auf die Künste am I besten verstehen machen die schlechtesten Ehen I 1

1

Wenn der Schein [vor der Ehe an] zum Zwek der I Ehe angewandt wird so ist er noch gut dauert er I nach der Ehe so ist er sehr lächerlich. Doch verlangen 35 die Männer solche Frauen die ihnen wie sie sagen Ehre machen die gesucht werden die man ihnen gerne entziehen möchte. I 1

I

II 255,35-256,13

[143] Rückseite, gegenüber B 109

est obligatio stricta erga dominum ex obsequio erga benefactorem ex amore I in novo foedere licet deum amare in veteri revereri I Die Körper sind entweder positiv durchsichtig oder I negativ (reflectirend) oder Zero (schwartz). Alle I Körper auf den Oberflächen sind beydes zugleich vornernlieh 5 die kleine Blätchen. 1

I

Die kleinen Blätchen des Magnets des Eisens haben diese I Eigenschaft und ziehen sich in gantzenKlumpen mit ihren ungleich I nahmigen Polen. Elektrische Körper haben es nur auf I der Oberfläche 10 1 20 der] der? die? 33 Zwek] XX 177,11: Zweck 143,1 obligatio] ms: obligat: benefactorem] ms: benefacto.

132

Immanuel Kant

< Bücherlesen beym Frauenzimmer geschieht I um gelehrt zu scheinen> I I jus cum sit complexus [regularum] obligationum debiti 15 I habitus Actionum [cum jure] ex rationibus juris determi Inandarum est justitia quae vel vel est obligantis (activa) I vel obligati (passiva). Prior [necessitat actiones aliorum I non nisi juri adaequatas haec tales et in tantum I qualeset in quantum ratio juris postulat. Posterior 20 1 est habitus actiones actiones suas] exigit actiones I aliorum [conformiter robore quantenus] per rationes I juris necessitantur Posterior [se ipsum determinat I a legt] est habitus se ad actiones determinandi quae I per rationes juris [sunt] ab aliis necessitantur: ... 25 1 [ Utrumque potest esse a] Si actionum habitus sit justitiae I adaequatus prior erit justitia severa posterior--- I Habitum [actionum] officiorum limites justitiae activae excedentium I Aequitas, justititae passivae itidem I Indoles

30 1

I

I wenn wir wachen so

haben

De sententia respectu juris civilis summum jus I summa injuria. respectu civis vera non respectu I judicis 35 I I Hume meint daß die Geistlichen sehr die Kunst I zu scheinen ausüben. Warheit schikt sich nur I im Schlafrocke im Habit de Parade der 40 1 Schein. Allerley scheinen in Kleidern. Schminke. I Alexander v. Antipater Purpur inwendig I Der Neid hört auf wenn ich den täuschenden Schein I von andrer Glükseeligkeit und Vollkommenheit abwischen kann I 16 Action um] XX 178,9: actionum 18 obligati] XX 178,11: obliganti 19 adaequatas] XX 178,26: adaeqvatus haec] ms: h. e. 22 conformiter] (darüber ein durchgestriche28 Habitum] XX ner, unleserlicher Buchstabe) 25 rationes] XX 178,12: actiones 178,16: Habitus 29 itidem] XX 178,17: ibidem 33 De] XX 178,19: de 39 schikt] XX 179,6: schickt 41 scheinen] XX 179,6: schein

133

Bemerkungen

Von dem Mittel sich einen Presidenten oder ehrwürdigen 45 Mannbey seiner Frau vorzustellen I 1

[144] Druckseite B 110 oberer Rand

II 256,13 ff.

Die vollkommenste Frau. Verständig und wacker, vernünftig, wenn sie I des Vernünftelns I willkührlich enthoben ist< Klug Weise- Witzig Fein> I Die Überhebung von häuslichen Geschäften macht Thörinnen I Närrinnen. 5 1

Derjenige der seine Begierde zu befriedigen weis ist klug der sie zu I beherrschen weis ist weise. I Weltweisheit. I linker Rand, neben Zeile 21-28 Kosten und Unkosten. Das sind Unkosten wenn man die Vergnügen die man I vor 10 1Geld oder Arbeit haben kann und also auch diese verliert. I Der Karge hat die größeste Unkosten der so zu leben weiß I beym Aufwand alles Geldes den größesten Gewinn. Geitzig auch. I jede Zeit sie zu seiner Zufriedenheit (nicht Ergetzlichkeit) zu I verwenden. 15 1 unterer Rand, zwischen Text und Schlußvignette Gleichwie die Größe des Menschen nicht kann über das Mittelmas wachsen I ohne daß er schwächer werde und auch nicht unter derselben bleiben I ohne daß er zu schwach sey so mit den sittlichen und zierlichen I Eigenschaften. I unterer Rand, unterhalb der Vignette Griechisch Römisch Gesicht. 20 1 Charaktere der Nationen im Umgange Spanier Franzosen Deutsche Engländer I

I

Dass unsre Jünglinge und Männer noch so kindisch seyn macht weil sie I vorher nicht gnug Erlaubnis gehabt haben Kinder zu seyn. So blühen I die 144 Der Text der >>[144] Druckseite B 110Freunde< mit dem Hinweis, daß es keinen Freund gibt!Normaluhr>Der Menschen Glück bestehet nicht (ob es der Stolz gleich also gläubet) I Darinn, daß er so thun als denken, weit übers Menschen Wesen treibet, I Nicht geist- und körperliche Kräfte, in seinem Seyn vereint zu sehn, I Die über seinen Stand und Wesen, und über die Natur selbst gehn. I Warum hat nicht der Mensch ein Auge, als ein Vergrößrungsglas so scharf? I Es ist die Ursach offenbar, weil er so scharf nicht sehen darf, I Es ist der Mensch ja keine Fliege. Sprich, welchen Nutzen würd's ihm bringen? I Könnt unser Blick, durch der GesichtKunst vermehrt Geschenk, noch tiefer dringen? I Dann könnt' er eine Milbe sehn, und nicht den Blickgen Himmel schwingen. I Was hülf's ihm, wenn sein Gefühl auch schärfer wäre? Schmerz und Pein, I Da er vor alles zittern müßte, verletzten, qvälten ihn und drüngen, I Bey ihm durch alle Poros ein. I Ein fein und stärkerer Geruch, würd' ihm nicht minder Schaden bringen, I Da der Geruch von einer Rose ihm, gleichsam durch der Dünste Bürde I Und angewürzte strenge Kräfte, fast sein Gehirn verrücken würde.>Certitudo moralisMoralisch heißt eigentlich, waz der Regel der Sittlichkeit gemäß, auf dieLenkung meines Willens einfließt; und also heißt das sehr uneigentlich und also gar nicht philosophisch-moralisch gewiß, was der Mathematischen Gewißheit entgegengesetzt, einen großen Grad der Wahrscheinlichkeit hat. .. Kinder, die feige erzogen werden, lügen; da sie schwach sind, sich zu überwinden.« (Praktische Philosophie Her der, AA XXVII 61; vgl. 15,25 und AA VII 205)

19,23

Anmerkungen

167

19,12 Man muß durchaus ... ] Zur Häßlichkeit der Lüge vgl. 39,4; 52,13; 65,6 und AAXV 438. Die Verknüpfung von ästhetischen und ethischen Begriffen findet sich bei Kant schon früher, z. B. in der Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze von 1764; wo von der »unmittelbaren Häßlichkeit>in unserer Sittlichkeit>Der Toback ... ist zunächst mit einer unangenehmen Empfindung verbunden. Aber gerade dadurch, daß die Natur ... diesen Schmerz augenblicklich aufhebt, wird er ... zu einer Art von Gesellschaft durch Unterhaltung und immer neuer Erweckung der Empfindungen.« (AA VII 323, vgl. auch AA XV 722) Und wenn Kant in den Beobachtungen (AA II 211,23) von dem »schönen Contrast« spricht, durch den die >>hohen Empfindungen« im >>heiteren Scherz« aufgelöst werden, so weiß man, wenn man die Anthropologie gelesen hat, daß er die allzu hohen Empfindungen der RichardsonRomane und den ironischen Witz der Romane Fieldings assoziiert. (Vgl. die in Am. zu 4,5 zitierte Äußerung Kants über die beiden bei der Erörterung des Kontrast-Begriffs in der Anthropologie, AA VII 163) 24,1 Es ist unnatürlich ... ] >>Hofmeister als Jean-Jacques«- das bezieht sich natürlich auf den Erzieher des Emile, nicht auf die Person des Autors. Trotz der stark autobiographischen Färbung spricht in dem >>ich« seiner Schrift nicht Rousseau, sondern eine von ihm geschaffene Kunstfigur. Die darstellerische Fiktion des Erziehers beschränkt sich keineswegs nur auf die Rolle einer Rahmenerzählung, wie sie für die Einschaltung des >>Glaubensbekenntnis des savoyischen Vikars« in das 4. Buch des Emile verwendet wurde. Vielmehr wird die alles entscheidende Hauptrolle bei Entwurf, Begründung und Anwendung des Konzepts einer naturgemäßen Erziehung von ihm, dem großen Namenlosen, gespielt. Dabei mutet Rousseau seiner Figur einiges an Künstlichkeit zu. Eine der offensichtlich artifiziellen Konstruktionen des Emile kritisiert Kant an dieser Stelle: die des Lehrers, der sein Leben in allem mit dem seines Schülers teilt. Gerade diese Klausel erachtet Rousseau für wesentlich: >>daß Schüler und Lehrer sich als unzertrennlich betrachten, daß sie ihr beiderseitiges Los immer als gemeinschaftliches Los empfinden«. (Emile, 1. Buch, 138) Daß ein Mensch sein Leben darauf verwendet, ein einziges Kind leben zu lehren, hält Kants gesunder Menschenverstand für unnatürlich und unökonomisch. Ökonomischer wäre es, wenn die Geistlichen auf dem Land Schulen einrichteten. Seine Aufforderung an Rousseau, zu zeigen, wie den Prinzipien des Emile gemäß ein neues Schulsystem aufgebaut werden könne, beruht aber auf einer Fehlinterpretation. Das Ausmaß des »Gekünstelten« in der Komposition des weitschweifigen Werks entgeht Kant. Zwar behauptet Rousseau, sein Erziehungsmodell solle >>den Menschen für alle Verhältnisse tauglich machen« (138), doch schon von den Voraussetzungen her, die er einleitend aufzählt- Auswahl des Kindes, Ausschluß der Eltern, Ausstattung des Erziehers, eines >>heroischen Übermenschen« (132), mit allen Qualitäten seines >>legislateur«ist die praktische Tauglichkeit und Anwendbarkeit in der Gesellschaft des 18. Jahrhunderts mehr als fraglich. Und Rousseau wußte das (vgl. seinen Brief an Abbe Maydieu vom 28. Februar 1770): Realisiert werden könne sein Plan nur insgesamt oder gar nicht. Denn der Plan (oder Traum) einer zweiten Menschwerdung des vergesellschafteten Menschen basiert in seiner detaillierten Durchführung allein auf den Leistungen des fiktiven Erzieher-Übermenschen. >>Ich gebe meine Träumereien auch als solche aus und überlasse es dem Leser herauszufinden, ob sie für wache Menschen etwas zu bedeuten haben.« (2. Buch, 249) Der Erzieher leitet, dirigiert und kontrolliert Emiles programmatischen

172

Anmerkungen

24,22

Weg in die Freiheit. Ohne seine Diktatur ist diese Freiheit undenkbar. Aber- so wäre zu fragen - könnte nicht der erwachsene Emile die Funktion des Erziehers übernehmen? Durch sein Beispiel ein Schneeballsystem in Gang setzen? Wohl kaum. Emile ist zwar »Musterbild>Rückkehr in die Wälder« dahingehend zuspitzt, daß das methodische Zurücksehen und nicht etwa das tatsächliche Zurückgehen Sinn derartiger, scheinbar nostalgischer Erwägungen sei. (Vgl. AA VII 116; AA VII 326f.; AA XV 889f.) Das ausführliche Rousseau-Zitat läßt eine so klare Aussage nicht zu. Im Wald mit den Bären zusammenleben zu können- das ist im Grunde eben doch Rousseaus Traum. Er würde nur allzu gern zurückgehen, wenn er nur könnte; das Zurücksehen allein ist für ihn, anders als für Kant, keine methodische Veranstaltung zum Nutzen der Wissenschaft,

176

Anmerkungen

27,1

sondern eher eine Ersatzveranstaltung für nicht realisierbare Bedürfnisse. Das bestehende Gesellschaftssystem erscheint als ein derartig dichtes Abhängigkeitsgeflecht, geprägt von der Unterwerfung unter das Diktat der Priester, der Gesetze, der öffentlichen Meinung, daß kein Entkommen möglich scheint. Erst der Blick zurück ins verlorene Paradies archaischer Unschuld offenbart mit der Möglichkeit eines anderen Lebens zugleich die Unfähigkeit, den verinnerlichten Prägungen durch die eigene Gesellschaft zu entrinnen, und führt dazu, daß man die Gesellschaft und sich selbst nur noch mehr verachtet. Wer immer also sich zutraut, mit Bären zu leben, Eicheln zu essen, auf den Trost der Religion zu verzichten, die Annehmlichkeiten von Wissenschaft, Technik und Handel zu entbehren, den Zwang der Gesetze und den Zwang anderer Menschen ebensowenig zu brauchen wie ihre Hilfe und ihr Mitleid - der jedenfalls hat Rousseaus Segen. Er selbst und seine Welt werden sich weiterhin mit den »scheinbaren Vorteilen« und den noch größeren >>wirklichen Drangsalen« abfinden müssen. Kant sieht das alles gelassener, der Blick zurück im Zorn ist ihm fremd; er sucht ein Richtmaß, an dem ablesbar ist, was verloren und was andererseits gewonnen wurde, um innerhalb der gegenwärtigen Gesellschaft den Weg in eine bessere, wenn auch gewiß nicht paradiesische Zukunft zu finden. Vermutlich würde er, die Skala Rousseaus umdrehend, von »wirklichen VorteilenFeuerelementBei den Körpern bemerke ich zwei Arten von Bewegung, nämlich übertragene Bewegung und spontane oder aus eigenem Antrieb erfolgende Bewegung. Bei dem ersteren ist die treibende Ursache dem bewegten Körper fremd, bei der zweiten liegt sie in ihm selbst. Daraus schließe ich nicht, daß z. B. die Bewegung einer Uhr aus eigenem Antrieb erfolgt, denn wenn nichts Fremdes auf das Uhrwerk einwirkte, würde es keineswegs danach trachten, sich wieder aufzuziehen. Aus demselben Grund würde ich auch den Flüssigkeiten keinen eigenen Antrieb zuerkennen, auch selbst dem Feuer nicht, das sie zur Flüssigkeit macht.>Die Chemiker betrachten das Phlogiston oder das Element

65,6

Anmerkungen

221

des Feuers als etwas Vertrautes, Unbewegliches, das in den Mischungen, deren Teil es ist, stagniert bis von außen kommende Ursachen es freimachen, vereinigen, in Bewegung setzen und in Feuer verwandeln.HerrschaftPhantasie ist unser gutergeniusoder daemon, welcher die Herrschaft unserer Willkühr verachtet und sich, ob sie gleich disciplinirt seyn möchte, doch oft in Freyheit setzt und mit dem Menschen davon rennt ... Sie ist die Qvelle aller unserer entzückendsten Freuden, im gleichen unserer Leiden. Die Liebe lebt blos durch sie.>Weil die Einbildungskraft reicher und fruchtbarer an Vorstellungen ist als der Sinn, so wird sie, wenn eine Leidenschaft hinzutritt, durch die Abwesenheit des Gegenstandes mehr belebt als durch die Gegenwart: wenn etwas geschieht, was dessen Vorstellung, die eine Zeit lang durch Zerstreuungen getilgt zu sein schien, wiederum ins Gemüth zurückruft ... Diese Krankheit als Wirkung einer dichtenden Einbildungskraft, ist unheilbar: außer durch die Ehe.>Das uneigennützige Gefühl ist der Anziehungskraft ähnlich und der Zurückstoßung das eigennützige.gleichsam ... die thierische Welt bewegen>gleichsam thierischenRegel der Analogie gemäß der Naturordnung